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German Pages 898 [899] Year 2017
Norbert Gugerbauer
KartG und WettbG Kartellgesetz und Wettbewerbsgesetz 3. Auflage
2017 Kommentar
Dr. Norbert Gugerbauer Rechtsanwalt in Wien, Honorarprofessor für Wettbewerbsrecht am Institut für Unternehmensrecht der Johannes Kepler Universität Linz
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ISBN 978-3-7046-6987-2 Verlag Österreich
Vorwort Die mit dem Kartell- und Wettbewerbsrechts – Änderungsgesetz 2017 verbundenen weitreichenden Änderungen und Ergänzungen des österreichischen Kartellrechts lassen eine Neuauflage des ursprünglich im Springer-Verlag erschienenen Kommentars geboten erscheinen. Vor allem das Private Enforcement von Kartellrecht bekommt durch diese Gesetzes-Novellierung einen völlig neuen Stellenwert. Soweit in dem Kommentar personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden. Ich darf mich bei der Institutsvorständin des Instituts für Unternehmensrechts der Johannes Kepler Universität Linz, Frau Univ.Prof.in Dr.in Eveline Artmann, bei dem langjährigen Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Martin Karollus, wie auch bei meinen beiden Mitherausgebern der Österreichischen Zeitschrift für Kartellrecht, dem Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde Dr. Theodor Thanner und dem Bundeskartellanwalt Dr. Alfred Mair, für stets inspirierende Gespräche bedanken. Frau Dr.in Marlene Steininger vom Verlag Österreich danke ich für die umsichtige Betreuung der Neuauflage. Und ein ganz besonderer Dank gilt Frau Jutta Neumüller und Frau Corina Grossauer für die sorgfältige Erstellung des Manuskripts. Künftige Änderungen von Gesetzen und Verordnungen, insbesondere auch das EU-Wettbewerbsrecht betreffend, werden in der jeweils laufenden Auflage des von mir redigierten Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht berücksichtigt. Anregungen, Hinweise und Kritik nehme ich unter meiner E-Mail-Adresse [email protected] gerne entgegen. Wien, im Juni 2017
Norbert Gugerbauer
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Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis........................................................................ XIII
Kartellgesetz..................................................................................... 1 I. Hauptstück Wettbewerbsbeschränkungen............................................................ 1 1. Abschnitt Kartelle.................................................................................................. 1 § 1 Kartellverbot.............................................................................. 1 § 2 Ausnahmen ............................................................................... 63 § 3 Freistellungsverordnungen....................................................... 98 2. Abschnitt Marktbeherrschung............................................................................. 170 § 4 Begriffsbestimmungen.............................................................. 170 § 5 Missbrauchsverbot.................................................................... 202 § 6 Verbot von Vergeltungsmaßnahmen....................................... 240 3. Abschnitt Zusammenschluss................................................................................ 242 § 7 Begriffsbestimmungen.............................................................. 242 § 8 Medienzusammenschlüsse........................................................ 266 § 9 Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse.................................. 269 § 10 Anmeldung................................................................................ 282 § 11 Prüfungsantrag.......................................................................... 288 § 12 Prüfung...................................................................................... 293 § 13 Prüfung von Medienzusammenschlüssen............................... 326 § 14 Entscheidungsfristen................................................................. 344 § 15 Bekanntmachung von Entscheidungen................................... 346 § 16 Nachträgliche Maßnahmen...................................................... 347 § 17 Durchführungsverbot............................................................... 352 § 18 Verordnungsermächtigung....................................................... 358 § 19 Ausnahmen................................................................................ 359 VII
Inhaltsverzeichnis
4. Abschnitt Gemeinsame Bestimmungen.............................................................. 366 § 20 Wirtschaftliche Betrachtungsweise.......................................... 366 § 21 Berechnung von Marktanteilen................................................ 369 § 22 Berechnung des Umsatzerlöses................................................ 373 § 23 Bestimmte Ware oder Leistung................................................ 380 § 24 Anwendungsbereich................................................................. 390 § 25 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften.............................. 400 II. Hauptstück Rechtsdurchsetzung............................................................................ 401 1. Abschnitt Abstellung von Zuwiderhandlungen und Feststellungen............. 401 § 26 Abstellung.................................................................................. 401 § 27 Verpflichtungszusagen.............................................................. 411 § 28 Feststellungen............................................................................ 419 2. Abschnitt Geldbußen............................................................................................. 426 § 29 Geldbußentatbestände.............................................................. 426 § 30 Bemessung................................................................................. 443 § 31 Unternehmervereinigungen..................................................... 455 § 32 Einbringung............................................................................... 458 § 33 Verjährung................................................................................. 459 3. Abschnitt Exekution.............................................................................................. 465 § 34 Exekution auf Grund kartellgerichtlicher Beschlüsse und Vergleiche........................................................................... 465 § 35 Zwangsgelder............................................................................. 468 4. Abschnitt Gemeinsame Bestimmungen.............................................................. 477 § 36 Antragsprinzip.......................................................................... 477 § 37 Entscheidungsveröffentlichung............................................... 489 5. Abschnitt Ersatz des Schadens aus Wettbewerbsrechtsverletzungen............ 497 § 37a Geltungsbereich und Zweck des Abschnitts.......................... 497 § 37b Begriffsbestimmungen.............................................................. 498 VIII
Inhaltsverzeichnis
§ 37c Haftung...................................................................................... 502 § 37d Gegenstand des Ersatzes.......................................................... 505 § 37e Mehrheit von Ersatzpflichtigen............................................... 506 § 37f Beweislast bei Schadensüberwälzung...................................... 512 § 37g Wirkung einer einvernehmlichen Streitbeilegung.................. 518 § 37h Verjährung................................................................................. 521 § 37i Wirkung eines Verfahrens vor einer Wettbewerbsbehörde..... 525 § 37j Offenlegung von Beweismitteln.............................................. 528 § 37k Offenlegung und Verwendung von aktenkundigen Beweismitteln............................................................................ 536 § 37l Unterstützung durch Kartellgericht, Bundeskartellanwalt und Bundeswettbewerbsbehörde............................................ 543 § 37m Ordnungsstrafen....................................................................... 543 III. Hauptstück Verfahren vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht.. 545 § 38 § 39 § 40 § 41 § 42 § 43 § 44 § 45 § 46 § 47 § 48 § 49
Verfahrensart............................................................................. 545 Schutz von Geschäftsgeheimnissen......................................... 559 Amtsparteien............................................................................. 568 Kostenersatz.............................................................................. 570 Schriftsätze................................................................................. 574 Verbesserung von Zusammenschlussanmeldungen............... 575 Fristen........................................................................................ 577 Stellungnahmen der Kammern................................................ 578 Stellungnahmen der Regulatoren............................................. 579 Verhandlungen........................................................................... 580 Einstweilige Verfügungen......................................................... 582 Rechtsmittelverfahren............................................................... 588
IV. Hauptstück Gebühren.............................................................................................. 611 § 50 § 51 § 52 § 53 § 54 § 55 § 56 § 57
Gerichtsgebühren...................................................................... 611 Ausschluss weiterer Gebühren................................................ 616 Zahlungspflichtige Personen.................................................... 616 Haftung mehrerer Personen..................................................... 623 Festsetzung der Rahmengebühren.......................................... 623 Gerichtliche Kosten.................................................................. 630 Gebührenfreiheit von Vergleichen........................................... 634 Einbringung............................................................................... 635 IX
Inhaltsverzeichnis
V. Hauptstück Institutionen......................................................................................... 637 1. Abschnitt Kartellgericht und Kartellobergericht............................................. 637 § 58 Gerichtsorganisation................................................................. 637 § 59 Zusammensetzung der Senate.................................................. 641 § 60 Geschäftsverteilung................................................................... 643 § 61 Berichterstatter.......................................................................... 644 § 62 Entscheidung durch den Vorsitzenden des Kartellgerichts und durch den Dreiersenat des Kartellobergerichts.............. 645 § 63 Abstimmung.............................................................................. 646 § 64 Stellung der fachkundigen Laienrichter.................................. 647 § 65 Ernennung................................................................................. 648 § 66 Eignung...................................................................................... 648 § 67 Unvereinbarkeit........................................................................ 648 § 68 Nominierung............................................................................. 649 § 69 Amtsdauer.................................................................................. 650 § 70 Amtsenthebung......................................................................... 650 § 71 Meldepflichten........................................................................... 651 § 72 Ablehnung von fachkundigen Laienrichtern.......................... 651 § 73 Sachverständige in Kartellangelegenheiten............................. 655 § 74 Tätigkeitsbericht des Kartellobergerichts................................ 657 2. Abschnitt Bundeskartellanwalt............................................................................ 658 § 75 Aufgaben.................................................................................... 658 § 76 Bestellung................................................................................... 660 § 77 Bestellungsvoraussetzungen..................................................... 660 § 78 Funktionsdauer und Enthebung.............................................. 661 § 79 Dienst- und Besoldungsrecht................................................... 661 § 80 Kanzleigeschäfte und Ausgaben.............................................. 662 § 81 Zusammenwirken mit der Bundeswettbewerbsbehörde....... 663 § 82 Verzicht auf Prüfungsanträge................................................... 665 VI. Hauptstück Anwendung des Unionsrechts........................................................... 667 § 83 § 84 § 85 X
Zuständigkeit............................................................................. 667 Zusammenarbeit........................................................................ 670 Übermittlung von Urteilen...................................................... 672
Inhaltsverzeichnis
VII. Hauptstück Schlussbestimmungen......................................................................... 673 § 86 Inkrafttreten.............................................................................. 673 § 87 Außer-Kraft-Treten................................................................... 675 § 88 Kartellregister............................................................................ 676 § 89 Genehmigte Kartelle................................................................. 676 § 90 Fortsetzung anhängiger Verfahren.......................................... 676 § 91 Gebühren für nicht fortgesetzte Verfahren............................. 677 § 92 Weitergeltung von Ernennungen und Eintragungen............. 678 § 93 Sprachliche Gleichbehandlung................................................. 678 § 94 Verweisungen............................................................................. 678 § 95 Vollziehung................................................................................ 678
Wettbewerbsgesetz...................................................................... 679 § 1 Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde........................ 679 § 2 Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde............................ 684 § 3 Zuständigkeit für die Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln.................................................................... 691 § 4 Begriffsbestimmungen.............................................................. 697 § 5 Ausnahmen vom Anwendungsbereich .................................. 701 § 6 Ernennung des Generaldirektors............................................. 701 § 7 Ernennungsvoraussetzungen................................................... 701 § 8 Dienst- und Besoldungsrecht................................................... 702 § 9 Geschäftsstelle........................................................................... 703 § 10 Zusammenarbeit mit anderen Behörden................................. 704 § 10a Anmeldegebühren..................................................................... 708 § 10b Bekanntmachungen................................................................... 709 § 11 Ermittlungen.............................................................................. 711 § 11a Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage.......................... 716 § 11b Kronzeugen............................................................................... 732 § 12 Hausdurchsuchung................................................................... 745 § 13 Rechtliches Gehör..................................................................... 760 § 13a Offenlegung von Beweismitteln der Bundeswettbewerbs behörde in Schadenersatzverfahren......................................... 761 § 13b Kooperation der Bundeswettbewerbsbehörde in Schadenersatzverfahren............................................................ 762 § 14 Heranziehung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes....................................................................................... 763 § 15 Vertretung.................................................................................. 764 XI
Inhaltsverzeichnis
§ 16 Wettbewerbskommission......................................................... 764 § 17 Mitwirkung der Wettbewerbskommission in Angelegenheiten der Zusammenschlusskontrolle.................................... 766 § 18 Sprachliche Gleichbehandlung................................................. 767 § 19 Verweisungen............................................................................. 768 § 20 Vollziehung................................................................................ 768 § 21 Inkrafttreten.............................................................................. 768
Nahversorgungsgesetz................................................................ 771 § 1 Kaufmännisches Wohlverhalten.............................................. 771 § 2 .................................................................................................... 777 § 3 .................................................................................................... 778 § 4 Sicherung der Nahversorgung und der Wettbewerbsfähigkeit...................................................................................... 779 § 5 Versorgungspflicht.................................................................... 782 § 6 .................................................................................................... 783 § 7 .................................................................................................... 783 § 8 Strafbestimmungen................................................................... 787 § 9 Schluß- und Übergangsbestimmungen................................... 788 § 10 .................................................................................................... 788 § 11 .................................................................................................... 788 § 12 In-Kraft-Treten.......................................................................... 788
Strafgesetzbuch.............................................................................. 789 § 168b Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren....................................................................... 789 § 292c Unzulässige Bieterabsprachen in exekutiven Versteigerungsverfahren........................................................... 793 Stichwortverzeichnis............................................................................. 795
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Abkürzungsverzeichnis aaO am angegebenen Ort AB Ausschussbericht ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch JGS 1811/946 ABl Amtsblatt Abs Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AHG Amtshaftungsgesetz AktG Aktiengesetz Anm Anmerkung arg argumentum Art Artikel AußStrG Außerstreitgesetz AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BAK Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte BAO Bundesabgabenordnung Bd Band BDG Beamten-Dienstrechtsgesetz BeteilFG Beteiligungsfondsgesetz BGBl Bundesgesetzblatt BGH (deutscher) Bundesgerichtshof BKA Bundeskanzleramt BKAnw Bundeskartellanwalt BKartA (deutsches) Bundeskartellamt BlgNR Beilage(-n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates BMJ Bundesminister(ium) für Justiz BMVIT Bundesminister(ium) für Verkehr, Innovation und Technologie XIII
Abkürzungsverzeichnis
BMWFW
Bundesminister(ium) für Wissenschaft, orschung und Wirtschaft F BReg Bundesregierung bspw beispielsweise B-VG Bundes-Verfassungsgesetz BVwG Bundesverwaltungsgericht BWB Bundeswettbewerbsbehörde BWG Bankwesengesetz bzgl bezüglich bzw beziehungsweise ca circa d deutsch ders derselbe dh das heißt DSG Datenschutzgesetz € Euro E Entscheidung EB Erläuternde Bemerkungen EB 2002 EB zur RV 1005 BlgNR 21.GP EB 2005 EB zur RV 926 BlgNR 22.GP EB 2012 EB zum KaWeRÄG 2012 ECN European Competition Network E-ControlG Energie-Control-Gesetz EG Europäische Gemeinschaft EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGRC Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18.12.2000 EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften EisenbahnG Eisenbahngesetz EIWOG Elektrizitätswirtschafts- und organisations gesetz EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EO Exekutionsordnung Erk Erkenntnis Erl Erläuterungen ErlRV Erläuterungen zur Regierungsvorlage XIV
Abkürzungsverzeichnis
ERV elektronischer Rechtsverkehr ErwGr Erwägungsgrund EStG Einkommensteuergesetz etc et cetera EU Europäische Union EuG Europäisches Gericht erster Instanz EuGH Gerichtshof (der Europäischen Union) EUR Euro EUV Vertrag über die europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EV Einstweilige Verfügung EvBl Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in Österreichische Juristenzeitung EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f folgende FBG Firmenbuchgesetz F&E-GVO VO (EU) 1217/2010 der Europäischen Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung FernmeldeG Fernmeldegesetz ff fortfolgende FinProk Finanzprokuratur FKVO Fusionskontrollverordnung FMA Finanzmarktaufsicht FN Fußnote G Gesetz GebAG Gebührenanspruchsgesetz GEG Gerichtliches Einbringungsgesetz gem gemäß Geo Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz GewO Gewerbeordnung ggf gegebenenfalls GGG Gerichtsgebührengesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung XV
Abkürzungsverzeichnis
GOG Gerichtsorganisationsgesetz GP Gesetzgebungsperiode GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union GU Gemeinschaftsunternehmen GVO Gruppenfreistellungsverordnung GWB (deutsches) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HG Handelsgericht HGB Handelsgesetzbuch hL herrschende Lehre hM herrschende Meinung Horizontal-LL Leitlinien der Europäischen Kommission zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit HVertrG Handelsvertretergesetz idF in der Fassung idgF in der geltenden Fassung idR in der Regel ieS im engeren Sinn insb insbesondere IO Insolvenzordnung iSd im Sinne des/der iSv im Sinne von iVm in Verbindung mit iW im Wesentlichen iZm im Zusammenhang mit JN Jurisdiktionsnorm Jud Judikatur KartG Kartellgesetz KartG-Nov Kartellgesetznovelle KartGer Kartellgericht KaWeRÄG Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz XVI
Abkürzungsverzeichnis
Kfz Kraftfahrzeug Kfz-GVO VO (EU) 461/2010 der Europäischen Kommission vom 27.5.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor KO Konkursordnung KOG Kartellobergericht KOM Dokument der Europäischen Kommission Komm Kommission KSchG Konsumentenschutzgesetz KStG Körperschaftsteuergesetz lit Buchstabe Lit Literatur LL Leitlinien Mat Materialien Mio Million MRK Europäische Menschrechtskonvention mwN mit weiteren Nachweisen MZV Milchsektor-Zusammenschlüsse-Verordnung Nr Nummer NO Notariatsordnung Nov Novelle NVG Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen (Nahversorgungsgesetz) oa Ob ÖIAG-Gesetz
oben angeführt Aktenzeichen des OGH BG über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAGGesetz 2000) XVII
Abkürzungsverzeichnis
OECD
Organisation for Economic Cooperation and Development OFT Office of Fair Trading OGH Oberster Gerichtshof Ok Aktenzeichen des KOG OLG Oberlandesgericht ORF-G BG über den Österreichischen Rundfunk ÖZK
Zeitschrift für Kartell- und Wettbewerbsrecht
PMG Postmarktgesetz PRÄKO Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs PrR-G Privatradiogesetz RAO Rechtsanwaltsordnung RekG Rekursgericht RIS Rechtsinformationssystem des Bundes RL Richtlinie (der EU) Rn Randnummer Rs Rechtssache Rsp Rechtsprechung RStDG Richter und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz RTR Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH RV Regierungsvorlage S Seite s siehe SDG Sachverständigen- und Dolmetschergesetz Slg Sammlung sog so genannt Spezialisierungs-GVO VO (EU) 1218/2010 der Europäischen Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise er Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen StGB Strafgesetzbuch StGG Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger XVIII
Abkürzungsverzeichnis
StPO Strafprozessordnung stRsp ständige Rechtsprechung Stv Stellvertreter TT-GVO
VO (EU) 316/2014 der Europäischen Kommission vom 21.3.2014 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen TKG Telekommunikationsgesetz Tz Textzahl ua unter anderem UGB Unternehmensgesetzbuch UrhG Urheberrechtsgesetz uU unter Umständen UVS Unabhängige Verwaltungssenate UWG Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v vom va vor allem VBKG Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz VAG Versicherungsaufsichtsgesetz VerbVG Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Vertikal-GVO VO (EU) 330/2010 der Europäischen Kommission vom 20.4.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen Vertikal-LL Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vgl vergleiche VO Verordnung XIX
Abkürzungsverzeichnis
VO 1/2003
VO (EG) 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln VStG Verwaltungsstrafgesetz VVG Verwaltungsvollstreckungsgesetz VwGH Verwaltungsgerichtshof VwGVG BG über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) VwSlg Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes WettbG Wettbewerbsgesetz WKÖ Wirtschaftskammer Österreich WTBG Wirtschaftstreuhandberufsgesetz WuW Wirtschaft und Wettbewerb Z Ziffer zB zum Beispiel ZPEMRK Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ZPO Zivilprozessordnung ZustG Zustellgesetz zzgl zuzüglich
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Kartellgesetz (Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, BGBl I Nr. 61/2005 idF BGBl I Nr. 56/2017)
I. Hauptstück Wettbewerbsbeschränkungen 1. Abschnitt Kartelle Kartellverbot § 1. (1) Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unterneh-
mern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle). (2) Nach Abs. 1 sind insbesondere verboten 1. die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen; 2. die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen; 3. die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen; 4. die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden; 5. die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. (3) Die nach Abs. 1 verbotenen Vereinbarungen und Beschlüsse sind nichtig. (4) Einem Kartell im Sinn des Abs. 1 stehen Empfehlungen zur Einhaltung bestimmter Preise, Preisgrenzen, Kalkulationsrichtlini1
§ 1 KartGGugerbauer en, Handelsspannen oder Rabatte gleich, durch die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt wird (Empfehlungskartelle). Ausgenommen sind Empfehlungen, in denen ausdrücklich auf ihre Unverbindlichkeit hingewiesen wird und zu deren Durchsetzung wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Druck weder ausgeübt werden soll noch ausgeübt wird. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, EWR-Kartellrecht (1993); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/ Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Kartellverbot in § 1 KartG und Art 101 AEUV.............................. 1–6 II. § 1 Abs 1 Kartellverbot........................................................................ 7–91 A. Normadressaten.............................................................................. 7–27 1. Unternehmen.............................................................................. 7 a) Unternehmerfunktion......................................................... 8–9 b) unternehmerische Kontinuität........................................... 10–11 c) Handelsvertreter als Unternehmer.................................... 12–17 d) Öffentliche Unternehmen................................................... 18–21 e) Konzerne ............................................................................... 22–27 2. Unternehmervereinigung......................................................... 28 B. Wettbewerbsbeschränkendes Zusammenwirken....................... 29–62 1. Vereinbarungen zwischen Unternehmen............................... 31–44 2. Beschlüsse von Unternehmervereinigungen......................... 45–46 3. Aufeinander abgestimmtes Verhalten..................................... 47–62 C. Wettbewerbsstörungen.................................................................. 63–91 1. Wettbewerb.................................................................................. 63–66 2. Wettbewerber.............................................................................. 67–68 3. Wettbewerbsbeschränkung....................................................... 69–84 4. Bezwecken oder Bewirken der Wettbewerbsstörung............ 85–91 III. § 1 Abs 2 Tatbestände, demonstrativ................................................. 92–114 1. Festsetzung von An- oder Verkaufpreisen, Geschäftsbedingungen................................................................................ 93–102
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Kartellverbot
§ 1 KartG
2. Erzeugung, Absatz, technische Entwicklung, Investitionen............................................................................... 103–104 3. Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen................. 105–109 4. Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen........................................................ 110–112 5. Koppelungsgeschäfte................................................................. 113–114 IV. § 1 Abs 3 Nichtigkeit ........................................................................... 115–122 V. § 1 Abs 4 Empfehlungskartelle........................................................... 123–129
I. Kartellverbot in § 1 KartG und Art 101 AEUV Das KartG ist in seinen materiellrechtlichen Bestimmungen weitge- 1 hend an die in den Art 101 und 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthaltenen Wettbewerbsregeln angepasst. Die Präambel zum AEUV bezeichnet ua die Sicherung des wirtschaftlichen Fortschritts, eine stetige Besserung der Lebensbedingungen und eine harmonische Entwicklung der Volkswirtschaften als Ziele. Sie sollen nicht zuletzt durch die Verwirklichung unverfälschten Wettbewerbs erreicht werden. Der Wettbewerb ist daher gegen willkürliche Eingriffe durch Unternehmen zu schützen. Dies geht insbesondere aus dem Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb vom 13. Dezember 2007 hervor (ABl EG 2007 Nr C 306/156). Aufgrund der Angleichung der innerstaatlichen Rechtslage an jene der 2 EU sind zur Auslegung von § 1 KartG die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission und die Rechtsprechung der Unionsgerichte zu Art 101 AEUV unter Einschluss von Leitlinien bzw Bekanntmachungen der Europäischen Kommission heranzuziehen (vgl etwa 16 Ok 51/05). Gem § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unterneh- 3 mern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Nach Art 101 AEUV sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abge stimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere die unmittelbare oder mittel3
§ 1 KartGGugerbauer bare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen. Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003, 16 Ok 7/15p). Zwischen dem Kartellverbot gem Art 101 AEUV und jenem gem § 1 KartG besteht Konkurrenz. Art 101 Abs 1 AEUV kommt zur Anwendung, wenn die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist – wie schon die Berufung auf die „Eignung“ zeigt – weit zu verstehen (16 Ok 7/15p). Das Fehlen einer solchen Eignung ist eine negative Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit von § 1 KartG. Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich also um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache trifft, sondern die Frage beantworten soll, ob es geboten ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 10/09). § 1 kommt nur dann zur Anwendung, wenn der zwischenstaatliche Handel nicht berührt wird (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 10/09 mwN). 4 Nach den Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 101 und 102 AEUV sind aber auch Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, die auf einen einzigen Mitgliedstaat der EU begrenzt sind, geeignet den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, soweit sie eine Marktabschottung bewirken und so Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten den Zutritt zum nationalen Markt erschweren (LLBeeintr., ABl Nr C 101 vom 27. 4. 2004, Rz 84; 16 Ok 7/09). Maßnahmen von Unternehmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich nur auf einen Mitgliedstat, dort aber auf das gesamte Hoheitsgebiet erstrecken, sind in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Wirkung haben, die Abschottung nationaler Märkte zu verfestigen und die in der Europäischen Union angestrebte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung zu verhindern (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 4/13). Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 7/15p; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 4/13). So kann ein Kartell oder ein abgestimmtes Verhalten von Unternehmen, das über gegenseitigen Informationsaustausch eine durch die Marktbedingungen nicht gerechtfertigte Erhöhung der Preise ermöglicht, gegen Art 101 AEUV verstoßen, wenn unter Berücksichti4
Kartellverbot
§ 1 KartG
gung der Merkmale des relevanten nationalen Marktes eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das betreffende Kartell oder abgestimmte Verhalten den Marktzutritt von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell beeinflussen kann und dieser Einfluss nicht nur geringfügig ist (EuGH 13.7.2006, Rs C-295/04, Manfredi, Rn 52; 16 Ok 7/09). Um vom Kartellverbot erfasst zu sein, müssen die Wettbewerbsbe- 5 schränkung und die Handelsbeeinträchtigung auch spürbar sein (EuGH C-226/11, Expedia, Rn 16 f mwN). Dabei ist nicht auf einzelne – für sich genommen möglicherweise nicht ausreichend spürbare – Geschäftsfälle abzustellen, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu achten ist insbesondere auf den Inhalt einer Vereinbarung und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht (aaO, Rn 21 mwN). Eine Vereinbarung, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, ist ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs (16 Ok 7/15p). Bei ganze Märkte umfassenden Vertragssystemen würde eine isolierende Betrachtungsweise, die nur auf einen konkreten wettbewerbsbeschränkenden Vertrag abstellt, nicht dem Umstand gerecht, dass die Auswirklungen dieses Vertrages durch das Zusammenspiel mit andern gleichartigen Verträgen verstärkt werden können. Im Sinne einer „Bündeltheorie“ kann die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels auch deshalb spürbar sein, weil ein Vertrag Teil eines umfassenden Vertragssystems ist, das in seiner Gesamtheit geeignet ist, den Binnenmarkt spürbar zu beeinträchtigen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Vom Kartellverbot nach § 1 KartG sind Bagatellkartelle (vgl § 2 Abs 2 Z 1 KartG) ausgenommen (16 Ok 7/15p). Nach Art 5 VO (EG) Nr 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur 6 Durchführung der in Art 101 und 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl 2003 L 1/1, sind die Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV zuständig. Sie können die Abstellung von Zuwiderhandlungen und einstweilige Maßnahmen anordnen, Verpflichtungszusagen annehmen und Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige Sanktionen verhängen. Eine kartellgerichtliche Überprüfung nach § 1 KartG (bzw Art 101 AEUV) erfolgt – anders als die Prüfung struktureller Vorgänge im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle – immer nur ex post (16 Ok 11/13). 5
§ 1 KartGGugerbauer
II. § 1 Abs 1 – Kartellverbot A. Normadressaten 1. Unternehmen 7 Das KartG zielt auf „Unternehmer“ bzw „Unternehmervereinigungen“ ab, während Art 101 AEUV von „Unternehmen“ und „Unternehmensvereinigungen“ spricht. Der unterschiedlichen Wortwahl kommt jedoch keine normative Bedeutung zu (16 Ok 3/15z). Weder das KartG, noch der AEUV definieren die Begriffe Unternehmen, Unternehmer, Unternehmensvereinigung und/oder Unternehmervereinigung. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zur näheren Beschreibung auf Art 1 des Protokolls 22 zum EWR-Abkommen zurück gegriffen (vgl Gugerbauer, EWR-Kartellrecht, 300). Demnach gilt jedes Rechtssubjekt, das eine kommerzielle order wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als Unternehmen. a) Unternehmerfunktion 8 Nach ständiger Rechtssprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff „Unternehmen“ funktional aus Sinn und Zweck der Wettbewerbsregeln des AEUV auszulegen (EuGH, 11.7.2006, „FENIN“, WuW/E EU-R 1213, Rn 25). Der Unternehmensbegriff des § 1 Abs 1 KartG entspricht dem des Art 101 Abs 1 AEUV (16 Ok 6/10). Der Gerichtshof der Europäischen Union betont in ständiger Rechtsprechung, dass der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit umfasst, dies unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (EuGH, 11.7.2013, C-440/11 P, Rn 36). Der Begriff umfasst somit jede selbständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen. Es wird eine funktionale Betrachtungsweise zugrunde gelegt, basierend auf der Art der ausgeübten Tätigkeit und nicht der Eigenschaften desjenigen, der sie ausübt (16 Ok 3/15z; 16 Ok 12/03). Eine bloße Einkaufstätigkeit ist noch nicht als wirtschaftliche Tätigkeit zu bewerten, ausschlaggebend ist die Verwendung der eingekauften Güter (EuGH 11.7.2011, C-205/03 P, Rn 26). Eine Holdinggesellschaft übt aber auch dann, wenn sie selbst keine Umsatzgeschäfte tätigt, eine Unternehmerfunktion aus (vgl Emmerich in Immenga/Mestmäcker Art 101 Abs 1 Rz 16). Auch der OGH geht – in Anlehnung an die vom EuGH entwi6
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ckelte Kriterien – schon aufgrund der nach § 20 KartG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung – von einem eigenständigen Unternehmensbegriff (16 Ok 6/10), von einem funktionalen Unternehmensbegriff aus (16 Ok 12/08). Die Unternehmensgröße als solche spielt keine Rolle (16 Ok 8/10), auch Einzelkaufleute sind Unternehmer, allerdings sind Bagatellkartelle vom Kartellverbot ausgenommen (vgl § 2 Abs 2 Z 1). Ungeachtet besonderer standesrechtlicher Pflichten stellt auch freiberufliche Tätigkeit, etwa jene von Wirtschaftstreuhändern oder Rechtsanwälten, eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (EuGH, 19.2.2002 „Wouters“, Slg 2002, I-1577, 1692 Rn 102). „Echte“ Handelsvertreter, also solche, die nicht selbst als Anbieter oder Nachfrager auftreten, sondern nur Hilfsfunktionen für einen Geschäftsherren ausführen und mit diesem insofern eine wirtschaftliche Einheit bilden, gelten dagegen nicht als Unternehmer (26 Kt 369/96). Auch ein Arbeitnehmer, der nebenbei unternehmerisch tätig ist, hat nicht nur die Steuergesetze, sondern auch das Kartellgesetz zu beachten. Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Sportvereine oder -verbände (Europäische Kommission, 27.10.1992, ABl L 326/31, 36). Für die Qualifizierung einer Tätigkeit als unternehmerische ist Voraus- 9 setzung, dass eine wirtschaftliche Leistung gegen Entgelt erbracht wird. Solche Tätigkeiten sind regelmäßig auf Gewinn ausgerichtet, sie müssen aber nicht mit einem Gewinn verbunden sein (EuGH, 29.10.1980 „FEDETAB“, Slg 1980, 3125, Rn 88). Selbst dann, wenn keine Gewinnerzielungs-Absicht besteht, schließt dies eine Eigenschaft als Unternehmen nicht aus, soweit das entsprechende Angebot nur mit jenem von Wirtschaftsteilnehmern konkurriert, die einen Erwerbszweck verfolgen (EuGH, 1.7.2008 „MOTOE“, C-49/07, Rn 27). Die Ausrichtung einer Sportveranstaltung durch einen Verband kann in Verbindung mit dem Abschluss von Sponsoring-, Werbe- und/oder Versicherungsverträgen auch dann eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, wenn der Verband nicht die Absicht hat, damit Gewinne zu erzielen (EuGH, 1.7.2008 „MOTOE“, Slg 2008 I 4892 Tz 22 – 28). b) Unternehmerische Kontinuität Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit ist nicht erforderlich, 10 eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung kann auch von nur kurzzeitig bestehenden Unternehmen verursacht werden, ja selbst durch ein einmaliges Geschäft bewirkt werden. Für die Unternehmereigenschaft iSv § 1 KartG ist nicht einmal erforderlich, dass der an der Vereinba7
§ 1 KartGGugerbauer rung teilnehmende Unternehmer tatsächlich auf dem Markt, auf den sich der Vertrag oder die Absprache bezieht, oder auf einem anderen Markt als Anbieter oder Nachfrager tätig ist. Unter gewissen Umständen kann schon ein potenzieller Unternehmer den Tatbestand des § 1 erfüllen, nämlich jeder, der eine Verpflichtung eingeht, sich nicht als Wettbewerber zu betätigen oder sich für den Fall, dass er sich betätigt, Beschränkungen zu akzeptieren (vgl 16 Ok 12/08). Es genügt also, wenn jemand latent darauf ausgerichtet ist, Waren oder Leistungen für den Markt zu erbringen. Die abstrakte Möglichkeit reicht allerdings nicht aus, es muss vielmehr damit zu rechnen sein, dass der Betreffende in absehbarer Zeit lediglich durch Aktualisierung der bereits vorhandenen Qualitäten zum aktiven Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr wird. Erscheint die künftige Marktteilnahme des gegenwärtig nicht tätigen Unternehmers, welche durch Vertrag oder Absprache ausgeschlossen oder beschränkt werden soll, nach den gegebenen Umständen als unmöglich, ist die betreffende Vertragspartei nicht einmal als potenzieller Unternehmer anzusehen. Dagegen ist etwa einer GmbH, die über die zur Produktion erforderlichen Maschinen, über im Warenvertrieb ständig benutzte Warenzeichen und erhebliche Geldmittel verfügt, auch nach Stilllegung ihres Produktionsbetriebes die Unternehmereigenschaft zuzubilligen, da unter den gegebenen Umständen die spätere Wiederaufnahme der Herstellertätigkeit nicht ausgeschlossen ist (Okt 10/94). 11 Wird ein Unternehmen oder werden Teile eines Unternehmens während eines Verstoßes gegen § 1 KartG oder nach dessen Ende umstrukturiert oder veräußert, kann sich die Frage stellen, wen die (bußgeldrechtliche) Verantwortung für die Zuwiderhandlung trifft: Die Verantwortlichkeit eines Unternehmens für einen Kartellverstoß wird weder durch die Änderung der Rechtsform, noch durch sonstige Umstrukturierungen, noch durch die Veräußerung von Unternehmensteilen berührt (vgl EuGH 16.11.2000, Cascades / Kommission, C-279/98 P, Slg 2000, I-9693, Rn 78). Ob einem Unternehmen, obwohl es nicht Urheber eines Kartellrechtsverstoßes war, dennoch Sanktionen dafür auferlegt werden können, ist nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Kontinuität zu beurteilen. So kann ein Rechtsnachfolger nach Wegfall des Rechtsvorgängers (etwa bei einem Rechtsformwechsel durch übertragende Umwandlung) zur Haftung für das Bußgeld herangezogen werden (vgl EuGH, 24.9.2009 „Erste Group Bank ua“, C-125/07 P): Wenn das an einem Kartellverstoß beteiligte Unternehmen zu existieren auf8
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gehört hat, weil es von einem Erwerber übernommen (mit diesem verschmolzen) wurde, geht auf diesen mit Aktiven und Passiven auch die Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Kartellrecht über (aaO Rn 326). Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger sind dann in wirtschaftlicher Betrachtungsweise identisch. Auf den Anteil, den die Assets des übernommenen Unternehmens im Unternehmen des Rechtsnachfolgers ausmachen, kommt es dabei nicht an (vgl dazu auch EuGH, 11.12.2007 „Ente Tabacchi italiani ua“, C-280/06, Rn 40 f). Werden dagegen bloß Unternehmensteile veräußert, ist von der fortgesetzten Verantwortlichkeit desjenigen Unternehmens und seines Trägers, etwa eines Konzerns als wirtschaftlicher Einheit, auszugehen, das zum Zeitpunkt des Kartellverstoßes über die Dispositionsgewalt verfügte. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens hat für sich genommen noch nicht den Wegfall der Unternehmenseigenschaft im kartellrechtlichen Sinn zur Folge (16 Ok 6/10). c) Handelsvertreter als Unternehmer Rechtlich selbständige Vertriebsorgane, die es für eine gewisse Dauer 12 mit vertraglicher Bindung an ein Unternehmen übernommen haben, den Absatz von Produkten dieses Unternehmens zu fördern, werden als Absatzmittler bezeichnet (16 Ok 8/05). Die Interessenwahrungspflicht ist charakteristisch. Ein Absatzmittler (Handelsvertreter, Kommissionsagent) ist von den unabhängigen Händlern, die Waren irgendeines Herstellers aus eigenem Antrieb frei am Markt erwerben, um sie im Rahmen ihres Sortiments zum Weiterverkauf anzubieten, zu unterscheiden (16 Ok 6/99). Im Kartellrecht werden Eigenhändler und Handelsvertreter kartell- 13 rechtlich unterschiedlich behandelt. Handelsvertreter vermitteln als „Hilfsorgan“ und verlängerter Arm ihres Geschäftsherrn oder Auftraggebers ständig den Verkauf oder Ankauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen und schließen darüber im Namen und für Rechnung des Geschäftsherrn Verträge ab. Ihre Tätigkeit ist durch ihre Weisungsgebundenheit und durch ihre Pflicht, die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren, gekennzeichnet. Insoweit ist der Handelsvertreter üblicherweise als Hilfsorgan in das Unternehmen des Herstellers eingegliedert, ist einem Angestellten gleichzustellen und bildet zusammen mit seinem Geschäftsherrn eine wirtschaftliche Einheit, dies selbst dann, wenn er als Gewerbetreibender und Unternehmer mit eigener 9
§ 1 KartGGugerbauer Rechtspersönlichkeit tätig ist (vgl EuG, 15.9.2005 „Mercedes-Benz“ – Rs T-325/01, Rn 85 ff). 14 Entscheidend ist die Risikoverteilung bei Abschluss und Durchführung der vom Handelsvertreter vermittelten oder im Namen des Geschäftsherrn abgeschlossenen Verträge (Europäische Kommission, 10.10.2001 „Mercedes-Benz“, ABl 2002 L 257, 1 Rn 163). Die finanziellen Risiken des Handelsvertreters geben einen wichtigen Beurteilungsmaßstab (EuGH, 16.12.1975 „Zucker“, Slg 1975, 1663), wichtig ist also, inwieweit der Vertreter „das Risiko aus den für den Geschäftsherrn vermittelten Geschäften“ und damit „die finanziellen Risiken des Absatzes bzw der Abwicklung der mit Dritten geschlossenen Verträgen“ zu tragen hat“ (vgl EuGH, 24.10.1995 „V.A.G. Leasing“, Slg 1995, I-3477, 3516). 15 Einerseits gibt es also Risiken, die unmittelbar mit den Verträgen verbunden sind, welche der Handelsvertreter für den Auftraggeber ausgehandelt und/oder abgeschlossen hat. So zählen insbesondere die Risiken der Nichtlieferung (Absatzrisiko), der Schlechterfüllung und der Insolvenz des Kunden „zum Preisrisiko“ (vgl EuG, 15.9.2005 „Mercedes-Benz“ – Rs T-325/01, Rn 95 ff, 101). Dabei sind etwa die Faktoren Eigentum der Vertragswaren, Investition in absatzfördernde Maßnahmen, Kosten und Risiken der Lagerung, Übernahme der Haftung gegenüber Dritten und Beteiligung an den Vertriebskosten zu berücksichtigen (vgl EuGH, 14.12.2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicios v Compania Española de Petróles SA, Rn 51-60). Bei einem „echten“ Handelsvertretervertrag trägt der Handelsvertreter bezüglich der von ihm auftragsgemäß ausgehandelten und/oder abgeschlossenen Verträge und bezüglich der spezifischen Investitionen für das betreffende Geschäftsfeld keine oder nur unbedeutende Risiken. Die mit dem Geschäft verbundenen finanziellen und geschäftlichen Risiken treffen also alleine den Auftraggeber, der „echte“ Handelsvertreter übt keine unternehmerische Tätigkeit im kartellrechtlichen Sinn aus (vgl EuGH, 14.12.2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicios v Compañia Española de Petróles SA, Rn 51 ff). Es gibt keinen feststehenden Schlüssel, wie viele Risiken ein Handelsvertreter tragen muss, damit von einem „unechten“ Handelsvertretervertrag gesprochen werden kann. Die Überwälzung eines einzigen Risikos kann jedenfalls schon ausreichend sein, wenn es geeignet ist, gegebenenfalls die wirtschaftliche Existenz des Handelsvertreters zu gefährden. 10
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Risiken können aber auch im Zusammenhang mit Basisinvestitionen 16 entstehen, die für die Tätigkeit eines Handelsvertreters erforderlich sind. In diesem Sinne stellen etwa Aufwendungen für seine Geschäftsräumlichkeiten und sein Personal typische Risiken dar. Allgemeine finanzielle Belastungen, die ein Handelsvertreter unter Umständen aufgrund seiner Eigenschaft als selbstständiger Gewerbetreibender in Kauf zu nehmen hat, wirken sich aber auf die Beurteilung der Risikoverteilung zwischen Geschäftsherr und Absatzmittler nicht aus. Auch die Übernahme eines Risikos abseits der „klassischen“ Handelsvertretertätigkeit, des Verkaufs von Produkten oder Dienstleistungen, etwa im Bereich des After Sales Service, führt nicht zu einem „unechten“ Verhältnis (vgl etwa EuG, 15.9.2005, T-325/01, DaimlerChrysler AG vs Kommission). Kein Handelsvertretervertrag liegt vor, wenn der Handelsvertreter zumindest eines der folgenden Risiken trägt: Beteiligung an Kosten (einschließlich Beförderungskosten) für Lieferung; Übernahme der Risiken für Lagerhaltung; Produkthaftung; Investitionen in verkaufsfördernde Maßnahmen (zB Beteiligung an Werbeaufwendungen des Geschäftsherrn); Investitionen in marktspezifische Ausrüstungen (zB spezielle Software), Räumlichkeiten oder Mitarbeiterschulungen (Vertikal-LL, Rz 16, 21). § 1 KartG ist anwendbar, wenn der Absatzmittler einen nennenswerten Teil des Absatzrisikos trägt (16 Ok 10/09, 16 Ok 6/09). Wenn der Handelsvertreter für mehrere unterschiedliche Geschäftsherrn tätig ist, dann ist er nicht als in das Unternehmen eines Auftraggebers integriertes Hilfsorgan, sondern als unabhängiger Absatzmittler anzusehen (sog „Vielfachvertretung“, vgl EuGH, 1.10.1987 „Flämische Reisebüros“, Slg 1987, 3801). Unabhängiger Absatzmittler kann aber auch sein, wer nur für einen Auftraggeber handelt (EuGH 11.9.2008, C-279/06, Rn 44 ff). Der „echte“ Handelsvertreter ist kein „Unternehmer“ iSd § 1 Abs 1 17 (vgl EuGH, 14.12.2006 „Cepsa“ – Rs C-217/05; Nolte in Langen/Bunte12, Bd 2, nach Art 101 AEUV, Rn 650). Verpflichtungen, die einem solchen Handelsvertreter auferlegt werden, fallen grundsätzlich nicht unter das Kartellverbot nach § 1 Abs 1, daher bedarf es auch keiner Freistellung. Dies gilt zB für die Zuweisungen eines bestimmten (begrenzten) Gebietes, in welchem der Handelsvertreter die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen muss bzw darf, die Beschränkungen des Kundenkreises, an den der Handelsvertreter die Vertragswaren oder -dienstleistungen vermitteln darf bzw muss, oder auch eine Preisbindung des Handelsvertreters. Dies unabhängig davon, ob der Han11
§ 1 KartGGugerbauer delsvertreter als Einzelkaufmann oder etwa mittels einer Kapitalgesellschaft tätig ist (vgl EuG, 15.9.2005 „Mercedes-Benz“ – Rs T-325/01, Rn 86). Diese Privilegierung gilt aber nicht für Handelsvertreter, deren Rechtsstellung sich funktionsmäßig und wirtschaftlich der eines Eigenhändlers nähert (9 Ob 2065/96h). Dem „unechten“ Handelsvertreter dürfen durch den Geschäftsherrn keine Preisvorgaben gemacht werden, es darf ihm auch nicht untersagt werden, seine Provision ganz oder zum Teil auch für Kundenrabatte einzusetzen. Er ist also berechtigt, seinen Verkaufspreis zu senken, soweit dadurch das Einkommen des Geschäftsherrn nicht geschmälert wird (vgl Europäische Kommission, Rs IV/32.737 – Eirpage, ABl L v. 7.11.1991). Für „echte“ Handelsvertreterverträge ist die Vereinbarung von Gebietsbeschränkungen, Kundenbeschränkungen sowie die Vorgabe von Preisen und Bedingungen zulässig. Derartige Verpflichtungen fallen nicht unter das Kartellverbot (Vertikal-LL, Rz 18). Dagegen fallen Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Handelsvertreter und Geschäftsherren (wie zB Alleinvertreterklauseln und Markenzwangsklauseln) grundsätzlich in den Anwendungsbereich von § 1 KartG und Art 101 AEUV. d) Öffentliche Unternehmen 18 Auch die Öffentliche Hand kann unternehmerisch tätig sein. Nimmt sie aktiv am Wirtschafts- und Geschäftsleben teil, unterliegt ihr Handeln wettbewerbsrechtlicher Beurteilung. Zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen ist in kartellrechtlicher Hinsicht also nicht zu unterscheiden (EuGH 28.2.2013, C-1/12, Rn 48). Unter öffentlichen Unternehmen sind Unternehmen in Privatrechtsform zu versetehen, sofern der Staat (das Land, die Gemeinde) die Mehrheit des Gesellschaftskapitals des Unternehmens hält oder die Mehrheit der mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte ausüben kann oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Leitungs-, Vertretungs- oder Aufsichtsorgans bestellen, kann aber auch in öffentlichrechtlicher Form unternehmerisch tätige Einrichtungen. 19 Die Behördenstruktur einer juristischen Person des öffentlichen Rechts verhindert also nicht die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf ihre wirtschaftlichen Aktivitäten (vgl Emmerich in Immenga/Mestmäcker, Art 101 Abs 1 AEUV, Rn 12). Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgt oder mit der Ausübung der hoheitlichen Befugnisse „untrennbar verbunden“ ist (vgl EuGH 12.7.2012, C-138/11, Rn 38). Tätigkeiten, die nur in Aus12
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übung hoheitlicher Befugnisse erfolgen, haben keinen wirtschaftlichen Charakter, der die Anwendung des Wettbewerbsrechts rechtfertigen würde (vgl EuGH, 1.7.2008 „MOTOE“, C-49/07, Rn 24). Verfügt eine Einrichtung dagegen nur für einen Teil ihrer Tätigkeit über hoheitliche Gewalt, steht deren Einstufung als Unternehmen für den Rest ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nichts entgegen (vgl EuGH, 1.7.2008 „MOTOE“, C-49/07, Rn 25). Es ist aber den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich aus der Teilnahme der Öffentlichen Hand am Wettbewerb ergeben. Setzt die Öffentliche Hand etwa Machtmittel, die ihr aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen, kann dies nach § 5 KartG missbräuchlich sein (4 Ob 141/99s). Für manche Vorhaben ist sowohl eine hoheitliche Bewilligung, wie 20 auch eine privatrechtliche Zustimmung der öffentlichen Hand erforderlich. Beispielweise ist für die Benutzung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden, Luftraums zu anderen Zwecken als solchen des Straßenverkehrs, etwa zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Vorschriften eine Bewilligung der zuständigen Gebietskörperschaft, etwa einer Gemeinde, nach der StVO notwendig. Nach § 82 Abs 5 StVO ist die Bewilligung zu erteilen, wenn durch diese Straßenbenutzung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird und eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass damit nur die straßenverkehrsrechtlichen Implikationen sonstiger Tätigkeiten auf Straßen in Bezug auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs beurteilt werden, nicht aber andere Kriterien der Vergabe solcher Flächen, auch nicht andere öffentlich-rechtliche Kriterien, wie sie etwa in Bauordnungen, Straßenverwaltungsgesetzen, Gebrauchsgebührengesetzen oder Naturschutzgesetzen vorgesehen sind. Auch die Frage, wem von mehreren potenziellen Anspruchstellern eine bestimmte Fläche zur Benutzung zu überlassen ist und wem nicht, wird durch die StVO nicht entschieden (16 Ok 8/14h). Für das Aufstellen von privaten Einrichtungen oder Geräten (zB von Verkaufsständen) auf öffentlichem Grund bedarf es daher (auch) einer privatrechtlichen Form der Zustimmung der Gebietskörperschaft. Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Frage, ob das Handeln einer Gebietskörperschaft hoheitlich oder privatwirtschaftlich anzusehen ist, kommt es nicht auf die Rechts13
§ 1 KartGGugerbauer form an, in der der zu beurteilende Akt ergeht (16 Ok 12/03). Maßgeblich ist, ob bei der entsprechenden Tätigkeit der Gebietskörperschaft wirtschaftliche Ziele völlig in den Hintergrund treten, so dass ausgeschlossen werden könnte, dass diese Tätigkeit auch von Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt werden könnte (vgl EuG 16.12.2006 „SELEX“, Slg 2006 II 4803 Tz 88; Emmerich in Immenga/Mestmäcker, Art 101 Abs 1 AEUV, Rn 34). Kartellrechtlicher Kontrolle unterliegen etwa die Post (16 Ok 14/03; 16 Ok 14/03; 16 Ok 3/01) und der ORF (Okt 27/73). Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird etwa beim Abschluss von Werbeverträgen oder beim Erwerb von Senderechten (zB für Sportveranstaltungen oder Serien aus fremder Produktion) eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Ein Unternehmen, das einen im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Wald forstwirtschaftlich betreut, übt ebensowenig eine hoheitliche Tätigkeit aus wie der Busdienst der ÖBB oder ein staatliches Fremdenverkehrsamt (16 Ok 3/08). 21 Die Unternehmereigenschaft von Gebietskrankenkassen ist zu verneinen. Wenn diese zur Sicherstellung des gesetzlich vorgegebenen Sachleistungssystems mit den Leistungserbringern privatrechtliche Verträge abschließen (und auflösen), entfalten sie eine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht (16 Ok 5/04; vgl auch EuGH 16.3.2004, C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, Rn 47, 49). Die zur Abgrenzung der sozialen von der wirtschaftlichen Tätigkeit gesetzlicher Krankenkassen angewandten Kriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Mitwirkung an der Verwaltung eines Systems der sozialen Sicherheit, Verwirklichung des Grundsatzes der Solidarität, keine Gewinnerzielungsabsicht, gesetzlich bestimmte Beträge und gesetzlich bestimmte, im Wesentlichen gleiche Pflichtleistungen, Unabhängigkeit der Leistungen von den Beiträgen. Diese Kriterien treffen auf die Gebietskrankenkassen nach dem ASVG zu. Das von den Krankenkassen bereitzustellende Sachleistungssystem setzt voraus, dass Behandlungsleistungen entweder von Krankenversicherungsträgen selbst oder von Dritten – auf Rechnung der Krankenkasse – erbracht werden. Der Gesetzgeber des ASVG hat die möglichen Alternativen allerdings eingeschränkt, weil er die Krankenkassen verpflichtet, in erster Linie privatrechtliche Verträge mit freiberuflich tätigen Ärztegruppenpraxen sowie anderen befugten Berufsgruppen und Vertragspartnern abzuschließen (§ 338 Abs 1 ASG). Eigene Einrichtungen der Versicherungsträger dürfen für die Versorgung mit diesen Leistungen nur nach Maßgabe der hiefür gel14
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tenden gesetzlichen Bestimmungen herangezogen werden (16 Ok 3/15z mit Verweis auf § 338 ASVG). e) Konzerne § 115 Abs 1 GmbHG definiert den Konzern als die Zusammenfassung 22 rechtlich selbständiger Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung. Auch im Wettbewerb ist der Konzern als wirtschaftliche Einheit aufzufassen. Absprachen zwischen Unternehmen, die demselben Konzern angehören, sind dann nicht am Kartellverbot des § 1 Abs 1 zu messen, wenn diese Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, in der die einzelnen Gesellschaften ihr Verhalten am Markt nicht selbständig bestimmen können, sondern von den Weisungen der Konzernmutter abhängig sind (16 Ok 9/08). Kartellrecht greift also nicht ein, wenn wirtschaftlich unselbständige, konzernverbundene Unternehmen untereinander Wettbewerbsbeschränkungen vereinbaren. Es kommt darauf an, ob die betreffenden Unternehmen ihr Vorgehen auf dem Markt autonom bestimmen können (4 Ob 197/00z). Absprachen innerhalb einer wirtschaftlicher Einheit werden mangels einer wirtschaftlichen Autonomie der beherrschten Unternehmen und wegen des Fehlens eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Konzernunternehmen nicht am Kartellverbot gemessen (EuGH, 25.11.1971 „Béguelin“, Slg 1971, 949; EuGH, 24.10.1996 „Viho“, Slg 1996, I-5457, 5487 ff). In den Leitlinien der Europäischen Kommission zur Anwendbarkeit 23 von Art 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit heißt es zu diesem „Konzernprivileg“: „Unternehmen, die Teil ein und desselben ‚Unternehmens‘ im Sinne von Artikel 101 Absatz 1 sind, werden in diesen Leitlinien nicht als Wettbewerber angesehen. Artikel 101 gilt nur für Vereinbarungen zwischen unabhängigen Unternehmen. Übt ein Unternehmen bestimmenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen aus, so bilden beide eine einzige wirtschaftliche Einheit und sind folglich Teil desselben Unternehmens. Dasselbe gilt für Schwesterunternehmen, dh Unternehmen, über die dieselbe Muttergesellschaft bestimmenden Einfluss ausübt. Sie werden folglich nicht als Wettbewerber angesehen, selbst wenn beide auf demselben relevanten sachlichen und räumlichen Markt tätig sind“ (Rn 11). Wo einheitliche Leitung gesellschaftsrechtlich möglich und zulässig ist, 24 kann die Konzernspitze das Marktverhalten der Konzernunternehmen 15
§ 1 KartGGugerbauer bestimmen, ohne diese vertraglich zu binden (4 Ob 2/93; 7 Ob 204/63). Die zu einem Konzern gehörenden Unternehmen, in denen die gemeinsame Willensbildung und das gemeinsame Auftreten im Markt durch eine Obergesellschaft kontrolliert werden, sind eine Unternehmenseinheit, die ein Unternehmen darstellt (16 Ok 1/00). Es reicht, wenn die Konzernleitung in der Lage ist, auf die Willensbildung und Geschäftsführung der Konzerngesellschaften einen beherrschenden Einfluss auszuüben. Dafür genügt, dass die Konzernmutter in der Lage ist, Konzernweisungen zu erteilen (EuG, 30.4.2009 „Itochu / Kommission“, WuW/E EU-R 1562, 1565 Rn 49). 25 Gem § 21 Z 2 gelten bei der Berechnung von Marktanteilen Unternehmen, die in der im § 7 beschriebenen Form miteinander verbunden sind, als ein einziges Unternehmen. Daraus kann aber noch nicht abgeleitet werden, dass dann, wenn ein Unternehmen an einem anderen Unternehmen einen Beteiligungsgrad von 25%, aber keinen solchen von 50 % erreicht (vgl § 7 Abs 1 Z 3), und dem beteiligten Unternehmen in strategischen Fragen des Beteiligungsunternehmens keine Vetorechte zustehen, zwischen diesen beiden Unternehmen keine Wettbewerbsbeschränkung iSv § 1 Abs 1 möglich wäre. 26 Ist nicht eine Absprache zwischen Unternehmen ein und desselben Konzerns, sondern das Marktverhalten gegenüber nicht dem gleichen Konzern angehörenden Unternehmen zu beurteilen, sind Konzernunternehmen grundsätzlich auch bei wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Muttergesellschaft als selbstständige Akteure zu behandeln. Nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit wird jedem Unternehmen eigenes kartellrechtswidriges Verhalten zugerechnet, mag es sich auch um ein beherrschtes Konzernunternehmen handeln (16 Ok 12/06). Wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Mutter befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtsobjekten, kann das kartellrechtswidrige Verhalten einer Tochtergesellschaft aber auch der Muttergesellschaft zugerechnet werden. Dies insbesondere dann, wenn es in den Unternehmensleitungen der beiden Unternehmen eine weitgehende Personenidentität gibt. In einem solchen Fall sind die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden ein Unternehmen iSv § 1, weshalb der Muttergesellschaft eine Geldbuße auferlegt werden kann, ohne dass ihre persönliche Beteiligung an der 16
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Zuwiderhandlung nachzuweisen ist. Hält die Muttergesellschaft 100% des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft, besteht die – widerlegbare – Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt; dann obliegt es der Muttergesellschaft, diese Vermutung zu widerlegen, also unter Beweis zu stellen, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt. Eine derartige Zurechnung kann aber auch im Hinblick auf Enkel- bzw Urenkelgesellschaften überprüft werden (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Ein Gemeinschaftsunternehmen, also eine unternehmerische Einheit, 27 die von zwei oder mehr Unternehmen kontrolliert wird, wird in kartellrechtlicher Betrachtung durch einen Zusammenschluss iSv § 7 Abs 2 errichtet, soweit es ohne enge operative Abhängigkeit von den Gründern selbständig am Markt tätig ist („Vollfunktions-GU“). Andernfalls kann es über die Zusammenarbeit von Gründerunternehmen mit dem Gemeinschaftsunternehmen zu einem Verstoß gegen § 1 Abs 1 kommen. Dies vor allem dann, wenn die Gründer im gleichen relevanten Markt tätig sind oder wenn die Gründer für das GU bedeutende Lieferanten oder Abnehmer sind. Dabei gibt es keinen Vorrang der Zusammenschlusskontrolle vor dem Kartellverbot, beide Regelungen können nebeneinander zur Anwendung kommen (vgl 16 Ok 9/08). 2. Unternehmervereinigungen Das Kartellverbot zielt auch auf Vereinigungen von Unternehmern ab. 28 Und zwar nicht bloß auf Unternehmervereinigungen, die selbst unternehmerisch tätig sind, sondern auch auf solche, die selbst nicht, aber deren Mitglieder Unternehmer sind. Zweck, Rechtsform und/oder Organisationsform der Unternehmervereinigung sind dabei ohne Relevanz. In Frage kommen also Vereine, Genossenschaften, Kammern, aber auch vergleichsweise locker organisierte Interessengemeinschaften (vgl 16 Ok 14/97). Zwischen privatrechtlich und öffentlich-rechtlichen Vereinigungen wird also nicht differenziert, auch Vereinigungen mit Pflichtmitgliedschaft, wie die Wirtschaftskammer und deren Untergliederungen, sind Unternehmervereinigungen iSv § 1 Abs 1 (vgl 16 Ok 45/05). Verfügt eine Unternehmervereinigung über eine eigene Rechtspersönlichkeit, ist sie selbst Normadressatin von § 1 KartG. Fehlt diese, werden die einzelnen Mitglieder Norm- und Entscheidungsadressaten. Auch eine Vereinigung von Unternehmervereinigungen kann – über 17
§ 1 KartGGugerbauer den Wortlaut von § 1 Abs 1 hinaus – betroffen sein (Europäische Kommission, 30.11.1994 „Zement“, 1994 L 343/1, 97). Der Sitz einer Vereinigung spielt keine Rolle, wenn sich nur ihre wettbewerbsbeschränkenden Beschlüsse in Österreich auswirken können.
