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German Pages 78 [80] Year 1924
Taylor * Gilbreth * Ford Gegenwartsfragen der amerikanischen und europäischen Arbeits Wissenschaft
von
I. M. Witte, Berlin
2. Auflage
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München und Berlin Druck und Verlag von R. Oldenbourg
Alle Rechte, auch das der Übersetzung vorbehalten. Copyright 1924 by R . Oldenbourg, München und Berlin.
Inhaltsverzeichnis. I. E i n l e i t u n g — Zweck und Ziel der A r b e i t
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II. A m e r i k a und E u r o p a v o n h e n t e a) Allgemeine und kulturelle Gegensätze b) Das politische, sozialpolitische und wirtschaftliche Leben in Amerika . c) Das technische Erziehungswesen. Gefahren der „neuartigen" amerikanischen Lehrlingsausbildung
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III. T a y l o r nnd G i l b r e t h . Zwei Pioniere der Arbeit. — Die Arbeitswissenschaft in den Vereinigten Staaten a) Frederick W. Taylor, sein Leben und Werk b) Frank B. Gilbreth, sein Leben und Werk c) Typisches der neueren amerikanischen Arbeitswissenschaft
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IV. G e g e n w a r t s f r a g e n der d e u t s c h e n A r b e i t s w i s s e n s c h a f t . Produktionssteigerung und Arbeitszeit V. H e n r y F o r d u n d sein S y s t e m a) Seine produktionstechnischen Grundsatze b) Seine kaufmännischen Grundsätze c) Seine propagandistischen Grundsätze d) Seine sozialen Grundsätze e) Ford als Mensch f) Stimmen zu Ford
42 56 5T 58 59 60 61 62
VI. Der z u k ü n f t i g e schaft?
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Weg
europäischer
Arbeitswissen-
A n h a n g : V e r z e i c h n i s der z i t i e r t e n L i t e r a t u r
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I. Einleitung. — Zweck und Ziel der Arbeit. An die deutsche und darüber hinausgehend an die europäische Arbeitswissenschaft u n d Betriebswirtschaft sind in letzter Zeit einige Probleme herangetreten, an denen sie nicht achtlos vorbeigehen darf. Vier Ereignisse, oder vielleicht noch besser ausgedrückt, die Niederschläge bestimmter Erfahrungen und Systeme sind es, die, obwohl sie gänzlich unabhängig voneinander dastehen, doch einen engen psychologischen Zusammenhang aufweisen und wieder einmal dem europäischen Betriebsmann eindringlich die Frage stellen, sich über das Ziel seiner arbeitswissenschaftlichen Bemühungen klar zu werden und sich den Wert aber auch die Grenzen seiner, vor allem aber der auswärtigen Arbeiten auf diesem Gebiete vor Augen zu halten. Denn es scheinen Anzeichen dafür vorhanden zu sein, daß die Arbeitswissenschaft an einem entscheidenden Wendepunkt angelangt ist. An erster Stelle sei das Buch von H e n r y F o r d , „ M e i n L e b e n u n d W e r k " genannt, d a n n die vor kurzem in Amerika erschienene zweibändige T a y l o r - B i o g r a p h i e u n d im engen Zusammenhang hiermit die anläßlich des im J u n i ds. Js. erfolgten Todes von F r a n k B. G i l b r e t h aufgeworfenen und besprochenen Fragen über die Bedeutung der von diesem Ingenieur vertretenen besonderen arbeitswissenschaftlichen Richtung. Schließlich ist noch der Ende Juli 1924 in P r a g stattgefundene „ A r b e i t s w i s s e n s c h a f t l i c h e K o n g r e ß " zu erwähnen, der vor allem einen Überblick über Stand und Auffassung der a m e r i k a n i s c h e n A r b e i t s w i s s e n s c h a f t gab. Mit allen diesen Namen und Systemen ist auch die europäische Arbeitswissenschaft mittel- oder auch unmittelbar v e r k n ü p f t , u n d die in diesem Zusammenhang entstandenen Probleme sind auch für Europa von ganz besonderer Bedeutung. So h a t z. B. das Erscheinen des Ford-Buches in E u r o p a eine wahre „Fordpsychose" ausgelöst; die Meinungen über die
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I. Einleitung.
vom Automobilkönig vertretenen Ansichten prallten aufeinander, die Gemüter erhitzten sich f ü r u n d wider die Möglichkeit eines „ E i n b r e c h e n der Ford-Verfahren" in Mitteleuropa. Die Hauptprobleme des Ford-Systemes, die ins Höchste gesteigerte Arbeitsteilung, die völlige Mechanisierung, die „ E n t s e e l u n g " des Arbeiters, der — u n d nicht nur bei Ford — drüben streng durchgeführte A c h t s t u n d e n t a g und auch ein f ü r amerikanische Verhältnisse sehr hoher Lohn des Arbeiters sind Fragen, die zurzeit in Deutschland besonders aktuell sind. Die Fragen Lohn und Arbeitszeit sind heute f a s t die heißumstrittensten der deutschen Wirtschaft und Politik. Die Arbeiterwelt, obwohl sie auf der einen Seite die Auswirkung des Systemes in arbeitlicher Hinsicht b e k ä m p f t , zieht aus dem Buch von Ford geschickt die Stellen heraus, die ihr im K a m p f u m Lohn u n d A c h t s t u n d e n t a g bequem sind und die sie als Argumente dem sogenannten Gegner immer wieder mit Erfolg vorhalten kann. Der Unternehmer dagegen ist sich der doppelten Gefahr bewußt, die aus dieser Quelle f ü r ihn entspringt. Vom industriellen u n d betriebstechnischen S t a n d p u n k t fürchtet er die Invasion von amerikanischen Verfahren. Und v o m Untern e h m e r s t a n d p u n k t kommen i h m diese Erörterungen über Zeit und Lohn besonders ungelegen in einer Zeit, da er gerade mitten in dem heißen Bemühen steht, die Notwendigkeit der P r o d u k t i o n s s t e i g e r u n g durch V e r l ä n g e r u n g d e r A r b e i t s z e i t nachzuweisen. Die Merksteine dieses Bemühens sind u. a. zwei zu gleicher Zeit in zwei verschiedenen Organen erschienenen Produktionsstatistiken aus den S i e m e n s k o n z e r n e n auf der einen Seite u n d aus den B o r s i g w e r k e n auf der andern. Regierungsbaumeister a. D. B o l z schreibt in den „SiemensMitteilungen" über „Produktionsverteuerung — Produktionsv e r m i n d e r u n g " und Dr.-Ing. L i t z in der Borsig-Zeitung „Wie können wir die gegenwärtige Wirtschaftskrisis ü b e r w i n d e n ? " I n beiden Aufsätzen wird, worauf wir später zurückkommen werden, der Versuch u n t e r n o m m e n , nachzuweisen, d a ß nur eine V e r l ä n g e r u n g des Achtstundentages uns retten k a n n . Also das G e g e n t e i l der amerikanischen Auffassung! Man sieht, die Arbeitswissenschaft ist vor einige praktische Probleme gestellt, die zu lösen Lebensnotwendigkeit ist. Wenn
Zweck und Ziel der Arbeit.
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der Betriebsingenieur und der Arbeitswissenschaftler hier versagen, so sind die Folgen unabsehbar. U m aber klar und sicher vorauszugehen, ist es vor allem erforderlich, daß der Betriebsmann u n d Arbeitswissenschaftler weiß, wie die tatsächlichen Verhältnisse in Amerika und die Bedingungen beschaffen sind, die die Arbeitswissenschaft drüben d i e Wege gehen und d i e Auswirkungen annehmen ließ, die Europa zurzeit bevorstehen oder bedrohen. E r m u ß sich mit Land und Leuten — vor allem auch mit der Psyche des amerikanischen A r b e i t e r s — vertraut machen, er m u ß wissen um die K l u f t zwischen hier u n d drüben, er m u ß die Grenze kennen, wo sich der amerikanische und der europäische Betriebswissenschaftler nicht mehr verstehen und wo sie aneinander vorbeireden. Und daß es diese Grenze gibt, das zeigen ganz deutlich nicht nur das Ford-Buch sondern auch die vorerwähnten Schriften und Arbeiten. Es soll der Zweck und das Ziel dieser kleinen Schrift sein, diese Grenze, vor allem aber die f ü r die Arbeitswissenschaft zu beachtenden - g r u n d s ä t z l i c h e n U n t e r s c h i e d e zwischen Amerika u n d Europa und zwischen dem gegenwärtigen S t a n d der amerikanischen uud europäischen Arbeitswissenschaft zu zeigen. I m Verlauf meiner Betrachtungen und Untersuchungen werde ich von „Amerika und D e u t s c h l a n d " , mitunter auch von „Amerika und E u r o p a " sprechen. Ich gehe absichtlich von Deutschland als einer in sich geschlossenen Einheit, als einer bestimmten und zu definierenden Grundlage aus, will aber den Begriff weiter gefaßt und auf den Gesamtkomplex „Zentrale u r o p a " ausgedehnt wissen, der geographisch und wirtschaftlich, kulturell u n d arbeitlich das gleiche oder zu mindest sehr ähnliches Gepräge wie Deutschland t r ä g t . Meine Kenntnisse von Land u n d Leuten hüben wie drüben, meine praktischen Erfahrungen in der mitteleuropäischen Industrie u n d Wirtschaft, meine persönlichen und arbeitlichen Beziehungen zur in- u n d ausländischen Fachwelt gaben mir die Anregung u n d die Grundlagen zu dieser Arbeit. Schließlich stand mir während der letzten zehn J a h r e die gesamte einschlägige Literatur beider Weltteile zur Verfügung. Ich gebe daher, was ich hier ausdrücklich betone, n u r den Niederschlag von Vorhandenem und Tatsächlichem.
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I. Einleitung.
Danken muß ich allen den Ingenieuren und Arbeits Wissenschaftlern in Deutschland wie auch im Ausland, die mir bei Bearbeitung des Materials mit ihrem R a t zur Seite standen. Ganz besonders bin ich aber Herrn Ingenieur Rudolf L e l l e k aus Witkowitz für die mir in jedem Stadium der Arbeit durch seine großen Erfahrungen geleistete Hilfe und für seine tatkräftige Mitarbeit verbunden. Die von mir herangesogene Literatur ist im Textteil nur namentlich aufgeführt. Alle zum Nachschlagen und Nachlesen erforderlichen weiteren Angaben sind im Literaturverzeichnis als Anhang des Buches enthalten.
II. Amerika und Europa v o n heute. a) Allgemeine und kulturelle Gegensätze. Wer die industrielle und insbesondere die arbeitswissenschaftliche Entwicklung in den letzten zehn J a h r e n sowohl hier wie in Amerika aufmerksam verfolgt hat, der wird, wie bereits angedeutet wurde, eine Spannung, fast könnte m a n sagen eine K l u f t bemerkt haben, die gerade auf diesem Gebiet zwischen Amerika und Europa besteht. Eine nähere Betrachtung der kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und industriellen Bedingungen wird sehr bald die Gründe und die Ursachen dieser Gegensätze enthüllen und unser Problem klarer erscheinen lassen. Die Kultur des Amerikaners ist grundverschieden von unserer; sie ist jünger und wird auch heute noch zum Teil von der europäischen beeinflußt: nachdem sie aber durch den amerikanischen „Schmelztiegel" gegangen ist, hat sie wie so vieles andere ihr eigenes Gepräge erhalten, und dementsprechend weichen die Lebensauffassungen und Lebensideale des heutigen Amerikaners in vielen Punkten maßgeblich von unseren ab. Dr. H a i n z aus S t u t t g a r t drückt das in einem Aufsatz über die „ErwerbsVerhältnisse in den Vereinigten S t a a t e n " noch prägnanter aus: „Die zivilisatorischen und kulturellen Lebensbedingungen sind in diesem Lande grundverschieden von denen Europas. Es ist eine neue Welt, in der das frisch importierte , Greenhorn' einem Baby gleich zunächst unbeholfen und unselbständig von einem Dritten geführt werden m u ß . " Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ein für den Europäer riesengroßes Land; seine 120 Millionen Einwohner sprechen e i n e Zunge, erhalten die g l e i c h e B i l d u n g ; kennen die nationalen Widerwärtigkeiten, die Zollgrenzen usw. des europäischen Staatengebildes nicht. Ihr Land ist fruchtbar u n d reich; die Möglichkeit des Vorwärtskommens unter normalen Verhältnissen ist d a ; der Kampf ums tägliche Brot ist wohl
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II. Amerika und Europa von heute.
vorhanden aber nie in dem Maße aussichtslos wie in der Alten Welt. Der geldliche Raichtum des Landes ist größer als je zuvor, u n d trotzdem er sich bei einzelnen in f ü r uns ungekanntem Maße a n h ä u f t e , so hat doch auch die größere Masse mehr, als wir es kennen. Der deutsche Gelehrte und Schriftgewandte, der Dichter u n d Forscher, der Ingenieur, die herüber fahren, um Land u n d Leute, Sitten und Einrichtungen, Wissenschaft und Kultur zu schauen und kennen zu lernen, sie alle 6ind sich einig, daß die Licht- und auch die Schattenseiten in Amerika besonders kräftig verteilt sind. Sie sind sich einig in dem Lob, daß für den Fortschritt, f ü r Erziehung und Gedeihen der jetzigen und der kommenden Generationen Vieles, Großes getan wird, und sie werden von der Atmosphäre der drüben herrschenden freieren L u f t und von den riesigen und riesigsten Ausmaßen auf allen Gebieten erfaßt. Und sind sie auch nur über die ersten Tage des Sichzurechtfindens heraus, so werden sie mit Erstaunen wahrnehmen, daß es drüben zuerst und vor allem e i n e n Ruf und e i n e Religion gibt und daß Amerika von ihnen erfaßt und beherrscht w i r d : L e i s t u n g s f ä h i g k e i t (Efficiency) und A r b e i t . Das T e m p o , das E r s c h a f f t e sind die Herrscher; alles andere muß ihnen Untertan sein. Die Arbeit wird zur Religion, u n d diese Religion wird auch von manchen Schichten in die freien Stunden, auch in das Privatleben hineingetragen. Der M a t e r i a l i s m u s ist drüben in weit höherem Maße Lebensanschauung als bei uns; f ü r tiefere Lebensauffassungen, f ü r freies Bekennen der Nöte u n d Sorgen u n d Freuden des Menschen ist kein oder nur wenig R a u m vorhanden. Bei aller Freiheit drüben hängt trotzdem über Vielem und nicht nur Persönlichstem ein dichter Schleier, den zu lüften es nicht immer gut und mitunter'geradezu gefährlich ist. Das wirkt sich auch in politischer Beziehung aus, wie wir noch sehen werden. Der „Gleichheits"- Gedanke, mit dem „Efficiency 4 '-Gedanken eng verwandt und in ursächlichem Zusammenhang mit ihm stehend, wird mit allen Mitteln dem Amerikaner und dem Eingewanderten, dem zukünftigen Amerikaner, eingehämmert. Sie alle sind gleich; sie alle haben die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten; sie alle haben das gleiche Recht auf Glück und Freude am Leben. Und sie alle
Allgemeine und kulturelle Gegensätze.
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streben nach diesen Zielen auf gleichen Wegen und mit gleichen Mitteln. So sehen wir, daß der noch vor kurzem europäisch denkende und empfindende Eingewanderte jetzt plötzlich „amerikanisiert" und von dem gleichen Hetztempo und dem gleichen Arbeitsfieber ergriffen ist wie sein amerikanischer Kollege. Schon die kommende Generation, seine Kinder, sind dann in jeder Beziehung Amerikaner; im Wesen aber auch schon äußerlich. Es wäre aber falsch, dem Amerikaner trotzdem jeden Idealismus abzusprechen. I m Gegenteil! Er ist sehr begeisterungsfähig, er h a t seine Ideale, nur liegen diese anders verankert als bei dem Europäer, wo Tradition und jahrhundertelange Kultur vielleicht tiefere und wirklichere Ideale erblühen ließen. H. G. S c h e f f a u e r spricht an einer Stelle seines a. a. O. zitierten Buches gerade über diese Eigenschaft des Amerikaners: „ . . . . Und wie wir weiterhin sehen werden, sucht die amerikanische Presse 1 ) alle verstandesgemäßen Werte in gefühlsmäßige umzusetzen, die kühlen, weißen Ströme der Vernunft auszuschalten und dem rotblutenden Herzen, dem aufgepeitschten, bearbeiteten, erregbaren Herzen volle Gewalt über den Kopf zu verschaffen. Blut und Hirn müssen in einem Zustand dauernder Gärung erhalten werden. Daher muß im guten und im bösen Sinne jede öffentliche L a u f b a h n und jedes öffentliche Unternehmen in Amerika im Zeichen des E n t h u s i a s m u s begonnen und durchgeführt werden. I n d i e s e m Z e i c h e n s i e g t A m e r i k a . Es ist das Zeichen, das den kindlichen Gesichtern und den lächelnden Lippen der optimistischen Amerikaner aufgeprägt ist. Sie bedürfen dieses Gefühls- oder Nervenrausches, um ihr Bestes leisten zu können. Der Ausdruck „ E n t h u s i a s m u s " als Dingwort genügte ihnen nicht, deshalb wandelten sie das Ding in eine T a t um und machten ein Tätigkeitswort daraus, das noch immer den Spott der Engländer herausfordert, das Tätigkeitswort „ t o enthuse" (enthusiasmieren, begeistern) „Der Enthusiasmus gehört zu den Geheimnissen des amerikanischen Erfolges. Er ist der helle Stern des Mutes, in dessen Zeichen dieses junge Volk ans Werk geht, obwohl er dieselben Gefahren bringt, die in jedem, über das Normale steigernden Reizmittel ' ) Und nicht nur diese sondern jeder an verantwortlicher Stelle Stehende. D . Verf.
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II. Amerika und Europa von heute.
liegt. Der Enthusiasmus schlug den ersten Schienenstrang über den Erdteil, der Enthusiasmus schaufelte den Panamakanal, crrichtete die Wolkenkratzer, baute das Größte auf diesem, das Höchste auf jenem, das Längste auf wieder einem anderen Gebiet. Der Enthusiasmus für die vorliegende Aufgabe und die Fähigkeit, ihn auf andere zu übertragen, ist das G e h e i m n i s j e n e r u n g e heuren erfolgreichen kaufmännischen Unternehmung e n wie die Ford-Automobilfabrik in Dearborn im Staate Michigan oder die National Cash Register Co. in Akron im Staate Ohio " Bei allen Unternehmungen, bei allen Systemen und bei vielen Handlungen des Amerikaners muß der Europäer, um sie voll und ganz verstehen zu können, diese Eigenschaft stets im Sinne behalten und sie voll in Betracht ziehen. Auch Dr. Paul R o h r b a c h beleuchtet in einem kleinen Aufsatz unter dem Titel „ A m e r i k a n i s c h e u n d d e u t s c h e P s y c h o l o g i e " die Verschiedenheit des amerikanischen und deutschen Wesens: „ . . . Wenn diese Verschiedenheit begriffen und wenn dem Begreifen entsprechend gehandelt wird, so sind Erfolge möglich; sonst nicht. Ein grundlegender Unterschied zwischen dem Amerikaner und dem Deutschen besteht darin, daß dieser auf Argumente reagiert — jener auf Impressionen (.Eindrücke' würde nicht dasselbe sagen); jener rasch, impulsiv, unkritisch — dieser kritisch, langsam und geschwächt durch ,Komplexe'. Dies ist eins von den Worten der modernen Psychologie, aber es ist hier notwendig." Und hier sind wir schon an einem Punkt angelangt, wo wir ganz allgemein einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Amerikaner und dem Deutschen herausschälen können: der Amerikaner ist glücklicher, freilebiger, oberflächlicher und vor allem ungehemmter als der Deutsche, der, wie Rohrbach es eben so treffend sagte, „kritisch, langsam und durch Komplexe geschwächt" an jede Sache herangeht. Der A m e r i k a n e r , immer positiv und siegesgewiß eingestellt, geht unbekümmert und mit praktischem Blick und gesundem Menschenverstand an die schwierigsten Probleme heran und löst sie in dem Maße, als er sie zu lösen gedenkt — bestehende Schwierigkeiten werden von ihm kühn umschifft. Der Europeär dagegen, durch jahrhundertelange Tradition beschwert, geht einen anderen Weg: er packt seine Probleme
Allgemeine und kulturelle Gegensätze.
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zunächst und vor allem von der rein wissenschaftlichen, philosophischen Seite an, er sucht und erörtert das Für und Wider, er geht allem Neuen, Umwälzenden zunächst mit größtem Mißtrauen entgegen. Nur schwer entschließt er sich, von Wegen, die jahrhundertelang begangen wurden, abzuweichen. Die noch ungelösten Probleme stehen dem Arbeitswissenschaftler klar vor Augen; die möglichen Vorteile werden wohl erkannt; die bestehenden Gefahren aber in gleicher Weise nie aus den Augen gelassen. A r t h u r H o l i t s c h e r in seinem Buche „Amerika heute und morgen" und Herman George S c h e f f a u er in seinem bereits erwähnten Werk „ D a s Land Gottes — Das Gesicht des neuen Amerikas" geben beide einen vorzüglichen und wahren Überblick über das Amerika von heute. H o l i t s c h e r vom Standpunkt des deutschen Dichters und Arbeiterfreundes, S c h e f f a u e r vom Standpunkt des Amerikaners, der deutsches Wesen und deutsche Kultur kennen und schätzen lernte, und der hier seine zweite Heimat fand. Beide Bücher sind so flüssig und so packend geschrieben, daß man sie erst dann zur Seite legt, wenn man die letzte Seite umgewendet hat. Der deutsche Betriebswissenschaftler sollte beide Bücher kennen; sie können ihm manchen Fingerzeig über die Eigenarten des Ursprungslandes seiner Wissenschaft geben. Zur Abrundung dieses zunächst mehr allgemeinen Sketches amerikanischer Verhältnisse seien zum Schluß einige Beobachtungen von Geheimrat Professor Dr.-Ing. K l i n g e n b e r g wiedergegeben, die er anläßlich seiner kürzlichen Amerikafahrt machte: „Man hat oft Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten genannt und damit ein schlechtes Schlagwort geschaffen, das den Widerspruch in sich selbst trägt — denn jede Möglichkeit ist an sich begrenzt —, das aber auch leider zu einer vollständig falschen Vorstellung amerikanischen Denkens und Handelns geführt hat. Richtiger wäre es, von einem Lande der unbegrenzten Gegensätze zu sprechen, wenn dieses Wort .unbegrenzt' nun einmal gebraucht werden soll. Auf der einen Seite die Großstadt mit riesigem Luxus, 40 Stockwerk hohen Häusern, glänzenden Theatern mit Restaurants, gutgehaltenen Straßen, prächtigen Automobilen, mit einem unglaublichen Verkehr, sehr schönen Parkanlagen, Bibliotheken, Museen, Krankenhäusern usw. Daneben eine mittlere Stadt mit bescheidenen Läden, oft ohne
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II. Amerika und Europa von heute.
Theater, wenn man von einigen Kinos absieht, mit einfacher Lebensführung, sehr schlechten Straßen, vorwiegend Holzhäuser, zwischen den Häusern häufig Plätze, wo jeder seinen Schutt ablädt, der d a n n in die Straßen geweht wird. „Noch größer ist der Gegensatz zwischen S t a d t und L a n d , besonders im Osten. Das Land ist hier f a s t nie kultiviert, selten sieht m a n eine gutgehaltene F a r m , die Wälder verkommen, von geregelter Forst- und Wasserwirtschaft ist keine Rede."
b) Das politische, sozialpolitische und wirtschaftliche Leben in Amerika. Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen ist auch das politische Moment in den Vereinigten Staaten zu verstehen und zu würdigen. Die dem Deutschen eigene und in der Politik besonders kraß zum Ausdruck kommende Neigung zur Haarspalterei u n d Eigenbrötelei, die sich in mehr als einem Dutzend verschiedenen politischen Parteien und Parteichen äußert, ist dem Amerikaner fremd. Zwei große allmächtige Parteien gibt es drüben, die r e p u b l i k a n i s c h e und die d e m o k r a t i s c h e . Eine dritte, die s o z i a l i s t i s c h e , obwohl sie im Wachsen begriffen ist, kommt gegen die beiden Beherrscher des öffentlichen Lebens nicht an. Der Amerikaner ist politisch indifferent, unreif. Er läßt sich von seiner Zeitung die Politik zurechtmachen. Die ihm meistens durch Z u f a l l in die H a n d geratene Zeitung und die von ihm vertretene Richtung ist oft entscheidend f ü r seine politische Ü b e r z e u g u n g . Das Gros der Arbeiterschaft ist auf diese Weise in den beiden bürgerlichen H a u p t p a r t e i e n vertreten. F ü r die mit dem Deutschen fast untrennbar verbundene politische Betätigung, f ü r seine innerpolitischen K ä m p f e hat der Amerikaner kein Interesse u n d keine Zeit. Und dementsprechend ist sein Einfluß auf die Gesetzgebung seines Landes weit geringer, als es in E u r o p a der Fall ist. Sind bestimmte Gesetze durchzubringen, so wird der amerikanische Wähler als M a s s e vorgeschickt — geschickt geführt durch die interessierten Parteien.
