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German Pages 222 Year 1990
JURU NIKOLAEVIC MALEEV
Internationales Luftrecht
Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J o s t D e I b r ü c k und R ü d i g e r W o I f r u m
Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel
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Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Dan~el
Bardonnet
Universität Paris II
Rudolf Bernhardt
Max-Pianck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg
Lucius Caflisch
Institut universitaire de hautes etudes internationales, Genf
Antonius Eitel Bonn
Luigi Ferrari Bravo Universität Rom
Louis Henkin
Columbia Universität, New York
Tommy T. B. Koh
Washington, D. C.
John Norton Moore
Universität Virginia, Charlottesville
Fred L. Morrison
Universität Minnesota, Minneapolis
Albrecht Randelzhofer
Freie Universität Berlin
Krzysztof Skubiszewski Polnische Akademie der Wissenschaften, Warschau und Posen
Christian Tomuschat Universität Bonn
Grigorij Tunkin
Universität Moskau
Sir Artbur Watts London
Internationales Luftrecht Fragen der Theorie und Praxis
Von
Jurij Nikolaevic Maleev
Übersetzt von Dr. iur. Elmar Rauch, LL. M.
Duncker & Humblot · Berlin
Redaktionelle Mitarbeit: Berit Bartram und Nicole Bassenge
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Maleev, Jurij Nikolaevic: Internationales Luftrecht: Fragen der Theorie und Praxis I von Jurij Nikolaevic Maleev. Übers. von Elmar Rauch. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; Bd. I 10) Einheitssacht.: Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo (dt.) ISBN 3-428-06880-7 NE: Institut für Internationales Recht (Kiel) Veröffentlichungen des Instituts ...
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7263 ISBN 3-428-06880-7
Vorwort Als ich vor mehr als einem Jahrzehnt meine erste Übersetzung eines sowjetischen Völkerrechtslehrbuches vorlegte (Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Modernes Seevölkerrecht-Die Rechtsordnung der Gewässer und des Bodens des Weltmeeres, Nomos Verlag 1978), verwies ich in meiner Vorbemerkung auf den dritten Korb der Schlußakte der KSZE-Konferenz und gab der Hoffnung Ausdruck, zu einem besseren Kennenlernen der sowjetischen Völkerrechtswissenschaft beitragen zu können. Niemand konnte damals den Durchbruch erahnen, der mit der deutsch-sowjetischen "Gemeinsamen Erklärung von Bonn" erzielt wurde, die Höhepunkt des Besuchs des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbacev vom 12. bis 15. Juni 1989 in der Bundesrepublik Deutschland war. Zur Vision von einem Europäischen Haus gehört auch eine Intensivierung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, die Gegenstand eines anläßlich dieses Besuches unterzeichneten Abkommens ist. Die völkerrechtliche Diskussion darf nicht nur über den Nordatlantik hinweg geführt werden, und es stünde uns Deutschen als dem Volk der Mitte Europas gut an, hier mit Neuern Denken voranzugehen. Das Werk Maleevs verdiente auch deshalb übersetzt zu werden, weil es bislang kein Lehrbuch des internationalen Luftrechts aus deut~cher Feder gibt. Es gibt lediglich Werke zum Luftfahrtrecht (s. etwa R. Schleicher und F. Reymann (Hrsg. H. J. Abraham), Das Recht der Luftfahrt, 2 Bände, 1960, 1966; W. Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 1981). In der westlichen Völkerrechtswissenschaft wird Luftrecht mit Luftfahrtrecht gleichgesetzt. Maleev versucht demgegenüber eine Gesamtdarstellung, in der u. a. auch Erkundung und Überwachung aus dem Luftraum und durch den Luftraum, militärische Nutzung des Luftraums sowie Nutzung des Luftraums und Umweltschutz behandelt werden. Mein besonderer Dank gilt dem Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel, das mit der vorliegenden Arbeit vier meiner Übersetzungen sowjetischer Fachbücher in seine Schriftenreihe aufgenommen hat. London, im Oktober 1989
Elmar Rauch
Vorbemerkung Der russische Originaltitel des Buches lautet: MEZDUNARODNOEVOZDUSNOEPRAVO VOPROSY TEORII I PRAKTIKI Es ging am 19. März 1986 in den Satz und am 30. Juli 1987 in Druck. Das Buch erschien im Verlag .Mezdunarodnye otnosenija", Moskau 1986. Auf der Rückseite des Innentitels befindet sich folgender Text: In dem vorliegenden Buch werden die aktuellen völkerrechtlichen Fragen der Rechtsordnung des Luftraums untersucht: Der Rechtsstatus der verschiedenen Teile des Luftraums, die Grundtendenzen der rechtlichen Regelung der Luftfahrt und des Lufttransports, das Aufspüren von Naturschätzen auf der Erde und die Überwachung aus der Luft sowie die Nutzung des Luftraums für Waffenversuche u'n d militärische Manöver durch die imperialistischen Mächte. Das Hauptaugenmerk wird auf die Definition der rechtmäßigen Aktivitäten der Staaten im Luftraum gelegt. Das Werk ist für Wissenschaftler und Praktiker des Völkerrechts sowie für die Fachleute der Zivilluftfahrt bestimmt. Die Fußnoten der Übersetzung wurden unbearbeitet aus dem Original übernommen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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KAPITEL I Allgemeine völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
1. Faktoren, die auf die Entstehung der Völkerrechtsordnung des Luftraums Einfluß haben . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Gegenstand des internationalen Luftrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Grundprinzipien des internationalen Luftrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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KAPITEL II Rechtsstatus des Luftraums
1. Rechtliche Bedeutung des Begriffs .Luftraum" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
2. Souveräner Luftraum als Teil des Staatsgebietes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
a) Souveräner Luftraum aus der Sicht der Lehre vom Staatsgebiet . . . .
54
b) Besonderheiten der Rechtsordnung des Luftraums über internationalen Meerengen, die vom Küstenmeer bedeckt sind, und über Archipelseewegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
3. Offener Luftraum als Teil des internationalen Gebietes der gemeinsamen Nutzung·...... ... ............ . ....... ... .... . ....... .. ...
65
a) Zum Begriff .Internationales Gebiet der Gemeinsamen Nutzung" . . .
65
b) Inhalt des Begriffs .,Offener Luftraum" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
c) Inhalt des Prinzips der Freiheit des offenen Luftraums . . . . . . . . . . .
73
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Inhaltsverzeichnis
4. Rechtsnatur des funktional-normativen Raums . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
5. Luft-Anschlußzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . .
85
KAPITEL II1 Völkerrechtliche Fragen der Flüge im Luftraum
1. Juristische Einteilung der Flüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Völkerrechtliche Aspekte interner Flüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
3. Grundlagen der Durchführung internationaler Flüge . . . . . . . . . . . . . . . .
99
4. Bedingungen für die Durchführung internationaler Flüge . . . . . . . . . . . .
108
5. Völkerrechtliche Probleme nicht planmäßiger Flüge . . . . . . . . . . . . . . . .
111
6. Regeln der Flüge im offenen Luftraum . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . .
116
7. Völkerrechtliche Fragen der Organisation und der Überwachung des Luftverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120
KAPITEL IV Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit im Luftraum
1. Aktuelle Probleme internationaler Lufttransporte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126
2. Völkerrechtliche Fragen der allgemeinen Luftfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
3. Hilfeleistung mit Luftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
4. Erkundung und Überwachung aus und durch den Luftraum . . . . . . . . . .
161
5. Nutzung des Luftraums durch militärisches Fluggerät . . . . . . . . . . . . . .
167
KAPITEL V Völkerrechtliche Schutznormen betreffend die Nutzung des Luftraums
1. Nutzung des Luftraums und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
Inhaltsverzeichnis
9
20 Internationaler Kampf gegen rechtswidrige Handlungen, die eine Gefahr für die Flugsicherheit darstellen .
190
30 Verfolgung im Wege der .,Nacheile" im offenen Luftraum • . . . . . . . . . .
204
4.. Völkerrechtliche Folgen unerlaubten Einflugs in den souveränen Luftraum . . . . . . . . . . . . • . . . • • . . • . . . . . . . • . • . • • . . . . . . • • . . • . . . . . . .
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Schlußbemeikungen ........................... . ............. .. .. 220
Einführung Entstehung und Entwicklung des internationalen Luftrechts sind ein leuchtendes Beispiel für den Einfluß des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auf die internationalen Beziehungen. Weil es sich zusammen mit diesem Jahrhundert entfaltete, vereinigt es wie vielleicht kein anderer Zweig des Völkerrechts in sich alle Besonderheiten der internationalen Beziehungen unseres modernen Zeitalters. Am Beginn dieses Jahrhunderts und noch bis zum Zweiten Weltkrieg entstanden internationale Beziehungen zwischen den Staaten im Bereich der Nutzung des Luftraums fast ausschließlich zum Zwecke des Überfluges und des Lufttransports, da damals andere Aktivitäten im Luftraum nicht bekannt waren. Daraus erklärt sich die Tatsache, daß sich das internationale Luftrecht als Recht der Luftfahrt herausbildete und für lange Zeit als solches entwickelte. Selbst der Rechtsstatus des souveränen Luftraums (Anerkennung der vollen und ausschließlichen Souveränität des Staates im Luftraum über seinem Land- und Seeterritorium) wurde von Anfang an ebenfalls nur unter dem Aspekt des Überfluges von Luftfahrzeugen betrachtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders in den letzten Jahren wuchsen die Nutzungsarten des Luftraums beträchtlich. Hierzu gehören außer der Luftfahrt u. a. die Überflüge von Raketen, (absichtliche und unabsichtliche) Einwirkungen auf die Atmosphäre unseres Planeten, die W affenerprobung, die wissenschaftliche Forschung, der Überflug von Weltraumfahrzeugen und die Nutzung der Sonnenenergie. Die rechtliche Regelung dieser Tätigkeit erfolgt im wesentlichen im Rahmen des Umweltschutzrechts, des Weltraumrechts, des Seevölkerrechts und anderer Zweige des Völkerrechts. Dabei findet jede dieser genannten Tätigkeiten auch ganz oder teilweise im Luftraum statt (wie z. B. der Flug von Weltraumflugkörpern). Folglich sind der Charakter und die Möglichkeit einer jeden Tätigkeit auch dem Rechtsstatus und der Rechtsordnung des Luftraums unterworfen, die durch die Normen des internationalen und nationalen Luftrechts bestimmt werden. Diese gegenseitige Abhängigkeit führt dann zu Konflikten, wenn die Folgen einer Handlung einzelner Staaten im Luftraum mit den Interessen anderer Staaten kollidieren, die Rechtsordnung des Luftraums verletzt wird und der Luftraum unseres Planeten zur Arena scharfer Gegensätze wird. Gegenwärtig entstehen derartige Gegensätze immer häufiger. Sie stehen in einem direkten Zusammenhang mit den Fragen von Krieg und Frieden und
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Einführung
mit den globalen zeitgenössischen Problemen. Weil alles Leben und die gesamte Tätigkeit der Menschheit mit der Nutzung des Luftraums und der Atmosphäre unseres Planeten verbunden ist, gehört die Suche nach den effektivsten völkerrechtlichen Mitteln für die Regelung dieser Tätigkeit zu den aktuellsten Problemen der Gegenwart. Wie in dem vom Generalsekretär des ZK der KPdSU M. S. Garbacev vorgetragenen Politischen Bericht an den XXVII. Parteitag ausgeführt wurde, .sind die Veränderungen in der zeitgenössischen Weltentwicklung so tief und bedeutsam, daß sie ein Überdenken und eine komplexe Analyse aller ihrer Faktoren erfordern. Die Situation des nuklearen Gegeneinanderstehens verpflichtet zu neuen Ansätzen, Arten und Formen der gegenseitigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gesellschaftssystemen, Staaten und Regionen."' Genau mit dieser Einstellung gehen die Sowjetregierung und die Kommunistische Partei der Sowjetunion an die Lösung der zeitgenössischen, internationalen Probleme heran. Sie wurde in der Neufassung des Programms der KPdSU, in den Grundlinien der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der UdSSR für die Jahre 1986-1990 und für die Periode bis zum Jahre 2000 sowie in anderen Dokumenten des XXVII. Parteitages der KPdSU niedergelegt, sie fand in den Friedensinitiativen der UdSSR vom 15. Januar 1986 Ausdruck und bestimmte die Position der sowjetischen Delegation bei den Verhandlungen in Genf, Stockholm und Wien. Die Bekräftigung des Prinzips der friedlichen Koexistenz in den internationalen Beziehungen, die Rückkehr zum Klima der Entspannung, die Festigung des Vertrauens und die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Staaten wären zweifellos das zuverlässigste Stimulans und die zuverlässigste Garantie dafür, daß die aktuellen Probleme der internationalen Beziehungen unter Berücksichtigung der Interessen der gesamten Menschheit gelöst werden können, einschließlich der Interessen, die mit der Nutzung des Luftraums im Zusammenhang stehen. Jedoch gibt es in der kapitalistischen Welt, vor allem in den USA, Kräfte, die sich jedem positiven Schritt in diese Richtung entgegenstellen. Einen besonders negativen Einfluß auf den Nutzungscharakter der Erde und insbesondere auf ihre Nutzung zu friedlichen Zwecken hat der militärisch-industrielle Machtblock der kapitalistischen Länder. Die Ursachen dieses Einflusses liegen in der Natur des Imperialismus selbst und haben weit zurückreichende historische Wurzeln. Unter dem Druck dieses Machtblocks arbeiteten nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges die militärisch-politischen Kreise der USA die sogenannte Konzeption der .großräumigen Planung" aus, derzufolge ein beträchtlicher Teil der Welt zum Bereich einer "staatlich notwendigen Kontrolle" der USA erklärt wird. Das Mitglied der Akademie der Wissenschaften P. N. Fedoceev er1 Materialy XXVII s'ezda Kommunisticeskoj partii Sovjetskogo Sojuza, Moskva 1986, S. 4.
Einführung
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klärte: "Diese Konzeption konkretisiert das bereits während des Zweiten Weltkrieges vom State Department und vom Rat für Auswärtige Beziehungen ausgearbeitete ,Programm für Krieg und Frieden', in dem die These enthalten ist, daß der Krieg den USA die Position der dominierenden globalen Macht verschafft, die aufgerufen ist, in dem von ihr kontrollierten Raum zu herrschen." 2 Erscheinungen dieser Konzeption in der Praxis sind das Wettrüsten, die Verletzung des Luftraums souveräner Staaten, die Entwicklung des Programms des .,Krieges der Sterne", ausgedehnte Manöver der Luftstreitkräfte, das Anwachsen der Zahl von Militärbasen, von Beständen an chemischen, u. a. binären, und bakteriologischen Waffen, von Kernwaffenversuchen und von Erprobungen konventioneller Waffen, die Ausarbeitung von Methoden zur Führung eines "meteorologischen Krieges" usw. Dies sind alles Erscheinungen, die mit der Nutzung des Luftraums und einer Einwirkung auf die Atmosphäre verbunden sind, dieser universellen räumlich-materiellen Sphäre, aus der der Menschheit und allen Staaten ohne jede Ausnahme eine kriegerische oder ökologische Katastrophe drohen kann. Die "ökonomische Aggression" des modernen Monopolkapitals hat einen nicht weniger negativen und zerrüttenden Einfluß auf eine friedlichen Zwecken dienende und am Interesse der gesamten Menschheit ausgerichtete Nutzung des Luftraums. Hier zeigen sich die Klassenziele des staatlichmonopolistischen Kapitals und das Wesen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, was in der Regel von den Vertretern der bürgerlichen Völkerrechtswissenschaft sorgfältig vertuscht wird. Für letztere sind die Verneinung einerneuen Qualität des modernen Völkerrechts und der Versuch typisch, dessen Inhalt ausschließlich mit den Gesetzmäßigkeilen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu erklären. 3 In der Neufassung des Programms der KPdSU heißt es: .Die Frage, für welche Zwecke die Früchte der wissenschaftlich-technischen Revolution genutzt werden, ist eine der wichtigsten im zeitgenössischen gesellschaftlich-politischen Kampf geworden. [... )Es sind nicht Wissenschaft und Technik als solche, die eine Gefahr für den Frieden herbeiführen. Diese Gefahr wird durch den Imperialismus und seine Politik heraufbeschworen - eine Politik der reaktionärsten, militaristischsten und aggressivsten Kräfte unserer Zeit. "4 Der gesellschaftlich-politische Aspekt, der der Nutzung der Errungenschaften der wissenschaftlich-technischen Revolution innewohnt, bestimmt letztendlich maßgeblich den Charakter des Einflusses der wissenschaftlich2 P. N. Fedoseev, Konzepcija mirnogo sosuscestvovanija protiv ugrosy jadernoj katastrofy, in: Gosudarstvo i pravo, Moskva 1985, S. 11 . 3 Siehe z. B. Ch. Hyde, Mezdunarodnoe pravo, ego ponimanie i priminenie Soedinennymi Statami Ameriki, Bd. 1, Moskva 1950, S. 56-57. 4 Materialy XXVII s'ezda Kommunisticeskoj partii Sovetskogo Sojuza, S. 136.
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Einführung
technischen Revolution auf die internationalen Beziehungen und das Völkerrecht, weil sie in beiden genannten Bereichen durch keine autonomen Charaktermerkmale definiert ist. So ist es zum Beispiel nur unter der Nutzung der Errungenschaften von Wissenschaft und Technik möglich, Beförderungen im Luftraum durchzuführen und sich dort zu betätigen. Wenn eine Bewertung der internationalen Beziehungen von jenen einseitigen Positionen ausgeht, so kann man leicht in einen .wissenschaftlich-technischen Fetischismus" verfallen, der lediglich geeignet ist, von einem objektiven Verständnis der internationalen Beziehungen abzulenken. Das hindert aber durchaus nicht daran anzuerkennen, daß die wissenschaftlich-technische Revolution durch eine eigene Dialektik der Entwicklung bestimmt ist, die einen offensichtlichen Einfluß auf das System der internationalen Beziehungen als ganzes und auf ihre einzelnen Elemente ausübt, so auch im Bereich der Nutzung des Luftraums. Unter den zeitgenössischen Bedingungen verläuft die wissenschaftlich-technische Revolution in enger, gegenseitiger Abhängigkeit mit solch relativ selbständigen Faktoren wie u. a. dem Anwachsen der Weltbevölkerung, der Erschöpfung der traditionellen Energiequellen, dem Ernährungsproblem und der Verschlechterung der Qualität der Umwelt des Menschen. Jeder der genannten Faktoren hat einen eigenständigen Einfluß auf die Aktivierung der Tätigkeiten im Luftraum. So führt das Anwachsen der Weltbevölkerung (nach Angaben der Vereinten Nationen wächst die Bevölkerung unseres Planeten jährlich um 79 Millionen Menschen5) zu einer Vermehrung der Siedlungsorte, Industrieunternehmen, Anbauflächen, Erholungsorte, Infrastrukturen usw. Ohne auf deren unmittelbaren Einfluß auf die Qualität der Atmosphäre einzugehen, muß doch besonders die Tatsache hervorgehoben werden, daß jede von ihnen sich in immer größerem räumlichen Umfang über der Erde abspielt. Dadurch erklärt sich das wachsende Bedürfnis nach einer Nutzung des Luftraums für Zwecke des Überfluges und des Lufttransports. Für diese Art der Luftraumnutzung ist noch eine besondere Eigenheit typisch: die Schnelligkeit, einer der wichtigsten Faktoren der modernen, internationalen Verbindungen. Wegen der Erschöpfung der traditionellen Energiequellen müssen möglichst direkte Flugrouten gewählt, ökonomischere Methoden beim Flugverkehr im Luftraum angewendet und in größerem Umfang Sonnenenergie, die durch den Luftraum auf die Erde gelangt, genutzt werden. Die Lösung des Ernährungsproblems ist u. a. mit der aktiven Nutzung von Luftfahrzeugen und Raketen verbunden, um die Felder mit Chemikalien zu bestreuen, aus großen Höhen die Böden und landwirtschaftlichen Nutzflächen zu erkunden, den Zustand der verschiedenen Schichten der Atmosphäre zu erforschen, Fischbestände aufzuspüren und Hagel durch Beschießen auszulösen. Die Verschlechterung der Qualität der Umwelt steht 5
Siehe Argumenty i fakty vom 21. Mai 1985.
Einführung
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unmittelbar mit schädlichen Emissionen in die Atmosphäre im Zusammenhang. Sowohl die Gesetzmäßigkeiten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts als auch die genannten Faktoren haben Einfluß auf die internationalen Beziehungen im Bereich der Luftraumnutzung. Dies geschieht zwar nicht unmittelbar, jedoch durch die gesellschaftlich-willensgetragene Tätigkeit der Völkerrechtssubjekte, insbesondere der Staaten. Daraus ergibt sich die enorme Bedeutung des Völkerrechts als "gesellschaftliches Regulativ" der internationalen Beziehungen. Dieses Regulativ drückt letztlich ein koordinierendes Prinzip aus, welches unabhängig vom Willen der herrschenden Klassen der verschiedenen Staaten sowie der Völker und Nationen, die für ihre Unabhängigkeit kämpfen, offenkundig wird. Jedoch existieren ungeachtet des offensichtlichen quantitativ und qualitativ neuen Zustandes der zeitgenössischen internationalen Beziehungen auf dem Gebiet der Luftraumnutzung im Vergleich zur Periode bis zum Zweiten Weltkrieg gewisse praktische und konzeptionelle Schwierigkeiten bei der Feststellung eines allgemeinen, völkerrechtlichen Luftraumregimes. Das ist erstens dadurch bedingt, daß der Luftraum und die Atmosphäre ungeachtet ihrer materiellen Einheit einen unterschiedlichen völkerrechtlichen Status haben: Einerseits befinden sie sich innerhalb der Gebietshoheit der Staaten, andererseits aber im internationalen Raum der gemeinsamen Nutzung. Dies bedingt die Geltung unterschiedlicher Prinzipien und Normen des Völkerrechts. Zweitens entstehen und gelten die Völkerrechtsnormensysteme für u. a. die Luftfahrt, das Einwirken auf die atmosphärischen Prozesse und den Flug von Weltraumflugkörpern und Raketen durch den Luftraum verhältnismäßig unabhängig voneinander. Gemeinsame völkerrechtliche Elemente für das Regime aller Tätigkeitsarten im Luftraum sind im Stadium des Entstehensund der Entwicklung. Drittens istangesichtsdes .jugendlichen Alters" des internationalen Luftrechts die Zahl der allgemeintheoretischen Arbeiten auf diesem Gebiet äußerst gering. Gleichzeitig vermehrte sich die Literatur zu diesem Thema durch praxisbezogene Arbeiten erheblich. Dies erklärt sich durch den äußerst aktiven Prozeß der Kodifizierung und fortschrittlichen Entwicklung des .Rechts der Luftfahrt" bis zur Mitte der 70er Jahre. 6 Die Situation in der Wissenschaft vom internationalen Luftrecht stellt sich heute wie folgt dar: Eine Reihe fundamentaler Fragen und selbst einige Grundbegriffe sind Gegenstand einer lebhaften Diskussion oder sind sogar noch nicht endgültig definiert. Und wenn das Gesagte schon den Zustand der hier interessierenden Frage nach der Nutzung des Luftraums für Flüge und 6 Siehe dazu im einzelnen A. P. Movcan (Hrsg.), Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, Moskva 1980; A. P. Movcan und 0. N. Sadikov (Hrsg.), Bd. 2, Moskva 1981.
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Einführung
Luftverkehr (Beförderung) charakterisiert, so ist der Einfluß anderer menschlicher Aktivitäten im Luftraum auf Inhalt und Wesen des internationalen Luftrechts ein neues und ziemlich schwieriges Forschungsgebiet Bislang nimmt nach wie vor die Luftfahrt in der Gesamtheit menschlicher Tätigkeit im Luftraum den ersten Platz ein. Deshalb stützt sich der Autor bei seinem komplexen (systematischen) Ansatz für die Analyse des völkerrechtlichen Luftraumregimes (vom Standpunkt der Regelung der verschiedenen Tätigkeiten in diesem Raum) und für die Analyse des Gegenstandes des internationalen Luftrechts auf die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des traditionell verstandenen internationalen Luftrechts (Luftfahrtrechts), die den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des allgemeinen Völkerrechts entsprechen. Die Untersuchung der völkerrechtlichen Probleme der Luftraumrechtsordnung, von einem systematischen Ansatz aus, setzt eine Analyse voraus, die sich einerseits mit den Funktionsmechanismen und der Entwicklung des Gesamtsystems einschlägiger internationaler Beziehungen und andererseits mit der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen diesen Beziehungen und der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung auf nationaler (staatlicher), regionaler und globaler Ebene beschäftigt. .Dies bedeutet vor allem", schreibt F. M. Burlackij, .daß man die internationalen Beziehungen nicht als statisch, sondern als dynamisch, d. h. in ständiger Bewegung befindlich, betrachtet. Darüber hinaus ist dies ein Feld, auf dem äußerst vielgestaltige Kräfte aufeinander stoßen, die teilweise einander diametral entgegengesetzt sind. Das dynamische, internationale System ist eines der augenscheinlichsten Beispiele für die materialistische Dialektik: Das System selbst ist die Verwirklichung der Einheit und des Kampfes von Gegensätzen."7 Das internationale Luftrecht macht zur Zeit eine neue Entwicklungsperiode durch. Es erfolgt ein gewisser Wandel sowohl .innerhalb" der Beziehungen bezüglich der Überflüge und Lufttransporte als auch zwischen den genannten .Luftfahrt" -Beziehungen, den Beziehungen bezüglich anderer menschlicher Aktivitäten im Luftraum sowie zwischen den letztgenannten. Der Autor setzt sich zum Ziel, die gegenseitige Abhängigkeit zwischen völkerrechtlichen Fragen der Flüge von Luftfahrzeugen und der Luftverkehrsbeziehungen sowie der rechtlichen Regelung anderer Arten menschlicher Tätigkeit im Luftraum aufzuzeigen.
7 Siehe F. M. Burlackij, Nekotorye voprosy teorii mezdunarodnych otnosenij, in: Gosudarstvo i pravo, S. 26.
KAPITEL I
Allgemeine völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums 1. Faktoren, die auf die Entstehung des völkerrechtlichen Regimes des Luftraums Einfluß haben Von den drei Sphären der Erde, in denen sich die Existenz und die Tätigkeit des Menschen abspielt, - das Festland (Oberfläche und Erdinneres), die Gewässer (Oberfläche und Meerestiefen) und der Luftraum- darf keine auf Grund vorrangiger Bedeutung herausgehoben werden. Sie sind alle drei organisch miteinander verbunden. Es spielen sich jedoch ausnahmslos alle menschlichen Tätigkeiten entweder im Luftraum ab oder sind mit ihm verbunden. Dies erklärt sich daraus, daß der Luftraum unmittelbar an der Oberfläche unseres Planeten beginnt, so daß Menschen, Maschinen, Gebäude usw., die sich auf dem Festland oder auf der Wasseroberfläche befinden, gleichzeitig in den Luftraum hineinragen. Menschen oder Gegenstände verlassen den Luftraum, wenn sie sich in das Erdinnere oder in die Tiefen der Meere begeben, und sie kehren anschließend in den Luftraum zurück. Weltraumflüge können nicht durchgeführt werden, ohne den Luftraum zu durchfliegen. Derartige Nutzungen des Luftraums sind aus der Nutzung der Oberfläche des Festlandes und der Gewässer sowie der Nutzung des Weltraums abgeleitet und gehören daher im rechtlichen Sinne nicht zu der eigentlichen Nutzung des Luftraums. Daraus erklärt es sich, daß lange Zeit, praktisch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts, eine spezielle Rechtsordnung für den Luftraum fehlte. Einzelne Bestimmungen des Römischen Rechts und die Rechtsprechung über die rechtlichen Grenzen des Grundeigentums hinsichtlich des Raumes über dem Grundstück (s. dazu Kapitel II) wirken wie unbedeutende Ausnahmen von einem rechtlichen Vakuum, welches im Völkerrecht und im nationalen Recht der meisten Staaten bis in die neueste Zeit hinein festgestellt wurde. Weder die Staaten noch juristische oder natürliche Personen richteten in der Regel ihre Aufmerksamkeit darauf, daß sie bezüglich der Nutzung des über der Erde liegenden Luftraums in Rechtsbeziehungen eintraten. Die Flüge der Luftballons sowie später der Luftschiffe und Flugzeuge zeigten die reale Möglichkeit einer effektiven Nutzung des Luftraums zu den 2 Maleev
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Kapitel I: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
verschiedensten Zwecken. Mit dem Start planmäßiger Flüge wurde es möglich, von der Bedeutung des Luftraums in den internationalen Beziehungen zu sprechen. Anfangs wurde die Luftfahrt nur zum Vergnügen und für den Lufttransport genutzt. Der Transport wurde dabei bei weitem nicht sofort als eine selbständige Tätigkeit hervorgehoben, und das Luftrecht entstand somit praktisch als Luftfahrtrecht Die Heraushebung des Lufttransports als eine gesonderte Tätigkeit im Luftraum förderte das Interesse der Staaten an einer speziellen rechtlichen Regelung der sogenannten .kommerziellen Rechte" oder auch .Freiheiten der Luft" wie z. B. das Anbordnehmen und Absetzen von Passagieren bzw. von Ladung und ihre Beförderung in dritte Länder und aus dritten Ländern. In der Folgezeit erwarb das Luftfahrtrecht eine immer selbständigere Bedeutung als eigenständiges Institut des internationalen und des nationalen Luftrechts, da sich auch andere Normen für die verschiedenen menschlichen Tätigkeiten, die sich der Luftfahrt bedienten, verselbständigten. Sein Inhalt war beschränkt auf die Fluggenehmigung, allgemeine Regeln für Ein-, Aus- und Überflug über die verschiedenen Territorien sowie auf konkrete Verhaltensregeln für Luftfahrzeuge unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Arten. Die Flüge wurden unterschieden nach der Art undWeise ihrer Durchführung (Sichtflüge oder Blindflüge nach Instrumenten), nach dem Bereich, in dem sie stattfanden (auf einem Flugplatz, auf Luftstraßen, Linienflüge, Sonderflüge), nach ihrer Höhe, nach den physisch-geographischen Bedingungen (über Ebenen, hügligem oder bergigem Gelände, über Wüsten, Gewässern oder Polarregionen) und nach der Flugzeit (Tagflüge, Nachtflüge). Alle diese technischen Fragen stellen sich erst dann, wenn zwischen Rechtssubjekten konkrete Aktivitäten vereinbart worden sind, die unter Einsatz von Luftfahrzeugen ausgeführt werden sollen, und wenn von den zuständigen Staatsorganen die erforderlichen Genehmigungen vorliegen. Derartige Aktivitäten können u. a. sein: Transport (Beförderung), Sonderflüge für die Wirtschaft (Volkswirtschaft) - wie z. B. zum Versprühen chemischer Substanzen sowie ferner Sonderflüge zur Anfertigung von Luftaufnahmen, für die Suche von Rohstoffen, aerovisuelle Beobachtung, Verkehrsüberwachung, Gesundheitsdienste, Forstwirtschaft, Bau und Montage und Fischwirtschaft Darüber hinaus gibt es Einsätze zu Studien-, Ausbildungs-, Versuchs- und Forschungszwecken sowie für die Justierung und Überwachung von Funkinstallationen, die zur Navigation und Landung dienen, Flüge zur Überprüfung oder Überführung von Luftfahrzeugen, und Demonstrations-, Such- und Luftrettungsflüge. Weiter sind hier u. a. folgende Aktivitäten im Luftraum zu erwähnen: der Schutz und die Verteidigung der Staatsgrenzen mit Hilfe von Luftfahrzeugen und Raketen, die
1. Faktoren für die Entstehung dieser Völkerrechtsordnung
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luftgestützten Schießübungen (Luft-Luft und Luft-Boden), die bodengestützten Schießübungen mit Artilleriewaffen, die Waffenerprobungen auf dem Weltmeer, die aktive Einwirkung auf die hydrometeorologischen Prozesse, die Sprengarbeiten, die Fallschirmabsprünge, der Abwurf von Gütern mit und ohne Fallschirm, die Hubschrauberflüge mit Außenlasten, das Starten von Ballonsonden sowie die Geschäfts-, Sport- und Vergnügungsflüge. Manchmal gibt es völlig unerwartete Entscheidungen bezüglich der Luftraumnutzung. So wurde in der UdSSR für die Entfernung von Gasen aus Tagebaugruben ein ,.beweglicher Schornstein" erfunden, der aus einem unter einem Luftschiff hängenden elastischen Schlauch besteht. Das Luftschiff wird mit Hilfe von Verspannungen festgehalten, und Traktoren bugsieren den Schlauch in die erforderliche Richtung. Das Staatskomitee der UdSSR für Erfindungen und Entdeckungen erteilte für diese Erfindung ein Patent.' Jede der genannten Tätigkeiten kann sowohl innerhalb des Hoheitsgebiets des Registerstaates oder des Flaggenstaates des Fluggeräts oder des Gegenstandes als auch auf dem Hoheitsgebiet eines ausländischen Staates oder jenseits der Grenzen der Geltung staatlicher Souveränität ausgeübt werden. Im ersteren Falle stehen die Rechtsbeziehungen unter der Geltung der nationalen Jurisdiktion des entsprechenden Staates, letzterenfalls entstehen Rechtsbeziehungen mit ausländischem oder internationalem Element. In diesem Falle gehen manchmal die Rechtsbeziehungen wegen einer während des Fluges ausgeübten konkreten Tätigkeit denjenigen vor, die sich auf den Flug als solchen beziehen. Obwohl sie meist in zeitlicher Hinsicht zusammenfallen und zusammen in einem Dokument formell niedergelegt werden, handelt es sich immer um zwei verschiedene Gruppen von Rechtsbeziehungen. Davon sind diejenigen, die sich auf den Flug selbst beziehen, abgeleitete Rechtsbeziehungen. Weil bei den genannten Tätigkeiten im Luftraum in der Regel auch Funkgeräte verwandt werden, hat die Licht-, Funk- und elektromagnetische Strahlung aus künstlichen Quellen wesentliche Bedeutung für die gefahrlose Verrichtung. Der Zustand der Atmosphäre selbst, der sich in Abhängigkeit von den Einflüssen der Erde (Fabriken, Sprengarbeiten u. ä.) verändert, kann eine Tätigkeit im Luftraum stören, z. B. die Nutzung der Sonnenenergie. In den letzten Jahren widmeten viele Länder dieser Frage große Aufmerksamkeit. Staatliche Programme zur Nutzung der Sonnenenergie gibt es in den USA, in Holland, Italien, Frankreich, BRD, Dänemark, Kanada, Brasilien und Australien. Im Jahre 1973 begann die UNESCO, sich mit der Frage der Nutzung der Sonnenenergie zu befassen. Dieses Problem wurde im Jahre 1977 Gegenstand einer speziellen Untersuchung durch die Mitgliedsländer des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe. 2 1
2'
Siehe 0. I. iolondkovskij, Vnimanie, vozduchl, Moskva 1985, S. 73.
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Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
Weil die Möglichkeit einer Nutzung der Sonnenenergie auf der Erdoberfläche mit der Qualität der Atmosphäre und damit des Luftraums zusammenhängt, ist es notwendig, völkerrechtliche Schutznormen für die Aktivitäten im Luftraum aufzustellen, die etwa die Störungen bei der Gewinnung von Sonnenenergie für unzulässig erklären. Derartige Störungen sind sehr wahrscheinlich, z. B. bei der grenzüberschreitenden Immission von Rauch. Analoge Probleme entstehen bei der visuellen Erkundung der Erde aus dem Weltraum. Obwohl diese Tätigkeit zum Regelungsgegenstand des Weltraumrechts gehört, ist sie untrennbar mit den Einwirkungen aus erdgestützten und anderen Quellen und dementsprechend mit der Qualität der Atmosphäre verbunden. Der Erfolg eines umfassenden Programms zur Erforschung der natürlichen Erd- und Umweltressourcen, wie es z. B. von den sowjetischen Kosmonauten der Station .,Saljut-7" durchgeführt wird, hängt weitgehend davon ab, wie rein die Atmosphäre ist. Wie in diesem Zusammenhang in der sowjetischen Presse berichtet wurde, haben die Expeditionen der Orbitalstationen die große Effizienz der Erforschung der Erde aus dem Weltraum bewiesen, insbesondere für die Bestimmung der allgemeinen Gesetzmäßigkeilen der Struktur der Erdoberfläche, für die rationellere Planung der Suche nach Rohstofflagerstätten und für eine wirtschaftlichere und behutsamere Nutzung der Erde. Die Kosmonauten sammelten u. a. wichtiges statistisches Material über die mineralischen Rohstoffvorkommen der UdSSR, über die saisonbedingten Veränderungen der landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie über die biologische Produktivität des Weltozeans und die Bedingungen für die Seeschiffahrt. Sie bestimmten den Zustand der W aldgebiete, studierten die Gletscher in den Hochgebirgen der Sowjetunion und erforschten die Entstehung und Entwicklungsdynamik von Sandstürmen. Mit Hilfe stationärer Vorrichtungen wurden einige zehntausend Bildaufnahmen der riesigen Gebiete des Territoriums der Sowjetunion in mittleren und südlichen Breiten und einiger sozialistischer Länder angefertigt, die an dem Programm .Interkosmos" beteiligt sind. 3 Im Hinblick auf die erheblich angewachsenen Gefahren, die durch Vögel für die Luftfahrt verursacht werden, gewinnen scheinbar nebensächliche Fragen für die Luftraumnutzung eine immer größere Bedeutung, z. B. der Schutz der Feuchtgebiete. Am 2. Februar 1971 wurde das Übereinkommen über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung insbesondere als Lebensraum für Wasservögel, abgeschlossen, in dem es heißt: .,Wasservögel können zur Zeit ihrer jahreszeitlichen W anderzüge staatliche Grenzen überqueren und müssen daher als internationale Ressource angesehen werden." 4 In 2
Siehe A. I. Iojrys, Naucno-techniceskij progress i novye problemy prava, Moskva
1981, 3 4
s.
117-131.
Siehe Novoe vremja vom 14. Juni 1985, No. 25. Sbornik desjstvujuscich dogovorov, soglasenij i konvencij, zakljucennych SSSR s
I. Faktoren für die Entstehung dieser Völkerrechtsordnung
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diesem Fall zeigt sich die enge gegenseitige Wechselwirkung zwischen Tätigkeiten auf der Erdoberfläche mit zahlreichen anderen Aktivitäten sowohl im Luftraum selbst als auch von der Erdoberfläche. Die besondere Aktualität der Ausarbeitung der verschiedenen Aspekte der Völkerrechtsordnung des Luftraums ist im Zusammenhang mit der deutlichen Aktivierung der Anstrengungen einiger imperialistischer Kreise bei der Militarisierung des Weltraums und beim Rüstungswettlauf insgesamt zu sehen. Das imperialistische Programm des "Kriegs der Sterne" und der Einsatz vieler Arten bodengestützter Waffen ist mit einer massiven Nutzung riesiger Bereiche des Luftraums und mit einer potentiellen radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre verbunden. In den letzten Jahren erschienen viele Publikationen, die ein überzeugendes Bild von dieser für alle .gleichen Gefahr" zeichnen, in der sich die gesamte Menschheit wegen des Wettrüstens und der realen nuklearen Bedrohung befindet. Diese Gefahr ist in der Tat einheitlich, weil sie auch für diejenigen Länder aktuell ist, die keiner der militärischen Bündnisse angehören. So führte z. B. der Außenminister Schwedens, U. Ulsten, aus: .Die geographische Lage Schwedens birgt die akute Gefahr, daß Marschflugkörper unseren Luftraum durchfliegen. Dasselbe gilt auch für Finnland. • Es geht dabei um die Dislozierung von amerikanischen Raketen in den Ländern Westeuropas, die Ziele auf dem Territorium der UdSSR nuklear angreifen sollen." V. K. Sobakin, der die Aussage Ulstens zitiert, zieht aus ihr folgende, begründete Schlußfolgerung: .In diesem Falle stellt sich mit Nachdruck die Frage nach den Pflichten der nicht an dem Konflikt beteiligten Länder, Maßnahmen gegen die Benutzung ihres Territoriums und Luftraums durch die Konfliktparteien zu ergreifen, sowie nach den Rechten der Länder, die das Opfer des über das Territorium oder durch den Luftraum der nicht an dem Konflikt beteiligten Staaten geführten Angriffs sind." 5 Eine solche Fragestellung ist nach unserer Ansicht im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines allgemeinen Konzepts des völkerrechtlichen Luftraumregimes durchaus gerechtfertigt. Dabei muß davon ausgegangen werden, daß nicht nur klare Schutznormen für die Wiederherstellung der verletzten Rechte der Staaten im Luftraum notwendig sind, sondern auch regulative Normen, die eine Luftraumnutzung für die zahlreichen oben erwähnten Tätigkeiten zu friedlichen Zwecken sicherstellen. Die Erarbeitung eines derartigen Regimes ist offenkundig ein langwieriger und schwieriger Prozeß. Jedoch liegt die Notwendigkeit, eine derartige Ordnung zu errichten, auf der Hand. Und wie das bei der Festlegung von Völkerrechtsnormen nicht selten der Fall ist, können einzelne juristische Modelle und inostrannymi gosudarstvami, vyp. XXXIII, Moskva 1979, S. 462-466 (im folgenden zitiert als Sbornik dejstvujuscich dogovorov). 5 V. K. Sobakin, Ravnaja bezopasnost', Moskva 1984, S. 141.
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Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
Lösungsansätze der Praxis des nationalen Rechts entnommen werden, obgleich ganz zweifellos hier von der Möglichkeit einer Analogie nur mit großer Vorsicht Gebrauch gemacht werden darf. In diesem Sinne verdient eine durchaus berechtigte Tendenz im sowjetischen Luftrecht Aufmerksamkeit, die darauf abzielt, eine allgemeine Rechtsordnung für den souveränen Luftraum zu erreichen, unabhängig von der Art der ausgeübten Aktivität. Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983 sieht in Art. 52 folgendes vor: .Alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung des Luftraums der UdSSR, die eine Gefahr für die Sicherheit der Luftfahrt darstellen, einschließlich u. a. aller Schießübungen und Sprengarbeiten, des Startens von Raketen und unbemannten Luftfahrzeugen, sind unter Beachtung aller erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen nur dann erlaubt, wenn sie in dem vom Ministerrat der UdSSR festgelegten Verfahren besonders genehmigt worden sind." In Art. 2 des Luftrechtsgesetzbuchs der UdSSR wird zum ersten Mal die Geltung einer Verordnung über die Luftraumnutzung der UdSSR vorgesehen, die sich auf jede Tätigkeit im Luftraum der UdSSR und nicht nur auf die Flüge von Luftfahrzeugen bezieht. Dies deshalb, weil im Luftraum Flüge oder sonstige Bewegungen nicht nur von Flugzeugen, sondern auch von anderen Flugobjekten (Raketen, Weltraumgegenständen usw.) oder nichtfliegenden Objekten durchgeführt werden. In der Verordnung über die Durchführung von Flügen der Zivilluftfahrt der UdSSR von 1985 (NPP GA-85) wird der Begriff .sich in der Luft befinden" komplex definiert als .die gleichzeitige Lage in der Vertikalen und Horizontalen von Luftfahrzeugen und anderen materiellen Gegenständen in einem bestimmten Bereich des Luftraums." Derartige Normen berechtigen zu der Feststellung, daß sich in der UdSSR eine allgemeine innerstaatliche Rechtsordnung des Luftraums herausgebildet hat, die unter dem Einfluß objektiver, gesellschaftlicher Faktoren an die Stelle verhältnismäßig selbständiger Normen über einzelne Tätigkeiten im Bereich des Rechtsstatus des souveränen Luftraums getreten ist. Im Völkerrecht ist diese relative Selbständigkeit bislang erhalten geblieben, und die angeführte nationale Praxis dient nur als Vorbote und Beispiel für die Herausbildung einer Völkerrechtsordnung für den Luftraum. Die wichtigste Aufgabe ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung der Grundprinzipien und imperativen Normen zur Regelung der Beziehungen im Bereich der Luftraumnutzung. Der objektive Prozeß der .gegenseitigen Durchdringung" relativ selbständiger Normen, welche die verschiedenen Tätigkeiten im Luftraum regeln, ist ausreichend bekannt. So hat etwa, obwohl im Text des Chicago-Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt von 1944 keine Normen über den Umweltschutz enthalten sind, der Rat der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) im Jahre 1981 den Anhang 16 zum Abkommen mit der Bezeichnung .Schutz der Umwelt" verabschiedet. Im selben Jahr verab-
1. Faktoren für die Entstehung dieser Völkerrechtsordnung
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schiedete der ICAO-Rat den Anhang 18 über den "Sicheren Transport gefährlicher Güter in der Luft". Bei der Verabschiedung dieser Anhänge und bei der Festlegung ihrer Haltung gegenüber der Stockholmer Erklärung von 1972 (s. weiter unten) stützte sich die ICAO-Versammlung auf die allgemeinen Bestimmungen des Art. 44 des Abkommens, in dem von der Notwendigkeit die Rede ist, "den Bedürfnissen der Völker der Welt nach einem sicheren, regelmäßigen, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Luftverkehr zu entsprechen."6 Von diesen Positionen aus beschreibt die ICAO ihre Aufgaben wie folgt: .Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben berücksichtigt die ICAO die schädlichen ökologischen Folgen, die sich auf den Einsatz von Luftfahrzeugen auswirken können, ebenso wie ihre eigene Verantwortung und die der Mitgliedstaaten der ICAO für die Erzielung einer maximalen Balance zwischen einer sicheren und ordnungsgemäßen Entwicklung der Zivilluftfahrt und der Qualität der Umwelt des Menschen" (Resolution A 18-11). In einer anderen Resolution brachte die ICAO-Versammlung, wenn auch in ziemlich allgemeiner Form, ihr Interesse zum Ausdruck, an der Erforschung und Nutzung des Weltraums teilzunehmen (Resolution 16-11 ). Die ICAO schuf enge Kontakte zu der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), der Internationalen Schiffahrtsorganisation (IMO) und anderen internationalen Organisationen, wobei sie die organische Verbindung zwischen der Luftfahrt und den anderen Aktivitäten im Luftraum berücksichtigte. Angesichts des Fehlens einer allgemeinen Kodifikation, auf die sie sich bei der völkerrechtlichen Regelung der verschiedenen Luftraum relevanten Tätigkeiten stützen könnte, sah sich die ICAO gezwungen, sich lediglich auf die Annahme von empfehlenden Normen, wie z. B. in den Anhängen zum Chicago-Abkommen enthalten, und Resolutionen zu beschränken. In der Resolution A 14-25, welche die Resolution A 10-19 ersetzte, rief die ICAO-Versammlung im Jahre 1962 den ICAO-Rat auf, "Richtlinien für die gemeinsame Nutzung des Luftraums zu militärischen und zivilen Zwecken" auszuarbeiten. Ausgehend von ihrer Zuständigkeit schränkte die Versammlung die ihr gestellte Aufgabe auf Fragen ein, die sich auf die Luftfahrt beziehen (.Koordinierung oder Integration der zivilen und militärischen Dienststellen zur Überwachung des Luftverkehrs"). Später, im Jahre 1974, wurde diese Idee in der Resolution A 21-21 der 21. Sitzung der ICAO-Versammlung konkreter formuliert: "Der Rat muß sicherstellen, daß die Frage der Koordinierung der Luftraumnutzung zu zivilen und militärischen Zwecken auf die Tagesordnung von Bereichs- und Regionalkonferenzen gesetzt wird, wenn dies angemessen ist. • 6
ICAO Dok. 7300/6.
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Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
Wie die Resolutionen der Versammlung und des Rates der ICAO beweisen, gibt es völkerrechtliche Probleme der Rechtsordnung des Luftraums, ja es fehlt sogar an einer Rechtsordnung als solcher. Möglicherweise gäbe es bereits ein Dokument, das in seiner Universalität des Gegenstands der rechtlichen Regelung des VN-Seerechtsübereinkommens von 1982 vergleichbar wäre, wenn die Entschließung der ersten Sitzung der Versammlung der im Jahre 1947 gegründeten ICAO ausgeführt worden wäre, diebeginnend mit der dritten Sitzung der Versammlung- eine alle sechs Jahre wiederkehrende Generalüberprüfung des Chicago-Abkommens vorsah, .,um die Veränderungen zu berücksichtigen, die sich in dem entsprechenden Zeitraum auf diesem Gebiet ergeben haben." 7 Jedoch beschloß die Versammlung auf ihrer dritten Sitzung, in der .nächsten Zukunft" keine allgemeine Überprüfung des Chicago-Abkommens vorzunehmen. Wie man sieht, hat sich diese .. nächste Zukunft" kräftig ausgedehnt, was durch objektive Faktoren bedingt ist. Aber ebenso objektiv sind auch die Faktoren, die beweisen, daß unterschiedliche, unausgewogene Nutzungsformen des Luftraums und der Atmosphäre eines der ernstesten, globalen Probleme der Gegenwart darstellen. Diese Probleme sind nach den Worten Ju. G. Barsegovs .fundamental, umfassend, brisant und geeignet, einen negativen Einfluß auf die Entwicklungsperspektiven der Menschheit zu haben und sogar eine Gefahr für ihre Existenz selbst heraufzubeschwören. "8 Wir wollen im folgenden an Hand konkreter Beispiele illustrieren, auf welche Weise im Rahmen der ICAO die Frage des internationalen Luftrechts geprüft wird, welchen Einfluß andere Tätigkeiten im Luftraum auf die internationale Zivilluftfahrt haben. Im Jahre 1982 gab es einen Bedarf in Höhe von 35 - 40 zivilen Flügen pro Stunde im Bereich Mailand-Klagenfurt, an der Grenze zwischen Österreich und Jugoslawien, auf den festgelegten Flughöhen EP 290 und höher, während die Kapazität der Luftüberwachung lediglich 20 Luftfahrzeuge pro Stunde betrug. In diesem Zusammenhang wurde auf der 21. Konferenz der Europäischen Gruppe für Luftverkehrsplanung im Jahre 1985 festgestellt, daß der Stau von Flugzeugen auf den Flughäfen ausschließlich dadurch hervorgerufen wurde, daß die unverzügliche Zuweisung anderer Luftstraßen praktisch deshalb unmöglich war, weil .der gesamte Luftraum der Staaten nach Zeit und Raum unter die verschiedenen Nutzer aufgeteilt ist, deren Interessen nicht nach Belieben für die ungestörte Durchführung internationaler Flüge beeinträchtigt werden können."9 An diesem und ähnlichen 7 8
ICAO Dok. AJ-CP/12.
Ju. G. Basegov, Global'nye problemy i mezdunarodnoe pravo, in: XXVIII eze-
godnoe sobranie Sovetskoj associacii mezdunarodnogo prava. Tezisy dokladov, Moskva 1985, S. 6. 9 ICAO Dok. EA NPG-Report, par. 3-4.
1. Faktoren für die Entstehung dieser Völkerrechtsordnung
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Beispielen wird die gegenseitige Abhängigkeit internationaler und nationaler Aspekte der Luftraumnutzung sowie die Tatsache deutlich, daß es in diesem Bereich problematische Fragen eines völkerrechtlichen Regimes gibt. Hier wird die Unhaltbarkeit der von einigen bürgerlichen Wissenschaftlern, Diplomaten und Praktikern propagierten Konzeption von der .Freiheit der Luft" besonders offenkundig, die der real existierenden Rechtsordnung des Luftraums, z. B. in Westeuropa, widerspricht, wo sich der Vorrang militärischer Gesichtspunkte bei der Lösung von Fragen der Luftraumnutzung insbesondere durch die Luftstreitkräfte der NATO immer stärker bemerkbar macht. Österreich schlug etwa vor, die Luftfahrzeuge bereits im Luftraum der BRD auf Trassen aufzuteilen und zu diesem Zweck den Flugweg Tango-München für internationale Flüge zu reservieren. Darauf antworteten die zuständigen Behörden der BRD, daß die Reservierung des genannten Flugweges •. . . wegen der in dieser Zone bestehenden Beschränkungen militärischen Charakters wenig wahrscheinlich" sei. 10 Im Jahre 1982 wandte sich Griechenland mit der Bitte an Italien, eine Linienverbindung zwischen Brindisi und Arakos über Latan zu eröffnen, was auf eine höhere internationale Flugfrequenz hinausgelaufen wäre. Die italienischen Vertreter stimmten einer genaueren Prüfung dieser Frage zu, unterstrichen jedoch, daß eine langwierige Abstimmung mit der italienischen Regierung erforderlich sei, weil die genannte Fluglinie durch einen Luftraumbereich verlaufen würde, der für militärische Zwecke vorgesehen ist. Das Ergebnis dieser Abstimmung ist nicht bekannt. 11 Im Oktober 1985 forderte der Gouverneur der Insel Okinawa, D. Nisime, vom Verteidigungsminister der USA, C. Weinberger, den japanischen Bauern ihr Land zurückzugeben, das ihnen widerrechtlich für die Militärbasen der USA weggenommen worden war. Der Gouverneur betonte, daß diese Basen ein Fünftel der Insel einnähmen, daß aber ein noch größerer Teil des Luftraums der Insel der friedlichen Nutzung entzogen und für Übungsflüge und Schießübungen der Luftstreitkräfte der USA reserviert seiY Große Bedeutung für eine effektive Nutzung des Luftraums für internationale Flüge hat die Begradigung der Linienführung, die zu einer Verringerung der Flugkilometer und zu Kraftstoffeinsparungen führt. Im Ergebnis bedeutet dies die Eröffnung neuer Streckenabschnitte. Das ist keine einfache Sache, weil es darauf hinausläuft, die Interessen anderer Luftraumnutzer zu beeinträchtigen. Die sozialistischen Länder sind ein Beispiel für die konstruktive Einstellung zu dieser Frage im Interesse der internationalen Zu10 11 12
a. a. 0. par. 3.6. a. a. 0 . par. 3.15. Siehe Argumenty i fakty vom 9. Oktober 1985.
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Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
sammenarbeit. So heißt es in den Dokumenten der 21. Konferenz der Europäischen Gruppe für Luftverkehrsplanung, daß in dieser Frage die Tschechoslowakei, Ungarn, Polen und Rumänien .besondere Unterstützung" gewährt habenY Derartige Maßnahmen erfordern eine sorgfältige Abstimmung der Interessen der verschiedenen Nutzer des Luftraums. Anderenfalls ist ein Stau von Flugzeugen auf Flughäfen und Flugplätzen wegen der Wetterbedingungen oder wegen bestimmter Einschränkungen möglich, die in dem konkreten Gebiet des Luftraums im Interesse anderer Nutzer angeordnet worden sind. Dies würde der Idee einer rationellen Regelung des Ablaufs des Luftverkehrs zuwiderlaufen. Die aufgezählten Beispiele zeigen die Vielschichtigkeit und Aktualität der Faktoren, die auf die Gestaltung des völkerrechtlichen Luftraumregimes einwirken. 2. Gegenstand des internationalen Luftrechts In der juristischen Literatur finden sich äußerst unterschiedliche Standpunkte zur Frage des Regelungsgegenstandes (Objekts) des internationalen Luftrechts und der dabei entstehenden Rechtsbeziehungen. In diesem Zusammenhang ist es notwendig zu klären, was unter dem Gegenstand des internationalen Luftrechts verstanden wird. Es geht hier u. a. um die verschiedensten Nutzungen, Gegenstände, Sachen und Erscheinungen der Umwelt, bezüglich derer Völkerrechtssubjekte in Beziehungen zueinander treten, welche der Regelung durch die Normen des internationalen Luftrechts unterliegen. Im weitesten Sinne wird der Gegenstand des internationalen Luftrechts immer im Zusammenhang mit der Nutzung des Luftraums zu bestimmten Zwecken beschrieben. Der Luftraum selbst kann Gegenstand des Rechts nur werden, wenn die Fragen des Besitzes, des Eigentums und der Nutzung entschieden werden. Im übrigen ist er eine Sphäre, in der ein Objekt der rechtlichen Regelung handelt und in der Beziehungen zwischen Rechtssubjekten existieren. So rechnen die Autoren der Kollektivarbeit .Internationales Luftrecht" zu dessen Inhalt die Beziehungen zwischen Staaten bei .,der Nutzung des Luftraums zum Zwecke der Durchführung des internationalen Luftverkehrs und der Gewährleistung seiner Sicherheit." 14 Dieser Standpunkt spiegelt zwar zutreffend die Tatsache wider, daß sich das moderne, internationale Luftrecht als dasjenige Recht herausbildete, 13 14
Siehe ICAO Dok. EA NPG par. 3.5. Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, S. 35.
2. Gegenstand des internationalen Luftrechts
27
welches die Grundlagen der Beziehungen zwischen den Staaten bezüglich der rechtlichen Regelung der Beförderung und des Transports enthält. Es geht jedoch nicht über den Rahmen des von den Autoren definierten Gegenstandes in seinem engen, .luftfahrtbezogenen" Sinne hinaus. Solch eine vorherrschende Bedeutung sowohl des internationalen als auch des nationalen Luftrechts ist, wenn man sie vom Standpunkt des Normensystems aus betrachtet, eng mit der Gesamtheit der gesellschaftlichen Beziehungen, den Prinzipien und mit dem allgemeinen Begriffsapparat verbunden. Obwohl jenseits dieses Systems der normschöpferische Prozeß niemals aufhört, auch andere Tätigkeiten im Luftraum zu regeln und nicht nur die Luftfahrt, wird der enge Begriff des Gegenstands des modernen internationalen Luftrechts auch in anderen sowjetischen Lehrbüchern gebraucht. Der italienische Jurist M. Ambrozini definierte im Jahre 1933 in seinem Buch .Corso di diritto aeronautico" das Luftrecht als .einen Zweig des Rechts, der die Beziehungen untersucht, welche im Zusammenhang mit der Luftfahrt entstehen, und der diese rechtlich regelt. "15 Der französische Jurist M. Lemoine gibt im wesentlichen eine ähnliche Definition, nach der das Luftrecht .die Gesetze und Normen des Rechts definiert und untersucht, die Einsatz und Nutzung von Luftfahrzeugen sowie die im Zusammenhang damit entstehenden Beziehungen regeln." 16 In der Retroperspektive ist dieser restriktive, .luftfahrtbezogene" Ansatz durchaus verständlich, wenn man von der damals real existierenden Tätigkeit im Luftraum ausgeht. Jedoch gab es auch durchgehend in der ganzen Geschichte des Luftrechts ein vom Prinzip her breiter angelegtes Verständnis von dem Begriff Luftrecht E. Nys, Professor an der Brüsseler Universität, der als erster den Begriff .,Luftrecht" (droit aerien) im Bericht des Institut de Droit International aus dem Jahre 1902 verwandte, bezeichnete mit Luftrecht die Rechtsbeziehungen zwischen Menschen, die in der gasförmigen Hülle um die Erde entstehen, obgleich auch er unterstrich, daß diese Beziehungen mit der Luftfahrt entstehen. Gleichzeitig präzisierte er, daß das Problem .im Status des Raumes liegt, der mit Luft gefüllt ist, nicht aber im Rechtsstatus der gasförmigen Luft selbst"Y Damals gab es außer den Funkverbindungen oder der .Radiotelegraphie" praktisch nichts, was neben der Luftschiffahrt und der Luftfahrt zusätzlich erwähnt werden konnte. Deshalb schlug der berühmte französische JuristP. Fauchille in seinem Bericht an das Institut de Droit International im Jahre 1910 vor, als Luftrecht die Gruppe von Normen anzusehen, welche die Aufgabe haben, die Luftfahrt und die .,drahtlose Telegraphie" zu regeln (E. 15 16 17
M. Ambrosini, Corso di diritto aeronautico, vol. 1, Roma 1933. M. Lemoine, Traite de droit aerien, Paris 1947, S. 3. Zitiert nach J. C. Cooper, Explorations in Aerospace Law, Montreal 1968, S. 6.
28
Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
Nys, der zweiter Berichterstatter war, ging ebenfalls von dieser Position aus). Diese "komplexe" Haltung P. FauchWes besaß prinzipiell eine Existenzberechtigung, wurde jedoch, wie der amerikanische Jurist J. C. Cooper meint, nur als ein interessantes Kuriosum angesehen. Es war so, daß P. FauchWe
durch einige .,wissenschaftliche" Erläuterungen über die Natur der Radiowellen als Vibrationen, die durch elektrische Impulse hervorgerufen werden und in der Luft eine konzentrische Schicht oder Wellen schaffen, in die Irre geführt wurde. Allein die Autorität P. FauchWes erklärt die Tatsache, daß ihm andere Juristen folgten. 18 Bald danach jedoch (J. C. Cooper datiert diesen Vorgang auf das Jahr 1906) begann die Mehrheit der Juristen, den Begriff .,Luftrecht" nur auf die Beziehungen im Bereich der Luftfahrt zu verwenden, wobei eine Ausnahme für die sogenannten .,Luftfahrt-Funkverbindungen" gemacht wurde, die unmittelbar der Luftfahrt dienten. Unter diesen Aspekten muß man auch die Haltung von I. S. Pereterskij verstehen, der Ende der 20er Jahre konsequent das .Funkrecht" zum Bereich des Luftrechts rechnete. 19 Angesichts der Tatsache, daß die moderne Luftfahrt, ebenso wie andere Aktivitäten im Luftraum, nicht ohne Funkverbindungen auskommen kann, verdient diese Frage selbstverständlich auch heute, untersucht zu werden. Die Regeln des Funkverkehrs selbst sind völlig zu Recht nur in begrenztem Umfang in die grundlegenden Vertragsdokumente des internationalen Luftrechts aufgenommen worden. Zwei sehr allgemein gehaltene einschlägige Artikel sind im Chicago-Abkommen enthalten: in Art. 30 "Bordfunkausrüstung" und in Art. 29 "in Luftfahrzeugen mitzuführende Papiere". Darüber hinaus gibt es eine große Zahl von "Regeln für die Funknavigation" empfehlenden Charakters in zahlreichen Anhängen zum Chicago-Abkommen, insbesondere im speziellen Anhang 10 "Funknavigation und Funkverkehr". In diesem Dokument sind Standards enthalten, welche die Funkausrüstung und die Nutzung der Funkwellen betreffen. Es werden Verfahren für die Funkverbindung "Boden-Luft" und die Anforderungen an die Funknavigationsausrüstung für Landeanflugtrassen festgelegt. Sogar bezüglich der Nutzung von Funkwellen kann man also Argumente finden, um die einschlägigen Fragen in den Regelungsgegenstand des internationalen Luftrechts einzubeziehen. Der Luftraum, genauer die Atmosphäre, ist für Funkverbindungen sowie Fernsehverbindungen nicht unverzichtbar. Allerdings wird er in naher Zukunft einige Störungen für diese Tätigkeiten verursachen, wenn nicht die große Bedeutung der Ionosphäre berücksichtigt wird. Was andere Tätigkeiten im Luftraum angeht, für deren Durchführung dieser Raum und die Atmosphäre als solche notwendig sind, a.a.O.S. 9-10. Siehe I. S. Pereterskij, Soderzanie i sistema vozdusnogo prava, in: Voprosy vozdusnogo prava, vyp. 1, Moskva-Leningrad 1927, S. 84. 18
19
2. Gegenstand des internationalen Luftrechts
29
so haben sie immer - die einen mehr, die anderen weniger großen - Einfluß auf die Entstehung der allgemeinen Konzeption des internationalen Luftrechts und seines Regelungsgegenstandes gehabt. In diesem Zusammenhang ist charakteristisch, daß viele sowjetische Autoren- offensichtlich, weil sie das Vorhandensein eines größeren Kreises von Problemen der Luftraumnutzung neben der Luftfahrt erkennen bei der Definition des Gegenstandes des internationalen Luftrechts ziemlich vorsichtig formulieren, indem sie ihn nicht auf die .Luftfahrt"-Beziehungen beschränken. So wird z. B. im sechsbändigen .Kurs des Völkerrechts" wie folgt formuliert: .Tätigkeiten zum Zwecke der Nutzung des Luftraums und der Organisation des internationalen Luftverkehrs." 20 U. a. im Lehrbuch .,Völkerrecht", das unter der Redaktion von G. V. Ignatenko und D. I. Ostapenko erschien, heißt es: Tätigkeiten .,im Zusammenhang mit der Nutzung des Luftraums, der Durchführung des internationalen Luftverkehrs und der Gewährleistung ihrer Sicherheit." 21 M. I. Lazarev gibt folgende Definition: Tätigkeiten .zum Zwecke der Regelung internationaler Flüge im Luftraum und die Gewährleistung ihrer (staatlichen- Ju. M.) Sicherheit."22 Einige sowjetische Autoren formulieren den genannten Regelungsgegenstand höchst umfassend: Die Regelung der Rechte und Pflichten der Staaten .,bei ihrer Nutzung des Luftraums für den internationalen Luftverkehr, die Forschung oder andere Zwecke" (N. V. Mironov) 23 ; .die Rechtslage des Luftraums, militärischer und nichtmilitärischer Flugzeuge und die Beziehungen der Staaten bezüglich der Nutzung des Luftraums" (S. P. Seregin]2 4 ; .,die Beziehungen zwischen den Staaten bei ihrer Nutzung des Luftraums und der Atmosphäre" (Ju. M. Kolosov). 25 Elemente einer derart extensiven Einstellung gegenüber diesem Problem sind auch in den jüngsten Arbeiten ausländischer Juristen zu finden. So entwickelte der Kanadier N. M. Matte im Jahre 1980 die These, daß es unzulässig sei zu behaupten, .die Luftfahrt sei der einzige Gegenstand des internationalen Luftrechts." Dabei stützte sich Matte auf die französischen Juristen M. Le Gof! und Ch. de Visscher. Nach Ansicht M. Le Goffs betrifft das Luftrecht die Gesamtheit .der durch Menschen nutzbaren Eigenschaften
° Kurs mezdunarodnogo prava, Bd. III, Moskva 1970, S. 294.
2
G. V. Ignatenko und D. I. Ostapenko (Hrsg.), Mezdunarodnoe pravo, Moskva 1978, s. 267. 22 L. A. Modzorjan und N. T. Blatovoj (Hrsg. ), Mezdunarodnoe pravo, Moskva 1970, S. 331. 23 Bol'Saja Sovetskaja Enciklopedija, Bd. 5, Moskva 1971, S. 259. 24 V. P. Seregin, Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Moskva 1978, S. 11. 25 Ju. M. Kolosov, Protivopravnost' radioaktivnogo zagrjaznenija atmosphery nad otkrytym morjem, in: Mezdunarodnaja bezopasnost i Mirovoj okean, Moskva 1982, S. 231. 21
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Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
der Luft, wobei der Luftverkehr die grundlegende, aber bei weitem nicht die einzige solcher Eigenschaften ist." Ch. de Visscher vertrat die Auffassung, daß ,.das Luftrecht sich aus den Normen zusammensetzt, die den Luftraum und seine Nutzung regeln." 26 Solche, aus wissenschaftlicher Sicht vereinfachte Formulierungen, ohne Hinweis auf die Subjekte und Objekte der Regelung, werden nichtsdestoweniger in der westlichen Wissenschaft häufig bei der Definition des Gegenstandes des internationalen Luftrechts verwandt. Eine der gründlichsten Analysen der vorliegenden Frage ist in der Monographie des holländischen Juristen J. Verp/aetse mit Namen .Völkerrecht im vertikalen Raum" enthalten. Der Autor, der feststellt, daß sich zum Zeitpunkt des Erscheinens seiner Arbeit (1960) die Tätigkeit im Luftraum nach wie vor auf die Luftfahrt, den Funkverkehr und die Telekommunikation beschränkt, besteht mit Entschiedenheit darauf, daß der Luftverkehr .der grundlegende, aber keinesfalls der einzige Teil des Luftrechts ist." Nach der Meinung von J. Verp/aetse .erfaßt das Luftrecht das gesamte Spektrum der Normen, die sich auf eine Tätigkeit im Luftraum beziehen ... und unterscheidet sich damit von der Mehrheit anderer Rechtsgebiete, die sich auf einen Sektor spezialisieren, weil das Luftrecht so etwas wie einen juristischen Mikrokosmos darstellt, der die Anwendung aller anderen Zweige des Rechts auf diesen neuen Aspekt der geregelten Tätigkeit einschließt. "27 Nicht allen Argumenten dieses Autors kann man zustimmen, z.B. der Einbeziehung sogar einiger arbeitsrechtlicher Beziehungen in das Luftrecht Aber seine emotionalen, mit tiefem Sinn erfüllten Worte verdienen Aufmerksamkeit: ,.Niemals darf man sich nur auf die Gegenwart stützen und die Zukunft ignorieren. Zumindest müssen wir an die Regeln denken, die auf neue Bereiche menschlicher Tätigkeit angewandt werden. Wir befinden uns an der Schwelle einer neuen Realität und niemand, auch nicht diejenigen Juristen, die stets bereit sind, die abwegigsten und ungefährlichsten Positionen einzunehmen, kann hinter den Ereignissen hinterherhinken, ohne den Versuch zu unternehmen, die Notwendigkeit einer Regelung der objektiven gesellschaftlichen Erscheinungen vorauszusehen. "28 Dies wurde vor einem Vierteljahrhundert geschrieben. Heute kann man sagen, daß unter dem Einfluß der stürmischen Entwicklung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts die .Zukunft", die J. Verplaetse im Auge hatte, begonnen hat. Die neuen menschlichen Aktivitäten im Luftraum sind äußerst vielfältig. Aus diesem Grunde bedarf das extensive, komplexe Ver26 Zitiert nach N. M. Matte, Traite de droit aerien-aeronautique, Montreal-Paris 1980, s. 50-51. 27 J. C. Verp/aetse, International Law in Vertical Space, New York 1960, S. 8, 9. 28 a. a. 0., S. 12.
2. Gegenstand des internationalen Luftrechts
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ständnis des Gegenstandes des internationalen (und auch nationalen) Luftrechts einer sorgfältigen theoretischen Begründung. Es reicht nicht aus festzustellen, daß das internationale Luftrecht die staatlichen Beziehungen hinsichtlich irgendeiner menschlichen Tätigkeit im Luftraum regelt, und diese Tätigkeiten aufzuzählen. In theoretischer Hinsicht ist es wichtig, den .Punkt der Wechselwirkung" von Tätigkeiten untereinander und mit der Rechtslage, bzw. dem Status des Luftraums, in dem sie ausgeübt werden, zu ermitteln und festzustellen. (Anderenfalls müßte jede Tätigkeit auf der Erdkugel, mit Ausnahme derer, die sich ausschließlich im Erdinnern, in den Tiefen der Meere oder im Weltraum abspielen, zum Gegenstand des internationalen oder nationalen Luftrechts zählen, was zweifellos nicht gerechtfertigt wäre.) Ein solcher Punkt der Wechselwirkung ist nach unserer Meinung die Rechtsordnung des Luftraums, die auf der Grundlage des Rechtsstatus des souveränen und des offenen Luftraums entsteht, und die konkrete Erlaubnisse und Verbote der Durchführung bestimmter Tätigkeiten im Luftraum insgesamt oder in einem Teil des Luftraums enthält. Mit anderen Worten, das Rechtsregime des Luftraums bestimmt seine Nutzungsordnung. Die Normen über die Luftverkehrsbeziehungen bleiben dabei im System des Luftrechts unangetastet. Was die Normen angeht, die andere Tätigkeiten im Luftraum regeln, so muß nur derjenige Teil zum Luftrecht gerechnet werden, der sich auf die Rechtsordnung des Luftraums bezieht. Der andere Teil dieser Tätigkeiten muß wie bisher nach ihrem gegenständlichen Inhalt unterschiedlich von Normen geregelt werden, die zu einem gesonderten Rechtszweig oder Rechtsinstitut gehören. Gegenwärtig existiert kein allseitiges, allumfassend ausgearbeitetes und allgemein anerkanntes System der völkerrechtlichen Normen, die das Regime des Luftraums auf einer allgemeinen Grundlage bestimmen. Ziemlich oft gibt es eine .,Wechselwirkung" nur zwischen der Tätigkeit im Luftraum und seinem Rechtsstatus (souveräner Luftraum oder offener Luftraum). Es ist daher verständlich, daß manchmal bei der Entscheidung, ob eine .nicht-luftfahrtbezogene" Tätigkeit im Luftraum eines Staates rechtmäßig ist oder nicht, von dem System der Normen des internationalen .,Luftfahrt" -Rechts als einem festen und stabilen Gebilde ausgegangen wird. A. I. Iojrys bemerkt in diesem Zusammenhang: .Eine gewisse Basis für die rechtliche Regelung der Probleme menschlichen Einwirkens auf die Umwelt bilden die bereits geltenden internationalen Normen, die in bestimmtem Umfang zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Versehrnutzung der Atmosphäre sowie negativer Folgen von Experimenten in der Atmosphäre und vorsätzlicher Handlungen zur Änderung des Wetters genutzt werden können. Zu diesen Normen kann man die im Chicago-Abkommen von 1944 enthaltene Bestimmung rechnen, nach der jeder Staat die volle und ausschließliche Sou-
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veränität in dem Luftraum über seinem Territorium besitzt. Auf diese Normen haben Staaten bereits wiederholt zurückgegriffen, um ihren Luftraum nicht nur gegen das Eindringen ausländischer Flugzeuge, sondern auch gegen jede andere Art der Einmischung zu verteidigen." 29 Wenn man berücksichtigt, daß zur Zeit der Annahme des Chicago-Abkommens im Jahre 1944 das Thema Naturschutz überhaupt noch nicht erörtert wurde, kann tatsächlich mit Fug und Recht geschlossen werden, daß die Konferenzteilnehmer nicht die Absicht hatten, die volle und ausschließliche Souveränität der Staaten im Zusammenhang mit den negativen Folgen einer Einwirkung auf die Atmosphäre anzuerkennen. Dabei definieren die völkerrechtlichen Dokumente, die andere Arten der Luftraumnutzung als die Luftfahrt betreffen, in der Regel nicht die Rechtslage und das Rechtsregime dieser Nutzung, sondern erteilen im wesentlichen nur bestimmte Erlaubnisse und verhängen Verbote für konkrete Tätigkeiten oder regeln nur Fragen der Haftung für eingetretene, schädigende Folgen. Die Regelung des Rechtsstatus und der Rechtsordnung des souveränen Luftraums und des offenen Luftraums ist zum Teil im Chicago-Abkommen von 1944 und in dem Genfer Abkommen von 1958 über die Hohe See enthalten sowie im Vertrag von 1963 über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unterWassersowie in anderen besonderen internationalen Vereinbarungen. Es wird jedoch immer offensichtlicher, daß die Definition des allgemeinen Status des souveränen Luftraums im Chicago-Abkommen von 1944 und der Inhalt der Normen spezieller völkerrechtlicher Vereinbarungen über .,nicht-luftfahrtbezogene" Tätigkeiten für eine effektive und gegenseitig vorteilhafte Nutzung des Luftraums im Interesse aller Staaten und Völker der Erde allein unzureichend sind. Notwendig sind streng geprüfte und allgemein anerkannte Bedingungen - eine Ordnung für die Nutzung des Luftraums, d. h. die Ausarbeitung eines allgemeinen völkerrechtlichen Luftraumregimes. An diese Frage heranzugehen, ohne die globalen Probleme der Gegenwart und die Notwendigkeit der Festlegung grundlegender Elemente einer Weltordnung in klaren und allgemein anerkannten Prinzipien und Normen zu berücksichtigen, die das allgemeine Regime einer konkreten räumlichen Sphäre bestimmen, ist nur geeignet, die zwischenstaatlichen Widersprüche zu verschärfen, welche bei der Nutzung des Luftraums zu unterschiedlichen Zwecken entstehen. Bei der Erarbeitung einer allgemeinen völkerrechtlichen Ordnung für den Luftraum sind einige streitige Fragen unausweichlich, die z. B. mit den Konsequenzen des Lebens auf der Erde für die Aktivitäten im eigentlichen Luftraum zusammenhängen. So wurde der internationale Flughafen .,Marco Polo" in Venedig geschlossen, obwohl die Sommersaison in vollem Gange 29
A. I. Iojrys, (Fn. 2) S. 39-40.
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war, weil Schwärme von Schnaken in nie dagewesenem Ausmaß einfielen und eine Gefahr für die Flugzeuge schufen. Nach Meinung der Mehrheit der Wissenschaftler war diese Erscheinung durch die Einleitung industrieller Abwässer in die Lagune und die dadurch bedingte Ausbreitung von Wasserpflanzen verursacht worden, wodurch das ökologische Gleichgewicht abrupt verändert wurde. 30 Die Unterlassung notwendiger naturerhaltender Maßnahmen auf nationaler Ebene führte also dazu, daß es für Flugzeuge einer Reihe von Staaten unmöglich wurde, einen Teil des Luftraums zu nutzen. Dadurch wurde wichtigen wirtschaftlichen Interessen dieser Staaten auf dem Gebiet des internationalen Luftverkehrs Schaden zugefügt. Es ist möglich, daß in Zukunft sogar derart fernliegende Wechselwirkungen Gegenstand einer Regelung im Rahmen des völkerrechtlichen Luftraumregimes - des internationalen Luftrechts -werden können. In der Gegenwart ist die Erarbeitung von Völkerrechtsnormen für die verschiedenen Aktivitäten unmittelbar im Luftraum aktueller. Große Bedeutung hat hierbei die richtige Auslegung und Anwendung der Normen, die einzelne Elemente der Völkerrechtsordnung des Luftraums ausmachen, - in erster Linie derjenigen existierenden Prinzipien und Normen, welche die Grundlage dieses Völkerrechtsregimes bilden. Insgesamt müssen nach unserer Auffassung unter dem Gegenstand des internationalen Luftrechts die Beziehungen zwischen Völkerrechtssubjekten bezüglich des Rechtsstatus und der Rechtsordnung der Nutzung des Luftraums verstanden werden. 3. Grundprinzipien des internationalen Luftrechts Jede Tätigkeit im Luftraum basiert auf den allgemein anerkannten Normen und Prinzipien des modernen Völkerrechts. Daneben unterscheiden praktisch alle Wissenschaftler im internationalen Luftrecht eine Reihe von Prinzipien, die nur diesem Rechtszweig eigen sind. Jedoch sind Anzahl und Bezeichnung der letztgenannten Prinzipien in den verschiedenen Arbeiten uneinheitlich. Die Autoren des Buches .Internationales Luftrecht" 31 unterscheiden drei Prinzipien: 1) Achtung der vollen und ausschließlichen Souveränität des Staates über den Luftraum in den Grenzen seines Hoheitsgebietes; 2) Gewährleistung der Sicherheit der internationalen Zivilluftfahrt; und 3) Freiheit des Fluges im internationalen Luftraum. Das Prinzip der Achtung der vollen und ausschließlichen Souveränität des Staates über den Luftraum in den Grenzen seines Territoriums nimmt den 30 31
Siehe Pravda vom 20. August 1985. Siehe Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, S. 35-50.
