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German Pages 52 [80] Year 1926
PAUL
RIEPPEL
FORDBETRIEBE UND
FORDMETHODEN ZWEITE AUFLAGE
DRUCK UND VERLAG VON R . O L D E N B O U R G M Ü N C H E N UND B E R L I N 1926
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechtes, vorbehalten. Copyright 1925 by R. Oldenbourg, München und Berlin.
VORWORT. Die vorliegende Schrift entstand aus einem Vortrage, den ich vor den Münchener und vor den Augsburger Ingenieurvereinen im März dieses Jahres gehalten habe. Bei geringer Änderung der Form mußte der Umfang des Vortrages, der nichts anderes als ein Bild in großen Zügen geben sollte, ungefähr beibehalten werden; einzelnes wurde schärfer gefaßt, der Schlußabsatz ist neu hinzugekommen. Erschöpfende Behandlung des Gegenstandes hätte die Seitenzahl auf ein Vielfaches anwachsen lassen. Die Ausführungen sind begründet in persönlichen Erfahrungen, die ich in verschiedenen längeren und kürzeren Studienreisen und geschäftlichen Aufenthalten in den Vereinigten Staaten gemacht habe. Der erste Teil der Schrift gibt ein äußeres Bild der Ford-Betriebe; er ist ein Bilderbuch für Ingenieure, die gewohnt sind, aus Bildern und Zahlen ihre Schlüsse zu ziehen. Die Zahl der Bilder mußte auf 60 beschränkt werden. Ich habe versucht, solche auszuwählen, die besonders kennzeichnend sind und die gleichzeitig zusammen mit dem kurzen Text eine Wanderung durch die Ford-Betriebe ersetzen sollen. Im zweiten Teil ist eine Skizze der sozialen und wirtschaftlichen Erscheinungen gegeben, die mit dem Namen Ford für uns verbunden zu sein pflegen. Ford wird hier als Vertreter eines Prinzips aufgefaßt. Das Wort „Ford-Methoden" soll ganz allgemein den neuen industriellen Geist Amerikas bezeichnen, der sich aus einer oft geradezu grotesken Mischung von Sozialismus und Ausbeutertum allmählich herauszuschälen scheint. Auch in diesem zweiten Teil war ich bestrebt, die Dinge lediglich so darzustellen, wie sie sind bzw. wie sie mir erscheinen. Spekulationen über diese sozialen und wirtschaftlichen Fragen anzustellen, kann nicht Sache eines Ingenieurs sein. Wenn trotzdem im letzten Absatz versucht wird, eine für uns wünschenswerte Richtung der Entwicklung zu skizzieren, so geschah dies in dem Bewußtsein, daß derartige Allgemeinheiten nur als subjektive Meinungsäußerung zu werten sind, hauptsächlich aber in der Hoffnung, Widerspruch zu finden und eine Diskussion auszulösen. Denn die strittigen Fragen können durch eine solche Diskussion an Klarheit nur gewinnen. München 47. Juli 1925.
PAUL R I E P P E L .
VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE. I n der zweiten A u f l a g e wurden lediglich einige Druckfehler u n d sprachliche U n g e n a u i g k e i t e n , die zu I r r t ü m e r n Veranlassung gaben, richtig gestellt. I m übrigen ist sie ein u n v e r ä n d e r t e r Abdruck der ersten Auflage. Bei dieser Gelegenheit sei auch auf einen I r r t u m der Verlagsankiindigung aufmerksam gemacht: Ich h a b e nicht, wie diese Ankündigung angibt, und wie m a n a u c h aus Seite 30 Absatz 3 der ersten A u f l a g e e n t n e h m e n könnte, bei Ford als Arbeiter gearbeitet, sondern — u n d zwar vor d e m Kriege — in einer großen amerikanischen F a b r i k des allgemeinen Maschinenbaues. München 47. Marz 1926.
PAUL RIEPPEL.
I. Teil.
FORD-BETRIEBE A. BILDER. Dieser Teil bringt Bilder, Tatsachen und Ziffern, ans denen das Wesentliche über Aufbau, Umfang und Arbeitsweise der Ford-Betriebe ersichtlich sein soll.
1. ALLGEMEINES. Bild 1 bis 13. Die amerikanischen Ford-Werke bestehen aus den drei Hauptwerken in und bei Detroit: River Rouge, Highland Park und Dearbom; außerdem ist in Detroit die Lincolnfabrik, die von Ford vollständig kontrolliert wird. Hierzu kommen noch 35 Filialen in den Vereinigten Staaten. Eine dieser Filialwerkstätten erzeugt nur Ventile, eine andere nur Räder und einige kleine Karosserieteile, eine dritte stellt Achsen und Wellen her, zwei befassen sich mit Holzbearbeitung. Die übrigen Werkstätten haben fast ausschließlich die Aufgabe, die in Detroit und den anderen Produktionsstätten erzeugten Teile zu Motorwagen zusammenzubauen. Einige Werkstätten im Ausland — in England, Irland, Frankreich, Südamerika und Dänemark — fabrizieren in geringem Umfang Einzelteile, haben aber auch hauptsächlich den Zusammenbau der Wagen zu leisten. Außerdem gehören zu den Ford-Betrieben noch Erzgruben in Michigan, 4 Kohlenbergwerke in Kentucky und West-Virginia und ungefähr 155000 ha Waldland. Einige kleinere hydroelektrische Anlagen haben zusammen eine Leistungsfähigkeit von 40000 kW. Die Ford-Betriebe sind eine geradezu klassische vertikale Organisation, die vom Rohstoff bis zum fertigen Wagen fast alles selbst herstellen und in diesem Prozeß auch einen großen Teil der Transportmittel kontrollieren. Ford hat eigene Erzschiffe, eine eigene Bahnlinie und auch außerhalb seiner Werkstätten viel rollendes Material, darunter mehr als 1000 Kohlewagen. Die gesamte amerikanische Belegschaft beträgt ca. 165000 Mann, von denen zurzeit 115000 in Detroit beschäftigt sind. Die Auslandsbelegschaft ist 11000 Mann stark. 5
Es werden täglich 7000 Fordwagen herausgebracht; diese Ziffer kann mit den jetzigen Produktionsmitteln auf 8000 gesteigert werden. Alle Energien sind dabei auf ein einziges Chassismodell konzentriert, das lediglich mit 4 oder 5 verschiedenen Karosserien geliefert wird. Außerdem werden täglich 500 Traktoren und 35 Lincolnwagen erzeugt. Auch hier nur ein Normal-Traktor und ein Normal-Chassis! Bild 1 zeigt die Anlage River Rouge bei Detroit. Sie soll nach vollendetem Ausbau alles Eisen und allen Stahl für die gesamten Werke erzeugen. Das Gelände ist 250 ha groß, die Belegschaft 55000 Mann stark. Ganz links auf dem Bilde sind die neuen Stahl- und Walzwerke, die mit einem Kostenaufwand von 50 Millionen Dollars aus den Überschüssen des Jahres 1924 errichtet worden sind und bald in Betrieb kommen sollen. Die Erz- und Kohletaschen in der Mitte des Bildes haben einen Fassungsraum von 2 Millionen t ; dahinter 2 Hochöfen von je 600 t täglicher Leistungsfähigkeit. Eine neue große Hochofenanlage ist geplant. Rechts ist die Kokerei und die Nebenproduktegewinnung; durch die 8 Kamine gekennzeichnet das große Krafthaus und links von ihm die Gießerei, „die größte der Welt". Die übrigen Gebäude sind Traktorenbau- und Montagewerkstätten, eine Glasfabrik, ein Sägewerk, eine Zementfabrik, eine große Lokomotiv- und kleinere Betriebswerkstätten. River Rouge liefert heute das ganze Gußeisenmaterial und fertigt die Traktoren. Man kann hier den ganzen Fabrikationsprozeß von der Beschickung des Hochofens bis zum Verladen des fertigen Traktor verfolgen. Es läßt sich nachweisen, daß die Dauer dieses Entwicklungsganges nicht ganz 31 Stunden beträgt. Darin zeigt sich einer der ersten Grundsätze der Ford-Betriebe: Das Material muß in möglichst schnellem Tempo durch die Werkstätten; jeder Arbeitsgang schließt sich zeitlich unmittelbar an den vorhergehenden an, es wird möglichst wenig in Zwischenlagern aufgestapelt und alles bleibt im Fluß. Die Anlage Highland Park (Bild 2) lag noch vor wenigen Jahren außerhalb der Stadt Detroit, ist aber jetzt bereits ganz von Vororten umgeben und bietet nunmehr geringe Expansionsmöglichkeit. Sie umfaßt 75 ha, von denen 25 unter Dach sind, und beschäftigt 60000 Mann. Hier ist der Sitz der kaufmännischen Verwaltung, der riesigen Einkaufsabteilung, der Konstruktions- und Fertigungsbüros. Hier werden fast alle Schmiedeteile hergestellt und die meisten Einzelteile für die gesamte Produktion bearbeitet. Es gehen täglich 240 Wagenladungen Rohmaterial ein und 260 Wagenladungen Fertigmaterial hinaus an die Montagewerkstätten im ganzen Land und an die Verkaufsstellen für Reserveteile. Zur Versorgung von Detroit und Umgebung ist in Highland Park eine Fertigmontagewerkstätte für täglich ungefähr 400 Motorwagen. Ferner sind hier besondere Fabriken für Kunstleder, für Akkumulatoren, für Meßinstramente, für Stahlkugeln, für Kugelund Rollenlager, für Generatoren. Eine große Halle (links neben der Kraftzentrale) dient für Zwecke des allgemeinen Maschinenbaues und stellt in erster Linie Dampfturbinen für alle Betriebe her. Außerdem werden dort zurzeit die großen 16 achsigen elektrischen Lokomotiven f ü r die Fordsche Bahn gebaut. Eine weitere Fabrikenanlage ist noch in Detroit, die zwar zu den Ford-Betrieben gehört, aber doch ein Sonderdasein f ü h r t : Die Lincolnwerkstätte. Dieser Betrieb 6
ist ein Ausdruck des Fordschen Ehrgeizes nicht nur den billigsten, sondern auch den besten Wagen zu erzeugen. Der eigentliche Fordwagen kostet heute in billigster Ausstattung 265 Dollars; der billigste Licolnwagen kostet 4500 Dollars. Er ist ein Muster an präziser Fabrikaion, erstklassig in jeder Beziehung. Bild 3 bringt einen Blick in die Hauptwerkstätte der Lincolnanlage. Es ist dies eine Halle von 520 m Länge und 85 m Breite, ohne irgendwelche Zwischenwände, mit den besten Licht- und Luftbedingungen. Alle Maschinen sind gleichmäßig hellgrau gestrichen, die Wände immer frisch geweißt, die Fenster ganz blank — das Ganze wirkt in seiner geradezu koketten Sauberkeit mehr wie eine Ausstellungshalle, als wie eine in Betrieb befindliche Fabrik. Die folgenden Bilder sollen noch einige kennzeichnende Ausschnitte aus den beiden Detroiter Hauptbetrieben River Rouge und Highland Park geben. Bild 4 und 5 zeigen die Entladeanlagen in River Rouge. Das zu Schiff ankommende Cut wird hauptsächlich durch die zwei auf Bild 4 sichtbaren Hulletentlader, deren jeder eine stündliche Leistungsfähigkeit von 500 t hat, in die Taschen übergeführt. Die Zufuhr durch die Eisenbahn erfolgt über die an der Längsseite der Taschen in Bild 1 im ganzen, in Bild 5 im kleinen Ausschnitt erkenntliche hochgezogene Gleisanlage, die sog. Highline. Bild 6 bringt einen Teil der Glasfabrik in River Rouge. Das Glas kommt flüssig in dauerndem Strom aus dem Ofen und geht als endloses Band zwischen zwei Trommeln, deren Abstand die Glasdicke bestimmt, in einen ca. 150 m langen Wärmeofen (auf dem Bild links ersichtlich), in dem es langsam abgekühlt wird. Im Mittelgrund des Bildes sind die Polierbänke zu sehen, auf denen das nunmehr in einzelne Stücke zerschnittene Glas immer feiner geschliffen wird. Die Schwenkvorrichtung im Vordergrund bringt die Scheiben von der einen auf die andere Schleifbank. Das Material ist hier wie nahezu überall in den Fordbetrieben dauernd in Bewegung — vom Verlassen des Ofens an bis zur fertig polierten Scheibe. Dies Bild gibt Veranlassung zu zwei, die Fordschen Betriebe kennzeichnenden Bemerkungen: Die Fachleute wiesen ursprünglich nah, daß es theoretisch nicht möglich sei, Glas im endlosen Band zu erzeugen. Ford hat aber ebenso wie bei vielen anderen Neuerungen das Konzert all der Leute überhört, die erklärten „das geht nicht" und „das ist schon einmal ohne Erfolg versucht worden". Seine Glasfabrik ist ein Beweis dafür, daß trotz aller Sachverständigen letzten Endes sehr viel mehr geht, als die übliche Scheu vor Verantwortung zugestehen möchte. Ferner: Solange Ford das Glas von auswärts bezog, schrieb er genau vor. welche Abmessungen das für die Verpackung benötigte Holz haben müsse und wies Sendungen, bei denen das Verpackungsmaterial nicht entsprach, zurück. Grund: die betreffenden Bretter sollten für den Bodenbelag in seinen billigen Wagen Verwendung finden. Also Ersparnis, wo immer nur möglich. Bild 7 zeigt das Kesselhaus von River Rouge. Hier sind in großem Maße Versuche mit pulverisierter Kohle, die zusammen mit Hochofengas oder Luft verbrannt wird, gemacht worden. Der Erfolg ist heute eine sehr wirtschaftlich und in jeder Beziehung automatisch arbeitende Anlage. Infolgedessen herrscht überall die größte Sauberkeit. Die weiß gekleideten „Heizer" haben weiter nichts zu tun, 7
als von Zeit zu Zeit den Verbrennungsvorgang zu beobachten u n d allenfalls mit sauberen, gepflegten Fingern ein Ventil zu regulieren. An einer W a n d hängen schfin vernickelt eine alte Kohlenschaufel, Feuerhaken u n d Schürhaken m i t dem Hinweis, d a ß diese altmodischen Gerate hier n u r einen Museumsplatz haben dürfen. Bemerkenswert ist, d a ß in d e n Kesseln n u r destilliertes Wasser verwendet wird. I m K r a f t h a u s , das n a c h vollendetem Ausbau 250000 k W leisten soll, werden zurzeit 4 T u r b o g e n e r a t o r e n von je 30000 k W aufgestellt. Man h a t es nach den ersten E r f a h r u n g e n m i t fremdem F a b r i k a t f ü r wirtschaftlicher gehalten, die Turbinen im eigenen Betrieb zu konstruieren u n d zu fertigen. I n der Maschinenwerkstfitte von Highland P a r k waren im F r ü h j a h r 1925 ca. 200 D a m p f t u r b i n e n in Arbeit, die alle f ü r die eigenen F o r d b e t r i e b e b e s t i m m t sind. Wie weitgehend die betriebstechnischen Möglichkeiten sind, zeigt Bild 8 — ein Kondensatordeckel f ü r dieses K r a f t h a u s , ein bemerkenswertes, ebenfalls in den eigenen W e r k s t ä t t e n gefertigtes Stück. I n Bild 9 u n d 10 sind zwei Hallen in Highland P a r k dargestellt. Das Lager von Chassisteilen in Bild 9 scheint dem Fordschen Grundsatz, die L a g e r h a l t u n g auf ein M i n d e s t m a ß zu beschränken, zu widersprechen. Tatsächlich genügen aber die hier sichtbaren Teile k a u m f ü r eine Tagesproduktion. E s wird überall d a r a u f g e s e h e n , das Material dauernd im Fluß zu erhalten. Material in irgendeiner F o r m b e d e u t e t Geld, u n d Geld m u ß möglichst schnell umgesetzt, darf nicht in den u n p r o d u k t i v e n S p a r s t r u m p f der Lager, der „stillen Reserven" versteckt werden. So wird d e n n auch der W e r t der gesamten Lagerbestände heute n u r auf 20 Millionen Dollars angegeben bei einem täglichen Ausbringen von 7500 Wagen u n d Traktoren im Verkaufswert von ca. 2,5 Millionen Dollars. Das größte Lager erfordern die Hochöfen, die f ü r den W i n t e r versorgt werden müssen, wo eine Z u f u h r durch Schiffe nicht möglich ist. J e m e h r das Material veredelt wird, desto geringer wird im allgemeinen die L a g e r h a l t u n g ; in einzelnen Abteilungen in Highland P a r k geht der Bestand bis auf weniger als einen Tagesbedarf herunter und darf im Maximum den f ü r 30 T a g e erreichen. Das Hauptlager, d. h. die H a u p t m e n g e des Fertigmaterials rollt auf den B a h n e n zwischen den Erzeugerstellen und den Montagewerkstätten. Dieses rollende Lager genügt im allgemeinen f ü r eine Produktion von 6 T a g e n ; das heißt, wenn h e u t e die Quellen der Fertigfabrikation in Highland P a r k v e r s t o p f t werden, so wird bei n o r m a l e m F o r t g a n g der Arbeiten der Betrieb der Montagewerks t ä t t e n n a c h 6 Tagen erschöpft sein. Bild 10 gehört z u m „cold heading D e p a r t m e n t " , das alle auf k a l t e m Weg aus Rundeisen gefertigten Bolzen liefert. Es werden täglich sieben Millionen Bolzen bis zur S t ä r k e von % " angefertigt; hierfür sind ungefähr 500 k m S t a h l d r a h t u n d Rundeisen erforderlich. Die Bolzengewinde werden n u r zum geringsten Teil geschnitten, zu 9 0 % gewalzt. Einige kennzeichnende A n g a b e n : 1200 Mann arbeiten hier an 664 Werkzeugmaschinen. Wie in allen Fordbetrieben, sind die an den Maschinen angestellten sogenannten p r o d u k t i v e n L e u t e durchweg ungelernte Arbeiter. Nur die Werkzeugmacher u n d Vorarbeiter sind gelernte Maschinenbauer. Zu den 1200 tingelernten Leuten k o m m e n 240 Werkzeugmacher u n d eine Instandhaltungskolonne von 85 Mann.