B. Wettbewerbsbeschränkendes Zusammenwirken 29 § 1 KartG erfasst Formen der Kooperation bzw Kollusion, durch welche die beteiligten Unternehmen – unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit – direkten Einfluss auf Parameter nehmen, die unter Marktverhältnissen Ergebnis von Wettbewerbsprozessen sind – zB Preise. 30 Den drei Tatbeständen des § 1 Abs 1, den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, ist das bewusste und gewollte Zusammenwirken von zwei oder mehr Unternehmern zur Koordinierung ihres Marktverhaltens, um den Risiken des Wettbewerbs zu entgehen, gemeinsam. Da wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen gleichermaßen verboten sind, erübrigt sich in der Regel eine Differenzierung, also eine ausdrückliche Feststellung, ob eine Vereinbarung von Unternehmen oder eine zwischen Unternehmen abgestimmte Verhaltensweise vorliegt (16 Ok 4/12). Relevant ist allenfalls die Unterscheidung zwischen einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen einerseits und nicht abgestimmtem Parallelverhalten andererseits. 1. Vereinbarungen zwischen Unternehmen 31 Im KartG selbst wird der Begriff „Vereinbarung“ nicht definiert. Da § 1 Abs 1 aber „alle“ Vereinbarungen erfasst, ist von einer weiten Begriffsbestimmung auszugehen. Insofern liegt eine Vereinbarung bereits dann vor, wenn zwei oder mehrere Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, mag die Willensübereinstimmung ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder formlos zustande gekommen sein (16 Ok 8/10; 16 Ok 1/09; 16 Ok 14/08; EuGH 8.7.1999, C-49/92 P, Rn 130, EuGH 6.1.2004 – C-2/01p Rn 97). Kernelement einer Vereinbarung ist daher die Willensübereinstimmung der beteiligten Unternehmen über die Regelung ihres Marktverhaltens (EuGH, 3.12.2003, Slg 2003, 18
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II-5141). Es ist aber ausreichend, wenn in groben Zügen Konsens über das zukünftige Marktverhalten besteht. Sowohl ein Kartell durch Vertrag, wie auch eines durch Absprache setzt eine derartige Willenseinigung voraus (16 Ok 1/13; 16 Ok 2/00; RIS-Justiz RS0114081). Auf die Form der Vereinbarung (schriftlich, mündlich oder schlüssig) 32 kommt es nicht an, sofern sie nur den Willen der Parteien getreu wiedergibt (EuGH 13.7.2006 „Kommission / Volkswagen“, Slg 2006 I-6585 Rn 37). Die Vereinbarung kann sogar durch konkludentes Handeln ohne Distanzierung entstehen (EuGH, 25.10.1983 „AEG-Telefunken“, Slg 1983, 3151, 3195). Vereinbarungen können auch stillschweigend geschlossen werden (dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Hersteller oder Generalimporteur seinen Händlern Lieferscheine und Rechnungen mit dem Vermerk „Ausfuhr verboten“ zusendet, und dies von den Händlern stillschweigend akzeptiert wird, vgl EuGH 6.1.2004, C-2/01 P und C-3/01 P, Rn 85, 97). Die Abgrenzung zwischen einer schlüssigen Vereinbarung und einer abgestimmten Verhaltensweise kann schwierig sein, spielt für die Kartellrechtspraxis aber insoweit keine Rolle, als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen die gleichen Rechtsfolgen nach sich ziehen (16 Ok 1/09). Eine Willensübereinstimmung kann nicht nur im Zuge durch eines in 33 sich geschlossenen Akts zustande kommen, sondern auch durch fortgesetztes Verhalten und eine Mehrzahl von Absprachen oder Abstimmungen, sofern sie sich in einem Gesamtplan einfügen. So ein Gesamtplan muss nicht von Anfang an existiert haben, sondern kann auch erst im Laufe der Zeit ausgearbeitet werden. Etwa nach Schaffung einer organisatorischen, zumindest informellen Plattform von Wettbewerbern zur Koordination von Preisen oder anderen Geschäftsstrategien oder den Austausch sensibler Geschäftsdaten. Einzelne Absprachen oder Abstimmungen können insofern im Hinblick auf eine Grundvereinbarung zu einer „Bewertungseinheit“ zusammengefasst werden, sodass sämtliche Teilakte im prozessualen Sinn eine einheitliche Tat bilden (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die Durchführung des Kartells kann sich dann in zahlreichen Einzelhandlungen ausdrücken, mit denen die beteiligten Unternehmer die (einheitliche) Kartellvereinbarung in die Tat umsetzen (11 Os 157/79). Ob eine vertragliche Übereinkunft oder Absprache vorliegt, ist eine 34 Frage der Tatsachenfeststellungen (16 Ok 1/13). Zeugenaussagen, bzw 19
§ 1 KartGGugerbauer Geständnisse von (Organvertretern von) Kartellmitgliedern haben durch die Kronzeugenregelung erheblich an Bedeutung gewonnen (vgl auch EuG, 20.4.1999 „PVC II“, Slg 1999, II-931, 1134 Rn 725 ff, 728). Begriff und Inhalt der Vereinbarung sind objektiv zu verstehen, auf subjektive Intentionen, innere Vorbehalte oder unterlassene Mitwirkung kommt es nicht an. Allfällige innere Vorbehalte, die Vereinbarung nicht, nicht konsequent oder nur abweichend zu beachten, sind ebensowenig relevant wie die Behauptung, es würde nur zum Schein oder aus Gründen der „Verhandlungstaktik“ so gehandelt (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Einem Unternehmen kann die Beteiligung an einem Verstoß gegen das Kartellverbot aber nur dann zur Last gelegt werden, wenn es auch die subjektive Voraussetzung hinsichtlich der entsprechenden Willensäußerung erfüllt (nur ein rein objektives Tatgeschehen ist nicht ausreichend: 16 Ok 2/10). Wusste der Unternehmer oder musste er wissen, dass die Absprache, an der er sich beteiligt, Teil eines Gesamtplans ist, so trägt er Verantwortung für den Gesamtplan. Ohne Bedeutung sind unterschiedliche Interessenlagen der Unternehmer oder auch mangelnder Einfluss auf den Gesamtplan (16 Ok 8/10; 16 Ok 1/09; 16 Ok 14/08). 35
Ein Nachweis über eine „Verpflichtung“ ist für einen Kartellverstoß nicht erforderlich, rechtlich verbindlich muss eine Vereinbarung nicht sein. Der gerichtlichen Durchsetzung einer Vereinbarung iSv § 1 Abs 1 würde ja bereits die Nichtigkeit gem § 1 Abs 3 entgegenstehen. Auch unverbindliche Absprachen erfüllen die Merkmale einer Vereinbarung (EuG, 8.7.2008, T-53/03, Slg 2008 II 1353, 1380, Rn 82), eine Willensübereinstimmung iSv § 1 Abs 1 liegt also etwa auch dann vor, wenn zwischen Unternehmen ein Gentlemen Agreement abgeschlossen wurde, das einen gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringt und eine Wettbewerbsbeschränkung zum Gegenstand hat. Auch ohne gewollte Einklagbarkeit kommt es dann zumindest zu aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Reine Absichtserklärungen reichen dagegen für eine Vereinbarung nicht aus, können aber, soweit sie übereinstimmend befolgt werden, zu aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen führen.
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Eine Kartellvereinbarung wird nicht nur dann durchgeführt, wenn sich die Beteiligten an die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung halten und diese außenwirksam realisieren, sondern auch dann, wenn ein Unternehmer einen anderen durch Ausübung konkreten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und/oder rechtlichen Drucks zur Einhaltung einer 20
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wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung nötigt oder zu nötigen versucht. Ob sich ein Unternehmen freiwillig oder unter dem Druck der anderen Seite an der Vereinbarung beteiligt, ist unerheblich (16 Ok 8/10; 16 Ok 14/08). Selbst eine „widerwillig“ abgegebene Zustimmung führt zu einer Vereinbarung (Kommission, 2.4.2003 „Französischer Rindfleischmarkt“, ABl 2003 L 209/12, Rn 32). Dem Unternehmen würde es ja anstatt der Teilnahme offen stehen, sich an die Wettbewerbsbehörde zu wenden. Auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des einen Vertragspartners vom anderen schließt das Vorliegen einer Vereinbarung nicht aus (16 Ok 8/10). Bei der Bemessung des Bußgeldes kann jedoch der Umstand, dass ein Unternehmen durch Ausübung von Zwang zur Telnahme an einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung bewegt wurde, berücksichtigt werden. Nehmen Vertreter eines Unternehmens an Treffen teil, bei denen wett- 37 bewerbswidrige Vereinbarungen geschlossen werden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, ist dies ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell. Werden Vereinbarung im Rahmen einer Sitzung (eines „Treffens“) abgeschlossen, beteiligt sich jeder Unternehmer, der an der Sitzung teilgenommen hat, ohne sich offen gegen die Vereinbarung auszusprechen, an der Vereinbarung (EuGH, 7.1.2004 „Aalborg Portland ua / Kommission“, WuW/E EU-R 899). Im Fall eines kartellgerichtlichen Verfahrens liegt es also an dem Unternehmen, Umstände darzutun, aus denen sich ergibt, dass ihm jede wettbewerbswidrige Einstellung fehlte, es hat nachzuweisen, dass seine Wettbewerber im Rahmen der Sitzung auf seine abweichende Zielsetzung hingewiesen worden sind (EuGH, 8.7.1999 „Kommission / Anic partecipazioni“, Slg 1999, I-4125, Rn 69; 21.9.2006 „technische Unie BV / Kommission“ – Rs C-113/04, Rn 114). Entscheidend ist die Außenwirkung, reine Vorbereitungshandlungen 38 sind daher nicht als Durchführung zu bewerten (16 Ok 4/07; 16 Ok 8/08). Wenn sich die Parteien noch im Verhandlungsstadium befinden und noch keine Einigung über ihr künftiges Verhalten erzielt haben, liegt keine Vereinbarung iSd § 1 Abs 1 vor. Einseitige Maßnahmen wie sind daher keine Vereinbarungen und fallen grundsätzlich nicht unter das Kartellverbot (EuGH 25.10.1983, Rs 107/82, AEG, Rn 38; für Empfehlungen ist aber die Sonderbestimmung des § 1 Abs 4 KartG [Empfehlungskartelle] zu beachten). Ein im Planungsstadium befindliches Vorhaben, das auf die Wettbewerbslage nicht einwirkt, begründet kein Kartell (Okt 5/92). Dagegen stellen nicht angewendete oder „ru21
§ 1 KartGGugerbauer hende“ Verträge kartellrechtlich relevante Vereinbarungen dar (EuGH Rs 41/69, Slg 1970, 661, Chemiefarma). 39 Von einer horizontalen Vereinbarung wird gesprochen, wenn sie von Unternehmen der selben Produktions- oder Vertriebsstufe abgeschlossen wird. Die Leitlinien der Europäischen Kommission betreffend Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl Nr C 11 vom 14.1.2011) sind auch für die kartellrechtliche Beurteilung horizontaler Zusammenarbeit nach den Bestimmungen des KartG heranzuziehen (16 Ok 51/05). 40 Vertikale Vereinbarungen betreffen dagegen Absprachen zwischen Unternehmen, die auf verschiedenen Produktions- oder Vertriebsstufen tätig sind. Beim Vertrieb von Waren kommen etwa Vereinbarungen zwischen Produktionsunternehmen und Rohstofflieferanten oder Zulieferern von Komponenten, zwischen Herstellern und Großhändlern oder zwischen Großhändlern und Einzelhändlern in Frage. Eine Vereinbarung iSv Abs 1 kann auch dann vorliegen, wenn die Parteien auf verschiedenen Märkten tätig sind (16 Ok 10/09). Bei vertikalen Preisbestimmungsmaßnahmen ist kein höheres Beweisniveau zu verlangen als im Rahmen einer horizontalen Beziehung. Auch ein mittelbarer Beweis anhand von Indizien aufgrund der gesamten Umstände des Falls reicht aus, wenn diese vernünftigerweise allein den Schluss auf eine zugrundeliegende Vereinbarung der Beteiligten zulassen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 41 Im Vertikalverhältnis sind Fälle, in denen ein Hersteller/Lieferant das Kooperationsverhältnis ohne ausdrückliche oder auch nur stillschweigende Mitwirkung des Abnehmers/Händlers durch einseitige Eingriffe prägt, von denen zu unterscheiden, in denen nur scheinbar Einseitigkeit vorliegt (EuGH, 18.9.2003 „Volkswagen“, Slg 2003, I-9189, 9257f Rn 60, 67; 13.7.2006 „Volkswagen“ – Rs C-74/04, Rn 14). Wirklich einseitige Maßnahmen fallen nicht unter § 1 Abs 1 (vgl EuG, 3.12.2003 „VWHändlerverträge“, Slg 2003, II-5141). Werden Maßnahmen von einem Hersteller/Lieferanten im Rahmen von vertraglichen Beziehungen mit einem Abnehmer/Händler nur scheinbar einseitig getroffen und finden sie zumindest die stillschweigende Zustimmung des Abnehmers/ Händlers, ist von einer Willensübereinstimmung zwischen Hersteller/ Lieferant einerseits und Abnehmer/Händler andererseits auszugehen, der Sachverhalt ist als Vereinbarung zu qualifizieren (EuG, 21.10.2003 „Opel Nederland“, Slg 2003, II-4491 Rn 167). Die wirtschaftliche Ab22
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hängigkeit eines Vertragspartners von einem anderen schließt das Vorliegen einer Willensübereinstimmung und damit einer Vereinbarung nicht aus (vgl 16 Ok 1/09; EuGH, 12.7.1979 „BMW-Belgium“, Slg 1979, 2435, 2478). Erhalten beispielweise regelmäßige Abnehmer eines Unternehmens Rechnungen mit dem Aufdruck „Export verboten“ und widersprechen sie dieser Klausel nicht, kommt eine Vereinbarung zustande (EuGH 11.1.1990 „Sandoz“, Slg 1990 I 45; Kommission, 4.12.1991, ABl EG 1992 Nr L 66/1, 7 „Peugeot“). Kann ein – wenn auch abhängiger – Partner den Abschluss einer Vereinbarung rechtlich und tatsächlich verweigern, dann kann davon ausgegangen werden, dass ein dennoch zustande gekommener Vertrag von seinem Willen mitgetragen wird (vgl Hengst in Langen/Bunte, Art 101 Rn 79). Eine solchermaßen – zumindest stillschweigend – erfolgte Willensübereinstimmung fügt sich in die bestehenden Vertragsbeziehungen zwischen Hersteller/Lieferant und Abnehmer/Händler ein (EuGH, 18.9.2003 „Volkswagen“, Slg 2003, I-9189, 9257 f Rn 67). In der Regel kann aber nicht unterstellt werden, dass ein Händler mit 42 Abschluss eines Händlervertrages vorweg allen Maßnahmen zustimmt, die ein Hersteller/Lieferant in der Folge im Rahmen der vertraglichen Beziehungen ergreift. Es sei denn, der Abnehmer/Händler hätte dem Hersteller/Lieferanten eine uneingeschränkte Ermächtigung erteilt. Es ist zu überprüfen, welche Regelung der Händlervertrag vorgesehen hat, dies unter Berücksichtigung der mit dem Vertrag verfolgten Ziele. Fehlen einschlägige Vertragsbestimmungen, kommt es nur dann zu einer Folgevereinbarung, wenn der Abnehmer/Händler den Maßnahmen des Herstellers/Lieferanten ausdrücklich oder stillschweigend zustimmt (EuGH, 13.7.2006 „Volkswagen“ – Rs C-74/04, Rn 46). Alleine die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen nach einer „einseitigen Maßnahme“ des Herstellers/Lieferanten ist noch nicht als Zustimmung zu bewerten. Dabei muss berücksichtigt werden, ob die „einseitige Maßnahme“ dem Interesse des Abnehmers/Händlers entspricht (EuGH, 18.9.2003 „Volkswagen“, Slg 2003, I-9189, 9257 f Rn 66). Mit anderen Worten können auch einseitige Maßnahmen eines Herstellers/Lieferanten im Zusammenhang mit einer vertraglichen Rahmenvereinbarung als Vereinbarung iSv § 1 Abs 1 qualifiziert werden, wenn die Maßnahme im Rahmen eines Vertriebsystems getroffen wird und sich in die bestehenden vertraglichen Beziehungen einfügt (EuGH, 12.7.1979 „BMW / Kommission“, Slg 1979, 2435, 2477). Kürzt ein Hersteller/ Lieferant beispielsweise einseitig die Liefermenge, um Parallelausfuh23
§ 1 KartGGugerbauer ren des Abnehmers/Lieferanten zu verhindern, versucht der Abnehmer/Händler aber ungeachtet dessen, Liefermengen zum Zweck von Parallelausfuhren zu erwerben, fehlt es an einer konkludenten Zustimmung des Abnehmers/Händlers und damit an einer Vereinbarung (EuGH, 6.1.2004 „Adalat“, Slg 2004, I-23). 43 Ein besondere Form kartellrechtlich relevanter Vereinbarungen sind sogenannte Sternverträge, die von einem Unternehmen mit einer Mehrzahl von Partnern abgeschlossen werden, wobei durch ein derartiges Bündel von Vertikalverträgen (indirekt) eine (horizontale) Vereinbarung zwischen den Beteiligten bewirkt wird. Dies kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Wirksamkeit des Einzelvertrags nach dem Willen der Beteiligten von den übrigen Verträgen abhängig ist, die parallelen Bindungen nach der Zielsetzung der Beteiligten also nur im Zusammenwirken sinnvoll sind, oder wenn sie direkt auf horizontaler Abstimmung zwischen den gebundenen Unternehmen beruhen. Die horizontale Abstimmung muss nicht Hauptzweck der Vertikalverträge sein; es ist bereits tatbestandsmäßig, wenn die Verträge so gestaltet sind, dass man das vertikale Vertragsverhältnis gar nicht eingehen kann, ohne einer horizontal wirkenden Abstimmung zuzustimmen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 44 Auch Mittätern und/oder Gehilfen eines Verstosses gegen § 1 Abs 1 können die Zuwiderhandlungen der jeweils anderen beteiligten Unternehmen zugerechnet werden, wenn die entsprechenden objektiven und subjektiven Zurechenbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies kann etwa für eine Unternehmensberatung gelten, die im Rahmen individueller Dienstleistungsverträge an wettbewerbs- und rechtswidrigen Zielen des Kartells mitgearbeitet hatte (16 Ok 2/10). 2. Beschlüsse von Unternehmervereinigungen 45 Ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung iSv § 1 Abs 1 liegt vor, wenn er von einem Organ der Vereinigung gefasst wurde, das satzungsmäßig dazu ermächtigt ist. Es handelt sich also um eine durch Abstimmung (der Mitglieder der Vereinigung oder der Mitglieder eines vertretungsbefugten Organs der Vereinigung) zum Ausdruck gebrachte und festgehaltene Erklärung einer Vereinigung (vgl 16 Ok 22/04). Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen eines Beschlusses iSd § 1 KartG ist (ebenso wie für Vereinbarungen), dass der Beschluss Ausdruck des Willens der Vereinigung ist, dass Verhalten ihrer Mitglieder auf dem 24
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Markt zu koordinieren (16 Ok 45/05). Maßgeblich ist nicht, ob die Mitglieder der Vereinigung einem Beschluss auch tatsächlich Folge leisten. Ein formell ordnungsgemäß gefasster Beschluss fällt selbst dann unter § 1 Abs 1, wenn er von den Mitgliedern der Vereinigung nicht befolgt wird (vgl Hengst in Langen/Bunte Art 101 AEUV, Rn 107). Auch die Art der Kommunikation des Beschlusses einer Unternehmensvereinigung spielt keine Rolle. Werden etwa Preislisten von einem Verlagsorgan einer Unternehmensvereinigung veröffentlicht, ist dies der Unternehmensvereinigung zuzurechnen (vgl 16 Ok 14/97). Wenn sich § 1 Abs 1 dem Wortlaut nach auch – nur – gegen „Beschlüs- 46 se“ von Unternehmervereinigungen wendet, unterliegen auch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Rahmen einer Unternehmervereinigung, etwa der wettbewerbsbeschränkende Text einer unterfertigten Beitrittserklärung, dem Kartellverbot. Bloße Empfehlungen von Unternehmervereinigungen können rechtlich verbindlich sein, wenn sie die Mitglieder faktisch binden, die sich der Empfehlung nicht entziehen können, ohne Nachteile rechtlicher, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Art in Kauf nehmen zu müssen. Unverbindliche Verbandsempfehlungen sind dagegen unbedenklich (16 Ok 22/04). Auch wenn der Beschluss die Empfänger der Empfehlung nicht faktisch bindet, ist der Tatbestand des Beschlusses erfüllt, sobald mehrere Mitglieder der Vereinigung freiwillig der Aufforderung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen nachkommen (16 Ok 45/05). 3. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen Der Tatbestand der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen erfasst 47 unabhängig von der Form der Willensübereinstimmung jedes bewusste und gewollte Zusammenwirken von Unternehmen auf dem Markt, das zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risken verbundenen Wettbewerbs treten lässt: die beteiligten Unternehmen geben über Koordinierung oder Fühlungnahme ihre Selbständigkeit auf (vgl 16 Ok 14/97; 4 Ob 165/98p; EuGH, 16.12.1975 „Zucker“, Slg 1975, 1663; 14.7.1972 „ICI“, Slg 1972, 619). Unter Verhaltensabstimmung ist also eine „Fühlungnahme“ zwischen den Unternehmern zu verstehen, etwa ein Informationsaustausch (zB von Angeboten), geeignet und bestimmt, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten der Gegenseite auszuschalten, das Wettbe25
§ 1 KartGGugerbauer werbsrisiko abzuschwächen (16 Ok 7/00). Es fehlt noch an der Willensübereinstimmung, die eine Vereinbarung herbeiführt. Insofern ist die Abstimmung im Vergleich zur Vereinbarung ein „Weniger“. Die Erfassung von aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen stellt einen Auffangtatbestand dar (vgl 16 Ok 21/97; 16 Ok 14/97). Der Kern des tatbestandsmäßigen Verhaltens liegt in der Aufgabe der – sonst nur vom Wettbewerb kontrollierten – Unabhängigkeit marktbezogenen Handelns, denn jedes Unternehmen hat selbständig zu bestimmen, wie es sich auf dem Markt verhält (EuGH, 16.12.1975 „Zucker“, Slg 1975, 1663, Rn 174). Auch wenn – diesbezüglich – eine ausdrückliche Vereinbarung fehlt, kann eine Abstimmung eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken, wenn eine von den beteiligten Unernehmen geschaffene Interessenlage es unwahrscheinlich macht, dass diese Unternehmen bestimmte Wettbewerbshandlungen setzen werden (16 Ok 51/05). Das wettbewerbsorientierte „Selbständigkeitspostulat“ steht jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungsnahme zwischen Unternehmern entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines (gegenwärtigen oder potenziellen) Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das eigene (beabsichtigte) Marktverhalten ins Bild zu setzen. 48 Ein Verstoß gegen § 1 Abs 1 kann sich auch aus unterschiedlichen Abstimmungen und Verhaltensweisen, die sich wegen ihres identischen Zwecks einer Verfälschung des Wettbewerbs zu einem „Gesamtplan“ fügen, zusammensetzen („komplexe Kartelle“), dies kann als einheitliche Zuwiderhandlung beurteilt werden (EuG, 20.4.1999, „PVC II“, Slg 1999, II-931, 1127 Rn 696), wobei die Verantwortung für diese Handlungen den Beteiligten als Ganzes auferlegt wird (EuG, 14.12.2006 „Raiffeisen Zentralbank Österreich AG / Kommission [LombardtFall]“, WuW/E EU-R 1262). Dadurch soll eine künstliche Zerlegung des durch ein einziges wirtschaftliches Ziel gekennzeichneten kontinuierlichen Verhaltens vermieden werden (EuGH, 8.7.1999 „Kommis sion/ANIC Partecipazioni“, Slg 1999, I-4125, 4206, 4193). Es muss also nicht für jeden Einzelakt festgestellt werden, auf welcher konkreten Abstimmung er beruht, sofern er auf Grundlage der gleichen Mechanismen und in Verfolgung des gleichen Zwecks umgesetzt wurde (EuG, 14.12.2006 „Raiffeisen Zentralbank Österreich AG / Kommission [Lombardt-Fall]“, WuW/E EU-R 1262). 49 Der Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweise wird – anders als Vereinbarungen oder Beschlüsse – nur verwirklicht, wenn neben die 26
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Abstimmung auch deren Umsetzung, dh ein konkretes Verhalten (EuGH 8.7.1999, C-49/92 P, Rn 118) iS einer Anpassung tritt. Der Tatbestand ist also zweigliedrig. Zwischen der Koordinierung (der Absprache) und dem Verhalten der Unternehmer muss ein Kausalzusammenhang bestehen (Hengst in Langen/Bunte, Art 101 AEUV Rn 109). Für eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gilt die Kausalitätsvermutung (EuGH 4.6.2009, C-8/08, Rn 52). Die Kausalitätsvermutung ist im Hinblick auf die Beweislast zwingend zu beachten (vgl EuGH, 4.6.2009 „T-Mobile Netherlands“, WuW/E EU-R 1589, 1594, Rn 5052). Dabei ist zunächst eine Abstimmung nachzuweisen, erst wenn dieser Nachweis gelungen ist, kommt die – widerlegbare – Vermutung zum Tragen, dass die der Abstimmung zu Grunde liegenden Informationen von den an der Abstimmung beteiligten Unternehmern im Rahmen ihres Marktverhaltens berücksichtigt werden (vgl 16 Ok 7/00). Klassisches Mittel der Verhaltensabstimmung ist der Informationsaus- 50 tausch zwischen Konkurrenten mit dem Ziel, von vornherein die Ungewissheit über das zukünftige Wettbewerbsverhalten auszuräumen (EuGH, 16.12.1975 „Zucker“, Slg 1975, 1963, 1966). Vom Informationsaustausch müssen einerseits Daten erfasst sein, die geheim, also nicht öffentlich zugänglich sind, und die sich auf wettbewerbliches Verhalten, etwa die Festlegung von Preisen, beziehen. Ein Informations„Austausch“ erfordert Gegenseitigkeit, diese ist bereits dann anzunehmen, wenn ein Wettbewerber seine Absichten, bzw sein künftiges Verhalten auf dem Markt einem anderen auf dessen Wunsch mitteilt und dieser die Mitteilung annimmt (EuG, „Cimenteries CBR“, T-25/95 ua, Slg 2000, Ii-491, Rn 1849). Es reicht also bereits eine einseitige Informationsübermittlung mit Zustimmung des Adressaten, davon ist etwa schon bei einer Erläuterung der eigenen Preispolitik in einer Sitzung, an der auch Wettbewerber teilnehmen, auszugehen. Typischer Zweck derartiger Mitteilungen ist es ja, Wettbewerbern eine entsprechende Anpassung ihres eigenen Markthandelns zu ermöglichen. Die Feststellung, dass mit einer abgestimmten Maßnahme ein wettbe- 51 werbswidriger Zweck verfolgt wird, setzt nicht voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit Verbraucherpreisen festgestellt wird (EuGH, 4.6.2009 „T-Mobile Netherlands“, WuW/E EU-R 1589, Rn 39). Schon ein Informationsaustausch, der geeignet ist, die Unsicherheiten unter den Beteiligten hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ausmaßes und der Modalitäten einer marktrelevanten Anpassung auszuräumen, verfolgt einen wettbewerbswidrigen Zweck (aaO, Rn 41). , 27
§ 1 KartGGugerbauer 52 Der Nachweis einer Abstimmung kann etwa durch Urkunden (EMails, Aktenvermerke, Tagesordnungen, Protokolle, Teilnehmerlisten, etc) erfolgen. Aber auch Presseerklärungen oder Interviews mit der Ankündigung zukünftiger Geschäftspolitik können als direkter Beweis herangezogen werden (vgl EuGH, 31.3.1993 „Zellstoff“, Slg 1993, I-1307, 1599 Rn 64). Ergibt sich beispielsweise aus schriftlichen Einladungen, internen Vermerken, usw., dass sich bestimmte Unternehmer getroffen haben, obliegt es den Unternehmern, entlastende Umstände betreffend den Zweck solcher Treffen vorzutragen und zu belegen (EuGH, 7.1.2003 „Aalborg Portland“, C-204/00 = WuW/E EU-R 899, Rn 81). Sind zwischen Unternehmern nachweislich Treffen erforderlich, um gemeinsame Fragen zu besprechen, die keinen Bezug zu Wettbewerbsverstößen haben, kann alleine deswegen nicht unterstellt werden, dass mit diesen Zusammenkünften bezweckt worden sei, wettbewerbswidrige Verhaltensweisen abzustimmen (EuG, 12.4.2013 „GEMA“, T-410/08, Rn 84 ff). 53 Also etwa Indizien, die eindeutig darauf hinweisen, dass ein Unternehmer ausdrücklich erklärt habe, entsprechende Informationen nicht erhalten zu wollen, dabei kommt es nicht zuletzt auf das Verständnis an, das die übrigen Kartellteilnehmer von seiner Absicht hatten (EuGH, 19.3.2009 „ADM/Kommission“, C-510/06 P, WuW/E EU-R 1551, 1553, Rn 119 f). Darüber hinaus ist entscheidend, ob der Kontakt das mit einer autonomen Entscheidung verknüpfte Risiko beseitigt oder vermindert, ob die Verringerung der Ungewissheit über das Marktgeschehen das Erfordernis einer autonomen Entscheidung des Unternehmers einschränkt (EuGH, 28.5.1998 „Deere“, Slg 1998, I-3111, 3163). Eine Beurteilung anhand von Indizien ist aber nicht erforderlich, wenn konkrete Ursachen des Verhaltens nachgewiesen und festgestellt wurden (vgl 16 Ok 7/00). 54 Ob es zu einem aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen kommt, ist häufig nur aus Indizien abzuleiten. Bestimmte Einzelheiten können durch Deduktion rekonstruiert werden und das Vorliegen einer Verhaltensweise oder einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung kann aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Hengst in Langen/Bunte, Art 101 AEUV Rn 128; EuG, 5.12.2006 „Westfalen Gassen Nederland“ – Rs T-303/02, Rn 106 f). Die Anpassung des Verhaltens eines Unternehmers an das festgestellte oder er28
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wartete Verhalten eines Wettbewerbers führt zu gleichförmigem Verhalten. Gleichförmiges Verhalten alleine erfüllt noch nicht den Tatbestand einer abgestimmten Verhaltensweise, kann aber ein wichtiges Indiz dafür sein. Nämlich dann, wenn im Hinblick auf die Art der Ware oder Dienstleistung, die Bedeutung und Anzahl der beteiligten Unternehmen und den Marktumfang die Wettbewerbsbedingungen nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen (EuGH, 14.7.1972 „ICI“, Slg 1972, 619, 658 Rn 64, 67; EuG, 6.4.1995 „Baustahlgewebe / Kommission“, Slg 1995, II-987, 1022). Das Verhalten von Unternehmen kann etwa dann ein Indiz für verbotene Abstimmung sein, wenn ein fixes Informationsaustauschsystem geschaffen wird (Kommission, 11.5.1973 „Kali und Salz“, ABl 1973 L 217/3, 5), wenn die Preise bzw Preislisten mehrerer Wettbewerber identisch sind (Kommission, 21.12.1988 „LDPE“, ABl 1989 L 74/21, 27) und sich dies weder durch marktbedingtes Verhalten noch durch „Zufall“ erklären lässt, vor allem dann, wenn auf dem Markt kein Zwang zum „Mitziehen“ besteht und kein Marktführer vorhanden ist, dessen Preise man zwecks Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit folgen müsste (16 Ok 21/97; 26 Kt 369/96). Eine solch einheitliche Preisgestaltung lässt mangels eines Gegenbeweises nur den Schluss zu, dass die selbständigen Einzelhändler diese vielen Waren nur deshalb zum gleichen Preis verkaufen, weil sie sich vorher darüber informiert haben, was ihre Kollegen dafür verlangen und weil sie aufgrund langjähriger Erfahrung erwarten konnten, dass die Kollegen diese Preise auch weiterverrechneten (vgl 16 Ok 21/97). Dabei ist zu überprüfen, über welche Handlungsalternativen die Unternehmer verfügten. Nur wenn es tatsächlich Handlungsalternativen gegeben hätte, kann ein über längere Zeit andauerndes Verhalten Indiz für eine Abstimmung sein. Bei gleichzeitigen Preiserhöhungen, die über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, kann es etwa eine Rolle spielen, ob die übereinstimmende Preispolitik ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass die Preiserhöhungen eines Vorlieferanten einkalkuliert werden. Indiz für eine Abstimmung ist aber auch, wenn Preisänderungen vorzeitig öffentlich angekündigt werden (Kommission, 19.12.1984 „Zellstoff“, ABl 1985 L 85/1, 20), oder wenn sich die Beteiligten im Voraus über die wesentlichen Faktoren einer Preiserhöhung (Prozentsatz, Zeitpunkt) informieren (EuGH, 14.7.1982 „ICI“, Slg 1972, 619, 663). Dabei spielen ökonomische Erfahrungssätze, etwa jener, dass Unternehmen in der Regel ihren wirtschaftlichen Eigeninteressen nicht zuwiderhandeln, eine wichtige Rolle (Europäische Kommission, 25.11.1980 „Johnson + Johnson“, ABl 1980 L 377/16, 23 29
§ 1 KartGGugerbauer Rn 28). Das tatsächliche Marktverhalten der Unternehmen gilt regelmäßig als wichtiges Indiz zum Nachweis einer Abstimmung. Wenn mehrere Unternehmen sich weigern, Kaufangebote von potenziellen Abnehmern, die ihren Sitz außerhalb des jeweils traditionellen Absatzgebietes („Marktverantwortungsgebietes“) dieser Unternehmer haben, anzunehmen, ist dies auffällig. In solchen Fällen ist allerdings eine sorgfältige Untersuchung des Marktes vorzunehmen. 55 Zumindest bei manchen Abstimmungen, beispielsweise beim Tausch sensibler Daten, ist anzunehmen, dass diese unweigerlich das nachfolgende Marktverhalten in wettbewerbsbeschränkender Weise beeinflussen, so dass auf eine gesonderte Analyse des Marktverhaltens verzichtet werden kann (vgl dazu Hengst in Langen/Bunte, Art 101 AEUV Rn 117). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht bei einem Informationsaustausch – vorbehaltlich des den Unternehmern obliegenden Gegenbeweises – von der Vermutung aus, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmer die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen im Rahmen ihres Marktverhaltens berücksichtigen (EuGH, 1.10.2003 „Sorbate“, COMP. 37.370 Rn 264). Eine wettbewerbswidrige Auswirkung muss dann nicht mehr festgestellt werden (EuGH, 4.6.2009 „T-Mobile Netherlands“, WuW/E EU-R 1589, 1592, Rn 35). 56 Abgestimmte Verhaltensweisen fallen – mangels eines Gegenbeweises durch die beteiligten Unternehmer – selbst dann unter § 1 Abs 1, wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten (vgl EuGH, 8.7.1999 „Kommission/ANIC Partecipazioni“, Slg 1999, I-4125, 4203, Rn 121). Im Rahmen ihres Gegenbeweises können sich die beteiligten Unternehmen nicht darauf beschränken, eine vermeintlich andere Erklärung für den festgestellten Sachverhalt zu geben, sondern müssen die nachgewiesenen Tatsachen entkräften, wenn die Verhaltensabstimmung als solche bewiesen ist (EuG, 20.4.1999 Limburgse Vinyl Maatschapping, T-305/94 ua Slg 1999 II-945, Rn 728). 57 Ein abgestimmtes Verhalten liegt aber nicht stets dann vor, wenn ein Marktteilnehmer auf die durch einen anderen Marktteilnehmer geschaffene Situation reagiert (vgl 4 Ob 165/98p). Das „Selbständigkeitspostulat“ richtet sich nicht gegen das Recht eines Unternehmers, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten eines Mitbewerbers „mit wachem Sinn“ anzupassen (EuGH, „Zucker“, aaO). Keine wettbewerbsbeschränkende Verhaltensabstimmung liegt daher bei einer ein30
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seitigen Mitteilung oder einem Parallelverhalten zwischen Unternehmern, ohne dass sie durch ein Zusammenwirken Einfluss auf die Marktverhältnisse ausüben wollen, vor. Werden Unternehmer durch geänderte Marktverhältnis zu einem „Mitziehen“ bei bestimmten Konditionen gezwungen, liegt kein abgestimmtes Verhalten zur Vermeidung der Risken des Wettbewerbs vor (vgl 16 Ok 7/00). Liegt ein Parallelverhalten von Wettbewerbern vor und kann nach der 58 Größe und Anzahl der Unternehmen der Grüße des Marktvolumens und Art der Erzeugnisse nicht ausgeschlossen werden, dass die Unternehmer auch ohne Abstimmung zu einem derartigen Parallelverhalten gefunden haben (und gibt es gegen diese Erklärung keine anderen übereinstimmenden Indizien), kann einer parallelen Preisankündigung allein noch keine Indizwirkung für eine Abstimmung beigemessen werden (EuGH, 31.3.1993 „Zellstoff“, Slg 1993, I-1307, Rn 72). Wenn aus bestimmten Indizien die – vorläufige – Schlussfolgerung ge- 59 zogen wird, dass sich ein bestimmtes Marktverhalten nur mit einer Abstimmung erklären lasse, haben die beteiligten Unternehmer bloß Umstände nachzuweisen, die den festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen und damit eine andere Erklärung ermöglichen (EuGH, 28.3.1984 „Rheinzink“, Slg 1984, 1679, 1702). Die Indizwirkung eines Parallelverhaltens für eine vorausgegangene Abstimmung hängt davon ab, ob die beteiligten Unternehmer für ihr Verhalten eine plausible Erklärung anbieten (EuGH, 31.3.1993 „Zellstoff“, Slg 1993, I-1307, 1601 Rn 71). Dies heißt aber nicht, dass von den beteiligten Unternehmern der volle Gegenbeweis erbracht werden müsste. Ein Reagieren auf Marktverhältnisse, ohne dass die Unternehmen die Marktverhältnisse im Zusammenwirken beeinflussen wollen, ergibt noch keine Abstimmung (vgl 16 Ok 7/00). Die Beweislast für das Vorliegen aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen liegt beim Antragsteller. Grundsätzlich ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob eine Verhaltensabstimmung vorliegt (vgl 2 Ob 83/01w). Im Einzelfall wird tatbestandsmäßiges Verhalten nur nachzuweisen sein, wenn es keine andere Erklärung für das Parallelverhalten als eine bewusste Verhaltensabstimmung gibt. Der für eine Abstimmung nötige Kontakt kann auch über Dritte („In- 60 formanten“) hergestellt werden. Solche Dritte müssen nicht selbst Unternehmer (oder eine Vereinigung von Unternehmern) sein (vgl 16 Ok 21/97). Auch ein Unternehmer, der sich an einer Wettbewerbsbeschrän31
§ 1 KartGGugerbauer kung „nur“ durch die Organisation und Überwachung getroffener Absprachen beschränkt, verstößt gegen § 1 Abs 1 (vgl Europäische Kommission, 10.12.2003 „Organische Peroxide“, WuW/E EU-V 1017, 1022 Rn 332-340). Der Verbotstatbestand erfasst also auch bloße Teilnahmehandlungen von Unternehmern, die auf dem relevanten Markt weder als Wettbewerber, noch als Anbieter oder Nachfrager tätig sind (vgl Europäische Kommission, 17.12.1980 „Gussglas Italien“, ABl 1980 L 383/19, 23, 26). Mit anderen Worten kann auch eine passive Form der Beteiligung an der Zuwiderhandlung geeignet sein, Mittätereigenschaft zu begründen (EuG, 8.7.2008 „AC Treuhand AG“ – Rs T-99/04, Tz 132). 61 Das Verbot wettbewerbsbeschränkender, aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen betrifft auch Abstimmungen im Vertikalverhältnis, also zwischen auf unterschiedlicher Produktions- oder Vertriebsebene tätigen Unternehmen. Soweit zwischen derartigen Unternehmen eine Vereinbarung (etwa ein langfristiger Liefer- oder Bezugsvertrag) abgeschlossen wurde, darf diese nicht durch eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise (etwa zur Verhinderung von Parallelimporten) ergänzt werden (EuGH, 7.6.1983 „Musique Diffusion Francaise“, Slg 1983, 1825, 1897). 62 Die fünfjährige Verjährungsfrist für die Verhängung einer Geldbuße (§ 33) beginnt erst mit dem Tag, an dem die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung eingestellt wurde. Überdies sind Unternehmer stets für die gesamte Zuwiderhandlung verantwortlich (Kommission, 2.7.2002 „Methionin“, ABl 2003 L 255/1, 16), dies jedenfalls dann, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass er sich an einem wettbewerbsbeschränkenden Gesamtkartell beteiligt (EuG, 20.4.1999 „PVC II“, Slg 1999, II-931 Rn 773, 1146; EuGH, 8.7.1999, „Kommission / ANIC Partecipazioni“, Slg 1999, I-4125, 4206, 4193).
C. Wettbewerbsstörungen 1. Wettbewerb 63 Der Zweck des Kartellrechts liegt in der Wahrung bzw Förderung des Wettbewerbs (16 Ok 6/10). Das KartG enthält aber keine Definition des Begriffs Wettbewerb. Es handelt sich somit um einen unbestimmten Rechtsbegriff Friedrich August von Hayek hat Wettbewerb als wirtschaftliches Such- und Entdeckungsverfahren bezeichnet, 32
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dass zu neuen Ergebnissen führe, die ohne Wettbewerb unerkannt geblieben wären (Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 119). In wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 20) könnte man Wettbewerb als Prozess erklären, der darüber entscheidet, welcher von zwei oder mehr Anbietern vergleichbarer Waren oder Dienstleistungen oder welcher von zwei oder mehr Nachfragern nach vergleichbaren Waren oder Dienstleistungen sich unter Anwendung verschiedenster Mittel (Aktionsparameter) gegen konkurrierende Anbieter bzw Nachfrager zum Geschäftsabschluss mit Dritten durchsetzt. Hat ein Kunde die Wahl, kann er aus mehreren vergleichbaren Angeboten auswählen, spricht man von einem Nachfragemarkt. Beim Angebotsmarkt ist dagegen das Angebot vergleichbarer Produkte oder Dienstleistungen geringer als die Nachfrage. Es ist nicht sicher, ob der Kunde zum Zug kommt. Auf einem Nachfragemarkt haben Anbieter im Rahmen ihrer geschäft- 64 lichen Handlungsfreiheit ihre Produkte oder Dienstleistungen so zu gestalten, zu ergänzen und/oder zu präsentieren, dass diese – und nicht die Angebote eines anderen Anbieters – von einem Nachfrager angenommen werden. Wettbewerb dient insofern auch dem Schutz von Verbraucherinteressen vor der Ausbeutung durch überlegene unternehmerische Macht. Auf dem Angebotsmarkt liegt es beim Nachfrager, ob er im Rahmen seiner geschäftlichen Handlungsfreiheit eine so attraktive Gegenleistung anbietet, dass er – und nicht ein anderer Nachfrager – den Zuschlag für das Produkt oder die Dienstleistung erhält. Wettbewerbsparameter sind beispielsweise der Preis, die Qualität, die Lieferfrist, der after-sales-Service (vgl auch die Leitlinien der Europä ischen Kommission zu horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen 2011, Rn 27). Der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit gilt nicht nur im (Wettbewerb 65 zwischen konkurrierenden Marken (inter-brand-Wettbewerb), sondern auch im intra-brand-Wettbewerb (Absatz von Waren desselben Produzenten durch konkurrierende Absatzmittler; 16 Ok 8/05). Um feststellen zu können, ob eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise den Wettbewerb beschränkt, müssen die zu erwartenden Auswirkungen auf den Markenwettbewerb (also den Wettbewerb zwischen Anbietern konkurrierender Marken – „interbrand“ Wettbewerb), bzw auf den markeninternen Wettbewerb (also den Wettbewerb zwischen Anbietern derselben Marke – „intra-brand“ Wettbewerb) berücksichtigt werden. 33
§ 1 KartGGugerbauer 66 Neben der freien Wahlmöglichkeit der Verbraucher (zwischen verlgeichbaren, substituierbaren Waren oder Dienstleistungen unterschiedlicher Anbieter) kommt dem Selbständigkeitspostulat erhebliche Bedeutung zu. Der EuGH bezeichnet die Selbständigkeit der unternehmerischen Entscheidung als den Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages (EuGH, 16.12.1975 „Zucker“, Slg 1975, 1663, 1965). Im Wettbewerb von Unternehmen haben Anbieter und Nachfrager nicht alleine darauf zu achten, dass sie sich gegen Konkurrenten durchsetzen, sondern im Eigeninteresse auch darauf, dass dies zu ökonomischen Bedingungen geschieht, die ihre Unternehmerschaft fördern, jedenfalls auf Dauer nicht gefährden. Bei gewerblich tätigen Anbietern heißt dies etwa, dass sie mit dem Verkauf von Produkten oder mit der Erbringung von Dienstleistungen zumindest im Schnitt positive Deckungsbeiträge erwirtschaften müssen, die die Fortführung ihres Geschäftsmodells ermöglichen. 2. Wettbewerber 67 Unternehmen gelten als Wettbewerber, wenn sie auf dem selben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind. ISv § 23 ist der relevante Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept zu definieren. Aber auch potenzielle Wettbewerber sind uU zu berücksichtigen. Um unverfälschten Wettbewerb zu ermöglichen, muss der Zugang zum Markt, dh der „Markteintritt“ eines neuen Mitbewerbers, geschützt werden. Als potenzieller Anbieter und damit Wettbewerber gilt ein Unternehmer dann, wenn es wahrscheinlich ist, dass er im Falle eines geringen aber anhaltenden Anstiegs der relativen Preise innerhalb kurzer Zeit die zusätzlichen Investitionen tätigen oder sonstigen Umstellungskosten auf sich nehmen würde, die erforderlich wären, um in den relevanten Markt einzutreten. Eine entsprechende Prüfung muss auf einer realistischen Grundlage erfolgen, die rein theoretische Möglichkeit eines Marktzutritts reicht nicht aus (vgl Europäische Kommission, Horizontal-Leitlinien 2011, ABl 2011 C 11/1, Rn 10). 68 Grundsätzlich muss die Tätigkeit potenzieller Wettbewerber bereits eine gewisse sachliche und räumliche Nähe zum relevanten Markt haben. Auch muss der mögliche Marktzutritt innerhalb einer angemessenen Zeit zu erwarten sein (Europäische Kommission, 13.7.1990 „Elopak/Metal Box“, ABl 1990 L 209/15, 19). Unternehmen, die ursprünglich eine vergleichbare oder komplementäre Produktpalette hergestellt 34
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haben und später wechselseitig eine Spezialisierung der Produktion vereinbart haben, bleiben auch nach Aufgabe eines Teils ihrer Produktion potenzielle Wettbewerber (Europäische Kommission, 17.1.1972 „MAN/SAVIEM“, ABl 1972 L 31/29, 32). 3. Wettbewerbsbeschränkung Die in § 1 Abs 1 bezeichneten Formen des Zusammenwirkens von Un- 69 ternehmern sind verboten, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Unabhängig davon, ob der Wettbewerb verhindert, eingeschränkt oder verfälscht wird, führt die Wettbewerbsbeschränkung zu den gleichen Rechtsfolgen (16 Ok 10/09). Eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs liegt in der Regel dann vor, wenn die jeweilige Vereinbarung oder Absprache geeignet ist, die Marktverhältnisse zu verändern, wenn also die wettbewerblich relevante Handlungsfreiheit aller oder einzelner der beteiligten Unternehmen beeinträchtigt wird (vgl 16 Ok 51/05). Dies ist der Fall, wenn die Beteiligten marktrelevante Verhaltensmöglichkeiten, die sie ohne die Vereinbarung hätten, nicht mehr wahrnehmen dürfen bzw können (vgl 16 Ok 4/03). Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt dagegen nicht vor, wenn ein durch eine Vereinbarung gebundenes Unternehmen ohnehin keine Handlungsfreiheit hätte. Es kommt also auf die den Unternehmen tatsächlich offenstehenden Handlungsmöglichkeiten an. Im Zusammenhang mit der Einschränkung der wettbewerbsrelevanten Handlungsfreiheit sind auch die aktuellen oder potenziellen Auswirkungen auf Dritte zu berücksichtigen (16 Ok 51/05). Es kommt darauf an, ob eine Vereinbarung geeignet ist, den Wettbewerb im relevanten Markt in einem solchen Maße zu beeinträchtigen, dass auf Preise, Produktion, Innovation oder Qualität der Waren oder Dienstleistungen negative Auswirkungen zu erwarten sind (16 Ok 4/03). Bei der Prüfung, ob eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, ist also 70 der konkrete Rahmen, der Gesamtzusammenhang, zu berücksichtigen, in dem eine Vereinbarung oder Absprache ihre Wirkung entfaltet, insbesondere der wirtschaftliche und rechtliche Kontext, in dem die betroffenen Unternehmer tätig sind, die Art der Waren und/oder Dienstleistungen, auf die sich die Vereinbarung oder Absprache bezieht, sowie die tatsächlichen Bedingungen der Funktion der Struktur des relevanten Marktes (vgl EuGH, 18.7.2006 „Meca/Medina“, Slg 2006, I-6991, 35
§ 1 KartGGugerbauer Rn 39 ff). Die tatsächliche Wettbewerbssituation ist mit jener zu vergleichen, die ohne das fragliche Verhalten bestehen würde (vgl EuGH, 10.7.1980, „Lancôme“, Slg 1980, 2511). Zu prüfen ist, wie sich der Wettbewerb gestalten würde, wenn solche Wettbewerbsbeschränkungen nicht vereinbart worden wären. 71 Das Prinzip der Wettbewerbsfreiheit gilt für alle Produktions- und Vertriebsstufen und sowohl im Horizontalverhältnis zwischen Marktteilnehmern auf gleicher Stufe wie auch im Vertikalverhältnis zwischen Unternehmen auf verschiedenen Marktstufen. Geschützt ist sowohl der Wettbewerb zwischen Waren oder Dienstleistungen unterschiedlicher Marken (inter-brand Wettbewerb), wie zwischen Produkten oder Leistungen der gleichen Marke (intra-brand Wettbewerb). Erfasst werden aber auch Beschränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gegenüber Dritten (EuGH 13.7.1966, Rs 56 und 58/64, 387). Nicht nur der aktuelle, auch der potenzielle Wettbewerb, also der Zugang zum Markt, ist geschützt (EuGH 21.2.1972, Rs 6/72, Rn 25). Den Marktteilnehmern ist es also nicht gestattet, die Anzahl der Wettbewerber mit anderen Mitteln als jenen des Wettbewerbs zu beeinflussen. Auch Abreden, die den Verzicht eines potenziellen Wettbewerbers auf Markteintritt zum Gegenstand haben, fallen grundsätzlich unter das Verbot des § 1 Abs 1 KartG. Potentielle Wettbewerber sind Unternehmen, bei denen bei objektiver Betrachtung der Marktverhältnisse, etwaiger Zutrittsschranken und ihrer Ressourcen zu erwarten ist, dass sie im Falle einer geringfügigen aber spürbaren Preiserhöhung in absehbarer Zeit in den Markt eintreten würden (vgl etwa Vertikal-LL, Rn 27). Marktinformationsverfahren verstoßen gegen Abs 1, wenn die beteiligten Unternehmen Wettbewerber sind und zeitnah Informationen über Umstände austauschen, die nicht allgemein und nicht ohne weiteres verfügbar sind, aber das Wettbewerbsverhalten beeinflussen können, weil sich wettbewerbsrelevante Informationen individuellen Wettbewerbern zuordnen lassen (16 Ok 12/06). Die Ungewissheit über das Marktverhalten der Wettbewerber kann so beeinträchtigt oder gar beseitigt werden (16 Ok 12/06). Ausreichend aggregierte Marktstatistiken, die die keine Rückschlüsse auf marktrelevante Informationen zuzulassen, sind davon nicht betroffen. Die wettbewerbliche Relevanz von Daten hängt nicht zuletzt von ihrem Alter ab. Aktuelle Daten haben typischerweise eine höhere Relevanz als historische Daten, historische Daten sind in der Regel wettbewerbsneutral (vgl Horizontal-LL, Rn 90 ff). Betroffen ist nicht nur der direkte Datenaustausch sondern auch der indirekte 36
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Austausch, sei es über eine gemeinsame Einrichtung (etwa eine Unternehmensvereinigung) oder über einen Dritten (etwa einen Wirtschafts treuhänder). Verfügt ein Unternehmen über ein Nominierungsrecht für den Alleingeschäftsführer eines Wettbewerbers, wird dadurch faktisch Einfluss auf die Geschäftsführung des Wettbewerbers und der Zugang zu marktrelevanten Informationen des Wettbewerbers ermöglicht. Unabhängig vom vertraglichen und/oder gesetzlichen Beschränkungen eines derartigen Informationsflusses führt die objektive Gefährdungseignung zur Kartellrechtswidrigkeit (16 Ok 12/06). Wird ein Zulieferer (als „verlängerte Werkbank“) mit der Herstellung 72 von Waren beauftragt, sind Beschränkungen zulässig, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die Komponenten exklusiv an den Auftraggeber geliefert werden. Dies unter der Voraussetzung, dass der Zulieferer nur aufgrund der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Mittel (zB Patente, Know-how, Pläne, Werkzeuge, Vorprodukte usw) in die Lage versetzt wird, die betreffenden Waren herzustellen. Dies gilt analog auch für Dienstleistungen. In solchen Fällen sind entsprechende Geheimhaltungspflichten, Weitergabe- und Verwertungsverbote, Lieferverbote sowie Nutzungsbeschränkungen nicht vom Kartellverbot erfasst (vgl Zulieferbekanntmachung [ABl C 1979/1, 2], Rn 2). Die gemeinsame Produktion von Vorprodukten führt zu einer Angleichung der Produktionskosten der beteiligten Unternehmen. Dadurch kann es zu einer Angleichung der Verkaufspreise und damit zu einer Verminderung des Preiswettbewerbs kommen. Dies ist umso wahrscheinlicher, je größer der Kostenanteil des betreffenden Vorprodukts an den Gesamtkosten des Endprodukts ist (16 Ok 51/05). Vor allem bei Marktmacht der Beteiligten können Produktionsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern zur Angleichung weiterer wettbewerbsrelevanter Parameter (etwa Produktionsmengen oder Qualität) und zu einem Kollusionsergebnis führen (Horizontal-LL, Rn 158 f). Das Kartellverbot kommt aber nicht zur Anwendung, wenn die Parteien durch die Vereinbarung in die Lage versetzt werden, eine neue Ware oder Dienstleistung einzuführen und dadurch ein neuer Markt entsteht, was andernfalls objektiv nicht möglich gewesen wäre (Horizontal-LL, Rn 163). Wird der unmittelbar unter die Produktionsvereinbarung fallende Output beschränkt (und werden die übrigen Wettbewerbsparameter nicht ausgeschalten) oder wird für die gemeinsame Produktion ein gemeinsamer Vertrieb erforderlich und werden die Verkaufspreise gemeinsam festgesetzt, liegt kein Verstoß gegen das Kartellverbot vor (Horizontal-LL, Rz 160). 37
§ 1 KartGGugerbauer Für die Gesamtwirkung der Vereinbarung sind die Marktstellung der Unternehmen, die Marktstruktur, die Art der Zusammenarbeit und die Marktabdeckung (mit allfälligen Netzeffekten) zu beurteilen (Horizontal-LL, Rn 162, 172). Marktmacht und damit eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist unwahrscheinlich, soweit der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen unter 20% liegt (HorizontalLL, Rn 169). 73 Arbeitsgemeinschaften zwischen Wettbewerbern verstoßen nicht gegen das Kartellverbot, sind kartellrechtlich unbedenklich, wenn deren Mitglieder zum Zeitpunkt der Bildung der Arbeitsgemeinschaft für sich allein objektiv nicht in der Lage sind, ein erfolgversprechendes Angebot abzugeben bzw die nachgefragte Leistung zu erbringen, und die Auswahl der Arge-Partner nachvollziehbar nach objektiven Kriterien erfolgt. Diese Form der Zusammenarbeit kann dann sogar wettbewerbsfördernd sein. Die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft kann aber auch schon dann zulässig sein, wenn die technischen oder finanziellen Risiken der Erbringung der nachgefragten Leistung das Potential eines Unternehmens übersteigt und kaufmännisch nicht rational wäre, die nachgefragte Leistung alleine zu erbringen (16 Ok 6/12). 74 Einkaufsgemeinschaften können ein Gegengewicht zu marktstarken industriellen Lieferanten schaffen und dadurch den Wettbewerb fördern. Nutzen Unternehmen aber ihre gemeinsame Nachfragemacht, um den Einkaufsmarkt für konkurrierende Einkäufer zu beschränken (wenn etwa die Zahl der Anbieter auf dem vorgelagerten Markt beschränkt ist) verstößt dies gegen das Kartellverbot (Horizontal-LL, Rn 203). Liegt der gemeinsame Marktanteil der an einer Einkaufsgemeinschaft beteiligten Unternehmen sowohl auf den betroffenen Einkaufsmärkten, wie auch den relevanten Absatzmärkten unter 15 %, ist Marktmacht unwahrscheinlich (Horizontal-LL, Rn 208). Sind Unternehmen nicht auf demselben Absatzmarkt (sondern auf verschiedenen räumlichen Märkten) tätig, sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen eher unwahrscheinlich (Horizontal-LL, Rn 208 ff). Vermarktungsvereinbarungen können zu einer Vereinheitlichung der Absatzpolitik führen und dadurch wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben, wenn die beteiligten Unternehmen über einen gemeinsamen Marktanteil von mehr als 15% und damit über eine gewisse Marktmacht verfügen (Horizontal-LL, Rz 240 f). Die gemeinsame Vermarktung führt umso eher zur Kollusion, je höher der Kostenanteil für die Vermarktung des entsprechenden Produkts ist (Horizontal-LL, 38
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Rn 243 f). Die gemeinsame Festsetzung der Verkaufspreise ist in der Regel Ergebnis einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung (Horizontal-LL, Rn 234 f). Dies gilt auch für Vertriebsvereinbarungen zur Aufteilung von Kunden oder Märkten (Horizontal-LL, Rn 235 f). Preisabsprachen, Produktions- und Absatzbeschränkungen sowie 75 Marktaufteilungsabsprachen können als „klassische Kernbeschränkungen“ eingestuft werden (vgl 16 Ok 12/06). Ausschließlichkeitsbindungen im weiteren Sinn sind sämtliche Handlungsbeschränkungen, die ein Unternehmen seinen Vertragspartnern auferlegt (16 Ok 14/08). Ausschließlichkeitsbindungen greifen nicht nur in die Handlungsfreiheit der Vertragspartner ein, sondern eignen sich auch für die Verfolgung wettbewerbsfeindlicher Ziele, etwa die Behinderung von Konkurrenten, die Aufteilung von Märkten oder die Verstärkung der eigenen Markstellung (vgl Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG, Bd1, EU/Teil 1, Art 102 Rn 215). Vertikale Vertriebsbindungen sind Verträge zwischen einem bindenden 76 Unternehmer und wirtschaftlich selbstständig bleibenden aber gebundenen Unternehmern, durch welche letztere im Bezug oder Vertrieb von Waren oder bei der Inanspruchnahme oder Erbringung von Leistungen beschränkt werden (Okt 7/94). Es ist nicht erforderlich, dass sich die Wettbewerbsbeschränkung bei jedem Unternehmen und auf jeder Marktstufe auswirkt (16 Ok 10/09). Die vertikale Bindung von Unternehmen, die auf einem nachgelagerten Markt tätig sind, kann dazu führen, dass diese Unternehmen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, sich hinsichtlich der gelieferten Waren gegenseitig Konkurrenz zu machen (16 Ok 8/05). Durch vertikale Preisabsprachen („Preisbindung der zweiten Hand“) 77 werden Unternehmen des nachgelagerten Marktes (Wiederverkäufer) in ihrer Wettbewerbsfreiheit beschränkt (16 Ok 8/05). Als vertikale Vertriebsbindungen gelten aber auch Lieferantenbindungen (16 Ok 6/99). Im Vertikalverhältnis kann auch potentieller Wettbewerb beschränkt werden. Wenn etwa ein Lieferant seinen Vertriebshändlern die Verpflichtung auferlegt, keine konkurrierenden Produkte zu verkaufen, werden durch diese Verpflichtung Dritte am Marktzutritt behindert. Schränkt ein Lieferant den intra-brand-Wettbewerb zwischen seinen Vertriebshändlern ein, wird potenzieller Wettbewerb, der zwischen den Vertriebshändlern ohne diese Beschränkung bestanden haben könnte, eingeschränkt. In Art 1 lit c der Verordnung (EU) 39
§ 1 KartGGugerbauer Nr 330/2010 der Europäischen Kommission wird zwischen tatsächlichen und potenziellen Wettbewerbern unterschieden. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen werden auch dann erfasst, wenn durch eine entsprechende Vereinbarung der Wettbewerb eines Vertragpartners mit dritten Unternehmern seiner Wirtschaftsstufe, die außerhalb des Kartells stehen, beeinflusst werden soll (11 Os 34/66). 78 Auch die zwischen einem Importeur und/oder Großhändler und seinen Einzelhändlern abgeschlossenen, gleichlautenden Händlerverträge, die dem Einzelhändler ein bestimmtes Verkaufsgebiet zuweisen, das sich keinesfalls „automatisch“ ergibt, oder die die Eröffnung weiterer Betriebstätten verbieten und Werbemaßnahmen auf das eigene Verkaufsgebiet beschränken, beschränken den Wettbewerb zwischen den Einzelhändlern als Vertragshändlern (Okt 2/93). 79 Die Verpflichtung von Einzelhändlern, ihre Geschäfte nach der Corporate Identity eines Herstellers zu gestalten, bzw zumindest die Marke des Herstellers im Geschäftslokal markant zu bewerben, stellt aber noch keine verbotene Wettbewerbsbeschränkung dar, da es einem (nicht marktbeherrschenden) Unternehmer im Rahmen seiner Abschlussautonomie freisteht, nur mit solchen Einzelhändlern zu kooperieren, die sich der Corporate Identity des Herstellers anpassen (vgl 26 Kt 369/96). 80 Verpflichten sich Einzelhändler im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mietvertrages für Ladenflächen gegenüber dem Vermieter (in der Regel dem Betreiber eines Einkaufszentrums), in einem bestimmten Umkreis keine weiteren Filialen zu errichten und in diesem Gebiet ihren Bedarf an Bestandobjekten nur bei diesem Anbieter zu decken, kommt es zu einer Ausschließlichkeitsbindung im Bereich eines für die eigentliche Unternehmenstätigkeit der Nachfrager notwendigen Hilfsgeschäfts. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung betrifft das Gebiet innerhalb des vereinbarten „Radius“ (daher: „Radiusklausel“). Zeitlich ist eine derartige Radiusklausel insoferne in ihrer Wirkung beschränkt, als sie nicht über die Dauer des Bestandsverhältnisses hinauswirkt. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Radiusklausel ist auf der Mieterseite auf Unternehmen beschränkt, die sich an diesen Anbieter gebunden haben. Der Marktzutritt neuer Mietinteressenten wird davon nicht berührt. Zu überprüfen ist allenfalls, ob in dem betroffenen räumlich relevanten Markt für alle für ein Einkaufszentrum typischen Handelssortimente (Lebensmittel, Unterhaltungselektronik, Sportartikel, 40
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etc) Einzelhändler als Ersatz für ihre gebundenen Wettbewerber bereitstehen. Die für die Attraktivität eines Einkaufszentrums bedeutsamen „Ankermarken“ sind in der Regel durch keine Radiusklausel gebunden. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung einer Radiusklausel ist demnach in der Regel geringer als die anderer Ausschließlichkeitsbindungen (vgl 16 Ok 8/10). Teilweise verlangen „Ankermieter“ Mitsprache beim Branchenmix und der Auswahl der Handelsmarken für ein Einkaufszentrum, also ein Zustimmungsrecht bei der Vermietung von Geschäftsflächen an Dritte. Solche Zustimmungsrechte sind nicht schon ihrem Wesen nach als schädlich für das Funktionieren des Wettbewerbs anzusehen. Sie verstoßen nur dann gegen das Kartellverbot, wenn eine detaillierte Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs ergibt, dass sie erheblich zur Abschottung des Marktes beitragen (vgl EuGH 30.11.2015, C-345/14). Zielt eine Vereinbarung nicht auf eine Wettbewerbsbeschränkung, son- 81 dern auf die Regelung eines kartellrechtsneutralen Rechtsverhältnisses ab, etwa auf die Übertragung von Lizenzrechten oder die Umsetzung eines Franchise-Konzepts, ist aber für die Durchführung dieser Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung notwendig und steht diese in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptvereinbarung, unterliege solche Nebenabreden („ancillary restraints“) nicht dem Kartellverbot nach Abs 1 (vgl 16 Ok 3/96). Die Grenze zwischen einer kartellrechtsneutralen Nebenabrede und einer kartellrechtsrelevanten Wettbewerbsbeschränkung iSv Abs 1 muss im Einzelfall unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des betreffenden Wirtschaftszweigs gezogen werden. So können gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote, aber auch Konkurrenzverbote, die einem Verkäufer im Rahmen eines Unternehmensveräußerungsvertrages auferlegt werden, dem Kartellrecht entzogen sein, jedenfalls dann, wenn das Unternehmenspotenzial im Wesentlichen aus Kundenbeziehungen oder Know-how („goodwill“) besteht. Der Käufer kann derartiges Potenzial in der Regel nur dann nutzen, wenn sich der auf dem Markt eingeführte Verkäufer auf diesem Markt eine gewisse Zeit jeder werbenden Tätigkeit enthält (16 Ok 3/96). Das Konkurrenzverbot ist dann gleichsam eine unselbständige Nebenpflicht des Verkäufers, durch deren Einhaltung die kartellrechtsneutrale Hauptleistungspflicht, die Übertragung des Unternehmens an den Käufer, gesichert werden soll (16 Ok 3/96). Eine zeitliche Grenze zwischen einer kartellrechtsneutralen Nebenab- 82 rede und einer kartellrechtsrelevanten Wettbewerbsbeschränkung iSv 41
§ 1 KartGGugerbauer Abs 1 kann im Einzelfall nur unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des betroffenen Wirtschaftszweigs gezogen werden (16 Ok 3/96). Für die Konsolidierung der Kundenbeziehungen durch einen Käufer ist ein Zeitraum von höchstens drei bis fünf Jahren ausreichend. Nach Ablauf dieser Frist muss es dem Käufer möglich sein, eine Geschäftsbeziehung aufgebaut zu haben, die auf eine Verlängerung der Vertragsbeziehung abzielt, oder sich neue Lieferanten bzw Abnehmer zu suchen (29 Kt 206/03). Ein fünf Jahre übersteigendes Wettbewerbsverbot ist in der Regel dem Anwendungsbereich des Kartellrechts zu unterwerfen (16 Ok 8/10; 16 Ok 6/02). 83 Bei Beschränkungen des Wettbewerbs auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung kommt es vor allem auf die bereits vorhandenen Technologie- und Produktionskenntnisse und -erfahrungen an (Europäische Kommission, 23.2.1972 „Wild-Leitz“, ABl 1972 L 61/27, 28). Diese sind in der Regel gegeben, wenn die Beteiligten bereits als Hersteller tätig sind, wenn auch auf einem anderen räumlichen Markt (Europäische Kommission, 25.7.1977 „De Laval/Stork“, ABl 1977 L 215/11, 15). Sieht ein Lizenzvertrag vor, dass Lizenznehmer Material und/oder Geräte, die zur Herstellung des lizenzierten Gegenstandes erforderlich sind, nur vom Lizenzgeber oder von einem durch diesen bezeichneten Dritten beziehen darf, ist den entsprechenden Klauseln nicht automatisch ein wettbewerbsbeschränkender Zweck zu unterstellen. Der Lizenzgeber hat dem Lizenznehmer unter bestimmten Rahmenbedingungen Abnahmeverpflichtungen aufzuerlegen, um eine gleichbleibende Qualität der lizenzierten Erzeugnisse zu sichern (4 Ob 322/59). Vereinbarungen, die die gleichbleibende Qualität eines bestimmten Erzeugnisses, (etwa eines Markengetränks) sichern sollen, haben also nicht den Charakter einer Wettbewerbsbeschränkung, da der Konsument Erzeugnisse gleichbleibender Qualität erwartet (Okt 4/77). Das Verbot, lizenzierte Produkte, etwa ein Markengetränk, an Abnehmer außerhalb eines bestimmten Vertragsgebietes zu liefern, geht aber über den Zweck des Warenzeichens – den Schutz der Herkunfts- und Garantiefunktion – hinaus, führt zur verbotenen Beschränkung des Wettbewerbs (Okt 4/77). Werden im Zusammenhang mit einer Preisabsprache gegenseitig Lizenzen erteilt, handelt es sich dennoch um eine Kartellvereinbarung. Preisbindungen gehen über den gesetzlichen Umfang von Schutzrechten hinaus (4 Ob 308/68; 4 Ob 346/64). 84 Bei einem Verstoß gegen das Kartellverbot handelt es sich um ein Dauerdelikt (RIS-Justiz RS0122741), das Verhalten während der gesamten 42
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Dauer der Zuwiderhandlung ist tatbestandsmäßig (vgl 25 Kt 19/08). Zur „Spürbarkeit“ einer Wettbewerbsbeschränkung vgl § 2 Abs 2 Z 1. 4. Bezwecken oder Bewirken der Wettbewerbsstörung Vereinbarungen fallen nur dann unter das Verbot des Art 101 AEUV, 85 wenn sie „eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken“. Von einer Vereinbarung iSd Art 101 AEUV ist auszugehen, wenn zwei oder mehrere Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, mag die Willensübereinstimmung ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder formlos zustande gekommen sein (16 Ok 8/10). Art 101 Abs 1 AEUV bezieht sich allgemein auf alle Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die – sei es in horizontalen oder vertikalen Beziehungen – den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen, unabhängig davon, auf welchem Markt die Unternehmen tätig sind, und unabhängig davon, dass nur das Geschäftsverhalten eines der Unternehmen durch die Bedingungen der in Rede stehenden Vereinbarung betroffen ist (16 Ok 7/15p mit Verweis auf EuGH C-194/14 P, AC-Treuhand AG, Rn 35 mwN). Im Fall von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhal- 86 tensweisen mit wettbewerbswidrigem Zweck kann nur dann auf die Teilnahme eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung und seine Verantwortlichkeit für die verschiedenen Elemente, die diese umfasst, geschlossen werden, wenn nachgewiesen ist, dass das betreffende Unternehmen durch sein Verhaltens zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigen oder an den Tag gelegten tatsächlichen Verhalten wusste oder dieses vernünftigerweise vorhersehen konnte und es bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (EuGH C-194/14 P, AC-Treuhand AG, Rn 30 mwN; vgl 16 Ok 5/08). Dabei ist zunächst der eigentliche Zweck der Vereinbarung in Betracht zu ziehen, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Wenn feststeht, dass eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden (EuGH C-501/06 P – GlaxoSmithKline Services/Kommission; EuGH C-439/09 – Pierre Fabre Dermo-Cosméthique). Ob sich ein 43
§ 1 KartGGugerbauer Unternehmen freiwillig oder unter dem Druck der anderen Seite an der Vereinbarung beteiligt, ist dabei unerheblich (16 Ok 1/09). Auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des einen Vertragspartners vom anderen schließt das Vorliegen einer Vereinbarung noch nicht aus (EuGH 12.7.1979, Slg 1979, 2435, BMW Belgium ua/Kommission). 87 Auch für einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 ist es nicht erforderlich, dass eine Vereinbarung oder Absprache sowohl einen wettbewerbswidrigen Zweck, wie auch eine wettbewerbswidrige Wirkung hat (vgl EuGH, 4.6.2009 „T-Mobile Netherlands“, WuW/E EU-R 1589, 1591). Bezweckung und Bewirkung sind zwei selbständige Alternativen des Kartelltatbestandes, wie das Wort „oder“ deutlich zeigt (16 Ok 5/08; 16 Ok 51/05). Ob eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird, ist daher nicht auf der Tatbestandsebene, aber bei der Bemessung einer Geldbuße relevant, weil dabei auf den Verschuldensgrad abzustellen ist (vgl § 29). 88 Hat eine Vereinbarung oder Absprache die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt, ist die Absicht evident, müssen die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung, des Beschlusses oder der Verhaltensweise auf die Marktverhältnisse weder ermittelt noch nachgewiesen werden (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 8/10). Das gilt auch für abgestimmte Verhaltensweisen (16 Ok 8/10; 16 Ok 12/06; 16 Ok 51/05). Das Kartellverbot greift selbst dann, wenn die beteiligten Unternehmen die Absprache nicht ausführen, die Beschränkung des Wettbewerbs also nicht konkret umgesetzt wurde. Bezweckt wird die Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern. Durch die Verringerung des Wettbewerbsdrucks soll auf dem relevanten Markt (größerer) unternehmerischer Erfolg sichergestellt werden (16 Ok 51/05). Auch vertikale Vereinbarungen können eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken (vgl EuGH 14.3.2013, C-32/11, Rn 43). Dass eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt wurde ist dann anzunehmen, wenn sich eine bestimmte Vereinbarung, ein bestimmter Beschluss oder eine bestimmte Absprache auf den Wettbewerb zwangsläufig negativ auswirkt (vgl dazu etwa 16 Ok 10/09). Wenn derartige Vereinbarungen, Beschlüsse oder Absprachen etwa regelmäßig zu einem Anstieg der Preise führen. 89 Von einem wettbewerbswidrigen Zweck ist bereits dann auszugehen, wenn eine Vereinbarung das Potenzial hat, sich auf den Wettbewerb negativ auszuwirken, dh wenn sie konkret geeignet ist, zu einer Verhin44
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derung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs zu führen (vgl EuGH 14.3.2013, C-32/11, Rn 38). Ob eine Vereinbarung, der Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, hängt also von der objektiven Eignung ab, eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs herbeizuführen. Bei einer Überprüfung kommt es vor allem auf den Inhalt, bzw auf den Wortlaut an, aber auch die wirtschaftlichen Begleitumstände der Durchführung sind angemessen zu berücksichtigen (16 Ok 8/10; 16 Ok 51/05; EuGH, 20.11.2008 „BIDS“, WuW/E EU-R 1509, 1511 Rn 21). Eine subjektive Absicht der beteiligten Unternehmen ist nicht erforderlich, spricht aber für eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (EuGH 6.10.2009, C-501/06 P, Rn 58, 63). Bei Preisabsprachen, Marktaufteilungsabsprachen und Produktions- und Absatzbeschränkungen, also „Kernbeschränkungen“ des Wettbewerbs, ist grundsätzlich von einer bezweckten Beschränkung des Wettbewerbs auszugehen (vgl 16 Ok 1/13; 16 Ok 51/05). Bei Produktionsvereinbarungen stellen Vereinbarungen über die Festsetzung der Preise für Lieferungen der Partner, die Beschränkung der Produktion und die Aufteilung von Märkten oder Kundengruppen „fast immer“ bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen dar (16 Ok 51/05; 16 Ok 5/08). Daher kann sich ein Unternehmen, das Abschluss einer solchen Vereinbarung beteiligt war, seiner Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass es behauptet, an der Umsetzung der Vereinbarung in die Praxis nicht mitgewirkt zu haben (vgl EuGH, 31.3.1993 „Zellstoff“, Slg 1993 I 1575, 1624). Der Tatbestand wird selbst dann verwirklicht, wenn die beteiligten Unternehmen die Absprache nicht umsetzen, sich die potentielle Gefährdung der Marktstruktur also auf dem Markt nicht konkret verwirklicht hat (16 Ok 12/06). Die Wettbewerbsbeschränkung muss nicht der einzige Zweck, nicht 90 einmal der Hauptzweck der Vereinbarung oder Absprache sein. Ein wettbewerbsbeschränkender Zweck kann vielmehr auch dann angenommen werden, wenn die Vereinbarung oder Absprache auch andere, zulässige Zwecke verfolgt (EuGH, 13.7.1966 „Grundig/Consten“, Slg 1966, 429, 496; 6.4.2006 „General Motors/Kommission“, Slg 2006, I-3173 Rn 64). Ein Unternehmen kann auch dann gegen das Kartellverbot gem Abs 1 verstoßen, wenn eine Vereinbarung, ein Beschluss oder ein abgestimmtes Verhalten die Einschränkung des Wettbewerbs auf einem relevanten Markt bezweckt, auf dem dieses Unternehmen selbst gar nicht tätig ist. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Wettbe45
§ 1 KartGGugerbauer werbsbeschränkung einen vor- oder nachgelagerten Markt des für dieses Unternehmen relevanten Marktes betrifft. 91 Um vom Kartellverbot erfasst zu werden, muss die Wettbewerbsbeschränkung aber nicht Gegenstand („Zweck“) der Vereinbarung oder Absprache sein, es genügt, wenn durch die Vereinbarung oder Absprache eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt wird. Es kommt dann auf den mit der Vereinbarung oder Absprache verfolgten Zweck nicht an (EuGH 28.5.1998 „New Holland Ford“, Slg 1998, I-3222). Eine Wettbewerbsbeschränkung kann von einer Absprache trotz Fehlens einer Beschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit ausgehen, wenn es eine von den beteiligten Unternehmen geschaffene Interessenlage unwahrscheinlich macht, dass sie bestimmte Wettbewerbshandlungen setzen werden (16 Ok 51/05). Zu keiner Wettbewerbsbeschränkung führt es, wenn die betreffende Koordinierung gegenüber freiem Wettbewerb keine Veränderung der Situation bewirkt. Maßgeblich sind die (potenziellen) Auswirkungen einer Vereinbarung oder Absprache auf die bestehenden wirtschaftlichen, rechtlichen und tatsächlichen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse (EuGH, 3.5.2013 „Ordem dos Técnicos Oficias de Contas“, C-1/12, Rn 70). Es sind nicht nur die faktischen, sondern auch die potenziellen Auswirkungen der Koordinierung in ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, die tatsächliche oder wahrscheinliche Auswirkung auf den Wettbewerb zu überprüfen. Der aktuelle oder potenzielle Wettbewerb muss durch die Vereinbarung oder Absprache in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, dass es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu negativen Auswirkungen etwa auf Preise, Produktionsmengen oder Qualität von Waren oder Dienstleistungen kommt. Dabei ist zu hinterfragen, wie die Marktverhältnisse ohne die fragliche Vereinbarung beschaffen sein würden (16 Ok 51/05). Vereinbarungen über die gegenseitige Marktinformation sind typische Beispiele für eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung bei Vereinbarungen über Preise wird allerdings von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ausgegangen (vgl EuGH 4.6.2009, C-8/08, „T-Mobile Netherlands“ BV, Rn 31 ff). Potenzielle Effizienzgewinne können im Hinblick auf eine allfällige Freistellung vom Kartellverbot untersucht werden (vgl Europäische Kommission, Horizontal-Leitlinien, Rn 29; Vertikal-Leitlinien, Rn 111).