3 Maleev
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führenden Platz im System der Prinzipien und Normen des internationalen Luftrechts ein und bestimmt den Inhalt konkreter Normen und die Besonderheiten der internationalen Rechtsbeziehungen, die mit der Nutzung des souveränen Luftraums in Zusammenhang stehen. Weil dieser Luftraum wesentlicher Bestandteil des staatlichen Hoheitsgebietes ist, drückt das Prinzip der Souveränität im Luftraum die allgemeine Eigenschaft der staatlichen Souveränität aus: sie ist die höchste Gewalt des Staates über sein gesamtes Territorium und seine Unabhängigkeit in den internationalen Beziehungen.32 Dieses Prinzip ist nicht eine irgendwie "ewige" Kategorie, wie manchmal einige westliche Autoren behaupten. 33 Seine Entstehung und weitere Entwicklung im Bereich des Luftraums hängt mit dem Auftauchen der Luftschiffahrt und der Luftfahrt zusammen und verlief anfangs auf dem Weg der Gewohnheitsrechtsbildung durch stillschweigende oder offen erklärte Anerkennung durch Gesetzgebung und Praxis der Staaten. Aus der Zahl der ersten normativen Akte und Erklärungen in diesem Bereich müssen folgende erwähnt werden: Anordnung der Pariser Polizei von 1784 über das Verbot der Flüge von Luftballons ohne ausdrückliche Genehmigung; Verordnung über die Durchführung von Flügen ausländischer Luftfahrzeuge über Sperrzonen, verkündet im Jahre 1910 in Preußen und im Jahre 1911 in Bayern; Gesetz über die Luftnavigation von 1911 mit Ergänzungen aus dem Jahre 1913; Regeln für den Luftverkehr, für die Luftverteidigung und für Flüge ausländischer Luftfahrzeuge, die im Jahre 1913 in England erlassen wurden; Verordnung über Maßnahmen zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit bei Flügen von Luftfahrzeugen, herausgegeben im Jahre 1912 in Österreich; entsprechende Bestimmungen in den Luftrechtsgesetzen einer Reihe amerikanischer Bundesstaaten aus den Jahren 1911, 1912 und 1913; Gesetz über das Recht zur Errichtung von Luftverbotszonen, Verordnung über das Verbot für ausländische Luftfahrzeuge, über die Westgrenze zu fliegen, welches im Jahre 1912 in Rußland verabschiedet wurde und die russische Verordnung über das Verbot aller Flüge über die Westgrenze von 1914; Deklaration über die Neutralität, erlassen am 4. August 1914 von der Schweiz, in welcher der Luftraum der Schweiz für neutral erklärt und alle Flüge ausländischer Luftfahrzeuge verboten wurden. Hier muß ferner der Protest Hollands erwähnt werden, der am 8. Januar 1915 an Deutschland gerichtet wurde. In ihm hieß es, daß "ein Flug über dem Territorium eines Staates ohne dessen Zustimmung mit der Achtung seiner Souveränität unvereinbar ist." Es folgten Proteste ähnlicher Art von Norwegen, Schweden und anderen Ländern. 34 Siehe Kurs Mezdunarodnoe pravo, Bd. III, S. 33. Siehe D. Jung, Die Hoheit der Staaten im Raum oberhalb der Erdoberfläche, Münster 1964, S. 28. 34 Sieh Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, S. 52. 32
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Die genannten Willensäußerungen von Staaten demonstrieren mit aller Deutlichkeit die Überzeugung von der Existenz ihrer Rechte, entweder den Luftraum über ihrem Festlandterritorium als wesentlichen Bestandteil des staatlichen Territoriums zu betrachten oder als Sphäre, auf die sich ihre aus der Souveränität fließenden Rechte erstrecken. Da das Problem der Rechtslage des Luftraums neu war, gab es bis zur Annahme der Pariser Konvention über die Regelung der Luftfahrt von 1919 keine ausreichende Klarheit darüber, welcher von den beiden Standpunkten -territoriale Konzeption oder Geltung der souveränen Rechte- sich in der Theorie des internationalen Luftrechts und in den internationalen Beziehungen durchsetzt. In jener Periode wurde in erster Linie der zweite Standpunkt in den Vordergrund gerückt, der besonders detailliert in den Arbeiten des französischen Juristen P. Fauchille herausgearbeitet ist. 35 Obwohl in der Folgezeit meist die Theorie der territorialen Natur des souveränen Luftraums Anerkennung fand, argumentieren doch bis in die jüngste Zeit eine Reihe westlicher Juristen, daß entweder diese Konzeption insgesamt abgelehnt oder daß ihr ein schlicht vertraglicher Inhalt beigemessen werden muß. Einen solchen Standpunkt nahm der bekannte Völkerrechtler I. Bluntschli ein, der im Jahre 1876 schrieb: .Würde sich die Luft nicht jeder menschlichen Absperrung im Großen entziehen, so hätte sicherlich die souveräne Selbstsucht der Einzelstaaten auch die Luft über ihrem Lande als ihr ausschließliches Eigentum anzusprechen hier oder dort den Versuch gemacht. Aber die Staaten haben keine Gewalt über die mächtige Bewegung der Luftströme, welche unbekümmert um alle Landesgrenzen ihren Weg nehmen."36 Im Jahre 1901 äußersteP. Fauchille die Überzeugung, daß sich dank ihrer Unermeßlichkeit und Fluktuation .die Luftschicht keiner Macht unterwirft"Y Ähnliche Überlegungen stellte der russische Jurist V. Telesnin im Jahre 1912 an, der behauptete, daß die Luft kraft ihrer Fluktuation und riesigen Räume nicht der Aneignung unterliegen kann. 38 Die Anfechtbarkeil aller dieser Standpunkte ist in der gegenwärtigen Zeit besonders offenkundig, in der das Prinzip der .Luftsouveränität" der Staaten zum Eckstein des internationalen Luftrechts wurde. Diese Anfechtbarkeil ergibt sich in wissenschaftlicher Hinsicht, sofern politische Momente unberücksichtigt bleiben, aus der Vermischung unterschiedlicher, wenn auch miteinander im Zusammenhang stehender Begriffe: Luftraum und Atmo35 Siehe P. Fauchille, Le domaine aerien et Je regime juridique des aerostats, in: Revue Generale de droit international public, vol. 8 (1901), S. 414-485. 36 I. Bluntschli, Sovremennoe mezdunarodnoe pravo civilizovannych narodov, izlozennoe v vide kodeksa, St. Petersburg 1876, S. 32. 37 S. P. Fauchille, (Fn. 35) S. 416. 38 S. V. V. Telesnin, Ideja mira i vozduchoplavanie , in: Trudy .Obscestva mira" v Moskve, vyp. III. Moskva 1911-1912, S. 45.
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sphäre. Von der .,Unteilbarkeit" der Luft, ihrer Einheit, ging z. B. auch der Präsident des Internationalen Juristischen Komitees, E. Hooge, aus, der im Jahre 1914 erklärte, daß es unzulässig sei, die Souveränität auf den Luftraum zu erstrecken. 39 Aber die .Fluktuation" und die riesige Ausdehnung der Gewässer des Weltozeans waren kein Hinderungsgrund für die Entstehung von Küstenmeeren und die Einbeziehung von Binnenmeeren, die an das Weltmeer angrenzen, in das staatliche Hoheitsgebiet. Ja, auch die feste Erdoberfläche ist eine Einheit und unteilbar. Sogar wenn man nur die Teile berücksichtigt, die über die Wasseroberfläche hinausragen (d. h. das Festland), stellen auch sie in den Grenzen der Kontinente ein einheitliches und unteilbares Ganzes dar, sind jedoch in viele souveräne Staatsgebiete unterteilt. Der wesentliche Fehler eines naturwissenschaftlichen und nicht normativen Ansatzes zur Lösung der gestellten Frage prädestinierte seinen Mißerfolg in theoretischer und praktischer Hinsicht. Vom Gesichtspunkt der Praxis aus spielen dabei zweifellos wichtige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Interessen sowie Verteidigungsaspekte der Staaten eine wesentliche Rolle. Die Staaten wollten keine unkontrollierte Tätigkeit anderer Staaten über ihrem Festland- und Gewässerterritorium zulassen. In der Folgezeit wurden in der westlichen juristischen Literatur Versuche unternommen zu beweisen, daß das in Art. 1 der Pariser Konvention und in Art. 1 des Chicago-Abkommens niedergelegte Prinzip der Achtung der staatlichen Souveränität im Luftraum vertraglichen Charakter trägt und daher nicht auf Länder anwendbar ist, die diesen Abkommen nicht beigetreten sind. Derartige Erklärungen gab z. B. das Mitglied des Obersten Gerichtshofes der USA, S. M. Beresford, im Jahre 1960 ab, wodurch er versuchte, den Erkundungsflug des amerikanischen Spionageflugzeuges U-2 mit dem Pilot Power an Bord im Luftraum der UdSSR zu rechtfertigen. Beresford trug auch das Argument vor, daß Art. 2 des Chicago-Abkommens nicht unmittelbar den Luftraum zum Staatsterritorium rechnet. 40 Andere bürgerliche Juristen begründeten die staatliche Souveränität im Luftraum mit dem Prinzip der .effektiven Okkupation". 41 Dieses Prinzip besagt, daß jedem Staat das gehört, was er effektiv in Besitz hat und mit Hilfe von Gewalt oder auf andere Weise kontrolliert. Dies ist Ausdruck des expansionistischen Wesens der Außenpolitik einer Reihe imperialistischer Staaten. Von diesem Standpunkt aus könnte man den Luftraum im Ausgangszustand als .Niemandsland" bezeichnen, was im Endeffekt in vielen Fällen dazu führen würde, daß über dem Festland- und Gewässerterritorium S. E. Hooge, Droit aerien, Paris 1914, S. 10. S. S. M. Beresford, Surveillance Aircraft and Satellites: A Problem of lnternatio· nal Law, in: The Journal of Air Law and Commerce, vol. 27 (1960), S. 107. 41 Siehe z. B. D. Jung, (Fn. 33) S. 13-15. 39
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von Entwicklungsländern ein .effektiv okkupierter" Luftraum anderer Länder existiert. Alle diese Theorien widersprechen dem Prinzip der Anerkennung der vollen und ausschließlichen .Luftsouveränität" der Staaten, aus der sich ergibt, daß die volle Macht des Staates in den Grenzen des souveränen Luftraums keiner Billigung durch andere Staaten bedarf und gleichzeitig mit dem Erscheinen des Staates als Völkerrechtssubjekt entsteht. Demzufolge ist die höchste Macht des Staates im Luftraum uneingeschränkt, d. h. auch nicht um nur eines ihrer Elemente geschmälert (falls dies nicht in rechtmäßigen internationalen Abkommen vorgesehen ist, wie z. B. in den Abkommen über den Wiederaufbau des ehemaligen hitlerischen Deutschland nach 1945). Ferner ist sie ausschließlich, d. h. sie schließt hoheitliche Macht aller anderen Subjekte des Völkerrechts in diesem Raum aus. Aber die volle und ausschließliche Souveränität der Staaten im nationalen Luftraum hat keinen absoluten Charakter. Die Staaten können über ihren Luftraum nur in einer Weise rechtmäßig verfügen, die die Rechte anderer Staaten sowohl innerhalb ihres souveränen Territoriums als auch in den Grenzen des internationalen hoheitsfreien Raumes, der unter gemeinschaftlicher Nutzung steht, nicht verletzt. Das zweite äußerst wichtige Prinzip des internationalen Luftrechts ist das Prinzip des offenen Luftraums. In der sowjetisch-juristischen Literaturwurde die Frage nach der Existenz des Prinzips der Freiheit des Luftraums über der Hohen See im internationalen Luftrecht aufgeworfen. 42 Es muß angemerkt werden, daß historisch das rechtliche Verständnis der Natur des Luftraums über den Gewässern des Weltmeeres parallel zur Entstehung und Festigung des Rechtsstatus und des Völkerrechtsregimes der Hohen See herausgearbeitet wurde. In diesem Zusammenhang bemerkte V. S. Verescetin, daß .bereits der Begriff ,offene See' selbst davon spricht, daß sie offen ist, d. h. auf der Grundlage gleicher Prinzipien frei für alle Staaten." 43 Das Prinzip der Freiheit der Hohen See macht das Wesen des völkerrechtlichen Regimes nur derjenigen Meeresräume aus, die sich jenseits der Grenzen staatlicher Souveränität befinden. (In einzelnen Teilen der Hohen See kann dieses Regime unterschiedlich sein). Jedoch bestimmt dieses Prinzip, das sich auf die eigentliche Hohe See bezieht, insgesamt nicht den Rechtsstatus und die Rechtsordnung des darüber liegenden Luftraums, der einer von drei Bereichen dieses internationalen Gebietes ist. Die anderen beiden Bereiche sind das eigentliche Aquatorium des Weltmeeres und der Meeresboden. 42
43
14.
Siehe V. P. Seregin, (Fn. 24) S. 12. V. S. Verescetin, Svoboda sudochodstva v otrkytom more, Moskva 1958, S. 13-
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Die Entstehungsgeschichte des Rechtsstatus des Luftraums über der Hohen See hat weit zurückreichende historische Wurzeln und ist mit den Versuchen verschiedener Staaten im Mittelalter verbunden, die Meeresräume aufzuteilen. So teilten beispielsweise Portugal und Spanien im 15. Jahrhundert auf Grund von Verträgen und päpstlichen Bullen die Gewässer des Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozeans unter sich auf. 44 Königin Elisabeth von England bestritt die Rechtmäßigkeit dieser Aufteilung und erklärte im Jahre 1580 dem spanischen Gesandten: .Das Recht auf Nutzung des Meeres- und Luftraums gehört allen". 45 Die dabei benutzten Argumente der .Natur der Meeresgewässer" und der .,gemeinsamen Nutzung", die keine Beherrschung dieser Bereiche durch einen Staat oder eine Privatperson zuließen, dienten England lediglich als Vorwand für eine Neuaufteilung der Einflußsphären auf dem Weltmeer. In der Folgezeit beanspruchte England mit Nachdruck souveräne Rechte auf dem Meer. Die .Balance der Kräfte" der Seemächte und das Interesse aller Länder an einem friedlichen und gegenseitigen Seehandel dienten in der Folgezeit als Grundargument für die Entstehung des Prinzips der Freiheit der Hohen See. Was den Luftraum angeht, so wird er in den genannten Erklärungen der Königin von England nur im Wege der Analogie erwähnt, um den Hauptzweck zu erreichen, die Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Aufteilung des Weltmeeres zu verhindern. Von einer praktischen Nutzung des Luftraums, abgesehen von dem funktionalen Raum unmittelbar über der Oberfläche des Festlandes und der Gewässer, konnte damals noch keine Rede sein. Diese Erklärungen der Königin von England sind Anfangspunkt der Entstehung und weiteren Entwicklung des Konzepts des rechtlich einheitlichen Regimes der Meeresräume und des darüber liegenden Luftraums. Letzterer blieb jedoch noch lange Zeit, bis zur Entstehung der Luftfahrt, außerhalb der Sphäre neuer bürgerlicher gesellschaftlicher Beziehungen, die auf aktivem, außenwirtschaftliehen Verkehr basierten. Deshalb wandten sich die Juristen und Staatsmänner im Grunde erst Anfang unseres Jahrhunderts der Erarbeitung und Begründung der Rechtslage des Luftraums zu, da zu diesem Zeitpunkt Flugapparate erschienen, die fähig waren, eine wichtige Rolle im zwischenstaatlichen Verkehr zu spielen. Angesichts der Tatsache, daß solche Flüge anfangs über dem Festlandterritorium der Staaten stattfanden, bezog sich die oben erwähnte Konzeption der .,Freiheit der Luft" in jener Zeit nicht auf den Luftraum über der Hohen See. Die Behauptung des amerikanischen Juristen A. Djula ist ungenau, daß bis zum Beginn unseres Jahrhunderts der gesamte Luftraum das gemein44
Siehe T. W. Fulton. The Sovereignty of the Sea, Edinburgh-London 1911, S.
204-208. 45
Zitiert nach H. A. Smith, The Law and Custom of the Sea, London 1954, S. 11.
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same Erbe der Menschheit war. 46 Die Rechtslage des Luftraums insgesamt bezog sich bis zu Beginn unseres Jahrhunderts generell nicht auf den Regelungsgegenstanddes Völkerrechts, und erst mit der Anerkennung der vollen und ausschließlichen Souveränität der Staaten im Luftraum über ihrem Festland- und Gewässerterritorium- anfangs auf dem Wege des Völkergewohnheitsrecht, dann durch die Kodifikation dieses Prinzips in der Pariser Konvention von 1919 - stellte sich die Frage nach der Rechtslage des ,.übrigen" Luftraums. Bezüglich des Luftraums über dem Weltmeer konnte sich die Geschichte der .Teilung" oder .Aneignung" der Meeresräume wiederholen, die sich im Mittelalter abgespielt hatte. Die alles überflügelnde Entwicklung der Luftfahrt in Europa beunruhigte bekanntlich die Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist kein Zufall, daß die amerikanische Delegation auf der Pariser Konferenz von 1919 den Entwurf eines Artikels mit folgendem Wortlaut vorschlug: .Kein Staat darf Souveränität über irgendeinen Teil der Atmosphäre über der Hohen See beanspruchen"Y Dieser Vorschlag wurde von der Konferenz nicht angenommen. Und in der Gegenwart ist die Rechtslage des Luftraums, der sich jenseits der Grenzen des souveränen Luftraums befindet, nicht einheitlich in einem einzigen völkerrechtlichen Vertrag kodifiziert. Die fortschrittliche Entwicklung der materiellen Normen des Völkerrechts (Genfer Abkommen über die Hohe See von 1958, VN-Seerechtskonvention von 1982) in dieser Frage vollzog sich auf dem Wege der Bestätigung nur einer .Freiheit", der Freiheit des Überfluges über die Hohe See. Dies bringt bei weitem nicht die Rechtslage des offenen Luftraums vollständig zum Ausdruck. Die Freiheit des offenen Luftraums ist nicht absolut. Sie kann nur im strengen Rahmen der allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts durch rechtmäßiges Verhalten realisiert werden. Ein weiteres Grundprinzip des internationalen Luftrechts ist das Prinzip der Gewährleistung der Sicherheit für die Zivilluftfahrt Im Unterschied z. B. zu den Grundprinzipien des allgemeinen Völkerrechts, die in der VN-Satzung und anderen Dokumenten niedergelegt sind, fand dieses Prinzip keinen unmittelbaren Ausdruck in den materiellen Normen des internationalen Luftrechts. Deshalb ist es aus der Gesamtheit der Normen abzuleiten, die sich auf die Gewährleistung der Flugsicherheit - sowohl in technischer als auch in sozialer Hinsicht - beziehen. Dabei richtet der soziale Aspekt sich auf die Gewährleistung der Sicherheit gegenüber rechtswidrigen Eingriffen 46 Siehe A. Djula, Kontrol i nadzor pravitel'stva SSA za dejatel'nost'ju castnogo sektora v kosmose: dejstvujuscee pravo i buduscie vozmoznosti, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo 1985, No. 8, S. 97. 47 Zitiert nach J. C. Cooper, (Fn. 17) S. 177.
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wie z. B. Flugzeugentführungen, rechtswidriger Inbesitznahme von Luftfahrzeugen und Diversion beim Luftverkehr. Das Prinzip der Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt entwickelte sich bedeutend später als die internationalen Flüge, was sich aus einer Reihe objektiver Umstände erklärt. Das internationale Luftrecht entstand anfangs auf bilateraler, dann auf regionaler Ebene, und erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm es den Charakter eines universell geltenden Teils des allgemeinen völkerrechtlichen Systems an. Dabei liefen bis in die 60er Jahre die grundlegenden Pflichten der Staaten sowohl nach den bilateralen als auch nach den multilateralen Verträgen nur darauf hinaus, die Iuftnavigatorischen Aspekte internationaler Flüge zu gewährleisten, d. h. die Gewährleistung eines normalen Ablaufs der Flüge und auf die Beseitigung der Folgen von Zwischenfällen in der Luftfahrt. Der Begriff "Sicherheit" wird nämlich im ersten multilateralen Abkommen über Fragen der Zivilluftfahrt, der Pariser Konvention von 1919, in den Anhängen zu diesem Abkommen und im Zusatzprotokoll vom 1. Juli 1925 in dieser technischen Version verwandt. Unter Berücksichtigung des regionalen Charakters der Pariser Konvention, der eine Reihe großer Staaten, wie die RSFSR (später UdSSR), USA und Deutschland, nicht beitraten und der Tatsache, daß der Mehrheit der Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas die materiellen Mittel für die Gewährleistung der Sicherheit internationaler Flüge fehlten, entstand in jener Zeit das untersuchte Prinzip nicht einmal in der oben beschriebenen technischen Hinsicht. Insoweit existierten nur einzelne Normen, die noch kein Prinzip ausmachten. Außerdem enthielt das Völkerrecht in den 20er Jahren keine Normen, die sich mit dem Kampf gegen verbrecherische Anschläge auf die Flugsicherheit befaßten. Dieser soziale Aspekt, der einen von zwei äußerst wichtigen Teilen des Prinzips der Gewährleistung der Flugsicherheit darstellt, erlangte erst Ende der 60er Jahre wegen des starken Anwachsens der Zahl von Flugzeugentführungen völkerrechtliche Aktualität. Das Chicago-Abkommen von 1944, das am 1. März 1986 für 138 Staaten verbindlich war, bekräftigte eine große Anzahl von Normen, die das Prinzip der Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt betreffen. In der Präambel des Abkommens wird betont, daß der Mißbrauch der Zivilluftfahrt zu einer Bedrohung der allgemeinen Sicherheit führen kann. Weiter wird in dem Abkommen das Recht des Staates bestätigt, die Flüge ausländischer Luftfahrzeuge im Interesse der öffentlichen Sicherheit, aus Gründen militärischer Notwendigkeit, bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände oder während der Zeit eines Notstandes (Art. 9 Abs. a, b) einzuschränken oder zu verbieten und die Durchfuhr bestimmter Gegenstände durch sein Territorium "aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" (Art. 35) entweder zu verbieten oder zu beschränken. Schließlich verleiht Art. 64 des
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Abkommens unter der Überschrift .Sicherheitsübereinkommen" der ICAO die Befugnis, mit Billigung der Versammlung hinsichtlich der in ihrer Zuständigkeit liegenden Luftfahrtangelegenheiten, welche die internationale Sicherheit unmittelbar berühren, .mit allen allgemeinen Organisationen, die von den Staaten zur Erhaltung des Friedens geschaffen worden sind", geeignete Übereinkommen zu treffen. Die Nichtbeachtung der Bestimmung des Abkommens und die Verletzung der Souveränität, sowie die Verletzung der Flugbedingungen oder Flugregeln, die von einem Staat erlassen worden sind als auch der Mißbrauch der Zivilluftfahrt schaffen eine große Gefahr für ihre Sicherheit, weil die Folge solcher Verstöße die Inbesitznahme des Luftfahrzeuges und unter bestimmten Umständen Gewaltanwendung gegen dieses Luftfahrzeug sein kann. Eine große Gruppe von Bestimmungen des Chicago-Abkommens ist Fragen der technischen Zuverlässigkeit der zivilen Luftfahrzeuge und organisatorisehen Mitteln der Gewährleistung der Sicherheit des internationalen Luftverkehrs gewidmet. Ziel des Abkommens ist laut Präambel, daß sich die ,.internationale Zivilluftfahrt sicher und geordnet entwickeln kann". Art. 37 des Abkommens, der allein konkrete, technische Fragen behandelt, zu denen die ICAO internationale Richtlinien und Empfehlungen annehmen kann, bestimmt darüber hinaus, daß die Richtlinien und Empfehlungen auch sonstige Angelegenheiten mit Bezug zur Sicherheit der Luftfahrt behandeln können, soweit dies jeweils angebracht erscheint. Die Aufgaben der ICAO bestehen nach dem Abkommen auch darin, ein sicheres und geordnetes Wachsen der internationalen Zivilluftfahrt zu gewährleisten, den Bedürfnissen der Völker der Welt nach einem sicheren, regelmäßigen, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Luftverkehr zu entsprechen und die Flugsicherheit in der internationalen Zivilluftfahrt zu fördern (Art. 44 Abs. a, d und h). In dem Abkommen sind Bestimmungen enthalten, daß die Vertragsstaaten sich verpflichten, bei dem Erlaß von Vorschriften über ihre Staatsluftfahrzeuge auf die Sicherheit des Verkehrs der Privatflugzeuge gebührend Rücksicht zu nehmen (Art. 3 d). Die Luftfahrteinrichtungen werden für die Sicherheit und schnelle Abwicklung des Luftverkehrs zur Verfügung gestellt (Art. 15). Der Flug eines unbemannten Luftfahrzeugs muß so überwacht werden, daß eine Gefahr für Zivilluftfahrzeuge vermieden wird (Art. 8). Falls die Flughäfen oder sonstige Luftfahrteinrichtungen für einen sicheren Betrieb des internationalen Flugverkehrs nicht genügen, müssen die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden (Art. 69). Auf der Grundlage dieser Verpflichtungen der Vertragsstaaten wurden im Rahmen der ICAO zahlreiche, ihrem Inhalt nach äußerst vielfältige und umfangreiche technische, organisatorische und administrative Standards, Empfehlungen und Verfahren (internationale Flugregeln) ausgearbeitet, die
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Kapitel I: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
bis auf einige Ausnahmen, so die Flugregeln über der Hohen See, nicht verbindlich sind. Die Regeln, die in achtzehn Anhängen zum Chicago-Abkommen zusammengelaßt sind und keine Vertragsnormen (Rechtsquellen) darstellen, spielen für die Bestimmung des Inhalts des Prinzips der Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt eine Hilfsrolle. Grundlegende Bedeutung in dieser Frage haben aber die vertraglichen Verpflichtungen, deren Durchsetzungsmittel zur inneren Kompetenz eines jeden Staates gehören. Diese Mittel beinhalten u. a. die Organisation des Luftraums, die Festlegung von Anforderungen an die berufliche Qualifikation von Luftfahrzeugbesatzungen und von Fluglotsen, die Festsetzung von Normen für die Lufttüchtigkeit der Luftfahrzeuge und die Einsatzbereitschaft von Flughäfen und Flugschneisen sowie die Inspektion der Luftspediteure und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von rechtwidrigen Eingriffen. Die bilateralen Luftverkehrsabkommen der Staaten enthalten in der Regel eine große Anzahl von Vorschriften, die sich auf die Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt im technischen Sinne beziehen. Solche Abkommen bekräftigen die Verpflichtung eines jeden Staates, u. a. die erforderlichen Mittel für die funktechnische Sicherheit und meteorologische Betreuung der Flüge bereitzustellen, Angaben über die Landeflughäfen und über die Fluglinien in seinem Hoheitsgebiet zu übermitteln, ferner sicherzustellen, daß die Luftfahrzeuge den Anforderungen entsprechen, die an internationale Flüge gestellt werden sowie daß alle Gesetze und Vorschriften zur Regelung von Flügen innerhalb des Gebietes eines Staates von den Luftfahrzeugen anderer Staaten beachtet werden. Eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit in der zivilen Luftfahrt spielen internationale Abkommen und nationale Normen, die sich auf die Flugüberwachung beziehen (s. Kapitel III). Die Notwendigkeit, die Sicherheit der internationalen Zivilluftfahrt heute eine der wichtigsten Beförderungsarten - vor rechtswidriger Inbesitznahme und Flugzeugentführung, Erpressung und Diversion sowie vor die Flugsicherheit gefährdenden Handlungen von Einzelpersonen an Bord von Luftfahrzeugen zu gewährleisten, führte zum Abschluß des Tokyo-Abkommens von 1963 über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen, zum Abschluß des Haager Übereinkommens von 1970 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen und zum Übereinkommen von Montreal von 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt Die Staaten schließen bilaterale Abkommen zur Verhütung und Bekämpfung aller derartiger Handlungen. Es werden besondere Artikel in bilaterale Luftverkehrsabkommen aufgenommen, und es werden scharfe Maßnahmen verwaltungsrechtlicher, strafrechtlicher und organisatorischer Art auf nationaler Ebene ergriffen (s. Kapitel V).
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Beginnend mit den 70er Jahren wandten sich der Sicherheitsrat und die Generalversammlung der VN, der Rat, die Versammlung und die Arbeitsorgane der ICAO sowie andere internationale Organisationen wiederholt den Fragen des Kampfes gegen rechtswidrige Eingriffe in die Zivilluftfahrt zu. Die Anzahl allgemeiner einschlägiger Normen in dieser Frage ist beträchtlich. Jedoch hat dieses Problem nicht nur nicht an Aktualität verloren, vielmehr rückt es wegen der nicht endenden Katastrophen der Zivilluftfahrt und der Fälle rechtswidriger Eingriffe immer schärfer in den Mittelpunkt. Dies belegen die Ereignisse des Jahres 1985 recht anschaulich. Führen wir nur einige von ihnen an: Am 23. Juni 1985 explodierte bei einer Entführung ein Flugzeug der indischen Luftfahrgesellschaft .Air lndia". Bei dieser Katastrophe kamen 329 Menschen ums Leben. Am 2. August 1985 geriet ein Flugzeug der amerikanischen Luftfahrtgesellschaft .Delta Airlines" in ein Gewitter. 135 Menschen kamen um, 29 wurden verletzt. 48 In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1985 ereignete sich eine der tragischsten Katastrophen in der Geschichte der Luftfahrt, bei der 520 Menschen umkamen: Ein Flugzeug des Typs .Boeing 747" der japanischen Luftfahrtgesellschaft .Japan Airlines" stürzte ab, weil die hintere Tür aus den Befestigungen riß und das Heck des Flugzeuges zerstörte. 49 Am 22. August 1985 stürzte ein Flugzeug einer britischen Luftfahrtgesellschaft, das nach Griechenland fliegen sollte, beim Start auf dem Flughafen Manchester (England) ab. Von den 137 Menschen, die sich an Bord befanden, konnte man nur 67 retten. 5° Am 26. August 1985 verunglückte ein Flugzeug der amerikanischen Luftfahrtgesellschaft .Bar Harbour Island" beim Landeanflug auf den Flughafen Obern-Lewistown. Das Flugzeug, das von Boston nach Augusta im Staate Maine fliegen sollte, war aus unbekannten Gründen zum Flughaven Lewistown umgeleitet worden, wo es bei der Landung zur Nachtzeit explodierte. Alle Passagiere, darunter die in der ganzen Welt bekannte amerikanische Schülerin Samantha Smith, kamen ums Leben. 5 1 Besonders viele Katastrophen und Zwischenfälle gab es in letzter Zeit mit den Flugzeugen der amerikanischen Firma . Boeing".52 Die Ursachen der Katastrophen liegen nicht nur in einem Versagen der Luftfahrttechnik und ungünstigen W etterbedingungen. Die oben erwähnte Katastrophe vom 2. August 1985 war z. B. durch einen Fehler auf dem amerikanischen Flughafen 48 49 50 51 52
The Gazette vom 13. August 1985. S. Pravda vom 13. August 1985. S. Pravda vom 23. August 1985. S. Pravda vom 27. August 1985. S. A. Mescerskij, .Boeing" daet tresciny, in: Argumenty i fakty vom 8. Oktober
1985, S. 2.
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Kapitel I: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
Dallas- Fort Worth verursacht worden, wo u. a. im Augenblick der Landung des Flugzeugs während eines Sturms zwei Meteorologen dieses Flughafens in der Cafeteria waren. Das Wetterradar war nicht in Betrieb. Im November 1985 entging wiederum wegen Nachlässigkeit der amerikanischen Flughafendienste eine .Boeing 727" mit 183 Menschen an Bord nur durch ein Wunder einem Zusammenstoß mit einem Hubschrauber auf dem Washingtoner .National Airport". Wie sich herausstellte, hatten der Hubschrauber und die .Boeing 727" von verschiedenen Fluglotsen Starterlaubnis auf sich kreuzenden Kursen erhalten. 53 Die Zeitung .Pravda" bemerkte in diesem Zusammenhang, daß die .heutige Situation auf amerikanischen Flughäfen eine direkte Folge der repressiven Maßnahmen der Administration ist, die im Jahre 1981 die Gewerkschaft der Fluglotsen gewaltsam auflöste, nachdem sie mehr als 11.400 streikenden Spezialisten gekündigt hatte, an deren Stelle unqualifizierte Personen eingestellt wurden." 54 Die ständigen Fälle von Entführungen und rechtswidriger Inbesitznahme von Luftfahrzeugen erschweren die allgemeine Lage bei der Gewährleistung der Sicherheit des Flugverkehrs noch mehr. Heute hängt die Sicherheit der Zivilluftfahrt von einer großen Zahl von Faktoren ab, die nicht unmittelbar mit der internationalen Zivilluftfahrt zu tun haben. Erstens ist die Beachtung der Normen des internationalen Luftrechts hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit der internationalen Zivilluftfahrt immer mehr vom Niveau der Flugsicherheit bei Inlandsflügen abhängig. Hier wirkt sich aus, daß internationale und innerstaatliche Flüge häufig auf ein und denselben Luftstraßen abgewickelt werden und daß zahlreiche Luftfahrzeuge auf innerstaatlichen Flügen entführt werden. Dabei kann der Luftraum in bestimmten Bereichen, einschließlich internationaler Luftkorridore, zumindest vorübergehend ganz geschlossen werden, ebenso wie der vorgesehene Landeflughafen eines entführten Flugzeugs. Zweitens schaffen die immer zahlreicher werdenden Flüge von militärischen Luftfahrzeugen und damit zusammenhängende Unfälle Gefahren für den Luftverkehr und die Menschen auf der Erde. So fiel z. B. am 4. April 1985 ein Jagdflugzeug der türkischen Luftstreitkräfte vom Typ G-1 04 auf das Handelszentrum der Stadt Balykssir. 22 Menschen kamen um, Dutzende erlitten schwere Verletzungen, und es entstand beträchtlicher Sachschaden. Im Juli 1985 fing ein türkisches Militärflugzeug desselben Typs in der Luft Feuer. Wegen der häufigen Havarien dieses Flugzeugtyps, der in den USA für die Türkei und für andere NATO-Länder hergestellt wurde, erhielt er die Bezeichnung .fliegender Sarg". 55 53 54 55
S. Pravda vom 10. November 1985. S. Pravda vom 13. November 1985. S. lzvestija vom 28. Juli 1985.
3. Grundprinzipien des internationalen Luftrechts
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Aus der Presse sind viele andere Unfälle von Militärflugzeugen kapitalistischer Länder bekannt, u. a. auch mit Atombomben an Bord. Drittens werden von vielen Staaten Testschüsse und Raketenversuche im souveränen Luftraum und im offenen Luftraum durchgeführt, was ebenfalls Gefahren für die Zivilluftfahrt schafft. Viertens werden im Luftraum Beschießungen zur Abwendung von Hagel durchgeführt und meteorologische Raketen gestartet. Von kapitalistischen Ländern werden Experimente in der Atmosphäre durchgeführt, die nicht selten große Teile des Luftraums in turbulente Gefahrenzonen verwandeln. Einzelne Arten dieser Experimente sind in der Wirkung Massenvernichtungswaffen vergleichbar. Fünftens starten und landen Weltraumapparate durch den Luftraum, und es stürzen deren Trümmer zur Erde. Die Sprengung von beim Start eine falsche Richtung einschlagenden Weltraumapparaten im Luftraum z. B. durch die USA ist keine Seltenheit. Erinnern wir uns an den bekannten Fall der Zerstörung der amerikanischen Weltraumstation .Skylab" mit einer Masse von mehr als 80 t im Jahr 1979, als die Bevölkerung einer Reihe von Ländern von Panik ergriffen wurde. In einigen Ländern wurde der Flugverkehr eingestellt. Der Gürtel, in dem die Trümmer der Station herunterfielen und der nur zum Teil mit den Vorhersagen übereinstimmte, verlief durch den zentralen, wenig besiedelten Teil Australiens, wodurch rein zufällig keine menschlichen Opfer zu beklagen waren. Nach Angaben einiger Quellen können sich bis zum Jahre 1990 auf den erdnahen Umlaufbahnen 1 bis 1,2 Mio Trümmer von Weltraumgegenständen ansammeln, die beim Niederfallen Gegenstände im Luftraum und auf der Erdoberfläche gefährden könnten. Wie ernst dieses Problem ist, wird z. B. durch die folgende Tatsache bezeugt: Seit Dezember 1967 ist in den USA ein System zurWarnungvon Flugzeugpiloten vor dem möglichen Absturz von Trümmern aus dem Weltraum in Betrieb. An diesem System beteiligt sich auch die Aeroflot. 56 Die vorstehenden Ausführungen erlauben die Schlußfolgerung, daß die Sicherheit der internationalen Zivilluftfahrt nur auf der Grundlage einer zu errichtenden allgemeinen Völkerrechtsordnung für den Luftraum effektiv gesichert werden kann. Daß die internationale Gemeinschaft eine große Zahl von Normen verabschiedet hat, die sich auf die internationale Zivilluftfahrt im engeren Sinne beziehen und die ein verflochtenes System bilden, ist unzweifelhaft ein wichtiger und notwendiger Schritt auf diesem Gebiet. Aber die Realitäten der heutigen Situation in der Luftraumnutzung sind so, daß es allein mit Hilfe dieser Normen nicht möglich ist, das gesetzte Ziel vollständig 56 S. A. I. Rudev, Mezdunarodno-pravovoj status kosmiceskich stancij, Moskva 1982, s. 112-113.
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Kapitel 1: Völkerrechtliche Fragen der Nutzung des Luftraums
zu erreichen. Es ist unzweifelhaft, daß es unter den zeitgenössischen Bedingungen bereits nicht mehr ausreicht, die Existenz des Prinzips der Gewährleistung der Sicherheit der internationalen Zivilluftfahrt anzuerkennen. Die Notwendigkeit ist herangereift, das Prinzip der Gewährleistung der Sicherheit der Luftfahrt insgesamt völkervertraglich auszuformen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß alle Arten von Flügen sowie gewisse andere Aktivitäten im Luftraum gegenseitig Einfluß auf die wechselseitige Sicherheit ausüben, ist es schließlich zulässig, die Frage aufzuwerfen, ob sich bereits ein allgemeines Rechtsprinzip der Gewährleistung der Sicherheit aller Flüge im Luftraum herausgebildet hat. Schutzobjekte dieses Prinzips sind das Leben der Menschen, die Sicherheit aller Luftfahrzeuge und Flugkörper sowie die Qualität der Umwelt.
KAPITEL II
Rechtsstatus des Luftraums 1. Rechtliche Bedeutung des Begriffs .,Luftraum" Luftraum ist jeder beliebige Raum, der mit Luft gefüllt ist. 1 Jedoch gehört nicht der gesamte Luftraum über der Erde zu dem generellen normativen Luftraum, d. h. dem Luftraum, dessen Rechtsstatus durch die Normen des Luftrechts bestimmt wird. Insoweit ist es von entscheidender Bedeutung, zwischen der Ausdehnung der Atmosphäre aus naturwissenschaftlicher Sicht und dem normativen Luftraum zu unterscheiden. Nach der Art der Veränderungen ihrer gasförmigen Zusammensetzung wird die Atmosphäre gewöhnlich in zwei Schichten unterteilt, die Homosphäre und die Heterosphäre. Die Homosphäre erstreckt sich bis zu einer Höhe von 80-100 km und wird dadurch gekennzeichnet, daß die chemische Zusammensetzung der Luft und ihr Molekulargewicht (29,9) unverändert bleiben- mit Ausnahme der veränderlichen Komponenten: Wasserdampf, Kohlensäuregas, Ozon und atmosphärische Zusätze. In der Heterosphäre befinden sich die Bestandteile der Luft in einem atomaren Zustand, und die Zusammensetzung der Luft ändert sich mit zunehmender Höhe beträchtlich. Die äußere Schicht der Atmosphäre ist die Dispersionsschicht (Exosphäre), in der die Moleküle und Atome der Gase die Erdanziehung überwinden und in den interplanetarischen Raum entweichen können. In dieser Schicht gibt es noch eine Bremswirkung auf künstliche Erdtrabanten. 2 Der normative Luftraum wird manchmal als der Teil der Atmosphäre definiert, in dem die chemische Zusammensetzung und das Molekulargewicht unabhängig von der Höhe weitestgehend (zu 99,25 %) gleichbleiben. Die oberste Grenze dieses Teils der Luftsphäre liegt bei 90- 100 km. 3 In diesem Raum kann man unter Ausnutzung aerodynamischer Eigenschaften in einem breiten Geschwindigkeitsspektrum zwischen Unterschall (M < 1) und Überschall (von M 5 bis zur ersten kosmischen Geschwindigkeit) fliegen. Diese naturwissenschaftlichen Daten wurden und werden bei der BestirnSiehe A. N. Verescagin, Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Moskva 1966, S. 9. Siehe A. M. Baranov, S. V. So/onin, Aviacionnaja meteorologia, Leningrad 1975, S. 290. 3 Siehe A. M. Jakovlev, Aviacionnaja meteorologija, Moskva 1971, S. 11-12. t
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
mung der Zusammensetzung der Atmosphäre und ihres Einflusses auf Flüge berücksichtigt. Mit dem Heraufziehen des Weltraumzeitalters tauchte die Frage auf, wo die Grenze verläuft, unterhalb derer die volle und ausschließliche Souveränität der Staaten gilt, und bei der der Bereich der Freiheit der Forschung und Nutzung des Weltraums beginnt, auf den sich die souveräne Macht der Staaten nicht erstrecken kann. Unter praktischen Gesichtspunkten hat die Abgrenzung des Luftraums über der Hohen See vom Weltraum geringere Bedeutung. Jedoch stellt sich auch hier das Problem der Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs der Normen des internationalen Luftrechts und des internationalen Weltraumrechts. Ein klarer normativer Ansatz für die Abgrenzung der zwei verschiedenen räumlichen Sphären wurde unausweichlich, weil in ihnen zwei prinzipiell unterschiedliche Völkerrechtsordnungen gelten, wenn sie auch auf einer Reihe gemeinsamer Prinzipien und Normen basieren. Der Vertrag von 1967 über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (Weltraumvertrag) ist das erste internationale Abkommen, in dem der Begriff .Weltraum" wenn nicht eine Definition, so doch eine inhaltliche Präzisierung erfährt (Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper). Man muß den Begriff "Weltraum", der im Weltraumvertrag von 1967 und in anderen Verträgen zur Regelung der Tätigkeit von Staaten im Weltraum verwandt wird, als Raum verstehen, in dem eine andere Rechtsordnung gilt als im Luftraum der Erde. Der normative Ansatz ist hier offensichtlich auf die Regelung einer bestimmten Tätigkeit und die räumliche Geltung einer konkreten Gruppe von Prinzipien und Normen des Völkerrechts gegründet. Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang die Auslegung des Begriffs "Luftraum", die das Sekretariat der Internationalen Organisation für Zivilluftfahrt im Jahre 1970 gab: •... Die Internationale Organisation für Zivilluftfahrt . . . beschäftigt sich mit der Frage der staatlichen Souveränität im Luftraum nur im Zusammenhang mit dem Einsatz von Luftfahrzeugen. Die Regierungen, die dem Abkommen beitreten, müssen notwendigerweise Faktoren berücksichtigen, die sich nicht auf die Luftfahrt beziehen . .. , z. B. Fernmeldesatelliten, den globalen Wetterdienst, militärische und politische Faktoren .... Aus der Sicht der Luftfahrt ist Luftraum nur der Raum, in dem ein Luftfahrzeug eingesetzt werden kann .... Die maximale Höhe, d. h. der Abstand von der Erdoberfläche, in dem sich ein Gerät durch die Wirkung aerodynamischer Kräfte halten kann, ist nach derzeitigen Einschätzungen annähernd 35 km. Jedoch erlauben es technische Änderungen offensichtlich, daß ein Luftfahrtgerät sogar in größerer Höhe fliegt, d. h. sich infolge der Wirkung aerodynamischer Kräfte halten kann. "4 4
UN Dok. A/ AC. 105/C. 2/7 vom 7. Mai 1970.
1. Rechtliche Bedeutung des Begriffs .Luftraum"
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Man kann ohne Schwierigkeiten feststellen, daß diese Aussage lediglich den Navigationsraum als Tätigkeitsbereich der Luftfahrt bestimmen soll. Nicht zufällig hat deshalb das Sekretariat der ICAO, als es diese Definition vorschlug, betont, daß bei der Erarbeitung eines allgemeinen Begriffs .Luftraum" auch militärische und politische Faktoren berücksichtigt werden müssen. A. N. Verescagin schlägt neben der naturwissenschaftlichen Definition auch eine normative Auslegung des Begriffs .Luftraum" vor. Im naturwissenschaftlichen Sinne ist .Luftraum" •vor allem die gasförmige Hülle, welche die Erde umgibt und die als solche von der Erde nicht zu trennen ist." Im normativen Ansatz, der den staatlichen Luftraum betrifft, muß nach Meinung von A. N. Verescagin von einem Raum gesprochen werden, der .sich im Zustand verhältnismäßiger Ruhe und Unbewegtheit bezüglich des unter ihm liegenden Staates befindet. "5 Auf den ersten Blick könnte man die Behauptung des genannten Autors als streitig ansehen, daß der souveräne Luftraum .sich im Zustand verhältnismäßiger Ruhe und Unbewegtheit befindet". Aufgrund harter wissenschaftlicher Daten muß diese Annahme jedoch als zutreffend anerkannt werden. Bekanntlich .atmet" die Erdkruste unter dem Einfluß innerer Prozesse sowie der .Einwirkungen" von Mond und Sonne, der Bewegungen tektonischer Platten usw. Deshalb schwanken die in der Praxis normativ fixierten Grenzen des Luftraums in der Horizontalen mit den Schwankungen der staatlichen Grenzen in der Vertikalen. In praktischer Hinsicht sind diese Schwankungen jedoch zu vernachlässigen, sie haben lediglich für wissenschaftliche Zwecke Bedeutung. Die Unterscheidung zwischen der Atmosphäre (und dem von ihr eingenommenen, je nach Terminologie tatsächlichen oder attributiven Raum) einerseits und dem normativen Raum andererseits hat entscheidende Bedeutung für die Klärung des rechtlichen Inhalts des Begriffs .Luftraum". So bemerkte V. E. Grabar: .,Die Luft ist als Sacheresomnium communis, aber man darf die Sache nicht mit dem Raum verwechseln."6 Die Begriffsvermengung von Atmosphäre und normativem Luftraum trifft man ziemlich häufig in der juristischen Literatur vergangener Jahre und der neuesten Zeit an. Wenn auch vom Standpunkt des tatsächlichen Raumes aus eine solche Haltung leicht verständlich ist, weil der Raum die Form der Existenz von Materie ist und folglich im vorliegenden Falle nicht von der Luft, der Atmosphäre, getrennt werden kann, so ist diese Einheit in der normativen Sphäre aber nicht entscheidend. Ju. M. Kolosov betonte zu Recht, daß der .Luftraum und die ihn ausfüllende Luft niemals gleichgesetzt werden dürfen" mit Rechtspositionen. 7 A. N. Verescagin, (Fn. 1) S. 24. V. E. Grabar, Istorija vozdusnogo prava, in: Voprosy vozdusnogo prava, MoskvaLeningrad 1927, S. 39. 5
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4 Malcev
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Kapitel li: Rechtsstatus des Luftraums
Das normative Element taucht besonders in der Frage der oberen Grenze der staatlichen Souveränität auf. So schreibt z. B. E. Ja. Cernomordik: .,Der Luftraum kennt keine natürlichen Grenzen. Er ist in der Höhe unendlich." 8 Denselben Gedanken formuliertA. I. Kotov ein wenig anders: .Der Luftraum ist nicht nur ein Teil des Raumes, der mit Luft gefüllt ist, sondern auch ein Teil des luftleeren Raumes.» 9 Die genannten Autoren wollten damit das Fehlen vertikaler Grenzen der staatlichen Souveränität im Luftraum begründen, d. h. sie gingen von einer rein normativen Position bei der Ausdehnung der ausschließlichen Macht des Staates nach Art. 1 des Chicago-Abkommens aus. Die Rechtswissenschaft versucht schon lange, den Begriff .Luftraum" zu definieren. Aber erst mit dem Heraufziehen des Weltraumzeitalters erlangte diese Aufgabe eine enorme praktische Bedeutung. Zahlreiche Untersuchungen des Problems der oberen Grenze der staatlichen Souveränität, die schon lange vor Beginn des Weltraumzeitalters vorgenommen wurden, hatten unmittelbar mit der Definition des Begriffs .,Luftraum» nichts zu tun. Damals ging es nur darum, die obere Grenze staatlicher Souveränität festzulegen, oberhalb derer - wie aus vielen Konzeptionen hervorgeht - die Existenz eines .freien" Luftraums angenommen wurde. In der Gegenwart kann eine eigenartige Vertauschung der Elemente dieses Problems festgestellt werden, und zwar hinsichtlich des Weltraums. So erhobtrotz der Bestimmungen des Weltraumvertrages von 1967, der eine nationale Aneignung des Weltraums oder eines Teils desselben verbietet, im Jahre 1976 eine Gruppe äquatorialer Länder die Forderung, ihre Souveränität auf den geostationären Orbit auszudehnen. 10 Bei aller Schwierigkeit einer Definition des Begriffs .Luftraum» ist offensichtlich, daß es unmöglich ist, ihn bis zum geostationären Orbit auszudehnen. Im vorliegenden Fall wurde der Versuch unternommen, die staatliche Souveränität über die Grenzen des Luftraums hinaus auszudehnen. Im Lichte der Normen des Weltraumrechts erklären sich solche Versuche vielfach durch das Fehlen normativer Definitionen der Begriffe .Luftraum" und. Weltraum", die in internationalen Verträgen und in der nationalen Gesetzgebung gebraucht werden. Die Erfolglosigkeit der Versuche, den Begriff .. Luftraum" zu definieren, beruht auf drei Ursachen. Die erste besteht darin, daß viele Autoren sich nicht bemühen, zwischen dem Raum als solchem (der idealen, unendlichen Ausdehnung), dem .wirklichen" Luftraum (der Erdatmosphäre) und dem normativen Luftraum, dessen Grenze, Rechtslage und Rechtsordnung durch Siehe Ju. M. Kolosov, (Fn. 25, Kapitel I) S. 252. E. Ja. Cemomordik, Vozdusnoe prostranstvo V mezdunarodnom prave (.. svobvody vozducha" i suverenitet), in: lzvestija AN SSSR, 1948, No. 4, S. 7. 9 Zitiert nach A. N. Verescetin, (Fn. 1) S. 33. 10 Siehe UN Dok. A/C. 1/31. PV. 10. 7
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1. Rechtliche Bedeutung des Begriffs .Luftraum"
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die Geltung entsprechender Rechtsnormen bedingt sind, zu unterscheiden. Die zweite Ursache, die zum Teil durch die erste verursacht ist, liegt in der methodologisch unzutreffenden Prämisse, den normativen Inhalt des Begriffs ausschließlich in den naturwissenschaftlichen Fakten suchen zu wollen. Die dritte Ursache beruht auf dem Bestreben der Staaten, die Definition des .Luftraums" keinesfalls gesetzlich festzulegen. Dies würde die offensichtliche Gefahr mit sich bringen, daß sich die Definitionen in den Gesetzen anderer Staaten in dem wesentlichen Element unterscheiden können, der Höhe des Luftraums und dementsprechend in der Höhenbegrenzung der staatlichen Souveränität. Dabei sind potentiell Entscheidungen dieser Frage im Sinne unerwartet großer Höhen möglich (zur Position der UdSSR in dieser Frage siehe unten). Unter diesen Bedingungen gewinnt die der Rechtswissenschaft gestellte Aufgabe, den rechtlichen Inhalt des Begriffs .Luftraum" festzulegen, immer größere Bedeutung, und zwar unter dem Aspekt der Abgrenzung des Geltungsbereichs der Normen des Luftrechts von den Normen des Weltraumrechts sowie der Bestimmung der oberen Grenze der Ausdehnung der souveränen Macht der Staaten (obgleich das eine und das andere nicht unbedingt zusammenfallen müssen). Dabei kann ein naturwissenschaftlicher Ansatz genutzt werden, aber nur für eine internationale Vereinbarung über die .Anbindung" des genannten rechtlichen Inhalts an natürliche, physische Grenzen der atmosphärischen Luft. Es ist offensichtlich, daß dies auch ein normativer Ansatz wäre, weil eine .natürliche" Abhängigkeit zwischen den Obergrenzen der staatlichen Souveränität und des Luftraums in Wirklichkeit nicht existiert. Man kann eine allgemeine Anerkennung der oberen Grenze der Atmosphäre bzw. des .wirklichen" Luftraums erreichen, aber nichts kann die Staaten daran hindern, die Grenze ihrer Souveränität niedriger zu ziehen (vgl. im Prinzip die Situation der 12 sm Grenze für die Breite des Küstenmeeres). In diesem Falle würde eine Art Luft-Zwischenzone zwischen dem souveränen Luftraum des Staates und dem Weltraum entstehen. Das Problem der oberen Grenze der Atmosphäre ist Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Aber selbst wenn es diese Auseinandersetzungen nicht gäbe, würde die Anwendung ausschließlich naturwissenschaftlicher Daten über den. wirklichen" Luftraum die rechtliche Lösung des Problems nur erschweren. Kann etwa im Lichte von Weltraumaktivitäten eine Obergrenze der Atmosphäre (Geokorona) bei 22.000 km als Kriterium dienen, wo verdünnte Gaspartikel beobachtet werden, die mit großer Geschwindigkeit in den interplanetarischen Raum entschwinden? Die Ausarbeitung von Begriffen wie z. B. Hornaspähre (80- 100 km), Heterosphäre (über 100 km), Weltraum der Erde (Schicht der Atmosphäre über der Tropopause, d. h. von 10- 15 km über der Erdoberfläche bis zu einer Entfernung 4"
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
von 930.000 km) durch die Wissenschaftler haben bislang eine rechtliche Definition des .Luftraums" nur wenig vorangebracht Es zeigt sich, daß der naturwissenschaftliche Ansatz als Arbeitshypothese in der vorliegenden Frage unzulänglich ist. Für die Erarbeitung einer rechtlieben Definition des Begriffs .Luftraum" ist es unseres Erachtens erforderlich, einen anderen, eigenen Ansatz zu wählen, der zwei Hauptkriterien berücksichtigt. Das erste besteht darin, daß vom Standpunkt der Naturwissenschaft .Luftraum" ein Raum ist, der mit atmosphärischer Luft gefüllt ist (.,wirklicher" Luftraum). Das zweite Kriterium muß die Interessen der Staaten an der Verteidigung ihrer Souveränität, der Regelung der Tätigkeit in der Atmosphäre und die Abgrenzung des Geltungsbereichs der Normen des Luftrechts und des Weltraumrechts berücksichtigen. Das Problem der Definition des Begriffs .Luftraum" im normativen Sinne hat zwei Aspekte: Erstens die Festlegung der Grenze zwischen Luftraum und Weltraum, um eine klare Abgrenzung des Geltungsbereichs der Normen des Luftrechts und des Weltraumrechts zu erreichen. Zweitens die Fixierung der oberen Grenze der staatlichen Souveränität, die ein wenig niedriger, keinesfalls aber höher als die normative Grenze zwischen Luftraum und Weltraum gezogen werden darf. Die Frage der Bestimmung der oberen Grenze der staatlichen Souveränität hat eine lange, theoretische Geschichte. Sie wurde aufgrundder Resolution 2222 (XXI) der VN-Generalversammlung vom 19. Dezember 1966 auf die Tagesordnung der 6. Sitzung des VN-Weltraumausschusses im Jahre 1967 gesetzt. Die im Rahmen der VN immer wiederkehrende Diskussion über diese Frage zeigte unterschiedliche Lösungsansätze der Staaten. Die Sowjetunion legte auf der 22. Sitzung des VN-Weltraumausschusses am 22. Juni 1979 offiziell ein Arbeitsdokument mit folgendem Titel vor: .,Entwurf grundlegender Bestimmungen einer Resolution der VN-Generalversammlung zur Frage der Abgrenzung von Luftraum und Weltraum sowie des Rechtsstatus des Teils des Weltraums, in dem die Umlaufbahnen geostationärer Satelliten verlaufen." Dieses Dokument sah insbesondere vor: .1. Der Raum über der Erde oberhalb 100-110 km über dem Meeresspiegel ist Weltraum. 2. Die Grenze zwischen Luftraum und Weltraum muß im Einvernehmen zwischen den Staaten festgelegt und anschließend vertraglich bestätigt werden, und zwar niedriger als 100-110 km über dem Meeresspiegel. 3. Für Weltraumgegenstände von Staaten bleibt das Recht des Überfluges über das Gebiet anderer Staaten in Höhen niedriger als 100-110 km über dem Meeresspiegel erhalten, um auf eine Erdumlaufbahn zu gelangen und zur Erde, auf das Territorium des Staates, der den Gegenstand gestartet hat, zurückzukehren. 4. Der Teil des Weltraums, durch den die Umlaufbahnen geostationärer Satelliten verlaufen, ist von dem Gesamtweltraum nicht zu trennen, und auf ihn erstrecken sich alle einschlägigen Bestimmungen des
1. Rechtliche Bedeutung des Begriffs .Luftraum"
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Vertrages von 1967 über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, einschließlich der Bestimmung, daß der Weltraum keiner nationalen Aneignung in irgendeiner Form unterliegt. •II Diese Position fand die größte Anerkennung im Völkerrecht. Wie der holländische Jurist G. Goedhuis ausführte, besteht zwischen der erdrückenden Mehrheit der Staaten ein Konsens darüber, daß die Versuche einzelner Staaten, über sehr niedrige Teile des Weltraums, durch welche die Umlaufbahnen der Satelliten verlaufen, Souveränität auszuüben, das Prinzip der Freiheit des Weltraums untergraben. 12 Wie sowjetische Autoren bemerken, kann man annehmen, daß .sich im Grundsatz eine Norm des Völkergewohnheitsrechts gebildet hat, nach welcher der Weltraum mit dem erdnächsten Punkt eines Satelliten beginnt. Die Aufgabe der Staaten besteht jetzt darin, diese Norm in einem völkerrechtlichen Vertrag zu bestätigen." 13 Sowjetische Experten auf dem Gebiet des Weltraumrechts wie u. a. E. G. Vassilevskaja, V. S. Verescetin, G. P. Zukov, Ju. M. Kolosov haben wiederholt eine Begründung für diesen Standpunkt gegeben. 14 Die Fragen der oberen Grenze der staatlichen Souveränität und der Grenze zwischen Luftraum und Weltraum spielen in unserer Zeit eine grundlegende Rolle bei der Definition des rechtlichen Inhalts des Begriffs .Luftraum". Unter Berücksichtigung der Geltung einer entstandenen Gewohnheitsrechtsnorm, daß die Untergrenze des Weltraums in einer Höhe von 100-110 km verläuft, kann folgende rechtliche Definition des Begriffs .,Luftraum" gegeben werden: .Luftraum" ist der durch die Normen des Völkerrechts bestimmte, vertikale Raum von der Erdoberfläche (Niveau des Meeresspiegels) bis zur Grenze mit dem Weltraum in Höhe von 100-110 km. In diesem Rahmen kann der .souveräne Luftraum" als eine in der Vertikalen über den Staatsgrenzen liegende räumliche Ausdehnung definiert werden, welche die Grenze zwischen Luftraum und Weltraum in einer Höhe von 100-110 km über dem Meeresspiegel nicht überschreitet. UN Dok. AlAC. 105/L. 112 vorn 22. Juni 1979. Siehe G. Goedhuis, The Changing Legal Regime of Air and Outer Space, in: Internationaland Cornparative Law Ouaterly, vol. 27 (1978), p. 520. 13 Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, S. 33. 14 Siehe V. S. Verescetin, Aktual'nye problerny rnezdunarodnogo kosrniceskogo prava, in: Sovetskij ezegodnik rnezdunarodnogo prava 1982, Moskva 1983; E. G. Vasilevskaja, Pravovoe sode!zanie ponjatija .kosrniceskoe prostranstvo", in: Kosmos i pravo, Moskva 1980; G. P. Zukov, Kosrniceskie polety i problerna vysotnoj granicy suvereniteta, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo 1967, No. 12; Ju. Kolosov, Kosmos i atrnosfera: suverenitet i granicy, in: Aviacija i kosrnonavtika 1967, No. 10; A. S. Piradov, Kosmos i rnezdunarodnoe pravo, Moskva 1970; V. G. Emin, Problerna vysotnogo predela gosudarstvennogo suvereniteta. Avtoref. kand. diss., Moskva 11
12
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Den .,offenen Luftraum" seinerseits muß man als eine räumliche Ausdehnung definieren, die sich jenseits der Grenzen des souveränen Luftraums befindet und die vom Niveau des Meeresspiegels bis zur Grenze des Weltraums reicht. 2. Souveräner Luftraum als Teil des Staatsgebietes a) Souveräner Luftraum aus der Sicht der Lehre vom Staatsgebiet
Im Völkerrecht ist anerkannt, daß der Luftraum über dem Festlands- und dem Gewässerterritorium eines Staates zum Staatsgebiet gehört. Jedoch ist in keinem allgemeinen, multilateralen Vertrag universellen Charakters eine entsprechende Norm enthalten. Nach dem Chicago-Abkommen von 1944 gelten als Gebiet eines Staates .die der Staatshoheit, der Oberhoheit, dem Schutze oder der Mandatsgewalt dieses Staates unterstehenden Landgebiete und angrenzenden Hoheitsgewässer" (Art. 2). Der Luftraum wird also in dem Abkommen nicht als Staatsgebiet qualifiziert. Formaljuristisch erkennt das Chicago-Abkommen ebenso wie die Pariser Konvention von 1919 nur die volle und ausschließliche Souveränität eines jeden Staates hinsichtlich des Luftraums über seinem Territorium an. In zahlreichen bilateralen Luftverkehrsabkommen der Nachkriegszeit wird folgende Formel wiederholt: .Für die Zwecke des vorliegenden Abkommens bedeuten die nachstehenden Begriffe: ... ,Gebiet' das Festland und die Gewässer, das anschließende Küstenmeer und der Luftraum über ihnen, der sich unter der Souveränität der Vertragsparteien befindet." 15 Obgleich die Verfassung der UdSSR den Luftraum der UdSSR nicht direkt als Staatsterritorium qualifiziert, befindet sich in dem Gesetz über die Staatsgrenze der UdSSR von 1982 eine direkte Aussage folgenden Inhalts: •.... Grenzen des Territoriums der UdSSR- des Festlands, der Gewässer und des Luftraums" (Art. 1). Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983 definiert (im Unterschied zu den Luftrechtsgesetzbüchern von 1932, 1935 und 1961) den Luftraum der UdSSR erstmals als Teil des Staatsgebietes der UdSSR (Art. 1). Analog verhielt sich die Gesetzgebung der DDR, die im Gesetz über den Luftverkehr der DDR vom 27. Oktober 1983 bestimmt: .,Der Luftraum über dem gesamten Festlandgebiet und allen Gewässern der Deutschen Demokratischen Republik ist Bestandteil des Hoheitsgebietes der Deutschen Demokratischen Republik." 16 15 Mezdunarodnye vozdusnye soobscenija Sojuza SSR. Sbornik dokumentov, Bd. 1, Moskva 1969, S. 220. 16 Gesetzblatt der DDR, 1983, Nr. 1, S. 61.
2. Souveräner Luftraum als Teil des Staatsgebietes
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In der Völkerrechtsdoktrin und in der diplomatischen Praxis bildete sich zu Beginn unseres Jahrhunderts eine ähnliche Position heraus. So hat bereits die Diplomatische Konferenz über das Luftrecht im Jahre 1910, wie J. C. Cooper ausführte, ,.erstmals eine allgemeine internationale Übereinstimmung demonstriert, daß der genutzte Raum über dem Festland und den Gewässern eines Staates ein Teil des Territoriums dieses Staates ist." 17 Die absolute Mehrheit der Juristen vertritt einen analogen und sogar noch weitergehenden Standpunkt, der diesen Raum nicht nur auf den .genutzten" Raum beschränkt. So schrieb der westdeutsche Jurist J. F. Bentzien im Jahre 1982, daß der .Luftraum zum Gebiet des jeweiligen Bodenstaates gehört." 18 Angesichts unterschiedlicher theoretischer Auffassungen von dem Begriff des .Staatsgebietes" selbst dauert der Streit über die Rechtsnatur des Luftraums als Teil des Staatsterritoriums in der Völkerrechtswissenschaft bis heute an. Nach der veralteten Theorie des Gegenstandes (objektive Theorie) besitzt der Staat, der eine öffentlich-rechtliche Einheit ist, das öffentlich-sachenrechtliche Eigentumsrecht an dem ihm gehörenden Boden (d. h. der Boden ist eine Sache und folglich Staatsgebiet). Dabei geht das Recht des Staates auf den Boden den Rechten privater Eigentümer vor. In der sowjetischen, juristischen Literatur wird Kritik an dieser objektiven Theorie geübt. Insbesondere Ju. G. Barsegov führt aus, daß diese Theorie die räumlichen Funktionen des Territoriums, die nationale Souveränität und die nationale Zugehörigkeit des Staatsgebiets ignoriert und nur auf privatrechtliehe Formen des Erwerbs abstellt. Dabei unterstreicht Ju. G. Barsegov, daß es unzulässig ist, den Boden des Staates mit dem Territorium gleichzusetzen.19 Von dieser prinzipiellen Position aus behauptet er zutreffend, daß in der UdSSR das Staatsgebiet nicht das Objekt sozialistischen Eigentums bilden kann. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt in dieser Frage N. A. Usakovein. 20 In der Tat, nurder Boden (das Wasser, dasErdinnere usw.), d. h. eine materielle Substanz, kann reales Objekt irgendeines privatrechtliehen oder öffentlich-rechtlichen Eigentums sein. In den zwischenstaatlichen Beziehungen gibt es u. a. Fälle des Erwerbs, der Abtretung, des Verkaufs, der Verpachtung staatlichen •Territoriums". In Wirklichkeit wird lediglich Boden (Gewässer) übertragen (verpachtet usw.), und der übergebende Staat entscheidet gegebenenfalls selbst die bezüglich der Rechte private Grundstückseigentümer auftretenden Probleme. Staats17 18
J. C. Cooper, (Fn. 17, Kapitell) S. 105. J. F. Bentzien, Der unerlaubte Einflug von Luftfahrzeugen in fremdes Staatsge-
biet in Friedenszeiten und seine Rechtsfolgen, Berlin (West) 1982, S. 6. 19 Siehe Ju. G. Barsegov, Territorija v me:idunarodnom prave, Moskva 1958, S. 20-21. 20 Siehe N . A. Usakov, Suverenitet v sovremennom me:idunarodnom prave, Moskva 1963, S. 109.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
territoriumwird nicht verkauft, nicht abgetreten usw., es kann nur räumlich vergrößert oder verkleinert werden, je nach der Abmessung des entsprechenden übergebenen Grundstücks. Die Anfechtbarkeil der objektiven Theorie wird besonders offenkundig, wenn man als staatliches Territorium den Luftraum untersucht, der vom Standpunkt des (privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen) Eigentums aus anders zu bewerten ist als ein Stück Land. Mit dem Boden als einem materiellen Objekt kann man nur andere materielle Objekte vergleichen, nämlich Luft und Atmosphäre, nicht aber den Luftraum. Historisch bedingt wurden diese Begriffe nicht selten vermengt, und da bis zum 20. Jahrhundert reale Interessen der Staaten im Luftraum fehlten, war die Diskussion darüber, was der Eigentümer des Bodens bzw. der Staat im Luftraum besitzt - die Luft oder den über der Erdoberfläche liegenden Raum - ohne jeglichen praktischen Sinn. In der Gegenwart ist, wie weiter unten gezeigt werden wird, die Frage nach der Rechtsnatur des Luftraums als Teil des Staatsterritoriums von äußerster Wichtigkeit. Dieser Aspekt des Staatsgebietes darf nicht mit der Atmosphäre verwechselt werden, die als universelle und teilbare Ressource Gegenstand öffentlich-rechtlichen Eigentums sein kann, wenn sich konkrete Luftmengen innerhalb der Grenzen eines konkreten Staates befinden, wo sie vorübergehend ausschließlich von diesem Staat für industrielle oder andere Zwecke genutzt werden können.• Objekt" der souveränen Machtausübung ist jedoch der Raum, der sich über der Oberfläche des Festlandes und der Gewässer des Staates befindet. Dieser Raum nämlich bleibt ein dem Hoheitsgebiet des Staates eigener Teil. Genau in diesem Sinne wird in der Gesetzgebung einer Reihe von Ländern (darunter im Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR) und in bilateralen internationalen Verträgen unter dem Territorium der Raum (.Luftraum") verstanden und nicht die Luft als solche. Die Wechselbeziehung zwischen öffentlich-sachenrechtliehen Rechten des Staates und den Rechten privater Eigentümer auf die Luft innerhalb der Grenzen des Staatsterritoriums ist eine Frage des nationalen Rechts. Das Gebiet eines Staates bleibt immer ein Raum, in dem sich gegenständliche Objekte (Erde, Wasser, Luft, Produktionsmittel usw.) befinden, die unter Eigentumsaspekten einen unterschiedlichen Status haben oder haben können. In dieser Hinsicht ist die räumliche Konzeption vom Staatsterritorium, die zuerst von dem russischen Juristen V. A. NezabitovskiP' formuliert und weitgehend von der sowjetischen Völkerrechtsdoktrin übernommen wurde, eher geeignet, die Rechtsnatur des Staatsterritoriums, insbesondere mit 21 Siehe V. A. Nezabitovskij, Ucenie publicistov o mezgosudarstvennom vladenii, Kiev 1860.
2. Souveräner Luftraum als Teil des Staatsgebietes
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Bezug auf den Luftraum, zu erklären. Die räumliche Theorie geht von der Anerkennung des Staatsgebiets als Sphäre staatlicher Machtausübung aus, d. h. von der territorialen Gebietshoheit, der Souveränität, die in den Grenzen ausgeübt wird, die durch die Gesamtheit der Land-, Gewässer- und Luftbereiche gebildet werden, die zum Bestand des betreffenden Staates insgesamt gehören. Ju. G. Barsegov behauptet zu Recht, daß man sich aber nicht darauf beschränken darf, daß man vielmehr das Territorium außerdem als Teil des Erdraumes ansehen muß, der die Produktionsmittel beinhaltet und der als Objekt der Wirtschaftslenkung dient. 22 Ähnliche Erwägungen spricht auch M. A. Lebedev aus. Nach seiner Meinung .kann im Völkerrecht das Staatsgebiet nicht bloß als Raum der Ausübung staatlicher Macht betrachtet werden, sondern ist es auch als besonderer Aspekt des materiellen Eigentums des territorialen Souveräns anzusehen."23 Der Luftraum besitzt in diesem Sinne eine Besonderheit. In ihm können insbesondere die Produktionsmittel nicht ausgeschlossen sein. Nichtsdestoweniger dient er unzweifelhaft auch als Objekt der Wirtschaftsführung und ist ein besonderer Aspekt des materiellen Eigentums. Dies kommt in seiner aktiven Nutzung, z. B. im Luftverkehr, zu Zwecken durchaus realer Gewinnerzielung, zum Ausdruck. Darüber hinaus ist dieser Aspekt nach unserer Ansicht für die Ziele der allgemeinen Definition des Staatsgebietes sekundär. Die Ausübung der Macht als staatsrechtliche Erscheinung, die sich auf die Beziehung zwischen Rechtssubjekten erstreckt, bezieht sich bereits auf das Phänomen und die Realisierung der souveränen Machtausübung innerhalb des Staatsgebietes. Deshalb kann der Inhalt der genannten Beziehungen über die Bestimmung des Staatsgebietes als solches hinausgehoben werden. Es ist zu erwähnen, daß vom Standpunkt der souveränen Machtausübung aus der Luftraum im Vergleich zum Festlands- und Wasserterritorium der Staaten einige Besonderheiten besitzt. In der Völkerrechtsdoktrin wurde wiederholt die Meinung geäußert, der Luftraum .folge" automatisch dem darunterliegenden Territorium und teile dessen Status. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß, wie B. M. Klimenko erwähnt, der .Luftraum immer mit dem Boden und dem Gewässerraum übergeben wird".24 In der Tat geht, wenn Land- oder Gewässergebiete übertragen werden, d. h.eine Zession stattfindet, auch der gesamte vertikale Luftraum auf den anderen Staat über, ohne daß dies in dem Vertrag erwähnt wird. Ein wenig anders ist die Lage bei der Siehe Ju. G. Barsegov, Territorija V mezdunarodnom prave, s. 20-21. M. A. Lebedev, Nekotorye voprosy pol'zovanija inostrannoj territoriej v sovremennom mezdunarodnom prave, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava 1981, Moskva 1982, S. 284. 24 B. M. Klimenko, Mezdunarodno-pravovaja priroda gosudarstvennoj territorii, in: Sovestkij ezegodnik mezdunarodnogo prava, 1968, Moskva 1969, S. 211. 22
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
internationalen Pacht von Teilen der Erdoberfläche, deren Rechtsordnung nur die funktionale, unmittelbar an die Oberfläche anschließende Schicht des Luftraums teilt, der organisch erforderlich ist, um die gepachtete Oberfläche zu nutzen, weil sich alle Objekte und Personen auf der Oberfläche gleichzeitig in diese Schicht des Luftraums begeben. Was den übrigen, darüber liegenden Luftraum angeht, so kann er wie zuvor Gegenstand der ausschließlichen souveränen Machtausübung des Verpächterstaates bleiben, weil Pacht keine Zession ist. In einzelnen Fällen werden bei der Verpachtung von Land- bzw. Gewässergebieten besondere Entscheidungen oder Normen bezüglich des Luftraumstatus getroffen oder vereinbart. So behielt Panama bei der Verpachtung der Zone des Panamakanals "seine souveränen Jurisdiktionsrechte" im Luftraum über dieser Zone. 25 Panama hat zu Recht die Kanalzone immer als Teil seines Territoriums betrachtet, während die USA sie gleichzeitig in das eigene Staatsgebiet einbezogen. In einem gewissen Widerspruch zu dieser Entscheidung stehen die Bestimmungen des Bundesluftfahrtgesetzes der USA von 1958 in der Fassung von 1979, in dessen Bestimmung 1108 a festgelegt wird, daß .militärische Luftfahrzeuge aller Staaten keine Flüge über den Vereinigten Staaten, einschließlich der Kanalzone, durchführen dürfen, soweit ihnen dies nicht vom Außenministerium erlaubt worden ist. "26 Die Anwendung des räumlichen Kriteriums setzt die Existenz genauer horizontaler Grenzen des Staatsgebiets voraus. Weil die Erde eine Kugel ist, projezieren sich diese Grenzlinien (bedingt durch mathematische Gesetze) aus dem Zentrum der Erde, verlaufen durch die Grenzen der Staaten, die auf der Oberfläche des Festlandes und des Küstenmeeres festgelegt worden sind, und setzen sich dann nach oben in die Vertikale fort. Unter Berücksichtigung der Krümmung der staatlichen Grenzen auf der Erdoberfläche ist das Staatsgebiet auf den Raum begrenzt, der in einem Konus mit der Spitze nach unten eingeschlossen ist. In Richtung auf das Erdzentrum verengt sich das Territorium, so daß nach der Fläche gemessen der staatliche Luftraum auf jedem beliebigen horizontalen .Schnitt" immer größer sein wird als die Fläche der Erdoberfläche. Aber in jedem Fall muß dieser Schnitt innerhalb der Grenzen des genannten räumlichen Konus bleiben. Es ist notwendig, einige Tendenzen aufzuzeigen, den souveränen Luftraum über diese Grenzen hinaus auszudehnen. In der oben bereits angeführten Bestimmung 1108 a des Bundesluftfahrtgesetzes der USA .erklären die Vereinigten Staaten, daß sie die volle und ausschließliche staatliche Souveränität im Luftraum der Vereinigten Staaten besitzen und ausüben, einschließlich des Luftraums über allen inneren Gewässern und des Luftraums Siehe I. Brownlie, Mezdunarodnoe pravo, Moskva 1977, S. 184. Federal Aviation Act of 1958, Sec. 1108. 72 Stat. 798, 49 USC 1508 (a), 1979 Version. 25
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über den Bereichen der an das Festland anschließenden Hohen See, über den Meerbusen und Inseln, über welche die Vereinigten Staaten in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, mit Verträgen oder Konventionen staatliche Jurisdiktion ausüben." Unter •Vereinigten Staaten" werden in diesem Gesetz nicht nur die USA selbst, sondern auch eine Reihe von Territorien und Besitzungen der USA, einschließlich des Küstenmeeres und des Luftraums über ihnen, verstanden. 27 Die USA betrachten also als .ihren" Luftraum auch den Luftraum über Territorien, die juristisch nicht zum Staatsgebiet der USA gehören, sondern von ihnen, vom Standpunkt des modernen Völkerrechts aus, rechtswidrig verwaltet werden. Zur Rechtfertigung einer solchen Haltung wird insbesondere Art. 2 des Chicago-Abkommens herangezogen, der bestimmt: .Im Sinne dieses Abkommens gelten als Gebiet eines Staates die der Staatshoheit, der Oberhoheit, dem Schutze oder der Mandatsgewalt dieses Staates unterstehenden Landgebiete und angrenzenden Hoheitsgewässer". Die Formel des Art. 2 des Chicago-Abkommens, welche die kolonialistischen Bestrebungen der imperialistischen Mächte widerspiegelt, ist heute überholt. Diese Bestimmung widerspricht der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an die Kolonialländer und Kolonialvölker aus dem Jahre 1960, worauf die sowjetische Regierung beim Eintritt zum Chicago-Abkommen in einer Erklärung ausdrücklich hinwies.28 Jedoch halten die imperialistischen Mächte in ihren bilateralen Abkommen unverändert an dem Geist des Art. 2 des Chicago-Abkommens fest. Sie wenden ihn auf die heutige Situation an, legen diese Bestimmung extensiv aus und bemühen sich, möglichst viele Fälle ihrer Herrschaft über abhängige Territorien darunter zu subsumieren. So verweist z. B. der Begriff .,Territorium" im Bermuda-Abkommen zwischen den USA und England von 1946 (Bermuda 1) auf Art. 2 des Chicago-Abkommens. Im Bermuda-Abkommen von 1977 (Bermuda 2) jedoch, das Bermuda 1 ersetzte, werden unter Territorium .die Festlandsgebiete, die sich unter der Souveränität, Jurisdiktion, dem Schutz oder der Vormundschaft der vertragschließenden Parteien befinden, und das an dieses Gebiet anschließende Küstenmeer" verstanden. 29 Diese Haltung folgt offensichtlich der sogenannten Kompetenztheorie, die in den Arbeiten einer Reihe westlicher Juristen entwickelt wurde, vor allem von H. Kelsen. Das Wesen dieser Theorie besteht darin, daß unter Territorium der Geltungsbereich der nationalen Rechtsordnung verstanden wird, oder anders gesagt .der Raum, in dessen Grenzen die durch die nationale Rechtsordnung bestimmten Organe nach dem allgemeinen Völkerrecht be27
28 29
A. a. 0. Sec. 101 (4). Siehe ICAO Dok. A-18. Legal Commission. Vienna, June-July 1971. Zitiert nach A. F. Lowenfeld, Aviation Law, New York 1981, S. 603.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
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fugt sind, diese Ordnung durchzusetzen. "3 Kelsen erkennt die Existenz des Territoriums im engen Sinne, .innerhalb sogenannter Staatsgrenzen" an, und dieser Teil seiner Konzeption findet im Rahmen der räumlichen Theorie Platz. Aber der andere Teil seiner Konzeption gründet sich auf die Existenz staatlichen Territoriums im weiten Sinne als irgendeines abstrakten Raumes, dessen Grenzen bestimmt werden durch den Geltungsbereich der .fest errichteten" nationalen Rechtsordnung. Die Erde, ihr Inneres, Gewässer und Luft des betreffenden Staates im engen Sinne hören auf, Kriterum für die Festlegung der Grenzen des Staatsgebietes zu sein. Eine solche Position eröffnet, wie B. M. Klimenko zutreffend bemerkt, den Weg für territoriale Eroberungen, die Frage der nationalen Zugehörigkeit des Territoriums geht verloren, das Prinzip der Selbstbestimmung bei territorialen Veränderungen bleibt unberücksichtigt, und es wird ein Prinzip der Effektivität postuliert, das vom modernen Völkerrecht verworfen wirdY In diesem Zusammenhang ist es angebracht, an einen Ausspruch Bis-
marcks zu erinnern, der bei der Blockade von Paris 1870-1871 erklärte, daß
der Luftraum über dem Gebiet, das von deutschen Streitkräften besetzt war, ein Teil des deutschen Territoriums darstelle. 32
Die Kompetenztheorie taucht ein wenig eigenartig in den Fragen des eigentlichen Luftrechts auf. So beanspruchte die Türkei bis zur Konferenz von Montreux im Jahre 1936 die Souveränität über den Luftraum eines Teils des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres. Als Auswirkungen der Kompetenztheorie muß man auch die beharrlichen Versuche einzelner Entwicklungsländer sehen, ihre Souveränität auf die 200 sm Zone vor der Küstenlinie zu erstrecken. Eine negative Rolle spielen in dieser Hinsicht die einseitigen gesetzgeberischen Akte einzelner lateinamerikanischer Staaten (Uruguay, Peru, Brasilien), die derartige Zonen "errichtet" haben. Insgesamt haben etwa 20 lateinamerikanische und afrikanische Länder in den 60er und 70er Jahren ihre Souveränität auf Meeresräume ausgedehnt, die weiter als 12 sm und nicht selten bis zu 200 sm reichten. Auf der 3. VN-Seerechtskonferenz tauchten ähnliche Tendenzen in den Positionen der genannten Länder, aber auch Panamas, Ecuadors und Madagaskars auf. Diese Länder operierten mit dem Begriff des .Anschlußmeeres" und einigen anderen, teilweise schwer miteinander zu vereinbarenden Begriffen, um im Kern ihr Territorium auf Kosten der Hohen See zu erweitern, indem sie unmittelbar auf der Notwendigkeit beharrten, ihre "Souveränität und Jurisdiktion" unter anderem auf den Luftraum über dieser Zone auszudehnen. 33 Diese Einstellung widerspricht den allgemein anerkannten Prinzipien H. Kelsen, Principles of International Law, New York 1952, S. 208. Siehe B. M. Klimenko, Me:idunarodno-pravovaja priroda gosudarstvennoj territoorii, S. 199. 32 Siehe N. M. Matte, (Fn. 26, Kapitel I) S. 9. 30
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2. Souveräner Luftraum als Teil des Staatsgebietes
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und Normen des Völkerrechts sowie dem definierten Regime der Hohen See, sie gefährdet die Freiheit und Sicherheit der Schiffahrt sowie der Flüge über der Hohen See und andere allgemein anerkannte .Freiheiten". Zutreffend wurde sie von der Konferenz zurückgewiesen. Die Festlegung der 12 sm Breite des Küstenmeeres in der VN-Konvention von 1982 ist eine wichtige Bestätigung der Bestimmungen des Übereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone von 1958. Es ist unzweifelhaft, daß dies den vom Völkerrecht anerkannten Status der .historischen Meere" nicht berühren darf. Und obgleich in der VN-Konvention von 1982 der Luftraum über dem Küstenmeer nicht direkt zum Staatsgebiet gerechnet wird (in Art. 2 der Konvention ist lediglich von der Ausdehnung der Souveränität des Küstenstaates auf den Luftraum über dem Küstenmeer die Rede), kann er nach der Konzeption des "räumlichen Konus" nur so qualifiziert werden. Das Staatsgebiet ist nicht Gegenstand des Eigentums. Wie oben ausgeführt wurde, sind Gegenstand staatlichen (öffentlich-rechtlichen) Eigentums nur der Boden, Gewässer, das Erdinnere, Wälder, Luft, Produktionsunternehmen usw., die formaljuristisch im nationalen Recht unter der Bedingung der Vereinbarkeil mit den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts als staatliches Eigentum definiert sind. In ihrer Gesamtheit stellen die Gegenstände des Privateigentums- in kapitalistischen Ländern können auch Ausländer und juristische Personen derartige Gegenstände besitzen - und das Staatseigentum die allgemeinen Grenzen des Staates dar, d. h. die Grenzen, die sein Territorium als räumliche Sphäre staatlicher Machtausübung bestimmen. Falls Boden, Gewässer usw. - wie in der UdSSR- ausschließlich dem Staat gehören, ist es nicht erforderlich, hinsichtlich des Eigentumsobjekts seine öffentlich-rechtlichen und privatrechtliehen Elemente herauszuarbeiten: Die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Eigentums des Staates dienen gleichzeitig als räumliche Grenze des staatlichen Territoriums als Objekt des innerstaatlichen öffentlichen Rechts. Die so verstandene territoriale Gebietshoheit wird besonders im Luftraum deutlich, wo das Eigentumsobjekt, die Luft, kraft ihrer .Fluktuation" nicht ausschließlich einem Staat allein gehören kann. Wenn es auch auf der Erdoberfläche, mit Ausnahme streitiger "Territorien", ziemlich leicht ist, den souveränen Raum dem öffentlichen und/oder privaten Eigentumsrecht "zuzuordnen", so ist der überirdische territoriale Raum ausschließlich eine Projektion der räumlichen Staatsgrenzen nach oben. Als Objekt des öffentlieben Rechts innerhalb des .territorialen Konus" ist der souveräne Luftraum nicht per se eine Sphäre der Geltung der territorialen Gebietshoheit des Staates, sondern ein Produkt der territorialen Gebietshoheit in den Grenzen des öffentlichen und/oder privaten Eigentums auf der Erdoberfläche. Und nur in diesem Sinne kann man den souveränen Luftraum als Staatsgebiet verstehen. 33
Siehe UN Dok AlAC. 138/SC. 11 /L. 27 vom 13. Juli 1973.