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Grundsatz: Kein Mann ist für seine Werkzeugmaschine verantwortlich. Es ist ausschließlich Sache der Instandhaltungskolonne, dafür zu sorgen, daß die Maschinen geölt werden, daß jeder Fehler im Entstehen bemerkt und beseitigt wird, kurz, daß sie dauernd in Ordnung gehalten werden. Der Mann an der Maschine selbst hat sich um gar nichts weiter zu kümmern, als um seine paar Handgriffe. Erstaunlich ist die Einfachheit der Produktionskontrolle in dieser wie in den meisten anderen Abteilungen. Ein Vorarbeiter zeichnet auf einer Tafel mit Kreide in geringen Zeitabstflnden die Punkte einer roten und einer weißen Kurve. Die eine zeigt an, wieviel in den Fabrikationsgang hereingegeben worden ist, die andere, wieviel fertig herausgekommen ist. Wird der Abstand zwischen beiden Kurven zu groß oder zu klein, so ist etwas faul und muß geregelt werden. All diese Kurven und Ziffern sind aber nicht für die Ewigkeit und für die Akten. Man hat keine „Organisation" mit Hunderten von Formularen, die sorgfältig aufgehoben werden und noch nach Jahren der staunenden Nachwelt zeigen sollen, wann und warum an dem oder jenem Tag ein Fehler im Fabrikationsgang gemacht wurde. Bei Ford verschwindet die Kontrolle, wird von der Tafel gelöscht, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat. Bild 11: Einer der Emstellplätze für die Wagen der Belegschaft in Highland Park. Ein großer Teil der Angestellten und Arbeiter kommt mit eigenen Automobilen zum Betrieb gefahren, mit Wagen, die fast ausschließlich auf Abzahlung erstanden sind. Die Angehörigen der Fordwerke erhalten gegen sehr geringe Anzahlung — neuerdings 12 Dollars — und gegen geringe wöchentliche Teilzahlung — 5 Dollars — einen Wagen geliefert. Hier wie fast überall in Amerika wird dem Käufer — handelte es sich nun um ein Automobil, ein Grammophon, um Kleider, Möbel oder irgend etwas anderes — der Grundsatz aufgedrängt: man soll vom Einkommen bezahlen und nicht von seinem Vermögen. Es wird angenommen, daß 95% aller in Amerika gefahrenen Wagen tatsächlich noch nicht Eigentum der „Besitzer" sind — volkswirtschaftlich höchst merkwürdige Zustände. Das ganze Abzahlungsgeschäft darf natürlich nicht mit dem Betrieb verknüpft sein. Dem Betrieb gegenüber sind in diesem Falle die Fordschen Bankstellen die sofort barzahlenden Abnehmer. Diese Banken haben sich dann mit dem Käufer auseinanderzusetzen. Bild 12 und 13 stellen das Ingenieurlaboratorium in Dearborn bei Detroit dar. Hier ist das Hauptquartier von Henry Ford und seinen nächsten Mitarbeitern. Alles, was die verschiedenen Betriebe an Problemen bringen, die in den Unterabteilungen nicht bearbeitet werden können, wird hier untersucht und bearbeitet. Hier sind die Pläne zu den großen elektrischen Lokomotiven für die Fordsche Eisenbahn entstanden, die Entwürfe für die Kraftanlagen, hier werden neue Motore und neue Verfahren ausgeprobt und hier ist auch die Zentralstelle für Versuche, die mit dem Bau von Kraftfahrzeugen nichts zu tun haben, aber die Grundlagen für die Fordschen großen Wirtschaftspläne bilden. So sind z. B. gerade jetzt sehr eingehende Versuche im Gang, um Flachs und Hanf ebenso wie Baumwolle verarbeiten zu können. Wird dies Problem gelöst, so heißt es, daß die Welt durch Anbau dieser Pflanzen in den rauheren Landstrichen sich von den Baumwollzentren unabhängig machen kann. 9
Hier sind Versuche in einem Ausmaße durchgeführt oder geleitet worden, wie es in der Maschinenindustrie noch selten da war. Für Versuche, deren Ziel die Ersparnis von Zeit und Arbeitskraft ist, ist fast immer Geld vorhanden, und zwar nicht nur für Dearborn, sondern auch für die vielen kleineren Versuchsstellen, die den verschiedenen Betrieben angegliedert sind. Als erster Grundsatz gilt natürlich immer der, daß Versuche von der Produktion vollständig getrennt gehalten werden müssen. Sie haben nicht das geringste miteinander zu t u n . Betrifft ein Versuch die Verbesserung bestehender Produktionsmethoden, so bleibt die alte Methode in vollem Umfang so lange bestehen, bis die ganz unabhängig erprobte neue Methode voll einsetzen kann. Ford hat hier mit seinen Leuten — sehr oft ohne Fachkenntnisse, aber dafür mit dem natürlichen, dem Amerikaner so stark eigenen technischen Instinkt — ungewöhnliche Erfolge erzielt. Diese Erfolge ließen aber offenbar gründlich wissenschaftliches Arbeiten zu sehr in den Hintergrund treten und die Überzeugung zu stark werden, daß Klarheit des Denkens und der Problemstellung allein genüge. Noch ein paar Jahre dieser Art von „seif made man"-Versuchsarbeiten, und er wird von systematischer arbeitenden Stellen überflügelt werden. Die Halle in Dearborn ist 270 m lang und 70 m breit. In dem mittleren zweigeschossigen Teil sind die Büros untergebracht. In dem eigentlichen Laboratoriumsraum (der Bau ist erst vor einem halben J a h r bezogen worden und das Innenbild zeigt ihn noch vor der Inbetriebnahme) sind alle Antriebsmaschinen und Leitungen unterirdisch; an jedem der 90 Pfeiler sind Anschlüsse für Licht, Kraft usw. Der ganze Bau ist architektonisch sehr schön — man hat aber doch den Eindruck, daß eine Unterteilung in Einzellaboratorien zwar weniger wirkungsvoll vom ästhetischen Standpunkt, dafür aber brauchbarer für den Versuchsingenieur sein würde. Soviel an allgemeinen Gesichtspunkten über die Detroiter Anlage. Auf weitere Einzelheiten hinzuweisen, werden die nunmehr folgenden Fabrikationsbilder Gelegenheit geben. Die verschiedenen amerikanischen Filialbetriebe bieten im allgemeinen nichts Typisches, was nicht aus den Bildern der Detroiter Betriebe ersichtlich wäre. Von Interesse mag lediglich die Ziffer sein, daß die Holzbearbeitungswerkstätten in Iron Mountain täglich 8000 f m Holz verarbeiten und daß dies Holz weitgehend vorbearbeitet (gewöhnlich im vorletzten Stadium der Fertigbearbeitung) in den 52 Trockenöfen getrocknet wird, deren jeder eine Aufnahmefähigkeit von 1000 f m hat. Zur Verbindung aller amerikanischen Fordbetriebe untereinander laufen jährlich ungefähr 500000 Frachtwagen; die Ausgaben für Fracht betragen 150 Millionen Dollars. Die Art der Verladung ist jeweils aufs genaueste ausgetüftelt — an Zeit und Raum wird gespart soweit dies überhaupt möglich ist.
2. GIESSEN, SCHMIEDEN, PRESSEN UND HÄRTEN. Bild 14 bis 24. Von Interesse ist vor allem die Kleingießerei. Während die Großgießerei sich in nichts Wesentlichem von dem gewohnten Bild unterscheidet, ist in der Kleingießerei wohl zum erstenmal das die Fordbetriebe kennzeichnende Prinzip 10
des dauernd bewegten Arbeitsstückes durchgeführt. Die Kerne werden am Transport band geformt, die Formkasten während des Transportes fertiggestellt; während der Bewegung werden die Stücke gegossen, die Formen ausgeleert und die Gußstücke gereinigt. Das Hochofeneisen wird teils flüssig, teils auch gemischt mit Kupoleisen direkt in die Form gebracht. 21 Hängebahnen führen das Metall von den 24 Kupolöfen zu den Bearbeitungsbahnen. Das ganze Material geht so schnell durch den Fabrikationsprozeß, daß man unschwierig den Werdegang vom flüssigen Eisen bis zum fertigen Automobil verfolgen kann. Eine Stunde nach dem Guß kommt der Zylinderblock in den Fertigbearbeitungsgang, verläßt diesen nach weniger als einer Stunde vollständig bearbeitet, geht auf das Montageband, um nach abermals einer Stunde einem fertigen Motor anzugehören, der nach kurzer Erprobung in die Endmontage wandert, um in den Wagen eingebaut zu werden. Letztes J a h r wurden große Versuche gemacht, ob nicht eine Zwischenlagerung des Materials zweckmäßiger sei — es waren damals einige Hunderttausend Rohgüsse von Zylinderblocks in den Höfen aufgestapelt. Normalerweise ist aber das Ganze ein großer, in dauerndem Fluß befindlicher Strom vom Hochofen als Quelle bis zum fertigen Wagen an der Mündung. Immer der Grundsatz: Das Material bewegt sich ohne Unterbrechung, der Arbeiter steht still. Die Gießerei beschäftigt 12000 Mann und nennt sich die größte und am besten mechanisierte der Welt. Die Gesamtleistungsfähigkeit einschließlich der Großgießerei ist bis zu 2000 t täglich. In Einzelheiten sind wohl andere Gießereien in U. S. A. noch besser eingerichtet (z. B. die der Automobilfabrik Dodge Brothers), als Gesamtbild wird sie aber kaum etwas ähnliches haben. Die Bilder sprechen im allgemeinen für sich selbst. Nur einige ergänzende Bemerkungen: Bild 14 gibt einen Eindruck des Systems von Hängebahnen für die Formkästen und für die Pfannen. Bild 15 zeigt das Einformen der Zylinderblöcke auf rotierenden Platten. An jeder Platte (im Bild ist eine der kleineren dargestellt) arbeiten 6 bis 12 Mann, Ein Transportband bringt den Kasten heran; der Sand wird durch die „Sandkanone" mit Druckluft eingespritzt; der Kasten wird gewendet, die Kerne werden eingelegt und die eingußfertige Form wandert auf ein neues Transportband. Die Durchschnittszeit f ü r die Fertigstellung eines halben Kastens f ü r den Zylinderblock beträgt 10 bis 12 Sekunden. Hier ist das Schwerste und Intensivste an Arbeit, was ich bisher in der amerikanischen Maschinenindustrie gesehen habe. Der Mangel an Licht und Luft und das starke Tempo entsprechen durchaus nicht den Grundsätzen, die man sonst in den Fordbetrieben zu finden gewohnt ist. Während die Formkästen nun auf ihren Hängebahnen entlang wandern, wird das Eisen eingegossen (Bild 16). Die Stücke werden dann noch rot glühend aus der Form herausgerissen, sie kommen glühend auf die Abkühlungsbänder (Bild 17) und wandern in ununterbrochenem Fluß durch die Putzerei (Bild 18) direkt in die Maschinenfabrik. Bild 19 zeigt das bekannte Holley-Grauguß verfahren. Das Bild stammt nicht aus den Fordbetrieben (ich konnte in der Fordschen Sammlung, die nebenbei bemerkt, ungefähr 34000 Bilder enthält, kein entsprechendes finden), sondern aus 11
der Werkstatt der Holley-Carburator-Company selbst. Die Anlage ist aber bei Ford genau die gleiche. Der Guß erfolgt hier in eisernen Formen, die mit einer sehr dünnen isolierenden Schicht überzogen sind. Der Tisch mit im allgemeinen 12 Formkästen rotiert langsam, wobei die Kerne eingelegt werden, das Metall eingegossen wird, die beiden Kastenhälften automatisch auseinandergehen und durch einen Luftstrom abgekühlt werden, fertig zum nächsten Einguß. Nach diesem Verfahren werden Vergaserteile und andere kleine Stücke hergestellt. Mit einer Eisenform können bis zu 25 000 Abgüsse mit einer Genauigkeit von 1/10 mm gemacht werden. Grundsatz: Spanlose Fertigling soweit als irgend möglich. Daher weitestgehende Genauigkeit beim Gießen, Schmieden und Pressen. Über Einzelheiten der spanlosen Fertigung ist in Sonderaufsätzen genügend berichtet worden. An dieser Stelle mag die Ziffer von Interesse sein, daß in den Schmiedewerkstätten von Highland Park täglich über eine halbe Million Schmiedestücke (am Fordwagen und am Traktor werden 162 verschiedene Schmiedeteile gebraucht) hergestellt werden. Hierfür sind 2000 produktive, d. h. ungelernte Leute angestellt und eine Abteilung von 500 Werkzeugmachern angegliedert, die mit der Herstellung der Matritzen und sonstigen Werkzeuge dauernd beschäftigt ist. Zu den Bildern 20 bis 24, die das Schmieden und Pressen zeigen, sind weitere Erklärungen wohl nicht notwendig. Es sei lediglich auf die in Bild 20 erkenntliche (auch bei uns öfter zu sehende) Sicherheitsvorrichtung hingewiesen, wobei die Presse nur betätigt werden kann, wenn der Mann beide Druckknöpfe gleichzeitig drückt. Bild 24 zeigt einen der neueren Vergüteöfen mit dauernder Bewegung des Rostes. Die Temperatur des Ofens, die Geschwindigkeit des Bandes, die Temperatur des Bades, in das die Schmiedeteile automatisch vom Band aus gelangen, wird dauernd kontrolliert und automatisch eingestellt. Bemerkenswert ist, daß die Öfen mitten im Fabrikationsgang — in diesem Fall dem der Kurbelwelle stehen, — entsprechend einem der wesentlichen Fordschen Grundsätze: Der ganze Betrieb muß aufgelockert werden in eine Reihe von Einzelbetrieben, die unter Umständen auch örtlich vollkommen getrennt sein können: Eine Zylinderblockfabrik, eine Kurbelwellenfabrik, eine Kolben- und Kühlerfabrik usw. Jede Abteilung ist mit allen notwendigen Einrichtungen für sich abgeschlossen und arbeitet für sich verantwortlich. 3. DER ARBEITSGANG DES ZYLINDERBLOCKES. Bild 25 bis 40. Als besonders kennzeichnendes Beispiel der Fordschen Arbeitsweise ist in den Bildern 25 bis 40 der Arbeitsgang eines Zylinderblockes dargestellt. Bild 25 bringt eine schematische Darstellung des Transportes zwischen den einzelnen der 43 Arbeitsgänge. Das Material geht vom Rohmaterialband (rough stock conveyor) über die Zwischenbänder (intra machine conveyor) zum Fertigmaterialband (finished stock conveyor) — ein grundsätzlicher Aufbau des Transportsystems bei der Bearbeitung von einzelnen Stücken. Besonders wichtig ist dabei die Aufstellung der Maschinen 12
derart, daß ein Mindestmaß von Transportweg und -zeit erreicht wird. Auf dem Bild sind die Transportbänder durch A, B, C usw. gekennzeichnet, die den Arbeitsgängen entsprechenden Werkstellen mit den Ziffern 1 bis 43. Die Bilder 26 bis 29 zeigen die ersten 11 Arbeitsgänge; im wesentlichen das Fräsen der Flächen und Flanschen und das Vorbohren der Zylinder. Die Zylinderblöcke werden in ununterbrochener Reihenfolge durch das Transportband an die Maschinen herangeführt. Der Arbeiter nimmt den ihm gerade nächsten Block, fischt ihn aus der großen Prozession heraus und bringt ihn auf seine Maschine. Nach der Bearbeitung schiebt er ihn dann auf der anderen Seite seiner Maschine wieder auf ein Transportband. Sehr deutlich ist dies auf den Bildern 26 und 27 erkennbar. Das erstere zeigt Arbeitsgang 2 und Transportband B. Nach dem ersten Arbeitsgang — Fräsen der
Abb. 25.
Paßflächen — wird hier die Flansch- und Lagerverbindung in der Kurbelwellenebene gefräst. Bei jeder Maschine ein entsprechendes Hebezeug, um das Werkstück auf die Bank zu schwenken! Bild 27 zeigt Transportband E und Arbeitsgang 6, das Vorbohren der Zylinder in Vierspindelbohrmaschinen. Unterhalb des Transportbandes läuft ein zweites, das nur der Abfuhr der Späne dient. Das Typische in beiden Fällen — und überhaupt fast immer bei der Maschinenbearbeitung (nicht bei der Montage!) — ist das, daß der Mann nicht direkt durch den Zustrom des Materials gedrängt wird, daß also der Prozeß nicht insofern zwangläufig ist, als unbedingt jedes zufließende Stück sofort in Angriff genommen werden muß, wenn nicht schlimme Stockungen entstehen sollen. Arbeitet er nicht schnell genug, so ist die Folge lediglich die, daß eine immer größer werdende Zahl von Zylinderblftcken auf dem Transportband E im Kreis herum spazieren fährt, ohne daß die Operation 6 erledigt ist. Natürlich wird dieser Fehler bald bemerkt und muß durch intensiveres Arbeiten wettgemacht werden, bevor das Transportband so stark belegt ist, daß für den dauernden Zustrom von 5 her kein Platz mehr bleibt. Abb. 28 und 29 bringen kennzeichnende Beispiele für das gleichzeitige Aufspannen vieler Stücke (Arbeitsgänge 10 und 11, Bearbeitung der Stirn- und Seiten13
flächen). Das Material kommt hier nicht durch das bewegte Transportband direkt zur Maschine, sondern wird auf kleinen Zwischenbahnen — einem System von Walzen und von glatten Blechen — von Hand herangebracht. Zu beachten sind auch die Schmierleitungen auf Abb. 28: fast keine auswärts bezogene Werkzeugmaschine genfigt den Fordschen Ansprüchen bezüglich Schmierung. Um ja volle Betriebssicherheit zu gewährleisten, werden noch eine Reihe von Schmierölleitungen angebracht. Auf Bild 30 ist links im Mittelgrund Arbeitsgang 15 und 16 — die letzte Bearbeitung der Hauptlager — ersichtlich. Rechts Arbeitsgang 17 — das Bohren der Ansaug- und Auspuffkanäle. Kennzeichnend hier wie durchweg in den Fordschen Fabriken ist der enge Zusammenbau aller Maschinen. Jeder erhält nur so viel Platz, als er für die Erledigung seiner Arbeit braucht. Wie an allem, so wird auch an Grundfläche gespart. Bild 31 zeigt Arbeitsgang 20 — das Bohren der Ventillöcher. Im Vordergrund das Fertigmaterialband, in der Mitte der Tisch H. Auf solchen Tischen erfolgt auch ein großer Teil der Zwischenkontrollen — ein anderer geschieht auf den bewegten Bändern während das Stück selbst weiter wandert. Jede der Bohrmaschinen für diese Operation hat 16 Spindeln an Stelle der notwendigen 8, es können abwechselnd die vorderen 8 und die hinteren 8 arbeiten; bricht ein Bohrer einer Reihe, so wird die andere Serie herangezogen; die Einrichtungskolonne ist verantwortlich, daß die Maschine keinen Moment ausfällt. Bild 32 (Arbeitsgang 24) Abdrehen der Flanschen auf der Getriebeseite; je 2 Zylinderblöcke werden zusammengespannt, also nicht Block und zugehöriges Gehäuse. Im übrigen ein gutes Beispiel für die Gleitbahnen, zwischen denen jede Maschine eingeschlossen ist und dafür, daß fast alle Bänke mit Einzelantrieb versehen sind. Bild 33 zeigt besonders gut die große Transportbandschleife, links Zufuhr durch J, rechts Abfuhr auf Band K. Dazwischen die Gleitbahnen, durch die 18 Bänke versorgt werden, die gleichzeitig von beiden Seiten den Arbeitsgang 25 — Bohren der Nockenwellenlagerung — durchführen. Einzelheiten sind im Bild 34 ersichtlich, das zeigt, wie die Werkzeuge, die während der Operation ausgewechselt werden, handlich und in genügend großer Zahl angeordnet sind. Bild 35 ist dadurch bemerkenswert, daß bei diesem Arbeitsgang — Nr. 28 — gleichzeitig 43 Bohrungen von 4 verschiedenen Seiten ausgeführt werden. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß die Werkzeugmaschinen — in Detroit stehen über 60000 Werkzeugmaschinen — fast durchweg Normalmaschinen sind. Nur ungefähr 10% von allen sind Spezialmaschinen, die von den Fordbetrieben selbst entworfen und ausgeführt werden. Nach verschiedenen kleineren Operationen, wie Nacharbeiten und Gewindeschneiden, bringt Bild 36 den Arbeitsgang 35 — das Ausgießen mit Weißmetall. Rechts die Schmelzöfen und eine aufgeklappte Ausgießvorrichtung. Hinten diese Vorrichtung zusammengeklappt und fertig zum Ausgießen. Zu dem Transportband links führen die einfachen Gleitbahnen. Das Band bringt die ausgegossenen Blöcke zu Sondermaschinen, die den Weißmetallgrat abnehmen und das Metall abfasen. 14
Sodann folgt Festhämmern des Weißmetalles, und zwar ohne daß das Stück vom Transportband heruntergenommen wird, dann Polieren der Zylinderflächen und konisches Aufreiben verschiedener Bohrungen, Durchgang durch die Waschmaschine und schließlich Arbeitsgang 42 auf dem Kontrolltransportband JV(Bild 37). Während der Block auf diesem Band N langsam weiter wandert, wird er mit Druckluft ausgeblasen (die Vorrichtung hierzu ist ohne weiteres aus dem Bild verständlich) und nochmals kontrolliert. Schließlich kommt er zur hydraulischen Endprüfung — Arbeitsgang 43. Im Bild 38 ist rechts die Schleife des Bandes N ersichtlich; von hier aus wandert der Block auf Gleitflächen zu der Vorrichtung, in der er mit wenig Handgriffen unter Wasserdruck gesetzt wird. Nach dieser letzten Kontrolle kommt er auf das im Vordergrund sichtbare Fertigtransportband, das in diesem Falle parallel zu einem zweiten, einen anderen Maschinenteil abzuführenden, läuft. Die Bilder sind zum Teil Sonntags aufgenommen und zeigen, wie rasch die Transportbänder entleert werden, wenn die Zufuhr (die einzelnen Abteilungen beginnen und schließen zu verschiedenen Zeiten!) an irgendeiner Stelle abreißt. Um den geschilderten Bearbeitungsprozeß des Zylinderblockes in Gang zu halten, sind dauernd ca. 2000 Blöcke unterwegs, also der vierte Teil der Tagesproduktion. Die Gesamtzeit für alle 43 Arbeitsgänge — einschließlich Transport, Aufspannungen, Kontrollen — beträgt 55 Minuten, d. h. also nach nicht ganz einer Stunde vom Verlassen der Gießerei an — zwei Stunden zuvor war er noch flüssiges Eisen! — ist der Zylinderblock fertig zur Montage eines Motors. Eine Stunde später sehen wir unseren Block als Teil des laufenden Motors auf einem der Versuchsstände. Bild 39 zeigt einen solchen Versuchsstand; jeder Motor läuft hier kurze Zeit (30 Minuten) unter eigener Kraft. Dann wandert er auf dem Transportband zur Hauptmontage, und noch eine Stunde später treibt er den fertigen Kraftwagen!
