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German Pages 295 Year 1985
Marklen Ivanovic Lazarev
Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts
VERöFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS FüR INTERNATIONALES RECHT AN DER UNIVERSITÄT KIEL
Herausgegeben von Jost Delbrück . Wuhelm A. Kewenig . Rüdiger Wolfrum 91
Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts
Von
Marklen Ivanovic Lazarev Akademie der Wissenschaften der UdSSR Institut für Staat und Recht
übersetzt von Dr. iur. Elmar Rauch LL. M.
DUNCKER &
HUMBLOT
I
BERLIN
Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung, Köln
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Lazarev, MarkIen Ivanovic: Theoretische Fragen des modernen Seevölkerrechts I von Marklen Ivanovic Lazarev. übers. von Elmar Rauch. - Berlin: Dunck:er und Humblot, 1985. (Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; 91) Einheitssacht.: Teoreticeskie voprosy sovremennogo meidunarodnogo morskogo prava (dt.) ISBN 3-428-05835-6 NE: Institut für Internationales Recht (Kiel): Veröffentlichungen des Instituts ...
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Satz: Feese & Schulz, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany
© 1985 Duncker
ISBN 3-428-05835-6
Vorwort Das Institut für Staat und Recht der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, dessen Abteilung für See-, Luft- und Weltraumrecht Professor Lazarev von 1969 bis 1979 leitete, hat dem stürmischen und revolutionären UmbruCh des Seevölkerrechts in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten von Anfang an besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die praktischen Fragen dieses Völkerrechtszweiges werden in einem dreibändigen Werk unter dem Titel .Modernes Seevölkerrecht" abgehandelt, die in den Jahren 1974, 1978 und 1984 ersChienen sind. Die beiden ersten Bände habe ich bereits in deutscher Ubersetzung vorgelegt: Bd. 1: Modernes Seevölkerrecht. Die Rechtsordnung der Gewässer und des Bodens des Weltmeeres, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1978; Bd. 2: Modernes SeevölkerreCht. Wissenschaftliche Forschung, Schutz der Meeresumwelt, Handels- und Kriegsschiffahrt, Peter Lang Verlag, Frankfurt/Main, Bern, 1981. Eine deutsche Ubersetzung des dritten Bandes mit dem Titel .Modernes Seevölkerrecht. Zusammenarbeit der sozialistischen Länder, Wirtschaftszone, Internationale maritime Organisationen, Streitbeilegung, Problem der Begrenzung der Seerüstung" soll im Jahre 1986 in dieser Schriftenreihe erscheinen. M. I. Lazarev war nicht nur verantwortlicher Redakteur dieser drei Bände, er hat auch. als Mitglied der drei Autorenkollektive mehrere Kapitel verfaßt. Das vorliegende Buch rundet das .Moderne Seevölkerrecht" ab und behandelt, wie schon der Titel sagt, theoretische Fragen. Es läßt sich in zwei etwa gleich gewichtige Hälften teilen. Die erste enthält vorwiegend wissenschaftstheoretische Darlegungen. Entsprechend dem dialektischen und historischen Materialismus ist das sowjetische Verständnis vom Seevölkerrecht marxistisch-leninistisches Rechtsdenken im maritimen, internationalen Rahmen und wird durch den Klassencharakter der Staaten bestimmt. Lazarev richtet seine Untersuchungen an der Lehre von der schöpferischen Eigenkraft des ideologischen Uberbaus im Verhältnis zur ökonomischen Basis aus. Auch das Seevölkerrecht darf den jeweiligen Erfordernissen der sowjetischen Außenpolitik und der seerechtspolitischen Strategie der KPdSU auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus nicht entgegenstehen. In der zweiten Hälfte werden daraus konkrete Konsequenzen gezogen. Am bedeutsamsten sind hier die beiden Kapitel über 7 mondialistische
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Vorwort
(supranationale) und 12 nationalistische Konzeptionen des Seevölkerrechts und die in diesem Zusammenhang vorgenommene erste umfassende Gesamtbeurteilung der am 10. Dezember 1982 in Montego Bay/ Jamaica abgeschlossenen 3. VN-Seerechtskonferenz aus der Feder eines sowjetischen Wissenschaftlers. Es ist interessant, daß Konzeptionen und Vorstellungen der Entwicklungsländer mit derselben Härte kritisiert und als unhaltbar verworfen werden wie Lehren der bürgerlich-kapitalistischen Staaten. Mit Entschiedenheit weist Lazarev die These zurück, die 3. VN-Seerechtskonferenz sei eine "Wasserscheide" zwischen altem und neuem Seevölkerrecht und das Recht der vier Seerechtskonventionen von 1958 sei veraltet und wegen seines imperialistischen Charakters überholt. Das "alte" Seevölkerrecht im allgemeinen und das Prinzip der Freiheit der Hohen See im besonderen werden als nicht-imperialistisch und demokratisch dargestellt und verteidigt. Wie ein roter Faden zieht sich die Souveränität der Staaten als Völkerrechtssubjekte durch Lazarevs Untersuchungen. Allen überstaatlichen Mechanismen und Strukturen wird eine klare Absage erteilt. Der Autor nimmt immer wieder Anstoß daran, daß Staaten, die selbst nichts zur Erforschung und Erschließung des Weltmeeres beitragen, an den Ergebnissen solcher Bemühungen anderer Staaten beteiligt werden. Ebenso wie zahlreiche mondialistische Doktrinen werden auch nationalistische Konzeptionen wie das Patrimonialmeer und die Totalteilungstheorie ausführlich erörtert und verworfen. Neben dem Tiefseebergbauregime sind es aus dem Bereich des allgemeinen Seerechts vor allem die Hohe-See-Freiheiten in fremden Wirtschaftszonen, die Transitpassage durch internationale Meerengen und das Forschungsregime auf fremden Festlandsockeln und in fremden 200-sm-Zonen, die dem Autor am meisten Sorge bereiten. Sehr geschickt nimmt Lazarev die sowjetische Verhandlungsposition zurück, soweit sie auf der 3. VN-Seerechtskonferenz nicht durchzusetzen war. Mit Bezug auf das Tiefseebergbauregime etwa stellt er zutreffend fest, wenn es nicht mehr möglich sei, auf einen .schillernden und reißerischen" Begriff zu verzichten, dann müsse man ihn eben entsprechend richtig interpretieren. Die Konzeptionen der Ausschließlichen Wirtschaftszone und des Gemeinsamen Erbes der Menschheit werden von Lazarev akzeptiert, er wendet sich nur noch gegen "extremistische Auslegungen", die nach seiner Ansicht in der Seerechtskonvention vom 10. Dezember 1982 keinen Ausdruck gefunden haben. Er geht hart ins Gericht mit der schleichenden Jurisdiktionsanmaßung der Küstenstaaten, einschließlich derjenigen der Dritten Welt. Lazarev sieht natürlich die "Diskrepanz" zwischen dem Wirtschaftszonen- und Festlandsockelregime einerseits und dem Gemeinsamen Erbe
Vorwort
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der Menschheit andererseits - nach meiner Auffassung ist insbesondere die seewärtige Abgrenzung des Festlandsockels eine Perversion der Konzeption des Gemeinsamen Erbes der Menschheit -, daß nämlich einige Miterben die wertvollsten Erbstücke vorab aussondern und an sich bringen. Er preist noch einmal die Vorzüge der von der sowjetischen Wissenschaft und Diplomatie entwickelten Konzeption der Gemeinsamen Nutzung an und gelangt dann bei "richtiger, demokratischer" Auslegung der in der Seerechtskonvention von 1982 enthaltenen Konzeption des Gemeinsamen Erbes der Menschheit zu dem Ergebnis, daß beide Konzeptionen übereinstimmen und mit dem Prinzip der Freiheit der Hohen See nicht im Widerspruch stehen. Ebenso stellt er fest, daß die Wassersäule der Ausschließlichen Wirtschaftszone nach der Seerechtskonvention von 1982 Hohe See sei. Auch weniger grundsätzliche Uberlegungen und Erkenntnisse sind von Interesse für den westlichen Völkerrechtler. So taucht beispielsweise trotz des Teils IX. der neuen Seerechtskonvention bei Lazarev die alte sowjetische Lehre von der Beschränkung der Kriegsschiffahrt von Nichtanliegerstaaten in Geschlossenen Meeren wieder auf. Oder er stellt bei einer vergleichenden Betrachtung des Luftrechts fest, daß Raumflugkörper gewohnheitsrechtlich in niedrigen Flughöhen trotz der Souveränität den Luftraum anderer Staaten durchfliegen dürfen. Störend fällt gelegentlich auf, daß das Manuskript vor Abschluß der 3. VN-Seerechtskonferenz und vor Unterzeichnung der neuen Seerechtskonvention fertiggestellt, anschließend jedoch zum Teil noch einmal überarbeitet wurde. Von beiden Ereignissen wird teils in der Zukunft, zum Teil in den Zeitformen der Vergangenheit gesprochen. Der sachliche Wert der Arbeit wird dadurch nicht geschmälert. Bekanntlich lassen sich auch mit der Maxime "so genau wie möglich und so frei wie nötig" nidlt alle konkreten Zweifelsfragen einer Ubersetzung aus einer anderen Sprache aus philologischer Sicht zufriedensteIlend lösen. Ich habe mich bemüht, dem deutschen Völkerrechtler die Gedankengänge des sowjetischen Autors exakt zu vermitteln, wobei es in meinen Augen kein Nadlteil ist, wenn bei der Lektüre gelegentlich Eigenheiten der russischen Sprache erkennbar werden. Auch bei der Ubersetzung der Bezeichnung und Titel völkerrechtlicher Verträge habe ich vereinzelt nicht auf die amtliche deutsche Ubersetzung im Bundesgesetzblatt zurückgegriffen, die auf den englischen und französischen Alternaten beruht, sondern habe mich eng an die gleichermaßen authentische russische Fassung gehalten. Für mich war die Arbeit an der hiermit vorgelegten Ubersetzung besonders reizvoll, weil Lazarevs Buch die Ergebnisse meines Versuchs
Vorwort
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einer Analyse der sowjetischen Haltung auf der 3. VN-Seerechtskonferenz aus westlicher Sicht (Die Sowjetunion und die Entwicklung des Seevölkerrechts, Wissenschaftlicher Autoren-Verlag Berlin, 1982) in einem verblüffenden Ausmaß bestätigt. Bonn, im Juni 1984
Elmar Rauch
Vorbemerkung Der russische Originaltitel des Buches lautet: TEORETICESKIE VOPROSY SOVREMENNOGO ME2DUNARODNOGO MORSKOGO PRAV A Es wurde vom Institut für Staat und Recht der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zum Druck freigegeben und ging am 19. August 1982 in den Satz und am 10. Februar 1983 in DruCk. Das Werk erschien im Verlag "Nauka", 117864 GPS-7, Moskva, V-485 , Profsojuznaja ul., 90. Auf der RüCkseite des Innentitels befindet sich in russischer und englischer Sprache folgende Inhaltsangabe: Die Monographie legt das Wesen des Seevölkerrechts als eines Zweiges des allgemeinen Völkerrechts dar, erörtert die Frage seiner Untergliederungen sowie seiner Stellung im System anderer Zweige des Völkerrechts und erläutert die Frage, ob das Seevölkerrecht ein komplexer Rechtszweig ist oder nicht. Der Autor gibt eine Definition der Elemente der Völkerrechtsordnung auf dem Weltmeer, analysiert kritisch die supranationalen und nationalistischen Konzeptionen des Seevölkerrechts, insbesondere die extremistische und maximalistische Auslegung des Prinzips des Gemeinsamen Erbes der Menschheit.
Inhaltsverzeichnis Einführung ...........................................................
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KAPITEL I Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts 1. Gemeinsamkeiten
des Seevölkerrechts und des Völkerrechts in corpore ........................................................... 2. Der Klassencharakter des allgemeinen Völkerrechts und des Seevölkerrechts ...................................................... 3. Spezifische Besonderheiten des Seevölkerrechts .................... 4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht ..........................
20 21 28 31 52
KAPITEL 11 Untergliederungen des Seevölkerrechts
1. Traditionelle Untergliederungen .................................. 2. Neue oder sich herausbildende Untergliederungen ................. 3. Problem der Kollision von Normen des Seerechts ..................
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67 71 81
KAPITEL 111 Das Seevölkerrecht im System anderer Zweige des Völkerrechts
84
1. Seevölkerrecht und internationales Luftrecht ......................
85 2. Seevölkerrecht und internationales Weltraumrecht ................. 90 3. Seevölkerrecht und internationales Atomrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 101 4. Seevölkerrecht und Internationales Seeprivatrecht KAPITEL IV über die Komplexität des Seevölkerrechts
111
1. Begriff der Komplexität des Rechts ................................ 111 2. Ist das "Seevölkerrecht" ein komplexer Zweig? .................... 116 3. Komplexität des Seevölkerrechts im weiten und engen Sinne ...... 119
12
Inhaltsverzeichnis KAPITEL V
Die Völkerrechtsordnung auf dem Weltmeer 1. Grundzüge der Rechtsordnung auf dem Weltmeer .................. 2. Rolle und Platz des Seevölkerrechts und des innerstaatlichen Seerechts in der Seevölkerrechtsordnung ............................ 3. Problem der Wechselbeziehungen globaler und regionaler Regimes in der Seevölkerrechtsordnung .................................... 4. Die Völkerrechtsordnung und die Frage der Nichtanwendung von Gewalt in den internationalen maritimen Beziehungen. Das Problem der maritimen Abrüstung .........................................
134 134 148 153 156
KAPITEL VI
Mondialistische Konzeptionen des Seevölkerrechts 1. Konzeption des imperialistischen Charakters des "alten" Seevölker-
rechts und seines Unterganges .................................... 2. Konzeption der überalterung des Prinzips der Freiheit der Hohen See ............................................................... 3. Konzeption eines neuen, auf Gewohnheit beruhenden Seevölkerrechts ............................................................. 4. Extremistische Auslegung der Konzeption des Meeresbodens als gemeinsames Erbe der Menschheit ................................ 5. Konzeption einer überstaatlichen Macht für die Regelung der Beziehungen auf dem Weltmeer .................................. 6. Konzeption der Notwendigkeit der Erhebung von Abgaben für die Tätigkeit auf dem Weltmeer ...................................... 7. Konzeption der Meeresökologie als Grundlage des Seerechts ........
162 162 166 175 178 197 201 212
KAPITEL VII
Nationalistische Konzeptionen des Seevölkerrechts 1. Extremistische Auslegung der Konzeption der besonderen und bevor-
zugten Rechte und Interessen der Entwicklungsländer ....... . . . . . .. Konzeption der absoluten Souveränität des Küstenstaates .......... Konzeption der nationalen Jurisdiktion des Küstenstaates .......... Konzeption des 200-sm-I{üstenmeeres ............................. Konzeption eines unterstellten internationalen Mandats für den Küstenstaat ....................................................... 6. Konzeption des Patrimonialmeeres ................................ 7. Konzeption der Jurisdiktion des Hafenstaates (Einlaufhafens) ...... 8. Konzeption der Aufteilung des Bodens des Weltmeeres unter die Küstenstaaten ....................................................
2. 3. 4. 5.
225 225 227 230 233 237 240 244 249
Inhaltsverzeichnis 9. Konzeption der Aufteilung des Bodens des Weltmeeres unter alle Staaten ........................................................... 10. Konzeption der ausschließlichen Wirtschaftszone (extremistische Auslegung) ........................................................ 11. Konzeption des Aufschnürens des "Pakets" ....................... 12. Konzeption des Moratoriums für die Ausbeutung der Naturschätze des internationalen Meeresbodens .................................
13
251 265 276 283
Nachwort ............................................................. 286 Sachwortverzeichnis
291
aber den Autor ....................................................... 293
Einführung Die wissenschaftlich-technische Revolution ermöglichte es den Staaten und Völkern, das Weltmeer, diese gigantische "Sparbüchse" biologischer und mineralischer Naturschätze, Quelle von Energie und wissenschaftlicher Erkenntnis, Generator des Sauerstoffs unseres Planeten, wichtigster Bereich der Kommunikation und riesiges ökologisches Milieu, noch intensiver zu nutzen. Ständig befinden sich zwischen 2 und 3 Millionen Menschen auf dem Weltmeer1 , die sich mit überkommenen und neuen Arten der Meeresnutzung befassen. Mehr als 80 Ofo des Welthandels entfällt auf den Seetransport. 2 Die wissenschaftlich-technische Revolution und das Anwachsen der maritimen Aktivitäten der Staaten führten zu der Forderung, die zeitgenössischen internationalen maritimen Beziehungen rechtlich neu zu ordnen. Eine solche Neuregelung soll die Entwicklung der Völker beschleunigen und muß Entwicklungsländern und technisch entwickelten Ländern, großen und kleinen Staaten, Küstenstaaten und Binnenländern, geographisch benachteiligten Staaten und Staaten in geographisch günstiger Lage gleichermaßen gerecht werden. Die weitere gerechte Umgestaltung der Weltwirtschaftsordnung, die bereits im Jahre 1917 begonnen wurde, erstreckt sich auch auf die internationalen maritimen Beziehungen. Länger als 10 Jahre dauerten die im Rahmen der Vereinten Nationen durchgeführten ergänzenden Arbeiten an der Völkerrechtsordnung des Weltmeeres, die durch die "maritime wissenschaftlich-technische Revolution" und durch die Intensivierung der Tätigkeit der Staaten zur Erschließung der Naturschätze des Weltmeeres notwendig wurden. Die Schwierigkeit der Erarbeitung einer für alle Staaten unserer heutigen, vielfältigen Welt annehmbaren universellen Konvention, die jede Art wirtschaftlicher Tätigkeit in allen ozeanischen Räumen regelt, ergibt sich aus der außerordentlichen Verschiedenartigkeit der aufgeworfenen Fragen, der großen Anzahl der Probleme (ungefähr 120 schwerwiegende und leichtere Fragen wurden auf den Sitzungen der 3. VN-Seerechts1 Siehe Poksisevskij, V. V., Geografija rasselenija na beregach Mirovogo okeana, in: Geografija Mirovogo okeana; Ekologiceskaja geografija Mirovogo okeana, Leningrad, Verlag Nauka 1979, S. 83. ! VasiIevskij, L.I. u. a., Geografija morskogo transporta, in: Geografija Mirovogo okeana (Anm. 1), S. 166.
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Einführung
konferenz beraten), der großen Zahl der interessierten Staaten (150), den sachlichen Unterschieden zwischen den Positionen der Regierungen, die durch geographische Lage, widerstreitende maritime Interessen, gesellschaftlich-klassengebundene Einstellung usw. bedingt sind, dem Nationalismus, der in einigen Fällen bis zum Äußersten getrieben wurde, dem Wunsch gewisser Kräfte, eine supranationale, "mondialistische" Rechtsordnung zu schaffen, den "Explosionen" auf dem Energiesektor, bei der Okologie und dem Bevölkerungszuwachs, dem Fehlen von Präzedenzfällen für die Lösung derartig umfassender, globaler Probleme und aus anderen Ursachen. Solange die 3. VN-Seerechtskonferenz ihre Arbeiten nicht abgeschlossen hatte, wurden Versuche unternommen, Boden, Untergrund und Gewässer des Weltmeeres sowie den Luftraum darüber durch die Verabschiedung nationaler Gesetzesakte unter Verletzung des geltenden Rechts jurisdiktionsmäßig aufzuteilen. "Aber das Meer, als ein allgemeiner, geräumiger Weg aller Völker kann nicht unter der Souveränität irgendeiner Macht stehen" - sagte schon K. Marx. 3 Wie auf dem XXV. Parteitag der KPdSU ausgeführt wurde, kann die UdSSR bei der Lösung der Probleme des Weltmeeres nicht abseits stehen, sie nimmt aktiv an der internationalen Zusammenarbeit teil. 4 Auf dem XXVI. Parteitag der KPdSU wurde unterstrichen, daß es in unserer gegenwärtigen Epoche nötig und möglich ist, den Grundstein für den äußerst wichtigen Prozeß einer Verringerung der militärischen Präsenz in verschiedenen Bereichen des Weltmeeres zu legen. 5 Bei der Sicherung einer friedlichen und vernünftigen Einstellung zum Weltmeer sowie der Verhütung seiner Nutzung zu kriegerisch-aggressiven Zwecken spielen die Normen des Völkerrechts eine wichtige Rolle, welche die maritimen Beziehungen der Staaten regeln sollen. In unseren Tagen, in denen allgemein eine gewisse Umbewertung der normativen und praktischen Werte im Völkerrecht stattfindet, haben Fragen der Theorie eine große Bedeutung. 6 Jedoch kann die Völkerrechtstheorie trotz bedeutsamer Erfolge in den letzten Jahren insgesamt sowie in einzelnen Zweigen, im Völkerrecht, Weltraum-, Atom-, Luft- und Seerecht nicht immer mit der stürmischen Entwicklung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und der dadurch bedingten a Marx, K. / Engels, F., Gesammelte Werke (russ.), 2. Auflage, Bd.15, S.439.
Siehe Materialy XXV s'ezda KPSS, Moskva, Politizdat 1976, S.62. Materialy XXVI s'ezda KPSS, Moskva, Politizdat 1981, S.23. 6 Siehe Fedoseev, P. N., Filosofskie i mirovozzrenceskie problemy sovremennoj nauki, in: Filosofskie i mirovozzrenceskie problemy sovremennoj nauki, (XVI Vsemirnyj filosofskij kongress), Moskva, Verlag Nauka 1981, S.4-48. 4
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Einführung
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rechtlichen Erfordernisse Schritt halten. Die Seevölkerrechtler, die das besonders deutlich spüren, sind aufgerufen, ihr Scherflein zur Theorie des Völkerrechts beizutragen. Es kann auch keine Rede vom "Absterben" des Völkerrechts in den bevorstehenden Jahrzehnten sein. Im Gegenteil, es besteht eine Tendenz zur Vergrößerung des Umfangs nicht nur des Seevölkerrechts, sondern auch des allgemeinen Völkerrechts insgesamt, zur Erweiterung seiner Vielschichtigkeit, zur Vertiefung seines Inhalts und zur Stärkung der imperativen Bedeutung seiner Normen. Jedes Normsystem, sei es groß oder klein, und manchmal sogar die einzelne Norm bedarf der Erläuterung, Begründung und theoretischen Erhärtung. Deshalb führten die konkreten Interessen und die Praxis der Staaten in den letzten Jahrzehnten zum Auftauchen entsprechender Konzeptionen des Seevölkerrechts. Viele dieser Konzeptionen haben noch keine abschließende Form angenommen. Fast jede von ihnen hat sowohl eine maximalistische als auch eine maßvolle Auslegung. Die richtige Auswahl ihrer Elemente und die Erläuterung ihrer Bedeutung für die Bildung neuer Seevölkerrechtsnormen ist äußerst wichtig für die Verhütung einer Vorherrschaft kapitalistischer Monopole, für den Kampf gegen die Erscheinungsformen des Neokolonialismus und Imperialismus und für die Lebensfähigkeit der im Jahre 1982 von der 3. VNSeerechtskonferenz verabschiedeten Seerechtskonvention. V. I. Lenin wies darauf hin, daß es notwendig ist, "sich in den gängigen Phrasen und verschiedenerlei Sophismen auszukennen, mit denen jede Klasse und jede Schicht ihre egoistischen Ansprüche und ihr wirkliches ,Inneres' verschleiert. "7 Es muß erwähnt werden, daß die Herausarbeitung einiger bürgerlicher Konzeptionen des Seevölkerrechts in ihrem Reinzustand, voneinander isoliert, eine Sache ist, die mit einem Vorbehalt zu versehen ist. Manchmal sind die Konzeptionen miteinander verflochten, berühren einander oder ergänzen sich gegenseitig. So verschmolz etwa die Konzeption des Patrimonialmeeres in der Form, in der sie anfangs verkündet wurde, praktisch mit der Konzeption eines 200-sm-Küstenmeeres. Ein anderes Beispiel ist die Konzeption einer Abgabe für die Tätigkeit der Staaten auf dem Weltmeer. Ungeachtet ihrer Selbständigkeit stellen ihre Erfinder sie sich faktisch als Bestandteil der Konzeption der Schaffung einer supranationalen Behörde für Fragen der maritimen Beziehungen vor, der Errichtung einer Art "Weltmeeresregierung" . Aber unabhängig von einer derartigen wechselseitigen Beeinflussung und "fließenden Ubergängen" ist die Herausarbeitung dieser Konzep7
Lenin, V. I., Gesammelte Werke (russ.). Bd. 6, S. 70.