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Kapitel Il: Rechtsstatus des Luftraums
b) Besonderheiten der Rechtsordnung des Luftraums über internationalen Meerengen, die vom Küstenmeer bedeckt sind, und über Archipelseewegen
Auf der Erdkugel gibt es etwa 300 Meerengen, 34 die in unterschiedlichem Maße von den Staaten für die Schiffahrt und den Überflug genutzt werden. Von ihnen gehört nur ein verhältnismäßig kleiner Teil zu denjenigen, die große Bedeutung für die internationale Seeschiffahrt und Luftfahrt haben: Ärmelkanal, Pas de Calais, Gibraltar, Malakka, Magellan, Bab el Mandeb, Singapur, Schwarzmeer-Meerengen (Bosporus, Dardanellen, Marmara Meer), Ostsee (Sund, Großer Belt, Kleiner Belt sowie Skagerrak und Kattegatt), Otranto, Messina u. a. Es gibt vier Kategorien des Rechtsregimes für Meerengen: 1. Besondere Rechtsordnung gemäß einem internationalen Abkommen (Ostsee, Schwarzes Meer, Magellan); 2. Rechtsordnung der Hohen See in dem Teil, der nicht vom Küstenmeer bedeckt ist (Skagerrak, Ärmelkanal, Otranto); 3. Transitdurchfahrt (Transitüberflug) von einem Teil der Hohen See oder der Ausschließlichen Wirtschaftszone zu einem anderen Teil der Hohen See oder der Ausschließlichen Wirtschaftszone; 4. friedliche Durchfahrt durch Meerengen, die vom Küstenmeer bedeckt sind (nur für Seeschiffe). Die größten Probleme sowohl für die Seeschiffahrt als auch für die Luftfahrt gibt es bei der dritten Gruppe der Rechtsordnungen. Im Zusammenhang mit der vom Völkerrecht anerkannten Ausdehnung des Küstenmeeres bis auf 12 sm wurde in letzter Zeit eine Reihe deartiger Meerengen bereits geschlossen, oder sie können durch Gewässer des Küstenmeeres der Anliegerstaaten geschlossen werden, was - wegen der geographischen Lage einzelner Länder - negative Folgen für die internationale Luftfahrt haben kann. Im großen und ganzen ähnliche Probleme erwachsen durch das Institut der Archipel-Seewegdurchfahrt, weil auch hier ausländische Seeschiffe und Luftfahrzeuge souveränes Territorium durchqueren. Jedoch kann derbetreffende Staat eine solche Durchfahrt nicht behindern, wenn sie den festgelegten Bedingungen entspricht (Art. 54 i. V. m. Art. 44 der VN-Seerechtskonvention von 1982). Die Ausübung des Rechts der Archipel-Seewegdurchfahrt ist für die Staaten von prinzipieller Bedeutung, weil riesige Bereiche des Weltmeeres zum souveränen Territorium von Archipelstaaten, wie z. B. Indonesien, Philippinen, Vanuatu, Komoren, Maledivien, Kap Verde, Seychellen, Japan, gehören. Wie jeder andere souveräne Staat kann auch der Archipelstaat Basislinien (sogenannte normale Basislinien auf dem Land und 34 Siehe P. D. Barabolja, Va:inejsie me:idunarodnye prolivy, in: Sovremennoe mezdunarodnoe morskoe pravo. Rezim vod i dna Mirovogo okeana, Moskva 1974, S. 195.
2. Souveräner Luftraum als Teil des Staatsgebietes
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gerade Basislinien im Wasser) zur Festlegung seiner Grenzen ziehen. Er kann Eigengewässer, Küstenmeer, eine Ausschließliche Wirtschaftszone und einen Festlandsockel haben. Im normativen, souveränen Raum einer Reihe internationaler Meerengen und Archipelgewässer verliefen viele Navigationswege von internationaler Bedeutung. Falls die Archipelstaaten und die Meerengenstaaten ihr Recht ausübten, das Durchfahrtsregime für ausländische Schiffe durch ihr Territorium einseitig zu regeln, so würde die internationale Seefahrt und Luftfahrt praktisch völlig durcheinander gebracht. Die Gefahr eines solchen Vorgehens ist durchaus gegeben. WieS. V. Molodcov bemerkt, wurden die .Meerengenstaaten" und die "Nichtmeerengenstaaten" .,von der Versuchung ergriffen, sich den Schlüssel für die wichtigsten Zugänge zum und Ausgänge vom Weltmeer anzueignen, um dadurch zum ,Herrscher' und ,Wächter' der wichtigsten Meerengen zu werden." 35 G. N. Sinkareckaja sieht hier einen "Widerspruch zwischen dem Prinzip der territorialen Unverletzlichkeit und der Freiheit der Hohen See. "36 Eine solche Fragestellung ist möglich. Wie man sich vorstellen kann, ist es jedoch richtiger, nicht von einem Widerspruch zu sprechen, sondern von einer Wechselwirkung der Rechtsordnungen verschiedener Territorien. Eine absolut verstandene Souveränität führt in diesem Fall dazu, daß es unmöglich ist, die Freiheiten der Hohen See zu genießen. Einen direkten Widerspruch zwischen Souveränität und Freiheit der Hohen See kann es nicht geben, weil es sich um verschiedene normative Räume handelt, denn die genannten Meerengen und Archipele sind keine Hohe See. Der Transitdurchflug über Meerengen ist ein Element der Nutzung der Freiheiten der Hohen See, aber nicht des normativen Raums der Meerengen. Vom theoretischen Standpunkt aus ist es äußerst wichtig, einen klaren Begriff von der Rechtsnatur der Transitüberflüge und Archipeldurchflüge zu haben, weil dies unmittelbar Einfluß auf die Möglichkeit hat, zwischen dem normativen, souveränen Raum und der Ausübung der vom Völkerrecht anerkannten Rechte anderer Staaten (innerhalb des erforderlichen funktionalen Raumes) als Realisierung der Freiheit des offenen Luftraums eine Balance zu erzielen. Die Bedeutung der wissenschaftlichen Ausarbeitung dieser Frage wird dadurch verstärkt, daß in der westlichen Literatur der Standpunkt vertreten wird, der .Durchflug in der Luft" ergebe sich nicht aus der Konzeption der Hohen See, sondern sei das Ergebnis einer "Selbstbeschränkung" der SouveränitätY S. V. Molodcov, Pravovoj rezim morskich vod, Moskva 1982, S. 159. G. G. Sinkaretskaja, Archipelaznye vody - novyj institut mezdunarodnogo morskogo prava, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava 1983, Moskva 1984, s. 123. 37 Siehe z. B. L. D. M. Nelson, The Patrimonial Sea, in: Internationaland Comparative Law Ouarterly, 1973, No. 22, S. 673. 35 36
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Kapitel li: Rechtsstatus des Luftraums
Die sowjetische Völkerrechtsdoktrin lehnt die Konzeption der Selbstbeschränkung (Autolimitation) der Souveränitätaufgrund eines internationalen Vertrages oder auf andere Art ab, 38 weist aber auch die Doktrin der absoluten Souveränität zurück. Noch im Jahre 1947 vertrat E. A. Korovin diese Auffassung. 39 G. I. Tunkin stellte im Jahre 1974 fest: ..Wenn wir von Souveränität der Staaten sprechen, meinen wir keine absolute Souveränität, sondern Souveränität im Rahmen des Völkerrechts." 40 Der Transitüberflug und der Archipeldurchflug berühren die Besonderheiten der Verwirklichung der Souveränität der Meerengen- und Archipelstaaten im Rahmen des Völkerrechts. Im Luftraum über Meerengen, die vom Küstenmeer überdeckt sind, und in den Archipel-Korridoren gilt nur eine souveräne Macht, und zwar die des Meerengen- oder Archipelstaates. Sie wird also nicht durch das Völkerrecht, im vorliegenden Falle durch die VN-Seerechtskonvention von 1982, eingeschränkt. Eine Beschränkung der Souveränität durch einen internationalen Vertrag kann es geben, aber dies sind entweder Verträge vom Typ des Potsdamer Abkommens (Begrenzung der Souveränität eines Delinquenten durch andere Staaten) oder Knechtschaftsverträge und ungleiche Verträge. •Das System der Normen des Völkerrechts", schreibt V.A. Vasilenko, .ist nichts anderes als eine den Staaten bewußt gewordene und von ihnen selbst geschaffene Grundlage ihres Verhaltens, und deshalb besteht keinerlei Veranlassung, von einer Einschränkung, Zerstörung oder Absorption der staatlichen Souveränität durch das Völkerrecht zu sprechen." 41 Nur Knechtschaftsverträge und ungleiche Verträge beinhalten die Einschränkung, oder genauer Zerstörung, der Souveränität der Kontrahenten. Deshalb sind sie vom Augenblick ihres Abschlusses an juristisch unwirksam. Die Arbeit der 3. VN-Seerechtskonferenz und insbesondere ihre Ergebnisse beweisen, daß ihre Teilnehmer die erforderliche Übereinstimmung erzielt haben, nicht nur Schutznormen für die .absoluten" territorialen Interessen einzelner Staaten oder Staatengruppen zu verabschieden. Als einheitliches Dokument, als ein .Paket von Vereinbarungen" entspricht die VNSeerechtskonvention von 1982 in unterschiedlichem Grade den Interessen aller Mitglieder der internationalen Gemeinschaft. Die territoriale Souveränität kann man nicht nur auf ein ausschließliches Recht zurückführen, auf irgendeinem Territorium staatliche Funktionen auszuüben. Dies bemerkt Siehe z. B. N . A. Usakov, (Fn. 20) S. 109, 120. Siehe E.A. Korovin, Absoljutnyj suverenitet ili absoljutnaja nepravda, in: Novoe vremja 1947, No. 41, S. 15. 40 G. I. Tunkin, The Problem of Sovereignty and Organization of European Security, in: Revue beige de droit international 1974, No. 1, S. 3. 41 V. A. Vasilenko, Gosudarstvennyj suverenitet i mezdunarodnyj dogovor, in Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava 1971, Moskva 1973, S. 66. 38
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3. Offener Luftraum im Gebiet der gemeinsamen Nutzung
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zutreffend der argentinische Jurist E. 1. Arechaga, der ein Zitat aus den Materialien des Schiedsgerichtsverfahrens wegen der Insel Palmas aus dem Jahre 1928 anführt: ..... Die territoriale Souveränität darf nicht nur auf ihre negativen Aspekte zurückgeführt werden, d. h. nur auf den Ausschluß der Tätigkeit anderer Staaten; es gibt sie nur insoweit, wie es erforderlich ist, den Raum zwischen den Völkern aufzuteilen, in dem sie sich befinden, um für sie an jedem Ort den Minimalschutz zu gewährleisten, den das Völkerrecht garantiert. "42 Mit anderen Worten: Die Tatsache, daß ein Staat einem anderen Staat oder einer Staatengruppe auf seinem Territorium bestimmte Privilegien einräumt, bzw. daß er der Geltung von Rechten aller Staaten oder der Erfüllung vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Pflichten auf seinem Staatsgebiet zustimmt, vom Völkerrecht anerkannte Rechte eines anderen Staates auf seinem Territorium zu garantieren, bedeutet in keinsterWeise eine Einschränkung seiner Souveränität, sondern ist im Gegenteil ein Ausdruck ihrer Realisierung. Denn nur dieser Staat und kein anderer garantiert kraft seiner Machtfunktionen die Geltung der errichteten Rechtsordnung. Solange diese Machtfunktionen nicht beschränkt sind, besitzt der Staat die volle und ausschließliche Hoheit im Bereich seines Territoriums. Diese Macht ist jedoch, wie oben betont wurde, nicht absolut, sondern gilt nur im Rahmen des Völkerrechts. 3. Offener Luftraum als Teil des internationalen Gebietes der gemeinsamen Nutzung a) Zum Begriff *Internationales Gebiet der Gemeinsamen Nutzung"
Im normativen Raum der Erde, jenseits des souveränen Territoriums (,.territorialer Konus") der Staaten befinden sich Räume, die von dem Geltungsbereich der staatlichen Souveränität ausgenommen sind. Zu ihnen gehört die Hohe See einschließlich der Wirtschaftszone und der Antarktis. Viele theoretische Untersuchungen zur Rechtsnatur dieses internationalen Territoriums sind geprägt von der bereits von den römischen Juristen erarbeiteten Formelresomnium communis für die Gewässer und die Luft, die von Natur aus nicht Gegenstand des Eigentums irgendwelcher Einzelpersonen sein können. Die Varianten der Übersetzung dieser Formel in die russische Sprache- .das für alle Gemeinsame", .allen gemeinsame Sache"spiegeln gerade diese ursprüngliche Idee wider, die mit dem Rechtsstatus der genannten .Sachen" und ihren natürlichen Eigenschaften zusammenhängt. 42
E. J. Arechaga, Sovremennoe mezdunarodnoe pravo, Moskva 1983, S. 26.
5 Maleev
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Mit der Festigung des Prinzips der Freiheit der Hohen See im Völkerrecht begannen viele Juristen, der genannten Formel einen völkerrechtlichen Inhalt zu geben, bemühten sich dabei aber nicht, einen Unterschied zu machen zwischen den Gewässern der Hohen See, die im Prinzip als res (Sache) betrachtet werden können, und dem Raum, in dem sich diese Gewässer, die Atmosphäre über ihnen und der Meeresboden befinden.43 Dabei entwickelten sich zwei unterschiedliche Ansätze für die Auslegung des Begriffsresomnium communis. Die am weitesten verbreitete Ansicht hielt es im Widerspruch zur "Natur der Sache" und zum Gehalt, den die römischen Juristen dem genannten Begriff beilegten, für möglich, daß die Meeresgewässer gemeinsames Eigentum sein können. Dieser rein sachenrechtliche Aspekt wird in der juristischen Literatur zu Recht kritisiert. Die Kritik läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß sich eine gemeinsame Souveränität der Staaten, ihre gemeinsame Macht auf eine "gemeinsame Sache" erstrecken müßte. Eine derartige "Sache" wäre gleichzeitig der Souveränität eines jeden Einzelstaates unterworfen - wäre Eigentum eines jeden von ihnen. Die Macht aller Staaten würde ausgeübt über die Gegenstände eines jeden einzelnen Staates. Jeder Einzelstaat könnte Macht über die Objekte eines beliebigen anderen Staates ausüben. Auch könnte eine Teilung dieser "Sache" unter die einzelnen Staaten vorgeschlagen werden, weil das gemeinsame Eigentum der Aufteilung unterliegt, worauf bereits die römischen Autoren hingewiesen haben. 44 Aber wenn auch das alles bei materiellen Objekten zweifellos richtig ist, wird die Rechtsnatur des internationalen Territoriums bei der Annahme eines gemeinsamen bzw. jeglichen Eigentums sinnlos. Dies ist nämlich eine Sphäre, in der eine bestimmte Rechtsordnung gilt, es ist ein internationalnormativer Raum. Wenn man mit der räumlichen Theorie das Territorium jenseits des Geltungsbereichs der staatlichen Souveränität im Auge hat und nicht materielle Objekte, dient als adäquater rechtlicher Ausdruck für seinen Status die Formel "space omnium communis*, .Raum der gemeinsamen Nutzung". Die terminologische Präzisierung ist hier notwendig, um zu begründen, daß es unzulässig ist, sich das internationale Territorium der gemeinsamen Nutzung anzueignen, während gleichzeitig die Früchte einer gemeinsamen Nutzung der Aneignung unterliegen können. Das Beharrungsvermögen der Definition internationaler Territorien als res omnium communis führt manchmal zu scharfen theoretischen Auseinandersetzungen bei neuen Aspekten des normativen Raums, und das nicht nur bei der Hohen See. So ist im Weltraumvertrag von 1967 vom "Weltraum einSiehe J. C. Cooper, (Fn. 17, Kapitel I) S. 364 ff. Siehe R. V. Dekanozov, Nekotorye voprosy juridiceskoj prirody territorij (prostranstv), iz'jatych iz sfery gosudarstvennogo suvereniteta, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava 1973, Moskva 1975, S. 206. 43 44
3. Offener Luftraum im Gebiet der gemeinsamen Nutzung
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schließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" die Rede. Die absolute Mehrheit der Autoren betrachtet seit dem Abschluß des Vertrages im Jahre 1967 den Mond und die übrigen .Himmels"-Körper als Teil des Raumes. Dabei ist völlig offensichtlich, daß der Mond und die anderen .Himmels"Körper Sachen (res) sind - Objekte, die sich im normativen Weltraum befinden. Gezwungen, der Formulierung des Weltraumvertrages von 1967 Rechnung zu tragen, schreiben einige Autoren, wie z. B. der polnische Jurist M. Lachs, daß die Begriffe res omnium communis und res extra niemals auf den. Weltraum und die Himmelskörper" angewandt werden dürfen, weil sie vom rechtlichen Standpunkt aus .keine Sachen (res) sind, sondern eine Sphäre staatlicher Tätigkeit". 45 Diese Bemerkung von M. Lachs ist bezüglich des Weltraums als solchem als internationales Territorium der gemeinsamen Nutzung durchaus gerechtfertigt. Aber die .Himmels" -Körper (Mond, Planeten, Sterne, Meteoriten u. ä.) sind Sachen, Materie und keine Sphäre staatlicher Tätigkeit. Deshalb muß man das Wort .einschließlich" im Vertrag von 1967 und in den Dokumenten, in denen es anzutreffen ist, im Sinne von .und auch" auslegen, anderenfalls würden tatsächlich .Sachen" Teil eines Raumes. Von daher können ein und dieselben Prinzipien (gemeinsame Nutzung, Nichtaneignung) sowohl auf den Raum als auch auf Sachen angewandt werden. Aber der Unterschied ist dennoch da: Wenn der Raum im Prinzip nicht der Aneignung im Sinne von Eigentumserwerb unterworfen ist, so kann eine Sache im .offenen Raum", obgleich auch sieapriorinicht der Anwendung des Eigentumsrechts unterliegt, doch Eigentum werden, wenn sie selbständig genutzt wird, sei es auf dem Meeresboden oder auf den .Himmels" -Körpern, auf Ho her See oder im Luftraum. Gleichzeitig bleibt der normative Raum, der Ort, an dem sich diese Sache befindet, hinsichtlich seines Rechtsstatus und seiner Rechtsordnung unantastbar. Was den Raum im absoluten, idealen Sinn angeht, so verändert er sich ständig, weil sich keine Sache zu verschiedenen Zeiten an ein und demselben Punkt des Raumes befinden kann. Von daher kann der normative Raum als solcher, der in jedem konkreten Augenblick verschiedene .Teile" des abstrakten Raumes einnimmt, nichts außer den in ihm geltenden Normen enthalten, die da immateriell - nicht Gegenstand des Eigentums sein können und nur für die gesamte Menschheit existieren, weil das Völkerrecht selbst einen äußerst antropozentrischen Charakter trägt. Weil er konkrete Grenzen hat, kann der normative Raum Gegenstand der gemeinsamen Nutzung sein, eine .Aneignung" würde jedoch den spezifischen Charakter einer Ausdehnung der staatlichen Souveränität auf ihn tragen. Dies ist essentiell etwas anderes als eine Eigentumsbeziehung. Aus der Sicht des Begriffs .internationales Gebiet der gemeinsamen Nutzung" sind die Hohe See (Gewässer), die Atmosphäre über ihr sowie die 45 M. Lachs, Outer Space. An Experience in Contemporary Law-Making, Leiden 1972, s. 48.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Antarktis (Festland und Gewässer) kein Territorium. Ein Territorium jenseits der Geltung der Souveränität der Staaten ist ein räumlicher Fächer von komplizierter Konfiguration mit seiner Spitze genau in demselben mathematischen Punkt wie der .räumliche Konus" des staatlichen Territoriums, der sich im Zentrum der Erde befindet, und mit Seitenkanten, die durch dieselben Ebenen verlaufen wie die vertikalen Grenzen des staatlichen Territoriums. Im Rahmen dieses "Fächers" sind materielle Gegenstände einer realen Nutzung durch die Staaten zugänglich: der Meeresboden (gemeinsames Erbe der Menschheit), der Festlandsockel (mit souveränen Rechten der Staaten auf seine Erforschung sowie Ausbeutung und Förderung der Ressourcen), die Gewässer der Hohen See als gegenständliches Objekt der gemeinsamen Nutzung (mit einigen souveränen Rechten der Staaten in der Wirtschaftszone und mit Jurisdiktion in anderen Zonen), die Antarktis sowie die Atmosphäre über der Hohen See und über der Antarktis. An alle diese Objekte gegenständlicher Nutzung schließt sich unmittelbar der funktionale Raum an, der für die Verwirklichung der Rechte und Pflichten von Staaten und anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft nach dem modernen Völkerrecht erforderlich ist. Der Umfang (die Ausdehnung) aller genannten gegenständlichen Objekte in ihrer Gesamtheit bildet die Grenze des Raumes, der in der Völkerrechtsdoktrin "internationales Gebiet der gemeinsamen Nutzung" genannt wird. b) Inhalt des Begriffs .Offener Luftraum·
Die Teile des normativen Luftraums jenseits der Geltung staatlicher Souveränität tragen unterschiedliche Bezeichnungen: .Luftraum über der Hohen See» oder .Luftraum über der Antarktis". Ihre Untergliederungen sind .Luftraum über der Wirtschaftszone", .Luftraum über den Anschlußzonen", .Luftraum über Anlagen und Installationen", .Luftraum über dem Festlandsockel", .Luftraum über maritimen Schutzgebieten" (Naturschutzparks), .Lufterkennungszonen" etc. In der sowjetischen, juristischen Literatur wurde der Versuch unternommen, mit gewissen Vorbehalten den gesamten überirdischen Luftraum in zwei Arten einzuteilen: den Luftraum, der sich unter der Souveränität eines Staates befindet, und den Luftraum über Gebieten, die jenseits der Geltung staatlicher Souveränität liegen. 46 Letzterem sollte die Bezeichnung "internationaler Luftraum" gegeben werden. 47 Dieser - an sich rechtmäßige 46 Siehe M. N. Kopylov, Mezdunarodno-pravovoe regulirovanie poletov vozdusnych sudov nad otkrytym morem. Avtoref. kand. diss., Moskva 1980. 47 Siehe V. D. Bordunov, M. N. Kopylov, Pravovoj rezim mezdunarodnogo vozdusnogo prostranstva, in: Voprosy morskogo i vozdusnogo prava, Moskva 1979.
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Ansatz gliedert lediglich einen Teil des Luftraums aus dem Bestand des internationalen Territoriums der gemeinsamen Nutzung aus, ohne dessen Rechtsstatus zu definieren. In dem genannten Gebiet befinden sich jedoch im Rahmen seiner allgemeinen Rechtslage Räume, deren völkerrechtliche Nutzungsregimes sich unterscheiden können. Den Vorzug verdient in Analogie zu dem Begriff .offenes Meer" oder "Hohe See", wie oben erwähnt wurde, der Begriff .offener Luftraum". Der Begriff .Hohe See" ist in der Völkerrechtsdoktrin und in der diplomatischen Praxis allgemein anerkannt und in dem Genfer Abkommen über die Hohe See von 1958, in der VN -Seerechtskonvention von 1982, im ChicagoAbkommen über die Internationale Zivilluftfahrt von 1944 und in vielen anderen internationalen Dokumenten normativ bestätigt worden. Im Unterschied zur Hohen See hat der Luftraum über ihr keine eigene Bezeichnung; er wird .Luftraum über der Hohen See" genannt. Die Bezeichnung .Hohe See" oder .offenes Meer" spiegelt Elemente des Rechtsstatus wider, was man vom Begriff .Luftraum über der Hohen See" nicht sagen kann. Für die Hohe See sind eine Reihe konkreter .Freiheiten" (Schiffahrt, Legen von Kabeln und Rohrleitungen, Errichtung künstlicher Inseln und anderer Anlagen, Fischerei, wissenschaftliche Forschung) normativ niedergelegt worden. Demgegenüber ist für den Luftraum über der Hohen See - wenn man dem Inhalt des Begriffs .Freiheit der Hohen See" gemäß Art. 87 der VN-Seerechtskonvention von 1982 folgt- formal nur eine einzige Freiheit kodifiziert, die Freiheit des Überfluges. Aus anderen Bestimmungen der VN-Seerechtskonvention von 1982 ergibt sich (in Übereinstimmung mit dem Abkommen von 1958) das Recht der Staaten, Piratenflugzeuge aufzubringen (Art. 101-107), den Sklavenhandel zu bekämpfen (Art. 99) und unmittelbare .Nacheile" mit Hilfe von Luftfahrzeugen durchzuführen (Art. 111 ). Der Mangel an terminologischer Übereinstimmung der Bezeichnungen für die Hohe See und den über ihr liegenden Luftraum in Verbindung mit dem unterschiedlichen Umfang der Freiheiten, die formal für beide Bereiche niedergelegt sind, berechtigt zu der Frage nach ihrem unterschiedlichen Rechtsregime. Wie weiter unten gezeigt werden wird, müssen die Theorien mit größter Vorsicht betrachtet werden, die eine einheitliche Rechtsordnung .in der Vertikalen" für alle Räume begründen wollen, die sich im internationalen Gebiet der gemeinsamen Nutzung befinden (.räumlicher Fächer"). Diese Räume des internationalen Gebiets verbindet nur, daß sie jenseits der Grenzen der vollen und ausschließlichen Souveränität der Staaten liegen. Darüber hinaus ist eine sorgfältige Analyse der konkreten Gruppe der gegenseitig abhängigen Normen erforderlich, welche die Rechtsordnung des Meeresbodens, der Gewässer der Hohen See, der Antarktis und des Luftraums jenseits der Grenzen des souveränen Gebiets bestimmen.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Bis zum Auftauchen von Flugzeugen und der Luftfahrt war der Luftraum über der Hohen See kein funktionaler, unmittelbar an die Erdoberfläche anschließender Raum, und es war völlig natürlich, daß er für die Staaten ohne Interesse war. In den zahlreichen Artikeln, die vor dem Ersten Weltkrieg erschienen, äußerte kein einziger Autor den Gedanken, daß der Status des .Luftraums über der Hohen See" sich vom Status der .Hohen See" selbst unterscheidet. Ein solcher Standpunkt ist für jene Zeit völlig verständlich, weil die wenigen Luftfahrzeuge fast nie über der Hohen See flogen, und der Status des Luftraums über ihr nur von hypothetischem Interesse war. Mit Beginn der Flüge über der Hohen See änderte sich die Lage. Das Institut de Droit International schlug im Jahre 1927 vor, daß das Prinzip der Freiheit der Hohen See die .Freiheit des Luftverkehrs" einschließen solle. 48 Der Luftraum über der Hohen See wurde also als eine Erweiterung der letzteren betrachtet. Den Ausgangspunkt dieser Logik festzustellen, ist nicht schwer, verlief doch die Errichtung des Prinzips der Achtung der Souveränität der Staaten in ihrem Luftraum genau auf diesem Wege. Ihr Luftraum wurde nach der objektiven Theorie als nichtteilbares Ganzes mit dem Festland- und Gewässerterritorium der Staaten angesehen. Diese Einstellung führte in ihrer extremsten Ausprägung zur Entstehung von Konzeptionen, durch die bewiesen wurde, .daß es unmöglich ist, den Meeresboden, den Meeresuntergrund, die darüberliegenden Gewässer und die auf ihnen liegende Luftsäule einem unterschiedlichen Regime zu unterwerfen." 49 Jedoch wird die Theorie der rechtlichen oder sonstigen Einheit aller .vertikalen" Teile des internationalen Gebiets nicht immer den Realitäten unserer Zeit gerecht. Bleiben wir insbesondere noch bei dem charakteristischen Beispiel, welches zeigt, daß der Luftraum über der Hohen See keine Erweiterung derselben ist. In den Nachkriegsjahren wurden von einer Reihe von im wesentlichen lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern wiederholt Versuche unternommen, dem Meeresgürtel, der Wirtschaftszone genannt wird, einen anderen territorialen Status zu geben: Küstenmeer, Patrimonialmeer, nationales Meer, Epikontinentalmeer, Zone besonderer Art (sui generis) usw.. Sogar dem Begriffresomnium communis wurde in seiner Anwendung auf die Ausschließliche Wirtschaftszone ein Inhalt beigelegt, der es erlaubte, ihn als .Gemeineigentum" auszulegen, was eine Aufteilung unter die Staaten ermöglicht. 50 In diesen völkerrechtswidrigen Versuchen war von Anfang an 48 Siehe S. A. Gureev, Mezdunarodno-pravovye problemy poletov vozdusnych sudov nad morskimi prostranstvami (v svete itogov tret'ej Konferencii OON po morskomu pravu), in: Dejatel'nost gosudarstvv Mirovom okeane, Moskva 1983, S. 72. 49 Zitiert nach S. P. Golovatyj, 200-mil'naja ekonomiceskaja zona v Mirovom okeane, Kiev 1984, S. 16. 50 Siehe S. V. Molodcov, (Fn. 35) S. 70-96.
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die Tendenz festzustellen, jede Angleichung des Status der Gewässer und des Luftraums über ihnen abzulehnen. Nicht nur in den einseitigen Gesetzgebungsakten einer Reihe von Ländern, sondern auch in den Dokumenten der Konferenzen von Montevideo (1970), Lima (1970), Santo Domingo (1972) und Jaunde (1972) wurde die Freiheit der Schiffahrt und des Überfluges über dem .Küstenmeer" bis zu einer Entfernung von 200 sm bekräftigt. Dadurch ergab sich ein Widerspruch zu Art. 6 des Chicago-Abkommens, nach dem ohne Erlaubnis des Küstenstaates keine Linienflüge über seinem Küstenmeer durchgeführt werden dürfen. Offenbar gingen die betreffenden Staaten sogar bei ihren rechtswidrigen Ansprüchen auf die Meeresoberfläche davon aus, daß der Luftraum über dem Gegenstand ihrer Ansprüche nicht als .national" angesehen werden kann, d. h. daß er einen anderen Rechtsstatus hat. Die Auffassung, daß die Rechtslage des Luftraums über der Wirtschaftszone nicht automatisch aus dem Rechtsregime derselben fließt, wurde auch auf der 3. VN-Seerechtskonferenz vertreten. Natürlich waren die Probleme der Wirtschaftszone und die Ansprüche einzelner Staaten auf Errichtung bzw. Erhaltung von 200 sm .Küstenmeeren" nicht mit Abschluß der Konvention im Jahre 1982 erledigt. Aber die Bestimmungen dieser Konvention schaffen die Grundlage für eine fortschrittliche Entwicklung nicht nur des Seerechts, sondern auch des Luftrechts für die Ausschließliche Wirtschaftszone. Die VN-Seerechtskonvention von 1982 schließt die Wirtschaftszone nicht aus der Hohen See aus. Art. 86 der Konvention stellt fest, daß die Bestimmungen des Teils VII auf alle Meeresteile, die zur Ausschließlichen Wirtschaftszone, zum Küstenmeer oder zu den Eigengewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern der Archipelstaaten gehören, nicht anwendbar sind, unterstreicht aber gleichzeitig, daß dieser Artikel in keiner Weise die Freiheit einschränkt, die alle Staaten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone in Übereinstimmung mit Art. 58 genießen. Der erste Teil der Präzisierung in Art. 58 .sowohl der Küstenstaaten als auch der Staaten ohne Zugang zum Meer" bezieht sich, wie sich aus anderen Bestimmungen der Konvention ergibt, nicht auf die Staaten, deren Küsten von dieser Ausschließlichen Wirtschaftszone bespült werden, sondern auf alle Staaten, die Zugang zur Hohen See haben. Art. 58 enthält mit Bezug auf die Wirtschaftszone für alle Staaten die allgemeinen Freiheiten der Hohen See, die in Art. 87 der Konvention niedergelegt sind. In diesem Zusammenhang sind die Beweggründe unverständlich, aus denen heraus einige westliche Autoren, wie zum Beispiel der Direktor des juristischen Büros der ICAO, M. Milde, bei der Auslegung des Begriffs .Hohe See" in dieser Konvention neben allen anderen Merkmalen darauf verweisen, daß sie jenseits der Ausschließlichen Wirtschaftszone liegt. 51
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
In der Ausschließlichen Wirtschaftszone werden dem Küstenstaat einzelne, souveräne Rechte gewährt und für bestimmte Fragen ausschließliche Jurisdiktion eingeräumt. Jedoch werden diese Rechte nur zum Zwecke der Erforschung, Ausbeutung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen, sowohl der lebenden als auch der nichtlebenden, gewährt, die sich auf dem Boden, im Untergrund und in den darüberliegenden Gewässern befinden, ferner für die Verwaltung dieser Ressourcen und für Fragen der wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der genannten Zone sowie für die Erzeugung von Energie durch die Ausnutzung der Gewässer, Strömungen und des Windes. Außerdem legt Art. 58 (Abs. 2) der Konvention fest, daß in dieser Zone die Art. 88-115 (im Teil VII) und andere entsprechende Normen des Völkerrechts insoweit Anwendung finden, als sie zu den einschlägigen Bestimmungen der Konvention nicht im Widerspruch stehen. Da wir hier keine Analyse aller Artikel der Konvention vornehmen können, die sich auf die Wirtschaftszone beziehen, bemerken wir lediglich, daß auch auf diese Zone die Bestimmung des Art. 88 Anwendung findet, nach dem die Hohe See nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden darf. Demzufolge ist die Ausschließliche Wirtschaftszone ein Teil der Hohen See. Die Konvention errichtet lediglich ein "spezifisches Regime" für diesen Teil. Eine kennzeichnende Besonderheit der Bestimmungen der Konvention ist, daß sie keinerlei souveräne Rechte des Küstenstaates im offenen Luftraum über der Ausschließlichen Wirtschaftszone einräumen. Daraus folgt, daß der Küstenstaat rechtmäßig in dieser Zone nur den funktionalen, für die Verwirklichung seiner souveränen Rechte und seiner ausschließlichen Jurisdiktion notwendigen Luftraum ausschließlich nutzen darf. Dies ist der Raum, der konkrete Objekte einer ressourcenbezogenen oder anderen Tätigkeit umgibt (insbesondere Windanlagen, Vorrichtungen, Installationen, Schiffe usw.). Die Lage ist hier derjenigen vergleichbar, die bezüglich des funktionalen Luftraums innerhalb des Staatsgebietes existiert. Deshalb gibt es im offenen Luftraum über der Ausschließlichen Wirtschaftszone keine souveränen Rechte oder ausschließliche Jurisdiktion des Küstenstaates. Dieser gesamte Raum, beginnend auf der Oberfläche, ist ebenso offener Luftraum wie der über der Hohen See jenseits dieser Zone. Die Frage besteht lediglich in den praktischen Wechselbeziehungen zwischen rechtlich nicht eingeschränkten, im Rahmen des Völkerrechts erlaubten Tätigkeiten aller Staaten im offenen Luftraum über dieser Zone und den souveränen Rechten sowie begrenzten ausschließlichen Jurisdiktionendes Küstenstaates auf der Oberfläche und in der Tiefe der Gewässer. In den Fällen, in denen ein solcher Küstenstaat in irgendeiner Form eine bestimmte Tätigkeit im offenen Luft51 Siehe M. Milde, United Nations Convention on the Law of the Sea - Possible Implications for the International Air Law, in: Annals of Air and Space Law, Vol. VIII, 1983, s. 173.
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raum über dieser Zone verbietet, z. B. die Erforschung der Fischbestände durch ausländische Flugzeuge und Hubschrauber, weil sie seine souveränen Rechte auf der Oberfläche oder in den Tiefen der Zone verletzt, muß eine solche Abwägung auf eine vorrangige, eindeutig und rechtmäßig verkündete Willenserklärung des Küstenstaates gegründet sein. Bei Fehlen einer solchen Willenserklärung ist es nicht möglich, von einem spezifischen Regime des offenen Luftraums über dieser Zone zu sprechen, welches sich von der Rechtsordnung des offenen Luftraums über anderen Teilen der Hohen See unterscheiden könnte. Zum offenen Luftraum gehört auch der Luftraum über der Antarktis. Obgleich sich die konkreten Rechte und Pflichten der Staaten in der Antarktis von den .Freiheiten" und Pflichten der Staaten auf Hoher See unterscheiden, gehören sowohl die Hohe See als auch die Antarktis zum internationalen Territorium der gemeinsamen Nutzung. Eine Analyse konkreter "Freiheiten" im Luftraum über der Hohen See und der Antarktis zeigt, daß dieser Raum einheitliche Statusmerkmale besitzt: Auf ihn erstreckt sich nicht die volle und ausschließliche Souveränität der Staaten. Der Unterschied in der Rechtsordnung der beiden Teile hat ebensowenig Einfluß auf diese Situation, wie das spezifische Rechtsregime der Wirtschaftszone ihre Zugehörigkeit zur Hohen See nicht beeinflußt. Der Rechtsstatus des offenen Luftraums kann als die durch Normen des Völkerrechts errichtete Rechtslage eines Teils des internationalen Gebietes der gemeinsamen Nutzung definiert werden, der sich über der Hohen See und über der Antarktis befindet und sich bis zur Grenze mit dem Weltraum erstreckt. Konkrete .Freiheiten" des offenen Luftraums haben, wie auch die Freiheiten der Hohen See, sowohl vertragliche als auch gewohnheitsrechtliehe Grundlagen. c) Inhalt des Prinzips der Freiheit des offenen Luftraums
Die Freiheit des offenen Luftraums findet in den konkreten Rechten ihren Ausdruck, welche die Staaten rechtmäßig, im Rahmen des vom Völkerrecht Erlaubten durch Handlungen oder Unterlassungen realisieren können. Ausgehend von dem normativen Material des Genfer Abkommens über die Hohe See von 1958 und der VN-Seerechtskonvention von 1982 spricht die Mehrheit sowohl der sowjetischen als auch der westlichen Autoren von einer einheitlichen .Freiheit" in dieser räumlichen Sphäre, der Freiheit des Überfluges über die Hohe See. In der Tat, im Seevölkerrecht ist nur diese "Freiheit" bezüglich des Luftraums über der Hohen See kodifiziert. Wenn man sie extensiv in dem Sinne versteht, daß sie jede beliebige Tätigkeit unter Einsatz von Flugapparaten umfaßt, muß man eine Auslegung der
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Kapitel Ir: Rechtsstatus des Luftraums
genannten Freiheit des Überfluges als zulässig anerkennen, nach der sie das gleiche Recht aller Staaten beinhaltet, im offenen Luftraum alle grundlegenden Tätigkeitsarten durchzuführen. Diese grundlegenden Arten von Tätigkeiten sehen nach Meinung einer Reihe sowjetischer Autoren das Recht der Staaten vor, ungehindert Flüge ziviler und militärischer Flugapparate durchzuführen, Jurisdiktion über ihre Luftfahrzeuge und deren Besatzungen auszuüben, Luftfahrt-Navigationsmittel zur Kontrolle und Leitung der Flüge von Luftfahrzeugen für die Gewährleistung der Sicherheit einzusetzen, die Situation auf dem Weltmeer im Interesse von Kriegsschiffen, wissenschaftlichen Forschungsschiffen, Fischereischiffen und Handelsschiffen durch Luftfahrzeuge beobachten zu lassen, ausländische Handelsschiffe auf Hoher See bei Verstößen gegen Gesetze und Vorschriften des Küstenstaates zu verfolgen und Luftfahrzeuge für den Kampf gegen Piraterie und Sklavenhandel einzusetzen.52 Die Freiheit des Überfluges bezieht sich im vorliegenden Fall auf jede Art von Flugapparat, aber die Tätigkeiten sind durch den Einsatz gerade von Luftfahrzeugen eingeschränkt. Im Genfer Abkommen über die Hohe See von 1958 und in der VN -Seerechtskonvention von 1982 wird nicht von Flugzeugen, sondern von Luftfahrzeugen generell gesprochen. Ein konsequenter Verfechter des Prinzips der Freiheit des Luftraums über der Hohen See (und nicht der Freiheit des Überfluges) ist Ju. M. Kolosov. Nach seiner Meinung "hat sich in den internationalen Beziehungen das Prinzip der Freiheit der Nutzung des Luftraums über der Hohen See herausgebildet, der wie auch die Hohe See selbst für alle Nationen offen ist. "53 Auch V. P. Sergin erwähnt das Prinzip der Freiheit des Luftraums über der Hohen See. 54 Es ist vorstellbar, daß auch Tätigkeiten unter Einsatz von Fluggerät als selbständige .Freiheiten" qualifiziert werden können. Luftverkehr und Arbeiten im souveränen Luftraum sind gesonderte Arten von Tätigkeiten, obgleich sie nur durch Flüge durchgeführt werden können. Ferner werden die wirtschaftlichen Rechte neben den eigentlichen Flügen selbst auch als "Transportfreiheiten" angesehen. Dieselben Tätigkeiten werden auch im offenen Luftraum durchgeführt, aber hier sind sie nicht als konkrete "Freiheiten" oder Rechte normativ individualisiert, sondern in dem allgemeinen Luftfahrtaspekt der Freiheit des Überfluges vereinigt. Die Ursache dafür liegt in der unterschiedlichen Rechtslage des souveränen und des offenen Luftraums. Für den ersteren ist Siehe Me:idunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. I, S. 49. Ju. M. Kolosov, Protivopravnost' radioaktivnogo zagrjaznenija atmosfery nad otkrytym morem, in: Me:idunarodnaja bezopasnost i Mirovoj okean, S. 230. 54 V . P. Se1egin, (Fn. 24, Kapitel I) S. 12. 52
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charakteristisch, daß die Staaten ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Durchführung irgendeiner Tätigkeit durch ausländische Personen auf ihrem Territorium verhängen. Es wird eine Tätigkeit als solche gestattet, und der Navigationsaspekt- Recht des Überfluges- muß die Verwirklichung der erteilten Erlaubnisse für eine konkrete Tätigkeit gewährleisten. Im offenen Luftraum ist die Lage anders. Für die Durchführung irgendeiner, völkerrechtlich rechtmäßigen Tätigkeit ist keine Erlaubnis erforderlich. Deshalb kann die gesamte Tätigkeit mit Hilfe von Flugapparaten im Prinzip unter dem relativen Begriff .Flug" zusammengeiaßt werden. Dieser Begriff rechnete zu Beginn des Jahrhunderts auch den Lufttransport zum allgemeinen Recht der Flüge im souveränen Raum und wurde nicht in "kommerzielle Rechte" aufgespalten. In unserer Zeit ergibt sich jedoch aus der Tatsache, daß viele Staaten der Welt im offenen Luftraum wichtige Interessen hinsichtlich des Inhalts der Tätigkeiten unter Einsatz von Flugapparaten haben und daß diese Interessen immer öfter in Konflikt miteinander geraten, die Notwendigkeit einer Abstufung des allgemeinen Begriffs .Freiheit" des Überfluges nach den konkreten Tätigkeitsarten. In dieser Beziehung kann die Entwicklung des Prinzips der Freiheit der Hohen See selbst als Beispiel dienen, das anfangs nur die Freiheit der Schiffahrt und des Fischfangs bedeutete, später aber auch die Freiheit umfaßte, Kabel zu legen, künstliche Inseln und Installationen zu errichten etc. Weil konkrete Tätigkeiten im Luftraum unten analysiert werden, bemerken wir hier nur, daß im Luftraum über der Hohen See alle "Freiheiten" der Hohen See gelten und nicht nur die Freiheit des Überfluges, das Recht der Nacheile und die Normen über den Kampf gegen die Piraterie und den SklavenhandeL Im Luftraum über der Hohen See existieren u. a. außerdem die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, die Freiheit der Teilnahme unter Einsatz von Fluggerät an Tätigkeiten, die im Gewässerbereich der Hohen See auf dem Festlandsockel und auf dem Meeresboden durchgeführt werden, wie das Legen von Kabeln und Rohrleitungen, die Errichtung künstlicher Inseln und anderer Installationen und Vorrichtungen, die Freiheit des Fischfangs und des sonstigen Fanggewerbes mit Hilfe von Luftfahrzeugen, die Freiheit militärischer Übungen und Manöver, die Freiheit von Lufttransporten, die Freiheit der Erprobung konventioneller Waffen und von Raketenträgern, die Freiheit des Fluges und der Landung von Weltraumapparaten, die Freiheit, für künstliche Installationen und Anlagen die Flugregeln derjenigen Staaten anzuwenden, denen sie gehören. Zusammen mit den .Freiheiten", die im Luftraum der Antarktis gelten, bilden sie die Auflistung der .Freiheiten", die das Regime des offenen Luftraums bestimmen. Es ist zuzugeben, daß der Kodifikationsprozeß praktisch nur die Freiheit des Überfluges im offenen Luftraum erfaßte. Jedoch sind auch andere "Frei-
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
heiten" im Völkerrecht allgemein anerkannt- ungeachtet des Fehlens ihrer normativen Bestätigung in allgemeinen, multilateralen Verträgen. In gewissem Maße ist die Lage hier mit den nichtkodifizierten .Freiheiten" auf Hoher See vergleichbar. Im Genfer Abkommen über die Hohe See von 1958 wird z. B. die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung nicht erwähnt. Nichtsdestoweniger wurde im Bericht des Generalsekretärs der Internationalen Ozeanographischen Kommission der UNESCO, der gemäß der Resolution 2574 (XXIX) der Generalversammlung vom 15. Dezember 1969 vorbereitet wurde, die Tatsache anerkannt, daß die .Freiheit, wissenschaftliche Forschungen zu betreiben, zu den Freiheiten gehört, die alle Staaten auf Hoher See genießen." 4. Rechtsnatur des funktional-normativen Raums Jede Tätigkeit oder Handlung von Staaten und Subjekten des nationalen Rechts vollzieht sich im normativen Raum, dessen Rechtsstatus und/oder Rechtsregime unter Berücksichtigung eines unbestimmten Kreises von Personen oder Objekten bestimmt wird. Gleichzeitig existieren in dem normativen Raum ständig oder vorübergehend eine große Anzahl von Räumen spezieller Natur oder funktionaler Räume. Der funktionale Raum ist ein Raum, der von einem Rechtssubjekt für die Durchführung einer Tätigkeit oder Handlung sowie für die Ausübung von Rechten, d. h. von Funktionen festgelegt wird und rechtmäßig genutzt werden kann, und der ausschließlich durch den Zweck der Funktionsausübung bestimmt wird. In der Rechtswissenschaft ist es häufig üblich, von räumlichen und funktionalen Regimes der rechtlichen Regelung zu sprechen, die sich, wie M. I. Lazarev bemerkt, .,nicht in einem isolierten Zustand befinden können. Sie berühren sich eng, und oft sind sie miteinander verflochten." 55 Diese ,.Verflechtung" besteht darin, daß bei jedem funktionalen Regime vernünftige, funktional bestimmte räumliche Grenzen für die betreffenden Tätigkeiten oder Rechte existieren. Weil sich ein solcher funktionaler Raum immer innerhalb eines der normativen Räume befindet (souveräner Luftraum, offener Luftraum, Weltraum usw.), trägt seine Natur funktional-normativen Charakter. Entsprechend setzt die Verwirklichung von Rechten im funktionalen Raum gleichzeitig die genaue Beachtung der Rechtsordnung des normativen Raums voraus. Beispielsweise bildete sich die Gewohnheit heraus, daß Weltraumgegenstände beim Flug in den Weltraum und bei der Landung den Luftraum eines ausländischen Staates durchfliegen dürfen. Diese Flug55 M. I. Lazarev, 0 ponjatii pravoporjadka V Mirovom okeane, in: Voprosy mezdunarodnogo morskogo i vozdusnogo prava, Moskva 1979, S. 8.
4. Rechtsnatur des funktional-normativen Raums
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manövermüssen durchgeführt werden, um den Gegenstand in die Umlaufbahn und später zur Erde zurückzubringen. Wenn der genannte Gegenstand z. B. absichtlich, etwa zu Spionagezwecken, von der Flugbahn in der Horizontalen abweicht, so liegt eine Verletzung des funktional-normativen Raums vor, was die Frage der Verantwortlichkeit des Täters aufwirft." Es ist zu erwähnen, daß im Weltraumrecht die Frage der genauen Definition des funktionalen Raumes eine der aktuellsten Fragen wurde, besonders im Hinblick auf die Anforderungen an die Sicherheit der Flüge von Weltraumapparaten und ihrer möglichen negativen Auswirkung auf andere Objekte dieser Art. In diesem Zusammenhang lenkt A. I. Rudev die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß das Fehlen einer Regelung der Fragen des Manövrierens von Weltraumgegenständen für den Typ der wiederverwendbaren Transportfähren ,,Space Shuttle" im erdnahen Raum zu Situationen führen kann, in denen ein normales Funktionieren von Weltraumobjekten, einschließlich automatischer, künstlicher Erdsatelliten, Weltraumfähren und Orbitalstationen .,schwierig wird und die Sicherheit dieser Gegenstände und ihrer Besatzungen bedroht ist. Das unkontrollierte Manövrieren von Weltraumfähren in unmittelbarer Nähe von kosmischen Objekten anderer Staaten", schreibt der Autor, .kann nicht nur zu Kollisionen und gegenseitigen Funkstörungen führen, sondern auch eine Versehrnutzung der optischen Oberflächen der Bullaugen und Geräte der Weltraumgegenstände fördern, die sich in einer erdnahen Umlaufbahn befinden. Dies kann geschehen durch die Verdunstung von Materialien und das Ausfließen von Gasen aus hermetisch geschlossenen Zellen, durch die Einwirkung von Flammen aus Raketen der Manövriereinrichtungen, durch ausgestoßene Gase, im Weltraum deponierte Abfälle, durch das Lecken von Treibstoff usw. Alles dies könnte die Effektivität der Forschungen in den Bereichen u. a. der Astronomie, der Naturressourcen der Erde, der Meteorologie, die mit Hilfe optischer Apparate durchgeführt werden, wesentlich verringern oder in einzelnen Fällen sogar ausschließen. Durch Kernenergiezellen in Weltraumfähren können Filme belichtet und lichtempfindliche Fotoemulsionen unbrauchbar gemacht, radioaktiv auf wissenschaftliche Apparate und Betriebsapparaturen anderer Weltraumgegenstände eingewirkt werden usw.".56 Einen der Lösungswege für das Problem der Sicherstellung eines zuverlässigen und sicheren Funktionierens solcher Stationen sieht A. I. Rudev in einer internationalen Übereinkunft über die Schaffung von Sicherheitszonen, in deren Grenzen der Registerstaat der Station Jurisdiktions- und Kontrollrechte über die Bewegungen der Stationen und andere Weltraumobjekte ausüben kann, um Kollisionen von Stationen oder ungünstige Einwirkungen auf sie zu vermeiden und insbesondere .in der Festlegung der räumlichen Grenzen solcher Zonen und der Formulierung entsprechender 56
A. I. Rudev, (Fn. 56, Kapitel I) S. 78.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
völkerrechtlicher Normen über einheitliche Regeln für den Flug von Gegenständen auf erdnahen Umlaufbahnen." 57 Zum Teil haben die Vertragsstaaten des Weltraumvertrages von 1967 die Notwendigkeit berücksichtigt, den funktionalen Raum für eine rechtmäßige Tätigkeit im Weltraum zu definieren. Wie aus Art. 9 des Vertrages folgt, können die Vertragsstaaten auf dem Mond bemannte und unbemannte Stationen einrichten, müssen dabei aber einen Bereich wählen, der garantiert, daß die an derartige Stationen gestellten Anforderungen erfüllt werden. Die große Anfälligkeit von Weltraumapparaten und Weltraumstationen unter Sicherheitsaspekten verleiht der Bestimmung des funktionalen Raums eine ganz besondere Aktualität und Schärfe. Historisch wurde zunächst in den Arbeiten der Juristen des Mittelalters die Frage nach dem funktionalen Luftraum des Grundstückseigentümers aufgeworfen. Unter dem Einfluß des römischen Rechts erarbeiteten diese Juristen die bekannte Maxime cuius est solum eius est summitas usque ad caelum, was gewöhnlich wie folgt ins Russische übersetzt wurde: •Wem die Erde gehört, dem gehört auch alles darüber bis zum Himmel." Seit dieser Zeit gibt es in der juristischen Theorie und Praxis unaufhörlich einen Streit, der große Bedeutung für die vorliegende Arbeit hat. Ein geringer Teil der heutigen Juristen behauptet, daß der Eigentümer des Grundstücks (Gewässers) Eigentumsrechte auch an dem darüber liegenden Luftraum besitzt. Abweichungen in den Ansichten der Verfechter dieser Theorie betreffen nur die vertikale Ausdehnung dieses .Lufteigentums". Einige wollen es auf eine bestimmte Höhe beschränken, andere lassen seine Ausdehnung bis insUnendliche zu. Die Zählebigkeit dieser Konzeption, die auf der objektiven Theorie aufbaut, wurde von einigen Gerichtsentscheidungen sowie dadurch begünstigt, daß in einzelnen Gesetzen (Code Napoleon von 1804, Österreichischer Kodex von 1811, Italienisches Bürgerliches Gesetzbuch von 1866 und Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch von 1896) die Grundidee der genannten Maxime bestätigt wurde, die auf diese Weise einen normativen Inhalt erlangte. Ernsthafte Bedeutung aus der Sicht des Völkerrechts hat das untersuchte Problem in den Fällen, in denen die Besitzer von Grundstücken das Recht beanspruchen, Flüge - einschließlich internationaler Flüge - über ihrem Grund und Boden in jeder beliebigen Höhe zu verbieten. Dieses Problem war bereits Gegenstand der Erörterung auf der Luftrechtskonferenz von 1910. Auf dieser Konferenz traten Mächte wie England, Frankreich und Deutschland dafür ein, in die nationale Gesetzgebung Normen einzuführen, daß ausländischen Luftfahrzeugen .Überflugprivilegien" ohne Einmischung von s7 A. a .
0.
4. Rechtsnatur des funktional-normativen Raums
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Seiten der örtlichen Grundstückbesitzer gewährt werden, wobei damals das Recht des Privateigentümers auf den Luftraum nicht generell verneint wurde. 58 In der Folgezeit wurden derartige Gesetze verabschiedet. Sie waren jedoch in der Regel nicht auf die gegenständliche, sondern auf die räumliche Konzeption gegründet. Die Mehrheit der heutigen Juristen lehnt die genannten Ansprüche der Grundstücksbesitzer auf Eigentumsrechte bezüglich des Luftraums ab. Ein ausländischer Autor schrieb äußerst ironisch von der .Pseudomaxime" usque ad cae/um, ihrer ,.rechtswidrigen Entstehung an den Ufern des Mittelmeeres, ihrem meteoritenhaften Auftauchen im allgemeinen und bürgerlichen Recht bis zu ihrem ruhmlosen Tode aus der Hand der Gerichte der Neuen Welt." 59 Dennoch haben sich einige ihrer Auswirkungen in den nationalen Rechtssystemen kapitalistischer Länder, in denen das sogenannte ,.common law" gilt, erhalten. So führt der amerikanische Jurist R. Wright zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung der USA an, nach denen der Luftraum unter Aspekten des Eigentumsrechts qualifiziert wird. In den vom genannten Autor angeführten Urteilen ist der Luftraum über dem privaten Grundeigentum selbständiges Eigentumsobjekt Er wird verkauft, verpachtet usw. Sogar der Geldwert dieses Luftraums wird berechnet, und zwar ist er in der Regel mehr als zweimal niedriger als der Wert des unter ihm liegenden Grundstücks und verringert sich mit der Höhe. 60 R. Wright stellt völlig zu Recht fest: ,.Man kann die Frage aufwerfen, auf welche Weise der ,Luftraum' ,Eigentum' sein kann, wenn er in Wirklichkeit niemandem im echten physischen Sinne gehört. Ihn kann man nicht mit Grund und Boden vergleichen. Es ist unmöglich, ihn zu berühren, ihn zu übertragen oder ein Saatkorn in ihn zu legen. • Unter Berücksichtigung der aus objektiver Sicht gegebenen Fakten stellt R. Wright hinsichtlich der Eigentumslage am Luftraum fest, daß der Begriff .Eigentum" im gegebenen Falle eher mit Bezug auf Rechte oder Interessen für die Kennzeichnung von Rechtsbeziehungen verwandt wird. 61 Die absolute Mehrheit der Juristen und Gerichtsentscheidungen geht davon aus, daß der Eigentümer eines Grundstücks keinen Luftraum besitzt, und er daher in diesem Raum lediglich seine Rechte im Zusammenhang mit der Nutzung seines Grundstücks verwirklicht, und daß ein vom Grundstück gesonderter .Besitz" des Luftraums auch nur eine rein funktionale Natur hat. Es ist zweifellos unmöglich, den Luftraum mit der Oberfläche im Sinne Siehe J. C. Cooper, (Fn. 17, Kapitel I) S. 118. H. G. Klein, .Cujus est solum ejus est. . ." Quonsque Tandem? in: The Journal of Air Law and Commerce 1959, No. 26, S. 237. 60 Siehe R. Wright, The Law of Airspace, New York 1967, S. 236, 238, 320. 61 A. a. 0. S. 9. 58 59
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
physischen Besitzes zu vergleichen. Im Luftraum besitzt eine Person nur bestimmte Rechte. Die Völkerrechtsdoktrin nimmt in dieser Frage ziemlich widersprüchliche Positionen ein. Die einen gehen an die Definition des funktionalen Raums von den Positionen der ,.praktischen Möglichkeit" des Grundstückseigentümers heran, ihn zu besitzen; andere halten es für unverzichtbar, eine konkrete Höhe festzulegen; dritte verweisen schlicht auf den gesunden Menschenverstand. 62 Das Wesen liegt darin, daß die funktionale Nutzung des Luftraums deshalb funktional ist, weil sie mit der Verwirklichung bestimmter Rechte, mit einer Tätigkeit, mit einer Funktion zusammenhängt. Verschwinden diese Rechte, fehlt die Tätigkeit, so .verschwindet" auch der bedingt funktionale Raum, der sich immer innerhalb entweder des souveränen Luftraums oder des offenen Luftraums befindet. Die Konzeption der räumlichen Wirkung bestimmter Rechte im Luftraum entwickelte seinerzeit Hugo Grotius, der ,.die Anwendung des Rechts im Raum über der Oberfläche" und ,.die Rechte des Grundstücksbesitzers im Luftraum über (Hervorhebung vom Autor) seinem Eigentum" anerkannte. Danach wird ein Gesetz, das auf der Erdoberfläche gilt, auch über der Oberfläche angewandt. 63 In den kapitalistischen Ländern - besonders in denen, die das Recht der Präzedenzurteile kennen-, gibt es infolge der Existenz von Privateigentum an Grund und Boden zahlreiche Streitigkeiten, weil der Rechtsstatus des anschließenden Luftraums nicht geregelt ist. So verhandelte z. B. im Jahre 1953 das Gericht der Stadt Ashker (Kanada) über die Klage eines Grundstückseigentümers, dessen Grundstück in der Nähe eines Flughafens lag, der aber das Recht auf Einflug in ,.seinen" Luftraum bestritt. Das Gericht entschied, daß die Luft und der Luftraum nicht der Aneignung durch Privatpersonen unterliegen und zur Kategorie res omnium communis gehören. Nach Meinung des Gerichts hat der Grundstückseigentümer Anspruch auf einen begrenzten Teil des Luftraums, der über seinem Eigentum liegt und zu dem nur der Luftraum gehört, der .an das Grundstück anschließt oder sich an ihn anfügt". 64 Streitigkeiten über die Frage der Zugehörigkeit des Luftraums entstehen auch auf anderer Ebene: zwischen Einzelstaaten einer Föderation sowie Provinzen von Staaten und Bundesbehörden. So wies im Jahre 1977 ein Gericht zweiter Instanz die Ansprüche der kanadischen Provinz Manitoba auf die Zahlung einer Abgabe auf alkoholische Getränke ab, die sich beim Überfliegen dieser Provinz an Bord von Flugzeugen befanden. Hier 62
63 64
Siehe N. M. Matte, (Fn. 26, Kapitel I) S. 68. Zitiert nach J. C. Cooper, (Fn. 17, Kapitel I) S. 79, 80-81. Zitiert nach N. M. Matte, (Fn. 26, Kapitel I) S. 25.
4. Rechtsnatur des funktional-normativen Raums
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stützte sich das Gericht auf die Anerkennung des Luftraums als ,.Gemeineigentum".65 Aus diesen Gerichtsentscheidungen folgern einige Autoren (z. B. N. Matte), daß das Problem nicht in den Grenzen und den Wechselbeziehungen der Rechte im Luftraum besteht, sondern in der Anerkennung der ,.Freiheiten der Luft"liegt, des Statusresomnium communis. Wie weit diese Schlußfolgerungen gehen, verdeutlichen z. B. die AufrufeN. Mattes zur .Liberalisierung der Luft für Zwecke der internationalen und innerstaatlichen Luftfahrt" sowie zur .Erarbeitung einer Neufassung des Art. 1 des Chicago-Abkommens, die der zwangsläufigen gegenseitigen Abhängigkeit gerecht wird, in die heute zunehmend alle Staaten auf allen Gebieten geraten, insbesondere bei Flügen von Luftfahrzeugen und Weltraumfahrzeugen."66 Das ist eine .kleine Brücke", die manchmal von der westlichen Rechtswissenschaft zwischen den scheinbar rein innerstaatlichen Rechtsproblemen der Nutzung des Luftraums und dem internationalen Luftrecht geschlagen wird. Derartige Beispiele zeugen von der Notwendigkeit, das Rechtsregime des Luftraums im Komplex der entstehenden theoretischen Probleme zu untersuchen. Bis auf seltene Ausnahmen gehen heute Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Praxis von der Unannehmbarkeit der Maxime usque ad coelum aus, sowohl aus der Sicht des .Eigentumsrechts" als auch in Bezug auf die unbegrenzte Ausdehnung .funktionaler" Rechte des Grundstückseigentümers und aller anderen Personen im darüberliegenden Luftraum. Gleichzeitig wird aber die Existenz eines schmalen, über der Erdoberfläche liegenden Raumes anerkannt, in dem die Rechte verwirklicht werden, die im Zusammenhang mit der Nutzung von Grund und Boden gewährt werden. In der UdSSR wurde das Privateigentum an Grund und Boden abgeschafft. Es wurde in Gemeineigentum des gesamten sowjetischen Volkes überführt. Nach Art. 11 der Verfassung der UdSSR kann niemand außer der Regierung Eigentümer von Grund und Boden sein, der Organisationen und Bürgern ausschließlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Daher sind alle anderen Rechte auf Grund und Boden abgeleitet und abhängig vom Recht des staatlichen Eigentümers. Jedoch wird im sowjetischen Gesetz die Frage der Ausdehnung des funktionalen Raumes und damit der Reichweite des Eigentums- bzw. Nutzungsrechts nicht entschieden (staatliche Reserve, staatliche Gewässer, staatlicher Wald, bewohnte Ortschaften, Industriegelände, Verkehrsflächen, Naturschutzgebiete, landwirtschaftliche Flächen, Bodenparzellen für Amtszwecke u. a.). Auch bezüglich des Luftraums über Landflächen, Gartengrundstücken und anderen Grundstücken von land65 66
A. a. 0 . S. 26. A. a. 0 .
6 Maleev
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
wirtschaftlichen Kooperativen ist diese Frage nicht entschieden worden. Diese Rechte werden in der Regel bei der Definition des Nutzungszwecks von Grund und Boden unterstellt, sei es bei der Anlage von Industrieunternehmen, Wohngebieten, beim Gartenbau oder Aufforsten von Wäldern für die Holzproduktion, Durchführen von Schießübungen, Errichtung von Gebäuden usw. Eine derartige Unterstellung ergibt sich aus der Tatsache, daß jede Nutzung von Grund und Boden unausweichlich die Nutzung des an die Oberfläche anschließenden Luftraums beinhaltet. Diese dem Recht der Nutzung von Grund und Boden immanente Vermutung wird äußerst selten im geschriebenen Recht niedergelegt. Jedoch wird ihre Existenz auch normativ dann offensichtlich, wenn andere innerstaatliche Normen z. B. die zulässige Bauhöhe oder eine zulässige Höchstgrenze für bestimmte Tätigkeiten festlegen. In diesem Zusammenhang muß das in einigen westlichen Ländern vorhandene, sogenannte .Recht einer Einteilung in Zonen" (the Jaws of zoning) erwähnt werden. Die nationale Kommission der USA für die Probleme der Urbanisation definierte den Grundgedanken dieses Rechts im Jahre 1968 wie folgt: .Der Zweck der Einteilung in Zonen besteht darin, jedermann daran zu hindern, etwas zu tun, was die Lebensqualität auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigt oder den Wunsch eines Interessenten vermindert, es zu kaufen. "67 Im allgemeinen wird die Einteilung in Zonen -anders gesagt, die Errichtung von Grenzen des funktionalen Raumes - umfassend praktiziert hinsichtlich der räumlichen Grenzen konkreter Rechte oder Tätigkeiten. Den eigentlichen Luftraum begann man mit dem Erscheinen der Luftfahrt in Zonen einzuteilen, anfangs zur Verhütung negativer Einwirkungen von Flügen der Luftfahrzeuge auf Objekte und Interessen von Personen auf der Erdoberfläche. In den USA wurde sogar ein Pilot dafür verhaftet, daß er an einem Sonntag zu dicht an einer Kirche vorbeiflog, so daß der Gottesdienst unterbrochen werden mußte, weil die Gemeinde auf die Straße lief, um das Flugzeug zu betrachten, statt zu beten. 68 Als Folge der Verzonung wurden praktisch in allen Ländern die Tätigkeiten im Luftraum für den Schutz der Rechte und Interessen nicht nur auf der Erdoberfläche, sondern auch im eigentlichen Luftraum festgelegt. In der Gegenwart sind die Arten des funktionalen Raums äußerst vielgestaltig. Ziemlich oft werden sie aus Verbotsnormen abgeleitet, die eine Tätigkeit in einer bestimmten räumlichen Sphäre einschränken. So ist es gemäß Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR von 1984 "Über die Verstärkung des Naturschutzes in den Bereichen des äußer67 National Commission on Urban Problems, Building the American City: Report of the National Commission on Urban Problems, New York 1969, S. 219. 68 Siehe R. Wright, (Fn. 60) S. 103.
4. Rechtsnatur des funktional-normativen Raums
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sten Nordens und der Meereszonen, die an die Nordmeerküste der UdSSR anschließen" verboten, in niedrigen Höhen über Naturschutzgebiete, Verbotszonen, andere besonders wichtige Territorien sowie Sammlungsorte von Säugetieren und Vögeln und über ihren Migrationswegen zu fliegen. In einigen Fällen ist ein befristetes Flugverbot vorgesehen. 69 Ein Flugverbot für niedrige Höhen definiert also - wenn auch in einer allgemeinen Form - in der Vertikalen den funktionalen Raum sowohl für die vom Recht geschützten Arten menschlicher Tätigkeit auf der Erdoberfläche als auch für die mögliche Verursachung von Nachteilen. Von ebenso allgemeiner Form ist z. B. die Forderung im Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR für Flüge über bewohnten Ortschaften. Sie dürfen .nur in einer Höhe durchgeführt werden, die es ermöglicht, im Falle eines Defektes des Luftfahrzeuges eine Landung außerhalb der Grenzen dieser Ortschaften oder auf dem nächstgelegenen Flugplatz durchzuführen." (Art. 50). Art. 43 des Luftrechtsgesetzbuchs der UdSSR bestimmt, daß die Flüge von Luftfahrzeugen in sicheren Höhen und so weit voneinander entfernt durchgeführt werden müssen, daß die Möglichkeit eines Zusammenstoßes ausgeschlossen ist. In den Verwaltungsvorschriften werden entsprechende Abmessungen des funktionalen Raums streng reglementiert. Für Luftfahrzeuge werden auch Start-, Lande-, Warte- und Anflugzonen, Luftschneisen und örtliche Luftkorridore als .. nach Höhe und Breite begrenzte Korridore im Luftraum der UdSSR" definiert (NPP GA-85 Begriffe und Definitionen). Vom Standpunkt eines funktionalen Raumes aus ist auch die Festlegung von Bereichen für Luftfahrtarbeiten zu bewerten, da sie in NPP GA-85 als .Bereich (Zone), in deren Grenzen Flüge für Aviationsarbeiten durchgeführt werden" definiert sind. Der funktionale Raum für Hubschrauber, die an Bord von Schiffen und auf maritimen Bohrplattformen stationiert sind, ergibt sich aus den Funktionen, die von derartigen Seeschiffen oder Bohrplattformen rechtmäßig ausgeführt werden dürfen. Aus diesem Grunde müssen derartige Hubschrauber in der UdSSR die sie betreffenden Bestimmungen der Dienstvorschriften für Schiffe der Seeflotte der UdSSR gemäß den Anweisungen des Schiffskapitäns erfüllen (NPP GA-85, Zif. 10.8.1 und 10.8.2). Was die Anforderungen u. a. an die Sicht bei solchen Flügen, die Höhe der Wolkenuntergrenze, die Entfernung vom Schiff und die Bedingung angeht, daß sich nicht mehr als ein Hubschrauber im Luftraum von einem 2 km Radius um die Bohrplattform herum befinden darf (NPP GA-85, Zif. 10.8.3 und 10.8.6), so bezieht sich das auf die Bestimmung eines speziellen funktionalen Raums zum Zwecke der Gewährleistung der Flugsicherheit selbst. Angesichts der Tatsache, daß der funktionale Raum der Seeschiffe und maritimen Bohrplattformen verschiedener Länder auf Hoher See in der Regel nicht festgelegt wird, müssen mögliche 69 6"
Siehe Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR 1984, No. 48, S. 863.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Konflikte durch das Völkerrecht gelöst werden. Je schneller der Prozeß der Erschließung und Nutzung des Weltmeers verläuft, umso dringender wird die Notwendigkeit, genaue Kriterien des funktionalen Luftraums beim Einsatz von Flugzeugen und Hubschraubern von Seeschiffen aus festzulegen. Anderenfalls könnten die Rechte anderer Staaten auf freie Betätigung auf Hoher See geschmälert werden, weil die Betätigungsräume einander überschneiden könnten und die Forderungen, die an die Flugsicherheit gestellt werden, die Möglichkeit für Luftfahrzeuge anderer Staaten, rechtmäßige Flüge durchzuführen, ausschließen könnten. Dieser Aspekt ist besonders wichtig für Seeschiffe, die auf den Weltmeeren oft ohne gegenseitige Abstimmung mit den Fahrtrouten von Schiffen anderer Länder fahren, welche Hubschrauber an Bord haben. Ein anderer funktionaler Luftraum ist der Bereich, in dem Wolken beschossen werden, um Hagel zu verhüten. Er wird bestimmt durch den Aufenthaltsort hagelverdächtiger Wolken sowie Höhe und horizontale Entfernung des Flugs der Rakete bzw. Geschosse unter Berücksichtigung des Streuungsradius ihrer Splitter und der leeren, an Fallschirmen zur Erde zurückkehrenden Raketenhüllen. Ein funktionaler Luftraum wird festgelegt bei der Durchführung von großen Sprengungen auf der Erdoberfläche, bei der Einrichtung von Lagern für Explosivstoffe und radioaktives Material, beim Start von gelenkten und ungelenkten Erdsonden usw. Besonders schwierig ist die genaue Festlegung des funktionalen Raums im letztgenannten Fall. In der Regel ist nur ein Annäherungswert möglich und nichtgelenkte Erdsonden werden zerstört, falls die Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Windströmung sie in den funktionalen Raum anderer Objekte trägt (z. B. auf die Trasse örtlicher Luftlinien und in den Bereich von Luftfahrtarbeiten). Die Intensivierung der Tätigkeit der Staaten im offenen Luftraum erhöht die Aktualität der untersuchten Frage z. B. im Bereich des internationalen Luftverkehrs, von Luftfahrtarbeiten, von Raketenstarts, von Waffenversuchen auf dem Weltmeer, der Beeinflussung der in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse und der Tätigkeit auf künstlichen Installationen und Vorrichtungen. Ein Beispiel für die Nutzung des funktionalen Raums unmittelbar über der Erdoberfläche ist folgender Vorfall. Im Jahre 1983 stieß im Hafen von Singapur eine schwimmende Bohrinsel von 62 m Höhe gegen die Trossen einer über den Hafen verlaufenden Seilbahn. Zwei Kabinen fielen ins Wasser. Sieben Menschen kamen ums Leben. Im Jahre 1985 wurde zur Vermeidung derartiger Unfälle von den Behörden Singapurs beschlossen, ein Lasersystem zu installieren, welches die Höhe der Überwasserschiffe bei ihrer Einfahrt in den Hafen messen soll. Die Maximalhöhe wurde auf 53 m festgelegt, wobei berücksichtigt wurde, daß die Seilbahn in einer Höhe von 57 m verläuft. 70 Der funktionale Raum sowohl für Schiffe als auch für die Seilbahn wurde auf diese Weise präzise abgegrenzt.
5. Luft-Anschlußzonen
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Die Intensivierung der Nutzung des Luftraums für die unterschiedlichsten Zwecke führt immer öfter zu der Notwendigkeit einer strengen Reglementierung. Dies kann insbesondere die rechtliche Ungewißheit beseitigen, welche vor allem angesichts der sich häufenden Kollisionen der Rechte einzelner Subjekte mit den Rechten anderer Subjekte entstehen, wobei alle eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Durchführung ihrer jeweiligen Tätigkeit im Luftraum besitzen. Ähnliche Probleme ergeben sich auch bei den anderen Aspekten des funktionalen Luftraums, über die oben gesprochen wurde. Abschließend muß noch einmal unterstrichen werden, daß genauer von einer funktionalnormativen Natur des Luftraums gesprochen werden sollte, weil er in der Gegenwart in allen Fällen im Rahmen des normativen Raums entsteht und nur unter genauer Beachtung dessen Status existiert. Das Gesagte setzt voraus, daß alle Staaten im Falle der Durchführung einer Tätigkeit sowohl im souveränen als auch im offenen Luftraum danach streben müssen, den Bereich, die Zone, die Trasse etc. für diese Aktivitäten unter strenger Beachtung der Rechtslage des normativen Raums zu bestimmen, in dem eine derartige Tätigkeit durchgeführt wird oder in dem sie auch im Hinblick auf andere funktionale Räume Folgen haben kann, die rechtmäßig von anderen Staaten für irgendeine Tätigkeit festgelegt worden sind. Die Erarbeitung völkerrechtlicher Kriterien in der genannten Frage muß eine optimale Wechselbeziehung der souveränen Rechte und Interessen der Staaten im Luftraum, die Aktivierung der internationalen Zusammenarbeit zwecks Nutzung des Luftraums für friedliche Zwecke und die Festigung der internationalen Rechtsordnung im Luftraum fördern. Gleichzeitig würde dies die Verminderung von Konfliktsituationen in dem genannten Bereich sowie die Festigung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit begünstigen. In letztgenannter Hinsicht hat die Errichtung von speziellen funktionalen Zonen wie ,.Zonen des Friedens", .kernwaffenfreie Zonen" besondere Bedeutung. Denn der Luftraum über den Festland- und Gewässergebieten derartiger Zonen muß gänzlich und vollständig die funktionalnormative Natur dieser Zonen bis zur Grenze mit dem normativen Weltraum teilen. 5. Luft-Anschlußzonen
Im Völkerrecht fehlen Normen, die es den Staaten erlauben, an ihren souveränen Luftraum anschließende Luftzonen im offenen Luftraum zu errichten, ähnlich der Lage auf dem Weltmeer, in dem es maritime Anschlußzonen gibt. Nichtsdestoweniger hat eine Reihe von Küstenstaaten (USA, 10
Siehe Posle tragedii, in: Pravda vom 7. August 1985.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Kanada, Island, Frankreich, Philippinen, Italien, Japan, Südkorea u. a.) im Interesse der nationalen Sicherheit solche Luftzonen für die Identifizierung und Kontrolle von Luftfahrzeugen errichtet. Im Prinzip gibt es in der Frage der Identifizierung und Kontrolle von Luftfahrzeugen in dem offenen Luftraum, der an das Territorium eines Küstenstaates anschließt, eine gesicherte und objektiv notwendige, allgemeine internationale Praxis. Aber ihre rechtmäßige Geltung ist auf Fälle beschränkt, in denen sich das Luftfahrzeug auf das Territorium des betroffenen Staates zubewegt. Nach NPP GA-85 "ist der Kommandant eines Luftfahrzeuges verpflichtet, 150-200 km vor dem Überfliegen der Staatsgrenzen der UdSSR vom Fluglotsen, in dessen Luftverkehrsbereich sich der Korridor über der Staatsgrenze befindet, die Erlaubnis für ihren Überflug zu erbitten. Dabei muß er Flugnummer, Flughöhe und planmäßige Zeit des Überfluges über die Staatsgrenze der UdSSR angeben" (Zif. 9.5.5). Ein derartiges Verfahren für Flüge nicht nur von der Hohen See, sondern auch vom Territorium eines benachbarten Staates her, ist sowohl für die Erlaubnis zum Einflug in das Staatsgebiet als auch für die Übermittlung der erforderlichen Informationen und Anweisungen an das Luftfahrzeug erforderlich. Die Beachtung der genannten Verfahren- vorausgesetzt, daß eine Erlaubnis für den Einflug erteilt wird - ist auch eine gewisse Garantie für die Sicherheit der Besatzung, der Passagiere und des Luftfahrzeuges selbst während des Fluges im Luftraum eines anderen Staates. Im offenen Luftraum gehört der für die Beantragung der Einflugerlaubnis festgelegte Abstand - unter Ausschluß der Fälle, in deneil die Küsten der Staaten näher aneinanderliegen - in der Regel zu den Fluginformationen, für die ein Staat die Verantwortung trägt. Jedoch haben sich einige der oben erwähnten kapitalistischen Länder bei der Festlegung der genannten Zonen nicht darauf beschränkt, diejenigen Forderungen aufzustellen, die ausschließlich für die Gewährleistung der Sicherheit der Luftfahrt in ihrem Territorium erforderlich sind. So fordern z. B. die kanadischen Regeln, daß jedes Luftfahrzeug, nicht nur das auf kanadisches Territorium zufliegende, seine Flugdaten an den kanadischen Luftlotsendienst beim Einflug in die genannte Zone übermitteln muß. Ferner sehen sie die Möglichkeit vor, ein Luftfahrzeug aufzubringen, das diese Angaben verweigert.1 1 Vielfach ähnliche Bestimmungen sind in den entsprechenden Regeln der USA enthalten. 72 Derartige Forderungen weichen deutlich von dem völkerrechtlichen Status und Regime des offenen Luftraums ab. Zu welchen völkerrechtlichen 71 Siehe J. T. Murchison, The Contiguous Air Space Zone in International Law, Ottawa 1957, S. 79-86. 72 A. a. 0. S. 87-94.
5. Luft-Anschlußzonen
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Folgen dies führen kann, illustriert die französische Praxis, ,.Sanktionen" für die Verletzung der Flugregeln in der Identifikationszone zu verhängen. Eine derartige Zone, von einer Ausdehnung bis zu 70 Meilen vor der Küste Algeriens, wurde von Frankreich im Jahre 1956 erklärt, als das algerische Volk für seine nationale Befreiung kämpfte. Frankreich beschränkte sich nicht darauf, Informationen von jedem Luftfahrzeug beim Einflug in die Zone zu fordern, vielmehr machten die französischen Behörden den Einflug von einer Erlaubnis durch die französischen Militärorgane abhängig. Auch wurde die Möglichkeit vorgesehen, einen ,.Verletzer" abzufangen und sogar das Feuer auf ihn zu eröffnen. Gestützt auf eine derartige, rechtswidrige Ausdehnung der nationalen Jurisdiktion auf den Luftraum innerhalb des internationalen Gebiets der gemeinsamen Nutzung fingen französische Jagdflugzeuge am 21. Oktober 1956 in dieser Zone ein marokkanisches Flugzeug ab und nötigten es zur Landung in Algier. Tunesien und Marokko legten dagegen Protest ein.73 Ein präzedenzloser Piratenakt war die Beschießung eines sowjetischen Flugzeugs mit dem Präsidenten des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR an Bord durch französische Jagdflugzeuge am 9. Februar 1961 über dem Mittelmeer. 74 In der sowjetischen, juristischen Literatur werden derartige Handlungen als Anschlag auf das Prinzip der Freiheit des Überfluges über der Hohen See qualifiziert. 75 Die Juristen der sozialistischen Länder, die diese Frage untersucht haben, bewerteten diese Handlungen ebenso. 76 In der juristischen Literatur der kapitalistischen Länder ist die Kritik an der Praxis der Errichtung derartiger Zonen ziemlich weit verbreitet. 77 Jedoch sind unter den Vertretern der bürgerlichen Wissenschaft auch Autoren anzutreffen, die den Versuch unternehmen, diese Praxis zu rechtfertigen. Dabei wird auf die Existenz von Anschlußzonen im Seerecht hingewiesen. 78 73 Siehe Ch. Debrach, La zone contigue en droit aerien, in: Revuegeneral de l'air 1961, No. 24, S. 260. 74 Siehe Pravda vom 10. Februar 1961. 75 Siehe B. M. Klimenko, Pravo prochoda cerez inostrannuju territoriju, Moskva 1976, S. 100; V. N. Deikin, Konvencija o mezdunarodnoj grazdanskoj aviacii 1944 goda i nekotorye voprosy protivopravnogo povedenija gosudarstv V oblasti mezdunarodnoj aeronavigacii, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava 1976, Moskva 1978, S. 226; V. D. Bordunov, M. N. Kopylov, (Fn. 47) S. 117-120. 76 Siehe E. Konstantinov, Princip't na suverenitet nad v'ezdusnoto prostranstvo v s'vremennoto mezdunarodno pravo, Sofia 1983. 77 Siehe z. B. S. W. Mackneson, Freedom of Flight Over the High Seas. Thesis, Montreal 1959, S. 57 ff.; J. Verplaetse, (Fn. 27, Kapitell) S. 83. 78 Siehe z. B. J. T. Murchison, (Fn. 71) S. 77; R. D. Hayton, Jurisdiction of the Littoral State in the .Air Frontier", in: Philadelphis International Law Journal1964, No. 3, S. 369 ff.; U. Leanza, Fenomini di contiguita aerea del diritti internationale, Napoli 1961, s. 35 ff.