4. ERGÄNZENDE BEISPIELE. Bild 41 bis 46. Die bisherigen Bilder geben einen allgemeinen Einblick in die wichtigste Seite der Fordschen Betriebe, nämlich in das Wesen des Transportsystemes: Einmal Bänder oder Ketten, an denen gearbeitet wird, während das Stück in Bewegung ist. Dabei muß also verlangt werden, daß jeder Mann seine Funktion genau dann erfüllt, wenn das Stück bei ihm vorbei wandert. Geht der auf ihn treffende Zeitabschnitt verloren, so trifft dieser Verlust den ganzen weiteren Arbeitsprozeß solange, bis das Stück aus der Reihe herausgenommen ist. Das andere Mal Bänder, die nur zum Transport zu dem betreffenden Arbeitsgang hin dienen. Hier ist der Zwang, im genau vorgeschriebenen Zeitpunkt die Arbeit zu beginnen und zu beendigen, nicht so stark. Es wird nur verlangt, daß das Arbeitstempo über eine längere Zeitperiode allenfalls sogar über die ganze Schicht einen bestimmten Durchschnitt erreicht, wenn nicht das Transportband verstopft werden soll; kurze Stockungen schaden nichts, wenn sie wieder durch beschleunigtes Tempo wettgemacht werden. 15
Beispiele für die erste Art liefert die Gießerei; Beispiele der zweiten Art die Fertigung des Zylinderblocks. Bei Einzelanfertigung ist überhaupt fast immer die zweite Art des Bandes verwendet, d. h. es dient nur zur dauernden Heranschaffung des Materials. Bei der Montage werden wir hauptsächlich die erste Form wieder finden: Die Erledigung der Arbeitsgänge am dauernd bewegten Stück. Vorher aber sollen noch einige Bilder weitere Beispiele von Transportband und von Einzelfertigung geben, um das bisher Gesehene zu ergänzen. Bild 41 und 42 zeigen, wie überall die Transportbänder den Sonderzwecken angepaßt sind. Das eine Mal eine schmale, genau für das Stück bemessene Bahn, das andere Mal ein Schwergewichtsband, auf dem das Stück durch sein eigenes Gewicht befördert wird und das gleichzeitig so ausgebildet ist, daß die bereits fertig bearbeitete Schnecke geschont wird. Bild 43 bringt ein gutes Beispiel dafür, wie verschiedene ruhende Transportbahnen miteinander in Verbindung stehen. Von der Aufbringung des Zylinderblocks auf die Bahn durch Gleitschienen (links unten) bis zu den verschiedenen Abzweigungen geschieht alles, um menschliche Arbeit möglichst einzuschränken. Die beiden nächsten Bilder (44 und 45) zeigen noch zwei weitere typische und in diesem Fall sehr einfache Arten von Transportbändern. Das eine die Bearbeitung von Karosserieteilen mit dem Lager der Beschläge und Bolzen innerhalb der Transportbahn, das andere die einfachste Form einerGleitbahn, auf der die Chassisrahmen von Hand weitergeleitet werden. Zum Schluß noch ein kennzeichnendes Beispiel für die Fertigung von Einzelteilen durch eine große Serie gleichartiger Maschinen (Bild 46). Es werden hier die Zylinderdeckel in vertikalen Revolvermaschinen, wie sie bei uns weniger üblich, in der amerikanischen Automobilindustrie aber vielfach gebräuchlich sind, bearbeitet.
5. MONTAGE. Bild 47 bis 55. Die fertigen Einzelstücke laufen jetzt auf ihren Transportbändern, die gewissermaßen kleine Gerinne vorstellen, zusammen in einen größeren Bach, in den Weg der Teilmontage. Diese Bäche vereinigen sich zuletzt in die Flüsse der Fertigmontage für den Motor, das Chassis, die Karosserie und laufen ihrerseits wieder zusammen in dem Endstrom, in dem alles zum fertigen Wagen zusammenkommt. Das Kennzeichnende dabei ist wie immer der stete Arbeitsfluß, die weitgehende Verwendung arbeitsparender Methoden und die Unterteilung in die Elemente des ganzen Prozesses derart, daß ausschließlich ungelernteLeute verwendet werden können. Bild 47, ein gutes Beispiel für Ersparung an Handarbeit: alle Muttern werden gleichzeitig und maschinell angezogen. Das Wesen des Stromsystems ist in Bild 48 besonders deutlich sichtbar. An der einen Kette wandern Kurbelwellen in dauerndem Kreislauf. Auf dem anderen Transportband kommen die fertigen Zylinderblöcke heran. Jeder Mann nimmt nun irgendeine gerade bei ihm vorbeiwandernde Kurbelwelle (an der Montagestelle senkt sich die obere Kette so weit, daß dieses Abnehmen mit einem Mindestmaß von körperlicher Arbeit geschehen kann) und setzt sie in einen Zylinderblock ein, den er von dem Transportband herunternimmt. Der Zylinderblock mit einge16
setzt er Welle wandert dann auf einem anderen Band zum nächsten Arbeitsgang. Bei diesem Bild wird der Fordsche Ausspruch verständlich: „Es ist keine Fabrik groß genug, u m mehr als ein Produkt gleichzeitig herzustellen!" Bild 49 zeigt den letzten Arbeitsgang am Kühler, die hydraulische Prüfung. Bild 50: Der fertige Benzintank wandert aus der Spenglerei. Die Tafel links, auf der mit Kreide die Zahl der fertigen Stückc vermerkt wird, ist kennzeichnend für die primitive, aber vollkommen genügende Art der Statistik. Bild 51: Montage des Traktorgehäuses. Bei diesen Montagebändern beginnt nun die noch stärkere Zwangläufigkeit der Arbeit. Während bei der Einzelfabrikation ein unfertiges Stück immer wieder in den Kreislauf gegeben wird, der Mann also nicht gezwungen ist, jedes bei ihm vorbeiwandernde Stück sofort zu bearbeiten, wird es bei zunehmender Fertigmontage mehr und mehr notwendig, daß tatsächlich an dem vorbeiwandernden Stück jeder Handgriff erledigt wird, damit der nächstfolgende Mann in dem Prozeß weiterfahren kann. Die Transportbänder gehen nunmehr immer langsamer (bei Fertigmontage 4 m/min), rechts und links stehen die Arbeiter, die ihre paar Handgriffe zu erledigen haben und während dieser Erledigung ein paar Schritte mit dem Stück vorangehen. Fällt ein Mann aus, so sind genügend Ersatzleute da, die jeden der Handgriffe ihrer ganzen Reihe beherrschen müssen und die für den Mann einspringen. Nunmehr zum Fertigmontageband. Bild 52 und 53 zeigen wie der Traktor allmählich entsteht. Das fertige Gehäuse wandert langsam auf dem Band. Der fertige Motor wird aufgesetzt. Die Bänder von Kühler, Benzintank, Steuerung münden in den Strom und bringen ihre fertigen Teile heran und am Ende des Bandes ist der Traktor fahrbereit. Er rutscht die auf Bild 53 erkenntliche schräge Bahn herunter, wird angekurbelt (der Auspuff mündet in das in den Boden eingelassene Vierkantrohr), fährt mit eigner Kraft ein paar Runden und wird verladen. Als Beispiel dafür, daß diese Transportmethoden heute im amerikanischen Automobilbau allgemein üblich sind, zeigt Bild 54 ein Transportband der Traktorwerke Chicago (eine Abteilung der Internationale Harvester Company), das die nämliche Anordnung wie bei Ford zeigt. Bild 55 bringt ein Endmontageband des Fordwagens. Dies Band beginnt mit dem Chassisrahmen; es kommen dann die fertigen Vorder- und Hinterachsen von ihren Teilmontagebändern. Rechts und links rollen die Räder mit aufgepumpten Pneumatiks heran, das Motormontageband mündet hier, Kühler, Schaltbrett, Steuerung wird aufgesetzt, während der Wagen langsam weiterwandert, ein gefüllter Benzintank kommt heran und zuletzt mündet, von oben kommend, auf schräger Bahn die fertige Karosserie. Sie ist in wenigen Minuten verschraubt, jeder Mann rechts und links hat seine paar bestimmten Handgriffe zu machen und am Schluß des Bandes fährt der Wagen mit eigener Kraft davon.
6. WOHLFAHRT UND SICHERHEIT. Bild 56 bis 60. Die letzten Bilder sollen noch zu ein paar kurzen Angaben über die Fordschen Erziehungs- und Wohlfahrtseinrichtungen Veranlassung geben sowie über die typisch amerikanische Art von Sicherheitsmaßnahmen. R i e p p e l . Fordbettiebe. 2
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Bild 56 ist ein Teil der Lehrlingswerkstätte; schöne große Säle, alles peinlich sanber, überall die besten Maschinen und Werkzeuge. Durchschnittlich werden 750 Lehrlinge beschäftigt. Jeder erhält jährlich 400 bis 600 Dollars, ferner ein Taschengeld, das auf die Sparkasse gebracht werden muß und täglich ein Mittagessen. Zeiteinteilung: Jeweils 1 Woche Schule und 2 Wochen Werkstätte. Die Ausbildungszeit ist abhängig von der Fähigkeit des Lehrlings und beträgt im Durchschnitt 2 Y2 Jahre. Die Lehrlinge erhalten jährlich 3 Wochen bezahlten Urlaub. Es mag dabei darauf hingewiesen werden, daß Urlaub für einen im Tagelohn stehenden Mann weder je gewährt, noch gefordert wird. Eine solche Forderung würde dem amerikanischen Prinzip von klarster Formulierung von Leistung und Gegenleistung widersprechen. Die Erziehung der Lehrlinge entspricht ganz der frischen fröhlichen Art, die man überall in amerikanischen Schulen findet und die die Männer solange geistig jung und jungenhaft erhält. Dabei wird aber der Lehrling von Anfang an zum Verantwortungsgefühl vor allem dadurch erzogen, daß jedes Stück, das er anfertigt, möglichst produktive Verwendung findet. Die Fabrik kauft den Lehrlings Werkstätten ihre Erzeugnisse ab und bezahlt sie mit normalem Preis. Dadurch gestaltet 6ich die ganze Einrichtung rentabel. Außer dieser Lehrlingsabteilung unterhält Ford noch eine Schule für ausländische Arbeiter, die dort nicht nur englisch lesen und schreiben lernen, sondern auch in der systematischen Weise zu amerikanischen Staatsbürgern erzogen werden, in der man im ganzen Land jungen und alten Ausländern ihre Persönlichkeit austreibt und sie zu amerikanischen Normalwirtschaftsmenschen macht. Ferner ist eine Handelsschule für die Arbeiter da und eine Agentenschule für die Verkäufer. Es werden insgesamt durchschnittlich täglich tausend Schüler von 75 Lehrern unterrichtet. Bild 57 und 58 zeigen Sportplätze im Sommer und im Winter. Bei diesen und allen „Wohlfahrtseinrichtungen" — es wird darüber noch zu sprechen sein — wird immer darauf hingewiesen, daß es sich nicht um Wohltaten handelt, sondern um selbstverständliche Maßnahmen, die von gleichem Vorteil für den Angestellten wie auch für den Unternehmer sein sollen. Zum Schluß noch einige Bilder, die zwar nicht aus den Fordbetrieben stammen, aber besser als die entsprechenden Fordbilder in besonders drastischer Weise die amerikanische Sicherheitsbewegung kennzeichnen. Auf dem einen (Bild 59) bezeichnet jedes Rad der Lokomotive eine Betriebsabteilung und bei jedem Unfall innerhalb der Abteilung rückt das betreffende Rad um einen Teilstrich vor. Es wird also dauernd der ganzen Belegschaft vor Augen geführt, wie die Verteilung der Unfälle auf die einzelnen Abteilungen ist und der Ehrgeiz jeder Abteilung wird angestachelt. Zu welchen uns merkwürdig erscheinenden Blüten dieser Ehrgeiz führt, zeigt das letzte Bild. Der betreffende Betrieb hatte die geringste Unfallziffer von allen Betrieben des Stahltrustes und bringt stolz eine entsprechende Inschrift über dem Haupttore an. 18
B. ZUSAMMENFASSUNG. Die Bilder und Angaben dieses ersten Teiles sollten in großen Zügen den rein äußerlichen Eindruck vermitteln, den m a n bei einer W a n d e r u n g d u r c h die F o r d betriebe erhält. Bevor auf die Stellung Fords im Wirtschaftleben, auf seine sozialen Bestrebungen, auf das, was wir eigentlich u n t e r „ F o r d m e t h o d e n " verstehen werden, eingegangen werden soll, ist dieser äußere E i n d r u c k nochmals k u r z zusammenzufassen u n d in einigen P u n k t e n zu ergänzen: Das Bild, das sich dem Besucher a u f d r ä n g t , ist in erster Linie b e s t i m m t d u r c h die nahezu lückenlose D u r c h f ü h r u n g des steten Arbeitsflusses, durch die u n u n t e r brochene W a n d e r u n g des Materials. Es ist gewissermaßen ein Stromsystem, m i t Speichern, Bächen, Gerinnen u n d Flüssen, die zuletzt alle in dem einen großen Becken m ü n d e n , der A b n e h m e r s c h a f t f ü r die fertigen Wagen u n d T r a k t o r e n . Von den Quellen bis zur Mündung sind mehrere verschieden hochgelegene E b e n e n , in denen die Gerinne sich sammeln, u m e r n e u t K a n ä l e u n d Bäche zur n ä c h s t tieferen E b e n e hinabzusenden. Zu oberst das Quellengebiet m i t den Fordschen Kohlen- u n d E r z g r u b e n u n d m i t seinen Wäldern. Diese schicken ihr R o h m a t e r i a l zur E b e n e der Hochöfen, der Sägewerke, der Siemens-Martin-Öfen. Von hier aus entstehen einzelne Gerinne, die a m E n d e ihres Laufes durch die rohen Teile in gegossener, geschmiedeter, vorgeschnittener F o r m , aber sonst u n b e a r b e i t e t , gekennzeichnet sind. Diese Teile laufen im Rohmaterial-conveyor z u s a m m e n , in unserem Bilde ein breiter F l u ß , der auf einem Hochplateau dahinströmt. E r schickt eine Reihe größerer u n d kleinerer K a n ä l e zu T a l u n d jeder dieser K a n ä l e oder K a n a l s y s t e m e — Intra-machine-conveyors — liefert an seinem Ausgang ein einbaufertiges Stück ab. Diese Gerinne m ü n d e n in die Zwischenebene der Fertigfabrikate, der Finished-stock-conveyors. Von da aus gehen n u n die Montage-Einzelbänder als verschieden große Bäche u n d mit verschiedenen Geschwindigkeiten ins T a l der H a u p t m o n t a g e . Hier werden sie zu einer Reihe von Flüssen, deren hauptsächlichster d e n fertigen Motor m i t sich b r i n g t ; andere tragen den Chassisrahmen, die einbaufertigen Achsen, das fertige Getriebe usw. Alle vereinigen sich zu dem großen Strom des H a u p t m o n t a g e b a n d e s , das an seinem E n d e den fertigen W a g e n abliefert. Das ganze Stromsystem ist in dauernder Bewegung. Länge u n d Geschwindigkeit der einzelnen Gerinne sind so gegeneinander a b g e s t i m m t , d a ß diese Bewegung nirgends abreißt u n d d a ß alle Arbeit ohne Hetzen, aber anch ohne U n t e r b r e c h u n g erledigt werden k a n n u n d m u ß , die Geschwindigkeit des T r a n s p o r t b a n d e s reguliert den ganzen Fabrikationsgang. Die Frage des Transportes ist als gleichwichtig neben die der F a b r i k a t i o n gestellt. Die Leistungsfähigkeit jedes Mannes wird durch die Transporteinrichtungen zu einem Maximum. Das T r a n s p o r t b a n d bringt dem Arbeiter das Material so zu, d a ß er n u r seine paar, auschließlich der Fertigung dienenden Handgriffe zu erledigen h a t , „ u n p r o d u k t i v e " Tätigkeit f ü r ihn k a u m in B e t r a c h t k o m m t . Manche Arbeitsgänge der 2*
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Fabrikation und fast alle der Montage werden erledigt, ohne daß die Teile das Transportband varlassen. Während das Stück wandert, erledigt der Arbeiter seine kleine Teilaufgabe immer die gleichen Handgriffe, — immer die gleichen Handgriffe! Auf dem wandernden Band trocknen die Kerne und erstarrt das Eisen in der Form, auf ihm werden die einzelnen Arbeitsgänge kontrolliert, es wandert mit seinen Stücken durch riesige Farbenbehälter hindurch und durch Öfen, in denen die Farben während der Wanderung trocknen. Das Material ist dauernd in Bewegung, der Arbeiter steht still. Das Transportband ist das Merkmal, das den äußeren Eindruck vollständig beherrscht, jedes Transportband ein Gerinne iq einem riesigen Stromsystem ! Ein zweites Merkmal, weniger stark in die Augen springend, aber eine fast notwendige Folgerung aus diesem lebendigen Fluß der ganzen Erzeugung und darum nicht weniger grundlegend, ist das, daß jeder dieser Kanäle und Bäche eine kleine Fabrik für sich bildet, einen Sonderbetrieb, der zwar aufs strengste in das ganze System eingespannt ist, aber doch seinen Abschnitt vollkommen selbständig erledigt. Es ist grundsätzlich durchaus nicht notwendig, daß die Fabrik, welche die Kurbelwellen herstellt oder die Kolben, Kolbenringe, Magnetapparate, Zündkerzen — daß diese jeweils unter dem gleichen Dach mit den übrigen oder ihnen nur benachbart sei. Das Wesentliche ist, daß sie ihr Material in der gewünschten Beschaffenheit und Menge dem ihr zugeordneten Strom auf der entsprechenden Ebene abliefert. Innerhalb dieser Aufgabe aber ist sie ein Komplex für sich, wenn nötig mit eigenen Härteöfen und all den Sondereinrichtungen, die man sonst als gemeinsames Gut der verschiedensten Abteilungen einer Fabrik zu betrachten gewohnt ist. Die in ihr aufgestellten Maschinen sind ausschließlich für sie da, haben keinerlei Arbeit für andere Abteilungen zu erledigen. Damit ist die Möglichkeit weitgehender, auch örtlicher Dezentralisation gegeben. Ein weiteres Kennzeichen läßt sich unter dem Stichwort „Sparsamkeit" zusammenfassen. Es beginnt mit einer so eingehenden Arbeitsvorbereitung, wie sie bei uns noch nahezu unbekannt ist. Bevor ein neues Konstruktionselement, eine Fabrikationsmethode, die geringfügigste Änderung in die Werkstatt gegeben wird, wird immer und immer wieder geprüft, ob man es nicht noch besser und billiger machen kann. Konstrukteure, Wissenschaftler, Betriebsleute arbeiten zusammen, um Form und Material zu einem Optimum zu gestalten, um noch an dem einfachsten und nebensächlichsten Handgriff zu sparen, um das Stück um Viooo Cent billiger zu machen. Eng damit hängt ein großzügiges Versuchswesen zusammen. Für Versuche ist immer Geld vorhanden; denn richtig eingeleitete Versuche sind letzten Endes doch immer wieder die Grundlagen erhöhter Wirtschaftlichkeit. Um an Raum zu sparen, werden die Maschinen so eng zusammengedrückt, als es der ungehinderte Transport, die ungehinderte Bewegungsfreiheit des Mannes erlaubt. Vielfach hat allerdings der Besucher den Eindruck drangvoller Enge, und man fragt sich, ob nicht hierbei etwas weniger Sparsamkeit eine verbesserte Wirtschaftlichkeit bedeutet, insofern, als angenehmere Arbeitsbedingungen wieder größere Leistungsfähigkeit bedingen würden. 20
Nichts fällt in den Betrieben ab, was nicht wieder Verwendung finden würde. Eine besondere und recht große Abteilung in Highland Park beschäftigt sich ausschließlich mit dem Studium derVerwertung von Abfallprodukten und der Ersparung an Betriebsmaterialien. Aus dem Hochofenstaub und aus der Schlacke wird die letzte Spur von Eisen herausgeholt. Holzabfälle werden bis zum letzten Stück verwendet. Aus Stroh und Sägemehl wird eine Art Hartgummi fabriziert. Die Papierfabrik in Highland Park lebt fast ausschließlich von Papier- und Lumpenabfällen aus den Fordschen Betrieben. Der Mann, der eine Methode findet, um an Packmaterial zu sparen oder ein paar Bolzen mehr in einem Waggon unterzubringen, erhält eine Prämie. Nirgends in dem Riesenbetrieb entsteht ein Abfallprodukt, das nicht wieder dem Betrieb selbst zugute kommt. (Es wird lediglich Ammonsulphat und Benzol nach außen abgegeben.) Der ganze Betrieb lebt nach dem Grundsatz: alles kann noch besser und noch billiger gemacht werden. Unsere Gewinne müssen aus den Ersparnissen kommen. — Tatsächlich ist der Fabrikationsgewinn aus den Automobilen verhältnismäßig sehr gering. Er wird in der letzten Bilanz mit ungefähr 4 Millionen Dollar ausgewiesen. Der weitaus größte Teil des Gewinnes ist durch Sparmaßnahmen erzielt. Zur Kennzeichnung des äußeren Gesamteindruckes muß am Schluß noch auf die Präzision der Arbeit und auf die Reinlichkeit in den Betrieben hingewiesen werden. Daß auf Auswechselbarkeit der Teile und damit auf Genauigkeit der Ausführung größter Wert gelegt werden muß, ist ja selbstverständlich; man ist aber doch überrascht über den Umfang der Maßkontrolle. 3 % der ganzen Belegschaft (einschließlich all der Rohmaterial- und Nebenbetriebe) sind Kontrolleure. Alle Meßwerkzeuge sind unter dauernder Kontrolle von „Lehren-Inspektoren", die jeweils einen verhältnismäßig kleinen Bezirk unter sich haben und in diesem Bezirk voll verantwortlich sind. Die wichtigsten Lehren werden bei jeder Schicht, also dreimal täglich, ausgetauscht und wandern in den Kontrollraum. In Highland Park sind 10500 verschiedene und insgesamt rund 1000000 Lehren vorhanden. In den Lehren-Kontrollräumen sind 6000 Johannsen-Endmaße. Johannsen selbst ist von Ford aufgekauft und steht in seinen Diensten. Noch weitergehende Genauigkeit in den Lincoln-Werkstätten. Dort durchläuft allein der mechanische Teil des Wagens 9300 Kontrollen, von denen 5000 mit i 0,013 mm, 1300 mit ± 0,006 mm und über 3000 mit ± 0,003 mm ausgeführt werden. Ein gutes Kennzeichen für die Präzision in den Lincoln-Betrieben ist auch das Vorhandensein eines „Silent-room", eines von jedem Geräusch der Werkstätten abgeschlossenen Raumes, in dem durch von außen betriebene Motoren alle Getriebe, alle Kugellager usw. auf Geräuschlosigkeit geprüft werden. Es war bei Erklärung der Bilder schon gelegentlich auf die große Reinlichkeit aller Betriebe hingewiesen worden. Einige kennzeichnende Ziffern: In Highland Park ist bei einer Belegschaft von 60000 Mann dauernd eine Reinigungskolonne von 1700 Mann angestellt; eine Kolonne von 80 Mann dient ausschließlich zum Fensterputzen. Die jährlichen Löhne für die Reinigungskolonnen aller Betriebe werden zu 7 Millionen Dollars angegeben, so daß also wohl insgesamt gegen 4000 Mann hierfür angestellt sind. 21
Zum Schluß noch einige Ziffern von Interesse: Ford gibt an, daß 1908 auf einen Arbeiter jährlich drei Autos kamen, die sein Unternehmen herausbrachte, während 1923 jeder für die eigentliche Autofabrikation beschäftigte Mann 20 Wagen fertigstellte. Die Laufzeit von der Materialbeschaffung bis zur Ablieferung des Wagens beträgt durchschnittlich 14 Tage. Der Behauptung, daß Ford hauptsächlich durch seine Ersatzteile verdiene, wird der Nachweis entgegengehalten, daß ein nur aus Ersatzteilen bestehender Wagen zum Preis von 126% des fahrbereiten Autos von der Fabrik abgegeben wird. Hierzu kommen allerdings noch die erheblichen Händlergewinne von ca. 40%. Diese Gewinne ermöglichen aber eine so weitverzweigte Organisation, daß fast an jeder Straßenecke sofort jeder Ersatzteil zu haben ist. Man wird rechnen können, daß der Käufer eines Ersatzteilwagens ungefähr 175% des Preises für den von der Fabrik bezogenen fahrbereiten Wagen zu bezahlen hat. Mit diesen Bemerkungen sei die Skizze der äußeren Eindrücke abgeschlossen, den der Besucher von den Ford-Werken erhält.