2 Lazarev
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Einführung
tionen und eine gewisse wissenschaftliche "Autonomisierung/l vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gerechtfertigt. Dies ist für die bessere Verdeutlichung des Wesens dieser Konzeptionen und ihrer kritischen Bewertung notwendig. Prinzipiell haben alle modernen bürgerlichen Konzeptionen des Seevölkerrechts entweder einen übersteigert internationalen oder einen übertrieben nationalistischen Charakter. Deshalb können alle Konzeptionen insgesamt in zwei Gruppen eingeteilt werden: mondialistische, die die Schaffung einer mehr oder weniger strengen supranationalen Ordnung vorsehen, oder nationalistische, die von übertrieben aufgefaßten souveränen Rechten der Staaten ausgehen. Zu den mondialistischen gehören u. a. die folgenden Konzeptionen: diejenigen des imperialistischen Charakters des "alten" Seevölkerrechts und seines Untergangs, des Uberholtseins des Prinzips der Freiheit der Hohen See, eines neuen Seevölkergewohnheitsrechts, des gemeinsamen Erbes der Menschheit in einer extremistischen Auslegung, einer supranationalen Macht für die Regelung der Rechtsverhältnisse auf dem Weltmeer, der Meeresökologie als Grundlage des Seerechts und der Notwendigkeit der Erhebung einer Abgabe für die Tätigkeit auf dem Weltmeer. Zu den nationalistischen gehören die folgenden Konzeptionen: die der besonderen und bevorzugten Rechte und Interessen der Entwicklungsländer (extremistische Interpretation), der absoluten Souveränität des Küstenstaates, des 200-sm-Küstenmeeres, der nationalen Jurisdiktion des Küstenstaates, eines unterstellten internationalen Mandats für den Küstenstaat, des Patrimonialmeeres, der Jurisdiktion des Hafenstaates (Einlaufhafen des Schiffes), der Totalteilung des Bodens des Weltmeeres unter alle Staaten, der ausschließlichen Wirtschaftszone in der extremistischen Interpretation, und des Aufschnürens des Pakets. Schließlich steht noch etwas abgesondert die Konzeption eines Moratoriums für die Ausbeutung der Naturschätze des internationalen Meeresbodens. In der Regel sind diese Konzeptionen reaktionär, wenn auch in einzelnen von ihnen ein vernünftiges Körnchen Wahrheit steckt, ein mehr oder weniger konstruktives Element. Sie wurden genutzt, um bei der Kodifikationsarbeit der Vereinten Nationen auf dem Gebiet des Seerechts einen allseitigen Komprorniß zu erzielen. Jedoch muß festgestellt werden, daß extremistische und einseitige Thesen einen zwischenstaatlichen Kompromiß erschweren, der dazu beiträgt, allen Völkern eine gerechte und gleichberechtigte Nutzung des
Einführung
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Weltmeeres, seines Bodens und des Luftraums darüber auf der Grundlage der Achtung der Prinzipien des Völkerrechts zu gewährleisten. Diese Prinzipien, welche die Sowjetunion auch als ihre Verfassungsprinzipien ansieht (Art. 29 der Verfassung der UdSSR) sind die folgenden: Beachtung der souveränen Gleichheit der Staaten, gegenseitiger Verzicht auf die Anwendung oder Androhung von Gewalt, Unantastbarkeit der Grenzen, territoriale Unversehrtheit der Staaten, friedliche Beilegung von Streitigkeiten, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Gleichberechtigung und Recht der Völker, ihr Schicksal selbst zu gestalten, Zusammenarbeit zwischen den Staaten, gewissenhafte Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und aus abgeschlossenen Verträgen ergeben. Auf diesen in Art. 29 der Verfassung der UdSSR aufgezählten Prinzipien basiert die positive sowjetische demokratische Doktrin des Völkerrechts ebenso wie die Bewertung der theoretischen und praktischen Bedeutung der Konzeptionen des Seevölkerrechts. Für die allgemeine Entwiddung und die Erschließung der Reichtümer des Weltmeeres streben die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten aktiv nach der Schaffung einer gerechten, demokratischen und friedlichen Rechtsordnung auf dem Weltmeer, die den Interessen aller Völker gerecht wird. Die Anstrengungen der Völkergemeinschaft führten am 10. Dezember 1982 in Montego Bay auf Jamaica zur Unterzeichnung einer neuen, allumfassenden Seerechtskonvention. Die Unterzeichnung dieser Konvention durch 119 Staaten bereits am ersten Tag war ein Triumph der Sache des Friedens, der Entspannung und der Zusammenarbeit. Lediglich die Vereinigten Staaten, die nach einer Erklärung des Außenministeriums der USA ein "Schlüssel-Teilnehmer der Konferenz"8 waren und die im Verlauf ihrer gesamten Arbeiten einseitig für sich Vorteile erhalten haben, weigerten sich, die Konvention zu unterzeichnen. Sie verfolgen die Idee der Unterzeichnung eines separaten "MiniVertrages" mit ihren Verbündeten, geraten damit jedoch in die Isolierung. 9 Das Schiff der Völkerrechts ordnung wird unter allen Umständen seinen Kurs halten. 8 Siehe Department 01 State, Science, Tedmology and American Diplomacy, Washington 1980, S. 18. D Siehe Kedrov, A., Novaja konvencija po morskomu pravu, in: Mezdunarodnaja zizn' 1982, No. 12, S. 40-48.
2·
KAPITEL I
Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts Die Differenzierungs- und Integrationsprozesse sind auch am modernen Völkerrecht nicht vorbeigegangen. Aus ihm sondern sich bestimmte Zweige ab: Seevölkerrecht, internationales Luftrecht und Weltraumrecht. Ein internationales Atomrecht ist im Entstehen begriffen, und vielleicht spalten sich noch andere Zweige ab. 1 Das Völkerrecht ist ein System von Rechtsnormen, welche die Beziehungen zwischen Staaten, ihre Zusammenarbeit und ihren Wettbewerb regeln, von Normen, deren Quellen Dbereinkommen zwischen den Staaten sind. Diese Dbereinkommen werden freiwillig erfüllt, gelegentlich auch unter kollektivem oder, falls es nach den Normen des Völkerrechts zulässig ist, individuellem Einwirken der Staaten und Völker. Während das Völkerrecht alle internationalen Beziehungen regelt, regelt das Seevölkerrecht die besonderen internationalen maritimen Beziehungen der Staaten. Aus dieser Definition des Seevölkerrechts ergibt sich, daß es ein System von Rechtsnormen darstellt, über die zwischen den Staaten Dbereinstimmung erzielt worden ist und welche die Beziehungen der Staaten bei der Nutzung des Weltmeeres als Mittel der Kommunikation sowie als Quelle von Rohstoffen, Energie und Wissen regeln. Die Normen werden im allgemeinen freiwillig erfüllt, manchmal auch unter kollektivem oder dort, wo das nach den Normen des Völkerrechts zulässig ist, unter individuellem Einwirken der Staaten. 1
Uber das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts siehe:
Mesera, V. F., Mesto morskogo prava v sisteme sovetskogo prava, in: Vestnik LGU. Ekonomika, filosofija i pravo, 1956, No. 5, Ausgabe 1, S.98-110; Tunkin, G. I., Ideologiceskaja bor'ba i mezdunarodnoe pravo, Moskva, Verlag Mezdu-
narod. otnosenija, 1970, S.101-107; ders., Teorija mezdunarodnogo prava, Moskva, Verlag Mezdunarod. otnosenija 1970, S.253-307; Ivanascenko, 1. A., Osnovy mezdunarodnogo prava, Leningrad, Verlag VMOLUA 1965, S. 5-11; Kolodkin, A. 1., Mirovoj okean, Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1970, S.44; Zum Völkerrecht als besonderes Rechtssystem insgesamt siehe Bobrov, R.L., Osnovnye problemy teorii mezdunarodnogo prava, Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1968. Von den allgemeintheoretischen Arbeiten siehe Kerimov, D. A., Filosofskie problemy prava, Moskva, Verlag Mys!' 1972; Alekseev, S. S., Struktura sovetskogo prava, Moskva, Verlag Jur. literatura 1975, S. 161207.
1. Gemeinsamkeiten des Seevölkerrechts und Völkerrechts in corpore
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Einerseits ist das Seevölkerrecht ein integraler Bestandteil des Völkerrechts insgesamt, andererseits unterscheidet es sich durch so wesentliche Besonderheiten, daß es erlaubt ist, von einem selbständigen Zweig des Völkerrechts zu sprechen. 1. Gemeinsamkeiten des Seevölkerrechts und des Völkerrechts in corpore
Was haben das moderne allgemeine Völkerrecht und das Seevölkerrecht gemein? Von den grundlegenden gemeinsamen Charakterzügen seien die folgenden erwähnt. Gemeinsam sind vor allem ihre Zwecke. Zweck des Völkerrechts in corpore ist es, durch das System seiner Prinzipien und Normen alle Beziehungen der Staaten untereinander und mit internationalen Organisationen bei ihrer Zusammenarbeit und ihrem Wettbewerb zu regeln, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen, ihre individuellen und kollektiven Interessen zu schützen und in erster Linie den Frieden, die friedliche Koexistenz, die internationale Sicherheit und die internationale Zusammenarbeit insgesamt zu gewährleisten. Der Kampf für den Frieden, für die internationale Koexistenz von Staaten unterschiedlicher sozial-ökonomischer Systeme, für die internationale Sicherheit, für die Sicherung einer geordneten internationalen Zusammenarbeit in allen Lebensbereichen - Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Okologie usw. -, der für das allgemeine Völkerrecht charakteristisch ist, charakterisiert uneingeschränkt auch das Seevölkerrecht, das auf den Meeren und Ozeanen gilt. Und diese Aufgaben haben für das Seevölkerrecht keineswegs eine zweitrangige, sondern eine wesentliche Bedeutung. Fast alle diese Kategorien, angefangen von der Sicherung des Friedens bis zum rechtlichen Umweltschutz, sind conditio sine qua non für das moderne Seevölkerrecht. Die allgemeinen Ziele und Aufgaben des modernen allgemeinen Völkerrechts werden also völlig vom Seevölkerrecht übernommen. Die Grundprinzipien des Völkerrechts und der VN-Satzung dienen gleichzeitig auch als Grundlagen des Seevölkerrechts. Ihrem Wesen entsprechend bilden die Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts wie Souveränität, Nichteinmischung, Gleichberechtigung und andere die Grundlage aller seiner Zweige - des See-, Luft-, Weltraum-, Atom-, Diplomaten- und Konsularrechts, des Rechts der internationalen Organisationen, der internationalen Sicherheit, des Umweltschutzes u. a. (so kann man es etwa für möglich halten, daß es auch Völkerrechtszweige
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
wie z. B. ein internationales Territorialrecht und ein internationales Flußrecht geben wird). Auf dieser Ebene verhalten sich Seevölkerrecht und Völkerrecht zueinander wie ein Teil zum Ganzen. Eines der Grundprinzipien des modernen Seevölkerrechts, das Prinzip der Freiheit der Hohen See, ist gleichzeitig ein Grundprinzip des Völkerrechts. Es ist kein Zufall, daß die Wissenschaftler einiger maritimer Staaten das Prinzip der Freiheit der Hohen See zu den wichtigsten Grundprinzipien des modernen allgemeinen Völkerrechts zählen. 2 Die zwei wichtigsten Grundsätze, auf denen nach den zutreffenden Ausführungen des russischen Rechtsgelehrten N. A. Sacharov alle Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts beruhen, nämlich der Schutz der Souveränität (Unabhängigkeit) der Staaten und die Aufrechterhaltung ihrer friedlichen internationalen Zusammenarbeit in ihrem gesamten Ausmaß, erstrecken sich auch auf die internationalen maritimen Beziehungen. Identische Subjekte des Seevölkerrechts und des allgemeinen Völkerrechts sind Staaten, um ihre Unabhängigkeit kämpfende Völker und internationale Organisationen. Sowohl im allgemeinen Völkerrecht als auch im Seevölkerrecht ist das wichtigste Subjekt der Rechtsbeziehungen der Staat. Das schließt jedoch die Beziehungen des Internationalen Privatrechts nicht aus (Internationales Privatrecht und Internationales Seehandelsrecht). Auch die Teilnahme internationaler Organisationen in ihrer Eigenschaft als sekundäre Subjekte sowohl der allgemeinen völkerrechtlichen als auch der seevölkerrechtlichen Beziehungen (des öffentlichen und des privaten Rechts) ist zulässig. Bezüglich der internationalen Organisationen sind einige Präzisierungen erforderlich. Wenn eine internationale Sonderorganisation für maritime Fragen, z. B. die International Maritime Consultative Organisation IMCO, sowohl Subjekt internationaler maritimer Beziehungen (im Rahmen ihres Zuständigkeits bereichs) als auch Subjekt allgemeiner internationaler Beziehungen sein kann, so kann dennoch nicht jede andere internationale Organisation stets Subjekt internationaler maritimer Beziehungen sein, weil in einer Reihe von Fällen dafür eine besondere und mitunter ausreichend hochrangig verankerte Kompetenz gefordert ist, die in den Satzungen der Organisation niedergelegt sein muß. Beiden Rechtssystemen gemeinsam sind die Rechtsquellen, nämlich völkerrechtliche Abkommen (Verträge) und völkerrechtliche Gewohnheit. 2
D'Estefano, M. A., Derecho internacional publico, La Habana 1965, S. 64-67.
1. Gemeinsamkeiten des Seevölkerrechts und Völkerrechts in corpore
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Normen des Seevölkerrechts kann man in völkerrechtlichen Verträgen allgemeinen Charakters finden und umgekehrt sind Normen des allgemeinen Völkerrechts in Verträgen und Ubereinkommen enthalten, die gänzlich den internationalen maritimen Beziehungen gewidmet sind und zum Zweig des Seevölkerrechts gehören. Lange Zeit war hauptsächlich die völkerrechtliche Gewohnheit Quelle des Seevölkerrechts. Die Unvollkommenheit der internationalen Ubung (Unbestimmtheit, Schwierigkeit des Nachweises, Leichtigkeit unterschiedlicher, u. a. imperialistischer Auslegungen usw.) und große Kodifizierungsbemühungen führten jedoch dazu, daß die internationale Gewohnheit allgemein durch völkervertragliche Normen verdrängt wurde. Sowohl dem Seevölkerrecht als auch dem allgemeinen Völkerrecht ist bezüglich der Entstehung, Auslegung und Anwendung seiner Normen ein Klassencharakter eigen. Jede herrschende Klasse eines Landes schafft, interpretiert und wendet die Normen des allgemeinen Völkerrechts und des Seevölkerrechts an, indem sie von ihrer Klassenposition ausgeht, was jedoch eine allgemein-demokratische Einstellung zu diesen Normen nicht ausschließt. Sowohl für die Normen des allgemeinen Völkerrechts als auch für die Normen des Seevölkerrechts sind die Ideen der Humanität und der Gerechtigkeit bei der Regelung der zwischenstaatlichen Beziehungen bezeichnend, Ideen, welche die allgemein-demokratischen Interessen aller Völker charakterisieren. Gemeinsame Methode der rechtlichen Regelung ist für das allgemeine Völkerrecht und für das Seevölkerrecht (wie übrigens auch für alle anderen Zweige des Völkerrechts) die Methode, daß die Staaten untereinander ihre Positionen zu Streitfragen der internationalen Beziehungen und die Suche nach übereinstimmenden Positionen in den internationalen allgemeinen oder maritimen Beziehungen abstimmen. Gerade diese Gemeinsamkeit der Methode der Schaffung von Normen des allgemeinen Völkerrechts und des Seevölkerrechts zeigt, daß im Völkerrecht im Gegensatz zum innerstaatlichen Recht die Methode kein systembildender Faktor für die Abspaltung der Zweige vom allgemeinen Völkerrecht ist. Die Methode der Schaffung von Völkerrechtsnormen dient gleichzeitig als wichtiges Kriterium der Abgrenzung des Völkerrechts von anderen Rechtsgebieten, dem staatlichen Recht usw. Die Methode der Subordination, die das staatliche Recht kennt, wird im Völkerrecht durch die Methode der Koordination ersetzt, weIche die Achtung der Souveränität der Staaten und Völker widerspiegelt. Dieser Umstand ist sehr wichtig für den Schutz der Souveränität der Staaten, die Gewähr-
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leistung der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten und die Achtung ihrer Gleichheit. Allgemeines Völkerrecht und Seevölkerrecht haben eine gemeinsame Methode nicht nur bei der Schaffung von Normen (Koordinierung der Positionen). sondern auch bei der Erfüllung dieser Normen (freiwillige Erfüllung, Erfüllung unter kollektivem oder individuellem Einwirken von Staaten) und bei der Uberwachung ihrer Erfüllung (individuelle und/oder kollektive Kontrolle der Staaten oder Völker). Die Indifferenz der Methode der Systembildung im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts unterstreicht besonders deutlich die entscheidende und grundlegende Rolle des Gegenstandes im Prozeß der Systembildung eines Rechtszweiges. Im modernen Seevölkerrecht wie auch im allgemeinen Völkerrecht gibt es eine ganze Reihe sehr wichtiger allgemeiner Rechtsprinzipien, die eine große Bedeutung für die Regelung der maritimen und allgemeinen Beziehungen der Staaten haben, die aber in der Regel in den internationalen normschöpferischen Akten entweder überhaupt nicht erwähnt werden oder die lediglich erwähnt, nicht aber erläutert werden. Diese Prinzipien werden bei der Unterzeichnung und Durchführung internationaler Verträge und Abkommen gleichsam vorausgesetzt. Einige von ihnen sind gewissermaßen "prozessuale" Prinzipien, so zum Beispiel die Prinzipien der Freiwilligkeit, der Gerechtigkeit, der Universalität, der Regionalität, der gerechten geographischen Verteilung der Beamtenposten in internationalen Organisationen, der Gegenseitigkeit, des Kompromisses u. a. Das Prinzip der Freiwilligkeit setzt die Freiheit des Staates voraus, souveräner Herr seiner Handlungen bei der Durchführung völkerrechtlicher Akte zu sein. Nach dem Prinzip der Gerechtigkeit muß eine Entscheidung die Interessen aller betroffenen Parteien angemessen berücksichtigen und den Grundprinzipien des Völkerrechts entsprechen. Das UniversaJitätsprinzip bedeutet das Recht aller Staaten unseres Planeten, an internationalen Akten, Handlungen oder Organen (Organisationen) beteiligt zu sein. Wenn wir von einem universellen völkerrechtlichen Vertrag sprechen, so meinen wir, daß alle Staaten der Erdkugel an ihm beteiligt sind oder das Recht haben, sich an ihm zu beteiligen. 3 Vielfach kann das Universalitätsprinzip auch eine Verpflich3 Zum Prinzip der Universalität siehe Lichacev, V. N., Mesto principa universal'nosti v sisteme principov mezdunarodnogo prava, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava, 1975, Moskva, Verlag Nauka 1977, S. 100--118; ders., Princip universal'nosti v sovremennom mezdunarodnom prave. Avtoref.
1. Gemeinsamkeiten des Seevölkerrechts und Völkerrechts in corpore
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tung beinhalten (beispielsweise die Verpflichtung, sich an anti-nuklea-
ren völkerrechtlichen Verträgen zu beteiligen).4
Umgekehrt bezieht sich das RegionaJitätsprinzip auf eine gewisse Selbständigkeit und bestimmte Privilegien für diejenigen Staaten, die in einer bestimmten Region liegen (jedoch ohne Verletzung der Grundprinzipien des Völkerrechts). Vom Regionalprinzip können jedoch Ausnahmen gemacht werden, wenn beispielsweise die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates im Interesse der Sicherung des Friedens und der internationalen Sicherheit an bestimmten Regionalübereinkommen teilnehmen dürfen. Das Prinzip der gerechten geographischen Verteilung der Beamtenposten setzt das Recht der Staaten aller (oder besonderer) Weltregionen
oder aber der am meisten an der Lösung eines bestimmten Problems interessierten Regionen voraus, in den internationalen Organisationen und Organen vertreten zu sein. Das Prinzip der Gegenseitigkeit liegt praktisch dem gesamten Völkerrecht zugrunde. Jedoch ist in Völkerrechtslehrbüchern, Artikeln und Monographien von diesem Prinzip nicht die Rede. 5 Es wird nur im Zusammenhang mit dem Internationalen Privatrecht erwähnt. Aber das Gegenseitigkeitsprinzip hat eine äußerst unmittelbare Beziehung auch zum modernen Völkerrecht, einschließlich seiner Zweige wie etwa dem Seevölkerrecht. Man kann mit Sicherheit sagen, daß dieses Prinzip conditio sine qua non für das gesamte Völkerrecht ist. Falls ein Staat gegen Prinzipien oder Normen des Völkerrechts verstößt, so kann durch die Anwendung des Prinzips der Gegenseitigkeit eine Bestrafung und Haftung sowie auch die Einstellung der Rechtsverletzung erreicht werden. Das Gegenseitigkeitsprinzip anzuwenden ist leichter und zugleich schwerer als die Anwendung anderer Prinzipien des Völkerrechts. Leichter, weil ein Staat einem anderen Staat gegenüber, der das Völkerrecht verletzt, dieselben Handlungen vornehmen kann wie letzterer: die Immunität seiner diplomatischen oder konsularischen Vertreter einschränken, die Erfüllung von Verträgen vorübergehend aussetzen, den Bürgern des anderen Staates den Rechtsschutz verweigern usw.; schwedis. kand. jur. nauk, Moskva 1978. Jedoch gelangt der Autor nicht zu einer Schlußfolgerung über den international-prozeduralen Charakter des Universalitätsprinzips. 4 Diesem Umstand widmete als erster V. K Sobakin Aufmerksamkeit, siehe Sobakin, V. K, Kollektivnaja bezopasnost', Moskva, Verlag IMO 1966. 5 Das Prinzip der Gegenseitigkeit war Gegenstand einer Vorlesung von Prof. M. Virally im Jahre 1967 auf der Sitzung der Haager Akademie für Völkerrecht; siehe American Journal of International Law 61 (1967), S. 578.