D a s politische, sozialpolit. i'nd wirtschaftl. Leben in Amerika.
IS
Besonders klar kommt das in der s o z i a l e n G e s e t z g e b u n g zum Ausdruck, und damit rücken wir unserem Kernproblem, der Arbeitswissenschaft, schon näher und können jetzt, unterstützt durch Statistiken und Tatsachen, bereits einige ganz scharf ausgeprägte Unterschiede zwischen Amerika und Europa beleuchten. Von selbst wird dann als Nächstes die Frage entstehen, ob die Betriebswissenschaft in der Art sich auswirken konnte, wie sie es tatsächlich tat, wenn die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse andere wären, als sie es drüben sind, und ob sie in ihren Auswirkungen in Europa je einen so gefügigen Boden finden würde wie drüben. Wir werden im Laufe dieser Untersuchung auch sehen, wie diese besonderen Bedingungen — Lohn, Zeit und persönliche Fürsorge — vom amerikanischen Unternehmertum mit allen Kräften gefördert und propagiert werden. Zunächst einige Zahlen, die die Riesenausmaße der amerikanischen Industrie zeigen, die von Anfang an die drüben bestehenden weitaus größeren technischen und organisatorischen Wirklichkeiten und Möglichkeiten vor Augen führen, und die Verständnis für den gewaltigen Unterschied zwischen der Psyche des amerikanischen und europäischen Arbeiters wecken sollen. Nach einer im „Observer" mitgeteilten Statistik gab es 1914 in den Vereinigten Staaten 275791 Fabriken mit 7 Millionen Arbeitern, in 1921 aber 250321 Fabriken, ebenfalls mit 7 Millionen Arbeitern. Ist schon daran das Bestreben zur Zusammenfassung der Betriebe erkennbar, so wird es noch deutlicher, wenn man die Größenklasse der Fabriken in Betracht zieht. In Mittelbetrieben hat die Zahl der Arbeiter um 20% zugenommen, in Großbetrieben mit mehr als 1000 Mann um 90%. Während die Erzeugung in kleineren Unternehmungen verhältnismäßig sinkt, steigt die der Großunternehmungen. So betrug der Anteil der Fabriken mit einer Jahreserzeugung von 20000 bis 100000 Dollar am Gesamtherstellungswerte im Jahre 1914 noch 10,5%, nach dem Kriege aber nur 5,7%; dagegen ist der Anteil der Fabriken mit einer Jahreserzeugung von mehr als 1 Mill. Doli, von 48,6 auf 67,8% gestiegen. Die Arbeits- und OrganisationBökonomieläßt sich aus der folgenden Statistik der maschinellen Ausrüstung, des Lohnes, des Kapitals, des Rohstoffwertes und des Wertes der Erzeugung beurteilen.
I I . Amerika und Enropa von heute.
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Maschinelle Ausrüstung je Arbeiter Lohn in Milliarden Dollar . . Zahl der Arbeiter in Millionen Leistung je Lohneinheit . . . Leistung je industriellen Arbeiter Kapital in Milliarden Dollar . Rohstoffwerte Wert der Erzeugung
1899
1914
1921
2,55 H P 2,008 100% 4,7 100% 100% 100% 9,0 100% 100% 100%
3,2 H P 4,078 204% 7,0 149% 104% 142% 22,8 254% 218% 212%
3,24 H P » 8,2 410% 7,0 149% 93% 255% 44,5* 495% 385% 381%
• 1919.
Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß das Sinken des Ertrags j e Lohneinheit — wegen des Steigens der Löhne — aufgewogen wird durch entsprechende Leistungssteigerung je Arbeiter; das ist zurückzuführen auf neue Arbeitsverfahren und neuzeitliche Einrichtung. Die neuzeitliche Großerzeugung kann nur bestehen bei Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des Arbeitsprozesses. So ist es gelungen, die allgemeinen Unkosten je Einheit des Erzeugnisses in 1919 gegen die von 1899 auf 9 5 % herabzudrücken; das macht auch bei kleinen Prozentsätzen ganz bedeutende Beträge aus. Seit Beginn des J a h r h u n d e r t s ist der inländische Verbrauch in den Vereinigten Staaten auf das Vierfache gestiegen, während die Bevölkerung nur u m 4 0 % gewachsen ist. Die Ausfuhr ist gegenüber der von 1899 auf das Sechsfache gestiegen, während sich Gütererzeugung, Löhne, Rohstoffverbrauch und Kapital durchschnittlich auf das Vierfache erhöht haben. Darin k o m m t am deutlichsten die hohe Wirtschaftlichkeit der amerikanischen Großerzeugung f ü r den heimischen Verbrauch wie auch f ü r die Ausfuhr zum Ausdruck. Zur Ergänzung sei noch auf eine Arbeit von Ed. S. C o w d r i c k , „Labor Relations in American I n d u s t r y " verwiesen, über die er anläßlich des letzthin in P r a g stattgefundenen arbeitswissenschaftlichen Kongresses referierte:
Das politische, sozialpolit. und Wirtschaft!. Leben in "Amerika.
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Die Volkszählung im Jahre 1922 ergab, daß im ganzen Lande 41614248 Personen im Alter von über 10 Jahren erwerbstätig waren. Die eingeschriebenen Mitglieder der American Federation of Labor (Vereinigte amerikanische Gewerkschaft) betrugen im Jahre 1923 nnr etwa 2900000; ganz hoch gegriffen, kann man sagen, daß es in den Vereinigten Staaten etwa 4 Millionen Gewerkschaftsmitglieder gibt. Bereits aus diesen Zahlen sehen wir deutlich das bestätigt, was zu Anfang unserer Ausführungen bereits angedeutet wurde: die politische Uninteressiertheit der Amerikaner, und hier insbesondere die des amerikanischen Arbeiters. Sie ist vor allem zurückzuführen auf die ungleich bessere Lebensweise der amerikanischen Arbeiterschaft als Ganzes betrachtet. Der Arbeiter drüben hat in den meisten Fällen seine geregelte Arbeitszeit von acht Stunden, seinen sehr auskömmlichen Lohn, der es ihm gestattet, nicht nur weit besser als der europäische Arbeiter zu leben, sondern auch noch etwas für Zeiten der Not zurückzulegen. Der amerikanische Arbeiter besitzt in vielen Fällen sein kleines Häuschen, sein Automobil, und es steht ihm durch das drüben herrschende liberale Erziehungssystem offen, seine Kinder ohne große Ausgaben studieren zu lassen. Wie anders steht es um die deutsche, ja man kann ruhig sagen um die europäische Arbeiterschaft! Wir kennen die Not unserer Arbeiterschaft, wissen nur zu gut, daß, von einem Automobil überhaupt zu schweigen, die inländische Kaufkraft ihres Lohnes ihr nicht das bescheidenste Auskommen gestattet. Daß der so um sein Leben kämpfende Arbeiter zu Organisationen Zuflucht nimmt, die ihm Besserung seiner Lage und Schutz vor weiterer Verschlechterung versprechen, ist natürlicher Ausfluß dieses Zustandes. Hier finden wir wieder einen t y p i s c h e n U n t e r s c h i e d zwischen dem amerikanischen und europäischen Arbeiter. Dieser ist fest in seinen Gewerkschaften verankert, die Macht und Ansehen erlangt haben. Jener ist bei weitem nicht in dem Maße für die Fragen der Politik und der Gewerkschaftsbewegung interessiert wie sein europäischer Kollege. Nur Not schweißt zusammen. Die auch drüben selbstverständlich vorhandenen radikalen Strömungen sind in der Vereinigung der „I. W. W." (InterW i t t e , Taylor—Gllbreth—Ford.
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II. Amerika und Europa von heute.
n a t i o n a l W o r k e r s of t h e World) z u s a m m e n g e s c h l o s s e n . Sie k ö n n e n a b e r m i t ihren k o m m u n i s t i s c h e n G e d a n k e n n i c h t d u r c h d r i n g e n , d a d e r D u r c h s c h n i t t s a r b e i t e r d r ü b e n sich schwer d a z u entschließen k a n n , a u c h n u r in G e d a n k e n eine d e m k o m m u n i s t i s c h e n P r i n z i p e n t s p r e c h e n d e eventuelle Teilung seines kleinen Besitzes zu berücksichtigen. Die U n t e r n e h m e r in A m e r i k a sind weise u n d h a b e n die hier f ü r sie möglichen Vorteile klar e r k a n n t : sie sind in ihren E n t schlüssen u n d i n ihrer H a n d l u n g s w e i s e freier, w e n n sie einen S t a m m williger u n d g e s u n d e r A r b e i t e r zu i h r e r bedingungslosen Verfügung haben. U n d der a m e r i k a n i s c h e A r b e i t e r ist willig u n d gefügig! E r m u ß willig u n d gefügig sein a u s zweierlei G r ü n d e n . D a s A r b e i t s v e r h ä l t n i s k a n n in den Vereinigten S t a a t e n sofort, zu j e d e r Zeit, ohne v o r h e r g e h e n d e K ü n d i g u n g v o n beiden Seiten gelöst werden, gleichgültig ob es sich u m Arbeiter oder Angestellte h a n d e l t . S t e t s s c h w e b t ü b e r d e m i n L o h n u n d Sold s t e h e n d e n Menschen d a s D a m o k l e s s c h w e r t der sofortigen E n t lassung. U n d d a n n ist es noch ein a n d e r e s , das i h n z w i n g t „ g e f ü g i g " zu sein. Der amerikanische A r b e i t e r i6t in weit h ö h e r e m Maße als sein europäischer Kollege gezwungen, in j u n g e n J a h r e n d a r a u f b e d a c h t zu sein, möglichst ohne U n t e r b r e c h u n g Bes c h ä f t i g u n g zu h a b e n ; d e n n A m e r i k a ist wie kein a n d e r e s L a n d der W e l t d a s „ L a n d der J u g e n d " . D a s Alter wird im Erwerbsleben n i c h t r e s p e k t i e r t . B r u t a l u n d rücksichtslos k a n n der z u g r u n d e gehen, der in seiner J u g e n d n i c h t f ü r das A l t e r sorgte. U n d d a s „ A l t e r " f ä n g t d r ü b e n schon mit 40, s p ä t e s t e n s m i t 45 J a h r e n a n ; da ist die Maschine Mensch n i c h t m e h r so leistungsfähig, n i c h t m e h r so „ e f f i c i e n t " wie d a s „ S y s t e m " es v e r l a n g t ! Eine s o z i a l e G e s e t z g e b u n g in u n s e r e m Sinne gibt es in A m e r i k a n i c h t . I n v a l i d e n - u n d K r a n k e n - u n d s t a a t l i c h e Lebensversicherung sind u n b e k a n n t . I s t der Arbeiter k r a n k oder siech oder völlig e r w e r b s u n f ä h i g , so m u ß er sich e n t w e d e r aus eigenen Mitteln helfen oder er fällt der ö f f e n t l i c h e n W o h l t ä t i g k e i t zur L a s t . N u r in den seltensten Fällen springt ein b e s o n d e r s . m e n s c h e n f r e u n d licher U n t e r n e h m e r f ü r i h n e i n ; d e n n ein solches Vorgehen h a t keinen P l a t z i m „ E f f i c i e n c y - S y s t e m " , wie ihr t y p i s c h s t e r Vertreter, F o r d , rundheraus erklärt!
Das politische, sozialpolit. und wirtschaftl. Leben in Amerika.
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Auch die U n f a l l v e r h ü t u n g « - und G e w e r b e h y g i e n e v o r s c h r i f t e n sind drüben nicht so streng wie bei uns. Das ist auch eigene Sache des Betriebes, f ü r die Sicherheit des Arbeiters zu sorgen! Trotzdem der Unternehmer, wie aus alldem klar hervorgeht, gerade in diesen sozialpolitischen Fragen viel freiere H a n d wie der europäische hat, so sehen wir doch das fast Umgekehrte: in den großen neuzeitlich eingerichteten Betrieben Amerikas ist die Fürsorge f ü r den Arbeiter, die Gesundheitspflege, sind die Unfallverhütung6maßnahmen in großzügigster Weise durchgeführt. Die soziale Fürsorge erstreckt sich bis auf das Privatleben und nimmt hierbei Dimensionen an, mit denen sich der hiesige Arbeiter nicht befreunden könnte. Aber nicht aus Menschenliebe geschieht diese Fürsorge, sondern n n r aus der rein vernunftgemäßen Überlegung, daß der kranke oder verletzte oder der durch Krankheit in seiner Familie beunruhigte Arbeiter nicht sein Bestes, nicht seine „lOOprozentige Leistung" hergeben k a n n ! Aus den gleichen Erwägungen finden wir, daß der durchaus nicht gesetzlich vorgeschriebene A c h t s t u n d e n t a g fast durchgängig in den ganzen Vereinigten S t a a t e n Anwendung findet. Daß die drüben gezahlten Löhne weitaus höher als alle europäischen sind, wurde bereits erwähnt. Es m u ß sehr zu denken geben, wenn wir diese Tatsachen objektiv betrachten und einen Vergleich mit den in Europa herrschenden Verhältnissen ziehen. Nur schwer und nur durch äußersten Zwang entschließt sich hier der Arbeitgeber zu irgendwelchen Konzessionen in dieser Beziehung, und drüben geschieht das alles aus der rein e g o i s t i s c h e n Erwägung heraus, auf diese Weise ein gefügiges Werkzeug in der Produktion zu haben und die Gestehungskosten — das A und 0 des Betriebes — herabsetzen zu können. Von dem gleichen „Efficiency-Gedanken" ist übrigens auch die große , , S a f e t y - F i r s t - M o v e m e n t " („Sicherheit-zuerstBewegung") zu verstehen, die im Verkehrsleben ihren Anfang nahm und zurzeit einen riesigen Umfang angenommen und viel Gutes geleistet h a t . Die Unglücksfälle im öffentlichen Leben nahmen in erschreckendem Maße zu, und die Verkehrsmittel lagen u n d liegen 2*
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II. Amerika und Europa von heute.
noch heute zum größten Teil in Privathä'nden! Abhilfe mußte vor allem im Interesse der so schwer belasteten Besitzer geschaffen werden und wurde durch diese großzügig eingeleitete Bewegung auch tatsächlich erreicht! Durch besonders eindringliche und vor allem durch g e f ü h l s m ä ß i g besonders packende P l a k a t e wurden dem Publikum auf der Straße, in der Schule, in der Zeitung, im Kino, j a sogar in der Kirche die Gefahren der Unachtsamkeit im Verkehrsleben drastisch vorgeführt. Vorteile haben beide Teile aus dieser von reinstem Egoismus geleiteten Bewegung: der Besitzer und Unternehmer hat weniger zu zahlen und der bisher Betroffene behält in Zukunft seine gesunden Glieder! Die amerikanischen Lebensversicherungsgesellschaften, allen voran die vielleicht größte Gesellschaft dieser Art, die M e t r o p o l i t a n L i f e I n s u r a n c e C o m p a n y , haben eine ähnliche Bewegung zur Erhöhung des Gesundheitsniveaus ihrer versicherten Mitglieder, und damit mittelbar des gesamten Volkes eingeleitet. Sie propagieren mit allen Mitteln die jährliche ärztliche Untersuchung, sie haben eigene Ärzte und eigenes Pflegepersonal und vermitteln für wenig Geld Erholungs- und Gesundungsaufenthalt auf dem Lande. Und alles das nur, um ihren Betrieb „leistungsfähiger" zu gestalten — um mehr Geld zu verdienen! Das sind so grundlegende Unterschiede im Vergleich zu europäischem Gebaren, daß wir achtlos unter keinen Umständen an ihnen vorbeigehen dürfen. Nicht nur das Äußere, das Augenblickliche ist hier entscheidend, es muß ein andersgearteter Menschenschlag sein, der unter so gänzlich anderen Bedingungen sein Leben l e b t ! E s darf aber nicht ohne weiteres entschieden werden, welches Verfahren das bessere ist. Der europäische Arbeiter gerät durch die ohne Zweifel sehr segensreichen staatlichen Fürsorgemaßnahmen (Krankenkasse, Invalidenversicherung usw.) in ein gewisses Abhängigkeitsstadium; er ist leichter geneigt, sich auf diese Institutionen zu verlassen und die eigene Rücksichtnahme auf Gesundheit und Alter, kurz seine Selbständigkeit in dieser Beziehung aufzugeben.
Das technische Erziehunggwesen.
c) Das technische Gefahren der „neuartigen"
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Erziehungswesen.
amerikanischen
Lehrlingsausbildung.
Wenn wir in den Vereinigten Staaten das technische Erziehungswesen — denn nur mit diesem können wir uns hier beschäftigen — näher betrachten und den Versuch eines Vergleichs unternehmen, so finden wir vor allem zwei große Strömungen: eine, die für eine auf möglichst umfassender Grundlage aufgebaute fachliche Ausbildung des Lehrlings als des späteren gelernten Arbeiters eintritt und die andere, die im schärfsten Gegensatz hierzu, die drei- oder gar vierjährige Lehrzeit als im höchsten Grade verschwenderisch und f ü r unsere heutigen Fabrikationssysteme als völlig überflüssig hinstellt. Diese Richtung spricht lediglich dem u n - und angelernten Arbeiter das W o r t ! Die Vertreter der gediegenen fachlichen Ausbildung weisen eindringlich auf die für die Industrie entstehenden Gefahren der in den letzten J a h r e n so arg vernachlässigten Ausbildung des Lehrlings hin und propagieren und führen drüben Werkschulen u n d Schulwerkstätten ein, die sich in gleicher oder zumindest in sehr ähnlicher Richtung wie die deutschen bewegen, trotzdem diese den Amerikanern in bezug auf die gediegene Ausbildung ohne Zweifel überlegen sind. Wir finden Ansätze zur und Anklänge an den Gedanken der „Arbeitsschule". Führende Autoritäten auf dem Gebiete des technischen Erziehungswesens aus Amerika erklärten die Arbeiten des „Deutschen Ausschusses f ü r technisches Schulwesen" als vorbildlich und erstrebenswert f ü r Amerika! Die zweite Richtung ist f ü r die Zwecke dieser Schrift wichtiger u n d bedeutsamer, kann sie uns unter Umständen mit schwerstem Schaden bedrohen! Führende Betriebswissenschaftler und typische Vertreter dieser Richtung in Amerika — es seien hier nur die Namen F o r d , T a y l o r und G i l b r e t h genannt — erklären die bisher in Amerika noch immer geübte Heranbildung des g e l e r n t e n Arbeiters f ü r ein Unding in unserer heutigen Zeit der Arbeitsteilung u n d Mechanisierung. So h a t G i l b r e t h z. B. die radikale Äußerung getan, daß das gegenwärtige Lehrlingssystem vom Standpunkt des Lehrlings als armselig und verbrecherisch und vom S t a n d p u n k t eines modernen Betriebsführungsystems als lächerlich anzusehen sei;
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II. Amerika und Europa von heute.
v o m v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n S t a n d p u n k t b e t r a c h t e t , gäbe es keine W o r t e , die die hierbei v o r k o m m e n d e V e r s c h w e n d u n g u n d Verg e u d u n g scharf genug geißeln k ö n n e n ! I n t e r e s s a n t u n d t y p i s c h ist d a s Vorgehen d e r R u s s e n zu dieser F r a g e . Die S o w j e t r e p u b l i k h a t v o n allem A n f a n g a n der Betriebsw i s s e n s c h a f t , wie sie vor allem v o n T a y l o r u n d G i l b r e t h gep r e d i g t w u r d e , regstes Interesse e n t g e g e n g e b r a c h t u n d so das C i l b r e t h s c h e L i c h t b i l d v e r f a h r e n bei B e w e g u n g s a u f n a h m e n mit einigen sog. „ V e r b e s s e r u n g e n " in g r o ß e m U m f a n g ü b e r n o m m e n . A u c h der F r a g e der Lehrlingsausbildung w e n d e n die R u s s e n b e s o n d e r e A u f m e r k s a m k e i t zu u n d i n t e r e s s a n t ist ihre Stellungn a h m e in b e z u g auf den v o n G i l b r e t h v e r t r e t e n e n S t a n d p u n k t . Sie h a b e n i m Z u s a m m e n h a n g h i e r m i t vor k u r z e m einen F r a g e bogen a u s g e a r b e i t e t , der zu dieser F r a g e u n d d a r ü b e r h i n a u s g e h e n d zu der F r a g e der L e h r l i n g s a u s b i l d u n g i m allgemeinen die Meinung m a ß g e b e n d e r Kreise einholen will. D e m Ergebnis wird m a n mit einiger S p a n n u n g e n t g e g e n s e h e n k ö n n e n . Ü b e r die v o n G i l b r e t h g e ä u ß e r t e r a d i k a l e A u f f a s s u n g k a n n m a n d u r c h a u s geteilter Meinung sein. Wir m ü s s e n u n s a b e r k l a r vor A u g e n f ü h r e n , d a ß die v o n diesem Zweige der wissens c h a f t l i c h e n B e t r i e b s f ü h r u n g v e r t r e t e n e R i c h t u n g unweigerlich den W e g der völligen Mechanisierung des A r b e i t e r s geht. Sie m u ß i h n logischerweise gehen, sonst k o m m t sie mit i h r e m in i m m e r gesteigertem Maße sich a u s w i r k e n d e n Arbeitsteilungsprinzip i n a r g e n K o n f l i k t . K o m p e n s i e r t soll die „ E n t s e e l u n g " der Arbeit d u r c h die S c h a f f u n g innerer persönlicher W e r t e , wie z. B. F r e u d e a m S p o r t , a m H e i m , an der H ö h e der G e h a l t s p r ä m i e u n d der täglich erzielten Leistung w e r d e n ! Diese E n t w i c k l u n g schreitet in d e n Vereinigten S t a a t e n weiter, u n d wir sehen schon in d e n F o r d f a b r i k e n als S y m b o l k ü n f t i g e r R i c h t u n g , d a ß hier n u r wenige, d a f ü r a b e r hochqualifizierte g e l e r n t e Arbeiter V e r w e n d u n g f i n d e n , u n d d a ß das große H e e r der übrigen Angestellten lediglich in kürzester Zeit a n g e l e r n t e A r b e i t s k r ä f t e , also S k l a v e n sind. Diesen Gedanketagang b e l e u c h t e t , f u h r t weiter u n d idealisiert der Verfasser eines vor e t w a J a h r e s f r i s t erschienenen Buches Der E i s e r n e M a n n in der I n d u s t r i e " (The I r o n M a n in I n d u s t r y ) on A r t h u r P o u n d .
Das technische Erziehungswesen.
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Hier wird versucht, das Problem der „Entpersönlichung des Arbeiters" zu lösen, und zwar in einer Art und Weise, die wir als typisch amerikanisch bezeichnen müssen. Nicht ohne Berechtigung sagt der Verfasser, daß dem Rade der Entwicklung nicht in die Speichen gefallen werden kann, und daß es unaufhaltsam weiter rollen wird. Arbeitsteilung, Mechanisierung der Arbeit und Ausschaltung des gelernten Arbeiters haben noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht und sind noch durchaus steigerungsfahig. P o u n d sieht die Lösung der ohne Zweifel eines Tages hier eintretenden Krise in der Weise, daß der mechanische Apparat des Betriebes, die M a s c h i n e , nach und nach a l l e Funktionen des Arbeiters automatisch ausführen wird, j a , der Verfasser kann sich sogar denken, daß schließlich eine Fabrik von nur e i n i g e n , ganz hochqualifizierten Arbeitern bedient werden wird! Bei diesen Arbeitskräften tritt also wieder die Notwendigkeit einer ausgiebigen Lehrzeit ein; alle anderen Arbeitskräfte will der Verfasser wieder dem Lande und der Landwirtschaft zuführen. Die Großstädte werden aufgelöst und die Bevölkerung wieder gleichmäßig über das ganze Land verteilt, eine Meinung, die übrigens auch des öfteren bei Ford zu finden ist. Scharf unterscheiden sich diese Tendenzen von den bei uns üblichen. Wir wiesen bereits vordem auf die Arbeiten des „Deutschen Ausschusses für Technisches Schulwesen" in Berlin hin, der in der fachlichen Ausbildung des zukünftigen gelernten Arbeiterstammes eine der Pfeiler unserer Entwicklung und des Gedeihens unserer Industrie sieht. An dieser Stelle müssen wir uns schon über eines klar sein: das bedingungslose Übernehmen eines sich in Amerika bewährten„ S y s t e m e s " oder „Verfahrens" setzt gleiche Bedingungen und gleiches Menschenmaterial voraus. Müssen wir unter Berücksichtigung des bisher Gesagten nicht erst einen Umwandlungsprozeß unserer Arbeiterschaft, unseres M e n s c h e n m a t e r i a l s durchmachen, ehe wir zu gleichen Voraussetzungen und Ergebnissen kommen können ? Und ist uns vom rein kulturellen, vom ethischen Gesichtspunkt aus unter Ausschaltung aller persönlichen Motive dieses Ziel das erstrebenswerteste ? Die Beantwortung dieser Frage an dieser Stelle ist noch verfrüht.