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III. § 1 Abs 2 Tatbestände, demonstrativ Bei dem Katalog der in § 1 Abs 2 angeführten Tatbestände handelt es sich um keine abschließende, sondern um eine demonstrative Auflistung. Damit werden typische, aber nicht alle möglichen Wettbewerbsbeschränkungen erfasst. Lässt sich eine konkrete Verhaltensweise unter einen dieser beispielhaft angeführten Tatbestände subsumieren, liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot nur dann vor, wenn auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs 1 erfüllt sind (vgl EuGH, 2.4.2009 „Pedro IV Servicios SL“, Slg 2009, I-2437, Rn 82).
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1. Festsetzung von An- oder Verkaufspreisen, Geschäftsbedingungen Nach § 1 Abs 2 ist die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der 93 An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen mehrerer Unternehmen durch Vereinbarung, Abstimmung oder Beschluss verboten. Auf vielen Märkten stellt der Preis den wichtigsten wettbewerblichen Aktionsparameter dar. Preisabsprachen werden auf derselben Wirtschaftsstufe, aber auch im Vertikalverhältnis getroffen. Die Festsetzung von An- oder Verkaufspreisen iSv Abs 2 Z 1 erfasst sowohl Preisabsprachen zwischen auf der gleichen Produktions- oder Vertriebsstufe tätigen Wettbewerbern („klassisches Kartell“), wie auch vertikale Preisbindungen der zweiten Hand, also die Preisbindung eines Wiederverkäufers durch den Lieferanten. Nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG ist die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung von Verkaufspreisen verboten. Der Tatbestand wird nicht nur bei der Festsetzung von Verbraucherpreisen, sondern auch bei der Vereinbarung oder Absprache von Händlereinstandspreisen erfüllt (vgl EuGH, 4.6.2009 „T-Mobile Netherlands“, WuW/E EU-R 1589, 1529 f). Im Vertikalverhältnis kann aber nicht bloß ein Lieferant seine Wiederverkäufer an bestimmte Verkaufspreise binden, sondern auch ein (marktstarker) Nachfrager kann mit Lieferanten eine Preisbindung absprechen. Auch Preisbindungen durch Nachfrager sind von § 1 Abs 1 erfasst (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Das Verbot ist weit auszulegen und betrifft jede Vereinbarung, die direkt oder indirekt geeignet ist, Preiswettbewerb zu behindern. Nicht notwendig ist es, dass ein Kartell tatsächlich funktioniert oder keinerlei Ausnahmen vorsieht. Erfasst werden alle unmittelbaren, wie auch mittelbaren Einschränkungen der autonomen Preisfestsetzung konkurrierender Unternehmer (vgl EuGH, 17.10.1972 „VCH“, Slg 1972, 977, 990). 47
§ 1 KartGGugerbauer 94 Preisabsprachen liegen nicht nur bei der Bestimmung eines Festpreises, sondern auch bei der Festlegung eines Preisrahmens, von Preiserhöhungen, Preisaufschlägen oder -abzügen, von Preisgrenzen, die nicht unter- oder überschritten werden sollen, oder bei der Koordinierung des Zeitpunkts einer Preiserhöhung vor (vgl Europäische Kommission, 13.7.1996 „Karton“, ABl 1994 L 243/1, 42). Auch einzelne Preisbestandteile können Gegenstand eines Kartells ein, weil die bindende Festlegung eines Preisbestandteils eine preisvereinheitlichende Wirkung auslöst, da die Mitglieder bei der Kalkulation dieses Preisfaktors im Rahmen des Gesamtpreises keinem Wettbewerb mehr ausgesetzt sind (16 Ok 11/96). § 1 Abs 1 erfasst daher auch Vereinbarungen über Spannen, Margen, Rabatte, Zahlungsfristen oder Kreditbedingungen (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Eine Wettbewerbsbeschränkung kann also in der Vereinbarung oder Absprache gleicher Rabattsätze bestehen (vgl Europäische Kommission, 15.5.1974 „IFTRA-Verpackungsglas“, ABl 1974 L 160/1 ff), aber auch in der Vereinbarung oder Absprache der Nichtgewährung von Rabatten (vgl EuGH, 26.11.1975 „Belgische Tapeten“, Slg 1975, 1491, 1513). Auch die Festsetzung von Höchstrabatten ist tatbestandsmäßig (vgl EuGH, 29.10.1980 „FEDETAB“, Slg 1980, 3125). Das Verbot bezieht sich auf alle Rabattarten, also auf Mengenrabatte, Umsatzrabatte, Treuerabatte oder Gesamtumsatzrabatte etc (vgl auch EuGH, 10.12.1985 „NSO/Kommission“, Slg 1985, 3801, 3822). 95 Nach § 1 Abs 1 ist auch die Anwendung eines gemeinsamen Kalkulationsschemas verboten (vgl Europäische Kommission, 8.1.21980 „Stahllager-Händler“, ABl 1980 L 62/28, 36), bzw die gemeinsame Fixierung bestimmter Kalkulationsfaktoren (vgl EuGH, 29.10.1980 „Van Landewück“, Slg 1980, 3125; Europäische Kommission, 15.5.1974 „IFTRA Verpackungsglas“, ABl EG 1974 Nr L 160, 1, 12) sowie die Vereinbarung, nicht unter Selbstkosten zu verkaufen (vgl Europäische Kommission, 15.5.1974 „IFTRA-Verpackungsglas“, ABl 1974 L 160/1, 12). 96 Vereinbarte oder abgestimmte Mindestpreise sind wettbewerbsbeschränkend (16 Ok 5/96). Die Vereinbarung von Mindestpreisen ist selbst dann unzulässig, wenn der abgesprochene Mindestpreis niedriger als der Marktpreis ist oder unter den Selbstkosten liegt (vgl Europäische Kommission, 15.5.1974 „IFTRA Verpackungsglas“, ABl EG 197 Nr L 160, 1, 12). Mindestpreise beschränken vor allem den intrabrandWettbewerb, Vertriebshändler können nicht mehr über den Preis konkurrieren, der markeninterne Preiswettbewerb wird ausgeschalten. Die 48
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Transparenz bei den Preisen erleichtert darüber hinaus horizontale Kollusion unter Vertriebshändlern. Eine Beschränkung des markeninternen Wettbewerbs kann wiederum einen Rückgang beim Markenwettbewerb nach sich ziehen. Wenn – vom Lieferanten vorgeschriebene – „Höchstpreise“ so niedrig 97 festgesetzt werden, dass sie praktisch nicht unterschritten werden könne, liegt ebenfalls eine Wettbewerbsbeschränkung vor (16 Ok 5/96; vgl EuGH, 6.11.1979 „Danis“, Slg 1979, 3227, 3339). Verhindern Höchstpreise den Marktzutritt solcher Unternehmen, die bei derartigen Preisen nicht kostendeckend arbeiten könnten, ist zu überprüfen, ob diese Unternehmen auch ohne Höchstpreise nicht konkurrenzfähig wären. Ist dies der Fall, führen die Höchstpreise zu keiner Wettbewerbsbeschränkung (16 Ok 5/96). Grundsätzlich geht von Preisobergrenzen immer die Gefahr aus, dass der angegebene Wert als Orientierungspreis gilt, an den sich alle oder doch die meisten Wiederverkäufer halten (vgl Hengst in Langen/Bunte Art 101 AEUV, Rn 266). Beträgt der Marktanteil von Anbieter und Abnehmer jedoch nicht mehr als 30% ist die Vereinbarung von Preisobergrenzen durch die Verordnung (EU) 330/2010 der Europäischen Kommission vom Kartellverbot freigestellt. Wettbewerbsbeschränkungen bei den Preisen liegen bereits dann vor, 98 wenn wirtschaftlich selbständige Unternehmen einander aufgrund einer Vereinbarung künftige Preise oder zumindest Preise des letzten Jahres unmittelbar oder mittelbar mitteilen. Wird eine „Preismeldestelle“ geschaffen, ist dies verboten, es sei denn, die der Preismeldestelle bekanntgegebenen Preise dürfen von dieser nicht an die anderen Unternehmen weitergegeben werden. Es ist also unerheblich, ob die Mitteilung von Preisen unmittelbar von Unternehmen zu Unternehmen oder mittelbar durch die Einschaltung eines Dritten erfolgt (Okt 4/75). Tatbestandsmäßig ist auch die die Vereinbarung einer Preisführerschaft. Die Festsetzung von Preisen, sei es auch nur von Richtpreisen, durch eine Unternehmensvereinigung beeinträchtigt den Wettbewerb dadurch, dass diese Richtpreise die Mitglieder in die Lage versetzen, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik die anderen Mitglieder – ihre Konkurrenten – verfolgen werden (16 Ok 45/05). Durch vertikale Preisbindungen kommt es zu einer Begünstigung von 99 Kollusionsergebnissen zwischen Abnehmern, das heißt Unternehmen auf Handelsebene, dies ist im Hinblick auf die Gefahr eines erhöhten 49
§ 1 KartGGugerbauer Preisniveaus auf Verbraucherebene besonders schädlich (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; mit Verweis auf Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Vereinbarungen, ABl 2010 / C 130/01). Auch sogenannte Meistbegünstigungsklauseln bewirken eine Preisbindung: Ein (marktstarker) Abnehmer verpflichtet seinen Lieferanten, dass dieser seine Waren oder Dienste an andere Abnehmer nicht zu günstigeren Preisen verkaufen darf. Oder der Lieferant verpflichtet sich, dem ihn bindenden Abnehmer immer einen mindestens genauso günstigen Preis einzuräumen wie irgendeinem anderem Abnehmer (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Oder der Lieferant sagt dem Wiederverkäufer, beispielsweise einer Lebensmitteleinzelhandelskette, zu, ein Produkt zeitlich befristet für eine besonders beworbene Aktion zu einem besonders günstigen Händlereinstandspreis zu liefern, und verpflichtet sich gleichzeitig, während der Dauer dieser Aktion konkurrierenden Händlern nicht die gleich günstigen Konditionen zu bieten (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Wenn sich ein Händler gegenüber Lieferanten auf eine Vereinbarung (unter anderem in Form einer vereinbarten sogenannten „Margenneu tralität“) beruft, durch welche einerseits das Preissetzungsverhalten der Lieferanten gegenüber den anderen Händlern (vertikal) beschränkt wird und sich andererseits der eine Händler gegenüber den anderen in seinem Preissetzungsverhalten – mit der Folge eines abgestimmten Preises auf der Handelsstufe – (horizontal) beschränkt, liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die „horizontale Absicherung“ vertikaler Absprachen auf Händlerebene durch ein System der Stabilisierung der Verkaufspreise der Marktteilnehmer und Erhöhung der Planungssicherheit stellt ein den Unwertgehalt deutlich erhöhendes Element dar (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 100 Auch sogenannte „enge“ Bestpreisklauseln von Internet-Portalen, beispielsweise von Hotelbuchungsportalen, sind kartellrechtswidrig. „Enge“ Bestpreisklauseln erlauben einem Anbieter zwar, bei anderen Internet-Portalen günstigere Preise anzugeben, nicht aber auf der eigenen Website. Solche Klauseln beschränken sowohl den Wettbewerb zwischen Internet-Portalen selbst, wie auch den Wettbewerb zwischen den Anbietern einer bestimmten Branche (beispielsweise zwischen Hotels) und verletzen dadurch auch die Preissetzungsfreiheit der Anbieter auf ihren eigenen Online-Vertriebskanälen. Der Anreiz für einen Anbieter, seine Preise auf einem Internet-Portal zu senken, ist gering, wenn er gleichzeitig im eigenen Online-Vertrieb höhere Preise ausweisen muss. Außerdem wird dadurch der Marktzutritt neuer Internet50
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Plattformen erheblich erschwert. Aufgrund solcher Bestpreisklauseln besteht praktisch kaum ein Anreiz für Anbieter, ihre Waren oder Leistungen auf einer neuen Plattform günstiger anzubieten, solange sie diese Preissenkung auf ihren eigenen Websites nicht nachvollziehen können. Ein erkennbarer Vorteil für den Verbraucher ist damit nicht verbunden. Denn die vermeintlich garantierten Niedrigstpreise bilden in Wahrheit einen Mindestpreis: selbst wenn er auf seinem Angebot sitzen bleibt, darf ein an die Bestpreisklausel gebundener Anbieter den Preis auf seiner Website nicht senken (vgl Pressemitteilung des dt BkartA. zur Bestpreisklausel von Booking.com vom 23.12.2015). Vertikale Preisabsprachen („Preisbindungen der zweiten Hand“) wer- 101 den in Art 4 lit a) VO 330/2010 (Gruppenfreistellung für Vertikalvereinbarungen) als grundsätzlich unzulässige Kernbeschränkungen eingestuft (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; RIS-Justiz RS0120917). Als solche sind sie vom Rechtsvorteil einer gruppenweisen Freistellung ausgeschlossen. Die mit den tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen (Vereinbarung, Beschluss, abgestimmtes Verhalten) verbundenen horizontalen oder vertikalen Preisregulierungen sind als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sodass es auf konkrete Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen nicht ankommt (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Durch die vertikale Bindung werden die Unternehmen der der vor- oder nachgelagerten Vertriebsstufen in ihrer Freiheit eingeschränkt, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen (16 Ok 8/05). Auch vereinbarte Preisempfehlungen können verboten sein. Etwa eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern, Preisempfehlungen zu veröffentlichen, selbst wenn die tatsächlichen Endpreise individuell festgelegt werden (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die unmittelbar oder mittelbar übereinstimmende Festsetzung von Ge- 102 schäftsbedingungen ist tatbestandsmäßig, unabhängig davon, ob dies direkt oder indirekt preisbeeinflussend ist (vgl EuGH, 26.11.1975 „Belgische Tapeten, Slg 1975, 1491, 1513 f; 17.10.1972 „VCH“, Slg 1972, 977, 990; Europäische Kommission, 15.5.1974 „IFTRA-Verpackungsglas“, ABl 1974 L 160/1, 12). Erfasst werden neben Geschäftsbedingungen als solchen beispielsweise auch Zahlungsbedingungen oder Garantiebedingungen. Zu Allgemeinen Versicherungsbedingungen vgl die Verordnung (EU) Nr 267/2010 der Europäischen Kommission („GVO-Versicherungswirtschaft“), bzw unten die Kommentierung zu § 3. Verbot sind weiters Vereinbarungen, Standardverträge zu verwenden. 51
§ 1 KartGGugerbauer 2. Erzeugung, Absatz, technische Entwicklung, Investitionen 103 Nach § 1 Abs 2 Z 2 KartG sind Wettbewerbsbeschränkungen, die eine Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung oder des Absatzes betreffen, verboten (vgl 16 Ok 7/13). Zu Vereinbarungen über die Erzeugung gehören ua Spezialisierungsvereinbarungen, Produktionsquotenvereinbarungen, die Festlegung von Produktionsstandorten oder die Beschränkung auf bestimmte Produkttypen. Durch derartige Maßnahmen wird häufig versucht, ein bestimmtes Preisniveau abzusichern oder zu erreichen. Die gemeinsame Produktion von Vor- oder Zwischenprodukten führt zur Angleichung der Produktionskosten, damit zur Gefahr einer Angleichung der Verkaufspreise und damit einer Verminderung des Preiswettbewerbs. Dies umso mehr, als die Kosten der Voroder Zwischenprodukte bei den Gesamtkosten ins Gewicht fallen (16 Ok 51/05). Zur Einschränkung oder Kontrolle des Absatzes kann es etwa durch eine Steuerung der Angebotsmengen (Quotenregelung) kommen. Quotenabsprachen können sich auf Höchstmengen beziehen, aber auch auf Marktanteile oder Umsatzgrenzen, die für die einzelnen beteiligten Unternehmen maßgebend sein sollen. Quotenkartelle, durch welche Wettbewerber das Absatzvolumen untereinander aufteilen, bewirken eine Marktaufteilung (vgl EuG, 16.11.2006, Slg 2006 II-04441). Um tatbestandsmäßig zu sein, brauchen sie nicht auf Dauer angelegt sein, sie können sich sogar auf ein bestimmtes Einzelgeschäft beschränken. Quotenvereinbarungen nehmen den beteiligten Unternehmen den Anreiz für wettbewerbliche Maßnahmen (zB Preissenkungen), mit denen größere Quoten erreicht werden könnten. Zu Vereinbarungen über den Absatz zählen aber auch solche über Verkaufsgemeinschaften, über Bezugspflichten, oder über Kunden- und Gebietsbeschränkungen. Bereits die Verpflichtung, sich wechselseitig über Produktions- und Liefermengen zu informieren, kann tatbestandsmäßig sein (vgl Europäische Kommission, 2.8.1989, „Betonstahlmatten“, ABl 1989 L 260/1, 35; EuG, 27.10.1994, „Fiatagri“, Slg 1994, II-905, 947 ff). Zur Vereinbarung oder Absprache von Produktionsbeschränkungen kann es insbesondere bei unausgelasteten Kapazitäten kommen (vgl EuG, 6.4.1995 „Betonstahlmatten“, Slg 1995, II-797). Durch unausgelastete Kapazitäten entstehende Verluste dürfen aber zwischen den Beteiligten nicht zum Nachteil der Verbraucher ausgeglichen werden (vgl Europäische Kommission, 22.12.1972 „CIMBEL“, ABl 1972 L 303/24, 37). 104 Auch die Vereinbarung von bestimmten Qualitäts- und Sicherheitsstandards, verbunden mit der Einführung eines Kontrollsystems, wo52
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durch andere (ausländische) Anbieter praktisch vom Markt ausgeschlossen werden, stellt eine Wettbewerbsbeschränkung dar (vgl Europäische Kommission, 19.11.1995 „Stichting“, ABl 1995 L 312/79). 3. Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen Die Aufteilung von Kunden bzw Aufträgen zwischen Wettbewerbern 105 beschränkt den Wettbewerb (vgl 16 Ok 5/08). Eine Marktaufteilung ist tatbestandsmäßig, unabhängig davon, ob der gesamte Markt oder nur ein Teil davon betroffen ist. Sie kann sich auf bestimmte geografische Räume, auf bestimmte Kundengruppen oder auf bestimmte Produktmärkte (zB Luxussegment vs. Standardsegment) beziehen. Im Rahmen einer Gebietsaufteilung kann vereinbart worden sein, im Gebiet des „Partners“ keine Waren abzusetzen, keine Dienstleistungen zu erbringen oder jedenfalls mengenmäßige Beschränkungen einzuhalten, Preise nicht zu unterbieten, bei Direktverkäufen Ausgleichszahlungen zu leisten, bzw in diesem Gebiet nicht zu produzieren (vgl EuGH, 15.7.1970 „Chinin-Chemiepharma“, Slg 1970, 661, 733; zur Marktaufteilung durch Festlegung von Kontingenten vgl Europäische Kommission, 28.10.1970 „Julien/Katwijk“, ABl 1970 L 242/18, 19; zur Marktaufteilung durch Lieferquoten vgl Europäische Kommission, 17.12.1980 „Gussglas Italien“, ABl 1980 L 383/19, 21; zur Marktaufteilung durch Vereinbarung von Ausgleichszahlungen bei Lieferungen in das Gebiet des anderen vgl Europäische Kommission, 20.12.1974 „RANK/SOPOLEM“, ABl 1975 L 29/20, 22; zu einem Marktaufteilungs-, bzw Mengenüberwachungssystem mit der Zuweisung einer bestimmten Quote an jeden Hersteller vgl Europäische Kommission, 26.10.2004 „Gaz de France/ENI/ENEL“, COMP. 38.662). Auch Submissionskartelle führen zur Kundenaufteilung. Auch Marken, sonstige gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte 106 können von Wettbewerbern zur verbotenen Marktaufteilung eingesetzt werden (zur Marktaufteilung durch Warenzeichenübertragung vgl EuGH, 18.2.1971 „Sirena“, Slg 1971 69). In – länderübergreifenden – vertikalen Vertriebssystemen können ins- 107 besondere Exportverbote zu einer Marktaufteilung führen. Exportverbote, die nur auf Drittstaaten (Nicht-EU-Mitglieder) abzielen, sind zulässig, wenn sie nicht negative Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel auslösen (vgl EuG, 14.7.1994 „Parker“, Slg 1994, II-549). 53
§ 1 KartGGugerbauer 108 Eine Aufteilung der Versorgungsquellen liegt dann vor, wenn die Freiheit von Unternehmern, benötigte Waren von einem Lieferanten ihrer Wahl zu beziehen, durch Vereinbarung oder Absprache eingeschränkt wird. Dadurch wird der Nachfragewettbewerb auf vorgelagerten Märkten eingeschränkt. Eine Aufteilung der Versorgungswellen ist auch dann gegeben, wenn es den Beteiligten aufgrund der Vereinbarung oder Absprache eines gemeinschaftlichen Einkaufs nicht freisteht, auch direkt und nicht über die gemeinschaftliche Stelle einzukaufen (vgl Europäische Kommission, 17.7.1968 „Socemas“, ABl 1968 L 201/6). Alleinbezugsverpflichtungen können ein Instrument zur Aufteilung von Versorgungsquellen darstellen (vgl EuG, 5.7.2001 „Roberts/Greene King“, Slg 2001, II-1881; EuGH, 7.12.2000 „Neste“, Slg 2000, I-11121, 11148). Dies insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Abnehmer handelt, die in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt werden, wodurch gleichzeitig der Marktzutritt dritter Unternehmen behindert wird. Bei der Bezugspflicht kann es durch die Gewährung von Gesamtumsatzrabatten (aber auch von Jahresumsatz- oder Treuerabatten), wenn Rabatte also nicht leistungsbezogen sind, sondern darauf abzielen, anderen Herstellern den Zugang zum Markt unbillig zu erschweren, zur faktischen Ausschließlichkeit kommen (vgl Verordnung [EU] Nr 330/2010 der Europäischen Kommission, Art 1 Abs 1 lit d). 109 Eine ausdrückliche oder auf die Gewährung von Rabatten beruhende Ausschließlichkeit bleibt auch bei Vereinbarung einer sogenannten „englischen Klausel“ tatbestandsmäßig. Durch eine derartige Klausel erhält der Abnehmer das Recht, dem Lieferanten günstigere Angebote anderer Lieferanten mitzuteilen und ihn aufzufordern, in diese einzutreten. Tritt der Lieferant nicht ein, ist der Abnehmer frei, sich abweichend von seiner Bezugsverpflichtung bei dem Konkurrenten zu versorgen, ohne dass er dadurch seinen Anspruch auf dem im Vertrag vorgesehenen Treuerabatt für bereits getätigte oder noch zu tätigende Käufe einbüßt (vgl EuGH, 13.2.1979 „Hoffmann-La Roche“, Slg 1979, 461, 544, 545). 4. Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen 110 § 1 Abs 2 Z 4 zielt auf eine Vereinbarung oder Absprache ab, die den an der Vereinbarung oder Absprache beteiligten Unternehmern die wettbewerbsrelevante Handlungsfreiheit nimmt und an der Vereinbarung 54
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oder Absprache nicht beteiligte Unternehmen (Geschäftspartner) durch die Anwendung unterschiedlicher, sachlich nicht gerechtfertigter Bedingungen, also durch Ungleichbehandlung bei gleichwertigen Leistungen der beteiligten Unternehmen oder durch Gleichbehandlung bei ungleichen Leistungen, im Wettbewerb benachteiligt. Werden Handelspartner, die gleichwertige Leistungen erbringen, unterschiedlich behandelt, kann dies den Wettbewerb zwischen ihnen verfälschen (vgl Zimmer in Immenga/Mestmäcker Art 101 Abs 1 AEUV Rn 247). Etwa durch unterschiedliche An- oder Verkaufspreise, ohne dass die Ungleichbehandlung auf objektive Gründe (zB unterschiedliche Kosten) zurückgeführt werden kann. Die Diskriminierung muss kollektiv veranlasst sein, also auf eine Vereinbarung, einen Beschluss einer Unternehmervereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise zurückgehen, und darf nicht auf einem einseitigen Verhalten eines einzelnen Unternehmers beruhen (vgl EuG, 12.1.1995 „Viho“, Slg 1995, II-17; EuGH, 24.10.1996 „Viho“, Slg 1996, I-5457). Die einseitige Diskriminierung durch ein einzelnes Unternehmens ist nur dann tatbestandsmäßig, wenn dieses Unternehmen marktbeherrschend ist (vgl unten, § 5). Inhaltlich besagt das Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sach- 111 verhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, es liege eine objektive Rechtfertigung vor (vgl EuGH, 13.7.1962 „Ausgleichskasse für Schrott“, Slg 1962, 653, 692), bzw dass verschieden gelagerte Sachverhalte ohne sachlichen Grund nicht gleichbehandelt werden dürfen (vgl EuGH, 17.7.1963 „Kühlschrankeinfuhr“, Slg 1963, 384). Wenn aber Handelspartner, etwa weil sie über unterschiedlich ausgebildetes und qualifiziertes Personal verfügen, bei der weiteren Vermarktung in unterschiedlichem Ausmaß zur Absatzförderung beitragen, kann eine Ungleichwertigkeit der Leistungen vorliegen und damit eine unterschiedliche Behandlung der Abnehmer durch den Lieferanten zulässig sein (vgl Zimmer in Immenga/Mestmäcker Art 101 Abs 1 AEUV Rz 247). Das Diskriminierungsverbot gilt auch für selektive Vertriebsysteme. 112 Die Diskriminierung kann also nicht bloß von auf der gleichen Produktions- und/oder Vertriebsstufe tätigen Unternehmen, sondern etwa auch zwischen einem Lieferanten und einzelnen seiner Abnehmer abgesprochen werden. Selektive Vertriebssysteme verstoßen trotz gewisser („einfacher“) Wettbewerbsbeschränkungen nicht gegen § 1 Abs 1, wenn die Auswahl der Händler (oder auch Inhaber von Werkstätten) aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt und weder 55
§ 1 KartGGugerbauer der Marktanteil des Anbieters, noch jener des Abnehmers 30% übersteigt. Die Auswahlkriterien müssen für alle in Betracht kommenden Vertragspartner einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden (vgl VO [EU] Nr 330/2010 Art 1 Abs 1 lit e, Art 3 Abs 1; EuGH, 25.10.1977 „Metro/SABA I“, Slg 1977, 1875, 1905). Die vorgesehenen Selektionskriterien dürfen nicht über das zum Vertrieb des vertraglichen Produkts unbedingt erforderliche Maß hinausgehen (vgl EuGH, 11.12.1980 „L’Oréal“, Slg 1980, 3775; EuG, 27.2.1992 „Vichy“, Slg 1992, II-415, 443). Unterschiedliche An- oder Verkaufspreise, ohne dass für die Differenzierung ein sachlich gerechtfertigter Grund, zB unterschiedlich hohe Kosten, vorliegen würde, sind ebenso diskriminierend wie etwa die Verweigerung der Garantie- und Reparaturleistungen für Erzeugnisse, die parallel importiert worden sind (vgl EuGH, 21.2.1984 „Hasselblad“, Slg 1984, 883, 905). 5. Koppelungsgeschäfte 113 Die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzlich Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen, ist dann tatbestandsmäßig iSv § 1 Abs 2 Z 5, wenn sie auf eine Vereinbarung, den Beschluss einer Unternehmervereinigung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zurückgeführt werden kann. Ohne eine derartige Vereinbarung, einen derartigen Beschluss oder eine derartige aufeinander abgestimmte Verhaltensweise sind Koppelungsgeschäfte dann verboten, wenn der Unternehmen marktbeherrschend iSv § 5 ist. 114 Nur ökonomisch wirkende Anreize, etwa die Gewährung besonderer Rabatte bei gleichzeitigem Bezug zweier Produkte, erfüllen den Tatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 nicht. Auch ist das Angebot bestimmungsgemäß verbundener Waren oder Leistungen (beispielsweise einer Fernbedienung mit einem TV-Gerät) von der Koppelung verschiedener Waren oder Dienstleistungen zu trennen. Eine sachliche Verbundenheit von Waren und/ oder Leistungen kann insbesondere dann vorliegen, wenn ihr gemeinsamer Vertrieb für die Produktsicherheit oder die Qualitätssicherung erforderlich ist. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen eines Lizenzvertrages auch der Einsatz bestimmter Rohstoffe oder Vorprodukte vereinbart wird, weil dies für die einwandfreie Herstellung des Lizenzproduktes notwendig erscheint (vgl EuGH, 14.11.1996 „Tetra Pak II“, Slg 1996 I-5951). Eine unzulässige Koppelung liegt schließ56
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lich auch dann nicht vor, wenn Produkte nach Handelsbrauch nur gemeinsam abgegeben werden (vgl Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Art 101 Abs 1 AEUV Rz 252).
III. § 1 Abs 3 – Nichtigkeit Nach § 1 Abs 1 verbotene Vereinbarungen und Beschlüsse sind gem § 1 115 Abs 3 nichtig: Die Vereinbarung oder der Beschluss hat keine rechtlichen Wirkungen im Verhältnis der Beteiligten zueinander (selbst wenn dieser Umstand den Beteiligten schon bei Abschluss der Vereinbarung oder Fassung des Beschlusses bekannt war) und kann Dritten nicht entgegengehalten werden (vgl EuGH, 25.11.1971 „Béguelin“, Slg 1971, 949, 962 Rn 29). Die Nichtigkeit besteht von Anfang an, also „ex tunc“ (vgl 6 Ob 322/00x; 10 Ob 10/12m; EuGH, 6.2.1973 „Brasserie de Haecht“, Slg 1973, 77, 86). Sie tritt kraft Gesetzes unmittelbar ein. Infolge der Nichtigkeit kommt die beabsichtigte Bindungswirkung 116 nicht zustande (10 Ob 10/12m). Mit § 1 Abs 3 wird die zivilrechtliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Kartellverbot ausdrücklich festgelegt, sie kann unmittelbar geltend gemacht werden (vgl 3 Ob 296/99x): Aus einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung Verpflichtete können sich auf die Nichtigkeit berufen, ohne dass es vorher einer entsprechenden Entscheidung des KartGer bedürfte. Wird im zivilgerichtlichen Verfahren gegen vertragliche Ansprüche Nichtigkeit nach § 1 Abs 3 eingewendet (und nachgewiesen), ist die Klage abzuweisen. Gerichte haben die Nichtigkeit von amtswegen festzustellen, die gerichtliche Entscheidung hat deklarativen Charakter (vgl Hengst in Langen/Bunte Art 101 AEUV Rz 457). Der Klagsanspruch kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 vorliegen. Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen haben, anders als Vereinbarungen und Beschlüsse, keinen rechtsgeschäftlichen, sondern einen rein tatsächlichen Charakter, sie können insofern auch nicht für nichtig erklärt werden. Die Nichtigkeit einer Vereinbarung nach § 1 Abs 1 gilt nur für die von 117 dem Kartellverbot erfassten Teile (4 Ob 119/09t), oder für solche Teile, die sich von den von diesem Verbot erfassten Teilen nicht sinnvoll trennen lassen (10 Ob 10/12m). Wenn sich eine kartellrechtswidrige Vertragsklausel vom restlichen Vertragswerk nicht trennen lässt, tritt also Gesamtnichtigkeit ein (10 Ob 10/12m; EuGH, 11.9.2008 „CEPSA“, 57
§ 1 KartGGugerbauer WuW/E EU-R 1475, 1483, Rn 78). Klauseln, welche die Wettbewerbsbeschränkung zwar nicht selbst bezwecken oder bewirken, aber wesentlich zu ihrem Zustandekommen oder ihrer Durchsetzung beitragen, werden als mit den verbotenen Vereinbarungen in einer Einheit stehend beurteilt (7 Ob 211/99a). Die Trennbarkeit von Vertragsbestimmungen ist eine Tatfrage, die nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund objektiver Betrachtungsweise zu beurteilen ist (3 Ob 296/99x). Bei der Beurteilung der Trennbarkeit kommt es nicht auf die Intentionen der Parteien an, entscheidend ist der Schutzzweck der Verbotsnorm (6 Ob 322/00x; 7 Ob 211/99a). Die Trennbarkeit ist gem der Funktion der Nichtigkeitssanktion zu beurteilen. Leitlinie ist nicht der Gedanke der Vertragsgerechtigkeit, sondern die Wiederherstellung der wettbewerblichen Handlungsspielräume der gebundenen Parteien (6 Ob 322/00x). Es ist zu prüfen, ob der übrige Vertragsinhalt auch ohne die unwirksamen Abreden einen selbständiger Geltung fähigen Regelungsgehalt behält (vgl Hengst in Langen/Bunte Art 101 AEUV Rn 462). Es kommt darauf an, welche Vertragsbestandteile in funktionsnotwendigem Zusammenhang mit der kartellrechtswidrigen Vertragsklausel stehen (aaO, Rn 463). Entfällt beispielsweise die Alleinbezugspflicht eines Abnehmers aus kartellrechtlichen Gründen, führt dies in der Regel auch zur Unwirksamkeit der damit in einem synallagmatischen Zusammenhang stehenden Gegenleistung (10 Ob 10/12m). 118 Ausführungsverträge, also zusätzliche Vereinbarungen und/oder Beschlüsse zwischen den Beteiligten an einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder Absprache, oder auch mit Dritten zur Ergänzung, Absicherung, Durchführung oder Vertiefung der vereinbarten Wettbewerbsbeschränkung, werden von der Nichtigkeitsfolge des § 1 Abs 3 erfasst, weil sie entweder gegen § 1 Abs 1 verstoßen oder aber mit der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder Absprache ein einheitliches Ganzes bilden (vgl Hengst in Langen/Bunte Art 101 AEUV Rn 470). Dagegen bleiben Folgeverträge, also individuelle Verträge mit Dritten in Ausführung der verbotenen Vereinbarung oder Absprache, insbesondere Kaufverträge zu Kartellpreisen, voll wirksam (16 Ok 8/08). 119 Wird eine (etwa nach den Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung) zulässige Höchstdauer einer Wettbewerbsbeschränkung durch die Vereinbarung überschritten, erfasst die Nichtigkeit den die zulässige Höchstdauer überschreitenden Zeitraum, aber nicht die übrigen Vertragsbestimmungen (6 Ob 322/00x). 58
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Haben die an einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder 120 Absprache beteiligten Unternehmen eine salvatorische Klausel vereinbart, nach der bei Fortfall unwirksamer Teile die Vereinbarung im Übrigen wirksam bleiben soll, kommt es zu einer Beweislastumkehr: Die Beweislast trifft denjenigen, der Nichtigkeit des gesamten Vertrages geltend macht. Es bleibt der privatautonomen Entscheidung der Unternehmen über- 121 lassen, welche Unterlassungs-, Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüche sie aus der Nichtigkeit eines nach Abs 1 verbotenen Vertrages ableiten (6 Ob 661/95). Unternehmen können sich auf einzelne Ansprüche beschränken oder überhaupt auf die Geltendmachung solcher Ansprüche verzichten (5 Ob 542/95). § 37a begründet bei schuldhafter Rechtsverletzung nach § 29 Z 1 eine Schadenersatzpflicht. An einer mit Nichtigkeitsfolge sanktionierten Wettbewerbsbeschränkung Beteiligte haben gegeneinander keine Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, andernfalls würde die Nichtigkeitsfolge ja aufgehoben. Ein Unterlassungsanspruch gegen Kartellrechtsverstöße kann auf § 1 122 UWG gegründet werden: Nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung anwendet, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Dies ist ua dann der Fall, wenn sich ein Unternehmen schuldhaft über eine Vorschrift des Kartellgesetzes hinwegsetzt, um im Wettbewerb einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (vgl etwa 4 Ob 62/98s; 4 Ob 165/98p; 4 Ob 19/00y). V. § 1 Abs 4 Empfehlungskartelle Empfehlungen zur Einhaltung bestimmter Preise, Preisgrenzen, Kal- 123 kulationsrichtlinien, Handelsspannen oder Rabatte, durch welche eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt wird, gelten als Kartelle. Empfehlungen, die sich nicht auf Preise, Preisgrenzen, Kalkulationsrichtlinien, Handelsspannen oder Rabatte beziehen, fallen dagegen nicht unter Abs 4 (Okt 8/65). Ausgenommen vom Verbot sind Empfehlungen, in denen ausdrücklich auf ihre Unverbindlichkeit hingewiesen wird und zu deren Durchsetzung wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Druck weder ausgeübt werden soll noch ausgeübt wird 59
§ 1 KartGGugerbauer (vgl etwa 16 Ok 5/01). Auch eine unverbindliche Preisempfehlung kann aber – im Zusammenhang mit einer Verhaltensabstimmung – einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 darstellen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sie wie eine mittelbare Preisbindung wirkt (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). § 1 Abs 4 gilt nur subsidiär, kommt also bloß bei solchen Wettbewerbsbeschränkungen zur Anwendung, die nicht die Voraussetzungen des allgemeinen Kartellverbots erfüllen. Die gegenüber Art 101 AEUV strengere Regelung des § 1 Abs 4 KartG wird durch Art 3 der Verordnung (EG) 1/2003 des Rates (ABl Nr L 1, 1), der das Verhältnis zwischen den Wettbewerbsregeln der EU und dem einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht regelt, ermöglicht: Den Mitgliedstaaten ist es nicht verwehrt, in ihrem Hoheitsgebiet strengere innerstaatliche Vorschriften zu Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmern zu erlassen oder anzuwenden. 124 Unter „Empfehlung“ iSv Abs 4 ist eine einseitige Äußerung, etwa in der Form einer Anregung oder eines Rates, zu verstehen. Sie drückt ein gewisses Interesse des Empfehlenden aus, dass seine Empfehlung auch umgesetzt wird, soll das Verhalten der Empfänger zwar in einem bestimmten Sinn beeinflussen, stellt es ihnen aber frei, ob sie sich daran halten (16 Ok 5/01). Sie kann nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich (auch im Rahmen einer Tagung) oder telefonisch ausgesprochen werden (12 Os 95/67). Eine Verpflichtung von Abnehmern (Großhändlern) durch den Lieferanten, bei der Weiterveräußerung an Einzelhändler Endverkaufspreise zu empfehlen, ist unzulässig (vgl Europäische Kommission 22.12.1987, ABl EG 1987, L 45/34, Tz 32, ARG/Uni Part; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Eine Empfehlung zur Einhaltung bestimmter Preise ist auch dann eine Empfehlung an den Wiederverkäufer, wenn die Preisliste für den Verbraucher bestimmt ist (Okt 1/65). Wenn eine – als unverbindlich erklärte – Empfehlung wirtschaftlich, gesellschaftlich oder moralisch sanktioniert ist oder derart im Zusammenhang mit einer Rahmenvereinbarung (etwa einem Händlervertrag) steht, dass deren Befolgung erwartet werden kann, steht dies einer nach § 1 Abs 1 verbotene Vereinbarung gleich. Etwa dann, wenn aufgrund der Geschlossenheit eines Betriebssystems und der Strenge der Durchsetzung eine Preisdisziplin entsteht, die durch Drohungen, Einschüchterungen, Kontrolle oder Anreize gefördert wird. Dann läuft das Aussprechen einer „unverbindlichen“ Preisempfehlung auf eine vertikale Preisbindung hinaus (vgl zum EU-Wettbewerbsrecht Hengst in Langen/Bunte, Art 101 AEUV, Rn 139). Auch Preisempfehlungen eines 60
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Franchisegebers an seine Franchisenehmer sind nur dann zulässig, wenn die Franchisenehmer in ihrer Preisgestaltung frei bleiben (EuGH, 28.1.1986 „Pronuptia“, Slg 1986, 353, 384). Die Empfehlung einer Unternehmervereinigung ist als Beschluss iSv 125 § 1 Abs 1 zu bewerten, wenn sie entweder vom zuständigen Organ satzungsgemäß gefasst (vgl EuGH, 29.10.1980 „Van Landewyzk“, Slg 1980, 3125, Rn 88), oder – ungeachtet dessen – von den Mitgliedern der Vereinigung angenommen und befolgt wurde (vgl EuGH, 8.3.1983 „IAZ“, Slg 1983, 3369, Rn 21). Empfehlungen einer Unternehmervereinigung („Verbandsempfehlungen“) werden trotz Unverbindlichkeitshinweises häufig beachtet und können deshalb trotz Unverbindlichkeitshinweises wettbewerbsbeschränkend wirken (16 Ok 12/98). Etwa dann, wenn sie die Mitglieder faktisch binden, weil sie sich der Empfehlung nicht entziehen können, ohne Nachteile rechtlicher, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Art in Kauf nehmen zu müssen (vgl 16 Ok 22/04; EuGH, 27.1.1987 „Verband der Sachversicherer“, Slg 1987, 405, 455; EuGH, 8.11.1983 „Navewa-Anseau“, Slg 1983, 3369, 3410). Dann genügt für die Tatbestandsmäßigkeit bereits, wenn mehrere Mitglieder der Vereinigung freiwillig der Aufforderung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen auf dem Markt nachkommen (16 Ok 45/05). Bereits die Definition von Richtpreisen (durch eine Unternehmensver- 126 einigung) beeinträchtigt den Wettbewerb, da solche Richtpreise den angesprochenen Unternehmern die Möglichkeit geben, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik ihre Konkurrenten verfolgen werden (16 Ok 45/05). Die Bezeichnung „empfohlener Richtpreis“ wäre nicht ausreichend (12 Os 93/73). Ob Richtpreise nur in Einzelfällen, dies aber immer wieder, vereinbart und/oder verrechnet werden, spielt für die Frage der Wettbewerbsbeschränkung keine Rolle: Preiskartelle sind grundsätzlich auch spürbar (16 Ok 45/05). Die Empfehlung eines Lieferanten oder einer Unternehmervereinigung 127 fällt unter das Kartellverbot, wenn sie nicht ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet wird. Vom Verbot ausgenommen sind Empfehlungen, „in denen“ ausdrücklich auf ihre Unverbindlichkeit hingewiesen wird. Insoferne genügt es nicht, wenn in einem gesonderten Schreiben auf die Unverbindlichkeit von zuvor versandten Preislisten hingewiesen wird (so aber 9 Os 141/64). Die Unverbindlichkeit wird an strenge Voraussetzungen geknüpft. Eine in unmissverständlicher Weise auf den unverbindlichen Charakter einer Empfehlung hinweisende Willenser61
§ 1 KartGGugerbauer klärung liegt nur dann vor, wenn sie nicht erst im Wege einer Schlussfolgerung, sondern in einer von vornherein jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass es sich weder um ein rechtliches Müssen, noch um ein geschäftliches Sollen, sondern nur um ein „Dürfen“ oder „Können“ handelt, welches die Freizügigkeit des Empfängers in keiner Weise beschränkt (9 Os 66/66; 9 Os 131/65). Bei einer Empfehlung kommt es ausschließlich auf die objektive Formulierung, nicht auf das subjektive Empfinden des Empfehlenden an (9 Os 141/64). Durch die Empfehlung, Preise „möglichst“ einzuhalten, wird nicht ausdrücklich auf die Unverbindlichkeit hingewiesen (12 Os 320/62). Der Ausdruck „unverbindlich empfohlener Verkaufspreis“ steht der Annahme einer verbotenen Empfehlung entgegen (4 Ob 95/99w). Eine Empfehlung ist schon begriffsgemäß unverbindlich, sie ausdrücklich als unverbindlich zu bezeichnen, ist ein Pleonasmus. Dieser Pleonasmus wird vom Gesetzgeber aber bewusst verwendet. Um vom Verbot nach Abs 4 iVm Abs 1 ausgenommen zu sein, muss die Empfehlung ausdrücklich (etwa durch einen Zusatz) und unmissverständlich als unverbindlich gekennzeichnet werden (Okt 6/65). 128 Auch eine unverbindliche Empfehlung ist tatbestandsmäßig, wenn versucht wird, sie durch Ausübung von Druck durchzusetzen (16 Ok 2/96). Maßgeblich ist nicht, ob Druck angedroht wurde oder die Androhung von Druck erfolgreich war. Es genügt bereits der Versuch oder auch nur die Absicht, Druck auszuüben (12 Os 95/67; 16 Ok 5/01). Das angedachte, angedrohte oder ausgeübte Druckmittel muss objektiv geeignet sein. Dass eine Drohung später nicht verwirklicht wurde, ist aber irrelevant (9 Os 141/64). Es kommt auf die Sicht jener Unternehmer an, gegen die Druck ausgeübt werden sollte (16 Ok 5/01). 129 Wirtschaftlicher Druck wird etwa durch die Androhung oder Ankündigung der Nichtbelieferung ausgeübt (12 Os 95/67). Die Ankündigung der Einstellung weiterer Warenlieferungen oder die Einwirkung auf Großhändler, über Einzelhändler wegen Nichtbeachtung von Preisempfehlungen eine Liefersperre zu verhängen oder ihnen eine solche anzudrohen, stellen eine Ausübung unzulässigen wirtschaftlichen Drucks dar (12 Os 93/73). Es genügt aber bereits, wenn der Entzug von Vergünstigungen angedroht wird (16 Ok 5/01). Auch die Androhung von – selbst geringen – Nachteilen, die bewirken, dass die Entscheidungsfreiheit eines Adressaten beeinträchtigt wird, wenn ihm auch durchaus noch ein Handlungsspielraum bleibt, stellt die Ausübung unzulässigen Drucks dar (16 Ok 5/01). Wird nur gegen 62
Ausnahmen
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einen Adressaten der unverbindlichen Empfehlung Druck ausgeübt, erfahren aber die anderen Adressaten davon, so werden auch diese unter Druck gesetzt, sich gemäß der Empfehlung zu verhalten, weil sie andernfalls die gleichen Nachteile befürchten müssten (16 Ok 5/01). Gibt ein Lieferant an seine Wiederverkäufer zwar eine nur unverbindliche Empfehlung (zB betreffend eine bestimmte Rabattierung) aus, wirbt er aber parallel dazu öffentlich damit, dass „teilnehmende“ Händlerbetriebe Endverbrauchern einen derartigen Rabatt gewähren würden, verstößt dies gegen das Kartellverbot. Für den verbotenen „wirtschaftlichen Druck“ iSd § 1 Abs 4 ist eine gewisse Mindestspürbarkeit als Untergrenze zu fordern. Wenn etwa für die Umsetzung einer Preisempfehlung ein Bonus ausgelobt wird, muss dieser in der entsprechenden Branche eine gewisse Relevanz haben Diese Voraussetzung ist bei Gewährung eines Bonus von bloß 1,5% evident nicht erfüllt (16 Ok 1/13).