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rer, weil die Anwendung des Prinzips der Gegenseitigkeit in hohem Maße von dem Umfang und der Angemessenheit der Möglichkeiten des Staates abhängt, der das Gegenseitigkeitsprinzip anwendet, von seiner diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Macht, davon, ob sich Bürger und Vermögen des anderen Staates, der das Völkerrecht verletzt, auf seinem Staatsgebiet befinden, usw. Die Unverhältnismäßigkeit der Mittel bei der Anwendung dieses Prinzips war charakteristisch für das Völkerrecht bis zur Sozialistischen Oktoberrevolution. 6 Diese Unverhältnismäßigkeit verringerte sich durch die Entstehung des weltweiten sozialistischen Systems, kraft der vorhandenen weltweiten öffentlichen Meinung, durch die Existenz von über 110 Staaten, die sich vom Joch des Kolonialismus befreit haben, und durch das Anwachsen der Autorität der Vereinten Nationen, die darüber wachen, daß die Staaten die Normen des Völkerrechts einhalten. Alles dies erleichtert die Anwendung des Gegenseitigkeitsprinzips durch Staaten, deren Potential unterschiedlich ist. Eine große Rolle spielt hier auch das Verbot der Gewaltanwendung durch die VN-Satzung, weil dadurch die das Völkerrecht verletzenden Staaten, die großen imperialistischen Mächte, juristisch der Möglichkeit beraubt worden sind, Gewalt anzuwenden. Und für Gegenreaktionen und Gegenmaßnahmen der Staaten, die diese Verletzung erduldet haben, wird nicht mehr die Anwendung von Gewalt gefordert. Es kann sein, daß die Völkerrechtler deshalb fast nichts über das Gegenseitigkeitsprinzip schreiben, weil in ihm kein rechtliches Element gesehen wird. Kann doch die Gegenseitigkeit auch in einem identischen rechtswidrigen Verhalten bestehen! Indessen ist die Gegenseitigkeit oft eine durchaus zuverlässige Garantie für das rechtmäßige Verhalten der Kontrahenten, die Retorsion oder gar Repressalien fürchten. 7 Das Prinzip des Kompromisses besteht in der stillschweigenden Verpflichtung eines jeden Staates, der anderen Seite jeweils bestimmte 6 Die Verneinung des Prinzips der Gegenseitigkeit war charakteristisch für die Epoche der unbegrenzten Herrschaft der Kolonisatoren und Imperialisten. Es fällt schwer, I. Brownlie zuzustimmen, der in seinem zweibändigen Werk zwar das Prinzip der Gegenseitigkeit erwähnt, jedoch nur, um seine Bedeutung abzulehnen, indem er ihm" Unbestimmtheit" zuschreibt und befürchtet, daß dieses Prinzip .als Vorwand für die Nichtbeachtung hergebrachter Standards dienen" kann (Brownlie, I., Mezdunarodnoe pravo, Moskva, Verlag Progress 1977, Bd. 1, S. 477). Der Autor übersieht, daß es im modernen Völkerrecht keine einseitigen Standards gibt, sondern daß die Beachtung der Prinzipien und Normen des Völkerrechts auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. 7 Durch Verordnung des Ministerrats der UdSSR ist das Recht der Retorsion als Antwort auf eine Diskriminierung von Seiten ausländischer Kontrahenten dem Ministerium der Seeflotte der UdSSR gewährt worden. Siehe Pravda, 30. Januar 1979: "V Sovete Ministrov SSSR".
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Zugeständnisse zu machen bei: a) der Ausarbeitung völkerrechtlicher Normen, b) ihrer Auslegung, und c) ihrer Anwendung. Ohne das Vorhandensein eines solchen Prinzips oder seiner Unterstellung wäre das Völkerrecht als solches unmöglich. Man kann sagen, daß das Prinzip des Kompromisses als juristisch verbindliches Prinzip erst im modernen Völkerrecht auftaucht. In der Vergangenheit stand an seiner Stelle das Diktat des starken Staates gegenüber dem schwachen. Jedoch setzt das Prinzip des Kompromisses keinen Komprorniß auf dem Gebiet der Ideologien und des Klassenkampfes voraus und kann einen solchen Komprorniß auch nicht voraussetzen. Der ideologische Kampf und der Klassenkampf stehen außerhalb. iih., ... iI"'TTl Prinzip des Kompromisses. Das Prinzip des Kompromisses darf man nicht mit dem Prinzip der Gleichheit und des gegenseitigen Vorteils verwechseln. Letzteres ist Vorbedingung eines Kompromisses, weil - wie schon V. I. Lenin feststellte - nur Gleiche eine Ubereinstimmung erzielen können. 8 Das Prinzip des Kompromisses (oder seine Vermutung) liegt einer Reihe von Prinzipien und Normen des modernen Seevölkerrechts zugrunde. Beispielsweise baut auf ihm das selten erwähnte Prinzip des Ausgleichs der Rechte des Küstenstaates und der Rechte der anderen Staaten bezüglich des Küstenmeeres, des Festlandsockels, der Anschlußzone, internationaler Meerengen u. a. auf. Es gilt auch im Hinblick auf die Rechtsordnung geschlossener Meere, nach der Handelsschiffe von Nichtanliegerstaaten zugelassen sind, die Anwesenheit von Kriegsschiffen von Nichtanliegerstaaten jedoch ganz oder teilweise ausgeschlossen ist. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das Prinzip des Ausgleichs der Interessen des Meerengenstaates und aller anderer Staaten, welche die Meerenge benutzen u. a. Allem Anschein nach muß man zu den sonstigen Prinzipien der internationalen, zwischenstaatlichen Entwicklung auch das Prinzip der technischen Sicherheit künstlicher Vorrichtungen rechnen, die von einem Staat in den internationalen Beziehungen allgemein und in den internationalen maritimen Beziehungen im besonderen genutzt werden (darunter sind See-, Fluß-, Luft-, Eisenbahn-, Weltraum- und andere Transportmittel und Produktions anlagen zu verstehen). Dieses Prinzip erfordert, daß entsprechende Vorrichtungen durch die Staaten technisch und rechtlich in einer Weise ausgestattet und eingesetzt werden, die jede Störung, Schädigung oder Gefährdung menschlichen Lebens und (oder) Vermögens ausschließt. Sollten derartige negative Folgen eintreten, so muß für ihre schnelle Beseitigung und eine Entschädigung 8
Siehe Lenin. V.I., Gesammelte Werke (russ.), Bd. 32, S.5.
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Das Seevölkerredlt als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
durch den Staat Vorsorge getroffen werden, dem der Gegenstand gehört. Die gemeinsamen Grundlagen, die gemeinsamen Charakterzüge und Eigenheiten des Seevölkerrechts und des allgemeinen Völkerrechts sind so wesentlich und wichtig, daß man eine völlige Einheit dieser beiden Rechtssysteme feststellen kann. Im Zusammenhang mit dem Gesagten wird klar, daß es keinerlei Grund gibt, das Seevölkerrecht vom Völkerrecht zu trennen. Ersteres ist ein Zweig des letzteren, aber ein Zweig, der durchaus besonders und in gewissem Sinne selbständig ist. 2. Der Klassencharakter des allgemeinen Völkerrechts und des Seevölkerrechts Bekanntlich ist die Frage des Klassencharakters des modernen Völkerrechts, das die Beziehungen von Staaten unterschiedlicher Systeme (des kapitalistischen und des sozialistischen) regelt, sehr schwierig. Schwierig deshalb, weil die Beziehungen zwischen Staaten unterschiedlicher sozial-ökonomischer Systeme auf gleichberechtigter und souveräner Grundlage geregelt werden und jedes System danach strebt, sicherzustellen, daß die zu schaffenden oder geltenden Normen des Völkerrechts nicht seine Interessen schmälern und die Interessen der anderen Seite nicht bevorzugen. In der sowjetischen Völkerrechtsliteratur gibt es nur eInIge Fragmente zu diesem großen Problem.9 Fast alle sowjetischen Autoren stimmen darin überein, daß das Völkerrecht Klassencharakter hat. Klassencharakter hat auch das Seevölkerrecht. Die Normen und Institute werden dort, wo dies möglich ist, von jeder Klasse in ihrem Interesse interpretiert und angewandt. Die imperialistische Praxis schuf zu ihrer Zeit die sogenannte Friedensblockade, "das Recht zum Krieg"10, das "Kolonialrecht" , das "Recht des Siegers", die Auslegung der Freiheit der Hohen See als ein Prinzip, das angeblich die Freiheit einschließt, kriegerisch-aggressive Handlungen auf den Meeren durchzuführen, die Anwendung von Gewalt und die Drohung mit Gewalt, die "Kanonenbootpolitik", die Freiheit von Atomversuchen auf den Meeren und Ozeanen usw. v Siehe Esajan, A. A., Nekotorye voprosy teorii i istorii mezdunarodnogo prava, Eriwan 1977; Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava, 1969, Moskva, Verlag Nauka 1970, S. 402 f.; Aleksidze, L. A., 0 klassovoj prirode sovremennogo mezdunarodnogo prava, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo, 1967, No. 6, S. 51-58. - Zur allseitigen Charakteristik der Besonderheiten des Völkerrechts (der allgemein gesellschaftlidlen und der spezifisch juristischen) siehe Bobrov, R. L., Osnovnye problemy teorii mezdunarodnogo prava, Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1968, S.26-57. 10 Siehe Art. 12 und 15 Abs.7 der Satzung des Völkerbundes.
2. Klassencharakter des Völker- und des Seevölkerrechts
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Der Sowjetstaat trat immer gegen eine imperialistische und kolonialistische Interpretation und Anwendung der Normen des modernen Seevölkerrechts ein und kämpfte für eine schnellstmögliche Liquidierung der Rechtsungleichheit auf den Meeren und Ozeanen im Interesse des Friedens, der internationalen Sicherheit und der gleichberechtigten Zusammenarbeit aller Völker. Vom Standpunkt der klassengebundenen Möglichkeiten, die allen Völkerrechtsnormen eigen sind, muß man feststellen, daß das Seevölkerrecht sehr vielschichtig ist. Es gibt Normen mit einem klar ausgeprägten Klassencharakter und Normen, deren Klassencharakter nicht so offenkundig zutage tritt (beispielsweise die Regeln der technischen Sicherheit für Schiffe). Jedoch können die Normen des Seevölkerrechts sogar in derartigen Fällen unter Klassengesichtspunkten angewandt werden und werden in der Tat auch so angewandt. Ein Beispiel ist die grundlose Verhängung von Geldstrafen oder die Aufforderung an ein Schiff, das unter der Flagge eines Staates mit einem anderen sozialökonomischen System fährt, den Hafen zu verlassen - unter dem Vorwand, daß es bestimmten Standards nicht entspricht oder bestimmte Bedingungen nicht erfüllt usw. Klassenbezogenen Zwecken dienen auch die Versuche eInIger Staaten auf der 3. VN-Seerechtskonferenz, für ausländische Schiffe, die einen Hafen anlaufen, nationale technische Konstruktionsvorschriften für Schiffe obligatorisch zu machen, obwohl sie nicht in der üblichen Weise auf internationaler Ebene vereinbart worden sind. Es ist gut bekannt, daß jederzeit sogar völlig moderne Schiffe nicht in Häfen einlaufen können, wenn der Hafenstaat eine Politik der Diskriminierung einiger Flaggen verfolgt. Einen solchen Klassencharakter hat auch das Problem der Bindungen zwischen Handelsschiff und der Flagge des Staates. Die sogenannten Gefälligkeitsflaggen, Billigflaggen oder unternormigen Flaggen der Länder, die geringere Anforderungen an die technische Sicherheit des Schiffs stellen und für die nur geringe Abgaben von den Schiffseigentümern gefordert werden, sind den Kapitalisten durchaus genehm. Aber das Führen dieser Flaggen ist mit den Interessen der arbeitenden Menschen unvereinbar, die in diesen Ländern des gewerkschaftlichen Schutzes beraubt sind und die im Falle einer Havarie Leben und Gesundheit riskieren. In den Fragen des rechtlichen Schutzes der Meeresumwelt kann man sehr deutlich die verschiedenen sozialen, örtlichen, regionalen und anderen Interessen der Staaten erkennen, die ebenfalls Klassencharakter haben. Es ist bekannt, daß die größten kapitalistischen Länder wie
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die USA, England und die BRD die Umwelt, einschließlich der Meeresumwelt, durch ihre Industrieabfälle stark verschmutzen. Die Monopole sind daran interessiert, keine großen Geldsummen für den Schutz der Meeresumwelt und ihrer nationalen Flüsse bereitstellen zu müssen, weil das ihre Gewinne schmälert, technologische Veränderungen erfordert sowie Zeit (und Geld) kostet. Jedoch werden die Regierungsorgane dieser Länder sich der tragischen Folgen einer Fortsetzung der Umweltverschmutzung und der Verwandlung der Meere und Ozeane in Sickergruben und Lagerplätze für nukleare Abfälle bewußt. Geleitet von ihren Klasseninteressen und dem Streben nach Gewinnmaximierung sind sie deshalb bemüht, solche Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu verabschieden, durch welche die beträchtliche Bürde für die Reinigung der Flüsse, der Hydrosphäre insgesamt und der Atmosphäre auf andere Staaten abgewälzt wird, obwohl gerade diese Mächte einen großen Teil der Verschmutzung der Biosphäre verursachen. Auf einigen internationalen Konferenzen gaben die Vertreter einer Reihe von Ländern, die sich aus kolonialer Abhängigkeit befreit haben, zu verstehen, daß sie um ihrer schnellen Entwicklung willen das Recht haben, die Prinzipien und Normen zum Schutz der Umwelt, einschließlich der Meeresumwelt, vor Verschmutzung zu ignorieren. Falls aber vorbeugende Einschränkungen auch auf sie erstreckt werden, so muß nach ihrer Meinung eine sich daraus möglicherweise ergebende Abschwächung ihres Entwicklungstempos durch Geldzahlungen kompensiert werden. Dieser Haltung liegt eine klassenbezogene und eine soziale Idee zugrunde. Die UdSSR und die anderen sozialistischen Länder treten aktiv für den völkerrechtlichen und innerstaatlichen Schutz der Umwelt, insbesondere der Meeresumwelt ein. Die wahrhaft vergesellschaftete Volkswirtschaft der sozialistischen Länder, das Prinzip der Planung und das Fehlen der Ausbeuterklassen machen es möglich, den Schutz der natürlichen Umwelt auf nationaler und internationaler Ebene zu gewährleisten. In den sozialistischen Ländern sind besondere Verwaltungsbehörden mit umfassenden Vollmachten im Bereich des Schutzes der Umwelt, auch der Meeresumwelt, geschaffen worden. l l Sowjetische 11 Siehe Kolbasov, O. S., Pravovye issledovanija po ochrane okruzajuscej sredy, in: Ochrana prirody i vosproizvodstvo prirodnych resursov, Moskva, Verlag VINITI 1978, Bd.5, S.171-184; Leont'eva, A. V., Pravovye osnovy sotrudnicestva socialisticeskich stran v oblasti ochrany okruzajuscej sredy, in: Okruzajuscaja sreda i pravo, Moskva, Verlag IGP AN SSSR 1977, S.52-63; Lunev, A. B., Juridiceskaja otvetstvennost' za narusenie pravil ochrany okruzajuscej sredy, a. a. O. S.18-29; ders., Priroda, pravo, upravlenie, Moskva, Verlag Nauka 1981.
3. Spezifische Besonderheiten des Seevölkerrechts
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Wissenschaftler arbeiten an einem geschlossenen Kreislauf einer abfallfreien Produktion und weisen auf die Möglichkeiten hin, mit kapitalistischen Staaten und mit Entwicklungsländern zusammenzuarbeiten und letzteren auf diesem Gebiet uneigennützig Hilfe zu leisten. Das Problem des Schutzes der Meeresumwelt betrifft die ganze Menschheit. Es ist allgemein-demokratisch, was jedoch nicht eine klassengebundene Auslegung beseitigt, falls die herrschenden Klassen eines Landes diese für möglich halten. In den sozialistischen Ländern fallen die allgemein-demokratischen und die Klassenziele des Umweltschutzes zusammen. 3. Spezifische Besonderheiten des Seevölkerrechts Auf die Frage: "Welche Bedingungen muß eine Gesamtheit von Rechtsnormen erfüllen, um im Rahmen eines gegebenen Rechtssystems als besonderer Zweig des Rechts anerkannt zu werden?" antwortete schon im Jahre 1947 Professor V. K. Rajcher: "Nach unserer Meinung sind dafür folgende drei Bedingungen unverzichtbar. Erstens ist es nötig, daß die Gesamtheit der Rechtsnormen einem bestimmten, spezifischen Kreis gesellschaftlicher Beziehungen angemessen ist, d. h. daß sie in diesem Sinne einen einheitlichen und selbständigen Regelungsgegenstand hat und folglich auch eine gegenständliche Einheitlichkeit besitzt. Zweitens muß der durch eine solche Gesamtheit von Normen geregelte spezifische Kreis von Beziehungen eine ausreichend große gesellschaftliche Bedeutung haben. Drittens muß sich das normativ-rechtliche Material, das eine solche Gesamtheit bildet, durch seinen großen Umfang abheben." 12 Wir schlagen vor, das erste Kriterium in zwei Teile oder in zwei Kriterien aufzuteilen: erforderlich sind ein spezifischer Kreis gesellschaftlicher Beziehungen und spezifische Normen, die diese Beziehungen regeln. Die Notwendigkeit einer weiteren Unterteilung ergibt sich daraus, daß es einen spezifischen Kreis von gesellschaftlichen Beziehungen geben kann, die jedoch nicht durch spezielle, sondern durch allgemeine Normen geregelt werden. Unter bestimmten Bedingungen können z. B. gewisse internationale maritime Beziehungen durch Normen des allgemeinen Völkerrechts geregelt werden. In diesem Falle kann man nicht von der Existenz eines besonderen Zweiges, des Zweiges des Seevölkerrechts, sprechen. Später fügten V. M. Cchikvadze und C. A. Jampol'skaja diesen drei die Zweige des innerstaatlichen Rechts kennzeichnenden Kriterien noch 12 Rajcher, V. K., ObScestvenno-istoriceskie tipy strachovanija, Moskva, Leningrad, Verlag AN SSSR 1947, S. 189 f.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
ein wichtiges Kriterium hinzu, das Interesse der Gesellschaft an der Herauslösung und Abspaltung des neuen Rechtszweiges.13 Dieser Zusatz ist gerechtfertigt, weil alle drei zunächst genannten Kriterien vorhanden sein können, ohne daß die Herausbildung eines besonderen (normativen oder wissenschaftlichen) Zweiges stattfindet, weder in der Wissenschaft noch in der Praxis, weil die Gesellschaft daran nicht interessiert ist. 14 Das zweite von V. K. Rajcher vorgeschlagene Kriterium, nach dem ein "spezifischer Kreis von Beziehungen eine ausreichend große gesellschaftliche Bedeutung besitzen muß", übertrumpft nach unserer Meinung nicht die Frage eines gesellschaftlichen Interesses an der Schaffung eines neuen Rechtszweiges, weil sich dieses Kriterium nur auf die objektive gesellschaftliche Bedeutung bestimmter Beziehungen, nicht aber auf den subjektiven Faktor bezieht, nämlich das Verhalten der Gesellschaft zu diesen Beziehungen unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer selbständigen rechtlichen Regelung. Um zu verstehen, daß es sich hier um unterschiedliche Dinge handelt, erinnern wir daran, daß noch in den 40er und 50er Jahren unseres Jahrhunderts Wissenschaftler die Notwendigkeit verneinten, das Seerecht vom bürgerlichen Recht abzutrennen, und daß im vorrevolutionären Rußland sogar das gesamte Handelsrecht, zu dem auch das Seerecht gehörte, nicht als selbständiger Rechtszweig angesehen wurde. Es war das Verdienst von V. F. Mesera, der schöpferisch auf den drei von V. K. Rajcher entwickelten Kriterien aufbaute, die Existenz eines selbständigen Zweiges des sowjetischen Seerechts nachgewiesen zu haben. 15 13 Cchikvadze, V. M. / Jampol'skaja, C. A., 0 sisteme sovetskogo prava, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo, 1967, No.9; Marksistsko-Ieninskaja obScaja teorija gosudarstva i prava: Socialisticeskoe pravo, Moskva, Verlag Jurid. literatura 1970, S. 298. 14 Auf dieser Ebene scheint uns, daß ein Regelungsge!iJ€nstand als systembildende Grundlage nicht ausreicht (einen solchen Standpunkt vertritt S. S. Alekseev bezüglich des innerstaatlichen Rechts, siehe Alekseev, S. S., Struktura sovetskogo prava [Anm. 1], S. 171). weil neben diesem objektiven Faktor, der vom Leben diktiert wird, ein subjektiver Faktor unverzichtbar ist - der Wille oder ein Wunsch des Subjekts der Rechtsschöpfung. Selbstverständlich fallen beide Faktoren oft zusammen: Es ergibt sich das objektive Bedürfnis eines neuen Rechtszweiges, und die Subjekte der Normschöpfung berücksichtigen sie. Es ist aber bekannt, daß diese Berücksichtigung auch erst verspätet und manchmal beträchtlich verspätet - erfolgen kann. Aber auch das Gegenteil kann eintreten: Es ist umfassendes normativ-rechtliches Material vorhanden, jedoch die wissenschaftliche Abspaltung und Ausarbeitung des Zweiges verzögert sich. 15 Siehe Mesera, V. F., Mesto morskogo prava v sisteme sovetskogo prava, S.98-110; ders., 0 delenii sovetskogo prava na otrasli, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo, 1957, No. 3, S. 93-99.
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Was das Völkerrecht angeht, so legt A. I. Iojrys den Akzent auf das Interesse der internationalen Staatengemeinschaft an der Abtrennung, Entwicklung und Vervollkommnung der rechtlichen Regelung einer konkreten Gruppe von gesellschaftlichen Beziehungen, an der Abtrennung eines neuen Rechtszweiges. 18 Bezüglich der Zweige des Völkerrechts wurde noch ein weiteres kennzeichnendes Kriterium von E. T. Usenlw herausgearbeitet, nämlich spezielle Prinzipien, welche die Struktur des Zweiges regeln,17 Dieser Vorschlag verdient ernsthafte Aufmerksamkeit, weil die Prinzipien, welche die Grundlage der Regelung spezieller gesellschaftlicher Beziehungen schaffen, unzweifelhaft eine grundsätzliche Selbständigkeit besitzen, obwohl sie eng mit dem Gegenstand der Regelung, im vorliegenden Fall den internationalen maritimen Beziehungen, verbunden sind. Ju. M. Kolosov mißt beim Problem der Abtrennung eines neuen Völkerrechtszweiges der Annahme eines universellen völkerrechtlichen Aktes durch die Staaten entscheidende Bedeutung bei. Er erwähnt, daß ein besonderer Regelungsgegenstand für die Abtrennung eines neuen Rechtszweiges ausreicht, unterstreicht aber auch, daß die Abtrennung eines Zweiges nicht willkürlich ist und schreibt: .Eine Gruppe von Rechtsprinzipien und Rechtsnormen kann Anspruch auf die Bildung eines selbständigen Rechtszweiges dann erheben, wenn die Staaten einen weitreichenden und universellen internationalen Akt auf diesem Gebiet der internationalen Beziehungen vereinbaren. Bis zu einem derartigen Akt kann man von dem Entstehungsprozeß eines entsprechenden Völkerrechtszweiges sprechen, und erst nach seinem Inkrafttreten von dem Auftauchen eines neuen Zweiges. "18
Obgleich offensichtlich ist, daß der hier interessierende Akt unbedingt den früher erwähnten Kriterien entsprechen muß, und obwohl dieser Akt mehr der Form halber als wegen seines sachlichen Gehalts von Bedeutung ist, schlagen wir vor, daß dann, wenn derartige Akte verabschiedet werden, sie als wichtiger Beweis für die Schaffung eines neuen Rechtszweiges angesehen werden können. Daneben ist auch eine Situation möglich, in der bereits ein Zweig vor dem Vollzug des Aktes entstanden ist. Siehe Iojrys, A. I., Atom i pravo, Moskva, Verlag Atomizdat 1969, S.26. Siehe Usenko, E. T., Princip demokraticeskogo mira - naibolee obScaja osnova sovremennogo mezdunarodnogo prava, in: Sovetskij esegodnik mezdunarodnogo prava, 1973, Moskva, Verlag Nauka 1975, S. 36 f. 18 Kolosov, Ju. M., Massovaja informacija i mezdunarodnoe pravo, Moskva, Verlag Mezdunarod. otnosenija 1974, S. 152. 16
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Um ein System von Rechtsnormen als besonderen Rechtszweig anerkennen zu können, sind also folgende Voraussetzungen erforderlich: 1. ein spezifischer Kreis gesellschaftlicher Beziehungen;
2. spezifische Normen, die diese Beziehungen regeln; 3. eine ausreichend große gesellschaftliche Bedeutung des Kreises gesellschaftlicher Beziehungen; 4. ein ausreichend großer Umfang des normativ-rechtlichen Materials; 5. ein Interesse der Gesellschaft an der Abtrennung eines neuen Rechtszweiges und 6. spezielle Rechtsprinzipien, welche die Struktur des neuen Rechtszweiges regeln. Prüft man unter diesem Blickwinkel die Frage, ob das Seevölkerrecht einen eigenen Zweig darstellt, so kann man feststellen, daß es die genannten Kriterien erfüllt. Untersuchen wir diese Fragen nacheinander. Spezifischer Kreis internationaler maritimer Beziehungen
Gegenstand des Seevölkerrechts sind die internationalen maritimen Beziehungen insgesamt, der Komplex der maritimen Beziehungen der Staaten in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit. Dementsprechend kann man von einem Gegenstand des Seevölkerrechts im weitesten Sinne des Wortes sprechen. Gegenstand des Seevölkerrechts können aber auch viel engere und spezifische maritime Beziehungen der Staaten sein (dem Umfang nach größere oder kleinere), welche die verschiedenen Aspekte der Meeresnutzung (Handelsschiffahrt, Kriegsschiffahrt, Fischfang, Erholung u. a.) betreffen und von dem Gesamtkomplex, aus den vielgestaltigen maritimen Beziehungen der Staaten nämlich, abgetrennt worden sind. In diesem Falle kann man von einem Gegenstand im speziellen Sinne oder von einem speziellen Gegenstand sprechen. Und schließlich kann Gegenstand des Seevölkerrechts alles das sein, auf das seine Regelung gerichtet ist: das Verhalten von Menschen und Sachen, derentwegen internationale Beziehungen zwischen den Staaten entstehen. Gegenstand des Seevölkerrechts können zum Beispiel sein: Schiffe, Mineralien, lebende Naturschätze des Meeres, das Wasser oder der Meeresboden. Dementsprechend kann man von einem Gegenstand im engeren Sinne des Wortes sprechen, von einem konkreten Gegenstand.