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II. Teil.
FORD-METHODEN ALLGEMEINES. Was wir bisher gesehen haben, ist eine Fabrik wie viele andere in Amerika — in manchem besser, in manchem schlechter, bemerkenswert hauptsächlich durch das ungeheure Ausmaß. In bezug auf den Gesamtwirkungsgrad ist sie zweifellos führend, wird aber in dem einen oder anderen Betriebsverfahren von manchen amerikanischen und auch deutschen Werken übertroffen. Jedenfalls können die Betriebe selbst und die bei ihnen ausgebildeten mechanischen Verfahren nicht ausschließlich der Grund sein, wenn Fords Name heute so stark im Vordergrund des Interesses steht. Denn Transportbänder sind schon seit langem nichts mehr, was den Ford-Werken allein eigentümlich wäre, und auch anderswo ist die Zerlegung in Einzelbetriebe eine natürliche Folge der großen Erzeugungsmenge. Die Methoden der Herstellung, die intensive Arbeitsvorbereitung — all diese Mittel wirtschaftlicher Erzeugung haben längst aufgehört, Alleineigentum Fords zu sein. Auch die Tatsache, daß Ford sich ganz meisterhaft auf • Propaganda und auf Massenpsychologie versteht, kann nicht seine Bedeutung ausmachen. Wäre es bloß all dies, so bliebe Ford ein erfolgreicher Fabrikant wie viele andere; er würde nicht in Amerika von der einen Seite wütend bekämpft, von der anderen geradezu vergöttert werden, und bei uns in Deutschland hätte sein Buch niemals ein solches Interesse finden können, stärker als je ein technisches Werk. Die Gründe dafür, daß der Begriff Ford heute für die neue Wirtschaft ein Programm geworden ist, liegen tiefer. Sie liegen in den geistigen Methoden, die für uns mit seinem Namen verbunden sind, Methoden, nach denen die Beziehungen zwischen Arbeiter, Unternehmer und Abnehmer geregelt werden und nach denen die Idee des Dienstes an der Allgemeinheit zur Grundlage jeder wirtschaftlichen Betätigung wird. Diese Ford-Methoden, die es nun zu skizzieren gilt, bedeuten durchaus keine Umwälzung in der Industrie, sie geben lediglich Zeugnis von einem neuen Geist, der in die wirtschaftliche Entwicklung der Welt eingegriffen hat. Der Begriff Ford-Methoden wird nicht ausschließlich an den Mann Ford gebunden sein. Dieser soll uns nur als Vertreter eines Prinzips gelten, seine Metho23
den als eine wünschenswerte Geistesrichtung, die in seinen Werken herrscht und die bei uns durch sein Buch einem größeren Kreis zum Bewußtsein gekommen ist. Diese Richtung geht aber nicht von seinem Werk allein aus, sie wurzelt in der geistigen Entwicklung des neuen Amerika, wo sozialer Geist und krassester Kapitalismus so nahe beieinander wohnen. Diese Methoden sind durchaus keine scharf umrissene Einrichtung; sie sind vielfach noch unklar oder dienen als Aushängeschild für eine neue Art der Geldmacherei. Aber lassen wir einmal die vielen Fälle, wo solche Ausnahmen das Gegenteil zu betätigen scheinen, beiseite, und nehmen wir diese Grundsätze als Ausdruck einer Willensrichtung, die uns zu denken geben sollte. Bevor wir auf die Methoden selbst eingehen, ist noch eine Frage zu beantworten : Meint Ford all das Schöne, was er in seinem Buch über Dienstleistung und über einen neuen Sozialismus sagt, auch wirklich aufrichtig ? Obwohl wir übereingekommen sind, Ford als Prinzip und nicht als Person zu nehmen, ist die Beantwortung dieser Frage doch wichtig; denn ein Prinzip wird kraftlos, wenn nicht sein Vertreter mit seiner ganzen Persönlichkeit dafür eintritt. Der Amerikaner neigt an und für sich sehr dazu, Moral zu sagen, wo er Geld meint (womit keinesfalls die gewöhnlich sehr hochstehende Geschäftsmoral herabgesetzt werden soll), und er versteht es ausgezeichnet, seine persönlichen Interessen in das Gewand ethischer Forderungen an die Allgemeinheit zu kleiden. Vorsicht ist also auch bei Ford, als einem typischen Amerikaner, am Platze. Mein persönlicher Eindruck — anders läßt sich die Frage überhaupt nicht beantworten — ist jedenfalls der, daß Ford den besten Willen hat und alles durchaus ehrlich meint, daß bei ihm nicht zuerst der Erfolg und dann die Ethik kam, sondern daß er seine sozial-ethischen Grundsätze von Anfang an vertrat. Verschiedene Unterredungen in diesem und im vorigen Jahr, die ich mit ihm, seinem Sohn und seinen nächsten Mitarbeitern hatte, haben mir die Überzeugung gegeben, daß dieser Mann sich zum Dienst an der Allgemeinheit berufen fühlt, daß er tatsächlich seinen Mitmenschen helfen und den Geist gegenseitiger Hilfsbereitschaft in das Wirtschaftsleben einführen will. Kein deutscher »Idealist«, sondern ein Mann, der zäh und bewußt größte Macht anstrebt, um seine Ideale in Wirklichkeit umzusetzen. Ein Mann mit Verstand von seltener Klarheit, der ihn nicht nur befähigt, die organisatorischen Fäden seines Riesenbetriebes in einfachster Struktur zu sehen, sondern auch wirtschaftliche und soziale Aufgaben bis zu Ende zu durchdenken und ganz klar die Wege zu den letzten Zielen zu erkennen. Zu dem, was er für die letzten Ziele hält. Mögen ihm Bildungs- und Kulturprobleme ferne liegen — er erscheint jedenfalls die Verkörperung des unverbildeten gesunden Menschenverstandes. Und lediglich mit diesem gesunden Gefühl und mit ganz ungewöhnlicher psychologischer Einsicht versucht er auf die einfachste Weise die Reibungen und Spannungen innerhalb der Beziehungen Unternehmer — Arbeiter — Abnehmer zu beseitigen und hat das Bestreben in erster Linie volkswirtschaftliche Werte zu erzeugen, da, wo andere nur Geld machen wollen. Das ist letzten Endes alles. 24
E s m a g sich nachweisen lassen, d a ß auch Ford nicht ganz frei von d e m amerikanischen Nationalübel ist, ethische und privatgeldliche Forderungen zu verquicken — aber im ganzen h a t m a n kein Recht, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. All seine Leute, besonders seine engeren Mitarbeiter, würden auch wohl k a u m so a n i h m hängen, s t ü n d e nicht hinter den schönen W o r t e n eine ganze u n d geradlinige Persönlichkeit. U n d noch eins: Bei aller u n d oft sehr erbitterten F e i n d s c h a f t , die F o r d d r ü b e n f i n d e t — m a n wird nirgends eine Verdächtigung hören, d a ß er sein Geld nicht d u r c h ganz e h r e n h a f t e Mittel erworben habe. Man gesteht ihm überall zu, d a ß die Grundlage seines Erfolges i m m e r ehrlichste Arbeit u n d niemals Spekulation oder Ausb e u t e n u m war. Und wo in der Welt ist der Krösus, dem m a n ein gleiches zugibt ? U m n u n Klarheit über das, was wir Ford-Methoden genannt h a b e n , zu gewinnen, sind zu kennzeichnen: 1. Die Beziehungen zwischen Ford u n d seinen Angestellten, 2. die Beziehungen zwischen ihm u n d seinen Abnehmern u n d endlich 3. seine Stellung zum Kapital. Diese Gebiete lassen sich nicht scharf t r e n n e n ; sie hängen in vielen P u n k t e n durch einheitliche Grundsätze zusammen. 4. Zum Schluß werden wir vor die Frage gestellt sein, welche N u t z a n w e n d u n g wir f ü r Deutschland ziehen können.
1. FORD UND DER ARBEITER. Wie der holungs arbeit. A m Eingang s t e h t natürlich die große Frage der Wiederholungsarbeit, wie der amerikanische Ausdruck „repetitiv w o r k " etwas m a t t übersetzt zu werden p f l e g t . Als Ford z u m erstenmal in größerem Maßstab in die Maschinenindustrie die T r a n s p o r t m e t h o d e n der Schlachthäuser von Chicago einführte, da w u r d e das W o r t von der „ g r ö ß t e n Sklavenhalterei der W e l t " geprägt, u n d dies W o r t h a t sich in m a n chen Kreisen bis h e u t e erhalten. Wenn m a n die Betriebe dieser Schlachthäuser vor dem Kriege gesehen h a t (sie mögen heute verbessert sein) u n d vielleicht noch u n t e r d e m Eindruck des b e k a n n t e n Buches von Sinclair „ T h e J u n g l e " s t a n d , in dem diese menschenunwürdigen Zustände geschildert werden — so war m a n sicher geneigt, auch bei F o r d die Sklavenhalterei zu sehen. Denn auch hier w u r d e der Mensch zur Maschine m i t keiner anderen Aufgabe, als Tag aus T a g ein den einen kleinen Handgriff zu machen, den eben zufallig n u r eine menschliche Maschine erledigen k a n n . E i n u n d derselbe stetig wiederholte Handgriff in der Einförmigkeit einer Gefängnisarbeit u n d vielleicht noch in einem Tempo, das das letzte aus dem Menschen herauspumpt. Inzwischen ist aber die Methode des Transportbandes u n d der so weit gehenden Unterteilung der Arbeitsgänge Gemeingut der amerikanischen Massenfertigung geworden, und m a n ist auch im Begriff, diese Methoden in Deutschland einzuführen. Ford h a t Schule gemacht — wenigstens in dem rein mechanischen Teil seiner Arbeits25
bedingungen und das Schlagwort von der Fordschen Sklavenhalterei wird in der Industrie immer seltener; es wird bald nur noch zum Handwerkszeug einiger Agitatoren gehören. Trotzdem muß die Frage untersucht werden: Ist das Arbeiten am Transportband menschenunwürdig, verstößt es gegen den Geist der Arbeit? Erzeugt es allmählich eine verkommene stumpfsinnige Generation? J a und Nein! Die Wiederholungsarbeit kann nicht scharf genug abgelehnt werden, wenn sie tatsächlich zur unentrinnbaren Gefängnisarbeit wird, zum Zwang, den man um des täglichen Brotes willen auf sich nimmt, zum Hetzbetrieb, der den Menschen ausnutzt bis zum äußersten, um ihn dann verbraucht beiseite zu werfen. Aber hier setzt das ein, was die Ford-Methoden grundsätzlich von den Schlachthäusern von Chicago scheidet: Der gute Wille, im Arbeiter nicht die belebte Maschine, sondern den Menschen zu sehen und diesem Menschen in jeder Weise entgegenzukommen, ihn an der Arbeit mit allen Mitteln zu interessieren, ihn am Erfolg teilhaben zu lassen. Jedermann soll für sich persönlich eine Entwicklungsmöglichkeit sehen, und er soll lernen, seine Tätigkeit im Rahmen einer großen volkswirtschaftlichen Aufgabe zu betrachten. Zufriedenheit ist das Endziel. Zunächst die Entwicklungsmöglichkeit: Sie beginnt damit, daß man den Arbeiter sich gewissermaßen als Herr im Hause seiner kleinen Teilaufgabe betrachten läßt. Man gibt ihm zu verstehen, daß man an ihn und seine Fähigkeiten glaubt — das beste Mittel, diese Fähigkeiten zu wecken — und daß man von ihm Verbesserungsvorschläge in seinem Arbeitsgebiet erwartet. Dies gibt ihm sofort eine interessierte geistige Einstellung und läßt ihn die Arbeit energischer anpacken. Ferner erklärt Ford ausdrücklich, und dieser Geist herrscht auch tatsächlich in seinen Betrieben: Jeder, der glaubt, etwas Besseres leisten zu können als seine paar Handgriffe, der möge sich melden, und man wird ihm Gelegenheit geben, seine Fähigkeiten zu beweisen. Es ist kaum zu überschätzen, was es psychologisch für den Mann bedeutet, wenn er weiß, daß er auch bessere, nicht rein mechanische Arbeit erhalten kann, sobald er nur den Willen und die Verantwortungsfreudigkeit dafür hat. Man zeigt ihm von Anfang an die Möglichkeit des Aufstieges und gibt jedem Aufwärtsstrebenden gerne und ohne Hinderung durch die chinesische Mauer der Klassen und Kasten den Weg in die Höhe frei. Aber nun kommt das Überraschende: Die Zahl derer, die den Mut haben etwas Besseres anzustreben, ist außerordentlich gering. Die meisten sind zufrieden, wenn sie eine Arbeit finden, bei der sie mit dem Denken, dieser unangenehmsten aller Tätigkeiten, nichts zu tun haben. Wie kommt dies ? Fallen damit alle Einwendungen, die man anscheinend so berechtigterweise gegen die Wiederholungsarbeit macht, in sich zusammen, und erinnert die Agitation dagegen nicht an die Tätigkeit so mancher Propheten, die der Menschheit mit Gewalt ein Glück aufzwingen wollen, nach dem keinerlei Verlangen besteht ? 26
Zu den Wurzeln dieser Frage vordringen zu wollen, hieße zu d e m Geist unserer Zeit Stellung zu nehmen, der solche A r t Arbeit einerseits fordert, andererseits erträglich f i n d e t . Eine solche Untersuchung ginge weit über den R a h m e n eines Vortrages h i n a u s ; es k a n n hier lediglich auf folgendes hingewiesen werden: W ä h r e n d bei uns das geistige Niveau der Arbeiterschaft im großen u n d ganzen ungefähr einheitlich ist, sind drüben zwei — selbstverständlich nicht scharf getrennte — Schichten des industriellen Handarbeiters zu unterscheiden. Die erstere besteht aus den Einwanderern u n d allenfalls noch ihren Kindern; die andere aus den Männern, die die Atmosphäre des Landes schon zu richtigen A m e r i k a n e r n gemacht h a t . Die einen sind froh, einen Unterschlupf zu finden, irgendeine Arbeit zu haben, bei der sie g u t leben können. Die anderen h a b e n Schwung, Selbständigkeitsdrang, Pioniergeist u n d ein heiteres, wenn auch gedankenloses Über-den-Dingen-stehen —, Eigenschaften, die drüben in der L u f t liegen. Dazu k o m m t noch, d a ß in Amerika wie in allen L ä n d e r n technischer Zivilisation zwei verschiedene geistige Strömungen die Volksseele zu f o r m e n s u c h e n : Der Geist des Kapitalismus u n d der besondere Geist des Landes. Der amerikanische Kapitalismus t u t durch die ihm dienstbare Presse, Schule u n d sogar Kirche, alles, u m das Volk a m eigenen Denken u n d H a n d e l n zu hindern. Das P r o d u k t dieser Bemühungen ist der wirtschaftliche Einheitsmensch in wenigen T y p e n . Der Geist Amerikas, in den Bedingungen des Bodens wurzelnd u n d sich m i t unerhörter plastischer K r a f t eine neue Rasse formend, m a c h t die Menschen äußerlich frei u n d selbstbewußt. E r erzeugt Pioniergeist im besten Sinne, u n b e f a n g e n vorwärts strebende und alles europäische Grübeln über Bord werfende Männer. Beide Strömungen sind a m Werk, in ihrem jeweiligen E i n f l u ß aber selbstverständlich von k a u m übersehbaren persönlichen u n d sachlichen F a k t o r e n abhängig. Beide zusammen haben dem typischen Amerikaner wohl eine f ü r u n s erschreckende Einförmigkeit des Denkens u n d Lebens beschert — aber i h m auch andererseits eine uns u n b e k a n n t e Frische, eine große Natürlichkeit u n d einen sieghaften Optimismus mitgegeben. Diese Gesichtspunkte können bei der Beurteilung der B a n d a r b e i t nicht übersehen werden. Man wird allgemein sagen d ü r f e n , d a ß die sich hauptsächlich aus den Einwanderern rekrutierende Unterschicht von Arbeitern, die lediglich der Nivellierung anheimfallen, ohne schon den amerikanischen Schwung zu besitzen, durchaus geeignet f ü r diese A r t Arbeit sind. J e stärker der E i n f l u ß des amerikanischen Geistes wird, desto mehr strebt der Mann nach Selbständigkeit, desto ungeeigneter wird er f ü r die Bandarbeit, so sehr er auch im übrigen zum amerikanischen Normal-Wirtschaftsmenschen werden mag. Jedenfalls aber — u n d das ist doch das Wesentliche — wird die Arbeit v o m Arbeiter selbst in den seltensten Fällen als „ S k l a v e n a r b e i t " e m p f u n d e n . E r ist zufrieden eine Menge Geld zu verdienen, sein scharf umrissenes P e n s u m zu haben und f ü r gar nichts anderes als f ü r seine paar Handgriffe irgend welche geistigen oder körperlichen Energieen aufbringen zu müssen. E r k a n n m i t seinen 27
Gedanken beim Basehall oder im Kino sein oder auch — eine oft fruchtbare Grundlage! — mit ausgeruhtem Gehirn Zukunftspläne, Probleme, Ideen wälzen. Wichtig ist dabei natürlich, daß im allgemeinen körperlich nicht mehr verlangt wird, als er ohne jede Überanstrengung leisten kann. Es ist eine seltene Ausnahme — aber eine solche findet sich auch bei Ford in seiner großen Gießerei —, wenn tatsächlich das Tempo der Arbeit den normal veranlagten Mann überanstrengt. Das Übliche ist ein Arbeiten im gemäßigten, auf die Dauer einer Schicht durchaus erträglichen Zeitmaß. Die Leistung ist allerdings dabei recht viel größer als in der Mehrzahl der deutschen Fabriken. Man kennt aber auch drüben nicht in diesem Ausmaß wie bei uns produktionsfeindliche Tarife, die einen Bummelbetrieb oft geradezu erzwingen. Begnügt man sich also damit, die Menschen so glücklich sein zu lassen, als sie selbst sein wollen, dann ist — wenigstens solange der amerikanische Arbeiter in Frage kommt — nichts gegen die Wiederholungsarbeit innerhalb der FordMethoden einzuwenden. Man nehme dem Menschen nur das Gefühl des Zwanges, der Unentrinnbarkeit und lasse ihn dauernd an die Möglichkeit des Aufstieges glauben. Im allgemeinen wird er damit zufrieden sein, und diese immerhin anstrengende, Verantwortungsfreude und Initiative erfordernde Möglichkeit nicht ausnutzen. Den Ford-Methoden ist aber noch ein wichtigeres für die Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer (um diese übliche, aber überaus häßliche und falsche Bezeichnung zu gebrauchen!) bestimmendes Moment eigen. Das ist die Förderung des Interesses der Arbeiter an dem ganzen Unternehmen. In einem der Ford-Betriebe hängt eine große Tafel, die ausdrücklich besagt, daß hier nur Leute gern gesehen werden, die wirklich davon überzeugt sind, daß ihr Interesse und das des Unternehmens Hand in Hand gehen. Diese Tafel ist lediglich ein mehr f ü r den Besucher berechnetes äußeres Zeichen einer Gesinnung, die tatsächlich von den obersten Stellen her durch den ganzen Betrieb geht, und mündlich und schriftlich durch die Ford-Zeitung (die jährlich in 10 Millionen Exemplaren verteilt wird!) und andere Publikationen immer wieder betont wird. Es gibt nach den Fordschen Grundsätzen kein getrenntes Interesse zweier Klassen — des Unternehmers und des Arbeiters — es gibt nur ein gemeinsames Interesse des ganzen Unternehmens. Zusammenarbeit — Cooperation — ist die Tendenz, nach der man alle Beziehungen zwischen Arbeiter und Unternehmer zu regeln bestrebt ist. Und die Grundlage ist dabei der Gedanke des Dienstes an der Allgemeinheit. In diesem Sinne versucht man dem Arbeiter klarzumachen, daß er nicht für einen einzelnen Unternehmer oder Kapitalisten arbeitet, sondern daß seine Tätigkeit den Wohlstand der ganzen Nation hebt, daß auch damit seine Lebenshaltung dauernd verbessert wird, daß er ein Mitarbeiter in dem großen Wirtschaftsbetrieb ist mit allem Anspruch, auch seinen gerechten Teil zu haben, wenn es diesem Wirtschaftskörper gut geht. Immer ein starkes Betonen der Zusammenarbeit aller Glieder dieses Körpers. Möglichste Verwischung der Gegensätze und keine Organisationen, deren Sprachorgane die Pflege dieser Gegensätze zur Aufgabe haben — wie bei uns 28
die Gewerkschaftssekretäre und oft auch die Geschäftsführer der industriellen Verbände 1 ). Als logische Folge gibt es auch kein so scharf gegliedertes industrielles Beamtensystem mit der glücklichen Fähigkeit des Vorgesetzten, alles besser zu wissen als der Mann unter ihm. Man versteht es drüben sehr gut, die für die Sache nötige Autorität mit angenehmen menschlichen Beziehungen in Einklang zu bringen. Der Arbeiter fühlt sich ebenso als amerikanischer Bürger, wie der Herr Direktor, beide treten sich als freie Männer unbefangen ohne Servilität auf der einen und ohne Arroganz auf der anderen Seite gegenüber. Es geschieht alles, um aus den Gliedern eines Unternehmens ein durch ein starkes gemeinsames Interesse verbundenes menschliches Ganze zu machen. Ein Ganzes, dessen Zweck, wie gesagt, der Dienst an der Allgemeinheit sein soll. Dienstleistung — Service — das große Schlagwort Amerikas! Es wird viel Unfug mit diesem Wort getrieben. Heute macht jeder in Service und trieft dabei von Nächstenliebe. Es ist oft schwer, die wahre Gesinnung zu erkennen und Vorsicht ist geboten. Man hat aber zuletzt doch kein Recht, an dem guten Kern, der in all dem steckt, zu zweifeln. Denn Hand in Hand mit dem Geldmachen geht ein merkwürdiger, oft geradezu rührender und kindlicher Idealismus. Mag auch vieles Bluff sein — schließlich behält doch der Optimist recht, der hinter dem moralischen Wortschwall die starke Sehnsucht erkennt, der Welt wirklich helfen zu wollen. In einer merkwürdigen, jungenhaften Unreife besteht in diesem Volk beides nebeneinander: Aufrichtigkeit und Selbstzucht und anglikanisch-puritanischer Cant mit viel hohlen Worten. E s wäre billig, zu sagen, daß die Wahrheit in der Mitte liege. Beides ist wahr. Und wären es auch nur ein paar Leute, die an diese Ford-Methoden der Dienstleistung wirklich glauben — es ist ein wichtiges Zeichen der Zeit, daß der Begriff der Dienstleistung im amerikanischen Wirtschaftsleben eine solche Rolle spielen kann. Das gute altpreußische Ideal des Dienstes am Volk, das unserem heutigen Deutschland fast verlorengegangen ist, taucht plötzlich in Amerika wieder auf, in diesem Land, von dem wir nur krassesten Materialismus zu erwarten gewohnt sind! taucht innerhalb einer geistigen Verfassung auf, die in ihrer Einförmigkeit und Entpersönlichung fern von solchem Idealismus zu sein scheint. Ein merkwürdiger Gegensatz — wie überhaupt das ganze amerikanische Leben viel mehr als unsere Alte Welt voller Gegensätze ist und noch lange nicht auf eine einheitliche Formel gebracht werden kann. Ist es ein Zeichen der notwendigen Reaktion gegen diese allzu materielle Welt, die nur nach kapitalistischen Beweggründen regiert wird? Sollte Amerika europäisiert werden, während bei uns die Amerikanisierung im Gange ist ? Ist wirklich Ford der große Preuße Amerikas und steht er vielleicht 1 ) Es ist drüben etwas ganz Unmögliches, daß wie bei ans der Geschäftsführer eines großen Industriellen* Verbandes Öffentlich sagen konnte (ich zitiere nach der amerikanischen Zeitung Dearborn Independent vom 10. Mai 1924): „Wir haben den Arbeiter jetzt da, wo wir ihn haben wollten. Warten wir, bis er noch eine Zeitlang gehungert hat, und er wird gerne t&glich 12 Standen umsonst arbeiten I" Solche Aussprüche gelten bei uns noch in manchen Kreisen als erfreuliches Zeichen des „Durchgreifens".