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Kapitel II: Rechtsstatus des Luftraums
Eine solche Verweisung ist aus zwei Gründen nicht rechtens. Erstens folgt die Rechtsordnung des Luftraums über der Hohen See nicht automatisch der Rechtsordnung der Hohen See. Zweitens werden maritime Anschlußzonen ausschließlich für die Ausübung von Kontrolle und Jurisdiktion durch den Küstenstaat bei Verstößen gegen seine Zoll-, Steuer-, Einwanderungs- oder Gesundheitsvorschriften errichtet, die innerhalb des Küstenmeeres oder der Eigengewässer begangen wurden (Art. 24 des Genfer Abkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone von 1958). Im Luftraum ist die Erreichung dieser Zwecke ausgeschlossen. Die prinzipielle Zulässigkeit einer Identifizierung der Luftfahrzeuge über Funk, die in das Gebiet des Küstenstaates einfliegen wollen, ist hingegen nicht zu beanstanden. Jedoch ist dafür grundsätzlich nicht die Errichtung von speziellen Zonen notwendig; es reicht aus, dieses Erfordernis in den Handbüchern für die Luftfahrt bekanntzumachen.
KAPITEL III
Völkerrechtliche Fragen der Flüge im Luftraum
1. Juristische Einteilung der Flüge Im Luftraum der Erde bewegt sich eine große Anzahl unterschiedlicher Fluggeräte. Sie und ihre Ausrüstung, die sich (manchmal erheblich) nach technischen und konstruktiven Merkmalen unterscheiden, besitzen eine gemeinsame Eigenschaft - sie bewegen sich im Luftraum über dem Festland und über den Gewässern ohne Berührung mit ihnen. Für die Mehrzahl von ihnen ist die Möglichkeit einer Ortsveränderung von der Nutzung der Auftriebskräfte abhängig, die entweder auf Tragflächen durch Reaktion der atmosphärischen Luft (Flugzeuge, Hubschrauber, Fallschirme u. ä.) entsteht, oder kraft des Unterschieds in der Dichte des sie füllenden Gases von der Atmosphäre (Luftschiffe und Luftballons). Einige Fluggeräte (Raketen) benötigen die genannte Auftriebskraft nicht, obgleich auch sie die atmosphärische Luft für die Stabilisierung ihrer Lage im Raum nutzen. In unserer Zeit tauchtenVarianten eigener Art auf, die sowohl den reaktiven Schub als auch die Auftriebskraft nutzen, die aus der Wechselwirkung mit der Atmosphäre entsteht (Raketen mit Flügeln, Weltraumflugkörper des .,Shuttle"-Typs und andere Geräte, die Auftriebsflächen besitzen). Schiffe auf Luftkissen werden, obwohl sie sich im Luft-(Anschluß-)Raum bewegen, als Schiffe sui generis angesehen, die sich von anderen Fluggeräten dadurch unterscheiden, daß für ihr Schweben über der Oberfläche diejenige Kraft genutzt wird, welche durch die Reaktion zwischen .Luftkissen" unter dem Boden und der Oberfläche entsteht. In der Gesetzgebung einiger Länder werden die Luftkissenschiffe zu den Flugzeugen gerechnet, was man als eine Ausnahme von der allgemein anerkannten Praxis werten muß, die schwierige Probleme bei der Anwendung der Normen des internationalen Luftrechts - bei grenzüberschreitenden Fahrten der Luftkissenschiffe - aufwirft. Obwohl beim Einsatz eines jeden der genannten Geräte und Vorrichtungen jenseits des Territoriums des Registerstaates völkerrechtliche Aspekte auftauchen, entwickelte sich das internationale Luftrecht von Anbeginn an durch diejenige Gruppe von Flugapparaten und Vorrichtungen, die üblicherweise als Luftfahrzeuge bezeichnet werden (Flugzeuge und Luftschiffe), welche auch für die Weiterentwicklung des Luftrechts maßgeblich ist.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Im Völkerrecht gibt es keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Luftfahrzeug. Die allgemeinste Definition geht auf die Formulierung des AnhangsAzur Pariser Konvention von 1919 zurück, nach der unter einem Luftfahrzeug "ein Apparat verstanden wird, der sich in der Atmosphäre durch Reaktion mit der Luft halten kann" .1 Zweifellos beruht diese Formulierung auf den damals vorhandenen Mitteln der Luftfahrt: Flugzeuge, Luftschiffe und Luftballons. Im Anhang 7 zum Chicago-Abkommen von 1944 wird erneut die Formulierung der AnlageAzur Pariser Konvention von 1919 wiederholt, jedoch mit dem Zusatz: "anders als die Reaktion mit der Luft, die von der Erdoberfläche reflektiert wird." 2 Da die absolute Mehrheit der Bestimmungen der Anhänge des Chicago-Abkommens nicht zu den völkerrechtlichen Normen gehören, gibt es in der nationalen Gesetzgebung äußerst vielfältige Definitionen des Begriffs "Luftfahrzeug". Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983 übernahm z. B. in Art. 12 die Formulierung des Anhangs 7 zum Chicago-Abkommen. Das nationale Recht vieler anderer Staaten beschreitet einen anderen Weg: entweder die schlichte Aufzählung der konkreten Fluggeräte, die zum Teil definiert werden, oder die Einführung spezieller Elemente des Begriffs "Luftfahrzeug" in einer normativen Formulierung. Nach der Gesetzgebung der BRD können z. B. sogar Weltraumapparate während ihres Fluges durch den Luftraum zu den Luftfahrzeugen gehören. Insgesamt gesehen regelt das moderne Luftrecht jedoch bei aller Flexibilität der Definitionsskala lediglich Beziehungen, die beim Einsatz fast ausschließlich von Flugzeugen und Hubschraubern sowie in begrenztem Umfange von Luftballons und Luftschiffen entstehen. Für die Geltung der Normen des Völkerrechts und der Normen des nationalen Rechts mit einem internationalen Element ist die Klassifizierung der Flüge von Luftfahrzeugen wichtig. Diese Klassifizierung kann sowohl technischen als auch juristischen Charakter tragen. Im ersten Falle ist sie verbunden mit der Notwendigkeit, die zeitlichen Grenzen des .technischen" Einsatzes eines Luftfahrzeuges festzulegen. Diese Klassifizierung verfolgt das Ziel, die Flugzeit der Besatzungsmitglieder zu bestimmen, Zwischenfälle bei der Luftfahrt zu untersuchen usw. Es handelt sich hier um die Klassifizierung der Flüge als solcher, sowie um die Festlegung der Flugzeit des Luftfahrzeugs. Im zweiten Falle betrifft die Frage die Unterteilung der Flüge aus der Sicht des Umfangs der auf sie anwendbaren entsprechenden normativen Vorschriften in innerstaatliche und internationale Flüge. Insbesondere ist mit dem Begriff "internationaler Flug" die Frage der Feststellung und Geltung der Normen des Völkerrechts und des nationalen 1
2
League of Nations Treaty Series, 1922, No. 2, Cmd. 1609. ICAO Dok. 7300/6 Annex 7, Definitions.
1. Juristische Einteilung der Flüge
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Rechts verbunden, welche die Beziehungen zwischen den verschiedenen Rechtssubjekten bei der Ausführung internationaler Flüge regeln. Die existierenden theoretischen und praktischen Probleme in dieser Frage sind dadurch bedingt, daß im universellen Völkerrecht keine Definition des genannten Begriffs kodifiziert ist. Im Chicago-Abkommen von 1944 und in zahlreichen bilateralen Abkommen ist lediglich eine Begriffsbestimmung des internationalen Fluglinienverkehrs als .Luftverkehr, der durch den Luftraum über dem Hoheitsgebiet von mehr als einem Staat erfolgt", enthalten (Art. 96 Abs. b Chicago-Abkommen). Unter Verkehr wird in diesem Fall die Durchführung internationaler Luftbeförderung verstanden, d. h. der kommerzielle Aspekt dient als Grundlage. Deshalb grenzen die Völkerrechtler, insbesondere A. N. Verescagin, ihn zu Recht von dem Begriff .internationaler Flug" oder .internationale Flugbewegung" ab, wobei sie im übrigen davon ausgehen, daß eine internationale Luftbeförderung auch bei einem innerstaatlichen Flug stattfinden kann. 3 Indirekt könnte man den Begriff ,.internationaler Flug" aus der Definition ,.internationale Luftlinie" ableiten, die man in bilateralen Luftverkehrsabkommen antrifft und die nach ihrem Inhalt mit der Formulierung .internationaler Fluglinienverkehr" nach dem Chicago-Abkommen von 1944 zusammenfällt. Jedoch werden internationale Flüge nicht immer auf vertraglich vereinbarten Linien durchgeführt, so daß das genannte Kriterium für eine Definition nicht geeignet ist. Die Definition eines internationalen Fluges wird fast ausschließlich vom nationalen Recht festgelegt, was manchmal zu Kollisionen entsprechender nationaler Rechtsnormen führt. Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1932 und von 1935 bezeichnete einen Flug als international, bei dem die Grenze der UdSSR überflogen wurde (d. h. sogar ein einfacher Ausflug auf die Hohe See wurde als international angesehen). Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1961 rechnete nur diejenigen Flüge zu den internationalen, bei denen die Grenze der UdSSR und eines ausländischen Staates überschritten wird. 4 Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983 enthält eine analoge Definition mit der wichtigen Ergänzung .für die Zwecke des vorliegenden Gesetzbuchs".5 Gleichzeitig erweitert die Verordnung über die Durchführung von Flügen der Zivilluftfahrt der UdSSR von 1985 diese Definition durch folgenden Zusatz: .oder im Luftraum eines anderen Staates oder anderer Staaten durchgeführt" wird. Gesetze und Verordnungen anderer Staaten enthalten ebenfalls verschiedene Definitionen des internationalen Fluges, was zweifelSiehe A. N. Veiescagin, Fn. 1, Kapitel II, S. 4. Siehe SZ SSSR, 1932, No. 32, Art. 194 a; SZ SSSR, 1935, No. 43, Art. 359; Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR 1961, No. 52, Art. 538. 5 Siehe Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR, 1983, No. 20, Anlage, Art. 66. 3
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
los die Anwendung einer bestimmten Gruppe von Normen des Völkerrechts und des nationalen Rechts beeinflußt. Typisch ist z. B. folgende Formulierung in bilateralen Luftverkehrsabkommen der UdSSR: .Die Gesetze und Regeln der einen Vertragspartei, die den Ein- und Ausflug von Luftfahrzeugen bei internationalen Flügen oder den Einsatz und die Navigation von Luftfahrzeugen während des Aufenthalts innerhalb ihres Hoheitsgebiets regeln, finden auch auf die Luftfahrzeuge der Luftfahrtunternehmen Anwendung, die von der anderen Vertragspartei benannt werden. "6 Wegen des Fehlens einer Definition des internationalen Fluges in den Abkommen muß man eine derartige Bestimmung als eine Blankettnorm oder als eine verdeckte Kollisionsnorm ansehen, die eine Verweisung auf das nationale Recht der Vertragsparteien enthält, das sich in dieser Frage unterscheiden kann. Gewöhnlich ist eine einheitliche Auslegung der normativen Definition des betreffenden Begriffs nur in den Fällen gegeben, in denen Luftfahrzeuge des einen Staates einen Flug von seinem Territorium in das Gebiet des anderen Staates durchführen und dort landen. In einer Reihe anderer Fälle ist die Feststellung der wirklichen Natur der Flüge nur nach einer zusätzlichen Analyse aller Spielarten bezüglich des geographischen Standpunkts und auf der Ebene der auf ihn anwendbaren Rechtsordnung möglich. Insgesamt kann man die Flüge im Luftraum wie folgt klassifizieren: 1) Flüge vom Territorium eines Staates in das Territorium eines anderen Staates. Dabei werden unterschieden: Flüge a) in den angrenzenden Staat mit praktisch zeitgleichem Überfliegen der Grenzenzweier Staaten; b) mit Überfliegen eines Gebietes der Hohen See; c) mit Transitüberflug ohne Landung auf dem Territorium eines dritten Staates; d) mit Transitüberflug über vom Küstenmeer bedeckten internationalen Meerengen oder über Archipelgewässer; 2) Flüge aus dem Bereich der Hohen See oder der Antarktis in das Territorium eines ausländischen Staates und umgekehrt; 3) Flüge aus einem Bereich der Hohen See oder der Antarktis in einen anderen Bereich der Hohen See mit Transitflug über internationale Meerengen oder über Archipelgewässer; 4) Flüge innerhalb der Hohen See oder der Antarktis ohne Transitflug über internationale Meerengen oder Archipelgewässer; 6 Mezdunarodnye vozdusnye soobscenija Sojuza SSR. Sbornik dokumentov, Bd. 4, Moskva 1975, S. 712.
1. Juristische Einteilung der Flüge
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5) Flüge vom Territorium des Registerstaates (Nutzerstaates) des Luftfahrzeuges auf die Hohe See oder in die Antarktis und zurück (zum Zwecke der Erkundung der Fischbestände, zur Durchführung wissenschaftlicher Forschung usw.); 6) Flüge aus einem Teil des Territoriums des Registerstaates (Nutzerstaates) des Luftfahrzeugs in einen anderen Teil seines Territoriums mit Transitüberflug des Territoriums eines ausländischen Staates (z. B. zentraler Teil der USA nach Alaska übe.r Kanada); 7) Flüge aus einem Teil des Territoriums des Registerstaates (Nutzerstaates) des Luftfahrzeugs in einen anderen Teil seines Territoriums mit Transitüberflug über internationale Meerengen oder Archipelgewässer; 8) Innerstaatliche Flüge in den Grenzen eines Staates. Die allgemeinste Definition des internationalen Fluges, bei dem die Grenzen mindestens zweier Staaten überflogen werden, findet sich ziemlich selten in der Gesetzgebungspraxis. Die ausländischen Gesetzgeber verwenden öfter Definitionen, die derjenigen ähnlich sind, die im Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR enthalten ist. Jedoch existieren auch engere Definitionen. Das Luftrechtsgesetzbuch der CSSR behielt die Bestimmung bei, die in den Luftrechtsgesetzbüchern der UdSSR von 1932 und 1935 anzutreffen ist (Überfliegen der Grenze nur des eigenen Staates).7 Für diesen Staat, der keinen Zugang zum Meer hat, ist diese Definition völlig akzeptabel, weil das Überfliegen der Grenze der CSSR durch ein Luftfahrzeug gleichbedeutend ist mit dem Überfliegen der Grenze eines anderen Staates. Weil die UdSSR an die Hohe See grenzt, macht das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR die genannte Definition nicht nur vom Überfliegen der sowjetischen Grenze abhängig. Jedoch trägt auch diese Definition einen speziellen Charakter- .für die Zwecke des vorliegenden Gesetzbuchs". Gerechtfertigt ist auch, daß die Verordnung über die Durchführung von Flügen der Zivilluftfahrt der UdSSR von 1985 (NPP GA-85) eine weitergehende Definition des Begriffs .internationaler Flug" als im Luftrechtsgesetzbuch enthält. Die Normen der NPP GA-85, die in Weiterentwicklung nicht nur des Luftrechtsgesetzbuchs, sondern auch anderer Gesetze erlassen werden, regeln u. a. Beziehungen, die über den Rahmen des rechtlichen Regelungsgegenstandes des Luftrechtsgesetzbuchs hinausgehen, z. B. die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeugs und der Mitglieder der Besatzung in ausländischen Flughäfen. Erforderlich ist allerdings eine richtige Auslegung der genannten Bestimmung der NPP GA-85. Einen Flug im Luftraum eines anderen Staates kann man nicht automatisch als international ansehen. Es kann nur um solche Flüge gehen, die im Hoheitsgebiet eines ausländischen 7 Siehe Zakon o civilnim letectvi (letecky zakon) in: Sbirka zakonu Cheskoslovenska Socialisticka republika, Praha 1976, Castka 26.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Staates beginnen oder enden. Wenn ein Flug aber vollständig, mit allen seinen Etappen, innerhalb der Grenzen eines Staates durchgeführt werden soll, so ist dies ein innerstaatlicher Flug. Um den Umfang der normativen Vorschriften festzulegen, die auf einen internationalen Flug anwendbar sind, ist die Tatsache besonders wichtig, daß dieser Flug als ein internationaler Flug geplant worden ist (gerade darauf beziehen sich die Bestimmungen des angeführten Gesetzes der UdSSR). In diesen Fällen gelten vom Anfang der Flugvorbereitungen bis zur Beendigung des Fluges streng definierte Normen des nationalen Rechts und des Völkerrechts und vor allem Normen mit einem internationalen oder ausländischen Element. Falls z. B. bei einem Flug, der als internationaler Flug geplant war, das Luftfahrzeug nicht bis zur Grenze flog und auf dem Hoheitsgebiet des Abflugstaates landet, so muß dieser Flug zwar nicht faktisch jedoch juristisch, d. h. vom Standpunkt der Geltung einer bestimmten Gruppe von Rechtsnormen aus, als ein internationaler Flug angesehen werden. Und umgekehrt ist eine solche Fragestellung unzulässig, wenn bei Flügen ungeplant die Grenzen mindestens zweierStaatenüberflogen werden. Eine derartige Situation entsteht, wenn Luftfahrzeuge, die einen innerstaatlichen Flug durchführen, über die Grenze entführt werden und bei beabsichtigtem oder unbeabsichtigtem Einflug eines Flugzeuges, das nicht den Auftrag zu einem internationalen Flug hat. In diesen Fällen ist von einem internationalen Flug im faktischen, aber nicht im juristischen Sinne zu sprechen. Die Praxis zeigt, daß alle Staaten unabhängig vom Inhalt der Normen ihrer nationalen Gesetzgebung davon ausgehen, daß die Flüge von der Hohen See auf ausländisches Territorium als internationale Flüge betrachtet werden (z. B. die Flüge der Aeroflot aus der Antarktis nach Australien; Flüge von Hubschraubern der W alfangflottillen, die in ausländisches Hoheitsgebiet einfliegen). Falls der ausländische Staat solche Flüge erlaubt, wird eine Gruppe von Normen wirksam, die sich auf das Recht der internationalen Flüge bezieht. Es kann auch faktische internationale Flüge ähnlicher Art geben. Ausgehend von den genannten Überlegungen muß man offensichtlich auch den Flug (oder die Rückkehr) eines Luftfahrzeugs von ausländischem Hoheitsgebiet auf die Hohe See oder in die Antarktis als international ansehen. In solchen Fällen gilt offenkundig das "retrospektive Element" des Fluges, das darin liegt, daß irgendwann, wenn auch nicht im konkreten Falle, das Luftfahrzeug die Grenzen auch "seines" Staates (Registerstaat oder Nutzerstaat) überflog. Die übrigen Flüge sind in der Regel keine internationalen, weder faktisch noch juristisch. U. a. sind nach der Gesetzgebung der absoluten Mehrheit der Staaten keine internationalen Flüge diejenigen, die vom Territorium des Registerstaates (Nutzerstaates) des Luftfahrzeugs auf die Hohe See und zurück führen (für Zwecke der Fischerkundung, wissenschaftlicher For-
1. Juristische Einteilung der Flüge
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schung, Exkursionen usw.). Die Rechtswissenschaft hat keine Definition für diese Art von Flügen entwickelt. Da auf sie neben den Normen des nationalen Rechts bestimmte Völkerrechtsnormen (Regeln der Flüge über der Hohen See) anwendbar sind, nehmen einzelne Autoren als möglich an, sie aus der Kategorie der inneren Flüge herauszuheben. 8 Auf konzeptioneller Ebene ist ein solcher Standpunkt akzeptabel, weil ein "innerer" Flug vollständig in den Grenzen (innerhalb) des staatlichen Territoriums durchgeführt wird. Eine besondere Situation entsteht bei pseudoinneren Flügen mit Transitüberflug über das Hoheitsgebiet eines ausländischen Staates. Bis zur Entstehung des Staates Bangladesch führten z. B. die Luftfahrzeuge Pakistans Flüge aus dem westlichen Teil des Landes in den östlichen mit Überfliegen des indischen Territoriums ohne Landung durch. Ungeachtet der Tatsache, daß es dabei um einen inneren Transport ging, ist anzunehmen, daß solche Flüge in ihrer gesamten Ausdehnung nationale Flüge sind (eine analoge Situation entsteht bei Flügen aus den USA nach Alaska über Kanada). In diesen Fällen stellen sich lediglich die Fragen der Rechtsordnung des Überflugs über das ausländische Territorium und der Dienstleistungen für diese Flüge. Ein anderer Standpunkt muß bezüglich der Flüge über internationale Meerengen oder Archipelgewässer eingenommen werden. Falls Flüge zwischen den Territorien verschiedener Staaten durchgeführt werden, sind sie für ihre gesamte Dauer internationale Flüge. Dagegen ist ein Flug aus einem Teil der Hohen See in einen anderen Teil (von einem Schiff der Walfangflotille oder eines Flugzeugträgers auf ein anderes Schiff usw.) mit Transitüberflug über internationale Meerengen und Archipelgewässer seiner Natur nach kein internationaler, weil er eine Verwirklichung des Prinzips der Freiheit des Überflugs über der Hohen See darstellt und nicht einem Erlaubnisvorbehalt unterliegt, wie ein Flug in oder durch staatliches Territorium. Obgleich während des Überflugs über den Meerengen und den Archipelgewässern die Verpflichtungen der Staaten aus internationalen Abkommen gelten, trägt der Flug auf diesem Teil nur einen .. internationalen Charakter", wird aber nicht in einen internationalen Flug verwandelt. Beim Verlassen der Meerenge oder der Archipelgewässer verliert der Flug den internationalen Charakter und wird zu einem gewöhnlichen Flug über der Hohen See. Eine derartige "Transformation" gibt es bei einem wirklich internationalen Flug nicht. Er bleibt auf seiner gesamten Stecke ein solcher. In praktischer Hinsicht hat der zeitliche Rahmen eine gewisse Bedeutung für den Begriff .internationaler Flug", und zwarangesichtsder unterschiedlichen Definition seines zweiten Elements, des .Fluges". Die Entscheidung dieser Frage bezieht sich auf das nationale Verordnungsrecht Dies kann die Periode vom Anfang der Bewegung des Flugzeugs beim Start bis zum Ende 8
Siehe M. N. Kopylov (Fn. 46, Kapitel II), S. 16.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
der Bewegung beim Ausrollen bei der Landung sein oder der Zeitraum vom Anlassen der Triebwerke für den Start bis zum Abstellen der Triebwerke nach der Landung usw. Jedoch sind die angeführten Definitionen, wie bereits erwähnt wurde, im Grunde technischen Charakters. Es ist im Auge zu behalten, daß eine Reihe von Völkerrechtsakten und Maßnahmen des nationalen Rechts eine Definition des Begriffs .im Fluge" im Sinne einer Festlegung des zeitlichen Geltungsbereichs der Normen des Vertrages oder Gesetzes enthalten. Im Abkommen von Tokyo aus dem Jahre 1963, in dem Haager Übereinkommen von 1970, in dem Übereinkommen von Montreal aus dem Jahre 1971 und im Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR (Art. 91) ist die Definition enthalten, daß .ein Luftfahrzeug als im Fluge befindlich gilt von dem Augenblick an, in dem alle Außentüren nach dem Einsteigen geschlossen worden sind, bis zu dem Augenblick, in dem eine dieser Türen zum Aussteigen geöffnet wird. "9 Es existieren auch andere Definitionen ähnlicher Art, die keinen Bezug zum Begriff .internationaler Flug" haben (In dem Abkommen von Tokyo wird auch eine .technische" Definition für die Zwecke des Geltungsbereichs der einzelnen Kapitel verwandt). Im juristischen Sinn muß als internationaler Flug jeder rechtmäßige Flug betrachtet werden, bei dem sich die geplante Flugroute und die vorgesehene Landung im Luftraum und auf dem Gebiet eines anderen Staates als dem Register- oder Nutzerstaat des Luftfahrzeugs befinden. Die Einführung des Begriffs .Nutzerstaat" in die Definition des internationalen Fluges ist für die Fälle erforderlich, in denen das Luftfahrzeug an die Luftfahrtgesellschaft eines ausländischen Staates vermietet wird, die das Flugzeug nach ihrem Ermessen auf innerstaatlichen oder internationalen Flugrouten einsetzt. Im Völkerrecht und im nationalen Recht existiert eine offensichtliche Lücke, inwieweit die Flüge von Raketen, Weltraumgeräten und Luftkissenfahrzeugen bei der Überschreitung von Grenzen eines ausländischen Staates zur Kategorie der internationalen Flüge gerechnet werden können. Nicht selten wird auch die Möglichkeit bezweifelt, den Begriff .internationaler Flug" auf nichtsanktionierte Einflüge ungelenkter Luftfahrzeuge in ausländisches Territorium anzuwenden. Jedoch erfordert die Notwendigkeit, eine angemessene Rechtsordnung im Luftraum zu errichten und die internationale Gesetzmäßigkeit zu gewährleisten, daß alle Flüge in diesem Raum rechtlich qualifiziert werden sollten. Im Interesse der Achtung der vollen und ausschließlichen Souveränität der Staaten auf ihrem Territorium ist es erforderlich, die Bewegung jeglichen Fluggeräts über die Grenze eines ausländischen Staates als internationalen Flug anzuerkennen. 9
Siehe Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. I, Anhänge 2, 3, 4.
2. Völkerrechtliche Aspekte interner Flüge
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2. Völkerrechtliche Aspekte interner Flüge Die unumschränkte Machvollkommenheit des Staates innerhalb seines Territoriums setzt voraus, daß der Staat selbst über seine internen Angelegenheiten entscheidet, in die sich kein anderer Staat (oder Staatengruppe) einmischen darf. Dies macht das Wesen des allgemein anerkannten Prinzips der Nichteinmischung aus. Zu den inneren Angelegenheiten gehören auch diejenigen, die sich auf die Regelung von Flügen beziehen, die gänzlich innerhalb der Grenzen des Staatsterritoriums ausgeführt werden. Solche Flüge sind in zwei Kategorien einzuteilen. Zur ersten gehören die Flüge, die von den Subjekten des nationalen Rechts des betreffenden Landes und zu Zwecken durchgeführt werden, die auf sein Staatsgebiet begrenzt sind. Zur zweiten Kategorie gehören die inneren Flüge, die vollständig (Arbeiten auf vertraglicher Grundlage) oder zum Teil (Verpachtung eines Luftfahrzeugs mit Besatzung) durch ausländische juristische oder natürliche Personen durchgeführt werden. Jedoch ist das internationale Element real oder fiktiv bei jedem inneren Flug vorhanden. In vielem erklärt sich dies durch das Spezifikum des Luftraums selbst. Weil es in ihm keine natürlichen Grenzen und Hindernisse gibt, können Flugapparate absichtlich oder zufällig auf ausländisches Territorium geraten. Die Festigung des völkerrechtlichen Prinzips der Achtung der vollen und ausschließlichen Souveränität der Staaten in ihrem souveränen Luftraum garantiert nicht per se, daß keine Verletzung der staatlichen Grenzen durch Flugapparate vorkommt. Derartige Verletzungen finden ständig statt, und sie haben, wie die Praxis beweist, eine steigende Tendenz. Dies kann darin eine Erklärung finden, daß einzelne westliche Länder die nationale Souveränität anderer Staaten offen mißachten, die Zahl der Verbrechen ansteigt, in einigen Gebieten besondere internationale Umstände herrschen und daß sich auch zufällige Faktoren auswirken (Abweichungen von der Route infolge der meteorologischen Bedingungen usw.), deren Wahrscheinlichkeit sich mit dem Anwachsen der Art und Zahl von Fluggerät erhöht. Die Achtung der Souveränität eines anderen Staates muß sowohl in unmittelbaren Handlungen (Unterlassungen), als auch in der regulativen Sphäre erkennbar werden. Dies bedeutet, daß bei der Planung und Organisation von innerstaatlichen Flügen besondere Aufmerksamkeit der Unzulässigkeil des Einflugs von Fluggerät in ausländischen Luftraum gewidmet werden muß. In der Regel wird dieses Ziel durch Handlungen unterhalb der Gesetzesebene erreicht, insbesondere durch Bedingungen für die Planung eines innerstaatlichen Fluges. Jedoch existiert eine echte Notwendigkeit, die völkerrechtlichen Normen weiter zu kodifizieren und entsprechende Normen des nationalen Rechts zu entwickeln. Das Gesagte bezieht sich auf die gewöhnlichen, geplanten Bedingungen eines Fluges, die durch seinen funktionalen Zweck bestimmt werden. Eine 7 Maleev
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
andere Gruppe von Normen des Völkerrechts und des nationalen Rechts ist für die Anwendung in außergewöhnlichen Umständen gedacht, die sich im Verlaufe eines gewöhnlichen innerstaatlichen Fluges ergeben und die zu einer Verletzung der Grenze eines ausländischen Staates führen: Notfälle, Abkommen von der Flugroute wegen der Wetterbedingungen usw. Schließlich bezieht sich eine dritte Gruppe von einschlägigen Normen auf Fragen der Gewährleistung der Sicherheit der innerstaatlichen Flüge in technischer und sozialer Beziehung. Das Völkerrecht regelt praktisch die technischen Aspekte solcher Flüge nicht. Zu den wenigen Normen, die auf diesem Gebiet existieren, ist Art. 3 Abs. d des Chicago-Abkommens zu rechnen, der folgendes vorsieht: .,Die Vertragsstaaten verpflichten sich, bei dem Erlaß von Vorschriften für ihre Staatsluftfahrzeuge auf die Sicherheit des Verkehrs der Privatluftfahrzeuge gebührend Rücksicht zu nehmen." Die Tatsache, daß in dem genannten Artikel die traditionelle Formel "Luftfahrzeuge, die in der internationalen Luftfahrt eingesetzt sind" oder ähnliche Formulierungen fehlen, erlaubt es zu vermuten, daß es sich hier generell um alle Luftfahrzeuge handelt, unabhängig davon, ob sie innerstaatliche oder internationale Flüge durchführen. Und dies ist gerechtfertigt, weil der Luftraum einheitlich ist und ein Luftfahrzeug, das einen innerstaatlichen Flug durchführt, sich plötzlich auf einer internationalen Luftroute und innerhalb eines ausländischen Staates befinden kann, was zum Auftauchen eines internationalen Elements führt. Die offensichtliche oder, öfter, implizite Existenz eines solchen Elements bei einem innerstaatlichen Flug müßte die Staaten veranlassen, diese Frage im Völkerrecht materiellrechtlich zu regeln. Jedoch ist dies bis heute nicht geschehen, ungeachtet der zahlreichen Fälle einer Gefährdung der Sicherheit ausländischer Luftfahrtgeräte durch - nicht unbedingt staatliche Luftfahrzeuge und andere Geräte, insbesondere Raketen, die sich auf einem innerstaatlichen Flug befinden. Einen gesellschaftlichen Aspekt tragen die Fragen des Kampfes gegen Flugzeugentführungen und andere Akte einer ungesetzlichen Einmischung in die Zivilluftfahrt bei innerstaatlichen Flügen. Die geltenden Übereinkommen auf dem Gebiet des Kampfes gegen solche Akte (Tokyo 1963, Den Haag 1970 und Montreal1971) werden nur dann angewandt, wenn sich der Ort des Starts oder der faktischen Landung eines Luftfahrzeugs, in dem das Verbrechen begangen wurde, außerhalb des Territoriums des Registerstaates befindet, d. h. ihre Geltung erstreckt sich nicht auf "rein" innerstaatliche Flüge. Der Anhang 17 zum Haager Abkommen, der empfehlende Regeln enthält, ist ebenfalls nur auf internationale Flughäfen anwendbar. Jedoch werden Flugzeuge in der Mehrheit der Fälle gerade auf innerstaatlichen Flügen entführt, und die genannten Konventionen werden unabhängig davon angewandt, ob sich das Luftfahrzeug auf einem internationalen
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oder innerstaatlichen Flug befand, bevor es jenseits der Grenzen des Territoriums des Registerstaates geriet. Daher kann das Ergreifen von Sicherheitsmaßnahmen durch die Staaten ein internationales Element bei innerstaatlichen Flügen hervorrufen (oder im Gegenteil ausschließen). Dies kann nicht als Begründung dafür dienen, die Existenz einer völkerrechtlichen Verpflichtung der Staaten zu bekräftigen, die .gesellschaftliche" Sicherheit aller innerstaatlichen Flüge zu gewährleisten. Offenkundig ist diese Verpflichtung bezüglich aller geplanten internationalen Flüge und auch derjenigen innerstaatlichen Flüge, die faktisch, infolge einer Entführung, zu internationalen werden. Das internationale Element ist vorhanden bei inneren Flügen, die mit einem Luftfahrzeug über dem Territorium des Verpächterstaates durchgeführt werden. Es geht darum, daß Luftfahrzeuge eine .Nationalität" besitzen, und im internationalen Luftrecht gilt das Prinzip der Verantwortlichkeit des Registerstaates. Deshalb schafft sein Einsatz für innerstaatliche Flüge im Staat des Pächters für die gesamte Periode der Verpachtung des Luftfahrzeugs nicht selten Streitfragen über die Verteilung der Rechte, Pflichten und Haftung auf beiden Seiten. Im Rahmen der ICAO sind Versuche unternommen worden, diese Probleme durch die Aufnahme eines ergänzenden Art. 83 bis in das Chicago-Abkommen zu lösen, nach welchem dem Registerstaat das Recht gewährt wird, seine Zuständigkeiten für das Luftfahrzeug (ausgenommen das Eigentumsrecht) an den Nutzerstaat zu delegieren. Natürlich ist der Übergang der Registrierung oder ein Verkauf des Luftfahrzeugs möglich, aber angesichts der realen Gefahr für den Eigentümer, seinen Rechtstitel zu verlieren, wird diese Lösung selten gewählt, falls damit gerechnet wird, das Luftfahrzeug zurückzuerhalten. Das Chicago-Abkommen verbietet jedoch nicht die entgeltliche Nutzung ausländischer Luftfahrzeuge für andere Zwecke als die entgeltliche Beförderung. In dieser Hinsicht muß erwähnt werden, daß Arbeiten unter Verwendung von Luftfahrzeugen an den Grenzen rechtmäßig sind. Die dabei durchgeführten innerstaatlichen Flüge enthalten auch ein internationales Element. Insgesamt können die völkerrechtlichen Aspekte innerstaatlicher Flüge Gegenstand einer fortschrittlichen Entwicklung und Kodifizierung der Normen des internationalen Luftrechts sein.
3. Grundlagen der Durchführung internationaler Flüge
Internationale Flüge sind ihrem Inhalt nach keine Tätigkeit im Luftraum. In der Mehrzahl der Fälle sind sie eine der Formen der Verwirklichung des souveränen Rechts der Staaten auf auswärtige Beziehungen. Auf praktischer
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Ebene sind sie ein Mittel zur Befriedigung von Interessen (Ausführung von Tätigkeit), wie Lufttransport, Aviationsarbeiten, wissenschaftliche Forschung, Erprobung von Fluggerät, Arbeitstreffen in einem ausländischen Staat usw. Internationale Flüge werden auch im Interesse von privaten juristischen und natürlichen Personen (Bürgern) durchgeführt. Die Beteiligung unterschiedlicher Rechtssubjekte an internationalen Flügen schafft gewisse theoretische Meinungsverschiedenheiten, vor allem beim Verständnis der juristischen Natur des .Rechts auf internationalen Flug". Bevor in der juristischen Literatur die Diskussion über diese Frage auftauchte, erwies es sich jedoch als notwendig, die Grundlagen für die Durchführung internationaler Flüge juristisch zu erarbeiten, die zu Beginn unseres Jahrhunderts schon ein realer Faktor geworden waren. Die episodenhaften Flüge dieser Art verliefen in einem völkerrechtlichen Vakuum, was die Grundlagen und Bedingungen ihrer Durchführung angeht. Auf zwischenstaatlicher Ebene wurden (mit einigen Ausnahmen) nur Streitigkeiten entschieden, die hinsichtlich der Landung von Luftfahrzeugen auf ausländischem Territorium entstanden waren. Gleichzeitig unternahmen die Staaten aktiv Versuche, Normen für das Recht auf Überflug auszuarbeiten, die auf das noch nicht kodifizierte Prinzip der vollen und ausschließlichen Souveränität über ihren Luftraum, über ihr Festland- und Gewässerterritorium gegründet wurden. Diese Versuche wurden bereits auf den Friedenskonferenzen von 1889 und 1907 unternommen und in der Folgezeit auf der Internationalen Luftfahrtkonferenz von 1910 sowie auf der Pariser Konferenz von 1919. Dabei wurden auf der letztgenannten die Grundlagen des internationalen Luftrechts und eines seiner grundlegenden Institute, des Rechts der internationalen Flüge, gelegt. In diese Periode gehört die Verabschiedung nationaler Gesetzgebungsakte, die einzelne Fragen des Aufenthalts ausländischer Luftfahrzeuge auf dem staatlichen Territorium regeln. Die Tatsache, daß die erste Regelung einzelner Fragen internationaler Flüge durch die nationale Gesetzgebung erfolgte, beweist nicht die nationalrechtliche Natur des Instituts des Rechts der internationalen Flüge. Bis zu jener Zeit trugen solche Flüge einen zufälligen und oftmals unabsichtlichen Charakter, und es war nur natürlich, daß es keine ausreichende Begründung für die Entstehung dauerhafter internationaler Beziehungen auf dem Gebiet der internationalen Flüge gab. Als aber offensichtlich wurde, daß die Luftfahrt als Mittel der Außenverbindungen der Staaten untereinander aktiv genutzt werden konnte, gingen die Fragen der rechtlichen Regelung internationaler Flüge ziemlich schnell in den Bereich zwischenstaatlicher Beziehungen über. Zu diesen Fragen tauschten im Jahre 1913 Jules Cambon, der Botschafter Frankreichs in Berlin, und von Jagov, Staatssekretär der Reichskanzlei für auswärtige Beziehungen Deutschlands, Noten aus, welche das
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Überfliegen der Grenzen dieser Länder durch französische und deutsche Flugzeuge betraf. In demselben Jahr 1913 führten die Vereinigten Staaten Verhandlungen mit Kanada und Mexiko mit dem Ziel, eine Konvention über internationale Flüge auszuarbeiten. Diplomatische Verhandlungen gingen auch den Versuchen voraus, Flüge zwischen Paris und Kairo im Jahre 1913 zu organisieren. 10 Bis zur Annahme der Pariser Konvention von 1919 bildete sich eine feste und eindeutige Praxis für die Entscheidung von Fragen der Zulassung ausländischer Luftfahrzeuge zum staatlichen Territorium und über die Grundlagen internationaler Flüge auf zwischenstaatlicher Grundlage (Vertrag, spezielle Erlaubnis). Die von einzelnen Wissenschaftlern unternommenen Versuche, das Prinzip der .Freiheit der Luft" im staatlichen Luftraum zu begründen, das als Recht der Freiheit des Überfluges verstanden wurde, trugen nur den Charakter vorbereitender, doktrinären Ausarbeitungen zu einer Frage, die letztendlich auf diplomatischen Konferenzen oder in zwischenstaatlichen Verhandlungen entschieden wurde, d. h. wiederum zwischen souveränen Staaten. Nichtsdestoweniger gab es in der Vergangenheit und gibt es in der Gegenwart einzelne Fälle, in denen Abkommen über den Luftverkehr zwischen Staaten und Luftfahrtgesellschaften abgeschlossen werden. Bis zum Zweiten Weltkrieg war diese Praxis besonders in den Beziehungen zwischen der amerikanischen Luftfahrtgesellschaft "Pan American" und lateinamerikanischen sowie den Ländern verbreitet, 11 welche zu jener Zeit noch nicht über eine eigene Luftfahrt verfügten. Eine ähnliche Politik verfolgten vor dem Zweiten Weltkrieg die Regierungen des faschistischen Italien und HitlerDeutschlands sowie einiger anderer Länder. A. N. Verescagin analysierte diese Abkommen und rechnete sie zutreffend zur Kategorie der Konzessionen für die Nutzung von Luftlinien, die der ausländischen Luftfahrtgesellschaft gewährt worden sindP Diese Bewertung der Konzessionsverträge ist völlig richtig. Aber die juristische Natur der Konzession trägt keinen völkerrechtlichen Charakter. Der Konzessionsakt hat, wie V. N. Durdenevskij bemerkte, die .,Bedeutung einer speziellen Legitimierung, welche einen besonderen Rechtsstatus für den Konzessionär schafft und ein Akt des innerstaatlichen Rechts ist." 13 Jedoch wurden die Konzessionen von Ländern eingeräumt, die zur damaligen Zeit nicht über eigene Luftfahrzeuge verfügten und oft nicht in der Lage waren, auch nur die internen Transporte 10 11
Siehe I. S. Pereterskij, Vozdusnoe pravo, Moskva 1922, S. 8-10. Siehe 0. J. Lissytzyn, International Air Transport and National Policy, New York
1942.
Siehe A. N . Verescagin (Fn. 1, Kapitel II), S. 49-53. V. N. Durdenevskij, Koncessija i Konvencija morskogo Sueckogo kanala v prosiom i nastojascem, in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo 1956, No. 10, S. 29. 12
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zu organisieren. Bei der Planung ihrer expansionistischen Luftfahrtpolitik berücksichtigten die imperialistischen Mächte daher die Tatsache, daß die Entwicklungsländer die für sie rein theoretische Frage nicht aufwerfen würden, gegenseitige Privilegien für die Durchführung internationaler Flüge zu erhalten. Was die Beziehungen zwischen dem Staat, der die Konzession gewährt, und der Luftfahrtgesellschaft als Konzessionär angeht, so sind sie das Gegenteil von Beziehungen zwischen Souveränen, unter denen allein Fragen der Verwirklichung des .Rechts auf internationalen Flug" entschieden werden. Auch heute noch ist die Schlußfolgerung der Völkerrechtskommission gerechtfertigt, die sie auf ihrer 11. Sitzung im Jahre 1959 zog.•Ein Vertrag, bei dem nur einer der Beteiligten ein Staat- oder ein anderes Völkerrechtssubjekt, welches das Recht besitzt, internationale Verträge abzuschließen- ist und der andere eine natürliche oder juristische Privatperson, ist niemals ein völkerrechtlicher Vertrag oder ein völkerrechtliches Abkommen, wie sehr er auch äußerlich einem solchen ähnlich sein mag" .14 Die Fragen der Anwendung von Konzessionsabkommen sind in der heutigen Zeit nur von theoretischem Interesse, weil alle regulären internationalen Luftfahrtabkommen in der Regel unmittelbar als zwischenstaatliche Abkommen geschlossen werden. Auch die manchmal anzutreffende Staatenpraxis der einseitigen Gewährung des Privilegs von Linienflügen durch eine vorübergehende Erlaubnis ohne Abschluß eines Abkommens liegt im Rahmen der Beziehungen zwischen zwei Souveränen, weil diese Praxis stets auf einer Übereinstimmung zwischen den Staatsorganen der betroffenen Länder beruht. Art. 6 des Chicago-Abkommens sieht vor: .Planmäßiger internationaler Fluglinienverkehr über oder in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates darf nur mit der besonderen Erlaubnis oder einer sonstigen Ermächtigung dieses Staates und nur in Übereinstimmung mit den Bedingungen dieser Erlaubnis oder Ermächtigung betrieben werden." Unter .Erlaubnis oder Ermächtigung" muß jede positive Willensäußerung des Staates verstanden werden, sei es im Rahmen eines multilateralen Abkommens (wie z. B. die Vereinbarung über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr von 1944), eines bilateralen Luftverkehrsabkommens oder in der Form einer einseitigen Erlaubnis. Das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983 sieht vor, daß Flüge ausländischer Luftfahrzeuge durch den Luftraum der UdSSR nur aufgrundund in Übereinstimmung mit den Bedingungen internationaler Verträge der UdSSR oder ordnungsgemäß erteilten Sondergenehmigungen für einmalige Flüge durchgeführt werden dürfen (Art. 68). Bezüglich der Grundlage für die 14
Doklad Komissii mezdunarodnogo prava o rabote ee XI sessii, New York 1959,
S. 17.
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Durchführung internationaler Flüge von zivilen Luftfahrzeugen der UdSSR beschränkte sich der Gesetzgeber auf folgende Formulierung: .mit einer ordnungsgemäßen Erlaubnis des Ministeriums für die Zivilluftfahrt" (Art. 67). Für die Entstehung des Rechts auf einen Flug über einem ausländischen Staat ist das klar ausgedrückte Einverständnis des letzteren mit diesem Flug aufgrund eines internationalen Vertrages oder einer speziellen Erlaubnis erforderlich. Der theoretische Hintergrund dieser unterschiedlichen Ansätze bezüglich des normativen Inhalts der genannten Bestimmungentrotz der Gemeinsamkeit des Gegenstands hängt damit zusammen, daß im Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR die Grundlagen und Bedingungen für die Verwirklichung des Rechts eines ausländischen Staates auf Flug seiner Luftfahrzeuge im Luftraum der UdSSR unter Berücksichtigung des Souveränitätsprinzips definiert sind. Die Kodifizierung des Erlaubnisvorbehalts in einem allgemeinen, multilateralen Vertrag universellen Charakters (Art. 6 des Chicago-Abkommens) spiegelt nur die allgemeine Staatenpraxis wider, die dem Prinzip der vollen und ausschließlichen Souveränität entspricht. Und umgekehrt, der Gesetzgeber kann nicht in einem Gesetz die Grundlagen und Bedingungen der Ausführung von Flügen .seiner" Luftfahrzeuge im Luftraum eines ausländischen Staates bestimmen. Im gegenteiligen Fall würde eine Gesetzgebungsnorm für andere Länder erlassen werden, was einen Anschlag auf ihre Prärogative darstellen würde, die Grundlagen für die Realisierung des Rechts ausländischer Staaten auf internationalen Flug als Mittel der Verwirklichung seines nichtvertraglichen Rechts auf internationale Beziehungen zu bestimmen, soweit das eigene Staatsgebiet betroffen ist. In diesem Sinn muß die Norm des Art. 67 des Luftrechtsgesetzbuchs von 1983 (zivile Luftfahrzeuge der UdSSR führen internationale Flüge mit Erlaubnis des Ministeriums für Zivilluftfahrt der UdSSR aus) als ein Fall der Rechtsanwendung betrachtet werden, wobei es zu beachten gilt, daß diese Flüge (und Genehmigungen des Ministeriums für Zivilluftfahrt) in der absoluten Mehrheit der Fälle nur rechtmäßig sein können, wenn dem betreffenden ausländischen Staat ein Privileg auf Durchführung derartiger Flüge eingeräumt wird. Allgemeine Grundlagen für die Durchführung internationaler Flüge sind also internationale Verträge und Sondergenehmigungen, die von dem zulassenden Staat in dem von ihm festgesetzten Verfahren erteilt werden. Aber auch im letztgenannten Fall gibt es in der einen oder anderen Form Beziehungen zwischen zwei Souveränen. Hier sind an erster Stelle die Beziehungen zwischen ausländischen juristischen oder natürlichen Personen und bevollmächtigten Organen des gestattenden Staates zu nennen. Aber ein ausländisches Rechtssubjekt kann rechtmäßig vom Territorium des gestattenden Staates aus nur mit Erlaubnis der zuständigen Organe des letzteren
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in Übereinstimmung mit den Erfordernissen seiner Gesetzgebung abfliegen. Die Möglichkeit selbst eines rechtmäßigen Fluges in ausländisches Territorium setzt also eine Willenserklärung der zuständigen Organe des gestattenden Staates voraus, der auf diese Organe das Recht delegiert, die Verfahrensfragen des Fluges von seinem Hoheitsgebiet aus in das ausländische Territorium zu entscheiden. Dieses Verfahren spiegelt die Allzuständigkeit des Staates auf seinem Territorium wider und steht mit dem Recht auf auswärtige, grenzüberschreitende Beförderungen im Zusammenhang, das allein dem Staat zukommt. Dies hängt damit zusammen, daß sich in der Gegenwart der internationale Verkehr und der gemeinsame Wille der Staaten, welcheVoraussetzungund Grundlage des modernen Völkerrechts ausmachen, der juristischen Autonomie der souveränen Staaten entgegenstellen. Daher verwirklichen die Staaten in den internationalen Beziehungen durch die gegenseitige Zulassung zum Staatsgebiet des anderen das Prinzip der souveränen Gleichheit, das kein vertragliches Prinzip, sondern einem jeden Staat als Völkerrechtssubjekt inhärent ist. Im Unterschied zu den Subjekten des innerstaatlichen Rechts, die im Prinzip nur mit Billigung des Staates in äußere Beziehungen eintreten können, schafft die Souveränität selbst das Recht auf auswärtigen Verkehr und auswärtige Verbindungen für den Staat. Ohne näher insbesondere auf die Konzeption der ,.Grundrechte" der Staaten eingehen zu wollen, möchten wir bemerken, daß die Bewertung des Inhalts des staatlichen, aus der Souveränität fließenden Rechts auf auswärtigen Verkehr (internationale Flüge), das dem normativen Stadium seiner Verwirklichung durch Verträge und Erlaubnisse vorausgeht, eine feste theoretische Begründung in der sowjetischen Völkerrechtsdoktrin hat. S. V. Cernicenko stellte fest, daß das Recht des Staates auf Außenverkehr erstens ,.souverän" ist und zweitens ein Element der allgemeinen Rechtsfähigkeit des Staates darstellt, die im Rahmen der Rechtsbeziehungen verwirklicht werden kann. In ihren Außenbeziehungen bis zum Eintreten in die normschöpferische Phase, schreibt S. V. Cernicenko, .stützen sich die Staaten auf das von ihnen gegenseitig anerkannte Recht, miteinander internationale Verträge abzuschließen, die ein untrennbares Element ihrer Souveränität sind. Diese Anerkennung schafft kein solches souveränes Recht, wie auch das Völkerrecht nicht die Souveränität selbst schafft. Diese Anerkennung gibt dem Recht den juristischen Charakter und verwandelt es in ein Element der Rechtsfähigkeit des Staates in der internationalen Sphäre bzw. in eine äußerst wichtige Erscheinung der Völkerrechtsfähigkeit der Staaten." 15 15 s. V. Cernicenko, Juridiceskie fakty i mezdunarodnye pravootnosenija, in: Sovetskii ezegodnik mezdunarodnogo prava 1983, Moskva 1984, S. 95.
3. Grundlagen der Durchführung internationaler Flüge
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Für die Subjekte des innerstaatlichen Rechts ist die normschöpferische Phase sowohl mit dem Erhalt des Rechts auf Beziehungen zu Subjekten des ausländischen Rechts als solchem als auch mit dem normativen Rahmen seiner Verwirklichung verbunden. Für Staaten ist in dieser Hinsicht ein zweites Element notwendig. Der westdeutsche Jurist A. Meyer führte einerseits aus, daß das Prinzip der Souveränität nicht dazu führen darf, daß die Staaten sich völlig voneinander abkapseln und den Luftraum vollständig schließen. Andererseits äußerte er große Zweifel an der Existenz eines .,Grundrechts auf Verkehr", das nach seiner Meinung die Grundlage dafür bietet, die .Freiheit des Luftverkehrs" zu beanspruchen. 16 Hier werden ganz offensichtlich verschiedene Phasen der Geltung des Rechts der Staaten auf internationale Flüge vermengt - des Rechts in der vornormativen Phase und des Rechts im Rahmen entstandener Rechtsbeziehungen. Die Existenz des souveränen Rechts auf derartige Flüge für sich allein schafft nur die Verpflichtung des anderen Souveräns, dieses Recht in seiner vornormativen Bedeutung zu achten, bedeutet jedoch nicht die automatische Verwirklichung dieses Rechts, ohne auf das normativ-einvernehmliche Stadium einzugehen. (Eine mögliche Ausnahme existiert nur bezüglich der automatischen Geltung des Rechts auf die Herstellung des Kontakts zum Zwecke der Verwirklichung des Rechts auf Außenverbindungen. Diese Etappe zu vermeiden ist unmöglich). Ein anderer westdeutscher Jurist, J. Bentzien, der die von A. Meyer geäußerten Überlegungen weiterentwickelte, schreibt: .,Aber auch dann, wenn man ein Grundrecht ,auf Verkehr' anerkennen würde, ist es unbestritten, daß das Ausmaß und die nähere Ausgestaltung eines zwischenstaatlichen Verkehrs nach Belieben geregelt werden können und stets geregelt worden sind, d. h. vom positiven Völkerrecht abhängen." 17 Der letzte Teil des angeführten Zitats entspricht der Lage in dem vorliegenden Bereich. Aber was das Recht der Staaten auf internationalen Flug angeht, muß man berücksichtigen, daß in der normativen Phase nicht nur das .,Ausmaß und die nähere Ausgestaltung" vom positiven Recht abhängen, sondern auch die Möglichkeit selbst, ein ihm korrespondierendes Privileg zu erhalten, solange dieses Recht als Ergebnis der Wirkung proprio vigore (aus eigener Kraft) nicht die Form einer Gewohnheit annimmt (friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer, Durchflug von Weltraumgeräten durch den Luftraum der Staaten u. a.). Die Verpflichtung, das souveräne Recht eines Staates auf internationalen Verkehr zu achten, bedeutet nicht die Existenz der Verpflichtung eines anderen Staates, auf seinem Territorium ausländische Luftfahrzeuge und andere Transportmittel in jedem Falle zuzulassen. Das genannte Recht eines 16 17
Siehe A. Meyer, Freiheit der Luft als Rechtsproblem, Zürich 1944, S. 117. J. F. Bentzien (Fn. 18, Kapitel li), S. 10.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Staates kann in der Praxis nur unter Berücksichtigung des Prinzips der vollen und ausschließlichen Souveränität des anderen Staates im nationalen Luftraum im Rahmen eines Erlaubnisvorbehalts realisiert werden. Die Versuche westlicher Autoren, die Idee von Hugo Grotius wiederzubeleben, daß es ein Völkerrecht auf Kommunikation zwischen allen Staaten ohne die Notwendigkeit des Abschlusses spezieller Abkommen gibt, erwiesen sich als erfolglos.18 In den Beziehungen untereinander führen die Staaten Absprachen über die Fragen der Verwirklichung des ihnen eigenen Rechts auf internationale Flüge herbei. Diese Fragen betreffen die Grundlagen und Bedingungen der Durchführung eines internationalen Fluges auf das Territorium eines ausländischen Staates. Mit anderen Worten, es geht um die Gewährung eines Privilegs (einer Vergünstigung). Die Verwendung des Begriffs .Recht" für solche Fälle in internationalen Verträgen erklärt sich lediglich durch die Tradition. Ein Recht auf internationalen Flug besitzt nur der Staat, dessen Luftfahrzeug den Flug ausführt. Diese Lage wird noch dadurch verstärkt, daß ausnahmslos alle Luftfahrzeuge der Registrierung in einem Staat unterliegen, wodurch sie die Staatszugehörigkeit dieses Staates erlangen (Art. 17 des Chicago-Abkommens). Keine juristische oder natürliche Person kann aus sich heraus ein derartiges impliziertes Recht auf internationalen Flug besitzen, da sie rechtmäßig nur mit Wissen oder im Auftrag der Staatsorgane mit einem internationalen Element in Beziehung treten können. Dies geschieht durch einen Akt der staatlichen Verwaltung, durch den der Staat faktisch und juristisch die Ausführung des ihm eigenen Rechts und des von einem anderen Staat erhaltenen Privilegs auf internationalen Flug delegiert. Obgleich der akzeptierende Staat das entsprechende Privileg auf internationalen Flug dem anderen Staat gewährt, wird praktisch die konkrete Verwirklichung des Fluges des ausländischen Luftfahrzeugs in dem Territorium des akzeptierenden Staates und seines Aufenthaltes in diesem Staat natürlichen und juristischen Personen (Organisationen) auferlegt, weil die eigentliche, rechtliche Regelung immer individuell ist. Dabei muß das Prinzip der vollen und ausschließlichen Souveränität des Staates in den Grenzen seines Territoriums (einschließlich des nationalen Luftraums) beachtet werden, was die Existenz einer Genehmigung des akzeptierenden Staates zum Einflug in sein Territorium voraussetzt. Das Institut des Rechts auf internationalen Flug ist seiner Natur nach dualistisch: das Recht eines Staates auf Außenverkehr koexistiert mit dem Prinzip der Souveränität eines anderen Staates in den Grenzen seines Territoriums. Davon ausgehend behauptet der bekannte argenUnisehe Völkerrechtler
E. Ferreira, dessen Konzeption oft, besonders in den Ländern Lateinamerikas 18
Siehe J. C. Cooper (Fn. 17, Kapitel 1), S. 10.
3. Grundlagen der Durchführung internationaler Flüge
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.argentinische Doktrin des internationalen Luftrechts" genannt wird, zutreffend, daß sowohl das Recht der internationalen Flüge als auch das Recht der internationalen Beförderungen keine vertraglichen Rechte sind, sondern potentiell allen Staaten in gleichem Maße zustehen. Die gegenteilige Auslegung würde die Anerkennung einer Ungleichheit zwischen den Staaten bedeuten und widerspräche den Bestimmungen des Chicago-Abkommens.19 Indem Ferreira den Begriff .potentiell" verwendet, transponiert er offenbar die Frage in den Bereich derjenigen staatlichen Rechte, die aus der Souveränität hervorgehen. Ein solcher Standpunkt entspricht nicht den expansionistischen Bestrebungen der imperialistischen Mächte. Aus diesem Grunde lehnen einzelne westliche Juristen die .argentinische Doktrin" ab und versuchen, die Frage des Rechts der internationalen Flüge ausschließlich zum Inhalt des objektiven Rechts zu machen, wobei sie dessen Prinzipien, die das gleiche Recht auf Außenbeziehungen widerspiegeln, ignorieren. Die juristische Gleichheit der Staaten (gleiche Rechtfsfähigkeit) kann zweifellos nicht die Gleichheit bei der Verwirklichung des Rechts auf internationale Flüge (Beförderungen) im Sinne eines .gleichen Anteils" an ihrer Durchführung bedeuten (gleiche Handlungsfähigkeit). Hier hängt viel von der Entwicklungsstufe der Luftfahrt in dem konkreten Land und von einer Reihe anderer Faktoren ab. Zu Anfang unseres Jahrhunderts hüllte sich die Völkerrechtsdoktrin über die gleiche Rechtsfähigkeit der Staaten im Bereich der internationalen Flüge praktisch in Schweigen. Das System universeller Abkommen (einschließlich der Pariser Konvention von 1919), welche die Interessen der imperialistischen Länder, der Siegermächte des Ersten Weltkriegs, zum Ausdruck brachte, lenkte scheinbar die Entwicklung des objektiven Rechts in die Richtung einer strengen normativen Regelung sogar des Rechts der Staaten auf internationalen Flug selbst und nicht nur seiner Grundlagen und Bedingungen. Parallel dazu bahnte sich das .unmittelbar gesellschaftliche" Recht der Staaten auf Außenverbindungen den Weg und zerstörte die im Interesse der Siegerstaaten künstlich geschaffenen Normen, denen nur ein kurzes Leben beschieden war. Das den Staaten eigene Recht auf internationale Flüge ist nicht aus sich selbst heraus die juristische Grundlage für die Durchführung dieser Flüge. Solche Grundlagen entstehen in normativer Form von internationalen Verträgen und durch Entscheidungen der Organe der Staatsmacht Die hier ausgesprochenen Überlegungen bezüglich der juristischen Grundlagen für die Durchführung internationaler Flüge sind im wesentli19 Siehe E. Ferreira, La Doctrina Argentina en derecho internacional aereo. Balance a los 23 anos de su aparicion, Buenos Aires 1971.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
chen nur im Hinblick auf Flüge auf ausländischem Territorium anwendbar. Im offenen Luftraum wird die Durchführung solcher Flüge (genauer der Teile ihrer Routen jenseits der Grenzen des Staatsgebietes) einerseits auf das souveräne Recht der Staaten gegründet, an den internationalen Beziehungen teilzunehmen, und andererseits auf die Rechtslage dieser räumlichen Sphäre, in der das Prinzip der Freiheit der Flüge gilt, über dessen Inhalt oben gesprochen wurde. Das Gesagte ist insgesamt nicht nur auf Luftfahrzeuge anwendbar, sondern auch auf andere Flugkörper. Darum können die Starts aller Arten von Raketen, deren Flugbahnen über das Territorium eines ausländischen Staates verlaufen, nur mit dem durch Abschluß eines entsprechenden Vertrages oder die Erteilung einer Erlaubnis klar ausgedrückten Einverständnis des letzteren durchgeführt werden. 4. Bedingungen für die Durchführung internationaler Flüge Die Beachtung der Bedingungen, denen internationale Flüge gerecht werden müssen, ist die wichtigste Garantie des Rechtsregims, sowohl des souveränen als auch des offenen Luftraums. Sie eröffnet erst die Möglichkeit, das Recht auf internationalen Flug zu nutzen und die Nichterfüllung der Bedingungen zieht die Verantwortlichkeit des Rechtsverletzers nach sich. Das Vorhandensein einer Grundlage für die Durchführung eines internationalen Fluges (Vertrag, Erlaubnis) allein reicht nicht aus, damit der Flug begonnen werden kann. Die Staaten setzen in ihren bilateralen Abkommen und in der nationalen Gesetzgebung detaillierte Regeln für das Überfliegen der Staatsgrenze, die Flugrouten, die Flugregeln und Ort der Landung usw. fest. Einige allgemeine Bestimmungen über diese Fragen bezüglich des staatlichen Territoriums sind im Chicago-Abkommen von 1944 enthalten. So bestimmt Art. 11, der das souveräne Recht der Staaten bestätigt, alle Fragen zu regeln, die sich auf Flüge innerhalb ihres Staatsgebiets beziehen: ..... Es sind die Gesetze und Vorschriften eines Vertragsstaates über den Ein- und Ausflug der in der internationalen Luftfahrt eingesetzten Luftfahrzeuge nach oder aus seinem Hoheitsgebiet oder über den Betrieb und den Verkehr dieser Luftfahrzeuge innerhalb seines Hoheitsgebiets auf die Luftfahrzeuge aller Vertragsstaaten ohne Unterschied der Staatszugehörigkeit anzuwenden; sie sind von diesen Luftfahrzeugen beim Einflug, Ausflug und innerhalb des Hoheitsgebiets dieses Staates zu befolgen." Zweifellos existiert eine prinzipielle Notwendigkeit, daß die genannten Regeln in allen Staaten identisch sind. Jedoch ist das Erreichen dieses Ziels ein äußerst schwieriger Prozeß, weil auf die Entscheidung dieser Frage
4. Bedingungen für die Durchführung internationaler Flüge
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verschiedene politische, wirtschaftliche und militärische Interessen der Staaten, das unterschiedliche Niveau ihrer technischen Entwicklung sowie die Differenzen der nationalen Rechtssysteme in den allgemeinen Fragen des Aufenthalts von Ausländern und ausländischen Gegenständen auf ihren Territorien sowie bei der praktischen Regelung der Flüge von Luftfahrtgesellschaften unmittelbar einwirken. Darüber hinaus legt Art. 11 des Chicago-Abkommens in Vertragsform das nationale Regime für die Luftfahrzeuge aller Vertragsstaaten des Abkommens fest. Dies bedeutet, daß in diesen Fragen die Luftfahrzeuge eines ausländischen Staates gegenüber den Luftfahrzeugen eines anderen ausländischen Staates, der Vertragsstaat des Abkommens ist, keinerlei Vorzugsbehandlung genießen dürfen. Die Praxis kennt jedoch Beispiele, daß kapitalistische Länder von dieser Grundregel abweichen. So stellte der Delegierte Kubas auf der dritten Luftverkehrskonferenz der ICAO im November 1985 fest, daß die Vereinigten Staatenkubanischen Flugzeugen nicht erlauben, Transitflüge über ihr Territorium nach Kanada durchzuführen, obwohl die USA und Kuba Vertragsstaaten des Transitabkommens von 1944 sind. Gleichzeitig genießen andere Länder, die Vertragsstaaten des Abkommens sind, dieses Recht im Luftraum der USA. 20 Art. 12 des Chicago-Abkommens verpflichtet alle Staaten, .durch Maßnahmen sicherzustellen, daß jedes sein Hoheitsgebiet überfliegende oder darin verkehrende sowie jedes mit seinem Staatszugehörigkeitszeichen versehene Luftfahrzeug, wo immer es sich befinden mag, die in dem entsprechenden Hoheitsgebiet geltenden Flug- und Luftverkehrsregeln und -Vorschriften befolgt." In dem Abkommen sind auch Verpflichtungen zur Beachtung von Sperrzonen (Art. 9), zur Landung auf bestimmten Flughäfen zum Zwecke der Zollkontrolle oder sonstigen Überprüfung (Art. 10), zur Beachtung der administrativen Formalitäten auf dem Flug (Art. 13), zur Verhütung der Verbreitung von Krankheiten durch die Luftfahrt (Art. 14), zur Gestaltung einer Untersuchung der Luftfahrzeuge (Art. 16), zur Nichtanerkennung einer Doppelregistrierung (Art. 18), zum obligatorischen Führen der festgesetzten Unterscheidungskennzeichen (Art. 20) sowie zur Mitführung der Dokumente im Luftfahrzeug (Art. 29) enthalten. Die Bedingungen für die Durchführung internationaler Flüge unterscheiden sich in einigen Fragen je nach der Tätigkeit, die bei dem konkreten Flug durchgeführt wird. So verpflichten sich die Staaten in der Regel in bilateralen Abkommen über den internationalen Luftverkehr (Lufttransport), Luftfahrtunternehmen zu benennen, welche die Flüge unmittelbar ausführen. Außerdem wird u. a. eine Abstimmung der Flugpläne und der Tarife gefordert. 20
Siehe ICAO Dok. AT Conf/3-WP/71.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Man muß erwähnen, daß sich die Staaten in der Frage der Benennung von Luftfahrtunternehmen formal in einer ungleichen Lage befinden, wenn die Bestimmungen der bilateralen Abkommen wirksam werden, in denen Sanktionen für die Nichterfüllung der Vertragsbedingungen vorgesehen sind. Hier ist insbesondere die Unterbrechung der Geltung der Benutzungserlaubnis vorgesehen, die der ausländischen Luftfahrtgesellschaft erteilt wurde. Die Staaten, in denen es nur ein Luftfahrtunternehmen gibt (in der UdSSR die Aeroflot) haben praktisch keine Möglichkeit, ein anderes Luftfahrtunternehmen zu benennen, welches die Bedingungen erfüllen würde, die von dem Partner des Abkommens gestellt worden sind. Und umgekehrt verfügt eine Reihe von im wesentlichen kapitalistischen Staaten über eine derartige Möglichkeit. Die Erteilung der oben erwähnten Erlaubnis an Luftfahrtunternehmen anderer Länder wird insbesondere in den USA praktiziert. 21 Diese Erlaubnis wird manchmal durch Widerruf oder Suspendierung dazu benutzt, unter politischen Vorwänden das Privileg auf internationale Flüge über ihr Hoheitsgebiet, welches nach dem bilateralen Vertrag dem ausländischen Staat gewährt wird, faktisch aufzuheben. Die Durchführung internationaler Flüge auf neu eröffneten Luftlinien kann auch von der rechtzeitigen Antragstellung abhängig sein. So werden nach den in der DDR geltenden Regeln diese Fristen für planmäßige Flüge auf 30 Tage festgesetzt und für eine Serie von nicht planmäßigen Flügen auf 15 Tage (falls letztere keine Serie darstellen, bei mehr als drei Flügen 72 Stunden, bei weniger als drei Flügen 48 Stunden). 22 Eine der wichtigsten Bedingungen für die Verwirklichung des Rechts auf internationalen Flug ist die Beachtung der Vorschriften für das Überfliegen der Grenze des ausländischen Staates und für den Weiterflug in seinem Luftraum. Das Gesetz über die Staatsgrenze der UdSSR von 1982 bestimmt, daß ausländische Luftfahrzeuge die Grenze der Sowjetunion nur an festgesetzten Stellen (.Luftkorridoren") überfliegen dürfen, falls nicht in der Erlaubnis der zuständigen sowjetischen Behörden etwas anderes vorgesehen ist. Die Einhaltung der festgesetzten Prozedur beim Überfliegen der Staatsgrenzen (Einholung der Erlaubnis für den Einflug durch das Luftfahrzeug per Funk 150-200 km vor Überfliegen der Grenze, Mitteilung der Ortszeit und der Höhe des Fluges, des Verhaltens im Falle der Verweigerung der Erlaubnis usw.) 23 ist ebenfalls eine Bedingung für die Verwirklichung des Rechts auf Siehe Federal Aviation Act of 1958 (1979 Version) Sec. 402. Siehe AlP German Democratic Republic, Berlin 1985, FAL 2.1.2.2. 23 Siehe Sbornik aeronavigacionnoj informacii SSSR, Moskva 1985, RAC 1-7, .Pravila pereleta gosudarstvennoj granicy SSR". 21 22
5. Völkerrechtliche Probleme nicht planmäßiger Flüge
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internationalen Flug. Nach Überfliegen der Grenze ist das Luftfahrzeug verpflichtet, sich in strenger Übereinstimmung mit dem bestätigten Flugplan an die eingerichteten Trassen, Flugrouten, Flughöhen u. a. zu halten. Insgesamt gesehen stellt das Chicago-Abkommen als allgemeiner, multilateraler Vertrag universellen Charakters nur einige allgemeine Anforderungen an die Bedingungen für die Durchführung internationaler Flüge auf. Die detaillierte Regelung dieser Bedingungen gehört in den Geltungsbereich des nationalen Rechts. Dabei hat in der Praxis die Wechselwirkung nationaler Normen, welche internationale Flüge regeln, mit den völkerrechtlichen Normen große Bedeutung. 5. Völkerrechtliche Probleme nicht planmäßiger Flüge Die Frage nicht planmäßiger Flüge ist Gegenstand einer scharfen Diskussion in der völkerrechtlichen Wissenschaft und in der Praxis internationaler Luftverkehrsbeziehungen. Art. 5 des Chicago-Abkommens ("Recht auf nicht planmäßige Flüge") bestimmt: "Jeder Vertragsstaat erklärt sich damit einverstanden, daß alle nicht im planmäßigen, internationalen Fluglinienverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge der anderen Vertragsstaaten vorbehaltlich der Beachtung der Bestimmungen dieses Abkommens berechtigt sind, ohne Einholung einer vorherigen Erlaubnis in sein Hoheitsgebiet einzufliegen oder es ohne Aufenthalt zu durchfliegen und dort keine gewerbliche Landung vorzunehmen, wobei es dem überflogenen Staat vorbehalten bleibt, eine Landung zu verlangen. Jeder Vertragsstaat behält sich ferner das Recht vor, aus Gründen der Flugsicherheit zu verlangen, daß Luftfahrzeuge, die sich in unzugängliche Gebiete oder solche ohne genügende Luftfahrteinrichtungen begeben wollen, vorgeschriebene Strecken einhalten oder eine Sondererlaubnis für solche Flüge einholen." Praktisch unmittelbar nach Inkrafttreten des Abkommens im Jahre 1947 wurde offenkundig, daß die Meinungen der Staaten über den entscheidenden Punkt (.ohne Einholung einer vorherigen Erlaubnis") des zitierten Teils des Art. 5 auseinander gingen. Die einen Staaten legten diese Formulierung so aus, daß ein nicht planmäßiger Flug ohne kommerzielle Zwecke nach einer Notifizierung durch die Organe der Luftverkehrsverwaltung des "Abflugstaates" (auf Antrag des Eigentümers des Luftfahrzeugs) an das zuständige Organ des Empfangsstaates durchgeführt werden kann. Die Aufgaben des letzteren werden bei diesem Verständnis auf die Betreuung des Fluges beschränkt, d. h. sie liegen ausschließlich im Bereich der Navigation. Andere Staaten, die auf dem Prinzip der vollen und ausschließlichen Souveränität in ihrem Territorium beharrten, gingen davon aus, daß nicht nur die Gewährleistung der sicheren Navigation in der Luft, sondern auch das Recht (Privileg) auf den genannten Flug selbst auf einer Erlaubnis basieren müsse.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Wegen dieser Differenzen wurde die Frage auf die Tagesordnung der 2. Sitzung der ICAO-Versammlung im Jahre 1948 gesetzt, die eine besondere Resolution hierzu verabschiedete. 24 In der Folgezeit kehrte der Rat der ICAO mehrfach auf die Probleme zurück, die bei der Anwendung des Art. 5 entstanden. 25 Jedoch trug dies nur wenig zur Beseitigung der Unterschiede in seiner praktischen Anwendung bei. Der bekannte englische Jurist B. Cheng stellte im Jahre 1962 eine Liste von 26 Ländern auf, die eine vorherige Erlaubnis für die Durchführung nicht planmäßiger Flüge ausländischer Luftfahrzeuge über ihrem Territorium forderten. 26 Heute hat sich die Liste dieser Länder noch erweitert, was sich aus den Dokumenten der 3. Luftverkehrskonferenz der ICAO im Jahre 1985 ergibt. 27 Die Situation, daß die Norm eines völkerrechtlichen Vertrages von den Vertragsstaaten unterschiedlich interpretiert wird, ist in der Praxis der internationalen Beziehungen ziemlich häufig anzutreffen. Aber im vorliegenden Fall stellt sich die Frage kategorischer: Die einen Staaten wenden die Bestimmungen des Art. 5 an, andere, unter ihnen die Sowjetunion, nicht. Worin besteht die juristische Begründung der letztgenannten Einstellung? Wie A. N. Verescagin bemerkt, .geht die untersuchte Norm über den Rahmen des Grundinhalts des Abkommens hinaus und steht im Widerspruch zu Art. 1 dieses Abkommens", wenn man Art. 5 von der Position der angeblich existierenden, imperativen Verpflichtung bewertet, nicht planmäßige Flüge über dem Staatsgebiet .ohne besondere Erlaubnis" zuzulassen. A. N. Veres'cagin fährt fort: .Das Recht auf die Ausübung von Außenverbindungen besitzt jeder Staat unabhängig davon, ob er das Chicago-Abkommen unterzeichnet hat oder nicht." Diese theoretisch klare Position führt den Autor zu der Schlußfolgerung, daß der genannte Artikel .lediglich das Recht eines jeden Staates bekräftigt, sich an einen anderen Staat zu wenden, um eine Erlaubnis für derartige {konkrete- Ju. M.) Flüge zu erhalten. "28 Mit anderen Worten: der Inhalt des Art. 5 muß so aufgeiaßt werden, daß im Gegensatz zur Notwendigkeit, prinzipiell das Recht zu planmäßigen Flügen nach Art. 6 zu erhalten, im vorliegenden Falle die unmittelbare Geltung des souveränen Rechts des Staates auf Außenbeziehungenpropria vigore (aus eigener Kraft) deklariert oder bekräftigt wird. Dies bedeutet nicht, daß prozeduraleFragen der Durchführung eines jeden konkreten, nicht planmäßigen Fluges auf die obligatorische Zulassung ohne die Erteilung einer Erlaubnis gegründet sein müssen. Oben wurde bereits das Beispiel angeführt, daß einzelne Länder (USA) sogar die Durchführung planmäßiger Flüge über ihr Territorium von 24
25 26 27 28
Siehe ICAO Dok. 5692, S. 14-16. Siehe z. B. ICAO Dok. 7288-c/84, vom 10. Mai 1952. Siehe B. Cheng, The Law of International Air Transport, London 1962, S. 197. Siehe ICAO Dok. AT Conf/3. A. N. Vere8cagin (Fn. 1, Kapitel II), S. 106.
5. Völkerrechtliche Probleme nicht planmäßiger Flüge
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derErteilungeiner Erlaubnis an die betreffende Luftfahrtgesellschaft abhängig machen. In der sowjetischen juristischen Literatur wurde auch das sich aus den Bestimmungen des Art. 5 ergebende Recht der Staaten begründet, die Zustimmung zu nicht planmäßigen Flügen .in unzulängliche Gebiete oder solche ohne genügende Luftfahrteinrichtungen" zu verweigern. 29 Für das richtige Verständnis der hier untersuchten Frage ist es erforderlich, ihre historischen Wurzeln zu erläutern, welche auf die Theorie des .unschädlichen (friedlichen) Durchfluges" zurückgehen, die zu Anfang dieses Jahrhunderts weite Verbreitung gefunden hatte und bis heute von einzelnen Vertretern der bürgerlichen Völkerrechtswissenschaft aufrechterhalten wird. Die bedeutenden sowjetischen Juristen E. A. Korovin, V. E. Grabar und V. L. Lachtin sahen in dieser Theorie zutreffend das Bestreben der imperialistischen Mächte, ihre weitgehenden, expansionistischen Interessen zu befriedigen. 30 Zu Beginn unseres Jahrhunderts wollten die westeuropäischen Länder, die den internationalen Luftverkehr monopolisiert hatten, durch eine maximale Liberalisierung des Zugangs zu ausländischen Territorien (ausländischen Märkten) ihren Luftfahrtgesellschaften weitgehende Handlungsfreiheit sichern. Die Anerkennung des Rechts auf .friedlichen Durchflug" sollte die Erreichung dieses Ziels fördern. Obwohl sie gezwungen waren, nach Art. 1 der Pariser Konvention von 1919 die volle und ausschließliche Souveränität eines jeden Staates im nationalen Luftraum anzuerkennen, erreichten diese Länder gleichzeitig, daß in Art. 2 der Konvention die Verpflichtung der Vertragsstaaten aufgenommen wurde, den Luftfahrzeugen anderer Vertragsstaatendas .Recht" (in Wirklichkeit das Privileg) auf Überflug über ihre Territorien in Friedenszeiten zu einheitlichen Bedingungen zu gewähren. Für Nichtvertragsstaaten der Konvention wurde gemäß Art. 5 nur bezüglich der Transitflüge eine Ausnahme gemacht. Die Bestimmungen des Art. 2 der Pariser Konvention wurden im Grunde in Art. 5 des Chicago-Abkommens übernommen. Schon die Definition des Begriffs .nicht planmäßige Flüge" bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Im Jahre 1952 wandte der Rat der ICAO in dieser Frage die Methode des ,.Gegenschlusses" an. Auf seiner 15. Sitzung definierte er den planmäßigen Luftverkehr als Verkehr, der durch den Luftraum über dem Hoheitsgebiet von mehr als einem Staat zum Zwecke der Beförde29
Siehe Aktual'nye voprosy mezdunarodnogo vozdusnogo prava, Moskva 1973,
S. 61.
30 Siehe E. A. Kowvin, Voprosy mezdunarodnogo publicnogo vozdusnogo prava, Moskva 1932, S. 3; V. E. Grabar (Fn. 6, Kapitel li), S. 46; V. L. Lachtin, Svoboda ,vozducha (kratkij analiz bur:Zuaznych teorij o prave gosudarstv v otnosenii vozdusnogo prostranstva) Moskva 1932, S. 2.