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II. Amerika und Europa von heute.
Nicht von rein äußeren H i l f s m i t t e l n , nicht von V o r d r u c k e n — die b i l l i g sind! — war bisher die Rede nnd auch noch nicht von der A r b e i t s w i s s e n s c h a f t , wie wir sie auffassen, sondern von A m e r i k a und D e u t s c h l a n d und Europa und vom M e n s c h e n , der hinter aller Arbeit steht und sie b e s e e l e n sollte!
III. Taylor und Gilbreth. Zwei Pioniere der Arbeit. — Die Arbeitswiseenschaft in den Vereinigten S t a a t e n . Im vorhergehenden Abschnitt wurde der Versuch unternommen, einige grundsätzliche Unterschiede nachzuweisen zwischen amerikanischen und europäischen Arbeitsbedingungen, amerikanischem und europäischem Arbeitermaterial und zwischen den zur Erzielung konkurrenzfähiger Ware drüben und hier angewandten Mitteln. E s wurden die drüben herrschenden p o l i t i s c h e n und g e w e r k s c h a f t l i c h e n , die s o z i a l e n und p ä d a g o g i s c h e n , die a r b e i t l i c h e n , w i r t s c h a f t l i c h e n und g e o g r a p h i s c h e n , kurz die k u l t u r e l l e n und z i v i l i s a t o r i s c h e n Bedingungen geschildert und gezeigt, daß gerade diese Faktoren von unseren in jeder Beziehung so stark abweichen, daß ein Vergleich oder ein bedingloses Gleichmachenwollen nur mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist. Und es wurde kurz angedeutet, wie diese Tendenzen drüben sich auswirken. Ehe wir nun fortfahren und uns mit dem derzeitigen Stand der Arbeits Wissenschaft, vor allem in den Vereinigten Staaten, beschäftigen, sind einige ganz allgemeine Anmerkungen zu diesem Problem von Wichtigkeit. Was bisher geschildert wurde, ist nicht A r b e i t s w i s s e n s c h a f t wie wir sie auffassen und aufgefaßt wissen wollen und auch nicht die von führenden amerikanischen Betriebswissenschaftlern gepredigte B e t r i e b s w i s s e n s c h a f t ; es sind Auswirkungen, die besondere Arbeitssysteme oder Teilanwendungen drüben zeitigten. Über die Notwendigkeit einer systematischen Kenntnis der Arbeit, des Arbeiters und des im Produktionsprozeß verwendeten Materials, einer Arbeits- und Menschenkunde, einer Materialund Warenkenntnis, kurz einer W i s s e n s c h a f t der A r b e i t , kann es nur eine Meinung geben.
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III. Taylor und Gilbreth.
Ferner, daß die e r s t m a l i g von T a y l o r aufgestellten und von Cantt, Gilbreth, Emerson usw. fortgeführten und ausgebauten Richtlinien als Ganzes betrachtet theoretisch einwandfrei, wenn auch vielleicht noch lückenhaft sind, wird ebenfalls allgemein zugegeben. In diesem Zusammenhang kann ich auch heute nur das wiederholen, was ich bereits im Jahre 1922 in einer kleinen Arbeit „ K r i t i k des Z e i t s t u d i e n v e r f a h r e n s " zu dieser Frage ausführte (S. 2/3): „Auch heute noch wird dem sog. Taylorsystem in vielen Ländern heftigster Widerstand entgegengesetzt. Und unwillkürlich erheben sich da die Fragen: warum hat es die Praxis des nun bereits über fünfunddreißig Jahren in vielen Betrieben eingeführten Taylorsystems nicht vermocht, diesen Widerstand zu brechen und die Haltlosigkeit der erhobenen Vorwürfe zu beweisen ? Und ist der in Deutschland so scharfe Widerstand gegen das System vielleicht nicht doch berechtigt ? „Ist dieser Vorwurf aber berechtigt, wie können dann seine Ursachen beseitigt und wie kann dem System endlich zu der ihm gebührenden Bedeutung und Berücksichtigung verholfen werden ? Denn daß die dem System (gleichgültig ob Taylor- oder Mülleroder Schulzesystem!) zugrunde liegenden Gedanken des größten Erfolges bei geringstem Energieaufwand an und für sich gesund sind, daß gegen die von T a y l o r ausgeführten grundlegenden Ideen an und für sich nichts eingewendet werden kann, ist heute allen Einsichtigen klar — gleichgültig, ob es sich um Arbeiter oder Unternehmer handelt. „Die T h e o r i e des S y s t e m s , niedergelegt vor allem in Shop M a n a g e m e n t (1903) und ergänzt durch die P r i n c i p l e s of S c i e n t i f i c M a n a g e m e n t (1911) ist im großen und ganzen durchaus einwandfrei. „Das System hat aber in der Praxis mitunter nicht den Erfolg gezeitigt, den es wohl auf Grund seiner Theorie verdiente; es hat die gegebenen Versprechungen in vielen Fällen nicht voll und ganz erfüllen können; die Kluft zwischen Arbeiter und Unternehmer hat sich nicht geschlossen." Worin besteht diese Kluft, und welche Ursachen liegen ihr zugrunde ? Und vor allem, wie stellte sich die europäische Wirtschaft den von drüben überlieferten Systemen gegenüber ?
Frederick W. Taylor, sein Leben und Werk.
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E s sei in diesem Z u s a m m e n h a n g n o c h m a l s b e t o n t , d a ß Zweck der vorliegenden S c h r i f t vor allem die K l a r s t e l l u n g u n d S ä u b e r u n g dieser F r a g e sein soll. Also: was ist d r ü b e n , was ist hier, was k ö n n e n wir v o n d r ü b e n Ubernehmen, was b e d r o h t u n s v o n d r ü b e n u n d in w e l c h e m M a ß e ? W a s k a n n bei u n s gebessert werden ?
a) Frederick W. Taylor, sein Leben und Werk. I m vorigen J a h r ist im A u f t r a g e u n d i m Verlage der A m e r i c a n S o c i e t y of M e c h a n i c a l E n g i n e e r s , also des A m e r i k a nischen I n g e n i e u r v e r e i n e s eine zweibändige T a y l o r - B i o g r a p h i e erschienen. Wir k e n n e n die Geschichte u n d den Erfolg u n d die Sensation, d e n d a s o h n e allen Zweifel sehr geschickte u n d ü b e r a u s flüssig geschriebene F o r d - B u c h bei u n s u n d d a r ü b e r h i n a u s in der g a n s e n zivilisierten W e l t h e r v o r g e r u f e n h a t . Man wird d a h e r m i t ä h n l i c h e n E r w a r t u n g e n zu d e m TaylorB u c h greifen u n d obwohl es r e c h t I n t e r e s s a n t e s b i e t e t u n d durcha u s wertvoll ist, es d o c h n i c h t ganz befriedigt zur Seite legen. Rein ä u ß e r l i c h liegen zwei p r a c h t v o l l a u s g e s t a t t e t e B ä n d e vor, die b u c h t e c h n i s c h j e d e n B u c h l i e b h a b e r e n t z ü c k e n m ü s s e n . Ü b e r 900 Seiten mit f a s t f ü n f z i g p h o t o g r a p h i s c h e n R e p r o d u k t i o nen u m f a ß t d a s B u c h , d a s d e n Titel t r ä g t : F r e d e r i c k W. T a y l o r F a t h e r of Scientific M a n a g e m e n t . Der B i o g r a p h des Buches, F r . B a r k l e y C o p l e y , h a t mit unendlicher S o r g f a l t , Liebe u n d M ü h e in j a h r e l a n g e r , n u r dieser Aufgabe g e w i d m e t e n Arbeit alles z u s a m m e n g e t r a g e n , dessen er ü b e r h a u p t ü b e r T a y l o r u n d Wissenschaftliche B e t r i e b s f ü h r u n g h a b h a f t w e r d e n k o n n t e . E r g e h t auf der einen Seite auf die Genealogie des H a u s e s T a y l o r ein, er b e r i c h t e t u n s v o n d e n E l t e r n u n d G r o ß e l t e r n T a y l o r s u n d d e n e n seiner F r a u u n d auf der anderen, rein a r b e i t l i c h e n Seite g e h t er n a c h Meinung vieler Amerik a n e r so weit, d a ß er a l l e bis zu d e m im J a h r e 1915 erfolgten T o d e T a y l o r s u n d d a r ü b e r h i n a u s auf d e m Gebiet der Arbeitswissenschaft erzielten F o r t s c h r i t t e n u r T a y l o r allein zuschreibt. Das h a t t e T a y l o r a b e r gar n i c h t nötig. T a y l o r s Verdienst lag auf a n d e r e m Gebiet, d a s i h m a u c h niemals g e n o m m e n w e r d e n k a n n . A u c h h i e r ü b e r schrieb ich b e r e i t s vor einigen J a h r e n :
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III. Taylor and Gilbreth.
„ D i e Erkenntnis, daß eine V o r h e r b e s t i m m a n g der für eine Arbeit gebrauchten Zeit möglich sei, war das wesentlich Neue, das f a s t revolutionierend auf die Industrie wirkte. Und zusammen mit einer auf dieser Grundlage aufgebauten Organisation, in der sich in logischer Aufeinanderfolge ein Rädchen ins andere f ü g t e , hat T a y l o r etwas geschaffen, das der Industrie in allen Ländern neue Wege wies, und das ihr vor allem die Erfordernisse größter Planmäßigkeit vor Augen hielt. Und noch ein weiteres Verdienst T a y l o r s ist darin zu erblicken, daß er erstmalig ein von ihm entwickeltes System der Betriebsführung der breiten Öffentlichkeit r ü c k h a l t l o s übergab, daß er die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf diese Fragen lenkte, daß er zunächst und vor allem I n t e r e s s e erweckte. „ U n d gleichgültig, wie man seinem System gegenüberstand — auch seine Gegner müßten vor allem erkennen, d a ß eine straffere systematische Organisation erste Bedingung jedes Erfolges sei. H a t Taylor also, wenn aOch in manchen Fällen nur mittelbar, dazu beigetragen, Interesse für diese Bestrebungen zu wecken, und auf Besserung der bestehenden Verhältnisse zu dringen, so hat er schon seinen reichlichen Teil zum allgemeinen Fortschritt beigetragen." Beim Lesen dieser Biographie wird man vor allem von jenem a m e r i k a n i s c h e n I d e a l i s m u s umfangen, der dort auch mehr materiellen Bestrebungen anhaftet, und den ohne weiteres in seinen B a n n zwingt, der willens ist, sich ohne Vorurteil mit den zur Diskussion stehenden Fragen zu beschäftigen. Die Pioniere der Bewegung, wie z. B . die verstorbenen Führer T a y l o r , G i l b r e t h , G a n t t , sind derart durchdrungen von ihrer, fast möchte man es nennen L e b e n s m i s s i o n , daß sie Zweifler und Außenseiter einfach nicht verstehen können. E s ist bekannt, daß Taylors Denken und Trachten von frühester J u g e n d an einem Ziele, der Wissenschaftlichen Betriebsführung, zugewendet war. Später, als sich diese Gedanken praktisch in der Berufsarbeit auswirken konnten, gehören Neunzehntel seiner Zeit diesen Bestrebungen. Schließlich, als er sich vom Berufsleben zurückgezogen hatte, finden wir ihn zu H a u s e bei einer „Rationalisierung" der Garten- und Landarbeit. Wie weit liegt hier nicht ein Grundzug des Amerikaners und das Geheimnis des Erfolges des Amerikanertums überhaupt
Frederick W. Taylor, 9ein Leben und Werk.
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verankert ? Im vorigen Abschnitt wurde bereits auf diese Eigenschaft des Idealisierens hingewiesen, die in ähnlichem Maße auch dem amerikanischen Arbeiter und Angestellten anhaftet, und durch geschickte Pflege und Behandlung im Betriebe Gutes und Wertvolles leisten kann. Auf biographische Einzelheiten einzugehen ist an dieser Stelle nicht nötig, nachdem in der auch in deutscher Übersetzung vorhandenen „ G e s c h i c h t e W i s s e n s c h a f t l i c h e r B e t r i e b s f f i h r u n g " von D r u r y alle H a u p t d a t e n aus Taylors Leben und seiner Arbeit ausführlich angegeben und behandelt wurden. Lediglich zur Abrundung und Vervollständigung des Gesamtbildes seines Charakters und seines Werkes sei noch kurz auf einige typische Einzelheiten hingewiesen bzw. aus seiner Biographie zitiert. H e n r y R . T o w n e schrieb das Vorwort und würdigte zusammenfassend die Bedeutung des „Vaters Wissenschaftlicher BetriebsfOlirung". Als wichtigstes Ereignis seines Lebens und doch auch wieder als ein durchaus natürliches Nebenprodukt seiner arbeitswissenschaftlichen Bestrebungen ist die gemeinsam mit seinem Kollegen W h i t e gemachte Erfindung des S c h n e l l d r e h s t a h l e s anzusehen. Mit zu den interessantesten Stellen seiner Biographie gehören die leider in beiden Bänden verstreuten Ausführungen zu diesem T h e m a ; sie geben dem Ingenieur ausführliche Angaben über die Vorgänge, die zu dieser Erfindung führten, und die bisher nicht bekannt waren. Hier sei nur auf sie verwiesen; einzugehen hieße vom Thema allzuweit abschweifen. I n Amerika wurde von einem begeisterten Ingenieur ausgerechnet, daß die dortige Maschinenindustrie durch diese Erfindung eine jährliche Ersparnis von mindestens fünfzig Millionen Dollar erzielt. Bezeichnend für den amerikanischen Geist ist folgende Stelle im Buch: „Mit Hilfe dieser Schnelldrehwerkstähle war es den Vereinigten Staaten während des Krieges möglich, fünfmal soviel Munition zu erzeugen als es sonst der Fall gewesen w ä r e " und weiter lesen wir: „ h ä t t e Deutschland allein das Geheimnis des modernen Stahles besessen, so hätte kein L a n d ihm widerstehen können." (Taylor hat also, nach Meinung der Amerikaner, mittelbar maßgebend dazu beigetragen, den Weltkrieg zu gewinnen! Sein System ist wahrlich umfassend.)
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III. Taylor und Gilbreth.
In frühen Jahren kam Taylor zur M i d v a l e S t e e l C o m p a n y , die damals unter der Leitung von W. S e i l e r s stand, nach dem Ausspruch von Whitworth „dem größten Maschinenbauer der W e l t " ! S e i l e r s Grundsatz bestand darin, eine Maschine sei dann entsprechend, wenn sie gut aussehe, und dieser Grundsatz, der sich auch noch in dem Ausspruch -wiederfindet, „daß alles Graziöse durch eine Ausmerzung alles Überflüssigen entstehe," erwies sich fast als bestimmend für Taylors weitere Karriere. Seilers' Maschinen wurden trotz ihres wirklich künstlerisch schönen Aussehens in Form und Linie als durchaus praktisch anerkannt, und zwar war alles Überflüssige ausgemerzt und der w i r k l i c h e Z w e c k der Maschine niemals aus dem Auge gelassen. Hieraus könnte man schließen, sagt der Biograph, daß das Taylorsche Zeitstudienverfahren, das bei Arbeitsverrichtungen fast automatisch überflüssige Bewegungen ausschalten soll, ein Ausfluß dieses Sellersschen Grundsatzes sei. Der fortschrittliche Geist Seilers' geht auch daraus hervor, daß bereits um das J a h r 1 8 7 6 in diesen Maschinenwerkstätten eine Untersuchung veranstaltet wurde über die b e s t e F o r m und den b e s t e n W i n k e l für seitie Schneidstähle, daß er daraufhin Normen festsetzte, die eine Synthese der auf diesem Gebiet vorhandenen besten Art darstellte. Er veranlaßte, daß die in seinem Betrieb verlangten Werkzeuge dem Arbeiter geschliffen ausgehändigt wurden, und zwar auf einer Maschine, die er eigens für den Zweck konstruierte. Alles Vorläufer zu den späteren Untersuchungen Taylors. Hier ist zum Teil die Quelle seines Schaffens zu suchen. — — — Zusammenfassend kann über diese Biographie gesagt werden, daß sie für den in der Praxis stehenden europäischen Betriebsmann wenig positives Material gibt, und daß langatmige Ausführungen das Durcharbeiten des Buches sehr erschweren. So behandelt, um ein typisches Beispiel für viele zu geben, ein Kapitel s e i n e n E i n t r i t t in d a s B e r u f s l e b e n : In ziemlich langen Ausführungen wird hier dargelegt, wie Taylor das F l u c h e n lernte, wie er es anwandte und welche Wirkung es h a t t e ! Ebenso ausführlich werden im Laufe des Buches die täglichen Berufsfreuden und -sorgen geschildert — sie sind die gleichen, die auch wir alle täglich und stündlich erleben.
Frank B. Gilbreth, sein Leben und Werk.
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Auf die Hauptphasen seines Werkes, vor allem unter Berücksichtigung der neueren amerikanischen Bestrebungen, die aber trotzdem noch immer mit seinem Namen verknüpft sind, soll im Verlaufe der nächsten beiden Abschnitte eingegangen werden. b) Frank B. Gilbreth, sein Leben und Werk. Eng, fast untrennbar mit einer Würdigung Taylors hängt die eines zweiten Führers der Bewegung zusammen, des im J u n i vorigen Jahres plötzlich verstorbenen F r a n k B. G i l b r e t h . Von T a y l o r über C a n t t , E m e r s o n und andere führt ein gerader Weg zu dem vielleicht erfolgreichsten amerikanischen Betriebsingenieur G i l b r e t h . Wie bei Taylor, so können wir uns auch bei Gilbreth biographische Einzelheiten ersparen und wieder auf das a. a. 0 . genannte Bach von D r u r y hinweisen. Lediglich das sei hier festgehalten, daß Gilbreth bereits im Jahre 1 8 9 2 eine Auszeichnung f ü r die Erfindung von Hilfsmitteln zur Verminderung der E r m ü d u n g und zur Erreichung von B e w e g u n g s e r s p a r n i s s e n im M a u r e r h a n d w e r k erhalten hat. Und von der Zeit an hat er in durchaus zielstrebiger Art diese Phasen im Rahmen der Arbeitswissenschaft und der von ihm vertretenen Richtung verfolgt, weiterentwickelt und ausgebaut. Nach dem im Jahre 1915 erfolgten Tode Taylors übernahm er in Amerika die Führerschaft auf dem Gebiete der praktischen Betriebswirtschaft und Arbeitswissenschaft, und wie kaum ein anderer hat er es verstanden, die Bewegung p o p u l ä r zu gestalten. Er weckte die Aufmerksamkeit der bisher der Bewegung noch ferner stehenden Kreise und wies immer wieder mächtig und eindringlich auf die Forderung hin, den größten Feind der Menschheit, jede unnötige Arbeit und jede Verschwendung mit allen verfügbaren Kräften und Mitteln zu bekämpfen. Der von ihm geschaffene, in Amerika jährlich im Dezember stattfindende „ A n t i - E r m ü d u n g s t a g " und seine zum Schlagwort gewordene Parole: „für jeden Arbeiter und für jede Arbeit die e i n e b e s t e A r t d e r V e r r i c h t u n g " durch Bewegungsstudien zu ermitteln, sind untrennbar mit seinem Namen verknüpft und können als die Grundlage seines Schaffens angesehen
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I I I . Taylor und Gilbreth.
werden. Alle seine Arbeiten gingen von dem Gedanken aus, durch seine Bewegungsstudien einwandfrei und vor allen Dingen m e ß b a r das Wie, Wo u n d W a n n einer jeden Arbeit zu ermitteln, und dann durch Ausschaltung alles Unnötigen die zur Zeit mögliche beste A r t festzuhalten. I n seinem großen modernen Laboratorium in Montclair, N. J . , suchte er die Methoden seiner Bewegungsaufn a h m e n , die einen seltenen Grad der Feinheit erreichten, u n d in der W e r k s t a t t setzte er die im Laboratorium gewonnenen Ergebnisse in die Praxis um. Die durch die Stoppuhr und ähnliche Hilfsmittel möglichen Zeitstudien nannte er ungenau und nicht der Mühe und Arbeit wert. Das menschliche Auge kann die bei einzelnen Arbeiten vorkommende, außerordentlich kurze Reaktion der Stoppuhr nicht schnell genug vermitteln, und da die bei einer spezifischen Arbeit herrschenden Bedingungen allein durch das Bild vollkommen aufgenommen werden können, so sind letzten Endes die Zeitstudien teurer und weniger brauchbar als das Gilbrethsche Mikrobewegungsverfahren. Alle Arbeiten, die wir kennen, gleichgültig ob im Freien oder im Räume, ob an der Drehbank, am Schreibtisch oder am Küchenherd, bestehen aus Bewegungen. Diese Bewegungen lösen sich schließlich immer in die gleichen Elemente und Grundzeiten auf. E s gilt, diese einwandfrei und meßbar zu erfassen und durch entsprechende Klassifizierung u n i v e r s e l l nutzbar zu machen. Die hiermit verbundene Arbeit ist groß, in gleicher Weise sind die dadurch möglichen Ausblicke aber ungeheuer. Seine letzten Arbeiten (Classifying the Elements of Work u n d Applications of Motion Study), die erst nach seinem Tode erschienen, beschäftigen sich gerade mit dieser Frage und zeigen, in welchem Maße Gilbreth diese Arbeit durchgeführt und genormt hat. Alle Arbeiten, alle Bewegungen und Betätigungen lassen sich auf 17 Grundelemente, die sog. „Therbligs" zurückführen, die in den verschiedensten Kombinationen und Permutationen immer wieder zu finden sein werden. Diese Elemente sind nicht mit den von der Stoppuhr möglichen Unterteilungen, die mitunter auch irrtümlicherweise als „ E l e m e n t e " bezeichnet werden, zu vergleichen. Die „Therbligs" sind kürzeste Arbeitszeiten, die sich nicht mehr unterteilen lassen.
F r a n k B. Gilbreth, «ein Leben und Werk.
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Für die graphische Arbeitsanalyse, die vom gegenwärtigen Stand des Arbeitsverlaufes und vom endgültigen reorganisierten Stand das Bild gibt, ist dieses Hilfsmittel von größter Bedeutung. Auch die Teiluntersuchung, sei es vom S t a n d p u n k t der Ermüdungsbekämpfung, sei es vom S t a n d p u n k t der reinen Zeitermittlung, kann aus einer derartig genormten Arbeitsanalyse stets das GewUnschte herauslesen. Zur besseren Veranschaulichung sei auf der nächsten Seite eine Zusammenstellung dieser 17 Grundelemente, ihre Symbole und Farben gegeben. Der beim Taylor - System nur wenig beachtete und oft vernachlässigte „menschliche F a k t o r " ist bei Gilbreth das Wesentliche und über Taylor Hinausführende in seinen Arbeiten. F&r ihn ist der Mensch, sein Verhalten und seine zweckmäßigste Behandlung der K e r n p u n k t des zu lösenden Problems. Hier finden wir den unbedingt nötigen Konnex mit dem Psychologen. Zu Lebzeiten M ü n s t e r b e r g s besteht eine Arbeitsgemeinschaft zwischen beiden. Stark gefördert werden seine praktischen und theoretischen Arbeiten durch seine G a t t i n und treueste Mitarbeiterin, die von Beruf Psychologin ist und seine Arbeiten in seinem Sinne und Geiste weiterführen wird. Von den Gilbreths finden wir auch die immer wiederkehrende Forderung aufgestellt, in weit höherem MaBe als bisher den P s y c h i a t e r für die zweckmäßigste Lösung des menschlichen Problems in der Industrie heranzuziehen. Die anormalen Eigenschaften, die sog. „ E i g e n a r t e n " des Menschen kennenzulernen und ihnen im Interesse der Sicherheit des Betriebes u n d des eigenen Lebens gerecht zu werden, ist eine der großen Aufgaben, die nur durch engste Zusammenarbeit des Ingenieurs, Psychologen und Psychiaters zu lösen ist. Die Bedeutung dieser Frage für die industrielle U n f a l l v e r h ü t u n g darf nicht unterschätzt werden. Die Herabdrückung jeder Ermüdung auf das Mindestmaß, die zweckmäßigste Gestaltung des Arbeitsplatzes und in besonderem Maße des Werkzeuges, sind Abschnitte der Betriebswirtschaftslehre, denen Gilbreth besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Auch die heute bei uns im Vordergrunde des Interesses stehende Frage der zweckmäßigsten A n l e r n u n g , der systematischen Durchbildung der Anlernschulen wurde von ihm ebenfalls besonders propagiert. W i t t e , Taylor—Gilbreth—Ford.
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I I I . Taylor und Gilbreth.