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am Beginn einer Entwicklung, die über den strengen Pflichtbegriff und das Arbeiten um der Sache willen wieder zu höheren geistigen Werten führen kann ? Wer weiß es — eines aber steht fest, daß unter diesem Zeichen der Dienstleistung m e h r und f r e u d i g e r u n d w i r k u n g s v o l l e r gearbeitet wird. Dem „Glück der größeren Zahl" ist man dadurch jedenfalls nähergekommen. So sind Aufstiegsmöglichkeit und gemeinsames Interesse am Unternehmen die beiden grundlegenden Momente für die Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter. Gewiß, es sind dabei Zugeständnisse an die Arbeiterschaft enthalten, die nur in den seltensten Fällen zur praktischen Auswirkung kommen. Man ist deshalb bei uns, wo man so gerne und so unpsychologisch nur Tatsachen sieht, leicht geneigt, all das für Theater zu halten. Aber der Amerikaner wendet die alte Weisheit praktisch an, daß nicht die Tatsachen für den Menschen das Maßgebende sind, sondern das Bild, das er sich von den Tatsachen macht, und die Hoffnungen, die er an dieses Bild knüpft. Und das Wesentliche ist: Der amerikanische Arbeiter glaubt an seine Freiheit der Entwicklung, an seinen Dienst an der Allgemeinheit, an seine Aufstiegsmöglichkeit, an seine Teilhaberschaft an dem ganzen Betrieb. Er hat Interesse an der Sache und Interesse ist alles. Es wird dadurch in den Betrieben ein Geist erzeugt, der unendlich viel schaffender ist, als die primitiven Mittel der normalen papierenen Organisation und das noch primitivere, eine Erhöhung der Produktion lediglich durch verlängerte Arbeitszeit erzielen zu wollen. Er wird zufrieden und ein zufriedener Mann leistet immer und notwendig mehr als einer, der nur Vorschriften zu erfüllen hat. Selbstverständlich gibt es in den Fordschen Riesenbetrieben auch immer eine Zahl Unzufriedener, die an Hand von Tatsachen nachweisen, daß diese Methoden nur eine durch kümmerlichen Idealismus übertünchte neue Form der Blutsaugerei sind. Man kann sich aber unmöglich dem Eindruck verschließen — mir persönlich bestätigen dies zahlreiche Gespräche mit Arbeitern und die Erfahrungen, die ich einmal selbst während einer sechswöchigen Arbeitertätigkeit in einer Maschinenfabrik drüben machte —, daß diese Grundsätze der Weckung des Interesses gesünder und erfolgreicher sind als alles Organisieren. Und die praktischen Mittel der Weckung des Interesses ? Sie ergeben sich zwanglos, sobald ein entsprechender Geist von oben her in dem ganzen Unternehmen steckt: sehr gut geleitete Werkzeitungen, Schulen, Plakate, eine Reihe von Drucksachen, die jeden Neueintretenden als herzlicher Willkommgruß und nicht nur als Vorschriften in die Hand gedrückt werden und vor allem die persönliche Fühlung. Die sogenannte „get-together" Bewegung, die Tendenz „Zusammenzukommen" spielt drüben eine immer größere Rolle und äußert sich in Zusammenkünften zu Aussprachen über geschäftliche Dinge und zur Pflege des Corps-Geistes durch Sport und Spiel. Firmen haben ihre großen Sport-Konkurrenzen gegeneinander und jeder Angehörige der Firma ereifert sich maßlos für „seine" Leute, empfindet ihren Sieg als sein persönliches Verdienst und ist überzeugt, daß eben seine Firma doch alles am besten macht! 30
Sehr s t a r k wird auch das Gemein-Interesse durch die Sicherheitsbewegung geweckt — die Maßnahmen zur Sicherung der Betriebe — u n d die A r t , wie die Arbeiter 6elbst d a r a n mitarbeiten. „Sicherheitsfeldzüge", bei denen jeder durch Ratschläge, P l a k a t e , sog. „slogans", d. h. kurze, treffende, reklamehaft wirkende Sprüche sein Bestes beiträgt und irgendwie ehrenvoll erwähnt oder m i t einem Preis bedacht zu werden h o f f t und „Sicherheitskonkurrenzen" zwischen den einzelnen Abteilungen einer F i r m a mit dem Ziel, eine möglichst geringe Zahl von Unfällen innerhalb einer b e s t i m m t e n Periode nachzuweisen. Solche u n d ähnliche Mittel finden sich natürlich fa6t beliebig viele, sobald ü b e r h a u p t das Bestreben b e s t e h t , den Gemeinschaftsgeist zu wecken. Hier gilt es lediglich die Tendenz zu zeichnen, die vielfachen Möglichkeiten, ihr Geltung zu verschaffen, aber n u r anzudeuten. Lohn und
Lebenshaltung.
Es ist selbstverständlich, d a ß das von d e m Arbeiter geforderte oder ihm suggerierte Interesse an der P r o d u k t i o n einen materiellen Hintergrund haben m u ß ; hohe Löhne müssen zeigen, d a ß das Interesse Geld bringt. Denn f ü r einen Idealismus, der sich nicht letzten E n d e s bezahlt m a c h t , ist im Wirtschaftsleben kein Platz. Fords Politik in dieser Beziehung ist b e k a n n t . Hohe Löhne gelten i h m als das einträglichste aller Geschäftsprinzipien. Als er vor 12 J a h r e n den Mindestlohn in seinem Werk auf 5 Dollars heraufsetzte, schien dies nach der üblichen Anschauung ein Schritt zu sein, der seiner F i r m a und letzten Endes der ganzen Industrie verderblich werden m u ß t e . Das Gegenteil t r a t ein: die spezifische Leistung stieg dera r t , d a ß der hohe Lohn m e h r als wettgemacht wurde u n d d a ß die Gewinne des U n t e r n e h m e n s dauernd wuchsen. Fords Lohnpolitik w u r d e entscheidend f ü r die Lohnpolitik der ganzen amerikanischen W i r t s c h a f t . Aber sie ist gar nicht so altruistisch, wie m a n uns von manchen Seiten gerne glauben machen möchte. D e n n wenn heute der Arbeiter im Durchschnitt 7 bis 8 Dollars verdient, so leistet er auch f ü r 7 bis 8 Dollars produktive Arbeit. D a ß dies erreicht wird, ist sowohl ein Verdienst des Arbeiters u n d seines größeren Eifers, wie auch des Unternehmers, der die Möglichkeit hierzu schafft. W a s Ford nicht als erster getan, aber als erster klar ausgesprochen h a t , ist d a s : Wir sind v e r p f l i c h t e t , die Arbeit so vorzubereiten u n d den Arbeitsprozeß selbst durch T r a n s p o r t m i t t e l so weitgehend zu unterstützen, d a ß der Mann die Möglichkeit h a t , bei entsprechend g u t e m Willen u n d bei entsprechender Eignung soviel Werte zu produzieren, d a ß er f ü r sich selbst eine erhöhte Lebenshaltung beanspruchen kann. E s ist nicht weniger wichtig, d a ß der Unternehmer die Verpflichtung anerk e n n t , dem Arbeiter die Möglichkeit erhöhter Produktion, größerer spezifischer Leistung zu geben, als es wichtig ist, d a ß auch der Arbeiter von dieser Möglichkeit Gebrauch macht u n d sein Bestes d a r a n setzt, sie auszunutzen. Guter Wirkungsgrad k o m m t n u r zustande, wenn beide Teile die ihnen zukommenden Voraussetzungen erfüllen. 31
H o h e Löhne u n d erhöhte P r o d u k t i o n bedingen sich gegenseitig, d. h. hoher Lohn ist n u r bei hoher Produktion möglich. Die Lebenshaltung der Arbeiterschaft ist in unserem Wirtschaftsleben letzten Endes i m m e r und notwendig durch die S u m m e der erzeugten Güter bedingt. Und wenn die Lebenshaltung des amerikanischen Arbeiters u n g e f ä h r 3,5 mal besser ist als die der deutschen (in Reallohn gemessen, die Geldwertdifferenz ist größer), so heißt das i m ganzen und auf die lange Dauer g e n o m m e n , d a ß er eben 3,5 mal mehr produziert als der deutsche. Gewinnbeteiligung wie sie auch bei Ford eine Zeitlang im Gang war, ändert an diesem Grundgesetz nichts. Sie ist nichts weiter als eines der Mittel zur Weckung des Interesses. Maßgebend f ü r den Mehrlohn (im R a h m e n der ganzen Volkswirts c h a f t genommen) ist immer die Mehrproduktion. Und die höhere spezifische Leistung, die solche Mehrproduktion ermöglicht, wird erzielt, durch die mechanischen Mittel der Arbeitsvorbereitung u n d den größeren durch das stärkere Interesse b e d i n g t e n Eifer des Arbeiters. Solange beides bei uns noch fehlt, sind wir dem W i r t s c h a f t s k a m p f nicht gewachsen. Wohlfahrt seinrichtungen. Wohlfahrtseinrichtungen, die bei uns vielfach als Bindemittel zwischen U n t e r n e h m e r u n d Arbeiter betrachtet werden, fehlen drüben fast vollständig. F o r d erklärt ganz offen, d a ß er kein Geld habe, u m j e m a n d W o h l t a t e n zu erweisen, d a ß er aber immer bereit sei, einem Manne Gelegenheit zu geben, sich selbst zu helfen. Das Verhältnis des Gönners z u m Beschenkten, das bei uns noch h ä u f i g b e t o n t wird, fehlt drüben vollständig. D a f ü r sollte in unserer Zeit auch kein Platz m e h r sein. Man gebe dem Manne lieber Gelegenheit, viel zu verdienen u n d lasse alle patriarchalischen Momente aus dem Spiel. Soweit in einem amerikanischen modernen Betrieb Wohlfahrtseinrichtungen bestehen, bestehen sie i m m e r m i t deutlichem Hinweis darauf, d a ß die Belegschaft ein Recht auf diese I n s t i t u t i o n e n h a t , d a ß die Einrichtungen sich selbst bezahlt machen müssen u n d direkt oder indirekt z u m Besten des ganzen Unternehmens beitragen. W e n n F o r d in seinen Sparkassen dem Arbeiter die Möglichkeit gibt, Ersparnisse bis zu 1000 Dollar mit 14% zu verzinsen, so wird dies nicht als Geschenk bewertet, sondern als ein Geschäft: E r b r a u c h t das Geld des Arbeiters in seinem Betrieb, u n d hier ist es ihm eben 14% wert. Wenn die Grundstücksabteilung seines Unternehmens den Leuten bei Erwerb von Grundstücken, beim Bau von H ä u s e r n in weitgehendster Weise an H a n d geht, so geschieht dies auch unter ganz offener Bet o n u n g des Vorteils f ü r das Unternehmen. E i n Arbeiter, der sich ansiedelt u n d sein eigenes H e i m h a t , ist uns mehr wert als ein anderer ohne solches Heim u n d deswegen helfen wir i h m , soviel wir können. Das einzige, was an unsere Wohlfahrtseinrichtungen erinnert, ohne d a ß es aber m i t diesem Wort direkt übersetzt werden k ö n n t e , ist das „sociological d e p a r t m e n t " zur Aufrechterhaltung persönlicher F ü h l u n g n a h m e m i t den Familien. Dieses h a t sich wohl in den ersten J a h r e n etwas zu viel u m persönliche Verhältnisse g e k ü m m e r t u n d k a m bei manchen Stellen in Mißkredit. Heute wirkt es still u n d verschwiegen überall n u r da, wo Hilfe gewünscht wird. Es soll unglückliche Zustände, 32
vor allem auch in Familien schlichten helfen, gibt allenfalls Leihgelder aus, leistet Rechtsbeistand und ärztliche Hilfe, unterstützt bei Streitigkeiten und untersucht in jedem Fall auf Wunsch die persönlichen Verhältnisse; aber auch hier wird wohl Hilfe und Schutz gewährt, Wohltaten und Geschenke aber werden als unwürdig abgelehnt. Alle Fürsorge für Alter, Gesundheit, Unfall ist im allgemeinen dem amerikanischen Arbeiter selbst überlassen. Er verdient genug, um sich bei einer der ausgezeichneten privaten großen Gesellschaften einkaufen zu können. Diese Gesellschaften leisten zweifellos mehr und Besseres als bei uns die entsprechenden staatlichen Einrichtungen. Wie hoch mögen wohl die allgemeinen Unkosten dieser staatlichen Einrichtungen im Verhältnis zu den durch die Konkurrenz vorgeschriebenen Unkosten privater Gesellschaften sein ? Es wird behauptet und erscheint nach allen Erfahrungen auch sehr glaubhaft, daß bei unseren staatlichen Krankenkassen 60% aller Beiträge durch die Verwaltung aufgezehrt werden. Welches private Unternehmen könnte sich so etwas leisten, ohne nicht sofort bankrott zu werden ? Z u k u n f t s pläne. Soviel über die Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter, so wie sie sich heute darstellen. Daß Ford für die Zukunft von seinen Methoden noch viel mehr erwartet, ist bekannt. Theoretisch strebt er Dezentralisation an, praktisch ballt er alles in River rouge zusammen. Die Verhältnisse sind hier wohl stärker als sein guter Wille. Aber es läßt sich tatsächlich vorstellen, daß bei Ausbildung der Transportmethoden all die kleinen Betriebe, die heute örtlich zu den paar Riesenunternehmungen vereinigt, aber doch in sich selbständig sind, daß diese an verschiedene Orte — vielleicht weit aufs Land hinaus — verlegt werden und dort mit nicht schlechterem Wirkungsgrad arbeiten als heute in der Zentrale. Es soll also nicht mehr der Mann zur Zentralfabrik transportiert, sondern das Material zu Hunderten von kleinen Fabrikanlagen, manchmal fast Heimwerkstätten, hingeschafft werden. Es wäre dies allerdings ein Ziel aufs innigste zu wünschen. Hand in Hand damit soll eine Industrialisierung der Landwirtschaft gehen, derart, daß der Bauer seine ganze Feldarbeit, wie Ford meint, in 26 Tagen jährlich erledigen kann. Und der Industriearbeiter soll wieder zum Bauern werden. Sollte das wirklich möglich sein ? Genügt dazu die Tendenz der Ford-Methoden ? Müssen da nicht ganz andere geistige Umwälzungen oder äußere Katastrophen kommen, um uns wieder zurück zur Erde finden zu lassen ? Vorläufig sehen wir wohl den Willen, aber noch keinen Weg. Zusammenfassend lassen sich die für Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter maßgebenden Ford-Methoden wie folgt kennzeichnen: Weckung des Interesses mit allen Mitteln, Betonung der Zusammengehörigkeit und der Zusammenarbeit, möglichste Verwischung der Gegensätze; Unternehmer und Arbeiter bilden ein engverschweißtes wirtschaftliches Ganzes, das zur Hebung der Produktion im Interesse des gesamten Volkes arbeitet. Zufriedenheit gilt als das wesentlichste Moment, hoher Lohn als beste Geschäftspolitik. K l i p p e l , Fordbctriebe.