Ausnahmen § 2. (1) Vom Verbot nach § 1 sind Kartelle ausgenommen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmern a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. (2) Jedenfalls vom Verbot nach § 1 ausgenommen sind die folgenden Kartelle: 1. Kartelle, an denen Unternehmer beteiligt sind, die zueinander im Wettbewerb stehen und gemeinsam am relevanten Markt einen Anteil von nicht mehr als 10 % haben, oder Kartelle, an denen Unternehmer beteiligt sind, die nicht miteinander im Wettbewerb stehen und die jeweils am relevanten Markt einen Anteil von nicht mehr als 15 % haben, sofern sie in beiden Fällen weder die Festsetzung der Verkaufspreise, die Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes noch die Aufteilung der Märkte bezwecken (Bagatellkartelle); 63
§ 2 KartGGugerbauer 2. Vereinbarungen über die Bindung des Letztverkäufers im Handel mit Büchern, Kunstdrucken, Musikalien, Zeitschriften und Zeitungen an den vom Verleger festgesetzten Verkaufspreis, sowie Vereinbarungen zwischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen einerseits und Unternehmen, die Zeitschriften oder Zeitungen mit Remissionsrecht beziehen und mit einem solchen an Letztverkäufer verkaufen (Pressegrossisten), andererseits, soweit diese Vereinbarungen für den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten im stationären Einzelhandel erforderlich sind; 3. Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Genossenschaftsmitgliedern sowie zwischen diesen und der Genossenschaft, soweit diese Wettbewerbsbeschränkungen durch die Erfüllung des Förderungsauftrags von Genossenschaften (§ 1 des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, RGBl. Nr. 70/1873) berechtigt sind; 4. (aufgehoben durch BGBl I Nr. 13/2013) 5. Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, Vereinigungen von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben oder Vereinigungen von solchen Erzeugervereinigungen über a) die Erzeugung oder den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder b) die Benutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen für die Lagerung, Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sofern sie keine Preisbindung enthalten und den Wettbewerb nicht ausschließen. Als landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe gelten auch Pflanzen- und Tierzuchtbetriebe und die auf der Stufe dieser Betriebe tätigen Unternehmen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind die in Anhang II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angeführten Erzeugnisse sowie die durch Be- oder Verarbeitung dieser Erzeugnisse gewonnenen Waren, deren Be- oder Verarbeitung durch landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe oder ihre Vereinigungen üblicherweise durchgeführt werden. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3
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Ausnahmen
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(2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. § 2 Abs 1 – Legalausnahmen vom Kartellverbot............................ 1–45 A. Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung .............. 6–19 1. Quantitative Effizienzgewinne................................................ 10–11 2. Qualitative Effizienzgewinne................................................... 12–17 3. Abbau von Überkapazitäten.................................................... 18–19 B. Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts....................................................................................... 20–25 C. Angemessene Beteiligung der Verbraucher................................ 26–38 D. Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung....................... 39–41 E. Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der Waren................... 42–45 II. § 2 Abs 2 Z 1 – Bagatellkartelle........................................................... 46–47 III. § 2 Abs 2 Z 2 – Buchpreisbindung..................................................... 48–52 IV. § 2 Abs 2 Z 2 – Presseverlage und Pressegrossisten ........................ 53 V. § 2 Abs 2 Z 3 – Genossenschaften...................................................... 54–65 VI. § 2 Abs 2 Z 5 – Landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe................... 66–82
I. Legalausnahmen vom Kartellverbot Für das Kartellverbot gem § 1 Abs 1 sieht das Gesetz Ausnahmen – Le- 1 galausnahmen – vor, § 2 Abs 1 definiert, welche Kartelle vom Verbot des § 1 Abs 1 ausgenommen sind. Vereinbarungen im Wortsinn, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und abgestimmte Verhaltensweisen die unter § 1 Abs 1 fallen, sind also verboten, soweit nicht die Voraussetzungen des § 2 für eine Ausnehmung vorliegen. Umgekehrt sind Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen, die zwar wettbewerbsbeschränkend sind, aber die gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 erfüllen, unmittelbar gültig. § 2 Abs 2 definiert einige spezifische Ausnahmetatbestände. Die Unternehmen müssen bei Abschluss einer wettbewerbsbeschrän- 2 kenden Vereinbarung selbst beurteilen, ob sie sich auf eine gesetzliche 65
§ 2 KartGGugerbauer Ausnahme vom Kartellverbot berufen können, sie tragen also das Subsumtionsrisiko. Dafür, ob eine geplante Vereinbarung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise vom Kartellverbot ausgenommen ist, gibt es weder eine Bestätigung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), noch eine Entscheidung des Kartellgerichts (vgl 16 Ok 19/04). Die betroffenen Unternehmen können sich aber mit ihrer Kenntnis des Sachverhalts an den EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, an Erläuterungen der Europäischen Kommission in ihren Leitlinien bzw Bekanntmachungen und an der Rechtsprechung bzw der Entscheidungspraxis der Unionsorgane zu Art 101 AEUV orientieren (16 Ok 19/04; 16 Ok 51/05). Bei Zwischenstaatlichkeitsbezug der zu beurteilenden Verhaltensweise dient Art 101 Abs 3 AEUV aber nicht nur zur Interpretation, sondern ist aufgrund des Vorrangs von Unionsrecht vor nationalem Recht gem Art 3 Abs 2 VO 1/2003 unmittelbar anwendbar. Durch Berufung auf externe Berater können sich Unternehmen ihrer Verantwortung, Vereinbarungen nur in dem durch § 2 zugelassenen Rahmen abzuschließen und umzusetzen, nicht entziehen, die Pflicht zur Einhaltung des § 1 kann nicht auf außerhalb eines Unternehmens stehende Personen verlagert werden. Das Unternehmen (bzw die Unternehmensleitung) hat sich – auch bei Zuhilfenahme externen Rats – ein eigenes Urteil über die Vereinbarkeit einer Vereinbarung, an der es beteiligt ist, mit § 2 Abs 1 zu bilden und letztlich die Entscheidung über den Abschluss einer solchen Vereinbarungen zu treffen. Ein Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 Abs 1 und die Rechtsfolge des § 1 Abs 3 hängen auch nicht davon ab, ob dem Unternehmen ein Rechts- oder Tatsachenirrtum vorwerfbar ist (vgl Ellger in Immenga/ Mestmäcker, Art 101 Abs 3 AEUV, Rn 117). Wenn einer Zuwiderhandlung ein Irrtum eines Unternehmens über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zu Grunde liegt, der auf dem Inhalt eines Rechtsrates eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht, ist der Verstoß gegen das Kartellverbot dennoch durch eine Geldbuße bedroht (16 Ok 4/13; RIS-Justiz RS0082955). 3 Im System der Legalausnahmen setzt die Vereinbarkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen mit § 1 Abs 1 voraus, dass die Vereinbarungen während der gesamten Laufzeit, für die sie gelten, den Anforderungen des § 2 Abs 1 entsprechen. Die Freistellung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung ist grundsätzlich nicht (mehr) gegeben, wenn auch nur eine der vier Voraussetzungen wegfällt (EuGH 25.3.1996, C-137/95 P, Rn 34; LL zu Art 81 Abs 3 Rn 44). Ändern sich 66
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während der Laufzeit die Marktverhältnisse, kann dies also dazu führen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausnehmung vom Kartellverbot nach § 2 nicht mehr gegeben sind und die Vereinbarung ab diesem Zeitpunkt gegen das Kartellverbot des § 1 Abs 1 verstößt. An einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung bzw Absprache beteiligte Unternehmer haben daher nicht nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnehmung vom Kartellverbot bei Abschluss der Vereinbarung vorliegen, sondern sie müssen während der gesamten Laufzeit darauf achten, ob diese Voraussetzungen erfüllt bleiben. Insofern ist es erforderlich, die Vereinbarung in regelmäßigen Abständen, jedenfalls aber dann, wenn sich wesentliche der Ausnehmung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente ändern, einer neuerlichen Prüfung nach § 2 Abs 1 zu unterziehen. Stellt sich dabei heraus, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 nicht mehr vorliegen, darf die Vereinbarung nicht weiter umgesetzt werden (vgl Ellger, aaO, Rn 126 f). Unternehmer, die eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung ab- 4 schließen, müssen sich darauf einstellen, dass diese Vereinbarung möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem KartGer., vor der Europäischen Kommission oder vor einem Zivilgericht gemacht wird. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des § 2 vorliegen, obliegt dann denjenigen Unternehmen (oder Unternehmervereinigungen), die sich auf diese Bestimmung berufen. Die beteiligten Unternehmen haben dies gegebenenfalls substantiiert vorzubringen und zu belegen. In Verfahren vor dem OLG Wien als KartGer. kommt nach den Bestimmungen der AußStrG ein eingeschränkter Untersuchungsgrundsatz zum Tragen (vgl 16 Ok 4/08; 16 Ok 3/12; zur Beweislastregelung im Wettbewerbsrecht der EU vgl Art 2 VO Nr 1/2003, ABl 2003 L 1/1) Zu einer Ausnehmung vom Kartellverbot kommt es nur dann, wenn die 5 Vereinbarung, der Beschluss der Unternehmervereinigung oder das abgestimmte Verhalten alle vier (die zwei „positiven“ wie auch die zwei „negativen“) Voraussetzungen des § 2 Abs 1 erfüllt. Es müssen also Effizienzgewinne aus der Kooperation vorliegen (ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder ein Beitrag zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts, wobei eine Kausalbeziehung zwischen Wettbewerbsbeschränkung und Effizienzgewinnen bestehen muss), die Verbraucher müssen angemessen beteiligt werden, die Wettbewerbsbeschränkung muss unerlässlich sein und Wettbewerb darf nicht für einen wesentlichen Teil der Waren (oder 67
§ 2 KartGGugerbauer Leistungen) ausgeschalten werden. Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 unterscheidet nicht zwischen bezweckter oder bloß bewirkter Wettbewerbsbeschränkung (16 Ok 51/05; 16 Ok 45/05; 16 Ok 12/06). Für die Europäische Kommission erfüllen schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen (vor allem in den Gruppenfreistellungsverordnungen der Kommission definierte Kernbeschränkungen) die Freistellungsvoraussetzungen nicht (LL zu Art 81 Abs 3 Rn 46). Besonders ausgeprägte Wettbewerbsbeschränkungen erfordern eine besonders strenge Prüfung (EuG 27.4.2004, T-86/95, FERC Landtransporte, Rn 79). Es ist daher unwahrscheinlich, dass Kernbeschränkungen als unerlässlich angesehen werden (Leitlinien, aaO, Rn 79). Obwohl in § 2 Abs 1 nur von „Waren“ und „Warenerzeugung“ die Rede ist, erfasst die Ausnahmeregelung auch Dienstleistungen (vgl dazu auch die Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Art 81 Abs 3 EG-Vertrag, ABl 2004 C 101 97, Rn 48). Die Freistellung wird verfehlt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt (vgl EuGH, 25.3.1996 „SPO“, Slg 1996, I-1611, 1622 f Rn 34). Dann erübrigt sich eine Überprüfung der anderen Voraussetzungen. Eine bestimmte Reihenfolge für die Überprüfung der vier Voraussetzungen ist allerdings nicht vorgegeben.
A. Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung 6 Um vom Kartellverbot freigestellt zu sein, muss eine Vereinbarung im Einzelfall objektive Vorteile mit sich bringen, welche die – volkswirtschaftlichen – Nachteile, die mit einem Kartell zwangsläufig einhergehen, deutlich überwiegen (16 Ok 12/06; EuG, 27.2.1992 „Vichy“, Slg 1992, II-417, 425). Die in § 2 Abs 1 einleitend angeführten Kriterien können in zwei wirtschaftliche Kategorien zusammengefasst werden: Einerseits in quantitative unternehmerische Effizienzgewinne – Kosten einsparungen in Folge von Effizienzverbesserungen, beispielsweise durch Nutzung von Größen- oder Verbundvorteilen, Synergieeffekte durch die Bündelung sich ergänzender Technologien oder die Kumulierung von Investitionspotentialen (vgl Europäische Kommission, Leitlinien, aaO, Rn 64 ff). Andererseits in qualitative Effizienzgewinne – die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung qualitativ verbesserter Erzeugnissen oder neuer, technologisch fortschrittlicher Produkte oder Produktionsverfahren (aaO, Rn 69 ff). Grundsätzlich können wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen betreffend die Erbringung von Dienstleistungen ebenso wie solche über die Erzeugung und den Vertrieb von Waren zu Effizienzsteigerungen führen (vgl Ellger, aaO, 68
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Rn 133; Europäische Kommission, 30.4.2003 „O2 UK Limited/T-Mobile UK Limited Network Sharing Agreement“, ABl 2003 L 107 59 ff). Damit die Verbraucher überhaupt eine angemessene Beteiligung an ei- 7 nem entstehenden Gewinn erhalten können, müssen die auf einem relevanten Markt durch eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung erzielten Effizienzgewinne die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vereinbarung aufwiegen (Leitlinien, aaO, Rn 43). Dabei sind die verlorenen Erstinvestitionen (sunk investments) der Parteien zu berücksichtigen, sowie der Zeitraum und die Wettbewerbsbeschränkungen, die erforderlich sind, um eine leistungssteigernde Investition vorzunehmen und ihre Kosten zu amortisieren. Von der ex ante-Natur der Investitionsentscheidung darf nicht abstrahiert werden. Das Risiko, vor dem die Parteien stehen, und die verlorenen Investitionen, die zur Durchführung der Vereinbarung vorgenommen werden müssen, können bewirken, dass die Vereinbarung die Voraussetzungen von § 2 Abs 1 für den Zeitraum erfüllt, der erforderlich ist, um die Investitionskosten zu amortisieren (Leitlinien, aaO, Rn 44). In manchen Fällen kann eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung 8 zu irreversiblen Ergebnissen führen: Wenn die Vereinbarung einmal durchgeführt ist, kann die Ausgangslage nicht wieder hergestellt werden. So kann es zB im Falle einer Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung, in deren Rahmen die Parteien übereinkommen, auf individuelle Forschungsaktivitäten zu verzichten und ihre Kapazitäten zusammenzulegen, technisch und wirtschaftlich unmöglich sein, ein einmal aufgegebenes Projekt wieder aufzunehmen. In solchen Fällen muss die Bewertung allein anhand des zum Zeitpunkt der Durchführung gegebenen Sachverhalts erfolgen. Die Beurteilung der wettbewerbswidrigen und der wettbewerbsfördernden Auswirkungen einer Vereinbarung, die bis dahin gesonderten Forschungsprojekte einzustellen, muss dann zu dem Zeitpunkt erfolgen, an dem die Umsetzung abgeschlossen wird. Wenn die Vereinbarung zu diesem Zeitpunkt mit § 1 vereinbar ist, weil zB von Dritten eine ausreichende Anzahl konkurrierender Forschungs- und Entwicklungsvorhaben betrieben wird, bleibt die Übereinkunft der Parteien, ihre eigenen Forschungsaktivitäten fallenzulassen, mit § 1 vereinbar, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Drittprojekte nicht erfolgreich sind (Leitlinien, aaO, Rn 45). Das Kartellverbot kann jedoch auf andere Klauseln der Vereinbarung 9 anwendbar sein, für die sich die Frage der Irreversibilität nicht stellt. 69
§ 2 KartGGugerbauer Wenn eine Vereinbarung zB neben der gemeinsamen Forschung und Entwicklung auch die gemeinsame Verwertung der Forschungsergebnisse umfasst, kann § 1 auf diesen Teil der Vereinbarung anwendbar sein, sofern die Vereinbarung aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Marktentwicklung wettbewerbsbeschränkend wird und die Voraussetzungen von § 2 Abs 1 nicht (mehr) erfüllt, wobei entsprechend den obigen Ausführungen die sunk investments angemessen zu berücksichtigen sind (Leitlinien, aaO Rn 45). 1. Quantitative Effizienzgewinne 10 Effizienzgewinne werden vielfach dadurch erzielt, dass Unternehmer Investitionen koordinieren, um zu erreichen, was sie alleine nicht oder zumindest nicht so effizient verwirklichen könnten. Oder Unternehmer übertragen einem anderen Unternehmer Aufgaben, die von diesem effizienter gelöst werden können (vgl Leitlinien, aaO, Rn 60). Soweit eine Vereinbarung zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung beiträgt, wird sie vom Kartellverbot – vorbehaltlich der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs 1 – ausgenommen, weil sie zu gesamtwirtschaftlich positiven Wirkungen führt (vgl Ellger, aaO, Rn 132). Bei der Warenerzeugung kann Zusammenarbeit – vor allem durch wechselseitige Spezialisierung – dazu führen, dass die Produktionsanlagen der beteiligten Unternehmer besser ausgelastet werden, durch größere Stückzahlen kann eine Kostensenkung erreicht werden (vgl Leitlinien, aaO, Rn 66). 11 Die Größenvorteile der Produktion hängen mit sog „Unteilbarkeiten“ bei Investitionen in Gebäude, Maschinen, Rohstoffe, Ausbildung usw zusammen. Unteilbarkeiten werden wirksam, wenn sich – insbesondere aus technischen Gründen – bestimmte Ressourcen, die für die Produktion einer Ware erforderlich sind – nur in größeren Sprüngen variieren lassen. Für das investierende Unternehmen heißt dies, dass es seine Kapazitäten nicht jeweils exakt auf den tatsächlichen oder erwarteten Bedarf abstimmen kann. Kann es aber die vorhandenen Kapazitäten nicht voll ausnutzen, entstehen ihm pro produzierter Einheit höhere Durchschnittskosten als bei voller Auslastung der Produktionsanlagen. Da die Stückkosten bei steigender Produktion (bis zur mindestoptimalen Betriebsgröße) sinken, wäre für den Unternehmer die Ausdehnung der Produktion bis hin zur Kapazitätsauslastung ökonomisch sinnvoll. Solche Größenvorteile (economies of scale) bilden einen star70
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ken Anreiz, die Auslastung von Produktionsanlagen in Kooperation mit einem anderen Unternehmer (zB durch wechselseitige Spezialisierung) zu steigern und dadurch Kostenersparnisse zu realisieren (vgl Ellger, aaO, Rn 149). 2. Qualitative Effizienzgewinne Im Rahmen von § 2 Abs 1 sind aber nicht nur Kosteneinsparungen, 12 sondern auch qualitative Verbesserungen (sog dynamische Effizienzsteigerungen) zu berücksichtigen (vgl Ellger, aaO Rn, 156). Ob sie vorliegen oder zu erwarten sind, ist nicht vom subjektiven Standpunkt der Parteien aus zu beurteilen (vgl Europäische Kommission, 4.9.1998 „Van den Bergh Foods Ltd.“, ABl 1998 L 246/1). Dabei ist zunächst an die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung 13 neuer Produkte zu denken, die Verbesserung der Warenerzeugung ist häufig mit einem Beitrag zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt verbunden (vgl Europäische Kommission, 5.12.1983 „VW/ MAN“, ABl 1983 L 376 11 Rn 25; 15.10.1990 „CEKACAN“, ABl 1990 L 299/64 Rn 44). Zu berücksichtigen ist, ob Anbieter in und durch Kooperation mit anderen Unternehmen neue oder technisch verbesserte Waren entwickeln und herstellen oder innovative Dienstleistungen erbringen können, was auf eigene Faust entweder überhaupt nicht, allenfalls zu höheren Kosten oder nur zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt möglich wäre. Die Herstellung neuer Produkte oder das Angebot neuer Dienstleis- 14 tungen bringt für Verbraucher mehr Auswahl. Die Vorteile müssen auf die Vereinbarung bzw Absprache zurückgehen, es muss also zwischen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung einerseits und den Vorteilen durch neue Produkte oder Dienstleistungen andererseits Kausalität bestehen. Dazu reicht bereits ein „einfacher“ Beitrag zur Verbesserung oder Förderung aus, der Beitrag muss also nicht „wesentlich“ sein (vgl Europäische Kommission, 17.12.1990 „KSB/Goulds/Lowara/ ITT“, ABl 1991 L 19/25, 33). Nicht nur die Verbesserung von Waren, auch die Verbesserung der Wa- 15 renerzeugung kann Berücksichtigung finden. Dies besonders bei geschäftlichen Aktivitäten, die hohe Investitionen erfordern und von Größeneffekten gekennzeichnet sind (vgl Ellger, aaO, Rn 159). Etwa dann, wenn die Entwicklung und Herstellung eines Produktes tech71
§ 2 KartGGugerbauer nisch kompliziert und finanziell kostspielig ist, so dass nicht erwartet werden könnte, dass Beteiligte das Erzeugnis überhaupt, so wirtschaftlich und/oder so rasch herstellen würden, wenn es nicht zu dieser Zusammenarbeit kommen würde (vgl Europäische Kommission, 23.11.1977 „GEC-Weir Natriumwälzpumpen“, ABl 1977 L 327 26). 16 Neben Vereinbarungen, die zu einer Verbesserung von Waren oder zu einer Verbesserung der Warenerzeugung führen, können auch solche Vereinbarungen vom Kartellverbot des § 1 Abs 1 ausgenommen sein, die geeignet sind, eine Verbesserung des Vertriebs von Waren herbeizuführen. Im Vertrieb werden Effizienzgewinne vor allem durch die Senkung von Transaktions- und Distributionskosten wirksam, sie können insbesondere aus Größenvorteilen resultieren (vgl Ellger, aaO, Rn 170; zur Ausnahme von Franchise-Vereinbarungen vgl 4 Ob 321/87). 17 Zu einer Verbesserung der Warenverteilung können auch sog Produktgruppenmanagement-Vereinbarungen beitragen: Ein Händler (in der Regel einer mit zahlreichen Filialen oder Niederlassungen) ernennt einen Anbieter zum „Category Captain“ und überträgt ihm die Aufgabe, das Sortiment einer ganzen Produktgruppe zusammenzustellen („Category Management“). Der „Category Captain“ nimmt Einfluss auf die Produktauswahl, die Produktplatzierung und/oder die Verkaufsförderung in den Filialen des Händlers, etwa einer Lebensmittel einzelhandelskette. Die Expertise des „Captain“ kann zu einer Verbesserung der Warenverteilung beitragen. 3. Abbau von Überkapazitäten 18 Vereinbarungen mit dem Ziel, abgestimmt Überkapazitäten abzubauen, bilden insoweit einen Grenzfall, als Vereinbarungen über die Beschränkungen der Produktion gegen § 1 Abs 2 Z 2 verstoße und in der Regel nicht zur Verbesserung der Warenerzeugung beitragen (und auch nicht den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt fördern; vgl Europäische Kommission, 19.12.1990 „ANSAC“, ABl 1991 L 152 54, Rn 23). 19 Anders als eine „Sanierungsfusion“ kann eine Wettbewerbsbeschränkung iSv § 1 Abs 1 nicht nach den Kriterien der failing company defence gerechtfertigt werden (vgl 16 Ok 6/10). Die Europäische Kommission hat allerdings in einigen Fällen Kartellvereinbarungen gem Art 101 Abs 3 AEUV (entspricht § 2 Abs 1) vom Kartellverbot freigestellt, weil 72
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durch den Abbau strukturbedingter Überkapazitäten Warenerzeugung und -verteilung verbessert würden (vgl etwa Europäische Kommission, 4.7.1984 „Kunstfasern“, ABl 1984 L 207, 17). Dabei ging die Kommission davon aus, dass sich keines der beteiligten Unternehmen zum Kapazitätsabbau entschlossen hätte, hätte es nicht darauf vertrauen können, dass auch seine Wettbewerber den gleichen Weg beschreiten werden (aaO, Rn 32). Die Kommission bewertete Kosteneinsparungen aufgrund effizienterer Produktion durch Spezialisierung der beteiligten Unternehmer auf Produktionsbereiche, in denen sie die modernsten Produktionsanlagen besitzen, und aufgrund einer besseren Auslastung der nach den Abbaumaßnahmen verbliebenen Produktionsanlagen als Beiträge zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung (aaO, Rn 35).
B. Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts Technischer Fortschritt ist eine wichtige Antriebskraft der Ökonomie, 20 er kann zur Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte und Dienstleistungen führen und zur Entwicklung neuer und effizienterer Produktionstechniken beitragen (vgl Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art 81 Abs 3 EG, Rn 70). Wirtschaftlicher Wettbewerb schafft einen Anreiz zu technischer Innovation bei Produkten und Produktionsmethoden: Unternehmer forcieren und finanzieren Forschung und Entwicklung, weil sie dadurch ihre relative Wettbewerbsfähigkeit verbessern und ihre Markstellung absichern oder sogar ausbauen können. Die Kooperation von Unternehmen im Bereich von Forschung und 21 Entwicklung oder durch Technologietransfer, also die vertragliche Verwertung gewerblicher Schutzrechte (und technischen Wissens - Knowhow) kann eine Voraussetzung für einen Beitrag zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts bilden. Zwischen der Vereinbarung und den geltend gemachten Vorteilen muss 22 ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Eine bloß mittelbare Kausalbeziehung würde vorliegen, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung den beteiligten Unternehmern zwar erhöhte Gewinne verschaffen, aber keine unmittelbaren Effizienzvorteile herbeiführen würde. Solche Gewinne könnten zwar in weiterer Folge (auch) für For73
§ 2 KartGGugerbauer schung und Entwicklung eingesetzt werden, dies könnte den Verbrauchern auch zugute kommen, aber höhere Forschungsausgaben sind keine notwendige Konsequenz höherer Gewinne (vgl Europäische Kommission, Leitlinien aaO, Rn 54). 23 § 2 Abs 1 erfasst jedoch nicht nur technischen Fortschritt und sich da raus ergebende Vorteile, sondern auch wirtschaftlicher Fortschritt und sich daraus ergebenden Gewinn als eine mögliche Voraussetzung für die Freistellung vom Kartellverbot. Da technische Innovation regelmäßig zu positiven volkswirtschaftlichen Effekten führt, geht sie ebenso regelmäßig mit wirtschaftlichem Fortschritt einher. Technischer und wirtschaftlicher Fortschritt im Sinne von § 2 Abs 1 fallen mit anderen Worten häufig zusammen. In der Regel kann daher darauf verzichtet werden, zwischen technischem und wirtschaftlichem Fortschritt zu unterscheiden. 24 Allerdings kann dem Kriterium des wirtschaftlichen Fortschritts durchaus auch eine eigenständige Bedeutung zukommen. Insbesondere bei der Erbringung von Dienstleistungen kann das Zusammenwirken von Unternehmen zu Effizienzgewinnen wirtschaftlicher Art führen, die sich weder ausschließlich als Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung einstufen lassen, noch von technischen Innovationsprozessen abhängig sind. 25 Auch im Hinblick auf technischen und wirtschaftlichen Fortschritt setzt § 2 Abs 1 voraus, dass die Vereinbarung zu objektiven Vorteilen führt, die geeignet sind, die mit der Wettbewerbsbeschränkung einhergehenden Nachteile auszugleichen (vgl EuGH, 13.7.1966 „Consten und Grundig/Kommission“, Slg 1966, 321 ff, 396 f).
C. Angemessene Beteiligung der Verbraucher 26 Wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen werden abgeschlossen, um den an dem Kartell beteiligten Unternehmen Vorteile verschaffen. Solche Verbesserungen für die beteiligten Unternehmen sind aber regelmäßig von Nachteilen für die Abnehmer begleitet: Vielfach wird die „Produzentenrente“ zu Lasten der „Konsumentenrente“ vergrößert, eine Leistungsverbesserung bleibt aus (vgl Ellger, aaO Rn 222). Wettbewerbswidriges Verhalten kann daher nie mit rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen gerechtfertigt werden (16 Ok 12/06). Aus dem Verständnis von Kartellrecht als – im weitesten Sinne – Verbraucherrecht 74
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folgt, dass eine aus Gründen der Effizienzsteigerung ausnahmsweise zugelassene Wettbewerbsbeschränkung nicht auf Kosten der Konsumenten gehen darf. Eine Ausnehmung vom Kartellverbot kommt daher nur dann in Frage, 27 wenn die Vorteile, die mit dem Ausschluss des Wettbewerbs für die beteiligten Unternehmen verbunden sind, zumindest teilweise, jedenfalls aber angemessen, an die Verbraucher weitergegeben werden. Eine derartige Beteiligung von Verbrauchern kann über niedrigere Verbraucherpreise, Qualitätsverbesserungen, die Einführung neuer Produkte, einen verbesserten Kundendienst oder auch eine geringere Umweltverschmutzung erfolgen (vgl Europäische Kommission, 23.9.1964 „Grundig/Consten“, ABl 1964, 2450; 21.12.1994 „Philips/Osram“, ABl 1994 L 378/37, 42). Die Beteiligung an dem entstehenden Gewinn ist dann „angemessen“, wenn sie von hinreichender Bedeutung ist (vgl Europäische Kommission, 12.12.1990 „KSB/Goulds/Lowara/ITT“, ABl 1991 L 19/25, 34). Werden von den beteiligten Unternehmern im Rahmen eines kartell- 28 gerichtlichen Verfahrens Effizienzgewinne in der Form von Kosteneinsparungen geltend gemacht, müssen diese Einsparungen so genau wie möglich berechnet oder geschätzt und muss die Art der Berechnung eingehend beschrieben werden, um die Angemessenheit der Beteiligung der Verbraucher beurteilen zu können (Europäische Kommission, Leitlinien, aaO, Rn 56). Soweit eine Vereinbarung den Wettbewerb auf einem relevanten Markt nur geringfügig beschränkt ist es wahrscheinlich, dass aufgrund des verbleibenden Wettbewerbsdrucks ein angemessener Teil der Kosteneinsparungen an die Verbraucher weitergegeben wird (vgl LL, aaO, Rn 90). Führt eine Vereinbarung aber zu schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen und allenfalls bescheidenen Effizienzgewinnen, erübrigt sich eine Abwägung, da die Vorteile der Vereinbarung ihre Nachteile für den Verbraucher nicht überwiegen. Die Bereitschaft der Unternehmen, aufgrund von Effizienzgewinnen 29 Preissenkungen vorzunehmen, hängt wesentlich von dem nach dem Abschluss und der Umsetzung der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung noch verbleibenden Wettbewerb ab. Ist dieser Wettbewerb intensiv ist es wahrscheinlich, dass die Unternehmen versuchen werden, ihre Marktanteile zu vergrößern, indem sie die Preise senken. Findet Wettbewerb wesentlich über den Preis statt und stehen einer Steige75
§ 2 KartGGugerbauer rung der Produktion keine wesentlichen Hindernisse entgegen, ist eine Weitergabe der Effizienzgewinne an die Verbraucher zu erwarten. 30 Der Umfang der Weitergabe von Kostensenkungen (in der Form von Preissenkungen) an die Verbraucher hängt aber auch von der Nachfrageelastizität ab. Reagieren die Verbraucher auf Preissenkungen, indem sie die verbilligten Produkt verstärkt nachfragen, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Kostenersparnisse aus der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung weitergegeben werden. Die Unternehmen können Umsatzeinbußen durch die Preissenkung über Umsatzzuwächse durch verstärkte Nachfrage ausgleichen. Eine elastische Nachfrage gibt es häufig bei Gütern, die leicht substituierbar sind. Ist die Nachfrage dagegen unelastisch, ist es weniger wahrscheinlich, dass Kostenersparnisse an die Verbraucher weitergegeben werden (vgl Ellger, aaO, Rn 234). 31 Die Verbraucher müssen nicht an jedem einzelnen Effizienzgewinn beteiligt werden, damit die Voraussetzungen für eine Freistellung vom Kartellverbot vorliegen. Vorteile sind jedoch in einem Umfang weiterzugeben, der die negativen Auswirkungen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung ausgleicht, so dass die Verbraucher eine angemessene Beteiligung am Gesamtgewinn erhalten (vgl EuGH Rs 26/76, Slg 1977, S 1875, Metro/SABA [Metro I]). 32 Die Beteiligung der Verbraucher ist auch nicht auf monetäre Vorteile beschränkt, zu berücksichtigen sind alle quantitativen wie qualitativen Vorteile, die den Verbrauchern aus der Vereinbarung zukommen. Zu qualitativen Effizienzgewinnen kommt es vor allem durch die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung eines neuen Produktes oder einer neuen Dienstleistung oder die Verbesserung eines bereits vorhandenen Produktes oder einer Dienstleistung. Der Nutzen eines neuen Produkts, einer verbesserten Dienstleistung, und andere nicht-monetäre Vorteile treten vielfach gar nicht bei den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen, sondern unmittelbar bei den Abnehmern ein. 33 Das KartG enthält keine Definition des Verbraucherbegriffs. Nach Sinn und Zweck des § 2 Abs 1 ist der Begriff des Verbrauchers aber weit auszulegen. Die nachteiligen Auswirkungen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen treffen nicht nur Endverbraucher iSv Konsumenten, die Produkte außerhalb ihrer beruflichen Sphäre zu privaten Zwecken erwerben, sondern auch gewerbliche Abnehmer auf allen Produktions- und Vertriebsstufen. Demgemäß erfasst der Begriff der 76
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Verbraucher in § 2 Abs 1 neben (privaten wie auch unternehmerischen) Endverbrauchern Produzenten, die von Zulieferern Vorprodukte beziehen, sowie Groß- oder Einzelhändler. Unter „angemessener“ Beteiligung ist die Weitergabe solcher Vorteile 34 zu verstehen, die die negativen Auswirkungen für die Verbraucher zumindest ausgleichen. Die Auswirkung einer Vereinbarung auf die betroffenen Verbraucher muss daher insgesamt mindestens neutral sein (vgl EuGH Consten und Grundig, Slg 1966, 321ff, 397). Dabei muss die Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn nicht definitiv nachgewiesen werden, sie muss sich aber aus einer Prognose mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit ergeben (vgl Europäische Kommission, 17.7.1968 „ACEC/Berliet“, ABl 1968 L 201/7, 9). Werden Kosteneinsparungen in Form einer Preissenkung an die Ver- 35 braucher weitergegeben, kann durch eine Quantifizierung und Saldierung der Vor- und Nachteile festgestellt werden, ob die Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung die Vorteile, an denen die Verbraucher beteiligt werden, überwiegen. Die Abwägung nicht-monetärer Vorteile einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung mit ihren Nachteilen kann allerdings schwierig sein. Nicht-monetäre Vorteile wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen lassen sich regelmäßig nicht einfach quantifizieren. Die Berücksichtigung und Abwägung solcher nichtmonetärer Vorteile impliziert immer ein Werturteil (vgl Ellger, aaO, Rn 231). Die Gewinne (und die Beteiligung der Verbraucher an ihnen) müssen 36 nicht sofort eintreten. Manchmal kann erst nach einem gewissen Zeitraum mit Effizienzgewinnen gerechnet werden. Hat eine Vereinbarung zunächst ausschließlich negative Wirkungen und erfolgt die Weitergabe von Vorteilen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, wird dadurch die Anwendung von § 2 Abs 1 also nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl Europäische Kommission, LL, aaO, Rn 87). Dass die Gewinnbeteiligung der Verbraucher unangemessen ist, muss 37 jedenfalls bei Kartellen angenommen werden, die Verkaufspreise festsetzen (vgl Europäische Kommission, 23.7.1974 „Papiers peints de Belgique“, ABl 1974 L 237 3), die Mengenbeschränkungen vorsehen (vgl Europäische Kommission, 20.7.1978 „Centraal Stikstof Verkoopkantoor“, ABl 1978 L 242 15, Rn 104), die durch die Vereinheitlichung des Angebots – im Falle von Verkaufskartellen – die Auswahlmöglichkeiten der Abnehmer verringern (vgl Europäische Kommission, 5.2.1992 77
§ 2 KartGGugerbauer „Niederländische Bauwirtschaft“, ABl 1992 L 92 1, Rn 212), bzw die durch Lieferverbote (vgl Europäische Kommission, 5.3.1975 „SirdarPhildar“, ABl 1975 L 125 27) und sonstige Beschränkungen der Markt abschottung dienen (vgl Europäische Kommission, 16.12.1982 „Toltecs-Dorcet“, ABl 1982 L 379, 19). 38 Derartige Vereinbarungen führen dazu, dass höhere Preise als unter Wettbewerbsbedingungen bezahlt werden müssen, ohne dass sich die Leistungen, die die Verbraucher erhalten, verbessern, die Verbraucher werden dadurch geschädigt. So führen etwa Marktinformationssysteme – unabhängig vom betroffenen Markt – zu keiner angemessene Gewinnbeteiligung, weil die durch sie bewirkte Transparenz und Stabilität des Marktes nur den Kartellmitgliedern, nicht aber den Verbrauchern Vorteile verschaffen (vgl Europäische Kommission, 15.5.1974 „Vereinbarungen zwischen Herstellern von Verpackungsglas“, ABl 1974 L 160 1, Rn 57). Ein Verbrauchergewinn, der zu verteilen wäre, ist auch bei Vertikalvereinbarungen mit einer Preisbindung zweiter Hand nicht zu erwarten (vgl Europäische Kommission, 11.12.1980 „Hennessy-Henkell“, ABl 1980 L 383 11, Rn 30), umso weniger bei einer Verhinderung des Parallelhandels (vgl Europäische Kommission, 14.12.1979 „Pioneer Hi-Fi Geräte“, ABl 1980 L 60 21, Rn 87) oder bei dem Ausschluss von Konkurrenzprodukten aus dem Sortiment der Vertragshändler, wodurch die Auswahl der Käufer beschränkt wird (vgl EuG, 23.10.2003 „Van den Bergh Foofs Limited“, Slg 2005, II-4653; Ellger, aaO Rn 251).
D. Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung 39 Im Hinblick auf die voraussichtliche Entwicklung des Marktes ist abzuschätzen, inwieweit der Wettbewerb zwischen den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmern beschränkt wird (vgl Leitlinien, aaO, Rn 51; Europäische Kommission, 17.7.1968 „ACEC/Berliet“, ABl 1968 L 201 7, 9). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Beschränkungen der beteiligten Unternehmer nicht weiter gehen als zur Erreichung von positiven Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung – der Verbesserung von Warenerzeugung und -verteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts – erforderlich ist. Lassen sich die angestrebten – positiven – Ziele auch ohne Wettbewerbsbeschränkung oder mit weniger weitreichenden Eingriffen verwirklichen, geht die Verhältnismäßigkeit verloren. 78
Ausnahmen
§ 2 KartG
Im Rahmen einer zweistufigen Prüfung ist die Vereinbarung zunächst 40 darauf zu untersuchen, ob sie zur Erzielung der Effizienzgewinne notwendig ist (vgl Leitlinien, Rn 73). Gäbe es Handlungsalternativen, die es ermöglichen würden, die durch die Vereinbarung angestrebten Effizienzgewinne ohne oder durch weniger wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zu erreichen? Die Vereinbarung ist also darauf zu prüfen, ob die mit ihr verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen nach Gegenstand, Inhalt, Intensität und Auswirkungen zur Erreichung der angestrebten Effizienzgewinne objektiv notwendige und damit unverzichtbare Bestandteile sind (16 Ok 12/06; zum tendenziell strengen Maßstab der Unionsgerichte vgl EuG, 9.7.1992 „Publishers Association/Kommission“, Slg 1992, II-1195, Rn 105 ff). Ist die Vereinbarung für die Erzielung der angestrebten Effizienzge- 41 winne unerlässlich, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob auch die einzelnen in der Vereinbarung enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen notwendig sind, um die mit der Vereinbarung verfolgten Ziele zu erreichen (Leitlinien, aaO, Rn 73). Die Beschränkungen müssen unerlässlich sein, um das durch die Vereinbarung geschaffene System funktionsfähig zu erhalten (vgl EuGH, 15.5.1975 „FRUBO“, Slg 1975, 5859). Wenn die Ziele auch durch weniger einschneidende (wettbewerbsbeschränkende) Maßnahmen, bzw durch wettbewerbskonformere Lösungen erreicht werden könnten, fehlt es an der Unerlässlichkeit (vgl EuGH, 25.3.1981 „LaB“, Slg 1981, 851, 868; EuG Rs T-86/95, Slg 202, II-1011, FERC Landtransporte).
E. Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der Waren Während das Unerlässlichkeitskriterium gewissermaßen eine „innere“ 42 Schranke für die Ausnehmung von § 1 Abs 1 bildet, stellt das Verbot des Wettbewerbsausschlusses eine „äußere“ Schranke dar: Schafft die Vereinbarung den daran beteiligten Unternehmern die Möglichkeit, den Wettbewerb auf dem relevanten Markt für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen auszuschließen, gibt es keine Freistellung (16 Ok 12/06). Um dies überprüfen zu können, ist der relevante Markt abzugrenzen, 43 auf dem tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerb erhalten werden soll (vgl EuGH, 21.2.1973 „Continental Can“ Slg 1973, 215, 245). In den relevanten Markt (und die Überprüfung der Wettbewerbsintensi79
§ 2 KartGGugerbauer tät) sind auch die entsprechender Substitutionsgüter einzubeziehen (vgl Europäische Kommisson, 26.7.1988 „Tetra Pak“, ABl 1988 L 272/27). 44 Zu beurteilen sind der Marktanteil der beteiligten Unternehmen, die Marktverhältnisse und der Wettbewerbsdruck. Die Wettbewerbsintensität auf dem relevanten Markt vor dem Abschluss der Vereinbarung ist mit dem Ausmaß an Wettbewerb zu vergleichen, das aufgrund der in der Vereinbarung enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen zu erwarten oder zu beobachten ist. Dabei geht es nicht bloß um Preiswettbewerb (vgl EuGH, 25.10.1977 „Metro/SABA I“ Slg 1977, 1875, 1905), auch der Mengen-, Qualitäts- und Konditionenwettbewerb sind zu berücksichtigen (vgl EuGH, 29.10.1980 „FEDETAB“, Slg 1980, 3125). 45 Wettbewerbsbeschränkungen, welche die positiven Vorraussetzungen von § 2 Abs 1 erfüllen, können nur hingenommen werden und die Vereinbarung ist vom Kartellverbot nur freigestellt, wenn gewährleistet ist, dass der Wettbewerb nicht völlig beseitigt wird (vgl EuGH, 22.10.1986 „Metro/SABA II“, Slg 1985, 3021, 3090). Wettbewerb darf also nicht in einem Ausmaß beschränkt werden, dass er nicht mehr funktionsfähig ist, dass er seine grundlegenden Steuerungs-, Anreiz- und/oder Koordinierungsfunktionen nicht mehr erfüllen kann (vgl EuGH, 25.10.1977 „Metro I/Kommission“, Slg 1977, 1875 ff, Rn 20). Dem Schutz des Wettbewerbsprozesses wird Vorrang vor potenziell wettbewerbsfördernden Effizienzgewinnen eingeräumt (Leitlinien, aaO, Rn 105).
II. § 2 Abs 2 Z 1 – 2. Bagatellkartelle 46 Verwirklicht eine Vereinbarung einen der Tatbestände des § 2 Abs 2 Z 1, erübrigt sich die Prüfung nach Abs 1 (arg „jedenfalls . . . ausgenommen“). Für Kartelle, die nach aller Erfahrung zu keinen spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb führen, gilt eine Sonderregelung (vgl 16 Ok 51/05): Die Ausnahme für Bagetellkartelle ist an die De-minimis-Ausnahmen des Unionsrechtes angepasst (vgl die Bagatellbekanntmachung 2014, ABl C 2014/291, 1), dadurch wird der parallele Vollzug des Wettbewerbsrechts der EU und des KartG erleichtert und eine Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte sichergestellt. Die Unklarheitenregel, wonach die 10%-Schwelle zur Anwendung kommt, falls Schwierigkeiten bei der Einstufung einer Vereinbarung als horizontal oder vertikal auftreten (Bagatellbekanntmachung 2014, Rn 9), und eine Berücksichtigung von kumulativen Marktabschottungseffek80
Ausnahmen
§ 2 KartG
ten durch Bündelung ähnlich wirkender Vereinbarungen (Bagatellbekanntmachung 2014, Rn 10) sind in § 2 Abs 2 Z 1 nicht vorgesehen. Von der Rsp werden Alleinbezugsvereinbarungen dennoch als wettbewerbsbeschränkend beurteilt, wenn die betreffende Vereinbarung nur gemeinsam mit anderen Verträgen eines Vertragsbündels spürbar zur Marktabschottung beiträgt, der Markt aufgrund des Bündels von Bezugsvereinbarungen für neue Anbieter schwer zugänglich ist. Bei einem Bindungsgrad von unter 30% ist eine Marktabschottung unwahrscheinlich (16 Ok 1/09). Der Bindungsgrad ist jedoch nicht der einzige Beurteilungsfaktor. Auch die Dauer der Bezugsbindung ist wesentlich. Die herrschenden Marktbedingungen, vor allem die konkreten Möglichkeiten neuer Wettbewerber, trotz dieser Netze von Bezugsvereinbarungen in den Markt einzudringen, sind ebenfalls zu evaluieren (16 Ok 8/10). Kartelle, an denen Unternehmen beteiligt sind, die zueinander im Wettbewerb stehen und gemeinsam am relevanten Markt einen Anteil von nicht mehr als 10% haben, oder Kartelle, an denen Unternehmen beteiligt sind, die nicht miteinander im Wettbewerb stehen und die jeweils am relevanten Markt einen Anteil von nicht mehr als 15% haben, fallen, sofern sie in beiden Fällen weder die Festsetzung der Verkaufspreise, die Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes noch die Aufteilung der Märkte bezwecken (Gegenausnahme für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen), nicht unter das Kartellverbot. Ein Erreichen oder Überschreiten dieser Marktanteile bedeutet aber nicht, dass automatisch eine spürbare Beschränkung vorliegt, in diesem Fall sind die konkreten Auswirkungen zu prüfen (vgl Bagatellbekanntmachung 2014, Rn 2). Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen und sog Kernbeschränkungen werden stets als spürbare Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft (EuGH 13.12.2012, C-226/11, Expedia, Rn 37; Bagatellbekanntmachung 2014, Rn 2, 13; 16 Ok 45/05). Im Ergebnis sind alle bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen erfasst. Bei Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern werden Preisabsprachen, Begrenzungen der Produktionsmengen und die Aufteilung von Märkten oder Kunden, bei vertikalen Vereinbarungen Preisbindungen, Vertriebsgebietesbeschränkungen und Kundenabgrenzungen (vgl aber Art 4 lit b Vertikal-GVO 330/2010), Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Verbraucher, Beschränkungen von Querlieferungen zwischen Händlern sowie Beschränkungen des Ersatzteilvertriebs als Kernbeschränkungen beurteilt (vgl LL zu Art 81 Abs 3 Rn 23). Insbesondere Vereinbarungen, die Preisabsprachen enthalten, werden also stets als spürbar eingestuft (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Von einem 81
§ 2 KartGGugerbauer Bagatellekartell ist überdies nur dann auszugehen, wenn die Marktanteilsschwellen während der gesamten Dauer des Bestands des Kartells nicht überschritten werden (16 Ok 51/05). 47 Ob ein Bagatellekartell vorliegt, ist eine Rechtsfrage. Sie kann zwar erst auf Grundlage eines festgestellten Sachverhalts beurteilt werden, ist aber selbst kein Beweisthema (16 Ok 4/03). Zur Feststellung der Marktanteile ist zunächst der relevante Markt abzugrenzen (16 Ok 51/05). Handelt es sich bei dem räumlich relevanten Markt um einen größeren als den inländischen – etwa den Unionsmarkt, einen EWRweiten oder einen weltweiten Markt – könnte das Abstellen (nur) auf den österreichischen Markt zur ungerechtfertigten Nichtanwendbarkeit der Ausnahmeregelung führen. Die Marktanteile der Kartellmitglieder in regionalen Teilmärkten, die von der Beschränkung des Wettbewerbs nicht betroffen sind, sind ebenfalls zu berücksichtigen (16 Ok 51/05).
III. § 2 Abs 2 Z 2 – Buchpreisbindung 48 Nach § 2 Abs 2 Z 2 sind Vereinbarungen über die Bindung des Letztverkäufers im Handel mit Büchern, Kunstdrucken, Musikalien, Zeitschriften und Zeitungen an den vom Verleger festgesetzten Verkaufspreis vom Kartellverbot ausgenommen. Auch Vereinbarungen zwischen Verlagen und dem Großhandel von Zeitungen und Zeitschriften („Pressegrosso“) über Preisbindungen des Einzelhandels können, wenn nicht nach § 2 Abs 2 Z 2, dann nach § 2 Abs 1, vom Kartellverbot ausgenommen sein (vgl 16 Ok 6/09; 16 Ok 10/09). 49 Zunächst hatte die Europäische Kommission in zwei Fällen – unter Billigung der Unionsgerichte – entschieden, dass kollektive vertikale Preisbindungssysteme für Bücher nicht freistellungsfähig sind. Im ersten Fall hatten ein niederländischer Verleger und ein belgischer (flämischer) Buchhändlerverband eine Vereinbarung geschlossen, durch die sichergestellt werden sollte, dass die in einem Land in niederländischer Sprache erschienenen Bücher im anderen Land nicht zu einem niedrigeren Einzelhandelspreis verkauft wurden, als es der Verleger im Ursprungsland für den dortigen Verkauf festgelegt hatte. In dem anderen Fall hatten britische Verleger vereinbart, dass Bücher in Irland nicht unter den festgelegten Nettopreisen weiterverkauft werden dürfen („Netto-Bücher“; EuGH, 17.1.1984 „VBBB/VBVB“, Slg 1984, 19; 82
Ausnahmen
§ 2 KartG
EuG 9.7.1992 „Publishers Association“, Slg 1992, II-1995; EuGH, 17.1.1995 „Publishers Association“, Slg 1995, I-23). Im Zusammenhang mit entsprechenden Vereinbarungen zwischen Verlagen im deutschsprachigen Raum („Sammelrevers“) hat die Europäische Kommission ein Verfahren nach Abgabe von Verpflichtungserklärungen beendet (vgl Pressemitteilung IP/02/461, 22.3.2002). Der EuGH hat aber die Vereinbarkeit nationaler Preisbindungsgesetze 50 – insbesondere auch im Hinblick auf die Preisbindung von Büchern – mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs nach Art 34 AEUV grundsätzlich bejaht, solange die Preisbindung auf das Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates beschränkt bleibt (EuGH, 25.9.1985 „Leclerc“, Slg 1985, 1, Rn 31; 14.7.1988 „Preisbindung bei Büchern“, Slg 1988, 4457; 3.10.2000 „Üchirolles“ Slg 2000, 8207). Nach den Urteilen des EuGH vom 30.4.2009 (Rs C-531/07, Fachver- 51 band der Buch- und Medienwirtschaft / LIBRO, Slg 2009, I-3717), und des OGH (4 Ob 98/09d) wurde das österreichische Buchpreisbindungsgesetz novelliert. Dieses Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern (BGBl I Nr 45/2000 idF BGBl I Nr 79/2014) gilt für den Verlag und den Import sowie den Handel mit deutschsprachigen Büchern, E-Books und Musikalien. Es zielt auf eine Preisgestaltung ab, die insbesondere die Stellung von Büchern als Kulturgut berücksichtigt. Ökonomisch betrachtet führt die Buchpreisbindung dazu, dass ein Preiswettbewerb zwischen Buchhändlern unterbunden wird. Damit haben auch kleinere Händler mit ungünstigeren Kostenstrukturen (große Buchhändler und Buchhandelsketten verschaffen sich durch ihre Einkaufsmacht bessere Konditionen) Chancen am Markt, eine Versorgung durch kleinere Buchhandlungen bleibt möglich. Buchhandlungen ermöglichen mit ihrem breiten Sortiment auf Büchertischen und in Regalen ein anderes Einkaufserlebnis als Online-Portale, nicht nur weil Bücher in ihrer Vielfalt haptisch wahrgenommen werden können, sondern auch weil man auf nicht Gesuchtes, Unerwartetes stößt. Bücher haben hohe Fixkosten und geringe Grenzkosten, weniger populäre aber kulturell wertvolle Titel mit einer geringen Auflage verursachen daher höhere Stückkosten als Beststeller. Die durch die Buchpreisbindung ermöglichten Deckungsbeiträge von Verlagen und Buchhandlungen erleichtern ein breites Buchangebot. Die Europäische Union trägt nach Art 167 Abs 4 AEUV auch selbst zur Förderung kultureller Vielfalt bei, verfolgt also insoweit ein Ziel, das mit § 2 Abs 2 übereinstimmt. 83
§ 2 KartGGugerbauer 52 Nach dem Buchpreisbindungsgesetz ist ein Importeur an den vom Verleger für das Bundesgebiet empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, gebunden (§ 3 Abs 2). Letztverkäufer dürfen bei Veräußerung entsprechender Waren an Letztverbraucher den nach § 3 festgesetzten Letztverkaufspreis höchstens bis zu 5% unterschreiten. Im Falle des Reimports von Waren im Sinne des Gesetzes über die Buchpreisbindung kann der Importeur, der derartige Waren in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu einem von den üblichen Einkaufspreisen abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, den vom Inländischen Verleger festgesetzten Preis im Verhältnis zum erzielten Handelsvorteil unterschreiten (§ 3 Abs 3). Im Zusammenwirken mit dem Buchpreisbindungsgesetz und in einer Gesamtwürdigung ist die Ausnahmeregelung nach § 2 Abs 2 Z 2 auch europarechtlich unbedenklich.
IV. § 2 Abs 2 Z 2 – Presseverlage und Pressegrossisten 53 Die fortschreitende Digitalisierung und sich ändernde Lesegewohnheiten verändern auch den Wettbewerb der Medien. Das in Österreich herrschende Pressegrosso-System basiert auf einem vertraglichen System der Preisbindung durch die Verlage sowie einem Gebietsschutz für die Pressegrossisten. Diese Ausnahme vom Kartellverbot, die gerichtlich bereits anerkannt ist (vgl 26 Kt 17/07, 26 Kt 18/07, 26 Kt 27/07, 26 Kt 28/07), welche die Ubiquität von Pressetiteln garantiert, wurde durch das KaWeRÄG 2017 auch gesetzlich verankert. Die Freistellung von Kartellverbot unterliegt allerdings einer Einschränkung: Sie kommt nur dann zur Anwendung, wenn sie für den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten im stationären Einzelhandel erforderlich ist. Die Ausnahme umfasst auch Vereinbarungen in Form von Branchenvereinbarungen zwischen Interessenvertretungen der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage einerseits und Interessenvertretungen der Pressegrossisten andererseits, ohne dass dies im Gesetzestext ausdrücklich erwähnt ist (vgl RV KaWeRÄG 2017, S 3). Diese Erleichterung ist vor dem Hintergrund der verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Presseverlage im Umbruch der Medienlandschaft und damit einhergehender struktureller Änderungen auch mit Blick auf die schützenswerte Medienvielfalt wettbewerbspolitisch gerechtfertigt. Der Rückgang insbe84
Ausnahmen
§ 2 KartG
sondere des Anzeigenaufkommens und der Werbeerlöse im Printbereich hält an, während Finanzierungsmodelle für Presseprodukte im Online-Bereich noch nicht durchgehend erfolgreich sind. Privilegiert wird eine Zusammenarbeit im Vertrieb, während Zusammenarbeit von Presseverlagen im Anzeigen- und Werbegeschäft, in der Zustellung und Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften sowie in der redaktionellen Zusammenarbeit nach § 1 zu beurteilen ist. Vereinbarungen zwischen Presseverlagen und Pressegrossisten, die das sog Zwischenstaatlichkeitskriterium erfüllen, unterliegen weiterhin dem EU-Kartellrecht, insbesondere Art 101 AEUV.