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Normalisierte Symbole, Farben u n d Farbstifte für die SIMO-KARTEN (Simultanbewegungskarte) Symbol
Name des Symbols
F a r b e des Symbols
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Seerot (lake red)
Transport mit Last
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Bezeichnung u. Nr. d. Farbstifte
Im Original erscheint
: Montieren
Violett
hier eine
u
Ausführen
Purpur
genaue
tt
Abmontieren
Hellviolett
Bezeichnung
Kontrolle
Gebräunte Ocker
der zu
In Lage bringen f ü r nächsten Arbeitsgang
Himmelblau
verwendenden
SQS
Last loslassen
Karminrot
Färb- und
w
Transport ohne Last
Olivgrün
Ausruhen — Pause
Orange
Unvermeidbare Verzögerung
Gelb-Ocker
0 ö >
K
Zeichenstifte
Vermeidbare Verzögerung Zitronengelb f
Vorbereiten
Braun
D i e H e i m l e s e b e w e g u n g u n d sein besonderes B e f ö r d e r u n g s s y s t e m , der „ D r e i - S t e l l u n g s p l a n " , v e r d i e n e n der V o l l s t ä n d i g k e i t halber hier a u f g e f ü h r t z u werden. I n G e m e i n s c h a f t m i t seiner G a t t i n h a t er eine g a n z e R e i h e v o n S c h r i f t e n herausgegeben, die u. a. a u c h i n d e u t s c h e r Sprache erschienen sind. E s sei auf das Literaturverzeichnis a m Schlüsse
Typisches der neueren amerikanischen Arbeitswissenschaft.
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des Buches hingewiesen, wo seine Bücher aufgeführt sind. Ähnlich wie Taylor war Gilbreth von Jugend auf durchdrungen von der absoluten Notwendigkeit seiner Arbeiten und darüber hinausgehend von der Mission des Ingenieurs in allen Lebenslagen. So führt er in einer größeren Arbeit „Paying the War Debts of the World" z. B. aus, daß die Ersparnisse einer wirklichen und internationalen Rationalisierung die Kriegsschulden aller Länder mit Leichtigkeit tilgen könnten. Und in einer anderen Arbeit, „Wealth from Standardization — A typical example — The standardization of spelling", weist er auf die Vorteile hin, die sich aus einer Einführung der Gedanken und entsprechend angepaßten Verfahren Wissenschaftlicher Betriebsführung und der Normung auf die Schreibweise der amerikanischen Sprache ergeben müßten. Die Arbeiten Gilbreths haben in Deutschland starkes Interesse erweckt und Anhänger und Gegner gefunden. Seine Gegner vermissen vor allem in seinen Büchern E r g e b n i s s e , konkrete Zahlen über erzielte Erfolge. Sie verkennen dabei gerade den jetzt schon des öfteren herangezogenen Unterschied zwischen dem fast überschwenglichen, fast immer optimistischen Amerikaner und dem vorsichtig und tastenden, mehr negativ als positiv eingestellten Europäer. Und Gilbreth war ein typischer Vertreter seines Landes! Wenn er auch mit dem Bekanntgeben von konkretem Material geizte, so ist doch zu sagen, daß er beruflich und auch geschäftlich einer der erfolgreichsten Betriebsingenieure Amerikas war und ein Erfolg ohne wirkliches KOnnen ist auch drüben undenkbar! c) Typisches der neueren amerikanischen Arbeitswissenschaft. Wir sprechen heute, wenn von den amerikanischen Verfahren die Rede ist, ganz allgemein von „Taylor-System", „Wissenschaftlicher Betriebsführung" oder von amerikanischer Arbeitswissenschaft. Trotzdem wird drüben scharf zwischen den Taylor-, Gantt-, Gilbreth-, Emerson-usw.-Verfahren unterschieden. Jedes dieser Verfahren verfolgt eine eigene Richtung; der Grundzug und das verfolgte Endziel sind aber überall die gleichen: größter Wirkungsgrad bei geringstem Kraftaufwand. Über eines sind sich indessen auch drüben fast alle Fachleute einig, daß das Taylor-System in der Form, w i i es von Taylor 3*
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III. Taylor und Gilbreth.
seinerzeit festgelegt wurde, heute nicht mehr das Zweckentsprechendste ist. F r e d J . M i l l e r , ein hervorragender amerikanischer Ingenieur und Vertreter des „Efficiency-Gedankens", brachte das ganz besonders klar und scharf in dem E i n l e i t u n g s r e f e r a t „Scientific Management, Nature, Achievements and T e n d e n c i e s " auf dem bereits erwähnten Prager Kongreß zum Ausdruck. Im Gegensatz zu den ausgesprochenen Taylor-Schülern gibt M i l l e r offen zu, daß Taylor durch sein System wohl Großes geschaffen hat, daß aber ein starres Festhalten an dem von ihm gegebenen Rahmen h e u t e n i c h t m e h r a n g ä n g i g i s t . Besonders die Behandlung des wichtigsten Faktors, des m e n s c h l i c h e n , erfordere heute ganz andere Maßnahmen als er sie zu seiner Zeit anschlug. Unsere ganzen Ausführungen über den gegenwärtigen Stand dieses Arbeitsgebietes wären unvollständig, wenn nicht auch die psychologischen und physiologischen Bemühungen in der amerikanischen Industrie erwähnt würden. Y o a k u m & Y e r k e s geben uns in ihrem ausgezeichneten Buch „ A r m y M e n t a l T e s t s " Einblick in die psychotechnischen Verfahren, die in der amerikanischen Armee angewendet werden. Und das auch in deutscher Sprache erschienene Buch von H e n r y C. L i n k zeigt uns den Weg, den die Psychotechnik im allgemeinen in der amerikanischen Industrie geht. Wir gelangen durch unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen, also von der t h e o r e t i s c h e n Seite zur praktischen Anwendung. Der Amerikaner geht den umgekehrten Weg: in der P r a x i s , im Fabriksaal fängt er an, baut er sein System auf, das schließlich, wenn es fertig ist, den theoretischen Forderungen dieses Wissensgebietes entsprechen soll und wohl auch in den meisten Fällen entsprechen wird. Auf physiologischem Gebiet ist in diesem Zusammenhang noch eine Arbeit zu nennen, die im Jahre 1921 vom Arbeitsamt des Staates New York unter dem Titel „ I n d u s t r i a l Pos t u r e a n d S e a t i n g " herausgegeben wurde und ausführlich zu der Frage der Ermüdungsbekämpfung durch zweckentsprechende Sitzgelegenheit und Körperhaltung Stellung nimmt. Geleitet wurde die Untersuchung vom „Bureau of Women in Indu8try" und unterstützt von der Industrie, der Wissenschaft,
Typisches der neueren amerikanischen Arbeitswissenschaft.
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den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, Regierungsstellen, Ärzten usw. Der Niederschlag der Untersuchung ist die erwähnte Broschüre von 56 Seiten, die ein Uberaus reiches positives Material mit vielen Illustrationen und praktischen Anwendungsmöglichkeiten bringt. Zur Erklärung sei noch bemerkt, daß es in der amerikanischen Gesetzgebung einen Paragraphen gibt, der für Frauenarbeiten Sitzgelegenheiten vorschreibt. Dieses Gesetz und seine bisherige laue Behandlung sowohl von Seiten des Betriebes als auch von Seiten der Arbeitenden war der Anstoß zur vorliegenden Untersuchung. Nach dieser Richtung hin hat sich G i l b r e t h stets erfolgreich eingesetzt, da er vom Standpunkt der Ermüdungsbekämpfung immer und immer wiec)er die Forderung ausreichender und vor allem zweckentsprechender Sitzgelegenheiten erhob. Hier liegt einer der Gegensätze zwischen Taylor und Gilbreth verankert. Ein zweiter, großer Gegensatz Taylor-Gilbreth ist auch auf dem Kontinent bekannt und ankert in der gegensätzlichen Auffassung über Zweck und Ziel der Z e i t - und der B e w e g u n g s s t u d i e und der zu ihrer Hilfeleistung erforderlichen Geräte. Gilbreth ist mit Recht, was wir bereits erwähnten, gegen die Ungenauigkeiten und persönlichen Einflüssen und Irrtümern zugängliche S t o p p u h r mitunter sehr scharf vorgegangen. E r propagierte das objektivere Mittel der B i l d a u f n a h m e . Aber auch deutsche Fachleute haben den bedenklichen Wert des Taylorschen Zeitstudienverfahrens erkannt. Dr. F r i t z G i e s e von der Technischen Hochschule in Stuttgart schreibt in einem Aufsatz der „Betriebswissenschaftlichen R u n d s c h a u " im April dieses J a h r e s : „ . . . Hat doch Taylor gerade den bedenklichen G r u n d s a t z der Maximalstandardwerte vertreten: ein Verfahren, das mit Ermüdungserscheinungen gar nicht zu vereinbaren ist, denn es wirkt mörderisch. Übrigens scheitern diese aus Höchstleistungen der besten Arbeiter abgeleiteten Verfahren in der Praxis, wie ich sehen konnte, alsbald. Viele deutsche Betriebe, die die kritiklose Übernahme Merrick-Taylorscher Angaben durch E . Michel ebenso kritiklos in Wirklichkeit umsetzen wollten, kamen zu dem paradoxen Ergebnis, daß Toleranzen größer werden als die eigentlichen Zeitnormalien! Daß unter solchen Umständen die deutsche Betriebswissenschaft nicht immer glatten Weg macht, ist v e r s t ä n d l i c h ! "
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III. Taylor und Gilbreth.
I n diesem R a h m e n m u ß notwendigerweise noch auf eine U n t e r s u c h u n g hingewiesen w e r d e n , die d a s englische „ I n d u s t r i a l F a t i g u e R e s e a r c h B o a r d " v o r k u r z e m abgeschlossen h a t , u n d m i t d e r sich a u c h die A m e r i k a n e r in ihrer F a c h p r e s s e eifrig b e s c h ä f t i g e n . U m die E r m t t d u n g s - u n d Monotonieerscheinungen bei gleichförmigen A r b e i t e n zu studieren, w u r d e n ihre W i r k u n g e n bei wechselnder b z w . bei s t e t s gleichbleibender A r t v o n d e m b e k a n n t e n englischen Arbeitswissenschaftler V e r n o n s t u d i e r t . D a n a c h soll es v o n Vorteil sein, sowohl f ü r die L e i s t u n g als a u c h f ü r d e n A r b e i t e r , w e n n er zwei oder drei i m B e t r i e b e vork o m m e n d e , a n sich m e c h a n i s c h e u n d eintönige A r b e i t e n verr i c h t e n k a n n . H i e r b e i ist i h m die Möglichkeit gegeben, alle 50 M i n u t e n die A r b e i t s a r t zu wechseln. U n t e r s u c h u n g e n h a b e n gezeigt, d a ß auf diese Weise sowohl die Menge wie die Güte der A r b e i t sich h e b e n ließen. N a t ü r l i c h darf a u c h hierbei nicht s c h e m a t i s c h v o r g e g a n g e n w e r d e n . Auf die I n d i v i d u a l i t ä t des Arbeiters ist R ü c k s i c h t zu n e h m e n . Mancher k a n n ausgesprochen gleichförmige A r b e i t ü b e r h a u p t nicht a u s f ü h r e n ; ein anderer wird sich n u r schwer v o n i h r t r e n n e n wollen. Die erzielten Ergebnisse b e d ü r f e n noch ihrer B e s t ä t i g u n g in der P r a x i s . Z u s a m m e n g e f a ß t k ö n n e n sie a b e r bereits wie folgt formuliert werden: 1. Der G r a d der L e i s t u n g s f ä h i g k e i t wird d a nur gering sein, wo die A r b e i t vielen u n d a n d a u e r n d e n Ä n d e r u n g e n u n t e r w o r f e n ist. 2. E s ist u n z w e c k m ä ß i g , d e n ganzen T a g u n u n t e r b r o c h e n die gleiche A r b e i t a u s f ü h r e n zu lassen. 3. Aus 1. u n d 2. ergibt sich, d a ß es f ü r j e d e A r t der Tätigkeit eine o p t i m a l e Zeitgrenze geben m u ß , die z u m Teil v o n der Art der A r b e i t u n d z u m Teil v o n d e m e n t s p r e c h e n d e n I n d i v i d u u m a b h ä n g i g sein w i r d . Die T a y l o r - G e g n e r schreien: A b k e h r v o m T a y l o r - S y s t e m ! Die a n d e r n s a g e n : a u c h hier ist die Monotonie n i c h t viel geringer als sonst. Die U n t e r s u c h u n g ist a b e r a u c h in a n d e r e r B e z i e h u n g bed e u t u n g s v o l l ; d e n n sie h a t z u m K e r n p u n k t ihrer A u f g a b e das V e r h a l t e n des M e n s c h e n , n i c h t n u r des A r b e i t e r s bei t r o t z d e m gleichem E n d z i e l : H e b u n g der P r o d u k t i o n .
Typisches der neueren amerikanischen Arbeitswissenschaft.
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Den Lehrstuhl für Betriebswissenschaft an der New Yorker Universität hat Prof. I. W. R o e inne, ein Wissenschaftler von Ruf auf diesem Gebiet. Eine vor kurzem von ihm herausgegebene Arbeit, „ M e a s u r e m e n t of M a n a g e m e n t " , macht zurzeit viel von sich reden. Roe behandelt hier das Problem, nicht nur den Arbeiter und den kleineren Angestellten in ihren Leistungen zu kontrollieren und Leistungsnormen festzusetzen, sondern in gleicher Weise auch an die h ö h e r e n u n d h ö c h s t e n S t e l l e n , überhaupt an die Art der Betriebsführung einen bestimmten Leistungsmaßstab zu legen. Er tritt der so oft geäußerten Meinung entgegen, daß es für diese Posten keine Normen geben dürfe, und daß lediglich der schließliche Erfolg Wettmaßstab sei. Er weist nach, daß es im Berufsleben eines jeden einzelnen stets wiederkehrende Routinearbeit gäbe, für die man ohne weiteres Verbesserungen und Leistungsnormen aufstellen könne. Mit Recht weist R o e darauf hin, daß es ein größerer Erfolg für den Betriebsleiter und die von ihm vertretenen Betriebsverfahren ist, in Zeiten schwerer wirtschaftlicher Krisen durchzukommen als in günstigen Zeiten Gewinne zu erzielen. Können und wollen wir von einer „Wissenschaft" der Arbeit sprechen, so können und sollen wir auch exakte Messungen anwenden, wie das ja auch bei den andern Wissenschaften möglich und üblich ist. Nur die Elemente, die an diesen Stellen auf Intuition und Individualität des Einzelnen beruhen, wie Phantasie, Führertum, persönliches Geschick usw., sollten wie bisher dem menschlichen U r t e i l überlassen bleiben. Alle anderen Elemente sind erfaßbar und sollten mit Normen und Vorbildern v e r g l i c h e n und g e m e s s e n werden können. Die Notwendigkeit, zumindest einen Teil der Funktionen des höheren Beamten meßbar, also objektiv, zu erfassen, ist gegenwärtig aus den verschiedensten Gründen mehr denn je zuvor zu fordern. Einige dieser Gründe seien kurz aufgezählt: die heutige Vielseitigkeit und der weit größere Maßstab fast jeder Produktion und fast jeder Unternehmung; die Ausdehnung der Konkurrenz auf nationale, ja internationale Basis; der immer geringer werdende Gewinn am Produkt; die Trennung von Besitzer und Leiter des Betriebes, die es wünschenswert erscheinen läßt, Leistungsnormen als Nachweis der erfolgreichen Tätigkeit des Betriebs-
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III. Taylor rnid Gilbreth.
leiters festzulegen; die große Bedeutung und der Umfang, den die modernen Betriebsverfahren heute erlangt und angenommen haben. Ein Verfahren, das gerade auf diesem Gebiet erfolgreich sein will, muß selbstverständlich allen jenen Anforderungen genügen, die für einen solchen Fall aufzustellen sind, also zunächst äußerst übersichtlich, klar und überzeugend sein; es muß nur solche Elemente erfassen, die auch tatsächlich meßbar sind, es muß das Moment des persönlichen Urteils nach Möglichkeit ausschließen, also objektiv sein, es muß auf jeden Fall zuverlässiger sein als das bisherige Verfahren usw. Unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte schlägt R o e folgendes Verfahren vor: a) Die Funktion des Betriebsleiters ist in jene Elemente aufzuteilen, die unabhängig voneinander angesehen und betrachtet werden können. b) Für jedes dieser Elemente ist eine I d e a l l e i s t u n g festzusetzen. c) Für jedes Element ist eine N o r m a l l e i s t u n g festzusetzen, die nach Möglichkeit mit dieser Idealleistung übereinstimmen sollte. Wo zurzeit keinerlei Norm ratsam erscheint, ist dieses Element bei der Bewährung außer acht zu lassen. d) Ein Auswertungsverfahren für die tatsächliche Leistung im Vergleich zur aufgestellten Norm ist auszuarbeiten. e) Durch ein sinngemäßes Verfahren sind die Einzelauswertungen zu einem Gesamtergebnis zu vereinigen. Diese Gesamtauswertung sollte unter der steten Berücksichtigung geschehen, daß sie nur jene Elemente in sich schließt, die zurzeit meßbar sind. Die unter Umständen dann noch verbleibenden Elemente müssen, wie bisher, auf der Grundlage des persönlichen Urteils geschätzt werden. Als Unterteilung der Elemente wird folgender Vorschlag gemacht, der selbstverständlich j e nach Lage der Dinge und unter Berücksichtigung der herrschenden Verhältnisse abgeändert bzw. verbessert werden kann: a) Einkauf, b) Lager,
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c) Wirkungsgrad der Anlage, der Ausrüstung und der Verfahren, d) Wirkungsgrad unter Berücksichtigung der verwendeten Materialien, e) Wirkungsgrad unter Berücksichtigung des Lohnaufwandes, f) Stillstand bzw. Leerlauf der Anlage, g) Qualität des Produktes, h) Einhalten der Termine, i) Arbeitswechsel, j) Selbstkostenwesen und Statistik. Auch diese Arbeit ist ein Fingerzeig, welche Wege die Arbeitswissenschaft in Amerika einschlägt u n d wie sie sich folgerichtig ausdehnt und weiterentwickelt. In dem bereits früher erwähnten Aufsatz von Giese, der einen Vergleich zwischen dem Taylor- und Ford-System zieht, d e m wir aber nicht gut, besonders in seinen recht scharfen Ausfällen gegen Gilbreth in allem folgen können, schließt der Verfasser jedoch mit einigen Gedanken, die auch hier bereits des öfteren geäußert wurden und die ailch wir als Schluß diese» Abschnittes als Zusammenfassung des bisher Gesagten wiederholen möchten: „Beide Richtungen (Taylor und Ford) sind Beispiele erfolgreicher Fabrikpsychologie, und es wird sich bei Übertragungen auf unsere Verhältnisse um die Entscheidung handeln, inwieweit dieser oder jener Gedanke der amerikanischen Urheber auf die Psychologie unseres Landes, unseres Artikels und unserer Abnehmer anzupassen wäre."
IV. Gegenwartsfragen der deutschen Arbeitswissenschaft. Produktionssteigerung und Arbeitszeit. Trotzdem sie n i c h t g e s e t z l i c h v o r g e s c h r i e b e n wurde, herrscht unter den amerikanischen Unternehmern die stillschweigende Vereinbarung, die Arbeitszeit fast durchgängig auf acht Stunden zu bemessen. Trotzdem sie in Deutschland g e s e t z l i c h v o r g e s c h r i e b e n war, haben es die deutschen Unternehmer durchgesetzt, eine vorläufige V e r l ä n g e r u n g der bisherigen Arbeitszeit von acht Stunden zu erreichen. Auch in anderen europäischen Ländern beginnen sich die gleichen Tendenzen durchzudrücken. Politisch wird dieses Moment in Deutschland natürlich auf beiden Seiten weidlich ausgenutzt, und so finden wir zurzeit das P r o b l e m d e r A r b e i t s z e i t als eines der wichtigsten, wenn nicht als das Wichtigste der gesamten deutschen Industrie und in gleichem Maße der deutschen Arbeitswissenschaft. Denn hier ist die Arbeits Wissenschaft vor eine p r a k t i s c h e Aufgabe gestellt worden, wo sie ihr Können und ihre Macht frei entfalten und entwickeln kann. Leider sind es bisher aber nur sehr wenige Arbeitswissenschaftler (wobei unter Arbeitswissenschaftler der Betriebsingenieur, der Psychologe und der Physiologe zu verstehen ist), die in irgendeiner k o n k r e t e n Art und Weise zu der Frage Stellung genommen haben. Allgemeine Ausführungen gibt es übergenug; Tatsachen und Schlußfolgerungen fehlen in den meisten Fällen! Eine Arbeit liegt vor, die unter dem Titel „ D a s A r b e i t s z e i t p r o b l e m " von O t t o L i p m a n n im Berliner Institut für angewandte Psychologie in diesem Jahre erschienen ist. Ein ungeheures, schier erdrückendes im wahrsten Sinne des Wortes internationales statistisches Material ist in dieser Arbeit verankert. Und in einer völlig o b j e k t i v e n Art und Weise ist das Problem
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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der industriellen Arbeitszeit vom Gesichtspunkt des kulturellen, des gesundheitlichen und des wirtschaftlichen Optimalarbeitstages angegangen worden. Nicht nur auf die augenblicklichen Wirkungen der Arbeitszeit geht die Arbeit ein, sondern sie veröffentlicht auch statistische Angaben über die Wirkungen verkürzter Arbeitszeit in weit zurückliegenden Jahren. So finden wir fast durchweg die Tatsache, daß das Herabgehen der Arbeitszeit von 14 auf 12 Stunden und dann auf 11 und schließlich auf 10 Stunden fast nie eine V e r m i n d e r u n g der Leistung herbeiführte; im Gegenteil, oft wird eine Zunahme der Produktion verzeichnet! Über die Auswirkungen der Nachkriegsarbeitszeit liegen noch keinerlei e n d g ü l t i g e Daten vor. Hier fehlt noch die Abgeglichenheit und die objektive Stellungnahme von beiden Seiten zu dem Problem. Und in genau der gleichen Weise wie bei der Klarstellung dieser Frage heute noch zu viele Faktoren mitsprechen — wie die Arbeitsunlust und -unruhe der Nachkriegszeit, die physische und psychische Zerschlagenheit von vier Jahren Krieg und die Unterernährung —, so sehen wir deutlich aus diesen Zahlen, daß auch in das Gesamtproblem einer generellen, vielleicht gar internationalen Regelung der Arbeitszeit unendlich viele Faktoren hineinspielen. Klimatische, geographische, technische, wirtschaftliche und — last but not least — auch psychologische und physiologische Momente, die e i n e Formel als sehr kompliziert und nur schwer erreichbar erscheinen lassen. L i p m a n n unternimmt den Versuch, mit Hilfe der in der psychologischen Statistik verwendeten abzählenden Methoden aus dem vorliegenden Material Optimal-Arbeitszeiten mathematisch abzuleiten und kommt zu dem Ergebnis, daß die mittlere Hälfte a l l e r von seinem Institute bestimmten optimalen täglichen Arbeitszeiten zwischen 6% u n d 10 S t u n d e n liegt und der mittlere Bereich aller optimalen wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen 33 u n d 45 S t u n d e n . Er geht dann auf die einzelnen Industriezweige ein, da er für eine individuelle, nicht generelle Festsetzung der Arbeitszeit eintritt. Ausdrücklich betont Lipmann zum Schluß seiner Arbeit, daß „die gegebenen Zahlen natürlich nur mit allen durch die Methodik der Feststellung der Rohmaterialien und die Methodik
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IV. Gegenwartifragen der deutseben Arbeitswissenschaft.
der Berechnung bedingten Vorbehalten zu betrachten sind und keineswegs schon die f ü r die einzelnen Industrien wirklich gültigen Optimalwerte darstellen, deren Erarbeitung eine der w i c h t i g s t e n A u f g a b e n d e r A r b e i t s w i s s e n s c h a f t bleibt." Ein solches Verfahren der mathematischen Ausrechnung von Arbeitszeiten schließt sehr viele Gefahren in sich ein und löst große Bedenken aus. Trotz alledem ist die Untersuchung von Lipmann für eine Bearbeitung des Problems grundlegend u n d kann nicht übergangen werden. Sie bildet das F u n d a m e n t , auf dem weiterzuarbeiten ist. Wir wissen ferner von einem unserer besten deutschen Großbetriebe, den Z e i ß - W e r k e n i n J e n a , der bereits seit den Zeiten A b b e s , also schon vor dem Kriege, den Achtstundentag mit gutem Erfolg eingeführt hatte. In gleicher Weise h a t t e auch der gerade um die praktische Arbeitswissenschaft verdiente Leiter der B o s c h - W e r k e , H u g o B o r s t , den Achtstundentag schon vor dem Umsturz in seinen Betrieben. Die aus diesen Betrieben bekanntgewordenen Ergebnisse sprechen durchaus die Bewährung dieser Arbeitszeit aus. Die deutschen Gewerkschaften und die hinter ihnen stehenden politischen Parteien, vor allem die sozialdemokratische, fordern die Wiedereinführung des im Gesetz verankerten Achtstundentages, darüber hinausgehend verlangen sie den Beitritt Deutschlands zum internationalen Abkommen über diesen P u n k t . Sie verschließen sich aber keineswegs der Forderung nach einer e r h ö h t e n P r o d u k t i o n , nach einer M e h r l e i s t u n g i h r e r A r b e i t e r . Nur wollen sie dieses Ziel nicht durch eine Verlängerung, also nicht auf Kosten der A r b e i t s z e i t erreichen, sondern durch verbesserte P r o d u k t i o n s v e r f a h r e n . In diesem P u n k t neunten sie sich Amerika zum Vorbild, weisen auf die dortigen Betriebe, vor allem auf Ford hin, übersehen dabei aber auch die herrschenden großen Gegensätze zwischen Amerika und Deutschland. Im gleichen Atemzug, wo sie Ford als das Muster des Unternehmers und seine Verfahren als die erstrebenswerten hinstellen, fordern sie mit allem Nachdruck für ausgebildete, d . h . g e l e r n t e Arbeitskräfte u n d Qualitätsarbeitern, denn: „Sklaven braucht m a n nicht anzulernen. Von ihnen kann man aber auch keine Qualitätsarbeit verlangen."