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Die Ziele sind dabei Steigerung der volkswirtschaftlich wichtigen Produktion, damit Verbesserung der allgemeinen Lebenshaltung, geringere Zahl von Arbeitsstunden und mehr edle Muße; letzten Endes Dezentralisation der Betriebe und Rückkehr zur Natur. 2. FORD UND DER ABNEHMER. Dienstleistung. Die Grundlage aller Beziehungen, wie sie sich nach den Ford-Methoden zwischen Unternehmer und Abnehmer ergeben, ist ebenfalls der Gedanke der Dienstleistung. „Die einzig solide Art eines Geschäftes ist die Dienstleistung gegenüber dem Publikum", sagt Ford in seinem bekannten Buch. Und tatsächlich handelt er auch nach diesen Richtlinien — nicht aus einer unklaren Menschheitsbeglückungsidee heraus, sondern in dem sehr wohl verstandenen durchaus nicht altruistischen Interesse beider Teile. Er zeigt, daß Dienstleistung die beste Grundlage für eine gesunde Wirtschaft bedeutet; und in einer gesunden Wirtschaft sind die Verdienstmöglichkeiten für alle, also auch für ihn am günstigsten. Dem eigenen Unternehmen geht es immer dann auf die Dauer am besten, wenn es der Allgemeinheit möglichst gut geht. Was Fords Anhänger so oft alft „Idealismus' 4 bezeichnen, ist nichts weiter als eine sehr kluge langfristige Geschäftspolitik, die den dauernden und zukünftigen Geschäften zuliebe den Vorteil des augenblicklichen Geldverdienens zurückstellt. Während der Krämer möglichst schnell und möglichst viel Geld aus dem vielleicht sogar kranken Wirtschaftskörper ziehen will, ist Ford bestrebt, diesen Wirtschaftskörper im wohlverstandenen eigenen Interesse, aber zunächst ohne Rücksicht auf momentanes Geldverdienen möglichst gesund zu erhalten, damit es dem Unternehmer selbst auch dauernd gut geht. Im Sinne einer solchen Dienstleistung liegt es, 1. daß der Unternehmer der Allgemeinheit ein Erzeugnis zur Verfügung stelle, das volkswirtschaftlich wichtig ist, 2. daß dieses Erzeugnis möglichst billig und so dargeboten werde, daß der Verwendungszweck wirklich gewährleistet ist, 3. daß der Unternehmer sich als Verwalter des ihm überlassenen Kapitals betrachtet und daß die Gewinne wieder der Allgemeinheit in einer wirtschaftlich wertvollen Form zufließen. Das P r o d u k t . Der Unternehmer fühlt zunächst die Verpflichtung, ein Produkt zu erzeugen, das für die Volkswirtschaft von Wert ist. Der übliche Wunsch nach schneller Verzinsung seines Kapitals und nach Rente für seine und seiner Mitarbeiter geistige und körperliche Arbeitskraft tritt also bei der Wahl fürs erste in den Hintergrund. Nicht das Geldverdienen ist das Ausschlaggebende, sondern der für die Allgemeinheit erzielbare Nutzen, die Hebung des Volkswohlstandes. Wird durch das Produkt der Volkswohlstand gefördert, so folgt der Gewinn für den Unternehmer ganz zwangläufig, und dieser Gewinn wird größer und vor allem dauernder als bei Unternehmungen, 34
die ohne Rücksicht auf die Gesunderhaltung des Wirtschaftslebens nur dazu dienen, „Geld zu machen". Volkswirtschaftliche Bedürfnisse liegen vor allem auf den Gebieten der Nahrung, Kleidung, Wohnung. Die amerikanische Wirtschaft ist reich genug, um über diese Bedürfnisse hinaus auch andere Produkte als volkswirtschaftlich wichtig und notwendig zu empfinden. Wenn Ford als solches Produkt zunächst das Auto für den kleinen Mann wählte, so war er sich bereits vor 20 Jahren darüber klar, daß das Auto kein Gegenstand des Luxus und der Rennbahn sein dürfe, sondern ein Transportmittel, das den Angestellten und Arbeiter möglichst rasch von und zu der Arbeitsstelle bringen soll. Es soll ihm auf diese Weise mehr freie Zeit für seine Familie und seine Liebhabereien geben und ihm erlauben, Sonntags mit Kind und Kegel in die freie Natur zu fahren. Diese Gesichtspunkte des Yolksautos wurden von Ford gegen recht erheblichen Widerstand der damaligen Autofabrikanten eingeführt. Heute sind sie in der Reklame der amerikanischen Automobilindustrie gang und gäbe geworden. Noch deutlicher wird diese Tendenz der Ford-Methoden volkswirtschaftliche Werte zu schaffen, wenn Ford die Forderung nach billigem Stickstoff und billigen Düngemitteln stellt und großzügige Pläne entwickelt, die riesigen Staatswerke von Muscle Shoals dafür heranzuziehen. Auch seine Bestrebungen, Hanf und Flachs im großen Umfang zu verwerten (es war oben kurz darauf hingewiesen worden), liegen in der gleichen Richtung. Immer ist es ein Produkt, das dem Volksganzen zugute kommt und dessen Erzeugung mit aller Energie in Angriff genommen wird, auch wenn es erst eine lange und kostspielige Entwicklung durchmachen muß. Daß ein solcher Idealismus eine sehr materielle Grundlage hat und haben muß, ist bereits betont worden. Das Sympathische ist nur, daß diese materielle Grundlage stets so offen zugestanden wird. Ford wenigstens weist bei allen Gelegenheiten darauf hin, daß eine opportunistische Produktion auch vom reinen Geldstandpunkt auf die Dauer unrentabel sein müsse und daß es kein einträglicheres Geschäft gäbe als die Dienstleistung in seinem Sinn. Billigkeit. Der Begriff der Dienstleistung fordert ferner möglichst billige Lieferung des Produktes. Billige Lieferung ist in erster Linie abhängig von der Entwicklung der Herstellungsverfahren. Herstellungsverfahren aber, wie überhaupt alle technischen Fortschritte, entwickeln sich nur unter Druck. Als Ford das Volksauto bauen wollte, war der Druck der äußeren Verhältnisse noch nicht stark genug. Die Produzenten verdienten mit ihren teuren Wagen, die einer kleinen Oberschicht vorbehalten blieben, genügend Geld. Wozu also weitere Anstrengungen ? Die Fordschen Ideen wurden als höchst unerwünschte Beunruhigung empfunden, die man möglichst zurückweisen mußte. Den für die Entwicklung notwendigen Druck konstruierte nun Ford selbst, indem er die üblichen Beziehungen von Kalkulation und Preis umkehrte. Als Preis wurde nicht das gefordert, was die Kalkulation ergab, sondern der Preis wurde »•
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unter Zugrundelegung eines wahrscheinlichen Absatzes und in der durchaus nicht ungefährlichen Erwartung, daß die Fabrikation schon mitkommen werde, festgesetzt. Kalkulation und Fabrikation wurden dann zur Anpassung an diesen durch die Macht eines Willens bestimmten Preis gezwungen. Ein einfacher Gedanke von außerordentlicher Tragweite. Mit ihm wurde ein fast beispielloser Erfolg angebahnt. Da die Fabrikation gezwungen wurde, den vorgeschriebenen sehr niedrigen Preis einzuhalten, mußte die Kalkulation bis auf den tausendsten Teil eines Cents gehen, mußte der geringste Handgriff immer wieder auf seine Verbilligungsmöglichkeiten hin untersucht werden. So wurden die Fabrikationsmethoden dauernd verbessert. Und wenn der Betrieb glaubte, endlich einmal Ruhe zu haben, wurde er vor die Tatsache eines noch niedrigeren Preises gestellt und mußte sich diesem anpassen. So ging der Preis allmählich von 1000 Dollar auf 800 herunter, auf 600, auf 500 und zuletzt heute auf 265, obwohl der Wert des heutigen Dollars nur mehr 60% des damaligen beträgt, als der Wagen 1000 Dollars und mehr kostete. Billige Darbietung allein nützt aber nichts, wenn nicht auch die Benutzung des Produktes gewährleistet wird. In diesem Sinne sind bei Ford die Beziehungen zwischen ihm und seinem Kunden durchaus nicht mit dem Kaufvertrag abgeschlossen,. Jeder, der einen Fordwagen ersteht, hat Anspruch auf dauernde Benutzung des Wagens bzw. auf das Recht, daß die Firma für dauernde Gebrauchsfähigkeit sorgt. Entsprechend diesem Grundsatz wird jeder Reparatur eine Sorgfalt zugewandt, die fast ein persönliches Verhältnis zwischen Ford und dem Besitzer des Wagens zum Ausdruck bringt. Im ganzen Land sind viele Tausende von Agenten und Verkaufsstellen, die jeden Ersatzteil sofort zur Hand haben und die nach dem Prinzip arbeiten müssen: „Gleichgültig wie der Fall liegt, der Kunde hat recht". Es gibt für Ford keine schlechtere Reklame als einen unzufriedenen Kunden. Selbstverständlich ist alles ein ausgezeichnetes Geschäft für Ford, aber zweifellos hat sein Bestreben, ein dauerndes, fast persönliches Verhältnis zu jedem Kunden aufrechtzuerhalten, ihm Millionen neuer Abnehmer zugeführt. V e r w e n d u n g der Gewinne. Ebenso wie Ford sich bemüht, eine enge wirtschaftliche Gemeinschaft der Arbeiter und Unternehmer aufzubauen, konstruiert er auch eine Gemeinschaft mit dem Abnehmer und schließt das große Dreieck Unternehmer-Arbeiter-Abnehmer unter steter starker Betonung des gemeinschaftlichen Interesses dieser 3 Faktoren des Wirtschaftslebens und unter möglichster Ausschaltung aller Reibungen zwischen ihnen. Er betrachtet sich demnach als Verwalter des Geldes, das ihm durch seine Lieferungen an die Abnehmerschaft zufließt, und er fühlt sich verpflichtet, dieses Geld der Allgemeinheit wieder zur Verfügung zu stellen. Am primitivsten wurde dieser Gedanke wohl 1918 verwirklicht, als Ford jedem Käufer, der während des verflossenen Jahres einen Wagen erstanden hatte, nach Abschluß seiner Bilanz 50 Dollars zurückbezahlte. Er habe sich im Gewinn verrechnet; dieser sei unzulässig hoch geworden, und der Käufer habe infolgedessen 36
das Recht, an dem Überschuß teilzunehmen. Bei dieser Art Teilung des Gewinnes war wohl auch der Wunsch nach Reklame und danach mitbestimmend, die Grundsätze der großen Gemeinschaft besonders sinnfällig zum Ausdruck zu bringen. Eine wertvollere Art der Verwendung und mehr im volkswirtschaftlichen Interesse gelegen ist aber die, wenn das Geld in der Hand des Mannes bleibt, der gezeigt hat, daß er damit wirtschaftliche Werte schaffen kann, und wenn es unter seiner Leitung wieder in Unternehmungen gesteckt wird, die solche Werte, wenn auch erst auf die lange Dauer, aber dann um so wirkungsvoller herausbringen. Wenn es zu Versuchen verwendet wird, weitere und vielleicht dringendere Bedürfnisse als das Auto möglichst gut zu befriedigen: Billige Düngemittel, bessere metallurgische Prozesse, billige Kleiderstoffe. Und wenn mit Hilfe dieser Gewinne weitere Betriebe angegliedert werden, die den Geist der Ford-Methoden immer weiter verbreiten und die dazu beitragen, die Lebenshaltung weiter Kreise zu verbessern.
3. FORD UND DAS KAPITAL. Allgemeines. Fords Stellung im Wirtschaftsleben ist nur zum Teil durch seine Beziehungen zu den Angestellten und zu den Abnehmern gekennzeichnet. Zur Vervollständigung des Bildes ist noch kurz seine Stellungnahme gegenüber dem Kapital zu skizzieren. Hierzu zunächst einige Ziffern: Ford besitzt heute insgesamt 42 Fabriken mit 165000 Angestellten; er erzeugt Güter von jährlich ca. 750 Millionen Dollars Verkaufswert. Nahezu alle Werke sind hervorragend gut eingerichtet und zum größten Teil abgeschrieben. Nach Schätzung von Wall Street hat das Unternehmen heute einen Wert von rund 1 Milliarde Dollar. Die letzte Bilanz wies an Aktiven 644 Millionen Dollar nach, an „ B a r usw." 300 Millionen und in einem Surplus von 542 Millionen einen Reingewinn von 83 Millionen Dollar. Der Reingewinn des vorhergehenden Jahres war 112 Millionen! 200 Millionen Dollars ist die Summe, die nach dem Dawes-Plan dem Deutschen Reich als staatlicher Kredit zur Verfügung gestellt wird; Frankreich verhandelt zurzeit mit U. S. A. darüber, seine Schulden in jährlichen Raten von 22 Millionen Dollars zurückzubezahlen. Erst wenn man diese Tatsachen zum Vergleich heranzieht, erkennt man, was solche Summen in der Hand eines Privatmannes bedeuten. Summen, die groß genug sind, um das Schicksal mächtiger Nationen zu bestimmen — ein Vielfaches derjenigen, die die Beziehungen großer Staaten zueinander regeln. Ein einzelner Mann verfügt über Jahresverdienste in der Größenordnung bedeutender Staatsbudgets. Und dieser Mann steht bekanntlich im feindlichen Gegensatz zum Internationalen Großkapital und zu den Finanzmächten von Wallstreet, von wo aus mit sehr viel kleineren Summen die Geschicke von Völkern gelenkt werden. Ford hat sein Unternehmen vor 20 Jahren mit 28000 Dollars begründet. (Vioo des Wertes seiner heutigen Tagesproduktion!) Seit dieser Zeit ist kein Pfennig fremdes Kapital hineingekommen. 1917 hatte er Differenzen mit seinen Mitbegrün 37
dem, den Gebrüdern Dogde, da er den Gewinn nicht ausschütten, sondern restlos dem Unternehmen zufließen lassen wollte. Er wurde vom Gericht verurteilt, Dividende zu bezahlen, und erwarb auf das hin, um ganz nach seinen Ideen arbeiten zu können, die gesamten Aktien. Seit dieser Zeit hat das Unternehmen Dividende nicht mehr bezahlt. Seine heutige Macht bedeutet also letzten Endes die Verzinsung dieser 28000 Dollars — bedeutet den Nachweis dafür, daß die technische Idee, auch ohne daß sie als weltbewegende Erfindung auftritt, die stärkste wirtschaftliche Macht d arstellt. Technische Idee als Gesamtausdruck genommen für richtige Wahl des Produktes, richtige Arbeitsmethoden, richtige Behandlung der Arbeiter und Abnehmer und richtige Einstellung der Gesamtheit gegenüber, kurz: t e c h n i s c h e I d e e , d e r e n W i l l e n s r i c h t u n g die D i e n s t l e i s t u n g ist. E s darf natürlich nicht außer acht gelassen werden, daß Ford ganz besonders günstige Zeitverhältnisse vorfand und durch die Entwicklung in die Höhe getragen wurde. Aber diese Entwicklung begünstigte auch andere, die nahezu gleichzeitig mit ihm ähnliche Pläne verfolgten. Wenn er diesen gegenüber wohl auch noch einen Vorsprung durch seine glänzenden Fähigkeiten für Propaganda und Reklame hatte, so sind seine Erfolge doch in erster Linie auf seine Methoden und auf seine Stellungnahme dem Kapital gegenüber zurückzuführen. Diese Entwicklung Fords, unabhängig vom Großkapital und der üblichen Renten Wirtschaft, ist wohl eine der wichtigsten wirtschaftlichen Gesundungserscheinungen unserer Zeit. Sie zeigt, daß die von ihm vertretene Idee der Dienstleistung besser geeignet ist, aufzubauen und Werte zu schaffen, als die Tendenz des Nur- Geld-Verdienen-Wollens. Wenn oben gesagt worden ist, daß Ford im Gegensatz zum Großkapital steht, daß also seine Methoden eine andere als gewöhnliche Wirtschaftsform darstellen, so muß das näher erklärt werden. Die Frage ist also: Welches ist der Unterschied — soweit die Beziehung zum Kapital in Frage kommt — zwischen den üblichen Wirtschaftsmethoden und den Ford-Methoden? V o r r a n g des P r o d u k t e s ü b e r d a s
Kapital.
Die Werte schaffenden Faktoren in unserer heutigen Wirtschaft sind bei gegebenen Rohprodukten: Hirn, Hand und Geld, gewöhnlich als technische Idee, Arbeit und Kapital bezeichnet. Die Entwicklung strebt immer mehr auf die restlose Herrschaft des Kapitals hin; technische Idee und Arbeit stehen in seinen Diensten und ausschließlich das Kapital entscheidet darüber, welches Produkt und in welchem Umfange es entwickelt werden soll. Das Kapital hat nur Interesse an Zins. Es ist notwendig kurzfristig eingestellt und sucht immer den schnellsten und sichersten Weg, um den höchsten Zins zu erreichen. Andere Gesichtspunkte kennt es nicht. Ford hingegen vertrat von Anfang an den Standpunkt, nicht möglichst viel Geld, sondern möglichst viele und möglichst billige Autos zu machen. 38
Eine nach Ford-Methoden geleitete Wirtschaft fordert das volkswirtschaftlich wichtigste Produkt; sie ordnet alles dem Ziel unter, soviel als möglich solche Dinge zu erzeugen, die der Menschheit wirklich dienen sollen. Der Wille zu nützen, steht dabei immer im Vordergrund — das Geld fällt gewissermaßen aber zwangsläufig als Nebenprodukt ab. Beide Wirtschaftsformen unterscheiden sich also durch die Vorherrschaft des Kapitals bzw. des Produktes. In der einen ist der Hauptzweck, das Kapital arbeiten zu lassen, Geld zu machen, — das Produkt ist gleichgültig. In der andern ist das Produkt das einzig wichtige — technische Idee, Arbeit und Kapital vereinigen sich, dies Produkt möglichst wirkungsvoll herauszubringen, das Geldmachen ist Nebensache. Tatsächlich ist aber diese letztere Wirtschaftsform ungleich rentabler als die erste. Sie ist nicht eine ideelle Konstruktion vom grünen Tisch aus, sondern es ist durch Ford der Beweis für ihre Überlegenheit in Dollars und Cents erbracht worden. Sie ist der Ausdruck eines Idealismus, der in höchstem Maße realpolitisch ist. Beide Formen unterscheiden sich letzten Endes nur in der Blickweite: Hier wird die sofortige, dort eine spätere, aber um so ergiebigere Rente angestrebt. Das erste Kennzeichen der Ford-Methoden ist demnach das: Das Produkt und nicht das Kapital steht im Vordergrund. Das Kapital ist nicht Mittel zum Zweck des Geldverdienens, sondern Mittel zum Zweck des Produzierens. K o n t r o l l e des K a p i t a l s . Ein weiteres wichtiges Merkmal ist das, daß die Verfügung über die mit dem Produkt erzielten Geldgewinne bei den Fordmethoden in der Hand des Produzenten bleiben. Die heute übliche Wirtschaftsform großer Unternehmungen ist die der Aktiengesellschaft. Gewinne, die Hirn und Hand erzeugt haben, fließen dem an der Produktion völlig unbeteiligten Kapital, dem Geldgeber in Form von Dividende zu. Über ihn gehen sie wieder in die Wirtschaft zurück. Die Kontrolle über die Verwendung des Geldes fällt also dem Manne zu, der im allgemeinen nur die Tendenz hat, sein Geld ohne Rücksicht auf volkswirtschaftliche Werte so arbeiten zu lassen, daß es in möglichst kurzer Zeit eine möglichst hohe Rente abwirft. Mag die Aktiengesellschaft, von der er die Dividende bezieht, auch wichtige wirtschaftliche Werte erzeugen — er wird seinen Teil am Gewinn ohne Bedenken in andere volkswirtschaftlich minderwertige Unternehmen anlegen, sobald ihm hier eine höhere Rente zugesichert wird. Demgegenüber streben die Ford-Methoden die Kontrolle des Gewinnes durch den Produzenten selbst an. Ford hat die Tendenz, den Gewinn immer wieder zur weiteren Verbesserung und Verbilligung seines einmal gewählten Produktes zu verwenden, oder es für die Bearbeitung solcher Probleme zu nutzen, die ihm nach Erreichung des ersten Zieles volkswirtschaftlich wichtig erscheinen (Hanfverarbeitung, künstlicher Dünger und ähnliches). Der Unterschied ist also der, daß nicht irgend ein Bankier oder ein der Produktion fernstehender Geldmann darüber verfügt, in welches Gerinne des wirtschaftlichen 39
Stromsystems die Mittel fließen sollen, sondern d a ß dies der Ingenieur u n d Volkswirtschaftler t u t , der die tatsächlichen Bedürfnisse u n d die Wege zu ihrer Beinedi gung klarer e r k e n n t . Und je tätiger ein Mann selbst an der Produktion mitarbeitet, desto schärfer wird sein Blick f ü r das wirtschaftlich Notwendige. Ford-Methoden sollen also keine Planwirtschaft von einem mehr oder weniger grünen Tisch aus bedeuten, sondern vollkommene Freiheit der Betätigung der Männer die wirklich wirtschaftliche Werte schaffen, die klar erkennen, d a ß das P r o d u k t und nicht das Geld immer u n d ausschließlich das Ziel ist u n d sein m u ß . Wären die Ford-Werke eine Aktiengesellschaft geblieben, so wäre der notwendige Entwicklungsgang der geworden: Die Geschäftsgewinne h ä t t e m a n ausgeschüttet, es wären noch mehr u n d noch unsinnigere „Bedarfsartikel", d. h . Artikel, nach denen an und f ü r sich kein Bedarf besteht, auf den Markt gekommen u n d die K r a f t w a g e n würden heute noch den bei uns üblichen Preis haben. Die Ford-Methoden haben in hohem Maße die ganze wirtschaftliche E n t wicklung Amerikas nach der R i c h t u n g billigerer Fabrikation und besserer Lebenshaltung beeinflußt, und sie haben andere Werke gezwungen, ihrem Beispiel zu folgen.
K o n t r o l l e des
Marktes.