V. § 2 Abs 2 Z 3 – Genossenschaften Der Gesetzgeber nimmt nicht an, dass Genossenschaften wegen ihrer 54 Regelung durch das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (RGBl Nr 70/1873 idF BGBl I. Nr 112/2015) niemals vom Kartellverbot betroffen sein könnten. Andernfalls hätte es der gesetzlichen Ausnahmeregelung in § 2 Abs 2 Z 3 nicht bedurft. Vereinbarungen, Beschlüsse, Empfehlungen oder abgestimmte Verhaltensweisen von Genossenschaftern wären vielmehr dem KartG von vornherein entzogen. Grundsätzlich kann also nicht nur ein Vertrag zur Gründung einer Kapitalgesellschaft, etwa einer GmbH, oder der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft, sondern auch die Satzung einer Genossenschaft, vor allem aber eine Vereinbarung, ein Beschluss, eine Empfehlung oder eine abgestimmte Verhaltensweise einer Genossenschaft gegen das KartG verstoßen. Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Genossenschaftsmitgliedern 55 sowie zwischen diesen und der Genossenschaft sind gem § 2 Abs 2 Z 3 vom Kartellverbot dann ausgenommen, wenn die Wettbewerbsbeschränkungen durch die Erfüllung des Förderungsauftrages der Genossenschaft berechtigt sind. Das GenG gilt für Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit 56 von nicht geschlossener Mitgliederzahl, die im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen (Genossenschaften), wie etwa für Kredit-, Einkaufs-, Verkaufs-, Konsum-, Verwertungs-, oder Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften (§ 1 Abs 1 GenG). Mittel zur Förderung kann auch die Beteiligung der Genossenschaft an juristischen Personen des Unternehmens-, des Genos85
§ 2 KartGGugerbauer senschafts- und des Vereinsrechts sowie an unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaften sein, wenn diese Beteiligung der Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks der Genossenschaft und nicht überwiegend der Erzielung von Erträgnissen der Einlage dient (Abs 2). Schließlich können Genossenschaften auch die in Art 1 Abs 3 der Verordnung 2003/1435/EG über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl Nr L 207 S 1, genannten Zwecke verfolgen (Abs 2). 57 Nach den Bestimmungen des GenG muss der Genossenschaftsvertrag (die Satzung, das Statut) ua die Firma und den Sitz der Genossenschaft, den Gegenstand des Unternehmens, die Zeitdauer der Genossenschaft, die Bedingungen für den Eintritt in die Genossenschaft sowie allfällige Bestimmungen über das Ausscheiden, den Betrag der Geschäftsanteile der einzelnen Genossenschafter sowie Bestimmungen über die Verteilung von Gewinn und Verlust, das Stimmrecht und die Mehrheitserfordernisse enthalten (§ 5 GenG). 58 Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unterliegen nach den Bestimmungen des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften einer eigenen Aufsicht. Die Genossenschaftsrevision sind aber mangels jeder gesetzlichen Grundlage allfällige Maßnahmen gegen Kartelle oder gegen den Missbrauch einer Marktbeherrschung entzogen, sie bleibt wettbewerbsrechtlich bedeutungslos. Die Tätigkeit der Revisionsverbände ist völlig anderer Art als die des Kartellgerichts oder der Bundeswettbewerbsbehörde. Die Genossenschaftsrevision bewirkt daher keine Ausnahme genossenschaftlicher Tätigkeiten vom Geltungsbereich des Kartellrechts oder von der Zuständigkeit des KartGer. 59 Mit der Formulierung, dass nur Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Genossenschaftsmitgliedern, oder zwischen Genossenschaftsmitgliedern und der Genossenschaft auszunehmen sind, wird klargestellt, dass nur das Statut der Genossenschaft oder – allenfalls – Beschlüsse der Genossenschaft und Vereinbarungen zwischen Genossenschaftsmitgliedern und der Genossenschaft ausgenommen werden können (vgl dazu auch SZ 31/131), nicht aber Vereinbarungen zwischen Genossenschaften (es sei denn, diese würden durch die Erfüllung des Förderungsauftrags einer gemeinsamen Dachgenossenschaft, also Sekundär- oder Tertiärgenossenschaft, gerechtfertigt), oder Vereinbarungen zwischen einer Genossenschaft und einer anderen – natürlichen oder juristischen – Person, welche keiner gemeinsamen Dachgenossenschaft angehört. Dem mehrstufigen Aufbau des Genossenschaftswe86
Ausnahmen
§ 2 KartG
sens gegenüber verhält sich die Bestimmung von Abs 2 Z 3 neutral, das heißt, dass zwischen Primärgenossenschaften sowie Sekundär- bzw Tertiärgenossenschaften nicht unterschieden wird. Damit fallen unter den sonstigen Voraussetzungen auch Wettbewerbsbeschränkungen im Genossenschaftsverbund unter die Ausnahme nach § 2 Abs 2 Z 3. Landwirte sind auch dann, wenn sie ihren Hof nur im Neben- oder Zuerwerb bewirtschaften, als solche wirtschaftlich selbständig bleibende Unternehmer, daher können die Statuten landwirtschaftlicher Genossenschaften oder sonstige Verträge zwischen landwirtschaftlichen Genossenschaften und Bauern eine – unzulässige – Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Die Formulierung, dass § 1 auf Wettbewerbsbeschränkungen zwischen 60 Genossenschaftsmitgliedern sowie zwischen diesen und der Genossenschaft nicht anzuwenden sei, soweit diese Wettbewerbsbeschränkungen durch die Erfüllung des Förderungsauftrags von Genossenschaften „berechtigt“ seien, bedeutet, dass derartige Wettbewerbsbeschränkungen „gerechtfertigt“ sein müssen. Dies ist dann anzunehmen, wenn Wettbewerbsbeschränkungen genossenschaftsimmanent und insbesondere zur Sicherung des Zwecks oder der Funktionsfähigkeit einer Genossenschaft erforderlich sind. Genossenschaftsimmanent ist nur, was untrennbar mit dieser Rechtsform, faktisch also dem Förderauftrag, verbunden ist. Die Wettbewerbsbeschränkung muss für das Erfüllen der Funktion erforderlich sein und ihr nicht bloß nützen, geschweige denn sich nur in sie einfügen. Ob eine Wettbewerbsbeschränkung zur Erfüllung des Förderzwecks erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstandes und der Struktur der betreffenden Genossenschaft generalisierend zu beurteilen; es ist zu fragen, ob eine solche Wettbewerbsbeschränkung typischerweise erforderlich ist, um den Zweck oder die Funktionsfähigkeit einer derartigen Genossenschaft zu sichern. Dabei ist nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Betrachtungswei- 61 se (§ 20) vorzugehen. In der Praxis wird sich schwer belegen lassen, dass mit der Durchführung einer Förderungsaufgabe auftretende Wettbewerbsbeschränkungen tatsächlich funktionsnotwendig wären. Vielmehr lässt sich in der Regel nur von einer funktionsförderlichen Maßnahme sprechen. Dies zeigt sich schon daran, dass Genossenschaften nicht in jedem Fall und schon gar nicht zwingend wettbewerbsbeschränkend wirken müssen. Die Ausnahme vom Kartellverbot ist also keine unerlässliche Mindestfunktionsvoraussetzung für die Rechtsform 87
§ 2 KartGGugerbauer einer eingetragenen Genossenschaft, dem genossenschaftlichen Förderungszweck sind keine Wettbewerbsbeschränkungen immanent. Im Zweifel ist der Beweis, dass eine Wettbewerbsbeschränkung zur Erfüllung des Förderzwecks erforderlich ist, als misslungen anzusehen. Ist die Wettbewerbsbeschränkung aber eine Voraussetzung für die Erfüllung des Förderungsauftrags von Genossenschaften, also funktionsnotwendig, greift das Kartellverbot nicht ein. 62 Der Wettbewerb wird etwa beschränkt, wenn die Genossenschaft zwischen zumindest potenziellen Konkurrenten gegründet worden ist, zwischen der Genossenschaft und den Genossenschaftern jedenfalls ein potenzielles Wettbewerbsverhältnis besteht und den Genossenschaftern ein Wettbewerbsverbot auferlegt wird. Auch wenn die Beteiligten verpflichtet sind, eigenen Ein- und Verkauf zu unterlassen, somit sämtliche einschlägigen Transaktionen über die gemeinsame Organisation abzuwickeln haben, besteht am Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Wettbewerbsbeschränkung kein Zweifel. Wenn Genossenschaften durch die Zusammenfassung vieler kleiner Anbieter oder Abnehmer in einem einzigen Angebot oder einer einzigen Nachfrage zu einheitlichen Bedingungen deren Wettbewerb zu fördern beabsichtigen, liegt darin eine Wettbewerbsbeschränkung. Dies etwa bei Genossenschaften, die durch – verpflichtend – gemeinsamen Einkauf von Rohstoffen oder Betriebsmitteln oder durch – verpflichtend – gemeinschaftlichen Absatz ihrer Erzeugnisse den Wettbewerb beschränken. Auch wenn Erwerbsoder Wirtschaftsgenossenschaften Preisempfehlungen erlassen, gelten sie bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen als Kartell, unabhängig davon, ob sich diese Tätigkeit noch im Rahmen des § 1 GenG hält oder nicht. 63 Dem Kartellverbot unterliegt die Satzungsbestimmung einer Genossenschaft mit bestimmten vergemeinschafteten Dienstleistungsfunktionen (wie zB Buchführung für die angeschlossenen Unternehmen), die einen Gebietsschutz der Unternehmen untereinander vorsieht. Denn ein solcher Gebietsschutz ist zur Sicherung und Durchführung des erlaubten Zwecks oder der Funktionsfähigkeit der Genossenschaft nicht erforderlich. Dies gilt auch für Ausschließlichkeitsbindungen, etwa die Verpflichtung von Kreditgenossenschaften, flüssige Mittel ausschließlich beim Zentralinstitut einzulegen und Kredite, Darlehen usw ausschließlich bei diesem aufzunehmen, oder für eine Genehmigungspflicht für Genossenschaftsmitglieder für die Eröffnung neuer Zweigstellen. 88
Ausnahmen
§ 2 KartG
Das Verbot eigener Konkurrenztätigkeit der Genossenschaftsmitglie- 64 der, das Verbot der Beteiligung an dritten nichtgenossenschaftlichen Konkurrenzunternehmen und ähnliche wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden oder „ancillary restraints“ stellen nur dann keine tatbestandsmäßigen Wettbewerbsbeschränkungen dar, wenn sie funktionsnotwendig sind. Andererseits ist der Umstand, dass die Genossenschaft ihrerseits durch Satzung oder Beschluss auf den Geschäftsverkehr mit Mitgliedern beschränkt ist, dass etwa eine Einkaufsgenossenschaft nur ihre Mitglieder beliefert und nicht dritte Unternehmen, durch den Förderzweck und die Erfordernisse der Funktionsfähigkeit der Genossenschaft bedingt und in diesem Sinne „genossenschaftsimmanent“. Auch Wettbewerbsbeschränkungen von, durch oder im Rahmen von 65 Genossenschaften können natürlich gem § 2 Abs 1 oder § 2 Abs 2 Z 1 vom Kartellverbot freigestellt sein. Der EuGH hat das Verbot der Doppelmitgliedschaft, also das Verbot der Mitgliedschaft in einer konkurrierenden Genossenschaft, mit der Begründung für zulässig erklärt, dass Doppelmitgliedschaften auf diesem Markt die gegenüber der Marktgegenseite (Hersteller von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln) bestehende Vertragsgestaltungsmacht der Genossenschaften begrenzen würden. Trotz eindeutigen Vorliegens eines Wettbewerbsverbots wurde eine Wettbewerbsbeschränkung verneint, da die Abrede auf diesem Markt zur Intensivierung des Wettbewerbs beitrage (EuGH 15.12.1994, Slg 1994 I-5641, 5686 f, Rn 32 ff). Diese Freistellung nach Art 101 Abs 3 AEUV entspricht einer solchen nach § 2 Abs 1 KartG.
VI. § 2 Abs 2 Z 5 – Landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe Für die Europäische Union wird das Spannungsverhältnis zwischen der 66 (in Art 39 AEUV geregelten) gemeinschaftlichen Agrarpolitik und dem Wettbewerbsprinzip zugunsten der Agrarpolitik gelöst: Gem Art 42 AEUV finden die Wettbewerbsregeln der Art 101 ff AEUV auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen nur insoweit Anwendung, als der Rat dies unter Berücksichtung der Ziele von Art 39 AEUV im Rahmen der Durchführung und Gestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik gem Art 43 Abs 2 und 3 AEUV bestimmt (vgl Jestaedt in Langen/Bunte, Nach Art 101 AEUV, Rn 1371). 89
§ 2 KartGGugerbauer 67 Nach dem österreichischen Kartellrecht unterliegt die Landwirtschaft dagegen grundsätzlich dem Kartellverbot (§ 1), wenn § 2 Abs 2 Z 5 auch eine weitgehende Bereichsausnahme vorsieht. Dabei werden landwirtschaftliche Erzeugnisse unter Verweis auf Anhang II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft definiert, dieser entspricht dem Anhang I zum AEUV (gem Art 38 AEUV ex Art 32 EGV). Der Anhang enthält eine Liste von Warenbezeichnungen, welche damit gesetzlich als landwirtschaftliche Erzeugnisse gelten, dadurch wird zugleich der sachliche Anwendungsbereich von § 2 Abs 2 Z 5 festgelegt. Ob ein landwirtschaftliches Erzeugnis vorliegt, hängt nicht von der Art und Weise seiner Produktion ab. Maßgeblich ist also nicht, ob die entsprechenden Produkte in traditioneller Weise, etwa durch Ausnutzung der organischen Erzeugungskraft des Bodens, oder mittels Hydrokulturen gewonnen wurden. 68 Anhang I Liste zu Art 38 AEUV (ABl 2010 C83/331 vom 30.3.2010): Nummer des Brüsseler Zolltarifschemas
Warenbezeichnung
Kap. 1
Lebende Tiere
Kap. 2
Fleisch und genießbarer Schlachtabfall
Kap. 3
Fische, Krebstiere und Weichtiere
Kap. 4
Milch und Milcherzeugnisse, Vogeleier, natürlicher Honig
Kap. 5 05.04
Därme, Blasen und Mägen von anderen Tieren als Fischen, ganz oder geteilt
05.15
Waren tierischen Ursprungs, anderweit weder genannt noch inbegriffen; nicht lebende Tiere des Kap. 1 oder 3, ungenießbar
Kap. 6
Lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels
Kap. 7
Gemüse, Pflanzen, Wurzeln und Knollen, die zu Ernährungszwecken verwendet werden
90
§ 2 KartG
Ausnahmen
Nummer des Brüsseler Zolltarifschemas
Warenbezeichnung
Kap. 8
Genießbare Früchte, Schalen von Zitrusfrüchten oder von Melonen
Kap. 9
Kaffee, Tee und Gewürze, ausgenommen Mate (Position 0903)
Kap. 10
Getreide
Kap. 11
Müllereierzeugnisse, Malz; Stärke; Kleber, Inulin
Kap. 12
Ölsaaten und ölhaltige Früchte; verschiedene Samen und Früchte; Pflanzen zum Gewerbe- oder Heilgebrauch, Stroh und Futter
Kap. 13 ex 13.03.
Pektin
Kap 15 15.01
Schweineschmalz; Geflügelfett, ausgepresst oder ausgeschmolzen
15.02
Talg von Rindern, Schafen oder Ziegen, roh oder ausgeschmolzen, einschließlich Premier Jus
15.03
Schmalzstearin; Oleostearin; Schmalzöl, Oleomargarine und Talgöl, weder emulgiert, vermischt noch anders verarbeitet
15.04
Fette und Öle von Fischen oder Meeressäugetieren, auch raffiniert
15.07
Fette pflanzliche Öle, flüssig oder fest, roh, gereinigt oder raffiniert
15.12
Tierische und pflanzliche Fette und Öle, gehärtet auch raffiniert, jedoch nicht weiter verarbeitet
15.13
Margarine; Kunstspeisefett und andere genießbare verarbeitete Fette
15.17
Rückstände aus der Verarbeitung von Feststoffen oder von tierischen oder pflanzlichen Wachsen 91
§ 2 KartGGugerbauer Nummer des Brüsseler Zolltarifschemas Kap. 16 Kap. 17 17.01 17.02
17.03 17.05
Kap. 18 18.01 18.02 Kap. 20 Kap. 22 22.04 22.05 22.07 ex 22.08 ex 22.09
92
Warenbezeichnung Zubereitungen von Fleisch, Fischen, Krebstieren und Weichtieren Rüben- und Rohrzucker, fest Andere Zucker; Sirupe; Kunsthonig, auch mit natürlichem Honig vermischt; Zucker und Melassen, karamellisiert Melassen, auch entfärbt Zucker, Sirupe und Melassen, aromatisiert oder gefärbt (einschließlich Vanille- und Vanillinzucker), ausgenommen Fruchtsäfte mit beliebigem Zusatz von Zucker Kakaobohnen, auch Bruch, roh oder geröstet Kakaoschalen, Kakaohäutchen und anderer Kakaoabfall Zubereitungen von Gemüse, Küchenkräutern, Früchten und anderen Pflanzen oder Pflanzenteilen Traubenmost, teilweise vergoren, auch ohne Alkohol stummgemacht Wein aus frischen Weintrauben, mit Alkohol stummgemachter Most aus frischen Weintrauben Apfelwein, Birnenwein, Met und andere gegorene Getränke Äthylalkohol und Sprit, vergällt und unvergällt, mit einem beliebigen Äthylalkoholgehalt, hergestellt aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anhang I des Vertrags aufgeführt sind (ausgenommen Branntwein, Likör und andere alkoholische Getränke, zusammengesetzte alkoholische Zubereitungen – Essenzen – zur Herstellung von Getränken)
§ 2 KartG
Ausnahmen
Nummer des Brüsseler Zolltarifschemas
Warenbezeichnung
ex 22.10
Speiseessig
Kap. 23
Rückstände und Abfälle der Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter
Kap. 24 24.01
Tabak, unverarbeitet; Tabakabfälle
Kap. 45 45.01
Naturkork, unbearbeitet, und Korkabfälle; Korkschrot, Korkmehl
Kap. 54 54.01
Flachs, roh, geröstet, geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle (einschließlich Reißspinnstoff)
Kap. 57 57.01
Hanf (Cannabis sativa), roh, geröstet, geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle (einschließlich Reißspinnstoff)
Es werden aber nicht bloß die in Anhang I zum AEUV aufgelisteten 69 Erzeugnisse als solche erfasst, sondern auch durch Be- oder Verarbeitung derartiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse gewonnene Waren. Abzustellen ist gem § 2 Abs 2 Z 5, letzter Halbsatz, auf die „Üblichkeit“ der Be- oder Verarbeitung durch landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe oder deren Vereinigungen. Die „Üblichkeit“ kann nach historischen Kriterien, oder auch nach dem Marktanteil beurteilt werden. Historisch betrachtet wird eine Be- oder Verarbeitung „üblicherweise“ durch landwirtschaftliche Betriebe oder ihre Vereinigungen durchgeführt, wenn das gewonnene Erzeugnisse jedenfalls bereits bei Einführung dieser Bestimmung in das Kartellrecht zum Kernbereich der Landwirtschaft gehörte. Maßgeblich kann aber auch der Marktanteil der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe oder ihrer Vereinigungen 93
§ 2 KartGGugerbauer bei der Herstellung des fraglichen Produktes sein. So könnte ein Anteil von 70% „Üblichkeit“ begründen. Beide Aspekte sind nebeneinander zu berücksichtigen (vgl Jestaedt in Langen Bunte, § 28 GWB, Rn 6). 70 Von § 2 Abs 2 Z 5 werden Erzeugerbetriebe, Vereinigungen von Erzeugerbetrieben sowie Vereinigungen solcher Erzeugervereinigungen erfasst. Erzeugerbetriebe sind Betriebe, welche die im letzten Satz von § 2 Abs 5 definierten landwirtschaftlichen Produkte erzeugen oder gewinnen. Dazu gehören auch Pflanzen- und Tierzuchtbetriebe und die auf der Stufe dieser Betriebe tätigen Unternehmen. Die Rechtsform des jeweiligen Erzeugerbetriebs ist ohne Relevanz. Ein Erzeugerbetrieb iSv § 2 Abs 2 Z 5 kann sowohl von natürlichen Personen, wie auch von Personengesellschaften oder juristischen Personen betrieben werden. Nicht maßgeblich ist weiters, ob in traditioneller landwirtschaftlicher Betriebsform oder industriell produziert wird. Selbst ein eigener Hof wird für die Landbewirtschaftung nicht vorausgesetzt. 71 Bei Pflanzenzuchtbetrieben (einschließlich der auf dieser Stufe tätigen Unternehmen) kommt es nicht darauf an, dass diese Unternehmen selbst in der landwirtschaftlichen Produktion tätig sind. Wie auch in der Tierzucht sind in der Pflanzenzucht mehrstufige Zuchtmethoden entwickelt worden, die Formulierung in § 2 Abs 2 Z 5 dient der Klarstellung, dass auch landwirtschaftliche Produkte, deren Erzeugung in mehreren Stufen erfolgt, als landwirtschaftliche Urprodukte anzusehen sind (vgl Jestaedt, aaO, Rn 11). 72 Bei einem „gemischten“ Betrieb, der neben der landwirtschaftlichen Produktion auch ein Gewerbe betreibt, entscheidet über die Anwendung von § 2 Abs 2 Z 5 das Kriterium der Trennbarkeit der Betriebsteile: bilden der landwirtschaftliche Betrieb und der gewerbliche Betrieb keine notwendige Wirtschaftseinheit, bleibt der landwirtschaftliche Betrieb nach § 2 Abs 2 Z 5 privilegiert, die Ausnahme gilt aber nicht für den Gewerbebetrieb. Bei Betriebsteilen, die untrennbar miteinander verflochten sind, ist für die Anwendbarkeit von § 2 Abs 2 Z 5 entscheidend, welche Betriebsart überwiegt (vgl Jestaedt, aaO, Rn 12). 73 Vereinigungen von Erzeugerbetrieben sind Organisationen, denen mindestens zwei Erzeugerbetriebe angehören. Erfasst werden insbesondere landwirtschaftliche Primärgenossenschaften und Erzeugergemeinschaften. Die Rechtsform der Vereinigung ist aber unerheblich. Neben genossenschaftlichen Organisationsformen sind auch andere Rechtsformen, etwa die der GmbH, zulässig. 94
Ausnahmen
§ 2 KartG
§ 2 Abs 2 Z 5 privilegiert die Erzeugerbetriebe und mittelbar deren Ver- 74 einigungen. An dieser – kartellrechtlichen – Privilegierung können andere Unternehmen nicht teilhaben, indem sie sich einfach einer Erzeugervereinigung anschließen. Eine Vereinigung verliert daher ihre privilegierte Stellung, wenn ihr auch nur ein einziges Unternehmen angehört, das kein landwirtschaftlicher Erzeugerbetrieb ist. Dies selbst dann, wenn der nicht erzeugende Betrieb nach Umsatz, Stimmrecht und Kapitalanteil eine nur unbedeutende Rolle spielt. Soweit eine Erzeugervereinigung neben den Erzeugnissen ihrer Mitgliedsbetriebe auch zugekaufte Waren vertreibt oder andere Geschäftstätigkeiten ausübt, ist sie nur für die Erzeugnisse ihrer Mitglieder im Rahmen von § 2 Abs 2 Z 5 vom Kartellverbot ausgenommen. Wenn sich freigestellte und nicht freigestellte Tätigkeiten nicht trennen lassen, entfällt die Freistellung vom Kartellverbot insgesamt. Vereinigungen von Erzeugervereinigungen sind in der Regel genossen- 75 schaftlich organisiert, doch auch hier ist die Rechtsform für die Freistellung nicht relevant. Die Mitgliedschaft muss allerdings auf Erzeugervereinigungen im Sinne der obigen Definition beschränkt sein. Nur dadurch wird Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Ausnahmeregelung (Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft gegenüber der gewerblichen Wirtschaft) Rechnung getragen (vgl Jestaedt, aaO, Rn 14). Durch § 2 Abs 2 Z 5 werden bestimmte Vereinbarungen, Beschlüsse 76 und Verhaltensweisen vom Kartellverbot des § 1 ausgenommen. Die Freistellung gilt nur für Vereinbarungen (und abgestimmte Verhaltensweisen) zwischen Erzeugerbetrieben und ein- und mehrstufigen Erzeugervereinigungen. Vereinbarungen (und abgestimmte Verhaltensweisen) zwischen einer Vereinigung landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe (etwa einer Genossenschaftsmolkerei) und einem Gewerbebetrieb (etwa einer Privatmolkerei) sind von dieser Ausnahme daher nicht erfasst. Die Vereinbarungen, Beschlüsse und (abgestimmten) Verhaltensweisen 77 sind vom Kartellverbot nur freigestellt, wenn sie die Erzeugung oder den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Benutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen für die Lagerung, Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse betreffen (§ 2 Abs 2 Z 5 lit a f). Das Vorliegen eines derartigen Inhalts ist nicht nach der subjektiven Zweckbestimmung der Beteiligten, sondern objektiv zu beurteilen. 95
§ 2 KartGGugerbauer 78 Vereinbarungen, Beschlüsse oder (abgestimmte) Verhaltensweisen die sich unmittelbar auf die Erzeugung beziehen, sind zulässig. Dies gilt etwa für Absprachen über die flächenmäßige oder mengenmäßige Beschränkung der Erzeugung bestimmter Produkte, die vorzeitige Schlachtung von gehaltenem Vieh oder die Verpflichtung, nur bestimmte Erzeugnisse, diese nur in bestimmten Mengen oder überhaupt nicht anzubauen. Zulässig sind auch Absprachen über die Verwendung eines bestimmten Saatgutes. Kartellrechtlich freigestellt sind weiters Beschlüsse zum Zwecke der Marktentlastung, etwa die Vereinbarung Konsumeier zu Eiprodukten zu verarbeiten. Problematisch sind dagegen Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse, die nur eine mittelbare Beziehung zur Erzeugung aufweisen. Etwa die Vereinbarung, nur bestimmte Geräte, Futtermittel, Düngemittel oder Pflanzenschutzmittel zu verwenden. Unzulässig sind Vereinbarungen und Beschlüsse, die Mitglieder einer Vereinigung verpflichten, bestimmte Mittel nur bei einer Stelle, etwa bei der Vereinigung selbst, zu beziehen. Weiters sind Beschlüsse (oder auch Satzungsbestimmungen) von Erzeugervereinigungen, bzw von Vereinigungen von Erzeugervereinigungen unzulässig, landwirtschaftliche Bedarfsartikel gemeinsam einzukaufen (Bezugsverpflichtung). Zulässig sind dagegen in der Regel Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen betreffend das Sortieren und Verpacken der Erzeugnisse (vgl Schweizer in Immenga/Mestmäcker, § 28 GWB Rn 34). 79 Wettbewerbsbeschränkende Absatzregelungen (wie etwa Andienungspflichten gegenüber einer Genossenschaft oder Abnahmepflichten der Genossenschaft, weiters räumliche oder mengenmäßige Beschränkungen, etwa im Zusammenhang mit gemeinsamen Vertriebseinrichtungen) dürfen nur den Absatz der Erzeugnisse der unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Erzeugebetriebe regeln, nicht jedoch den Absatz von Fremderzeugnissen, etwa von Importbutter. 80 Bei Vereinbarungen oder Beschlüssen betreffend die Benutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen zur Lagerung, Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse stellt sich vielfach die Frage eines Benutzungszwangs, ferner die Frage der Finanzierung derartiger Einrichtungen. Für die Lagerung kann etwa die gemeinschaftliche Nutzung eines Kühlhauses vorgesehen sein. Unter Bearbeitung ist jede Behandlung eines Erzeugnisses zum Zweck der Verbesserung, des Haltbarmachens oder der Vorbereitung zum Konsum zu verstehen. Verarbeitung ist das Herstellen eines neuen Produkts, ganz oder überwiegend unter 96
Ausnahmen
§ 2 KartG
Verwendung landwirtschaftlicher Urprodukte, etwa die Verarbeitung von Rohmilch zu Butter oder von Zuckerrüben zu Zucker. Das neue, durch die Be- oder Verarbeitung entstandene Produkt muss noch immer ein landwirtschaftliches Erzeugnis sein, damit die Freistellung vom Kartellverbot sichergestellt ist (vgl Jestaedt, aaO, Rn 19). Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen iSv § 2 81 Abs 2 Z 5 dürfen keine Preisbindung enthalten. Das Verbot bezieht sich auf alle Formen von Preisabsprachen, vertikale Preisbindungen sind nicht ausgenommen. Durch das Verbot einer Preisbindung soll für den (durch § 2 Abs 2 Z 5) privilegierten landwirtschaftlichen Bereich jedenfalls der Aktionsparameter des Preises von Wettbewerbsbeschränkungen frei bleiben. Vereinbarungen über Preisbestandteile (etwa Rabatte) stehen solchen über Preise selbst gleich. Dies gilt auch für Empfehlungen oder abgestimmte Verhaltensweisen. Auch das von Molkereien gezahlte Milchgeld ist betroffen: Sogenannte identifizierende Marktinformationssysteme, durch die wettbewerbsrelevante Informationen einzelnen Marktteilnehmern zugeordnet werden können und die dadurch die Kartellierung des von benachbarten Molkereien gezahlten Milchgeldes begünstigen, gelten als besonders problematisch (vgl Jestaedt, aaO, Rn 21). Gem § 2 Abs 2 Z 5 dürfen entsprechende Vereinbarungen, Beschlüsse 82 und abgestimmte Verhaltensweisen „den Wettbewerb nicht ausschließen“. Der Wettbewerb ist ausgeschlossen, wenn er die ihm in der Marktwirtschaft obliegende Steuerungsfunktion nicht mehr erfüllen kann. Der Ausschluss liegt dabei nicht erst dann vor, wenn ein Erzeugerkartell als einziger Wettbewerber auf dem Markt verbleibt. Ein geringer Marktanteil eines Kartellaußenseiters, etwa ein solcher von weniger als 10 %, wird regelmäßig kaum wirksamen Wettbewerb gewährleisten können, sodass dann trotz numerisch vorhandener Wettbewerber von einem Ausschluss des Wettbewerbs auszugehen wäre. Wer für das Wettbewerbspotenzial sorgt, ist unerheblich. Es können auch Importe berücksichtigt werden. (vgl zu § 28 GWB BGH, 19.12.1995 „Raiffeisen“, WuW/E BGH 3037).
97
§ 3 KartGGugerbauer
Freistellungsverordnungen § 3. (1) Der Bundesminister für Justiz kann im Einvernehmen mit
dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend durch Verordnung feststellen, dass bestimmte Gruppen von Kartellen nach § 2 Abs. 1 vom Kartellverbot ausgenommen sind. In solchen Verordnungen kann auf die jeweils geltende Fassung einer Verordnung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV verwiesen werden. (2) Soweit eine Verordnung nach Abs. 1 besondere Bestimmungen für Kreditinstitute, Unternehmen der Vertragsversicherung oder Pensionskassen enthält, ist sie auch im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu erlassen. Litaratur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Burgstaller/Lettner (Hrsg), EU Kartellrecht, Die Gruppenfreistellungsverordnungen (2014); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Gruppenweise Freistellung................................................................. 1–6 II. Die Auslegung von GVOs.................................................................. 7–8 III. Keine Analogie auf nicht erfasste Sachverhalte ............................. 9–11 IV. Entzug des Rechtsvorteils einer GVO.............................................. 12–19 V. Die Gruppenfreistellungsverordnungen der EU............................ 20–183 A. Die Vertikal-GVO 330/2010.......................................................... 21–54 1. Unternehmen unterschiedlicher Produktions- oder Vertriebsstufen............................................................................ 21–25 2. Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern............................. 26–27 3. Marktanteilschwellen................................................................. 28–30 4. Marktbeherrschende Anbieter................................................. 31–35 5. Kernbeschränkungen................................................................. 36–47 a) Preisbindung.......................................................................... 40
98
Freistellungsverordnungen
§ 3 KartG
b) Gebiets-/Kundenschutz....................................................... 41–42 c) Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs......... 43–47 6. „Einfache“ Wettbewerbsverbote (Art 5)................................. 48–54 a) Höchstlaufzeit....................................................................... 50–51 b) Räumlichkeiten des Lieferanten......................................... 52 c) Kollektiver Boykott in Selektivvertriebssystemen........... 53 d) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote............................. 54 B. Die Kfz-GVO 461/2010.................................................................. 55–146 1. Vertrieb von Neufahrzeugen.................................................... 64–83 a) Marktanteilsschwellen.......................................................... 64–65 b) Der sachliche relevante Markt ........................................... 66–71 c) Vermittler............................................................................... 72–73 d) Leasingunternehmer............................................................ 74–76 e) Kernbeschränkungen........................................................... 77 f) Preisbindung.......................................................................... 78–80 g) Beschränkung des Gebiets oder der Kunden.................... 81–82 h) Standortbindung................................................................... 83 2. Beschränkung von Querlieferungen....................................... 84–85 3. „Einfache“ Wettbewerbsverbote.............................................. 86–87 4. Markenexklusivität ................................................................... 88–91 5. Leasing-, Finanz- u. Versicherungsdienstleistungen............ 92–93 6. Kündigung von Händlerverträgen......................................... 94–109 a) Schlichtungsversuch............................................................. 101–104 b) Finanzielle Ansprüche.......................................................... 105–109 7. Kfz-Anschlussmärkte................................................................ 110–146 a) Ersatzteilvertrieb.................................................................. 113–120 b) Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten.......................... 121–129 c) Belieferungspflicht................................................................ 130–131 d) Markenunterdrückung........................................................ 132 e) Technische Informationen .................................................. 133–138 f) Diskriminierung bei Gewährleistung................................ 139–144 g) Kündigung............................................................................. 145–146 C. Die Technologie-Transfer-GVO................................................... 147–165 D. Die Spezialisierungs-GVO............................................................ 166–170 E. Die F&E-GVO................................................................................ 171–175 F. Versicherungssektor-GVO............................................................ 176–183
I. Gruppenweise Freistellung Die Europäische Kommission nimmt gewisse durch gemeinsame 1 Merkmale charakterisierte Gruppen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und abgestimmten Verhaltensweisen durch Verordnungen vom Kartellverbot (nach Art 101 AEUV) aus, sie werden als „Gruppenfreistellungsver99
§ 3 KartGGugerbauer ordnungen“ (GVOs) bezeichnet. Zusammengefasst werden vergleichbare wettbewerbsbeschränkende Tatbestände, die wegen der weitgehenden Gleichförmigkeit der Interessen der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen, ihrer Handelspartner, ihrer Wettbewerber und/ oder der Verbraucher einer Kategorisierung zugänglich sind. Es gibt derartige Verordnungen für Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen („vertikale“-GVOs für Vertriebsbindungen, den Kraftfahrzeugsektor und den Technologie-Transfer) sowie für Wettbewerbbeschränkungen zwischen Unternehmern auf der gleichen Produktions- oder Vertriebsstufe („horizontale“ GVOs für Spezialisierungsvereinbarungen, gemeinsame Forschung & Entwicklung, den Versicherungssektor und Schifffahrtsunternehmen). 2 GVOs haben einerseits deklarativen Charakter, soweit sie konkretisieren, was auf Grund von Art 101 Abs 3 AEUV (dem § 2 Abs 1 entspricht) erlaubt ist. Als verbindlichen Legislativakten kommt Gruppenfreistellungsverordnungen aber auch eine konstitutive Wirkung zu: Sie begründen zusätzliche, im Vergleich zu Art 101 Abs 3 AEUV (bzw § 2 Abs 1) konkretere Freistellungstatbestände. Sie beschreiben vergleichsweise detailliert, wann wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die unter den Tatbestand des Kartellverbots fallen, iSv Art 101 Abs 3 AEUV von diesem Verbot freigestellt sind (unwiderlegliche Vermutung). Im Rahmen des Wettbewerbsrechts der EU definieren Gruppenfreistellungsverordnungen damit „sichere Häfen“ („safe harbours“). Dies dient der Rechtssicherheit der beteiligten Unternehmen. In ihrem Anwendungsbereich muss nicht mehr Schritt für Schritt überprüft werden, ob eine Vereinbarung die Voraussetzungen des Art 101 Abs 3 AEUV erfüllt. Die Freistellung vom Kartellverbot gilt selbst dann, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen des Art 101 Abs 3 AEUV nicht vorliegen. Unternehmen, die selbst beurteilen müssen, ob von ihnen abgeschlossene Vereinbarungen wettbewerbsrechtlich unbedenklich oder zumindest vom Kartellverbot freigestellt sind, erhalten einen verständlichen Beurteilungsmaßstab, werden von den teilweise komplexen Abwägungen nach Art 101 Abs 3 AEUV (bzw § 2 Abs 1) entlastet. 3 EU-Gruppenfreistellungsverordnungen sind Verordnungen im Sinne von Art 288 Abs 2 AEUV. Sie sind damit in allen ihren Teilen verbindlich und gelten in jedem Mitgliedstaat der Union unmittelbar. Demzufolge sind sie auch durch die Gerichte der Mitgliedstaaten anzuwenden (vgl EuGH, 28.2.1991 „Delimitis/Henninger Bräu“ Slg 1991, I-935, Rn 46). 100
Freistellungsverordnungen
§ 3 KartG
Die Verordnungsermächtigung des § 3 Abs 1 lässt einen Verweis auf 4 GVOs zu Art 101 Abs 3 AEUV zu, es wäre aber auch zulässig, nationale GVOs zu erlassen. So gab es im Zusammenhang mit dem Kartellund Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 (KaWeRÄG, BGBl I 2013/13) Überlegungen, für die kartellrechtliche Beurteilung von Arbeitsgemeinschaften, insbesondere in der Form von Bietergemeinschaften in Vergabeverfahren, eine nationale Gruppenfreistellungsverordnung einzuführen. Letztlich wurde davon abgesehen, da einer österreichischen Gruppenfreistellungsverordnung für Bietergemeinschaften zum einen entgegenstehe, dass eine eigenständige Regelung für wirtschaftliche Abläufe, die nicht spezifisch österreichisch seien, wegen des Vorrangs des Unionskartellrechts wenig sinnvoll wäre. Andererseits eine Freistellungsverordnung eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung voraussetze, eine solche aber in der Regel bei Arbeitsgemeinschaften nicht vorliege, da es den Teilnehmern darum gehe, durch die Gemeinschaft einen Marktauftritt überhaupt erst zu ermöglichen. In den Fällen einer fehlenden individuellen Marktfähigkeit der Arbeitsgemeinschaftspartner unterliege die Gemeinschaft nicht dem Kartellverbot, weil sie wettbewerbserschließend und nicht wettbewerbsbeschränkend sei. Dabei würden an das Kriterium der mangelnden Marktfähigkeit keine allzu strengen Maßstäbe zu legen sein. Für die kartellrechtliche Zulässigkeit der Bietergemeinschaft werde es in diesem Sinn ausreichen, wenn sich die unternehmerische Entscheidung gegen die Alleinbewerbung als objektiv nachvollziehbar erweise, wobei ein gewisser unternehmerischer Beurteilungsspielraum bestehe (vgl RV, 1804 der Blg. XXIV GP.). Im Übrigen biete im Unionsrecht bereits die Gruppenfreistellungsverordnung für Spezialisierungsvereinbarungen (Verordnung [EU] Nr 1218/2010, ABl 2010 L 335/43) gewisse Orientierungshilfen, da sie auch Vereinbarungen über die gemeinsame Produktion, worunter nach der Verordnung auch die Erbringung von Dienstleistungen zu verstehen sei, vom Verbot des Art 101 Abs 1 AEUV ausnehme. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollte in der österreichischen Kartellrechtspraxis eine mit Augenmaß praktizierte Anwendung des Legalausnahmentatbestands nach § 2 Abs 1 genügen, um zu wettbewerblich angemessenen und praktikablen Lösungen zu gelangen (RV, 1804 der Blg. XXIV GP.). Bisher wurde keine nationale Freistellungsverordnung erlassen. Der Bundesminister für Justiz hat auch keine Verweisung „auf die jeweils geltende Fassung einer Verordnung nach Artikel 101 Abs 3 AEUV“ durch eine Verordnung gem § 3 Abs 1 vorgenommen. 101
§ 3 KartGGugerbauer 5 „Freistellung“ vom Kartellverbot bedeutet nicht, dass eine Vereinbarung, der Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise von einer Behörde oder einem Gericht durch Bescheid, Beschluss oder Urteil „freigestellt“ würde. Die Unternehmer haben vielmehr selbständig zu prüfen, ob eine von ihnen abzuschließende wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung die Voraussetzungen für eine Freistellung gem einer GVO bzw für eine Einzelfreistellung erfüllt. Die Freistellung wird gewissermaßen fingiert, die Vereinbarung „gilt“ bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als rechtskonform. 6 Eine Vereinbarung, die nicht sämtliche Freistellungsvoraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllt (da zB die relevanten Marktanteilsschwellen überschritten werden), fällt damit nicht automatisch aus dem Anwendungsbereich von Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 Abs 1. Es gibt dann keine „Vermutung der Rechtswidrigkeit“, sondern es ist möglich, dass die entsprechende Vereinbarung aufgrund der konkreten Umstände die gesetzlichen Freistellungsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 erfüllt. Die Einlösung der positiven Tatbestandsvoraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung kann etwa dann, wenn der Marktanteil der an einer Vereinbarung beteiligten Unternehmen nur knapp über der Marktanteilsschwelle der Gruppenfreistellungsverordnung liegt, dafür sprechen, dass die Vereinbarung nach § 2 Abs 1 freigestellt ist. Umgekehrt werden in einer Gruppenfreistellungsverordnung angeführte „Kernbeschränkungen“ (besonders schwere Wettbewerbsbeschränkungen) regelmäßig dazu führen, dass eine Vereinbarung, die eine derartige Beschränkung vorsieht, auch nicht nach § 2 Abs 1 freigestellt ist.
II. Die Auslegung von GVOs 7 Alle GVOs stellen Konkretisierungen des Art 101 Abs 3 AEUV (dem § 2 Abs 1 entspricht) dar und sollen als integraler Bestandteil des Systems von Wettbewerbsregeln den unverfälschten Wettbewerb gewährleisten. Gruppenfreistellungsverordnungen sind als Legislativakte wie Gesetze auszulegen. Da sie Ausnahmen von einem grundsätzlich geltenden Verbot (wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen) konkretisieren, muss es bei einer engen Auslegung bleiben (vgl EuGH 16.6.1994 „Peugeot/Kommission“, Slg 1994, I-2727, Rn 8; 24.10.1995 „BMW/ALD Autoleasing“, Slg 1995, I-3439, Rn 28). 102
Freistellungsverordnungen
§ 3 KartG
Zunächst ist der Wortlaut der in Frage stehenden Verordnung zu be- 8 rücksichtigen. Soweit verschiedene GVOs einheitliche Grundbegriffe verwenden, sind solche einheitlich und in Übereinstimmung mit Art 101 AEUV (bzw § 1) auszulegen. Etwa „Unternehmen“, „Vereinbarungen“, „Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen“, „abgestimmte Verhaltensweisen“ oder „Markt“. In den Gruppenfreistellungsverordnungen verwendeten Rechtsbegriffe sind unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzwecks auszulegen. Neben der Teleologie der Vorschrift ist der systematische Zusammenhang zu beachten. Vor allem im Rahmen der teleologischen Auslegung sind die jeder GVO vorangestellten Erwägungsgründe der Europäischen Kommission zu berücksichtigen (vgl EuGH, 6.7.1988 „Dillinger Hüttenwerke“, Slg 1988, 3761, Rn 24 ff). Sie stammen vom Verordnungsgeber und liefern gewissermaßen eine authentische Interpretation. Im Falle von Widersprüchen zwischen Erwägungsgründen und den Bestimmungen einer GVO genießen die letzteren Vorrang. „Bekanntmachungen“ („Leitlinien“) der Europäischen Kommission stellen eine Rechtsansicht der Kommission dar, die sie nur selbst und nur soweit bindet, als sie einen Vertrauenstatbestand für Dritte geschaffen hat. Solche Bekanntmachungen bzw Leitlinien binden also weder die Unionsgerichte noch das KartGer oder das KOG. Dessen ungeachtet bilden Bekanntmachungen in der Praxis wichtige Interpretationshilfen für die der GVOs.
III. Keine Analogie auf nicht erfasste Sachverhalte Es ist unzulässig, den Anwendungsbereich einer Gruppenfreistellungs- 9 verordnung im Wege der Analogie auf Sachverhalte auszudehnen, die nicht unter die Verordnung fallen (vgl EuGH, 28.2.1991 „Delimitis / Henniger Bräu“, Slg 1991, I-935, Rn 46). Sollten nationale Gerichte den Anwendungsbereich einer GVO über deren Wortlaut hinaus erweitern, würde dies einen unzulässigen Eingriff in die Rechtssetzungsbefugnis der Europäischen Kommission darstellen (EuGH, aaO). Die nationalen Gerichte dürfen den Geltungsbereich einer GVO mit anderen Worten nicht ausdehnen und diese nicht auf Vereinbarungen anwenden, die nicht unter die GVO fallen. Ist die Selbstbeurteilung einer Vereinbarung, des Beschlusses einer Un- 10 ternehmervereinbarung oder eines abgestimmten Verhaltens rechtsfehlerhaft, geht dies zu Lasten des beteiligten Unternehmens: Erhebt etwa ein Dritter Klage gegen Kartellteilnehmer, gestützt auf einen behaupte103
§ 3 KartGGugerbauer ten Verstoß gegen § 1 Abs 1, hat das Gericht zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer GVO für eine Freistellung vorliegen. Steht fest, dass eine Vereinbarung alle Voraussetzungen einer GVO für eine Gruppenfreistellung erfüllt, kann sich niemand mit Aussicht auf Erfolg auf die zivilrechtliche Nichtigkeit dieser Vereinbarung nach § 1 Abs 3 berufen. Im Zivilprozess führt eine Vereinbarung, die alle Voraussetzungen einer GVO erfüllt, zur unwiderlegbaren Vermutung, dass sie mit § 2 Abs 1 vereinbar ist. Stellt das Gericht abweichend von der Rechtsauffassung der an der Wettbewerbsbeschränkung beteiligten Unternehmen fest, dass die Voraussetzungen einer GVO nicht erfüllt sind, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie verboten und nichtig ist. Eine tiefergehende Prüfung kann eine Einzelfreistellung der Vereinbarung nach § 2 Abs 1 indizieren. 11 Liegen die Voraussetzungen einer GVO vor, können aus dem wettbewerbsbeschränkenden Charakter einer Vereinbarung keine Schadensersatzansprüche Dritter abgeleitet werden. Findet dagegen eine vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung, etwa eine „Verkaufszielvereinbarung“ in einem Händlervertrag, keine Deckung durch eine GVO und kommt diese Klausel nicht in den Genuss der Freistellung nach § 2 Abs 1, ist die dadurch bewirkte Bezugsbindung verboten und nichtig, es können Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden (vgl zum dt Recht BGH 22.2.2005 „Bezugsbindung“, WuW/E DE-R 1449). Führt eine wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise eines Herstellers, zB ein Aufruf zur Preisdisziplin, nur zum vorübergehenden Wegfall der Freistellung, können Schadenersatzansprüche nur für den Zeitraum geltend gemacht werden, in dem die Freistellung ausgesetzt war.
IV. Entzug des Rechtsvorteils einer GVO 12 Erfüllt eine Vereinbarung zwar die Voraussetzungen einer GVO, aber nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 (bzw Art 101 Abs 3 AEUV) und führt dies zu unerwünschten Wettbewerbsbeschränkungen, räumt Art 29 VO 1/2003 der Europäischen Kommission und – unter gewissen Voraussetzungen – dem KartGer die Befugnis ein, den an der betroffenen Vereinbarung beteiligten Unternehmen den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung zu entziehen. 13 Dass eine Vereinbarung, der Beschluss einer Unternehmervereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise zwar durch eine GVO vom 104
Freistellungsverordnungen
§ 3 KartG
Kartellverbot freigestellt sind, aber Wirkungen entfalten, die mit Art 101 Abs 3 AEUV unvereinbar sind, ist dann der Fall, wenn die entsprechende Vereinbarung nicht zu einer Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung führt bzw nicht zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beiträgt, wenn die Verbraucher nicht angemessen an dem entstehenden Gewinn beteiligt werden, wenn durch die Vereinbarung Beschränkungen auferlegt werden, die zur Erreichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind und wenn durch sie Möglichkeiten eröffnet werden, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren auszuschalten. Da diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, reicht es für einen Entzug des Rechtsvorteils bereits aus, wenn auch nur eine nicht erfüllt wird. Mit der VO 1/2003 der Europäischen Kommission sollte eine verstärk- 14 te Beteiligung der mitgliedsstaatlichen Wettbewerbsbehörden und Gerichte am Vollzug der Wettbewerbsregeln des AEUV erreicht werden – „Dezentralisierung der Kartellrechtsanwendung“. Bei Vereinbarungen, Beschlüssen oder abgestimmten Verhaltensweisen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen sich auf dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates oder auf einem Teilgebiet eines solchen zeigen, das alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist, kann die zuständige Wettbewerbsbehörde dieses Mitgliedstaates (in Österreich: das OLG Wien als KartGer) den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellungsverordnung entziehen. Den allgemeinen Gerichten steht dagegen keine Kompetenz zum Entzug des Rechtsvorteils einer Gruppenfreistellungsverordnung zu. Macht das KartGer von dieser Kompetenz Gebrauch, beschränkt sich die Wirkung des Entzugs des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellungsverordnung aber auf das österreichische Gebiet, das alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist. Um zu überprüfen, ob eine Vereinbarung räumlich beschränkt proble- 15 matische Auswirkungen zeitigt, ist zunächst der relevante Markt abzugrenzen. Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Erzeugnisse oder Dienstleistungen anbieten oder nachfragen, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (zur Marktdefinition vgl unten die Kommentierung zu § 21). Das Verfahren zum Entzug des Rechtsvorteils einer Gruppenfreistel- 16 lungsverordnung durch die Europäische Kommission kann nach Art 29 105
§ 3 KartGGugerbauer Abs 1 VO 1/2003 ua aufgrund einer an die Kommission gerichteten Beschwerde eingeleitet werden. Natürliche und juristische Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Sache darlegen können, sind zur Erhebung einer derartigen Beschwerde befugt (VO 1/2003, Art 7 Abs 2). Unternehmen können ein berechtigtes Interesse iSv Art 7 Abs 2 VO 1/2003 geltend machen, wenn sie auf dem relevanten Markt tätig sind und das beanstandete – durch eine GVO vom Kartellverbot freigestellte – Verhalten geeignet ist, ihre wirtschaftlichen Interessen unmittelbar zu beeinträchtigen. Dies ist etwa der Fall, wenn Konkurrenten eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung abgeschlossen haben oder wenn der Beschwerdeführer trotz Erfüllung aller vorgeschriebenen Standards/Kriterien von einem qualitativ selektiven Vertriebssystem ausgeschlossen bleibt. 17 Darüberhinaus können Unternehmensverbände, die die Interessen von unmittelbar durch die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung beeinträchtigten Unternehmen vertreten, Beschwerde erheben. Aber auch Verbraucherverbände können Beschwerde einbringen (vgl EuG, 7.6.2006 „Österreichische Postsparkasse“ Slg 2006, II-01601, Rn 114, 115). Eine weite Auslegung des „berechtigten Interesses“ ermöglicht also Lieferanten, Wettbewerbern, Abnehmern und Endverbrauchern (wie auch deren Interessenverbänden) die Einbringung einer Beschwerde mit dem Ziel, den Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellungsverordnung zu entziehen. 18 Für das mitgliedstaatliche Verfahren sieht Art 29 Abs 2 VO 1/2003 keine Regelungen vor, es gelten daher für das Entzugsverfahren die mitgliedstaatlichen Verfahrensvorschriften (in Österreich das KartG iVmd AußStrG). Das KartGer hat (als nationale Wettbewerbsbehörde iSd Art 35 VO [EG] 1/2003; § 83 Abs 1 Z 1) nach den Verfahrensvorschriften des KartG vorzugehen (§ 83 Abs 2). Diese sehen vor, dass das Kartellgericht grundsätzlich nur auf Antrag entscheidet (§ 36 Abs 1; vgl 16 Ok 1/15f). Verbraucherbeschwerden könnten über die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (die auch Aufgaben des Konsumentenschutzes wahrnimmt, allenfalls über eine der beiden Amtsparteien) zum Gegenstand eines Antrags gemacht werden (§ 36 Abs 4). 19 Wird ein Verfahren eingeleitet und in dessen Verlauf festgestellt, dass die Entzugsvoraussetzungen vorliegen, weil die in Frage stehende Vereinbarung Wirkungen aufweist, die mit Art 101 Abs 3 AEUV unvereinbar sind, ist das KartGer entgegen dem Wortlaut von Art 29 Abs 1 VO 106
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1/2003 („ . . . so kann sie . . . den Rechtsvorteil . . . entziehen“) nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung zu entziehen. Die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union ist nicht in das Ermessen des KartGer gestellt. Durch die Entscheidung wird festgestellt, dass eine bestimmte Vereinbarung, ein bestimmter Beschluss einer Unternehmervereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise gegen das Verbot des Art 101 Abs 1 AEUV verstößt und nicht mit den Erfordernissen des Art 101 Abs 3 AEUV vereinbar ist. Mit dem Entzug des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellungsverordnung ist die Vereinbarung verboten. Das Kartellgericht kann den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung mit einem Beschluss nach § 26 (Abstellung von Zuwiderhandlungen) treffen oder mit § 27 (Bindenderklärung von Verpflichtungszusagen, falls die beteiligten Unternehmen entsprechende Zusagen abgegeben haben) verbinden. Die Entzugsentscheidung wirkt ex nunc für die Zukunft, aber nicht rückwirkend.
V. Die Gruppenfreistellungsverordnungen der EU Die Befugnis der Europäischen Kommission zum Erlass von Gruppen- 20 freistellungsverordnungen ist in Art 105 Abs 3 AEUV geregelt. Derzeit sind – jeweils zeitlich begrenzt – folgende Gruppenfreistellungsverordnungen in Geltung: VO über vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO 330/2010), VO über vertikale Vereinbarungen im Kraftfahrzeugsektor (Kfz-GVO 461/2010), VO über Technologietransfer-Vereinbarungen (TT-GVO 316/2014), VO über Forschungs- und Entwicklungs-Vereinbarungen (F&E-GVO 1217/2010), VO über Spezialisierungsvereinbarungen (Spezialisierungs-GVO 1218/2010), VO über Vereinbarungen von Versicherungsunternehmen (Versicherungs-GVO 267/2010) und VO über Vereinbarungen zwischen Seeschifffahrtsunternehmen (Konsortien-GVO 246/2009).