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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Es scheint in diesen Ausführungen ein Widerspruch zu liegen, und wir gehen wohl nicht fehl, die Fordschen Arbeiter, die mitunter in f ü n f M i n u t e n angelernt werden können, in arbeitlicher Beziehung eher zu den „Sklaven" als zu den „gelernten" Arbeitern zu rechnen! Die anfänglichen großen Widerstände gegen betriebs- und arbeitswissenschaftliche Verfahren sind im Abflauen; die Gewerkschaften haben sich grundsätzlich für die Rationalisierungsbestrebungen ausgesprochen; und mancher Gewerkschaftsbeamte, der vor zehn oder noch mehr Jahren öffentlich gegen das „System" auftrat, zählt sich heute zu den Arbeitswissenschaftlern! Nur das Wort „Taylor-System", das mitunter noch immer mit „Hetzvogt" gleichgesetzt wird, wirkt auch heute noch oft als rotes Tuch. Es gilt d#ber, auch dieser Bezeichnung das Omen des Heimlichen, des Ausbeuterischen zu nehmen. Eine der ersten Voraussetzungen für ein solches erfolgreiches Einführen zweckentsprechender, produktionsfördernder Maßnahmen ist der Geist g e g e n s e i t i g e n W o h l w o l l e n s . Nicht mit Vordrucken, und mögen sie auch mit noch so großer Mühe und S o r g f a l t z u s a m m e n g e s t e l l t «ein, kommen wir weiter, nicht sie können uns die Produktion steigern; nur der Geist, der hinter allen Maßnahmen steht, ist für Erfolg oder Nichterfolg ausschlaggebend. Aber nicht nur die Arbeiterschaft sondern auch die Unternehmer sind bei der Arbeit, um in ihrem und im Interesse der von ihnen vertretenen Werke in diesem Kampf um die A r b e i t s z e i t und untrennbar mit diesem zusammenhängend, im Kampfe um L o h n und U r l a u b den Sieg davonzutragen. Anton E r k e l e n z äußert sich zu dieser Frage im Septemberheft der Zeitschrift „Der Arbeitgeber": „Zu dem alten Zwangsmittel, zum technischen Fortschritt der Konkurrenz, tritt jetzt die Reparation hinzu. Es ist wichtiger, neue Kräfte zu entfesseln, als den alten Schlendrian sorgsam zu schonen. Nur wenn wir das technisch höchst entwickelte Land der Erde werden, können wir den Teil der Reparationen leisten, der überhaupt geleistet werden kann. Die Polemik gegen den technischen Fortschritt, besonders auch in der neu erschienenen
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IV. Gegenwartsfragen der deutschen Arbeitswissenschaft.
Schrift: ,Die Arbeitszeitfrage in Deutschland', tut so, als wäre der technische Fortschritt nur eine einseitige Leistung des Unternehmers, während Arbeitszeitverlängerung nsw. eine Leistung des Arbeitnehmers sei. Das ist mindestens schief gesehen. Technischer Fortschritt ist unweigerlich mit höherer Arbeitsleistung der Arbeitnehmer verbunden. Technischer Fortschritt heißt speeding up in der Arbeitsleistung, heiBt schärfer aufpassen, schneller denken, entschlossener zugreifen als bisher. Und eben deshalb heißt j a auch technischer Fortschritt: Verkürzung der Arbeitszeit, Erhöhung des Lohnes, damit durch vertiefte Ablenkung und bessere Lebenshaltung der stärkere einseitige Verbrauch an geistiger und körperlicher Kraft ersetzt wird." Fast zur gleichen Zeit — man könnte sogar an eine stillschweigende Vereinbarung denken — veröffentlichen die Werkszeitungen zweier führender B e r l i n e r Betriebe Aufsätze, die an Hand von Statistiken nachweisen sollen, daB die achtstündige Arbeitszeit für die gegenwärtige Krise katastrophal wirken muB. Die Ausführungen klingen in dem Ruf nach verlängerter Arbeitszeit und — zunächst vorübergehend — Verkürzung bzw. Streichung des Arbeiterurlaubes aus. In Nummer 56, Jahrgang 1924, der „Siemens-Mitteilungen' 1 veröffentlicht Regierungsbaumeister a. D. W. Bolz einen Aufsatz „ P r o d u k t i o n s v e r t e u e r u n g — P r o d u k t i o n s v e r m i n derung". Und in Heft 8/9 des 1. Jahrganges der „Borsig-Zeitung" schreibt der Betriebsdirektor Dr.-Ing. V. L i t z , „ W i e k ö n n e n wir die g e g e n w ä r t i g e W i r t s c h a f t s k r i s i s ü b e r w i n d e n ? W i r t s c h a f t l i c h e B e t r a c h t u n g e n auf Grund von Erf a h r u n g e n in u n s e r e m W e r k . " Das in beiden Aufsätzen gegebene Zahlenmaterial ist interessant, trotzdem man sich mit ihm nicht in allen Teilen einverstanden erklären darf. Zunächst einiges konkretes Material: Nach Litz hat die Gesamtproduktion des Betriebes stark nachgelassen trotz ungeheurer Vermehrung der Arbeiter- und Angestelltenschaft, und zwar e i n m a l infolge des gesetzlich verordneten rein schematischen A c h t s t u n d e n t a g e s und zum andern in noch weit höherem und verschärften Maße durch die bekannten P a r a g r a p h e n 12 u n d 13 der Verordnung „Über die Einstellung und
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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Entlassung von Arbeitern u n d Angestellten während der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung". Von beiden Betrieben hören wir ausdrücklich, daß die Leis t u n g , d . h . die Durchschnittsleistung des „ P r o d u k t i v e n " im Akkord stehenden Arbeiters d e r d e r V o r k r i e g s j a h r e g l e i c h k o m m t . Es ist wichtig, dieses bei der weiteren Behandlung der Frage nicht zu Ubersehen. Das Heer der sogenannten „ u n p r o d u k t i v e n " Kräfte, d. h. der nur m i t t e l b a r a n d e r P r o d u k t i o n Beteiligten, h a t sich aber gewaltig vermehrt, u n d hier, in Verbindung m i t ' den oben erwähnten Verordnungen u n d Bestimmungen, soll eine der H a u p t ursachen des Niederganges der deutschen Wirtschaft liegen. In den Borsigschen Betrieben entfielen im J a h r e 1913 auf 100 produktive 66 unproduktive, und im J a h r e 1922 auf 100 produktive sogar 120 unproduktive. (In diesen sog. unproduktiven K r ä f t e n sind auch die Angestellten einbezogen.) In den Siemenswerken war das Verhältnis im J a h r e 1914 100 : 93,7, 1923 100 : 153! Im einzelnen setzen sich die obengegebenen Zahlen wie folgt zusammen: B o r g i g - W e r k , Berlin-Tegel.
Gesamtbelegschaft nach Ausscheidung von in der Zwischenzeit hinzugewachsenem Stahl- und Walzwerk) Arbeitstage Gesamtausbringung in Tonnen Arbeitsleistung pro Kopf und J a h r
1913
1922
4 561 300 31 615 6 932
7 245 302 32 311 4 460
Es ergibt sich hier also eine V e r r i n g e r u n g des Leistungsanteils gegen die Vorkriegszeit von 35 P r o z e n t auf den Kopf des Belegschaftsmitgliedes. Diese Verringerung wird begründet mit folgender Verschiebung in der Zusammensetzung der Belegschaft.
Gesamtbelegschaft Produktive Arbeiter Unproduktive Arbeiter Angestellte u n d Wochenlöhner
.
1913
1922
4561 2740 1003 818
7245 3271 2306 1668
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IV. Gegenwartsfragen der deutschen Arbeitswissenschaft.
I m J a h r e 1913 k a m e n , wie wir oben schon a n d e u t e t e n , auf 100 p r o d u k t i v e Arbeiter 66 u n p r o d u k t i v e , i m J a h r e 1922 a b e r 120. D e r P r o d u k t i o n s e r t r a g blieb, in T o n n e n ausgedrückt, u n g e f ä h r der gleiche. Ob eine Q u a l i t ä t s v e r ä n d e r u n g der ausgeb r a c h t e n W a r e eingetreten ist, -wird nicht gesagt, sondern weiterhin einfach a n g e n o m m e n , d a ß sich die größere Arbeiterzahl, also 7245 a n s t a t t 4561, n u n in dieselbe L o h n s u m m e teilen müsse. „ D a sich die Arbeitnehmer zu einem solchen wirtschaftlich natürlichen Ausgleich niemals b e r e i t g e f u n d e n h ä t t e n , a u c h m i t R ü c k s i c h t auf ihre Existenzbedürfnisse nicht f i n d e n k o n n t e n , vielmehr d a n a c h strebten, ihre L ö h n e den Friedenslöhnen i m m e r wieder möglichst anzugleichen, blieb f ü r den erforderlichen Ausgleich n i c h t s anderes übrig, als entweder den U n t e r n e h m e r n selbst die f ü r die E r h a l t u n g des technischen H ö c h s t s t a n d e s d e r P r o d u k t i o n s m i t t e l (Maschinen, Gebäude usw.) u n d der finanziellen F u n d i e r u n g des U n t e r n e h m e n s erforderlichen Zuflüsse v o n Mitteln aus dem Produktionserlös v o r z u e n t h a l t e n u n d den g e s a m t e n Erlös zur E n t l o h n u n g der Arbeitnehmer heranzuziehen, oder aber den Preis der P r o d u k t e so zu erhöhen, d a ß aus dem auf diese Weise erzielten Mehrerlös die wirtschaftlich ü b e r f l ü s s i g e Z a h l d e r U n p r o d u k t i v e n m i t e n t l o h n t werden konnte." An einer anderen Stelle lesen w i r : „ W i r h a b e n zwar durch s p a r s a m s t e und m u s t e r g ü l t i g s t e U m s t e l l u n g unserer W ä r m e w i r t s c h a f t und V e r b e s s e r u n g v o n P r o d u k t i o n s m e t h o d e n e r h e b l i c h e E r s p a r n i s s e m a c h e n können, doch reichten sie i m e n t f e r n t e s t e n n i c h t aus, den gewaltigen Mehra u f w a n d f ü r r u n d 2000 U n p r o d u k t i v e mehr als i m J a h r e 1913 auszugleichen." Als H a u p t g r u n d f ü r die V e r m e h r u n g der unp r o d u k t i v e n Arbeiter wird angegeben, d a ß sich f ü r sie d u r c h den A c h t s t u n d e n t a g die Arbeitszeit sehr viel m e h r verringert h a b e als f ü r die p r o d u k t i v e n . Die d u r c h s c h n i t t l i c h e A r b e i t s z e i t b e t r u g bei d e n p r o d u k t i v e n Arbeitern des Borsig-Werkes vor d e m Kriege 8,03 S t u n d e n , die Arbeitszeit der u n p r o d u k t i v e n dagegen 10,47 S t u n d e n . Durch die Arbeitszeitbeschränkung von 10,47 auf 8 S t u n d e n w u r d e die Arbeitszeit der u n p r o d u k t i v e n Arbeiter u m 23 P r o z e n t herabgedrttckt. U m einen Ausgleich der fehlenden A r b e i t s s t u n d e n herbeizuführen, m u ß t e die Zahl der U n p r o d u k t i v e n u m mindestens 23 P r o z e n t e r h ö h t werden.
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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Nachdem die gesetzlichen Schranken f ü r den Unternehmer fallen gelassen wurden, so steht den Unternehmern j e t z t die „undankbarste und unangenehmste H a u p t a u f g a b e " zu, in dem eben erwähnten Sinne wieder Ordnung im Betrieb einzuführen. ,,Sie (die Unternehmer) müssen die von anderen gemachten Fehler wieder gutmachen und, gestützt auf jene ersten Voraussetzungen, eine Arbeitszeit wieder einführen, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßt, die wirtschaftlichste Ausnutzung der Produktionsmittel ermöglicht, und gleichzeitig die Betriebe von allen überflüssigen Arbeitskräften allmählich wieder befreit. Für die Leitung unseres Unternehmens, das sich in bald hundertjähriger Tradition unermüdlich bemüht hat, seinen Angehörigen Arbeit und Lebensunterhalt zu verschaffen, ist es wahrlich nicht leicht gewesen, Hunderten seiner Mitarbeiter — Angestellten wie Arbeitern — die Entlassung zu geben, noch dazu in einer Zeit, in der die Wiedererlangung einer Beschäftigung besonders erschwert ist. Aber die zwingende Notwendigkeit wirtschaftlicher Lebensgrundsätze schreibt ihr vor, den f ü r die Produktion überflüssigen Teil der Arbeitnehmerschaft zu entlassen, um das Unternehmen wieder produktiv, d. h. lebensfähig, zu gestalten und um zu verhüten, daß die gesamte Belegschaft zur Erwerbslosigkeit verurteilt wird." — Die Zahlen und Statistiken aus dem S i e m e n s - B e t r i e b e sind noch ausführlicher und reden ebenfalls ihre eigene Sprache: Dort ist bei gleicher Warenproduktion die Gesamtzahl der über 21 J a h r e alten männlichen Arbeiter (ohne Angestellte) von 1914 bis 1923 von je 10000 auf je 12900, d. h. um 29 P r o z e n t gestiegen. Die Zahl der Unproduktiven h a t sich in der gleichen Zeit von je 10000 auf je 19600, d. h. um 96 P r o z e n t vermehrt. Während früher 28,5 Prozent in obigem Sinne unproduktiv waren, sind es jetzt 43,5 Prozent der Belegschaft. Es kommen also auf einen produktiven Arbeiter 1914 0,4 unproduktiye und j e t z t 0,765. Interessant ist die Statistik auf S. 50 über die Verschiebung in den einzelnen Gruppen der als „ u n p r o d u k t i v " Bezeichneten. Der Verfasser des Aufsatzes sagt zu dieser Tabelle: „Sie zeigt, daß die Zunahme der Kopfzahl um so geringer ist, je größer die Ansprüche an die Intelligenz und das Können des Arbeiters sind. W i t t e , Taylor—Gilbreth—Ford.
4
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IV. Gegenwartsfragen der deutschen Arbeitswissenschaft. Kategorie A. B e t r i e b s a r b e i t e r . I. 1 ) Buchbinder Drucker Photographen II. Betriebsdreher Betriebsmechaniker Betriebsschlosser III. 1 ) Zimmerer Maurer IV. Klempner Monteure Hilfsmonteure Rohrleger Sattler Glaser zusammen.... B. L a g e r - und T r a n s p o r t arbeiter. I. Fahrstuhlführer II. Lagerarbeiter III. Packer und Hilfspacker . . IV. Transportarbeiter Sonstige Hilfsarbeiter . . . zusammen. . . .
1914
1923
21 8 4 33
17 22 4 43
12 7 169 188 57 62 119 21 61
14 7 198 219 114 137 251 59 62 ) 35 / 102 43 12 313 826
—
26 15 4 127 467
101 789 225 1004 350 1354 2469
123 1417 407 2835 1091 3926 5873
Zunahme /0 — 19 175 0 30 16,7 0 17,2 16 100 121 111 181 59 292 186 200 146 77
22 80 81 183 212 190 138
„Der gelernte Mann besitzt den Stolz seines Berufs und entwickelt einen ganz anderen Arbeitswillen als der ungelernte, der heute in diesem, morgen in jenem Betrieb arbeitet. Die Zunahme verschiebt sich in steigendem Maße auf die angelernten und ungelernten Gruppen." *) Die unter A I und III aufgeführten Betriebsarten stehen nur in sehr losem Zusammenhang mit dem betreffenden Industriezweig. Nur der Vollständigkeit halber wurden sie aufgeführt.
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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„ I n zwei Gruppen — denen der Maschinisten und Heizer -und Wächter — liegen besondere Verhältnisse vor. Das Anheizen der Kessel, die Inbetriebnahme der Maschinen für die Wärme- u n d Kraftversorgung der Werke muß vor Beginn der Arbeit erfolgen, ihre Abstellung nach Schluß der Arbeitszeit. Die Heizer und Maschinisten sind also ausgesprochene Gruppen von Arbeitern, deren Arbeitszeit länger als die der Belegschaft sein müßte. F ü r sie ist der achtstündige Arbeitstag ¿in völliger Widersinn, zumal sie zum Teil nur in Bereitschaft stehen. Da auch für diese Gruppen trotzdem keine Ausnahme zugestanden wird, muß ihre Zahl erhöht werden, ein Teil fängt früher an, der andere hört später auf. Ihre Zahl stieg von j e 100 auf j e 164 K ö p f e = 64 Prozent, auf 1000 produktive Arbeiter entfielen 1914 10,2, jetzt 16,4 M a n n . " Die Steigerung der Wächtergruppen wird auf das Sinken der Moralität zurückgeführt. Die Zahl der Angestellten stieg in den Berliner SiemensWerken und Abteilungen im gleichen Zeitraum von j e 10000 auf j e 17090. Sie nahm also um 70,9 P r o z e n t zu. I m einzelnen ergeben sich folgende Veränderungen: Untersuchte Büros bzw. Arbeitsgebiete Lohnbttros Personalbüros Krankenkassenbüros Volkswirtschaftliche Büros . Rechnungsprüfungsbüros . Kassen Fakturenbüros Buchhaltungen
Zahl der beschäftigten Angestellten 1914 9,9 2,5
1.1
142 324 182 528 234 239 36 73
24
10,6
0,7
3,1 4,4
1,3 9,7 7,7
4,4 13,1 13,3
1,8
Zunahme
1923
6
Meines Erachtens liegt aber gerade in dieser Zusammenstellung insofern eine gewisse Unschärfe, als die im J a h r e 1923 so stark vermehrten Lohn-, Krankenkassen-, Buchhaltungs- und Rechnungs-usw.-Büros weniger auf überflüssige oder nicht arbeitswillige Angestellte zurückzuführen sind als vielmehr auf die Inflationszeiten, die gerade in diesen Abteilungen die Arbeiten mindestens verzehnfachten. Die finanzielle Auswirkung dieser Verschiebungen k o m m t darin zum Ausdruck, daß im J a h r e 1914 auf 100 für produktive 4*
IV. Gegenwartsfragen der deutschen Arbeits Wissenschaft.
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Arbeit gezahlte Mark 41 Mark f ü r u n p r o d u k t i v e Arbeitsleistung g e z a h l t w u r d e n , i m J a h r e 1923 a b e r 90 M a r k . U r s a c h e h i e r f ü r i s t z u m Teil die V e r r i n g e r u n g d e r L o h n s p a n n u n g z w i s c h e n gel e r n t e n u n d u n g e l e r n t e n A r b e i t e r n . Die S p a n n e z w i s c h e n d e m V e r d i e n s t d e s A k k o r d a r b e i t e r s , die v o r d e m K r i e g 55 P r o z e n t des A k k o r d a r b e i t e r v e r d i e n s t e s b e t r u g , ist a u f 35 P r o z e n t g e s u n k e n . Der Bericht fährt fort: „ I n gleich u n g ü n s t i g e m M a ß e h a t sich a u c h d a s V e r h ä l t n i s d e r E n t l o h n u n g weiblicher A r b e i t s k r ä f t e zu m ä n n l i c h e n ges t a l t e t . D e r w e i b l i c h e A r b e i t e r erhielt v o r d e m K r i e g e e t w a 55 bis 6 0 P r o z e n t der E n t l o h n u n g d e s m ä n n l i c h e n , n o c h i m O k t o b e r 1923 w u r d e n 75 P r o z e n t u n d m e h r g e z a h l t 1 ) . „ W i e b e i d e m A r b e i t e r liegen a u c h die V e r h ä l t n i s s e bei d e m Angestellten. Der einfache Schreiber k a m vor dem Kriege auf e t w a 115 M a r k , d e r a k a d e m i s c h g e b i l d e t e I n g e n i e u r k o n n t e n a c h E i n a r b e i t u n g i n seine T ä t i g k e i t a u f 275 M a r k M o n a t s e i n k o m m e n r e c h n e n . D a s V e r h ä l t n i s w a r i m O k t o b e r 1923 e t w a 475 M i l l i a r d e n zu 700 M i l l i a r d e n M a r k , die D i f f e r e n z i e r u n g ist also a u c h h i e r v o n e t w a 140 P r o z e n t auf 4 7 P r o z e n t g e s u n k e n . " D i e U n t e r s u c h u n g e n i n d e n S i e m e n s - W e r k e n e r g e b e n in b e z u g a u f die t ä g l i c h e A r b e i t s z e i t z u s a m m e n g e f a ß t d a s f o l g e n d e B i l d : V e r e i n b a r t e A r b e i t s z e i t v o r d e m K r i e g e 8,25 S t d . / T a g
1. 2. 3. 4. 5. 6.
t a t s ä c h l i c h e Zeit 8,85 S t d . / T a g . Vereinbarte Arbeitszeit nach d e m Kriege t a t s ä c h l i c h e Zeit 6,94 S t d . / T a g . Dieser V e r l u s t v e r t e i l t sich a u f E i n z e l u r s a c h e n : Gesetzliche Minderung von 8 % auf 0,250 S t d . 8 Stunden T a r i f l i c h e M i n d e r u n g v o n 8 auf 0,230 „ 7,77 S t u n d e n Minderleistung von Ü b e r s t u n d e n . 0,730 „ 0,475 „ Krankheitsfälle Minderung durch Urlaub . . . . 0,131 „ Minderung durch Streik . . . . 0,098 „ 1,914 S t d . =
8 Std./Tag,
2,82% 2,60 „ 8,25 „ 5,36 „ 1,48,, 1,11,. 21,62%
' ) Im Gegensatz hierzu sei auf das F u n k t i o n s w e s e n der amerikanischen Betriebswissenschaft verwiesen, das für g l e i c h e Leistung g l e i c h e n Lohn zahlt, unabhängig von Geschlecht und Alter des Ausführenden. D. Verf.