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Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Gegenstand des modernen Seevölkerrechts erhebt sich auch ein anderes wichtiges theoretisches Problem. Regelt das moderne Seevölkerrecht nur die Beziehungen zwischen Staaten, die mit der Nutzung des Weltmeeres entstehen, oder regelt es auch die Beziehungen der Staaten zum Weltmeer, zur maritimen Umwelt? Bekanntlich stellt das Seevölkerrecht sowohl Verhaltensregeln für die Staaten auf, an die sie sich halten müssen, wenn sie wegen ihrer Tätigkeiten auf dem Weltmeer in Beziehungen zueinander treten, als auch Regeln, die unmittelbar die Nutzung des Weltmeeres, der Meeresgewässer sowie ihrer Flora und Fauna, der mineralischen Naturschätze und der Wassersäule durch die Menschheit betreffen. Verschiedene Verbote, die vom Seevölkerrecht für die Staaten hinsichtlich des Weltmeeres aufgestellt worden sind - beispielsweise das Verbot der Verschrnutzung der Meeresumwelt durch 01, das Verbot der Anwendung unerlaubter Mittel und Vorrichtungen zum Fischfang und Fang anderer Tiere sowie andere Verbote -, stellen Regelungen der Beziehungen der Staaten zum Weltmeer dar. Jedoch ist die Regelung der Beziehungen der Staaten zum Weltmeer letztlich eine Regelung auch der Beziehungen der Staaten untereinander, weil das Verbot der Verschrnutzung des Meeres durch 01 auf die Sicherung des Rechts aller Staaten gerichtet ist, ein sauberes Meer zu nutzen. Das Verbot, unerlaubte Fischfangausrüstungen zu benutzen, schützt das Recht anderer Staaten auf Nichterschöpfung der biologischen Vorräte des Weltmeeres und folglich ihr Recht auf beständige Fänge. Zusammenfassend kann man daher genauer sagen, daß das Seevölkerrecht die Beziehungen der Staaten untereinander im Zusammenhang mit der Nutzung des Weltmeeres, einschließlich des Verhältnisses der Staaten zum Ozean selbst, regelt. Dabei übergehen wir bewußt die große moralisch-ethische und philosophische Frage des Verhältnisses des Menschen zum Weltmeer sowie zur gesamten lebenden Natur. Anzumerken bleibt, daß die internationalen maritimen Beziehungen etwas Charakteristisches haben, das die Staaten bei der Schaffung und Anwendung seerechtlicher Normen in Betracht ziehen müssen und das sie tatsächlich berücksichtigen. Die Meeresgewässer, die Meeresfauna und manchmal auch die Flora (z. B. Plankton u. a.) wandern und erkennen folglich eine Einschränkung durch maritime staatliche Grenzen nicht an. Insbesondere Fischschwärme können sich heute auf Hoher See und morgen im Küstenmeer oder in Eigengewässern befinden und umgekehrt. 3'
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Die Wanderungen in der Meeresumwelt sind ein sehr wichtiger Charakterzug, der die internationalen maritimen Beziehungen und das Seerecht beeinflußt. Die horizontalen und vertikalen Hin- und Herbewegungen der riesigen Wasserrnassen des Weltmeeres, die Ortsveränderungen der Fischschwärme sowie der Schwärme und Herden anderer Vertreter der Meeresfauna und der Flora verwandeln den entsprechenden maritimen Regelungsgegenstand vielfach von einem Gegenstand des nationalen staatlichen Rechts in einen Gegenstand des Völkerrechts. Gleichermaßen führt diese Wanderung zum Wechsel von der völkerrechtlichen Regelung zu einer innerstaatlichen Regelung in den entgegengesetzten Fällen, wenn z. B. Fische in die Eigengewässer, in das Küstenmeer oder in die Fischereizone eines Staates hinüberwechseln. In der Regel ist für eine solche Abgrenzung, ob die Gewässer einem Staat oder der internationalen Gemeinschaft gehören, das Kriterium des Raumes maßgebend, in dem sich der Gegenstand befindet. Jedoch wird in bestimmten Fällen nicht so sehr das räumliche als vielmehr ein funktionales Kriterium oder eine funktionale Charakteristik des Gegenstandes selbst berücksichtigt. So dürfen z. B. nach einigen Ubereinkommen Wanderfischarten (Lachs) nicht in internationalen Gewässern gefangen werden. Die spezifische Besonderheit liegt darin, daß sich die internationalen maritimen Beziehungen in bedeutendem Umfang auf internationalem Gebiet abspielen, das gemeinsam genutzt wird (Hohe See, Meeresboden jenseits des Festlandsockels usw.), während sich die "Festlands"Beziehungen der Staaten um nationales Gebiet drehen. Weil bei den maritimen Beziehungen die wechselseitigen Handlungen der Rechtssubjekte auf dem Gebiet gemeinsamer Nutzung stattfinden, behalten die Staaten in diesem Bereich alle Attribute ihrer nationalen Souveränität, Immunität und Jurisdiktion. Diese Eigenschaften behalten die Staaten in gewissem Umfang auch in den Fällen, in denen ihre Schiffe durch fremde Küstenmeere fahren, und - in geringerem Maße - wenn sich diese Schiffe in Eigengewässern und Häfen fremder Staaten aufhalten. Wenn die Nutzung des Festlandes kraft seiner nationalen Zugehörigkeit immer einer besonderen Erlaubnis des territorialen Souveräns bedarf, so erfordert die Nutzung der Küstenmeere (es geht hier um das Recht der "friedlichen Durchfahrt") keine besondere Genehmigung. Die Nutzung der Gewässer der Hohen See, der internationalen Meerengen und Kanäle erfordert ebenfalls keine besondere Erlaubnis. Die Hohe See gehört niemandem, sie befindet sich im Gemeingebrauch. Die Meerengen und Kanäle befinden sich sogar dann im Gemeingebrauch, wenn sie auf
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dem Hoheitsgebiet bestimmter Staaten liegen, weil sie das wichtigste Mittel der VerwirklidJ.ung der Freiheit der Hohen See sind. Da der Aufenthalt auf dem Weltmeer und in seinen versdJ.iedenen GewässerbereidJ.en nur auf schwimmenden Einrichtungen oder auf künstlidJ.en Vorrichtungen des Inseltyps möglidJ. ist, haben diese den Status staatlidJ.en oder privaten Eigentums. Wenn auch das nationale Territorium von einem Staat an einen anderen abgetreten werden kann, so können weder die Gewässer des Weltmeeres noch der Boden des internationalen "Gebietes", die allgemeinen Wert haben und die sich in der gemeinsamen Nutzung der Staaten (Völker) befinden, enteignet oder durch einen Staat von einem anderen erworben werden (mit Ausnahme der Uberlassung bestimmter Teile auf Grund einer gepachteten Konzession in der Zukunft). Wenn einzelne staatliche Territorien und Kontinente eine große nationale oder regionale Bedeutung haben, so hat das Weltmeer aus der Sicht einer globalen Okologie ebenso wie vom Standpunkt der Nahrungs-, Gewerbe- und Energieressourcen aus eine allumfassende, universelle Bedeutung für die MensdJ.heit (in Gestalt der Völker und der sie vertretenden Staaten). Das Weltmeer ist ein Kommunikationsraum für den Verkehr aller Völker und Staaten. Wenn die Frage der ökologischen Reinheit eines nationalen Territoriums, einer Region oder eines Kontinents in nächster Zukunft ein, zwei oder mehrere Völker und Staaten betreffen kann, so berührt die Frage des Schutzes der Umwelt des Weltmeeres alle Völker und Staaten hautnah. Eine große spezifisdJ.e Besonderheit besitzt die Frage der Militarisierung und Demilitarisierung der Gewässer des Weltmeeres, seiner Wassersäule und seines Bodens im Vergleich zur Militarisierung und Demilitarisierung des Festlandes. Bestimmte Bereiche des Weltmeeres haben große strategische Bedeutung sowohl für eine erfolgreiche Verteidigung gegen einen Aggressor als auch für die Durchführung einer Aggression von rechtzeitig nadJ. vorn verlegten Grenzen aus. Weil das internationale "Gebiet" des Meeresbodens sich in der gemeinsamen Nutzung aller Völker befindet, stellt sich die Frage der Förderung der Bodenschätze durch die Staaten in diesem BereidJ.. Dieses Problem verursachte Schwierigkeiten bei der Erarbeitung des Rechtsstatus des internationalen "Gebietes" des Meeresbodens im Rahmen der Vereinten Nationen und bei der Einigung in der Frage der Rechte einer internationalen "Behörde".
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Im Unterschied zum Festland, das prinzipiell unter dem Einfluß souveräner Staaten steht, steIlt das Weltmeer eine Sphäre intensiver kollektiver Zusammenarbeit der Staaten in vielen Bereichen der Meeresnutzung (Schiffahrt, Fischerei, Tierfang, Schaffung von Aquakulturen, Meeresgeologie, Archäologie, wissenschaftliche Forschung, Energiegewinnung usw.) dar und kann in noch größerem Maße in diesem Sinne genutzt werden. Obwohl weder die Hohe See noch der Meeresboden jenseits der völkerrechtlich anerkannten Grenzen nationaler Jurisdiktion der Staaten einer Besitzergreifung, Okkupation oder Aneignung durch einzelne Staaten unterliegen, können die Staaten praktisch dennoch ihr Hoheitsgebiet durch Trockenlegen der küstennahen und so dem Meer abgerungenen Gebiete vergrößern (so geschehen in Holland, Japan, in der Volksrepublik China u. a.). Die maritime Tätigkeit der Staaten weist ganz besondere Eigenheiten auf: die Schiffahrt unterscheidet sich wesentlich von Eisenbahn- oder Automobiltransport, das Fanggewerbe auf See unterscheidet sich vom Fang auf dem Festland, die Fischerei von der Landwirtschaft usw. Die Arbeitsverhältnisse auf See sind äußerst spezifisch im Vergleich zu den Arbeitsbeziehungen auf dem Festland (Ursache sind die Betriebsordnung der Schiffe, die Trennung der Seeleute von Haus und Familie, der ständige Aufenthaltswechsel usw.). Diese Besonderheit des Gegenstandes der geregelten Beziehungen bedingt auch eine bestimmte Besonderheit der Rechtsbeziehungen (Seerechtsbeziehungen) insgesamt. Der spezifische Charakter der Normen, die die internationalen maritimen Beziehungen regeln
Die Besonderheit der Normen und Institutionen des Seevölkerrechts wird heute (und heute ist dies anders als gestern und vorgestern) bestimmt durch die erwähnten wichtigen Charakteristika, welche die internationalen maritimen Beziehungen von den allgemeinen internationalen Beziehungen auf den Kontinenten unterscheiden. Im räumlichen Sinne erfaßt das allgemeine Völkerrecht im Prinzip unseren gesamten Planeten, alle Beziehungen sowohl auf dem Festland und auf dem Meer als auch im Luftraum und im Weltraum. Es ist auf die Regelung aller Tätigkeiten der Staaten in diesen Räumen gerichtet, wobei allerdings das Gebiet ausgeschlossen wird, das sich unter der Souveränität der Staaten befindet.
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Der Unterschied des Seevölkerrechts zum allgemeinen Völkerrecht besteht darin, daß es bei verhältnismäßig stärker eingeschränktem räumlichen Anwendungsgebiet auch die Regelung der Beziehungen in Gewässerbereichen zuläßt, die sich unter staatlicher Souveränität oder staatlicher Jurisdiktion befinden (Küstenmeer, Häfen, Meerengen, Kanäle, Wirtschaftszonen, Festlandsockel). Diese Eigenschaft des Seevölkerrechts kann global genannt werden. Das Meer umfaßt 3/4 der Oberfläche unseres Planeten und hat praktisch in jeder Hinsicht globalen Charakter. Dieser Umstand spiegelt sich selbstverständlich in den Normen des Seevölkerrechts wider. Und zwar haben nicht nur die Normen einen gewissen globalen Charakter, welche die Nutzung der Gewässer der Hohen See, des Luftraums darüber und des Bodens im internationalen "Gebiet" rechtlich regeln, sondern auch diejenigen Normen, deren Regelung die Gewässer, den Luftraum und den Boden betrifft, die sich unter der Souveränität der Staaten befinden, weil jede Veränderung des Status der Gewässer, des Luftraums darüber und des Bodens darunter die Interessen fast aller anderen Staaten und die ganze internationale Gemeinschaft berührt. Gerade durch die Globalität des Weltmeeres ist auch die besondere Schärfe des Problems der Erhaltung der Meeresumwelt bedingt: giftige Chemikalien zum Beispiel, die in den Fluß eines Landes abgelassen werden, können zur Quelle des Unheils für viele Länder und Völker werden. Die Schließung von Meerengen und Kanälen (beispielsweise die Schließung des Suezkanals infolge der Aggression Israels gegen arabische Länder während sieben langer Jahre) hatte globale Folgen: Veränderungen der weltweiten Güterströme, des Handels, der Schiffahrt, der Wirtschaft und der Politik. Die innerstaatlichen maritimen Verhältnisse interessieren alle Staaten, obwohl sie lebenswichtige Interessen nur eines Staates betreffen. Denn sie stehen in engstem Zusammenhang mit den entsprechenden Interessen anderer Staaten (auf dem Gebiet der Handels- und Kriegsschiffahrt, der Seeverbindungen, der Gewinnung von Rohstoffen usw.). A. K. tudro wies zu Recht darauf hin, daß die "Rechtsordnung der Meeresräume, die zum Hoheitsgebiet eines Staates gehören, in hohem Grade vom Völkerrecht und nicht nur vom nationalen Recht dieser Staaten bestimmt wird. Deshalb ist der Begriff ,völkerrechtsordnung des Küstenmeeres und der Eigengewässer' völlig berechtigt, "19 (Im letztgenannten Falle geht es um die Offnung der Eigengewässer eines Staates für ausländische Schiffe und andere technische Transportmittel). Der Autor folgert: "Die Rechts19 :Zudro A.K. /Dzavad, Ju. Ch., Morskoe pravo, Moskva, Verlag Transport 1974, S.80:
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
ordnung insgesamt. welche die Tätigkeit auf dem Weltmeer regelt. ist also vor allem eine völkerrechtliche Ordnung. "20 Die Durchfahrt durch das Küstenmeer eines Staates entspricht einer der ältesten Normen des Seevölkerrechts. die durch die Besonderheit des Küstenmeeres als eines wichtigen Kommunikationsraumes bedingt ist. an dem alle Staaten des Planeten interessiert sind. Obgleich der Gürtel des Küstenmeeres ein souveränes Gewässergebiet des Staates ist und zu seinem Staatsgebiet gehört. können seit altersher alle anderen Staaten ihre Handelsschiffe. und vielfach auch ihre Kriegsschiffe. durch dieses souveräne Gewässergebiet eines Landes hindurch fahren lassen. Dieser Transit durch das Küstenmeer ist ein menschenfreundlicher Grundsatz. der den Staaten hilft. die für sie nützliche internationale Arbeitsteilung durchzuführen und Güteraustausch zu betreiben. Er ergibt sich aus den Charakterzügen der modernen internationalen maritimen Beziehungen: Globalität. Internationalismus. Berücksichtigung der Wanderungen der Lebewesen (ohne diesen Transit wäre z. B. die Jagd der Fischereischiffe auf wandernde Fischschwärme nicht möglich). Die Berücksichtigung der Interessen der Länder. die keine eigenen Küsten haben. ergibt sich ebenfalls aus den genannten Charakterzügen und verkörpert ein Prinzip der Humanität. Sie besteht darin. daß den Binnenstaaten der Zugang zum und vom Meer durch das Territorium des nächsten Küstenstaates. die Möglichkeit einer eigenen selbständigen staatlichen Seeflagge und entsprechender Registrierung ihrer Schiffe in fremden Häfen. die Möglichkeit der Benutzung dieser Häfen. seiner Lager und anderer Räumlichkeiten usw. gewährt werden. Die Binnenstaaten haben also nicht nur ein Recht des Transits durch die Küstenmeere aller Staaten der Welt. sondern auch das Recht des Landtransits durch das Staatsgebiet des nächsten Küstenstaates. Der quasi diplomatische Charakter der besonderen Behörden. welche die Normen des modernen Seevölkerrechts durchsetzen. wird immer bedeutender und spielt eine immer größere Rolle. Den Kriegsschiffen. die das Weltmeer befahren. sind durch Ubereinkommen wichtige Aufgaben auf Hoher See übertragen worden. Ihre Mannschaften werden mehr und mehr als politische Vertreter ihrer Länder angesehen. Diese Verpflichtung erfüllen ehrenvoll die Mannschaften der Kriegsschiffe und die Kapitäne der Handelsschiffe der UdSSR und der anderen sozialistischen Länder. die ein Beispiel der Disziplin. des Patriotismus und des Internationalismus geben. Dieser Charakter der besonderen Organe der Marinen in Gestalt der Kommandanten und vielfach auch der Mannschaften von Kriegsschiffen 20
Ebenda.
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findet seinen Ausdruck in den Normen des internationalen und nationalen Seerechts (Seezeremoniell, Seeprotokoll, Rechte, Pflichten und VerantwortIichkeiten von Kriegsschiffen und Handelsschiffen, die mit der Aufrechterhaltung oder Beachtung der Völkerrechtsordnung auf den Meeren und Ozeanen zusammenhängen).21 Wenn man von dem besonderen Charakter der Normen spricht, welche die internationalen maritimen Beziehungen regeln, darf man die für diesen Zweig des Völkerrechts wichtigen Faktoren nicht übersehen, wie die neu entstandenen Rechtsprobleme des modernen Seevölkerrechts, von denen viele erstmals in der Geschichte der Menschheit auftraten, und die Lückenhaftigkeit der seevölkerrechtIichen Normen. Obwohl diese Faktoren für die Entscheidung der Frage einer Abtrennung des Seevölkerrechts als selbständiger Zweig nicht grundlegend sind, ist es dennoch unmöglich, sie außer acht zu lassen. Sind doch beide Faktoren durch eine bestimmte Besonderheit der "maritimen wissenschaftlich-technischen Revolution" hervorgerufen worden. Selbst wenn sie nur vorübergehend, zeitlich begrenzt sein sollten, so beeinflussen sie dennoch die Rechtsbeziehungen und die Rechtsordnung auf dem Weltmeer in starkem Maße. Und schließlich kann sich ihre Zeitweiligkeit über Jahrzehnte erstrecken und hat sich bereits über einen derartigen Zeitraum erstreckt. Daß es neue Rechtsprobleme des modernen Seevölkerrechts gibt, ist eine Folge des Auftauchens neuer internationaler maritimer Beziehungen, die durch die wissenschaftlich-technische Revolution bedingt sind, sowie des Auftretens junger unabhängiger Staaten in den internationalen Beziehungen. Beispiele sind die Beziehungen auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Meeresforschung, die Reihenfolge der Bearbeitung von Anträgen der Staaten auf Zuweisung von Teilen des Meeresbodens im internationalen "Gebiet", die Festlegung der Priorität und des Eigentumsrechts an archäologischen Gegenständen, die vom Meeresboden geborgen werden, der Status künstlicher Vorrichtungen des Inseltyps, künstlicher Inseln usw. Im Grunde genommen muß bei vielen sehr wichtigen Fragen erstmals von den Staaten entschieden werden, welche rechtlichen Maßstäbe für viele Länder mit unterschiedlichen Interessen am ehesten angemessen und gleichermaßen geeignet sind. Praktisch tauchte zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit das Prinzip des gerechten Ausgleichs der Interessen der Küstenstaaten 21 Siehe SataIin, V., Polpredy Strany Sovetov, in: Morskoj sbornik 1978, No. 3, S. 32-35.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
und der (in diesem Meeresgebiet) Nichtküstenstaaten, des Ausgleichs der Interessen der Küstenstaaten und der Binnenstaaten, der entwickelten Staaten und der Entwicklungsländer sowie der kapitalistischen und der sozialistischen Länder in seiner ganzen Bedeutung am Horizont auf. Es ist angebracht, hier daran zu erinnern, daß der Begriff der Lückenhaftigkeit eines Rechtszweiges immer dann auftaucht, wenn die Notwendigkeit einer rechtlichen Regelung entsprechender Beziehungen akut wurde, aber die Normen fehlten, die für eine solche Regelung genutzt werden könnten. Deswegen stellte sich in den vergangenen Epochen die Frage der Lückenhaftigkeit des Seevölkerrechts z. B. bezüglich der Regelung von Fragen der Meeresgeologie, des Schutzes der Meeresumwelt, der wissenschaftlichen Forschung usw. nicht. Die Lückenhaftigkeit des modernen Seevölkerrechts als eines Rechtszweiges besteht darin, daß es in einigen seiner Untergliederungen, die sich erst kürzlich herausgebildet haben und noch im Stadium der Entwicklung befinden, noch keine entsprechenden Normen der rechtlichen Regelung gibt. Dies trifft zum Beispiel auf Bereiche der internationalen Beziehungen wie die Gewinnung von Bodenschätzen jenseits der Grenzen des Festlandsockels, die Durchführung wissenschaftlicher Forschungen, insbesondere das Anbringen von Systemen zur Sammlung ozeanischer Daten auf den Meeren und Ozeanen usw. zu. Wenn man den Rechtsstatus des nationalen Landterritoriums als endgültig ansehen kann, so befindet sich der Rechtsstatus des Bodens des Weltmeeres jenseits des Festlandsockels noch im Stadium des Entstehens, obgleich die Grundprinzipien des Völkerrechts sowie die Prinzipien und Normen des modernen Seevölkerrechts seine Grundlage sind. Das Ausfüllen der Lücken des Seevölkerrechts ist wegen der starken Einflüsse geographischer, politischer, wirtschaftlicher und anderer Faktoren auf die Interessen und dementsprechend auf die Rechtspositionen der Staaten keine einfache Sache. Man muß noch einmal daran erinnern, daß alle Staaten der Welt, und zur Zeit gibt es mehr als 150, auf der 3. VN-Seerechtskonferenz 120 große und kleine Fragen des Seevölkerrechts diskutierten, von denen die wichtigsten zur Schließung der Lücken führen müssen, die sich im modernen Seevölkerrecht als Folge einer sprunghaften Entwicklung in den internationalen maritimen Beziehungen gebildet haben. Zu erwähnen ist auch, daß sich die Völkerrechtsverletzungen auf dem Meer wesentlich von den Rechtsverletzungen auf dem Festland unterscheiden (durch die Art und Weise, wie sie begangen werden, durch eine große Dunkelziffer sowie vielfach durch die großen Schwierigkeiten, sie nachzuweisen usw.).