A. Die Vertikal-GVO 330/2010 1. Unternehmen unterschiedlicher Produktions- oder Vertriebsstufen Die „Verordnung (EU) Nr 330/2010 der Europäischen Kommission 21 vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen 107
§ 3 KartGGugerbauer von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen“ (Vertikal-GVO, ABl 2010 L 102/l), wird wegen ihrer umfassenden Geltung für eine Vielzahl wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen auch als „Schirm-GVO“ bezeichnet. Erfasst werden etwa selektive Vertriebssysteme, Alleinbelieferungsverträge, Alleinbezugsverträge oder Franchiseverträge. 22 Wie schon die Bezeichnung zum Ausdruck bringt, werden (nach Art 2 der Vertikal-GVO) gewisse Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltenweisen von Unternehmern, welche im Zusammenhang mit der Durchführung der Vereinbarung auf unterschiedlichen Produktionsoder Vertriebsstufen tätig sind, vom Kartellverbot freigestellt. Betroffen sein können beispielsweise Vereinbarungen zwischen einem Rohstofflieferanten und einem Unternehmen, welches diesen Rohstoff für die Herstellung seiner Waren verwendet, oder zwischen einem Großhändler und einem Einzelhändler. Die Vertikal-GVO gilt aber auch für vertikale Vereinbarungen zwischen einer Unternehmensvereinigung und ihren Mitgliedern und zwischen einer solchen Vereinigung und ihren Anbietern, wenn die Mitglieder der Vereinigung Wareneinzelhändler sind und keines der Mitglieder dieser Vereinigung zusammen mit seinen verbundenen Unternehmen einen jährlichen Gesamtumsatz von mehr als EUR 50 Mio erwirtschaftet (Art 2 Abs 2). Solche Vereinigungen werden durch horizontale Vereinbarungen gegründet. Eine Freistellung gem Art 2 Abs 2 bezieht sich aber nur auf die genannten vertikalen Vereinbarungen. Horizontale Aspekte der Kooperation sind nicht freigestellt (Vertikal-LL, ABl C 2010 C 130/1, Rn 30). 23 Unter Vertrieb versteht die unternehmerische Praxis Handlungen, Vorgänge und Verhältnisse, die den Weg (Umsatz) eines Produktes vom Produzenten bis zur produktiven oder konsumtiven Verwendung betreffen. Produkte sind dabei Sachgüter ebenso wie Dienstleistungen und immaterielle Güter, weil auch bei diesen Erzeugung und Verbrauch auseinanderfallen und sie daher Gegenstand einer Distributionstätigkeit sind (16 Ok 8/05). 24 Eine Dienstleistung ist dadurch charakterisiert, dass das Leistungsergebnis nicht vom Leistenden getrennt werden kann. Das schließt aber nicht aus, dass auch mehrere Unternehmen in vertikal organisierter Folge von konsumfernerer zu konsumnäherer Stufe an der Dienstleistungserbringung beteiligt sein können. Bei vertriebsvertraglichen vertikalen Kooperationssystemen des reinen Dienstleistungsabsatzes – etwa 108
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im Bereich Hotellerie, Immobilien- oder Partnerschaftsvermittlung, Sprachschulen uä – kommt es zu einer Zusammenarbeit zwischen einer Art Dienstleistungszentrale, die die Leistung in standardisierter Form aufbereitet, die Abfolge von Leistungsakten und die Ausgestaltung der Leistungserbringung programmiert, und Dienstleistungseinzelbetrieben, die diese Leistung sodann in Anwendung einer Marketingkonzeption (zum Teil als typische Erscheinungsform von Franchising) programmgemäß erbringen (16 Ok 8/05). Die Vertikal-GVO erfasst auch Vereinbarungen die Bestimmungen 25 enthalten, die die Übertragung von geistigen Eigentumsrechten auf den Abnehmer und die Nutzung solcher Rechte durch den Abnehmer betreffen, soweit diese Bestimmungen nicht Hauptgegenstand der Vereinbarung sind und sich unmittelbar auf Nutzung, Verkauf oder Weiterverkauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Abnehmer oder dessen Kunden beziehen. Die Gestattung der Nutzung von Markenrechten in Vertragshändler- bzw Franchiseverträgen ist ein Beispiel dafür. Franchisevereinbarungen sind dadurch charakterisiert, dass sie nicht nur die Lieferung und den Bezug von Waren regeln, sondern auch Lizenzen, insbesondere für die Nutzung von Marken oder sonstigen Zeichen und Know-how, vergeben. Dazu kommt üblicherweise noch kommerzielle und technische Unterstützung durch den Franchisegeber. Für Franchiseverträge typische Klauseln sind nicht als Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen. Dies betrifft etwa Bestimmungen zum Schutz des Know-how oder der Geschäftsbezeichnung, wie auch das Verbot, während der Vertragslaufzeit oder während eines angemessenen Zeitraums nach Vertragsbeendigung ein Geschäft mit gleichem oder ähnlichem Zweck zu betreiben (EuGH 28.1.2986, Rs 161/84, Pronuptia, Rn 16 ff). 2. Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern Vertragsparteien müssen gem Art 1 Abs 1 lit a nur „für die Zwecke der 26 Vereinbarung“ auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen stehen. Für die Beurteilung ihres Wettbewerbsverhältnisses ist somit ausschlaggebend, ob sie hinsichtlich jener Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand der Kauf-, Verkaufs- oder Weiterverkaufsvereinbarung sind, Wettbewerber sind. Sind Unternehmen Wettbewerber hinsichtlich Vertragswaren oder Dienstleistungen, die von der konkreten Vertriebsvereinbarung nicht erfasst werden, hindert dieses Wettbewerbsverhältnis die 109
§ 3 KartGGugerbauer Anwendung der Vertikal-GVO auf die Vereinbarung betreffend den anderen sachlich relevanten Markt nicht. Ein Unternehmen ist als potenzieller Wettbewerber einzustufen, soweit wahrscheinlich ist, dass es im Falle eines geringfügigen aber dauerhaften Anstiegs der relativen Preise innerhalb kurzer Zeit (in der Regel binnen höchstens eines Jahres) die erforderlichen Investitionen vornehmen würde, um in den relevanten Markt einzutreten (Vertikal-LL, Rn 27). 27 Wenn Wettbewerber eine nicht-gegenseitige vertikale Vereinbarung abschließen und der Anbieter zugleich Hersteller und Händler von Waren ist, der Abnehmer dagegen nur Händler, ist die Vereinbarung vom Kartellverbot freigestellt (Art 2 Abs 4). Die GVO erfasst auch den zweigleisigen Vertrieb, bei dem der Hersteller, Generalimporteur oder sonstige Lieferant mit Eigenvertrieb im Wettbewerb mit unabhängigen Absatzmittlern tätig ist („dual distribution“; vgl Vertikal-LL, Rn 28). 3. Marktanteilsschwellen 28 Bei der Beurteilung vertikaler Verträge kommt der Marktstärke der beteiligten Unternehmen sowie der Marktstruktur maßgebliche Bedeutung zu. Vertikale Bindungen, die Unternehmen mit hohem Marktanteil und einer gewissen Marktstärke vereinbaren, entfalten in der Regel eine spürbare wettbewerbsbeschränkende Wirkung. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO ist daher gem Art 3, dass weder der Marktanteil des Anbieters, noch jener des Abnehmers am relevanten Markt 30% überschreitet. Liegt also auch nur eine Seite über der Schwelle, kommen die beteiligten Unternehmen nicht in den Genuss der Gruppenfreistellung. Sie können aber – unter Berücksichtigung der LL der Europäischen Kommission und der einschlägigen Entscheidungspraxis und Rechtsprechung – überprüfen, ob ihre Vereinbarung unter den besonderen Umständen des Einzelfalls mit den Voraussetzungen des § 2 Abs 1 vereinbar und damit freigestellt ist. Dabei entfaltet die Vertikal-GVO, was die Zulässigkeit einer vertikalen Bindungen betrifft, eine gewisse „Ausstrahlungswirkung“: Es besteht keine Automatik, dass vertikale Bindungen oberhalb der Marktanteilsschwellen gegen § 1 Abs 1 verstoßen oder, falls ja, die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 nicht erfüllen (vgl LL Rn 23, 47), 29 Marktanteilsschwellen auch für Abnehmer sind insbesondere für nachfragestarke Einzelhandelsketten relevant (vgl Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/10/445 vom 20.4.2010). Beispielsweise werden 110
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vom Handel von (potentiellen) Lieferanten häufig Vorauszahlungen für die Leistung, also für die Aufnahme von Produkten in die Verkaufsregale, gefordert (sogenannte „upfront acces payments“). Sie können Lieferanten den Markteintritt erschweren und entfalten eine abschottende Wirkung. Bei der Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes (vgl 30 unten die Kommentierung zu § 21) und der Ermittlung des maßgeblichen Marktanteils bleiben in der Praxis immer wieder Fragen offen. Unternehmen, deren Marktanteile oberhalb der maßgeblichen Schwelle liegen, sind für den Fall einer tiefstapelnden Selbsteinstufung dem Risiko einer Anfechtung durch Dritte ausgesetzt. Dies betrifft nicht zuletzt Unternehmen, die hoch spezialisiert und mit innovativen Produkten in Nischenmärkten tätig sind, bei enger Marktabgrenzung erreichen sie hohe Marktanteile. Umgekehrt tappen manche Unternehmen aber auch in eine Marketingfalle. Die werbliche Selbstdefinition als „Marktführer“ und dgl kann im Falle einer kartellgerichtlichen Auseinandersetzung aufwändige Beweisverfahren erforderlich machen. 4. Marktbeherrschende Anbieter Hat ein Anbieter auf dem relevanten Markt nicht nur einen Marktanteil 31 von mehr als 30% (Art 3 Abs 1), sondern ist er auf diesem Markt sogar beherrschend, können Ausschließlichkeitsbindungen durch die Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Vertragspartner zu einem Ausbeutungsmissbrauch iSv § 5 führen. Gleichzeitig behindern solche Ausschließlichkeitsbindungen Wettbewerber des Marktbeherrschers, da diesen (potentielle) Nachfrager entzogen werden (Behinderungsmissbrauch). Bezugsbindungen verpflichten Vertragspartner dazu, bestimmte Leis- 32 tungen ausschließlich von einem Lieferanten zu beziehen. Für die Missbräuchlichkeit von Bezugsbindungen durch einen Marktbeherrscher ist es dabei irrelevant, ob diese mit rechtlichen (zB durch einen Händlervertrag) oder faktischen Mitteln erreicht wurden, ob sie erzwungen wurden oder freiwillig zustande kamen (vgl EuGH Rs 85/76, Hoffmann-La Roche, Slg 1979, 461, Rn 89, 109-111; EuG Rs C-62/86, AKZO, Slg 1991, I-3359, Rn 149). Bezugsbindungen durch einen Marktbeherrscher sind also auch dann, wenn sie (mit) auf Wunsch des Vertragspartners zustande kommen, missbräuchlich, ohne dass es da rauf ankommt, ob die Bindung ohne weiteres oder aber gegen die Ge111
§ 3 KartGGugerbauer währung von Vorteilen, etwa eines Rabatts, eingegangen worden ist. Wenn also ein marktbeherrschendes Unternehmen die Vertragspartner nicht durch eine vertragliche Verpflichtung bindet, sondern Treuerabatte oder Boni gewährt, deren Inanspruchnahme voraussetzt, dass die Vertragspartner ihren Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil davon ausschließlich bei dem marktbeherrschenden Unternehmen decken (vgl 16 Ok 46/05). 33 Bezugsbindungen durch einen Marktbeherrscher, die keine qualitativ oder wirtschaftlich überlegene Leistung bringen, stellen in der Regel ein missbräuchliches Verhalten dar (vgl EuGH Rs T-83/91, Tetra Pak II, Slg 1994, II-755, Rn 137). Die von einem marktbeherrschenden Lieferanten seinen Abnehmern auferlegte Verpflichtung, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich von ihm zu beziehen, ist generell nach § 5 (Art 102 AEUV untersagt (vgl EuGH, C-85/76, Hofmann-La Roche, Slg 1979, 461 Rn 89; EuG, T-65/89, BPB Industries und British Gypsum, Slg 1993, II-389 Rn 68; 16 Ok 46/03). Alleinbezugsvereinbarungen zielen nämlich in der Regel darauf ab, dem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren (Hofmann-La Roche, Slg 1979, 461 Rn 90; 16 Ok 7/12). 34 Sog „englische Klauseln“ verpflichten den Vertragspartner, günstigere Angebote von Wettbewerbern dem marktbeherrschenden Unternehmen bekanntzugeben, dem es dann freisteht, entweder ein gleichartiges Angebot zu machen oder es dem Vertragspartner zu gestatten, die entsprechenden Leistungen bei dem Wettbewerber des Marktbeherrschers zu beziehen. Der wettbewerbsbeschränkende Effekt einer ausschließlichen Bezugsbindung wird dadurch eher noch verstärkt, denn dem Marktbeherrscher wird die Identifizierung seiner Konkurrenz erleichtert (vgl EuGH Rs 85/76, Hoffmann-La Roche, Slg 1979, 461, Rn 102108). 35 Die Ausschlusswirkung von Exklusivbindungen hängt neben der Größe des gebundenen Anteils an der Gesamtnachfrage (vgl EuG, T-5/98, Van den Bergh Foods, Slg 2003, II-4653 Rn 160) auch von deren Laufzeit ab. Die Dauer der Bindung an den Marktbeherrscher ist ein wesentliches Tatbestandskriterium für das Vorliegen einer wettbewerbsrechtlich verpönten Abschottungswirkung (16 Ok 9/15g; 16 Ok 7/12). Es hängt von den konkreten Umständen des Falls ab, ob selbst eine 112
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kurze Kündigungsfrist wie eine Kündigungssperre wirkt, bzw ob die formalrechtliche Option der Kündigung in Wirklichkeit illusorisch ist (16 Ok 7/12). Das Recht gebundener Abnehmer, eine Ausschließlichkeitsvereinbarung kurzfristig (etwa mit zwei Monaten Kündigungsfrist) zu kündigen, steht seiner effektiven Durchführung der Exklusivbindung nicht entgegen, solange von der Kündigungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht worden ist, die Kündigungsmöglichkeit also den Abschottungsgrad des relevanten Marktes nicht verringert (vgl EuG, Van den Bergh Foods, aaO, Rn 105). Ein Unternehmen in beherrschender Stellung ist in der Regel in der Lage, seinen Kunden nicht nur den Abschluss solcher Verträge, sondern auch deren Weiterführung aufzuzwingen. 5. Kernbeschränkungen Grundsätzlich sind Wettbewerbsbeschränkungen, die nicht ausdrück- 36 lich verboten sind, freistellbar. In der Vertikal-GVO 330/2010 wird zwischen schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen (sog „Kernbeschränkungen“, „hardcore“-Beschränkungen oder „schwarzen Klauseln“) des Art 4 und sonstigen Wettbewerbsbeschränkungen („grauen Klauseln“) des Art 5 unterschieden. Kernbeschränkungen bewirken den Entfall der Freistellung für alle wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Vereinbarung („Alles-oder-Nichts-Prinzip“). Wettbewerbsbeschränkungen gem Art 5 sind zwar nicht freigestellt, ihr Verbot führt aber nicht zum Verbot sonstiger Vertragsbestimmungen. Eine Kernbeschränkung liegt vor, wenn Vertragsparteien unmittelbar oder mittelbar, gegebenenfalls auch in Verbindung mit anderen Umständen, eine der in Art 4 aufgelisteten Wettbewerbsbeschränkungen „bezwecken“. Art 4 enthält eine Liste von Vertragsklauseln („Kernbeschränkungen“), die durch die GVO selbst dann nicht vom Kartellverbot freigestellt sind, wenn die betroffenen Unternehmer nur Marktanteile von 30% oder weniger aufweisen. So gelten etwa Vereinbarungen mit absolutem Gebietsschutz, die auf die Abschottung nationaler Märkte abzielen, oder Einschränkungen der Preisbildungsfreiheit als „Kernbeschränkungen“. Diese unterliegen dem Kartellverbot auch dann, wenn schädliche Marktwirkungen nicht nachweisbar sind. Daher sind auch Preisbindungen der zweiten Hand, bei denen der Abnehmer und Wiederverkäufer sich gegenüber dem Lieferanten verpflichtet, gegenüber den eigenen Abnehmern bestimmte Preise zu verrechnen, unabhängig von der Feststellung ihrer Marktwirkung verboten (16 Ok 10/09). 113
§ 3 KartGGugerbauer 37 Die Junktimierung mit einem „Bezwecken“ bleibt hinter der Formulierung von § 1 Abs 1 zurück, wonach bereits das bloße „Bewirken“ einer Wettbewerbsbeschränkung die Verbotssanktion auslöst. Die Einschränkung nimmt darauf Rücksicht, dass die Frage, ob eine Wettbewerbsbeschränkung zwar nicht bezweckt, aber doch bewirkt wurde, für Unternehmen zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen kann. Denn Unternehmen haben oft keinen Einfluss auf externe Faktoren, die eine Vereinbarung – unter Umständen erst nach ihrem Abschluss – wettbewerbsbeschränkend machen. Entscheidendes Tatbestandsmerkmal ist daher, dass Kernbeschränkungen iSv Art 4 der VO 330/2010 von den Vertragsparteien gewollt werden. 38 Grundsätzlich besteht zwar auch bei Kernbeschränkungen die Möglichkeit, den Effizienzbeweis anzutreten, dass die Vereinbarung – ungeachtet der Qualifizierung nach Art 4 der VO 330/2010 – wettbewerbsfördernde Wirkungen gem § 2 Abs 1 entfaltet (Vertikal-LL, Rn 47, 60). Die mit einer Kernbeschränkung verbundene Beeinträchtigung des „inter-brand“-Wettbewerbs gilt aber als so schwerwiegend, dass sie in der Regel auch durch Effizienzgewinne iSv § 2 Abs 1 nicht aufgewogen wird. Wurde eine Kernbeschränkung vereinbart ist es also unwahrscheinlich, dass die Vereinbarung im Einzelfall mit § 2 Abs 1 kompatibel und insoweit freigestellt ist (vgl Vertikal-LL, Rn 47). 39 Ein Verstoß gegen eine Kernbeschränkungen nach Art 4 der VO 330/2010 führt für alle in der Vereinbarung enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen zum Verlust des Rechtsvorteils der Gruppenfreistellung (Vertikal-LL, Rn 70), dann sind alle unter § 1 Abs 1 fallende Bindungen gem § 1 Abs 3 nichtig. Dieses „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ beschränkt sich zwar auf unter § 1 Abs 1 fallende Bindungen (vgl EuGH, 14.12.1983 „Zementimport“ Slg 1983, 4173, 4184), die sind jedoch zumeist für das gesamte Vertragswerk von wesentlicher Bedeutung, so dass die Vereinbarung, deren Wirksamkeit sich nach nationalem Privatrecht richtet, häufig insgesamt nichtig sein dürfte. Eine in der Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel, die für solche Fälle die Wirksamkeit der übrigen Vertragsbestandteile sicherstellen soll, kehrt die Beweislast um, die Beweislast für die Gesamtnichtigkeit trifft dann diejenige Partei, die sich auf die Unwirksamkeit des Gesamtvertrages beruft. a) Preisbindung 40 Art 4 lit a erster Halbsatz postuliert ein Verbot, die Freiheit des Abnehmers (Wiederverkäufers) zur autonomen Bildung seiner Verkaufspreise 114
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zu beschränken. Das Verbot betrifft nicht nur Vereinbarungen, sondern auch Drohungen, Warnungen, Sanktionen, Verzögerung oder Aussetzung von Lieferungen und Vertragskündigung bei Nichteinhaltung eines bestimmten Preisniveaus (Vertikal-LL, Rn 48). Preisbindungen können aber auch durch eine Verpflichtung zur Meldung von Preisunterbietungen bewirkt werden. Durch all diese Maßnahmen („Preisbindung der zweiten Hand“) werden die Unternehmen der folgenden Handels- und Absatzstufen in ihrer Freiheit eingeschränkt, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen (16 Ok 8/05). Muss ein Händler dem Lieferanten für Waren, die er über das Internet vertreibt, einen höheren Einstandspreis zahlen als für Waren, die er über sein physisches Geschäftslokal verkauft, stellt dies ein Doppelpreissystem für Waren zum On- und Offline-Verkauf (eine Kernbeschränkung) dar (Vertikal-LL, Rn 64, 52). Eine Fest- und Mindestpreisbindung kann nur ganz ausnahmsweise zulässig sein, um ein Trittbrettfahrerproblem zu unterbinden (Vertikal-LL, Rn 225 iVm 107 lit a). Dies im Zusammenhang mit verkaufsfördernden Maßnahmen sowie dem Vertrieb von Produkten, die eine intensive Kunden- und/oder Verkaufsberatung erfordern, hochwertig, relativ neu oder technisch kompliziert sind und ein hohes Markenprestige genießen (Vertikal-LL, Rn 225). Der Lieferant muss nachweisen, dass das Angebot einer Beratung vor dem Verkauf den Kunden insgesamt zugute kommt und die Preisbindung einen Anreiz darstellt, dass Einzelhändler vom Trittbrettfahren absehen und selbst Kundenberatung anbieten (Vertikal-LL, Rn 225). Zudem muss die Preisbindung zur Erreichung dieses Ziels iSv § 2 Abs 1 „unerlässlich“ sein (Vertikal-LL, Rn 125). Man kann also nicht von vorneherein davon ausgehen, dass eine Preisbindung der zweiten Hand niemals im Interesse der Konsumenten liegen könnte (Ok 2/68). Beschränkungen der Preisbildungsfreiheit des Anbieters sind dagegen keine Kernbeschränkungen iSv Art 4 lit a, sie sind bei Vorliegen der übrigen Freistellungsvoraussetzungen (ua Nichtüberschreiten der Marktanteilsschwelle des Art 3) grundsätzlich freigestellt. b) Gebiets-/Kundenschutz Nach Art 4 lit b stellen Beschränkungen des Gebiets oder des Kunden- 41 kreises, in das oder an den der Abnehmer die vertragsgegenständlichen Waren oder Dienstleistungen verkaufen darf, eine Kernbeschränkung dar, die nicht freigestellt ist. Zulässig sind nur Beschränkungen des Abnehmers (Wiederverkäufers) auf den Ort seiner Niederlassung. Be115
§ 3 KartGGugerbauer schränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die sich der Anbieter selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Abnehmer zugewiesen hat, sind allerdings zulässig, sofern dadurch der Verkauf durch die Kunden des Abnehmers nicht beschränkt wird. 42 Beschränkungen des passiven Verkaufs sind jedenfalls unzulässig. Der Abnehmer muss daher frei sein, jene Kunden, die an ihn ohne seine eigne Initiative herantreten, zu beliefern. Zulässig ist dagegen die Beschränkung des Verkaufs an Endverbraucher durch Abnehmer, die auf der Großhandelsstufe tätig sind („Sprunglieferungsverbot“), die Beschränkung des Verkaufs an nicht zugelassene Händler durch die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems innerhalb des vom Anbieter für die Durchführung dieses Systems festgesetzten Gebiets (in der Regel: EWR), schließlich die Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, Teile, die zur Weiterverwendung geliefert werden, an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung der selben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt (Art 4 lit b). Gem Art 4 lit b (iii) dürfen für verschiedene Gebiete unterschiedliche Vertriebssysteme (zB Alleinvertrieb und selektiver Vertrieb) eingerichtet werden. c) Beschränkung des aktiven oder passiven Verkauf im Selektivvertrieb (Art 4 lit c) 43 Bedingt die Beschaffenheit eines Produkts selektiven Vertrieb, erfolgt die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Kriterien, die einheitlich und unterschiedslos angewendet werden und gehen die Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinaus, fallen Vereinbarungen über einen rein qualitativen Selektivvertrieb nicht unter das Kartellverbot (EuGH 25.10.1977, Rs 26/76, Metro SB, Rn 20; Vertikal-LL, Rn 175). Wird durch quantitativen Selektivvertrieb die Anzahl der in Frage kommenden Händler ausdrücklich begrenzt, fällt dies in den Anwendungsbereich des Kartellverbots, wenn sowohl der Anbieter wie auch der Abnehmer mehr als 30% Marktanteil hält. Darunter sichert die Vertikal-GVO die Freistellung vom Kartellverbot selbst dann, wenn die Vereinbarung noch andere vertikale Beschränkungen, etwa Wettbewerbsverbote oder Alleinvertriebsverpflichtungen, enthält, sofern nur das Recht der Vertragshändler, aktiv an andere Vertragshändler oder an Endverbraucher zu verkaufen, nicht eingeschränkt wird. Unter „aktivem“ Verkauf wird die gezielte Ansprache individueller Kunden, 116
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dh jede direkte Akquisitionsmaßnahme, verstanden. Dabei kann es sich um adressierten Direktversand von Werbematerial, Telefonmarketing, Werbe-Mails, persönliche Besuche, Werbung in lokalen, regionalen oder zielgruppenaffinen Medien, wie auch jede sonstige Verkaufsförderungsmaßnahme, welche sich speziell an eine bestimmte Kundengruppe oder an Kunden in einem bestimmten Gebiet richtet, handeln (vgl Vertikal-LL, Rn 50). Unter „passivem“ Verkauf ist die Entgegennahme und Ausführung un- 44 aufgeforderter Bestellungen individueller Kunden zu verstehen, also die Lieferung von Waren an bzw das Erbringen von Dienstleistungen für solche Kunden. Verkäufe aufgrund allgemeiner Werbe- oder Verkaufsförderungsmaßnahmen in (überregional verbreiteten) Medien, die Kunden auch in anderweitig vergebenen oder vorbehaltenen Gebieten erreichen, die aber ein vernünftiges Mittel für die Ansprache von Kunden oder Kundengruppen im eigenen Gebiet oder in einem nicht vergebenen oder vorbehaltenen Gebiet sind, gelten als passive Verkäufe (vgl Jestaedt in Langen/Bunte, Nach Art 101 AEUV, Rn 1329). Der passive Verkauf in andere Gebiete und/oder an andere Kunden 45 kann nicht wirksam verboten werden. In Selektivvertriebssystemen ist allerdings die Beschränkung des passiven Verkaufs an nicht zugelassene Händler zulässig. Dies innerhalb eines Gebiets, für welches selektiver Vertrieb vorgesehen ist. Dagegen ist die Beschränkung von Querlieferungen zwischen Händlern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems nicht vom Kartellverbot freigestellt, auch dann nicht, wenn die Händler auf unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind (Art 4 lit d). In solchen Vertriebssystemen ist auch die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endkunden, die Selektivvertriebshändlern auf der Einzelhandelsstufe auferlegt wird, unzulässig. Den Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems darf aber untersagt werden, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben (Art 4 lit c). Eine Verpflichtung des Käufers, den selektiven Wiederverkauf nur an zugelassenen Verkaufsstellen zu betreiben, ist also zulässig. Vertrieb von Waren über das Internet ist als Form des Passivverkaufs 46 einzustufen (EuGH 13.10.2011, C-439/09, Pierre Fabre, Rn 54; Vertikal-LL, Rn 52). Eine Einschränkung von Verkäufen über einen Web-Shop stellt daher stets eine unzulässige Gebiets- oder Kundenkreisbeschränkung dar. Untersagt ein Lieferant seinen Abnehmern (Wiederkäufern) den Internetvertrieb zur Gänze, stellt dies eine be117
§ 3 KartGGugerbauer zweckte Wettbewerbsbeschränkung dar (EuGH 13.10.2011, C-439/09, Pierre Fabre, Rn 54). Ein derartiges Verbot kann selbst im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen oder Franchisesystemen nicht mit dem Prestigecharakter eines Produktes gerechtfertigt werden (EuGH 13.10.2011, C-439/09, Pierre Fabre, Rn 54). Ausnahmen kann es allenfalls während einer Übergangszeit für die Einführung eines neuen Produkts geben (Vertikal-LL, Rn 61). Die Schaltung von Werbeanzeigen („Web-Ads“) im Rahmen von fremden, zielgruppenaffinen (zB auf die Einwohner einer Stadt, eine bestimmte Berufs- oder Interessengruppe abgestimmten) Internet-Auftritten ist dagegen ebenso wie die Werbung über E-Mails als aktiver Verkauf einzustufen. 47 Das Verbot passiver Internet-Verkäufe in Vertikalverträgen stellt eine unzulässige Gebiets- oder Kundenbeschränkung iSv Art 4 lit b und c dar. Sieht ein Vertriebsvertrag solche Beschränkungen des Internetvertriebs vor, verliert er nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung. Reiner Internetvertrieb darf allerdings ausgeschlossen werden, indem der Lieferant von seinen Wiederverkäufern verlangt, dass sie über einen oder mehrere physische Verkaufspunkte oder Ausstellungsräume verfügen, wenn sie Mitglied des Vertriebssystems werden wollen (Vertikal-LL., Rn 54). Auf diese Weise können Hersteller und Lieferanten sicherstellen, dass der Endkunde die Möglichkeit behält, die Waren in einem Geschäftslokal haptisch zu erleben und deren Eigenschaften unmittelbar zu erfahren (vgl Nolte in Langen/Bunte, Nach Art 101 AEUV, Rn 770). Nach Art 4 lit e darf einem Anbieter untersagt werden, mit an einen Abnehmer gelieferten Bestandteilen artgleiche Ersatzteile an Endverbraucher oder unabhängige Reparaturwerkstätten oder andere Dienstleistungsbetriebe zu verkaufen, die der Abnehmer nicht mit der Reparatur oder Wartung seiner Waren betraut hat. 6. „Einfache“ Wettbewerbsverbote (Art 5) 48 Die Vertikal-GVO unterscheidet zwischen Kernbeschränkungen, die dazu führen, dass eine Vereinbarung insgesamt die Freistellung vom Kartellverbot verliert, und sonstigen (einfachen) Wettbewerbsbeschränkungen. Innerhalb des von Art 5 gezogenen Rahmens sind Wettbewerbsverbote zu Lasten des Käufers zulässig (Vertikal-LL, Rn 65 ff). Sind solche Wettbewerbsverbote nicht mit Art 5 vereinbar, sind sie von den übrigen Vertragsbestimmungen abtrennbar. Ein Verstoß gegen 118
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Art 5 führt also – im Gegensatz zum „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ bei Kernbeschränkungen – nicht zum Entfall der Gruppenfreistellung für alle Wettbewerbsbeschränkungen in der Vereinbarung (Vertikal-LL, Rn 71). Unter „Wettbewerbsverbot“ sind gem Art 1 lit d der Vertikal-GVO alle 49 unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen zu verstehen, die den Abnehmer veranlassen, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen. Dazu zählen auch alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen des Abnehmers, auf dem relevanten Markt mehr als 80% seines Gesamtbezugs an Vertragswaren oder -dienstleistungen und ihren Substituten, der anhand des Werts des Bezugs oder, falls in der Branche üblich, anhand des bezogenen Volumens im vorangehenden Kalenderjahr berechnet wird, vom Anbieter oder von einem anderen vom Anbieter benannten Unternehmer zu beziehen. a) 5 Jahre Höchstlaufzeit Unmittelbare oder mittelbare Wettbewerbsverbote zulasten des Ab- 50 nehmers, welche für eine unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als fünf Jahren vereinbart werden, sind nicht gruppenfreigestellt (Art 5 Abs 1 lit a). Erfasst werden alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die den Abnehmer veranlassen, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit den Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen, sowie unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen des Abnehmers, auf dem relevanten Markt mehr als 80% seines Gesamtbezuges an Vertragswaren oder -dienstleistungen und ihren Substituten, der anhand des Volumens des vorangegangenen Kalenderjahres berechnet wird, vom Anbieter oder von einem anderen vom Anbieter beannnten Unternehmen zu beziehen. Zulässig sind dagegen alle denkbaren Vertragsvarianten, die – für das Wettbewerbsverbot – den Fünf-Jahres-Zeitraum insgesamt nicht überschreiten. Der Grundvertrag, dessen Teil das Wettbewerbsverbot ist, darf für eine längere Dauer als 5 Jahre, auch auf unbestimmte Zeit, abgeschlossen werden. Es ist also beispielsweise zulässig, dass ein Vertrag auf eine Dauer von zehn Jahre abgeschlossen wird, wenn das Wettbewerbsverbot auf (höchstens) fünf Jahre beschränkt wird. Durch einen auf unbefristete Zeit (oder eine Dauer von mehr als fünf Jahren) abgeschlossenen Vertrag 119
§ 3 KartGGugerbauer darf der Käufer somit bis zu fünf Jahre verpflichtet werden, sämtliche Vertragsprodukte vom Lieferanten zu beziehen. Spätestens ab dem sechsten Vertragsjahr darf sich die Bezugspflicht dann nur mehr auf bis zu 80% der Vertragswaren beziehen (vgl Art 1 Abs 1 lit d). Wettbewerbsverbote, die stillschweigend über die Dauer von fünf Jahren hi naus verlängert werden, gelten als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Auch „Evergreen“-Klauseln, die die Laufzeit des Wettbewerbsverbots bei Nichtkündigung des Vertrages automatisch über fünf Jahre hinaus verlängern, sind daher unzulässig (vgl EuGH, 1.10.1998 „Langnese-Iglo“, Slg 1998, I-5609). Dasselbe gilt für das Eintrittsrecht des Lieferanten in einen (mit einem Wettbewerbsverbot versehenen) Vertriebsvertrag, den der Abnehmer für die Zeit nach Ablauf des auf fünf Jahre abgeschlossenen und mit einem Wettbewerbsverbot ausgestatteten Vertrages mit einem neuen Lieferanten abschließt. 51 Das Wettbewerbsverbot darf über den Fünf-Jahres-Zeitraum hinaus verlängert werden, soweit es zwischen den Vertragsparteien zu echten Neuverhandlungen und einer neuerlichen Willensübereinstimmung betreffend die Verlängerung kommt (Vertikal-LL, Rn 66). Die Zulässigkeit der Verlängerung ist also – gegen Ende der zunächst vereinbarten Dauer – an die Zustimmung beider Vertragsparteien gebunden und es dürfen keine Umstände vorliegen, die den Abnehmer daran hindern, sich einer Verlängerung des Wettbewerbsverbots nach Ablauf des ursprünglich vereinbarten Zeitraums zu verweigern. Wettbewerbsverbote zulasten des Anbieters sind allenfalls nach Art 5 Abs 1 lit a iVm Art 1 Abs 1 lit d zu beurteilen. In Franchisevereinbarungen sind auf die Laufzeit der Franchisevereinbarung in Bezug auf die erworbenen Waren oder Dienstleistungen zeitlich unbefristete Wettbewerbsverbote mit Art 101 Abs 1 AEUV vereinbar, soweit solche notwenig sind, um die Einheitlichkeit und den Ruf des Franchisesystems zu erhalten (Vertikal-LL, Rn 190 lit b). b) Räumlichkeiten des Lieferanten 52 Nach Art 5 Abs 2 ist ein Wettbewerbsverbot über die Dauer von fünf Jahren hinaus freigestellt, wenn der Käufer die Vertragswaren in Räumlichkeiten oder auf Grundstücken verkauft oder dort Dienstleistungen erbringt, die im Eigentum des Lieferanten stehen. Diese Regelung hat besonders für Bierliefer- und Tankstellenverträge Bedeutung. In diesem Fall darf das Wettbewerbsverbot für die Gesamtdauer der Nutzung der Geschäftsräumlichkeiten vereinbart werden. 120
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c) Kollektiver Boykott in Selektivvertriebssystemen In selektiven Vertriebssystemen sind alle unmittelbaren oder mittelba- 53 ren Verpflichtungen, welche die Mitglieder des Systems veranlassen, Marken bestimmter konkurrierender Anbieter nicht zu verkaufen, nicht vom Kartellverbot freigestellt (Art 5 Abs 1 lit c; vgl Europäische Kommission, Parfum Givenchy, IV/33.542, ABl 1992 L 236). Zugelassenen Händlern darf jedoch gem Art 5 Abs 1 lit a „jede“ Wettbewerbstätigkeit untersagt werden. d) Nachvertragliche Wettbewerbsverbote Nachvertragliche Wettbewerbsverbote der Art, dass Abnehmer kon- 54 kurrierende Waren oder Dienstleistungen nach Beendigung des Vertrages nicht selbst herstellen bzw erbringen, beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen dürfen (Art 5 Abs 1 lit b), dürfen wirksam höchstens für die Dauer von bis zu einem Jahr nach Vertragsbeendigung vereinbart werden (Art 5 Abs 3 lit d). Ihre kartellrechtliche Zulässigkeit setzt weiters voraus, dass sie sich auf Räumlichkeiten und Grundstücke beschränken, von denen aus der Käufer während der Vertragslaufzeit seine Geschäfte betrieben hat (aaO, lit b), und dass das Wettbewerbsverbot unerlässlich ist, um das dem Käufer übertragene Know-how zu schützen (aaO, lit c). Dagegen können dem Abnehmer hinsichtlich der Nutzung und Offenlegung von nicht allgemein bekannt gewordenem Know-how zeitlich unbefristete Beschränkungen auferlegt werden (Art 5 Abs 3 letzter Satz).
B. Die Kfz-GVO 461/2010 Bestimmte Besonderheiten des Kfz-Sektors werden in der „Verord- 55 nung (EU) Nr 461/2010 der Kommission vom 27. Mai 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor“ (Kfz-GVO), ABl 2010 L 129/2, geregelt. Kfz-Leitlinien der Europäischen Kommission ergänzen diese GVO, die auch für den Kfz-Sektor relevante Vertikal-GVO und deren begleitenden VertikalLeitlinien akzessorisch („Ergänzende Leitlinien für vertikale Beschränkungen in Vereinbarungen über den Verkauf und die Instandsetzung von Kfz und den Vertrieb von Kfz-Ersatzteilen“, ABl 2010 C 138, 121
§ 3 KartGGugerbauer 16, im Folgenden „Kfz-LL“). Die Kfz-LL dienen der Selbstbindung der Europäischen Kommission und begründen kein sekundäres Gemeinschaftsrecht. 56 Im Kfz-Sektor sind im Hinblick auf die Gruppenfreistellung drei Märkte zu unterscheiden: Der Markt für den Vertrieb neuer Fahrzeuge, der Markt für den Vertrieb von Ersatzteilen und der Markt für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen (KfzAnschlussmärkte, vgl auch 24 Kt 32, 33/07). Für den Vertrieb von Neufahrzeugen gilt die Vertikal-GVO 330/2010. Auch mehrstufige Vertriebssysteme, etwa mit Importeursverträgen, Verträgen zwischen Generalimporteuren und Einzelhändlern sowie Verträgen zwischen Vertragshändlern und „B-Händlern“ („Subhändlerverträge“), sind zulässig. 57 Der Hersteller/Generalimporteur von Kraftfahrzeugen muss sich entscheiden, ob er seinen Händlern für den Vertrieb von Neufahrzeuge und Original-Ersatzteilen ein exklusives Vertragsgebiet zuweist oder sich eines „selektiven Vertriebssystems“ bedient. Auch ein herstellergebundenes Netz von Kfz-Werkstätten ist entweder in Form des „exklusiven Vertriebs“ oder Selektivvertriebs zu organisieren. Eine Kombination zwischen selektivem und exklusivem Vertrieb ist unzulässig. 58 Im Alleinvertriebssystem ist die Vereinbarung exklusiver Vertragsgebiete für die Händler (und damit ihr Schutz durch Aktivverkäufe von für die gleiche Marke tätigen Wettbewerbern) zulässig, aber die Vertragshändler dürfen jeden beliebigen Wiederverkäufer (zB Handelsketten, Vertragshändler anderer Marken) im Binnenmarkt mit Neufahrzeugen beliefern (Art 4 lit b [i] VO 330/2010). Dadurch kann unterhalb der markengebunden Vertriebsstufe ein „Graumarkt“ entstehen. Bisher haben vor allem Porsche und Suzuki Erfahrungen mit Alleinvertrieb gesammelt. 59 In einem qualitativ selektiven Vertriebssystem macht der Hersteller/ Generalimporteur die Zulassung der Händler von der Erfüllung bestimmter Standards/Kriterien abhängig. Er darf den Verkauf an unabhängige Wiederverkäufer untersagen, allerdings weder den passiven noch den aktiven Verkauf an Endkunden im Binnenmarkt. Im quantitativ selektiven Vertriebssystem darf der Hersteller/Generalimporteur die Zahl seiner Vertragshändler frei und einseitig festlegen. Er ist also nicht verpflichtet, mit einem oder gar mit jedem Bewerber ein Vertragsverhältnis einzugehen (oder fortzusetzen). 122
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Nach der Vertikal-GVO 330/2010 darf der Hersteller seine Vertrags- 60 händler zur Erbringung von Kundendienstleistungen und damit zur Führung einer Werkstatt verpflichten (im Rahmen eines sogenannten „Vollfunktionsvertrages“). Oberhalb der 30% Marktanteilsschwelle ist eine derartige Vorgangsweise aber allenfalls einzelfreistellungsfähig. Art 1 Abs 1 lit g legt fest, dass im Sinne der VO 461/2010 nur mindes- 61 tens dreirädrige Fahrzeuge mit Selbstantrieb, die für den Verkehr auf öffentlichen Straßen bestimmt sind, als „Kfz“ gelten. Für den Vertrieb von Kraftfahrzeugen hat diese Legaldefinition allerdings keine eigenständige Bedeutung, da die Vertikal-GVO 330/2010 für den Vertrieb von Waren aller Art und damit auch für andere Fahrzeuge als Kfz iSd Art 1 Abs 1 lit g VO 461/2010 gilt. Die Vertikal-GVO betrifft damit auch den Vertrieb von Motorrädern, Traktoren, Gabelstaplern, Planierraupen, Anhängern, Aufliegern oder Fahrrädern (vgl EuG, 13.1.2004 „JCB“ – Rs T-67/01, Rn 164). Die Legaldefinition hat aber eine eigenständige Bedeutung, soweit es um Kernbeschränkungen betreffend Ersatzteile, Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen gem Art 4 und 5 VO 461/2010 in den Anschlussmärkten geht. Die Vertikal-GVO erfasst grundsätzlich sowohl den Vertrieb neuer, 62 wie auch jenen gebrauchter Kfz. Allerdings kommt den kartellrechtlichen Vorschriften im Gebrauchtwagengeschäft kaum praktische Bedeutung zu, da der Verkauf gebrauchter Kfz in der Regel nicht in Ausführung eines vertikalen Vertriebssystems erfolgt. Der Gebrauchtwagenhandel ist zwar vielfach ein Folgegeschäft aus dem Verkauf von Neufahrzeugen, die relevanten Verträge werden aber typischerweise nicht zwischen gewerblich tätigen Lieferanten (Großhändlern) und Einzelhändlern, sondern zwischen Letzteren und Endverbrauchern abgeschlossen. Eine GVO ist keine zivilrechtliche Regelung. Die Freistellungsverord- 63 nung bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV (bzw § 1 Abs 1) auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen nicht anwendbar ist (vgl EuGH 18.12.1986, Rs 10/86, VAG France SA v Établissements Magne SA; EuGH 15.2.1996, Rs C-226/94, Grand Garage Albigeois SA, Etablissements Marlaud SA, Rossi Automobiles SA, Albi Automobiles SA, Garage Mauerl & Fils SA, Sud AutoSA, Grands Garages de Castres, Garage Pirola SA, Grand Garage de la Gare, Mazametaine Automobile SA, Etablissements Capmartin SA and Graulhet Automobiles SA v Garage 123
§ 3 KartGGugerbauer Massol SARL; RIS-Justiz RS0109282; 6 Ob 74/05h). Diese Klarstellung war insbesondere im Hinblick auf die – mittlerweile außer Kraft getretene – Kfz-GVO 1400/2002 von Bedeutung, in welche teilweise „Händlerschutzbestimmungen“ hineininterpretiert wurden. Soweit der offenkundige Zweck einer gewählten Vertragsformulierung darin liegt, den Rechtsvorteil der Kfz-GVO sicherzustellen, kann auf diese zur Auslegung zurückgegriffen werden (6 Ob 74/05h). 1. Vertrieb von Neufahrzeugen a) Marktanteilsschwellen 64 Da sich die Kfz-Hersteller/Generalimporteure ganz überwiegend für den (quantitativen) Selektivvertrieb ihrer Kfz entschieden haben, ist die Gruppenfreistellung beim Kfz-Vertrieb für fast alle Hersteller/General importeure davon abhängig, dass die Marktanteilsschwellen der VO 330/2010 eingehalten werden. Relevant sind die Anteile auf dem Großhandelsmarkt, auf dem sich Hersteller/Generalimporteure als Lieferanten und Einzelhändler als Abnehmer gegenüberstehen. Art 3 Abs 1 sieht eine 30 %-Marktanteilschwelle sowohl für den Lieferanten wie auch für den Händler vor. Liegen die Marktanteile der an einer Vertriebsvereinbarung beteiligten Unternehmen (vorbehaltlich anwendbarer Toleranzschwellen – Art 7 lit d bis f) zumindest in einem Fall oberhalb dieser Schwellen, bleibt den Unternehmen nur mehr die Option einer Überprüfung, ob ihre Vereinbarung nach § 2 Abs 1 einzelfreistellungsfähig ist. 65 Es besteht aber eine rechtliche Vermutung dahingehend, dass (quantitativer) Selektivvertrieb im Kfz-Sektor einzelfreistellungsfähig ist, wenn die Marktanteile der beteiligten Unternehmen 40% nicht überschreiten (vgl Kfz-LL, Rn 56). Diese Vermutung soll allerdings dann nicht gelten, wenn der Hersteller/Generalimporteur besondere Auswahlkriterien verwendet. So wird Standortklauseln, dh Vereinbarungen, durch die Vertragshändlern untersagt wird, Geschäfte von nicht zugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben, eine besonders wettbewerbsbeschränkende Wirkung beigemessen, wenn der Marktanteil des Herstellers/Generalimporteurs oberhalb der 30% Schwelle liegt, „sehr hoch“ ist (Kfz-LL, Rn 56). Die wettbewerblichen Nachteile von Standortklauseln können dann die Vorteile in Form von Effizienzgewinnen durch bessere Logistik und besser planbare Netzabdeckung überwiegen (Kfz-LL, Rn 56). 124
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b) Der sachlich relevante Markt im Kfz-Handel Der sachlich relevante Markt für neue KFZ ist unterschiedlich abzu- 66 grenzen, je nachdem, ob der Einzelhändler am Einzelhandelsmarkt als Anbieter auftritt, oder ob der Einzelhändler am Großhandelsmarkt Nachfrager nach Neufahrzeugen ist. Nach dem sog Bedarfsmarktkonzept ist der relevante Markt nach der Substituierbarkeit der Produkte aus Sicht der Marktgegenseite, der Abnehmer, abzugrenzen. Aus der Sicht der Endverbraucher sind Fahrzeug-Marken grundsätzlich austauschbar, der sachlich relevante Markt, auf dem die Endverbraucher als Nachfrager auftreten, umfasst daher Neufahrzeuge aller gängigen Marken. Im Hinblick auf erhebliche Preisunterschiede und relevant abweichende Ausstattungs- und Größenmerkmale ist die Unterteilung in gewisse Klassen (Teilmärkte) von Kraftfahrzeugen branchenüblich. So können beispielsweise die Klassen der Kleinstwagen, Kleinwagen, Mittelklassefahrzeuge, oberen Mittelklasse, Luxusklasse, Sportwagen, Kombis und Geländewagen unterschieden werden. Auch für die Abgrenzung des Großhandels-Markts für neue Kraftfahr- 67 zeuge ist die Sicht der Marktgegenseite maßgebend. Dabei kommt es zum Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Konzeptionen: Nach dem „Leitfaden der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Krafttfahrzeugsektor“ zur VO 1400/2002 sollten für die Vertragshändler als Nachfrager die Präferenzen der Kfz-Käufer, der Endkunden, von ausschlaggebender Bedeutung sein (Kapitel 6, Rn 4). Mit dem Übergang von der VO 1400/2002 zur VO 461/2010 (und der VO 330/2010) war ein fundamentaler Wandel verbunden: Der (kartell-)rechtliche Rahmen für den Handel mit Neufahrzeugen hat sich stark den Vorgaben für einen Franchise-Vertrieb angenähert. Nach der nun geltenden Rechtslage darf ein Lieferant seinen Vertragshändlern im Selektivvertrieb den Handel mit Neufahrzeugen einer anderen Marke untersagen (Verbot des Mehrmarkenvertriebs, „Markenexklusivität“, „Markenzwang“). Befristete auf fünf Jahre (bei entsprechenden Voraussetzungen wiederholt) darf die Abnahme von 100% des Einkaufsvolumens verlangt werden. Auch ohne Markenexklusivität darf der Lieferant verlangen, dass seine Vertragshändler 80% aller im Jahresschnitt verkauften Neufahrzeuge aus seinem – markengebundenen – Selektivvertriebssystem beziehen. Dadurch (wie auch durch Absatzziele, Prämien und/ oder Boni, durch welche die Markenfixierung des Vertragshändlers 125
§ 3 KartGGugerbauer weiter verstärkt wird) wird das Nachfrageverhalten des Vertragshändlers am Großhandelsmarkt zu einem markengebundenen. Die kartellrechtlichen Maßstäbe, die vor dem Inkrafttreten der VO 1400/2002 zur Anwendung kommen, rücken wieder in den Vordergrund: Vertragshändler einer bestimmten Kfz-Marke können ihren Bedarf für Neufahrzeuge dieser Marke nur beim Hersteller bzw Generalimporteur dieser Marke decken, ein Markenwechsel wäre für sie mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Markenspezifische Investitionen (etwa in die Corporate Identity oder in Spezialwerkzeuge) und Kenntnisse wäre dann nicht mehr oder nur noch beschränkt einsetzbar; der Kundenstock müsste neu aufgebaut werden, weil er bis zu einem gewissen Grad an die Marke gebunden ist (Okt 3/93; 8 Ob 295/99m). 68 Vertragshändler haben in der Regel ihre Betriebe, ihren gesamten Außenauftritt bis hin zur Werbung in den verschiedensten Medien, entsprechend den Standards/Kriterien des selektiven Vertriebssystems unter Einbeziehung der geschützten Marke nach der Corporate Identity und dem Corporate Design des Herstellers zu gestalten. Aufgrund dieser Identifizierung werden beim markengebundenen Einzelhändler – fast – ausschließlich Neufahrzeuge dieser Marke nachgefragt. Wenn, wie häufig zu beobachten, in einer Ausfallstraße oder in einem Stadtteil der VW-Händler, der Ford-Händler, der Renault-Händler, der KiaHändler etc ihre Schauräume positioniert haben, geht der Kunde, sobald er sich irgendwann für einen Neuwagen einer bestimmten Marke, etwa VW, entschieden hat, nicht zum Kia-Händler, um sich dort seinen neuen VW zu kaufen. Denn selbst wenn sie aufgrund ihres Händlervertrages dürften, könnten markengebundene Vertragshändler keine Neufahrzeuge einer anderen Marke zum Weiterverkauf erwerben, weil durchgehend alle Kfz-Vertriebssysteme (mit ganz wenigen Ausnahmen) „selektiv“ strukturiert und durch ein Verbot des Verkaufs von Neufahrzeugen an nicht zugelassene Wiederverkäufer geprägt sind. Der Verkauf von sog „EU-Importen“, also von einem Einzelhändler (in der Regel) auf dem Graumarkt eines anderen EU-Mitgliedstaates eingekauften und individuell nach Österreich eingeführten Neufahrzeugs bedarf in der Regel speziellen know-hows. 69 Mit anderen Worten gibt es in der Union auf der Großhandelsstufe keinen markenübergreifenden Markt, sondern nur markenbezogene Märkte. Es gibt also für jede Kfz-Marke einen eigenständigen Großhandelsmarkt. Um eine Atomisierung dieser sachlich relevanten Märk126
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te zu vermeiden, ist jeweils die Gesamtheit einer Produktionspalette von Fahrzeugmodellen einer Marke als austauschbar anzusehen, die Modellpalette bildet den relevanten Produktmarkt (Vertikal-LL, Rn 89). Soweit die Modellpalette eines Herstellers neben PKWs auch Nutzfahrzeuge umfasst, können jedenfalls schwere Nutzfahrzeuge einen eigenen Produktmarkt bilden. Für die Abgrenzung des Großhandelsmarktes ist daher seit dem 1. Juni 2013 (dem Außerkrafttreten der VO 1400/2002) nicht mehr die lose Präferenz der Konsumenten, ein Neufahrzeug einer bestimmten Klasse erwerben zu wollen, dessen Auswahl je nach aktuellem Angebot der konkurrierenden Marken (Preis, Umweltverträglichkeit, Sicherheit, Garantiedauer, Design, Prestige, . . .) erst zu treffen ist, sondern allein die Präferenz der Vertragshändler ausschlaggebend. Die ist markengebunden. Im Selektivvertrieb darf der Hersteller/Generalimporteur den Mitglie- 70 dern seines Vertriebssystems die Belieferung markenungebundener Kfz-Händler, Vertragshändler anderer Hersteller/Generalimporteure, wie auch sonstiger nicht autorisierter Wiederverkäufer untersagen (Art 4 lit b [iii] VO 330/2010). Auch die autorisierten Werkstätten des Herstellers/Generalimporteurs zählen im Bereich des Neufahrzeugverkaufs zu den Außenseitern, soweit sich ihre Autorisierung auf den Betrieb einer Markenwerkstätte beschränkt und sie nicht gleichzeitig Vertragshändler dieses Herstellers/Generalimporteurs sind. Andernfalls würde das Recht des Herstellers/Generalimporteurs auf quantitative Selektion im Vertrieb von Neufahrzeugen verletzt. Da das Werkstattgeschäft der Hersteller/Generalimporteure in der Regel als qualitativ-selektives Vertriebssystem strukturiert ist, hat ja eine unbeschränkte Anzahl von Werkstätten Anspruch auf Autorisierung als Markenwerkstatt, soweit die Standards des Herstellers/Generalimporteurs erfüllt werden. Nach § 4 KraSchG hat der gebundene Unternehmer das Recht, seine 71 aus der Vertriebsbindungsvereinbarung erwachsenden Rechte und Pflichten auf einen anderen gebundenen Unternehmer des Vertriebssystems zu übertragen, soweit dem nicht wichtige Gründe von Seiten des bindenden Unternehmers entgegenstehen. Als wichtiger Grund wäre beispielsweise anzuerkennen, wenn sich die Bonität des gebundenen Unternehmens in relevantem Ausmaß verschlechtern würde, oder wenn der neue Inhaber oder Gesellschafter mit dieser Übernahme gegenüber dem Hersteller/Generalimporteur im sachlich und räumlich relevanten Markt eine beherrschende Stellung erlangen würde (beherr127
§ 3 KartGGugerbauer schender Nachfrager). Vom bindenden Unternehmen sind die „wichtigen Gründe“ offenzulegen und schriftlich zu begründen. Sie unterliegen gegebenenfalls der gerichtlichen Überprüfung. Wenn das bindende Unternehmen innerhalb angemessener Frist nach Verständigung durch das gebundene Unternehmen, dass der Vertrag auf einen bestimmt zu bezeichnendes anderes gebundenes Unternehmen des Vertriebsnetzes übertragen werden soll, nicht reagiert, gilt das Schweigen als Zustimmung. Eine vier Wochen nicht unterschreitende Frist zur Stellungnahme ist als angemessen zu betrachten. c) Vermittler 72 Neufahrzeuge einer bestimmten Marke können in der Regel nur von Vertragshändlern dieser Marke zum Wiederverkauf erworben werden. Andere Händler können solche Neufahrzeuge allenfalls vermitteln (vgl Kfz-LL, Rn 52). Verkauft ein markengebundener Kfz-Vertragshändlers nicht aufgrund eines direkten Kontaktes mit dem Endkunden, sondern über einen „Vermittler“ (einen Kfz-Händler, der nicht Teil des Vertriebssystems dieser Marke ist), ist das Fahrzeug vom Vertragshändler an den Endkunden zu fakturieren. Die Fakturierung an Vermittler darf der Hersteller/Generalimporteur untersagen, in den meisten selektiven Kfz-Vertriebssystemen ist dies der Fall (vgl EuGH, 16.6.1994 „Peugeot/EcoSystem“, Slg 1994, I-2727, Rn 24; Kfz-LL, Rn 52). Um Umgehungsgeschäfte zu verhindern darf der Hersteller/Generalimporteur verlangen, dass sich der Vertragshändler jeweils vor Durchführung eines Vermittler-Geschäfts die Identität des Endkunden (etwa durch Vorlage der Kopie eines Passes) und den echten Vermittlerstatus (durch Vorlage einer gültigen Vollmacht oder eines gültigen Auftrags eines Endkunden) nachweisen lässt (Kfz-LL, Rn 52). Die Vollmacht soll auf ein bestimmtes Modell einer bestimmten Marke angestellt sein, zu dessen Kauf und/oder Abholung der Vermittler im Namen und für Rechnung des Endkunden ermächtigt ist. Hat ein als Vermittler tätiges Unternehmen eine Website, um Endkunden für Vermittlungsaufträge zu gewinnen (indem es etwa darauf hinweist, dass es bestimmte Neufahrzeuge – „EU-Importe“ – zu günstigeren Konditionen beschaffen könne) und Vollmachten von Endkunden zu erhalten, verliert es dadurch den Vermittler-Status nicht (Kfz-LL, Rn 52). 73 Diese Beschaffungsform (Vermittlung eines Neufahrzeuges einer bestimmten Marke durch ein Unternehmen, das für den Vertrieb von Neu128
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fahrzeugen dieser Marke nicht autorisiert ist), ist für Konsumenten in der Regel aber nicht nur deswegen unattraktiv, weil der Vermittler über keine Vorführfahrzeuge verfügt, sondern vor allem auch deshalb, weil beim Vermittlergeschäft die vom Hersteller gewährte Händlermarge zwischen Vertragshändler und Vermittler geteilt werden muss und dem Vermittler dadurch weniger Spielraum als dem direkt an Endverbraucher verkaufendem Vertragshändler für die am Markt nachgefragten Kundenrabatte verbleibt (eine Ausnahme bilden allenfalls sog „EU-Importe“ aus solchen EU-Mitgliedstaaten, in denen die Händlereinstandspreise von Neufahrzeugen deutlich unter jenen in Österreich liegen). d) Leasingunternehmen Ein Leasingunternehmen gilt aus Sicht des Einzelhandels als Endver- 74 braucher von Neufahrzeugen, soweit der von ihm verwendete StandardLeasingvertrag für Kraftfahrzeuge vor Ablauf der Vertragslaufzeit keine Kaufoption und keine Eigentumsübertragung zu Gunsten des Leasingnehmers vorsieht. Andernfalls würde das Leasingunternehmen als – nicht autorisierter – Wiederverkäufer agieren. Typischerweise wählt ein potentieller Leasingnehmer zunächst einmal im Fahrzeughandel ein bestimmtes Kfz-Modell aus, entscheidet sich dann anstatt für Kauf für Leasing, ein von ihm beauftragtes Leasingunternehmen kauft das Fahrzeug, erwirbt Eigentum daran, um es an den Leasingnehmer zu verleasen. Soweit Leasingunternehmen im übertragenen Sinn als Hilfsorgan des Endverbrauchers agieren, würde ein Verstoß gegen Art 4 Abs 1 lit b der VO 330/2010 vorliegen, wenn ein Hersteller/Generalimporteur den Verkauf an das Leasingunternehmen verbietet oder beschränkt. Kauft ein Leasingunternehmen aber ohne konkreten Auftrag bestimm- 75 ter Leasingnehmer Fahrzeuge auf Vorrat, um ein Kfz-Lager für künftige Leasingkunden aufzubauen, kann sich dieses Vorgehen jenem von Autovermietern annähern. Autovermieter sind Endkunden, die Neufahrzeuge für ihren Eigenbedarf kaufen. Sie verkaufen diese Fahrzeuge später als Gebrauchtfahrzeuge weiter. Verkaufen sie die Kraftfahrzeuge schon nach kurzer Haltezeit, gewissermaßen als Neuwagen, handeln sie als nichtautorisierte Wiederverkäufer (vgl Europäische Kommis sion, 10.10.2001 „Mercedes-Benz“, ABl 2002 L 257, 1 Rn 200 ff). Leasinggesellschaften sind also nicht als Wiederverkäufer zu bewerten, 76 solange sie sich darauf beschränken, Fahrzeuge zu kaufen, um vorliegende Aufträge ihrer Kunden zu erfüllen, und keine Lagerbestände bil129
§ 3 KartGGugerbauer den, die sie einer „hierdurch angezogenen Kundschaft“ anbieten (vgl EuG, 15.9.2005 „Mercedes-Benz“, Rn 138 ff; EuGH, 24.10.1995 „BKartA / Volkswagen“, Slg 1995, I-3477). Da es in der Praxis vorkommt, dass sich Unternehmen unter Vorspiegelung der Eigenschaft einer Leasinggesellschaft Neufahrzeuge beschaffen, ist es keine unzulässige Verkaufsbeschränkung, wenn der Hersteller/Generalimporteur seinen Vertragshändlern den Verkauf neuer Kfz an ein bestimmtes Leasingunternehmen untersagt, wenn nachweisbar das Risiko besteht, dass dieses Leasingunternehmen die Fahrzeuge weiterverkauft, solange sie noch als neue Kfz einzustufen sind (Kfz-LL, Rn 51). e) Kernbeschränkungen im Kraftfahrzeugsektor 77 Unter Kernbeschränkungen sind massiv wettbewerbsbeschränkende Vertragsbestimmungen zu verstehen. Enthält eine Vereinbarung auch nur eine dieser Beschränkungen, verliert sie insgesamt den Genuss der gruppenweisen Freistellung vom Kartellverbot („Alles-oder-Nichts“Prinzip), dann ist aber auch eine Einzelfreistellung unwahrscheinlich. Die Liste der Kernbeschränkungen in Art 4 der Vertikal-GVO 330/2010 wird für die Kfz-Anschlussmärkte durch Art 5 lit b und c der VO 461/2010 akzessorisch ergänzt. f) Preisbindung, Art 4 Abs 1 lit a VO 330/2010 78 Gem Art 4 lit a der VO 330/2010 dürfen Vertragshändler und/oder autorisierte Vertragswerkstätten nicht daran gehindert werden, beim Verkauf von Kfz oder von Ersatzteilen oder bei der Erbringung von Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen den Preis autonom zu kalkulieren und dem Endkunden finanzielle (Rabatte, lange Zahlungsfristen, niedrige Kreditzinsen) oder sonstige Vorteile („ein Set Winterreifen inklusive“, „ein weiteres Jahr Garantie“) zu gewähren, die zu Lasten der Vertragshändler bzw -werkstätten gehen. Dieses Verbot der Preisbindung der zweiten Hand gilt für alle Preisbestandteile. 79 Vom Hersteller/Generalimporteur in Auftrag gegebene Werbekampagnen, in deren Rahmen wirtschaftliche Vorteile für den Endkunden (zB Fixpreis für Eintauschwagen, auch wenn dessen Verkehrswert oder Wert laut gelber Eurotax-Liste darunter liegt; Auslobung einer pauschalen „Bonuszahlung“ für den Kauf eines Neufahrzeuges; Winterreifen gratis, etc) beworben wurden, sind unzulässig, wenn nicht angekündigt wird, dass es sich um eine unverbindliche Empfehlung an Vertragshändler handelt. 130
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Wenn sich Vertragshändler – etwa im Rahmen einer Tagung – (unzuläs- 80 sigerweise) auf eine Preis- oder Rabattstrategie (zB „Aktion gegen Rabattschleuderei“) einigen, stellt dies eine vom Kartellverbot erfasste wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung (oder einen wettbewerbsbeschränkenden Beschluss eines Händlerverbandes) dar. Haben an dieser Tagung aber auch Vertreter des Herstellers/Generalimporteurs teilgenommen und sich nicht gegen das Preiskkartell verwahrt, kann dies als Verstoß (des Herstellers/Generalimporteurs) gegen das Preisbindungsverbot des Art 4 Abs 1 lit a qualifiziert werden. Dieses Risiko erhöht sich, wenn der Hersteller/Generalimporteur selbst im Einzelhandel – zB mit Filialen und Niederlassungen – als Wettbewerber seiner Vertraghändler tätig ist. Hat ein Hersteller/Generalimporteur an solchen Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbswidrigen Zwecken teilgenommen, muss er in Umkehrung der Beweislast nachweisen, dass er seine Vertragshändler (und Wettbewerber) auf eine andere Zielsetzung hingewiesen hat. Kann er diesen Entlastungsbeweis nicht erbringen, ist von einem horizontal-vertikalen Preiskartell und damit von einer unzulässige Preisbindung durch den Hersteller/Generalimporteur auszugehen (vgl EuG, 15.9.2005 „Mercedes-Benz“, Rn 202 ff). g) Beschränkung des Gebiets oder der Kunden, Art 4 lit b VO 330/2010 Die Zuweisung von exklusiven Vertragsgebieten im Sinne eines Allein- 81 vertriebs, die die Mitglieder eines Selektivvertriebssystems vor Aktivverkäufen durch die anderen Mitglieder schützen würde, würde eine Kernbeschränkung darstellen. Dies kann auch für mittelbare Maßnahmen gelten, die zu vergleichbaren Auswirkungen führen, etwa die Festsetzung von Verkaufszielen oder Bonussystemen, die jeweils auf ein bestimmtes Gebiet abstellen, das kleiner als der Binnenmarkt ist. Der Hersteller darf sich das Recht auf die Belieferung von bestimmter 82 Kunden (zB von Flotten, Öffentlichem Dienst, Spitzensportlern, usw) vorbehalten, doch Passiv-Verkäufe von Vertragshändlern an solche Kunden dürfen nicht untersagt werden. h) Standortbindung, Art 4 lit c 2. Halbsatz VO 330/2010 Die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbrau- 83 cher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebsnetzes gilt als Kernbeschränkung. Gem Art 4 lit c Halbs 2 darf 131