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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Zu diesen Zahlen kann noch gesagt werden, daß nach den Angaben der Siemens-Werke viel mehr als die gesetzliche Verminderung des Arbeitstages die Minderleistung an Überstunden und die Krankheitsfälle zu dem Ausfall beigetragen haben. Die Krankheitsfalle stiegen bei männlichen Arbeitern um 29 Prozent, bei weiblichen sogar um 95 Prozent gegenüber der Vorkriegszeit. Wie sich aus der zeitlichen Verteilung der Krankheitsfalle ergibt, hat die weibliche Arbeiterschaft in den Sommermonaten besondere Neigung, von der Arbeit fernzubleiben. Die gleichmäßige Verteilung der Krankheitsfälle der männlichen Arbeiter deutet den kontinuierlicheren Arbeitswillen des männlichen Geschlechts an. Die Firma Siemens gewährte ihren Arbeitern nach einem gewissen Alter und nachdem sie eine gewisse Anzahl von Jahren (8 bzw. 5) bei ihr tätig waren, einen Erholungsurlaub von 3,9 Tagen im Jahre 1920 und 5 Tagen im Jahre 1922. Hierzu schreibt der Verfasser noch: „ die Vermehrung des Urlaubs, der also von 0,63 Tagen auf 3,9 Tage bzw. 5 Tage pro Kopf gestiegen ist, ist vom sozialen Gesichtspunkte aus zu begrüßen. Wir müssen uns jedoch überlegen, wieweit er vom wirtschaftlichen Standpunkte aus zurzeit tragbar ist, ob wir ihn nicht trotz aller Befürwortung augenblicklich etwas abbauen und den Wiederaufbau späteren günstigeren Zeiten vorbehalten müssen, zumal auch die vielen Streiks und Betriebsunterbrechungen seit Kriegsende dem Arbeiter einen erheblichen Zusatz an freier Zeit zur Erholung gewähren.' 4 Im Jahre 1907 betrug der durchschnittliche Urlaub für den Arbeiter auf die gesamte Belegschaft umgerechnet nur 0,63 Tage. Wir wollen die hier gegebenen Zahlen mit einigen bereits kurz bezeichneten Einschränkungen objektiv auf uns wirken lassen. Das rein sachliche Ergebnis ist, daß die generelle Einführung des Achtstundentages große Schwierigkeiten bietet, und daß das P r o b l e m des B e r e i t s c h a f t s d i e n s t e s dasjenige i6t, von wo aus das Übel an der Wurzel anzugehen sein wird. Vom kulturellen und auch vom menschlichen Standpunkte aus ist der Achtstundentag das Erstrebenswerte. Und solange es im Lande noch Arbeitslose gibt, solange dürfte, volkswirtschaftlich betrachtet, an eine Verlängerung der Arbeitszeit nicht ge-
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IV. Gegenwartsfragen der deutschen Arbeitswissenschaft.
d a c h t w e r d e n . E s ist a b e r n i c h t zu b e s t r e i t e n , daB zwischen u n s e r e n p r i v a t - u n d v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n I n t e r e s s e n zurzeit noch gewisse G e g e n s ä t z e b e s t e h e n , die sich a u c h in der Auslegung a r b e i t s w i s s e n s c h a f t l i c h e r G r u n d s ä t z e m i t u n t e r deutlich zeigen. Die A u s f ü h r u n g e n dieses A b s c h n i t t e s h a b e n wohl, o h n e daB es zu u n t e r s t r e i c h e n nötig wäre, absolut g r u n d s ä t z l i c h verschied e n e A u f f a s s u n g e n zwischen d r ü b e n u n d hier gezeigt. Ein K o m m e n t a r erscheint überflüssig. Der A r b e i t s w i s s e n s c h a f t l e r , der o b j e k t i v a n die A u f g a b e h e r a n g e h t u n d w e d e r die Brille des U n t e r n e h m e r s n o c h die des A r b e i t e n d e n t r ä g t , wird sie noch anders a n z u p a c k e n h a b e n . E r wird es n i c h t so m a c h e n d ü r f e n , wie ein großer T e x t i l b e t r i e b i n Schlesien „ a r b e i t s w i s s e n s c h a f t l i c h " v o r a n g i n g . Hier f ü h r t e m a n vor m e h r e r e n J a h r e n s t a r k tayloristische G r u n d s ä t z e ein, e r h ö h t e auf diese Weise die P r o d u k t i o n u m ca. 30 P r o z e n t , die L ö h n e n u r u m e t w a 10 P r o z e n t u n d v e r l a n g t j e t z t die gleiche S t u n d e n l e i s t u n g bei 9 bis 1 0 s t ü n d i g e r A r b e i t s z e i t ! Das ist u n v e r e i n b a r m i t d e n Gesetzen der Arbeitswissenschaft u n d R a u b b a u a m Menschen — n a c h d e m A u s s p r u c h f ü h r e n d e r Volkswirte d a s W e r t vollste, w a s wir n o c h b e s i t z e n ! Der A r b e i t s w i s s e n s c h a f t l e r m u ß die physiologische u n d p s y c h o logische W i r k u n g der p r o d u k t i o n s s t e i g e r n d e n V e r f a h r e n v o r allem b e r ü c k s i c h t i g e n . Die F r a g e n des A r b e i t s t e m p o s u n d des A r b e i t s r h y t h m u s spielen hierbei m i t u n t e r eine ausschlagg e b e n d e Rolle. E r w ä h n t seien i n diesem R a h m e n die Arbeiten u n d die l e t z t e n U n t e r s u c h u n g e n des Professors Dr.-Ing. S a c h s e n b e r g v o n der T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e in D r e s d e n , auf dem Gebiet v o n A r b e i t u n d R h y t h m u s , die in seinen soeben erschienenen „ A u s g e w ä h l t e A r b e i t e n des Lehrstuhles für Betriebsw i s s e n s c h a f t e n i n D r e s d e n " in B a n d I e n t h a l t e n sind. D a s d o r t erzielte E r g e b n i s k a n n k u r z d a h i n z u s a m m e n g e f a ß t werden, d a ß die A r t u n d d a s T e m p o des zu gebenden R h y t h m u s unb e d i n g t d e m e r s t r e b e n s w e r t e n u n d möglichen R h y t h m u s der Arbeit angepaßt werden muß. Die z w e c k e n t s p r e c h e n d s t e Einlegung u n d Verteilung der A r b e i t s p a u s e n g e h ö r t in das gleiche K a p i t e l u n d v e r l a n g t eine wissenschaftliche E r f o r s c h u n g u n t e r h e r v o r r a g e n d e r Beteiligung
Produktionssteigerung und Arbeitszeit.
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der Physiologen. Von dem gleichen Verfasser in Gemeinschaft von Prof. Dr. med. Philalethis K u h n ist auch vor ganz kurzer Zeit im Verlag von Th. Steinkopff in Dresden ein kleines H e f t : „FührerAuswahl und Verwendung in der deutschen Industrie", erschienen. Unter Anlehnung an das Prinzip, das in der früheren deutschen Armee herrschte, wird für die deutsche Industrie ein sog. „Zwieführersystem" vorgeschlagen. Wie die Generalstabschefs bei der Armee neben den Führern standen, so sollen neben den Direktoren und Generaldirektoren sog. „Werkstäbler" stehen, jüngere, zum künftigen Führer geeignete, sehr gut ausgebildete Personen. Von dieser Mischung an Spannkraft und Arbeitsfreudigkeit auf der einen und Erfahrung'und Besonnenheit auf der anderen Seite versprechen sich beide Verfasser viel für die zukünftige Entwicklung der deutschen Industrie. Hier liegen bedeutsame Anfänge einer eigenen deutschen Entwicklung vor, und man darf dem weiteren Gang und den praktischen Ergebnissen mit Interesse entgegensehen. Aber nicht nur hier, sondern verstreut in den verschiedensten Ländern liegen bereits die Ansätze zu einer Lösung dieser Fragen vor. Es sind in Deutschland, in England, in Frankreich und auch in Amerika Untersuchungen zu dieser und jener Frage angestellt und durchgeführt worden. Es gilt jetzt vor allem, hier aktiv und vereint voranzugehen, das in jedem Land Vorhandene zu sichten und zu ordnen und dann den in gleicher Weise interessierten auswärtigen Stellen zugänglich zu machen. Nur so können wir hoffen, zu einem objektiven Ergebnis zu kommen, das den jeweiligen Bedingungen, den jeweils herrschenden Verhältnissen und dem betroffenen Arbeitermaterial in allen Fällen gerecht wird.
V. Henry Ford und sein System. G a n z abseits v o n d e n organisatorisch b e k a n n t e n Großi n d u s t r i e n s t e h e n sowohl in der A r t der F a b r i k a t i o n als a u c h in d e n V e r w a l t u n g s g e d a n k e n die b e k a n n t e n F o r d s c h e n Automobilf a b r i k e n , die a u c h in E u r o p a bereits i h r e Zweigfabriken h a b e n . ( E n g l a n d , F r a n k r e i c h u n d Holland.) Von v o r n h e r e i n möge d a h e r ganz ausdrücklich festgelegt werden, d a ß sich die F o r d s c h e n G r u n d s ä t z e mit der Arbeitswissenschaft, wie sie der E u r o p ä e r u n d a u c h der A m e r i k a n e r ausgelegt wissen will, u n t e r keinen U m s t ä n d e n identifizieren lassen. F o r d ist im Arbeiten u n d D e n k e n ein A u t o d i d a k t u n d ein t y p i s c h e r A m e r i k a n e r . E r h a t es v e r s t a n d e n , auf der einen Seite d u r c h seinen psychologisch w o h l d u r c h d a c h t e n u n d großzügig a u s g e b a u t e n P r o p a g a n d a f e l d z u g das B e d ü r f n i s n a c h einem schnellen V e r k e h r s m i t t e l in d e n b r e i t e s t e n S c h i c h t e n z u wecken u n d auf der a n d e r e n Seite d u r c h einen z w e c k e n t s p r e c h e n d e n p r o d u k t i o n s - u n d k o n s t r u k t i o n s t e c h n i s c h e n A u s b a u seiner Hers t e l l u n g s v e r f a h r e n die Möglichkeit seiner w e i t e s t g e h e n d e n Befriedigung zu s c h a f f e n . I m n a c h s t e h e n d e n wollen wir u n s d a r a u f b e s c h r ä n k e n , d e m Leser in g e d r ä n g t e r F o r m die B e s o n d e r h e i t e n u n d C h a r a k t e ristiken F o r d s c h e n Geistes u n d F o r d s c h e r P r o d u k t i o n zu geben. E s soll h i e r n i c h t im einzelnen auf die vielen S c h r i f t e n f ü r F o r d u n d gegen F o r d , a u c h nicht auf die Ursache dieser vielen L i t e r a t u r , auf sein b e r e i t s des ö f t e r e n zitiertes B u c h „Mein Leben u n d Werk,, eingegangen w e r d e n . Sie sind alle im A n h a n g dieser. Schrift aufgeführt. Bei d e n gegebenen A u s f ü h r u n g e n gehen wir v o n d e r Voraussetzung a u s , d a ß das F o r d b u c h den Lesern b e k a n n t ist. Gleich hier wollen wir es als eines der i n t e r e s s a n t e s t e n u n d a u c h geists p r ü h e n d s t e n B ü c h e r bezeichnen, die u n s in d e n l e t z t e n J a h r e n beschert w u r d e n .
Seine produktionstechnischen Grundsätze.
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Der Leitgedanke des Buches — und auch der seines Lebens — ist der des D i e n e n g . Die Tätigkeit jedes einzelnen Menschen soll in vornehmster Linie auf das Wohl der Allgemeinheit gerichtet sein. Die folgenden Ausführungen sollen uns nun einen weiteren ganz spezifischen Beitrag zu unserem Problem liefern und uns zeigen, wie t y p i s c h a m e r i k a n i s c h e V e r h ä l t n i s s e und t y p i s c h a m e r i k a n i s c h e r G e i s t ein System erstehen ließ, das einzig dasteht. a)
Seine
produktionstechnischen
Grundsätze.
Ford ist ein Anhänger der D e z e n t r a l i s a t i o n der Produktionsstätten. Er verlegt sie an die Rohstoffquellen, den Standort, an billige und gesunde Siedlungs- und Existenzstätten für die Arbeiter, und er sucht hierfür die wirtschaftlichsten Transport- und Verkehrswege. Er ist kein Anhänger der „Riesenwerke" — eine Fabrik soll nicht mehr als 1 bis 5000 Arbeiter haben. Dabei macht er sich aber in seinem Bedarf an Rohstoffen weitgehend unabhängig. Er hat seine eigenen Hochöfen, seine eigenen Glasfabriken, seine eigenen Wälder. Auch die einzelnen Fabrikkomplexe als solche sind derart durchgebildet, daß ein Werk nur einen bis zwei Artikel erzeugt. Jedes Nebenprodukt, das fällt, wird wieder in irgendeinem Glied dieser Produktionskette produktiv verwendet oder aber im Fordschen Allgemeinsinn nutzbringend verkauft. Es ist dieses der gleiche Gedanke, wie er in den europäischen S t i n n e s k o n z e r n e n der letzten Zeit wiederzufinden ist. Ford kennt keine S t ü c k a r b e i t . Den sonst üblichen Zweck der Akkordproduktion erreicht er durch seine bis auf höchste Leistungsfähigkeit durchgebildeten Maschinen und Transportbänder. In der Fordschen Fabrikationsmaschinerie liegt mehr Geist und Seele und Initiative als in den sie bedienenden Menschen. Sie ist es, die dem Arbeiter seine Höchstleistung abringt und nicht der sonst hierzu dienende Akkordlohn. Das Fordsche „ T r a n s p o r t b a n d " bringt in einer vorher genau erprobten unabänderlichen Geschwindigkeit das Werkstück bis unter die Hand des Arbeiters, der mit dem allergeringsten Aufwand von Bewegung und Kraft nur e i n e n k u r z e n G r i f f im Aufbauprogramm des Fertigproduktes vollbringt. Die hier
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V. Henry Ford und sein System.
an Bewegung ersparte Energie ist wirklich gespart, da das Fortbewegen des Fabrikates durch die S c h w e r k r a f t besorgt wird. Wichtig an den Fordschen Verfahren ist das s t a r r e F e s t h a l t e n am ein für allemal konstruktiv durchgebildeten skelettiven A u f b a u d e s W a g e n s , der universelle Verwendbarkeit von Reserveteilen und seine ständige Modernisierung gestattet. Hierbei wird jedoch jeder Fortschritt und jede Erfahrung eines neu am Markt erscheinenden Konkurrenzfabrikates zunutze gemacht, das sofort, sowohl konstruktions- als auch materialtechnisch gründlich studiert wird. In gleicher Weise werden auch die durch die eigenen Arbeiter und Angestellten gemachten fortschrittlichen Erfahrungs- und Experimentierresultate weitgehend berücksichtigt. Der Fordsche Wagen „ l e b t " mit dem Fortschritt. b) Seine kaufmännischen
und organisatorischen
Grundsätze.
Fords kaufmännische Grundsätze sind vielleicht noch prägnanter und volkswirtschaftlich einschneidender als seine produktionstechnischen. Er scheut nicht mit Unrecht den destruktiven Einfluß des F i n a n z m a n n e s und J u r i s t e n auf die Produktion und verwirft grundsätzlich das Hineintragen rechts- und finanztechnischer Prinzipien in einen Fabrikbetrieb. H e r r d e r P r o d u k t i o n ist der Techniker! Er bekämpft den Begriff des G e l d e s a l s W a r e . Er ist ein F e i n d d e r B ö r s e , des „ B o r g e n s " , und des „ r u i n ö s e n Z i n s w e s e n " . Er hat kein Verständnis für den Kredit, der das Unternehmen in die Hände der Bankiers spielt. Er lehnt die skrupellose Anhäufung von Gewinnen ab. Ehe er an einen Lohnabbau denkt wUrde er an einen Abstrich der Dividenden herangehen. Ford stellt sich auch gegen das K a r t e l l w e s e n und t r i t t für den f r e i e n W e t t b e w e r b ein. Für die Preisbildung eines Artikels ist in erster Linie die K a u f k r a f t d e s M a r k t e s maßgebend. Mit stählerner Energie zwingt er seinen Produktionsapprat, den durch den Markt jeweils diktierten Preis gewinnbringend zu gestalten. Das K a l k u l a t i o n s v e r f a h r e n ist deshalb auch mit peinlichster Genauigkeit durchstudiert worden und arbeitet mit V i000 Cent und fabrikationstechnisch mit Bruchteilen von Sekunden.
Seine propagandistischen Grundsätze.
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N i c h t u n i n t e r e s s a n t ist seine k o n s e q u e n t e E r z i e h u n g d e s k a u f e n d e n P u b l i k u m s , d e m die Z w e c k m ä ß i g k e i t der in h ö c h s t e m Maße t y p i s i e r t e n Erzeugnisse ü b e r z e u g e n d beigebracht wird. F o r d h a t sehr b a l d den gefährlichen E i n f l u ß einer „ p a p i e r e n e n " Ü b e r O r g a n i s a t i o n f ü r seinen Betrieb e r k a n n t u n d diesen Geist m i t aller Gewalt v o n sich f e r n g e h a l t e n . S t ä n d i g e B e r u f s o r g a n i s a t o r e n u n d B e r u f s e x p e r t e n h a b e n in seiner F a b r i k k e i n e n P l a t z . Schriftliche A u f z e i c h n u n g e n , V o r d r u c k e , langa t m i g e theoretische S t a t i s t i k e n sind i h m in gleicher Weise verpönt. Zeitweilige A u f f r i s c h u n g des a r b e i t e n d e n Personals — die , , H a u s r e i n i g u n g " — ist im F o r d s c h e n Sinne ein b e w ä h r t e s Mittel, u m d e n Geist im U n t e r n e h m e n frisch u n d gesund zu e r h a l t e n . D a n k seiner v e r k a u f s t e c h n i s c h e n O r g a n i s a t i o n ist es möglich, d a s ganze J a h r h i n d u r c h eine gleichmäßig a n g e s t r e n g t e Prod u k t i o n a u f r e c h t z u e r h a l t e n . Seine F a b r i k k e n n t keinen Saisonb e t r i e b . „ P r o d u k t i o n s s p i t z e n " oder ein A n s t a u e n v o n M a t e r i a l u n d W a r e ( „ Z i n s e n f r e s s e r ! " ) gibt es n i c h t . Der R o h s t o f f l ä u f t bei einem F a b r i k t o r hinein, u m es i n n e r h a l b weniger Tage b e i m e n t g e g e n g e s e t z t e n als fertiges F a b r i k a t zu verlassen.
c) Seine propagandistischen
Grundsätze.
F o r d h a t eine s t r e n g p l a n m ä ß i g e A u f t e i l u n g seiner A g e n t u r e n (6000 Zwischenhändler!). B e a c h t e n s w e r t sind die h o h e n A n s p r ü c h e , die er a n seine V e r k a u f s v e r t r e t e r stellt. Sie w e r d e n zwar sehr g u t b e z a h l t , sie m ü s s e n aber soweit technisch d u r c h g e b i l d e t sein, d a ß sie in d e m A u f b a u u n d der Wirkungsweise des F o r d s c h e n W a g e n s genau Bescheid wissen u n d i m s t a n d e sind, „ s ä m t l i c h e W a g e n ihres Bezirkes g e b r a u c h s f ä h i g zu e r h a l t e n " . Auf der einen Seite müssen sie in ständiger F ü h l u n g m i t allen Besitzern v o n F o r d w a g e n ihres Distriktes s t e h e n u n d etwaige R e p a r a t u r e n u n d I n s t a n d h a l t u n g s a r b e i t e n sofort d u r c h f ü h r e n . Auf der a n d e r e n Seite h a b e n sie ein Verzeichnis aller Personen zu f ü h r e n , die noch n i c h t Besitzer eines F o r d w a g e n s sind u n d sie f ü r d e n A n k a u f eines solchen W a g e n s e n t s p r e c h e n d zu beeinf l u s s e n . Ausgesetzte P r ä m i e n u n t e r s t ü t z e n diese p r o p a g a n d i s t i s c h e Tätigkeit.
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V. Henry Ford und sein System.
Besonders streng sieht Ford auf eine r e p r ä s e n t a t i v e werbet e c h n i s c h e A u s g e s t a l t u n g seiner V e r k a u f s f i l i a l e n . F o r t s c h r i t t l i c h e Gesinnung im Verkauf, höchste Ceschäftsmoral und absolute „ f a i r n e s s " s i n d f ü r i h n die B e d i n g u n g e n eines g u t e n V e r t r e t e r s seiner F i r m a . I n s e h r g e s c h i c k t e r W e i s e v e r s t e h t es F o r d , j e d e s seiner C e s c h ä f t s e r e i g n i s s e , m ö g e n sie n u n p o s i t i v e r o d e r n e g a t i v e r N a t u r sein, r e k l a m e t e c h n i s c h a u s z u n u t z e n , so z. B . s e i n e n g r o ß e n P a t e n t s t r e i t , seine f i n a n z i e l l e n S c h w i e r i g k e i t e n i m J a h r e 1920, seine 5 0 - D o l l a r - P r ä m i e f ü r j e d e n K ä u f e r eines F o r d w a g e n s in einem besonders guten Geschäftsjahr u n d ähnliches. Seine b e s t e n R e k l a m e m a B n a h m e n sind o h n e Zweifel seine S c h r i f t e n , v o r allem „sein B u ; h " , d a s a u g e n b l i c k l i c h die g a n z e Welt von ihm reden macht.
d) Seine sozialen
Grundsätze.
F o r d h a t in allen seinen B e t r i e b e n a u s f r e i e n S t ü c k e n d e n A c h t s t u n d e n t a g v e r w i r k l i c h t . E r z a h l t n i c h t die „ ü b l i c h e n * ' , s o n d e r n die „ h ö c h s t e n " L ö h n e . E r ist ein F ö r d e r e r des f a b r i k a t i o n s t e c h n i s c h b e l e b t e n f a c h l i c h e n S c h u l w e s e n s , d a s er in seiner F o r d s c h u l e f ü r b e s o n d e r s b e g a b t e L e h r l i n g e in b e a c h t e n s w e r t e r W e i s e v e r w i r k l i c h t . Als i m G e g e n s a t z h i e r z u s t e h e n d d r ä n g t sich j e d o c h die T a t s a c h e a u f , d a ß in d e n F o r d s c h e n F a b r i k e n f a s t die g e s a m t e A r b e i t e r s c h a f t n u r a u s A n g e l e r n t e n b e s t e h t , d e r e n T ä t i g k e i t n a c h F o r d zu 80 P r o z e n t in l ä n g s t e n s einer W o c h e , d a v o n m a n c h e 6chon in f ü n f M i n u t e n , „ e r l e r n t " ist. N i c h t u n e r w ä h n t d ü r f e n seine B e m ü h u n g e n u m die B e s c h ä f t i g u n g v o n K r ü p p e l n bleiben. An H a n d der erzielten E r f o l g e s t e l l t F o r d die B e h a u p t u n g a u f , d a ß die I n d u s t r i e i m s t a n d e i s t , m e h r K r ü p p e l v o l l w e r t i g zu b e s c h ä f t i g e n , als es ü b e r haupt gibt. D e n gleichen Geist f i n d e n wir a u c h i n der O r g a n i s a t i o n seines b e a c h t e n s w e r t e n K r a n k e n h a u s e s v e r t r e t e n . A u c h f ü r die P a t i e n t e n s u c h t e r n a c h Möglichkeit n u t z b r i n g e n d e B e s c h ä f t i g u n g zu s c h a f f e n , u m sie v o r d e n „ S e g n u n g e n " d e r W o h l t ä t i g k e i t zu b e wahren. W o h l f a h r t s e i n r i c h t u n g e n im üblichen Sinne sind F o r d u n b e k a n n t . F ü r die K r ü p p e l s c h a f f t er A r b e i t , d e r L e h r l i n g m u ß d u r c h seine T ä t i g k e i t die S c h u l e e r h a l t e n u n d d e m K r a n k e n
Ford als Mensch.
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g i b t e r G e l e g e n h e i t , sich a u c h w ä h r e n d seiner K r a n k h e i t e t w a s zu verdienen. B e s o n d e r e S o r g f a l t w i d m e t er d e r H y g i e n e d e s F a b r i k r a u m e s , wo ein H e e r v o n 700 B e d i e n s t e t e n lediglich R e i n i g u n g s a r b e i t e n a u s f ü h r t . E r b e t r e i b t a u c h ein p e i n l i c h g e n a u e s S t u d i u m des Unfallwesens. D e r P e r s o n a l w e c h s e l b e t r ä g t in s e i n e n B e t r i e b e n 3 b i s 6 P r o z e n t der B e l e g s c h a f t . F o r d ist k e i n a u s g e s p r o c h e n e r G e g n e r d e r A r b e i t e r o r g a n i s a t i o n e n , die er a b e r als solche in seinen s ä m t l i c h e n F a b r i k e n ausschaltet.
e) Ford als
Mensch.
H e n r y F o r d ist der T y p eines a u f s R e a l e e i n g e s t e l l t e n M e n s c h e n . W e n n sich a u c h in seinem B u c h e a b u n d z u ein a u f s m e h r I d e a l e g e r i c h t e t e r G e d a n k e f i n d e t , so k l i n g t e r i m Zus a m m e n h a n g m i t seinen s o n s t i g e n A u s f ü h r u n g e n d e r a r t u n w i r k lich, d a ß er d a z u a n g e t a n ist, s e i n e n R e a l i s m u s n u r n o c h zu u n t e r streichen. E i n i g e seiner Ä u ß e r u n g e n sollen hier a n Stelle l a n g e r Schilder u n g e n ein s c h a r f skizziertes Bild seiner P e r s ö n l i c h k e i t g e b e n : D e n k e n ist die s c h w e r s t e aller A r b e i t e n . W i r f r a g e n zu wenig n a c h d e n G r ü n d e n u n s e r e s T u n s . D i e w a h r e B i l d u n g w i r d d u r c h die Disziplin d e s L e b e n s gewonnen. D i e S e n t i m e n t a l i t ä t n e i g t d a z u , d a s P r a k t i s c h e zu v e r drängen. P h i l a n t r o p i e erzieht t r o t z e d e l s t e r M o t i v e n i c h t z u m S e l b s t vertrauen. D i e A r b e i t ist der E c k s t e i n , a u f d e m die W e l t r u h t , sie i s t die Wurzel unserer Selbstachtung. N i c h t s was u n s wirklich i n t e r e s s i e r t , f ä l l t u n s s c h w e r . W e r so s t a r r ist, d a ß er sich n i c h t m e h r ä n d e r n k a n n , ist bereits gestorben. F u r c h t v o r Mißerfolgen ist eine S c h a n d e . Die r o h e , e i n f a c h e , p r i m i t i v e K r a f t d e r B e h a r r l i c h k e i t ist die u n g e k r ö n t e K ö n i g i n d e r W e l t des Wollens. J e d e erforderliche Sekunde wird dem Arbeiter zugestanden, k e i n e einzige d a r ü b e r .
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V. Henry Ford und sein System.