8 Maleev
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
rung gegen Entgelt erfolgt und der dem breiten Publikum gemäß einem veröffentlichten Flugplan oder mit einer Häufigkeit der Flüge so regelmäßig zur Verfügung steht, daß sie als eine systematische Serie von Flügen anerkannt werden. Im Jahre 1980 wandte sich der ICAO Rat auf seiner 100. Sitzung erneut dieser Definition zu, ließ die genannten Kriterien jedoch unverändert, nachdem er lediglich die "begleitende Praxis" einer Modifikation unterzogen hatte. 31 Der Rat bestätigte das in Art. 5 enthaltene Recht auf nicht planmäßige Flüge "ohne eine vorherige Erlaubnis", sah sich jedoch gezwungen, bei der Auslegung dieses Rechts in gewissem Umfang von seinem absoluten Verständnis abzugehen: "Die vorliegende Bestimmung bedeutet im allgemeinen (generally), daß nicht planmäßige Flüge ohne eine solche Erlaubnis durchgeführt werden können. In der Regel (normally) wird kein Dokument gefordert, welches das Einfliegen erlaubt." 32 Diese "Vorbehalte" spiegeln die reale Lage der Dinge wider, die sich bereits zur Zeit des Abschlusses des Chicago-Abkommens herausgebildet und sich in der Folgezeit mit dem Beitritt vieler Länder zum Abkommen gefestigt hatte, welche stets am Erfordernis einer Erlaubnis für Flüge ausländischer Luftfahrzeuge innerhalb ihres Territoriums festgehalten hatten. Die formal in Art. 5 enthaltene Verpflichtung der Staaten, sich mit nicht planmäßigen Flügen ausländischer Luftfahrzeuge über ihrem Hoheitsgebiet ohne eine vorherige Erlaubnis abzufinden, gilt faktisch nicht im Verhältnis zwischen einer bedeutenden Zahl von Ländern. "Es ist bezeichnend", bemerktE. J. Arechaga, "daß der Ausdruck ,Freiheit des friedlichen Durchflugs' im Chicago-Abkommen überhaupt nicht verwandt wird. "33 Eine theoretisch interessante Erklärung des vorliegenden Problems schlug G. M. Danilenko vor, der es mit den Besonderheiten der Wechselwirkung zwischen Vertrag und Gewohnheitsrechtsnormen in Verbindung brachte. Nach Meinung des genannten Autors hat die Vertragsnorm des Art. 5 ihre Kraft durch eine Staatenpraxis verloren, die sich auf dem Wege des Gewohnheitsrechts gebildet hat. 34 Man kann sich vorstellen, daß die im vorliegenden Fall zweifellos vorhandene Existenz eines Problems der Wechselbeziehungen zwischen Vertrag und Übung auch unter einer etwas anderen Perspektive bewertet werden kann. Es geht darum, daß Art. 2 der Pariser Konvention von 1919, auf den Art. 5 des Chicago-Abkommens zurückgeht, überhaupt nur eine im Verhältnis Siehe ICAO Dok. 7288/2 1985-sec. ed. a.a.O. 33 E. Ch. Arechaga (Fn. 42, Kapitel li), S. 361. 34 Siehe A. M. Danilenko, Sootnosenie i vzaimodejstvie mezdunarodnogo dogovora i mezdunarodnogo obycaja, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava, 1983, Moskva 1984, S. 22. 31
32
5. Völkerrechtliche Probleme nicht planmäßiger Flüge
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zwischen einer Reihe von Staaten geltende Übung, einem Luftfahrzeug den "friedlichen Durchflug" zu gewähren, formuliert hat. Zu der Zeit, als die Luftfahrt ein äußerst riskantes Unterfangen war, wurde die Geltung dieser Übung unter anderem von Erwägungen der Sicherheit diktiert, nämlich die Möglichkeit zu gewähren, ohne besondere Formalitäten die kürzeste oder eine bekannte usw. Route zu wählen. In den Beziehungen zwischen zahlreichen Ländern, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens sind und die den Erlaubnisvorbehalt für das Einfliegen eines jeden ausländischen Objekts oder jeder ausländischen Person in ihr Territorium streng beibehalten, existierte keine derartige Übung. In der Zeit vor Abschluß des Chicago-Abkommens und insbesondere in der darauf folgenden Periode wuchs mit dem Entstehen einer großen Anzahl neuer, unabhängiger Staaten die Zahl der Länder beträchtlich, für welche die Bestimmung des Art. 5 des Chicago-Abkommens prinzipiell unannehmbar ist. Weil aber das Chicago-Abkommen keine Vorbehalte zuläßt, sind einige von ihnen dem Abkommen beigetreten, wobei sie die Absicht hatten, die Bestimmung des Art. 5 in der Bedeutung, die ihm eine Reihe westlicher Länder gibt, nicht anzuwenden. D. h. sie werden die vertragliche Ausformulierung einer lokalen oder regionalen Übung nicht anwenden, wobei sie aber gleichzeitig ihre Geltung zwischen anderen Ländern anerkennen. Einzelne Länder versuchten, mit Vorbehalten zu Art. 5 Vertragsstaaten des Abkommens zu werden, aber der Depositarstaat (USA) weigerte sich, die Beitrittsurkunden anzunehmen, 35 wobei er seine Weigerung mit der Unzulässigkeil der erklärten Vorbehalte begründete. In diesem Zusammenhang ist die Geschichte des Beitritts Kubas und Jugoslawiens zum Chicago-Abkommen bezeichnend. Als im Jahre 1947 die Regierung Kubas der Regierung der USA die Ratifikationsurkunde mit einem Vorbehalt zu Art. 5 übermittelte, begründete letztere ihre Weigerung, sie entgegenzunehmen, mit einem Hinweis auf die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts, die angeblich bei einem Beitritt Vorbehalte zu einem Vertrag nicht zulassen, falls dies nicht ausdrücklich im Vertrag selbst vorgesehen ist. 36 Im Prinzip ist dieses Argument in Theorie und Praxis des Völkerrechts begründet. Im gegebenen Fall war jedoch der Widerspruch der Norm nicht nur zu dem Willen der neu beitretenden Staaten, sondern auch einer Reihe von Vertragsstaaten des Abkommens, die bereits zu jener Zeit Art. 5 nicht einhielten, nicht berücksichtigt worden. Unter dem Zwang, in der Folgezeit diese Tatsache zu berücksichtigen, holten die USA die Meinung aller Vertragsstaaten ein, als am 15. Februar 1954 Jugoslawien die Beitrittsurkunde zum Chicago-Abkommen ebenfalls 35 Siehe T. Buergenthal, Law-Making in the International Civil Aviation Organization, Syracuse (New York) 1969, S. 2-39. 36 Siehe ICAO Dok. 5221 (A2-P/5) S. 3 (1948).
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
mit einem Vorbehalt zu Art. 5 vorlegte, obgleich eine derartige Befragung nach den Normen des Völkerrechts im allgemeinen nicht vorgesehen ist. Die eingehenden Antworten lauteten wie folgt: 22 von 65 Staaten, die 1954 Vertragsparteien des Abkommens waren, erklärten sich bereit, den von Jugoslawien geltend gemachten Vorbehalt annehmen zu wollen, 8 antworteten negativ, die restlichen enthielten sich der Stimme, 37 indem sie sich nicht äußerten. Die absolute Mehrheit der Vertragsstaaten wies den Vorbehalt also nicht zurück, und 22 brachten ihr Einverständnis mit ihm klar und eindeutig zum Ausdruck. Dennoch entschied der ICAO-Rat, daß Jugoslawien nicht Mitglied der ICAO und Vertragsstaat des Chicago-Abkommens werden konnte, wobei er argumentierte, die Mehrheit der Vertragsstaaten habe ihr Einverständnis mit dem Vorbehalt nicht klar ausgedrückt. 38 Während der 9. Sitzung der ICAO-Versammlung im Jahre 1955 versuchte Frankreich, diese Einstellung zu ändern und schlug vor, über diese Frage abzustimmen. Dieser Vorschlag wurde aber angesichts der realen Möglichkeit zurückgewiesen, daß viele Staaten auf dem höchsten Forum der ICAO offen die Bestimmung des Art. 5 ablehnen würden. 39 Die Kerngruppe der Länder, die das absolute Erfordernis einer Erlaubnis beibehielt, hat niemals ihre Haltung aufgegeben, weder vor noch nach Abschluß des Chicago-Abkommens. Deshalb haben viele Länder, welche die Bestimmungen des Art. 5 nicht beachteten, keinerlei neue Übung in dieser Hinsicht geschaffen. 6. Regeln der Flüge im offenen Luftraum Die große Anzahl von Regeln für Flüge im offenen Luftraum besteht aus nationalen und internationalen Flugregeln, welche die Kommandanten der Luftfahrzeuge einzuhalten verpflichtet sind. Diese Regeln unterfallen in Flugregeln jedes einzelnen Landes, in einzelne Gruppen von Regeln, die nur auf einen konkreten Typ von Luftfahrzeugen anwendbar sind, in Regeln für einen konkreten geographischen Bereich, Regeln je nach Zweckbestimmung der Flüge usw. Auf der Grundlage einer Systematisierung und Analyse dieser nationalen Regeln, die seinerzeit nicht so zahlreich waren, wurden vor und während der Konferenz in Chicago im Jahre 1944 einige allgemeine Kriterien herausgearbeitet, von denen sich die Besatzungen der Luftfahrzeuge bei Flügen über der Hohen See obligatorisch leiten lassen mußten, unabhängig von den oben erwähnten Unterschieden. Auf der Konferenz wurden diese Regeln in der Anlage C zum Abkommen zusammengefaßt. In der Präambel dieser Anlage heißt es: .Die vorliegenden 37 38
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Siehe ICAO Dok. 7636 (AlO-P/3) S. 46 (1956). Siehe ICAO Dok. 7564 (A9-P/2) S. 55 (1955). Siehe ICAO Dok. 7597 (A9-Ex-min.l-9) S. 71 (1955).
6. Regeln der Flüge im offenen Luftraum
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Flugregeln finden auf alle Klassen von Luftfahrzeugen mit Ausnahme von Militärluftfahrzeugen des Staates Anwendung, dessen zuständige Militärorgane feststellen, daß die Nichteinhaltung der gegenwärtigen Regeln notwendig ist. Eine Ausnahme gilt auch für Situationen, die zur Vermeidung einer Gefahr ein unverzügliches Handeln erfordern, welches den vorliegenden Regeln zuwiderläuft. In diesem Fall beurteilen die verantwortlichen Personen die Situation selbst. • Diese Formulierung entsprach den Bestimmungen des Art. 12 des Chicago-Abkommens, in dem es heißt: .Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, durch Maßnahmen sicherZustellen, daß jedes, sein Hoheitsgebiet überfliegendes oder darin verkehrendes sowie jedes mit seinem Staatszugehörigkeitszeichen versehene Luftfahrzeug, wo immer es sich befinden mag, die in dem entsprechenden Hoheitsgebiet geltenden Flug- und Luftverkehrsregeln und -Vorschriften befolgt. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, seine eigenen diesbezüglichen Vorschriften so weit wie möglich denjenigen anzugleichen, die jeweils aufgrund dieses Abkommens erlassen werden. Über der Hohen See gelten die aufgrund dieses Abkommens aufgestellten Regeln. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die Verfolgung aller Personen sicherzustellen, welche die anzuwendenden Vorschriften verletzen." Besonders wichtig ist die vorletzte Bestimmung des Art. 12, die von einigen Autoren in einem absoluten Sinn verstanden wird. Danach gelten über der Hohen See nur die internationalen Flugregeln und keine anderen. So schreibt S. V. Molodcov bezüglich der Ausschließlichen Wirtschaftszone: .Es können also keinerlei Regeln für die Flüge von Luftfahrzeugen im Luftraum über der Wirtschaftszone festgelegt werden, außer den internationalen Flugregeln nach Art. 12 des Chicago-Abkommens. "40 Die Autoren der Monographie .Aktuelle Fragen des internationalen Luftrechts" sprechen unter Hinweis auf Art. 12 des Chicago-Abkommens in einem weiteren Sinn einen analogen Gedanken aus: .Über der Hohen See müssen die Regeln gelten, welche die ICAO festgelegt hat, ohne irgendeine Ausnahme." 41 M. N. Kopylov behauptet ebenfalls unter Hinweis auf Art. 12, daß über der Hohen See die Regeln gelten, die nach dem Chicago-Abkommen festgelegt worden sind, .ohne jede Ausnahme".42 Die genannten Autoren gehen zu Recht davon aus, daß die Flugregeln über der Hohen See, die in Anhang 2 niedergelegt sind, den Charakter imperativer Normen des einschlägigen Rechtszweigs haben. Man muß aber betonen, daß in Art. 12 des Chicago-Abkommens weder Anhang 2 erwähnt, noch gesagt wird, daß seine Standards über der Hohen See .ohne jede Ausnahme" gelten müssen. Erinnern wir uns an einige Fakten aus der Geschichte der Erarbeitung des Anhangs 2. Der auf der Chicago-Konferenz angenommene Anhang C verlor 40 41 42
S. V. Mo/odcov (Fn. 35, Kapitel II), S. 127. Aktual'nye voprosy mezdunarodonogo vozdusnogo prava, S. 64. Siehe M. N. Kopylov (Fn. 46, Kapitel II), S. 17.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
angesichts der mangelnden Übereinstimmung mit der realen Wirklichkeit schnell seine Bedeutung. Im Oktober 1954 wurden auf der ersten Spezialkonferenz über Flugregeln und die Überwachung des Luftverkehrs Empfehlungen über Standards, Übungen und Verfahren ausgearbeitet. Diese Empfehlungen wurden nach Überprüfung durch das seinerzeit bestehende Luftverkehrskomitee vom Rat der PICAO (Vorläufige Internationale Organisation für die Zivilluftfahrt) am 25. Februar 1946 unter der Bezeichnung .Empfehlungen für Standards, Übungen und Regeln. Flugregeln." 43 angenommen. Auf der zweiten Spezialkonferenz über Flugregeln und die Überwachung des Luftverkehrs, die von Dezember 1946 bis Januar 1947 stattfand, wurde das genannte Dokument überarbeitet. Neue Vorschläge zu Standards und Empfehlungen wurden vom ICAO-Rat am 15. April1948 angenommen und zunächst unter der Bezeichnung "Internationale Standards und Empfehlungen. Flugregeln" Anlage 2 zum Abkommen. Sie traten am 15. September 1948 in Kraft. Am 27. November 1951 verabschiedete der Rat einen neuen Text der Anlage, aus dem die Empfehlungen entfernt worden waren. Die Standards des geänderten Anhangs 2 traten am 1. April 1952 in Kraft und wurden mit Wirkung vom 1. September 1952 angewandt. Gerade aus der Entscheidung des ICAO-Rates aus dem Jahre 1948 und nicht aus den Bestimmungen des Art. 12 des Chicago-Abkommens ergibt sich die Anwendbarkeit der Flugregeln über der Hohen See, die von dem ICAO-Rat .ohne Ausnahme" verabschiedet worden sind. Jedoch trägt diese Norm keinen absoluten Charakter. Die Norm, die im ersten Satz des Art. 12 die Worte ,.wo immer es [das Luftfahrzeug) sich befinden mag" enthält, muß man u. a. auch als über der Hohen See anwendbar ansehen. Aber welche der Flug- und Luftverkehrsregeln, von denen der abschließende Teil des ersten Satzes spricht, gelten über der Hohen See? Mit anderen Worten, von welchen Flugregeln müssen sich die Staaten nach dem zweiten Satz des Art. 12 bei der Ausarbeitung ihrer eigenen Flugregeln für ihre Luftfahrzeuge über der Hohen See leiten lassen? Diese Frage beantwortet der dritte Satz, dessen Sinn darin besteht, klarzustellen, daß kein Staat das Recht hat, sein nationales Flugregime auf die Hohe See auszudehnen, d. h. das Regime des Luftraums über der Hohen See insgesamt zu bestimmen und hier den normativen Luftraum festzulegen. In der Praxis fliegen Luftfahrzeuge immer nach den nationalen Regeln ihres Staates, die nur aus Notwendigkeit mit den Regeln anderer Rechtssysteme in Übereinstimmung gebracht werden. Aber in jedem Fall, auch über ausländischem Territorium oder auf Hoher See, bleibt die relativ autonome 43 Siehe PICAO Dok. 2010-RAC/104.
6. Regeln der Flüge im offenen Luftraum
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Gruppe nationaler Flugregeln erhalten, die nicht an die ausländischen oder internationalen Regeln "angepaßt" werden können. Die vom ICAO-Rat bestätigten Regeln gelten grundsätzlich auf den internationalen Flugrouten über der Hohen See. Jenseits ihrer Grenzen fliegen die Luftfahrzeuge nach den Flugregeln, die in den normativen Dokumenten ihres Staates niedergelegt sind. Aber sogar für Flüge auf den genannten Routen legt der ICAO-Rat im Anhang 2 nur äußerst allgemeine Normen fest, die prinzipiell für die Gewährleistung der Flugsicherheit wichtig sind. Konkrete und äußerst zahlreiche Flugregeln, die von der Art und' Klasse des Luftfahrzeugs abhängig sind, können nicht auf andere Weise festgelegt werden als durch Normen des nationalen Rechts. Die Wechselbeziehungen der letzteren mit den Standards des Anhangs 2 ist das Verhältnis zwischen Besonderem und Allgemeinem. Art. 12 hindert also keineswegs die Anwendung nationaler Flugregeln auf die .eigenen" Luftfahrzeuge. Er verbietet lediglich die Geltung irgendeines anderen allgemeinen Flugregims auf Hoher See außer dem, welches in Übereinstimmung mit dem Abkommen errichtet wurde. In der Praxis wird das konkrete, rechtmäßig geltende Regime niemals durch die Standards des Anhangs 2 eingeschränkt. Durch Vereinbarung untereinander können die Staaten in jeder beliebigen Region ein spezielles Flugregime errichten, wie dies z. B. im Bereich des Nordatlantik der Fall ist. Die Rechtsnatur der Flugregeln über der Hohen See ist analog der Rechtsnatur der Völkerrechtsregeln für die Seeschiffahrt. So ist nach Art. 94 Abs. 5 der VN-Seerechtskonvention von 1982 der Flaggenstaat des Seeschiffs.verpflichtet, die allgemein anerkannten internationalen Regeln, Verfahren und Übungen zu beachten und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Gewährleistung ihrer Einhaltung erforderlich sind." Diese Konstruktion ist der Form nach dem Schlußsatz des Art. 12 des Chicago-Abkommens ähnlich und berücksichtigt in vollem Umfang die souveränen Rechte und Pflichten der Staaten bezüglich der Navigation ihrer Schiffe auf Hoher See, wie sie unter anderem in Art. 94 Abs. 1 der VN-Seerechtskonvention von 1982 niedergelegt sind. Mit der Intensivierung der Nutzung des offenen Luftraums nicht nur durch Luftfahrzeuge, sondern auch durch andere Flugkörper (Raketen, Weltraumgegenstände) wächst die Bedeutung der allgemeinen völkerrechtlichen Regeln für Flüge in diesem Raum. In der Gegenwart bildete sich die Praxis heraus, daß die Staaten einseitig zeitlich befristete Gefahrenzonen erklären, in denen Erprobungen und Starts von Raketen, Schießübungen, Wasserung von Weltraumgeräten, Forschungsarbeiten usw. durchgeführt werden. Unter diesen Bedingungen stellen die in Anhang 2 des Chicago-Abkommens niedergelegten, wenigen allgemeinen Flugregeln für Luftfahrzeuge über der Hohen See keine volle Garantie für die Flugsicherheit sogar der eigenen
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
Luftfahrzeuge dar. In diesem Zusammenhang muß man der Meinung von V.
I. Luk'janovic beipflichten, wonach "die Voraussetzungen gegeben sind, im
Rahmen der ICAO die Normen des modernen internationalen Luftrechts zu kodifizieren und eine einheitliche, universelle Konvention auszuarbeiten, die sowohl die Grundprinzipien der Nutzung des internationalen Luftraums enthält als auch die Bestimmung der Rechtsordnung für die Nutzung des Luftraums." 44 7. Völkerrechtliche Fragen der Organisation und der Überwachung des Luftverkehrs
Die Fragen der Organisation und Überwachung des Luftverkehrs gewinnen in jüngster Zeit, angesichts der wachsenden .Belastungen" des Luftraums durch die verschiedenen Aktivitäten in ihm, immer größere Bedeutung. Der Begriff .,Luftverkehr" hat bislang in normativen Akten keine komplexe Definition gefunden. Beispielsweise definiert ihn der Erlaß über die Durchführung von Flügen der Zivilluftfahrt der UdSSR von 1985 wie folgt: "Bewegung von Luftfahrzeugen, die sich im Flug befinden, und die Bewegung von Luftfahrzeugen auf den Manövrierplätzen eines Flughafens." Ein solcher Ansatz ist für die Zwecke des vorliegenden Dokuments durchaus gerechtfertigt, weil sein Geltungsbereich nach den Regelungsobjekten auf die Zivilluftfahrt begrenzt ist. Vom Standpunkt eines allgemeinen Regims für den Luftraum aus ist jedoch die Erarbeitung eines komplexen Begriffs des "Luftverkehrs" zweckmäßig, der die Bewegung eines jeden Fluggeräts im Luftraum erfassen müßte. Dies ist umso mehr gerechtfertigt, als das allgemeine Rechtsregime des staatlichen Luftraums für alle Nutzer und Gegenstände einheitlich ist. Weil Raketen, einschließlich der ferngelenkten, und Weltraumapparate sich mit großer Geschwindigkeiten fortbewegen, ist es zweifellos schwierig, sie in ein allgemeines System des .Luftverkehrs" aufzunehmen und die allgemeinen Flugregeln auf sie auszudehnen. Für den Flug der genannten Objekte werden entsprechende .Korridore" oder Bezirke abgetrennt, und das System des Luftverkehrs erstreckt sich nur auf Luftfahrzeuge. Die Organisation des Luftverkehrs im souveränen Luftraum sieht u. a. die Einteilung in bestimmte räumliche .Ebenen" für die Flüge einer bestimmten Kategorie von Luftfahrzeugen (oberer und unterer Luftraum), die Festlegung von Flugrouten (Lufttrassen), von Verbotszonen, Zonen der Flugbeschränkung, Gebieten für die Fluginformationen, Luftknotenpunkten für die Flug44 V. I. Luk'janovic, Prava i objazanosti komandira i clenov ekipaza vozdusnogo sudna pri nezakonnom vmesaytel'stva v de jatel'nost grazdanskoj aviacii, Aftoref. kand. diss., Moskva 1983, S. 7.
7. Völkerrechtliche Fragen der Organisation und Überwachung
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Iotsenbereiche und Bereiche der Flughäfen vor, d. h. alles das, was die .Struktur des Luftraums" genannt wird. In der Regel befinden sich alle Elemente der Struktur des souveränen Luftraums innerhalb der Grenzen des Territoriums des betreffenden Staates. Jedoch diktieren die charakteristischen Merkmale des Reliefs der Erdoberfläche, auf der sich die Organe der Dienstleistungen für den Luftverkehr befinden, sowie die technischen und sonstigen Einsatzbesonderheiten des Luftverkehrs in dem konkreten Bereich häufig die Festlegung von Grenzen für die in ihrer räumlichen Ausdehnung zusammenfallenden Fluginformationen und den Fluglotsendienst, die sich nicht streng an den Staatsgrenzen orientieren. Dies führt zu der Situation, daß in Teilen des Luftraums über dem Hoheitsgebiet eines Staates die Organe eines anderen Staates den Luftverkehr überwachen. Auf den Sitzungen der ICAO-Versammlung wurden wiederholt Resolutionen verabschiedet, nach denen die Abgrenzung des Luftraums zu den genannten Zwecken .auf der Grundlage technischer Erwägungen und Einsatzüberlegungen mit dem Ziel, eine optimale Effektivität und Wirtschaftlichkeit sowohl derjenigen, welche die Luftüberwachung durchführen, als auch derjenigen, welche sie nutzen, zu gewährleisten" 45 erfolgen solle. Analoge Empfehlungen wurden auch auf den regionalen Luftverkehrskonferenzen der ICAO angenommen, wo Fragen der Struktur des Luftraums untersucht werden.46 Ungeachtet einzelner Beispiele für die Anwendung eines solchen Standpunktes vollzieht sich in der Praxis die Organisation und Überwachung des Luftverkehrs im souveränen Luftraum im Grunde nur innerhalb der Grenzen des Staates, der diese Überwachung durchführt. Die allgemeinen Pflichten des Staates in dieser Hinsicht ergeben sich aus den Bestimmungen des Art. 28 des Chicago-Abkommens, der bestimmt: .Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, soweit er es für durchführbar hält: a) in seinem Hoheitsgebiet Flughäfen, Funk- und Wetterdienste und andere Luftfahrteinrichtungen, die der Erleichterung der internationalen Luftfahrt dienen, bereitzustellen, und zwar in Übereinstimmung mit den Richtlinien und Verfahren, die aufgrunddieses Abkommens jeweils empfohlen oder aufgestellt werden; b) die geeigneten, einheitlichen Verfahren für Fernmeldeverkehr, Codes, Kennzeichen, Signale, Befeuerung und sonstige Betriebsmaßnahmen und Betriebsvorschriften anzunehmen und einzuführen, die aufgrunddieses Abkommens jeweils empfohlen oder aufgestellt werden; 45
46
ICAO Dok. A 22-18, A 23-11. Siehe z. B. ICAO Dok. 8144- AN/874/4, Part 111, par. 1.1.1.
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Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
c) an internationalen Maßnahmen mitzuarbeiten, um die Veröffentlichung der Luftfahrtkarten aller Art in Übereinstimmung mit den Richtlinien sicherzustellen, die aufgrund dieses Abkommens jeweils empfohlen oder festgelegt werden." Konkret werden in diesem Artikel die Organe für die Überwachung des Luftverkehrs nicht erwähnt. Jedoch muß man den Ausdruck .und andere Luftfahrteinrichtungen" so verstehen, daß er sich auf jede Art der Erleichterung der internationalen Luftfahrt bezieht. Für die ErheBung des Inhalts der staatlichen Verpflichtungen nach dem genannten Artikel ist der Ausdruck "soweit er es für durchführbar hält" äußerst wichtig. Weil die entsprechenden Regeln, die .jeweils" von dem Rat der ICAO angenommen werden, empfehlenden Charakter tragen (diese Bewertung ist in der sowjetischen und in der ausländischen Völkerrechtswissenschaft allgemein anerkannt), enthält Art. 28 des Chicago-Abkommens offenkundig ein empfohlenes Modell für das Verhalten der Staaten. In der Praxis gehen die Staaten bei der Zurverfügungstellung von Dienstleistungen für den Luftverkehr immer von ihren technischen Möglichkeiten und von ihren Verteidigungsinteressen aus. Dabei studieren sie jedoch sorgfältig die Regeln der ICAO für die Überwachung des Luftverkehrs und bemühen sich, falls die Möglichkeit tatsächlich existiert, sich an ihnen zu orientieren. In einer verallgemeinernden Form werden die Dienstleistungen für den Luftverkehr in den Dokumenten der ICAO für die entsprechenden Fälle definiert als Fluginformationsdienst, Bekanntgabe von Havarien, Beratungsdienst, Bereichsfluglotsendienst, Fluglotsendienst für den Anflug und Flughafen-Fluglotsendienst Durch die genannten Arten von Dienstleistungen wird unter anderem bestimmt, zu welcher Kategorie der Luftraum gehört, in dem sich das Luftfahrzeug befindet: kontrollierter oder nicht kontrollierter Luftraum. Unter kontrolliertem Luftraum versteht die ICAO einen Luftraum mit bestimmten Abmessungen, in dem Fluglotsendienst für kontrollierte Flüge gewährleistet ist. 47 Bei Vorhandensein einer Radarkontrolle .sieht", .hört" und .lenkt" das Organ der Flugüberwachung den Flug des Luftfahrzeugs unmittelbar. Ist nur eine Funkverbindung vorhanden, gibt es nur die beiden letztgenannten Elemente, aber der Verkehr wird dennoch gelenkt. Deshalb werden z. B. im Luftraum der UdSSR die Bereiche und Zonen der Überwachung des Luftverkehrs, innerhalb deren Grenzen der Luftverkehr gelenkt wird, besonders festgelegt (Art. 54 des Luftrechtsgesetzbuches der UdSSR). Bestimmender Charakterzug dieser Bereiche und Zonen ist, daß innerhalb ihrer Grenzen 47
Siehe ICAO Lexicon, vol. li, Definitions, S. 30.
7. Völkerrechtliche Fragen der Organisation und Überwachung
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der Fluglotsendienst in Übereinstimmung mit den oben angeführten Kriterien gewährleistet ist, obgleich auch Fluginformationsdienst und beratender Dienst angeboten werden. Was die Mitteilung von Havarien angeht, so gehört dies nicht zu den eigentlichen Dienstleistungen für Luftfahrzeuge, sondern ist vielmehr eine Benachrichtigung der entsprechenden Organe und Organisationen, daß sich ein Luftfahrzeug in einer Notlage befindet und Hilfe benötigt. Jenseits der Bereiche und Zonen der Lenkung des Luftverkehrs befindet sich der unkontrollierte Luftraum. In der UdSSR gehört zu ihm praktisch nur derjenige Teil des Luftraums, der für die Radar- und Funkeinrichtungen nicht erreichbar ist (Täler zwischen Bergen, niedrige Höhen in der Taiga usw.). In einer Reihe von Ländern wird ein unkontrollierter Luftraum auch in Zonen errichtet, die mit den genannten Mitteln zugänglich sind, in denen aber die Lenkung des Luftverkehrs nicht gewährleistet wird, z. B. Bereiche für Flüge privater, äußerst leichter Luftfahrzeuge, manchmal mit passiver Orientierung auf Funkfeuer und mit Beratungsdienst Die Kenntnis der Grenzen des ausgewiesenen kontrollierten Raums hat große Bedeutung für die Sicherheit internationaler Flüge, weil das Verlassen des kontrollierten Luftraums das Luftfahrzeug der Möglichkeit beraubt, von Seiten der Organe der Flugüberwachung wirksame Hilfe zu erhalten. In bilateralen Luftverkehrsabkommen werden die Verpflichtungen der Parteien bezüglich der Überwachung des Luftverkehrs gewöhnlich in dem Abkommen selbst eingehend niedergelegt, obgleich es auch die Praxis der Verweisung auf die Standards und Empfehlungen der ICAO gibt. Dies tat insbesondere auch die Sowjetunion bis zu ihrem Eintritt in die ICAO im Jahre 1970. 48 Man kann sich vorstellen, daß die genannten Verweisungen für die Mitgliedsstaaten der ICAO eine gewisse Unsicherheit bezüglich der gegenseitigen Verpflichtungen schaffen, weil erstens gelegentlich unklar sein kann, welche der ICAO Standards in der Praxis von einem Staat, der Partner des bilateralen Abkommens ist, angenommen worden sind und angewendet werden, und weil zweitens in jedem Staat eigene besondere Regeln der Überwachung des Luftverkehrs existieren können, die über den Rahmen der empfehlenden Normen der ICAO hinausgehen. Deshalb garantiert die Praxis der UdSSR und vieler anderer Länder, die sich bemühen, im Text des bilateralen Abkommens selbst (oder in seinen Anlagen) Einvernehmen über die genannten Fragen zu erzielen, im höchsten Grade die Flugsicherheit Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen einzelne Gruppen von Ländern Regionalabkommen, die internationale Organe für die Überwachung des Luftverkehrs einsetzen. Zu ihnen gehören .EUROCONTROL" (Europäische 48
Siehe Mezdunarodnye vozdusnye soobscenija Sojuza SSSR, Bd. 1, Moskva 1969.
Kapitel III: Völkerrechtliche Fragen der Flüge
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Organisation für die Sicherheit der Luftfahrt), ASECNA (Agentur für die Sicherheit der Luftfahrt in Afrika und auf Madagaskar) und COCESNA (Zentralamerikanische Korporation für die Überwachung des Luftverkehrs).49 Vom technischen Standpunkt aus ist diese Form zweifellos fortschrittlich, aber die in ihr inhärenten Elemente supranationaler Kontrolle des souveränen Luftraums sind die Ursache dafür, daß die Mehrheit der Länder der Welt eine Teilnahme an solchen Organisationen ablehnt. Was die Überwachung im offenen Luftraum angeht, so baut sie sich auf prinzipiell anderen Grundsätzen auf, nämlich auf der Grundlage regionaler Luftfahrtpläne, welche von regionalen Luftverkehrskonferenzen angenommen werden. Jedoch können diese regionalen Pläne nicht unmittelbar irgendeinem Staat Verpflichtungen zur Gewährung von Dienstleistungen in einem bestimmten Bereich des offenen Luftraums auferlegen. Die Versuche einzelner Staaten, im Rahmen der ICAO eine sogenannte •vollständige, regionale Planung" zu erreichen (d. h. die Errichtung von Bereichen für Fluginformationen, Festlegung von Flugrouten sowie Lenkung des Luftverkehrs durch die Konferenz selbst) haben bisher zu nichts geführt und haben wohl kaum Zukunftsaussichten. Die genannten Verpflichtungen nehmen die Staaten freiwillig unter Berücksichtigung der Empfehlungen regionaler Luftfahrtkonferenzen auf sich. In den Fällen, in denen sich konkret die Bereiche der Lenkung des Luftverkehrs benachbarter Staaten überschneiden oder ein "Niemandsland" (im Sinne der Überwachung) verbleibt, müssen die benachbarten Staaten die auftretenden Fragen ausschließlich durch Vereinbarung untereinander lösen. Sowohl diese obligatorischen Bedingungen, die sich aus der Unzulässigkeil ergeben, die Souveränität der Staaten auf den offenen Luftraum zu erstrecken, als auch die Freiwilligkeit der von ihnen übernommenen Verpflichtungen können nicht technischen Fragen geopfert werden. Dies geht auch dann nicht, wenn auf der "Karte" des offenen Luftraums eine Vielzahl von Teilen mit unbestimmten Verpflichtungen zur Regelung des Luftverkehrs vorhanden sind, was zweifellos Nachteile für die Überwachung des Luftverkehrs im offenen Luftraum bringt. Einige Ausnahmen von dieser Praxis müssen erwähnt werden. Mit Hilfe einer "gemeinsamen Finanzierung", die im Chicago-Abkommen vorgesehen ist (Art. 69-76), wurden vom Rat der ICAO mit Island im Jahre 1948 und mit Dänemark im Jahre 1949 Abkommen abgeschlossen. Bei Abschluß neuer dänischer und isländischer Abkommen über die gemeinsame Finanzierung des meteorologischen und flugnavigatorischen Dienstes im Jahre 1956 wurden unmittelbar die Staaten Vertragspartner ohne die Teilnahme des ICAORates.50 Die genannten Abkommen über die Überwachung des Luftverkehrs 49
Siehe im einzelnen dazu Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, S. 217-220.
224-228. 50
Siehe ICAO Dok. 7988, A 12-5.
7. Völkerrechtliche Fragen der Organisation und Überwachung
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über dem Nordatlantik gaben, ungeachtet der Empfehlungen der ICAOVersammlung auf ihrer 12. Sitzung, keinen Anstoß für die Ausbreitung einer derartigen Vertragsform auch für andere Bereiche des offenen Luftraums. Die Ursache dafür liegt offensichtlich darin, daß die Mehrheit der Staaten mit dem System, die Kosten der Dienstleistung im Luftverkehr für konkrete Flüge zu entrichten, völlig zufrieden ist. Auch muß man berücksichtigen, daß die gemeinsam finanzierten, technischen Mittel zur Überwachung des Luftverkehrs nicht nur für Dienstleistungen im Luftverkehr der Vertragsstaaten eingesetzt werden können, sondern auch für Seeschiffe und andere Luftfahrzeuge (einschließlich Kriegsschiffe und Militärluftfahrzeuge). Bei der derzeitigen internationalen Lage entspricht dies nicht immer den Interessen einzelner Staaten. Abschließend muß bemerkt werden, daß sich das System der Organisation und Überwachung des Luftverkehrs sowohl in den einzelnen Ländern als auch auf der ganzen Welt in einem Stadium aktiver Entwicklung befindet. Seine neuen Formen sind die Schaffung einheitlicher nationaler Systeme zur Überwachung sowohl von Zivilflugzeugen als auch von Militärflugzeugen und das Bemühen, die Weltraumtechnik für diese Zwecke einzusetzen. Jenseits der Grenzen des kontrollierten Luftraums bleiben im offenen Luftraum noch große Bereiche, in denen die Sicherheit der Flüge nicht gewährleistet ist. Ein Beispiel für die Entwicklung von Völkerrechtsnormen in diesem Bereich ist das trilaterale Abkommen zwischen der UdSSR, USA und Japan, das im Jahre 1986 abgeschlossen wurdeY
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Siehe Pravda vom 22. November 1985.
KAPITELN
Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit im Luftraum
1. Aktuelle Probleme internationaler Lufttransporte Der grundlegende Typ von Flügen im Luftraum ist die Beförderung von Personen und Gegenständen für einen festgesetzten Preis oder anders gesagt, die Luftbeförderung im juristischen Sinne dieses Begriffs. Das Recht der Staaten auf internationale Luftbeförderung (im vornormativen Sinne) hat eine außervertragliche Natur wie das Recht auf internationalen Flug. Es fließt aus der Souveränität der Staaten, ihrer .Eigenschaft", auswärtige Beziehungen zu haben. Dieses Recht gehört als wesentlicher Bestandteil zum internationalen Handelsrecht Uus commercii), das einige westliche Juristen aus naturrechtliehen Positionen heraus im Sinne der Lehre von den Grundrechten der Staaten verstehen. Die sowjetische Völkerrechtswissenschaft lehnt diese naturrechtliche Erklärung der juristischen Genesis internationaler Außenhandelsbeziehungen ab. In den Arbeiten der sowjetischen Juristen wird der Begriffjus commercii als Verpflichtung verstanden, gestützt auf die Prinzipien der friedlichen Koexistenz den Handel zu entwickeln sowie als souveränes Recht eines jeden Staates, mit anderen Staaten Handel zu treiben. Dies entspricht den Bestimmungen der Deklaration von 1970 über die Grundsätze des Völkerrechts für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten gemäß der Satzung der Vereinten Nationen, auf deren Grundlage die Staaten "gleiche Rechte und Pflichten haben und gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft sind, unabhängig von den Unterschieden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen oder sonstigen Charakters." J edoch ist das souveräne Recht der Staaten auf Außenbeziehungen nicht aus sich selbst heraus die Rechtsgrundlage für die Durchführung internationaler Luftbeförderung. Dafür muß das genannte Recht gewöhnlich erst durch eine normative Phase (Vertrag, Erlaubnis) in der Form eines konkreten Privilegs realisiert werden, das die Staaten einander gegenseitig oder einseitig gewähren. Solche Privilegien werden traditionell kommerzielle Rechte oder "Freiheiten der Luft" genannt. In den Beziehungen zwischen Ländern,
1. Aktuelle Probleme internationaler Lufttransporte
127
die Partner von Abkommen sind, werden sie in fünf Hauptkategorien unterteilt: 1) Das Recht eines ausländischen Luftfahrtunternehmens, Transitflüge im .eigenen" Luftraum durchzuführen; 2) Das Recht, den genannten Transitflug mit einer Landung zu nichtkommerziellen Zwecken durchzuführen (Nachtanken von Treibstoff, Reparaturen usw.); 3) Das Recht, auf dem Territorium des ausländischen Staates Passagiere abzusetzen sowie Gepäck, Ladung und Post auszuladen, die im Registerstaat des Luftfahrzeugs an Bord gekommen sind, bzw. an Bord genommen wurden; 4) Das Recht analog zur vorstehenden .Freiheit der Luft", jedoch in umgekehrter Richtung (vom Territorium des ausländischen Staates auf das eigene Territorium) Personen und Sachen zu befördern; 5) Das Recht, auf dem Territorium eines ausländischen Staates Passagiere abzusetzen, Güter und Post auszuladen und sie ebenso auf dem Territorium dieses Staates für die Beförderung aus beliebigen dritten Ländern oder in beliebige dritte Länder an Bord zu nehmen. Außer diesen "Grundfreiheiten" existieren noch: 6) Das Recht, Beförderungen zwischen dritten Ländern über das eigene Territorium durchzuführen; 7) Das Recht, Beförderungen zwischen dritten Ländern durchzuführen, ohne das eigene Territorium zu berühren. 1 Bis zum Abschluß des Chicago-Abkommens genossen die Luftfahrtgesellschaften der kapitalistischen Länder noch eine achte .Freiheit": Das Recht auf sogenannte Cabotagebeförderung, deren Beginn und Ende gänzlich innerhalb der Grenzen des ausländischen Staates liegen. Nach Art. 7 des Chicago-Abkommens sind derartige Beförderungen grundsätzlich untersagt. Heute werden alle genannten .Freiheiten" auf Luftfahrzeuge nicht nur des Registerstaates, sondern auch des Nutzerstaates (im Falle der Vermietung von Luftfahrzeugen) angewandt, weilletzterer die kommerziellen Rechte bei der Durchführung von Luftbeförderung mit gemieteten Luftfahrzeugen, die einem anderen Staat gehören, selbständig vereinbart. Die ersten vier "Freiheiten• schließen auch den Transitflug über dritte, auf der Flugroute liegende Länder ein. Die ersten beiden .Freiheiten" sehen formal nicht das Privileg vor, Luftbeförderung durchzuführen. Dennoch ist ein solches Privileg in ihnen inbegrif1 Siehe im einzelnen dazu V. S. Grjaznov, Mezdunarodnye aviaperevozki, Moskva 1982, S. 6-21.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
fen, weil beim Transitflug Personen und Gegenstände befördert werden. Ausnahmen bilden nur die Fälle des Hinflugs zu dem Ort, an dem die Beförderung beginnt. Die ersten beiden "Freiheiten" können also sowohl kommerziellen als auch nichtkommerziellen Charakter tragen und sind ihrem Wesen nach der Praxis in der Periode der Errichtung internationaler Luftverkehrsverbindungen zu Beginn dieses Jahrhunderts ähnlich, als das Recht auf Überflug noch nicht vom Recht auf Beförderung getrennt war. Diese Teilung begann Ende der 20er- Anfang der 30er Jahre, wobei die bilaterale Form einer Vereinbarung zwischen den Staaten bevorzugt wurde. Die durch Einzel- oder Sonderabkommen entstandene Ordnung im Bereich der kommerziellen Rechte - der "Freiheiten der Luft" - wurde bald durch spezielle Vereinbarungen über die Häufigkeit der Flüge (Abkommen von 1935 über den Luftverkehr zwischen den USA und England), über die Routen, die Kapazität der Luftfahrzeuge, den Umfang der Beförderung und der Anzahl der benannten Luftfahrtunternehmen (Beförderer), die Tarife usw. ergänzt. Diese Tendenzen spiegelten die wachsende Bedeutung der internationalen Luftverkehrsbeziehungen in der Außenhandelspolitik der Staaten wider. In den 40er Jahren wurde offensichtlich, daß die Regelung auf multilateraler Ebene im Grunde nur die zwei ersten Beförderungsprivilegien gibt, die sich auf den Transit beziehen. Die Erlaubnis, Passagiere, Gepäck, Güter und Post an Bord zu nehmen und zu entladen (dritte, vierte und fünfte .Freiheit"), ging allmählich in den Bereich zweiseitiger Luftverkehrsabkommen über. Diese Tendenz gefiel im Grunde den USA nicht, die fortfuhren, eine praktisch unbegrenzte Tätigkeit ihrer Luftfahrtgesellschaften auf internationalen Luftlinien anzustreben, was durch eine Bestätigung aller grundlegenden "Freiheiten der Luft" in einem multilateralen Vertrag universellen Charakters begünstigt werden konnte. Auf der Konferenz in Chicago im Jahre 1944 traten die internen imperialistischen Widersprüche in dieser Frage mit besonderer Deutlichkeit zutage. Die USA versuchten erfolglos, auf der Grundlage der vorgeschlagenen Konvention eine unbegrenzte "Freiheit der Luft" durchzusetzen, um mit Hilfe des nach dem Krieg freigewordenen Bestands von Luftfahrzeugen die Herrschaft auf dem Weltmarkt des Luftverkehrs zu erringen. Grundlage der Regelung der internationalen Luftbeförderung nach dem Zweiten Weltkrieg waren im wesentlichen bilaterale Abkommen, in denen ein weiter Kreis von Fragen entschieden wurde, angefangen u. a. von der Gewährung des Privilegs auf Überflug (einschließlich des nicht planmäßigen Fluges) über die Definition konkreter "Freiheiten der Luft", welche die Vertragsparteiengegenseitig auf dem Territorium des anderen ausüben können, die strenge Fixierung von Flugrouten, die Häufigkeit der Flüge, die Tarife und die Kapazitäten bis hin zur Benennung der Luftfahrtunternehmen.
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Auf Drängen der USA wurde in die Schlußakte der Chicago-Konferenz das Standardmuster eines bilateralen Abkommens über den Austausch kommerzieller Rechte im regelmäßigen, internationalen Luftverkehr aufgenommen (Cicago-Standardform), die eine gegenseitige Gewährung aller fünf .Freiheiten der Luft" vorsieht. Dieses Muster benutzten die USA beim Abschluß einer Reihe bilateraler Abkommen mit europäischen Staaten. Eines der populärsten und am häufigsten für eine große Zahl bilateraler Abkommen verwendeten Beispiele war der Vertrag zwischen den USA und Großbritannien von 1946 (Bermuda I). Die Grundprinzipien der ChicagoBermuda-Form für bilaterale Abkommen über den Luftverkehr wurden mit einigen Ausnahmen auch von der Vertragspraxis der sozialistischen Länder übernommen. Diese bilateralen Abkommen ersetzten nicht die multilateralen Formen der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, obgleich letztere nur einen begrenzten Geltungsbereich haben. So enthält das in Chicago im Jahre 1944 abgeschlossene Abkommen über den internationalen Transitluftverkehr nur die erste und zweite .Freiheit der Luft", d. h. den Transit und die Landung zu nichtkommerziellen Zwecken (98 Vertragsstaaten, Stand: 1. März 1986). Das andere .Chicago" -Dokument, das Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, sieht alle fünf .Freiheiten" vor. Dieses Abkommen haben bis heute insgesamt 11 Staaten ratifiziert. Diese geringe Zahl erklärt sich aus dem Interesse der absoluten Mehrheit der Staaten, ausländische Luftbeförderungen auf ihrem Territorium je nach ihren Beziehungen zu konkreten Staaten streng zu regeln und ihren nationalen Luftverkehrsmarkt zu schützen. In realistischer Einschätzung der entstandenen Situation und in dem Wunsche, keine umfangreiche, wirtschaftliche Tätigkeit ausländischer Luftfahrtunternehmen in ihrem Luftraum zuzulassen, kündigten die USA im Jahre 1946 das Chicago-Abkommen über die .fünf Freiheiten" auf, stellten aber niemals ihre Versuche ein, auf dem internationalen Luftverkehrsmarkt anderer Staaten den Methoden des .freien Wettbewerbs" Geltung zu verschaffen. Die Nachkriegsgeschichte der internationalen Luftverkehrsbeziehungen enthält eine Vielzahl von Beispielen der Verletzung bilateraler Luftverkehrsabkommen und anderer vertraglicher Vereinbarungen durch die USA, der ständigen Anwendung diskriminierender Methoden gegenüber ausländischen Partnern und des gleichzeitigen Strebens, den eigenen Luftfahrtunternehmen jede Handlungsfreiheit zu verschaffen. Unter der Erfahrung der wachsenden Konkurrenz der ausländischen Luftfahrtunternehmen waren die USA gezwungen, eine Reihe von Maßnahmen protektionistischen Charakters zu ergreifen. Insbesondere wurde im Jahre 9 Maleev
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
1974 ein Gesetz verabschiedet mit dem Ziel. das Abfließen von Valuta aus den USA zu verhindern, welches dadurch entsteht, daß Bürger der USA im internationalen Verkehr Flugzeuge anderer Staaten benutzen. In dem Bestreben, ihren Luftfahrtgesellschaften Vorzugsbedingungen zu sichern, unterstützten die Vereinigten Staaten die Erhöhung des Anteils dieser Gesellschaften an nicht planmäßigen internationalen Flügen sowie eine allgemeine Erhöhung der Transportkapazität der Luftfahrzeuge, was ihnen erlaubte, durch eine Verbilligung der Tarife erfolgreich weitere Benutzer für den Luftverkehr zu gewinnen. Diese Konkurrenzsituation- im wesentlichen zwischen den Luftfahrtgesellschaften der USA und den Luftfahrtgesellschaften Großbritanniens, der skandinavischen Länder, Hollands u. a. wurde vor allem auf den nordatlantischen Linien immer schärfer, wo täglich 25-30% aller internationalen Luftbeförderungen durchgeführt werden.
Die Kündigung des Bermuda-Abkommens von 1946 durch Großbritannien am 21. Juni 1976 war praktisch die zwangsläufige Reaktion auf die Expansion der amerikanischen Luftfahrtgesellschaften in Verletzung der "Bermuda-Prinzipien". Auf diese Entscheidung wirkte sich zweifellos auch die aktuelle Erklärung des Präsidenten der USA über seine internationale Luftverkehrspolitik für das Jahr 1976 aus, 2 in der die Grundzüge der künftigen Konzeption der Deregulierung dargelegt wurden: Liberalisierung des Charterflugs, freier Zugang zu den Märkten, Geschmeidigkeit der Tarife (freie Preise im Charterverkehr und Ablehnung der Subventionierung von Tarifen auf Linienflügen), Bemühen um einen .effektiven Wettbewerb" zwischen den Luftfahrtgesellschaften in den bilateralen Beziehungen. "Am Horizont zeigte sich", schreibt der belgisehe Jurist J. Naveau, "der amerikanische Neoliberalismus, gegen den im Unterschied zum Jahre 1946 nicht rechtzeitig Gegenkräfte mobilisiert worden waren." 3 Die USA stellten die gesamte Luftfahrtgemeinschaft vor die Tatsache ihrer einseitigen Ablehnung des Chicago-Bermuda-Systems, und das Interesse anderer Länder am amerikanischen Verkehrsmarkt hatte zur Folge, daß die notwendige Einheit unter ihnen nicht zustande kam. Die englische Regierung war letztlich die einzige der westlichen Welt, die unter Ausnutzung der traditionell engen Beziehungen mit den USA versuchte, die Reste von .Bermuda I" zu retten, indem sie die Benennung nicht nur eines, sondern vieler Luftfahrtunternehmen ablehnte, die Häufigkeit der Flüge festlegte und die Tarife fixierte. Aber auch in England fand sich der Inhaber einer privaten Luftfahrtgesellschaft, F. Laker, der die Entscheidung eines englischen Gerichts herbeiführte, die es ihm gestattete, transatlantische Flüge zu niedrigen Tarifen und praktisch ohne jegliche Bedingungen 2 Siehe International Air Transport Policy, Statement, 8. September 1976, Washington, S. 2. 3 J. Naveau, Droit du transport aerien international, Bruxelles 1980, S. 4.
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nach dem Prinzip des .Skytrains" zu organisieren.4 Die Flüge von F. Laker, die auf der Linie London-New York begannen, wurden weder den Linienflügen noch den Charterflügen zugerechnet. Der Abflug war jede Stunde, und die Flugscheine wurden auf dem Flughafen 6 Stunden vor dem Abflug verkauft. Es gab keine Platzreservierung und keine Einteilung in Klassen. Die Passagiere erwarben einfach Flugscheine für den nächsten Flug •vor Ort" nach dem Verfahren der lebenden Schlange. Um eine Höchstzahl von Passagieren anzuziehen, senkte Laker die Tarife beträchtlich. Dies gelang Laker durch eine Verringerung der Ausgaben für den Einsatz des Luftfahrzeugs, der indirekten Ausgaben für Werbung, Verkauf der Flugscheine, Platzreservierung mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung, Dienstleistungen für die Passagiere, Umschlagen des Gepäcks, Bedienung während des Fluges sowie für verschiedene Abgaben, Mietgebühren, Kommissionen, Spesen usw. Dank der großen Popularität der Flüge des .Skytrain" wegen ihrer Billigkeit erzielte F. Laker einen mittleren Auslastungskoeffizienten von 80-83 % gegenüber 60% bei den Linienfluggesellschaften. Das ,.Phänomen Laker" ist nur das markanteste und auffälligste Beispiel. Zu ähnlichen Methoden des freien Unternehmertums ohne von der Gesetzgebung auferlegte Schranken griffen auch viele andere, in der absoluten Mehrheit amerikanische Luftfahrtgesellschaften, anfangs zugegebenermaßen bei Inlandsflügen. Im Oktober 1978 unterzeichnete der Präsident der USA das Gesetz über die Deregulierung der Tätigkeit von Luftfahrtunternehmens auf innerstaatlichen Flügen und Ende 1979 verabschiedete der Kongreß das Gesetz über den Wettbewerb beim internationalen Luftverkehr6, welches praktisch die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes von 1978 auf internationale Flüge ausdehnte. Die Verabschiedung des Gesetzes von 1979 wurde von Beteuerungen der Administration der USA begleitet, eine Verbesserung des Systems des internationalen Luftverkehrs anzustreben und den Interessen der Benutzer besser zu entsprechen. Aber, wie J. Naveau bemerkt, verbargen sich hinter all diesen Beteuerungen die Interessen des Konkurrenzkampfes. Dabei machten sich die USA wenig Sorgen darüber, wie die von ihnen verkündeten Prinzipien in eine .rechtliche Logik verpackt" werden können.7 Als Hauptmittel des Drucks auf ausländische Partner dienten die Bestimmungen des Gesetzes von 1979, in dem die Anwendung von .Sanktionen" 4 SieheA.S.Lowenfe/d,Aviation Law, NewYork 1981, S. 5.48-5.71; H.A. Wassenbergh, Decision of 19. July 1984 in the "LakerCase" (House ofLords), in: Air Law, vol. X (1985), No. 1, S. 44-48. 5 Siehe Airline Deregulation Act of 1978. 124 Congressional Records 1978, Washington, Seite H 10331. 6 Siehe The International Air TransportaUon Competition Act of 1979 (HR 5481 ), Washington 1979. 7 Siehe J. Naveau, (Fn. 3) S. 26.
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gegen diejenigen Staaten vorgesehen war, die sich mit der Methode des .freien Wettbewerbs" nicht einverstanden erklärten. Diese Sanktionen reichten bis zur .Aufhebung, Suspendierung oder Abänderung der Erlaubnis für das ausländische Luftfahrtunternehmen, Flüge in die USA durchzuführen."8 In den Dokumenten der ersten Luftverkehrskonferenz der ICAO im Jahre
1977 wurde erwähnt, daß die neue Politik der USA die ernsten Probleme
nicht löst, die im internationalen Luftverkehr entstanden waren und daß .,die Frage der Beseitigung der Reglementierung des internationalen Marktes niemals ernsthaft untersucht worden ist. Das Chica~o-Abkommen und das System der bilateralen Abkommen wurden von den Regierungen auch zu dem Zweck vereinbart, ungezügelten Wettbewerb zu vermeiden." 9 Der Einfluß der USA auf das genannte .System" offenbarte sich in den .Breschen" von unterschiedlicher Größe, die sie in die Beziehungen mit einzelnen Staaten zu schlagen vermochten. Im Abkommen mit Israel vom 16. August 1978, das in den USA als .beispielhaft" angesehen wird, erreichten die USA die Aufhebung des Verbots von Charterflügen, eine Regulierung des Fassungsvermögens der Luftfahrzeuge ausschließlich unter technischen Einsatz- und Naturschutzaspekten und die Benennung einer Vielzahl von Luftfahrtgesellschaften und die Zulassung der .Erneuerung" der Tarife (Einführung freier Tarife und Verzicht auf das Prinzip der .doppelten Billigung durch die Regierungen" oder anders gesagt, der Geltung der Tarife nur im Falle des Einverständnisses beider Regierungen der Partnerländer). In der Folgezeit tauchte die .Liberalisierung" in unterschiedlichem Grade in den Abkommen der USA mit den Niederlanden, Peru, BRD, Belgien, Südkorea, Singapur, Thailand, Jamaica, Chile und anderen Staaten auf. Aber nur in einem Falle (Abkommen mit der BRD) gingen die USA so weit, den .Himmel der USA zu öffnen" ohne Beschränkungen für irgendeine Art des Luftverkehrs und auf allen Routen (Im Gegenzug unterzeichnete die BRD die sieben .Punkte Carters" über die Deregulierung). Belgien war diese .Freiheit" nur für Fracht gewährt worden. In den übrigen Abkommen strebten die USA an, die Grenze nicht zu überschreiten, jenseits der die .Liberalisierung" den ausländischen Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit geben könnte, mit den Unternehmen der USA zu konkurrieren. Die Deregulierung ist also sorgfältig reguliert. Eine ganze Reihe von Fakten (einschließlich des Bankrotts einiger Luftfahrtgesellschaften der USA) weisen darauf hin, daß die Politik der Deregulierung nur ein vorübergehendes Aufflammen des .,freien Wettbewerbs" auf dem westlichen Transportmarkt ist, das zu einer Destabilisierung dieses Marktes führt und nicht lange dauern kann. In der westlichen Presse erheben sich immer lauter kritische Gegenstimmen. 8
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The International Air TransportaUon Competition Act of 1979, S. 21. ICAO Dok. SATC-WR/5 S. 10.
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So übte der Präsident der Pilotenvereinigung der Luftfahrtgesellschaften der USA, lohn O'Donnell, im Jahre 1982 Kritik an der Politik der Deregulierung und behauptete, daß die .Deregulierung eine ,krankhafte Entartung' ist, welche die Industrie der Luftfahrtunternehmen unter die Erde bringen wird. • O'Donnell betonte, daß gerade die Deregulierung zum Teil die Ursache für den Zusammenbruch der Luftfahrtgesellschaften Lakerund .Branniff International" in der ersten Hälfte des Jahres 1982 war. 10 Japan lehnt die Politik der Deregulierung konsequent ab. Seit 1976 unternahmen die USA Versuche, mit Japan ein Abkommen auf dieser Grundlage abzuschließen, ohne Erfolg. Am 20. September 1980 wurde in Tokio ein vorläufiges .Memorandum of Understanding" unterzeichnet, in dem keinerlei Zugeständnis der USA enthalten war. Die weiteren Ereignisse beweisen den Beginn eines .Tarifkrieges" zwischen den USA und Japan. Am 23. September 1980 wurde die amerikanische Luftfahrtgesellschaft.United Airlines" für die Durchführung der Flüge auf einer Reihe von Routen nach Japan benannt. Als sich diese Luftfahrtgesellschaft am 26. Januar 1981 wegen einer Erlaubnis für die Aufnahme des Linienflugs an die japanischen Behörden wandte, wurde dies wegen der niedrigen Tarife abgelehnt, die von. United Airlines" festgesetzt worden waren. 11 Es wurde auch das Argument vorgetragen, die USA nutzten die Rechte auf die fünf .Freiheiten der Luft" einseitig. Unmittelbar danach folgten Sanktionen des Kongreßausschusses für Zivilluftfahrt der USA gegen japanische Luftfahrtgesellschaften. Die japanische Regierung antwortete mit entsprechenden Maßnahmen gegen Luftfahrtgesellschaften der USA Und erst am 4. Juni 1982 wurde zwischen den USA und Japan ein .Interims" -Abkommen für einen Zeitraum von drei Jahren abgeschlossen, das die Notwendigkeit vorsieht, die Kapazität der Flugzeuge genau festzulegen und das bestehende Abkommen zwecks Einleitung von Verhandlungen über die Festlegung einer .allgemeinen Balance der Gewinne" zwischen den Parteien bis Ende 1983 zu überprüfen. Wie sich der Vorsitzende des Kongreßausschusses für Zivilluftfahrt der USA ausdrückte, kann niemand mit völliger Gewißheit voraussagen, wie lange diese Verhandlungen dauern werden und wann die Parteien, die "an zwei verschiedene Systeme und an zwei verschiedene Philosophien" glauben, ein endgültiges Abkommen abschließen werden. 12 Gegen die Politik der Deregulierung setzte sich auch die französische Regierung ein. 13 Großbritannien und viele andere Länder gaben dem Druck 10 ALPA Criticises Airline Deregulation, in: Aviation Week and Space Technology vom 11. Oktober 1982, S. 41 -44. 11 Siehe Aviation Week and Space Technology vom 21. Dezember 1981, S. 21. 12 Siehe Aviation Week and Space Technology vom 5. April 1982, S. 32. 13 Siehe M. A. Ali, Impact of Current US Policy on International Civil Aviation, in: Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht 1983, Nr. 4, S. 295-325.
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der USA ebenfalls nicht nach. In der ausländischen juristischen Literatur wird festgestellt, daß .die Versuche der USA, den nach ihrem Maß geschneiderten Liberalismus auf dem Gebiet der Zivilluftfahrt in andere Länder zu exportieren, keine greifbaren Erfolge zeitigten. Im Gegenteil tun Staaten wie Frankreich alles, um jeden Versuch eines Wettbewerbs unter der Losung ,Freiheit für alle' zu verhüten, der die internationale Zivilluftfahrt destabilisieren und die Benutzer derjenigen Wohltaten berauben könnte, die sie von einer vernünftig organisierten und regulierten Industrie des Luftverkehrs haben." 14 Es könnte scheinen, daß die .Liberalisierung" in der untersuchten Frage auf bestimmten wirtschaftlichen Grundlagen in den Beziehungen zwischen kapitalistischen Ländern beruht, für deren wirtschaftliches Leben die Gesetze des Wettbewerbs eine immanente Eigenschaft sind. Jedoch erkennt man auch in einer Reihe kapitalistischer Länder deutlich, daß die aktuelle Attacke der USA auf die bestehenden Formen einer Regelung des internationalen Luftverkehrs das Ziel verfolgt, für die USA einseitige Vorteile zu erlangen. Diese egoistischen Interessen sind in den offiziellen Dokumenten aufzuspüren, die über die Politik der Deregulierung in den USA veröffentlicht wurden. Sie können nicht mit irgendwelchen allgemeinen Erwägungen über angebliche Vorteile für die gesamte menschliche Gemeinschaft verdeckt werden. So finden sich z. B. im Dokument .Politische Richtlinien für internationale Verhandlungen", publiziert im Mai 1978 vom Transportministerium der USA, folgende Ausführungen: .Die USA gehen davon aus, daß das Interesse an der weiteren Entwicklung und am Gedeihen ihrer Zivilluftfahrt eine erhebliche Verbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit erfordern und nicht die Einführung von Beschränkungen ... Die Erhöhung der Zahl internationaler Flüge amerikanischer Luftfahrtgesellschaften in die und aus den USA wird wesentliche Auswirkungen auf die Entwicklung unseres Außenhandels haben, wird große Transportkapazitäten für den Verteidigungsbedarf garantieren, die Effektivität unseres internationalen Luftverkehrs erhöhen und mehr Arbeitsplätze sichern." 15 Weil es den USA nicht gelang, die genannten Ziele bilateral bei der Mehrheit der Länder der Welt zu erreichen, unternehmen die amerikanischen Vertreter und ihre Advokaten in anderen Ländern "Umgehungsmanöver". Sie bemühen sich, im Interesse des amerikanischen Business regionale Tendenzen bei der Regelung des internationalen Luftverkehrs zu fördern. Bei dieser Kampagne wird der Ton von den offiziellen Vertretern der amerikanischen Administration angegeben. Charakteristisch war in dieser Hinsicht der Auftritt des Assistant Deputy Secretary of Transportalion der USA, J. Atwood, auf dem Symposium in Kingston (Jamaica, Januar 1979). 14 15
a.a.O., S. 231. Aviation Daily vom 25. Mai 1978, S. 146-147.
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Atwood schlug zwei Typen umfassender regionaler Abkommen vor: 1) die Luftfahrtunion, ein Abkommen zwischen benachbarten Staaten, die beim internen Luftverkehr ohne Rücksicht auf die Unterschiede der nationalen Zugehörigkeit einzelner Luftfahrtgesellschaften als einheitliche Gruppe auftreten, und 2) ein Abkommen zwischen einer Gruppe benachbarter Staaten, die als einheitlicher Block beim Abschluß von Luftverkehrsabkommen mit drittenStaten auftreten (z. B. Dänemark, Norwegen und Schweden schließen als Gruppe Abkommen mit anderen Ländern). Diese zwei Arten von Abkommen können nach Meinung Atwoods als gegenseitige Ergänzung genutzt werden. Die Gruppe von Ländern innerhalb der Luftfahrtunion kann ihre .inneren" Flüge zwischen den Territorien untereinander einheitlich regeln, aber mit dritten Ländern schließen sie jeweils getrennt bilaterale Abkommen ab. Analog kann diese Staatengruppe, die als ein einheitlicher Block gegenüber dritten Ländern auftritt, innerhalb des Blocks bilaterale Abkommen untereinander abschließen. 16 Dabei ist wichtig, daß sowohl die Luftfahrtunion als auch der Luftfahrtblock von den Vereinigten Staaten allein deshalb erdacht wurden, um eine Deregulierung mit .einer Verringerung der Bedeutung des nationalen Hoheitsgebiets und der großen nationalen Luftfahrtgesellschaften zu erreichen." 17
Atwood bekräftigte, daß die Luftfahrtgesellschaften der Region größere Möglichkeiten zur Schaffung rentabler Flugrouten und Flugpläne sowie für die Festlegung annehmbarer Tarife erhalten. Auf dieseWeise sollen die Interessen der Passagiere und Frachtversender besser befriedigt werden. Atwood schloß seine Ausführungen wie folgt: •Wenn eine Gruppe von Ländern einen Austausch von Nutzungsrechten mit den USA und gleichzeitig untereinander anstrebt, so wird dies für alle Partner eines derartigen Abkommens nutzbringend sein. Die USA sind folglich, wenn eine Gruppe von Staaten vereinbart, ausländischen Luftfahrtgesellschaften breiten Zugang zu ihren inneren Märkten zu gewähren und bedeutende kommerzielle Rechte einzuräumen, bereit, ihrerseits entsprechende Schritte im Interesse des gegenseitigen Vorteils zu unternehmen." 18 Sinn und Zweck dieses Vorschlags ist es, daß erstens eine regionale Vereinigung unter den Bedingungen der Deregulierung handelt, zweitens die Teilnehmerstaaten einer solchen Vereinigung gleichzeitig mit der Gewährung von wechselseitigen Privilegien diese auch den USA einräumen, und drittens die USA selbst nur dann das Recht auf Beförderung auf ihrem Territorium gewähren werden, wenn die gesamte Region für .ausländische Luftfahrtgesellschaften" offen ist. 16 Siehe J. R. Atwood, Regional Aviation Agreements: A Desirable Alternative to Bilateralism. - International Aviation Symposium, Jamaica, 1979, S. 132. 17 a.a.O., S. 133. 18 a.a.O., S. 144.
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Die Teilnehmer einer solchen regionalen Vereinigung würden also vor folgende Wahl gestellt: entweder amerikanische Luftfahrtgesellschaften auf dem nationalen Beförderungsmarkt zu den .,liberalen" Bedingungen zuzulassen, die sie sich gegenseitig gewähren, oder sich der Möglichkeit zu berauben, den amerikanischen Markt zu nutzen. Weilletzterer eine überaus große Rolle nicht nur in der Wirtschaft des internationalen Lufttransports, sondern auch bei der Befriedigung wichtiger Interessen der Staaten spielt (internationale Beziehungen auf den Gebieten der Politik, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Tourismus usw.), dient der amerikanische Beförderungsmarkt als die. Trumpfkarte", welche die USA einsetzen, um den Widerstand anderer Länder gegen die Politik der Deregulierung zu brechen. Weiter schuf der Abschluß zweiseitiger Deregulierungsabkommen durch die Vereinigten Staaten mit einzelnen Ländern verschiedenerRegionende facto eine neue Situation auf dem regionalen Markt dieser Länder. Das neue der Situation liegt darin, daß verschiedene Länder einer konkreten Region ungleiche Bedingungen vorfinden: Luftfahrtgesellschaften einzelner Länder führen auf einigen Märkten Luftbeförderung ohne Beschränkungen oder mit minimalen Beschränkungen der kommerziellen Rechte und Bedingungen durch, die Luftfahrtgesellschaften anderer Länder orientieren sich am strengen Rahmen traditioneller (Chicago-Bermuda) Bedingungen, die in Luftfahrtabkommen niedergelegt sind. Dies nötigt die zweite Gruppe von Ländern in gewisser Weise, Korrektive in die traditionellen Formen der Reglementierung des internationalen Luftverkehrs einzuführen. Durch Direktive des Europarates vom 25. Juli 1983 wurde ein Regime teilweiser .Liberalisierung" des internationalen Luftverkehrs zwischen den Ländern Westeuropas gebilligt. Das genannte Regime erstreckt sich nur auf Flüge von Luftfahrzeugen mit einer Kapazität von nicht mehr als 70 Plätzen oder einem maximalen Abfluggewicht von 30t. 19 Einige westeuropäische Länder (z. B. Großbritannien und Dänemark) verstehen die Wettbewerbsbestimmungen der Art. 85 und 86 des Römischen Vertrages so, daß sie von ihren Luftfahrtgesellschaften keine Vereinbarung über die Tarife verlangen können.•Inwieweit solche Abkommen den Gesetzen der Gemeinschaft widersprechen", bemerkt in diesem Zusammenhang der englische Jurist A. Tony, .ist eine andere Sache. Viel wird von den konkreten Umständen abhängen, und die juristische Situation auf diesem Gebiet ist sehr unklar." 20 Eine neue Tendenz bei der Regulierung wirtschaftlicher Rechte in der westeuropäischen Region ist die Bekräftigung des Prinzips der .offenen, planmäßigen Flugrouten" in bilateralen Luftverkehrsabkommen (insbesondere in den Abkommen Großbritanniens aus dem Jahre 1984 mit den NieSiehe Official Journal (London) vom 26. August 1983, N. 26, S. 237. A. Tony, Air Services Agreements: Current United Kingdom Procerlure and Policies, in: Air Law, vol. 4/5 (1985), S. 202. 19
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derlanden, BRD und Luxemburg), nach dem die vertragschließenden Parteien die Rechte der fünften .Freiheit" gemäß einem Abkommen zwischen den zuständigen Luftfahrtorganen (und nicht der Regierungen) genießen. Dies bedeutet zweifellos keine Veränderung der Subjekte, die das Recht auf internationale Beförderung besitzen. Diese Subjekte bleiben die Staaten, welche die Verwirklichung ihrer Rechte auf ihre zuständigen Organe delegieren. Gleichzeitig setzt die Anwendung dieses Prinzips voraus, daß die Staaten sich gegenseitig das Privileg des Fluges zu beliebigen Punkten auf dem Territorium des anderen gewähren. Die Forderung, für die Durchführung von Flügen nur eine Luftfahrtgesellschaft zu bestimmen, wird für die Flugrouten mit niedrigem Transportaufkommen aufrechterhalten, auf denen die Möglichkeiten eines Wettbewerbs äußerst begrenzt sindY Multilateral und gesamtregional gesehen hat die Politik der Deregulierung bislang den westeuropäischen Luftverkehrsmarkt noch nicht ergriffen. Den Vereinigten Staaten ist es also nicht gelungen, allen Ländern die Prinzipien der Politik der Deregulierung nach ihrem eigenen .Szenario" aufzunötigen. Jedoch werden die Anstrengungen in dieser Richtung von ihnen fortgesetzt. Bekanntlich leisten einige Juristen aus anderen Ländern dabei Unterstützung. Zum Beispiel veröffentlichte der holländische Jurist H. A. Wassenbergh eine Reihe von Arbeiten, in denen er uneingeschränkt die Politik der Deregulierung unterstützt und sie sogar in einer regionalen Variante weiterentwickelt. Im Jahre 1979, als in den USA das Gesetz über die Deregulierung verabschiedet wurde, unterzog H. A. Wassenbergh den Einfluß .,liberaler" bilateraler Luftverkehrsabkommen zwischen den USA und Westeuropa auf Lateinamerika einer .wissenschaftlichen" Analyse, wobei er E. Feneira für seine .idealistische Konzeption" vom Luftverkehr als einer nationalen Ressource kritisierte, die mit ausländischen Partnerländern im Verhältnis 50% zu 50% geteilt werden muß. Nach Meinung H. A. Wassenberghs "muß man den Luftraum in der Praxis als gemeinsames Erbe der Menschheit für die Beförderung von Menschen undWaren zwischen Nationen betrachten". Zur Unterstützung seiner Auffassung zitiert er die Frage Godoys: •Warum soll im Bereich des Lufttransports Gleichheit gefordert werden, wenn es sie bei der Produktion von Getreide, Maschinen und Fleisch nicht gibt. .. ?22 In der Folgezeit entwickelte H. A. Wassenbergh eine ganze .Lehre von der regionalen Deregulierung". Zu diesem Zweck wird von ihm der Abschluß .plurilateraler" Luftverkehrsabkommen (RATA) vorgeschlagen. Nach der Vorstellung H.A. Wassenberghs müssen die RATA eine besondere Kombia.a.O., S. 191. Zitiert nach H. A. Wassenbergh, Liberal Bilateral Air Agreements between the US and Europe and their Impact on Latin America, in: ALADA Conference. Aruba, 2.-5. Mai 1979, S. 275. 21
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nationbilateraler Abkommen für die freie Durchführung von Beförderungen zwischen zwei RATA-Teilnehmerstaaten darstellen, die von ihnen zuvor abgeschlossen wurden. Während einer .Übergangsperiode" werden bilaterale Abkommen, die zwischen den RATA-Teilnehmerstaaten gelten, ihre Gültigkeit behalten. Nach Ablauf der Übergangsperiode müssen die Luftbeförderungen zwischen den Territorien der RATA-Teilnehmerstaaten als Cabotage mit .freier Konkurrenz" der Luftfahrtgesellschaften aller Länder unter den Bedingungen der Deregulierung betrachtet werden.• Die leidenschaftlichen Protektionisten" (d. h. diejenigen, die für eine Regelung der kommerziellen Rechte auf der Grundlage bilateraler Abkommen der Staaten eintreten) können, wie H. A. Wassenbergh behauptet, gezwungen werden, das RATA-Regime .unter dem allgemeinen Druck und wegen der Gefahr des Verlustes der Transportströme für ihre Märkte anzunehmen." 23 Der Mechanismus der Nötigung zur Kapitulation einzelner Länder wird also mit brutaler Offenheit gezeigt. Seine funktionale Einstellung zur staatlichen Souveränität bietet H. A. Wassenbergh sogar als mögliche Verteidigung gegen die Expansion der Luftfahrtgesellschaften dritter Länder (USA) in der Region an, mit denen einzelne RATA-Mitglieder zuvor bilaterale Abkommen abschließen können. 1. Atwood stellte jedoch ganz eindeutig ein Ultimatum: Entweder wird den Luftfahrtgesellschaften der USA die volle Handlungsfreiheit in der gesamten Region auf der Grundlage der Prinzipien der Deregulierung gewährt oder nicht eines der Mitgliedsländer des .Blocks" oder der .Union" erhält das Privileg des Fluges in die USA Es ist völlig offensichtlich, daß keines der westeuropäischen Länder bereit ist, den reichen amerikanischen Beförderungsmarkt zu verlieren. Daher würden derartige Unionen und Blöcke statt einer Verteidigung der Interessen der RATA-Mitgliedsländer den USA zusätzlichen Gewinn verschaffen, weil sie es durch bilaterale Kontakte sogar ermöglichten, die Politik der Deregulierung auf ganze Regionen zu erstrecken. Der Vorschlag H. A. Wassenberghs erinnert sehr stark an die in den SOer Jahren abgelehnten Projekte einer europäischen Luftfahrtunion. Eines dieser Projekte wurde vom ehemaligen spanischen Außenminister entwickelt. Danach sollte für SO Jahre ein .einheitlicher europäischer Luftraum" geschaffen werden, der die maritimen Hoheitsgebiete, die volle Freiheit der Beförderung innerhalb der Region und den Abschluß bilateraler Abkommen mit Drittländern einschließen sollte.
In konzentrierter und leicht modifizierter Form wiederholte H. A. Wassenbergh im Jahre 1983 seine Ideen, wobei er versuchte, die Entwicklung des Prinzips der multilateralen völkerrechtlichen Regelung des Luftverkehrs 23 International Air TransportaUon in the Eighties, Deventer 1981, S. 12, 193, 195, 196, 207.
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unter regionalen und globalen Aspekten zu prognostizieren. Dabei wird von ihm .Plurilateralität" definiert als .Zusammenarbeit zwischen mehr als zwei Staaten, unabhängig von ihrer geographischen Lage, die keine Mehrheit der Länder der Welt umfaßt." 24 Wie auch früher versteht der Autor .Pluralismus" als Zwischenetappe zwischen regionaler und universeller Form einer rechtlichen Regelung, die zum Ziel hat, gerade die letztgenannte Form unter den Bedingungen der Deregulierung zu erreichen.• Regionalismus im Luftverkehr", schreibt H. A. Wassenbergh, .kann nur dann ein yoller Erfolg werden, wenn die Staaten den Wunsch haben, ihre Luftfahrtpolitik zum Zwecke der Vereinigung der Interessen ihrer nationalen Luftfahrtunternehmen zu einem ,regionalen Luftfahrtinteresse' eng zu koordinieren. Letztendlich müssen sie ihre nationale Luftsouveränität zu einer einheitlichen, regionalen Luftsouveränität verschmelzen und einen ,regionalen Luftraum' sowie eine ,regionale Flagge' in der Luft schaffen". 25 Um sein Ziel zu erreichen, Propaganda für die Politik der Deregulierung zu machen, interpretiert H. A. Wassenbergh einige bestehende und allgemein anerkannte Begriffe äußerst willkürlich und wendet sie entsprechend an. Weil der Luftraum Teil des Staatsterritoriums ist, ist es unmöglich, daß eine .regionale Luftsouveränität" losgelöst von dem Status der dazugehörenden Erdoberfläche besteht. In Wirklichkeit hat H. A. Wassenbergh einen einheitlichen, regionalen Markt der Luftbeförderungen im Auge, was auch aus seinen weiteren Darlegungen folgt: .Der einheitliche, regionale Luftraum wird faktisch als Ergebnis der koordinierten Luftfahrtpolitik geschaffen werden."26 Wiederholt auf die Erfahrung der innerstaatlichen Deregulierung in den USA verweisend, führt H. A . Wassenbergh beharrlich den Gedanken fort, daß die Schaffung eines universellen Luftverkehrssystems bei voller Deregulierung nötig sei. Dabei wird das folgende Schema gewählt: Innerhalb der Region werden - ausgehend von den gemeinsamen Interessen - die günstigsten Bedingungen für den Luftverkehr zwischen den Mitgliedsländern auf der Grundlage maximaler Liberalisierung geschaffen; gleichzeitig werden die Beziehungen zu Drittländern, die nicht zu der Region gehören, auf bilateraler Grundlage fortgesetzt, was zu einem Wettbewerb zwischen den Ländern der Region führt. Damit die innerhalb der Region verfolgte Politik den bilateralen Abkommen mit den .Parteien", d. h. den Staaten, nicht widerspricht, müssen diese Abkommen in volle Übereinstimmung mit den Bedingungen gebracht werden, die innerhalb der Region herrschen. 27 24 H . A. Wasserbergh, The Future of Multilateral Air Transport Regulation in the Regionaland Global Content, in: Annals of Air and Space Law, vol. VIII (1983), S. 263. 25 a.a.O., S. 266. 26 a.a.O. 27 a.a.O., S. 270-271.
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Dies bedeutet den Übergang zur nächsten Etappe in der Entwicklung des Regionalismus, seine Ausrichtung auf den .freien Wettbewerb" mit Drittländern. Aber auch diese Drittländer (z. B. die USA) werden die gleichen Möglichkeiten innerhalb der gesamten Region erhalten. Auf diese Weise würde das.Trojanische Pferd" des Regionalismus nicht nur einzelne Länder, sondern ganze Regionen voll der Politik des .freien Wettbewerbs" unterwerfen. Nach Meinung H. A. Wassenberghs gibt es Staaten, die über einen wirtschaftlichen Rückgang, überflüssige Kapazitäten, Wechselkursänderungen, Inflation, Erhöhung der Gebühren, Überlastung der Flughäfen, Luftverkehrsdichte, unrechtmäßige Rabatte auf die Tarife und Konkurse von Luftfahrtgesellschaften beunruhigt sind. Sie bestehen auf der Aufrechterhaltung einer strengen Ordnung im Luftraum durch eine klare, wirtschaftliche Regelung der Tätigkeit der Luftfahrtgesellschaften sogar zum Schaden des Fortschritts. Es gibt auch solche Staaten, die einfach eifersüchtig das bewachen, was sie als ihren .eigenen" Markt und ihren .rechtmäßigen" Marktanteil von garantierten 50% betrachten. "28 Aber die ganze Konstruktion H. A. Wassenberghs und die praktischen Folgen der Politik der Deregulierung bestätigen zugleich die oben genannten Thesen, an denen er vorübergeht, indem er sich auf ironische Bemerkungen über .beunruhigte" und .eifersüchtige" Staaten beschränkt. In derart ernsten Fragen der Wirtschaft des Weltluftverkehrs, die große Bedeutung für die auswärtigen Beziehungen haben, ist eine solche Oberflächlichkeit unzulässig. H. A. Wassenbergh ist gezwungen anzuerkennen, daß es ziemlich viele Unterschiede und Ungleichheiten zwischen den Ländern und Regionen, ihren Luftfahrtgesellschaften und Märkten gibt und daß die von den USA gewählte Lösung unter den gegenwärtigen Gegebenheiten nur die Starken auf Kosten der Schwachen stärkt. 29 Aber dennoch fährt der genannte Autor fort, zugunsten der amerikanischen Einstellung zu agitieren. Sein Motiv ist, daß ,.es durchaus möglich ist, zu versuchen, den Wettbewerb im höchstmöglichen Ausmaß zu beseitigen; aber das auf diese Weise geschützte Luftfahrtunternehmen bleibt hinter der unerbittlichen Entwicklung von Wissenschaft und Gesellschaft zurück. Man darf die nächsten Ziele nicht mit dem Langzeitgewinn verwechseln. Daher müssen sich die Staaten in eine Richtung bewegen, die einen Nutzen für alle auf lange Sicht gewährleistet." 30 Das Tendenziöse dieser Einstellung gegenüber der Politik der Deregulierung ist offensichtlich. Eine ausführliche Analyse der Arbeiten H. A. Wassenberghs war deshalb geboten, weil dieser Autor in den letzten Jahren eine führende Stellung 28
29 30
a.a.O., S. 273-274. a.a.O., S. 280. a.a.O.
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unter den bürgerlichen Juristen einnahm, die als Advokaten des .freien Wettbewerbs" in der Luft auftreten, was als eine .neue" und .fortschrittliche" Erscheinung ausgegeben wird. In Wirklichkeit ist dies nichts anderes als die Entwicklung des seit langem von den USA auf dem internationalen, kapitalistischen Markt eingeführten Systems der .freien Marktwirtschaft", die sogar von einigen amerikanischen Wissenschaftlern als Unterwerfung unter die Interessen hauptsächlich des amerikanischen Kapitals und al~ ein immer stärker werdender Widerspruch zu den lebenswichtigen Interessen anderer Staaten gewertet wird. Einer der amerikanischen Autoren, F. Block, nannte seine, der Analyse des Wesens dieses .Systems" gewidmete Arbeit äußerst aufschlußreich .Die Ursprünge der Internationalen Wirtschaftlichen Unordnung."31 Natürlich wäre es zu einfach, die erwähnten Tendenzen des .freien Wettbewerbs" nur mit der Politik der USA zu erklären. Sie haben ihre Wurzel im Wesen der kapitalistischen Wirtschaft, im klassenbezogenen Inhalt der Außenpolitik der kapitalistischen Länder, und die Annahme oder Ablehnung einer Reihe von Methoden des .freien Wettbewerbs" erklärt sich durch die Gruppierung der Kräfte in den internationalen Luftfahrtbeziehungen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, daß bereits in Art. 15 der Pariser Konvention von 1919- diese Gruppierung der Kräfte widerspiegelnd - eine Bestimmung enthalten war, daß jedem Vertragsstaat das Recht gewährt wird, zugunsten seiner Luftfahrtunternehmen Einschränkungen für die Aktivitäten ausländischer Luftfahrzeuge festzulegen. Aber, wie A. N. Verescagin bemerkt, war diese Formulierung .so allgemein und verschwommen, daß sie in den folgenden Jahren zu unterschiedlichen Auslegungen führte und letztlich überarbeitet werden mußte." 32 Die mangelnde Konkretheit der genannten Bestimmungen des Art. 15 gefiel im Jahre 1919 allein Frankreich, das aktiv für die .Freiheit der Luft" eintrat, weil es seinerzeit den größten Park von Luftfahrzeugen besaß. Für die kommerzielle Tätigkeit ausländischer Unternehmen war dieser Artikel keine ernsthafte Behinderung, weil er die Gewährung kommerzieller Rechte nicht als selbständige Frage herausarbeitete. Andere kapitalistische Länder teilten zu jener Zeit nicht die Konzeption der "Freiheit der Luft", weil sie sahen, daß diese Frankreich einseitig Vorteile gab. Aber in den 20er Jahren entwickelten sich die Luftfahrtindustrien der USA, Großbritanniens und Hollands mit schnellem Tempo. Gerade diese drei Länder erklärten im Jahre 1929 ihr Interesse an einer Änderung des Art. 15 der Pariser Konvention, um die .Freiheit des Fluges zum Zweck internationalen Handels" zu erreichen. Den genannten drei Ländern schloß sich 31 Siehe F. L. Block, The Origins of International Economic Disorder, Berkley 1977, S. 72-75. 32 A . N. Verescagin, (Fn. 1, Kapital II) S. 87.