§ 3 KartGGugerbauer Mitgliedern selektiver Vertriebssysteme aber untersagt werden, den Standort für ihre Ladenlokale ohne Zustimmung des Herstellers/Generalimporteurs zu verlegen, ihre Geschäftstätigkeit von verschiedenen Geschäftsräumen oder Ladenlokalen aus zu betreiben oder zusätzliche Verkaufsstellen an einem anderen Standort zu eröffnen (Kfz-LL, Rn 50, 57). Überschreitet ein Hersteller/Generalimporteur aber die 30% Marktanteilsschwelle besteht die Gefahr, dass die wettbewerblichen Nachteile von (nach Art 4 lit c Halbs 2 der VO 330/2010 zulässigen) Standortklauseln die Vorteile durch Effizienzgewinne in Form besserer Logistik und besser planbarer Netzabdeckung überwiegen (Kfz-LL, Rn 56). 2. Beschränkung vom Querlieferungen und -bezügen, Art 4 lit d VO 330/2010 84 Ein vertragliches Verbot von Querlieferungen zwischen Vertragshändlern und/oder zwischen autorisierten Werkstätten desselben selektiven Vertriebssystems stellt eine unzulässige Kernbeschränkung dar. Der Hersteller/Generalimporteur darf seine Vertragshändler und autorisierten Werkstattbetriebe zeitlich unbefristet verpflichten, bis zu 80% ihres Einkaufsvolumens an Vertragswaren (Neufahrzeugen oder Ersatzteilen) oder ihren Substituten, die sie im Laufe eines Jahres weiterverkaufen, markenggebunden aus dem Vertriebsnetz des Hersteller/ Generalimporteurs zu beziehen (Art 1 Abs 1 lit d). Im Falle einer derartigen Bezugsbindung der Vertragshändler bzw der Werkstätten ist das gesamte Einkaufsvolumen eines Händlers, etwa die Summe aller Neufahrzeuge eines entsprechenden Fahrzeugsegments (PKW, leichte Nutzfahrzeuge, LKW – die weder aus Sicht des Händlers, noch aus jener seiner Kunden mit PKW substituierbar sind) Maßstab. 85 Wurde in einem selektiven Vertriebssystem eine derartige Mindestbezugspflicht vertraglich fixiert, kann sie vom Vertragshändler oder der autorisierten Werkstatt durch Bezüge unmittelbar vom Hersteller, von einem anderen vom Hersteller benannten Unternehmer oder von einem – beliebigen – anderen Mitglied des markengebundenen Vertriebssystems erfüllt werden (Art 4 lit d). Querlieferungen durch andere Mitglieder des Vertriebsnetzes dieser Marke innerhalb des EWR dürfen also nicht untersagt werden, andernfalls käme es zu einer verbotenen Kernbeschränkung iSv Art 4 lit d VO 330/2010. Unzulässig wäre auch die Verpflichtung eines netzzugehörigen Großhändlers (zB eines Gene132
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ralimporteurs), nur eine bestimmte Gruppe von Vertragshändlern oder nur solche in einem bestimmten Gebiet (zB in einem bestimmten Mitgliedstaat) zu beliefern. Auch – an sich zulässige – Absatzzielvereinbarungen dürfen nicht so formuliert sein, dass sie im Ergebnis zu einer unzulässigen Behinderung von Querlieferungen führen. 3. „Einfache“ Wettbewerbsverbote nach Art 5 VO 330/2010 Ein Verstoß gegen ein „einfaches“ Wettbewerbsverbot iSv Art 5 VO 86 330/2010 führt nicht zum Entfall der Gruppenfreistellung als solcher, sondern nur zur Unwirksamkeit der betreffenden Vertragsklausel. Soweit sich die entsprechende Klausel inhaltlich aus dem Vertrag herauslösen lässt, bleibt der restliche Vertrag wirksam. Das „Alles-oderNichts-Prinzip“, das beim Verstoß gegen Kernbeschränkungen gilt, kommt hier nicht zur Anwendung. Ist eine salvatorische Klausel vereinbart, trifft die Beweislast für eine zivilrechtliche Gesamtnichtigkeit des Vertrags diejenige Partei, die die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages behauptet. Eine zeitlich (bis zu fünf Jahre) befristete Vereinbarung „einfacher“ 87 Wettbewerbsverbote ist sanktionslos zulässig. Die Verlängerung über die Fünfjahresfrist hinaus ist aber nur zulässig, wenn der Vertragshändler ohne direkten oder indirekten Druck zustimmt (Kfz-LL, Rn 26; Vertikal-LL Rn 66). Bereits die Androhung einer Kündigung durch den Hersteller/Generalimporteur, falls der Vertragshändler einer Verlängerung des Wettbewerbsverbotes nicht zustimmt, gilt als Verstoß gegen die nur befristete Zulassung des Wettbewerbsverbots (Kfz-LL, Rn 26). Stimmt der Vertragshändler unter solchen Umständen einer Verlängerung zu, ist das verlängerte Wettbewerbsverbot nicht gruppenfreigestellt. 4. Markenexklusivität, Art 5 VO 330/2010 Hersteller/Generalimporteure dürfen ihre Vertragshändlern und autori- 88 sierten Werkstätten für einen befristeten Zeittraum von fünf Jahren verpflichten, mehr als 80% der Vertragswaren vom Hersteller/Generalimporteur zu beziehen, ihnen den Mehrmarkenvertrieb beim Fahrzeugverkauf, Werkstattgeschäft und Ersatzteilvertrieb untersagen, also Markenexklusivität verlangen. Ausgelobte Prämien entfalten die Wirkung eines Wettbewerbsverbots, soweit sie darauf ausgerichtet sind, Händler 133
§ 3 KartGGugerbauer vom Verkauf konkurrierender Fahrzeugmarken abzuhalten (vgl KfzLL, Rn 32). Etwa dann, wenn ihre Auszahlung davon abhängig gemacht wird, dass der Händler bereit ist, (annähernd) 100% seines Volumens an Neufahrzeug-Verkäufen aus dem markengebundenen Vertriebssystem zu beziehen. Besonders eindeutig ist das Verlangen des Herstellers/Generalimporteurs, dass der Händler für den Vertrieb von Kfz einer anderen Marke eine eigenständige juristische Person (zB eine – weitere – GmbH) errichten muss, unabhängig davon, ob sich der Hersteller/Generalimporteur der anderen Marke mit einer Lieferung von bis zu 20% des gesamten Verkaufsvolumens des Vertragshändlers begnügt. 89 Im Rahmen des (ohne neuerliche Vereinbarung eines zeitlich befristeten Wettbewerbsverbots spätestens nach fünf Jahren) freibleibenden Einkaufsvolumens (von jedenfalls 20 %) kann der Händler für einen weiteren oder mehrere Hersteller tätig werden, sofern sich diese mit einer entsprechend geringeren Bezugspflicht begnügen oder völlig auf eine solche verzichten. Über die Gründung selbstständiger (Tochter-) Gesellschaften kann ein Unternehmen Neufahrzeuge und Ersatzteile mehrerer Marken – mit jeweils (verpflichtend) bis zu 80% (zeitlich befristet auf fünf Jahre bis zu 100 %) des Einkaufsvolumens dieser Gesellschaften – vertreiben. 90 Indirekte Maßnahmen des Herstellers/Generalimporteurs, die den Vertrieb von Neufahrzeugen beschränken, können wie ein Wettbewerbsverbot wirken. Zu solch indirekten Maßnahmen zählt zB die Verpflichtung, Fahrzeuge konkurrierender Marken in einem getrennten Schauraum auszustellen, wenn die Erfüllung solcher Anforderungen in einem bestimmten Gebiet oder an einem bestimmten Standort nicht rentabel wäre. Liegt der Standort eines Händlers in einem gering bevölkerten Einzugsgebiet mit niedriger Kundenfrequenz, kommt einer solchen Anforderung die Wirkung eines Wettbewerbsverbots zu (Kfz-LL, Rn 32). Indirekte Maßnahmen haben allerdings schwächere Abschottungseffekte als direkte Wettbewerbsverbote (LL, Rn 129). Deshalb wirkt sich nicht jede indirekte Maßnahme des Herstellers/Generalimporteurs, die den Mehrmarkenvertrieb erschwert, wie ein Wettbewerbsverbot aus. Der Hersteller/Generalimporteur darf in gering bevölkerten Einzugsgebieten verlangen, dass Vertragshändler Neufahrzeuge anderer Marken zwar nicht in einem getrennten Schauraum, jedoch in einem eigenen Bereich in diesem Raum ausstellen, und markenspezifische Standards einhalten, um eine Verwechslung mit Neufahrzeugen anderer Marken zu vermeiden. 134
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Bei der Abgrenzung zwischen Wettbewerbsverboten und indirekten 91 Maßnahmen kommt es also darauf an, ob die Anforderungen des Herstellers/Generalimporteurs einen „wirtschaftlichen“ Vertrieb von Neufahrzeugen einer anderen Marke verhindern, obwohl für 20% des Einkaufsvolumens des Vertragshändlers kein – befristetes – Wettbewerbsverbot vereinbart wurde oder ein solches bereits abgelaufen ist. Ist dies der Fall, wirken indirekte Maßnahmen wie ein Wettbewerbsverbot. Bei einem Hersteller/Generalimporteur mit einem Marktanteil unterhalb der 30% Schwelle wird eine solche Vorgangsweise durch die Gruppenfreistellung gedeckt, für Unternehmer mit Marktanteilen oberhalb dieser Schwelle gefährdet sie eine Einzelfreistellung. 5. Leasing-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (Art 5 VO 330/2010) Der Hersteller/Generalimporteur darf seine Vertragshändler ver- 92 pflichten, den Exklusivvertrieb von Dienstleistungen konzernzugehöriger Finanz-, Versicherungs- und/oder Leasinggesellschaften oder konkret benannter Drittfirmen zu übernehmen. Derartige Bindungen sind aber maximal für eine fünfjährige Periode zulässig (Wettbewerbsverbot gem Art 5). Die Vereinbarung einer bloßen Vertriebsförderungspflicht (unverbindliche Verwendungszusage) für solche Dienstleistungsprodukte des Hersteller/Generalimporteurs ohne Exklusivität und ohne verbindliche Absatzziele fällt dagegen mangels wettbewerbsbeschränkender Wirkung nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs 1. Konzernzugehörige Finanzierungs-, Versicherungs- und Leasingge- 93 sellschaften von Kfz-Herstellern/Generalimporteuren arbeiten meist auf Basis von Agenturvertragsverhältnissen (Handelsvertreter-Verträgen) mit den Vertragshändlern zusammen. Solche Verträge ermöglichen – ohne Einschränkung durch das Kartellverbot – Exklusivität, da Agenturverhältnisse das Handlesvertreterprivileg genießen und ihre vertikalen Beschränkungen nicht § 1 Abs 1 unterliegen. Werden die Anforderungen an einen „echten“ Handelsvertreter-Vertrag erfüllt, können sogar Neufahrzeuge im Rahmen eines (nicht der kartellrechtlichen Kontrolle unterliegenden) Agenturverhältnisses vertrieben werden (vgl den Vertrieb des [auch] durch einen Elektromotor angetriebenen Modells BMW i3 durch BMW-Vertragshändler über einen zusätzlichen Agenturvertrag). 135
§ 3 KartGGugerbauer 6. Kündigung von Vertragshändler-Verträgen 94 Da der Hersteller/Generalimporteur beim Verkauf von Neufahrzeugen nach den Grundsätzen des quantitativen Selektivvertriebs die Zahl seiner Vertragshändler einseitig festsetzen darf, unterliegt er grundsätzlich auch keinen Beschränkungen, sein Vertriebsnetz auszudünnen oder aufzustocken. Er ist auch nicht gehalten, sein Vertriebssystem auf Basis von Standards/Kriterien zu organisieren, die objektiv gerechtfertigt sind (EuGH, 14.6.2012 „Auto 24 / JLR“, WuW/E EU-R 2394 Rn 32 ff). Vor allem ist der Hersteller/Generalimporteur im quantitativ selektiven Vertriebssystem nicht verpflichtet, mit einem Vertragshändler das Vertragsverhältnis fortzusetzen, solange Letzterer bestimmte Standards erfüllt. 95 Vertriebsbindungsvereinbarungen über den Kauf oder Verkauf neuer Personenkraftwagen und leichter Nutzfahrzeuge und von Ersatzteilen für solche Kraftfahrzeuge sowie für Instandsetzungs- oder Wartungsdienstleistungen für Kraftfahrzeuge, die im Rahmen solcher Vertriebsbindungsvereinbarungen verkauft worden sind, unterliegen dem Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz (BGBl I Nr 11/2013 § 1 Abs 1). Gem § 3 Abs 1 KraSchG kann eine auf unbefristete Dauer abgeschlossene selektive Vertriebsbindungsvereinbarung nur schriftlich unter Einhaltung einer zweijährigen Kündigungsfrist gelöst werden. Diese Frist gilt nicht für exklusive Vertriebssysteme, bei denen ausschließlich einem Händler/Werkstattinhaber ein bestimmtes Vertragsgebiet, beispielsweise das Gebiet eines politischen Bezirks, zugesagt wird. Im selektiven Vertriebssystem verkürzt sich die Kündigungsfrist auf ein Jahr, wenn sich für den bindenden Unternehmer die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Die analoge Anwendung des § 24 HVertrG (finanzieller Ausgleichsanspruch) führt nicht zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist (4 Ob 62/00x). 96 Eine Strukturkündigung setzt eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des Herstellers/Generalimporteurs sowohl in finanzieller, wie auch in räumlicher Hinsicht voraus. Es genügt allerdings nicht, dass der Hersteller/Generalimporteur zur Begründung der Verkürzung der Kündigungsfrist die Notwendigkeit der Umstrukturierung des Vertriebsnetzes behauptet, sondern diese Begründung unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Strategische Überlegungen des Herstellers/Generalimporteurs müssen auf plausible Weise durch 136
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Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein. In Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Herstellers/Generalimporteurs agiert, müssen interne oder externe objektive Umstände eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes erforderlich machen. Die können etwa die Aufteilung der internen Aufgaben innerhalb dieser Strukturen oder die Modalitäten der Belieferung mit Waren und Dienstleistungen betreffen (vgl EuGH, 7.9.2006 „Vulcan Silkeborg“, Slg 2006 I-7637, Rn 38 f; 30.11.2006 „BMW“, Slg 2006 I-11383, Rn 29 f, 33 f). Aber auch das Inkrafttreten einer neuen Regelung für den Vertrieb von Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen kann im Hinblick auf die Strukturen des gegebenen Vertriebsnetzes eines Herstellers/Generalimporteurs Änderungen von solcher Reichweite erforderlich machen, dass es zu einer echten Umstrukturierung des Netzes kommt. Das Recht eines Vertragsteils zu einer außerordentlichen Kündigung 97 für den Fall, dass ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags aus wichtigen Gründen nicht zumutbar ist, bleibt von der Regelung des KraSchG unberührt. Das Nichterreichen eines dem Vertragpartner vorgegebenen Mindestumsatzes ist nur dann ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung, wenn es auf eine schuldhafte Vernachlässigung von Pflichten des Vertragspartners zurückzuführen ist, also wenn es einem Vertragshändler mehrmals nicht gelingt, ein realistisches und insofern sachlich gerechtfertigtes Absatzziel zu erreichen. Hat der Hersteller/Generalimporteur mit einem Partner einen Voll- 98 funktionsvertrag (Vertrieb neuer Kfz mit angeschlossenem Werkstattbetrieb) abgeschlossen, können sich außerordentliche Kündigungsgründe, die sich beim Neufahrzeugvertrieb ergeben, auch auf den Werkstattbetrieb auswirken und umgekehrt. Das einheitliche Rechtsverhältnis zwischen Hersteller/Generalimporteur und Vertragshändler/Werkstatt wird durch einen Verstoß gegen wesentliche Vertragspflichten (zB ein Abrechnungsbetrug im Rahmen des Fahrzeugvertriebs) gesamthaft beeinträchtigt. Gem § 3 Abs 2 KraSchG hat der Vertragshändler das Recht, bei Auflö- 99 sung der Vertriebsbindungsvereinbarung Waren, die der Vertriebsbindung unterliegen, an den Hersteller/Generalimporteur zurückzuverkaufen. Der Rückkaufpreis hat sich am Nettoeinkaufspreis abzüglich von Abschlägen für die Abnützung unter Berücksichtigung der Marktgängigkeit zu orientieren. Dieses Recht ist bis zum Ende der Vertragslaufzeit, bei vorzeitiger Kündigung aus wichtigem Grund binnen vier 137
§ 3 KartGGugerbauer Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung, schriftlich geltend zu machen. Diesem Recht des Vertragshändlers steht kein Anspruch des Herstellers/Generalimporteurs gegenüber, den Rückverkauf solcher Waren verlangen zu können. 100 Die zum Teil missverständlich als „Händlerschutzbestimmungen“ bezeichneten kartellrechtlichen Auflagen der mit 31. Mai 2013 außer Kraft getretenen „Verordnung (EG) Nr 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugssektor“, ABl 2002 L 203/30, sollten nach dem Wunsch des österreichischen Gesetzgebers durch eine zivilrechtliche Regelung ersetzt werden. Die Bestimmungen des KraSchG sind zwingendes Recht zugunsten des gebundenen Unternehmers, sie kommen also selbst dann zur Anwendung, wenn der Händler/Werkstattinhaber einen gegen dieses Gesetz verstoßenden KFZ-Händler- und/oder Werkstattvertrag im Wissen um die Gesetzesverletzung unterfertigt hat. Soweit in entsprechenden Vereinbarungen zum Nachteil des gebundenen Unternehmers vom KraSchG abgewichen wird, sind sie unwirksam (§ 2 Abs 2). a) Schlichtungsversuch 101 Wurde im Händler-, Werkstatt- und/oder Ersatzteilliefervertrag für Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien ein Schiedsgericht (oder die Anrufung eines Schiedssachverständigen) vereinbart, schließt dies den Zugang zu den ordentlichen Gerichten nicht aus. Gem § 7 Abs 1 KraSchG hat ein Vertragsteil vor der Einbringung einer Klage über eine Streitigkeit aus der Vertriebsbindungsvereinbarung aber zur gütlichen Einigung eine Schlichtungsstelle zu befassen, einen Antrag nach § 433 Abs 1 ZPO zu stellen oder, sofern die andere Partei damit einverstanden ist, den Streit einem Mediator zu unterbreiten. Als Schlichtungsstelle im Sinn von § 7 Abs 1 KraSchG kommt nur eine von einer Notariatskammer, einer Rechtsanwaltskammer oder einer sonstigen Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtete Schlichtungsstelle, als Mediator nur ein Mediator im Sinn des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes, BGBl I Nr 29/2003, in der jeweils geltenden Fassung, in Betracht. 102 Unter den im Gesetz angeführten Schlichtungsvarianten wird in der Regel dem Verfahren vor dem Bezirksgericht der Vorrang eingeräumt. Da Anträge nach § 433 Abs 1 ZPO in § 51 Abs 1 JN nicht berücksich138
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tigt sind, ist im Falle des Sitzes des jeweiligen Antraggegners in Wien nach § 52 Abs 1 JN nicht das Bezirksgericht für Handelssachen, sondern das örtlich zuständige allgemeine Bezirksgericht anzurufen. Eine Klage ist dem Antrag nicht anzuschließen, es genügt der Hinweis, dass für den Fall des Scheiterns des Schlichtungsversuches die Einbringung einer Klage beabsichtigt wird. Die Klage kann auf Unterlassung, Feststellung oder Leistung gerichtet sein, Leistungsbegehren von (ehemaligen) Vertragshändlern oder Vertragswerkstätten werden sich vielfach auf einen Anspruch nach § 24 HVertrG (Ausgleichsanspruch für den Kundenstock), auf einen Anspruch nach § 454 UGB (Investitionskostenersatz), auf einen Anspruch nach § 3 Abs 2 KraSchG oder auf einen Schadenersatzanspruch (etwa wegen unzulässiger Verkürzung der Kündigungsfrist oder nicht gerechtfertigter vorzeitiger Auflösung eines befristeten Vertragsverhältnisses) stützen, Klagen von Herstellern/ Generalimporteuren auf die Verletzung von Markenrechten. Die Klage ist nur zulässig, wenn drei Monate ab Einleitung des Schlichtungsverfahrens, ab Einlangen des Antrags bei Gericht oder ab Beginn der Mediation verstrichen sind, ohne dass eine gütliche Einigung erzielt worden ist. Die Schlichtungsstelle, das Gericht oder der Mediator haben dem Kläger eine schriftliche Bestätigung darüber auszustellen, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte. Diese Bestätigung nach § 7 Abs 4 KraSchG hat der Kläger der Klage anzuschließen. Die Verpflichtung, vor Einbringung einer Klage zunächst – auf die 103 Dauer von zumindest drei Monaten – eine Schlichtungsstelle zu befassen, führt in der Regel nicht zu einer Einigung, sondern zu einer unerwünschten Verzögerung. In den Fällen einer – aus Sicht des KFZHändlers oder -Werkstattinhabers – ungerechtfertigten vorzeitigen Auflösung des Vertrages kann es für den – in der Regel wirtschaftlich schwächeren – Händler/Werkstattinhaber von existenzieller Bedeutung sein, möglichst rasch eine Entscheidung zu erwirken, durch welche der Hersteller/Generalimporteur verpflichtet wird, die Zusammenarbeit, insbesondere die Belieferung des Händler/Werkstattinhabers, fortzusetzen. Nach § 378 Abs 1 EO kann schon vor Einbringung der Klage ein Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gestellt werden. Sofern die Beteiligten nichts anderes vereinbaren, sind die Kosten der 104 Schlichtung, des gerichtlichen Vergleichs oder der Mediation gem § 7 Abs 3 KraSchG zunächst von jener Partei zu tragen, die die gütliche Einigung angestrebt hat. Wenn keine gütliche Einigung erzielt werden 139
§ 3 KartGGugerbauer kann, sind diese Kosten im Rechtsstreit wie vorprozessuale Kosten zu behandeln. b) Finanzielle Ansprüche bei Vertragsbeendigung 105 In analoger Anwendung von § 24 Abs 1 HVertrG gebührt dem Vertragshändler von Neufahrzeugen einer bestimmten Marke nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit er 1. dem Hersteller/Generalimporteur neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, 2. zu erwarten ist, daß der Hersteller/General importeur aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses direkt oder indirekt (durch Beauftragung eines neuen Vertragshändlers) erhebliche Vorteile ziehen kann und 3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Gem § 24 Abs 2 HVertrG besteht der Ausgleichsanspruch auch dann, wenn das Vertragsverhältnis durch Tod des Vertragshändlers endet und die in Abs 1 genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch besteht gem § 24 Abs 3 HVertrG nicht, wenn 1. der Vertragshändler das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Hersteller/Generalimporteur zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG darstellen, hiezu begründeten Anlaß gegeben haben, oder dem Vertragshändler eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann, oder 2. der Hersteller/Generalimporteur das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG darstellenden Verhaltens des Vertragshändlers gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder 3. der Vertragshändler gemäß einer aus Anlaß der Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffenen Vereinbarung mit dem Hersteller/ Generalimporteur, die Rechte und Pflichten, die er nach dem Vertrag hat, einem Dritten überbindet. 106 Basis für die Berechnung des Ausgleichsanspruches ist der Deckungsbeitrag (DB) I. eines Jahres aus dem Verkauf von Neufahrzeugen durch den Vertragshändler. Dabei sind die Wiederkäuferquote und verschiedene weitere Kriterien (zB die „Sogwirkung“ der Marke) zu berücksichtigen. Nach § 24 Abs 4 HVertrG beträgt der Ausgleichsanspruch mangels einer für den Vertragshändler günstigeren Vereinbarung 140
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höchstens eine Jahresvergütung, die aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet wird. Hat das Vertragsverhältnis weniger als fünf Jahre gedauert, so ist der Durchschnitt der gesamten Vertragsdauer maßgeblich. Ineffizienzen auf Seiten des Herstellers/Generalimporteurs, etwa eine falsche Modellpolitik und ein dadurch verursachter Rückgang des Marktanteils, können den Anspruch des Vertragshändlers nicht schmälern. Der Vertragshändler verliert den Ausgleichsanspruch, wenn er dem Hersteller/Generalimporteur nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mitgeteilt hat, daß er seine Rechte geltend macht (§ 24 Abs 5 HVertrG). Im Übrigen gilt die dreijährige Verjährungsfrist. Nach § 454 Abs 1 UGB hat ein Unternehmer, der an einem vertikalen 107 Vertriebsbindungssystem als gebundener Unternehmer teilnimmt, etwa ein KFZ-Vertragshändler oder der Inhaber einer autorisierten Vertragswerkstätte, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem bindenden Unternehmer (KFZ-Hersteller/Generalimporteur) Anspruch auf Ersatz von Investitionen, die er nach dem Vertriebsbindungsvertrag für einen einheitlichen Vertrieb zu tätigen verpflichtet war, soweit sie bei der Vertragsbeendigung weder abgeschrieben noch angemessen verwertbar sind. Nicht angemessen verwertbar sind in der Regel markengebundene Investitionen eines Unternehmers, der seinen Betrieb nach der Kündigung beispielsweise als Vertragshändler einer anderen Marke oder als freie Werkstätte weiterführt, also Investitionen, die vor Vertragsbeendigung getätigt wurden, um die Standards/Kriterien des (früheren) Lieferanten zu erfüllen (diese Standards/Kriterien sollen zumeist sicherstellen, dass der Betrieb eines Vertragshändlers bzw einer autorisierten Werkstatt entsprechend der Corporate Identity und dem Corporate Design einer bestimmten Marke gestaltet wird). Gem § 454 Abs 2 UGB besteht der Anspruch nicht, wenn 1. der gebun- 108 dene Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dafür ein dem bindenden Unternehmer zurechenbarer wichtiger Grund vorlag, 2. der bindende Unternehmer das Vertragsverhältnis aus einem dem gebundenen Unternehmer zurechenbaren wichtigen Grund gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder 3. der gebundene Unternehmer gemäß einer Vereinbarung mit dem bindenden Unternehmer die Rechte und Pflichten, die er nach dem Vertrag hat, einem Dritten überbindet. Der gebundene Unternehmer verliert gem § 454 Abs 3 UGB den Anspruch, wenn er dem bindenden Unternehmer nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des 141
§ 3 KartGGugerbauer Vertragsverhältnisses mitgeteilt hat, dass er seine Rechte geltend macht. Ansprüche nach § 454 Abs 1 UGB können zum Nachteil des gebundenen Unternehmers im Voraus durch Vereinbarung weder aufgehoben noch beschränkt werden. 109 Der Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG bleibt von den Bestimmungen des § 454 UGB unberührt, mit anderen Worten kann ein KFZVertragshändler bei Vorliegen der Voraussetzungen kumulativ sowohl Investitionskostenersatz wie auch Ausgleich begehren. 7. Kfz-Anschlussmärkte 110 Kfz-Anschlussmärkte haben die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Kfz („after-sales“ Geschäft von Werkstätten) sowie den Ersatzteilvertrieb zum Gegenstand. Auf diesen Märkten stehen von Herstellern „autorisierte“ Werkstätten mit markenunabhängigen (sogenannten freien) Werkstätten (auch Werkstattketten) im Wettbewerb. Die Wettbewerbsfähigkeit dieser unabhängigen Marktteilnehmer hängt davon ab, dass sie ungehinderten Zugang zu wesentlichen Vorleistungen wie Ersatzteilen und technischen Informationen erhalten. Im Bereich dieser Kfz-Anschlussmärkte reicht die allgemeine Vertikal-GVO nicht aus, um wirksamen Wettbewerb sicherzustellen (VO 461/2010, ErwGr 13). 111 Der sachlich relevante Markt, auf dem sich Kfz-Hersteller (bzw deren Generalimporteure) und Kfz-Werkstätten gegenüberstehen, ist markenspezifisch abzugrenzen (16 Ok 1/15f mit Verweis auf Kfz-LL, Rn 15, 39 und 57; 4 Ob 165/98p). Der markenspezifische Markt für Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen („Sekundärmarkt“) ist bei – bis zu vier Jahre alten – Kraftfahrzeugen („Neuwagen“) ein Anschlussmarkt zum Einzelhandel mit Neuwagen („Primärmarkt“). Die Marktsituation am Primärmarkt hat unmittelbare Auswirkungen auf den Sekundärmarkt. Aus hohen Marktanteilen am Primärmarkt folgen automatisch hohe Marktanteile am Sekundärmarkt. Wettbewerb am Primärmarkt sorgt auch für Wettbewerb am Sekundärmarkt (24 Kt 32, 33/07). Nach den Kriterien der „Metro“-Entscheidung des EuGH fällt ein rein qualitativer Selektivvertrieb, wenn er nicht mit weiteren Wettbewerbsbeschränkungen verbunden ist, nicht unter § 1 Abs 1 und ist dann nicht gruppenfreistellungsbedürftig. Die Mitgliedsunternehmen des Verbands der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) haben sich auf Empfehlung der Europäischen Kommission auf die Einhaltung 142
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eines „Verhaltenskodex“ verpflichtet („Code of good practice regarding certain aspects of vertical agreements in the motor vehicle sector“). Über diesen „Verhaltenskodex“ haben sich die meisten Kfz-Hersteller entschieden, für Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen weiterhin ein qualitativ selektives Vertriebsnetz zu unterhalten. Doch die Marktanteile der Hersteller/Generalimporteure auf dem Großhandelsmarkt für Ersatzteile, Spezialwerkzeuge, Diagnosegeräte und technische Informationen liegen regelmäßig oberhalb der gem Art 3 Abs 1 VO 330/2010 für das Werkstatt- und Kundendienstgeschäft maßgeblichen Schwelle von 30% (Kfz-LL, Rn 39). Im Gegensatz zur alten Rechtslage (vgl Art 3 Abs 1 letzter Satz der VO [EG] Nr 1400/2010) kommt die Marktanteilsschwelle auch bei qualitativ selektiven Vertriebssystemen zur Anwendung. Da der Marktanteil der Hersteller/ Generalimporteure auf dem Großhandelsmarkt, der dem Kfz-Anschlussmarkt vorgelagert ist, in der Regel aber nicht nur über 30%, sondern deutlich über 40% liegt, kommt es nicht nur zu keiner Gruppenfreistellung, sondern auch zu keiner Einzelfreistellung nach § 2 Abs 1. Damit sind alle Beschränkungen des Wettbewerbs verboten. Daher müssen qualitative Selektivvertriebssysteme kumulativ zumin- 112 dest drei Anforderungen gerecht werden: 1. diskriminierungsfreier Zugang zum Netz autorisierter Vertragswerkstätten. 2. Zugang zu technischen Informationen auch für Marktteilnehmer außerhalb des herstellergebundenen Werkstattnetzes und 3. keine Diskriminierung freier Werkstätten bei Gewährleistungsarbeiten. Weigert sich ein Hersteller sachlich nicht gerechtfertigt, eine alle qualitativen Auswahlkriterien erfüllende Werkstatt in das Netz seiner zugelassenen Werkstätten aufzunehmen, führt dies dazu, dass sein selektives Vertriebssystem kein qualitatives mehr ist, sondern ein quantitativ-selektives. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass dieses kartellrechtswidrig ist (16 Ok 1/15f; Kfz-LL, Rn 44). Aber selbst wenn ein quantitativ-selektives Vertriebssystem grundsätzlich unter das Kartellverbot fällt, besteht die Möglichkeit einer Gruppenfreistellung, wenn die Marktanteile des autorisierten Netzes unter 30% liegen (16 Ok 1/15f; Art 4 Abs 1 Kfz-GVO iVm Art 3 Abs 1 VO [EU] 330/2010; Kfz-LL, Rn 46). a) Ersatzteilevertrieb Durch die Kfz-GVO 461/2010 soll auf der Angebotsseite Ersatzteil- 113 herstellern der Zugang zu den Kfz-Anschlussmärkten gesichert und auf 143
§ 3 KartGGugerbauer der Nachfrageseite markengebundenen Werkstätten, unabhängigen Werkstätten und Teilehändlern die Möglichkeit zum Bezug (konkurrierender) Ersatzteilmarken offengehalten werden. Neben den Vertriebssystemen von Kfz-Herstellern haben sich auch Vertriebssysteme von Kfz-Ersatzteile-Herstellern sowie Vertriebssysteme reiner Kfz-Ersatzteile-(Groß)Händler an den Rahmen der VO 461/2010 zu halten. 114 Originalteile des Automobilherstellers sind Ersatzteile, die vom Automobilhersteller selbst hergestellt oder in seinem Auftrag von einem Zulieferer nach Maßgabe der Spezifikationen und Produktionsnormen des Herstellers gefertigt und mit der Marke des Kfz-Herstellers versehen sind (sog „OEM-Teile“ – Original Equipment Manufacturer). Der Hersteller verwendet solche Teile für die Produktion und Erstausrüstung seiner Fahrzeuge. OEM-Teile können in der Regel nur über den Kfz-Hersteller oder die Mitglieder seines Vertriebsnetzes bezogen werden. 115 Teile, die von Zulieferern des Herstellers nach dessen Spezifikationen und Produktionsanforderungen – in der Regel auf der selben Produktionsanlage wie die für die Montage der Neufahrzeuge verwendeten Teile – hergestellt werden, aber nicht mit der Marke des Automobilherstellers versehen sind, werden auf dem Ersatzteilemarkt in der Regel als „Identteile“ („OES-Teile“ – Teile vom Original Equipment Supplier, dh vom Erstausrüster) verkauft. Bei Bescheinigung durch den Zulieferer, dass diese Teile die gleiche Qualität aufweisen wie die für den Bau des Fahrzeuges verwendeten, gilt dies bis zum Beweis des Gegenteils (Kfz-LL, Rn 19) 116 Als gleichwertig gelten auch Ersatzteile, die von dritten Teileherstellern hergestellt und nicht als Erstausrüstung in die Fahrzeuge des Herstellers eingebaut werden, soweit sie den in das Fahrzeug eingebauten Teilen qualitativ entsprechen. Der Kfz-Hersteller kann aber den Nachweis erbringen, dass ein solcher Ersatzteil qualitativ nicht gleichwertig mit Originalteilen ist und seine Verwendung das Ansehen des Netzes markengebundener Werkstätten gefährden würde. 117 Zubehör für Kfz (zB Skiträger), also Teile, die nicht bereits im Zuge der Produktion in das Fahrzeug eingebaut werden („Erstausstattung“), stellen keine Ersatzteile iSd Art 1 Abs 1 lit h dar. Schmierstoffe, Hy drauliköle, Brems- und Kühlflüssigkeiten werden dagegen gem Art 1 Abs 1 lit h als Ersatzteile fingiert und sind damit möglicher Gegenstand entsprechender Bezugsbindungen. 144
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Im Zusammenhang mit Gewährleistung/Garantie, Kulanz- und Rück- 118 rufaktionen besteht in Selektivvertriebsystemen für den Bezug von Ersatzteilen eine wichtige Ausnahme vom Verbot der Verpflichtung zum Direktbezug. Denn für diese Arbeiten, die für den Endkonsumenten unentgeltlich – auf Kosten des Herstellers – durchgeführt werden, darf der Hersteller/Generalimporteur seinen autorisierten Werkstätten die Verwendung von Originalersatzeilen seiner Marke (OEM-Teilen) und – schon wegen der Revisionssicherheit – insbesondere den ausschließlichen Bezug bei ihm selbst vorschreiben (VO 461/2010, ErwGr 17; KfzLL, Rn 39). Der Kfz-Ersatzteilmarkt ist markenspezifisch abzugrenzen. Eine 119 Werkstätte ist auf den Bezug markenspezifischer Ersatzteile angewiesen, um Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für ein Kfz einer bestimmten Marke erbringen zu können (vgl EuGH, 31.5.1979 „Hugin“, Slg 1979, 1869, 1896 f). Ersatzteile für die Modelle eines Herstellers sind in der Regel nicht mit solchen für Modelle eines anderen Herstellers austauschbar. Bei Berechnung der Marktanteile sind grundsätzlich alle OEM-, OES- und qualitativ gleichwertigen Ersatzteile zu berücksichtigen, die für eine bestimmte Fahrzeugmarke verwendet werden können. Auch OEM-Ersatzteile, die für Garantiearbeiten, Kulanz- oder Rückrufaktionen verwendet werden, werden in die Marktabgrenzung einbezogen. Der räumlich relevante Markt ist bei markengebundenen Werkstatt- 120 Verträgen und Liefervereinbarungen für Ersatzteile regelmäßig national abzugrenzen. Die österreichischen Generalimporteure bzw die österreichischen Großhandelsniederlassungen der einzelnen Kfz-Hersteller sind exklusive Inhaber der Markenrechte, nur sie können eine Werkstatt mit Standort in Österreich als Vertragswerkstätte autorisieren und zur Nutzung von Markenrechten ermächtigen. Der Marktanteil der Kfz-Hersteller und ihrer autorisierten Werkstattnetze liegt regelmäßig über der 30% Schwelle gemäß Art 3 VO 330/2010, ja sogar deutlich über 40%. b) Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten Auch auf den Kfz-Anschlussmärkten sind markengebundene selektive 121 Vertriebssysteme entweder „quantitativ“ oder „qualitativ“ strukturiert. Bei quantitativ selektiven Vertriebssystemen legt der Lieferant die Zahl seiner Abnehmer nach seinen eigenen Vorstellungen fest. Im qualitativ 145
§ 3 KartGGugerbauer selektiven Vertriebssystem müssen die Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art ausgewählt werden. Die festgelegten Auswahlkriterien dürfen nicht über das erforderliche Maß hi nausgehen. Schließlich müssen die vorgesehenen Selektionskriterien für alle in Betracht kommenden Betriebe einheitlich festgelegt, allen potenziellen Werkstattpartnern zugänglich gemacht und ohne Diskriminierung angewendet werden (vgl EuGH, 25.10.1977 „Metro/SABA I“, Slg 1977, 1875, 1905; 13.10.2011 „Pierre Fabre“, C-439/09, Rn 41ff; Europäische Kommission Vertikal-LL, Rn 175). 122 Angesichts der starken Marktposition der von den Herstellern/General importeuren autorisierten Werkstattnetze im Servicegeschäft für neuere Fahrzeuge hängt wirkungsvoller Wettbewerb davon ab, ob es ausreichenden intra-brand Wettbewerb gibt. Die Intensität des netzinternen intra-brand Wettbewerbs wird wiederum entscheidend von den Bedingungen für den Zugang zum Werkstattnetz bestimmt, die der Hersteller/Generalimporteur über die Vorschreibung von „Standards“ oder „Kriterien“ steuert (Kfz-LL, Rn 70). 123 Die Europäische Kommission hat mit ihren Vertikal-LL unter Verweis auf die ständige Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union präzisiert, dass die Kriterien/Standards nicht über das hinausgehen dürfen, was erforderlich ist (Rn 175; vgl die Urteile des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1980 in der Rs L’Oreal/PVBA, S 3775, Rn 15 f; vom 25. Oktober 1977 in der Rs 26/76, Metro/Kommission [Metro I], S 1875, Rn 20 f; vom 25. Oktober 1983 in der Rs 107/82, AEG/Kommission, S 3151, Rn 35; und vom 27. Februar 1992 in der Rs T-19/91, Vichy/Kommission, II-415, Rn 65). In ihren Kfz-LL hat die Kommission diese Rechtsauffassung wiederholt (Rn 43). Gehen Standards über das hinaus, was objektiv geboten ist, kann die – sonst gegebene – Freistellung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung vom Kartellverbot verlorengehen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in den Verfahren Metro II und Galec (Metro SB-Großmärkte GmbH & Co KG v Kommission, Rs 75/84; Groupement d’achat Edouard Leclerc v Kommission, Rs T-19/92) Tests entwickelt, um feststellen zu können, ob die von einem Hersteller seinen Händlern vorgeschriebene Standards objektiv geboten sind. 124 Ein Hersteller/Generalimporteur darf die Aufnahme in ein autorisiertes Werkstattnetz ablehnen, wenn die Werkstatt die von ihm vorgegebenen und objektiv gerechtfertigten Standards/Kriterien nicht erfüllt. 146
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Darüber hinaus dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Bewerbung Gründe vorliegen, die eine – außerordentliche – Kündigung rechtfertigen würden. Es kann nicht verlangt werden, dass der Hersteller/Generalimporteur einen Werkstattbewerber formal aufnehmen muss, den er umgehend wieder kündigen könnte. Ein sachlich gerechtfertigter Ablehnungsgrund kann etwa vorliegen, wenn sich der Inhaber einer Werkstätte im Rahmen einer früheren (aber nicht allzu lang zurückliegenden) Zusammenarbeit eine Verletzung wesentlicher Vertragspflichten zuschulden kommen ließ und Zusammenarbeit deswegen beendet wurde, oder wenn Insolvenz droht. Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Hersteller/Generalim- 125 porteur und einem Bewerber, der bereits in der Vergangenheit Vertragspartner war, durch betrügerisches Verhalten (zB Abrechnungsbetrug) oder durch die Verletzung sonstiger wesentlicher Vertragspflichten zerstört wurde, ist zu berücksichtigen, dass die Führung eines selektiven Vertriebsnetzes unter einer Marke eine vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit der Vertragspartner voraussetzt, dies zeigt sich besonders bei Rückrufen oder Garantiearbeiten. Aber auch wenn ein Händler als nichtautorisierter Wiederverkäufer Neufahrzeuge des Herstellers/Generalimporteurs vertreibt, für dessen Werkstattnetz er sich nun bewirbt, und eine Fortführung solcher Praktiken auch nach Zulassung als autorisierte Werkstatt zu befürchten ist, kann dies einer Autorisierung entgegenstehen. Auch eine Verletzung von Markenrechten oder Domain-Namen des Herstellers kann eine Rolle spielen. Denn auch in solchen Fällen besteht Grund zur Annahme, dass der Bewerber die Autorisierung dazu missbrauchen könnte, unter (zulässiger) Verwendung des Markenlogos des Herstellers den Vertrieb von Neufahrzeugen des Herstellers auch als Vertragswerkstatt fortzusetzen und dabei gegenüber den Endkunden den falschen Eindruck zu erwecken, er sei vom Hersteller (auch) dafür autorisiert (vgl Nolte in Langen/Bunte12, Bd 2, Nach Art 101 AEUV, Rn 1168). In solchen Fällen ist ein Trittbrettfahrereffekt zu befürchten, dass nämlich der Bewerber die Autorisierung als Markenwerkstatt zu dem Zweck verfolgt, unter Verwendung der Marke des Herstellers beim Endkunden den falschen Eindruck zu erwecken, man könne bei ihm als Vertragshändler Neufahrzeuge der Marke des Herstellers kaufen (vgl Nolte, aaO Rn 1169). Dauerhafte Aufnahmesperren gelten in der Regel als unverhältnismä- 126 ßig, sie kommen allenfalls dann in Betracht, wenn eine Verletzung wesentlicher Vertragspflichten durch den gekündigten Vertragshändler 147
§ 3 KartGGugerbauer oder Werkstattinhaber den „good-will“ der Waren oder Dienstleistungen des Herstellers/Generalimporteurs auf dem Markt nachhaltig beeinträchtigt hat (vgl zum dt Recht BGH, 23.2.1988 „Opel-Blitz“, WuW/E BGH 2491, 2496). Andernfalls kann ein zurückliegender Ablehnungs- oder Kündigungsgrund nach Ablauf eines nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Zeitraumes („Abkühlungsphase“) nicht mehr geltend gemacht werden. 127 Ist ein Bewerber für ein Werkstattnetz bereits als autorisierte Werkstatt konkurrierender Marken oder als Vertragshändler konkurrierender Hersteller tätig, stellt dies keinen sachlich gerechtfertigten Ablehnungsgrund dar (Art 1 Abs 1 lit e Z [ii] VO 461/2010; Kfz-FAQ Rn 18). 128 Lehnt der Hersteller die Bewerbung einer Werkstatt, die die Standards erfüllt, aus sachlich gerechtfertigten Gründen ab, liegt darin keine quantitative Selektion, die als Wettbewerbsbeschränkung unter § 1 Abs 1 fallen würde. Die Nichtzulassung eines Bewerbers, der die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllt, zu einem qualitativen Selektivvertriebsnetz führt dann nicht zum Entfall der Gruppenfreistellung, wenn sichergestellt ist, dass es sich nicht um ein planmäßiges Verhalten des Herstellers, sondern um einen isolierten Einzelfall handelt (EuGH, 25.10.1983 „AEG“, Slg 1983, 3151 Rn 39; 22.10.1986 „Metro / Saba II“, Slg 1986, 3021, Rn 68 ff, 72). Dem ungerechtfertigt abgelehnten Bewerber stehen allerdings zivilrechtliche Schritte offen. 129 Ein Hersteller/Generalimporteur darf Neubewerber für einen autorisierten Werkstattvertrag nicht mit der Begründung ablehnen, dass er nur Vollfunktionsverträge (Vertrieb neuer Kraftfahrzeuge verbunden mit Werkstattbetrieb) vergebe, wenn er zu diesem Zeitpunkt – wenn auch nur mit einzelnen Unternehmen – Werkstattverträge ohne damit verbundene Händlerverträge unterhält. c) Art 5 lit a VO 461/2010: Belieferungspflicht 130 Art 5 lit a VO 461/2010 verpflichtet ausschließlich Kfz-Hersteller/Generalimporteure. Andere Lieferanten von Ersatzteilen (OES-Teilehersteller oder Hersteller qualitativ gleichwertiger Ersatzteile) sind nicht Normadressat dieser Vorschrift. 131 Werkstätten sind nicht nur auf den Bezug von Ersatzteilen, sondern auch auf den Bezug von Werkstattausrüstung und sonstigen technischen Vorrichtungen, die ein Unternehmen in die Lage versetzen, In148
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standsetzungs- und Wartungsarbeiten an einem Kfz durchzuführen (zB Spezialwerkzeuge, Diagnose- und Steuerungsgeräte für Elektronikkomponenten, Hard- und Software), angewiesen. Art 5 lit b verbietet Alleinbelieferungsbindungen von Produzenten von Werkstattausrüstungen durch Kfz-Hersteller. Dadurch soll verhindert werden, dass den freien Werkstätten auf dem Nachfrage- oder Beschaffungsmarkt der Zugang zu Versorgungsquellen auf der vorgelagerten Wirtschaftstufe verschlossen wird und sie von diesem Markt wettbewerbswidrig abgeschottet werden. Auch die bloße Übertragung von Schutzrechten auf einen Zulieferer und eine sich anschließende Rücklizenzierung, um dem Zulieferer Beschränkungen auf dem Ersatzteilmarkt aufzuerlegen, darf nicht vereinbart werden (vgl Kfz-LL, Rn 23). Entsprechend der akzessorischen Natur von Art 5 lit b (zu Art 4 lit e VO 330/2010) umfasst der Kreis der Normaddressaten dieser Vorschrift die Kfz-Hersteller und die industriellen Produzenten und Zulieferer von Instandsetzungsgeräten und Diagnose- oder Ausrüstungsgegenständen. Verstößt eine zwischen einem Kfz-Hersteller und einem Zulieferer abgeschlossenen Vereinbarung über die Belieferung mit solchen Werkstattgeräten gegen Art 5 lit b, erstreckt sich die Rechtsfolge ihrer Unwirksamkeit nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ auf die gesamte Zuliefervereinbarung, die Verträge des Kfz-Herstellers mit seinen autorisierten Werkstätten bleiben davon allerdings unberührt. Im Zusammenhang mit Art 5 lit b ist auch die Zulieferbekanntmachung der Europäischen Kommission (ABl 1979 C 1, 2) zu berücksichtigen. Sind die Voraussetzungen der Zulieferbekanntmachung im Einzelfall erfüllt, fallen Ersatzteilmarktbeschränkungen, die der Kfz-Hersteller seinem Zulieferer auferlegt, nicht unter das Kartellverbot nach § 1 Abs 1 KartG (vgl KfzLL, Rn 23). d) Markenunterdrückung, Art 5 lit c VO 461/2010 Wenn ein Kfz-Hersteller einen Teilelieferanten darin einschränkt, an 132 Bauteilen und Originalersatzteilen sein Waren- oder Firmenzeichen effektiv und sichtbar anzubringen, stellt dies eine Kernbeschränkung iSv Art 5 lit c der VO 461/2010 dar (vgl Kfz-GVO, ErWGr 18). Bringt der Kfz-Hersteller seine eigene Marke neben der des Zulieferers auf den Bauteilen oder Originalersatzteilen an, ohne die effektive und sichtbare Anbringung der Zeichen des Zulieferers zu beeinträchtigen (Doppelkennzeichnung), liegt keine Beschränkung iSd Art 5 lit c vor. Ein Warenzeichen ist effektiv angebracht, wenn es unter Berücksichtigung der 149
§ 3 KartGGugerbauer Lebensdauer des Kfz auch noch lange Zeit nach Inbetriebnahme des Kfz feststellbar bleibt (vgl Nolte, aaO Rn 1117, 1120). e) Technische Informationen 133 Gem § 6 KraSchG hat der bindende Unternehmer dem gebundenen Unternehmer die erforderlichen technischen Informationen für Instandsetzung und Reparatur zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Ein Hersteller/Generalimporteur hat aber auch unabhängigen Marktteilnehmern den Zugang zu technischen Informationen, die für die Instandsetzung und Wartung von Kfz erforderlich sind, zu ermöglichen (Kfz-LL, Rn 62). Die Verpflichtung, unabhängigen Marktbeteiligten, auch gekündigten Vertragshändlern (Vertragswerkstätten), Zugang zu technischen Informationen zu verschaffen, folgt bereits aus den sogenannten „Euro-5 und Euro-6“ Normen für die Typengenehmigung von Kfz (Art 6 der „Verordnung (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen [Euro 5 und Euro 6] und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge“, ABl 2007 L 171/1; vgl Kfz-LL, Rn 65). Diese Verordnung regelt den EU-weiten Zugang zu technischen Informationen für neue Pkws, die seit dem 1.9.2009, sowie für Nutzfahrzeuge, die seit dem 1.1.2013 in Verkehr gebracht wurden. Die Verpflichtung trifft nicht nur den Hersteller/Generalimporteur, eine Wettbewerbsbeschränkung liegt auch dann vor, wenn rechtlich selbständige aber einem markengebundenen Netz angehörige Werkstätten auf Anforderung den Zugang verweigern. Für den Zugang zu der unter die Verordnung fallenden Reparatur- und Wartungsinformation kann der Hersteller eine angemessene und verhältnismäßige Gebühr erheben. Eine derartige Gebühr ist nicht angemessen oder verhältnismäßig, wenn sie eine abschreckende Wirkung zeigt, indem der Umfang der Nutzung durch unabhängige Marktteilnehmer nicht berücksichtigt wird (16 Ok 1/15f mit Verweis auf Art 7 Abs 1 der VO; vgl auch Kfz-LL, Rn 67). Nach Art 7 Abs 2 der VO (EG) 715/2007 ist der Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für einen Tag, einen Monat oder ein Jahr anzubieten und die Gebühr nach der Dauer des Zugangs zu staffeln (16 Ok 1/15f). 134 Bei diesen „technischen Informationen“ handelt es sich ua um Software, Fehlercodes, Teilekataloge, Ersatzteilnummern oder spezielle 150
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Wartungsverfahren. Der Zugang zu Informationen, die für die Verwendung bestimmter Ersatzteile benötigt werden, darf nicht vom Erwerb des betreffenden Ersatzteils abhängig gemacht werden (Kfz-LL, Rn 66). Für nicht-technische, etwa kommerzielle Informationen gibt es kein Gleichbehandlungsgebot. Kommerzielle Informationen müssen unabhängigen Marktbeteiligten nicht zugänglich gemacht werden. Dazu zählen etwa die von einer autorisierten Werkstätte verrechneten Stundensätze (Kfz-LL, Rn 65). Zu den technischen Informationen gehören auch elektronische oder 135 gedruckte Aufzeichnungen betreffend durchgeführte Wartungsarbeiten. Um zu wissen, welche Maßnahmen durchgeführt werden müssen, um den Wartungsplan zu erfüllen, ist der Zugang zu diesen Aufzeichnungen erforderlich. Regelmäßige Wartungsarbeiten beeinflussen den Verkehrswert des Fahrzeugs. Deshalb müssen freie Werkstätten nicht nur Zugang zu solchen Aufzeichnungen erhalten, sondern diese auch selbst aktualisieren können. Andernfalls könnten Verbraucher veranlasst werden, ihr Fahrzeug nicht zu unabhängigen Werkstätten zu bringen. Dadurch würden solche Werkstätten von einem wesentlichen Teil des Marktes ausgeschlossen (Kfz-FAQ, Rn 17). Auch sicherheitsrelevante Informationen müssen Werkstätten außer- 136 halb des Netzes autorisierter Werkstätten zugänglich gemacht werden. Dies betrifft etwa technische Informationen über eingebaute Diebstahlschutzvorrichtungen oder Codes zur Neueichung elektronischer Anlagen. Im Fall einer entsprechenden Anfrage durch eine freie Werkstatt ist es eine zulässige Schutzmaßnahme des Herstellers, wenn vom Inhaber der Werkstatt verlangt wird, an bestimmten Schulungen teilzunehmen, oder wenn eine Überprüfung des Vorstrafenregisters des Betreibers der freien Werkstätte erfolgt (Kfz-FAQ, Rn 15). Zu den zugangsberechtigten „unabhängigen Marktbeteiligten“ zählen gem Kfz-LL, Rn 62, auch Flottenkunden mit eigenem Fuhrpark (zB Transportunternehmen, Speditionen, Busunternehmen, Autovermieter). Unabhängige Marktbeteiligte müssen aber für den Zugang zu erforder- 137 lichen Informationen selbst die Initiative ergreifen, auch wenn autorisierte Werkstätten im Rahmen des Vertriebsnetzes jederzeitigen und uneingeschränkten Zugriff auf derartige Informationen haben (zB über ein Intranet) oder ihnen die Informationen unaufgefordert zugeschickt werden. Umgekehrt müssen unabhängige Marktbeteiligte ja nicht die investiven Anforderungen an Ausstattung und Organisation erfüllen, 151
§ 3 KartGGugerbauer die autorisierten Werkstätten im Rahmen der qualitativen Selektion vorgegeben werden (zB Anzahl der Hebebühnen, bauseitige Standards für Kundenannahme, IT-Ausstattung, Bereitschaftsdienst). Daraus können sich unterschiedliche Konditionen ergeben (Kfz-LL, Rn 67). Freie Werkstätten oder andere unabhängige Marktteilnehmer sind nicht mit den Kosten belastet, die sich für Vertragswerkstätten aus ihrem Dauerschuldverhältnis mit dem Hersteller (Generalimporteur) und den objektiven Kriterien ihrer qualitativen Selektion ergeben. Diese unterschiedlichen Umstände sind beim Entgelt und bei den Konditionen zu berücksichtigen (16 Ok 1/15f). Ein diskriminierungsfreier Zugang zu technischen Informationen verlangt keine schematische Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. 138 Bei der Entscheidung über die Einräumung oder Verweigerung des Zugangs zu technischen Informationen, Werkzeugen und Schulungen kann im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung festgestellt werden, ob sich ein Verschluss bestimmter Informationen „erheblich“ auf die Fähigkeit der unabhängigen Marktteilnehmer auswirkt, auf dem Anschlussmarkt tätig zu sein und Wettbewerbsdruck auszuüben (KfzLL, Rn 65 lit b). Dadurch wird es dem Kfz-Hersteller/Generalimporteur und den Mitgliedern seines Werkstattnetzes möglich, bloße Bagatellinformationen zurückzuhalten und auf querulatorische Einzelanfragen nicht zu reagieren. f) Diskriminierung im Hinblick auf Gewährleistung und Garantie 139 Vereinbarungen über qualitativen Selektivvertrieb im Kfz-Werkstattgeschäft können auch dann wettbewerbsbeschränkend sein und vom Kartellverbot gem § 1 Abs 1 erfasst werden, wenn der Kfz-Hersteller/Generalimporteur im Zusammenhang mit der Durchführung (und Finanzierung) von Gewährleistungsarbeiten unabhängige Marktbeteiligte behindert oder diskriminiert. Etwa dadurch, dass der Hersteller/Generalimporteur die gesetzlich geregelte Gewährleistung und/oder seine vertraglich zugesagte Garantie davon abhängig macht, dass allgemeine Reparatur- und/oder Wartungsarbeiten, die nicht unter Gewährleistung oder Garantie fallen, ausschließlich von autorisierten Werkstätten vorgenommen werden. Oder dadurch, dass der Hersteller/Generalimporteur vorschreibt, dass solche Arbeiten ausschließlich mit Original ersatzteilen, die vom Hersteller/Generalimporteur bezogen wurden (Kfz-LL, Rn 69), oder mit Ersatzteilen eines konkret benannten 152
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Drittherstellers durchgeführt werden müssen (Kfz-FAQ, Rn 6). Dies gilt unabhängig davon, in welcher Form (zB im Kaufvertrag, in einem Wartungsheft, usw.) eine derartige Beschränkung ausgesprochen wird (Kfz-FAQ, Rn 1). Zusagen des Kfz-Herstellers, zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleis- 140 tung bestimmte Garantien, zB über die gesetzliche Gewährleistungsfrist hinaus, zu übernehmen, dürfen ebenfalls nicht von der regelmäßigen Wartung des Fahrzeugs durch autorisierte Vertragswerkstätten oder der Verwendung von Originalersatzteilen bei Reparatur-, oder Wartungsmaßnahmen abhängig gemacht werden (Kfz-FAQ, Rn 2). Dies gilt auch, wenn die Garantie über ein Drittunternehmen (zB eine Versicherung) zugesagt wird (Kfz-FAQ, Rn 3). Der Hersteller/General importeur kann aber eine Garantieleistung im Einzelfall ablehnen, wenn der zu behebende Mangel in kausalem Zusammenhang damit steht, dass eine freie Werkstatt eine Reparatur oder Wartung unsachgemäß durchgeführt oder minderwertige Ersatzteile verwendet hat. Liegt die Erstzulassung eines Gebrauchtfahrzeuges bereits mehrere 141 Jahre zurück, gilt eine für das Gebrauchtfahrzeuges abgegebene bedingte Garantie (bedingt abhängig von der Wartung durch autorisierte Werkstätten und der Verwendung von Originalersatzteilen) als zulässig, liegt also kein Verstoß gegen § 1 Abs 1 vor, da freie Werkstätten zum Markt für Reparaturen älterer Fahrzeuge ohnedies einen wesentlich leichteren Zugang haben (Kfz-FAQ, Rn 4). Eine Kernbeschränkung iSv Art 4 lit b und c VO 330/2010 liegt vor, 142 wenn dem Endkunden Gewährleistung für ein Neufahrzeug, das er bei einem zugelassenen Händler in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworben hat, verweigert wird, oder ein solches Fahrzeug bei Rückrufaktionen oder unentgeltlichen Kundendienstleistungen des Herstellers nicht berücksichtigt wird. Auf – über die gesetzlich geregelte Gewährleistung hinausgehende – Garantieleistungen, für die der Endkunde in einem anderen EU-Mitgliedstaat getrennt bezahlt hat, hat der Kunde im Einfuhrland aber keinen Anspruch (Kfz-FAQ, Rn 5). Hat eine autorisierte Werkstatt wegen eines Mangels, der bereits bei 143 Auslieferung des KFZ oder des Ersatzteils an den Vertragshändler oder die autorisierte Werkstatt vorlag, Garantieleistungen erbracht oder Gewährleistungsansprüche befriedigt, so hat die Werkstatt gegenüber dem Hersteller/Generalimporteur gem § 5 KraSchG Anspruch auf Ersatz des mit den Leistungen verbundenen notwendigen und nützlichen 153
§ 3 KartGGugerbauer Aufwands. Das Gesetz lässt offen, ob der gebundene Unternehmer zusätzlich zum Aufwandsersatz auch einen Anspruch auf „bürgerlichen Gewinn“ hat. In der Praxis kann es für eine autorisierte Werkstatt zu Problemen führen, wenn sie den Garantiefall anerkannt und die Garantiearbeiten unentgeltlich durchgeführt hat, der Hersteller/Generalimporteur die Übernahme der Kosten aber im Rahmen einer nachträglichen Auditierung ablehnt (Kfz-LL, Rn 69; Kfz-FAQ, Rn 6). Im Hinblick darauf, dass in vielen KFZ-Vertriebssystemen mit dem Verkauf von Neufahrzeugen keine positiven Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden können, der Vertrieb von Neufahrzeugen also aus dem Werkstattgeschäft und/oder aus dem Vertrieb von Dienstleistungen von Versicherungen, Banken oder Leasinggesellschaften quersubventioniert werden muss, das Werkstattgeschäft aber wiederum darunter leidet, dass die Hersteller den Endverbrauchern zusehends verlängerte Garantiefristen anbieten, den Werkstattinhabern für die – zusätzlichen Verwaltungsaufwand (vgl etwa die Anforderungen an Dokumentation und die Belastung durch Audits) verursachenden – Garantiearbeiten jedoch nur reduzierte Stundensätze und verringerte Teile-Margen zahlen, wird sich ein Anspruch der Werkstattinhaber auf Deckung der Vollkosten und auf einen entsprechenden Gewinnanteil in der Regel schon aus der marktbeherrschenden Position der Hersteller/Generalimporteure ableiten lassen. 144 Im Fall des echten Leasings, bei dessen Vertragsbeendigung oder Ablauf das Eigentum am Fahrzeug beim Leasinggeber verbleibt, darf ein mit dem Kfz-Hersteller/Generalimporteur verbundenes Leasingunternehmen alle Formen der Gewährleistung von der regelmäßigen Wartung der Fahrzeuge durch autorisierte Werkstätten abhängig machen und die Verwendung der Originalersatzteile des Herstellers für alle Reparatur- und Kundendienstmaßnahmen vorschreiben: In diesem Fall überwiegt das Interesse des konzernzugehörigen Leasingunternehmens, den Restwert des Fahrzeugs zu sichern. Ist dagegen festgelegt, dass – später – eine Eigentumsübertragung auf den Leasingnehmer erfolgt, gilt diese Ausnahme nicht (Kfz-FAQ, Rn 7). g) Kündigung im qualitativ selektiven Vertriebssystem 145 Solange die autorisierte Werkstatt die vom Hersteller/Generalimporteur vorgegebenen und objektiv gerechtfertigten Standards/Kriterien erfüllt, darf der Hersteller/Generalimporteur den Werkstattvertrag 154
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nicht ordentlich kündigen. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung kann sich beispielsweise aus Abrechnungsbetrug, wiederholter Nichteinhaltung von Zahlungszielen, (drohender) Insolvenz oder wiederholt objektiv ermittelter Nichterfüllung von vertretbaren Kundenzufriedenheitszielen ergeben. Auch der nichtautorisierte Verkauf von Neufahrzeugen des die Werkstatt autorisierenden Herstellers zählt zu den wichtigen Gründen für eine außerordentliche Kündigung. Die dadurch als Außenseiter zum Neuwagen-Vertriebssystem des Herstellers/Generalimporteurs auftretende Werkstatt verstößt schuldhaft gegen ihre nebenvertraglichen Interessenwahrungspflichten, die sich aus ihrem Werkstattvertrag mit dem Hersteller/Generalimporteur ergeben. Zum Neuwagengeschäft zählt dabei auch der Verkauf von Fahrzeugen mit „Tageszulassungen“ (zum dt Recht vgl BGH, NJW 2000, 2821; NJW 1996, 2302, 2304) oder von „EU-Neufahrzeugen“, also aus anderen Mitgliedstaaten importierten Neufahrzeugen. Vermittlungsgeschäfte der Werkstatt schaffen dagegen keinen Kündigungsgrund. ISv Art 6 der Verordnung (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parla- 146 ments und des Rates vom 20. Juni 2007 (über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen [Euro 5 und Euro 6] und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl L 171 vom 29.6.2007) dürfen Hersteller/Importeure von gekündigten Vertragswerkstätten nicht die Zurückgabe von Reparatur- und Wartungsinformationen und/oder Weiterbildungsmaterial verlangen. Gem § 3 Abs 2 KraSchG darf aber die autorisierte Werkstätte nach der Kündigung ihres Vertrages vom Hersteller/Generalimporteur die Rücknahme von Ersatzteilen verlangen.