Die bisherigen Merkmale — Vorrang des P r o d u k t e s vor dem Kapital u n d Kontrolle der Gewinnverwertung durch den Produzenten als den geeigneteren Mann — diese Merkmale können auch andere U n t e r n e h m u n g e n , wenn auch n u r in wesentlich bescheideneren Ausmaßen f ü r sich in Anspruch nehmen. Ford bedeutet hierin nichts Neues, es ist lediglich (dies allerdings im höchsten Maß) bemerkenswert, d a ß er diese Wirtschaftsform in solch ungeheurem Ausmaß u n d u n t e r ganz bewußter klarer Formulierung seines S t a n d p u n k t e s d u r c h g e f ü h r t h a t . Es k o m m t aber noch ein Drittes hinzu — ein Merkmal, das in noch höherem Maße als die beiden anderen seine Wurzel in der Idee der Dienstleistung h a t . Üblicherweise ist der Produzent auch da, wo er bewußt wirtschaftliche W e r t e schafft, bestrebt, den Markt zu kontrollieren u n d die Konkurrenz zu u n t e r d r ü c k e n . E r will die Möglichkeit haben, den Preis zu diktieren, läßt sich also letzten Endes doch immer von dem S t a n d p u n k t des Geld-Verdienen-Wollens stark beeinflussen. E r versucht, seine Ware möglichst durch P a t e n t e zu schützen u n d seine Fortschritte in der Fabrikation geheimzuhalten. Ford bleibt demgegenüber ganz geradlinig bei seinem Willen, der Allgemeinheit zu dienen, alles zu t u n , u m dieser Allgemeinheit ein billiges u n d nützliches P r o d u k t zur Verfügung zu stellen. I n Verfolgung dieses Grundsatzes stellt er seine Konstruktionen, seine P a t e n t e , seine Herstellungsverfahren restlos denen zur Verfügung, die ebenfalls produzieren wollen. Es gibt in seinen Betrieben keine Geheimnisse. Jeder, der mit dem Willen k o m m t , der Volkswirtschaft zu n ü t z e n , erhält die Erlaubnis, alles zu besichtigen, was er besichtigen will. Ist er in der Lage, es besser zu machen als Ford — gut, d a n n soll er es machen u n d Ford will i h n dabei nicht hindern, sondern ihm sogar möglichst helfen.
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Diese drei Merkmale, die hier nur flüchtig skizziert werden konnten, sind es wohl in erster Linie, die die Beziehungen zwischen Ford und dem Kapital kennzeichnen. Sie stellen weder einzeln noch in der Gesamtheit irgend etwas Neues, Umwälzendes dar, sie 6ind lediglich eine geradlinige Folgerung aus der sozialen Idee der Dienstleistung, aus dem Fordschen oder, wenn wir auf die Wurzeln zurückgehen, aus dem preußischen Sozialismus. Einzelne dieser Merkmale finden sich in manchen deutschen und in amerikanischen Unternehmungen, — von denen viele in ihrer Geldstruktur ganz analog der Fordschen Gesellschaft aufgebaut sind; in den Zielen und Methoden aber ist das Fordsche Unternehmen führend und maßgebend. Wenn man behauptet, daß Ford Antikapitalist sei, so ist dies unrichtig. Er kennt nicht einen Kampf zwischen Arbeit und Kapital, sondern lediglich einen Kampf gegen das eigenmächtig vorgehende, die Arbeit diktierende und die technische Idee kontrollierende Kapital. Er will das Kapital als Bundesgenossen, aber nicht als Herren. Wenn manche Gegner des Zinses Ford für sich in Anspruch nehmen, so ist das nicht minder unrichtig. Bei Ford findet sich die Rente, genau ebenso wie sonst im Wirtschaftsleben. Er kann seinen Leuten nicht deshalb hohe Löhne bezahlen, weil er keine Dividende als arbeitsloses Einkommen an Aktionäre auszuschütten hat, sondern nur deshalb, weil er seinen Arbeitern die Möglichkeit erhöhter Produktion gibt und weil seine Leute diese Möglichkeit nach Kräften ausnutzen. Wenn schließlich unsere Sozialdemokraten Ford zu den Ihrigen zählen, so heißt das, diese beiden großen Bewegungen Sozialismus und Marxismus in ihren Grundanschauungen verkennen. Der Fordsche Sozialismus hat mit dem Marxismus nichts, aber auch nicht das Geringste zu tun. Zusammenfassend läßt sich Fords Stellung zum Kapital wie folgt kennzeichnen : Er stellt die Forderung, daß auch das Kapital ebenso wie technische Idee und Arbeit sich der Idee der Dienstleistung an der Allgemeinheit unterordne. I n diesem Zusammenhang muß auch mit ein paar Worten auf den bekannten Fordschen Antisemitismus verwiesen werden. Denn dieser ist lediglich die logische Folge seiner Stellung zum Kapital. Der Jude ist der typische Vertreter des Kapitals, das nach günstigster Rente sucht, Ford ist der typische Vertreter der Produktion, der auf alle Fälle Werte zu erzeugen bestrebt ist. Ford als Typ ist Schöpfer, der Jude als Typ ist Händler. Beide nutzen ihre kritischen Fähigkeiten (die der Jude an und für sich in viel höherem Maße hat) ganz verschieden aus. Der eine hat ein feines Gefühl für die Schwankungen in der Wirtschaftslage und macht es sich zunutze, um den Markt möglichst zu beherrschen, Konjunkturgewinne zu machen — der andere zieht aus der gleichen Erkenntnis seine Schlüsse für die Wahl des wirtschaftlich notwendigen Produktes und will den Markt beleben. Das Ziel des Einen ist die direkte eigene Bereicherung, das Ziel des andern ist die Wohlfahrt des Ganzen und über diesen Weg die eigene Wohlfahrt. Der Lebensidee, die nach Erfolg strebt, steht die Idee der Pflicht an der Allgemeinheit gegenüber. Zwei Weltanschauungen und eine notwendige Feindschaft. 41
Zusammenfassung. Zum Schluß soll nochmals zusammenfassend dargelegt werden, was wir unter Ford-Methoden zu verstehen haben: Die Grundlage der Ford-Methoden ist die Idee des Dienstes an der Allgemeinheit. Diese Idee verlangt, daß ein volkswirtschaftlich wichtiges Produkt möglichst billig zur Verfügung gestellt und unter Bedingungen erzeugt werde, die die Lebenshaltung aller Beteiligten sich immer höher entwickeln läßt. Um den ganzen Prozeß mit möglichst günstigem Wirkungsgrad durchzuführen, müssen alle Reibungen und Spannungen zwischen dem an dem Prozeß Interessierten auf ein Mindestmaß gebracht werden. Die Idee der Dienstleistung verlangt ferner, daß der Produzent das ihm von der Allgemeinheit zufließende Geld zu treuen Händen verwaltet und es nach bestem Wissen wieder dieser Allgemeinheit in Form solcher wirtschaftlicher Werte zuführt, die ihr am meisten Nutzen bringen. Er fühlt sich verpflichtet, das Geld nicht kapitalistisch, sondern produktiv zu verwenden. All das sind keine großen Ideen, die eine revolutionäre Änderung des Bestehenden bedeuten. Die ganze Umwälzung besteht darin, daß zu den gegebenen Faktoren nichts weiter hinzutritt als guter Wille und gesunder Menschenverstand. D i e F o r d - M e t h o d e n s i n d die M e t h o d e n d e s g e s u n d e n M e n s c h e n v e r s t a n d e s u n d des g u t e n Willens.
4. UND DEUTSCHLAND? Allgemeine Lage. Wir haben nun in großen Zügen Einsicht in die Ford-Betriebe, in das Wesentliche ihrer Herstellungsverfahren erhalten und wir haben versucht, die geistige Tendenz der Ford-Methoden, ihre „ I d e e " kennenzulernen. Wenn dabei offen und zwischen den Zeilen anerkannt wurde, daß wir von Amerika viel lernen können, so heißt das durchaus nicht, die Überlegenheit verkennen, die in so mancher Beziehung unser Geistesleben und unsere oft gründlicher und systematischer arbeitende Wirtschaft gegenüber Amerika hat. Es soll aber hier nicht unsere Aufgabe sein, das was bei uns gut und erfreulich ist, zu unterstreichen und auf das viele Unschöne im anderen Land hinzuweisen. Unsere Lage ist derart, daß wir versuchen müssen, anderswo in erster Linie das Gute und Nachahmenswerte zu sehen und daß wir die Pflicht haben darüber nachzudenken, wie weit wir es auf unsere Verhältnisse übertragen können. Die Frage ist also die: Was können wir von all diesen schönen Grundsätzen für unsere deutsche Wirtschaft verwerten? Die theoretischen Möglichkeiten, losgelöst von all den kaum übersehbaren praktischen Schwierigkeiten, lassen sich ja einfach genug darstellen. Sie ergeben sich ohne weitere Worte aus dem Vorhergehenden als die simple Schlußfolgerung: Geht hin und tuet desgleichen. Wie aber können wir die abstrakten Vorzüge den konkreten Verhältnissen anpassen — ein ideales System in unsere sehr nüchterne Wirklichkeit überführen ? 42
Was in einer gesunden aufstrebenden Wirtschaft wie der amerikanischen möglich ist, und selbst dort bei vielen Seiten großen Widerstand findet, läßt sich noch lange nicht auf einen kranken und bedrängten, sich mühselig von einem auf den anderen Tag fristenden Wirtschaftskörpcr übertragen. Die äußeren Verhältnisse sind für uns denkbar ungünstig. Wir sollen fast ohne Kapital neu aufbauen und Lewegen uns immer in dem Kreis, daß die für den Aufbau unumgängliche Mehrproduktion zunächst viel Geld benötigt, daß wir dies Geld aber nur beschaffen können, wenn wir eben mehr produzieren. Bei der gegenseitigen Bedingtheit von Geld und Produktion ist dies ein Leerlauf von Voraussetzung und Folge, ein Leerlauf im Kreis herum. Die Produktion kann nicht in dem nötigen Ausmaße einsetzen, denn das Geld steht entweder gar nicht oder nur unter Bedingungen zur Verfügung, die die Produktion im Entstehen erdrosseln. Unter erschwerten äußeren Arbeitsbedingungen sollen Zinssätze abgeführt werden, die ungefähr dem Maximum des Verdienstes zu günstigen Zeiten entsprechen. In den meisten Fällen fehlt infolgedessen der Anreiz zur Produktion überhaupt und viele Unternehmer rechnen bei rein ziffernmäßiger Kalkulation, daß sie besser daran tun würden, ihre Werkstätten zu schließen. Unter diesen Umständen mit ausländischem Leihkapital zu arbeiten, bedeutet fast immer, daß wir alle Energien aufzuwenden haben, um den Zinsforderungen gerecht zu werden, daß kaum ein Überschuß bleibt, der zurückgelegt werden und dem Volkswohlstand zugute kommen könnte. Wie können unter solchen Bedingungen große und neue wirtschaftliche Gedanken Stoßkraft gewinnen ? Dazu kommt noch, daß bei uns die fast ausschließliche Form der wirtschaftlichen Unternehmungen die der Aktiengesellschaft ist. Diese Form ist notwendig dividendenfreundlich und nicht in erster Linie produktionsfreundlich. Wir müßten als Staat die analoge Entwicklung des Fordschen Unternehmens durchmachen, um zu analogen Erfolgen zu gelangen. Ford wurde ganz groß und gesund erst dann, als die Brüder Dodge, die in erster Linie das Unternehmen als melkende Kuh für sich betrachteten, ausbezahlt waren und als der Begriff der Dividende gegenüber dem Wunsch nach Produktion in den Hintergrund trat. Nicht weniger wichtig als diese äußeren Schwierigkeiten ist der Umstand, daß im weitaus größten Teil des Wirtschaftslebens auch die geistige und menschliche Einstellung diesen Problemen wenig günstig ist. Mißtrauen und gegenseitige Mißgunst beherrschen das Geschäftsleben in einem oft erschreckenden Maße und haben in den meisten Fällen den guten Willen, die klare Erkenntnis und oft sogar den einfachsten gesunden Menschenverstand überwuchert. Sie erschweren vor allem oft die Verständigung zwischen Unternehmer und Arbeiter. Dazu kommt noch, daß häufig sich hier Personen oder Bestimmungen dazwischen schieben, denen Verständigung nichts, Aufrechtcrhaltung des Prinzips aber alles bedeutet. Jede Partei lebt dabei gewissermaßen von der Hand in den Mund, starrt hypnotisiert nur auf das, was sie für ihr Recht hält und auf den Vorteil der allernächsten Tage. Die Not der Zeit läßt langfristige Überlegungen nicht aufkommen. Jeder gibt dem anderen nur soviel wie dieser sich erpreßt — auf der einen Seite ein möglichst geringes Maß von Arbeitsleistung, künstlich beschränkt durch Tarife und Partei43
disziplin, auf der anderen Seite möglichst geringe Löhne, mühsam Pfennig ffir Pfennig abgerungen. Das GefOhl der Gemeinschaftsarbeit, das gemeinsame Interesse am Unternehmen fehlt in den meisten Betrieben. Mißtrauen und Nervosität, eine fast notwendige Folge von Sorge und Not, kennzeichnen die allgemeine geistige Einstellung. Dazu kommt noch, daß vielfach Geschäftemoral und Arbeitsgeist auf einen bedauerlichen Tiefstand gelangt sind. Kriegszcit und Inflation mit ihren leichten Möglichkeiten zum Gewinn haben moralische Verwirrungen schlimmster Art erzeugt. Weite Kreise sind gewohnt, mit Handel und Zwischenhandel Geld zu verdienen und möchten das produktive Arbeiten anderen überlassen. Und doch können wir nicht hochkommen, wenn wir nicht alle Energie an die Produktion setzen, den Weg vom Produkt zum Abnehmer möglichst einfach gestalten und wieder ganz zum reellen alten Handel zurückkehren. Noch ein anderes Moment ist mitbestimmend für die geistige Atmosphäre: Wir haben jahrzehntelang einseitige technische Entwicklung gezüchtet, sind führend in durchdachten Konstruktionen geworden, haben aber zu oft übersehen, daß Technik und Wirtschaft Hand in Hand gehen müssen. Wo der Amerikaner dauernd an die Verbesserung und Verbilligung der Fabrikation dachte, um möglichst viel produzieren und damit den Volkswohlstand heben zu können, dachten wir zu sehr an eine dauernde Verbesserung der Konstruktion allein und haben zu leicht die Schnittlinie beider Entwicklungskurven übersehen, die den volkswirtschaftlichen Wert bestimmt. Hand in Hand damit ging und geht noch immer eine Überschätzung des rein technischen Könnens und Wissens und eine Unterschätzung des Persönlichkeitswertes, der der Wirtschaft erst Leben und Bewegung verleiht. Das schöne Wort Max Maria v. Weber's, wonach wir erst Menschen erziehen und dann sie zu Ingenieuren ausbilden sollen, wurde zwar in allen Festreden zitiert, aber man hat wenig darnach gehandelt. Es gelten in erster Linie Werte, die durch Diplome und Prüfungen ausweisbar waren und die subalterne Weisheit „Wissen ist Macht" erhob alles rein verstandesmäßige, alles was man aus Büchern lernen kann zum obersten Gesetz. Daß neben dem Wissen auch noch andere durch Zeugnisse nicht feststellbare Werte eine ausschlaggebende Rolle spielen, wurde vielfach verkannt. Manche Bewegung besonders in unserer Jugend gibt uns zwar die Zuversicht, daß wir nach einer Pause der Erholung wieder mit der alten Zähigkeit auch neue Wege gehen werden, aber gerade jetzt sind immer noch die äußeren und inneren Verhältnisse denkbar ungünstig. Und doch muß die Aufgabe angepackt werden, denn in den Fordmethoden liegt die Möglichkeit unseres Aufstieges. Es kann sich hier natürlich nicht darum handeln, Rezepte und Einzelmaßnahmen anzugeben. Durch Tagesbefehle und Betriebsverordnungen läßt sich so etwas nur insoweit einführen, als es sich tatsächlich um rein äußerliche betriebstechnische Maßnahmen handelt. Wichtiger ist es, weiteren Kreisen die Überzeugung zu vermitteln, daß das System der Fordmethoden auch für uns das Richtige ist. Es kann dabei aber nur 44
versucht werden, die für uns wünschenswerte Tendenz der Entwicklung in wenigen Worten darzustellen, die in den Fordmethoden verkörperte Willensrichtung zu kennzeichnen, eine geistige Atmosphäre als notwendige Voraussetzung für die praktischen Maßnahmen zu schaffen. Als Ingenieure können wir dabei allerdings nicht den radikalen Weg der Propheten und Weltverbesserer gehen, die die Trägheitsmomente einer Entwicklung nicht in Rechnung setzen dürfen, wenn anders nicht ihre Begeisterung vor der scheinbaren Unmöglichkeit der Probleme erlahmen soll. Wir sind gewohnt mit der Trägheit der Materie und der noch viel größeren geistigen Trägheit der Menschen zu rechnen und müssen uns deshalb bewußt bleiben, daß ein langer und schwerer Weg vor uns liegt. Um ihn aber gehen zu können, muß zunächst einmal seine Richtung und sein letztes Ziel durchdacht werden. In diesem Sinne sei zum Schlüsse skizziert, was wir von den Ford-Betrieben lernen können und wie weit Ford-Methoden für uns einen Weg zum Aufbau bedeuten. Fordbetriebe? Zunächst das rein Äußerliche der Fordmethoden. Ratschläge, die eine unmittelbare Übertragung in die Praxis ermöglichen, können nur in einzelnen Fällen gegeben werden und sind in genügender Zahl in technischen Zeitschriften niedergelegt. An allgemeinen Gesichtspunkten schälen sich immer wieder die zwei wesentlichen Stichworte Fordscher Herstellungsmethoden heraus: Arbeitsvorbereitung und Transport. Beide münden in der einen Forderung: Dem Arbeiter die Möglichkeit zu geben, mit bestem Wirkungsgrad produktiv zu sein, durch seine Handarbeit ein Maximum an Werten zu schaffen. Hierzu ist nötig, daß alle Elemente des Herstellungsverfahrens aufs genaueste festgelegt sind und daß Transportmethoden — nicht weniger wichtig als die Fabrikation selbst — dazu verhelfen, die besondere Tätigkeit jedes Arbeiters dauernd aufrechtzuerhalten. Die Erkenntnis der Wichtigkeit dieser Grundsätze ist auch bei uns schon längst Gemeingut der Ingenieure geworden. Diese Methoden sind durchweg in Einführung und werden bald überall vorherrschen. Je rascher wir sie in Gang bringen, desto besser für uns. Sie bedeuten allerdings qualitativ nichts Neues, eB handelt sich nur um einen quantitativen Fortschritt. Denn was Ford in dieser Beziehung leistet, ist grundsätzlich längst von Taylor erkannt gewesen, längst zum geistigen Handwerkszeug auch der deutschen Betriebsingenieure geworden. Daß man bei uns aus den Taylormethoden, die ursprünglich auch das menschliche Interesse an der Arbeit als wesentlichen Faktor in den Arbeitsgang einkalkulierten, etwas Starres, Lebloses, rein Mechanisches gemacht hat, ist eine Sache für sich. Das, was wir „menschliches Interesse" nannten ebenso wie das Gilbrethsche „human element" beschränkte sich fast nur auf das Studium von Ermüdungserscheinungen. Wir messen gewöhnlich dem Arbeiter die Arbeit so zu, wie ein Arzt alter Schule dem Patienten die Nahrung lediglich nach ausgeklügelten Nährwerten zumaß. Heute erkennt man als Hauptsache die, daß es dem Patienten schmeckt und weiß, daß ihm dann schließlich 45
alles b e k o m m t . Sobald wir es erreichen, d a ß d e m Arbeiter die Arbeit schmeckt, d a n n können wir getrost manche raffinierte Studien über Ermüdungserscheinungen und auch ein gut Teil unserer Psychotechnik an den Nagel hängen. Jedenfalls aber ist m a n darüber einig, d a ß wir in beschleunigtem Tempo und in ganz anderem Umfange als bisher die mechanischen Mittel der ArbeitsVorbereitung, des Transportes, der weitgehenden Arbeitsteilung bei uns einführen müssen. Mit der oft zu hörenden Belehrung, d a ß so etwas wohl in Amerika gehe, aber bei unseren bescheidenen Absatzmöglichkeiten unmöglich sei, ist wenig genützt. Abgesehen davon, d a ß diese Methoden d u r c h a u s nicht a n riesige Erzeugungsmengen im Fordschen Stil gebunden sind, l ä ß t sich bei uns durch Verzicht auf manch törichte Eigenbrödeleien, vielfach auch durch horizontale Zusammenschlüsse eine weitgehende Vereinheitlichung, d. h . Verteilung des Gesamtabsatzes auf eine geringere Zahl von Modellen erreichen. Das b e d e u t e t Absatzerhöhung des einzelnen Modells — bedeutet aber auch die Aufgabe A b n e h m e r zu erziehen, eine Aufgabe, die bei uns gegenüber dem Bestreben i m m e r etwas Neues u n d Anderes herauszubringen ganz in den Hintergrund getreten ist. Und ist wirklich der Unterschied in den Absatzmöglichkeiten so ungeheuer, d a ß ein Vergleich ausgeschlossen wäre ? W i r h a b e n m e h r als die H ä l f t e der E i n wohnerzahl Amerikas. Ein Vergleich, der auf dieser Ziffer basiert, läßt natürlich eine Menge wichtiger Faktoren außer acht, gibt aber doch einen, wenn auch sehr rohen Maßstab. Würden wir uns demnach begnügen, von irgendeinem Artikel halb soviel verschiedene Modelle herzustellen wie Amerika, so wäre d a m i t die gleiche Basis f ü r Massenproduktion geschaffen wie d r ü b e n . S t a t t dessen stellen wir aber nicht die Hälfte, sondern das Zehn- u n d Mehrfache an Modellen her u n d sind stolz d a r a u f , die Vorzüge individueller Lebensführung — die sicher keiner von u n s missen möchte — auch auf die nebensächlichsten technischen Erzeugnisse auszudehnen. Wäre es denn nicht denkbar, d a ß z. B. unsere Automobilindustrie, die nur einen ganz bescheidenen Bruchteil der amerikanischen P r o d u k t i o n liefert, m i t ebensoviel oder noch weniger Modellen von Z ü n d a p p a r a t e n a u s k o m m t wie Amerika, ohne d a ß dadurch unsere geistige Individualität gefährdet würde ? Tatsächlich aber benötigt sie ein Vielfaches der amerikanischen Modellzahl. Ferner läßt sich der Absatz natürlich i m m e r steigern, sobald das P r o d u k t n u r einen Preis erreicht, den die Abnehmerschaft zu zahlen gewillt ist. Denn f ü r die Preisstellung m u ß immer die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Abnehmer m a ß gebend sein u n d es m u ß alles geschehen, u m die Herstellungskosten dieser F o r d e r u n g anzupassen. Auch die deutsche Automobilindustrie bietet gute Beispiele d a f ü r , wie f r u c h t b a r dieser Weg ist. Und d a ß die Betriebsmethoden, die wir kennengelernt haben, nicht n u r f ü r den Automobilbau gelten, b r a u c h t ja nicht weiter ausgeführt zu werden. Selbst wenn nicht genügend andere Beispiele da wären — Ford h a t Gießereien, Spinnereien, Glas- u n d Papierfabriken, Eisenbahnlinien u n d H ü t t e n w e r k e u n d überall beweist der Erfolg die Bichtigkeit seiner Betriebsgrundsätze. Die Frage ist n u n hauptsächlich d i e : W a n n wird jeweils das, was unsere Wissenschaft die „Nutzschwelle" nennt, erreicht ? Das h e i ß t : Wieviel Geld k a n n