Es ist etwas Heiliges u m den L o h n . . A b e r es ist e t w a s ebenso Heiliges u m das K a p i t a l . . . K a p i t a l , das die Arbeitsgelegenheit v e r m e h r t u n d gleichzeitig die K o s t e n der Dienstleistung der Allgemeinheit g e g e n ü b e r h e r a b s e t z t , b e d e u t e t , selbst in d e n H ä n d e n eines einzelnen, keine Gefahr f ü r die Allgemeinheit. Das P u b l i k u m h a t alle M i ß w i r t s c h a f t zu bezahlen. D e n n die einzig solide A r t eines G e s c h ä f t e s ist die Dienstleistung gegenüber d e m P u b l i k u m . V e r b r a u c h ist l e b e n s p e n d e n d . S p a r s a m k e i t ist der A u s d r u c k der F u r c h t . Ich bin f ü r die A r t v o n D e m o k r a t i e , die j e d e n n a c h Maßs t a b seiner B e g a b u n g gleiche Chancen e i n r ä u m t . K o n s t r u k t i v e s D e n k e n ^ t u t u n s in öffentlichen Diensten n o t . Kein echter P a t r i o t wird aus d e m Kriege Geld ziehen. F o r d s C h a r a k t e r i s t i k wäre n i c h t vollständig, w e n n m a n i h n nicht auch als A n t i s e m i t e n e r w ä h n e n w ü r d e (s. sein B u c h : Der i n t e r n a t i o n a l e J u d e ) . — J e d e r , der sich v o n F o r d ein plastisches Bild seines Schaffens zu f o r m e n v e r m a g , wird seine a n t i jüdische Einstellung als e t w a s n i c h t absolut Eigenes e m p f i n d e n . F o r d ist ein überzeugter Nationalist, m i t Leib u n d L e b e n A m e r i k a n e r . F ü r i h n m u ß der J u d e , der n a c h seiner M e i n u n g kein geschlossenes Staatswesen k e n n t , d e m ein völkisch k o n s t r u k tives D e n k e n f r e m d ist, dessen rituelle E r z i e h u n g i h n b e s t i m m t , seine R a s s e n m o r a l monopolisierend der g a n z e n W e l t a u f z u d r ü c k e n , Feind sein. Seine S t e l l u n g n a h m e den J u d e n gegenüber p r ä g t sich wohl a m deutlichsten in seinen W o r t e n a u s : „ S i n d sie (die J u d e n ) so klug, wie sie vorgeben, so w e r d e n sie alles d r a n setzen, die J u d e n zu A m e r i k a n e r n , s t a t t die A m e r i k a n e r zu J u d e n zu m a c h e n " .
f ) Stimmen zu Ford. Es w u r d e bereits a n g e d e u t e t , d a ß d a s „ F o r d b u c h " sowohl d r ü b e n wie hier in E u r o p a die G e m ü t e r i n allen L a g e r n s t a r k angeregt h a t . Der S t i m m e n f ü r u n d wider sind viele. U n d es soll im nachfolgenden v e r s u c h t w e r d e n , v o n der P l a t t f o r m des Arbeitswissenschaftlers aus ein Bild der verschiedenen E i n stellungen z u m P r o b l e m zu g e b e n : v o m allgemeinen, v o m volkswirtschaftlichen, v o m U n t e r n e h m e r - , v o m sozialistischen u n d
Stimmen zu Ford.
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kommunistischen und schließlich vom philosophischen Standp u n k t aus. Die amerikanische Arbeitswissenschaft steht dem Fordsystem als G a n z e m ablehnend gegenüber. Von einem führenden amerikanischen Arbeitswissenschaftler fiel während des Prager Kongresses die Äußerung, daß „ F o r d seit Neros Zeiten der größte Sklavenhalter sei! 4 ' Als tüchtiger, weitsichtiger und erfolgreicher K a u f m a n n und Betriebsleiter wird er aber geachtet und — gefürchtet ! Die Wirkung seiner Schrift und das Bekanntwerden seiner Verfahren in Deutschland ist interessant, lehrreich und in mancher Richtung typisch f ü r deutsche Mentalität! Es ist Tatsache, wir wurden literarisch überfüttert mit F o r d ; wir lebten in einer Fordpsychose, und er drohte f ü r bestimmte Kreise gefährlich zu werden. Es m u ß aber dahingestellt bleiben, ob der unternommene Versuch, jeden, der den Namen Ford anders als in abfälliger und ablehnender Weise im Munde führte, als dessen bezahlten und bestochenen Agenten zu bezeichnen, wirklich das Mittel war und ist, ihn totzuschweigen. Aus den gleichen Quellen stammen auch die Gerüchte, einmal, das Ford-Buch wäre gar nicht von ihm geschrieben worden, zum anderen, es wäre in Deutschland entstanden, oder Ford h ä t t e alle seine Ideen lediglich von Deutschland bezogen usw. usw. Es ist als völlig gleichgültig anzusehen, woher Fords Ideen stammen, und ob er oder, wie die späteren Auflagen der deutschen Ausgabe seines Buches schreiben, S a m u e l C r o w t h e r das Buch verfaßt h a t . Tatsache bleibt, daß in dem zitierten Buch Fords Verfahren und Fords Grundsätze geschildert werden, wie sie t a t s ä c h l i c h seit vielen Jahren in der P r a x i s b e s t e h e n und fUr ihn erfolgreich waren. Volkswirtschaftlich betrachtet, ist diesem System, das von verschiedenen Seiten bereits als ein neues Stadium, als eine neue Ära des Kapitalismus bezeichnet wird, größte Aufmerksamkeit zu schenken. An das Für und Wider der von Ford vertretenen Richtung ist objektiv und ( n ü c h t e r n heranzutreten. Hören wir aus der ungeheuren Flut von Meinungsäußerungen einige deutsche Stimmen. Fast jede sieht in einem a n d e r n P u n k t das Heil oder die Gefahr f ü r Deutschland. Aber unabhängig hiervon ist vor allem wichtig, daß die Aufmerksamkeit breitester
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Y. Henry Ford und sein System.
Kreise wieder einmal auf das gelenkt wurde, was uns vor allem not t u t : auf bessere u n d planmäßigere Produktion. „Die bevorstehende Erteilung der Einfuhrgenehmigung f ü r amerikanische Automobile nach Deutschland h a t allenthalben die Frage a u f t a u c h e n lassen, ob die deutsche Industrie imstande sein wird, mit Erfolg dieser Konkurrenz zu begegnen. Will man ehrlich sein, d a n n m u ß m a n die Frage dahin beantworten, daß die deutsche Industrie ihrem jetzigen Stande nach hierzu k a u m in der Lage sein wird. Sie ist gezwungen, sich umzustellen und wirtschaftlichere Arbeits- und Betriebsweisen zur Anwendung zu bringen, als sie das bisher gewöhnt w a r . " Es ist bezeichnend, daß dieser Aufsatz seine Runde durch führende deutsche Zeitungen, wie z. B. die „Kieler"- und „Breslauer"-Zeitung machte. Im Mannheimer „ T a g b l a t t " lesen wir am 13. April: „Wir sind etwas skeptisch geworden, wenn von Amerika Yölkerbeglücksideen laut werden, denn Wilson und seine 14 P u n k t e sind unvergessen. Und doch wäre es nicht richtig, wollte man an dem Buch des Automobilkönigs Ford ,Mein Leben und W e r k ' achtlos vorübergehen „Wir sollten doch die Anregung zu jeder Reform des Wirtschaftslebens ernstlich prüfen, da unser bisheriges Wirtschaftssystem so schwere Fehler aufweist, und der Sozialismus uns mit seinen praktischen Versuchen nur tiefer ins Elend gebracht h a t . " Nachdem auf die H a u p t i d e e n des Buches eingegangen wird, schließt der Aufsatz: „Aber es ist doch möglich, daß Fords Forderungen nicht ganz Utopie bleiben, d a ß allmählich, zum Teil auf seine Anregung hin, eine neue E t h i k das Geschäftsleben durchpulst, weil sein Buch nicht das Werk eines deutschen Idealisten ist, sondern eines nüchternen, wenn auch warmherzigen Praktikers, u n d — weil ein geradezu glänzender Erfolg dahintersteht. Dieser Erfolg könnte der Jetztzeit sogar das Prinzip des Dienens als Aktivum im Geschäftsleben aufstellen. „Wenn das Fordsche Buch dazu einen Anstoß gibt, daß wir uns auf den guten alten Geist der K a u f m a n n s c h a f t besinnen, daß das Zutrauen zu ihr, ihr Ansehen wieder hergestellt wird, und damit ihr Kredit in der Welt, so h a t es uns Deutschen einen ungeheuren Dienst geleistet. Und noch eins macht die Beschäfti-
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gung mit dem Fordgehen Buche zu einer kraftvollen Anregung gerade in unserer Zeit. Es ist die Bejahung der Arbeit u m ihrer selbst willen: die helle, nimmermüde Freude am Werk, eine flutende Energie und ein klarer, fester Glaube, d a ß auch das scheinbar Unmögliche erzwungen wird, wenn es als gut erkannt ist und ein Manneswille d a h i n t e r t e h t . " Prof. Dr. N i c k l i s c h , der derzeitige Rektor der 'Handelshochschule in Berlin und ein F ü h r e r der Betriebswirtschaft, sagt über Ford in einer Besprechung seines Buches: „Das Fordsche Buch ist ein K u l t u r b u c h . . . Die Forderung der Wirtschaftlichkeit f ü r den Gewinn, die ich in den betriebswirtschaftlichen Forschungsgegensätzen vertreten habe und noch vertrete, findet in dem Buche von- der (amerikanischen) Praxis her eine glänzende und sichere Bestätigung . . . " G ü n t h e r S t e i n veröffentlicht in der Handelszeitung des Berliner Tageblattes in einem Aufsatz „ F o r d — und unsere N o t " u. a. die folgenden Gedanken: „. . . Ist es eine solche Idee, die Henry Ford in zwei Jahrzehnten aus einem unbemittelten experimentierenden Ingenieur zum reichsten Mann der Welt gemacht h a t , die den Absatz des Ford-Automobils und des Ford-Traktors zum Nutzen aller Schichten des amerikanischen Volkes in ungeahnte Dimensionen steigerte, die die sozialen Verhältnisse in der Fordschen F a b r i k s t a d t mit ihren 50 000 Arbeitern zu den idealsten bisher erreichten gestaltete ? Oder beruht alles dieses zwar auf geschäftlicher Tüchtigkeit, aber doch letzten Endes auf einem glücklichen Zufall, auf einer klug wahrgenommenen, außerordentlichen K o n j u n k t u r ? Wäre das nicht der Fall, so ließe sich j a die Idee, die bei Ford einen so ungewöhnlich allseitigen Erfolg zeitigte, mit guter Aussicht auf Gelingen auch in anderen Wirtschaftszweigen und in anderen Ländern anwenden. So könnte auch uns vielleicht einmal von dem so viel verspotteten „ A m e r i k a n i s m u s " das wirtschaftliche und soziale Heil kommen . . . . „ . . . Der deutsche F a b r i k a n t m u ß sich nicht mit Worten und Reklame, sondern mit richtig betätigtem Verständnis für die Bedürfnisse und die K a u f k r a f t seiner Landsleute u m ihre Versorgung mit möglichst viel nützlichen Waren bemühen. Er muß, wie Ford, dessen Lebensarbeit von dem Wunsche ausging, durch Schaffung einer zweckmäßigen Maschine den Farmern ihre W i t t e , Taylor-Gilbreth—Ford.
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V. Henry Ford und sein System.
schwere Arbeit zu erleichtern, den Wunsch des Geldverdienens in den des Dienenwollens kleiden und in der Befriedigung der inländischen Bedürfnisse seine H a u p t a u f g a b e erblicken, aus der sich die Erfüllung seines Hauptbedürfnisses, Geld zu verdienen, von selbst e r g i b t . " Der Psychologe und Arbeitswissenschaftler Dr. G i e s e aus S t u t t g a r t schreibt: „ D e r Warenmarkt ist bei Ford unerschöpflich. Zumal sein T r a k t o r e n b a u gibt Ausblicke auf Generationen! Und vielen deutschen Skeptikern, die an Überflutung durch Fords Millionen Autos denken, kann man nur in Erinnerung bringen, daß der Gedanke der Marktbeeinflussung durch billigere Serienfertigung immer der einzig richtige war und kommende einzige Möglichkeit wird. . . . Denn die tropfenweise Einzelfertigung eines Artikels ist durch technische Überholung des Gegenstandes mittels neuer Erfindungen genau so brachgelegt wie die Großfertigung in Serien. Man muß Fords Ansichten — gerade gegenüber der deutschen Mentalität — doch recht nachhaltig unterstützen. Sie sind von erheblicher psychologischer Tiefe." E s ist jetzt an der Zeit, einige deutsche U n t e r n e h m e r zu dem Problem sprechen zu lassen. G e h . P r o f . D r . - I n g . K l i n g e n b e r g äußerte sich auf der letzten H a u p t v e r s a m m l u n g des V e r e i n e s d e u t s c h e r I n g e n i e u r e über amerikanische Herstellungsverfahren im allgemeinen und über das Ford-Verfahren im besonderen und fuhr dann f o r t : „ . . . Auch bei dieser (der Einzelherstellung) ist der amerikanische Ingenieur bestrebt, die Konstruktionen so durchzubilden, daß die Einzelteile möglichst vielseitiger Verwendung dienen können. „ U n d hier scheint mir der Punkt zu sein, wo der deutsche Ingenieur sich noch wesentlich vervollkommnen kann. Normalisierung und Typisierung sind in Amerika für die einzelne Fabrik außerordentlich weit durchgeführt. Müssen Spezialausführungen gemacht werden, so werden hierfür nach Möglichkeit vorhandene Konstruktionsteile benutzt, und zwar so lange, bis der steigende U m s a t z die Durchbildung einer neuen Konstruktion rechtfertigt. Die Normalisierung wird durch das erleichtert, was ich
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„technische Mode" nennen möchte. Der Käufer verlangt dasjenige erprobte Fabrikat, welches rasch geliefert werden kann, selbst wenn eine technisch vollkommenere Lösung denkbar wäre. „Da wir nie über solche Umsatzziffern wie die Amerikaner auf den meisten Industriegebieten verfügen werden, müssen wir uns in anderer Weise zu helfen suchen. Wir müssen das, was der Amerikaner in der einzelnen Fabrik erstrebt, gemeinschaftlich lösen, und hierfür ergibt sich gerade in unserem Verein ein dankbares Tätigkeitsfeld, das sich einmal auf gemeinschaftliche Normalisierung und Typisierung, zweitens auf gemeinschaftliche Forschungsarbeit zu erstrecken hat." Direktor Paul S c h m e r s e aus Nürnberg schreibt in den V. D. I.-Nachrichten über „Ford und die deutsche Wirtschaft": „. . . Das Reichswirtschaftsministerium stellt zurzeit Erhebungen an, ob die deutsche Fahrzeugindustrie dem Einbruch Fords die Spitze bieten kann. Dieser Einbruch wird zweifellos unter der Wirkung des mit den Vereinigten Staaten abzuschließenden Meistbegünstigungsvertrages erfolgen. Darum muß mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, daß die deutsche Fahrzeugindustrie auf dem Arbeitsgebiet von Ford nur dann wettbewerbfähig sein kann, wenn die Fertigungsbedingungen der amerikanischen Industrie auch bei uns zur Einführung gelangen. Dies gilt insbesondere für die Einstellung und Entlassung von Arbeitern . . . " Wichtig ist auch eine kurze Umschau im arbäitlichen, also gewerkschaftlichen Lager, und zwar sowohl im sozialistischen wie kommunistischen. R i c h a r d W o l d t , ein langjähriger Gewerkschaftsführer, äußert sich in der sozialistischen Zeitschrift „Der Firn" über Ford u. a.: „. . . Bei uns in Deutschland ist man in Unternehmerkreisen viel zu leicht geneigt, das Problem der Leistungssteigerung in der Wirtschaft so zu sehen, daß der Lohn gedrückt und die menschliche Arbeitsleistung hinaufgetrieben werden müsse, ohne vorher mit aller Sorgfalt sich der Lösung der Aufgabe hinzugeben, die sachlichen Produktionsfaktoren zur höchsten Ergiebigkeit zu steigern. Das hat Ford getan. Darin, scheint mir, liegt zunächst sein Verdienst. Hier hat er als Unternehmer in 5»
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seiner wirtschaftlichen Position einen Vorsprung, der von seiner Konkurrenz erst einmal erarbeitet und eingeholt werden m u ß . . . " H e i n r i c h S t r ö b e l , ein Führer der Sozialdemokratischen Partei, schreibt am 9. April in der Elberfeld-Barmer „Freien Presse": ,,. . . Henry Ford ist — ohne es zu ahnen — der mächtigste u n d willkommenste Verbündete des Sozialismus. Seine Leistungen bestätigen unwiderleglich die Richtigkeit der sozialistischen Auffassungen von der gewaltigen Steigerung der Produktion, sobald Wirtschaftsorganisatoren vom Schlage Fords ans Werk gehen. Wir Sozialisten sollten uns dessen Erfahrungen zunutze machen." Die vom Verband Sozialer Baubetriebe herausgegebene „Soziale B a u w i r t s c h a f t " erklärt in einem Aufsatz über Fords Buch: „. . . Wir tragen kein Bedenken, daß wir, wenn wir die Macht dazu hätten, jeden an verantwortlicher Stelle im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben stehenden Menschen zwingen würden, dieses Buch zu lesen." Im schärfsten Gegensatz zu allen diesen Stimmen stehen die kommunistischen und die philosophischen. Ein nicht ungeschickt abgefaßtes Büchlein von A l e x a n d e r Friedrich „ H e n r y Ford, der König der Autos und der H e r r s c h e r ü b e r d i e S e e l e n " propagiert unter den deutschen und europäischen Arbeitern den schärfsten K a m p f gegen den „ F a b r i k a n t von Seelen". Sowjetrußland mit M o s k a u soll Gegenpol von D e t r o i t sein! Der Inhalt der Fordlehre wird vom kommunistischen Standp u n k t unter die Lupe genommen und den Sozialisten und Gewerkschaftlern, die in Ford den Verbündeten u n d Menschenfreund sehen, die Tatsache entgegengehalten, daß anläßlich der großen Wirtschaftskrise und der im Anschluß daran von Ford vorgenommenen „Hausreinigung" im J a h r e 1920 mit einem Schlage 10000 Arbeiter auf die Straße flogen! Auf die tatsächlich im Fordschen Buch vorhandenen vielen Widersprüche wird kritisch eingegangen. Ford verurteilt den auf das Schärfste, der aus einem Kriege Gewinne zieht. Während der zwei J a h r e amerikanischer Beteiligung am Weltkrieg erreichten die Überschüsse der Fordschen Unternehmungen Rekordziffern!
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Aber nicht nur wirtschaftliche und industrielle Interessen drückten dem Volkswirt und Ingenieur die Feder in die Hand; auch der Dichter und Ästhet meldet sich. Ein kleines Schriftchen sei noch zum Schluß unserer Betrachtung erwähnt, das von P e t e r M e n n i c k e n geschrieben wurde und „ A n t i F o r d " oder „ V o n der W ö r d e der Menschh e i t " heißt. Es wird nicht das geben, was man nach dem Titel zu schließen von dem Buch erwartet. Seine Ausführungen klingen, um es kurz zu fassen, in dem Satz aus, daß Ford kein Herren-, kein Kulturmensch, sondern nur als ein Sklaven-, ein zivilisatorischer, erdgebundener Mensch anzusehen ist. Ihm fehle jedes Schöpferische, jedes Extreme, jedes höchste und tiefste Erleben, ihm fehle also jede Religion! Unbedingt ist es richtig, Henry Ford nur als einen zivilisatorischen Menschen zu bezeichnen. Trotz allem muß man aber sagen, daß er in seinen Betrieben Positives geleistet hat; seine Ausführungen sind auch zum Teil so gehalten, daß man sich ohne Einschränkungen mit ihnen einverstanden erklären kann; er spricht in seinem Buch von einer Ethik der Arbeit, der man ebenfalls durchaus zustimmen kann, und er gibt auch jedem seiner Arbeiter das, was sie zum Leben brauchen und noch jenes bißchen, das darüber hinausgeht und ihnen die Erfüllung jener Sonderwünsche ermöglicht, die erst — für viele — den vollen Sinn des Daseins bedeuten. Aber dann kommt die Stelle, wo man nicht mehr einverstanden sein kann, und wo man mit Recht „von der Würde der Menschheit" sprechen muß: um welchen Preis erkauft der Arbeiter sich dieses „Leben" ? Hier gilt es, die Antwort zu finden auf streng objektiver Grundlage, und sie muß von der hierzu berufenen Stelle, vom Arbeitswissenschaftler, der parteilos in diesem Konflikt steht, gegeben werden. Der nächste Abschnitt soll versuchen, in gedrängter Zusammenfassung einige Anregungen zu bieten, um den Weg zu weisen, der in diesem Konflikt begangen werden muß und den zu gehen alle Anzeichen uns heißen.
VI. Der zukünftige Weg europäischer Arbeitswissenschaft ? Wir haben im Verlaufe dieser Arbeit auf die verschiedenen fast durchwegs in Amerika entstandenen arbeitswissenschaftlichen Richtlinien hingewiesen, ihre heutige Anwendung und Auswirkung sowohl in der überseeischen als auch in der europäischen Industrie ventiliert, wir haben das Problem neuzeitiger Produktionstechnik, die Fragen nach Arbeitszeit und Lohn aufgerollt und schließlich zu allen diesen Fragen die Stellungnahme der verschiedensten volks- und produktionswirtschaftlich interessierten Stimmen sowohl hüben als auch drüben gehört. Für den Europäer ist nun die Frage zu erörtern, welchen Weg der europäische Arbeitswissenschaftler einzuschlagen hat, um allgemein gesundend, aufrichtend und fördernd für unsere Volkswirtschaft zu wirken, und inwieweit er in diesem Sinne von den amerikanischen Methoden lernen bzw. diese für uns übernehmen kann. Es kann nicht stark und kräftig genug unterstrichen werden, daß für die Anwendbarkeit der amerikanischen Methoden die oft bis ins Extrem verschiedenen kulturellen, politischen, sozialpolitischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausschlaggebend sind. Ebenso grundsätzlich von Bedeutung ist die Feststellung, daß die in der amerikanischen Arbeitswissenschaft wurzelnden Hauptgnindsätze absolut einwandfrei sind und wiederholt ihre Richtigkeit bewiesen haben. Es ist aber vollständig falsch, die Anwendung dieser Grundsätze, die als geschlossene „Systeme" in gewissen amerikanischen, streng spezialisierten Einzelindustrien verblüffende Resultate gezeitigt haben, g e n e r a l i s i e r e n d für den europäischen Wirtschaftsapparat zu übernehmen. Eine derartige Handhabung der Arbeitswissenschaft hat schon in Amerika zu mehr oder minder scharfen Entgleisungen geführt.
Der zukünftige Weg europäischer Arbeitswissenschaft ?
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Mit welchem Vorbedacht u n d mit welcher Überlegung selbst der impulsive u n d so leicht begeisterungsfähige A m e r i k a n e r an die E i n f u h r u n g dieser Verfahren geht, d r ü c k t sich wohl a m deutlichsten i n der im J a h r e 1918 — also mehr als 20 J a h r e , n a c h d e m Taylor in die Öffentlichkeit g e t r e t e n war — von D r u r y herausgegebenen „Geschichte wissenschaftlicher B e t r i e b s f ü h r u n g " aus. Hier lesen wir, d a ß 1,2 P r o z e n t der fabrikmäßigen I n d u s t r i e n entsprechend 1,3 P r o z e n t der gesamten amerikanischen Arbeiters c h a f t v o n sich sagen können, „betriebswissenschaftlich" organisiert zu sein. U n d auch hier wird noch die E i n s c h r ä n k u n g gem a c h t , d a ß in diesen Industrien, v o n einigen A u s n a h m e n abgesehen, bei weitem nicht von einem „ T a y l o r - S y s t e m in R e i n k u l t u r " gesprochen werden k a n n . Wir wissen ferner, d a ß selbst große Betriebe wie die B e t h l e h e m S t e e l C o m p a n y u n d die s t a a t l i c h e n A r s e n a l e nach A n w e n d u n g eines solchen in sich geschlossenen Systemes zum Teil wenigstens zu ihren a l t e n Verfahren zurückkehrten. Allerdings m u ß es noch der Vollständigkeit u n d der Gerechtigkeit halber hier erwähnt werden, d a ß es k a u m einen neuzeitlichen Betrieb in Amerika oder E u r o p a gibt, der nicht die eine oder andere arbeitswissenschaftliche bzw. betriebswissenschaftliche P h a s e in seiner P r o d u k t i o n angewendet h a t . Auch bei uns in E u r o p a k o n n t e n wir wiederholt die gleiche B e o b a c h t u n g machen. I n allen j e n e n Fällen, wo diese amerikanischen arbeitswissenschaftlichen Systeme ohne vorherige gründliche E r f a s s u n g deB heimischen Produktionsgeistes einfach als Schablone angewendet wurden, f ü h r t e n sie zu einpm Mißerfolg. Viel Zeit, Geld u n d Energie ist auf diese Art verloren gegangen; Verluste, v o r denen wir uns vor allem h ü t e n müssen, da sie einerseits u n t e r den heutigen Verhältnissen unseren U n t e r n e h m u n g e n nicht z u g e m u t e t werden können, anderseits den vor allem wichtigen Ged a n k e n wissenschaftlich geleiteter P r o d u k t i o n in Mißkredit bringen. Das eine steht fest, d a ß wir von den amerikanischen Arbeitswissenschaftlern vieles lernen k ö n n e n , d a ß uns ihre Methoden ein sehr wertvolles Studienmaterial bieten. Wir müssen uns aber schwer davor h ü t e n , E u r o p a z u e i n e m A m e r i k a machen zu wollen, da bei uns, wie wir im Verlaufe dieser Schrift immer wieder betonen m u ß t e n , auch nicht eine der Vorbedingungen hierzu v o r h a n d e n ist.