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auch Schweden an, aber aus anderen Erwägungen: Es rechnete damit, daß seine geographische Lage weit ab vom Zentrum Europas es ihm erlauben würde, die .Freiheit der Luft" in den europäischen Ländern zu nutzen, ohne irgendein Opfer als Gegenleistung erbringen zu müssen. Jedoch führten die Widersprüche zwischen den kapitalistischen Ländern über den Zugang zu den nationalen Märkten des Luftverkehrs und ihre Befürchtung, daß andere Länder, mit einem mächtigeren Park von Flugzeugen, beträchtlich größere Vorteile erhalten würden, zu einem Ergebnis, das dem, was die USA, Großbritannien, Holland und Schweden erwarteten, diametral entgegengesetzt war. Die Internationale Luftfahrtkommission lehnte mit Stimmenmehrheit (31 gegen 4) den Vorschlag einer .Freiheit der kommerziellen Tätigkeit" ab und nahm folgenden neuen Text des Art. 15 an: ..Jeder Vertragsstaat kann seinem zuvor erklärten Einverständnis zur Errichtung internationaler Luftfahrttrassen, zur Organisation und Nutzung regelmäßiger internationaler Luftlinien mit oder ohne Landung auf seinem Territorium bestimmte Bedingungen hinzufügen." 33 Das war die erste Norm im internationalen Luftrecht, in der das souveräne Recht der Staaten niedergelegt ist, die kommerzielle Tätigkeit ausländischer Luftfahrtunternehmen innerhalb des eigenen Territoriums zu regeln. Die neue Formulierung des Art. 15 lief der Politik der USA in den internationalen Luftfahrtbeziehungen zuwider. Im Jahre 1928 erreichten die USA, die sich zu jener Zeit in die Reihe der am weitesten entwickelten Luftmächte eingereiht hatten, daß das Prinzip der .. offenen Türen" in der Konvention von Havanna über die Zivilluftfahrt (Panamerikanische Konvention) von 1928 bestätigt wurde. Gemäß Art. 21 dieser Konvention können die Zivilluftfahrzeuge der Teilnehmerländer Passagiere in das Territorium der anderen ein-und ausfliegen. Formal könnte man dieses Recht als Recht der Gegenseitigkeit auslegen, wenn nicht die objektive Tatsache gewesen wäre, daß fast ausschließlich in den USA Luftfahrzeuge vorhanden waren. Das gab den USA die Möglichkeit eines faktischen Monopols bei der Durchführung von Beförderungen in der Region Zentral- und Südamerikas. Gleichzeitig verfolgten die USA aktiv eine Politik des Protektionismus, indem sie dritten Ländern kein Recht auf Beförderung über ihr Territorium gewährten (fünfte .Freiheit der Luft"), sondern dieses Recht nur für sich selbst erlangten. Diesen Charakter trug insbesondere das bilaterale Abkommen der USA mit Frankreich von 1939. Jedoch verlief die Haupttendenz der Entwicklung des internationalen Luftrechts in der vorliegenden Frage immer mehr in Richtung auf eine Gegenseitigkeit bei der Nutzung kommerzieller Rechte aufgrundbilateraler Abkommen. Gerade gegen diese Hauptentwicklungstendenzen sind auch in der Gegenwart die Angriffe der Verfechter der Politik der Deregulierung 33
Zitiert nach 0. J. Lissytzyn (Fn. 11, Kapitel Ill), S. 367.
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gerichtet, die in ihren Argumenten die Schlüsselfrage des Problems geflissentlich mit Schweigen übergehen, von welchen Klasseninteressen diese Politik diktiert wird, wem in den westlichen Ländern die Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auf dem Gebiet der Luftfahrt dienen, was z. B. den niedrigen Preisen (Rabatten) für Passagierflugscheine zugrunde liegt, die westliche Luftfahrtgesellschaften im Konkurrenzkampf gewähren. Kar/ Marx und Friedrich Engels drückten dasWesender in diesen Fällen verfolgten Ziele sehr eindeutig aus: .Die Sourgoisie ;zieht mit der schnellen Vervollkommnung aller Produktionsmittel und d~r unaufhörlichen Erleichterung der Kommunikationsmittel alle, sogar die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die billigen Preise ihrerWaren sind die schwere Artillerie, mit deren Hilfe sie alle chinesischen Mauern zerstört und zur Kapitulation nötigt. .. "34 Seit der Niederschrift dieser Zeilen hat sich das Wesen der kapitalistischen Wettbewerbsmethoden nicht verändert, weil sich die dahinterstehenden, grundlegenden Klassenmotive nicht geändert haben. In diesem Sinn hat die Freisetzung der Privatinitiative im Bereich des internationalen Luftverkehrs weitreichende politische Folgen. Die Rechnung des Westens in derartigen Fällen ist, wie E. Obminskij bemerkt, einfach: Unter den Bedingungen des erbarmungslosen Konkurrenzkampfes, in dem jeder nur für sich selbst steht, müssen die Entwicklungsländer .alles vergessen, was sie miteinander verbindet, sie müssen der Solidarität im antiimperialistischen Kampf abschwören und werden - durch gegenseitige Konkurrenz gespalten - einzeln leichte Beute des internationalen Kapitals." Der Autor erinnert an die Warnung Jndira Ghandis vor einer blinden Imitation westlicher Modelle und vor der schrankenlosen Elementarkraft des privaten Unternehmertums. 35 Letztendlich bedrohen die Folgen der Politik der Deregulierung hauptsächlich die Entwicklungsländer, deren Wirtschaftssystem im allgemeinen und deren nationale Luftfahrtgesellschaften im besonderen in der Regel nicht in der Lage sind, den Wettbewerb mit den entwickelten, kapitalistischen Mächten durchzustehen. In diesem Zusammenhang nehmen die Worte Fidel Castros, die er im Jahre 1983 auf der VII. Konferenz der Staatsund Regierungschefs der blockfreien Länder sprach, einen durchaus konkreten Klang hinsichtlich der hier untersuchten Frage an: .Den Entwicklungsländern kann angesichts der Handelskonkurrenz der entwickelten Länder der Protektionismus alsWaffezur Verteidigung der entstehenden Industrieproduktion und der dadurch geschaffenen Beschäftigung dienen.. ., wenn die Länder mit mächtigen Industrien egoistische Maßnahmen ergreifen, welche 34
35
K. Marx. F. Engels, Soc., Bd. 4, S. 428. Siehe E. Obminskij, Zaokeanskie otmycki k .jasciku Pandory", in: lzvestija vom
20. Juli 1985.
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die Entwicklung einer großen Mehrheit der Völker bremsen, deren Rückständigkeit eine Folge jahrhundertelanger kolonialer und neokolonialer Ausbeutung ist, die einer kleinen Gruppe von Staaten Überfluß gebracht hat. Diese bittere Wahrheit ist unseren Völkern gut bekannt. Die wichtigsten kapitalistischen Länder verpaßten und verpassen keine Gelegenheit, um gegen uns protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, die uns Schaden zufügen, obgleich sie sich dabei brennende Vorkämpfer der Liberalisierung des Handels nennen und Besorgnis über die Möglichkeit eines neuen Aufflammens des Protektionismus heucheln, der die angeblich freien Mechanismen der internationalen Märkte zerrütten könnte. "36 Der aktive Widerstand der sozialistischen Staaten, vieler Entwicklungsländer und einer Reihe kapitalistischer Staaten gegen die Politik der Deregulierung spornt ihre Apologeten an, positive Merkmale der Tätigkeit des internationalen Luftverkehrs als Bekräftigung ihrer Argumente vorzutragen. In der Tat, nach einigen Jahren (1980-1983) präzedenzlos hoher Verluste begann der internationale Luftverkehr der kapitalistischen Länder im Jahre 1984 von neuem, Gewinn abzuwerfen, der auf 500 Mio Dollar geschätzt wird. 37 Jedoch gibt es wohl kaum eine Begründung dafür, diese Ziffer mit der Politik der Deregulierung zu verknüpfen. Im Gegenteil, die äußerst verlustreichen Jahre fallen genau in die Periode des Abschlusses .liberaler" Verträge. Die Ursache muß also in den tiefer liegenden Prozessen der Aktivierung des internationalen Luftverkehrs, insbesondere der Frachtbeförderungen gesucht werden. Daß dies nur ein einmaliges konjunkturell bedingtes Wachstum war, beweist die Tatsache, daß sich im vierten Quartal 1984 die Luftfrachtbeförderung von neuem verringerte und das Aufkommen des internationalen Luftverkehrs im Jahre 1985 niedriger ist als das Niveau des Jahres 1984 mit einer entsprechenden Verringerung der Gewinnaussichten. 38 Was die Vergrößerung der Gewinne einzelner Luftfahrtgesellschaften der USA angeht, so hängt dies mit Faktoren zusammen, die über den Rahmen der internationalen Luftverkehrsbeziehungen hinausgehen. Die USA haben bekanntlich in den vergangeneo Jahren den Dollarkurs im Vergleich zu einer großen Zahl nationaler Währungen deutlich erhöht, was für viele Länder die Vorteile aus der Stabilisierung des Flugbenzinpreises erheblich relativierte. Viele kapitalistische Länder nehmen nach wie vor eine vorsichtige Haltung gegenüber der Politik der Deregulierung ein. Bezeichnend ist insbesondere die Bewertung dieser Politik durch die Europäische Konferenz für Zivilluftfahrt (ECCA), die ein Regionalorgan der ICAO ist und enge Bezie36 37
38
F. Castro, Ekonomiceskij i social'nyj krizis mira, Havana 1983, S. 77-78. ICAO Dok. AT Cnf/3-IP/1 S. 1. Siehe V. G. Afanas'ev, Mirovoj vozdusnyj transport Moskva 1985, S. 109.
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hungen zum Europarat unterhält. Obwohl sie im Prinzip der Notwendigkeit eines geschmeidigeren Herangehens an die Regelung des internationalen Luftverkehrs zustimmen, treten die Mitgliedsländer der ECCA dennoch entschlossen gegen eine Schwächung des .integrierten Charakters der internationalen Zivilluftfahrt" ein, gegen die .eher zerstörenden als evolutionären Veränderungen, welche die Stabilität sprengen, die den bilateralen und multilateralen Abkommen zwischen den europäischen Staaten eigen ist. "39 Im Zusammenhang damit unterstreicht die ECCA die Bedeutung des in Art. 44 Buchstabe e) des Chicago-Abkommens enthaltenen Prinzips, wirtschaftlicher Verschwendung vorzubeugen, die durch übermäßigen Wettbewerb verursacht wird, und stellt fest, daß eine völlige Deregulierung des Luftverkehrs unannehmbar und unzweckmäßig ist. 40 Hinterall diesem verbergen sich die inneren Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft und die prinzipielle Unmöglichkeit für die im Vergleich zu den Luftfahrtgesellschaften der USA in wettbewerbsmäßiger Hinsicht schwachen Luftfahrtgesellschaften vieler Länder, angesichtsder Launen des Marktes zu überleben, die dem stärksten Partner einseitig Vorteile geben. Natürlich sind die Gesetze des Luftverkehrsmarktes bezüglich der Tarife, der Nachfrage, der Kapazität der Luftfahrzeuge, der Abgaben, Zölle, der Linienführung usw. sorgfältig und operativ zu analysieren, damit man sich der sich objektiv verändernden Konjunktur des Marktes geschmeidig anpassen kann. Die grundsätzliche Festlegung auf einen Ausschluß jeder .staatlichen Einmischung" hieße jedoch, das Völkerrecht als Instrument der Regelung der Außenbeziehungen abzulehnen, hieße die praktische Anwendung eines völkerrechtlichen Nihilismus eigener Art. Die Situation, die sich als Folge der Politik der USA auf dem Gebiet der internationalen Luftverkehrsbeziehungen herausgebildet hat, erzwingt häufig eine Anpassung einer Reihe kapitalistischer und anderer Länder, die an Flügen in die USA interessiert sind und die immer seltener in der Lage sind, ihren internationalen Luftverkehr, einschließlich des Regionalverkehrs, im Rahmen des traditionellen Regelungssystems .aufrechtzuerhalten". Daraus erklärt sich die Tatsache, daß die Versammlung des Europarates in der Resolution 839 (1985) vom 23. April 1985 der ECCA vorschlug, eine Erklärung zur Politik auf dem Gebiet des innereuropäischen Luftverkehrs "zur Unterstützung des Zieles der Schaffung eines moderneren, konkurrenzfähigeren und effektiveren Systems des Luftverkehrs in Europa" zu verabschiedenY Eine derartige Erklärung wurde von der ECCA auch angenommen. Wie oben bereits gezeigt wurde, ist in ihr eine Reihe von 39 40 41
ICAO Dok. AT Conf/IP/2 S. 2. a.a.O., IP/2, Appendix 1, S. 2-3. a.a.O., Appendix 1, Appendix 2 S. 8.
10 Maleev
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Bestimmungen enthalten, die den Widerstand vieler europäischer Länder gegen eine .totale Deregulierung" beweisen. Für die folgende dreijährige Periode plante die ECCA, die Arbeit zur Durchsetzung der Prinzipien fortzusetzen, die in der genannten Erklärung enthalten sind, insbesondere auf den Gebieten der Tarife, des innereuropäischen Verkehrs, der Kapazitäten und des Zugangs zum Markt. Die Zeit wird zeigen, wie diese Arbeit endet. Wie man sich vorstellen kann, ist die in der Erklärung ausgedrückte Entschlossenheit, die souveränen Rechte der Staaten sorgfältig zu schützen und die Stabilität bilateraler und multilateraler Abkommen nicht zu zerstören, positiv und muß objektiv in allen Entscheidungen wiederholt werden. Die Handlungen der USA auf vertraglichem Gebiet wurden von einseitigen Maßnahmen nationalen Charakters begleitet, die bestimmt waren, den eigenen Luftfahrtgesellschaften günstige Wettbewerbsbedingungen auf den internationalen Lufttrassen zu sichern. In erster Linie muß man die Änderung der traditionellen Politik erwähnen, auf die im Rahmen der Internationalen Assoziation für Lufttransport (IATA) vereinbarten Tarife, die sogenannte .Antitrustgesetzgebung", nicht anzuwenden, die den ,.freien Wettbewerb" garantieren soll. Nach Meinung einer Reihe von Staaten hat die Anwendung dieser Gesetzgebung einen destabilisierenden Einfluß auf das gesamte System des internationalen Luftverkehrs gehabt und widerspricht Wortlaut und Geist bilateraler Luftverkehrsabkommen. 42 Die Lage wurde dadurch verschärft, daß noch ein weiterer Staat, Australien, denselben Weg einschlug. So sprach sich die Kommission für Handelspraktiken Australiens gegen eine kollektive Koordinierung der Tarife im Rahmen der lATA und gegen ihre Einhaltung aus. Es wird auch davon gesprochen, daß möglicherweise ähnliche Entscheidungen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft getroffen werden, was Besorgnis bei anderen Staaten hervorruft. 43 Alle diese Tendenzen sind eine Folge der Politik der USA auf dem Gebiet des internationalen Luftverkehrs. Indem sie die Entscheidung über Tariffragen in den Bereich des Privatrechts verweisen, schaffen die USA eine Ungewißheit auch darüber, inwieweit vereinbarte Tarife anwendbar sind. Es ist nicht überraschend, daß einige Länder gezwungen waren, .blockierende Gesetze" zu erlassen, welche die Anwendung ausländischen Rechts begrenzen oder die Möglichkeit schaffen sollen, Entscheidungen ausländischer Gerichte in derartigen Fällen nicht auszuführen. Wie die Autoren einer Umfrage des Sekretariats der ICAO aufzeigen, sind jedoch derartige Gegenmaßnahmen nicht in der Lage, den genannten, einseitigen Maßnahmen entgegenzuwirken. 44 Als Alternative schlagen verschiedene Staaten Konsultationen, Schiedsgerichtsbarkeit, 42
43 44
a.a.O., WP/ 3 S. 3. a.a.O. a.a.O., S. 4.
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Verhandlungen auf diplomatischen Kanälen, den Abschluß spezieller bilateraler Abkommen über Fragen der Anwendung von Gesetzen über den Wettbewerb, Notifizierung, Informationsaustausch, Koordinierung der Maßnahmen, Schlichtung auf freiwilliger Grundlage und anderes, .unbeschadet des Rechtsstandpunkts der Parteien in der Frage der souveränen Jurisdiktion", vor. 45 Durch die einseitigen Maßnahmen der USA wurde also das gesamte normative System berührt, welches auf die Regelung des internationalen Luftverkehrs Einfluß hat und durch das die Fragen der Wechselwirkung von Normen des nationalen Rechts, des Völkerrechts und des internationalen Privatrechts sowie die Wechselwirkung nationaler Rechtssysteme neue Impulse erhalten. In ihrer .Empfehlung 9" sah die 3. Luftverkehrskonferenz der ICAO im Jahre 1985 vor, daß die Regierungen .einseitige Handlungen vermeiden, die sich negativ auf die Handlungen der Luftfahrtunternehmen auswirken können." Die lateinamerikanische Kommission für Zivilluftfahrt brachte ihre Beunruhigung über die exterritoriale Geltung nationaler .Antitrustgesetze" zum Ausdruck. Entsprechende Besorgnisse äußerten auch die Afrikanische Kommission für Zivilluftfahrt und viele Länder. 46 Als Reaktion auf den energischen Widerstand vieler Länder gegen die einseitigen Handlungen der USA entschieden die USA, die Immunität der vereinbarten Flugtarife von der Anwendung der .Antitrustgesetzgebung" mit bestimmten Ausnahmen für die Beförderung über den Nordatlantik und zugunsten der Vereinigungen von Luftfahrtunternehmen in den USA im wesentlichen beizubehalten. Dieses vorübergehende und erzwungene teilweise Zurückweichen ändert in keiner Weise den Charakter der Politik der Deregulierung, die eine Methode des "freien Wettbewerbs" ist- eine der ältesten und erprobtesten Waffen des amerikanischen Monopolkapitals, das sich auf sein gewaltiges Finanzpotential stützt. Mittels einer solchen Politik hoffen die USA, ihrer nationalen Zivilluftfahrt die günstigsten Bedingungen auf dem Weltmarkt des Luftverkehrs auf Kosten anderer Mitglieder der internationalen Gemeinschaft zu sichern. Auf der 3. Luftverkehrskonferenz der ICAO ertönten mit neuer Kraft die im Schlußdokument niedergelegten Meinungen vieler Länder, daß sie .an der Erhaltung der existierenden, gemeinsamen Vereinbarungen und nicht an der Schaffung liberaler Bedingungen für einen Wettbewerb oder an der Deregulierung des internationalen Luftverkehrs interessiert sind." 47 45 46 47
10'
a.a.O, S. 5. a.a.O., S. 5-6. ICAO Dok. AT Conf/3, WP-71, par. 3.16.
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Die schwierige Situation im internationalen Luftverkehr trägt einen vielschichtigen Charakter und berührt einen weiten Kreis außenwirtschaftlicher Beziehungen der Staaten. Deshalb haben sich in letzter Zeit internationale Organisationen wie u. a. das Internationale Abkommen über Tarife und Handel (GATI), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), deren Interessen sich auf das Gebiet des Handels mit Dienstleistungen erstrecken, dieser Situation angenommen. 48 In der Sowjetunion wurde die Politik der Deregulierung vor allem in den Massenmedien und in wirtschaftlichen und juristischen Abhandlungen bewertet. Der Minister für die Zivilluftfahrt der UdSSR erklärte: .Das entstandene System des internationalen Luftrechts macht, so kann man sagen, unter den Angriffen der Gegner einer Entspannung auf einige bestehende Prinzipien der internationalen Zusammenarbeit eine ernsthafte Prüfung durch. Insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika führten in den letzten Jahren auf dem Markt des internationalen Luftverkehrs verstärkt die Prinzipien der sogenannten ,Deregulierung' ein, die der Sache nach in vielem eine Ablehnung zwischenstaatlicher Vereinbarungen und eine Orientierung an den Launen des Marktes bedeuten." 49 Auf dem Gebiet des internationalen Luftverkehrs vollzieht sich zur Zeit ein gewisser Umbau der zwischenstaatlichen Beziehungen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg gebildet hatten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Umbau durch die labile und krisenhafte Lage der entwickelten, kapitalistischen Länder hervorgerufen worden ist. Wie im Kommunique über die 40. Sitzung der RGW im Juni 1985 ausgeführt wurde, wirkte "sich das negativ auf die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit aus." 50 In dem Maße, in dem die zeitgenössische, internationale Lage eine Rückkehr zur Atmosphäre der Entspannung und eine Festigung des Klimas des Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten diktiert, ist es notwendig, in den Fragen der Regelung des internationalen Luftverkehrs auf der Grundlage der Souveränität und der souveränen Gleichheit der Staaten, der Gegenseitigkeit und des gegenseitigen Nutzens zu den bestehenden Prinzipien und Normen des internationalen Luftrechts zurückzukehren. Die Mehrheit der Staaten unterwirft sich nicht dem Zerstörerischen Einfluß der Politik der Deregulierung und hält an diesen Prinzipien und Normen unverändert fest.
a.a.O., WP-54. lzvestija vom 3. April 1982. 5 Kommunike o 40-m zasedanija sessii Soveta Ekonomiceskoj Vzaimoposci, in: Izvestija vom 29. Juni 1985. 48 49
°
2. Völkerrechtliche Fragen der allgemeinen Luftfahrt
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2. Völkerrechtliche Fragen der allgemeinen Luftfahrt Nach der Definition in Teil II des Anhangs 6 zum Chicago-Abkommen ist unter dem Begriff .Allgemeine Luftfahrt" die Zivilluftfahrt zu verstehen, .die alle Arten von Operationen unter Ausschluß planmäßiger Flugverbindungen und nichtplanmäßiger, bezahlter oder im Wege der Miete durchgeführter Lufttransportbeförderungen umfaßt." Diese weite Formulierung erlaubt es, zur Allgemeinen Luftfahrt alle Luftfahrzeuge zu rechnen, die für die verschiedensten Arten von luftfahrtbezogenen Arbeiten, Such- und Rettungsdienste, sportliche und wissenschaftliche Zwecke, geschäftliche Treffen usw. eingesetzt werden. Unter den genannten Arten der Allgemeinen Luftfahrt nehmen sowohl nach der Menge als auch nach der Bedeutung die Luftfahrzeuge einen grundlegenden Platz ein, die luftfahrtbezogene Arbeiten durchführen. In der Sowjetunion wird die Zivilluftfahrt gemäß dem Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR (Art. 4 und 139) und dem Erlaß über die Flüge der Zivilluftfahrt der UdSSR von 1985 (§ 1.0 und 1.2) für die Beförderung von Passagieren, Gepäck, Gütern und Post sowie zur Durchführung von luftfahrtbezogenen Arbeiten in einzelnen Zweigen der Volkswirtschaft (Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Erhaltung der Wälder, Dienstleistungen für Expeditionen, Suche von Fischvorkommen und Ansammlungen von Tieren usw.) genutzt. Die UdSSR nimmt bei der volkswirtschaftlichen Nutzung der Luftfahrt den ersten Platz in der Welt ein und führt auch luftfahrtbezogene Arbeiten im Ausland durch. Diese Nutzung wird ständig intensiviert, was sich aus den .Grundlegenden Zielen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der UdSSR für die Jahre 1986-1990 und für die Periode bis zum Jahre 2000" ergibt: .Umfassender und effektiver ... die Mittel der Luft- und Raumfahrt für die Erforschung der Oberfläche der Erde und des Erdinneren nutzen. Die planmäßige, technische Ausrüstung des geologischen Dienstes, die Schaffung und den Einsatz von spezialisierten hochtechnisierten und automatisierten Mitteln für die Suche und Erkundung von Bodenschätzen, einschließlich der Erforschung und industriellen Erschließung der Naturschätze auf dem Festlandsockel und im Weltmeer zu gewährleisten. Die Ausrüstung der Organisation für die geologische Erkundung mit modernen Transportmitteln zu verbessem." 51 Andere sozialistische Länder setzen die Luftfahrt ebenfalls für die genannten Zwecke ein. Am 19. Oktober 1969 schlossen die Luftfahrtgesellschaften der Mitgliedsländer des RGW ein Abkommen über Fragen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Anwendung der Luftfahrt in der Volkswirtschaft ab.s2 51 52
Materialy XXVII s'ezda Kommunisticeskoj partii Sovetskogo Sojuza, S. 296. Siehe Ekonomiceskoe sotrudnicestvo stran-clenov SEV, 1983, No. 10, S. 11-15.
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Nach den Angaben der ICAO für 1982 setzten 67 Länder Luftfahrzeuge in der Landwirtschaft ein. Die gesamte auf diese Weise bearbeitete Fläche belief sich auf 255 400 00 Hektar. 53 Die Vereinigung der Anstrengungen aller Länder der Welt zur Nutzung der Luftfahrt in der Landwirtschaft hat große Bedeutung für die Lösung der Ernährungsprobleme, vor denen die Menschheit steht. Es ist davon auszugehen, daß eine solche Nutzung in Zukunft globale Ausmaße annimmt, wobei sie einen wachsenden Einfluß auf die Rechtsordnung des Luftraums haben wird. Besonders offensichtlich ist das völkerrechtliche Element bei der Ausführung von Arbeiten mit Luftfahrzeugen im offenen Luftraum. Die Produktionsvereinigung für Zivilluftfahrt der UdSSR in Sachalin erbringt z. B. mit IL-14 Flugzeugen Dienstleistungen für Seeleute, Fischer und Hydrologen und führt gewerbsmäßig die Erkundung von Fischvorkommen im Ochotskischen und Japanischen Meer durch, macht Luftaufnahmen von der Eisdecke auf den Schiffahrtswegen für die Transportschiffahrt und die Fischerei, legt den Kurs für Schiffe fest, indem sie ihnen das ganze Jahr über bei der Navigation in den Häfen der Bezirke von Magadansk und Kamtschatka sowie des östlichen Tschuktschengebiets hilft. 54 Die Luftfahrtunternehmen des fernen Ostens erforschen zusammen mit Wissenschaftlern die Festlandsockelzonen im Stillen Ozean, unternehmen Flüge mit Inspektoren zum Zwecke der Verfolgung von Straftätern, welche die Tanks ihrer Schiffe im Meer ausspülen, und führen Übungsflüge zur Beseitigung von ausgelaufenem Öl auf dem Meer nach Havarien und zur Hilfeleistung an havarierte Schiffe im Einsatzgebiet durch. 55 Ähnliche Tätigkeiten werden von der Mehrheit der Staaten im offenen Luftraum ausgeführt, von Küstenstaaten ebenso wie von Binnenstaaten. Besondere Probleme tauchen bei wissenschaftlichen Forschungsarbeiten auf Hoher See mit Hilfe der Luftfahrt auf. So verfügen die wissenschaftlichen Forschungsschiffe (neben dem Einsatz automatischer oder funkgesteuerter Raketen) über von ihnen gelenkte Luftfahrzeuge, die an Bord oder an der Küste stationiert sind. Angesichts des FehJens eines internationalen Vertrages, der die wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Weltmeer regelt, hält jedes Land an seiner eigenen Praxis fest, für diese Zwecke Gefahrengebiete einzurichten und bekannt zu geben. In der Sowjetunion hat sich in dieser Hinsicht die Übung herausgebildet, 12 Tage vorher in den .. Nachrichten für Seefahrer" ICAO Bulletin, June 1982, S. 31. Siehe A. Mur/in, Vachta nad okeanom, in: Vozdusnyj Transport, 10. Oktober 1985. 55 Siehe I. Sikorskij, Nad tankerom v otkrytom okeane, in: Vozdusnyj transport vom 1. Oktober 1985. 53
54
2. Völkerrechtliche Fragen der allgemeinen Luftfahrt
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eine Warnung zu veröffentlichen. Juristisch verbindlich ist diese Praxis nicht. 56 Weil die konkreten Flüge der Allgemeinen Luftfahrt im offenen Luftraum (im Gegensatz zu Flügen auf festgelegten Flugrouten, von denen bereits vorn die Rede war) nicht Gegenstand einer völkerrechtlichen Regelung im Sinne einer Überwachung und Lenkung dieser Luftfahrzeuge sind, stellen die Raketensondierungen durch wissenschaftliche Forschungsschiffe und von Stationen zur Sammlung ozeanographischer Daten eine große Gefahr für diese Flüge dar. Die Schaffung von .Sicherheitszonen" von 500 m Radius in der Horizontalen um diese Stationen löst die Probleme der rechtmäßigen Nutzung des funktionalen Luftraums nicht. Die von den Staaten gepflogene Praxis der Mitteilung von vorübergehenden Gefahrenzonen für die Schiffahrt und für die Luftfahrt spielt natürlich eine Rolle. Jedoch muß im Hinblick auf das unaufhörliche Ansteigen der Zahl von Vorhaben zur aktiven Einwirkung auf die Atmosphäre über dem Weltozean dem Vorschlag zugestimmt werden, solche Versuche offiziell zu registrieren. Dieser Vorschlag wurde im Rahmen der Weltorganisation für Meteorologie unterbreitet. 51 Einer Kodifizierung bedarf auch die Gewohnheitsrechtsnorm, nach der die Staaten Raketen von Bord wissenschaftlicher Forschungsschiffe und von anderen Startvorrichtungen abseits der wichtigsten Seewege und Luftkorridore starten müssen. In jüngster Zeit wurde die Anwendung der Allgemeinen Luftfahrt auf künstlichen Inseln, Vorrichtungen und Anlagen auf Hoher See zu einem spezifischen Problem. Die Zahl solcher Vorrichtungen wächst ständig, und auf vielen von ihnen werden Hubschrauber benutzt. Diese führen ihre Flüge nach den Regeln des Staates durch, dem die künstliche Insel, Anlage oder Vorrichtung gehört. Das VN-Seerechtsübereinkommen von 1982 sieht in Art. 262 vor, daß diese Anlagen und Vorrichtungen adäquate, international vereinbarte Warnsignale besitzen müssen, .um die Sicherheit der Seefahrt und der Luftfahrt zu gewährleisten, wobei die Regeln und Standards berücksichtigt werden müssen, die von den zuständigen internationalen Organisationen festgelegt worden sind." Auf diesem Gebiet gibt es keinerlei ausgearbeitete Normen und Standards. Folglich vollziehen sich die Flüge der Allgemeinen Luftfahrt in den Grenzen derartiger Anlagen und Vorrichtungen praktisch in einem völkerrechtlichen Vakuum (die Sicherheitszone von 500 m Radius um solche Gegenstände herum gilt nur in der Horizontalen). Internationale Übereinkommen bezüglich des funktionalen Raums der Allgemeinen Luftfahrt über solchen Objekten gibt es nicht. 56 Siehe V. I. Peresypkin, Soversenstvovat sistemy operativjoj informacii moreplavateljam ob izmenenii navigacionnoj obstanovki, in: Ekspress-informacija. Seria .Bezopasnost moreplavanija", vyp. 4 (84), Moskva 1976, S. 6. 57 a.a.O.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
Neben den Problemen der Nutzung der Allgemeinen Luftfahrt für luftfahrtbezogene Arbeiten taucht in den letzten Jahren eine immer größere Zahl noch offener Probleme wegen des stürmischen Anwachsens der Zahl der !mperleichten, oft selbstgebastelten Flugapparate in vielen Ländern auf. Die Ergebnisse der Anhörung im Ausschuß für Wissenschaft und Technik (Unterausschuß für Transport, Luftfahrt und Materialien) des Repräsentantenhauses des US-Kongresses vom 21. Mai 1984 geben die Meinung vieler offizieller und privater Vereinigungen wieder, daß .die Technologie der superleichten Luftfahrzeuge eine der innovativsten und am schnellsten wachsenden, neuen Technologien ist, die es jemals in der langen Geschichte der Luftfahrt gegeben hat." 58 Allein in den USA wurden in dem genannten Zeitraum etwa 40 000 superleichte Luftfahrzeuge gezählt, die wegen der mangelhaften Qualifikation der Piloten, der technischen Unvollkommenheit der Luftfahrzeuge und der •Verwechslung" der Flüge derartiger Luftfahrzeuge mit den Flugbewegungen anderer Objekte in der Luft zahlreiche Unfälle erlitten. Gezwungen, auf diese Situation zu reagieren, nahm die Bundes-Luftfahrtbehörde (FAA) in die amerikanischen Luftfahrtregeln einen besonderen Art. 103 auf, der am 4.10.1982 in Kraft trat. Nach diesem Artikel 103 gehören zu den superleichten Luftfahrzeugen Flugzeuge mit einem Gewicht von weniger als 254 Pfund, die nicht mehr als 2 amerikanische Gallonen Kraftstoff haben, eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 55 Knoten und eine Landegeschwindigkeit (bei einem Motor) von nicht mehr als 24 Knoten besitzen. Solche Luftfahrzeuge können nicht registriert werden, haben kein Lufttüchtigkeitszeugnis, dürfen nur für sportliche und Freizeitzwecke genutzt werden und nur eine Person an Bord haben. Luftfahrzeuge, die den genannten Merkmalen nicht entsprechen, müssen demgegenüber das genannte Lufttüchtigkeitszeugnis haben, unterliegen der Registrierung und ihre Besatzung muß entsprechende Dokumente besitzen.59 Für die Flüge derartiger Luftfahrzeuge werden besondere Bereiche festgelegt, jenseits deren Grenzen (im kontrollierten Luftraum) ein Flug nur mit Erlaubnis der zuständigen Luftüberwachungsbehörden durchgeführt werden darf. Nach Aussage des Präsidenten der Vereinigung der Eigentümer und Piloten von Luftfahrzeugen der USA, L. Baker, betrug die Anzahl der Piloten superleichter Luftfahrzeuge in den USA Mitte 1984 8 500.60 In den USA wurde eine Vereinigung für experimentelle Luftfahrzeuge gegründet, die 100 000 Mitglieder zählt, darunter 667 aus anderen Ländern der Welt, 58 Ultralight Aircraft Technology and Public Safety. US Congress-House. Comittee on Science and Technology. Hearings, Washington, 1984, S. 1 (im folgenden zitiert als Ultralight Aircraft Technology). 59 a.a.O., S. 3. 60 a.a.O., S. 53.
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und den Status einer internationalen nichtstaatlichen Organisation beansprucht. 61 Die Mitglieder der Vereinigung vertreten das Prinzip der .Freiheit des Fluges für alle." In der Sowjetunion wurde in den letzten Jahren ebenfalls ein bemerkenswertes Interesse am Bau von superleichten Luftfahrzeugen beobachtet, obwohl es in der Frage der Klassifizierung noch viele Probleme gibt. Im April 1985 gab es in der UdSSR ein erstes Treffen selbständiger Konstrukteure und im August und September zwei weitere. Nach den im Jahre 1985 veröffentlichten Daten bauten die Amateure der .kleinen Fliegerei" in der UdSSR schon etwa 2 000 Flugzeuge, Hubschrauber und Gleiter62, deren am weitesten verbreitete Bezeichnung .experimentelle Luftfahrzeuge" ist. In vielen Ländern wird auch ein bemerkenswertes Anwachsen der Zahl der .Geschäftsflugzeuge" festgestellt. Nach den im Jahre 1984 im Repräsentantenhaus der USA getroffenen Feststellungen sind die genannten Luftfahrzeuge .ebenso selbstverständlich wie die Stenotypistin und das Telefon. Daher ist die Erlaubnis zur Benutzung des Luftraums und der Flughäfen durch sie kein Gegenstand von Verhandlungen. "63 Man darf nicht glauben, daßangesichtsihrer Abmessungen und technischen Merkmale die experimentellen Luftfahrzeuge keine völkerrechtlichen Probleme im Sinne der Nutzung des Luftraums aufwerfen. Einzelne von ihnen, die sich bis zu einer Höhe von 6 und mehr km erheben, sind imstande, eine reale Gefahr für internationale Flüge zu schaffen, umso mehr als sich die Eigentümer (Erbauer) dieser Luftfahrzeuge nicht selten in die Luft erheben, ohne den Flug mit den Organen der Flugüberwachung abzustimmen. Die völkerrechtlichen Fragen einer Regelung der Allgmeinen Luftfahrt insgesamt befinden sich im Stadium des Entstehens. Offensichtlich kann man über eine sich herausbildende Praxis auf diesem Gebiet nur im Bezug auf die Nutzung der Allgemeinen Luftfahrt für die luftfahrtbezogenen Arbeiten sprechen. Hier herrschen Formen der bilateralen Regelung vor. Fortschrittlicher ist nach unserer Auffassung die multilaterale Form, die von den Mitgliedsländern des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe angewandt wird. Im Rahmen der Weltastronautenföderation (FAl) wurde im Jahre 1984 ein Internationales Komitee für superleichte Luftfahrzeuge (CIMA) eingerichtet. Die FAI gibt eine andere Definition solcher Luftfahrzeuge als die FAA, die sie zu den .Flugapparaten" rechnet, nicht aber als Luftfahrzeuge betrachtet, a.a.O., S. 54. Siehe 0. Mikojan, Cej samolet luce?, in: Trud vom 10. Juli 1985. 63 Aircraft Navigation and Landing Technology: Status of lmplementation. US Congress-House. Comrnittee on Science and Technology. Washington 1984, S. 123. 61
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obgleich für die einen ebenso wie für die anderen die Erarbeitung einheitlicher völkerrechtlicher Normen erforderlich ist. 64 Die Allgemeine Luftfahrt hat keine zentralisierte, internationale Organisation, obgleich diese Rolle der Internationale Rat der Eigentümer von Luftfahrzeugen und der Pilotenvereinigung (lAOPA) beansprucht, dem Vereinigungen aus 20 Ländern angehören. Die IAOPA wurde im Jahre 1962 auf Initiative der nationalen Assoziationen Australiens, Kanadas, der Philippinen, der Südafrikanischen Republik und der USA gegründet. Die Zusammensetzung der Gründer ist äußerst bezeichnend für das politische Gewicht dieser Organisation, die keinen spürbaren Einfluß auf die Allgemeine Luftfahrt in den einzelnen Ländern und auf ihre völkerrechtliche Regelung ausübt. Deshalb entstanden ungeachtet der Existenz der IAOPA parallele Vereinigungen ähnlicher Art. So gründete im Jahre 1981 eine Gruppe europäischer und nordamerikanischer Vereinigungen von Nutzern von Geschäftsflugzeugen in Washington einen Internationalen Rat der Luftfahrt für Geschäftszwecke, der in der ICAO sein großes Interesse an der Entwicklung einer "internationalen Luftfahrt-Infrastruktur" zum Ausdruck brachte. 65 Der Zweck der Schaffung dieses Rates besteht darin, "der internationalen Nutzung von Luftfahrzeugen für Geschäftszwecke die ihr angemessene Bedeutung zu verschaffen sowie eine breite Anerkennung und möglichst einen Beobachterstatus bei der ICAO zu erhalten." Der Rat wurde von den vier nationalen Organisationen Großbritanniens, der USA, Kanadas und einer regionalen europäischen Gruppe von Eigentümern von Privatflugzeugen aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Holland, BRD, Schweden, Schweiz und Großbritannien als Internationale Assoziation der Nutzer von Luftfahrzeugen für Geschäftszwecke gegründet. 66 Derartige nichtstaatliche Organisationen haben keinen wesentlichen Einfluß auf die Tätigkeit der Allgemeinen Luftfahrt, da diese meist auf der Grundlage von Abkommen zwischen den zuständigen Behörden geregelt wird. Für viele Wissenschaftler sind der "Boom" in der Entwicklung der Allgemeinen Luftfahrt und ihre rechtliche Regelung eine Überraschung. Jedenfalls schuf bis in jüngste Zeit die Allgemeine Luftfahrt im internationalen Rahmen keine ernsthaften Probleme. Jedoch änderte sich diese Situation mit der Intensivierung der Nutzung der Allgemeinen Luftfahrt für luftfahrtbezogene Arbeiten, besonders im offenen Luftraum mit der Erhöhung der Zahl der Luftfahrzeuge für .Geschäfts- und sportliche Zwecke" und der Zahl superleichter Flugapparate. Wenn früher die Allgemeine Luftfahrt überwieSiehe Ultralight Aircraft Technology (Fn. 58), S. 141. Siehe D. W. Freer, The Growing Impact of General Aviation on the Worlds Aviation System, in: ICAO Bulletin, June 1985, S. 15. 66 Siehe ICAO Bulletin, August 1981, S. 16. 54
65
3. Hilfeleistung mit Luftfahrzeugen
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gend im Rahmen der nationalen Grenzen des Registerstaates genutzt wurde, so wird heute die Allgemeine Luftfahrt, einschließlich der Hubschrauber, auch jenseits der Staatsgrenzen immer aktiver. Dies veranlaßt die ICAO im Jahre 1982, sich erstmals mit der Frage der Erarbeitung internationaler Standards für die Lufttüchtigkeit, Flugregeln, Einsatz usw. der Allgemeinen Luftfahrt zu befassen. Dies beweist, daß die Allgemeine Luftfahrt anfängt, eine beachtliche Rolle in der internationalen Zivilluftfahrt zu spielen.67 Der Direktor des Luftfahrtbüros der ICAO, D. V. Friar, nimmt an, daß das Anwachsen der Allgemeinen Luftfahrt und ihr Einfluß auf die internationale Luftfahrt-lnfrastruktur im Verlauf des auf 1985 folgenden Jahrzehnts den Charakter einer "Eskalation im Weltmaßstab" tragen wird. 68
3. Hilfeleistung mit Luftfahrzeugen Durch den Einsatz von Luftfahrzeugen für Zwecke der Hilfeleistung können die Staaten Gefahrensituationen oder deren Folgen, die in den verschiedenen Bereichen des internationalen und innerstaatlichen Lebens auftauchen, schnell auf ein Minimum reduzieren, beseitigen und manchmal sogar verhüten. Für diese Zwecke können sowohl Transportluftfahrzeuge (die Beförderung gegen Entgelt durchführen) als auch andere Luftfahrzeuge (einschließlich militärischer) eingesetzt werden, wobei sie vorübergehend ihrer gewöhnlichen Nutzung entzogen werden. Gleichzeitig gibt es besondere Luftfahrzeuge und Dienste, die speziell für Such- und Rettungsdienste bestimmt sind. Die Fragen der Hilfeleistung erfordern kraft des ihnen innewohnenden Elements der Humanität und des Schutzes des Menschenrechts auf Leben, welches grundlegendes Objekt der Rettung aus Gefahr ist, besondere Aufmerksamkeit. Andere Objekte der Rettung sind materielle Güter (Luftfahrzeuge, Gegenstände und Sachen, die sich an Bord eines Luftfahrzeugs oder auf der Erdoberfläche befinden). Die Normen des Chicago-Abkommens, die sich auf Fragen der Hilfeleistung beziehen, betreffen nur die Hilfe an Luftfahrzeugen, die sich in Not befinden, d. h. sie erstrecken sich nicht auf die Rettung von anderen Objekten auf der Oberfläche (des Festlands oder der Meere) unter Einsatz von Luftfahrzeugen. Weiter ist in ihnen formal das Hauptobjekt der Rettung, das menschliche Leben, nicht herausgehoben. So bestimmt Art. 25 des Abkommens: "Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, für in seinem Hoheitsgebiet in Not geratene Luftfahrzeuge die Hilfsmaßnahmen zu treffen, die ihm tunlieh 67
D. W. Freer (Fn. 65), S. 12-13.
68
a.a.O., S. 16.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
erscheinen, und den Eigentümern des Luftfahrzeuges sowie den Behörden des Staates, in dem das Luftfahrzeug eingetragen ist, zu gestatten, unter Kontrolle seiner eigenen Behörden die den Umständen nach erforderlichen Hilfsmaßnahmen zu treffen. Jeder Vertragsstaat wirkt bei der Suche nach vermißten Luftfahrzeugen an aufeinander abgestimmten Maßnahmen mit, die auf Grund dieses Abkommens jeweils empfohlen werden." Die Formulierung .Hilfsmaßnahmen für Luftfahrzeuge" bezieht sich im vorliegenden Fall auf zwei Objekte der Rettung: das menschliche Leben und materielle Objekte. Dabei hat das erste Objekt bei allen Operationen zur Hilfeleistung, Suche und Rettung vorrangige Bedeutung. Das beweist eindeutig die allgemeine Staatenpraxis. Zweifellos vermindert die vorrangige Bedeutung des menschlichen Faktors in keinem Falle die Bedeutung von Luftfahrzeugen, insbesondere von Luftfahrzeugen der Transportluftfahrt, als Objekt der Rettung. Das Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung einiger Regeln der Hilfeleistung an Luftfahrzeugen und ihrer Rettung auf See oder der Hilfeleistung und Rettung auf See mittels Luftfahrzeugen von 1938 (das niemals in Kraft trat) legte die Verpflichtung zur Hilfeleistung gegenüber allen Personen fest, die sich auf dem Meer in Gefahr befinden, .sowie gegenüber havarierten Luftfahrzeugen" (Art. 2). Es ist offenkundig, daß hier das Objekt der Rettung ebenfalls einen komplexen Inhalt hat, weil die .Rettung auf See" von Luftfahrzeugen anfangen kann und muß, wenn sich das in Not geratene Luftfahrzeug auf der Oberfläche des Wassers befindet und (z. B. aufgrund eines Funkspruchs der Besatzung) Grund zu der Annahme besteht, daß es in einer Notlage ist. Solange sich das Luftfahrzeug in der Luft befindet, ist es im allgemeinen unmöglich, den Personen, die sich in dem Flugzeug oder Hubschrauber befinden, von außen zu helfen, soweit es sich nicht nur darum handelt, über Funk Empfehlungen zu geben. Es ist deshalb völlig natürlich, daß als .äußerliches" Rettungsobjekt gleichsam nur das Luftfahrzeug in Erscheinung tritt. Von diesem Standpunkt aus sind internationale Standards verständlich, die lauten wie der folgende: ,.Die vertragschließenden Staaten leisten Luftfahrzeugen und den nach Luftfahrtzwischenfällen Überlebenden Hilfe." (Punkt 2.1.2 des Anhangs 13 zum Chicago-Abkommen). Die Hilfeleistung an Personen ist hier aus dem oben angegebenen Grund erst an zweiter Stelle genannt, denn ihr Leben und ihre Gesundheit werden erst auf der Oberfläche des Festlands oder des Meeres unmittelbar zum Objekt der Rettung, wenn die .Notlage" in einen Luftfahrtzwischenfall übergegangen ist. In den letzten Jahren nahmen die Fragen der Suche und Rettung einen spezifischen Inhalt an, weil viele Länder die Notsituation auch auf Fälle der Entführung von Luftfahrzeugen ausdehnten. Die völkerrechtliche Besonderheit der Rettungsmaßnahmen liegt in diesem Fall darin, daß immer öfter
3. Hilfeleistung mit Luftfahrzeugen
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speziell ausgebildete, militärische Kommandos zum Aufenthaltsort des unrechtmäßig in Besitz genommenen Luftfahrzeugs entsandt werden, deren Handlungen in einzelnen Fällen zu positiven Resultaten führen, in anderen Fällen jedoch eine noch größere Gefahr für das Leben der Menschen an Bord des Flugzeugs schaffen. Ein charakteristisches Beispiel ist die Tragödie, die sich an Bord des Flugzeugs .Boeing 737" der ägyptischen Luftfahrtgesellschaft auf dem internationalen Flughafen von Luka auf Malta Ende November 1985 abspielte. Die Terroristen, die sahen, daß sich .Kommandos" näherten, warfen einige Granaten in den Passagierraum, und als die .Kommandos" die Ladeluken des Flugzeugs sprengten, lösten sie dadurch einen starken Brand aus. Als Folge davon kamen 59 Menschen um, und 30 wurden verletzt.69 Die existierende Praxis der Hilfeleistung und Rettung bildet offensichtlich die Grundlage für das Entstehen einer Rechtsnorm. Aber auch bevor sie sich entwickelt, steht zweifellos fest, daß das menschliche Leben als Grundobjekt der Rettung über alle anderen Ziele gestellt werden muß, die in derartigen Fällen verfolgt werden. Die Operationen zur Hilfeleistung und Rettung müssen eine Rechtsgrundlage im allgemeinen System der Normen zurRettung von und mit Hilfe von Luftfahrzeugen finden. Was das .traditionelle" Verständnis der Hilfsmaßnahmen für Luftfahrzeuge angeht, so hat sich das völkerrechtlich-normative System in dieser Frage relativ stabilisiert. Jedoch tragen einzelne ihrer Veränderungen einen rein evolutionären Charakter. Dabei wurde eine Tendenz offenkundig, allgemeine Fragen der Hilfeleistung für Luftfahrzeuge, die sich über der Hohen See in Not befinden, auf der Grundlage der Quellen des Seevölkerrechts zu regeln (Brüsseler Konvention von 1910, Londoner Übereinkommen von 1960, Genfer Übereinkommen über die Hohe See von 1958, VN-Seerechtsübereinkommen von 1982). Einzelne Bestimmungen zu dieser Frage sind in dem Genfer Abkommen von 1949 zur Verbesserung der Lage der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Seestreitkräfte enthalten, dessen Art. 12 in den Begriff "Schiffbruch" die Notwasserung von Flugzeugen auf See oder den Absturz auf See einschließt. Es gibt auch eine Reihe spezieller multilateraler und bilateraler Abkommen über Hilfeleistung für Seeschiffe und Luftfahrzeuge sowie über die Rettung menschlichen Lebens in einzelnen Meeresgebieten. 70 Die Vertragspraxis der UdSSR in der untersuchten Frage ist äußerst umfangreich. Im Jahre 1954 schloß die UdSSR eine Reihe von Abkommen über Fragen der Suche und Rettung mit benachbarten Staaten. Das erste war 69 M. Rostarcyk, Kto ze vdochnovljaet terroristov? in: Vozdusnyi transportvom 10. Dezember 1985. 70 Siehe dazu im einzelnen V. F. Sidorcenko, Pravovye problemy ochrany celoveceskoj zizni i imuscestva na more, Leningrad 1983.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
das Abkommen mit Schweden über die Zusammenarbeit bei der Rettung menschlichen Lebens in der Ostsee. Im Jahre 1956 wurden von der Sowjetunion drei trilaterale Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Rettung menschlichen Lebens und der Hilfeleistung für Schiffe und Flugzeuge, die in Not geraten sind, abgeschlossen: für das Schwarze Meer mit Bulgarien und Rumänien, für die Ostsee mit Polen und der DDR, für die fernöstlichen Meere und den Stillen Ozean mit der Volksrepublik China und der Koreanischen Volksdemokratischen Republik (mit der Koreanischen Volksdemokratischen Republik wurde im Jahre 1967 ein neues Abkommen geschlossen). Im selben Jahr wurden entsprechende bilaterale Abkommen mit Dänemark, Finnland (Ostsee), Norwegen (Barents-See), Japan (Japanisches Meer, Ochotskisches Meer, Bering Meer, Gewässer des nordwestlichen Teils des Stillen Ozeans) ausgehandelt. Im Jahre 1973 wurde mit Schweden ein spezielles Protokoll zum Abkommen von 1954 unterzeichnet. Das Protokoll betrifft die Zusammenarbeit zur Gewährleistung der Suche und Rettung von Passagieren und Besatzungsmitgliedern von Luftfahrzeugen. 71 Abkommen, die zwischen sozialistischen Ländern abgeschlossen wurden, unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt wesentlich von Abkommen, deren Vertragsstaaten kapitalistische Länder sind: In den Abkommen der ersten Art unterliegt die Rettung von Menschen keinem Entgelt. Den Wirtschaftsgesetzen des Sozialismus ist eine solche Art von Gewinnerzielung fremd, die in der wirtschaftlichen Literatur die Bezeichnung .Notstandsgewerbe" erhielt. Dies ist Ausdruck der prinzipiell anderen Grundlagen der sozialistischen Lebensweise und der sozialistischen Moral, die im gegebenen Falle darin liegen, daß das Menschenrecht auf Leben und der Schutz dieses Rechts nicht von der Erzielung eines materiellen Vorteils abhängig sein dürfen. Fragen der Entlohnung für eine Rettung tragen nach ihrem Inhalt bürgerlich-rechtlichen Charakter und sind eng mit den entsprechenden Verpflichtungen der Staaten verbunden. Dies ist besonders offenkundig in denjenigen Fällen, in denen die praktische Durchführung der Suche und Rettung (in einigen kapitalistischen Ländern) privaten Firmen, Freiwilligenorganisationen und sogar Privatpersonen übertragen wird. Was die Suche und Rettung von Luftfahrzeugen (im oben aufgezeigten, komplexen Sinn des Objekts der Rettung) auf staatlichem Territorium angeht, so gibt es insgesamt keinerlei objektive Gründe für eine völkerrechtliche Kodifizierung entsprechender Normen. In der Regel führen die Staaten, ausgehend von der vollen und ausschließlichen Souveränität innerhalb ihres Territoriums, die genannte Tätigkeit selbständig durch. Praktisch bitten nur diejenigen Staaten, die nicht über effektive, technische Mittel für diesen Zweck verfügen, um Hilfe oder erlauben die Zulassung ausländischer Such71
Siehe im einzelnen Me:idunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 2, S. 307-310.
3. Hilfeleistung mit Luftfahrzeugen
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und Rettungsdienste. Bilaterale Luftverkehrsabkommen enthalten Einzelheiten zu Fragen der Ausübung der souveränen Kompetenz durch die Staaten in allen Fragen der Suche und Rettung auf ihrem Territorium. Mit Beginn des Weltraumzeitalters tauchte eine neue Spielart der Rettung mit Hilfe u. a. von Luftfahrzeugen auf: die Rettung von Kosmonauten und Weltraumgegenständen. In diesem Falle sind beide Rettungsobjekte völlig zu Recht hervorgehoben, wobei das Hauptobjekt der Rettung, das menschliche Leben, an erster Stelle steht. Nach dem Übereinkommen vop 1968 über die Rettung und Rückführung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen müssen die vertragschließenden Staaten unverzüglich Maßnahmen zur Rettung der Besatzung von Weitraumschiffen auf ihrem Territorium ergreifen (Art. 2) und, wenn sie auf Hoher See oder an einem anderen Ort gelandet sind, der sich nicht unter der Jurisdiktion eines Staates befindet (Art. 3), Hilfe bei der Durchführung der Such- und Rettungsoperationen für die Besatzung leisten, sofern dies erforderlich ist. In diesem Übereinkommen wird auch die Verpflichtung der Staaten zur Suche und Rettung der Weltraumgegenstände sowie ihrer Teile festgelegt (Art. 5). 72 Gemäß den Verpflichtungen der UdSSR nach dem genannten Abkommen ist in die Verordnung über die Durchführung von Flügen der Zivilluftfahrt der UdSSR von 1985 (NPP-GA 85) eine Vorschrift aufgenommen worden, nach der Such- und Rettungsarbeiten von den Luftfahrtunternehmen der Zivilluftfahrt der UdSSR u. a. dann organisiert werden, wenn .Berichte über die vermutete Landung eines Weltraumschiffs im Zuständigkeitsbereich eingehen" (Punkt 11.2.2). Obgleich die gestellte Frage insgesamt zum Regelungsbereich des Weitraumrechts gehört, ist die Wechselwirkung der Normen des Weltraumrechts und der Normen des internationalen Luftrechts zu erwähnen. Es ist völlig offenkundig, daß für eine unverzügliche Bergung von Kosmonauten das Such- und Rettungsluftfahrzeug so schnell wie möglich starten und die kürzeste Route nehmen muß. Dabei kann sich ein solches Luftfahrzeug auf einer internationalen Lufttrasse, im Bereich der Geltung der Allgemeinen Luftfahrt oder der wissenschaftlichen Forschungsluftfahrzeuge befinden. Außerdem kann ein unverzüglicher Überflug über das Territorium eines ausländischen Staates erforderlich werden, einschließlich von Staaten, die das vorerwähnte Abkommen nicht ratifiziert haben. Alles dies wirft Fragen auf, die mit der Geltung der Normen des internationalen Luftrechts sowohl bezüglich des souveränen Territoriums als auch des offenen Luftraums im Zusammenhang stehen. Es muß noch auf zwei aktuelle Probleme des internationalen Luftrechts über Fragen der Hilfeleistung für Luftfahrzeuge hingewiesen werden. Erstens 72
Siehe Sbornik dejstvujuscich dogovorov, vyp. XXV, Moskva 1972, S. 45-48.
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sind in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung praktisch aller Staaten Luftfahrzeuge verpflichtet, nicht nur Luftfahrzeugen, sondern auch anderen Objekten Hilfe zu leisten. So ist nach dem Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR der Kommandant eines Luftfahrzeugs der UdSSR verpflichtet, auch Seeschiffen und Binnenschiffen Hilfe zu leisten, die sich mit Menschen an Bord in Gefahr befinden, "soweit er dies ohne Gefahr für das ihm anvertraute Fahrzeug, die Passagiere und die Besatzung tun kann" (Art. 27). Zweitens werden Luftfahrzeuge immer öfter für Hilfeleistungen an ausländische Staaten im Falle von Naturkatastrophen und anderen Unglücksfällen (Dürre, Erdbeben, Epidemien, Massenvergiftungen usw.) herangezogen. Im Jahre 1985 wurde es während der Dürre in Äthiopien notwendig, den Betroffenen eilig Hilfe zu leisten, was ohne Inanspruchnahme ausländischer Unterstützung schwierig war. Die Sowjetunion, geleitet von den Prinzipien der Humanität und der freundschaftlichen Beziehungen zu Äthiopien, reagierte auf die Bitte der äthiopischen Regierung mit der Entsendung von Flugzeugen und Hubschraubern für die Durchführung der Hilfeleistung. 73 Im seihen Jahr wurde Mexiko beim Ausbruch des Vulkans "Ruis" von der Sowjetunion unverzüglich Hilfe geleistet. 74 Abschließend ist es notwendig, kurz auf die Fragen der Nutzung der Weltraumtechnik für die Hilfeleistung für in Not geratene Luftfahrzeuge einzugehen. Anfang der 80er Jahre wurde von der UdSSR, den USA, Frankreich und Kanada ein internationales, experimentelles, kosmisches System der Suche von in Not geratenen Seeschiffen und Luftfahrzeugen erarbeitet. 75 Dieses System, das die gemeinsame Bezeichnung KOSPAS-SARSAT trägt, verbindet das in der UdSSR ausgearbeitete System KOSPAS (weltraumgestütztes System der Suche nach havarierten Schiffen und Flugzeugen) und das analoge System SARSAT, das in den USA erarbeitet wurde. Wichtigste Elemente des Systems sind eine Havarie-Radioboje, die im Fall einer Havarie automatisch zu arbeiten beginnt, eine Reihe von Satelliten, die eine Peilung des Objekts vornehmen, und Beobachtungsstationen für den Empfang von Satelliteninformationen über Schiffe in Seenot. Dieses System stieß auf das Interesse vieler Länder der Erde. Im Jahre 1985 wurde auch beschlossen, das Übereinkommen und die Betriebsvereinbarung über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation (INMARSAT), die am 16. Juli 1979 in Kraft getreten waren, um Bestimmungen zu Fragen der Suche und Rettung von Luftfahrzeugen zu ergänzen. 76 Das Sy73 74
75 76
Siehe Pravda vom 6. September 1985. Siehe Pravda vom 20. November 1985. Siehe Slovar mezdunarodnogo morskogo prava, Moskva 1985, S. 113-114. Siehe ICAO Dok. E 4/ 173-85/7 vom 22. März 1985.
4. Erkundung und Überwachung aus und durch den Luftraum
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stem KOSPAS-SARSAT funktioniert bereits in der Praxis. Im Jahre 1985 wurden z. B. durch die Dienste der fernöstlichen Verwaltung der Zivilluftfahrt der UdSSR Notsignale von den Satelliten dieses Systems aufgenommen. In dem Bereich, in dem das Seeschiff in Not geriet, startete ein Hubschrauber MI-8, von dem im Ozean Fallschirmspringer abgesetzt wurden. 77 Obgleich die Nutzung der Weltraumtechnik zum Bereich der rechtlichen Regelung des Weltraumrechts gehört, führen die Ergebnisse dieser Technik im vorliegenden Falle zur Anwendung von Normen des internationalen Luftrechts, die sich auf die Nutzung und die Rechtsordnung des offenen Luftraums beziehen. Aus den vorstehenden Ausführungen kann der Schluß gezogen werden, daß es unter den zeitgenössischen, internationalen Verhältnissen erforderlich ist, die Fragen des Einsatzes von Luftfahrzeugen für Zwecke der Hilfeleistung unterschiedlicher Art weiter auszuarbeiten. Notwendig sind eine Vervollkommnung bereits existierender Bestimmungen des völkerrechtlichen Instituts der Hilfe und Rettung durch Luftfahrzeuge und eine Kodifikation der Normen, die durch neue Arten der Hilfe und Rettung entstanden sind.
4. Erkundung und Überwachung aus und durch den Luftraum Die Ziele einer Fernerkundung der Erde und einer Überwachung unterscheiden sich nach ihrem Inhalt. Das Wesen der Fernerkundung besteht in der Sammlung von Daten über Sondierungsobjekte auf der Oberfläche und in den Tiefen des Festlands und der Gewässer sowie in der Atmosphäre der Erde. Die Bedeutung der Überwachung besteht darin festzustellen, ob die Handlungen von Staaten mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen und den Erfordernissen der entsprechenden Normen des Völkerrechts in Übereinstimmung stehen. Jedoch sind die Formen und Methoden der Fernerkundung und der Sammlung von Daten zum Zwecke der Überwachung nach ihrem technischen Wesen identisch. Sie werden gleichermaßen mit visuellen Mitteln oder durch spezielle Apparaturen an Bord von Luftfahrzeugen, Weltraumlaboratorien (-stationen) oder von Satelliten ausgeführt. Von diesen .technischen" Positionen aus findet im einen wie im anderen Fall eine Sondierung statt, falls von der .Anfangsetappe" gesprochen wird, der Sammlung von Daten. Weil durch die Tatsache der rechtmäßigen oder unrechtmäßigen (von .Überwachung" kann man in diesem Falle nur in Anführungszeichen sprechen) Durchführung solcher Tätigkeiten im Kontext ihres oben erwähnten gemeinsamen Inhalts Fragen des Rechtsstatus und der Rechtsordnung 77
Siehe 1. Sikorskij (Fn. 55).
II Maleev
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
des Luftraums berührt werden, ist es möglich, sie in ihrer Gesamtheit zu analysieren. Fernerkundung mit Hilfe von Luftfahrzeugen wird sowohl zu friedlichen als auch zu militärischen Zwecken durchgeführt. Die Mehrheit der Staaten, die nicht über Mittel der Weltraumtechnik verfügen und sie nicht nutzen können, setzen für die Zwecke der Sondierung Luftfahrzeuge ein. Objekte der Fernerkundung können sein: die Landschaft, Erdressourcen, Fischschwärme, landwirtschaftliche Flächen, Eissituationen, Wälder, der Verlauf von Staatsgrenzen usw. Verfolgt werden ganz präzise Ziele: u. a. Erstellung topographischer und geologischer Karten, Unterstützung der Fischerei, Schutz der Wälder, Demarkation von Grenzen. Die Fernerkundung ist also die vorbereitende Etappe für die Ausführung einer Reihe von Luftfahrtarbeiten sowie spezieller Aufgaben. In den Grenzen eines Staatsgebietes ist für die Ausführung von Fernerkundungen ein Antrag an das zuständige Staatsorgan erforderlich. Dabei müssen der Zweck der Tätigkeit, die für die Durchführung erforderliche Zeit und das Gebiet des Luftraums oder die Flugroute angegeben werden. Die genannte Tätigkeit muß genau in den Grenzen des von diesem Organ (in der UdSSR sind dies die Zentralen des Einheitlichen Systems der Luftverkehrsüberwachung) festgelegten, funktionalen Luftraum durchgeführt werden, damit keine Gefährdung der Flugsicherheit und kein Schaden für die Interessen anderer Nutzer des Luftraums verursacht wird. Aber auch ohne das Vorhandensein einer solchen Gefährdung oder eines solchen Nachteils für die Interessen anderer Nutzer ist die Erlaubnis zur Durchführung des Erkundungsflugs von der Sanktionierung der Tätigkeit selbst abhängig, was sich aus dem Rechtsstatus des Staatsgebietes (der staatlichen Souveränität) ergibt. Und umgekehrt, aus dem Rechtsstatus des offenen Luftraums ergibt sich die Zulässigkeit der Durchführung jedweder Formen und Methoden der Erkundung in ihm. Jedoch hängt in der Praxis auch hier die Fernerkundung von der Erlaubnis des Staates ab, dem der Flugapparat gehört. In der ausschließlichen Wirtschaftszone kann eine solche Tätigkeit von dem Küstenstaat erlaubt oder verboten werden, falls diese seine souveränen Rechte in dieser Zone verletzt. Die Bestimmung des funktionalen Raums für die Zwecke der Erkundung jenseits der Grenzen des Staatsgebietes durch den Staat, dem der Flugapparat gehört, muß drei Kriterien gerecht werden. Erstens darf dieser funktionale Raum nicht internationale Flugrouten umfassen. Zweitens ist es notwendig, das entsprechende Organ der Luftverkehrsüberwachung zu benachrichtigen, in dessen Zuständigkeitsbereich die Sondierung durchgeführt werden soll. Drittens darf die Durchführung von Flügen für Erkun-
4. Erkundung und Überwachung aus und durch den Luftraum
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dungszwecke, wie bereits oben erwähnt wurde, analoge und sonstige Interessen anderer Staaten in dem vorgesehenen Gebiet nicht beeinträchtigen. Die Fernerkundung der Hohen See und der Antarktis aus dem Weltraum schafft nach unserer Auffassung aus der Sicht des Rechtsstatus und der Rechtsordnung des offenen Luftraums keinerlei völkerrechtliche Probleme, weil diese Tätigkeit in keiner Weise die Interessen anderer Staaten an der Nutzung des offenen Luftraums berührt. Jedoch gibt es sehr große Rechtsprobleme bei der Fernerkundung ausländischen, staatlichen Territoriums aus dem Weltraum. Da sich diese Frage auf den Bereich des Weltraumrechts bezieht, beschränken wir uns auf einige allgemeine Bemerkungen, die für die vorliegende Arbeit notwendig sind, weil die Fernerkundung aus dem Weltraum durch den souveränen und durch den offenen Luftraum hindurch durchgeführt wird. Die Fernerkundung aus dem Weltraum gewährt heute eine sehr weitgehende Möglichkeit, Erkenntnisse äußerst unterschiedlichen Charakters über die Beobachtungsgegenstände auf der Oberfläche der Erde und in der Atmosphäre zu gewinnen. In der ganzen Welt sind die Errungenschaften der sowjetischen Weltraumtechnik zur Nutzung der .Fernerkundung aus dem Weltraum" zu friedlichen Zwecken bekannt. Wie in der sowjetischen Presse berichtet wurde, erlauben es die Resultate der Sondierungen, die von sowjetischen künstlichen Erdsatelliten und Orbitalstationen ausgeführt werden, den Zustand der Saat zu verfolgen, Prognosen über die Ernten abzugeben, Fragen der Bodenamelioration zu entscheiden, die Wälder der UdSSR zu studieren, topographische und geographische Karten zu erstellen und zu vervollkommnen, Lagerstätten von Bodenschätzen aufzuspüren, Aufnahmen aus dem Weltraum für die Baupraxis und die Entwicklung territorialer Produktionskomplexe anzufertigen, den Zustand einzelner Luftgebiete zu fixieren, die Folgen des antropogenen Einwirkens auf die Atmosphäre festzustellen usw. 78 Mit Hilfe der Weltraumtechnik können Detailinformationen gesammelt werden, die sich auf Beobachtungsgegenstände auf ausländischem Territorium beziehen, was von westlichen Ländern aktiv zu eigenen Zwecken genutzt wird. Besondere Beunruhigung ruft bei einer Reihe von Ländern die Fernerkundung ihrer natürlichen Ressourcen hervor, deren Ergebnisse, wenn die entsprechenden Daten in die Hände monopolistischer und anderer Kreise westlicher Länder fallen, von letzteren zum Schaden der außenwirtschaftliehen und nationalen Interessen der sondierten Länder genutzt werden. 78 Siehe A. Pokrovskij, Zemlja: vzgljad s neba, in: Pravda vom 26. April 1985; Kosmos-Geologii, in: Argumenty i fakty vom 2. Juli 1985, No. 27; V. Ku/agin, Kosmos na sluzbe zemledel'cev, in: lsvestija vom 29. Juni 1985. II'
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Die Aufgabe für die rechtliche Regelung der Fernerkundung der Erde aus dem Weltraum besteht, wie in der sowjetischen Literatur festgestellt wurde, darin, .Prinzipien und Normen zu erarbeiten, welche die Nutzung der Informationen über die Erdressourcen regeln ... und die souveränen Rechte der Staaten auf ihre natürlichen Ressourcen zuverlässig schützen können. "79 Die Achtung des Souveränitätsprinzips setzt das Recht der Völker und Staaten voraus, Souveränität über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen auszuüben, einschließlich des Rechts, auch über die sie betreffenden Informationen zu disponieren. Die Besonderheiten des Luftraums und der Fernerkundung erlauben es den Staaten nicht, Schutzgrenzen im vertikal gelegenen Raum zu errichten, um eine solche Sondierung aus dem Weltraum und die Aneignung ihrer Resultate durch kapitalistische Staaten wirkungsvoll zu verhindern. Aber dies darf nicht als Rechtfertigung für eine rechtswidrige Praxis in dieser Frage dienen. Eine komplexe Fernerkundung eigener Art ist die gleichzeitige Nutzung sowohl von Weltraumobjekten als auch von Luftfahrzeugen zu diesen Zwecken. Im Sommer 1985 wurde z. B. im Bezirk von Kursk im Rahmen des Programms .Interkosmos" ein aerokosmisches Experiment durchgeführt, das die Bezeichnung "Kursk-85" erhielt. Die Forschungen wurden von Spezialisten aus Bulgarien, Ungarn, DDR, Polen, UdSSR und aus der Tschechoslowakei geleitet. Das technische Experiment wurde durch Flugapparate in verschiedenen .Etagen" unterschiedlicher Höhe durchgeführt. Die erste und zweite .Etage" nahmen Beobachter ein, die sich auf der Erdoberfläche und auf einem Turm befanden. In einer Höhe von50-200m waren Hubschrauber und funkgesteuerte Modell-Luftfahrzeuge in der Luft und in einer Höhe von 500-3000 m Flugzeuge des Typs An-2. Noch höher flogen Laboratorien in Flugzeugen des Typs An-30 und Tu-134, und auf einer Erdumlaufbahn befanden sich der Orbitalkomplex .Salut-7", .Sojus T-13", .Progress-24" sowie die Satelliten .Kosmos-1653", .Kosmos-1657" und .Kosmos-1663". Es wurde reiches Material über den Zustand landwirtschaftlicher Geosysteme und ihrer einzelnen Komponenten, die Pflanzendecke, den Feuchtigkeitsgehalt in den Böden usw. gewonnen. Das Experiment hat große Bedeutung für die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit bei einer derartig umfangreichen komplexen Sondierung. Für die Zukunft wurde seine Fortsetzung mit anderen sozialistischen Ländern vorgeschlagen. 80 Erinnern wir auch daran, daß Kenntnisse, die durch Fernerkundung sowohl vom Satelliten .Kosmos-150" als auch von Hubschraubern erlangt worden waren, im Jahre 1985 dabei halfen, für das im Eis festsitzende Forschungsschiff .Michail Somov" und für den Eisbrecher "Wladivostok", der es aus dem Eis befreite, einen Weg durch das antarktische Eis zu finden. 81 Voprosy mezdunarodnogo morskogo i vozdusnogo prava, Moskva 1979, S. 142. Siehe V. Kulagin (Fn. 78); D. Oreskin, Vozdusnaja etazerka, in: Pravda vom 31. Juli 1985. 79
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4. Erkundung und Überwachung aus und durch den Luftraum
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Die enge Verknüpfung von Fernerkundung aus dem Weltraum und aus der Luft wurde durch dieses Experiment offenkundig. Wenn man den Begriff .. Erkundung" extrem weit auslegt, so ist auch die Beobachtung von Flugapparaten in der Atmosphäre und von Objekten im Weltraum durch Radar und andere Mittel eine .Erkundung", nur in umgekehrter Richtung. Eine solche Auslegung, gegründet auf das gemeinsame Element der Erlangung von Informationen mittels Beobachtung, würde offensichtlich die Grenze dieser Tätigkeit verwischen und es schwierig machen, den Gegenstand der Erkundung im Völkerrecht zu bestimmen. Die Erkundung eng auf den .Ressourcenaspekt" zu beschränken, wie dies oft in der westlichen, juristischen Literatur geschieht, ist jedoch vom Standpunkt der faktisch durchgeführten Arbeiten von Erkundung sowohl aus dem Luftraum als auch durch ihn hindurch nicht gerechtfertigt. In diesem Sinn existiert nach unserer Auffassung das Erfordernis, an die Kodifizierung und fortschrittliche W eiterentwicklung der Völkerrechtsnormen des genannten Gebietes mit einer breiteren Perspektive heranzugehen. Das Problem des Einsatzes von Luftfahrzeugen für Kontroll-(lnspektions-) Tätigkeiten innerhalb eines Staatsgebietes hat eine lange Geschichte, im wesentlichen in Verbindung mit Fragen der Abrüstung. Westliche Länder zielten bewußt darauf ab, diese Möglichkeit für Erkundungszwecke zu nutzen, und unterbreiteten wiederholt Vorschläge für eine .Kontrolle aus der Luft". Obwohl sie keine Unterstützung für ihre Vorschläge fanden, begannen die USAtrotz desFehlenseiner völkerrechtlichen Grundlage dennoch, unter dem Aspekt der Kontrolltätigkeit den Luftraum souveräner Staaten zu verletzen. Derartige Handlungen sind rechtswidrig. A. N. Talalaev bemerkte, daß eine internationale Kontrolle nur als rechtmäßig eingesetztes .Mittel zur Gewährleistung der Erfüllung internationaler Verpflichtung möglich ist, insbesondere in Fragen, in denen andere Arten der Gewährleistung unzureichend sind. "82 Obgleich eine internationale Kontrolle nicht mit internationalen Garantien gleichgesetzt werden kann, besteht zwischen ihnen ein enger Zusammenhang. Mit Hilfe einer Kontrolle (Inspektion), die sich streng im Rahmen der Ziele und Zwecke dieser Kontrolle hält, können Informationen darüber vermittelt werden, daß eine bestimmte Tätigkeit der Staaten mit den Rechten und Pflichten nach einem völkerrechtlichen Vertrag oderkraftvölkerrechtlicher Gewohnheit übereinstimmen. Im internationalen Luftrecht ist ein Kontrollsystem bislang nicht entwickelt. Eine der wenigen Arten der Kontrolle aus der Luft, die ad hoc angewandt wird, ist die Dislozierung ausländischer Beobachter an Bord von 81
82
156.
Siehe A. Pokrovskij (Fn. 78). A. N. Talalaev, Mezdunarodnye dogovory v sovremenom mire, Moskva 1973, S.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
Luftfahrzeugen bei Luftaufnahmen von grenznahen Zonen bei der Demarkation (Redemarkation) von Grenzen. 83 Das einzige, allgemeine internationale Dokument universellen Charakters, in dem eine Kontrolle aus der Luft vorgesehen ist, ist der Antarktisvertrag von 1959. Nach ihm kann über allen Bereichen der Antarktis von jedem Vertragsstaat zu jeder Zeit eine Beobachtung aus der Luft durchgeführt werden. 84 Die individuelle Kontrolle (individuell-sporadische Kontrolle im Sinne der Formulierung des bulgarischen Juristen P. Radojnov) 85 wird von einem einzelnen Staat durchgeführt, jedoch nur auf Grund eines eindeutigen Rechts (einer Pflicht) in einem internationalen Vertrag. Anderenfalls wären dies Spionageflüge. Kollektive (kollektiv-institutionalisierte) Kontrolle kann von internationalen Organisationen durchgeführt werden. Es ist prinzipiell zulässig zu fragen, ob nach dem sowjetisch-amerikanischen Abkommen über die Begrenzung der strategischen Rüstung aus dem Jahre 1972 ein Kontrollrecht existiert, das mittels Luftfahrzeugen ausgeübt werden kann. Sowohl der Vertrag über die Begrenzung der Systeme zur Abwehr ballistischer Flugkörper (Art. 12) als auch das Interimsabkommen über bestimmte Maßnahmen hinsichtlich der Begrenzung strategischer Angriffswaffen (Art. 5) sehen das Recht einer jeden Partei vor, die ihr zur Verfügung stehenden, innerstaatlichen, technischen Nachprüfungsmittel in einer Weise einzusetzen, die mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts im Einklang steht. Da jedoch bis auf den heutigen Tag eine Übereinkunft beider Seiten über eine Kontrolle aus der Luft fehlt, wird diese Kontrolle aus dem Weltraum durchgeführt. Kontrollbestimmungen sind im Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, im Übereinkommen von 1977 über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken, im Abkommen von 1973 (zwischen der UdSSR, Japan und Norwegen) über ein System internationaler Beobachtung von W alfangbasen, von denen aus der Walfang in der Antarktis betrieben wird, in dem VN-Seerechtsübereinkommen von 1982 und in einigen anderen Dokumenten enthalten. Sie alle sehen keine Kontrolle mit Hilfe ausländischer Luftfahrzeuge auf dem staatlichen Territorium vor. Eine solche Kontrolle kann nicht ohne die eindeutig ausgedrückte Zustimmung des Staates rechtmäßig durchgeführt werden, dessen Territorium überwacht werden soll. Jenseits 83 Siehe Protokoll zwischen der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Regierung der Türkischen Republk über die Redemarkation der sowjetisch-türkischen Grenze vom 28. Februar 1967, in: Sbornik dejstvujuscich dogovorov, vyp. XXV, S. 54. Eine derartige Kontrolle aus der Luft für besondere Zwecke einmaligen oder vorübergehenden Charakters ist weit verbreitet. 84 Siehe Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR, 1960, No. 42 (1026), Art. 389. 85 Siehe P. Radojnov, Pravotvorceskie funkcii na mezdunarodnite pravo, Sofia 1975, s. 189.