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m a n in die Einrichtungen hineinstecken a n d wie sind die wirtschaftlichen Aassichten der P r o d u k t i o n zu beurteilen ? I n diesen beiden P u n k t e n liegt alle Schwierigkeit. Wir sind in jeder Beziehung in einer Sackgasse. Es fehlt an Betriebskapital u n d die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind n u r in ganz seltenen Fällen klar erkennbar. J e d e r Schritt voran ist m i t Äußerster Vorsicht zu machen, das Tempo der Entwicklung bleibt notwendig langsam. Aber die Schritte müssen getan werden, d e n n sie sind die mechanische Grundlage erhöhter P r o d u k t i o n . U n d d a ß n u r in der Mehrproduktion unsere R e t t u n g liegt, wird allmählich auch von weiteren Kreisen eingesehen. So schwierig demnach die praktische E i n f ü h r u n g neuer Fabrikationsmethoden a n t e r den jetzigen Verhältnissen auch sein mag, die Grundlagen u n d die jeweils zu treffenden M a ß n a h m e n sind verhältnismäßig einfach zu übersehen. Ford-Methoden ? Diese rein mechanischen Probleme k ö n n e n aber nur der geringste Teil unserer Sorge sein. Viel wichtiger f ü r die weitere Z u k u n f t ist die Frage, ob u n d inwieweit wir in Deutschland dem, was wir Ford-Methoden genannt haben, Geltung verschaffen k ö n n e n . Auch hier l ä ß t sich natürlich n u r die wünschenswerte allgemeine B i c h t a n g der Entwicklung festlegen, denn eine eingehende Stellungnahme wäre gleichbedeutend m i t dem Versuche, die gesamten wirtschaftlichen u n d sozialen Verhältnisse Deutschlands zu analysieren. Die Ford-Methoden wurden oben als die Methoden des gesunden Menschenverstandes u n d des guten Willens bezeichnet. Lassen n u n die Verhältnisse in Deutschland wirklich keinen R a u m mehr f ü r den g u t e n Willen und t r e t e n die Forderungen des gesunden Menschenverstandes so ganz in d e n H i n t e r g r u n d vor all diesem inneren Streit, diesem Mißtrauen u n d der allgemeinen Nervosität ? E s hilft n i c h t s ! Wir müssen d u r c h u n d müssen aus dieser Atmosphäre gegenseitigen Mißtrauens u n d gegenseitiger Mißgunst wieder heraus und zu vernünftigen menschlichen Beziehungen k o m m e n . Vielleicht sind wir sogar dem Ziele n ä h e r , als wir denken, denn die schwere Not der Zeit beschleunigt den Entwicklungsprozeß u n d h ä m m e r t in immer mehr Köpfe die E r k e n n t n i s , d a ß U n t e r n e h m e r u n d Arbeiter H a n d in H a n d gehen müssen, d a ß die Reibungen zwischen U n t e r n e h m e r , Arbeiter, Abnehmer möglichst beseitigt werden müssen. Vor allem m u ß der Gemeinschaftsgeist zwischen Unternehmer u n d Arbeiter geweckt und gepflegt werden. I n unserer Lage darf es f ü r beide Teile n u r ein gemeinschaftliches Interesse der W i r t s c h a f t , kein getrenntes Interesse zweier Klassen geben. Das klingt so einfach u n d ist so außerordentlich schwierig. Dabei sind aber die Opfer, die beide Teile zu bringen haben, so verschwindend gering, gegenüber dem Vorteil, den eine Verständigung bietet. Die Tragik liegt nur darin, d a ß die Opfer sofort gebracht werden müssen, während ihre F r ü c h t e erst in einiger Zeit reifen. 47
Und doch bietet auch die deutsche Wirtschaft genügend Beispiele dafür, wie nützlich beiden Teilen ein gutwilliges Zusammengehen ist. Dies gibt Hoffnung, daß die Einsicht, die bei einem kleinen Teil herrscht, allmählich auch in weitere Kreise dringen wird. Die Einsicht, daß nur durch Mehrproduktion die Lebenshaltung aller Kreise zu verbessern ist, daß beide Teile in dieser Mehrproduktion ihr gemeinsames sie stark verbindendes Interesse sehen müssen und die Einsicht endlich, daß der Unternehmer die Pflicht hat, die Möglichkeit erhöhter Leistung zu verschaffen, der Arbeiter die Pflicht von dieser Möglichkeit im Rahmen seiner wirklichen und nicht durch Parteipolitik vorgeschriebenen Leistungsfähigkeit Gebrauch zu machen. Dabei ist durchaus nicht nötig, daß überall die Bandarbeit wie bei Ford eingeführt wird. Bei einem Teil der Produktion wird sich diese Zwangläufigkeit und Schabionisierung nicht vermeiden lassen. Das Wesentliche für uns ist, daß sie uns die Möglichkeit erhöhter Leistung und damit erhöhten Lohnes gibt. Und ebenso wie in Amerika gibt es bei uns immer eine genügend große Zahl von Leuten, denen solche Arbeit durchaus zusagt, sobald sie nur ordentlich dabei verdienen können. Das ist eine Entwicklung, gegen die wir uns gar nicht sträuben können. Es ist aber unerläßlich, einen geistigen Ausgleich gegen diese Mechanisieurng des Daseins weiter Schichten zu schaffen und dieser Ausgleich muß in dem starken menschlichen Interesse des Arbeiters an seiner Arbeit und an seinem Unternehmen gefunden werden. Vielleicht fördert die gemeinsame Not zunächst einmal das, was man drüben und auch bei uns die Alltagslösung der sozialen Frage nennt. Nicht große Ideen, keine langen Reden und dicken Bücher, sondern die praktische gegenseitige Hilfsbereitschaft in den kleinen und kleinsten Dingen des Alltags. Gerade darin kann man den guten Willen zeigen und den Geist der Gemeinschaftsarbeit hervorrufen und fördern 1 ). Über die Beziehungen zwischen Unternehmer und Abnehmer ist nicht viel zu sagen. Es sollten hiefür eigentlich keine grundsätzlichen Schwierigkeiten bestehen, Ford-Methoden einzuführen; erfreulicherweise sind sie uns nichts Neues und kommen wieder allgemeiner zur Geltung. Man sieht wieder ein, daß nur die gediegenste Arbeit und das entgegenkommendste Geschäftsverfahren auf die Dauer eine gute Methode ist, Geld zu verdienen. Kurzsichtigkeit — und mag sie noch so schlau sein — die sich nur auf den raschen Geldgewinn um jeden Preis einstellt, wird immer mehr als ein auf die Dauer recht schlechtes Geschäft erkannt. ') Ein Beispiel mag das besser als weitere Worte erläutern: Bei einer gemeinsamen Trambahnfahrt erzählte mir ein Ford-Arbeiter sehr begeistert, wie er einen schwer beladenen Handkarren Ober den Hof gezogen und plötzlich bemerkt habe, daß die Sache leichter ginge. Old Henry, wie er ihn nannte, der alte Henry Ford habe zufällig, von rückwärts kommend, seine Anstrengung gesehen und tüchtig schieben geholfen: „das ist zu schwer für einen" habe er dabei gesagt, „wir wollen das zusammen machen". Natürlich ist es leicht, einen solchen Einzelfall zu ironisieren und das Moment des Theaters, das dabei sein mag, hervorzuheben. Die kleine Geschichte — und jeder, der einige Zeit in amerikanischen Betrieben tätig war, wird viele ähnliche Beispiele aufzählen können — ist aber kennzeichnend für den Gemeinschaftsgeist, der in den meisten Werken zu treffen ist. Die Summe solcher Kleinigkeiten ist das, was man praktischen Sozialismus nennt, entspricht der Forderung, daß jeder im Alltag an der Lösung der sozialen Fragen mitarbeite und entspricht der Erkenntnis, daß gerade die Kräfte des Alltags für den Aufbau die wirksamsten sind.
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Und wie sieht das, was Ober Ford und das Kapital gesagt wurde, in unserer deutschen Praxis aus? Nur ein Phantast kann annehmen, daß die Vorherrschaft des Kapitals bald und allgemein gebrochen werden könne. So einleuchtend solche Ideen sind, so einfach sie in ihrer Durchführung erscheinen und so gewinnbringend sie letzten Endes für alle beteiligten Kreise sind — sie reifen nur langsam und wir können nichts tun als den Boden vorbereiten. Dabei ist es gerade für uns als ein armes Volk, solange wir nicht als Sklavendes Großkapitals arbeiten wollen, eine natürliche Forderung, daß das Produkt vor dem Kapital den Vorrang habe. Diese Forderung wird sich auch in immer mehr Einzelfällen durchsetzen und immer mehr werden sich Männer finden, die den Mut haben, ihren Blick auf größere Distanzen einzustellen und gerne auf momentane Vorteile verzichten, um größere und allgemeinere Gewinne für die Zukunft zu sichern. Welches die Entwicklung der Beziehungen zwischen Unternehmer und Kapital in Deutschland sein wird, Iflßt sich schwer sagen. Sie scheint aber heute in der Richtung zu gehen, daß wir einerseits in immer größere Abhängigkeit von Amerika geraten — andererseits aber einem Staatskapitalismus zusteuern, der uns vielleicht russischen Zuständen zuführen wird. Unter der sehr unwahrscheinlichen Voraussetzung einer vernünftigen Verwendung der Staatsgelder könnte er allerdings auch eine Besserung unserer Lage bedeuten. Wenn die bisher bekannt gewordenen Einzelziffern richtig sind, so haben Staat und Gemeinden der deutschen Wirtschaft im letzten Etatsjahr um fast 2 Milliarden Steuern zuviel abgenommen, d. h. 2 Milliarden mehr als man für die laufenden Bedürfnisse einschließlich Reparation usw. benötigte. Daß dieses Mehr nicht von den Erträgnissen, sondern von den Produktionsmitteln genommen wurde, tut — so katastrophal eine solche Steuerpolitik sich notwendig auswirken muß — hier zunächst nichts zur Sache. Die Form aber in welcher dieses Geld dem Wirtschaftsleben wieder zugeführt werden wird, ist mitbestimmend für unsere Zukunft. Beschränkt man sich wie bisher im privatkapitalistischen Sinne nur kurzfristige Warenwechsel zu geben, so heißt das wohl den soliden Handel, aber auch das unsolide Schieberwesen zu unterstützen. Wird das Geld zu hohem Zinsfuß oder gegen Anteile in die Industrie gegeben, so heißt das, daß der Staat eine immer wachsende Kontrolle über einzelne Industriezweige erhält — mit dürren Worten: Sozialisierung. Ganz anders aber wird sich unsere Wirtschaft entwickeln, wenn dieses Geld zu vernünftigen Bedingungen wirklich produktiven Arbeiten und Forschungen zufließt, die die Grundlage erhöhter Produktion bilden sollen. Hier wäre Gelegenheit, daß der Staat in großem Stil die Grundsätze verfolgt, die oben in dem Kapitel „Ford und das Kapital" skizziert waren. Die heutige Regierungskunst gibt allerdings herzlich wenig Hoffnung für solche Entwicklung. Wohin unser Weg zuletzt gehen wird — wer weiß es. Wir können organischen Entwicklungen nicht ihren Weg vorschreiben. Was wir aber tun können und tun müssen, ist: Zusammenhängen nachgehen, immer klareren Einblick zu gewinnen suchen und durch Arbeit an uns und an anderen den Geist einer Zeit bilden helfen, aus dem eine andere, uns wirklich gemäße Entwicklung entstehen soll. Riappcl. rwdbanfab«. 4
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Dienstleistung. Es gibt eine alte englische Sage von einem Manne, der einen lebendigen Menschen fertigte, ein Kunstwerk so vollendet, daß es sich in nichts von anderen Menschen zu unterscheiden schien. Nur hatte das Gebilde keine Seele; dieser Mensch verfolgt nun seinen Schöpfer Ober die ganze Welt und drängt und bittet ihn, ihm eine Seele zu geben, und er läßt ihm keine Ruhe. Ähnlich wie dieser Mann haben wir modernen Menschen ein lebendiges Gebilde geschaffen, die technische Zivilisation. Aber wir haben es noch nicht verstanden, ihr eine Seele zu geben. Diese Schöpfung verfolgt uns überall und wird uns nicht zur Ruhe kommen lassen, bis wir sie auch wirklich beseelt haben. Es hilft nichts, dieses Gebilde immer kunstreicher, immer vollendeter zu machen — wir müssen daran gehen, ihm eine lebendige Seele zu geben, wenn wir ihm nicht zuletzt erliegen sollen. Vielleicht haben wir Deutsche, denen das Geschick schon so manche Pflicht und manche Sendung auferlegte, auch die Sendung, dieses Produkt unseres Verstandes und unserer Hände, die technische Zivilisation zu beseelen und sie damit zur Grundlage einer neuen Kultur zu machen. Unsere Geschichte und unser Instinkt weist uns darauf hin, daß die Idee der Dienstleistung vielleicht den Geist und die Grundlage einer solchen Entwicklung bilden kann. Und damit kommen wir zur Hauptfrage und zum Schluß. Betriebstechnische Maßnahmen im Sinn der Fordbetriebe sind notwendige Äußerlichkeiten. Wichtiger als dies muß uns der geistige Gehalt der Fordmethoden werden, nach denen die Beziehungen zwischen Unternehmer, Arbeiter und Abnehmern gestaltet werden und nach denen die Stellung der Produktion zum Kapital bestimmt wird. Am wichtigsten aber erscheint es, den alten Geist der Dienstleistung wieder zu erwecken. Und so mündet das Problem wie alle großen Probleme letzten Endes in Fragen der Erziehung. Denn nur durch Erziehung kann Geist und Grundlage einer neuen Zeit geschaffen werden. Wenn in Amerika die Idee der Dienstleistung bereits so starke Bedeutung gewonnen hat, so geschah dies zweifellos aus Reaktion gegen die geistige Öde der technischen Zivilisation. Wieviel mehr brauchen wir Deutsche ein solches Gegengewicht, die wir als Nation nicht so geistig unbelastet und traditionslos den Weg nüchterner technischer Entwicklung gehen können, wie ihn der Amerikaner geht. Wir streben als Volk immer nach dem Goetheschen Weimar und empfinden als unser bestes Teil eine Sehnsucht nach höherem geistigen Wert. Wir brauchen eine Heimat, in der unser Dasein wurzelt und die technische Zivilisation kennt eine solche Heimat nicht. Der Amerikaner weiß nur in den besten seiner Volksgenossen von dieser Sehnsucht und der Begriff Heimat ist ihm fremd, so stark auch sein Nationalgefühl und der Stolz auf „seine Stadt" sein mag. Amerika ist Kolonie und wir sind altes Kulturland — darin liegt der Unterschied. Wollen wir nicht selbst wieder eine Kolonie Amerikas werden, so brauchen wir für unsere wirtschaftliche Entwicklung notwendig eine geistige Grundlage, die unserem Boden und unserem Blute gemäß 50
ist. Mehr als in dem verlorenen Krieg liegt in dem Mangel einer solchen Grandlage die Ursache für die Unklarheit unseres Wirtschaftslebens. Welches diese Grundlage sein muß, das haben wir als Volk instinktiv empfunden, als wir dem Fordschen Buch einen Wert beimaßen, wie niemals vorher einem technischen oder wirtschaftlichen Werk. Wir haben empfunden, daß in den Ford-Methoden die Idee liegt, die bei uns zur Entscheidung drängt; das Buch kam einem geistigen Bedürfnisse entgegen. Dies ist durch keine billige Bemerkung zu widerlegen, die man über Ford-Reklame und über den Ford-Halo, den Fordschen Heiligenschein macht, auf den nur wir gutmütige Deutsche hereinfallen. Wir empfanden stark, daß wir diese Ford-Methoden brauchten und wir fühlten vor allem, daß sie unserem Blute und unserem Boden gemäß sind. Denn Ford-Methoden bedeuten nichts anderes, als die Wiedererweckung des preußisch-deutschen Dienst- und Arbeitsgeistes. Dieser preußische Sozialismus war es, der Deutschland groß gemacht hat, dieser Militär- und Beamtengeist mit dem starken Willen zu dienen, diese Geistesrichtung, die in dem Worte des großen Königs ihren Ausdruck f a n d : Ich bin der erste Diener meines Staates. In diesen Ideen liegen die starken Wurzeln unserer Kraft und in dieser Richtung geht unsere Hoffnung. Die Not unserer Zeit hat dies wieder ins Bewußtsein vieler Kreise zurückgerufen. Daher auch das starke Echo, das Spengler als einer der Wortführer unserer Zeit fand, als er aufs neue zeigte, daß wir nur in einem preußischen Sozialismus unsere Sendung als Volk sehen können und daß ein solcher Sozialismus notwendig eine Angelegenheit von Männern ist, die bereit sind der Allgemeinheit zu dienen. Was wir brauchen, ist dieser Sozialismus und der Boden ist reif dafür geworden, nachdem der uns wesensfremde Marxismus seineUnfähigkeit, Werte zu schaffen, erwiesen hat. Und während eine ganz spezifisch deutsche Philosophie uns auf die Idee des deutschen Sozialismus als des Dienstes an der Allgemeinheit zurückführt, zeigt uns Amerika gleichzeitig, daß diese Idee die beste Wirtschaftsform darstellt. Nicht als eine Idee für deutsche Schwärmer kommt sie von dort, sondern als eine solche für Realpolitiker, sofern sie nur gelernt haben, über den allernächsten Vorteil hinaus zu denken. Aufbau ist nur auf diesem Wege möglich. Das müssen heute selbst die einsehen, die nichts von „Ideen" halten, und denen das Wort Gemeinnützigkeit nur ein Lächeln entlockt. Denn gerade sie liefern täglich den Beweis, daß der Grundsatz, nur um des Geldes willen irgendein Produkt herzustellen, eine volkswirtschaftliche Gesundung nicht bringen kann und häufig nicht einmal zu den vorgenommenen, für die Volkswirtschaft so gänzlich gleichgültigen Ziel führt, Geld zu machen. Nur der Weg der Ford-Methoden — für uns gleichbedeutend mit preußischdeutschem Sozialismus — geht auf die Wurzeln unseres Volkstumes zurück. Wir haben auch als Volk die Pflicht, das zu sein, wozu uns die Natur bestimmt hat und unserer Rasse liegt dieser soziale Gedanke im Blut. Wir müssen dieser Stimme folgen, wenn anders wir wieder gesund werden wollen. Es handelt sich dabei nicht um Experimente marxistisch-sozialistischer Prägung. Von denen haben wir wahr-
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haftig genug gehabt. Es handelt sich auch nicht um die Kathederweisheit akademischer Wirtschaftler oder um Planwirtschaft. Dieser Gedanke ging nicht tief genug; er blieb am Stofflichen und Reinwirtschaftlichen hingen. Es handelt sich nur darum, ohne wesentliche Änderung an dem Bestehenden allmählich diesen neuen Geist in unsere Wirtschaft einzufahren — im Interesse des allgemeinen Wohles, das unser wohlverstandenes eigenes Interesse bedeutet, tätig zu sein und mit gutem Willen zu versuchen, die inneren Reibungen und Spannungen zu beseitigen. Hier helfen aber keine Vorschriften und Regeln und hier versagt auch das beliebte Allheilmittel der Konferenzen. Was heute nottut ist lediglich das Gefühl einer schicksalhaften Notwendigkeit zu wecken. Die praktischen Auswirkungen werden sich dann von selbst finden. Vielleicht läßt das Geschick unserem Wirtschaftsleben Männer wie Ford erstehen, unter deren Führung eine solche Entwicklung rascher voranschreitet. Vielleicht aber müssen wir uns durch all die Not der Zeit hindurchkämpfen, bis das schwere Schicksal jedem einzelnen diese Idee und Willensrichtung eingehämmert haben wird. Es ist dies eine Bewegung von geschichtlichem Charakter und eine solche wird nur von Männern gemacht oder vom allmächtigen Schicksal. Das Beste aber, was wir heute t u n können, ist, daß jeder voll Vertrauen in die Zukunft schaue und in seinem Kreise die Forderung des Tages erfülle.
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