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Das Seevölkerrecht hat als seinen besonderen (d. h. durch die Besonderheiten der Ziele und Aufgaben der Nutzung des Weltmeeres begründeten) Zweck die Regelung der Beziehungen der Staaten untereinander auf dem Gebiet der internationalen maritimen Verbindungen und im Bereich der maritimen Tätigkeiten. Vom allgemeinen Völkerrecht unterscheidet es sich gerade durch diesen besonderen Zweck und in bedeutendem Maße durch spezielle rechtliche Instrumente wie das Prinzip der Freiheit der Hohen See, das Prinzip des Ausgleichs der Rechte der Küstenstaaten und Nichtküstenstaaten, das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit in seiner demokratischen, nicht-extremistischen Auslegung und andere Prinzipien sowie durch die daraus abgeleiteten Normen und Institute. Die große gesellschaftliche Bedeutung
der internationalen maritimen Beziehungen Die internationalen maritimen Beziehungen sind für einzelne Staaten und für die gesamte internationale Staatengemeinschaft von grundsätzlicher Bedeutung; dies bedarf keines besonderen Nachweises. 22 Die Erfahrungen der 3. VN-Seerechtskonferenz sind ein klarer Beweis hierfür. Die Sitzungen dieser Konferenz fanden zweimal im Jahr statt und dauerten eineinhalb bis zwei Monate. An ihrer Arbeit nahmen praktisch alle Staaten unseres Planeten und eine Reihe internationaler Organisationen und VN-Sonderorganisationen teil. Die Staaten waren auf höchster Ebene vertreten, auf der Ebene der Minister und Stellvertretenden Minister. Dutzende von Resolutionen der Vereinten Nationen und ihrer verschiedenen Organe unterstreichen die Bedeutung der internationalen maritimen Beziehungen. Davon zeugt insbesondere die Tatsache, daß das Jahrzehnt von 1971 bis 1981 zum Jahrzehnt des Meeres erklärt wurde. Diesem allem liegt die Tatsache zugrunde, daß heute 24 % des Erdöls und 10 Ofo des Gases auf See gefördert werden, daß alle Länder - Entwicklungsländer und Länder mit einem hohen Industrialisierungsgrad die Pläne ihrer weiteren Entwicklung in hohem Maße mit den Möglichkeiten des Weltmeeres verbinden, und schließlich, daß 53 Binnenstaaten oder geographisch benachteiligte Staaten nachdrücklich ihr Recht anmeldeten, das Meer in jeder Weise zu nutzen. Die Bedeutung der internationalen maritimen Beziehungen ergibt sich aus dem stetigen und 22 Die Geschichte der Entwicklung des Seetransports geht bis ins VI. bis IV. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurück (S. Große Sowjetische Encyclopädie, 3. Aufl., Bd. 16, S. 598).
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
stürmischen Wachstum der Handels-, Kriegs-, Forschungs-, Tanker-, Trockenfrachter-, leichtertragenden und anderen Arten von Flotten, der Schaffung zahlreicher künstlicher Einrichtungen des Inseltyps auf den Meeren und Ozeanen usw. Die Welthandelsflotte zählt schon viele Hunderttausende von Schiffen unterschiedlicher Tonnage. In den letzten Jahren wuchs z. B. der internationale Seetransport von Getreide fast um das elffache. Im Verlauf von zehn Jahren verdoppelte sich der Weltseetransport von Kohle. 23 Alle neuen Länder beteiligen sich daran, die verschiedenen Arten der Meeresnutzung, die traditionellen wie die neuen, für sich zu erschließen. Der große Umfang des normativen seevölkerrechtIichen Materials
Es gibt Hunderte bilateraler und multilateraler Verträge und Abkommen über alle Arten der Meeresnutzung: Handels- und Kriegsschiffahrt, Fischerei, sonstiger Fang lebender Naturschätze, Meeresgeologie (Förderung von 01, Gas u. a.), wissenschaftliche Forschung, Schutz der Meeresumwelt vor Verschmutzung, Erholung und internationaler Tourismus USW. 24 Es gibt auch eine Vielzahl gesetzgeberischer Akte, die sich mit der völkerrechtlichen Ordnung des Küstenmeeres, des Festlandsockels, der Wirtschaftszone sowie anderer Gewässerbereiche und Meeresbodengebiete sowie mit verschiedenen funktionalen Aspekten der Meeresnutzung und dem Status verschiedener künstlicher Vorrichtungen auf dem Weltmeer befassen. Eine wichtige Rolle kommt der Kodifizierung des Seevölkerrechts durch die Genfer VN-Konferenz von 1958 zu, die mit der Annahme von vier äußerst wichtigen multilateralen Ubereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlußzone, über den Festlandsockel, über die Hohe See und über den Fischfang abgeschlossen wurde. Große Bedeutung hat die Erarbeitung einer vielschichtigen Völkerrechtsordnung des Weltmeeres, die in der 1982 zur Unterzeichnung aufgelegten Seerechtskonvention ihren Niederschlag gefunden hat.
U Siehe Levikov, G. A., Mezdunarodnoe morskoe torgovoe sudochochodstvo (tendencii, osobennosti i problemy), Moskva, Verlag Nauka 1978, S. 17. 2i Siehe z. B. Sbornik torgovych dogovorov i soglasenij po torgovo-ekonomiceskomu sotrudnicestvu SSSR s inostrannymi gosudarstvami, Moskva, Verlag Ekonomika 1977, Bd. 1-2.
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Das Interesse einzelner Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft insgesamt an der Abtrennung eines selbständigen Zweiges des Seevölkerrechts
Das Interesse sowohl einzelner Staaten als auch der internationalen Staatengemeinschaft an der Existenz eines selbständigen Zweiges des Seevölkerrechts ist offenkundig. Es kommt in dem schon erwähnten umfassenden normativ-rechtlichen Material internationalen Charakters zum Ausdruck. Davon zeugen drei internationale VN-Seerechtskonferenzen. Die 3. VN-Seerechtskonferenz leistete eine große Arbeit für die Schaffung des künftigen Gesetzbuchs der internationalen maritimen Beziehungen. Die unter aktiver Beteiligung der UdSSR angenommene Seerechtskonvention enthält zusammen mit ihren Anhängen etwa 500 Artikel. 25 Weiter zeugt davon der harte Kampf zwischen den verschiedenen Gruppen kapitalistischer Länder um die Aufteilung der Wasseroberfläehe und des Meeresbodens unseres Planeten - einer Fläche von mehr als 361 Millionen km2 - in Jurisdiktionszonen. Für die Lösung des grandiosen Kodifikationsproblems und für die Errichtung einer gerechten Völkerrechtsordnung auf dem Weltmeer ist auch ein angemessenes Instrumentarium notwendig. Ein solches sowohl normatives als auch wissenschaftliches - Instrumentarium stellt das selbständige, gut durchdachte und ausgewogene System des Seevölkerrechts dar. Die Entwicklung der Normen des Seevölkerrechts in der Sowjetunion und im Ausland ist ein wichtiger Beweis hierfür. Besondere Prinzipien des Zweiges Seevölkerrecht
Nach der Definition sowjetischer Philosophen ist ein "Prinzip eine besondere Form der Erkenntnis, die eine in sich geschlossene Einheit von Tatsachen, Vorstellungen, Gesetzen und Theorien darstellt, den Prozeß der Erfassung der Wirklichkeit lenkt und als Richtschnur für eine praktische und gestaltende Tätigkeit dient. "211 In diesem Sinne ist für das Seevölkerrecht die Existenz spezieller Prinzipien charakteristisch, welche die Verbindung zwischen seinen Normen und Instituten gewährleisten und als Richtschnur bei der Regelung der internationalen maritimen Beziehungen dienen. In erster 25 Vereinte Nationen, Dritte Seerechtskonferenz: Seerechtskonvention der Vereinten Nationen. A/CONF. 62/122, 7. Oktober 1982, XXV, 241 Seiten. 26 Demin, V. N., Principy dialektiki i sistematizacii naucnogo znanija, Moskva, Verlag Znanie 1976, S. 3 f.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Linie muß man erwähnen, daß die Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts in den internationalen maritimen Beziehungen eine spezifisch maritime Eigenheit erlangt haben. Zweitens existieren besondere, "eigene" Prinzipien wie das Prinzip des Ausgleichs der Rechte der Küstenstaaten und der Nichtküstenstaaten. Bei der "Projektion" der Grundprinzipien und Grundnormen des allgemeinen Völkerrechts auf das Weltmeer verändern sie sich entsprechend den spezifischen Besonderheiten der maritimen Umwelt und der maritimen Beziehungen. Der Erwerb einer spezifisch maritimen Besonderheit der Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts besteht darin, daß das moderne Seevölkerrecht sich nicht nur auf die Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts stützt, sondern diese auch aktiv "überarbeitet", sie also aufnimmt und hinsichtlich der Beziehungen im maritimen Milieu transformiert. Die Grundprinzipien des allgemeinen Völkerrechts in ihrer Geltung auf dem Weltmeer erlangen so ihren "maritimen" Aspekt. Die Grundprinzipien des allgemeinen Völkerrechts erwerben also die bestimmte spezifische Besonderheit des Seevölkerrechts, indem sie sich im Prisma der maritimen Beziehungen der Staaten brechen. Das Prinzip der Souveränität bedeutet im allgemeinen Völkerrecht im Grunde und in erster Linie die Unabhängigkeit des Staates nach innen und die Selbständigkeit bei der Führung seiner Außenpolitik. Bezüglich der internationalen maritimen Beziehungen bedeutet dieses Prinzip, daß jeder Staat das Recht hat, das Meer in jeder Art und Weise zu nutzen, insbesondere Handels-, Kauffahrtei-, Fischerei-, Forschungs- und andere Schiffe sowie Kriegsschiffe auf der Hohen See, in Meerengen und unter besonderen Umständen auch durch ausländische Küstenmeere fahren zu lassen. Jedes Schiff hat auf Hoher See ein Recht auf souveräne Fahrt unter seiner Flagge und auf Respektierung der Unabhängigkeit seiner inneren Ordnung. Niemand hat das Recht, gewaltsam den Kurs eines fremden Schiffes zu ändern oder sich in seine innere Ordnung einzumischen. Ausnahmsweise ist dies bei Vorliegen bestimmter Gründe möglich, die in internationalen Seerechtsübereinkommen genannt sind. Diese Ausnahmen werden durch die Normen des Seevölkerrechts bestimmt, die "äußere Unabhängigkeit ist folglich eine Unabhängigkeit im Rahmen des Völkerrechts".21 Das Prinzip der Nichteinmischung setzt voraus, daß jede Einmischung in die inneren und äußeren Angelegenheiten unterbleibt, für die der 27 Usakov, N. A., Nevmesatel'stvo vo vnutrennie dela gosudarstv, Moskva, Verlag Mezdunarodn. otnosenija 1971, S. 68.
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betreffende Staat zuständig ist. Bei den internationalen maritimen Beziehungen besteht der Ansprum auf Nichteinmischung darin, daß kein Staat das Recht hat, sich in die maritimen Beziehungen und in die maritime Politik eines anderen Staates einzumischen, solange diese maritimen Beziehungen und diese maritime Politik und Praxis nicht gegen die Prinzipien und Normen des Seevölkerrechts verstoßen. Dieser Anspruch auf Nichteinmischung schützt in erster Linie das Schiff bei der friedlichen Durchfahrt durch Küstenmeere ausländischer Staaten und während des Aufenthaltes in den Eigengewässern ausländischer Staaten. Bedingung ist dabei, daß die innere Ordnung des Schiffes nicht der öffentlichen Ordnung des Hafens widerspricht. Die spezifische Besonderheit des Seevölkerrechts wird am Beispiel des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten in den modernen internationalen maritimen Beziehungen gut sichtbar. Betrachten wir diese Frage genauer. In der sowjetischen Völkerrechtsliteratur wird mit Recht darauf hingewiesen, daß im Bereich der Beziehungen der Staaten, die mit der Nutzung des Meeresbodens im Zusammenhang stehen, noch lange keine faktische Gleichheit erreicht worden ist. 28 Nehmen wir zum Beispiel den bereits früher erwähnten geographischen Faktor. Bekanntlich gibt es Staaten mit einem breiten Festlandsockel, der sich über viele Dutzende oder gar Hunderte von Meilen erstreckt. Umgekehrt haben andere Staaten schmale Festlandsockel, weil die 200-m-Tiefenlinie unweit der Küste verläuft. Die Naturschätze in den Festlandsockeln der Staaten sind sowohl hinsichtlich der Menge als auch nach Art und Qualität unterschiedlich. In dem Bemühen, die Staaten ohne einen breiten Festlandsockel den Staaten mit breitem Festlandsockel gleichzustellen, schlagen einige Politiker, Diplomaten und Völkerrechtler vor, bei der Bestimmung des Festlandsockels der von der Natur "benachteiligten" Staaten nicht das Tiefenlinienkriterium (200-m-Tiefenlinie), sondern ein Entfernungskriterium anzuwenden. Sie verweisen darauf, daß für die Staaten mit schmalem geologischen Festlandsockel ein vereinbarter Festlandsockel mit vorab für alle Staaten einheitlich auf 50, 100, 200, 300 oder 600 und mehr Seemeilen festgesetztem Abstand von der Küste eingerichtet werden muß. Jedoch ist selbst ein solches künstliches Korrektiv bei der Aufteilung des Festlandsockels unter die Staaten nicht geeignet, die juristische Gleichheit der Staaten in eine faktische Gleichheit umzuwandeln, im vorliegenden Falle in die Gleichheit auf dem Meer. Und zwar deshalb, weil auch der neue, vereinbarte Festlandsockel möglicherweise nicht 28 Siehe Kalinkin, G. F. / Ostrovskij, Ja. A., Morskoe dno: komu ono prinadlezit?, Moskva, Verlag Mezdunarod. otnosenija 1970, S.109.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
die Bodenschätze enthält, die ein geologischer Festlandsockel mit seinen durch die Flußmündungen geschaffenen Ablagerungen enthält. Die Schaffung eines vereinbarten (juristischen) Festlandsockels für die Staaten mit kleinem natürlichen, geologischen Festlandsockel wirft gleichzeitig die Frage analoger Bedingungen für die Staaten auf, die keine eigenen Meeresküsten haben. Und diese Frage ist nicht weniger schwierig. Ein anderes Beispiel: Bekanntlich haben eInIge Staaten eine lange Küstenlinie und folglich ein ausgedehnteres Küstenmeer und eine größere Ausdehnung des Festlandsockels entlang ihren Küsten als andere Staaten. Und dieser Unterschied kann enorm sein (es genügt z. B. die Ausdehnung der Küstenlinie der USA oder Kanadas mit der Mauritius' oder Hollands zu vergleichen). Man kann Dutzende solcher Beispiele anführen. Natürlich ist die Menschheit in der Lage, gestützt auf die Instrumente der Außenpolitik und des Völkerrechts, viele Fragen im Interesse der Gleichberechtigung und sogar der faktischen Gleichstellung der Staaten zu lösen. Die faktische Gleichstellung der Staaten wird in einem gewissen Umfang durch die internationale Arbeitsteilung und den internationalen Güteraustausch, durch wirtschaftliche und Außenhandelsbeziehungen kompensiert. Jedoch sind die historischen Siedlungsräume der Völker und die Entstehung von Staaten, die sich nach ihren Potentialen sowie ihren wirtschaftlichen und anderen veränderlichen oder konstanten Größen wesentlich voneinander unterscheiden, eine Realität, die nicht radikal verändert oder beseitigt werden kann. Alle Versuche, die faktische Lage der Staaten mit der juristischen Gleichberechtigung in völlige Dbereinstimmung zu bringen, sind bislang nicht verwirklicht worden. Man kann natürlich Korrekturen vornehmen, aber nur unter der Bedingung, daß sie keine Störung der normalen internationalen Beziehungen oder des normalen inneren Lebens der Staaten verursachen und diejenigen Vorteile anderer Staaten, die naturgegeben sind (günstiges Klima, Boden, vorteilhafte Lage usw.), nicht wesentlich berühren. Hier kann die Frage der historischen Gerechtigkeit derartiger Vorteile für bestimmte Staaten auftauchen: Kann doch in einer Reihe von Fällen ein Staat derartige Vorteile vor langer Zeit durch Eroberung, ungerechte Kriege usw. erlangt haben. Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand. Man kann als erwiesen ansehen, daß die Versuche, die historisch entstandenen Grenzen und Gebiete der Staaten und ihre geographische Lage auf der Suche nach einem Zugang zum Meer usw. zu revidieren und zu "berichtigen", gewöhnlich erfolglos blieben.
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Erstens, weil die friedliche und nichtfriedliche Siedlung der Völker sowie der Erwerb und Verlust des Zugangs zum Meer in der Vergangenheit derart häufig war und die Ursachen dafür sich dermaßen im Dunkel der Jahrhunderte verlieren, daß die Feststellung der Wahrheit sich oft einfach als unmöglich herausstellt. Zweitens, weil ein solches "Herumwühlen in der Geschichte" eine Welle des Nationalismus, einen Taumel des Militarismus und neue Kriege hervorrufen könnte. Drittens, weil in den Annalen der Geschichte gleichzeitig Argumente zugunsten beider Seiten gefunden werden können, nach denen einmal die eine Seite Opfer der Aggression ist, einmal die andere. Viertens muß man zur Kenntnis nehmen, daß die VN-Satzung jeden Aggressionskrieg ausschließt. Kriege für eine Revision der Staatsgrenzen, für einen Zugang zum Meer, für eine Vergrößerung des Festlandsockels, für eine Verbreiterung des Küstenmeeres usw. sind jedoch aggressiv. Das Gesagte bedeutet nicht, daß die Staaten nicht auf friedlichem Wege und mit völkerrechtlichen Mitteln gütlich eine Revision der Grenzen vereinbaren können, um irgendwelche Gebiete oder Gewässer oder Zugang zum Meer zu erhalten. Es ist also in der Regel unmöglich, die faktischen maritimen Möglichkeiten aller oder der Mehrheit der Staaten und ihre maritimen Rechte auszugleichen. Das Gesagte wirft unvermeidlich die Frage auf: Ist die bestehende Lage nicht mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten unvereinbar, schmälert sie nicht seine Bedeutung? Man kann der Meinung sein, daß das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, auch als Prinzip der souveränen Gleichberechtigung der Staaten bezeichnet, nicht so sehr deshalb existiert, um zu einem Instrument zur Herbeiführung der faktischen Gleichheit der Staaten gemacht zu werden, als vielmehr um die freie und selbständige Existenz und Entwicklung eines jeden Staates sowie die Nichteinmischung in seine inneren Angelegenheiten, die gleichberechtigte Teilnahme an internationalen Organisationen sowie bei der Entscheidung politischer und rechtlicher Fragen zu gewährleisten, und schließlich auch, um die weitere wirtschaftliche Entwicklung und den weiteren Aufschwung der Länder zu fördern. Die internationale Zusammenarbeit muß maximal auf die Milderung der geographischen Ungerechtigkeiten und - wo dies möglich und realistisch ist - auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtet sein. 4 Lazarev
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Wie schon gesagt wurde, ist spezifisch für das moderne Seevölkerrecht das Prinzip der Freiheit der Hohen See, das aus einer Reihe von Komponenten besteht und das aufgerufen ist, gleichermaßen den Interessen aller Staaten unseres Planeten bei der Organisation der internationalen Arbeitsteilung und des Güteraustauschs sowie deren internationaler Steuerung zu dienen. Dieses Prinzip ist anderen Zweigen des Völkerrechts unbekannt, falls man unberücksichtigt läßt, daß diese Zweige mit dem Seevölkerrecht Berührungspunkte haben und auf ihm aufbauen können. Es ist in der Literatur ausreichend gründlich untersucht und erläutert worden. Deshalb verweilen wir länger bei dem zweiten für die maritimen Beziehungen so wichtigen Prinzip des Ausgleichs der Interessen der Küstenstaaten und der Nichtanliegerstaaten eines bestimmten Gewässerbereichs sowie auch der Binnenländer. Dieses Prinzip ist ebenfalls nur dem Zweig des modernen Seevölkerrechts eigen und spielt in Verbindung mit den Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft eine immer größere Rolle, allen Staaten die gleichen Möglichkeiten zu garantieren, ihre internationalen Handlungsfähigkeiten zu nutzen. Das Prinzip des Ausgleichs der Interessen der Küstenstaaten und der Nichtanliegerstaaten eines bestimmten Gewässerbereichs ist ein weiser Kompromiß, der auf die Rechtsgleichheit und Souveränität der Staaten und auf andere Prinzipien des Völkerrechts gegründet ist. Dieses Prinzip existiert schon so lange wie das Prinzip der internationalen Zusammenarbeit, das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten und einige andere Prinzipien des Völkerrechts. In der völkerrechtlichen Literatur wird es jedoch fast gar nicht untersucht. Sehr viel wird über das Prinzip der Freiheit der Hohen See, über die Rechte der Küstenstaaten und in jüngster Zeit über die Rechte der Staaten gesprochen, die keinen Zugang zum Meer haben oder geographisch benachteiligt sind. Das Prinzip des Ausgleichs der Rechte der Küstenstaaten und der Nichtküstenstaaten aber wird nur äußerst selten erwähnt. Und in den Fällen, in denen es Erwähnung findet, fehlt jede angemessene Erläuterung und Bewertung dieses Prinzips. Weder in den Dokumenten noch in der Literatur gibt es eine Definition dieses Prinzips oder eine Erläuterung seines Inhalts. Das Bedürfnis einer begrifflichen Ausarbeitung des Prinzips des Ausgleichs der Interessen zwischen Küstenstaaten und den Nichtanliegerstaaten des betreffenden Gewässerbereichs wurde zudem besonders aktuell im Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Revolution, welche die Völker einander näherbringt und das Problem einer vernünftigen Nutzung der lebenden und mineralischen Naturschätze
3. Spezifische Besonderheiten des Seevölkerrechts
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des Meeres sowie das Problem einer engeren Nachbarschaft der Völker unseres Planeten mit aller Schärfe stellt. Die Bedeutung dieses Prinzips liegt darin, daß auf seiner Grundlage eine ganze Reihe von Normen und Instituten des Seevölkerrechts aufgebaut ist oder aufgebaut wird. Das Prinzip des Ausgleichs ist der juristische Ausdruck eines Kompromisses, den Staaten, die sich in unterschiedlichen geographischen Breiten befinden, in schwierigen internationalen maritimen Beziehungen geschlossen haben. Führen wir einige Beispiele dieser Kategorie des Seevölkerrechts an, die sich auf der Grundlage des Prinzips des Ausgleichs der Interessen zwischen Küstenstaaten und den Nichtküstenstaaten entwickelt haben. A. Das Recht der Nichtanliegerstaaten von Meerengen auf freien Transit durch die Mereengen, die sich unter der Souveränität des Küstenstaates befinden, falls diese zu seinem Küstenmeer gehören.