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VI. Der zukünftige Weg europaischer Arbeitswissenschaft ?
So ist ganz Europa, wie wir sahen, zurzeit von einer FordEpidemie befallen. Es gibt viele Stimmen, die f ü r eine bedingungslose Übernahme Fordscher Produktionsverfahren sprechen. Sind wir imstande, auch nur für einen einzigen Artikel einen derart aufnahmefähigen Markt zu schaffen, daß es zu einer vollen Auswirkung derartiger Produktionsverfahren bei uns kommen k a n n ? Ford sagt selbst, daß er das Glück h a t t e , die Erzeugung eines Artikels aufzunehmen, d e n es v o r h e r n o c h n i c h t g a b . Ist es möglich, den europäischen Arbeiter trotz des Köders der hohen Löhne und des Achtstundentages im Fordschen Sinn zu beschäftigen ? Und ist die Fordsche Feststellung, daß die Mehrzahl der Arbeiter nach geistloser Arbeit verlangt, bzw. durch den drüben alles beherrschenden Drang nach Geld in diese Bahn gedrängt wurde, auch f ü r Enropa anwendbar ? Interessant und für die Lösung dieses heute dringendsten Problemes recht aufschlußreich sind zwei Vorträge, die auf der Jahresversammlung des W e r k b u n d e s Ende Juli dieses Jahres in K a r l s r u h e gehalten wurden. H u g o B o r s t , der verdienstvolle Leiter der Bosch-Werke in Stuttgart, h a t t e sich das bedeutungsvolle Thema gewählt: „Mechanisierte Industrie-Arbeit — muß sie im Gegensatz zur freien Arbeit Mensch und K u l t u r gefährden ? " Seine Arbeit zerfällt in zwei Teile: die Ursache u n d Wirkungen der mechanisierten Industriearbeit, wobei er auch auf die Taylorsche „Wissenschaftliche Betriebsführung" eingeht. Zweck und Ziel soll immer Hebung der Betriebswirtschaftlichkeit sein. Für die von uns angezogene Frage der kulturellen u n d ethischen Bedeutung der „mechanisierten" Arbeit ist der zweite Teil des Vortrages wichtiger. Hier kommt Borst auf die Wirkungen dieser Arbeitsweise auf den Menschen von heute zu sprechen, spricht wie Ford davon, daß viele Menschen nicht „in gleichem Maße geistig anregende Berufstätigkeit" entbehren werden. E r weist auf die Mittel und Wege hin, wie offenkundigen Gefahren und Schäden vorzubeugen und entgegenzutreten ist. Diese erstrecken sich vor allem auf eine Hebung der geistigen Interessen außerhalb der Arbeitszeit — die „ v e r n ü n f t i g " sein m u ß — auf gesunde Arbeitsräume usw. usw. Der hierbei f ü r den Menschen
Der zukünftige Weg europäischer Arbeitrwigsenschaft ?
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zu erzielende Vorteil und die Überwindung der Mechanisierung der Handarbeit, der „Maschinensklaverei" durch die ganz automatische Maschine zeigen uns die gleiche Tendenz, auf die wir bereits des öfteren hinwiesen. Borst gibt also eine Charakteristik der uns von drübep gepredigten Arbeitslehre und läßt seine Ausführungen ausklingen in der Überzeugung, daß E u r o p a sich a u f die D a u e r d i e s e n T e n d e n z e n n i c h t werde v e r s c h l i e ß e n d ü r f e n . Entgegengesetzter Ansicht und von höchster Bedeutung sind die Ausführungen des badischen Kultusministers Dr. W i l l y H e l l p a c h , der treffend über „ D i e E r z i e h u n g der A r b e i t " sprach. Der amerikanische Arbeiter ist in seinem Berufsleben -vom eigentlich Menschlichen, vom Zusammenhang mit seinem Persönlichkeitsleben losgelöst. Er findet einen gewissen Ersatz dafür in seiner starken Religiosität, die aber vor allem dem deutschen Arbeiter abgeht. Den Weg aus diesem Konflikt sieht Hellpach in einer „ W i e d e r b e s e e l u n g " der Arbeit. Es gibt in Deutschland bereits verschiedentlich Ansätze, um zu diesem Ziel zu gelangen. Genannt seien hier vor allem die Versuche, im Arbeiter, der dauernd nur an Teilen eines Ganzen schafft, das Bewußtsein des Zusammenhangs des ganzen Arbeitsprozesses wieder zu beleben. Da ist das Bestreben der „Gruppenfabrikation", der „Werkstatt-Ansiedelung", also einer Auflösung der Fabrik in einzelne Abteilungen, in denen die Ware, das Produkt, bis zu Ende gearbeitet, ganz fertig gemacht wird. Zu solchem Zweck hatte sich ein Fähnlein Daimler-Arbeiter in Eppendorf zusammengetan. Da ist weiter der Gedanke, daß wir uns dem Zeitpunkt nähern, wo die gesamte Produktion mechanisch geleistet wird, so daß ein einziger weitläufiger Maschinenhergang entsteht, den der Arbeiter nur zu überwachen hätte. Und da ist drittens der Gedanke, den Arbeiter am Produktionsprozeß zu beteiligen: die Einrichtung der Betriebsräte suchte ihn zu verwirklichen. H e l l p a c h sieht aber in allen diesen Versuchen nicht den richtigen Weg. Er vertritt vor allem die Lehre einer D u r c h g e i s t i g u n g jeder Arbeit; hier ist nach seiner Meinung das Übel anzugehen. Bereits in der Lehre, oder vor allem hier, muß der Anfang gemacht werden.
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Hellpach selbst, als Unterrichts minister, ist in Baden schon dabei, neue Pläne aufzustellen. I n der Fachschule soll der werdende Arbeiter gewiß zur praktisch-rationellen Arbeit erzogen, aber zugleich in den Zusammenhang des gesamten Arbeitsprozesses eingeführt werden, in den einzutreten er berufen ist, u m so einen Überblick zu gewinnen. E r soll ferner hier nicht n u r zweckmäßige Kenntnisse erwerben, sondern seine menschliche Persönlichkeit •oll erzogen werden — wie es einmal ein Meister erkannte, der a m liebsten über seine Tischlerschule schreiben wollte: „Hier werden nicht Menschen zu Schreinern, sondern Schreiner zu Menschen g e m a c h t . " Hellpach verlangt ein Drittel der Fachschülerzeit f ü r diese Allgemeinbildung. E r fordert vor allem bei der Lehrausbildung eindringliche Sprachlehre, lebendige Staatskunde u n d vertiefte religiöse Lehre. Dieser Weg erscheint Dr. Hellpach der f ü r Deutschland allein gangbare nicht t r o t z sondern g e r a d e wegen der großen und schweren Zeiten, denen es noch entgegengeht. Das Fordsche Prinzip — fünf oder sechs Tage Sklave, ein bis zwei Tage Mensch — k a n n f ü r den deutschen Arbeiter überh a u p t nicht in Frage kommen, soll er nicht auf die Stufe des Tieres herabsinken. Die Neugestaltung der Arbeit auf ethischer Grundlage, eine sinnvolle F o r m u n g des Wesens der Arbeit und damit die Schaffung seelischer Werte auch in der Tätigkeit des Arbeiters, das ist die Grundlage, auf der aufgebaut werden sollte. Und in dem Licht besehen, sollten auch alle die anderen Fragen, wie Arbeitszeit usw. nicht mehr die Schwierigkeiten bieten, die sie heute bereiten. Nicht „ E n t s e e l u n g " sondern „ B e s e e l u n g der A r b e i t und des A r b e i t e r s " sollte die Parole l a u t e n ! E s m u ß ein Weg gefunden werden können, der die in unserer privatwirtschaftlich orientierten Zeit in dieser Hinsicht bestehenden H e m m u n g e n auf Unternehmer- und Arbeiterseite beseitigt.
Anhang. — Verzeichnis der zitierten Literatur. A. Arbeitswissenschaftliche
Literatur.
/ . Bücher und Zeitschriften. A u e r b a c h , Felix, E r n s t A b b e , Sein Leben und Wirken. Herausgegeben von der Siemens-Ring-Stiftung. Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H . Leipzig 1919. B u r e a n of W o m e n i n I n d u s t r y , I n d u s t r i a l P o s t u r e a n d S e a t i n g . State of New York. New York, April 1921. C h a p m a n , J . Crosby, T r a d e T e s t s . Henry Holt. New York 1921. C o p l e y , Fr. Barkley, F r e d e r i c k W. T a y l o r , Father of Scientific Management. 2 Bande. American Society of Mechanical Engineers. New York 1923. C o w d r i c k , Edward S., M a n p o w e r i n I n d u s t r y . Henry Holt & Co. New York 1924. C o w d r i c k , Edward S., I n d u s t r i a l H i s t o r y of t h e U n i t e d S t a t e s . Ronald Press Co. New York 1923. D r u r y , Horace Bookwalter, G e s c h i c h t e w i s s e n s c h a f t l i c h e r B e t r i e b s f ü h r u n g . Übersetzt von I . M . W i t t e . Verlag R . Oldenbourg. Manchen 1922. G i l b r e t h - C o l i n R o ß , B e w e g u n g s s t u d i e n (Motion Study). Julius Springer. Berlin 1921. G i l b r e t h - W i t t e , E r m ü d u n g s s t u d i u m (Fatigue Study). Verlag de« Vereines deutscher Ingenieure. Berlin 1921. G i l b r e t h - W i t t e , V e r w a l t u n g s p s y c h o l o g i e (The Psychology of Management). Verlag des Vereines deutscher Ingenieure. Berlin 1922. H e l l m i c h , Waldemar, W a s w i l l T a y l o r ? Die arbeitsparende Betriebsffihrung. 3. Aufl. Verlag des Vereines deutscher Ingenieure. Berlia 1920. H o l i t s c h e r , Arthur, A m e r i k a h e u t e u n d m o r g e n . Verlag S.Fischer. Jena 1919. H o x i e , Robert F., S c i e n t i f i c M a n a g e m e n t a n d L a b o r . D. Appleton and Company. New York 1920. K u h n , Dr. Philalethis n. S a c h s e n b e r g , Dr. Ewald, F a h r e r - A u s w a h l u n d V e r w e n d u n g in d e r d e u t s c h e n I n d u s t r i e . Verlag von Theodor Steinkopff. Dresden und Leipzig 1924.
76
Anhang.
L i n k , Henry C., E i g n u n g s p s y c h o l o g i e . Übersetzt von I. M. W i t t e . Verlag R. Oldenbourg. Manchen 1922. L i n k , Henry C., P e r s o n n e l A d m i n i s t r a t i o n , T e a d a n d M e t e a l f . Mc Graw-Hill Press Co New York 1921. L i n k , Henry C., E d u c a t i o n a n d I n d u s t r y . The Macmillan Co. New York 1923. L i p m a n n , Otto, D a s A r b e i t s z e i t p r o b l e m . Institut f ü r angewandte Psychologie. Berlin 1924. M a n n , C. R., A S t u d y of E n g i n e e r i n g E d u c a t i o n . Carnegie Foundation for t h e Advancement of Teaching. New York. P o u n d , Arthur, T h e I r o n M a n i n I n d u s t r y . An Outline of the Social Significance of Automatic Machinery. The Atlantic Monthly Presf. Boston 1922. R o e , J . W., M e a s u r e m e n t of M a n a g e m e n t ? Mechanical Engineering, Journal of t h e American Society of Mechanical Engineers. New York, November 1923. S a c h s e n b e r g , Dr. E . , Ausgewählte Arbeiten des Lehrstuhles f ü r Betriebswissenschaften in Dresden, B d . I , Julius Springer, Berlin 1924. S e n b e r t , Rudolf, A u s d e r P r a x i s d e s T a y l o r - S y s t e m s . Julius Springer. Berlin 1921. Taylor-Roesler, Die G r u n d s ä t z e wissenschaftlicher Betriebsf ü h r u n g . (The Principles of Scientific Management.) R. Oldenbourg. Manchen 1921. T a y l o r - W a l l i c h s , Ü b e r D r e h a r b e i t u n d W e r k z e u g s t ä h l e . (On t h e Art of Cutting Metals.) Julius Springer. Berlin 1908. T a y l o r - W a l l i c h s , D i e B e t r i e b s l e i t u n g . (Shop Management.) Julius Springer. Berlin 1923. T h o m p s o n , Sanford E., U n d e r g r o u n d M a n a g e m e n t i n B i t u m i n o u s C o a l M i n e s . 1923. T h o m p s o n , Sanford E., P r a c t i c a b i l i t y of C o n t i n u o u s C o n s t r u c tion Throuout the Year. W i t t e , I. M., K r i t i k d e s Z e i t s t u d i e n v e r f a h r e n s . Eine Untersuchung der Ursachen, die zu einem Mißerfolg des Zeitstudiums fähren. Julius Springer. Berlin 1921. W i t t e , I . M., A r b e i t s w i s s e n s c h a f t l i c h e r K o n g r e ß . Prag, 20. bis 24. J u l i 1924. Zeitschrift „Organisation" Nr. 15/16. Berlin, August 1924. Y o a k n m and Y e r k e s , A r m y M e n t a l T e s t s . Henry Holt & Co., New York 1920. Zeitschriften. The A p p l i c a t i o n s of Psychology t o industry. H . C. Link. Atlantic Monthly. B u l l e t i n of t h e Taylor Society.
Verzeichnis der zitierten Literatur.
77
Journal of I n d u s t r i a l Hygiene. P s y c h o l o g y in Business, Annals of t h e American Academy of Political and Social Science. The P s y c h o l o g y of Vocational Selection. A. W. Kornhauser. V o c a t i o n a l Guidance. B. Musico.
II.
Aufsätze
in Zeitungen
und
Zeitschriften.
Berliner Tageblatt Nr. 257, 31. Mai 1924. D i e E r w e r b s v e r h & l t n i s s e i n d e n V e r e i n i g t e n S t a a t e n . Von Rechtsanwalt Dr. Hainz (Stuttgart). Betriebswirtschaftliche Rundschau, F r a n k f u r t a. M.: H e f t 1, 1924. F a b r i k p s y c h o l o g i e b e i F o r d u n d T a y l o r . Von Dr. F . Giese, Stuttgart. H e f t 3, 1924. A n m e r k u n g e n z u T a y l o r u n d F o r d . Von Dr. R . W i r t h , F r a n k f u r t a. M. Borsig-Zeitung, Berlin, Nr. 8/9, 1924. W i e k ö n n e n w i r d i e g e g e n w ä r t i g e W i r t s c h a f t s k r i s i s ü b e r w i n d e n ? Wirtschaftliche Betrachtungen auf Grund von Erfahrungen in unserem Werk. Von Dr.-Ing. V. Litz. Deutsche Arbeitgeberzeitung, Berlin, 27. J u l i 1924. N e u e G e d a n k e n ü b e r M e n s c h e n w i r t s c h a f t u n d O r g a n i s a t i o n . Von Dr. Friedrich. Düsseldorfer Tageblatt, 1. u n d 5. J u l i 1924. V o m S i n n d e r A r b e i t . Management and Administration, New York, August 1924. C l a s s i f y i n g t h e E l e m e n t s of W o r k . Von F . B . u. L. M. Gilbreth. degl., September 1924. A p p l i c a t i o n s of M o t i o n S t u d y , wie oben. Ostsee-Zeitung, Stettin, 8. J u n i 1924. B e o b a c h t u n g e n i n A m e r i k a — A m e r i k a n i s c h e u n d d e u t s c h e P s y c h o l o g i e . Von Dr. Paul Rohrbach. Rhein- und Ruhr-Zeitung, Duisburg, 10. April 1924. Technische Rundschau. B e e i n f l u s s u n g d e s A r b e i t s t e m p o s — R h y t h m u s u n d A r b e i t . Von Dr. Ernst Steffen. Siemens-Mitteilungen, Berlin, Nr. 56, Jahrgang 1924. P r o d u k t i o n s verteuerung — Produktionsverminderung. Von Regierungsbaumeister a. D. W. Bolz. V. D. I.-Nachrichten, Berlin, Nr. 23, 4. J u n i 1924. G e g e n w a r t s f r a g e n d e r T e c h n i k . Von Geh. Prof. Dr. Klingenberg. VossiBche Zeitung, Berlin, 27. Juli 1924. D i e B e s e e l u n g d e r A r b e i t . Vortrag von W. Hellpach vor dem Werkbund am 27. J u l i 1924.
Anhang.
78 B.
Ford-Literatur. I.
Bücher.
F o r d , Henry, M e i n L e b e n u n d W e r k . Unter Mitwirkung von Samuel Crowther. Übersetzt von Curt und Marguerite Thesing. 25. Auflage. Paul List Verlag. Leipzig 1924. F o r d , Henry, D e r i n t e r n a t i o n a l e J u d e . 2 Bande. Übersetzt von Paul Lehmann. Hammer Verlag. Leipzig 1922. B e n s o n , T h e N e w F o r d . New York 1924. B r e d o w , Fritz, B e i H e n r y F o r d . In der Schule eines Weltkindes Michael LoSleben Verlag. Kallmünz 1924. F r i e d r i c h , Alexander, H e n r y F o r d , der KOnig der Autos und der Herrscher über die Seelen. Neuer Deutscher Verlag. Berlin 1924. M e n n i c k e n , Peter, A n t i - F o r d oder Von der Würde der Menschheit. „Die Kuppel". Karl Spiertz. Aachen 1924. S c h e f f a u e r , Herrmann George, D a s L a n d G o t t e s . Das Gesicht de* neuen Amerika. Paul Steegemann Verlag. Hannover 1923. II. Aufsätze
in Zeitungen und
Zeitschriften.
Breslauer Zeitung. 17. Mai 1924. W i r t s c h a f t l i c h e A r b e i t s w e i s e . Firn, Der, Berlin, 7. Juni 1924. H e n r y F o r d . Richard Woldt. Freie Presse, Elberfeld-Barmen, 9. April 1924. H e n r y F o r d u n d d e r S o z i a l i s m u s . Heinrich Ströbel. Gelsenkirchener Zeitung, 3. Juli 1924. W i r t s c h a f t o d e r M e n s c h ? D i e Auffassung Henry Fords. Handels-Zeitung des Berliner Tageblattes, Nr. 258, 31. Mai 1924. F o r d u n d u n s e r e N o t . Günther Stein. Kieler Zeitung, 21. Mai 1924. W i r t s c h a f t l i c h e A r b e i t s w e i s e . „Organisation", Berlin, Juli 1924. D r . - I n g . e. h. C. K o e t t g e n ü b e r d i e P r o d u k t i o n s m e t h o d e n Fords. Soziale Bauwirtschaft, Berlin, 15. April 1924. S t e i g e r u n g d e r P r o d u k t i o n . Die Lehren des Autokftnigs Henry Ford. Tageblatt, Mannheim, 13. April 1924. H e n r y F o r d , B e t r a c h t u n g e n zu s e i n e n w i r t s c h a f t l i c h e n A n r e g u n g e n . V. D. I.-Nachrichten, Berlin, Nr. 20, 1924. F o r d u n d d i e d e u t s c h e W i r t s c h a f t . Direktor Paul Schmerse, Nürnberg. Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, Stuttgart, Heft 1, 1924, S. 32. N i c k l i s c h : H e n r y F o r d , M e i n L e b e n u n d W e r k .
Bücher über Arbeitswissenschaft ARBEITSWISSENSCHAFT UND PSYCHOTECHNIK IN RUSSLAND. Von Dr. Fr. B a u m g a r t e n . 148 S. 9 Abb. 8°. 1924. Brosch. M. 3.60. Das Problem der Arbeit steht im sozialen und politischen Leben Sowjetroßlands im Vordergrund. Wie stellt sich nun Rußland zu den Problemen der Arbeitswissenschaft, wie sie Taylor u. a. gestellt haben. Man weiß bis heute in Mittel- und Westeuropa so gut wie nichts davon. Kein Zeichen der dort geleisteten Arbeit Ober die Grenzen. Die Arbeitswissenschaften wurden in Rußland mit ungeheurer Energie in Angriff genommen, zurzeit arbeiten etwa 60 Forschungsstütten, außerdem bestehen etwa 10 Zeitschriften. Die Russen haben, ganz auf sich gestellt, eigene Methoden entwickelt. Hier wird zum ersten Male eine eingehende Übersicht Uber den Stand der Arbeiten in Rußland gegeben.
EIGNUNGSPSYCHOLOGIE (Employment Psychology). Anwendung wissenschaftlicher Verfahren bei der Auswahl und Ausbildung von Angestellten und Arbeitern. Übertragung nach H. C. L i n k von J . M. W i t t e . 231 S. 8°. 1922. Brosch. M. 4.20, geb. M. 5.20. L a n d e s a r b e i t s a m t K i e l : Die Lektüre dieses Buches eines amerikanischen Fachpsychologen ist jedem Berufsberater und Industriellen zu empfehlen. Es enthält eine interessante Darstellung der amerikanischen Methoden bei der Einstellung von Arbeitern und Angestellten.
INTELLIGENZPRÜFUNG UND PSYCHOLOGISCHE BERUFSBERATUNG. Von Dr. R. L ä m m e l . 2. Aufl. 1923. 203 S. 8°. Brosch. M. 4.20, geb. M. 5.20 Das Werk ist eine kritische Auseinandersetzung und zugleich selbständige Weiterfahrung der Intelligenzprüfung. LBmmel hat sich besonders durch Einführung des »Ingenogramms« bekanntgemacht. Dies gestattet, mit einem Blick die Berufseignung einer Person zu erfassen.
VEREINHEITLICHUNG IN DER INDUSTRIE. Die geschichtliche Entwicklung, die bisherigen Ergebnisse, die technische und wirtschaftliche Grundlage. Von Dipl.-Ing. Dr. G. G a r b o t z . 222 S. 8°. 1920. Brosch. M. 3.—, geb. M. 4.20.
R. Oldenbourg, München und Berlin
TAYLORSYSTEM FÜR DEUTSCHLAND. Grenzen seiner Einführung in deutsche Betriebe. Von Dr. Fr. S ö l l h e i m . 281 S. 8°. 1922. Geb. M. 6.20. D i n g l e r s P o l y t e c h n i s c h e s J o u r n a l : Der Verfasser stellt auf Grund sehr eingehender Vorarbeiten die Vorzüge und Schäden des Taylorsystems in sachkundiger Weise dar. Die infolge der politischen Umwälzung hervorgerufenen mannigfachen Veränderungen werden in durchaus unparteiischer Weise berücksichtigt. Vor allem h a t es sich Söllheim zur Aufgabe gemacht, die Frage zu beantworten »Inwieweit ist das Taylorsystem f ü r Deutschland brauchbar?« Eine weite Verbreitung ist sehr wünschenswert.
WISSENSCHAFTLICHE BETRIEBSFÜHRUNG. Eine geschichtliche und kritische Würdigung des Taylorsystems. Übertragung nach H. B. D r u r y von J. M. W i t t e . 168 S. 8°. 1922. Geb. M. 4.20. Das Taylor-System h a t selbstverständlich auch in Amerika Wandlungen durchgemacht. Dieses amerikanische Buch behandelt in kritischer und historischer Darstellung die Entwicklung dieses Systems bis auf unsere Tage (also auch die Kriegs- und Nachkriegszeit und die Stellung der amerikanischen Arbeiterschaft). Gerade dadurch ist es besonders wichtig, wir können aus der neuestèn Stellungnahme Amerikas viel lernen.
DIE GRUNDSÄTZE WISSENSCHAFTLICH. BETRIEBSFÜHRUNG (The Principies of Scientific Management). Von F. W . T a y l o r . Deutsch von Roesler. 31.Taus. 185 S. gr. 8°. 1922. Brosch. M. 2.50, geb. M . 4 . - . Das grundlegende Hauptwerk Taylors und damit auch des nach ihm benannten Systems. D a in der gesamten betriebswissenschaftlichen Literatur darauf Bezug genommen wird, ist der Erwerb dieses Buches selbstverständlich.
DIE EINFÜHRUNG YON ZEITSTUDIEN in einem Betrieb für Reihen- und Massenfertigung der Metallindustrie. Von Dr.-Ing. O. F a h r . 157 S. 8°. 1922. Brosch. M. 3.50, geb. M. 4.50. Der Verfasser nimmt eine tatsächlich durchgeführte Organisation zur Grundlage und rollt dabei den ganzen Fragenkomplex auf. Dieses Buch ist deshalb f ü r alle wichtig, welche vor der Neuorganisation eines Betriebes stehen.
R. Oldenbourg, M ü n c h e n u n d Berlin