5. Nutzung des Luftraums durch militärisches Fluggerät
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der Grenzen des Staatsgebiets hat die Kontrolle aus der Luft eine große Zukunft, insbesondere für Zwecke der Überwachung des Zustandes der Umwelt. 5. Nutzung des Luftraums durch militärisches Fluggerät Das moderne Völkerrecht, das die Anwendung und Androhung von Gewalt in den internationalen Beziehungen untersagt, verbietet nicht den Flug von militärischem Fluggerät im Rahmen rechtmäßigen Verhaltens. Vom Standpunkt der Nutzung des Luftraums aus kommt diese Tätigkeit in Friedenszeiten u. a. in Manövern, Patrouillen und Sperrflügen von Militärluftfahrzeugen, Versuchen mit konventioneller Rüstung und Raketen (einschließlich von Raketen als Träger von Nuklearwaffen) zum Ausdruck. Die Sowjetunion und andere sozialistische Länder gehen bei der Ausübung derartiger Tätigkeiten von der Notwendigkeit aus, das sozialistische Vaterland, die Errungenschaften der Werktätigen, den Frieden und die Sicherheit der Völker zu verteidigen und verfolgen daher Verteidigungszwecke. 86 Und umgekehrt, in den Militärdoktrinen der kapitalistischen Länder, vor allem der USA, werden die Ideen einer globalen militärischen Expansion, der .Strategie der Spannung", der .neuen nuklearen Strategie" usw. offen verkündet, die offenkundig eine aggressive Stoßrichtung haben. In der gegenwärtigen Zeit führt eine riesige Zahl militärischer Flugzeuge und Hubschrauber im Luftraum Flüge zu militärischen Zwecken durch. Sie schießen u. a. Raketen ab, von den kapitalistischen Ländern werden Experimente in der Atmosphäre zur Erarbeitung von Methoden des sogenannten .meteorologischen Krieges" durchgeführt und Weltraumapparate nach Plänen des Programms des .Kriegs der Sterne" gestartet. Raketen, disloziert auf bodengestützten Rampen, in Schächten, auf Kriegsschiffen und Fluggeräten verschiedenster Art, sind potentiell Objekte einer großräumigen und globalen Nutzung des Luftraums. Riesige Vorräte chemischer (einschließlich binärer) und bakteriologischer Waffen in einigen kapitalistischen Staaten (vor allem in den USA) bergen eine tödliche Gefahr für die Menschheit, die vom Luftraum (der Atmosphäre) ausgehen kann. Die aggressive Militärstrategie der imperialistischen Länder, die das Ziel der aktiven, vorrangigen Nutzung des Luftraums für die Realisierung ihrer Militärdoktrin verfolgt, verstärkt diese Gefahr immer mehr. Viele Daten zeigen, daß diese Tendenz einen globalen Charakter trägt. Außer der Nutzung des eigenen Territoriums (Luftraums) zu militärischen Zwecken für 86 Siehe dazu näher L. A. lvanascenko, Principy razrjadki pravovaja osnova mezdunarodnoj bezopastnosti, in: Sovetskij ezegodnik mezdunarodnogo prava 1980, Moskva 1981, S. 76-89.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
Militärluftbasen, Raketen des Typs .Pershing-2", Marschflugkörper und die Dislozierung einer großen Zahl von Raketen auf Luftfahrzeugen und Schiffen auf demWeltmeerund auf U-Booten usw. schufen diese Länder ein sich über die ganze Welt spannendes Netz von Militärbasen auf dem Territorium anderer Staaten, deren Beseitigung sie mit allen denkbaren Mitteln verhindern. So begannen im Dezember 1985 die Militärkreise der USA eine lärmende Kampagne über die angeblich existierende Gefahr für ihre großen Militärbasen jenseits der Grenzen ihres kontinentalen Territoriums. Es ging insbesondere um die amerikanischen Basen auf den Philippinen, auf deren Territorium sich einige mittlere und zwei große Basen befinden: Clark Air Force Base (Luftwaffe) und Subic Bay (Marine). Die erste ist der Dislozierungsort der 13. Luftarmee der Luftstreitkräfte der USA Die Kriegsschiffe der USA, welche die zweite Basis zur Reparatur und Ausrüstung benutzen, gehören zur 7. Flotte, die in den Bereichen des Stillen und des Indischen Ozeans operiert; sie verfügen über zahlreiche Raketen und Luftfahrzeuge. Vom Standpunkt der Luftraumnutzung aus haben diese beiden Basen viel gemeinsam. Die USA messen der Existenz ihrer Militärbasen auf den Philippinen besondere Bedeutung bei, weil nach der Liquidierung der militärischen Präsenz der USA in Südvietnam und Thailand in den 70er Jahren die Philippinen für sie der wichtigste Umschlagplatz für Kriegsschiffe und Militärluftfahrzeuge zwischen den Basen auf den Inseln Guam und Diego Garcia sind. Nach den Veröffentlichungen in der Presse werden die USA an ihren Basen auf den Philippinen .um jeden Preis" festhalten. Dafür spricht die Tatsache, daß der amerikanische Kongreß Ende 1985 bei der Verabschiedung des Haushalts für militärische Bauten einen Betrag von 104 Mio Dollar für die Erweiterung der Luftstützpunkte auf den Philippinen billigte. 87 Es ist zu erwähnen, daß sich in der gegenwärtigen Zeit der allgemeine Akzent der Nutzung militärischer Luftfahrzeuge offensichtlich verändert. In den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg waren Luftfahrzeuge die einzigen oder vorwiegenden Fluggeräte, die für die Nutzung des Luftraums zu militärischen Zwecken bestimmt waren. In der Gegenwart bilden in den Militärdoktrinen in dieser Hinsicht die konventionellen Raketen, Raketen mit nuklearen Gefechtsköpfen und Marschflugkörper den Schwerpunkt. Jedoch nehmen Militärluftfahrzeuge nach wie vor einen wichtigen Platz in den Streitkräften der verschiedenen Länder ein, und in vielen Ländern, die nicht über Raketenwaffen verfügen, sind sie das einzige Mittel der .Luftrü81 Siehe D. S. Kosyrev, S pentagonovskoj merkoy, in: Pravda vom 16. Dezember 1985.
5. Nutzung des Luftraums durch militärisches Fluggerät
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stung". Mehr noch, weil die Raketen, falls man nicht ihren Einsatz unmittelbar zu militärischen Zwecken berücksichtigt, in der erdrückenden Mehrheit der Fälle für die Durchführung von Erprobungen und Schießübungen in speziell abgetrennte Bereiche und Zonen verbracht werden, nehmen unter den militärischen Fluggeräten, die Einfluß auf die Rechtsordnung und die praktische Nutzung des Luftraums in seinen übrigen Bereichen und Zonen haben, die Luftfahrzeuge nach wie vor den grundlegenden Platz ein. Deshalb ist es sowohl in der Völkerrechtswissenschaft als auch in den praktischen Fragen der rechtlichen Regelung der Flüge gerechtfertigt, den Flügen der Militärluftfahrzeuge große Aufmerksamkeit zu widmen. Das grundlegende Dokument im internationalen Luftrecht, das ChicagoAbkommen von 1944, enthält eine äußerst begrenzte Zahl von Normen über die Nutzung des Luftraums für militärische Zwecke. Formal erstreckt sich das Abkommen überhaupt nicht auf Militärluftfahrzeuge. So heißt es in Art. 3a) des Abkommens, daß dieses Abkommen .nur auf Privatluftfahrzeuge Anwendung findet und nicht auf Staatsluftfahrzeuge anwendbar ist", und gemäß Abs. b) dieses Paragraphen .gelten Luftfahrzeuge, die im Militär-, Zoll- und Polizeidienst verwendet werden, als Staatsluftfahrzeuge." Jedoch enthalten die folgenden zwei Absätze dieses Artikels eine völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten, die es erlaubt festzustellen, daß Ausnahmen von der oben angeführten Norm existieren. In Abs. c) des Art. 3 heißt es: "Staatsluftfahrzeuge eines Vertragsstaates dürfen das Hoheitsgebiet eines anderen Staates nur aufgrundeiner durch besondere Vereinbarung oder auf andere Weise erteilten Ermächtigung und nur nach Maßgabe der in dieser festgesetzten Bedingungen überfliegen oder dort landen." Diese Norm bestätigt die Rechte der Staaten, welche aus ihrer vollen und ausschließlichen Souveränität innerhalb ihres Territoriums fließen, und ist Ausdruck des allgemeinen Erlaubnisvorbehalts für Flüge ausländischer Luftfahrzeuge im souveränen Luftraum. In dieser Beziehung gibt es keinerlei Unterschied gegenüber dem Charakter der materiell-rechtlichen Regelung der Flüge ziviler Luftfahrzeuge. Die Norm im Abs. c) des Art. 3 ist nach ihrem Inhalt universell: Die Verpflichtungen der Vertragsstaaten des Abkommens werden in Bezug auf das Territorium eines jeden Staates angewandt und nicht nur auf die "Vertragsstaaten". Vor diesem Hintergrund wirken die Versuche einiger amerikanischer Autoren und Vertreter offizieller Kreise der Vereinigten Staaten gekünstelt und schlichtweg unsinnig, die Verletzung des Luftraums der Staaten, die dem Abkommen nicht angehören, durch Militärluftfahrzeuge der USA zu rechtfertigen. Solche Versuche wurden z. B. unternommen, als im Jahre 1960 im Luftraum der UdSSR (im Bereich von Sverdlovsk) ein Erkundungsflugzeug U-2 mit dem militärischen Piloten F. Power an Bord, abgeschossen wurde.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
Die einzige Ausnahme von dem Erlaubnisvorbehalt beim Einflug eines ausländischen Luftfahrzeugs in den souveränen Luftraum liegt, wie V. P. Seregin bemerkt, in der Situation vor, in der ein Militärluftfahrzeug in eine echte Notlage gerät und eine Notlandung vornimmt,88 obgleich die Folgen eines solchen Einflugs je nach dem Charakter der Beziehungen zwischen den betreffenden Staaten unterschiedlich sein können. Jedoch müssen die in Not geratenen Luftfahrzeuge, in jedem Falle, je nach Möglichkeit, internationale Notsignale geben, die Ursachen des Einflugs mitteilen und, falls die Umstände es erlauben, eine Landeerlaubnis erbitten sowie nach den erteilten Weisungen handeln. Nach Abs. d) des Art. 3 des Chicago-Abkommens sind die Vertragsstaaten verpflichtet, bei dem Erlaß von Vorschriften für ihre Staatsluftfahrzeuge auf die Sicherheit des Verkehrs der Privatluftfahrzeuge gebührend Rücksicht zu nehmen. Das internationale Element dieser Norm berührt im Grunde das eigene Territorium der Staaten, die entsprechende Regeln sowohl für die nationalen als auch für die ausländischen Militärluftfahrzeuge festlegen müssen, denen die Erlaubnis für den Einflug in den souveränen Luftraum des betreffenden Staates gegeben wurde. In den Gebieten planmäßiger Flüge ziviler Luftfahrzeuge, insbesondere auf den Luftstraßen, sind die Flugregeln praktisch ein und dieselben für Militärluftfahrzeuge. Anders kann es auch gar nicht sein, weil die Anwendung unterschiedlicher Flugregeln in dem konkreten Bereich des Luftraums eine reale Gefahr für seine Benutzer schaffen würde. Die Lenkung des Verkehrs sowohl der zivilen als auch der militärischen Flugzeuge und Hubschrauber in solchen Teilen des Luftraums ist ebenfalls praktisch identisch, woraus sich auch die Schaffung einheitlicher Organe der Luftverkehrsführung in einer Reihe von Ländern (beispielsweise in der UdSSR - das Einheitliche System der Lenkung des Luftverkehrs der UdSSR) erklärt. Diese nationale Praxis fand bislang keinen normativen Niederschlag im Chicago-Abkommen, obgleich objektive Voraussetzungen für die Aufnahme einer entsprechenden Norm in dieses Abkommen vorhanden sind. Ein Beispiel für die komplexe Regelung der Flüge aller Arten von Luftfahrzeugen und auch jeder Art von Tätigkeit im nationalen Recht ist das Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983, nach dessen Art. 3 Abs. 2 die Geltung seiner Art. 11, 19, 25-29, 33-37, 39-65, 71 und 143 .,sich auf jegliche Luftfahrt in der UdSSR erstreckt". Im übrigen ist dies die Umsetzung von Verpflichtungen der UdSSR, die sich aus dem Beitritt zum Chicago-Abkommen ergeben, in die nationale Gesetzgebung. Bei Flügen im Luftraum eines ausländischen Staates sind die Luftfahrzeuge verpflichtet, alle Flugregeln und Regeln für Manöver zu beachten, die 88
Siehe V. P. Seregin (Fn. 24, Kapitel I), S. 19.
5. Nutzung des Luftraums durch militärisches Fluggerät
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in diesem Raum gelten. In dieser Hinsicht müssen die Bestimmungen des Art. 11 des Chicago-Abkommens in vollem Umfang auf Staatsluftfahrzeuge erstreckt werden. Theoretisch ist es zulässig, die Bestimmungen des Art. 11 so auszulegen, daß sie sich auf die Flüge aller Luftfahrzeuge (Flugapparate) erstreckt, weil in diesem Artikel allgemein von .in der internationalen Luftfahrt verwendeten Luftfahrzeugen" gesprochen wird und nicht von Privatluftfahrzeugen. Im Hinblick auf den angeführten Inhalt des Art. 3 a) des Chicago-Abkommens bedürfen Normen, durch die einzelne Bestimmungen des Abkommens auf Staatsluftfahrzeuge angewandt werden sollen, jedoch einer speziellen Erwähnung dieser Luftfahrzeuge. In gleicher Weise betrifft dies auch den ersten Satz des Art. 12 des Abkommens (s. oben). Auf die Militärluftfahrt kann zulässigerweise auch die Bestimmung des Art. 35 des Chicago-Abkommens über .Frachtbeschränkungen" erstreckt werden. Der genannte Artikel sieht vor, daß .Kriegsmunition und Kriegsgerät nicht in oder über dem Hoheitsgebiet eines Staates (nicht nur eines •Vertragsstaates") mitgeführt werden dürfen, die im internationalen Luftverkehr eingesetzt werden, es sei denn mit Erlaubnis dieses Staates". Ohne die theoretische Seite der Frage nach der Geltung von Vertragsnormen für dritte Länder zu berühren, kann man sagen, daß die in Art. 35 niedergelegte Norm in vollem Umfang auf Drittländer angewandt werden muß, was sich aus der Bestimmung des Art. 1 des Chicago-Abkommens über die Anerkennung des Prinzips der Achtung der Souveränität aller Staaten ergibt. Es ist in diesem Zusammenhang charakteristisch, daß die Autoren, welche die Bedingungen für die Beförderung von Kriegsmaterial mit ausländischen Luftfahrzeugen im souveränen Luftraum analysieren, diese manchmal aus den Bestimmungen des Art. 35 des Chicago-Abkommens ableiten. 89 Militärluftfahrzeuge genießen im Unterschied zu Privatluftfahrzeugen volle Immunität von ausländischer Jurisdiktion im Fall eines rechtmäßigen Einflugs in ausländisches Territorium. Dennoch befinden sich Militärluftfahrzeuge bezüglich der Beachtung des allgemeinen Regims des souveränen Luftraums ausländischer Staaten insgesamt in derselben Lage wie Privatluftfahrzeuge. Für Luftfahrzeuge stellt Art. 12 des Chicago-Abkommens fest, daß jeder Vertragsstaat verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen, damit .jedes mit seinem Staatszugehörigkeitszeichen versehene Luftfahrzeug, wo immer es sich befinden mag, die in dem entsprechenden Hoheitsgebiet geltenden Flug- und Luftverkehrsregeln und -vorschritten befolgt." Ungeachtet der allgemeinen und umfassenden Formulierung dieser Norm fühlen sich in der Praxis die Vertragsstaaten formal nicht durch die Verpflichtungen in Art. 12 bezüglich ihrer Militärflugzeuge und militärischen Hubschrauber gebunden, wobei sie sich angesichts des Fehlens einer besonderen Erwähnung von 89
a.a.O., S. 20.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
Staatsluftfahrzeugen in Art. 12 auf die Bestimmung des Art. 3 a) des ChicagoAbkommens stützen. In der Praxis führt dies dazu, daß Militärflugzeuge einzelner kapitalistischer Länder ausländische Luftfahrzeuge im offenen Luftraum umkreisen, Übungsangriffe gegen sie imitieren usw. Im Jahre 1972 wurde zwischen den Regierungen der UdSSR und der USA ein Abkommen über die Verhütung von Zwischenfällen auf Hoher See und im Luftraum darüber abgeschlossen, 90 das im Jahre 1973 um ein entsprechendes Protokoll ergänzt wurde. 91 In dem Abkommen werden gegenseitige Verpflichtungen der Vertragsparteien mit dem Inhalt festgelegt, daß die Kommandanten ihrer Luftfahrzeuge .äußerste Vorsicht und Vernunft bei der Annäherung an Flugzeuge der anderen Seite, die über der Hohen See operieren, und an Schiffe der anderen Seite, die sich auf Hoher See befinden, anwenden, insbesondere bei Schiffen, von oder auf denen gerade Flugzeuge starten oder landen. Im Interesse der gegenseitigen Sicherheit sollen sie nicht zulassen: Die Imitation von Angriffen durch das Richten von Waffen auf Flugzeuge oder irgendein Kriegsschriff, die Ausführung aller fliegerischen Manöver über Kriegsschiffen und den Abwurf von irgendwelchen Gegenständen in ihrer Nähe in einer Weise, die eine Gefahr für die Kriegsschiffe oder eine Störung der Schiffahrt darstellen könnte" (Art. IV). Das Abkommen sieht auch die Verpflichtung vor, soweit dies möglich ist, die Positionslichter bei Flügen im offenen Luftraum während der Dunkelheit oder beim Instrumentenflug einzuschalten (Art. V) und über ein installiertes System der Funkübertragung von Nachrichten und Warnungen für Seefahrer in der Regel nicht weniger als 3-5 Tage vorher Handlungen auf Hoher See anzukündigen, die eine Gefahr für die Schiffahrt oder den Flug von Luftfahrzeugen darstellen (Art. VI). In der sowjetischen juristischen Literatur wurde die Meinung geäußert, daß eine breite Anerkennung der genannten Normen und ihre praktische Anwendung durch alle Staaten zweckmäßig wäre.92 Heute ist diese Frage noch umfassender zu stellen, nämlich die Frage nach der Notwendigkeit der Ausarbeitung eines allgemeinen Völkerrechtsregims für den offenen Luftraum, dessen Bestandteil die genannten Normen sein könnten. Dieser Prozeß ist zweifellos schwierig und eine derartige Haltung ruft offensichtlich den Widerspruch derjenigen militaristischen Kreise der westlichen Länder hervor, denen der allgemeine freie Status des offenen Luftraums paßt. Sich auf diese Freiheit stützend, schreiten sie nicht selten zu Handlungen, die der grundlegenden internationalen Luftrechtsordnung widersprechen. So führten die Luftstreitkräfte der USA und Israels am 1. Oktober 1985 einen bewaffneten Überfall aus dem offenen Luftraum über dem Mittelmeer 90 91
92
Wegen des Textes des Abkommens siehe Izvestija vom 3. Juni 1972. Wegen des Textes des Protokolls siehe Pravda vom 14. Juni 1973. Siehe M. N. Kopylov (Fn. 47, Kapitel II), S. 21.
5. Nutzung des Luftraums durch militärisches fluggerät
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auf das Territorium Tunesiens aus. Die Bombenangriffe der israelischen Militärflugzeuge kosteten mehr als 70 Palästinensern und Tunesiern das Leben. Die USA ermöglichten nicht nur den Überfall durch die Übermittlung aller notwendigen Daten, sondern leisteten auch durch die Betankung der israelischen Flugzeuge in der Luft Unterstützung, die aus diesem Grunde ohne Zwischenlandung 1.500 Meilen fliegen konnten. Wegen der Befürchtung einer Abwehr von Seiten der Streitkräfte Tunesiens setzten die israelischen Aggressoren ein Schiff in der Nähe von Malta ein, von dessen Deck aus Hubschrauber für eine erforderlich Rettung israelischer Piloten gestartet wurden.93 Diese Aktion, die zu Recht von der Weltöffentlichkeit verurteilt wurde, stellte neben den politischen Aspekten, nämlich der Gefährdung des Friedens und der internationalen Sicherheit sowie der Durchführung eines Aggressionsaktes, eine Gefahr für den Luftverkehr über dem Mittelmeer dar. Auf Antrag der Regierung Tunesiens untersuchten der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und der Rat der ICAO diese Frage und verabschiedeten Resolutionen, welche die Handlungen Israels scharf verurteilten. Die Regierung der USA unterstützte die israelische Version, daß die Handlung Israels eine "Antwort" auf die Ermordung von drei Israelis auf dem Flughafen von Larnaka (Zypern) war, die angeblich unter der Leitung der PLO durchgeführt wurde, ungeachtet der Tatsache, daß die PLO jede Teilnahme an diesen Morden kategorisch bestritt. Ein anderes Beispiel: Am 10. Oktober 1985 fingen Flugzeuge der amerikanischen Luftstreitkräfte im Luftraum über dem Mittelmeer eine ägyptische Linienmaschine ab, wobei sich die amerikanischen Jagdflugzeuge etwa drei Stunden lang ohne Positionslichter und in absoluter .Funkstille" im Bereich einer Luftstraße mit intensivem Verkehr befanden und wiederholt in der Luft von "Tankflugzeugen" aufgetankt wurden.94 Im Januar 1986 schickten die USA den Flugzeugträger .Coral City" mit vier Geschwadern F-18 Bombern und einer unbekannten Zahl von Kampfflugzeugen an die Küste Libyens. Als Vorwand dafür dienten die tragischen Ereignisse auf den Flughäfen in Rom und Wien, die von Terroristen überfallen worden waren. Obgleich es keinerlei Beweise für die Beteiligung Libyens an diesen Aktionen gab, verschärften die USA die Lage dieses Landes, dessen fortschrittliches Regime Washington und TelAviv ganz und gar nicht gefällt. 95 Das versteht die fortschrittliche internationale Gemeinschaft nicht unter Freiheit des offenen Luftraums. Um genaue Kriterien für die Zwecke und Arten der Nutzung des offenen Luftraums festzulegen, wäre die Ausarbei93 94 95
Siehe Pravda vom 8. Oktober 1985. Siehe Pravda vom 11 . Oktober 1985. Siehe Pravda vom 9. Februar 1986.
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Kapitel IV: Völkerrechtliche Regelung der Tätigkeit
tung entsprechender Normen wünschenswert, die den Rahmen der rechtmäßigen Nutzung durch Militärluftfahrzeuge definieren. Das Vorhandensein nur einiger allgemein anerkannter Prinzipien und Normen des Völkerrechts, die von den israelischen und amerikanischen Flugzeugen schwer verletzt wurden, ist unzureichend. Der Luftraum ist einheitlich, und man kann niemals normale Bedingungen für die Tätigkeit der zivilen Luftfahrt und andere Nutzer des Luftraums erwarten, wenn die Aktionen von Militärflugzeugen nicht ebenfalls durch den Rahmen des allgemeinen Regimes des offenen Luftraums bestimmt werden. Zu den Rechtsproblemen, die mit dem Einsatz von Militärluftfahrzeugen im Zusammenhang stehen, gehören die folgenden: Definition des Militärluftfahrzeugs; Bedigungen, denen es entsprechen muß; Gesamtheit der Rechte und Pflichten, die ein Luftfahrzeug in ausländischem Territorium hat, einschließlich der Grenzen seiner Immunität; Ordnung der Flüge von Militärluftfahrzeugen im souveränen und offenen Luftraum; ihr Einsatz für die Verfolgung im Wege der .Nacheile"; Regeln des Luftkriegs (Bestimmung des Theaters des Luftkriegs, der Kombattanten, Beachtung der Gebräuche und Gesetze des Krieges, Regime der Militärsanitätsluftfahrzeuge, Neutralität im Luftkrieg usw.). Die letztgenannten Fragen gehören zu den sogenannten .Luftkriegsregeln". Die wesentliche Gruppe von Normen dieser Art dient nicht als Beweis für die Existenz des .Rechts" zur Führung eines Luftkriegs, sondern solllediglich die Lage der in ihn verwickelten Personen, insbesondere der friedlichen Zivilbevölkerung erleichtern. Diese Frage wurde auf den internationalen Konferenzen in Den Haag im Jahre 1899 und 1907, auf der Washingtoner Konferenz von 1922, von der Versammlung des Völkerbundes im Jahre 1938 und auf zahlreichen anderen Foren erörtert. Dokumente, welche die Normen und Regeln des Luftkriegs enthalten, sind die Haager Regeln von 1907, die Haager Luftkriegsregeln von 1923 (die nicht in Kraft traten) und die Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer von 1949. Grundlegend von diesen sind die von den Vereinten Nationen anerkannten96 Haager Regeln von 1907. Angesichts der Besonderheit der gestellten Fragen sind sie gewöhnlich Gegenstand von Untersuchungen in der Spezialliteratur im Rahmen des sogenannten .Kriegsrechts" oder der .Gesetze und Gebräuche des Krieges". In der Regel wird diese Problematik in den monographischen Arbeiten zum internationalen Luftrecht nicht untersucht. Einzelne Ausnahmen, auf die man trifft, verdienen nichtsdestoweniger unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen völkerrechtlichen Regims des Luftraums Aufmerksamkeit. 97 96 Siehe im einzelnen dazu I. I. Arcibasov, Mezdunarodnaoe pravo (zakony i obycai vojny), Moskva 1975. 97 Siehe z. B. V. P. Seregin (Fn. 24, Kapitell), S. 30-39.
5. Nutzung des Luftraums durch militärisches Ruggerät
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Was die Nutzung des offenen Luftraums zu nicht-aggressiven Zwecken angeht, für Raktenversuche und Schießübungen, so bildete sich eine feste Praxis heraus, nach der die Rechtmäßigkeit der Errichtung von speziellen vorübergehenden Gefahrenzonen auf Hoher See und im Luftraum über ihr durch die Staaten anerkannt wird. Manchmal verläuft dies konfliktfrei, aber nicht selten werden Meeresgebiete und Teile des offenen Luftraums für die Durchführung von Manövern und Schießübungen zum Nachteil friedlicher Aktivitäten ausgesucht. Ungeachtet der Errichtung eines ozeanalogischen Vielecks für die sowjetisch-amerikanischen Experimente mit der verabredeten Bezeichnung POLIMODE (zur Gewinnung von Erkenntnissen über ozeanische Wirbelwinde), erklärten die USA z. B. im Jahre 1977, daß in diesem Gebiet militärische und artilleristische Schießübungen durchgeführt werden. Im Ergebnis waren die sowjetischen wissenschaftlichen Forschungsschiffe gezwungen, das Paligon zu verlassen. 98 Es stellt sich die Frage nach der Priorität einzelner Tätigkeitsbereiche im offenen Luftraum. Eine prinzipielle Übereinkunft in dieser Frage ist noch schwierig zu erzielen. Die riesige Ausdehnung und der Umfang des offenen Luftraums schaffen Bedingungen, die es in der Regel ermöglichen, daß die Interessen aller Staaten auf der Grundlage von Vereinbarungen befriedigt werden können. Aber in einigen Bereichen, in denen die Interessen verschiedener Länder mit denen einzelner (im wesentlichen Küsten-)Länder ständig kollidieren, wird in der Praxis eine .faktische" Okkupation des Luftraums eingeführt. Der Prozeß der Kodifizierung und fortschrittlichen Weiterentwicklung des internationalen Luftrechts muß offenkundig berücksichtigen, daß Rechtsgrundlagen notwendig sind, die für die Realisierung der Interessen der Staaten in diesem Raum akzeptabler sind als der Status des offenen Luftraums. Derartige Rechtsgrundlagen müssen zu einem allgemeinen völkerrechtlichen Regime des offenen Luftraums werden, das sich auf die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts stützt.
98
Siehe Voprosy mezdunarodonogo morskogo i vozdusnogo prava, S. 65.
KAPITEL V
Völkerrechtliche Schutznormen betreffend die Nutzung des Luftraums 1. Nutzung des Luftraums und Umweltschutz Mit der Erhaltung der Umweltqualität des den Menschen umgebenden Luftraums sind die Grundhoffnungen der Menschheit auf Rettung aus der Gefahr einer allumfassenden ökologischen Katastrophe verbunden. Es ist vollkommen gesetzmäßig, daß im Politischen Bericht des ZK der KPdSU an den XXVII. Parteitag unter den Widersprüchen globalen Charakters, welche die Grundlagen der Existenz der Zivilisation berühren, die Versehrnutzung des Luftraums besonders erwähnt wurde. 1 Wie die Tatsachen zeigen, gibt es in der Welt immer mehr Gefahrenquellen, die potentiell oder real die Gefahr gerade durch den Luftraum und die Atmosphäre herbeiführen. Deren globale Einheit erlaubt es nicht, mit der Schaffung irgendwelcher nationaler Barrieren, ernstzunehmender Vorräte oder isolierter Luftquellen zu rechnen, vergleichbar etwa mit nationalen W asserreservoirs. Heute stellen die Vorräte an nuklearen, chemischen und bakteriologischen Waffen, ihre Erprobung und einzelne Fälle ihres Einsatzes die Hauptbedrohung für die gesamte Menschheit und für die Existenz des Lebens dar. Der Einsatz von Atombomben durch die Vereinigten Staaten von Amerika gegen die friedliche Zivilbevölkerung der japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 zeigte der ganzen Welt die Gefahren der Ergebnisse des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, wenn sie in die Hände der reaktionären Kräfte fallen. Seither wurden Nuklearwaffen nicht mehr in Kriegen eingesetzt, aber ihre Vervollkommnung sowie die Bestände fahren fort, in schnellem Tempo zu wachsen. Bis zum Abschluß des Vertrages über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unterWasservon 1963 auf lnitiatve der UdSSR wurden derartige Versuche von den westlichen Ländern praktisch unkontrolliert durchgeführt. Obwohl sie nach ihrem Ermessen einen funktionalen Raum für solche Versuche auf Hoher See festlegten, verursachten die USA nicht selten unmittelbaren Schaden für Menschen. 1
Siehe Materialy XXVII s' ezda Kommunisticeskoj partii Sovetskogo Sojuza, S. 18.
1. Nutzung des Luftraums und Umweltschutz
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So wurde bei dem Versuch mit einer amerikanischen W asserstoffbome im Jahre 1954 die Besatzung des japanischen Fischereischiffes .Fukuru-Maru· in Mitleidenschaft gezogen, welches sich zum Zeitpunkt der Explosion jenseits der Grenzen der Gefahrenzone, 150 km vom Bikini-Atoll- vom Ort der Explosion - entfernt, befand. Bei den 27 Mitgliedern der Besatzung der .Fukuru-Maru" zeigten sich die Kennzeichen der Strahlenkrankheit. Die Niederschläge, die infolge der Kernexplosion fielen, führten zu einem gefährlichen Niveau der Radioaktivität auf vielen Inseln des Stillen Ozeans und auf dem Territorium der Länder, die an seiner Peripherie liegen, weil der gesamte Bereich der radioaktiven Verseuchung der Gewässer des Stillen Ozeans bei dieser Explosion 18.000 Quadratkilometer betrug. 2 Für das Verbot derartiger, .offener" Versuche führten die sozialistischen Länder und die Teilnehmer der Antikriegsbewegung, Wissenschaftler, Ärzte, einige Politiker und Staatsmänner eine breitangelegte Kampagne. Schon damals war bewiesen, daß die Fortsetzung der Atomwaffenversuche Unheil für Gesundheit und Leben der Menschen mit sich bringt. Die Sowjetunion trat entschieden für das völlige Verbot jeglicher Atomexplosionen ein, jedoch trug das erzielte Abkommen wegen der Position der USA und einiger anderer westlicher Länder, die danach strebten, sich eine Hintertür offen zu halten, nur einen Teilcharakter. Sie entschieden sich, solche Versuche unterirdisch fortzusetzen, in einigen Hundert Metern Tiefe. Der Abschluß des Vertrages über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unterWasserführte zu positiven Ergebnissen: Die radioaktive Belastung der Erdatmosphäre verringerte sich in der Folgezeit beträchtlich. Jedoch wuchs die Gefahr für die Welt, die von der Vergrößerung der Kernwaffenarsenale durch den Westen ausgeht, noch schneller. Allein in den letzten Jahren erhöhte sich die Zahl der nuklearen Gefechtsköpfe in der Welt um das Zweifache auf 50.000. 3 Die Fortsetzung der unterirdischen Versuche durch die westlichen Länder, vor allem die USA, erlaubte es ihnen, Raketen mit nuklearen Mehrfachsprengköpfen des Typs MX, die .Pershing" und Marschflugkörper großer Reichweite zu entwickeln. In der Gegenwart erkennen immer größere Kreise der Gesellschaft die Unsinnigkeit und Gefährlichkeit einer weiteren Fortsetzung des nuklearen Wettrüstens. Ein kleiner Teil der vorhandenen Bestände an Kernwaffen ist ausreichend, um die gesamte Menschheit zu vernichten. Jedoch wird dieser wahnsinnige Rüstungswettlauf von den westlichen Ländern fortgesetzt. Das führt zu einem Zustand der allgemeinen Furcht und einem Mangel an Vertrauen für die Zukunft. 2 Siehe A. M. Vavilov, Ekologiceskie posledstvija gonki vooruzenij, Moskva 1983, S. 67. 3 Siehe S. Men'sikov, Sanc ne dolien byl upuscen, Pravda vom 16. Dezember 1985.
12 Maleev
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Kapitel V: Völkerrechtliche Schutznormen
Im Jahre 1982 erklärte die Sowjetunion - und im Anschluß daran die Chinesische Volksrepublik- ihren Verzicht auf den Ersteinsatz von Kernwaffen, aber die militaristischen Kreise der kapitalistischen Länder folgten diesem Beispiel nicht. Die UdSSR hat wiederholt Friedensinitiativen ergriffen, die auf eine Beendigung des Wettrüstens gerichtet waren. So erklärte die UdSSR am 6. August 1985 (dem Jahrestag der Bombardierung von Hiroshima mit Atombomben durch die Vereinigten Staaten) ein Moratorium für Kernwaffenversuche bis zum 1. Januar 1986, das bis zum 15. Januar 1986 und anschließend bis zum 14. Mai 1986 verlängert wurde. Schon früher wurde in der UdSSR ein Moratorium für die Dislozierung von Raketen mittlerer Reichweite in Europa sowie für Maßnahmen gegen die Dislozierung von amerikanischen Raketen des Typs .Pershing-2" in Westeuropa beschlossen. Seit 1984 gilt ein von der UdSSR eingeführtes Moratorium für den Transport von Antisatellitenwaffen in den Weltraum. 4 Am 15. Januar 1986legte die Sowjetunion ein Programm für die vollständige und allgemeine Abschaffung von Kernwaffen und chemischen Waffen bis zum Jahre 2000 vor. 5 Diese und andere konstruktive Schritte der UdSSR, die von der Sorge über das Schicksal der Menschheit durchdrungen waren, fanden insgesamt keine entsprecpende Gegenreaktion von Seiten der USA und anderer westlicher Länder. Im Gegensatz zur Sowjetunion, die ihre Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen streng einhält, beachten die USA den Vertrag über die Nichtweitergabe von Kernwaffen nicht. So gab es im September 1985 in den USA einen Skandal im Zusammenhang mit dem Verschwinden von mehr als 180 kg angereicherten Urans aus staatlichen Unternehmen. Auf diese .,heimliche" Art und Weise wurden in den USA insgesamt einige Tonnen dieses gefährlichen Materials entwendet und exportiert. Wie die Tatsachen beweisen, die von FBI, CIA und dem Nationalen Sicherheitsrat veröffentlicht wurden, wußten die USA bereits in den 60er Jahren, daß das aus der Fabrik .. Apollo" .verschwundene" Uran nach Israel gelangt war.6 Viele Fälle einer Umweltverseuchung durch Radioaktivität und von Handlungen, die zu einer Verseuchung sogar ausländischen Territoriums führten, werden von den westlichen Ländern sorgfältig verheimlicht. Im Jahre 1975 erfuhr die Öffentlichkeit Australiens z. B., daß die Ureinwohner der Wüste Viktoria aus vorhandenen Herden radioaktiver Verseuchung in diesem Bereich sowie auf den Monte Bello Inseln im Indischen Ozean radioaktiver Bestrahlung ausgesetzt waren, die eine Folge der englischen Kernwaffenversuche der 50er und 60er Jahre sind. Radioaktive Niederschläge fielen auf das gesamte australische Festland. Wie eine Sonderkommission unter dem Vorsitz des Richters Mac Lennan aufdeckte, wurde das 4
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a.a.O. Siehe Pravda vom 16. Januar 1986. Siehe Pochititeli i pokrovite/i, Pravda vom 10. September 1985.
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verbrauchte, radioaktive Material mit •Vulcan" Bombern nach Australien verbracht und heimlich gelagert, wovon die australischen Behörden nichts wußten. Obgleich die Kernwaffenversuche auf australischem Territorium eingestellt wurden, bleibt die Tätigkeit auf Dutzenden von Militärbasen der USA in Australien sowohl der Öffentlichkeit als auch der australischen Regierung unbekannt? Eine riesige Gefahr stellen die Nutzung und Anhäufung chemisch vergifteter Sachen dar. So gelangte im Jahre 1982 ein für die Archivverwaltung der Luftstreitkräfte der USA angefertigter Bericht über die Anwendung von Herbiziden in Indochina an die Öffentlichkeit. Um das geplante Verbrechen zu verschleiern, war erwogen worden, die amerikanischen Militärpiloten in Zivilkleidung einzusetzen, ihre Ausrüstung mit ausländischen Kennzeichen zu versehen, auf die Container mit den Chemikalien die Aufschrift .zivile Ladung" zu kleben usw. 8 Unter der Anwendung der chemischen Waffe .Agent Orange" und anderer Defoliants durch die Streitkräfte der USA litten 43 % der Wälder und des kultivierten Ackerlands, mehr als 2 Millionen Vietnamesen wurden ihr Opfer. In Laos wurden 80% der Wälder vernichtet, Tausende von Menschen leiden bis heute an schweren Krankheiten. 9 Der Kongreß der USA sanktionierte im September 1985 ein weiteres Anhäufen chemischer Waffen und verabschiedete eine Entschließung zur Entwicklung binärer chemischer Waffen, wofür im Haushaltsjahr 1986 155 Mio. Dollar bewilligt wurden. Auf dem Gebiet der chemischen Kriegführungsmittel verfügen die USA heute über ein äußerst bemerkenswertes Arsenal: 55.000 t hochtoxischer Stoffe mit nervenparalysierender Wirkung. Dies reicht aus, um eine Bevölkerung zu vernichten, welche die heutige Erdbevölkerung um ein Mehrfaches übertrifft. 10 Eine ständige Gefahr stellen die nicht aufhörenden Fälle von Havarien amerikanischer Bomber und Raketen dar, die Kernwaffen an Bord haben, bzw. nukleare Gefechtsköpfe tragen. Schließlich verursachen Havarien der Art, wie sie sich im Jahre 1957 in der amerikanischen Fabrik .Rocky Flats" ereigneten, eine unmittelbare Gefahr. In dieser Fabrik kam es zu einer Selbstentzündung Outzender von Kilogramm Plutonium, von dem eine große Menge in die Atmosphäre gelangte.11 Potentiell katastrophalen Charakter trägt auch die Beseitigung von Abfällen und Rückständen der Atomproduktion, insbesondere in den Tiefen des Weltmeeres. Die Versenkung von radioaktiven und anderen gefährlichen 0. Ska/kin, .Cernaja mgla" nad Avstraliej, Pravda vom 16. Dezember 1985. Siehe E. Fadeev, Oran:ievaja smert, Pravda vom 11. Februar 1985. 9 Opasnye plany zaokeanskich .chimikov", Pravda vom 9. September 1985. 10 a.a.O. 11 Siehe A. M. Vavilov, (Fn. 2) S. 36.
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Materialien und Sachen auf dem Meeresboden schafft die potentielle Gefahr einer Verseuchung sowohl der Meere als auch der Luft. Bekanntlich versenkten allein die USA in der Zeit zwischen 1946 und 1970 auf dieseWeise 86.758 Container im Meer. 12 Von Wissenschaftlern wurde die Möglichkeit nachgewiesen, daß sich die Wände dieser Container zersetzen. Es ist in diesem Zusammenhang auf die Erhöhung der Häufigkeit von Erdbeben in den letzten Jahren hinzuweisen. Im Falle von Erdstößen auf dem Meeresboden können viele Deponien zweifellos den starken Kräften nicht widerstehen, so daß radioaktive Stoffe in die Hohe See und in die Atmosphäre gelangen. In den Tiefen der Erde sammeln sich also immer mehr Quellen des .leisen Todes" an, der langsam wirkt. Das lokrafttreten des Londoner Übereinkommens von 1975 über die Verhütung der Versehrnutzung der Meere und Ozeane durch die Beseitigung von Abfällen und von anderen Stoffen löst das Problem des Umweltschutzes bis zu einem gewissen Grade. Das Übereinkommen erlaubt lediglich, Container mit Abfällen geringer Strahlung in einer Tiefe von mehr als 4000 m zu lagern. Aber insgesamt ist dies keine Lösung der Frage des Umweltschutzes, sondern eine halbherzige Maßnahme, eine erzwungene Reaktion auf die ernste Lage, die bei der Lagerung radioaktiver Abfälle entstanden ist. Eine äußerst große Gefahr für das Ökosystem schaffen die in den USA entwickelten und gelagerten bakteriologischen Waffen, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß einige Arten von Viren unsichtbar sind, keinen Geruch und Geschmack haben und nicht sofort (unmittelbar) Verletzungen verursachen, wodurch es fast unmöglich ist, sie aufzuspüren. Durch die Luft übertragbare schädliche Mikroorganismen können Epidemien hervorrufen, wobei der Infektionsherd für die Dauer von vielen Jahren erhalten bleibt und für lange Zeit in örtliche Ökosysteme eindringen kann. Besonders gefährlich ist die Einführung neuer Mikroorganismen und Viren in heißen und feuchten Gebieten. Das Versprühen eines Geldfiebervirus aus der Luft (ein Flugzeug kann 600 Hektar bestäuben) im Tropengürtel führt zur Bildung einer ständigen Quelle von Krankheiten, deren Ausrottung praktisch nicht möglich ist. 13 Wie die Tatsachen beweisen, beschränken sich die USA nicht auf die Entwicklung und Bevorratung von bakteriologischen Waffen. Aus den Materialien der Internationalen Wissenschaftskommission ergibt sich, daß die USA aktiv Flugzeuge für die Verstäubung schädlicher Bakterien über China und Nordkorea einsetzten. 14 Im Juli 1981 führte der Vorsitzende des Staatsrates und des Ministerrates der Republik Kuba, Fidel Castro, Daten über den Einsatz von Flugzeugen der a.a.O. a.a.O., S. 45. 14 Siehe OON, Doklad Komiteta po razoruzeniju, Dok. CD/211 vom 13. August 1981. 12
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USA für die Verbreitung von Bakterien an. Dabei wurden die Bakterien in Wolken außerhalb des kubanischen Territoriums versprüht, die später mit ihrer gefährlichen .Füllung" die Insel erreichten.15 Binäre Waffen sind eine besonders barbarische Massenvernichtungswaffe, deren Opfer im wesentlichen die Zivilbevölkerung sein Wird. Die Komponenten der binären Waffen vermischen sich erst unmittelbar beim Flug der Luftbombe .Big Eye" und in Artilleriegranaten, was die Kontrolle ihrer Herstellung erschwert. Die USA schreiten also auf dem Weg einer scharfen Eskalation der Gefahren aus dem Luftraum für die Existenz der Menschheit voran und geben sich mit der Dislozierung der.Pershing-2" und der Marschflugkörper auf dem Territorium der westeuropäischen Länder sowie der Dislozierung von Verteidigungssystemen gegen Interkontinentalraketen mit weltraumgestützten Elementen nicht zufrieden. Die Existenz riesiger Vorräte chemischer Waffen in den USA ist einfach eine potentielle Bedrohung der Menschheit. Opfer dieser Waffen wurden, wie bereits ausgeführt, Hunderttausende Bürger Vietnams, Laos' und Kambodschas sowie amerikanische Soldaten, die der Wirkung des hochtoxischen Defoliants .Agent Orange" ausgesetzt waren. Im Jahre 1984 gelangte das ungeheuerliche Verbrechen amerikanischer Unternehmen und Lieferanten des Pentagons bei der brasilianischen Stadt Tukuruj an die Öffentlichkeit. Hier kamen infolge von Versuchen mit hochtoxischen Abfällen mehr als 7.000 Einwohner um. 16 Man muß auch an so gefährliche, von den USA durchgeführte Versuche erinnern, wie die Schaffung von .Fenstern" in der Ozonschicht der Erde mit Hilfe von Raketen und die Erarbeitung von Methoden für einen .meteorologischen Krieg" usw.. Geleitet von der Notwendigkeit, derartige geophysische Beeinflussungen schädlichen Charakters zu verhindern, unternahm die Sowjetunion in den Vereinten Nationen im Jahre 1974 eine Initiative für den Abschluß einer Konvention über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken. Eine derartige Konvention wurde im Jahre 1977 unterzeichnet und nach dem Stand Ende 1985 gibt es 45 Vertragsstaaten (sowie 19 Staaten, die unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben). Wie im September 1984 auf der Genfer Konferenz der Vertragsstaaten der Konvention ausgeführt wurde, geht ihre Bedeutung über den Rahmen der Interessen der gegebenen Länder hinaus und macht sie zu einem lebenswichtigen Dokument für die gesamte Menschheit. 17 15 16 17
a.a.O. Uchodjat ot otvetstvennosti, Pravda vom 13. September 1984. Siehe Argumenty i fakty vom 9. Oktober 1985.
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Man kann eine Vielzahl von Beispielen für eine reale oder potentielle Bedrohung für die Menschheit, einzelne Regionen und Länder anführen, die durch gefährliche Tendenzen in der Nutzung der Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts hervorgerufen werden und schädliche Einflüsse auf die Umwelt haben. Am gefährlichsten ist jedoch eine Verseuchung der Atmosphäre. Auf die Qualität der atmosphärischen Luft haben sogar die Folgen der gewöhnlichen Lebenstätigkeit des Menschen einen negativen Einfluß (Emissionen aus den Schornsteinen von Fabriken und Werken, Abgase von Motoren im Verkehr usw.). 0. S. Kolbasov bemerkt, daß das .Anwachsen der Bevölkerung einen größeren Druck auf das ökologische Gleichgewicht der Natur ausübt und eine Kette weiterer Folgen nach sich zieht". 18 Diese antropogenen Folgen sind im Grunde eine Folge der Nutzung der Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, die sich in der Atmosphäre unabhängig davon zeigen oder zeigen können, wo sich diese Nutzungen vollziehen: auf dem Festland, im Wasser, in den Tiefen der Meere, im Erdinnem oder in der Atmosphäre selbst; aber auch im Weltraum (z. B. Einschleppen gefährlicher Mikroorganismen mit Weltraumgeräten). Im Jahre 1935 ereignete sich ein in der juristischen Literatur berühmter Fall einer grenzüberschreitenden Versehrnutzung der Atmosphäre durch Schwefeldioxyd und andere Abgase eines Kombinats, das einem kanadischen metallurgischen Unternehmen gehörte und unweit der Grenze mit den USA in der Stadt Traillag (Fall.Trail Smelter"). Der Rauch des Kombinats vernichtete die Ernte der Farmer in den USA Ein anderes Beispiel ist die Explosion in der Fabrik der schweizerischen Gesellschaft .Ikmesa-Givandan" in der Stadt Seveso (nördlich von Mailand) am 19. Juli 1976. Während der Explosion strömten 2 kg Dioxin aus. Seine Giftigkeit beweist die folgende Tatsache: In den Vereinigten Staaten (Minnesota) wurde nach einer vergleichbaren Katastrophe das vergiftete Erdreich bis zu einer Tiefe von 2 m abgetragen. Dennoch wurden sogar noch drei Jahre nach der Katastrophe Säugetiere in diesem Gebiet tödlich vergiftet. Im Dezember 1984 entwich in der indischen Stadt Bhopal aus den Tanks der chemischen Fabrik des amerikanischen Konzerns .Union Carbide" Giftgas. Diese Katastrophe kostete mehr als 2.500 Menschenleben. Erinnern wir uns, daß derselbe Konzern noch einmal im Juli 1985 berühmt wurde, als durch Wassermelonen mindestens 200 Menschen in den USA und Kanada ernsthafte Vergiftungen erlitten. Diese Melonen stammten von Feldern, die mit Giftstoffen infiziert waren, welche in seiner Fabrik im Staate Kalifomien hergestellt worden waren. 19 18
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0. S. Kolbasov, Mezdunarodono-pravovaja ochrana sredy, Moskva 1982, S. 7. Siehe Jadovityj bisnes, Pravda vom 8. Juli 1985.
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Wie es in einer amerikanischen Arbeit aus dem Jahre 1976 heißt, .gebührt die Siegespalme für die Verseuchung der Umwelt den USA • Die amerikanisehen Wirtschaftswissenschaftler nennen die unkontrollierte, industrielle Entwicklung ihres Landes die .Ideologie der Krebszelle. "20 Neben den genannten Aspekten lokaler Verseuchung der Umwelt mit Giftgasen bei der industriellen Tätigkeit wird in den letzten Jahren in vielen Ländern den möglichen negativen Auswirkungen der Nutzung von Kernexplosionen zu friedlichen Zwecken und der Entwicklung der Kernenergie (Rechtsfragen der Reaktorsicherheit) immer mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Sowjetische Wissenschaftler haben überzeugend die Effektivität einer Nutzung von Kernexplosionen für folgende Zwecke nachgewiesen: Intensivierung der Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen, Schaffung unterirdischer Lager für Naturgas, Gaskondensat, Ölprodukte und biologisch schädliche Industrieabfälle, Untertageabbau von Erzlagerstätten, Liquidierung von havariebedingten Gas- und Ölfontänen, Vorbereitung von Bodenschatzvorkommen für die Ausbeutung im Tagebau, Bau von Kanälen und Dämmen für Wasserkraftwerke, von Bunkern für hydrotechnische Anlagen, Ausheben von Gräben und Aufschüttungen für Eisenbahnen u.ä. 21 Derartige Explosionen mit nuklearen Sprengmitteln besitzen, wie im Bericht der IAEA für die 1. Konferenz der Vertragsstaaten des Abkommens über die Nichtweitergabe von Atomwaffen im Jahre 1986 erwähnt wurde, bemerkenswerte Vorzüge im Vergleich zu chemischen Explosionsmitteln. 22 Wissenschaftliche Forschungen und Experimente, die auf diesem Gebiet in den USA und in der UdSSR durchgeführt wurden, beweisen ihre hohe wirtschaftliche Effektivität. Unter Berücksichtigung der Zukunftsaussichten der Entwicklung derartiger Methoden erlangt eine objektiv begründete Bestimmung der Grenzen des funktionalen Luftraums besondere Bedeutung, welche festgelegt werden müssen nach Maßgabe sowohl der für die Durchführung derartiger Explosionen notwendigen räumlichen Grenzen als auch der Unzulässigkeit schädlicher Auswirkungen der Radioaktivität auf Menschen und Umwelt. Ungeachtet der offenkundigen Vorzüge scheitert eine breite Anwendung nuklearer Sprengungen zu friedlichen Zwecken an erheblichen Schwierigkeiten politischen, technischen und völkerrechtlichen Charakters. .Die grundlegende Schwierigkeit", bemerkt A. I. Iojrys, .liegt darin, daß nukleare Einrichtungen, die für friedliche Zwecke eingesetzt werden, sich ihrem Wesen nach von Einrichtungen nicht unterscheiden, die für militärische 20 21 22
Siehe K. und P. Montague, No World without End, New York 1976, S. 40. Siehe Jadernye vzryvy v mirnych celjach, Moskva 1970, S. S-6. Siehe A. I. lojrys, (Fn. 2, Kapitel I) S. 48-49.
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Zwecke bestimmt sind." 23 Die Gegner des Vertrages über die Nichtweitergabe bemühen sich, dieses Argument zu nutzen, daß nämlich auch friedliche Kernexplosionen für die Vervollkommnung von Kernwaffen genutzt werden können. Von ihrem konstruktiven Standpunkt aus erklärte die Sowjetunion wiederholt ihre Bereitschaft, ein Moratorium für sämtliche nuklearen Explosionen auszusprechen, einschließlich der Explosionen für friedliche Zwecke. Jedoch fand dieser Schritt des guten Willens kein positives Echo auf Seiten der USA Was die .Reaktorsicherheit" atomarer Kraftwerke angeht, so hat sich hier eine allgemeine Praxis herausgebildet, die Rechtmäßigkeit einer solchen Tätigkeit anzuerkennen. Mehr noch, die Atomenergie entwickelt sich im Vergleich zu anderen Energiequellen mit einem ungeheuren Tempo. Im Jahre 1951 wurde in der UdSSR mit dem Bau des ersten Atomkraftwerks der Welt begonnen. Bis Mai 1986 wurden mehr als 370 in Betrieb befindliche Atomreaktoren in der Welt gezählt, darunter 40 in der UdSSR mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Mio Kilowatt. 24 Die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken leistet der Menschheit eine große, immer stärker wachsende Hilfe. Die Erhöhung der Anzahl von Kernreaktoren in der Welt fordert auch eine Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen. Havarien in Kernkraftwerken ereignen sich selten, aber ihre Folgen können äußerst ernst sein, wie z. B. bei den Unglücken im Jahre 1979 im Kraftwerk •Three-Mile-Island" in den Vereinigten Staaten und im Kernkraftwerk von Tschernobyl in der UdSSR im April 1986. Die Versehrnutzung der Atmosphäre, die oft als Folge friedlicher Aktivitäten eintritt, ist in der erdrückenden Mehrheit der Fälle das Resultat der Emissionen von Industrieunternehmen und Transportmitteln (Dämpfe, Gase, Giftstoffe). Derartige Abgase behindern verschiedene Tätigkeiten im Luftraum, vor allem die sich in einer Reihe von Ländern ausweitende Nutzung der Sonnenenergie. Das Touristenzentrum .Slovenska Pljaza" in Jugoslawien setzt z. B. 1.734 Sonnenbatterien ein, die auf dem Dach montiert sind und täglich 600 t Wasser für die Bedienung des Komplexes auf 55 Grad erwärmen. In zwei Jahren der Nutzung (seit Dezember 1985) sparte diese Station Energie für 70 Mio Dinare ein.25 Die Sonnenenergie wird auch in anderen Ländern, einschließlich der UdSSR, immer aktiver genutzt für das Heizen, das Aufladen von Motoren für Elektromobile, Schweißen, die Herstellung von Zement usw. Der Zustand der Atmosphäre hat in diesen Fällen eine gewisse Bedeutung, besonders wenn die Nutzung der Sonnenenergie in den technologischen Zyklus einbezogen ist. 23 24 25
a.a.O. Pravda vom 15. Mai 1986. V. Sarov, Rabotaet solnce, Pravda vom 1. Oktober 1985.
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Ein schädlicher Einfluß auf die Umwelt unmittelbar aus dem Luftraum, aber nicht von einer Tätigkeit auf der Erdoberfläche, ist im wesentlichen mit Raketen und Luftfahrt verbunden: u. a. schädliche Abfälle (Brennstoff), Lärm, Vibrationen. Der schädliche Einfluß der Luftfahrt auf die Umwelt ist bedeutend niedriger als bei anderen Transportarten. Nichtsdestoweniger wird in vielen Staaten ein aktiver Kampf z. B. gegen den Fluglärm geführt. Die im Rahmen der ICAO ausgearbeitete Anlage 16 zum Chicqgo-Abkommen enthält empfehlende Regelungen in dieser Hinsicht. Jedoch legen einige Staaten für ihre Flughäfen besondere Lärmvorschriften fest. Ungeachtet dieser Regelungen und der Entscheidungen des Rates der ICAO bestimmen viele Staaten den Zeitraum für die Einführung der genannten Normen selbst. So wurden folgende konkrete Daten für die Einführung von Beschränkungen auf internationalen Flügen für Flugzeuge ohne Lärmzertifikat festgelegt: 31. Dezember 1984 Schweiz, 1. Januar 1985 USA, 1. Januar 1986 Irland, Österreich, Kanada, Großbritannien, 1. Januar 1987 Niederlande, Dänemark, ab 31. Dezember 1987 Brasilien, Griechenland und Indien. Viele Delegationen drückten auf der 3. Luftverkehrskonferenz der ICAO ihre Besorgnis wegen der Anwendung strenger Lärmstandards aus. Sogar der in Kapitel 2 Teil II der Anlage 16 festgelegte weiter in der Zukunft liegende Beginn der Anwendung solcher Standards - 1. Januar 1988 schadet angesichts der untragbaren Kosten für eine Umrüstung der vorhandenen oder für den Kauf neuer Luftfahrzeuge, die den Standards für das Lärmniveau entsprechen, den Interessen einer Reihe von Ländern, insbesondere von Entwicklungsländern. Diese Länder unterstützten den Standpunkt der Afrikanischen Kommission für die Zivilluftfahrt, daß Flüge von Düsenluftfahrzeugen ohne Lärmzertifikat, die unter Schallgeschwindigkeit fliegen, auch nach diesem Datum erlaubt sein müssen. Verbunden damit war eine Empfehlung an den Rat der ICAO, das Datum zu überpüfen.26 Dieses Beispiel zeigt, daß die Frage des Schutzes der Umwelt nicht von der Gesamtheit sozialer, ökonomischer und anderer Aspekte isoliert gelöst werden kann. Notwendig ist ein ausgewogenes Herangehen, welches in der gebotenen Weise die realen Möglichkeiten jedes konkreten Staates berücksichtigt, einschränkende Maßnahmen bezüglich bestimmter Arten von Tätigkeiten zu ergreifen, die negative Folgen für die Umwelt haben. Im gegenteiligen Fall werden die Staaten, die z. B. nicht über die Möglichkeit verfügen, moderne und teure Flugzeugtypen zu kaufen, praktisch des Privilegs beraubt, internationale Flüge in andere Länder durchzuführen. In vielen Staaten, vor allem in den sozialistischen, werden umfassende Maßnahmen zum Schutze der Atmosphäre ergriffen. In der juristischen Literatur wird aufgezeigt, daß .niemals die Situation so vereinfacht dargestellt werden darf, daß die Versehrnutzung der Umwelt im 26
Siehe ICAO, Dok. AT Conf/3, WP -71, par. 3-28.
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Sozialismus nicht existieren kann. Obwohl sie alle Versuche zurückweisen, beiden gesellschaftlichen Systemen gleiche Verantwortung für die Verschlechterung der Qualität der Umwelt aufzuerlegen, erkennen die Marxisten an, daß die auf die Natur einwirkenden Folgen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Menschen nicht nur durch die gesellschaftlichen, sondern auch durch technologische Momente bedingt sind. "27 Deshalb werden in den sozialistischen Ländern normative Akte zum Schutz der atmosphärischen Luft verabschiedet. In der UdSSR ist der Schutz der Umwelt in der Verfassung verankert. In Art. 18 der Verfassung der UdSSR heißt es: .Im Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Geschlechter werden in der UdSSR die notwendigen Maßnahmen für den Schutz und die wissenschaftlich begründete, vernünftige Nutzung der Erde und des Erdinnern, der Gewässerressourcen, der Pflanzen- und Tierwelt, für die Erhaltung der Reinheit der Luft und des Wassers, der Gewährleistung der Regenerierung der natürlichen Reichtümer und der Verbesserung der Umwelt des Menschen ergriffen." Als eines der Grundrechte der Bürger der UdSSR wurde das Recht auf Schutz der Gesundheit verkündet, die insbesondere durch Maßnahmen zur Sanierung der Umwelt gewährleistet werden muß (Art. 42). Gleichzeitig verpflichtet die Verfassung die sowjetischen Bürger, die Natur zu behüten und ihre Reichtümer zu erhalten (Art. 67). Durch Verordnung des ZK der KPdSU und des Ministerrates der UdSSR vom 29. Dezember 1972 wird vorgeschrieben, in die Jahrespläne und in die Perspektivpläne für die Entwicklung der Volkswirtschaft der UdSSR und der Unionsrepubliken Maßnahmen zum Schutz der Umwelt aufzunehmen. Im Jahre 1980 wurde das Gesetz zum Schutz der Atmosphäre verabschiedet und wurden Standards für die Luftqualität eingeführt. Die Normen für die Flugtauglichkeit der Flugzeuge (NLGS-2 und GOST 17228-78, GOST 1722978, GOST 23023-78) regeln das Niveau des Lärms von Luftfahrzeugen28 usw. Auf der 3.Sitzung des Obersten Sowjets der UdSSR in der 11. Sitzungsperiode (Juli 1985) wurde eine spezielle Verordnung .Über die Erfüllung der Forderungen der Gesetzgebung zum Schutz der Natur und für die vernünftige Nutzung der natürlichen Ressourcen" verabschiedet. In der Verordnung findet sich neben der Bestimmung der grundlegenden Ziele einer Vervollkommnung des Schutzes der atmosphärischen Luft (und anderer Schutzobjekte) auf dem Gebiete der UdSSR eine Empfehlung an den Ministerrat der UdSSR, .ein staatliches Langzeitprogramm für den Umweltschutz und die vernünftige Nutzung der natürlichen Ressourcen der UdSSR auszuarbeiten." Besonders wird in der Verordnung die Notwendigkeit erwähnt, .MaßnahA. M. Vavilov, (Fn. 2) S. 9. Siehe V. G. Emel'janova, Soversenstvovanie zakonodatel'stva po bor'be s sumon, in: Trudy VNIISZ, Problemy soversenstvovanija sovetskogo zakonodatel'stva, No. 12, Moskva 1978, S. 200. 27
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men zur Verstärkung des Kampfes gegen die Versehrnutzung der Atmosphäre über den Städten und den Industriezentren durch schädliche Abgase der Transportmittel" zu ergreifen. Die Verordnung sieht die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der UdSSR mit anderen Staaten und mit internationalen Organisationen auf dem Gebiet des Umweltschutzes sowie der Verhütung schädlicher Einflüsse verschiedener menschlicher Tätigkeiten auf die Natur, einschließlich des Wettrüstens mit seinen gefährlichen Folgen vor. 29 Es gibt auch im Ausland positive Erfahrungen im Kampf gegen die Verschmutzung der atmosphärischen Luft. So werden in einigen kapitalistischen Ländern (USA, Frankreich, BRD, Italien, Japan) Standards und Kriterien für zulässige Grenzkonzentrationen von Schadstoffen in der Atmosphäre angewandt. Die Tätigkeit eines Staates oder einer Staatengruppe zum Schutz der atmosphärischen Luft, so aktiv und vielgestaltig sie in ihren Formen auch sein mag, kann nicht effektiv sein, wenn nicht entsprechende Maßnahmen auch in anderen Ländern ergriffen werden. Die Konvektion der Luft, die eine inhärente Eigenschaft der Atmosphäre ist, führt dazu, daß verschmutzte Luft aus dem souveränen Luftraum einiger Staaten oft in die reinere Atmosphäre anderer Länder gerät. Z. B. werden auf das Territorium der UdSSR täglich etwa 5,5 Mio t Schwefeldioxyd, Schwefelwasserstoff und Sulfate übertragen, die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen und an der Natur insgesamt auf dem Territorium der UdSSR verursachen. Von dem sauren Regen, dessen Ursprungsquellen auf dem Territorium Frankreichs liegen, leiden die Wälder in der BRD. Schwefeldioxyd wird aus der BRD nach Großbritannien und auf das Territorium der skandinavischen Länder übertragen. 30 Die absichtliche, schadensträchtige Veränderung der Umwelt innerhalb ihres souveränen Territoriums durch einzelne Staaten führt zu einer Schmälerung der souveränen Rechte anderer Staaten auf deren Territorium, was man niemals als rechtmäßig anerkennen kann. Schon in den 60er Jahren wurde von sowjetischen Juristen die Regel entwickelt, daß .kein Staat die natürlichen Bedingungen seines Territoriums ändern darf, falls dies zu einem Schaden für die natürlichen Bedingungen des benachbarten Staates führt. "31 Es handelt sich hier nicht um Emissionen von Schadstoffen in die Atmosphäre, die z. B. das Produkt gewöhnlicher Tätigkeit von Industrieunternehmen sind. Völkerrechtswidrig sind solche Emissionen, die .ernsthafte" oder .bedeutende" Schäden für die Ökologie eines ausländischen Staates verursache, wobei derartige Schäden als Folge der Tatsache eintreten, daß not29
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Wegen des Textes der Verordnung siehe Pravda vom 4. Juli 1985. Siehe Priroda i celovek 1981, No. 1, S. 52. Siehe Kurs mezdunarodnogo prava, Bd. III, S. 146.
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wendige Schutzmaßnahmen in dem technologischen Zyklus nicht vorgesehen sind. Nicht immer kann Einvernehmen über die Begriffe .Ernsthaftigkeit" oder .Bedeutsamkeit" eines solchen Schadens erzielt werden. Jedoch darf das Fehlen präziser Kriterien in dieser Hinsicht im Völkerrecht die prinzipielle Fragestellung nicht untergraben. Um schädliche Folgen zu vermeiden, muß das zulässige Niveau von Schadstoffemissionen an der Quelle selbst unter Berücksichtigung möglicher schädlicher Einwirkungen nicht nur auf das Territorium des Staates, in dem sich diese Quelle befindet, streng kontrolliert werden. Anderenfalls, wie dies z. B. in der Praxis einer Reihe westeuropäischer Länder stattfindet, befreit der Bau hoher Schornsteine die lokale Umwelt von der Verschmutzung, führt aber zu einem Transfer der Schmutzstoffe durch Luftströmungen auf das Territorium anderer Länder. In dieser Hinsicht ist die Vereinheitlichung nationaler Standards über das Niveau von Schadstoffemissionen in die Atmosphäre objektiv notwendig, wobei man eine Reihe technischer, wirtschaftlicher und anderer Faktoren berücksichtigen muß, welche die Möglichkeit der Staaten begrenzen, naturschützende Maßnahmen zu ergreifen. In jedem Falle müssen die Fragen des Verbots einer schadenstiftenden, grenzüberschreitenden Versehrnutzung der Atmosphäre (Gewässer) Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein und dürfen nicht dem Bereich der zivilrechtliehen Haftung für verursachte Schäden überlassen bleiben, worauf einige westliche Juristen beharren. 32 Das Gesagte ist auch auf die Fälle des Transfers von Schadstoffen aus dem Territorium des Staates in den offenen Luftraum und in umgekehrter Richtung anwendbar, wenn dies .ernsthafte" oder .bedeutende" Folgen für die Umwelt verursacht. Das System des Monitaring (Qualitätskontrolle) der Umwelt, das sich in letzter Zeit auf regionaler und globaler Ebene entwickelt hat, die vereinzelte Schaffung gemischter Kommissionen, trägt unzweifelhaft Früchte. Aber die auf diesem Wege ermittelten Informations- und Bewertungsdaten ermöglichen für sich allein nur eine Fixierung des ökologischen Zustands der Umwelt. Diese Maßnahmen müssen durch Akte der nationalen Gesetzgebung ergänzt werden. In der kapitalistischen Welt verursachen die Interessen an der Erzielung eines maximalen Gewinns unter den Bedingungen eines scharfen Wettbewerbs zwischen den Unternehmen unausweichlich bedeutende Schwierigkeiten für die Ausarbeitung einer effektiven ökologischen Politik. Und umgekehrt, der gesellschaftliche Charakter der Produktion, die gemeinsamen Ziele und Aufgaben des sozialistischen Aufbaus in den Län32 Siehe z. B. S. C. McCaffrey, Private Remedies for Transfrontier Pollution lnjuries, in: Environmental Law. International and Comparative Law. A Symposium, London 1976, S. 13.
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dem des Sozialismus erlauben es ihnen, in Fragen des Schutzes der Natur effektiv zusammenzuarbeiten. Jedoch sind die Unterschiede in den Gesellschaftssystemen, Wirtschaftsmethoden und -formen angesichtsder realen Gefahr eines .ökologischen Kollapses" für die gesamte Menschheit keineswegs ein unüberwindbares Hindernis auf der Suche nach einer globalen Lösung der Probleme des Umweltschutzes. Unter diesen nimmt das Problem des Schutzes der Atmosphäre den ersten Platz ein. Das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung von 1979 (Vertragsstaaten sind 35 Länder, darunter die UdSSR) ist nur ein erster Schritt in diese Richtung, der durch weitere Schritte ergänzt werden muß, mit dem Ziel, in Zukunft einen allgemeinen multilateralen Vertrag universellen Charakters über den Schutz der atmosphärischen Luft und der Umwelt insgesamt abzuschließen. Im Völkerrecht gibt es keine klaren Kriterien für die Entscheidung, ob eine konkrete Emission eine Versehrnutzung ist oder nicht. Aufgrund der Ergebnisse der Stockholmer Konferenz von 1972 wurde das Programm der VN über die Umwelt (UNEP) gegründet. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die heute das Zentrum für die Erarbeitung naturschützender Normen der Staaten ist. Weiter wurde ein Register internationaler Abkommen und Protokolle auf dem Gebiet der Umwelt gschaffen, 33 das von 1977-1979 vom Verwaltungsrat des UNEPerarbeitet wurde. In den Jahren 1976-1978 wurde von einer Expertengruppe des UNEP ein Entwurf von Prinzipien für das Verhalten der Staaten in Fragen des Schutzes und der harmonischen Nutzung der natürlichen, von zwei oder mehreren Staaten geteilten Ressourcen ausgearbeitet. Jedoch führten die genannten und andere derartige Aktivitäten bis heute nicht zur Verabschiedung eines komplexen Gesetzgebungsakts zum Umweltschutz. Die weiteren Aktivitäten der Staaten in der untersuchten Frage werden sich offensichtlich in folgende zwei Richtungen entwickeln: 1) Ausarbeitung spezieller Verträge zur Verhütung von Verschmutzungen auf multilateraler, regionaler, lokaler und bilateraler Ebene, und 2) Vervollkommnung der völkerrechtlichen Prinzipien und Normen über die Haftung für die Schädigung der atmosphärischen Luft. Die erste Tendenz wird bereits durch eine bedeutende Zahl von Dokumenten belegt: Genfer Übereinkommen über die Hohe See (1958), Vertrag über die Antarktis (1959), Moskauer Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser (1963), Brüsseler Konvention von 1969, Internationales Übereinkommen über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungsunfällen und Internationales 33 Siehe V. M. Vachru.Seva (Hrsg.), OON. Sbornik dokumentov, Moskva 1981, S. 325-326.
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Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden, Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischerWaffensowie über die Vernichtung solcher Waffen (1972), Londoner Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen (1972), Londoner Protokoll über Maßnahmen auf Hoher See bei Fällen von Verschmutzung durch andere Stoffe als Öl (1973), Helsinki-Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (1974), Abkommen zwischen den USA und Kanada über den Austausch von Informationen bezüglich der Tätigkeit zur Veränderung des Wetters (1975), Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken (1977), Übereinkommen über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreinigungen (1979), VN-Seerechtsübereinkommen (1982) u.a. Im Rahmen des RGW wird seit den 60er Jahren eine Koordinierung der Arbeiten zum Schutze der atmosphärischen Luft durchgeführt. 34 Was die Haftungsfragen, insbesondere die völkerrechtliche Haftung der Staaten angeht, so sind außer dem erwähnten allgemeinen Prinzip, das in der Stockholmer Deklaration enthalten ist, keine Normen auf diesem genannten Gebiet ausgearbeitet worden. 2. Internationaler Kampf gegen rechtswidrige Handlungen, die eine Gefahr für die Flugsicherheit darstellen Die Staaten haben der Verabschiedung strenger, gesetzlicher Maßnahmen gegen Personen, die unrechtmäßig in den Luftverkehr eingegriffen haben, stets große Aufmerksamkeit gewidmet. Für lange Zeit betrafen diese Maßnahmen ausschließlich Luftfahrzeuge: Zeppeline, Flugzeuge, Hubschrauber usw. Als Beispiel eines der frühesten Gesetzgebungsakte dieser Art sei das Gesetz zitiert, das im Jahre 1922 in Deutschland verabschiedet wurde und insbesondere vorsah: .Wer Menschenleben dadurch gefährdet, daß er vorsätzlich ein Luftfahrzeug beschädigt, zerstört oder sonst unbrauchbar oder unzuverlässig macht oder vorsätzlich die Fahrt eines Luftfahrzeuges durch falsche Zeichen oder sonst stört, wird mit Gefängnis bestraft". 35 Bis zu jener Zeit ereigneten sich derartige rechtswidrige Akte innerhalb des Territoriums eines Staates. Da sie kein internationales Element enthielSiehe Socialism i ochrana okruzajuscej sredy, Moskva 1979. Zitiert nach P. I. Ljublinskij, Prestuplenija v oblasti vozdusnogo transporta, in: Voprosy vozdusnogo prava, vyp. 2, Moskva 1930, S. 172. 34 35
2. Internationaler Kampf gegen rechtswidrige Handlungen
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ten, gab es keinen objektiven Grund, die Frage ihrer Bekämpfung auf völkerrechtlicher Ebene aufzuwerfen. Dadurch erklärt sich die Tatsache, daß sogar der erste bekannte Fall einer rechtswidrigen Flugzeugentführung, die sich im Jahre 1930 in Peru ereignete, 36 keinerlei Aktivitäten auf völkerrechtlichem Gebiet auslöste. In der Folgezeit blieben die Fälle der Flugzeugentführung seltene Erscheinungen (die Statistik sieht wie folgt aus: 1930-1, 1947- 1,:1948-6, 1949 - 3, 1950 - 3, 1953 - 11 1958 - 3, 1959 - 3, 1960 - 6, 196l - 6, 1962 - 11 1963- 1, 1964- 1, 1965- 1, 1966-3, 1967- 6)_37 Mit unbedeutenden Ausnahmen waren alle diese Akte eindeutig politisch motiviert. Die westlichen Länder nahmen lange Zeit an, daß die Tendenz der Entführung von Luftfahrzeugen .von Osten nach Westen" überwiegen würde. Dadurch erklären sich die ziemlich dürftigen Bestimmungen des Tokyo-Übereinkommens von 1963 über strafbare und bestimmte andere, an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen betreffend die ,.widerrechtliche Inbesitznahme eines Luftfahrzeuges". Diese Handlung wurde in Art. 11 lediglich definiert, es wurde jedoch nicht versucht, sie zu einem Verbrechen zu machen und die Staaten zu verpflichten, strenge Strafen vorzusehen. Obwohl dieses Übereinkommen eine Reihe positiver Elemente enthält, insbesondere in Fragen des Kampfes gegen die die Sicherheit des Luftverkehrs gefährdenden Handlungen (z. B. ungestümes Verhalten an Bord) sowie gegen Verbrechen gemeinen Rechts (Diebstahl, Totschlag, Drogenschmuggel usw.), war seine Annahme insgesamt nur eine halbherzige Maßnahme. Das Ende der 60er Jahre war durch eine buchstäbliche .Explosion von Gewalt" im internationalen Luftverkehr gekennzeichnet. Flugzeugentführungen und versuchte Flugzeugentführungen allein beliefen sich im Jahre 1968 auf 30, 1969 auf 70 und 1970 auf 56. 38 Dies zwang die Vereinigten Staaten und andere Staaten, innerhalb kürzester Frist das Tokyo-Übereinkommen zu ratifizieren, das im Jahre 1969 in Kraft trat. Es wurde jedoch sofort klar, daß dieses Übereinkommen nicht als ein effektives Instrument im Kampf gegen widerrechtliche Inbesitznahme und die Entführung von Luftfahrzeugen und Diversionen im Luftverkehr dienen konnte. Derartige Akte übten weiter einen destabilisierenden Einfluß auf das gesamte System der internationalen Flugverbindungen aus. Unter Einschluß festgestellter Versuche gab es jährlich im Durchschnitt etwa 100 verbrecherische Akte. So wurden in den Statistiken der ICAO zwischen 1969 und 1980 562 Fälle widerrechtlicher Inbesitznahme von Luftfahrzeugen, 469 Fälle von 36 Siehe N. Aggarwala, M. I. Fenello, G. F. Fitzgerald, Air Hijacking: An International Perspective, New York 1971, S. 3. 37 a.a.O. 38 a.a.O.
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Androhung einer Inbesitznahme und 179 Diversionen erwähnt, als deren Folge 1.262 Menschen umkamen und 1.060 verletzt wurden. 39 Die Verabschiedung des Haager Übereinkommens zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen im Jahre 1970 und des Übereinkommens von Montreal zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt im Jahre 1971 führte praktisch zu keiner Verringerung der genannten Handlungen, obgleich diese Abkommen eine Reihe von Bestimmungen enthalten, die das hohe Niveau der Zusammenarbeit aller Staaten im Kampf auf diesem Gebiet widerspiegeln. In Art. 1 des Haager Übereinkommens von 1970 heißt es: .Jede Person, die an Bord eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs a) widerrechtlich durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung dieses Luftfahrzeug in Besitz nimmt oder die Herrschaft darüber ausübt oder eine dieser Handlungen zu begehen versucht oder b) sich an der Begehung oder der versuchten Begehung einer dieser Handlungen beteiligt, begeht eine strafbare Handlung." Gemäß Art. 2 dieses Abkommens "verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die strafbare Handlung mit schweren Strafen zu bedrohen." Art. 1 des Übereinkommens von Montreallautet: .(1) Eine strafbare Handlung begeht jede Person, die widerrechtlich und vorsätzlich a) eine gewalttätige Handlung gegen eine Person an Bord eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs verübt, wenn diese Handlung geeignet ist, die Sicherheit dieses Luftfahrzeugs zu gefährden; oder b) ein im Einsatz befindliches Luftfahrzeug zerstört oder ein solches Luftfahrzeug derart beschädigt, daß es flugunfähig wird oder daß die Beschädigung geeignet ist, seine Flugsicherheit zu gefährden; oder c) in ein im Einsatz befindliches Luftfahrzeug auf welche Art auch immer eine Vorrichtung oder eine andere Sache bringt oder bringen läßt, die geeignet ist, dieses Luftfahrzeug zu zerstören oder derart zu beschädigen, daß es flugunfähig wird oder daß die Beschädigung geeignet ist, seine Flugsicherheit zu gefährden; oder d) Flugnavigationseinrichtungen zerstört oder beschädigt oder ihren Betrieb beeinträchtig, wenn eine solche Handlung geeignet ist, die Sicherheit eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs zu gefährden; oder e) wissentlich unrichtige Angaben macht und dadurch die Sicherheit eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs gefährdet. 39
Siehe ICAO Dok. UI-WP/107.
2. Internationaler Kampf gegen rechtswidrige Handlungen
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(2) Eine strafbare Handlung begeht auch jede Person, die
a) b)
eine der in Absatz 1 genannten, strafbaren Handlungen zu begehen versucht; oder sich an der Begehung oder der versuchten Begehung einer dieser strafbaren Handlungen beteiligt."
Hinsichtlich der genannten Verbrechen sieht Art. 3 des Übereinkommens von Montreal auch die Verpflichtung der Staaten vor, die Täter schwer zu bestrafen. Man muß hinzufügen, daß diese Bestimmungen über .schwere Strafen" einen ziemlich unbestimmten Charakter haben. Es erscheint zweckmäßig, sie zusammen mit den identischen Bestimmungen des Art. 7 des Haager und Montreal Übereinkommens zu bewerten: .Der Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verdächtige aufgefunden wird, ist, wenn er ihn nicht ausliefert, verpflichtet, den Fall ohne irgendeine Ausnahme und unabhängig davon, ob die strafbare Handlung in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, seinen zuständigen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung zu unterbreiten. Diese Behörden treffen ihre Entscheidung in der gleichen Weise wie im Fall einer gemeinrechtlichen, strafbaren Handlung schwerer Art nach dem Recht dieses Staates." Obgleich beide Übereinkommen vom Prinzip der universellen Jurisdiktion ausgehen, nach dem jeder Staat Jurisdiktion ausüben darf, auf dessen Territorium sich ein Verbrecher aufhält, ist in ihnen keine Forderung nach obligatorischer Auslieferung des Verbrechers an den am meisten interessierten Staat enthalten, was zweifellos die stärkste Abschreckung bewirken würde. Formal sieht die Gesetzgebung der absoluten Mehrheit der Staaten strenge Maßnahmen für Verbrechen dieser Art vor. Nach der Statistik der ICAO haben fast alle der 76 Staaten, die auf den Fragebogen des Sekretariats der ICAO antworteten, in ihre Strafgesetzgebung Bestimmungen eingefügt, die als Strafmaßnahmen Freiheitsstrafe von 10-15, 20, 30 Jahren oder sogar lebenslängliche Freiheitsstrafe, Zwangsarbeit oder die Todesstrafe vorsehen. 40 Aber die traditionellliberale Haltung der Länder des Westens gegenüber Verbrechern, die Flugzeuge aus sozialistischen Ländern entführen, und das Bemühen, in jedem solchen Falle dem Verbrechen eine politische Färbung zu geben, bremst die Effektivität des internationalen Kampfes auf diesem Gebiet ganz erheblich. Diese negative. Tradition" begann lange vor der Annahme der drei genannten Übereinkommen. So wurde im Jahre 1948 ein bulgarisches Flugzeug in die Türkei entführt. Die Türkei gab einem der Verbrecher, der den bulgarischen Piloten getötet hatte, die Möglichkeit, in einem anderen Land unterzutauchen, während das 40
Siehe ICAO Dok. C-WP/8100 S. 25-33.
13 Maleev
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Gericht den Auslieferungsantrag prüfte. 41 Im Jahre 1951 gewährte die Schweiz der Gruppe eines gewissen Kavic, welche ein Flugzeug aus Jugoslavien entführt hatte, 42 aufgrund des Auslieferungsgesetzes von 1832 politisches Asyl (obgleich die Schweiz seinerzeit nach diesem Gesetz eine Reihe russischer Revolutionäre an das zaristische Rußland auslieferte). Im Jahre 1970 verhängte die Türkei äußerst leichte Strafen gegen die Verbrecher Brazinskas, die während der Entführung den Steward eines Flugzeugs der Aeroflot, N. Kurcenko, getötet hatten, und die Vereinigten Staaten gewährten den Brazinskas später politisches Asyl. 43 Am 18. September 1981 nahm eine Gruppe von zwölf Personen ein polnisches Flugzeug widerrechtlich in Besitz und entführte es nach West-Berlin (Flughafen Tempelhof). Die Verbrecher wurden wielolgt bestraft: Freiheitsstrafen von 4 Jahren, 3 Jahren, 3 Jahren und 6 Monaten, 2 Jahren und 6 Monaten, 2 Jahren und 1 Jahr. Vier Verbrecher wurden als Minderjährige auf Bewährung entlassen.44 Solch eine ,.strenge" Bestrafung erklärt sich aus der im Westen aufgebauschten .polnischen Frage". Nicht selten werden derartige Verbrechen im Westen so schnell wie möglich durch eine Amnestie erledigt (so z. B. im Falle der Brazinskas). Nach Abschluß des Haager und des Montrealer Abkommens entschlossen sich einige westliche Staaten, anstelle eines realen Kampfes gegen Flugzeugentführungen die Namen der Länder zu enthüllen, die angeblich Akte rechtswidriger Eingriffe in die Zivilluftfahrt fördern. Von Israel, den USA und Kanada wurde ein Konventionsentwurf vorgeschlagen, der ,.Sanktionen gegen den Störerstaat" vorsah. Dieser Entwurf wurde von den vier skandinavischen Ländern Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden auf einer diplomatischen Konferenz eingebracht, die im Jahre 1973 in Rom zusammentrat. 45 Dieser Entwurf enthielt im wesentlichen einen neuen .Sanktions" -Mechanismus gegen Vertragsstaaten und Drittländer. Es ist völlig gesetzmäßig, daß dieser Versuch, den Kampf gegen konkrete Verbrecher durch den Kampf gegen Staaten zu ersetzen, auf der Konferenz in Rom nicht die erforderliche Unterstützung fand. Jedoch ließen die westlichen Länder nicht von ihren Versuchen ab, die Entscheidung dieser Frage zu nutzen, um zwischenstaatliche Differenzen zu entfachen. Auf der Konferenz der Regierungschefs der sieben führenden kapitalistischen Länder im Jahre 1978 in Bonn wurde eine "Erklärung zu den Flugzeugentführungen" (Bonner Deklaration) angenommen, in der trotz allem die Idee wiederbelebt wurde, .Sanktionen" gegen Staaten zu verhängen. Ungeachtet der zahlreichen Bei41
42
43 44 45
Siehe D. Dörunezer, Jurisprudence turque. Droit penal, Istambul 1953, S. 311. Siehe International Law Reports 1952, S. 698. Siehe Mezdunarodnoe vozdusnoe pravo, Bd. 1, S. 180. Siehe ICAO Dok. C-WP/8000. Appendix D, S. 18. Siehe ICAO Dok. 9050-LC/169-2, S. 119, 313-315; ICAO CAS Dok. No. 4.