B. Das Recht des Nichtanliegerstaates des betreffenden Gewässerbereichs, vor den Küsten des anderen Staates im Rahmen der zulässigen Gesamtfangmenge Fernfischerei zu betreiben. C. Das Recht des Küstenstaates auf Teilnahme an wissenschaftlicher Meeresforschung und auf Mitteilung entsprechender Informationen durch Nichtanliegerstaaten des Gewässerbereichs. D. Die Rechtslage, nach der die Nutzung des Meeres durch den Küstenstaat die Rechte des Nichtanliegerstaates des betreffenden Gewässerbereichs nicht stören darf und umgekehrt. E. Die Rechtslage, nach der in den internationalen maritimen Beziehungen die Rechte des Küstenstaates und der Nichtanliegerstaaten des betreffenden Gewässerbereichs entweder gleich sein oder gerecht ausgeglichen werden müssen. F. Das Recht des Binnenstaates auf Fischfang in der Wirtschaftszone des benachbarten Küstenstaates. G. Das gleiche Recht auf Gewinnung mineralischer Naturschätze. Das Prinzip des Ausgleichs der Interessen der Küsten- und Nichtküstenstaaten wird ebenso wie andere international-prozedurale Prinzipien in internationalen Verträgen und Abkommen zum Seevölkerrecht verwirklicht. Eines der wichtigsten Dokumente, die auf die Gewährleistung der Sicherheit der Schiffahrt durch Ausgleich der Interessen der Küstenstaaten und der Nichtanliegerstaaten des betreffenden Gewässerbe-
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
reichs gerichtet sind, sind die "Nachrichten für Seefahrer", die in vielen Ländern herausgegeben werden. 29 Durch sie und die in ihnen enthaltenen Informationen erweist der Küstenstaat der betreffenden Meeresgewässer anderen Staaten Hilfe.
4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht Der moderne Begriff der Geographie überschreitet bei weitem die Vorstellungen von dieser Wissenschaft als einer "Beschreibung der Erde" (ge - Erde, graphein - schreiben). Heute wird betont, daß die Geographie ein System naturwissenschaftlicher und gesellschaftlicher Wissenschaften ist, welche die natürlichen und produktionsbezogenen territorialen Komplexe und ihre Komponenten studieren. 3o Es ist interessant, wenn auch sehr bedauerlich, daß die Große Sowjetische Enzyklopädie bei dieser Definition der Geographie die Gesellschaftswissenschaften, die mit diesem Begriff verbunden sind, erwähnt, nicht jedoch die Rechtswissenschaft. Dabei ist letztere, wie uns scheint, eng mit der Geographie verflochten. Wir werden versuchen, dies am Beispiel des modernen Seevölkerrechts zu zeigen. Die These von der Bedeutung des geographischen Faktors im Leben der modernen internationalen Staatengemeinschaft wird seit langem unterschätzt und fand in den Arbeiten zum Völkerrecht fast keinen Niederschlag (jedenfalls nicht in direkter und besonders ausgeprägter Form). Dies ist um so befremdlicher, als der Raum als zweite Kategorie des dialektischen Materialismus zusammen mit der Kategorie der Zeit in den Fragen des Völkerrechts und der internationalen Rechtsbeziehungen eine große Rolle spielt. Die Praxis zeigt, daß der geographische Faktor, d. h. vor allem die geographische Situation eines Staates oder seiner Organe, juristischen Personen, Bürger, Vermögen usw. eine sehr große Bedeutung nicht nur vom faktischen Standpunkt aus hat, sondern auch aus rein rechtlicher und völkerrechtlicher Sicht. Die moderne Geographie verwandelt sich immer mehr in eine Wissenschaft experimental-reformierenden oder konstruktiven Charakters. Ihr fällt eine wichtige Rolle bei der Bearbeitung großer allgemeinwissenschaftlicher Probleme der wechselseitigen Beziehungen zwischen Natur und Gesellschaft zu. Die wissenschaftlich-technische Revolution, die eine deutliche Verstärkung des Einwir29 Siehe Izvescenija moreplavateljam i ich pravovoe znacenie, in: Sovremennoe mezdunarodnoe morskoe pravo: Naucnye issledovanija. Omrana morskoj sredy. Torgovoe i voennoe moreplavanie, Moskva, Verlag Nauka 1978, S.173-184. 30 Siehe Große Sowjetische Encyclopädie, 3. Aufl., Bd.6, S.270: "Geografija".
4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht
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kens des Menschen auf die natürlichen Prozesse und die Produktionsprozesse verursacht hat, fordert mit Nachdruck, diese Einwirkungen unter eine strenge wissenschaftliche Kontrolle zu stellen. Das bedeutet vor allem die Fähigkeit, das Verhalten des Geosystems vorherzusehen, d. h. letztlich die Fähigkeit, dieses Geosystem auf allen Ebenen zu lenken, angefangen bei der lokalen (z. B. Territorien großer Städte und ihrer Trabantenstädte) und der regionalen Ebene (im Maßstab einer Gruppe von Ländern und großen Gebieten) bis hin zur planetarischen Ebene, d. h. der die Erde umhüllenden Schicht im ganzen. IU Das bedeutet für das Völkerrecht, daß es oft von geographischen Faktoren ausgeht, die Einwirkungen der Staaten und Völker auf unseren Planeten auf unterschiedlichen Ebenen kontrolliert und dazu beiträgt, die Geosysteme zu steuern. In jüngster Zeit findet sich in der VN-Satzung und anderen Dokumenten der Vereinten Nationen nicht selten die Formel von der "gerechten geographischen Verteilung der Beamtenposten" in einer VN-Organisation. Diese Formel hat eine große Bedeutung für die richtige Steuerung der internationalen Aktivitäten der Staaten auf unserem Planeten. Dabei geht es darum, daß in dem betreffenden Organ alle geographischen Bereiche der Welt vertreten sein müssen - Asien, Afrika, Lateinamerika, Europa, Australien und Ozeanien. Das "Londoner Gentleman's Agreement" der Mitglieder des Sicherheitsrates von 1947 über die gerechte geographische Verteilung der Plätze der nichtständigen Mitglieder im Sicherheitsrat ist bestens bekannt. Es empfiehlt, "der gerechten geographischen Verteilung ... angemessene Aufmerksamkeit" zu schenken. Art. 23 Abs.l der VNSatzung regelt die Zusammensetzung des Sicherheitsrates dementsprechend. Art. 101 Abs.3 der VN-Satzung, der von der Zusammensetzung des Personals des Sekretariats spricht, bestimmt, daß es "auf möglichst breiter geographischer Grundlage" gebildet werden muß. Wenn man die beiden Formulierungen vergleicht, kann man sagen, daß sie sich im Prinzip nicht unterscheiden, weil sie beide das Ziel haben, die gerechte Vertretung der Staaten der unterschiedlichen Regionen der Welt in der internationalen Organisation sicherzustellen. Jedoch ist die erstgenannte, streng juristische Formulierung (Art. 23 Abs. 1) verpflichtender: einmal schreibt sie vor, der Frage "angemessene" Aufmerksamkeit zu widmen, zum anderen spricht sie unmittelbar von einer gerechten geographischen Verteilung der Stellen. Was die Formulierung in Art. 101 Abs.3 angeht, so muß man sie als weniger kategorisch einstufen, weil sie nicht von einem Sollen spricht, sondern von einer "Möglichkeit"; außerdem erwähnt sie nicht die "Gerechtig31
Siehe ebenda S. 274.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
keit", ein wichtiges Prinzip des Völkerrechts und des Rechts allgemein (selbstverständlich im klassenbezogenen Verständnis dieser Kategorie). Man muß noch eine andere in den Dokumenten der Vereinten Nationen anzutreffende Formel erwähnen, welche die Rechte bestimmter Staaten festlegt. Das ist die Formel von den Rechten der Staaten "unabhängig von ihrer geographischen Lage".32 Obgleich sie der Form nach auf die Unbeachtlichkeit der geographischen Lage der Staaten für die Bestimmung ihrer Rechte in den internationalen Beziehungen (im vorliegenden Fall bezüglich des Bodens des Weltmeeres) verweist, wurde diese Formel dennoch faktisch (nach Inhalt und Wesen) im Zusammenhang mit den Besonderheiten der geographischen Lage der Staaten (im vorliegenden Fall des Fehlens einer eigenen Küste) unverzichtbar. Auch hier sehen wir also den Einfluß der geographischen Lage der Staaten auf ihren völkerrechtlichen Status. Aber natürlich ist der Einfluß des geographischen Faktors in einem Völkerrechts zweig wie dem modernen Seevölkerrecht besonders ausgeprägt. Fast allen grundlegenden Instituten des modernen Seevölkerrechts liegt ein geographischer Faktor zugrunde. Er ist in vielen Kategorien des Seevölkerrechts erkennbar. Führen wir Beispiele an. 1. In der Regel werden die SouveränitätsreChte der Staaten an Meeresbuchten durch die Küstenkonfiguration bestimmt. Art. 7 des Genfer Ubereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone bestimmt, daß "unter einer Bucht ein deutlich erkennbarer Einschnitt des Ufers verstanden wird, dessen Länge in einem solchen Verhältnis zur Breite seiner Offnung steht, daß er vom Land umschlossene Gewässer enthält und mehr als eine bloße Krümmung der Küste bildet".
2. Die Ausdehnung und das Regime des Küstenmeeres können sich in Meerengen ändern. 3. Es ist bekannt, daß die Rechtsordnung, die sich aus dem Prinzip der Freiheit der Hohen See ergibt, im geographisch besonderen Schwarzen Meer transformiert und geändert wird. Gemäß der sowjetischen Doktrin muß dieses Prinzip auch bezüglich der Ostsee in Richtung auf eine Begrenzung der KriegssChiffahrt von Nichtanliegerstaaten geändert werden. 33 4. In zahlreichen Gewässergebieten existiert eine obligatorische Lotsenpflicht. Hier wirkt sich das spezielle Institut der Lotsen aus. 34 32 Beispielsweise Resolution 2467 (XXIII) der VN-Generalversammlung zu Fragen des Seerechts. 33 Siehe Molo deo v, S. V., Mezdunarodno-pravovoj rezim Baltijskich prolivov, Aftoref. dis. kand. jur. nauk, Moskva 1949. 34 Siehe Maksimadzi, M. I., Regulirovanie locmanskoj dejatel'nosti v mez dunarodnom i nacional'nom prave, Aftor. dis. kand. jurid. nauk, Moskva 1967.
4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht
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5. Daß ein Schiff je nach den geographischen Koordinaten seiner Position auf dem Weltmeer unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegt, ist gut bekannt: in Eigengewässern und im Küstenmeer seines eigenen Staates, auf Hoher See, in ausländischen Küstenmeeren oder in Eigengewässern ausländischer Staaten. 35 6. Genauso hängt der Status einer Meerenge (nationale Meerengen, internationale Meerengen; der Status der letztgenannten kann variieren) von geographischen Besonderheiten ab. 7. Man sagt, daß fast 1/8 aller Havarien von Schiffen der Weltflotte durch geologisch-geographische Faktoren bedingt sind, wie z. B. durch Grundberührung. 36 Besonders zahlreich sind diese Havarien im Bereich von Kap Hatteras. 37 8. Es gibt die Besonderheit der Lage der Küstenstaaten und der Nichtanliegerstaaten betreffender Gewässerbereiche.
9. Bekannt sind die Besonderheiten der Rechtslage der Binnenstaaten, die keine eigene Meeresküste haben, sowie der geographisch benachteiligten Länder. Sie sind anschaulich aus den Materialien der 3. VN-Seerechtskonferenz zu ersehen und wurden von V. V. Golicynyj einer tiefschürfenden wissenschaftlichen Analyse unterzogen (insbesondere die vertraglichen Beziehungen dieser Länder mit anderen Staaten über Häfen für die Registrierung von Schiffen).38 10. Erwähnen wir noch, daß die Rechtsordnung für die Benutzung der Funkeinrichtung eines Schiffes von seinen geographischen Koordinaten abhängt: ob es sich auf Hoher See oder in ausländischen Gewässern und Häfen befindet. 11. Das erst relativ kürzlich aufgetauchte internationale Vergehen der Radiopiraterie schließlich ist letztendlich durch eine unrechtmäßige Wahl der geographischen Zone für den Ort der Radiosendungen bedingt. Es besteht vor allem in dem Einbruch in die geographischen Bereiche eines Souveräns und in der Errichtung von Ubertragungsstationen in unmittelbarer Nähe der Küstenmeere ausländischer Staaten. Nicht nur im allgemeinen Völkerrecht, sondern auch im Zweig des Seevölkerrechts verändern sich also die Rechtsbeziehungen unter dem 35 Siehe Mesera, V. P., Pravovoj rezim morskich prostranstv, Moskva, Verlag CRIA Morflot 1978. 36 Siehe Tarchanov, I. E. / Barabolja, P. D., Mezdunarodnoe morskoe pravo, Leningrad 1969, S. 197. 37 Siehe Michajlov, S. V., Okean i celovecestvo, Moskva, Verlag Ekonomika 1969. 38 Siehe GoJicyn, V. V., Vnutrikontinental'nye gosudarstva i mezdunarodnoe morskoe pravo, Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1978.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Einfluß geographischer Besonderheiten des Regelungsgegenstandes. Dabei muß man im Auge behalten, daß die Normen des Völkerrechts eine aus der Sicht der Geographie einheitliche Sphäre in verschiedene Teile aufspalten können, indem sie sie unterschiedlicher Jurisdiktion oder unterschiedlicher Souveränität mehrerer Staaten unterwerfen. Eine derartige Aufspaltung ist beispielsweise die Teilung der Gewässer in Küstenmeere und Hohe See. Bekanntlich ist hier die Trennlinie in keiner Weise durch den geographischen Raum bedingt. Sie kann durch einen prinzipiell einheitlichen Gewässerbereich im Abstand von 3 sm, von 6, 8, 10 oder 12 sm vom Ufer verlaufen. Gleiches gilt für die Lage der natürlichen Ressourcen, die sich in einem bestimmten geographischen Raum befinden, der durch die Souveränität verschiedener Staaten "geteilt" wurde. Derartige Naturschätze erhielten die Bezeichnung "geteilt". Die Rede ist von natürlichen Vorräten an Kohle, 01, Gas und Erzen, deren einheitliche Lagerstätte sich unabhängig von den existierenden Staatsgrenzen innerhalb zweier oder mehrerer Staaten befindet,s9 Es gibt eine Reihe internationaler Abkommen, die auf das geographische Prinzip des Schutzes der lebenden Naturschätze des Meeres und der Natur allgemein gegründet sind. 40 Ein wichtiger geographischer Faktor sind die sogenannten zwischenstaatlichen oder internationalen Flüsse, die auf dem Territorium zweier oder mehrerer Staaten verlaufen. 41 Die Lage dieser Flüsse kann als ein rechtsbildender Faktor angesehen werden, weil sie dazu führt, daß die betroffenen Staaten völkerrechtliche und innerstaatliche Normen verabschieden, die auf eine gerechte Nutzung der Naturschätze dieser Flüsse, die gegenseitige Berücksichtigung der wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Interessen sowie auf die Aufteilung und den Ausgleich der Jurisdiktionsrechte gerichtet sind. Ohne die Bedeutung politischer rechtsbildender Prinzipien wie des Willens der herrschenden Klasse des oder der betroffenen Staaten, die internationale Ubereinkommen abschließen, schmälern zu wollen, muß man erwähnen, daß der geographische Faktor ebenfalls rechtsbildend ist. Für die Bedeutung des geographischen Faktors bei der Bildung entsprechender Rechtsbeziehungen kann man eine Reihe von Beispielen anführen. 39 Siehe Timosenko, A. S., Pravovoj rezim prirodnych resursov, razdeljaemych dvumja ili bolee gosudarstvami, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo, 1977, No. 6, S 115 ff. 40 Siehe Rusina, N. Ja., Mezdunarodno-pravovaja zascita biologiceskich resursov morja ot vrednych posledstvij zagrjaznenija: Avtor. dis. kand. jurid. nauk, Moskva 1978. 41 Siehe Klimenko, B. M., Mezdunarodnye reki, Moskva, Verlag IMO 1969.
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Art. 5 des Genfer Ubereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone bestimmt unmittelbar, daß eine eingebuchtete Küstenlinie das Recht gewährt, die besondere Methode der Bemessung des Küstenmeeres von geraden Basislinien aus anzuwenden. So wird auch in diesem Falle der geographische Faktor rechtsbildend. Falls eine Meerenge zwei Teile der Hohen See miteinander verbindet, so wird dieser Umstand zum rechtsbildenden Faktor, weil sich diese Meerenge gerade kraft ihrer internationalen Funktion in eine internationale Meerenge verwandelt, mit allen sich daraus ergebenden Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten für alle Staaten der Welt und für die Meerengenstaaten. 42 Die Entstehung neuer Inseln in bestimmten Meeresgebieten durch vulkanische Tätigkeit oder (und) durch künstliche Züchtung von Korallen durch den Menschen kann ebenfalls ein rechtsbildender Faktor werden. Gerade die besonderen Eisbedingungen der Arktis, welche die Selbstreinigung dieser Region von Verschrnutzung durch 01 und andere Verschmutzungsstoffe verringern und manchmal sogar ausschließen, führten zu strengeren Rechtsnormen zum Schutz der Meeresumwelt vor Verschrnutzung in dieser Region. Erinnern wir uns auch, daß der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen in den bekannten Verfahren über die anglo-norwegisehen und anglo-isländischen Streitigkeiten auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der "natürlichen Bedingungen" der Ortlichkeiten (d. h. auch geographischer Faktoren) hinwies. Bezüglich des Festlandsockels wies das Gericht auf die Notwendigkeit hin, die natürlichen Besonderheiten zu berücksichtigen, die vom Gericht als rechtsbildender Faktor festgestellt wurden. 43 Das Gesagte reicht für die Feststellung aus, daß 1) der geographische Faktor die Bildung entsprechender Normen des Völkerrechts beeinflußt, 2) das Seevölkerrecht selbst die Ausnutzung bestimmter geographischer Faktoren regelt (beispielsweise die Existenz eines internationalen Kanals, einer Insel oder eines Archipels), 3) in einer Reihe von Fällen die völkerrechtlichen Normen ein Mittel sind, geographische "Ungerechtigkeiten" (z. B. bei Ländern ohne Küste oder ohne Festlandsockel) zu korrigieren, und 4) völkerrechtliche Normen als Mittel die42 Siehe Barabolja, P. D. / Ivanascenko, L. A. / Kolesnik, L. N., Mezdunarodno-pravovoj rezim vaznejsich prolivov i kanalov, Moskva, Verlag Jurid. literatura 1965; Baratasvili, D. I., Mezdunarodno-pravovoj rezim Kil'skogo kanala, Avtoref. dis. kand. jurid. nauk, Moskva 1950. 43 Siehe Krylov, S. B., Mezdunarodnyj sud OON, Moskva, Verlag Gosjurizdat 1958; Koievnikov, F. I. / Sarmazanasvili, G. V., Mezdunarodnyj sud OON: Organizacija, celi, praktika, Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1911.
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
nen, um einer möglichst großen Zahl von Staaten die Teilnahme an den "Annehmlichkeiten" bestimmter geographischer Ortlichkeiten zu ermöglichen (Meerengen, Kanäle und Häfen, welche die internationale Schiffahrt, den Seetourismus, die Nutzung transozeanischer Unterseekabel und Rohrleitungen usw. erleichtern, usw.). Einerseits nivelliert die Entwicklung von Wissenschaft und Technik, die wissenschaftlich-technische Revolution, die geographischen Unterschiede und beseitigt oder verringert folglich das Bedürfnis nach einem rechtlichen Ausgleich dieser Unterschiede, indem sie die Entfernungen verkürzt, Kontinente und Völker einander näher bringt und die Verbindungen zwischen ihnen intensiviert. Andererseits stehen wir vor der gegenläufigen Tendenz einer stärker werdenden Berücksichtigung der Rolle und der Bedeutung des geographischen Faktors und derjenigen Unterschiede, die er den verschiedenen Staaten verleiht, bei den zwischenstaatlichen und völkerrechtlichen Beziehungen. Das findet seine Erklärung in der aktiven Einmischung des Menschen in die geographische Umwelt und in die Lebensbedingungen verschiedener Regionen unseres Planeten. Es werden neue Kanäle, künstliche Wasserreservoirs und Meere geschaffen, Oltürme auf den Meeren gebaut, die für die internationale Schiffahrt offen sind (z. B. im Golf von Mexiko) sowie meerestechnische Vorrichtungen und Plattformen für die Förderung von 01 und Gas vom Boden der Meere und für die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsarbeiten gebaut. In Zukunft wird es möglich sein, künstliche Inseln zu schaffen, an denen insbesondere Länder, die keine eigenen Inseln auf dem Weltmeer haben, interessiert sein dürften, um Reeden für ihre Flotte anzulegen, sowie Länder, die keine Meeresküsten haben u. a. Mit der Zeit kann sich das Problem des Status künstlicher Archipele stellen, weil es in einer Reihe von Fällen erforderlich ist, nicht ein oder zwei, sondern mehrere künstliche Vorrichtungen des Inseltyps zu installieren. Je intensiver der Mensch in der Epoche der wissenschaftlich-technischen Revolution die Biotechnosphäre aktiv mitgestaltet44 , um so mehr wächst auch in Zukunft die regelnde Rolle des modernen Völkerrechts und Seevölkerrechts bei der Bestätigung dieser Gestaltung im Rahmen einer optimalen Rechtsordnung. 44 Diesen Begriff verwandte das Mitglied der Akademie der Wissenschaften A. V. Sidorenko in seinem Bericht "Ochrana okruzajuscej prirodnoj sredy i racional'noe ispol'zovanie prirodnych resursov v SSSR", der am 3. Juni 1977 in der MDU auf der Sitzung verlesen wurde, die dem Welttag der Umwelt gewidmet war.