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spiele, daß die speziellen Dienste der führenden kapitalistischen Länder an den Akten des internationalen Terrorismus beteiligt sind, erklärten die Teilnehmer dieses .Gipfeltreffens", daß ihre Regierungen .gemeinsame Anstrengungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus unternehmen werden." In der Banner Deklaration heißt es insbesondere: .Falls ein Land sich weigert, Personen auszuliefern oder vor Gericht zu stellen, die ein Flugzeug entführt haben oder solche Flugzeuge nicht zurückgibt, sind die Staats- und Regierungschefs gemeinsam entschlossen, durch ihre Regierungen dafür zu· sorgen, daß ausnahmslos alle Flüge in dieses Land eingestellt werden. Gleichzeitig werden ihre Regierungen Schritte unternehmen, um die Nutzung des Luftraums ihrer Staaten durch die Flugzeuge zu verhindern, welche entweder aus diesem Land kommen oder zwar aus anderen Ländern kommen, jedoch der Luftfahrtgesellschaft dieser Länder gehören".4 6 Dieses Dokument ist auch gegen Drittländer gerichtet. Während sie selbst sehr oft nur rein fiktive Strafen gegen Verbrecher verhängen, welche Flugzeuge aus sozialistischen Ländern entführt haben, setzten sich die führenden kapitalistischen Staaten das Ziel, den Druck auf die Länder der Regionen zu verstärken, in denen diese kapitalistischen Staaten selbst Spannungsherde schaffen und unterhalten sowie terroristische Akte unterstützen. Zum Beispiel ist völlig offenkundig, daß die Banner Deklaration gegen Kuba gerichtet ist, ein Land, welches unaufhörlichen Provokationen und Diversionen ausgesetzt ist, sowie direkter aggressiver Akte von Seiten des amerikanischen Imperialismus und seiner Söldner, welches in dieser Lage kämpft und mit seltener Tapferkeit und Folgerichtigkeit die Völker, Nationen und Einzelpersonen unterstützt, die den ungleichen Kampf für ihr Leben, für das Recht auf Existenz und gegen die Kräfte des Kolonialismus und Rassismus führen. Daher sind die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs Kubas von 1959 völlig verständlich, in denen es heißt, daß die kuhanisehe Regierung sich das Recht vorbehält, denjenigen Personen Asyl zu gewähren, die sich aus politischen Motiven auf Kuba befinden und die nur deshalb derartige, äußerste Maßnahmen ergriffen haben, um einer realen Todesgefahr oder grausamen Repressionen zu entgehen. 47 Diese Bestimmungen sind im wesentlichen in Art. 4 des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Kubas und der Regierung Kanadas über die rechtswidrige Entführung von Luftfahrzeugen und Seeschiffen sowie andere Verbrechen wiederholt. .Die Vertragspartei, auf deren Territorium sich Personen befinden, welche eine der in Art. 1 genannten Handlungen begangen haben, kann als mildernde Umstände berücksichtigen, daß die Personen, welche für die Durchführung derartiger Handlungen verantwort46 Zitiert nach W. Schwenk, The Bonn Declaration on Hijacking, in: Annals of Air and Space Law, Vol. IV (1979), S. 322. 47 Siehe ICAO Dok. 8877-LC/ 161 S. 115.
13'
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lieh sind, ausschließlich aus politischen Gründen verfolgt wurden, sich in realer und unvermeidbarer Todesgefahr befanden sowie über keine wirkliche Alternative verfügten, das Land zu verlassen, vorausgesetzt, daß sie keine Erpressung zur Erlangung finanzieller Mittel beabsichtigten und den Mitgliedern der Besatzung, den Passagieren und anderen Personen im Zusammenhang mit der widerrechtlichen Inbesitznahme des Luftfahrzeugs keinen körperlichen Schaden zugefügt haben. "48 In allen Fällen, in denen die Handlungen der Flugzeugentführer die genannten Merkmale nicht erfüllen, lieferte Kuba sie ausnahmslos aus, deportierte sie oder warf sie ins Gefängnis. Zwischen Nachbarländern werden immer öfter besondere bilaterale Abkommen für den Kampf gegen Flugzeugentführungen abgeschlossen. So schloß die Sowjetunion bilaterale Vereinbarungen mit der DDR, CSSR, Iran, Afghanistan und Finnland ab. 49 Mexiko schloß einen derartigen Vertrag mit Kuba, Brasilien, mit Panama und den USA usw.50 Eine neue Tendenz ist die Einfügung eines entsprechenden Artikels (oder entsprechender Artikel) über die .Luftsicherheit" in bilaterale Luftverkehrsabkommen, z. B. in den Abkommen Großbritanniens mit Antigua, Venezuela, Gabun, Dänemark, Ägypten, Zimbabwe, Kamerun, Kenia, China, Neuseeland, Norwegen, Singapur, USA, Schweden und Sri Lanka. 51 Dasselbe gilt für die Abkommen Kanadas mit Indien, St. Lucia, Singapur, Jugoslawien usw. Ein entsprechender Artikel ist auch in dem Luftverkehrsabkommen zwischen der UdSSR und den USA von 1986 enthalten.52 Im Anschluß an diese Praxis, die zweifellos eine positive Bedeutung hat, billigte der ICAO-Rat im Jahre 1985 den Entwurf von .Modellartikeln" zu dieser Frage, die aus äußerst allgemein gehaltenen Normen bestehen und sich auf die Zusammenarbeit der Staaten in technischen und organisatorischen Fragen des Kampfes gegen rechtswidrige Eingriffe in die Zivilluftfahrt beziehen. 53 Die Empfehlungen dieser Art, die in der Anlage 17 zum Chicago-Abkommen und in der Anleitung der ICAO für die Sicherheit enthalten sind, werden weiter vervollkommnet. In diesen Normen kommt die gesammelte, fortschrittliche Erfahrung vieler Länder bei der Anwendung von Sicherheitsmaßnahmen auf Flughäfen und an Bord von Luftfahrzeugen zum Ausdruck. Im Rahmen der ICAO wurde ein Programm zur Fortsetzung der vielschichtigen Arbeiten zur Untersuchung dieser Frage beschlossen. 54 48
49 50 51 52
53
Siehe ICAO Dok. C-WP/8054, Attachment 1, S. 9. Siehe ICAO Dok. C-WP/8100, S. 11. Siehe ICAO Dok. C-WP/8000, Appendix G, S. 50. a.a.O., S. 5. a.a.O. ICAO Dok. C-WP/8054, Attachment 7, S. 20-21.
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In der gegenwärtigen Zeit entwickeln sich also verschiedene neue Formen der internationalen Zusammenarbeit auf dem genannten Gebiet. Dieser Prozeß spiegelt die Beunruhigung der gesamten Weltöffentlichkeit über die nicht aufhörenden Akte rechtswidriger Inbesitznahme, der Entführung von Luftfahrzeugen und Diversionen wider. Im Jahre 1984 wurden 14 Fälle von Flugzeugentführungen und für das erste Halbjahr 1985 bereits 9 Fälle gemeldet. 55 Im zweiten Halbjahr 1985 gab es neue barbarische Aktionen in diesem Bereich, wobei die Motive der Verbrechen im Grunde politischen Charakter tragen und mit der Zuspitzung der politischen Lage in einzelnen Ländern und Regionen unter dem Einfluß des aggressiven Kurses der imperialistischen Helfershelferstaaten zusammenhängen, obwohl sich auch "gewöhnliche Flugzeugentführungen" ereigneten. Führen wir einige Beispiele an. Am 5. April 1984 wurde ein saudi-arabisches Flugzeug vom Typ "Tristar" der Firma .Lockheed" während des Fluges von Dschidda (Saudi Arabien) nach Damaskus (Syrien) nach Istanbul (Türkei) entführt. 56 Die Verbrecher, die am 5. Juli 1984 in Lahore (Pakistan) ein Flugzeug der Luftfahrtgesellschaft "Indian Airlines" während des Fluges von Srinagar nach Delhi entführt hatten, forderten sowohl die Freilassung aller Führer der Sikhs, die während der Operation der indischen Streitkräfte im Goldenen Tempel verhaftet worden waren, als auch der Führer der Allindischen Föderation von Sikh-Studenten und die Zahlung von 250 Millionen indischer Rupien. 57 Am 24. August 1984 wurde ein Flugzeug vom Typ "Boeing 737" der Fluggesellschaft "Indian Airlines", welches nach Jammu flog (mit 86 Passagieren und 7 Besatzungsmitgliedern an Bord) beim Start auf dem Flughafen der Stadt Shandigar von sieben Personen in Besitz genommen. Bei der ersten Landung in der Stadt Lahore (Pakistan) wurde das entführte Luftfahrzeug auf die Forderung der Verbrecher hin betankt, und den .Luftpiraten" wurden von den pakistanischen Behörden Pistolen und Munition ausgehändigt. Nach der zweiten Landung und Betankung in Karachi flog das Flugzeug nach Dubai (Vereinigte Arabische Emirate). Am 26. August kehrten Passagiere und Besatzung in demselben Flugzeug nach Delhi zurück, und bereits nach einer Woche wurden die Verbrecher von Dubai an Indien ausgeliefert. 58 Am 6. November 1984 wurde ein Flugzeug des Typs .Lockheed 1-1011" während eines Inlandsfluges von Dschidda nach Riad (Saudi Arabien) nach Iran entführt. 59 54 55 56 57 58
Siehe ICAO Dok. C-WP/8095, Attachment B SD. 8-12. Siehe ICAO Dok. C-WP/8100, S. 16-24. a.a.O., S. 31. Siehe ICAO Dok. C-WP/8000, Appendix D, S. 23. a.a.O., S. 19.
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Am 27. Februar 1985 wurde ein Flugzeug .Boeing 727" der Fluggesellschaft .Lufthansa", welches auf dem Flug von Frankfurt nach Damaskus war, widerrechtlich in Besitz genommen. Die Verbrecher, die aus BRD ausgewiesen worden waren, nötigten die Besatzung, auf dem Flughafen Schwechat bei Wien (Österreich) zu landen.60 Im Juli 1985 wurde auf dem Beiruter Flughafen ein Flugzeug der amerikanischen Fluggesellschaft .Trans World Airlines" in Besitz genommen. Die USA übten daraufhin massiven Druck auf den Libanon aus, indem sie eine Armada von Kriegsschiffen an den Küsten Libanons zusammenzogen, 61 was zu einer deutlichen Verschärfung der internationalen Lage führte. Im Juni 1985 wurde die ganzeWeltdurch die barbarische Explosion eine-. indischen Flugzeuges beim Anflug auf Irland erschüttert. Die Bombe, die vo1 Terroristen gelegt worden war, führte zum Tod von 329 Menschen. 62 Im September 1985 schossen afghanisehe Duschmanen im Bereich von Kandahar ein Flugzeug der afghaniseben Luftfahrtgesellschaft .Da Bachtar Afganalvatana" mit 47 Passagieren und 5 Besatzungsmitgliedern an Bord ab. Alle Insassen kamen um. 63 Im Oktober 1985 fingen Jagdflugzeuge der Vereinigten Staaten ein ägyptisches Flugzeug im Luftraum über dem Mittelmeer ab und nötigten es zur Landung auf dem Territorium Italiens. Dabei wurden elementare Normen des Völkerrechts mit Füßen getreten und die internationale Rechtsordnung im Luftraum destabilisiert. Das Abfangen des Flugzeugs erfolgte unter dem Vorwand, es befänden sich vier Terroristen an Bord des Flugzeugs, welche zuvor das italienische Passagierschiff .Archille Lauro" in ihre Gewalt gebracht hätten.64 Dieser Zwischenfall wird nicht von speziellen Normen des internationalen Luftrechts erlaßt. Obgleich eine Verletzung der Jurisdiktion Ägyptens über sein Luftfahrzeug und des Rechtsstatus des offenen Luftraums vorliegt, ist es formal schwierig, diese Handlungen zu qualifizieren. Das nutzten die Vereinigten Staaten aus. Die genaueste Qualifikation dieser Handlungen ist staatliche Piraterie. Jedoch hat der Begriff .Piraterie" im Völkerrecht einen äußerst begrenzten Inhalt und unterscheidet sich von der Bedeutung, die ihm in der Gesetzgebung einer Reihe von Ländern beigelegt wird. Nach der nationalen Gesetzgebung einiger Länder, z. B. der USA, gehören zur .Luftpiraterie" alle HandSiehe ICAO Dok. C-WP/8100, S. 39. a.a.O., S. 17. 61 Siehe Pravda vom 3. Juli 1985. 62 a.a.O. 63 Siehe Pravda vom 9. September 1985. 64 Siehe Vokrug ugona samoleta, Pravda vom 21. Oktober 1985; Newsweek vom 21. Oktober 1985, S. 12-18. 59
60
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Iungen, die von den Haager und Montrealer Übereinkommen erlaßt werden, d. h. Handlungen, die von einzelnen Personen an Bord von Luftfahrzeugen oder auf Flughäfen begangen werden. Das Problem der .Luftpiraterie" tauchte erstmals in Verbindung mit dem Angriff der deutschen Luftwaffe auf unbewaffnete Seeschiffe neutraler Länder während des Zweiten Weltkriegs auf. Obgleich im Völkerrecht der Begriff .staatliche Luftpiraterie" nicht bekannt ist, kann man doch einzelne, derartige aggressive Handlungen von Flugzeugen kapitalistischer Länder nicht anders qualifizieren, weil sie einen Anschlag auf die souveräne Jurisdiktion der Staaten darstellen, die Freiheit des Fluges im offenen Luftraum verletzen und eine Gefahr für den Frieden und die internationale Sicherheit schaffen. In diesem Sinne ist der völkerrechtlichen Definition der Piraterie zuzustimmen, die V. S. Verescetin vorschlägt: .Handlungen mit Gewaltanwendung, welche von einem Seeschiff oder Luftfahrzeug gegen andere Schiffe oder Luftfahrzeuge, Personen oder Sachen begangen werden, die sich auf Hoher See oder in einem anderen Gebiet jenseits der Grenzen der Jurisdiktion eines Staates befinden." 65 Man muß also zu den Akten staatlicher Piraterie auch solche rechtswidrigen Handlungen rechnen wie z. B. das Abfangen eines Flugzeugs im Luftraum Libanons durch Flugzeuge der israelischen Luftstreitkräfte im Jahre 1973 und die Nötigung dieses Flugzeugs zur Landung auf dem Gebiet Israels. Eine Qualifikation derartiger Handlungen ist in der nationalen Gesetzgebung nicht enthalten, aber vom Standpunkt des Völkerrechts aus stellen sie offensichtlich eine Völkerrechtsverletzung dar. Es gibt eine allgemeine Regel, daß nötigende Handlungen gegen Seeschiffe und Luftfahrzeuge auf Hoher See (im offenen Luftraum) nach dem modernen Völkerrecht unzulässig sind. Ausnahmen sind der Kampf gegen Piraterie und die .Nacheile" nach Schiffen, die eine Straftat im Küstenmeer desjenigen Staates begangen haben, der die Nacheile durchführt. Das moderne Völkerrecht lehnt das sogenannte Recht der .allgemeinen Polizei" ab, d. h. der Kontrolle (Untersuchung) ausländischer Schiffe oder Luftfahrzeuge auf Hoher See. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts versuchte England, seine überlegene Seemacht nutzend, sich unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Sklavenhandel dieses Recht anzumaßen und später, es in völkerrechtlichen Dokumenten zu kodifizieren. Jedoch waren diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt. Nach dem Zweiten Weltkrieg beanspruchten die USA die Rolle des .Polizisten der Meere", wobei sie dafür insbesondere Militärluftfahrzeuge einsetzten. Im März 1948 überflogen und beobachteten z. B. amerikanische Flugzeuge 28 sowjetische Kriegsschiffe im Gelben und Japanischen Meer. Sie führten 65
V. S. Verescetin, (Fn. 43, Kapitel I) S. 93.
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über diesen Kriegsschiffen Kreise, Überflüge in niedriger Höhe und sogar Sturzflüge auf sie aus. Die Regierung der UdSSR richtete deshalb offizielle Protestnoten an die Regierung der USA. 66 Diese rechtswidrige Praxis dauerte auch in der Folgezeit an, z. B. im Jahre 1954 im Gebiet der fernöstlichen Meere und in den zentralen Regionen des Stillen Ozeans. 67 Praktisch härten derartige, völkerrechtswidrige Umkreisungen von sowjetischen Kriegsschiffen und Luftfahrzeugen durch Flugzeuge der amerikanischen Luftstreitkräfte erst im Jahre 1972 auf, als das oben bereits erwähnte Abkommen zwischen der UdSSR und den USA abgeschlossen wurde. Derartige Handlungen sowie das Abfangen des ägyptischen Linienflugzeugs im Oktober 1985 durch amerikanische Jagdflugzeuge sind faktisch Akte staatlicher Piraterie. Vom formaljuristischen Standpunkt aus ist jedoch das Genfer Abkommen über die Hohe See von 1958 das einzige geltende, internationale Dokument, in dem eine Definition der Piraterie enthalten ist. Das Abkommen definiert die Piraterie als jede rechtswidrige Gewalttat, Freiheitsberaubung oder Plünderung, welche die Besatzung oder die Fahrgäste eines privaten Schiffes oder Luftfahrzeugs zu privaten Zwecken begehen und die gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder gegen Personen und Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs gerichtet ist. Es handelt sich um Handlungen der Besatzung oder der Fahrgäste eines Piratenschiffes oder Piratenflugzugs. Die Handlungen der Flugzeuge der amerikanischen Luftstreitkräfte fallen also nicht unter diese Definition, weil sie nicht .zu privaten Zwecken" und nicht von privaten Luftfahrzeugen, sondern von Staatsluftfahrzeugen durchgeführt werden. Das Abfangen eines Flugzeugs über einem staatlichen Hoheitsgebiet (Libanon) und nicht über der Hohen See erlaubt es (vom formaljuristischen Standpunkt aus) auch nicht, die Handlungen der israelischen Jagdflugzeuge aus dem Jahre 1973 als Akt der Piraterie anzusehen. Es ist notwendig, derartige völkerrechtswidrige Handlungen angemessen juristisch zu qualifizieren. Die Schließung dieser eindeutigen Lücke im Völkerrecht ist äußerst wichtig. Anderenfalls wird diese Praxis, die Spannungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen hervorruft und eine Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit schafft, auch in Zukunft von den kapitalistischen Ländern ohne eine angemessene Qualifizierung im Völkerrecht fortgesetzt werden. Die Probleme, rechtswidrige Akte, die gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt gerichtet sind, zutreffend zu qualifizieren und das Objekt des verbrecherischen Angriffs zu definieren, existieren auch in der nationalen Gesetzgebung. Diese unterscheidet sich in dieser Frage erheblich. In der 66 67
Siehe Pravda vom 5. März 1948. Siehe Pravda vom 5. August 1954.
2. Internationaler Kampf gegen rechtswidrige Handlungen
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Gesetzgebung einiger Staaten wird von .Luftpiraterie" gesprochen, in anderen von .Hijacking", in der Gesetzgebung wieder anderer Staaten von rechtswidriger Inbesitznahme oder von der Entführung eines Luftfahrzeugs, was nicht immer der Definition der Straftat nach den Konventionen von Tokyo, Den Haag und Montreal entspricht. Vom Standpunkt des Völkerrechts aus hat auch ein anderer Aspekt der Qualifizierung von Akten rechtswidriger Eingriffe in den Luftverkehr große Bedeutung: Zu welcher Kategorie von Straftaten soll man sie rechnen; zur strafrechtlichen, völkerrechtlichen, zu den Straftaten internationalen Charakters usw. In der sowjetischen Völkerrechtsdoktrin überwiegt immer mehr, und nach unserer Ansicht zu Recht, die letztgenannte Ansicht.68 Die Qualifizierung derartiger Akte als Straftaten internationalen Charakters hat große Bedeutung für ihre Bekämpfung, weil es auf diese Weise möglich ist, sie von gewöhnlichen Straftaten, Straftaten gegen den Frieden und Straftaten gegen die Menschheit abzugrenzen. Ob man sie zu den gewöhnlichen Straftaten mit einem internationalen Element, zu den internationalen Straftaten oder zu den völkerrechtlichen Straftaten u. a. rechnet, ist nicht nur ein terminologischer Unterschied. Letztendlich könnte dies zu einer Gleichstellung dieser Akte und anderer Straftaten völkerrechtlichen Charakters mit den oben aufgezählten Vergehen führen, was insbesondere den westlichen Staaten einen Vorwand gab, davon abzusehen, die faschistischen Verbrecher des Zweiten Weltkrieges zur Verantwortung zu ziehen. Rechtswidrige Eingriffe in den Luftverkehr berühren verschiedene Aspekte der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit und der internationalen Beziehungen und stellen offenkundig eine internationale Gefahr dar. Deshalb sind sie ihrer Natur nach Auslieferungstaten (d. h. sie begründen eine Auslieferung) und strafbar. Bei den Auslieferungsfragen entspricht die Anwendung des sogenannten Realprinzips, nach dem der Straftäter an den Staat ausgeliefert werden muß, gegen dessen Interessen die Straftat gerichtet war, im weitesten Maße den Belangen eines effektiven Kampfes gegen derartige Handlungen. Dieser Staat ist in der Regel der Registerstaat des Luftfahrzeugs. In der Tat muß bei der grenzüberschreitenden Entführung von Flugzeugen und bei der Durchführung von Diversionsakten gegen Luftfahrzeuge gerade dieser Staat besonders motiviert sein, harte Strafmaßnahmen zu verhängen, was objektiv die Beendigung der Versuche zur Durchführung derartiger Handlungen begünstigen muß. Die Bekräftigung des Prinzips der universellen Jurisdiktion in den Konventionen von Den Haag und Montreal muß man als einen positiven Faktor werten. Jedoch schafft die Tatsache, daß die Frage der Priorität von Ausliefe68
Siehe z. B. L. N. Galenskaja, Mezdunarodnaja bor'ba s prestupnost'ju, Moskva
1973.
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rungsansprüchen ungelöst ist, konkurrierende Jurisdiktionen und läßt Streitfragen über die Gerichtsbarkeit entstehen. Die Festlegung einer solchen Priorität in den genannten Abkommen (auf der Grundlage des Realprinzips) wäre äußerst wünschenswert. Die Sowjetunion schlug folgerichtig eine Ergänzung der Haager und Montrealer Abkommen durch entsprechende Protokolle vor. 69 Für die Fragen der Auslieferung im Zusammenhang mit rechtswidrigen Eingriffen in den Luftverkehr ist es unverzichtbar, dem Institut der Rücklieferung der Straftäter als dem schärfsten Ausdruck des Realprinzips besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Besonderheit der Rücklieferung in denjenigen Staat, wo die Straftat begann, besteht in einer vereinfachten Auslieferungsprozedur. Insoweit hat sie offenkundig gemeinsame Züge mit der Deportation. Dieser Standpunkt fand in den bilateralen Abkommen für den Kampf gegen rechtswidrige Eingriffe in den Flugverkehr Niederschlag, die von der UdSSR mit Iran, Afghanistan und Finnland abgeschlossen wurden. Rechtswidrige Akte, welche die Flugsicherheit bedrohen, könnten im Prinzip auch andere Fluggeräte als Luftfahrzeuge betreffen: Raketen und Weltraumobjekte. Bezüglich letzterer wurde diese Frage bereits in der Völkerrechtswissenschaft aufgeworfen. 70 Da aber bislang derartige Handlungen nicht vorgekommen sind, muß man sagen, daß dieses Problem vorerst rein theoretischen Charakter hat. Rechtswidrige Akte, welche die Flugsicherheit bedrohen, haben einen ernsthaften Einfluß auf die Rechtsordnung des Luftraums. Sie stellen einen Anschlag auf das Leben und die Sicherheit von Menschen dar, desorganisieren die Flüge in konkreten Regionen des Luftraums und schaffen Spannungen in den internationalen Beziehungen. Die Position der Sowjetunion in dieser Frage wurde von A. A. Gromyko klar formuliert: .Die Sowjetunion wendet sich prinzipiell gegen Akte des Terrorismus, welche die diplomatische Tätigkeit der Staaten und ihrer Vertreter, die Verkehrsverbindungen sowie den normalen Gang der internationalen Kontakte und Konferenzen stören. Sie wendet sich gegen Akte der Gewalt, die keinerlei positivem Zweck dienen und den Tod von Menschen herbeiführen."71 Bei den Beratungen über Akte des Terrorismus im internationalen Luftverkehr ist es jedoch notwendig, die politischen Ursachen richtig zu bewerten, welche häufig die Durchführung derartiger Handlungen begünstigen. Angesichts der terroristischen Akte im internationalen Luftverkehr im Jahre 69 Siehe International Conference on Air Law, 1973, Rome, ICAO Dok. 9225LC/178 S. 345-348. 70 Siehe P. Magno, C. Verdacchi, Air and Space Hijacking, Rome 1973. 71 A. A. Gromyko, Bo imja toriestva leninskoj vnesnej politiki, Izbrannye recii stat'i, Moskva 1978, S. 259 f.
2. Internationaler Kampf gegen rechtswidrige Handlungen
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1985 nahm die Generalversammlung der VN auf ihrer 40. Sitzung im Dezember 1985 die Resolution 40/61 an, welche die charakteristische Bezeichnung trägt: .Maßnahmen zur Verhütung des internationalen Terrorismus, der das Leben unschuldiger Menschen bedroht, zu ihrem Tode führt oder die Grundfreiheiten gefährdet, sowie zum Studium der Grundursachen dieser Formen des Terrorismus und der Gewaltakte, die dem Elend, der Ausweglosigkeit, der Armut und Verzweiflung entspringen und die einige Menschen veranlassen, menschliches Leben zu opfern, einschließlich des eigenen, um radikale Veränderungen herbeizuführen." In der Präambel der Resolution wird die Aufmerksamkeit auf die Verpflichtungen der Staaten nach dem Tokyo-Abkommen von 1963, dem Haager Abkommen von 1970 und dem Montreal-Abkommen von 1971, dem Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten von 1973 und dem Internationalen Übereinkommen gegen Geiselnahme von 1979 gelenkt. Die Resolution ruft die Staaten auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die von der ICAO zur Verhütung von Akten des Terrorismus gegen zivile Luftfahrzeuge empfohlen worden sind, und den geltenden Übereinkommen auf diesem Gebiet beizutreten. Gleichzeitig bekräftigt die Generalversammlung das .unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit aller Völker, die sich unter dem Joch kolonialistischer und rassistischer Regime und anderer Formen ausländischer Herrschaft befinden, stellt sich hinter die Rechtmäßigkeit ihres Kampfes, insbesondere des Kampfes der nationalen Befreiungsbewegungen in Übereinstimmung mit den Zielen und Prinzipien der Charta (Charta der Vereinten Nationen- Ju. M.) und der Deklaration über die Grundsätze des Völkerrechts für freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten gemäß der Charta der Vereinten Nationen." Die Generalversammlung erörterte vorbehaltlos alle Akte des Terrorismus und rief in der genannten Deklaration .dringend alle Staaten auf, einseitig und in Zusammenarbeit mit anderen Staaten sowie mit den zuständigen Organen der Vereinten Nationen die schrittweise Beseitigung der Ursachen zu unterstützen, die dem internationalen Terrorismus zugrunde liegen, und besondere Aufmerksamkeit allen Situationen zu widmen, die den internationalen Terrorismus hervorrufen sowie den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen können, einschließlich u. a. des Kolonialismus und des Rassismus sowie der Situationen, die mit massenweisen und schweren Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten verbunden sind." Wie in einer TASS-Erklärung im Zusammenhang mit den umfangreichen Vorbereitungen der USA und Iraels für die Ausübung militärischen Drucks auf Lybien im Jahre 1986 betont wurde, .ist unstreitig, daß der Terrorismus
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als solcher jede nur mögliche Verurteilung verdient. Es ist notwendig, die Anstrengungen der gesamten internationalen Gemeinschaft zu vereinen, um ein für alle Mal den terroristischen Handlungen ein Ende zu bereiten, die den sinnlosen Tod von Menschen verursachen und den normalen Gang der internationalen Kontakte stören. Aber die eigentliche Verantwortung für die Entfesselung des Terrorismus in der Welt tragen nicht die arabischen Staaten, die einen unabhängigen Kurs verfolgen, sondern diejenigen, die den Terrorismus in den Rang ihrer staatlichen Politik erheben, die gesetzmäßige Rechte und Interessen souveräner Staaten und Völker mit Füßen treten, die Ideologie des Rassenhasses und Völkerhasses fördern, für ein Anwachsen der Spannungen in der Welt und eine weitere Eskalation des Wettrüstens eintreten und einer Atmosphäre der Kriegspsychose Vorschub leisten. "72 Im politischen Bericht des ZK der KPdSU an den 27. Parteitag wurde ausgeführt: .Krisen und Konflikte sind ein fruchtbarer Boden für den internationalen Terrorismus. Unerklärte Kriege, der Export von Konterrevolution in allen Formen, politische Morde, Geiselnahme, Flugzeugentführungen, Bombenexplosionen auf den Straßen, in Flughäfen und Bahnhöfen - das ist das abscheuliche Gesicht des Terrorismus, was seine Inspiratoren mit unterschiedlichen, zynischen Lügen zu verstecken suchen. Die UdSSR lehnt den Terrorismus aus Prinzip ab und ist bereit, aktiv mit andern Staaten zusammenzuarbeiten, um ihn auszurotten." 73
3. Verfolgung im Wege der "Nacheile" im offenen Luftraum Im Seevölkerrecht gibt es seit langem die Gewohnheit, nach der ein Küstenstaat ein ausländisches, im Privateigentum stehendes Seeschiff verfolgen kann, das eine Rechtsverletzung in seinen Eigengewässern, im Küstenmeer oder in der Anschlußzone begangen hat. Das ist das sogeannte Recht auf .Nacheile" (hot pursuit). Viele westliche Autoren nehmen an, daß diese Gewohnheit ein Akt der Ausübung (oder Ausdehnung) der Jurisdiktion des Küstenstaates ist. 74 Präziser ist nach unserer Auffassung die Meinung V. S. Verescetins, daß dieses Recht eine zusätzliche Garantie der souveränen Rechte der Staaten innerhalb ihrer Festlands- und Gewässerterritorien ist. 75 Erstmals anerkannt auf Siehe Pravda vom 10. Januar 1986. Materialy XXVII s'ezda Kommunisticeskoj partii Sovetskogo Sojuza, S. 70. 74 Siehe z. B. Ch. Ch.Hyde, Me:idunarodnoe pravo, ego ponimanie i priminenie Soedinennymi Statami Ameriki, Bd. 3, Moskva 1951, S. 94; A. P. Higgins, C. J. Colombos, Me:idunarodnoe morskoe pravo, Moskva 1953, S. 116. 75 Siehe V. S. Verescetin, (Fn. 43, Kapitel I) S. 101. 12
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3. Verfolgung im Wege der .Nacheile" im offenen Luftraum
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der Haager Konferenz von 1930 (Art. 11 des Reglements, das von dem zweiten Ausschuß der Konferenz verabschiedet wurde), wurde es später in den Entwurf eines Artikels aufgenommen, der von der Völkerrechtskommission im Jahre 1956 gebilligt wurde/ 6 der wiederum mit unbedeutenden Änderungen zum Art. 23 des Abkommens über die Hohe See von 1958 wurde. Die Nacheile muß gemäß Art. 23 Abs. 1 dieses Abkommens begonnen werden, solange sich das fremde Schiff oder eines seiner Boote (im letzteren Fall ist es üblich, von der sogenannten .,fiktiven Anwesenheit" zu sprechen) innerhalb der Eigengewässer oder des Küstenmeeres oder der Anschlußzone des nacheilenden Staates befindet. Dabei kann sich das verfolgende Schiff oder Luftfahrzeug sowohl in den genannten Gewässern als auch auf Hoher See befinden. Der letzte Satz des Art. 23 Abs. 1 des Abkommens bestimmt: Befindet sich das fremde Schiff innerhalb der Anschlußzone, so darf die Nacheile nur wegen einer Verletzung der Rechte vorgenommen werden, zu deren Schutz die Zone errichtet wurde, d. h. der Zoll-, Steuer-, Gesundheits- usw. Vorschriften. Einige ausländische Experten behaupten jedoch, daß die Nacheile in jedem Falle nur dann in der Anschlußzone begonnen werden darf, wenn das auslaufende Schiff die Rechtsverletzung in den Eigengewässern oder im Küstenmeer begangen hat. J. Brownlie ist zu Recht der Meinung, daß eine solche Auslegung dem Inhalt des Art. 23 widerspricht. 77 In Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 4 darf das Recht der Nacheile nur von Kriegsschiffen oder Militärluftfahrzeugen oder von anderen im Staatsdienst stehenden und hierzu besonders befugten (Zoll-, Polizei- usw.) Schiffen oder Luftfahrzeugen ausgeübt werden. Es ist nicht erforderlich, daß das verfolgte Schiff von dem Schiff aufgebracht wird, welches die Nacheile begonnen hat. 78 Auf der Grundlage des Genfer Abkommens über die Hohe See können Luftfahrzeuge Schiffe und Luftfahrzeuge auf Hoher See nur dann im Wege der Nacheile verfolgen, wenn die zuständigen Behörden des Küstenstaates guten Grund zu der Annahme haben, daß das Schiff oder das Luftfahrzeug die Gesetze oder sonstigen Vorschriften dieses Staates verletzt hat. Die Nacheile muß innerhalb der Eigengewässer, im Küstenmeer oder in der Anschlußzone des verfolgenden Staates beginnen und darf erst begonnen werden, nachdem dem Schiff, das den Rechtsverstoß begangen hat, ein Signal mit der Aufforderung gegeben wurde, anzuhalten. Ein Luftfahrzeug, das ein Schiff zum Anhalten auffordert, aber das Schiff nicht selbst aufbringen kann, muß dieses solange selbst verfolgen, bis ein Schiff oder Luftfahr76 77 78
Siehe Yearbook of the International Law Commission, Vol. II (1956), S. 284 f. Siehe I. Brownlie, (Fn. 25, Kapitel II) S. 365.
a.a.O., S. 366.
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zeugdes Küstenstaates an Ort und Stelle eintritt, um die Nacheile fortzusetzen. Das VN-Seerechtsübereinkommen von 1982 (Art. 111 Abs. 2) erweiterte das Recht der Verfolgung im Wege der "Nacheile" durch ihre Anwendung auf Verletzungen in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder auf dem Festlandsockel einschließlich der Sicherheitszonen, die um Installationen und Vorrichtungen eingerichtet wurden. Dabei kann das gegen die Rechtsvorschriften verstoßende Schiff von Kriegsschiffen, Militärluftfahrzeugen oder von anderen befugten Schiffen oder Luftfahrzeugen aufgebracht und zum Zwecke der Durchführung einer Untersuchung durch die zuständigen Behörden in einen Hafen des Staates geleitet werden, dem die Vorrichtungen gehören. Weil in den genannten Zonen souveräne Rechte und (in bestimmten Fragen) ausschließliche Jurisdiktion des Küstenstaates gelten, ist diese Regelung zweifellos gerechtfertigt. Obwohl das Übereinkommen von 1982 noch nicht in Kraft getreten ist, ist die entstandene, gewohnheitsrechtliche Praxis in dieser Frage rechtmäßig, die sich auf die Bestimmungen der nationalen Gesetzgebung gründet. Auf den informellen Sitzungen des zweiten Hauptausschusses der 3. VN-Seerechtskonferenz schlugen die Vertreter einer Reihe von Staaten, einschließlich der UdSSR, wiederholt vor, das Recht der Nacheile auf die Verletzung der Sicherheitszonen um Anlagen und Installationen nur in den Fällen zu erstrecken, in denen durch derartige Verletzungen ein gewisser Schaden an den entsprechenden Installationen oder Vorrichtungen entstanden ist. .Unvorsichtige oder zufällige Verletzungen der Sicherheitszonen", stellt P. D. Barabolja fest, .können wohl kaum die juristische Grundlage für den Beginn der Nacheile von Schiffen bilden. Leider wurden diese Vorschläge bei der Vorbereitung des Konventionsentwurfs nicht berücksichtigt. "79 Formal endet die Nacheile, wenn das verfolgte Schiff in das Küstenmeer seines Landes oder das Küstenmeer irgendeines dritten Staates einläuft. (Diese Rechtslage kommt in Art. 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Staatsgrenze der UdSSR von 1982 zum Ausdruck.) Man kann sich jedoch vorstellen, daß bei Vorhandensein eines entsprechenden Abkommens mit einem Staat, in dessen Küstenmeer das Schiff einläuft, die Nacheile fortgesetzt werden kann. Die genannte Rechtslage entscheidet die gegebene Frage ein wenig einseitig. Ist doch der Gedanke der Beendigung der Nacheile in diesem Falle damit verbunden, daß der RechtsverletzeT vom Augenblick des Einlaufens in das Küstenmeer seines eigenen oder eines dritten Staates unter dessen Jurisdiktion fällt. Aber in der Praxis kann es Fälle geben, daß der 79 P. D. Barabolja, Pravovoj status iskusstvennych ostrovov, ustanovok, sooruzenij i sistem sbora okeanskich dannych (SSOD), in: De jatel'nost gosudarstv v Mirovom okeane, S. 51 f.
3. Verfolgung im Wege der .Nacheile" im offenen Luftraum
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Rechtsverletzer sich auf jede Art und Weise bemüht, die Jurisdiktion eines dritten Staates zu vermeiden und für kurze Zeit in sein eigenes Küstenmeer ausschließlich zu dem Zweck einläuft, die Nacheile zu beenden. Falls später der Rechtsverletzer von neuem in die Hohe See ausläuft, dürfen dann die verfolgenden Schiffe oder Luftfahrzeuge die Nacheile fortsetzen? Nach unserer Ansicht müssen sie dieses Recht haben. In dieser Hinsicht sind eher die Normen gerechtfertigt, die in der Verordnung zum Schutze der Staatsgrenze der UdSSR vom 15. Juni 1927 (Art. 27) enthalten sind, in der es heißt, daß die Nacheile bei der Einfahrt des verfolgten Schiffs in die Gewässer eines ausländischen Staates unterbrochen und im Falle des Einlaufens in einen ausländischen Hafen endgültig beendet werden muß. Analoge Normen waren in der Gesetzgebung Jugoslawiens, der Türkei, Ägyptens, Belgiens und anderer Länder enthalten. 80 Vom Standpunkt der Garantie der souveränen Rechte der Staaten und der Verantwortlichkeit der Störer dieser Rechte aus ist es schwer zu rechtfertigen, daß es hier eine .Hintertür" im modernen Völkerrecht gibt. Nach dem Abkommen über die Hohe See von 1958 und nach dem VNSeerechtsübereinkommen von 1982 genügt es für das Aufbringen eines Schiffes auf Hoher See durch ein Luftfahrzeug nicht, daß dieses von einem Luftfahrzeug bei einem Verstoß gegen Gesetze gesichtet wurde, sondern es muß auch von dem Luftfahrzeug selbst oder anderen Luftfahrzeugen oder Schiffen, welche die Nacheile ohne Unterbrechung fortsetzen, zum Anhalten aufgefordert worden sein. In der Völkerrechtsdoktrin bleibt die Frage nach dem Recht der Nacheile nach Luftfahrzeugen (,die eine Rechtsverletzung über der Hohen See begangen haben,) streitig. S. V. Molodcov untersucht nicht ohne Grund das Recht der Nacheile auf Hoher See nur mit Bezug auf Seeschiffe. 81 Und obwohl deshalb der offene Luftraum als eine Art Zufluchtstätte für Luftfahrzeuge dient, welche die staatliche Souveränität verletzen, kann man sich dennoch vorstellen, daß es keinen Grund gibt, die Frage der .Nacheile" nach rechtsverletzenden Luftfahrzeugen im offenen Luftraum aufzuwerfen, 82 insbesondere wenn eine begangene Rechtsverletzung die Unabhängigkeit und die Sicherheit eines Staates bedroht. Zu sehr befinden sich Schiffe und Luftfahrzeuge in einer unterschiedlichen Situation. Während erstere angehalten und aufgebracht werden können, werden bezüglich der letzteren alle Zwangsmaßnahmen durch die Gefahr begrenzt, das Luftfahrzeug und seine Passagiere zu vernichten. Das Recht der .Nacheile" hat niemals diesen Zweck 80 United Nations Legislative Series, Laws and Regulations on the Regime of the High Seas, vol. 1, New York 1951, S. 134, 98, 70, 52 etc. 81 S. V. Molodcov (Fn. 35, Kapitel II), S. 151-158. 82 Siehe M. N. Kopylov, (Fn. 46, Kapitel II) S. 22.
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umfaßt und wird dies niemals tun. Eine Ausnahme kann es nur im Falle der Aggression oder eines bewaffneten Überfalls auf einen Staat geben. Aber hier finden offenkundig die Bestimmungen des Art. 2 Abs. 4 und des Art. 51 der Satzung der VN und nicht das Recht der "Nacheile" Anwendung. Vom Recht der Nacheile unterscheidet sich das Recht zum Aufbringen und zur Durchsuchung auf Hoher See von Schiffen, die Sklavenhandel betreiben oder unerlaubte Radiosendungen ausstrahlen. Unerlaubte ("Piraten-")Radiosendungen verursachen z. B. ernsthafte Störungen für die Seeund Luftnavigation. Unabhängig davon, ob sie von Schiffen oder Luftfahrzeugen ausgestrahlt werden, haben die unerlaubten Radiosendungen unmittelbaren Einfluß auf verschiedene Tätigkeiten sowohl im offenen Luftraum als auch auf der Oberfläche des Weltmeeres, weil die moderne Navigation mit seltenen Ausnahmen ohne Funkverbindungen undenkbar ist. In Weiterentwicklung des Art. 22 des Abkommens über die Hohe See ergänzt Art. 110 des VN-Seerechtsübereinkommens von 1982 daher die Aufzählung der Handlungen, die dazu berechtigen, Schiffe auf Hoher See zu untersuchen, die unerlaubte Radiosendungen ausstrahlen. Art. 110 Abs. 4 gibt dieses Recht auch Luftfahrzeugen. Amphibische Flugzeuge sind bei entsprechenden Wetterbedingungen immer in der Lage, sich an einer solchen Untersuchung zu beteiligen, in einer Reihe von Fällen können auch gewöhnliche Hubschrauber an Deck von Seeschiffen landen, die eine Rechtsverletzung begangen haben. Die Teilnahme anderer Luftfahrzeuge am Kampf gegen unerlaubte Radiosendungen ist jedoch problematisch.
4. Völkerrechtliche Folgen unerlaubten Einflugs in den souveränen Luftraum Aus dem Prinzip der vollen und ausschließlichen Souveränität der Staaten innerhalb ihres Territoriums folgt, daß alle Flugapparate verpflichtet sind, die einschlägigen Gesetze und Regeln genau zu beachten, welche die Flüge im souveränen Luftraum eines Staates regeln. Jedoch werden diese Gesetze und Regeln praktisch ständig verletzt. Einige dieser Rechtsverletzungen werden zufällig, durch nichtvorhersehbare Umstände hervorgerufen (Fehler beim Anzeigen der Geräte, ungünstige Wetterbedingungen, Notfälle usw.). Andere sind die Folge absichtlicher Handlungen der Luftfahrzeugbesatzungen aus persönlichen Motiven oder auf Weisung offizieller staatlicher oder anderer Vertreter ausländischer Staaten (in der Regel des Registerstaates des Luftfahrzeugs). Im ersten Fall kann man auftretende Rechtsfragen ziemlich schnell lösen. Sie werfen keine grundsätzlichen Probleme in den zwischenstaatlichen Beziehungen auf (falls nachweisbar ist, daß die Rechtsverletzung unabsichtlich geschah). Die aufgezeigten Probleme stehen fast
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ausschließlich mit Verletzungen der zweiten Art im Zusammenhang. Dabei können sich Fragen unter zwei Aspekten stellen: sowohl hinsichtlich der administrativen oder strafrechtlichen Verantwortlichkeit natürlicher Personen, z. B. im Fall der .gewöhnlichen" Verletzung der Flugregeln, als auch (in einzelnen Fällen) der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten. In der Nachkriegszeit wuchs der Einsatz von Luftfahrzeugen zu verbrecherischen Zwecken beträchtlich an. Die Verletzung der Interessen von Staaten und Bürgern, festgelegter Flugregeln und Überflugrechten geschieht nicht selten bei der Entführung von Flugzeugen, dem Handel mit Rauschgift, der unrechtmäßigen Entführung einzelner Personen ins Ausland usw. Derartige Handlungen haben auch strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Konsequenzen. In großem Maßstab werden Militärluftfahrzeuge und Zivilluftfahrzeuge durch westliche Nachrichtendienste in Verletzung der Souveränität anderer Staaten zu Spionagezwecken eingesetzt. Es ist allgemein bekannt, daß die USA schon in den ersten Nachkriegsjahren die Rolle des Initiators und Anstifters derartiger, ungesetzlicher Handlungen auf sich nahmen. Derartige Rechtsverletzungen begehen auch die Luftfahrzeuge anderer kapitalistischer Länder. So wurde z. B. nach Aussage des ehemaligen Chefs der französischen Gegenspionage, Leo Roi-Finvil/a, bei Flügen der Luftfahrtgesellschaft .Air France" im Luftraum der UdSSR wiederholt sowjetisches Territorium fotografiert, um die Startrampen von Raketen zu entdecken. Es wurden Luftproben für die Bestimmung der Radioaktivität genommen usw. Zu diesen Zwecken wichen die genannten Flugzeuge absichtlich von den Flugkorridoren ab. 83 Allgemein bekannt sind die Spionageflüge der Flugzeuge der USA über dem Territorium Kubas, der Flugzeuge Südafrikas über den Territorien einer Reihe benachbarter afrikanischer Staaten usw. Alle Luftfahrzeuge, die derartige Handlungen begehen, sind Rechtsbrecher. Luftfahrzeuge können als solche nicht irgendeine Norm verletzen, weil das Recht nur die gegenseitigen Beziehungen seiner Subjekte bezüglich des Gegenstandes der rechtlichen Regelung normiert. Die Rechtsverletzung wird von Rechtssubjekten begangen: Staaten, juristischen und natürlichen Personen (Besatzungen der Luftfahrzeuge). Dies voraussetzend gebrauchten sowohl das Völkerrecht als auch das nationale Recht dennoch- beginnend mit der Pariser Konvention von 1919- Formeln wie u.a .•das Luftfahrzeug muß", .das Luftfahrzeug beachtet" in Gesetzgebung und Wissenschaft. Nach dem Chicago-Abkommen .hat" das Luftfahrzeug .das Recht" auf einen nicht planmäßigen Flug (Art. 5), ihm können die Staaten die Erlaubnis zur Kabotage .verweigern" (Art. 7), es .ist verpflichtet", wenn es unbemannt geflogen 83
Siehe A. Krivolapov, Riskuja sotnjami ziznej, Izvestija vom 8. September 1985.
14 Maleev
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werden kann, nicht ohne Erlaubnis zu fliegen (Art. 8), von ihm kann gefordert werden, daß es bei Einflug in ein Sperrgebiet unverzüglich landet (Art. 9), es hat eine Staatszugehörigkeit und ein Kennzeichen (Art. 20) usw. In Wirklichkeit kann das Luftfahrzeug selbst keinerlei Rechte oder Pflichten haben und folglich kann es auch nicht gegen irgendwelche Regeln verstoßen. Jedoch schafft seine rechtliche Personifizierung (ebenso wie bei einem Seeschiff) gewisse Vorzüge bei der Feststellung einer gewissen Diskrepanz zwischen dem faktischen •Verhalten" eines Objekts und dem in einer Rechtsnorm festgelegten obligatorischen VerhaltensmodelL Von da her muß man normative Begriffe wie .rechtsverletzendes Luftfahrzeug" in ihrer relativen Bedeutung verstehen, wobei beachtet werden muß, daß der wirkliche RechtsverletzeT stets eine juristische oder natürliche Person ist, ein Staat oder eine internationale Organisation, mit anderen Worten ein Rechtssubjekt. Bei der unmittelbaren Feststellung einer Verletzung der festgelegten Flugordnung und der Flugregeln verbinden die entsprechenden, zuständigen Organe dies nur mit dem Luftfahrzeug als solchem. In diesem Sinne muß auch die Definition eines rechtsverletzenden Luftfahrzeugs verstanden werden, die z. B. im Luftrechtsgesetzbuch der UdSSR von 1983 gegeben wird: ein Luftfahrzeug, das die Staatsgrenze der UdSSR ohne entsprechende Erlaubnis der sowjetischen, zuständigen Organe überflogen hat oder das andere Verletzungen der Regeln eines Fluges über die Staatsgrenze der UdSSR oder der Vorschriften für die Nutzung des Luftraums der UdSSR begangen hat (Art. 53). Das rechtsverletzende Luftfahrzeug wird nach den Bestimmungen des Luftrechtsgesetzbuchs zur Landung gezwungen, falls es nicht den Anweisungen der Kontrollorgane Folge leistet. Der Zwang wird deshalb gegen eine Sache gerichtet, weil nur durch ein unmittelbares Einwirken auf sie die Rechtsverletzung abgestellt und der eigentliche Rechtsbrecher festgenommen werden kann. In diesem Sinne wird auch die Verpflichtung des rechtsverletzenden Luftfahrzeugs, an dem ihm durch Landeerlaubnis zugewiesenen Ort zu landen, verstanden. Auf den gegenständlichen RechtsverletzeT (das Luftfahrzeug) werden alle Normen angewandt, deren Realisierung und Wirkung durch die Tatsache der Rechtsverletzung selbst bedingt sind. Unabhängig davon, ob die Abweichung von den festgelegten Flugregeln Folge von Wetterbedingungen, eines Flugfehlers des Piloten, einer Entführung des Flugzeugs, eines absichtlichen Einflugs für Spionage- oder andere Zwecke ist, beweist dies in allen Fällen eine Rechtsverletzung, die in der nationalen Gesetzgebung als Verletzung der internationalen Flugregeln definiert wird, und zwar unabhängig davon, welche begleitenden Rechtsverletzungen (z. B. Entführung des Flugzeugs) dabei stattfanden. Die Verletzung der Regeln des Überflugs über Staatsgrenzen und der Nutzungsordnung des staatlichen Luftraums durch ein Luftfahr-
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zeugträgt also objektiven Charakter. Die Weigerung des Luftfahrzeugs, sich den Weisungen der zuständigen Organe des verletzten Staates zu unterwerfen, d. h. die durch die Rechtsverletzung hervorgerufenen negativen Folgen zu beseitigen, stellt eine erneute Verletzung (Rechtsverletzung) dar, die Grundlage für Sanktionen ist. Zu den Verletzungen muß man auch die äußerst seltenen Fälle zählen, bei denen sich der Einflug in ein Land und der Ausflug über seine Grenzen bei völligem Fehlen einer Kontrolle von Seiten der zuständigen Organe des betroffenen Staates abspielt. Derartige Handlungen können auch erst nach ihrer Begehung bekannt werden. Dies ändert jedoch prinzipiell ihre Qualifizierung nicht, welche ausschließlich von äußeren Merkmalen abhängig ist, die das Verhalten des Luftfahrzeugs auf gegebene Weisungen oder auch mangels derartiger Weisungen (wenn der betreffende Staat in dem konkreten Luftraum nicht über die notwendigen technischen Mittel verfügt) charakterisieren. Eine andere Sache ist die Feststellung des subjektiven Elements einer Rechtsverletzung. Wegen der Besonderheiten des Fluges ist es erst nach der Landung des rechtsverletzenden Flugzeugs möglich, ein Verfahren einzuleiten. Rechtsverstöße führen zum Arrest des Luftfahrzeugs, der Besatzung, der Passagiere und Ladung. In einem solchen Fall müssen Fragen der Fortsetzung des Fluges, der Rückgabe von Luftfahrzeug und Ladung an den rechtmäßigen Besitzer, der Verantwortlichkeit des Eigentümers (Staates) des Luftfahrzeugs und der Besatzung gelöst werden. Der betroffene Staat hat das Recht, seine Souveränität im Rahmen des vom Völkerrecht Erlaubten zu verteidigen. Die Reaktion auf die Rechtsverletzung muß verhältnismäßig sein, proportional dem begangenen Verstoß und differenziert im Hinblick auf die Subjekte, die einer Rechtsverletzung schuldig sind (in der Regel die Besatzung des Luftfahrzeugs oder der Flugzeugführer), sowie die Personen an Bord (Passagiere), die ohne ihren Willen in die Rechtsverletzung hineingezogen wurden. Ein Luftfahrzeug ist im Flug im Vergleich zu anderen Transportmitteln besonders verletzlich. Im Interesse der Erhaltung des Lebens der Personen an Bord kann es erforderlich sein, ohne langes Überlegen die einzige Möglichkeit einer Rettung zu ergreifen und zu landen. Deshalb bildete sich im Völkerrecht ein gewohnheitsrechtliches Prinzip heraus, daß ein Luftfahrzeug im Notfall auf ausländischem Territorium landen darf. Einzelne Staaten, wie z. B. Schweden, haben dieses Prinzip in ihrer Gesetzgebung verankert. 84 Wie oben gesagt wurde, gibt es auch zufällige Abweichungen von der Flugroute, die durch Navigationsfehler oder Wetterbedingungen verursacht 84 Siehe Sbornik regional'nych soglasenij i zakonodatel'nych aktov zarubeznych gosudarstv, Bd. 1, Moskva 1968, S. 391-396.
14'
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worden sind. Nicht selten gelangen Luftfahrzeuge infolge einer Entführung durch Nötigung verbrecherischer Elemente auf ausländisches Territorium. In jedem Falle muß das Luftfahrzeug, das sich auf ausländischem Territorium befindet, mit den Organen der Luftüberwachung oder den Abfangjägern in Verbindung treten, auf gegebene Befehle reagieren und sie genau befolgen. Bei unbeabsichtigten Verletzungen ist das Luftfahrzeug selbst an einem .äußeren Kontakt" sehr interessiert, sucht ihn aktiv und ist bereit, jegliche ihm erteilte Weisung auszuführen. Man kann viele Beispiele anführen, daß den Flugzeugen, die sich zufällig auf ausländischem Territorium befanden, das Recht auf schnellstmögliche Rückkehr in das Land gewährt wurde, aus dem sie kamen, oder daß ihnen die Fortsetzung des Fluges ermöglicht wurde, wenn sie die Befehle befolgten. Und umgekehrt, nur das Luftfahrzeug, dessen Besatzung Spionageaufträge ausführt oder andere rechtswidrige Handlungen begeht, ist an einer Vermeidung des genannten Kontaktes interessiert. Die vom Völkerrecht geschützten Rechte und Interessen der Staaten können durch Zwangsmaßnahmen garantiert werden. In diesem Sinne fallen rechtmäßige Zwangsmaßnahmen unter den Begriff der zulässigen Anwendung von Gewalt im Völkerrecht, im Unterschied zu gewaltsamen Willkürakten als unrechtmäßige Anwendung von Gewalt. Die Kriterien festzulegen, die eine Gewaltanwendung im Sinne der allgemeinen Rechtsauffassung rechtmäßig sein lassen, ist in konkreten Situationen ziemlich schwierig. Das Kriterium der Rechtmäßigkeit der Gewaltanwendung (einschließlich bewaffeneter Gewalt) außerhalb des Rahmens des Art. 2 Abs. 4 und des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen erfordert in erster Linie eine Untersuchung. Die Anwendung von Gewalt durch Staaten gegen militärische oder zivile Luftfahrzeuge bei unerlaubtem Einflug in ihr Territorium fällt nur dann unter den Begriff der Selbstverteidigung im Sinne des Art. 51 der VN-Satzung, wenn diese Luftfahrzeuge einen Akt der Aggression oder eines bewaffneten Überfalls begehen. Wie der Delegierte Ghanas auf der 25. Sitzung der ICAO-Versammlung im Jahre 1984 betonte, ist jedoch .ein bewaffnetes Zivilluftfahrzeug, das zum Angriff bereit ist, schon kein ziviles Luftfahrzeug mehr. Es wird zu einem Militärluftfahrzeug, auf das sich die Bestimmungen des Chicago-Abkommens über zivile Luftfahrzeuge nicht erstrecken ... Folglich darf keine Ergänzung zum ChicagoAbkommen, die sich auf zivile Luftfahrzeuge bezieht, eine Verweisung auf Art. 51 der VN-Satzung enthalten."85 Außerdem ist es sehr oft praktisch unmöglich, zuverlässig zu bestimmen, welche .Gewalt" - militärische oder nichtmilitärische-der Störer anwendet. Auf dem Festland und im Wasser ist diese Aufgabe wesentlich einfacher. In der Luft, bei der Anfechtbarkeit des Kriteriums der äußeren Kennzeichen des Luftfahrzeuges, ist es stets 85
ICAO Dok. 9438 A 25-EX, S. 78.
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statthaft, von der Annahme auszugehen, daß der gegebene Befehle nicht befolgende Rechtsverletzer militärische Gewalt anwendet. In solchen Situationen ergriffene bewaffnete Maßnahmen entsprechen nach unserer Meinung der Konzeption von Selbstverteidigungsmaßnahmen. Ihr Wesen läuft darauf hinaus, daß derartige Maßnahmen durch den Staat zum Schutz seiner Souveränität ergriffen werden. Der westdeutsche Jurist J. Bentzien führt aus: .Ein Staat, der die Verletzung seiner Lufthoheit ohne Widerspruch hinnimmt, wird immer wieder mit ähnlichen Luftraumverletzungen rechnen müssen und schließlich nicht nur sein Gesicht, sondern insoweit auch seine Unabhängigkeit einbüßen." 86 Unter den Zwangsmaßnahmen, die der verletzte Staat gegen rechtsverletzende Luftfahrzeuge anwenden kann, unterscheidet J. Bentzien folgende: Zwang zur Kursänderung, Landezwang und die Anwendung von Gewalt (Abschuß). Nach einer Analyse dieser Maßnahmen gelangt J. Bentzien zu folgender Schlußfolgerung: .Schließlich ist der verletzte Staat grundsätzlich berechtigt, im Fall der Weigerung, insbesondere wenn den Befehlen des Bodenstaates zu landen nicht gefolgt wird, notfalls das Feuer auf das unerlaubt eingeflogene Militärluftfahrzeug zu eröffnen und es zu zerstören, d. h. es abzuschießen. Das Militärluftfahrzeug geht durch die Nichtbefolgung der Befehle des fremden Staates das Risiko seiner Zerstörung durch den Abschuß ein." 87 Obgleich die angeführten Überlegungen Militärluftfahrzeuge betreffen, unterstreicht dieser Autor, daß es unmöglich ist, im Flug zwischen zivilen und militärischen Flugzeugen zu unterscheiden. In Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 der VN-Satzung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich in ihren internationalen Beziehungen der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unantastbarkeit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates oder auf eine andere Art und Weise, die mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist, zu enthalten. Was die Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheil oder die politische Unabhängigkeit angeht, so sind alle Wissenschaftler einhellig der Meinung, daß es sich hier um einen bewaffneten Überfall oder eine Aggression im Sinne des Art. 51 der VN-Satzung handelt. Falls man das Verhalten von rechtsverletzenden Luftfahrzeugen (einschließlich ziviler Luftfahrzeuge) qualifiziert, so unterliegt die Rechtmäßigkeit der Anwendung von Gewalt gegen sie als Selbstverteidigung nach Art. 51 der VN-Satzung keinerlei Zweifel. Die allgemeine Einstellung gegenüber einer Qualifizierung der Einsätze von Militärluftfahrzeugen im ausländischen Luftraum zu Spionagezwecken (sowohl einzelner Flüge als auch einer systematischen Serie) stabilisierte 86
87
J. F. Benlzien, (Fn. 18, Kapitel II) S. 81. a.a.O., S. 82.
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sich etwas mit der Verabschiedung der Resolution 3314 (XXXIX) am 14. Dezember 1974 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen. In dieser Resolution wird eine Definition des Begriffs Aggression gegeben. Art. 1 der Resolution definiert die Aggression als Anwendung bewaffneter Gewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, territoriale Unversehrtheil oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates. Nach einer sehr weit verbreiteten Auslegung schließt diese Definition .,gewöhnlicheN Zwischenfälle in grenznahen Bereichen und gemeinrechtliche Rechtsverletzungen aus. Derartige Rechtsverletzungen muß man im Kontext des Schlußteils des Art. 2 Abs. 4 der VN-Satzung (.oder sonst") als gemeinrechtliche Verstöße betrachten, die nichts mit dem Einsatz militärischer Gewalt zu tun haben. Nach Meinung von J. Bentzien und anderer Autoren regelt dieser Artikel keine Grenzzwischenfälle (gemeinrechtliche Verstöße) und verbietet nicht die rechtmäßige Anwendung von Gewalt. J. Bentzien führt aus: .Es handelt sich um Unrechtsausschließungsgründe, die die Rechtswidrigkeit der Gewaltanwendung beseitigen. Deshalb wird das Recht jedes Staates, auf seinem eigenen Hoheitsgebiet Maßnahmen gegen unerlaubt einfliegende Militärluftfahrzeuge zu treffen, durch das allgemeine Gewaltverbot der Satzung der Vereinten Nationen nicht berührt." 88 Diese Schlußfolgerung zieht der genannte Autor zu Recht auch hinsichtlich ziviler, rechtsverletzender Luftfahrzeuge. Dies gehört zu den Maßnahmen der Selbstverteidigung oder eines extremen Notstandes und es muß sich in gleichem Maße sowohl auf faktisch zivile Flugzeuge, die niemals mit Bestimmtheit als solche identifiziert werden, als auch auf militärische Luftfahrzeuge beziehen. Im Lichte dieser Überlegungen hatte der ICAO-Rat allen Grund, im Jahre 1958 bei der Erörterung der Frage von rechtsverletzenden Luftfahrzeugen zu erklären: •Verständlicherweise ist der Umgang mit rechtsverletzenden Luftfahrzeugen je nach den Ursachen der Verletzung unterschiedlich. Die Gesetzgebung einiger Länder sieht die Ausweisung des Luftfahrzeugs über die Grenzen des Territoriums durch Warnung und Eröffnen des Feuers nur in dem Fall vor, daß das Luftfahrzeug sich weigert, den Kurs zu ändern. Die Gesetzgebung einer Reihe von Ländern bestimmt, daß das rechtsverletzende Luftfahrzeug im nächsten Flughafen jenseits der Sperrzone landen muß. Falls es sich weigert, den Befehl auszuführen, so können ,Gewalt' oder ,entschiedene Maßnahmen' angewandt oder es könen gegen dieses Luftfahrzeug Waffen eingesetzt werden." 89 Die absolute Mehrheit der Wissenschaftler, die diese Frage untersucht haben, ist der Auffassung, daß unter dem Begriff .Gewalt" in Art. 2 Abs. 4 der VN-Satzung in seiner Verbindung mit dem Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 .bewaffnete Gewalt" (in der russischen Sprache in der Mehr88
89
a.a.O., S. 84. ICAO Dok. C-WP/2609.
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zahl) zu verstehen ist, als Reaktion auf eine Aggression oder einen .bewaffneten Angriff". Eine solche Interpretation, die auf Fälle einer Bedrohung der territorialen Unversehrtheil oder der politischen Unabhängigkeit eines Staates beschränkt ist, nimmt aus dem Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 4 die Anwendung bewaffneter Gewalt als Reaktion auf gemeinrechtliche Rechtsverletzungen, meist Grenzzwischenfälle, aus.• Die Nichtanwendung bewaffneter Gewalt als erster" - so muß man den Inhalt des Art. 2 Abs. 4 im Zusammenhang mit dem Recht auf Selbstverteidigung verstehen. Die Einschränkung der Anwendung von Gewalt gegen das rechtsverletzende Luftfahrzeug kann sich auf die Verpflichtung der Staaten gründen, in Not geratenen Luftfahrzeugen Hilfe zu leisten. Bezüglich ziviler Luftfahrzeuge ergibt sich diese Verpflichtung aus Art. 25 des Chicago-Abkommens. Was militärische und andere staatliche Luftfahrzeuge betrifft, so kann eine solche Verpflichtung nur in den Beziehungen zwischen befreundeten Ländern auf der Grundlage einer Übung, die keinen universellen Charakter hat, oder aufgrund regionaler, lokaler oder anderer Normen mit eingeschränktem Geltungsbereich existieren. Hinsichtlich ziviler Luftfahrzeuge muß man natürlich die Kriterien der "offenkundigen Harmlosigkeit" der Absichten des eindringenden Luftfahrzeugs berücksichtigen. In diesem Fall müssen - wenn dies tatsächlich auf der Hand liegt- humanitäre Erwägungen Vorrang haben. Aber in diesem Fall muß als unstreitiges Kriterium für die Rechtmäßigkeit der Gewaltanwendung die Erklärung des betroffenen Staates (und nur seine Erklärung) dienen, wie er die Absichten des Rechtsverletzers bewertet hat. Denn allein die Qualifikation der Handlungen .an Ort und Stelle" ist entscheidend, später hängen die Argumente des Registerstaates sowie der Luftfahrtgesellschaften und des Eigentümers des Luftfahrzeugs zu sehr von ihren Interessen an einer Rechtfertigung der begangenen Rechtsverletzung ab, während der verletzte Staat immer ein Interesse hat, Waffen gegen ein Luftfahrzeug einzusetzen, welches sich unrechtmäßig in seinem Luftraum befindet. Insgesamt hängt die Bewertung der Rechtmäßigkeit einer Gewaltanwendung von äußerst unsicheren Kriterien des Übermaßverbotes und des Prinzips der Humanität ab. Daß die rechtmäßige Anwendung von Gewalt verhältnismäßig sein muß, proportional dem begangenen Verstoß unter Berücksichtigung des Prinzips der Humanität, steht außer Zweifel. J. Bentzien führt jedoch in diesem Zusammenhang aus: .Denn für den verletzten Staat wird es äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, die tatsächliche Absicht des unerlaubt einfliegenden Luftfahrzeugs festzustellen, wenn sie sich nicht entweder ganz offensichtlich aus den äußeren Umständen, insbesondere dem Verhalten des eingeflogenen Militärluftfahrzeugs, oder aus durch elektronische Kommunikation mit dem eingeflogenen Flugzeug erhaltener Information ergibt . . . Damit aber trägt das Risiko für das Nichter-
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kennen der tatsächlichen Absicht durch den verletzten Staat das unerlaubt eingeflogene Luftfahrzeug. Gerade deshalb muß von ihm grundsätzlich die Befolgung der Befehle des verletzten Staates erwartet werden. "90 Mit Bezug auf zivile Luftfahrzeuge gelangt J. Bentzien zu der gerechtfertigten Schlußfolgerung: .Somit bestehen keine Beschränkungen durch das allgemeine Gewaltverbot der Satzung der Vereinten Nationen für auf der staatlichen Souveränität beruhende Gewaltmaßnahmen des in seiner Lufthoheit verletzten Staates gegen ein in seinen Luftraum einfliegendes Zivilluftfahrzeug. Hingegen ist die dem verletzten Staat grundsätzlich zustehende Befugnis, nach vorherigerWarnungauf das unerlaubt eingeflogene Zivilflugzeug notfalls das Feuer zu eröffnen und es abzuschießen, falls es sich weigert, Weisungen des Bodenstaates nachzukommen, durch die völkerrechtlichen Grundsätze des Übermaßverbots und der Humanität ... beschränkt .. ." 91 Auf der Grundlage der dargelegten Überlegungen kann man zu der zutreffenden Bewertung gelangen, die der auf der 25. außerordentlichen Sitzung der ICAO-Versammlung angenommenen Ergänzung des Chicago-Abkommens durch Einfügung eines Art. 3 bis zugrunde liegt. 92 Art. 3 bis a) bestimmt: .Die Vertragsstaaten erkennen an, daß jeder Staat sich des Einsatzes von Waffen gegen zivile Luftfahrzeuge im Flug enthalten muß und daß im Fall des Abfangens das Leben der an Bord befindlichen Personen und die Sicherheit des Luftfahrzeugs nicht gefährdet werden dürfen. Diese Bestimmung darf in keiner Weise als eine Beeinträchtigung der Rechte und Pflichten der Staaten ausgelegt werden, die in der Satzung der Vereinten Nationen niedergelegt sind." In Art. 3 bis b) wird anerkannt, daß jeder Staat in Ausübung seiner Souveränität das Recht hat, die Landung des zivilen Luftfahrzeugs auf einem bestimmten Flughafen zu fordern, falls es sein Territorium ohne Erlaubnis überfliegt und vernünftige Anhaltspunkte für die Vermutung vorhanden sind, daß es zu Zwecken eingesetzt wird, die mit dem Chicago-Abkommen unvereinbar sind. Einem derartigen Flugzeug können auch andere Weisungen gegeben werden, um der Rechtsverletzung ein Ende zu bereiten. Zu diesem Zweck können die Vertragsparteien zu allen verfügbaren Mitteln greifen, die mit den einschlägigen Normen des Völkerrechts vereinbar sind, einschließlich der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens, insbesondere Absatz a) des Art. 3 bis. Jede Vertragspartei stimmt zu, ihre Bestimmungen zu veröffentlichen, die für das Aufbringen von zivilen Luftfahrzeugen gelten. Nach Art. 3 bis c) ist jedes zivile Luftfahrzeug verpflichtet, die Weisungen auszuführen, die ihm nach Absatz 1 b) gegeben werden. Zu diesem Zweck 90 91 92
J. F. Bentzien (Fn. 18, Kapitel II), S. 92. a.a.O., S. 183. Siehe ICAO Dok. 9318.
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erläßt jede Vertragspartei die erforderlichen Vorschriften in seinen nationalen Gesetzen und Verordnungen, damit die Erfüllung derartiger Weisungen für jedes zivile Luftfahrzeug verbindlich sichergestellt wird, das in diesem Staat registriert ist oder das von einem Nutzer eingesetzt wird, dessen Geschäftsmittelpunkt oder ständiger Aufenthalt sich in diesem Staat befindet. Jede Vertragspartei sieht strenge Strafen für Verstöße gegen derartige Gesetze oder Verordnungen vor und verweist diese Angelegenheit nach ihren Gesetzen und Vorschriften an ihre zuständigen Behörden. Die größten Streitigkeiten rief Art. 3 bis d) hervor, der in der endgültigen Fassung wie folgt formuliert wurde: .Jede Vertragspartei ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um eine absichtliche Benutzung von zivilen Luftfahrzeugen, welche in diesem Staat registriert sind oder die von einem Nutzer eingesetzt werden, dessen Geschäftsmittelpunkt oder ständiger Aufenthalt sich in diesem Staat befindet, für Zwecke zu verbieten, die mit den Zielen des vorliegenden Abkommens unvereinbar sind. Diese Bestimmung hat keinen Einfluß auf Absatz a) und berührt nicht die Absätze b) und c) dieses Artikels." Dieser Absatz wurde ungeachtet des scharfen Widerspruchs der westlichen Länder und ihrer Verbündeten angenommen. Der humanitäre Aspekt des Absatzes d) des Art. 3 bis des Chicago-Abkommens ist offenkundig. Außerdem ist Absatz d) auf die Verteidigung der Souveränität derjeniger Länder gerichtet, die nicht über die Möglichkeit verfügen, Flugzeuge aufzubringen, oder deren Staatsgebiet so klein ist, daß eine Reaktion auf eine Verletzung innerhalb der Grenzen des eigenen Territoriums praktisch nicht möglich ist. Für solche Länder stellt der Inhalt des Absatzes d) fast den einzigen Wert der gesamten Ergänzung des Abkommens dar, weil sie nicht in der Lage sind, Gewalt (Waffen) gegen das rechtsverletzende Flugzeug einzusetzen oder es abzufangen und zur Landung zu zwingen. Die Verabschiedung präventiver Maßnahmen ist unter Berücksichtigung der Tatsache besonders wichtig, daß neben dem Schutz des Lebens unschuldiger Passagiere das Prinzip der Nichtanwendung von Waffen in seiner einseitigen Auslegung in gewissem Maße die ungestrafte Begehung von Rechtsverletzungen, insbesondere durch private Zivilluftfahrzeuge, begünstigt. Solche Rechtsverletzungen sind, wie sich aus den Erklärungen vieler Delegierter ergab, äußerst zahlreich. Es kann sich um das Zerstäuben giftiger Stoffe, den ungesetzlichen Transport von Rauschgift und Konterbande, die Beförderung von Söldnern, den Transport verschiedener Wertsachen, den Raub von Naturschätzen einzelner Länder usw. handeln. Damit die Bestimmungen des Art. 3 bis nicht so verstanden werden, daß derartige rechtswidrige Handlungen, die oft eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit vieler Menschen darstellen, toleriert werden, ist es notwendig, die feste Verpflichtung der Staaten vorzusehen, diese zu verbieten und zu verhüten.
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Die Folgen begangener Rechtsverletzungen sind zweifellos ein wichtiger, jedoch zweitrangiger Aspekt, der sich aus der Rechtsverletzung ergibt. Es stellt sich die Frage, in welchen Fällen der Staat die Verantwortung für die Nutzung eines zivilen Luftfahrzeugs zu rechtswidrigen Zwecken trägt. Die unmittelbare Verantwortung des Staates tritt ein, wenn ein staatliches Organ direkt die Rechtsverletzung sanktioniert hat. Dabei darf die Tatsache keine Bedeutung haben, daß dieses Organ unter Überschreitung seiner Kompetenzen handelte. Die Haftung des Staates muß auch dann eingreifen, wenn eine grobe Nachlässigkeit an den Tag gelegt und die erforderlichen, vorgeschriebenen Maßnahmen zur Verhütung einer potentiellen Rechtsverletzung nicht ergriffen wurden, obgleich alle Möglichkeiten gegeben waren, sie zu ergreifen. Das rechtswidrige Verhalten eines rechtsverletzenden Staates macht internationale Verpflichtungen des betroffenen Staates, der einseitige Maßnahmen gegen den Störer ergreift, vorübergehend oder endgültig juristisch unwirksam. Derartige Bestimmungen wurden insbesondere von R. Ajo im achten Bericht der Völkerrechtskommission zur Frage der Staatenhaftung formuliert und sind in Art. 30 des Entwurfs einer Konvention über die Staatenhaftung enthalten, der von der Völkerrechtskommission gebilligt wurde. 93 In konkreten Situationen des unerlaubten Einflugs ziviler Flugzeuge dient das Verhalten des Luftfahrzeugs (unerlaubter Einflug, Weigerung, erteilte Anweisungen auszuführen usw.) objektiv als Beweis für die Rechtsverletzung. Die Umstände, die zur Anwendung von Zwang gegen das rechtsverletzende Luftfahrzeug führen, sind dergestalt, daß in der absoluten Mehrheit der Fälle die zuständigen Organe des verletzten Staates nicht in der Lage sind, festzustellen, aus welchem Grund der Rechtsverletzer die gegebenen Anweisungen nicht befolgt und ob dies damit zusammenhängt, daß keine Präventivmaßnahmen am Abflugsort ergriffen worden sind. Alles dies wird erst nach der Landung des Flugzeugs geklärt und hat nicht auf die unmittelbar notwendigen Maßnahmen Bezug, sondern auf die Lösung der Haftungsfragen. Maßnahmen, die gegen ein konkretes rechtsverletzendes Luftfahrzeug ergriffen werden, sind keine Maßnahmen gegen einen Staat. Es sind Handlungen zur Selbstverteidigung oder in einem übergesetzlichen Notstand gegen gemeinrechtliche Rechtsverletzungen, welche nicht mit der Anwendung bewaffneter Gewalt verbunden sind. Falls die Rechtsverletzer bewaff93 Siehe Dokument OON A/CN.4/318 vom 24. Januar 1979, Add. 1-3 vom 5. Februar 1979, Add. 4vom 15. Juni 1979, Add. 5vom 29. Februar 1980, Add. 6vom 10. Juni 1980, Add. 7 vom 19. Juni 1980.
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nete Gewalt anwenden, können sie nicht mehr als Zivilluftfahrzeuge angesehen werden, und sie werden nicht mehr von den Schutznormen des Völkerrechts erfaßt. Fragen der Haftung und des Verhängens von Sanktionen im Falle von Rechtsverletzungen, die von Zivilluftfahrzeugen begangen wurden, werden auf der Basis der allgemeinen Grundlagen der völkerrechtlichen Haftung der Staaten, der zivilrechtliehen und verwaltungsrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen sowie der zivilrechtlichen, strafrechtlichen, administrativen und disziplinären Verantwortlichkeit natürlicher Personen entschieden.
Schlußbemerkungen Der Luftraum wird in einem immer größeren Ausmaß zu einer lebenswichtigen Sphäre äußerst unterschiedlicher menschlicher Tätigkeiten. Der Charakter der Nutzung des Luftraums hat unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Festigung eines allgemeinen Friedens und der Sicherheit vorrangige Bedeutung. Die am Vorabend des XXVII. Parteitages der KPdSU eingetroffene Antwort des Präsidenten der USA, R. Reagan, auf die in der Erklärung M. S. Gorbacevs vom 15. Januar 1986 enthaltenen Friedensinitiativen beweist, daß die amerikanische Führung nicht bereit ist, an die Lösung der Kardinalprobleme der nuklearen Bedrohung heranzugehen. 1 Die imperialistischen Staaten fahren fort, die Produktion und Vervollkommnung der verschiedenen Waffen zu erhöhen, die über den Luftraum eine Gefahr für die ganze Welt darstellen. Auch wenn es keinen globalen, internationalen Konflikt gibt, führt die Verstärkung der Rüstung und der Mittel für ihre Dislozierung, für die Militärbasen, dazu, daß die Möglichkeit einer Nutzung des Luftraums für friedliche Tätigkeiten eingeschränkt wird. Diese friedlichen Tätigkeiten werden - wie in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt wurde immer intensiver, und sie werfen eine Reihe schwieriger völkerrechtlicher Probleme auf, die im Interesse der gesamten Menschheit gelöst werden müssen. Deshalb ist die Erarbeitung klarer völkerrechtlicher Grundlagen für die Nutzung des Luftraums zu friedlichen Zwecken eine Angelegenheit, die wahrhaft dringlich ist und keinen Aufschub duldet. Davon, welche Tendenzen sich in den internationalen Beziehungen in der Frage der Nutzung des Luftraums durchsetzen werden, die friedlichen oder die militärischen, hängt letztendlich die Möglichkeit ab, die Menschheit auf dem Wege des Fortschritts voranzubringen, und das Schicksal einer friedlichen, gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit bei der Nutzung des Luftraums im Interesse aller Länder und Völker. Die Normen des internationalen Luftrechts spielen in dieser Beziehung eine wichtige Rolle. Gegenwärtig befinden sich einige aktuelle, mit der Nutzung des Luftraums zusammenhängende, jedoch über den Rahmen der Regelung von Flügen und Lufttransporten hinausgehende Rechtsprobleme außerhalb des Systems des internationalen Luftrechts. Diese Normen sind entweder in dem System eines anderen Rechtszweiges enthalten oder existieren selbständig als eine kleine Normengruppe. Dabei ist die Existenz einer Norm im Rahmen 1
Siehe Materialy XXVII s' ezda Kommunisticeskoj partii Sovetskogo Sojuza, S. 68.
Schlußbemerkungen
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eines Normensystems mit seiner Einheit und seinen inneren, gegenseitigen Abhängigkeiten ein äußerst wichtiges Moment für das Recht, besonders bei der Rechtsanwendung, in der eine konkrete Handlung (Unterlassung) nur vor dem Hintergrund der Struktur des gesamten, normativen .Organismus" des Systems verständlich wird. Es unterliegt z. B. keinem Zweifel, daß die Rechtsordnung des Luftraums, das Prinzip der Achtung der vollen und ausschließlichen Souveränität des Staates im nationalen Luftraum und die Freiheit des offenen Luftraums zum Gegenstand des Völkerrechts gehören. Ebenso unbezweifelbar ist, daß die aufgezeigten Kategorien Grundprinzipien widerspiegeln, Prinzipien der rechtlichen Regelung ausnahmslos aller Arten menschlicher Tätigkeit im Luftraum. Dies bedeutet nicht, daß die rechtliche Regelung aller konkreten, menschlichen Tätigkeiten nach ihrem wesentlichen Element (unter Ordnungs- und Schutzaspekten) unbedingt zu dem Normensystem des internationalen Luftrechts gehören muß. Das .Luftfahrt" -Recht macht nach wie vor - und zu Recht - den Grundinhalt des internationalen Luftrechts aus. Von diesem allgemeinen Standpunkt aus gehört die fortschrittliche Entwicklung und Kodifizierung der allgemeinen, grundlegenden Prinzipien und Normen der Völkerrechtsordnung des Luftraums zum Gegenstand des internationalen Luftrechts. Die neuen Friedensinitiativen der UdSSR in der internationalen Arena geben eine klare Orientierung für die weitere Ausarbeitung der genannten Prinzipien und Normen. Diese Orientierung besteht im Prinzip der Nutzung des Luftraums zu friedlichen Zwecken und in der allgemeinen Kodifizierung der Normen auf diesem Gebiet. Zweifellos ist dieser Prozeß nicht einfach. Einerseits ist der Luftraum eine Einheit, die sich über das gesamte Festland und alle Meere unserer Erde erstreckt. Andererseits besitzt er in rechtlicher Hinsicht, als normativer Raum, einen unterschiedlichen Status: Er unterliegt der Souveränität oder ist offen für alle. Das allgemeine und besondere, das einheitliche und das spezielle im normativen Bereich herauszuarbeiten, macht das Wesen der Untersuchung der Völkerrechtsordnung des Luftraums aus.