4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht
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Im Zusammenhang mit der Rolle des geographischen Faktors im modernen Völkerrecht darf man die große völkerrechtliche Bedeutung der geographischen Karten nicht unerwähnt lassen, welche die für die Staaten und Völker so wichtigen "Raummodelle" verkörpern. 45 Bekanntlich sind geographische Karten die wichtigsten Anlagen vieler internationaler Verträge und Abkommen; sie haben dieselbe juristische Kraft wie die genannten Dokumente selbst. Geographische Karten gehören zu den größten Erfindungen der Menschheit. Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie helfen, unseren Planeten, sein Festland und seine Gewässer zu erfassen und zu verstehen, daß sie bei der Abgrenzung der Interessen der Staaten, ihrer Souveränität und Jurisdiktion behilflich sind und zur Rechtsordnung auf der Erdkugel beitragen. NiCht zufällig erschienen die ersten geographischen Karten in der Periode großer geographisCher Entdeckungen auf dem Seewege. 46 Die frühesten der unversehrt erhaltenen kartographischen Erfindungen wurden im 1. bis 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Ägypten und BabyIon gesChaffen. Der berühmte "Leitfaden zur Geographie des Claudius Ptolomäus" (2. Jahrhundert) im alten Griechenland berücksiChtigte sChon die Kugelform der Erde. 47 Die rechtliche und politische Bedeutung geographischer Seekarten ist prinzipiell dieselbe wie die geographischer Karten generell. Jedoch interessiert uns im vorliegenden Fall insbesondere die Frage der spezifischen Bedeutung von geographischen Seekarten in den seevölkerreChtlichen Beziehungen. Geographische Karten tragen zur Abgrenzung politisCher und sonstiger Interessen der Staaten bei, indem sie die Staatsgrenzen und (oder) entsprechende prinzipielle Grenzen genau markieren. Wir sprechen von "prinzipiellen Grenzen der Geltung staatliCher Souveränität", weil bekanntlich die staatliChe Souveränität auch jenseits der Staatsgrenzen wirken kann. Kraft des bekannten "Flaggenrechts" ist dies z. B. der Fall bei Handelsschiffen in den Gewässern der Hohen See und bei Kriegsschiffen, die sich in ausländischen Häfen und ausländischen Küstenmeeren und Eigengewässern befinden. 48 Die Einstufung als Eigengewässer, Küstenmeer, Anschlußzone oder Hohe See auf geographischen Karten trägt zur Festigung und Beachtung der Seerechtsordnung bei. Das Genfer Ubereinkommen über das Große Sowjetische Encyc1opädie, 3. Aufl., Bd. 11, S. 476: .Kartografija". Ebenda. 47 Ebenda. 48 Der gegenteilige Standpunkt, nach dem bezüglich der Handelsschiffe nicht von der Geltung der Souveränität des Staates, sondern nur von seiner Jurisdiktion gesprochen werden kann, wird in den Arbeiten von A. D. KejIin / S. A. Gureev und anderer Wissenschaftler vertreten. 45
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
Küstenmeer und die Anschlußzone von 1958 bestimmt in Art. 3, daß für die Bemessung der Breite des Küstenmeeres die "amtlich vom Küstenstaat anerkannten Seekarten großen Maßstabes" verwendet werden. Geographische Seekarten erleichtern die Orientierung auf dem Weltmeer und helfen den Kapitänen, Steuermännern und Mannschaften der Schiffe aller Flotten der Welt, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Eine Seekarte unterscheidet sich von einer "Festlands"-Karte durch eine vergleichsweise große Veränderlichkeit. Das erklärt sich dadurch, daß der stürmische wissenschaftlich-technische Fortschritt zum Auftauchen "nasser" Landgebiete führte, zu denen der Boden unter den Küstenmeeren, unter den Gewässern der Wirtschaftszone, der Boden des Festlandsockels sowie der Boden unter den Gewässern des Weltmeeres jenseits des Festlandsockels gehört. Auf modernen Seekarten und vermutlich auch auf geographischen Karten der Zukunft werden diese Territorien wegen der umfangreichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Nutzung dieser neuen Territorien und Aquatorien ergeben, eine große Bedeutung haben. Die Veränderlichkeit von Seekarten wird auch durch die große Anzahl technischer Vorrichtungen auf dem Weltmeer gefördert. Diese Vorrichtungen tauchen auf und verschwinden; auf sie wird in den "Nachrichten für Seefahrer" mit der Empfehlung hingewiesen, die entsprechenden Änderungen oder Berichtigungen auf den vom Kapitän und vom Steuermann der Handels- und Kriegsschiffe benutzten Karten vorzunehmen. Wenn auf den allgemeinen geographischen Karten die Markierung der Grenzen in der Regel stabiler und längerfristiger ist, so unterliegt die Markierung der unterschiedlichen technischen Gegenstände, Plattformen, Türme usw. und der entsprechenden Sicherheitszonen auf Seekarten ständigen Änderungen. Hieraus folgt, daß Seekarten in der Regel schneller veralten als allgemeine Karten. Die große Veränderlichkeit der Seekarten erklärt sich auch daraus, daß es auf dem Weltmeer noch viele "weiße Flecken" gibt, weil es bisher schlechter erforscht ist als das Festland. Diese "Flecken" werden jedoch mit jedem Jahr immer erfolgreicher von der Ozeanographie und der Ozeanologie, in erster Linie von der sowjetischen Ozeanographie und Ozeanologie, ausradiert. Entsprechend der Veränderlichkeit der Seekarten sind die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten der Seefahrer zeitlich ebenfalls weniger beständig. Ein Austausch der Karten führt zum Austausch der Rechtsfolgen.
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Ein anderer den Seekarten eigener Zug ist, daß sie im Vergleich zu "Festlands"-Karten von einem großen Personenkreis benutzt werden. Während in der Regel nur Staatsmänner, Diplomaten und vielfach Grenzbehörden auf Landkarten zurückgreifen, so nutzen neben den genannten Personen auch Kapitäne, Steuermänner, Lotsen von Handels-, Fahrgast-, Fischerei- und anderen Schiffen sowie von Kriegsschiffen aller Länder der Welt Seekarten. Auch muß man alle Benutzer der verschiedenen bewohnten Einrichtungen auf See hinzuzählen. Der dritte für Seekarten charakteristische Zug ist die Häufigkeit ihrer Benutzung. Während Staaten in ihrem inneren und äußeren Bereich geographische "Festlands"-Karten nur selten benutzen, werden Seekarten extrem intensiv genutzt. Dies erklärt sich vor allem durch die Interessen der Meeresnutzer an der technischen Sicherheit und am Selbstschutz. Die Seekarten dienen ihnen als Wegweiser in einem schwierigen Element. Eine vierte Besonderheit der Seekarten ist, daß sie sehr einfach geändert werden können. Während für die Änderung allgemeiner staatlicher Karten besondere Bedingungen gefordert werden (diplomatische Verhandlungen, der Abschluß eines internationalen Vertrages und seine feierliche Unterzeichnung), sind Seekarten ein Arbeitsdokument, das man schnell und leicht ändern, präzisieren oder für ungültig erklären kann. Daraus ergibt sich noch ein weiterer Unterschied: Die juristische Kraft und Verbindlichkeit von Seekarten ist in vielen Fällen weniger verpflichtend als die allgemeiner staatlicher Karten, die auf zwischenstaatlicher, diplomatischer Ebene bestätigt worden sind. Wenn eine gewöhnliche geographische Karte von den Beteiligten unterzeichnet worden ist und ein internationaler Vertrag sie zu seinem wesentlichen Bestandteil erklärt, so ist sie für alle Beteiligten absolut verbindlich. Seekarten, die nicht wesentlicher Bestandteil eines internationalen Vertrages sind, werden von internationalen und nationalen Schiedsgerichten, Gerichten und Behörden sowie bei diplomatischen Verhandlungen und in internationalen Organisationen und Organen als eines von mehreren Beweismitteln angesehen. Auf dieser Ebene kann man Seekarten in 1) staatliche und durch staatliche Ubereinkommen bestätigte Seekarten und 2) operative Seekarten, die von Amtspersonen bestimmter Seebehörden benutzt werden, einteilen. Natürlich soll die zweite Art von Seekarten der ersten entsprechen. Weil aber die unter 2) erwähnten Dokumente nicht unmittelbar durch einen zwischenstaatlichen Vertrag bestätigt worden sind, kann ihre völkerrechtliche Kraft bestritten werden.
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Wegen der ständigen Hin- und Herbewegungen der Meeresgewässer, der Flora und Fauna, hat die Demarkation von Meeresräumen einen ganz besonderen Charakter. Die Staatsgrenzen in den Gewässerbereichen sind weniger präzise markiert. In die Seekarten werden oft die astronomischen Koordinaten aufgenommen. Auch bei der Markierung der Unterwassergrenzen des Küstenmeeres, des Festlandsockels und ilPT \Alirtschaftszone gibt es erhebliche, spezifische Besonderheiten. Diese Markierungen können erfolgen: a) nur auf See, b) nur auf dem Meeresboden und c) sowohl auf See als auch auf dem Meeresboden. Aber sie können auch fehlen. Dann werden die Berechnungen ausschließlich mit den astronomischen Koordinaten durchgeführt. Eine spezifische Besonderheit der Markierung des Küstenmeeres, besonderer Zonen und des Festlandsockels liegt auch darin, daß es in der Staatenpraxis keine standardisierten, einheitlichen Maßstäbe für diese Kategorien gibt, die auf den Seekarten markiert werden. Für die Abmessung der genannten Bereiche wird die Berechnung sowohl von der Niedrigwasserlinie als auch von der Basislinie angewandt. Während die kartographische Abgrenzung auf den Karten des eigenen Territoriums schon seit langem durchgeführt ist (mit gewissen Ausnahmen bei einigen Ländern), so befindet sich die kartographische Abgrenzung auf dem Weltmeer noch im Anfangsstadium. Für Seekarten ist ihr großer Verschleiß charakteristisch, der sich aus der Art der Orientierung auf Meeren und Ozeanen ergibt. Hier ist die Orientierung um vieles schwieriger als auf dem Land, was die Beachtung der Grenzen und Interessen der Staaten sowie ihrer Jurisdiktionsrechte angeht. Die Erschließung des "nassen Landes" durch die Menschheit zum Zwecke der Förderung von Rohstoffen und der Konstruktion von Lagern, Automaten, Produktionsmitteln und anderen Gegenständen auf dem Meeresboden erfordert eine neue Art von Karten, nämlich Meeresbodenkarten. Die Kartographierung des Meeresbodens, angefangen vom am leichtesten zugänglichen Festlandsockel bis hin zum tiefsten Teil, dem Tiefseeboden, ist eine Sache überschaubarer Zukunft. Die Kartographierung des Weltmeeres wird Fragen der FestIegung besonderer staatlicher und internationaler Grenzen sowie der Abgrenzung von Souveränitätsrechten der Staaten aufwerfen. Es ist offensichtlich, daß mit der Kartographierung des Meeresbodens und der sich daraus ergebenden Folgen ein Komplex von Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten auf den neuen Meeresbodenanteilen verbunden sein werden.
4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht
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Von den ständigen oder vorübergehenden Gegenständen rechtlicher Regelung der Meeresbodenräume seien erwähnt die Abgrenzungslinien zwischen dem nationalen Festlandsockel und dem Meeresboden jenseits der Grenze des Sockels, die Grenzen zwischen den Festlandsockeln verschiedener, sowohl benachbarter als auch gegenüberliegender Staaten, die Abgrenzungslinien nationaler und internationaler technischer Vorrichtungen auf dem Meeresboden verschiedener Gewässerbereiche und der Sicherheitszonen um diese Objekte, der künftigen (nationalen und internationalen) Meeresplantagenwirtschaft, der nationalen und internationalen Meeres-Naturschutzgebiete und der Teile des Meeresbodens, die von verschiedenen Staaten auf Grund der Lizenz einer internationalen Organisation oder ohne eine solche (zum Zwecke der Ausbeutung der Bodenschätze) genutzt werden. 49 In Zukunft wird man hierher auch den Erlaß von Rechtsvorschriften für unterseeische Navigationshilfen zugunsten von U-Boot-Handelsflotten, für Depots zur Aufbewahrung verschiedenster Gegenstände, für unterseeische Produktionsmittel zur Gewinnung und möglicherweise auch zur Verarbeitung von Naturschätzen, für unterseeische Wohnungen, für unterseeische archäologische Funde usw. rechnen müssen. Wenn man von der großen und immer stärker werdenden Rolle des geographischen Faktors bei der Entwicklung des Seevölkerrechts spricht, darf man niemals die völkerrechtswidrigen Handlungen unerwähnt lassen, die auf eine aggressive und schadenstiftende Nutzung der geographischen Umwelt gerichtet sind. Zu derartigen Handlungen gehören die Schaffung von Marinebasen auf fremden Territorien, die Versuche von Ländern, die internationale Handelsschiffahrt in Meerengen oder Kanälen ihrer Kontrolle zu unterwerfen, die Hinwendung zu einer menschenverachtenden Doktrin der Geopolitik,50 welche die Expansion und Aggression bestimmter Staaten unter Hinweis auf "geographische Schwierigkeiten", "geographische Bestimmung" und die Suche nach "Lebensraum" rechtfertigt. Ebenso widerrechtlich sind die Versuche eInIger Länder, unter der Flagge "geographischer und anderer Besonderheiten" "ihr Küstenmeer" über die gewohnheitsrechtliche Grenze von 12 sm hinaus bis auf 200 sm Breite auszudehnen. (Wobei dies, wie leicht einzusehen ist, auf Kosten der Hohen See geschieht, die sich in der gemeinsamen Nutzung aller Völker befindet und der man auf diese Weise viele Millionen Seemeilen wegnimmt). Derartige Handlungen sind ein echter Miß49 Siehe Stariina-Bisti, T. M., Kladovye dna Mirovogo okeana (Mezdunarodno-pravovye aspekty ekspluatacii mineral'nych resursov), Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1980. 50 Siehe Lazarev, M. I., Za likvidaciju voennych baz SSa, Moskva, Verlag IMO 1959, S. 79-92 (Geopolitika):
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Das Seevölkerrecht als Zweig des allgemeinen Völkerrechts
brauch der These (und auch durchaus richtige Thesen kann man mißbrauchen) von geographischen Besonderheiten, die in einer Reihe von Fällen überdies gar nicht vorliegen. Mit anderen Worten, es ist unzulässig, aus der These vom geographischen Faktor einen Fetisch zu machen. Insofern die Geopolitik und diese Mißbräuche ihrem Wesen nach eine Verneinung des Völkerrechts darstellen, muß man ihnen überall in den "Engpässen" unseres Planeten völkerrechtliche Barrieren entgegenstellen sowie das Völkerrecht und seine regelnde Rolle im Leben der Staaten und Völker stärken. Die Erörterung der Rolle des geographischen Faktors in den modernen internationalen Beziehungen und im Völkerrecht ist notwendig, um diesen wichtigen Umstand nicht zu vergessen und zu studieren, und um nicht zuzulassen, daß einige bürgerliche Länder seine Bedeutung übertreiben, weil sie aus ihm zum Nachteil anderer Staaten und Völker Vorteile ziehen wollen. Als Ergebnis verdient noch einmal unterstrichen zu werden, daß das Seevölkerrecht zusammen mit dem allgemeinen Völkerrecht eine Annäherung der Lage der Staaten begünstigt, indem es die geographischen Ungerechtigkeiten abschwächt und die Interessen der betreffenden Staaten schützt. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution förderte das Entstehen dieser Funktion des Völkerrechts. In der Epoche der wissenschaftlichtechnischen Revolution erfährt sie eine immer breitere Entwicklung, auch wegen des Erscheinens von Hunderten junger unabhängiger Staaten auf der politischen Weltkarte. Aus dem in diesem Kapitel Gesagten wird deutlich, daß das moderne Seevölkerrecht ein untrennbarer, integraler Bestandteil des modernen allgemeinen Völkerrechts ist, auf dessen Grundprinzipien und Grundnormen es aufbaut, und mit dem es organisch verbunden ist. Gleichzeitig ist das moderne Seevölkerrecht ein selbständiger Zweig des Völkerrechts, weil es als Gegenstand seiner Regelung einen besonderen Kreis gesellschaftlicher Beziehungen hat, die internationalen maritimen Beziehungen. Grundlegende Subjekte dieser Beziehungen sind die Staaten, die Träger umfassender öffentlicher Rechte und Pflichten auf dem Weltmeer. Die internationalen maritimen Beziehungen haben eine große gesellschaftliche Bedeutung. Ihre Regelung durch die Staaten führte zur An-
4. Geographischer Faktor im Seevölkerrecht
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sammlung eines umfangreichen normativen Materials, das vom Klassenstandpunkt aus interpretiert und angewendet wird. Sowohl einzelne Staaten als auch die schaft insgesamt sind an der Existenz Rechts, des Seevölkerrechts, als einem Ordnung der internationalen maritimen rung interessiert.
internationale Staatengemeineines speziellen Zweiges des wichtigen Instrument für die Beziehungen und ihrer Steue-
Diese Ordnung und Steuerung wird durch eine Gruppierung der Masse der seevölkerrechtlichen Normen und Rechtsinstitute um Grundprinzipien des allgemeinen Völkerrechts, die unter Berücksichtigung der spezifischen maritimen Besonderheiten angewandt werden, und um spezielle Prinzipien des modernen Seevölkerrechts (Prinzip der Freiheit der Hohen See, Prinzip des Ausgleichs der Rechte des Küstenstaates und des Nichtküstenstaates u. a.) erreicht. Auf der Grundlage der Prinzipien und Normen des Seevölkerrechts treten die Staaten zur Erreichung konkreter Ziele ihrer Meeresnutzung miteinander in seevölkerrechtliche Beziehungen ein, deren System die Seevölkerrechtsordnung schafft.·
• Zur Seevölkerrechtsordnung siehe im einzelnen Kapitel V. 5 Lazarev
KAPITEL 11
Untergliederungen des Seevölkerrechts Das Seevölkerrecht ist ein System, das weitere Untersysteme hat, seine Untergliederungen. Die Kompliziertheit der internationalen maritimen Beziehungen, das kolossale Anwachsen des normativen Materials, das diese Beziehungen regelt, und die Notwendigkeit seiner genauen Systematisierung und geordneten Anwendung, in der Hauptsache aber der unaufhörlich fortschreitende Prozeß der Spezialisierung bestimmter Sonderbeziehungen im Rahmen der allgemeinen maritimen Beziehungen der Staaten stellen auch die Wissenschaft vom Seevölkerrecht vor die Frage nach der Zweckmäßigkeit und Möglichkeit der Abtrennung entsprechender Untergliederungen innerhalb des Zweiges des Seevölkerrechts. Vom theoretischen Standpunkt aus ist es für die "Abspaltung" von Untergliederungen des Seevölkerrechts augenscheinlich ausreichend, daß folgende Merkmale vorhanden sind: 1. Bestimmte spezifische maritime Beziehungen, die sich von anderen benachbarten maritimen Beziehungen unterscheiden, die insgesamt vom Zweig des Seevölkerrechts geregelt werden.
2. Spezielle Quellen (oder Normen) der rechtlichen Regelung der gegebenen bestimmten spezifischen seerechtlichen Beziehungen, die sich von der ganzen übrigen Masse der Seerechtsbeziehungen unterscheiden. 3. Spezielle Prinzipien, die für die gegebenen begrenzten seerechtlichen Beziehungen charakteristisch sind. 4. Praktischer und theoretischer Bedarf der Meeresnutzer an einer gewissen Verselbständigung der aufgezeigten maritimen Beziehungen (die im Verhältnis zum Ganzen Teile sind) und an ihrer besonderen rechtlichen Regelung. Wenn die Praxis auf dem Weg der Spezialisierung fortschreitet (und sie befindet sich in der Tat auf diesem Weg), so ist auch für die Wissenschaft der Weg frei für eine theoretische Erfassung und Abtrennung neuer Untergliederungen des Seevölkerrechts.
1. Traditionelle Untergliederungen
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Die Gegner einer Abtrennung von Untergliederungen des Rechts betonen, daß "man auf diese Weise bis auf ein Waschküchen- oder Wäscherei recht heruntergehen kann". Derartiges steht aber hier keineswegs zu befürchten. Falls die Gesellschaft Bedarf an einem bestimmten autonomen Studium und an der Anwendung einer bestimmten Gruppe oder eines bestimmten Systems von Normen hat, und wenn es gewisse objektive Grundlagen dafür gibt, dann wird die Rechtswissenschaft so verfahren. Das Recht ist ein Bereich von Beziehungen mit vielen Verzweigungen. Wenn es Subjekte besonderer Beziehungen, spezielle Gegenstände (Objekte) einer rechtlichen Regelung, besondere Rechtsnormen und Rechtsbeziehungen und vor allem, wie V. M. Cichikvadze, C. A. Jampol'skaja und andere Wissenschaftler unterstreichen, einen Bedarf der Gesellschaft gibt, so kann es auch ein "Mondrecht" , ein "Wetterrecht" und viele andere Untergliederungen des Rechts geben. 1. Traditionelle Untergliederungen
Die Feststellung eines neuen Zweiges des Rechts und seiner Untergliederungen ist ein willensabhängiger Prozeß, wie alles im Recht. Daneben ist es aber auch ein Prozeß, der von der Entwicklung der Produktionskräfte der Gesellschaft bestimmt wird. Wenn die Gesellschaft einen entsprechenden Bedarf hat, so wird dies zu einer wissenschaftlich begründeten und praktisch notwendigen Entscheidung. Wenn die Gesellschaft aber keinen derartigen Bedarf hat, so wird es zum Voluntarismus. "Heute ist die Existenz eines neuen Völkerrechtszweiges, des Weltraumrechts, allgemein anerkannt",l schreibt Ju. M. Kolosov. Noch unlängst lehnte die Rechtstheorie jedoch diesen Begriff ab. Noch früher wurde die Frage, ob das internationale Atomrecht die Eigenschaft eines Zweiges des Rechts hat, verneint. Zuvor geschah dasselbe beim Seevölkerrecht. In einer solchen Lage sind heute diejenigen rechtlichen Gebilde, die anfangen, eine höchste Stufe der Spezialisierung zu erwerben, sie aber noch nicht erworben haben. Die Untergliederung des Rechts kann man als eine ausreichend weit entwickelte Verbindung von Rechtsinstituteq definieren. S. S. Alekseev charakterisiert die Untergliederung wie folgt: "Die Untergliederung ist eine Verbindung von Instituten, für die ein hoher Grad der Spezialisierung, der Differenzierung und der Integration der zu ihr gehörenden rechtlichen Gemeinsamkeiten charakteristisch ist ... Das klarste Unter1 Kolosov, Ju. M., Massovaja informacija i mezdunarodnoe pravo, Moskva, Verlag Mezdunar. otnosenija 1974, S. 151.
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Untergliederungen des Seevölkerrechts
scheidungsmerkmal von Untergliederungen, die sich aus anderen rechtlichen Gemeinsamkeiten herausheben, ist die Existenz eines gemeinsamen Instituts, jedenfalls einer Assoziierung gemeinsamer Normen in der Untergliederung."2 Von diesem Standpunkt aus wird heute im Rahmen des Systems des Seevölkerrechts die Existenz von Untergliederungen wie des Rechts der Handelsschiffahrt nicht mehr angezweifelt. Das Recht der Handelsschiffahrt ist ein durchaus vielschichtiges und zweifellos selbständiges System von Rechtsnormen, die in Institute gruppiert sind und die nach moderner Auffassung den Status und den Einsatz von Seeschiffen zu beliebigen Zwecken, mit Ausnahme der Kriegsschiffahrt, regeln. 3 Für die Regelung dieser umfassenden Tätigkeit der Staaten werden zwischen ihnen Hunderte von internationalen Verträgen und Abkommen multilateralen und bilateralen Charakters abgeschlossen. Diese Tätigkeit stützt sich auf ihre eigenen spezifischen Prinzipien, die sich wesentlich von den Prinzipien und Normen, welche die Kriegsschiffahrt und die Tätigkeit der Kriegsflotte regeln, sowie von anderen Arten der Meeresnutzung (Fischfang, Gewinnung von Rohstoffen usw.) unterscheiden. Jedoch hat unter dem Einfluß der wissenschaftlich-technischen Revolution auch diese Untergliederung die Tendenz zu einer weiteren Differenzierung. Die funktionale Spezialisierung der Flotten, die Besonderheiten bestimmter Schiffstypen (Forschungsschiffe, Tanker, Fischereischiffe u. a.) und ihre unterschiedliche Rechtsordnung werfen nach unserer Meinung die Frage auf, ob - falls ein derartiges Bedürfnis zwingend wird - das Recht der Handelsschiffahrt in weitere besondere Rechtsordnungen der verschiedenen Arten der Schiffahrt und der Schiffe unterteilt werden soll. Die traditionelle Aufteilung der Flotte in nur zwei große Kategorien - Handels- und Kriegsflotte - beginnt sich zu überleben. So gellt es in den Ohren, daß die Forschungsschiffe der Kategorie der Handelsschiffe zugerechnet werden müssen, was weder ihren Zwecken und Aufgaben noch den durchgeführten Funktionen entspricht. In der Praxis führt die Zurechnung der wissenschaftlichen Forschungsschiffe zur Kategorie der Handelsschiffe sogar im Rahmen des innerstaatlichen Rechts des Flaggenstaates des wissenschaftlichen Forschungsschiffes zu zahlreichen Schwierigkeiten und Unvereinbarkeiten, weil an das For2 Alekseev, S. S., Struktura sovetskogo prava, Moskva, Verlag Jurid. lit. 1975, S. 155. 3 Siehe Gureev, S. A., Torgovoe sudochodstvo, in: Sovremennoe mezdunarodnoe morskoe pravo: Naucnye issledovanija. Ochrana morskoj sredy. Torgovoe i voennoe moreplavanie. Moskva, Verlag Nauka 1978, S. 117 H.
1. Traditionelle Untergliederungen
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schungsschiff dieselben Anforderungen gestellt werden, die für ein Handelsschiff (bezüglich der Ausrüstung, Rettungseinrichtungen, des Rechts des Zugangs zum Meer usw.) vernünftig, bei einem wissenschaftlichen Forschungsschiff jedoch gänzlich überflüssig sind. Abwegig ist auch die Zurechnung der wissenschaftlichen Forschungsschiffe zur Kategorie der Kriegsschiffe, wenn dies nicht vom Flaggenstaat selbst so angeordnet wird. 4 Neben dem Recht der Handelsschiffahrt ist es heute durchaus gerechtfertigt, von dem Recht der Kriegsschiffahrt als einer weiteren Untergliederung des Seevölkerrechts zu sprechen. Hier handelt es sich ebenfalls um ein altes, schwieriges, selbständiges und spezielles System von Normen des Seerechts, das sich in Institute gliedert, die den speziellen Status und Einsatz von Kriegsschiffen in den verschiedenen Gewässerbereichen des Weltmeeres regeln. Das System von Normen und der Prinzipien ihrer Anwendung auf dem Gebiet der Kriegssdliffahrt (Immunität von Kriegsschiffen, Aufgabe der Uberwachung der Rechtsordnung auf den Meeren und Ozeanen u. a.) unterscheidet sich sogar wesentlich von denen, die im Bereich der verwandten Handelsschiffahrt angewandt werden, wobei noch gar nicht von den Unterschieden der Kriegsschiffahrt zu anderen Arten der modernen Meeresnutzung die Rede ist (z. B. zu der maritimen Rohstoffgewinnung oder zur wissenschaftlichen Forschung). Ihrerseits unterscheiden sich die genannten Untergliederungen das Recht der Handelsschiffahrt und das Recht der Kriegsschiffahrt wesentlich von einer anderen Untergliederung des modernen Seevölkerrechts, dem Fischereirecht, und zwar sowohl nach dem Regelungsgegenstand als auch nach den Methoden zur Erreichung der Ziele, die dieser Untergliederung von Rechtsnormen gesetzt sind. Das internationale Fischereirecht ist ebenfalls eine alte Untergliederung von Normen, die in Institute gruppiert sind, und an ihrer spezifischen Besonderheit gibt es keine Zweifel. Heute erfaßt sogar ein guter Spezialist des Seevölkerrechts nicht immer gleich die auftauchenden Probleme des internationalen Fischereirechts (besonderer Rechtsstatus der Wanderfischarten, das Problem der Quoten und verschiedenen Bedingungen einer vernünftigen Fischerei u. a.). In allen interessierten Staaten werden Unterabteilungen der Rechtsabteilungen der Ministerien und Behörden der Fischereiwirtschaft sowie der internationalen Fischereiorganisationen geschaffen. Bei der Erörterung der Möglichkeit, daß sich einige Untergliederungen des Seevölkerrechts herausbilden, sollten wir daran erinnern, daß 4
Im einzelnen siehe dazu a. a.
o. S. 17-27.
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Untergliederungen des Seevölkerrechts
die sowjetischen Spezialisten A. K. tudro und Ju. eh. Dzavad schon im Jahre 1974 zu dem Schluß kamen, daß "sich in den letzten 10 bis 15 Jahren unter den Normen des Seevölkerrechts eine spezielle Gruppe von Normen mit Regeln verwaltungsrechtlichen Charakters immer deutlicher herauszuheben beginnt".5 Sie fassen die genannte Gruppe von Normen unter der Bezeichnung "internationales Seeverwaltungsrecht" zusammen und begründen überzeugend den selbständigen spezifischen Charakter dieser Normengruppe. 6 Ähnlich ist die Lage auch beim internationalen Seezeremoniell und Seeprotokoll. Die Normen des Seeprotokolls und Seezeremoniells sind seit alters her bekannt. Jedoch kann man heute schon von der Ansammlung eines bestimmten Systems dieser Normen sprechen, deren Besonderheit nicht so sehr eine materielle als vielmehr eine prozessuale Regelung der internationalen maritimen Beziehungen ist. Dazu gehören alle (durchaus zahlreiche) Normen des Seeprotokolls und Seezeremoniells der Schiffe der Kriegsflotten sowie alle Normen ähnlichen Charakters, die kraft seevölkerrechtlicher Verträge, Abkommen und Gewohnheiten sowie auf Grund innerstaatlicher Gesetze, Verordnungen, Satzungen und anderer Vorschriften sowohl des Flaggenstaates als auch des Hafenstaates beachtet werden. Dieses Recht ist ein wichtiges Element der rechtlichen Regelung beim Aufenthalt eines ausländischen Kriegs- oder Handelsschiffs in nationalen Gewässern des betreffenden Staates und auf Hoher See. Weil die Kriegsschiffe aller Länder und vielfach auch die Handelsschiffe die Rechtsordnung auf dem Weltmeer, einschließlich der Hohen See, aufrechterhalten, fördern und verwirklichen, sind in den diese Fragen betreffenden internationalen Verträgen und Abkommen nicht nur materielle Normen über die Regelung der internationalen maritimen Beziehungen enthalten, sondern auch prozessuale Normen (z. B. das Verfahren der Befragung eines Schiffes, das im Verdacht steht, eine Rechtsverletzung begangen zu haben, das Verfahren des Aufbringens, Durchsuchens, Festhaltens oder der Beschlagnahme und viele andere).7 Die Normen und Institute des internationalen maritimen diplomatischen Protokolls und Zeremoniells können auch als selbständige Untergliederung des modernen Seevölkerrechts angesehen werden, die 5 Zudro, A. K. / Dzavad, Ju. eh., Morskoe pravo, Moskva, Verlag Transport 1974, S. 82. 6 Ebenda S. 88. 7 Siehe Voenno-morskoj protokol ceremonial, Moskva, Verlag Voenizdat, 1979.
2. Neue oder sich herausbildende Untergliederungen
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gewisse Normen und Institute des Diplomaten- und Konsularrechts einschließt. Denn die Normen des letzteren sehen bekanntlich einige wichtige Rechte und Pflichten des diplomatischen Vertreters und der Konsuln des Flaggenstaates gegenüber seinen Kriegs- und Handelsschiffen und gegenüber den Behörden des Hafens oder der Gewässer des Landes vor, in deren Häfen oder Gewässer das Kriegs- oder Handelsschiff einläuft. Deshalb werden diese Normen manchmal in der Literatur auch unter dem Begriff "diplomatisches Seeprotokoll" zusammengefaßt. 8 Dies ist schon ein Beispiel eines "gemischten Instituts". Hier paßt vollständig die von S. S. Alekseev gegebene Bewertung dieser Erscheinung im sowjetischen Recht. Der Autor führt aus, daß "an den Nahtstellen einzelner Rechtssphären, an ihren Berührungspunkten, manchmal Elemente auftauchen, die einem anderen Rechtszweig eigen sind. Man muß aber sogleich betonen: Vor uns steht kein ,Sammelgebilde', kein Konglomerat aus Stücken verschiedener Zweige, sondern ein zum Rechtszweig gehöriges Institut, in das Elemente anderer Zweige eingeflossen, eingesickert (,beigemengt' worden) sind. Die Bildung gemischter Institute wurde durch den engen Kontakt zwischen den Rechtszweigen und ihre gegenseitige Durchdringung, die durch die Existenz ,sich an der Grenze abspielender' funktional und genetisch miteinander verbundener gesellschaftlicher Beziehungen bedingt ist, und durch die Notwendigkeit eines ,Unterbaus' unter der Rechtsordnung des benachbarten Teils der rechtlichen Regelung hervorgerufen. "9 2. Neue oder sich herausbildende Untergliederungen Die Kompliziertheit der maritimen Beziehungen und das Eindringen des Menschen in große Tiefen der Meere und Ozeane schaffen eine Tendenz zur Abtrennung einer besonderen Untergliederung des Unterwasserrechts. Die Ozeanologen sind der Ansicht, daß nach dem Zweiten Weltkrieg die Ära der unterseeischen Sporttaucher begann. 10 Die Entwicklung des Sporttauchens zu einem Massensport hatte den Erlaß nationaler und internationaler Regeln für das Verhalten der Sporttaucher unter Wasser zur Folge. Diese Regeln sollen Gesundheit und Leben der Sporttaucher sichern und den Schutz der unterseeischen Flora und Fauna gewährleisten. Gegenstände der Meeresarchäologie (unter Wasser be" 8 Siehe Tarchanov, I. E., Nekotorye aspekty voenno-morskogo diplomaticeskoge protokola, in: Morskoj sbornik, 1972, No. 2, S.83-87. 9 Alekseev, S. S., Struktura sovetskogo prava (Kap. I, Anm. 1), S. 132. 10 Dagen, Di., Kapitan Kusto, Leningrad 1966.
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Untergliederungen des Seevölkerrechts
finden sich Schätze, deren Wert sich auf einige Milliarden Pfund Sterling beläuft) sollen vor Plünderung geschützt, Interessenkonflikte zwischen den Staaten sollen verhindert werden. Man kann vermuten, daß die Erweiterung und Systematisierung dieser Normen zur Bildung des Zweiges eines Unterwasserrechts führt. Aber auch im Rahmen des Unterwasserrechts kristallisiert sich ein System von Normen heraus, das einen völlig autonomen rechtlichen Bereich darstellt. Man redet schon von einer Abzweigung des Seevölkerrechts, dem Meeresbodenrecht. Wenn das Unterwasserrecht den Status der Sporttaucher, ihre Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten, den Schutz der archäologischen Schätze und Schätze aus längst vergangener Zeit, den Schutz der Meeresflora und Meeresfauna vor willkürlichen Handlungen der Sporttaucher (die schon nach Zehntausenden zählen) regelt, so ist das Meeresbodenrecht auf etwas anderes gerichtet. Es ist speziell dem Status des Bodens und Untergrundes der Meere und Ozeane aus der Sicht der Gewinnung mineralischer Bodenschätze sowie den Bedingungen ihrer Förderung und ihrer Verteilung gewidmet. Wenn wir dieses Normsystem analysieren, so sehen wir auch hier zwei Ableger. Einerseits bildet sich ein bedeutsames Normensystem, das den Status des Festlandsockels regelt, der ein umfassendes Rechtsinstitut darstellt, über das es schon Hunderte von Abkommen zwischen den Staaten gibt. Diese Abkommen regeln die Abgrenzung gegenüberliegender und benachbarter Festlandsockel, die gemeinsame Förderung von Rohstoffen, die Errichtung verschiedener künstlicher Vorrichtungen zu diesem Zweck usw. Dieses Normensystem ist das Festlandsockelrecht. l l Andererseits zeichnet sich für die Zukunft ein Tiefseebodenrecht ab, d. h. ein Normensystem, das den Status des Bodens und Untergrundes jenseits des Festlandsockels der Staaten im Zusammenhang mit technischen Arbeiten auf dem Meeresboden regelt, der in der 1982 von der 3. VN-Seerechtskonferenz angenommenen Seerechtskonvention internationales "Gebiet" genannt wird. Dies ist ein anderes selbständiges großes Institut,12 In der Tat sind Dutzende von Artikeln der Konvention den Fragen der Aufteilung der 11 Sviridov, E. P., Granicy kontinental'nogo sel'fa (Mezdunarodnye voprosy), Moskva 1981. 12 Die Ausarbeitung des Festlandsockelrechts und des Tiefseebodenrechts kann sich auf die nützlichen Quellen der Doktrin des innerstaatlichen Bergrechts stützen; siehe Arbeiten wie Basmakov, G. S., Zakonodatel'stvo 0 nedrach, Moskva, Verlag Jurid. lit. 1976; derB., Pravovoe regulirovanie razvedki i razrabotki obscerasprostranennych poleznych iskopaemych, Moskva, Verlag Nauka 1978.
2. Neue oder sich herausbildende Untergliederungen
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Quoten auf Meeresbodenanteile im "Gebiet", den Rechten und Pflichten der Staaten, den Rechten und Pflichten der "Behörde" bei der Förderung der mineralischen Reichtümer, dem Status des besonderen "Unternehmens", der Art und Weise der Streitbeilegung, der Verhinderung einer Monopolisierung des Meeresbodens durch diejenigen, die Tiefseebergbau betreiben usw. gewidmet. Im Zusammenhang mit der Institutionalisierung der Idee der Schaffung einer maritimen Wirtschaftszone mit einem besonderen Status, den damit verbundenen Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten der Küstenstaaten, Nichtanliegerstaaten, Binnenstaaten und geographisch benachteiligten Staaten sowie im Zusammenhang mit dem großen Umfang der Beziehungen, die in diesem riesigen geographischen Gewässergebiet entstehen, dem vielzählige Normen und Institute der neuen Seerechtskonvention gewidmet sind, kann man von der Bildung eines Rechts der maritimen Wirtschaftszonen sprechen. Diese Untergliederung schließt eine Reihe schwieriger Institute ein. Rechtssubjekte der Untergliederung können Staaten und in bestimmtem Umfang auch internationale Organisationen sein (z. B. wenn sie den höchstzulässigen Fang in den Wirtschaftszonen festsetzen). Der Umfang der Rechte und Pflichten der Subjekte der Rechtsbeziehungen in der Wirtschaftszone ist groß und spezifisch genug, um eine selbständige Untergliederung zu rechtfertigen: Gegenstand dieser Untergliederung sind die spezifischen seevölkerrechtlichen Beziehungen in den maritimen Wirtschaftszonen. Diese unterscheiden sich durch ein breites Spektrum und die Schwierigkeit, sie auf der Grundlage des Prinzips des Ausgleichs der Rechte der Küstenstaaten und der Nichtanliegerstaaten der betreffenden Wirtschaftszone sowie auch derjenigen Staaten, die keine eigenen Meeresküsten haben oder die geographisch benachteiligt sind, zu regeln. Quellen des Rechts, das die Beziehungen in den Wirtschaftszonen regelt, werden nach der offiziellen Ratifizierung der Konvention durch die Staaten vor allem die Bestimmungen der Seerechtskonvention, einschlägige internationale Verträge und Abkommen über konkrete Wirtschaftszonen, sowie die von einigen Staaten offiziell anerkannte nationale Wirtschaftszonengesetzgebung anderer Staaten sein, die den Normen des Völkerrechts entspricht. Daß es sich bei der Schaffung künstlicher Untergliederungen des Seevölkerrechts nicht um eine "Spielerei" handelt, sondern um ein dringendes Bedürfnis der Gesellschaft, beweist neben dem reichlichen • Zur Wirtschaftszone siehe Kapitel VII.
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Untergliederungen des Seevölkerremts
und besonderen normativen Material die Tatsache, daß in vielen Staaten besondere Unterabteilungen der Rechtsabteilungen geschaffen werden, die mit der Ausarbeitung rechtlicher Fragen der zukünftigen maritimen Wirtschaftszonen befaßt sind, und die ernsthafte Aufmerksamkeit, die in der Rechts- und Wirtschaftswissenschaft auf der ganzen Welt dieser Problematik beigemessen wird. Bei der rechtlichen Regelung der Tätigkeit der Staaten auf dem Weltmeer nimmt die rechtliche Regelung des Schutzes der Meeresumwelt einen besonderen Platz ein. Obwohl das maritime Umweltschutzrecht Teil des allgemeinen Systems der Normen ist, die den Schutz der Natur (der natürlichen Umwelt des Menschen) unseres Planeten insgesamt regeln, hat es dennoch eine große selbständige Bedeutung und erfordert große Kenntnisse der spezifischen Besonderheit der Meeresumwelt sowie des Seevölkerrechts. Deshalb kann man auch auf diesem Gebiet die Entstehung einer selbständigen Untergliederung erwarten, nämlich des Rechts des maritimen Umweltschutzes. Man kann das Recht des maritimen Umweltschutzes aber auch als die Untergliederung eines allgemeineren Zweiges des allgemeinen Völkerrechts auffassen, der unter verschiedenen, bislang noch nicht gefestigten Bezeichnungen wie "Recht des Umweltschutzes" oder "internationales Naturschutzrecht" (0. S. Kolvasov, L. V. Speranskaja) bekannt ist. S. V. Polenina bemerkt zu Recht, daß die "systematische Bildung von ,grenzüberschreitenden' Beziehungen an der Nahtstelle gleichartiger benachbarter Zweige dazu dient, die Veränderlichkeit der Grenzen zwischen den Rechtszweigen als Folge der Entwicklung gesellschaftlicher Beziehungen zu offenbaren. Derartige Beziehungen behalten die Züge eines Zweiges bei, nehmen aber auch Züge des angrenzenden Rechtszweiges an. Je nach der weiteren Entwicklung der ,Grenz'-Beziehungen kann die Zahl der ,entlehnten' Züge sich erhöhen. "13 Einen besonderen Platz nehmen hier schon heute die Fragen des Schutzes der Meeresumwelt vor schädlichen Folgen der Beseitigung von Industrieabfällen ein. Es wird nach Technologien mit wenig oder gar keinen Abfällen und geschlossenen Kreisläufen der Wassernutzung usw. gesucht. Wir nehmen insbesondere an, daß die Regierungen entsprechend der Größe ihrer Länder und ihrer Gewässergebiete die Verpflichtung übernehmen können, zum Zwecke des Schutzes der allgemeinen Um13 Polenina, S. V" Subsidiarnoe primenenie norm grazdanskogo zakonodatel'stvo k otnosenijam smeznych otraslej, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo, 1967, No. 6, S.24.
2. Neue oder siro herausbildende Untergliederungen
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welt und der Meeresumwelt eine vereinbarte Summe in Höhe bestimmter Prozentsätze der wissenschaftlich-technischen Arbeiten, durch welche die Umwelt in jedem einzelnen Land verschmutzt wird, abzuführen. Diese Abzüge könnten auf Kosten einer Verminderung der Ausgaben für das Wettrüsten geleistet werden. Bekanntlich haben die Vereinten Nationen am 18. Mai 1917 auf Initiative der UdSSR eine Konvention zum Schutz der natürlichen Umwelt vor schädlichen Folgen kriegerischer Handlungen angenommen. In der Spezialliteratur wird betont, daß zur Zeit des zweiten Weltkrieges in einigen Ozeanen die Fischschwärme unter den Kampfhandlungen stark gelitten haben. Es wurde die Entartung bestimmter Fischarten erwähnt, deren Größe sich wegen einer kriegsbedingt nur in begrenzten Gewässerbereichen stattfindenden Migration verkleinert hatte. Durch Kernwaffenversuche und die Lagerung chemischer und bakteriologischer Mittel auf dem Boden der Ozeane wird die Meeresflora und die Meeresfauna stark in Mitleidenschaft gezogen und gefährdet. Alles dies erlaubt es, die Verhütung eines maritimen Wettrüstens als eine Form des Schutzes der Meeresumwelt vor Verfall anzusehen. Für die Erschließung der Meere und Ozeane, ihres Bodens und Untergrundes, ihrer Flora und Fauna sowie der Gewässer selbst sind große Anstrengungen auf biologischem und auf anderen Gebieten sowie wissenschaftliche und praktische Experimente erforderlich. Auch dies erfordert eine rechtliche Regelung. Wegen des massiven Auftauehens von Menschen auf dem Meeresboden (Taucherarbeiten, Montage von Förderausrüstung usw.) kann man erwarten, daß mit der Zeit ein umfassendes System von Normen entsteht, welche die Technik der Sicherheit der Menschen bei Unterwasserarbeiten, die Vorbeugung gegen Erkrankungen, die Versorgung mit Spezialkleidung und Nahrungsmitteln, die Organisation der Freizeit und Kurbehandlungen usw. regeln. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß sich eine Untergliederung des internationalen maritimen Medizinrechts herausbildet,14 Durch das Anwachsen der Rolle und der Bedeutung der wissenschaftlichen Meeresforschung und der wissenschaftlichen Erforschung der Räume des Weltmeeres kann man die Tendenz zu einer wesentlichen Vergrößerung der Zahl internationaler Ubereinkommen über Fragen der wissenschaftlichen Forschung auf dem Weltmeer und des norma14 Zum Beweis für die These der Existenz eines umfassenderen Zweiges, des Zweiges eines internationalen Gesundheitssdmtzrechts, siehe Michajlov, V. S., Mezdunarodno-pravovoe regulirovanie zdravoochraninija, Avtoref. dis. dokt. jurid. nauk, Leningrad 1973.
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Untergliederungen des Seevölkerrernts
tiv-rechtlichen Materials insgesamt feststellen, das die bei wissenschaftlichen Forschungsvorhaben auf dem Weltmeer auftauchenden internationalen Beziehungen regelt. Dies ist bedingt insbesondere durch Faktoren wie die Erweiterung des Bereichs wissenschaftlicher Forschung auf dem Weltmeer (Arktis, Antarktis, Atmosphäre, Weltraum, Meeresboden und Meeresuntergrund), ein Anwachsen der Möglichkeiten der Staaten bei der individuellen oder kollektiven Durchführung wissenschaftlicher Meeresforschung sowie das Anwachsen der Zahl internationaler Organisationen, die sich mit wissenschaftlicher Forschungstätigkeit auf den Meeren befassen, und die Erweiterung ihrer Kompetenzen. Unter dem Einfluß der wissenschaftlich-technischen Revolution vollzieht sich eine Erweiterung des Horizonts wissenschaftlicher Forschungen und dementsprechend der Arten wissenschaftlicher Forschungstätigkeit sowie eine Erweiterung der Rechts- und Handlungsfähigkeit der Staaten in diesem Bereich. Dementsprechend erstreckt sich die Tätigkeit der Subjekte wissenschaftlicher Meeresforschung auf die Oberfläche des Meeres, die Wassersäule, die Oberfläche des Meeresbodens und seinen Untergrund sowie die Luftsäule über den Gewässern und den Weltraum. Es handelt sich um die Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten der Staaten bezüglich der Tätigkeit in diesen Räumen und um die Verwirklichung dieser Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten in der Praxis. Außerdem tauchten erst kürzlich weitere neue Aspekte der Tätigkeit auf dem Meer auf, wie der Transfer maritimer Technologie, wissenschaftlicher Erkenntnisse und Informationen von industriell entwickelten Ländern an Entwicklungsländer. Im Zusammenhang mit den großen wissenschaftlichen ozeanographischen und ozeanologischen Forschungen, der Schaffung wissenschaftlicher Forschungsflotten und spezieller wissenschaftlicher Organisationen, sowie dem großen Aufwand einer Reihe von Ländern für wissenschaftliche Forschung auf dem Weltmeer (jährlich werden 2 Milliarden Dollar ausgegeben)15 verstärkt sich die rechtliche Regelung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit auf den Meeren und Ozeanen. Die Beilegung von Streitigkeiten, hervorgerufen durch: a) die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhabenj 15 Siehe Buni