C. Die Technologietransfer-GVO Rechte zum Schutz technologischer, literarischer oder künstlerischer 147 Schöpfungen vor Nachahmung ermöglichen es ihren Inhabern, Dritte von der Verwertung der geschützten Erzeugnisse oder Verfahren auszuschließen. Solche Ausschließlichkeitsrechte scheinen zunächst im Widerspruch zu den Vorschriften zum Schutz der Wettbewerbsfreiheit zu stehen. Tatsächlich beinhalten sie keine Wettbewerbsbeschränkung. Das immaterielle Ausschließlichkeitsrecht ermöglicht es seinem Inhaber nur, anderen Unternehmen Wettbewerbshandlungen zu verbieten, wie etwa das Eigentumsrecht seinen Inhaber befugt, anderen zu unter155
§ 3 KartGGugerbauer sagen, mit seinem Eigentum Handel zu treiben. Wissen und Information werden durch das Schutzrecht zur handels- und wettbewerbsfähigen Ware. Wettbewerbsbeschränkungen, die sich nicht aus dem Schutzzweck selbst, sondern erst aus dem wettbewerblichen Umgang mit demselben ergeben, unterliegen der kartellrechtlichen Kontrolle (vgl Jestaedt in Langen/Bunte, Nach Art 101 AEUV Rn 1234). 148 Durch die „Verordnung (EU) Nr 316/2014 der Europäischen Kommission vom 21. März 2014 über die Anwendung von Art 101 Abs 3 AEUV auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen“ (TTGVO), ABl 2014 L 93/17, werden Gruppen von TechnologietransferVereinbarungen erfasst, die in der Regel die Voraussetzungen von Art 101 Abs 3 AUEV (bzw § 2 Abs 1 KartG) für eine Freistellung vom Kartellverbot erfüllen. Die Verordnung soll den Wettbewerb wirksam schützen, die Einhaltung des rechtlichen Rahmens vereinfachen und den Unternehmern angemessene Rechtssicherheit bieten (ErwGr 3). Grundsätze für die Beurteilung von Technologietransfer-Vereinbarungen werden von der Europäischen Kommission in den „Leitlinien zur Anwendung von Art 101 AEUV auf Technologietransfer-Vereinbarungen“, ABl 2014 C 89/3, dargelegt. 149 Gegenstand von Technologietransfer-Vereinbarungen ist die Einräumung von Technologierechten in Form von Lizenzen. Solche Vereinbarungen steigern in der Regel die Effizienz von Unternehmen und fördern den Wettbewerb, da sie parallelen Forschungs- und Entwicklungsaufwand reduzieren, den Anreiz zur Aufnahme von Forschungsund Entwicklungsarbeiten stärken, Anschlussinnovationen fördern, die Verbreitung der Technologie erleichtern und den Wettbewerb auf den Produktmärkten beleben können (ErwGr 4). 150 Unter „Technologierechten“ sind Know-how, Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Topografien von Halbleiterprodukten, ergänzende Schutzzertifikate für Arzneimittel oder andere Produkte, für die solche ergänzende Schutzzertifikate vergeben werden können, Sortenschutzrechte und Software-Urheberrechte, sowie Kombinationen aus diesen Rechten, einschließlich Anträgen auf Gewährung bzw auf Registrierung dieser Rechte, zu verstehen (TT-GVO, Art 1 Abs 1 lit b). Unter „Know-how“ ist die Gesamtheit praktischer Kenntnisse zu verstehen, die durch Versuche und Erfahrungen gewonnen werden und die erstens geheim, das heißt nicht allgemein bekannt und nicht leicht zugänglich sind, zweitens wesentlich, das heißt für die Herstellung be156
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stimmter Produkte von Bedeutung und nützlich sind, und drittens identifiziert sind, das heißt umfassend genug beschrieben sind, so dass überprüft werden kann, ob die Merkmale „geheim“ und „wesentlich“ erfüllt sind (TT-GVO, Art 1 Abs 1 lit i). Markenlizenzen können in den Anwendungsbereich der GVO fallen, wenn sie von dieser Verordnung erfasste Verträge lediglich ergänzen (vgl Jestaedt, aaO Rn 1248). Im Zusammenhang mit Technologie-Transfer sind unter „selektiven 151 Vertriebssystemen“ solche Vertriebssysteme zu verstehen, bei denen sich der Lizenzgeber verpflichtet, Lizenzen für die Produktion der Vertragsprodukte unmittelbar oder mittelbar nur Lizenznehmern zu erteilen, die anhand festgelegter Kriterien ausgewählt werden, und bei denen sich diese Lizenznehmer verpflichten, die Vertragsprodukte nicht an Händler zu verkaufen, die in dem vom Lizenzgeber in Bezug auf dieses System vorbehaltenen Gebiet nicht zum Vertrieb zugelassen sind (TT-GVO, Art 1 Abs 1 lit o). Bei einer „Exklusivlizenz“ handelt es sich um eine an einen einzigen Lizenznehmer vergebene Lizenz, der Lizenzgeber darf die lizenzierten Technologierechte weder selbst nutzen noch an Dritte vergeben (aaO, lit p). Die Verordnung soll für Technologietransfer-Vereinbarungen zwischen 152 einem Lizenzgeber und einem Lizenznehmer auch dann gelten, wenn solche Vereinbarungen Bedingungen für mehr als eine Handelsstufe enthalten. Wenn etwa der Lizenznehmer verpflichtet wird, ein spezielles Vertriebssystem einzurichten, und wenn ihm vorgegeben wird, welche Verpflichtungen er den Wiederverkäufern der in Lizenz hergestellten Produkte auferlegen muss oder kann. Solche Beschränkungen und Verpflichtungen müssen jedoch mit den für Liefer- und Vertriebsvereinbarungen geltenden Wettbewerbsregeln der Verordnung (EU) Nr 330/2010 der Europäischen Kommission vereinbar sein. Liefer- und Vertriebsvereinbarungen zwischen einem Lizenznehmer und Kunden, die seine Vertragsprodukte kaufen, werden dagegen von der TT-GVO nicht erfasst (ErwGr 6). Die Verordnung zielt auf Vereinbarungen ab, mit denen der Lizenzge- 153 ber dem Lizenznehmer und/oder einem oder mehreren seiner Zulieferer erlaubt, die lizenzierten Technologierechte – gegebenenfalls nach weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Lizenznehmers und/oder seines Zulieferers bzw seiner Zulieferer – zur Produktion von Waren oder Dienstleistungen zu nutzen. Sie gilt nicht für die Lizenzvergabe im Zusammenhang mit Forschungs- und Entwicklungsverein157
§ 3 KartGGugerbauer barungen, die unter die Verordnung (EU) Nr 1217/2010 der Europäischen Kommission fallen, und die Lizenzvergabe im Zusammenhang mit Spezialisierungsvereinbarungen, die unter die Verordnung (EU) Nr 1218/2010 der Europäischen Kommission fallen. Die Verordnung gilt darüber hinaus nicht für Vereinbarungen zur reinen Vervielfältigung und zum reinen Vertrieb urheberrechtlich geschützter Softwareprodukte, da derartige Vereinbarungen nicht die Vergabe von Technologielizenzen zu Produktionszwecken zum Gegenstand haben, sondern eher mit Vertriebsvereinbarungen vergleichbar sind. Ferner gilt die Verordnung weder für Vereinbarungen zur Errichtung von Technologiepools, das heißt Vereinbarungen über die Zusammenführung von Technologien mit dem Ziel, diese Dritten zur Nutzung anzubieten, noch für Vereinbarungen, in deren Rahmen diesen Dritten Lizenzen für die zusammengeführten Technologien erteilt werden (ErwGr 7). 154 Die in dieser Verordnung geregelte Gruppenfreistellung gilt nur für Vereinbarungen, von denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass sie die Voraussetzungen von § 2 Abs 1 (Art 1 101 Abs 3 AEUV) erfüllen. Damit die Vorteile des Technologietransfers genutzt und die damit verbundene Ziele erreicht werden können, gilt die Verordnung nicht nur für den Technologietransfer als solchen, sondern auch für andere in Technologietransfer-Vereinbarungen enthaltene Bestimmung, soweit diese Bestimmungen unmittelbar mit der Produktion oder dem Verkauf von Vertragsprodukten verbunden sind (vgl ErwGr 9). 155 Bei der individuellen Beurteilung von Vereinbarungen nach § 1 Abs 1 (Art 101 Abs 1) sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere die Struktur und Dynamik der relevanten Technologie- und Produktmärkte (ErwGr 8). Die Wahrscheinlichkeit, dass die effizienzsteigernden und wettbewerbsfördernden Wirkungen die wettbewerbsschädigenden Wirkungen überwiegen, die von Beschränkungen in Technologietransfer-Vereinbarungen verursacht werden, hängt von der Marktmacht der beteiligten Unternehmen und somit von dem Ausmaß ab, in dem diese Unternehmen dem Wettbewerb anderer Unternehmen, die über Ersatztechnologien verfügen oder Ersatzprodukte herstellen, ausgesetzt sind (ErwGr 5). 156 Bei Technologietransfer-Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern kann davon ausgegangen werden, dass sie im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemesse158
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nen Beteiligung der Verbraucher an den daraus resultierenden Vorteilen führen, wenn der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf den relevanten Märkten 20% nicht überschreitet und die Vereinbarungen keine stark wettbewerbsschädigenden Beschränkungen enthalten (ErwGr 10). Bei Technologietransfer-Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern kann davon ausgegangen werden, dass sie im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs und zu einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher an den daraus resultierenden Vorteilen führen, wenn der individuelle Marktanteil der beteiligten Unternehmer auf den relevanten Märkten 30% nicht überschreitet und die Vereinbarungen keine stark wettbewerbsbeschädigenden Beschränkungen enthalten (ErwGr 11). Wird die anwendbare Marktanteilsschwelle auf einem oder mehreren 157 Produkt- oder Technologiemärkten überschritten, gilt die Gruppenfreistellung für die Vereinbarung in Bezug auf die betreffenden relevanten Märkte nicht (ErwGr 12). Deswegen kann aber noch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Technologietransfer-Vereinbarungen unter § 1 Abs 1 (Art 101 Abs1 AEUV) fallen. Eine Vereinbarung zwischen nichtkonkurrierenden Unternehmern über die Vergabe einer Exklusivlizenz fällt beispielsweise häufig nicht unter § 1 Abs 1. Bei unter § 1 Abs 1 fallenden Technologietransfer-Vereinbarungen oberhalb der Marktanteilsschwellen kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie in der Regel objektive Vorteile mit sich bringen, die nach Art und Umfang geeignet sind, die durch sie verursachten Wettbewerbsbeeinträchtigungen auszugleichen (vgl ErwGr 13). Die TT-Verordnung stellt keine Technologietransfer-Vereinbarungen 158 frei, die Beschränkungen enthalten, die für die Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs nicht unerlässlich sind. Insbesondere Technologietransfer-Vereinbarungen, die stark wettbewerbsschädigende Beschränkungen enthalten, wie die Festsetzung von Preisen gegenüber Dritten, werden ungeachtet des Marktanteils der beteiligten Unternehmen von dem Vorteil der Gruppenfreistellung nach dieser Verordnung ausgenommen. Bei diesen Kernbeschränkungen wird die gesamte Vereinbarung vom Vorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen (ErwGr 14). Handelt es sich bei den Vertragsparteien um konkurrierende Unterneh- 159 men, gilt die Freistellung vom Kartellverbot (TT-GVO, Art 2) nicht für 159
§ 3 KartGGugerbauer Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen, die der Kontrolle der Parteien unterliegen, (a) die Beschränkung der Möglichkeit einer Partei, den Preis, zu dem sie ihre Produkte an Dritte verkauft, selbst festzusetzen; (b) die Beschränkung des Outputs mit Ausnahme von Output-Beschränkungen, die dem Lizenznehmer in einer nicht wechselseitigen Vereinbarung oder nur einem Lizenznehmer in einer wechselseitigen Vereinbarung in Bezug auf die Vertragsprodukte auferlegt werden; (c) die Zuweisung von Märkten oder Kunden mit Ausnahme (i) der dem Lizenzgeber und/oder dem Lizenznehmer in einer nicht wechselseitigen Vereinbarung auferlegten Verpflichtung, mit den lizenzierten Technologierechten in dem Exklusivgebiet, das der anderen Partei vorbehalten ist, nicht zu produzieren und/oder in das Exklusivgebiet oder an die der anderen Partei vorbehaltene Exklusivkundengruppe nicht aktiv und/oder passiv zu verkaufen; (ii) der in einer nicht wechselseitigen Vereinbarung dem Lizenznehmer auferlegten Beschränkung des aktiven Verkaufs in das Exklusivgebiet oder an die Exklusivkundengruppe, das bzw die vom Lizenzgeber einem anderen Lizenznehmer zugewiesen worden ist, sofern es sich bei Letzterem nicht um ein Unternehmen handelt, das zum Zeitpunkt seiner eigenen Lizenzerteilung in Konkurrenz zum Lizenzgeber stand; (iii) der dem Lizenznehmer auferlegten Verpflichtung, die Vertragsprodukte nur für den Eigenbedarf zu produzieren, sofern er keiner Beschränkung in Bezug auf den aktiven und passiven Verkauf der Vertragsprodukte als Ersatzteile für seine eigenen Produkte unterliegt; (iv) der dem Lizenznehmer in einer nicht wechselseitigen Vereinbarung auferlegten Verpflichtung, die Vertragsprodukte nur für einen bestimmten Kunden zu produzieren, wenn die Lizenz erteilt worden ist, um diesem Kunden eine alternative Bezugsquelle zu verschaffen; (d) die Beschränkung der Möglichkeit des Lizenznehmers, seine eigenen Technologierechte zu verwerten, oder die Beschränkung der Möglichkeit der Vertragsparteien, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchzuführen, es sei denn, letztere Beschränkungen sind unerlässlich, um die Preisgabe des lizenzierten Know-hows an Dritte zu verhindern, bezwecken (Kernbeschränkungen für konkurrierende Unternehmen, vgl TT-GVO, Art 4 Abs 1). 160 Handelt es sich bei den Vertragsparteien um nicht konkurrierende Unternehmen, so gilt die Freistellung nach Art 2 nicht für Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen, die der Kontrolle der Parteien unterliegen, (a) die 160
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Beschränkung der Möglichkeit einer Partei, den Preis, zu dem sie ihre Produkte an Dritte verkauft, selbst festzusetzen; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, Höchstverkaufspreise festzusetzen oder Preisempfehlungen auszusprechen, sofern sich diese nicht in Folge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eine der Vertragsparteien tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken; (b) die Beschränkung des Gebiets oder des Kundenkreises, in das bzw an den der Lizenznehmer Vertragsprodukte passiv verkaufen darf, mit Ausnahme (i) der Beschränkung des passiven Verkaufs in ein Exklusivgebiet oder an eine Exklusivkundengruppe, das bzw die dem Lizenzgeber vorbehalten ist, (ii) der dem Lizenznehmer auferlegten Verpflichtung, die Vertragsprodukte nur für den Eigenbedarf zu produzieren, sofern er keiner Beschränkung in Bezug auf den aktiven und passiven Verkauf der Vertragsprodukte als Ersatzteile für seine eigenen Produkte unterliegt, (iii) der Verpflichtung, die Vertragsprodukte nur für einen bestimmten Kunden zu produzieren, wenn die Lizenz erteilt worden ist, um diesem Kunden eine alternative Bezugsquelle zu verschaffen (iv) der Beschränkung des Verkaufs an Endverbraucher durch Lizenznehmer, die auf der Großhandelsebene tätig sind, (v) der Beschränkung des Verkaufs an nichtzugelassene Händler, die Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegt wird; (c) die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher, sofern diese Beschränkung einem Lizenznehmer auferlegt wird, der einem selektiven Vertriebssystem angehört und auf der Einzelhandelsebene tätig ist; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, Mitgliedern des Systems zu verbieten, Geschäfte von nichtzugelassenen Niederlassungen aus zu betreiben, bezwecken (TT-GVO, Art 4 Abs 2). Sind die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinba- 161 rung keine konkurrierenden Unternehmer, treten aber später miteinander in Wettbewerb, ist Abs 2 an Stelle von Abs 1 der TT-GVO während der gesamten Geltungsdauer der Vereinbarung anwendbar, sofern die Vereinbarung später nicht wesentlich geändert wird. Eine solche Änderung liegt beispielsweise vor, wenn die Parteien eine neue Technologietransfer-Vereinbarung in Bezug auf konkurrierende Technologierechte schließen (Art 4 Abs 3). Um Innovationsanreize zu wahren und eine angemessene Anwendung 162 der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, werden bestimmte Beschränkungen von der Gruppenfreistellung ausgenommen. Dies gilt vor allem für bestimmte Rücklizenz-Verpflichtungen und Nichtan161
§ 3 KartGGugerbauer griffsklauseln. Sind solche Beschränkungen in einer Lizenzvereinbarung enthalten, wird nur die betreffende Beschränkung vom Vorteil der Gruppenfreistellung ausgeschlossen (ErwGr 15). 163 Die Freistellung vom Kartellverbot nach Art 2 der TT-GVO gilt nicht für (a) alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen des Lizenznehmers, dem Lizenzgeber oder einem vom Lizenzgeber benannten Dritten für eigene Verbesserungen an der lizenzierten Technologie oder eigene neue Anwendungen dieser Technologie eine Exklusivlizenz oder Gesamt- bzw Teilrechte zu gewähren; (b) alle einer Partei auferlegten unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen, die Gültigkeit der Rechte des geistigen Eigentums, über die die andere Partei in der Union verfügt, nicht anzufechten, unbeschadet der Möglichkeit, bei einer Exklusivlizenz die Beendigung der Technologietransfer-Vereinbarung für den Fall vorzusehen, dass der Lizenznehmer die Gültigkeit eines oder mehrerer der lizenzierten Technologierechte anficht. Handelt es sich bei den Vertragsparteien nicht um konkurrierende Unternehmen, so gilt die Freistellung nach Art 2 TT-GVO nicht für unmittelbare oder mittelbare Verpflichtungen, die die Möglichkeit des Lizenznehmers, seine eigenen Technologierechte zu verwerten, oder die Möglichkeit einer der Vertragsparteien, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchzuführen, beschränken, es sei denn, letztere Beschränkung ist unerlässlich, um die Preisgabe des lizenzierten Know-hows an Dritte zu verhindern (TT-GVO, Art 5). 164 Die Marktanteilsschwellen und der Ausschluss von Technologietransfer-Vereinbarungen, welche stark wettbewerbsschädigende Beschränkungen enthalten, von der Gruppenfreistellung, dürften im Allgemeinen sicherstellen, dass Vereinbarungen, auf die die Gruppenfreistellung Anwendung findet, den beteiligten Unternehmern nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Produkte den Wettbewerb auszuschalten (ErwGr 16). 165 Das OLG Wien als KartGer kann nach Art 29 Abs 2 VO (EG) Nr 1/2003 des Rates den Rechtsvorteil der TT-GVO für das Bundesgebiet oder ein Teilgebiet der Republik Österreich entziehen, wenn dieses Gebiet alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist, und wenn in einem bestimmten Fall festgestellt wird, dass eine nach der TT-GVO vom Kartellverbot freigestellte Vereinbarung in diesem Gebiet Wirkungen hat, die mit § 2 Abs 1 (Art 101 Abs 3 AEUV) unvereinbar sind. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn Innovati162
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onsanreize eingeschränkt werden oder der Marktzugang erschwert wird (ErwGr 17 f).
D. Die Spezialisierungs-GVO Nach Art 2 Abs 1 der „Verordnung (EU) 1218/2010 der Europäischen 166 Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Art 101 Abs 3 AEUV auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen“, ABl 2010 L 335/43, werden bestimmte Spezialisierungsvereinbarungen vom Verbot des Art 101 Abs 1 AEUV (§ 1 Abs 1) freigestellt. Die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Anwendbarkeit von Art 101 AEUV für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl 2011 C 11) können helfen, im Einzelfall festzustellen, ob eine Vereinbarung mit Art 101 AEUV (bzw § 1 KartG) vereinbar ist. Im Rahmen von Spezialisierungsvereinbarungen verpflichten sich die 167 beteiligten Unternehmen, typischerweise solche auf der gleichen Wirtschaftsstufe, zugunsten der jeweils anderen Partei(en) auf die Produktion bestimmter Waren zu verzichten, bzw diese Produkte ausschließlich von den anderen Parteien zu beziehen, die sich wiederum verpflichten, ihre Vertragspartner mit den von ihnen hergestellten spezialisierten Erzeugnissen zu beliefern (vgl Ellger in Immenga/Mestmäcker, Art 101 Abs 3 AEUV, Rn 150). Die Spezialisierungs-GVO nimmt also (auch) Vereinbarungen über die 168 gemeinsame Produktion, worunter nach der Verordnung auch die Erbringung von Dienstleistungen zu verstehen ist, vom Kartellverbot aus. Eine gemeinsame Produktion erfolgt in der Regel im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens. Möglich ist aber auch die Produktion bei einem der beteiligten Unternehmen oder die gemeinsame Beauftragung eines dritten Unternehmens. Gem Art 2 Abs 1 sind Vereinbarungen, die eine Spezialisierung (dh einseitige Spezialisierung, gegenseitige Spezialisierung oder gemeinsame Produktion) unmittelbar bewirken, freigestellt. Anders als die Vertikal-GVO folgt die Spezialisierungs-GVO nicht dem Grundsatz, dass alles gestattet (freigestellt) ist, was nicht ausdrücklich von der Freistellung ausgeschlossen ist. Von der Freistellung ist nur erfasst, was in Art 2 ausdrücklich angeführt ist. Ein- und zweiseitige Spezialkooperationen werden wegen der erwarte- 169 ten Effizienzvorteile durch die Spezialisierungs-GVO in weitem Umfang vom Kartellverbot freigestellt. Dies selbst dann, wenn die Spezia163
§ 3 KartGGugerbauer lisierung mit Alleinbelieferungs- und/oder Alleinbezugsverpflichtungen und Abreden über den gemeinsamen Vertrieb oder die Einschaltung eines Vertriebshändlers (mit oder ohne Ausschließlichkeitsbindung) einhergeht. Das Überschreiten einer Marktanteilsschwelle (von 20%) oder die Verletzung einer Kernbeschränkung (Festsetzung der Preise für den Absatz an Dritte, Produktions- oder Absatzbeschränkung und Aufteilung von Märkten oder Abnehmerkreisen), führt zum Ausschluss von der Ausnehmung. 170 Vereinbarungen (über Forschung und Entwicklung, gemeinsame Produktion oder sonstige Spezialisierung) führen dann nicht zu einer Verbesserung der Warenerzeugung iSv § 2 Abs 1, wenn in ihnen schwere Wettbewerbsbeschränkungen enthalten sind. Art 4 der Verordnung (EU) Nr 1218/2010 der Europäischen Kommission über Spezialisierungsvereinbarungen listet Kernbeschränkungen auf, die dazu führen, dass eine Spezialisierungsvereinbarung von der Gruppenfreistellung ausgenommen wird, in der Regel ist dann auch keine Einzelfreistellung iSv § 2 Abs1 zulässig.
E. Die F&E-GVO 171 Die „Verordnung (EU) Nr 1217/2010 der Europäischen Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Art 101 Abs 3 AEUV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung“ (F&E-GVO), ABl 2010 L 335/18, sieht eine Freistellung für Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen vor, deren Bestimmungen sich auf die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums oder die Erteilung diesbezüglicher Lizenzen für die Durchführung der gemeinsamen Forschung und Entwicklung, der Auftragsforschung und -entwicklung oder der gemeinsamen Verwertung beziehen, sofern diese Bestimmungen nicht Hauptgegenstand solcher Vereinbarungen sind, sich aber unmittelbar auf deren Umsetzung beziehen und dafür erforderlich sind. Die Gruppenfreistellung gilt auch für die im Rahmen dieser Verordnung durchgeführte gemeinsame Verwertung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse durch die Parteien. 172 Die Gruppenfreistellung wird wirksam, wenn in einer Vereinbarung festgelegt ist, dass alle Parteien für die Zwecke weiterer Forschung und Entwicklung und Verwertung uneingeschränkten Zugang zu den Endergebnissen der Forschung und Entwicklung einschließlich daraus er164
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wachsender Rechte des geistigen Eigentums und daraus erwachsenden Know-hows haben. Sind in der Vereinbarung nur gemeinsame Forschung und Entwicklung oder Auftragsforschung und -entwicklung vorgesehen, so muss jede Partei Zugang zum vorhandenen Know-how der anderen Partei haben, sofern dieses Know-how für die Verwertung der Ergebnisse unerlässlich ist. Für diesen Austausch vorhandenen Know-hows kann eine Vergütung bezahlt werden, die jedoch nicht so hoch sein darf, dass sie diesen Zugang praktisch verhindern würde. Die gemeinsame Verwertung darf nur Ergebnisse betreffen, die durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt sind oder Know-how darstellen und für die Herstellung der Vertragsprodukte oder die Anwendung der Vertragstechnologien unerlässlich sind. Sind die Parteien einer F&E-Vereinbarung keine Wettbewerber, gilt die 173 Freistellung nach dieser Verordnung für die Dauer der Forschung und Entwicklung. Werden die Ergebnisse gemeinsam verwertet, gilt die Freistellung weitere sieben Jahre ab dem Tag des ersten Inverkehrbringens der Vertragsprodukte oder Vertragstechnologie im Binnenmarkt. Sind die Parteien dagegen Wettbewerber, gilt die Freistellung nur, wenn im Falle einer Vereinbarung über die gemeinsame Forschung und Entwicklung der gemeinsame Anteil der Parteien an den relevanten Produkt- oder Technologiemärkten zum Zeitpunkt des Abschlusses der F&E-Vereinbarung höchstens 25% beträgt, oder wenn im Falle einer Vereinbarung über Auftragsforschung und -entwicklung der gemeinsame Marktanteil der finanzierenden Partei und aller Parteien, mit denen die finanzierende Partei F&E-Vereinbarungen über dieselben Vertragsprodukte oder Vertragstechnologien geschlossen hat, auf den relevanten Produkt- und Technologiemärkten zum Zeitpunkt des Abschlusses der F&E-Vereinbarung höchstens 25% beträgt. Nach Ablauf des Zeitraums von sieben Jahren gilt die Freistellung solange weiter, solange der gemeinsame Anteil der Partei auf den relevanten Märkten 25% nicht überschreitet (vgl Art 4). Die Gruppenfreistellung gilt nicht für F&E-Vereinbarungen, die un- 174 mittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen, auf die die Parteien Einfluss haben, (i) die Beschränkung der Freiheit der Parteien, Forschung und Entwicklung in einem Bereich, der mit dem Bereich der F&E-Vereinbarung nicht zusammenhängt, zu betreiben; (i) die Beschränkung der Freiheit der Parteien, nach Abschluss der Forschung und Entwicklung gemäß der betreffenden F&E-Vereinbarung in einem damit zusammenhängenden Bereich 165
§ 3 KartGGugerbauer Forschung und Entwicklung zu betreiben; (iii) die Beschränkung von Produktion oder Absatz, wobei jedoch bestimmte Ausnahmen bestehen, verfolgen. 175 Die Freistellung gilt nicht für Verpflichtungen (Vertragsklauseln) in F&E-Vereinbarungen, nach Abschluss der Forschung du Entwicklung die Gültigkeit von Rechten des geistigen Eigentums nicht anzufechten, bzw Dritten keine Lizenzen für die Herstellung der Vertragsprodukte oder für die Anwendung der Vertragstechnologien zu erteilen, sofern nicht die Verwertung der Ergebnisse durch mindestens eine der Parteien in der Vereinbarung vorgesehen ist und im Binnenmarkt gegenüber Dritten erfolgt.
F. Die Versicherungssektor-GVO 176 Durch die „Verordnung (EU) Nr 267/2010 der Europäischen Kommission vom 24. März 2010 über die Anwendung von Art 101 Abs 3 AEUV auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor“ (VersicherungssektorGVO), ABl 2010 L 83/1, soll im Bereich der Versicherungswirtschaft ein effektiver Schutz des Wettbewerbs gewährleistet und, gleichzeitig für die Versicherungsunternehmen ausreichende Rechtssicherheit geschaffen werden. Das Hauptaugenmerk wird auf die Festlegung von Gruppen von Vereinbarungen gerichtet, die bis zu einem bestimmten Marktanteil vom Kartellverbot freizustellen sind, sowie auf die Beschränkungen oder Bestimmungen, die in solchen Vereinbarungen nicht enthalten sein dürfen (ErwGr 7). Mit Veinbarungen sind Vereinbarungen im Wortsinn, aber auch Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen gemeint, die im Versicherungssektor die Erstellung gemeinsamer, auf gegenseitig abgestimmten Statistiken oder auf dem Schadensverlauf beruhender Risikoprämientarife, die Erstellung von Mustern für allgemeine Versicherungsbedingungen, die gemeinsame Deckung bestimmter Arten von Risiken, die Abwicklung von Schadensfällen, die Prüfung und Anerkennung von Sicherheitsvorkehrungen, oder die Erstellung von Verzeichnissen und den Austausch von Informationen über erhöhte Risiken bezwecken (ErwGr 1). 177 Die Gruppenfreistellung wird auf solche Vereinbarungen beschränkt, von denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass sie die Voraussetzungen von § 2 Abs 1 erfüllen. Es wird aber nicht 166
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vermutet, dass Vereinbarungen, die die Voraussetzungen der Versicherungs-GVO nicht erfüllen, automatisch unter § 1 Abs 1 fallen oder die Voraussetzungen von § 2 Abs 1 nicht erfüllen. Bei der individuellen Beurteilung von Vereinbarungen nach Art § 1 Abs 1 ist insbesondere die Struktur des relevanten Marktes zu berücksichtigen (vgl ErwGr 8). Die Zusammenarbeit von Versicherungsunternehmen untereinander 178 oder innerhalb von Unternehmensvereinigungen bei der Datenerhebung (die auch statistische Berechnungen einschließen kann) zur Ermittlung von Durchschnittkosten, die in der Vergangenheit für die Deckung eines genau beschriebenen Risikos entstanden sind, und – im Falle von Lebensversicherungen – die Zusammenarbeit bei der Aufstellung von Sterbetafeln und Tafeln über die Häufigkeit von Krankheiten, Unfällen und Invalidität („Tabellen“), verbessern die Kenntnis von Risiken und erleichtern es dem einzelnen Versicherer, die Risiken zu bewerten. Dies wiederum kann Markteintritte erleichtern und damit nutzbringend für die Verbraucher sein. Das Gleiche gilt für gemeinsame Studien über die wahrscheinlichen Auswirkungen von außerhalb des Einflussbereichs der Unternehmen liegenden Umständen, die sich auf die Häufigkeit oder das Ausmaß von Schäden oder den Ertrag verschiedener Anlagenformen auswirken. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass diese Zusammenarbeit nur in dem zur Erreichung der genannten Ziele erforderlichen Umfang freigestellt wird. Deshalb ist insbesondere festzulegen, dass Vereinbarungen über Bruttoprämien nicht unter die Freistellung fallen. Bruttoprämien könne niedriger sein als die in den genannten Erhebungen, Tabellen und Studienergebnissen ermittelten Beträge, da die Versicherungsunternehmen ihre Anlageerlöse zur Reduzierung ihrer Prämien verwenden können. Außerdem sollten die Erhebungen, Tafeln und Studien unverbindlich sein und lediglich zu Referenzzwecken eingesetzt werden. Ein Informationsaustausch, der nicht der Erreichung der in diesem Erwägungsgrund beschriebenen Ziele dient, fällt nicht unter diese GVO (ErwGr 9). Je enger die Kategorien für Statistiken über die in der Vergangenheit 179 entstandenen Kosten für die Deckung eines genau beschriebenen Risikos gefasst werden, umso mehr Spielraum haben die Versicherungsunternehmen, wenn sie bei der Berechnung der Bruttoprämien eine Staffelung vornehmen wollen. Die gemeinsamen Erhebungen über vergangene Risikokosten werden daher unter der Voraussetzung freigestellt, dass die Statistiken so ausführlich und differenziert werden, wie es versicherungsstatistisch angemessen ist (ErwGr 10). 167
§ 3 KartGGugerbauer 180 Nicht nur die auf dem jeweiligen räumlichen oder sachlichen Markt tätigen Versicherungsunternehmen, sondern auch potenzielle Neuanbieter müssen Zugang zu den gemeinsamen Erhebungen, Tabellen und Studienergebnissen haben. Auch für Verbraucher- und Kundenorganisationen können derartige Erhebungen, Tabellen und Studienergebnisse von Interesse sein. Versicherungsunternehmen, die noch nicht auf dem fraglichen Markt vertreten sind, wie auch Verbraucher- und Kundenorganisationen, müssen verglichen mit dem bereits auf dem Markt vertretenen Versicherungsunternehmen zu angemessenen und diskriminierungsfreien Konditionen und zu erschwinglichen Preisen Zugang zu diesen Erhebungen, Tabellen und Studienergebnissen erhalten. Zu solchen Konditionen gehört beispielsweise die Selbstverpflichtung eines noch nicht auf den Markt getretenen Versicherungsunternehmens, im Falle eines Markteintritts statistische Informationen über Schadensfälle vorzulegen, sowie unter Umständen die Mitgliedschaft in dem für die Erstellung der Erhebungen verantwortlichen Versicherungsverband. Ausnahmen von dem Gebot des Zugangs für Verbraucher- und Kundenorganisationen sollten aus Gründen der öffentlichen Sicherheit möglich sein, wenn die Daten beispielsweise die Sicherheitssysteme von Kernkraftwerken oder die Schwachstellen von Hochwasserschutzsystemen betreffen (ErwGr 11). 181 Mitversicherungs- und Mit-Rückversicherungsgemeinschaften können unter eng begrenzten Voraussetzungen erforderlich werden, wenn die beteiligten Unternehmen die Versicherung oder Rückversicherung von Risiken anbieten wollen, für die sie ohne die Versicherungsgemeinschaft nur eine unzureichende Versicherungsdeckung anbieten könnten. Diese Art von Gemeinschaften führt im Allgemeinen nicht zu einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 1 Abs 1 und ist demnach zulässig (vgl ErwGr 13). 182 Nach Art 29 Abs 2 VO (EG) Nr 1/2003 kann das OLG Wien als KartGer den Rechtsvorteil dieser Verordnung im gesamten Bundesgebiet oder in einem Teilgebiet der Republik Österreich entziehen, wenn in einem bestimmten Fall eine Vereinbarung, die nach dieser Verordnung freigestellt ist, in diesem Gebiet, wenn es alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist, Auswirkungen hat, die mit Art 101 Abs 3 AEUV (§ 2 Abs 1 KartG) unvereinbar sind. Dabei sind etwaige wettbewerbsschädigende Auswirkungen aufgrund von Verbindungen zwischen einer Mitversicherungs- oder Mit-Rückversicherungsgemeinschaft und/oder ihren beteiligten Unternehmern und anderen Versiche168
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rungsgemeinschaften und/oder deren beteiligten Unternehmern auf demselben relevanten Markt von besonderer Bedeutung (ErwGr 21 f). Die Gruppenfreistellung vom Kartellverbot gilt nicht für beteiligte Un- 183 ternehmen, die sich verpflichten oder es anderen Unternehmen auferlegen, keine anderen Erhebungen oder Tabellen als solche, die für die Berechnung von Durchschnittskosten für die Deckung eines genau beschriebenen Risikos in der Vergangenheit oder für die Erstellung von Sterbetafeln und Tafeln über die Häufigkeit von Krankheiten, Unfällen und Invalidität im Bereich der Versicherungen, die ein Kapitalisierungselement beinhalten, erforderlich sind, zu verwenden oder nicht von den Ergebnissen von Studien zu den wahrscheinlichen Auswirkungen allgemeiner Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs der betreffenden Unternehmen liegen, auf die Häufigkeit oder das Ausmaß von künftigen Forderungen bei einem bestimmten Risiko oder einem bestimmter Risikosparte oder auf den Ertrag verschiedener Anlageformen, abzuweichen.
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2. Abschnitt Marktbeherrschung Begriffsbestimmungen § 4. (1) Marktbeherrschend im Sinn dieses Bundesgesetzes ist ein Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager 1. keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder 2. eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmern, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken. (1a) Zwei oder mehr Unternehmer sind marktbeherrschend, wenn zwischen ihnen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. (2) Wenn ein Unternehmer als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt 1. einen Anteil von mindestens 30% hat oder 2. einen Anteil von mehr als 5% hat und dem Wettbewerb von höchstens zwei Unternehmern ausgesetzt ist oder 3. einen Anteil von mehr als 5% hat und zu den vier größten Unternehmern auf diesem Markt gehört, die zusammen einen Anteil von mindestens 80% haben, dann trifft ihn die Beweislast, dass die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen. (2a) Wenn eine Gesamtheit von Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt zusammen 1. einen Anteil von mindestens 50 % hat und aus drei oder weniger Unternehmern besteht oder 2. einen Anteil von mindestens zwei Dritteln hat und aus fünf oder weniger Unternehmern besteht, dann trifft die beteiligten Unternehmer die Beweislast, dass die Voraussetzungen nach Abs. 1a nicht bestehen. (3) Als marktbeherrschend gilt auch ein Unternehmer, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. 170
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Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Einführung............................................................................................ 1–4 II. Subjekt der Marktbeherrschung........................................................ 5–6 III. Relevanter Markt................................................................................. 7–22 A. Mehrseitige Märkte......................................................................... 8–22 IV. Beherrschungstatbestände.................................................................. 23–73 A. Kein Wettbewerb oder nur unwesentlicher Wettbewerb.......... 23–25 B. Überragende Marktstellung gegenüber Wettbewerbern.......... 26–32 C. Kollektive Marktbeherrschung (Oligopol)................................. 33–55 1. Fehlender Wettbewerb im Innenverhältnis............................ 35–45 2. Markttransparenz...................................................................... 46–48 3. Sanktionierungsmechanismus................................................. 49–52 4. Kein Wettbewerb durch Außenseiter...................................... 53–55 D. Anteilsindizierte Marktbeherrschungsvermutung................... 56–59 1. § 4 Abs 2 Z 1................................................................................. 57 2. § 4 Abs 2 Z 2................................................................................. 58 3. § 4 Abs 2 Z 3................................................................................. 59 E. Oligopolvermutung....................................................................... 60–64 F. Überragende Marktstellung gegenüber Abnehmern oder Lieferanten.............................................................................. 65–73
I. Einführung Der Gesetzgeber will Beschränkungen des Wettbewerbs die dadurch 1 entstehen, dass die Marktmacht einzelner Unternehmen den wirtschaftlichen Handlungsspielraum anderer Marktteilnehmer einengt, verhindern. Sowohl Abnehmer und Lieferanten (also Angehörige vorund nachgelagerter Wirtschaftsstufen), wie auch Wettbewerber (also Angehörige derselben Wirtschaftsstufe) sollen vor Behinderung und 171
§ 4 KartGGugerbauer Ausbeutung geschützt werden. Marktbeherrschung ist Voraussetzung für ein missbräuchliches Verhalten iSv § 5 (16 Ok 4/08). Soweit das Kartellrecht einem marktbeherrschenden Unternehmer nicht besondere Verhaltenspflichten auferlegt, steht diesem aber derselbe Verhaltensspielraum offen wie den übrigen Marktteilnehmern (4 Ob 23/08y). Die Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung durch „internes Unternehmenswachstum“ ist vom Gesetz ebensowenig verpönt wie die Behauptung dieser Stellung. Liegt kein missbräuchliches Verhalten vor, bedarf es gar nicht erst einer Prüfung, ob ein Unternehmen auf dem betroffenen Markt eine marktbeherrschende Stellung einnimmt (16 Ok 5/09). „Externes Unternehmenswachstum“, das durch einen Unternehmenszusammenschluss zu einer marktbeherrschenden Position führt, unterliegt aber beim Überschreiten bestimmter Umsatzschwellen und mangels ausreichender Rechtfertigungsgründe einem gesetzlichen Verbot: Nach § 12 Abs 1 Z 2 hat das Kartellgericht einen (anmeldebedürftigen, vgl § 9) Zusammenschluss (vgl § 7) zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss (vgl § 9) eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird (und nicht die Voraussetzungen des § 12 Abs 2 oder 3 gegeben sind). 2 Auf missbräuchliche Verhaltensweisen eines Marktbeherrschers, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, ist Art 102 AEUV anzuwenden. Das Kriterium der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten (Zwischenstaatlichkeitsklausel) wird weit ausgelegt: Art 102 AEUV kann auch in Fällen zur Anwendung kommen, in denen nur ein Teil eines EU-Mitgliedstaates betroffen ist (vgl Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrages, ABl C 2004/101, Rn 21). Gem Art 3 Abs 2 Satz 2 VO 1/2003 ist es den EU-Mitgliedstaaten nicht verwehrt, für Fälle mit Zwischenstaatlichkeits-Bezug strengere innerstaatliche Vorschriften (als Art 102 AEUV) zur Unterbindung oder Ahndung missbräuchliche Verhaltensweisen iSv Art 102 AEUV vorzusehen. So gehen die Marktbeherrschungsvermutungen des § 4 über die Regelung des Art 102 AEUV hinaus. 3 Der sachliche Anwendungsbereich des Marktbeherrschungstatbestandes wird durch in § 24 Abs 3 angeführten Bereichsausnahmen beschränkt: So findet § 4 keine Anwendung auf Sachverhalte, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der Aufsicht der Finanzmarktbehörde über Kreditinstitute, Bausparkassen oder private Versicherungsun172
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ternehmungen (ausgenommen Prämienbeträge des Unternehmenstarifs in der Kfz-Haftpflichtversicherung) oder des Bundesministers für Verkehr über Verkehrsunternehmen unterliegen. Andererseits spielt der Tatbestand der Marktbeherrschung in der Sektorengesetzgebung (Energie, Schiene, Telekommunikation, etc) eine wichtige Rolle. Zwischen dem KartG und dem sektorenspezifischen Telekommunika- 4 tionsrecht besteht gleichrangige Parallelität (16 Ok 11/04; 16 Ok 12/04). Ein Unternehmen gilt gem § 35 Abs 1 TKG 2003 als solches „mit beträchtlicher Marktmacht“, wenn es entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine wirtschaftlich Stellung einnimmt, die ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern zu verhalten. Gem § 35 Abs 2 TKG 2003 sind dabei vor allem folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Größe des Unternehmens, seine Größe im Verhältnis zu der des relevanten Marktes sowie die Veränderungen der relevanten Positionen der Marktteilnehmer im Zeitverlauf; die Höhe von Markteintrittsschranken sowie das daraus resultierende Ausmaß an potenziellem Wettbewerb; das Ausmaß der nachfrageseitigen Gegenmacht; das Ausmaß an Nachfrage- und Angebotselastizität; die jeweilige Marktphase; der technologiebedingte Vorsprung; allfällige Vorteile in der Verkaufsund Vertriebsorganisation; die Existenz von Skalenerträgen, Verbundund Dichtevorteilen; das Ausmaß vertikaler Integration; das Ausmaß der Produktdifferenzierung; der Zugang zu Finanzmitteln; die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur; das Verhalten am Markt im Allgemeinen wie etwa Preissetzung, Marketingpolitik, Bündelung von Produkten und Dienstleistungen oder Errichtung von Barrieren (vgl 6 Ok 11/04).
II. Subjekt der Marktbeherrschung Der kartellrechtliche Marktbeherrschungstatbestand zielt auf „Unter- 5 nehmer“ ab. Das KartG enthält keine Definition dieses Begriffs. Nach der Rsp ist unter Unternehmen jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit zu verstehen, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung. Tatbestandsmerkmal ist die privatwirtschaftliche Tätigkeit (16 Ok 4/12). Die Unternehmereigenschaft ist relativ im Hinblick auf eine konkrete Tätigkeit zu bestimmen. Ein Rechtssubjekt kann auch nur bezüglich eines Teils seiner Tätigkeit als Unternehmen gelten, soweit diese Tätigkeit als wirtschaftlich zu qualifizieren ist 173
§ 4 KartGGugerbauer (16 Ok 4/10). Der Begriff des Unternehmens ist damit weit auszulegen: Weder ist eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich, noch eine bestimmte Rechtsform maßgeblich. Neben Kapital- und Personengesellschaften des Handelsrechtes können auch natürliche Personen, Angehörige freier Berufe oder Vereine unternehmerisch tätig und dabei marktbeherrschend sein. Eine kontinuierliche Marktteilnahme ist nicht erforderlich, auch für den Einzelfall eigens gegründete Projektgemeinschaften können einen Markt beherrschen. Eine bloß abstrakte Möglichkeit zur aktiven Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ist jedoch nicht ausreichend: Potenzielles Unternehmen ist nur jenes, von dem zu erwarten ist dass es in absehbarer Zeit aktiver Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr wird (vgl 16 Ok 9/99). Stillgelegte Unternehmen behalten ihre Unternehmenseigenschaft, soweit eine Reaktivierung – durch die bisherigen oder auch neue Eigner – nicht unwahrscheinlich ist (16 Ok 6/10; SZ 2010/118). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat ebenso wenig wie die im Zuge eines Insolvenzverfahrens angeordnete Schließung eines Betriebes den Wegfall des Unternehmens zur Folge (16 Ok 6/10). 6 Unternehmen der öffentlichen Hand, die im Zusammenhang mit privatrechtlichen Aktivitäten keine Aufgaben der öffentlichen Hand wahrnehmen, werden wie private Rechtspersönlichkeiten tätig (RISJustiz RS0016751; 16 Ok 8/14h). Wenn ein Hoheitsträger aber im Rahmen eines gesetzlichen Auftrages vorgeht, wird er nicht „wirtschaftlich“ tätig und ist infolgedessen insoweit nicht als Unternehmer anzusehen (vgl EuGH 12.7.2012, Rs C-138/11; 16 Ok 4/12). Dabei kommt es darauf an, ob die Tätigkeit der öffentlichen Hand zumindest auch Interessen der Allgemeinheit wahrnimmt und nach Art, Gegenstand und den für sie geltenden Regeln mit der Ausübung von Vorrechten verknüpft ist, die typischerweise hoheitlicher Natur sind (16 Ok 4/10).
III. Relevanter Markt 7 Um beurteilen zu können, ob ein Unternehmer marktbeherrschend ist, ist zunächst ein relevanter Markt sowohl in sachlicher, wie in räumlicher, gegebenenfalls auch in zeitlicher Hinsicht abzugrenzen (16 Ok 1/12; 16 Ok 15/08; 16 Ok 6/08). Die Frage der Marktabgrenzung ist eine Tatfrage, soweit es um die Feststellung objektiv überprüfbarer Abgrenzungskriterien geht, sie ist eine Rechtsfrage, soweit es um eine 174
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Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode geht (16 Ok 14/08; 16 Ok 1/09; 16 Ok 8/10). Unterschiedliche Arten von Produkten, die für denselben Zweck verwendet werden, können einem Markt zugehören. So kann unterschiedliche Infrastruktur in der Telekommunikation für denselben Zweck verwendet werden, etwa für den Zugang zum Internet. Unterschiedliche Übertragungswege sind dann demselben Produktmarkt zuzurechnen, vor allem dann, wenn die Verbrauchervorstellungen von Leistung und Endzweck korrespondieren. So kann der Markt für den Breitband-Internetzugang von Privatkunden sowohl auf ADSL-Technologie, wie auch auf Kabel-Modem-Technologie aufbauende Angebote umfassen (EuG 30.1.2007, T-340/03, France Télécom SA/Kommission, Slg 2007, II-107 Rn 91, EuGH 2.4.2009, C-202/07 P). Bei der Abgrenzung des relevanten Marktes im Einzelhandel mit Neufahrzeugen kommt es maßgebend auf die Sicht der Marktgegenseite, also der Vertragshändler (einer bestimmten Marke) an, die ihren Bedarf nur bei einem Importeur (der jeweiligen Marke) decken kann, weil ein Markenwechsel mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Der relevante Markt ist somit auf Fahrzeuge der betreffenden Marke eingeschränkt. Der Alleinvertriebsberechtigte (der Produzent oder der von ihm bestellte General importeur) ist auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt, der Markt wird von ihm beherrscht (vgl BWB, Stellungnahme zum KfzSektor vom Herbst 2016, S 3 ff, http://www.info4you.co.at/news_ images/img13891_Stellungnahme%20BWB.pdf.pdf). Je größer ein Markt sowohl in sachlicher, wie auch in geografischer Hinsicht definiert wird, umso mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen in diesem größeren Markt nicht über eine beherrschende Stellung verfügt. Der räumliche Anwendungsbereich des Marktbeherrschungstatbestands bestimmt sich nach § 24 Abs 2. Maßgeblich ist, ob sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist (Auswirkungsprinzip). Dabei kann sich ein bestimmter Produktmarkt auf einzelne regionale oder lokale Teilmärkte beschränken (vgl 16 Ok 14/08), auf das gesamte Bundesgebiet oder auch auf einen anderen, nicht mit dem Inland begrenzten räumlich relevanten Markt beziehen, der räumlich relevante Markt kann auch über das Bundesgebiet hinausgehen (16 Ok 14/02). Es ist irrelevant, ob es sich um Verhaltensweisen von inländischen oder ausländischen Unternehmen handelt. Zur Marktdefinition und Marktabgrenzung vgl unten die Kommentierung zu § 21 KartG. 175
§ 4 KartGGugerbauer A. Mehrseitige Märkte 8 Auch unentgeltliche Austauschbeziehungen können einen kartellrechtlich relevanten Markt darstellen, auch bei der Erbringung unentgeltlicher Leistungen können Unternehmen eine starke Marktstellung erlangen. Dies gilt vor allem für zwei- oder mehrseitige Märkte, auf denen mindestens zwei unterschiedlichen Nutzergruppen Leistungen angeboten werden. Die wirtschaftliche Bedeutung mehrseitiger Märkte und Netzwerke hat deutlich zugenommen. Insbesondere Wettbewerbsvorteile von Unternehmen mit internetbasierten Geschäftsmodellen können auf speziellen Ressourcen und Fähigkeiten beruhen. 9 Zu den Charakteristika mehrseitiger Märkte zählen indirekte Netz werkeffekte, die Konzentrationstendenzen fördern und Preisstrategien beeinflussen können, wenn etwa Produkte für bestimmte Nutzergruppen zu Preisen unterhalb der von ihnen verursachten Kosten angeboten werden. Weitere Faktoren wie die Differenzierung auf einem Markt, zum Beispiel durch das Angebot unterschiedlicher Qualitätsniveaus der Plattformen, und das Verhalten der Nutzer, die mehrere verschiedene oder nur eine einzige Plattform nutzen können, sind für die Entwicklungen auf mehrseitigen Märkten von spezifischer Bedeutung (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 49). 10 Netzwerkeffekte (auch „Netzwerkexternalitäten“ oder „positive Skaleneffekte auf der Nachfrageseite“) bezeichnen Effekte, die zwischen verschiedenen Nutzern oder Nutzergruppen eines Produktes auftreten. Netzwerkeffekte sind positiv, wenn bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen der Nutzen für den einzelnen Teilnehmer mit wachsender Nutzerzahl steigt. Netzwerkeffekte sind negativ, wenn der Nutzen für den einzelnen Teilnehmer mit wachsender Nutzerzahl sinkt. Die wettbewerbliche Bedeutung von Netzwerkeffekten folgt insbesondere aus den Konzentrationstendenzen, die sie im Markt hervorrufen können (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 49). 11 Direkte Netzwerkeffekte bezeichnen die Relation zwischen dem Nutzen und der Anzahl der Nutzer eines Produkts oder einer Dienstleistung. Sie machen sich umso stärker bemerkbar, je größer die Nachfrage nach einem Netzwerk ist. Steigt der zusätzliche Nutzen jedes Nutzers mit der Gesamtgröße, sind sogar exponentielle Wachstumsraten die Folge. Auf Webseiten, bei denen es um die Vernetzung von Mitgliedern geht, treten beispielsweise direkte Netzwerkeffekte auf, die die weitere Entwicklung des Anbieters und seine Stellung im Markt beeinflussen. 176
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Während direkte Netzwerkeffekte zwischen Nutzern einer einheitlichen Gruppe auftreten, profitieren bei sogenannten indirekten Netzwerkeffekten verschiedene Nutzergruppen der angebotenen Vermittlungsleistung einer Plattform einseitig oder wechselseitig voneinander (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 49 f). Indirekte Netzwerkeffekte sind das wesentliche Merkmal von mehrsei- 12 tigen Märkten. Sie entstehen aus dem Umstand, dass mehrere, unterscheidbare Nachfragegruppen das Netzwerk nutzen. In der Regel profitiert jede Gruppe davon, dass die jeweils andere Gruppe die Plattform nutzt. Anders ausgedrückt gewinnen die Nutzer der einen Gruppe einen Zusatznutzen daraus, dass mehr Nutzer der anderen Nutzergruppe auf dem Netzwerk sind und die Plattform einsetzen. Beispielsweise steigt die Attraktivität eines Betriebssystems für die Endnutzer, wenn für das System viele Programme zur Verfügung stehen. Zugleich steigt die Attraktivität des Betriebssystems für Programmentwickler, wenn es von vielen Endnutzern und damit potentiellen Kunden genutzt wird. Für den Betreiber der Plattform und den Markterfolg seines Geschäftsmodells ist entscheidend, dass er alle Nutzergruppen dazu bewegt, die Plattform, Z B. das Betriebssystem, zu nutzen. Um dem Markt hinzuzutreten und erfolgreich sein zu können, muss der Plattformbetreiber eine ausreichende Anzahl an Nutzern in zwei verschiedenen Gruppen bzw auf verschiedenen Seiten erreichen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 50). Bei zunehmender Größe eines Netzwerks oder eines mehrseitigen 13 Dienstes wird der Netzwerkeffekt stärker und verstärkt sich gleichzeitig selbst (positives Feedback). In ihrer stärksten Form führen Netzwerkeffekte zu so genannten „Winner-takes-it-all-Märkten“, die zur Monopolbildung neigen. Die durch positive Effekte ausgelösten Monopolisierungstendenzen können so weit gehen, dass ein Netzwerk oder ein mehrseitiger Dienst, der eine bestimmte, kritische Anzahl an Nutzern gewinnt, immer weiter wächst, und anfangs noch konkurrierende Netzwerke massiv an Bedeutung verlieren. Der Markt kippt dann zugunsten eines Netzwerks oder Plattformanbieters (sog Tipping; vgl RV 9. GWB-Novelle, S 50). Netzwerkeffekte führen aber nicht zwangsläufig zur Monopolbildung 14 im Markt. Es gibt zahlreiche Beispiele von zweiseitigen Märkten, bei denen mehrere Plattformen langfristig nebeneinander existieren. Eine Vorhersage, wann und aus welchen Gründen ein Tipping einer Platt177
§ 4 KartGGugerbauer form stattfindet, ist schwierig. Der positive Selbstverstärkungsmechanismus etwa greift nicht, wenn die indirekten Netzwerkeffekte asymmetrisch oder nur einseitig ausgeprägt sind. Wenn auf einer Seite direkte Netzwerkeffekte hinzukommen, kann der Markt eher zu Monopolen tendieren (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 50). 15 In welcher Stärke Netzwerkeffekte auftreten und welche Bedingungen ein Kippen des Marktes fördern können, wird durch verschiedene Parameter bestimmt. Dazu gehören insbesondere die Höhe der Wechselkosten für Nutzer der Netzwerke und Plattformen sowie die Möglichkeit zur Parallelnutzung mehrerer Produkte durch die Nutzer (so genanntes Multi-Homing). Darüber hinaus können horizontale Produktdifferenzierungen zwischen den Netzwerken und Plattformen und der Wert dieser Eigenständigkeitsmerkmale aus Sicht der Nutzergruppe, sowie die Ungleichartigkeit (Heterogenität) der Nutzer Einfluss auf die Intensität der Auswirkungen von Netzwerkeffekten nehmen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 50). 16 Wechselkosten bezeichnen den Aufwand, der für den Nutzer entsteht, wenn er eine andere als die bisherige Plattform oder ein anderes als das bisherige Netzwerk für denselben Zweck nutzen möchte. Neben finanziellem Aufwand in Gestalt von Wechselgebühren gehört dazu alles, was den Verbleib bei der ursprünglich gewählten Plattform attraktiver erscheinen lässt (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 50). 17 Der parallele Einsatz mehrerer Plattformen auf einer der Nutzerseiten (zB Einsatz mehrerer Kreditkarten, Entwicklungen für mehrere Betriebssysteme, Schaltung von Werbung in mehreren Medien) oder mehrerer Netzwerke kann Einfluss auf die Selbstverstärkungseffekte von Netzwerkeffekten haben und die Neigung zum Tipping abmildern. Die Frage der Wettbewerbsintensität hängt damit nicht zuletzt vom im Markt vorherrschenden Nutzerverhalten im Sinne eines Multi-Homings oder einer ausschließlichen Nutzung nur einer Plattform (SingleHoming) ab. Multi-Homing der Nutzer auf der einen Seite wird der anderen Nutzergruppe in der Regel einen größeren Spielraum bei der Wahl der Plattform oder des Netzwerkes verschaffen. Die Nutzung mehrerer nicht kompatibler Plattformen oder Netzwerke ist dann wahrscheinlich, wenn aus ihnen ein unterschiedlicher Nutzen gezogen werden soll. Wenn mehrere konkurrierende Plattformen existieren, ist oft zu beobachten, dass mindestens eine Seite Multi-Homing betreibt (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 50 f). 178
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Größenvorteile eines Unternehmens beziehen sich auf seine Kostensi- 18 tuation, seine Skalenerträge (economies of scale). Im Kontext mehrseitiger Märkte können Größenvorteile eine besondere Bedeutung erlangen. Bei Internetplattformen verursachen zusätzliche Nutzer auf einer Seite kaum zusätzliche Kosten, wenn es nicht zu Kapazitätsengpässen kommt. Der Selbstverstärkungsprozess indirekter Netzwerkeffekte (vgl oben) kann durch diese Größenvorteile unterstützt werden. Zur Beurteilung, ob der Vorsprung einer Plattform aufgeholt werden kann oder sich Konkurrenten am Markt halten können, sind vorliegende Größenvorteile nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der Existenz und der Wirkung von Netzwerkeffekten zu würdigen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 51). Im Übrigen haben Netzwerkeffekte in der Regel Einfluss auf die Mög- 19 lichkeiten des Marktzutritts. Trotz ihres Vorliegens hängt die Stärke und Angreifbarkeit der Marktposition eines Anbieters davon ab, ob gegensteuernde Faktoren vorliegen. Im Einzelfall kann die Feststellung einer starken Kundenbindungswirkung der Netzwerkeffekte wegen entstehender Wechselkosten für eine fehlende oder schwierige Angreifbarkeit der Marktstellung des Anbieters der internetbasierten Dienstleistung sprechen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 51). Die Besonderheiten, die bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken 20 auftreten, müssen im Rahmen einer adäquaten Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse und der Feststellung von Marktmacht beachtet werden. Ihnen kann im Einzelfall eine erhebliche Aussagekraft zukommen. Die Anwendung wettbewerbsökonomischer Konzepte, die zur Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse an Reaktionen der Nachfrager auf Preiserhöhungen anknüpfen (etwa bei Anwendung des SSNIP-Tests), wirft Probleme auf, wenn von einer Nutzergruppe kein Entgelt verlangt wird. Entsprechendes gilt für die Beurteilung von Marktmacht anhand von umsatzbezogenen Marktanteilen. Marktmacht muss sich nicht zwangsläufig in Preissetzungsspielräumen spiegeln, sondern kann beispielsweise auch mit dem (exklusiven) Zugang zu Daten einhergehen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 49). Durch die Digitalisierung und das Internet haben die Möglichkeiten 21 der Datengewinnung und -nutzung eine neue Dimension erhalten. Die Marktstellung eines Unternehmens kann erheblich von seinem Zugang zu Daten beeinflusst werden, insbesondere wenn es sich um datenbasierte Angebote handelt. Das ist abhängig von Art und Umfang der 179
§ 4 KartGGugerbauer vorhandenen Daten und ihrer Bedeutung für die Geschäftstätigkeit. Eine exklusive Herrschaft über bestimmte wettbewerbsrelevante Daten kann eine Marktzutrittsschranke für Wettbewerber darstellen, insbesondere wenn auf dem Markt indirekte Netzwerkeffekte wirken. Eingeschränkte Möglichkeiten von Wettbewerbern, vergleichbar große Datenpools aufzubauen, können dem Inhaber der Daten Wettbewerbsvorteile und Marktmacht verschaffen. Relevant für mögliche Wettbewerbsvorteile können aber auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten eines Unternehmens zur Datenauswertung bzw -verarbeitung sein. Erforderlich ist jedoch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 51). 22 Marktpositionen etwa von Plattformen und Netzwerken im Internet können durch die dort vorherrschenden dynamischen Entwicklungen infolge teilweise einfacher, technologischer Innovationen oder sich kurzfristig ändernder Nutzervorstellungen von Wettbewerbern angegriffen werden. Der Wettbewerbsdruck aufgrund der Innovationskraft internetbasierter Angebote beinhaltet die Möglichkeiten von disruptiven Veränderungen, die zur Angreifbarkeit auch einer starken Marktposition eines Unternehmens führen können. Allerdings ist es nicht einfach zu entscheiden, ob innerhalb des kartellrechtlichen Prognosezeitraums Verschiebungen bestehender Marktstellungen mit einiger Wahrscheinlichkeit eintreten, die schon die Annahme einer Marktbeherrschung ausschließen. In jedem Einzelfall ist daher eine sorgfältige Prüfung notwendig, ob nicht nur eine abstrakte, zeitlich zu vage Angreifbarkeit der Marktposition vorliegt. Würde allein die Aussicht, dass eine marktbeherrschende Position irgendwann wegfallen könnte, zur Verneinung der Marktbeherrschung führen, bliebe der Vorwurf einer missbräuchlicher Ausnutzung dieser Stellung per se einer Prüfung entzogen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 51).
IV. Beherrschungstatbestände A. Kein Wettbewerb oder nur unwesentlicher Wettbewerb (§ 4 Abs 1 Z 1) 23 Nach § 4 Abs 1 Z 1 ist ein Unternehmen dann marktbeherrschend, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist, wenn es also in der Lage ist, die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten 180
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Markt zu verhindern, weil es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (stRsp seit EuGH 13.2.1979, Hoffmann – La Roche / Vitamine, Slg 1979, 461 Rn 38 f; vgl 16 Ok 4/08; 4 Ob 165/98p; 4 Ob 90/99k). Ein Unternehmen, das über einen längeren Zeitraum seine Preise gewinnbringend über den Wettbewerbspreisen festsetzen kann, ist keinem ausreichend wirksamen Wettbewerbsdruck ausgesetzt und kann daher im Allgemeinen als marktbeherrschend eingestuft werden (vgl Europäische Kommission, Mitteilung zu den Durchsetzungsprioritäten, ABl C 2009/45, 7 Rn 10 f). Bei der Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung ist gegebenenfalls die Wettbewerbsstruktur des Marktes zu berücksichtigen: Marktstellung des vermuteten Marktbeherrschers; Wettbewerbsdruck durch vorhandene Wettbewerber und deren Marktstellung; Wettbewerbsdruck aufgrund zu erwartender Expansion vorhandener Wettbewerber; Wettbewerbsdruck aufgrund des zu erwartenden Markteintritts potenzieller Wettbewerber; Wettbewerbsdruck aufgrund der Verhandlungsstärke der Abnehmer (Nachfragemacht; vgl Europäische Kommission, Durchsetzungsprioritäten, Rn 12). Marktbeherrschung liegt insbesondere dann vor, wenn ein Unterneh- 24 men auf einem bestimmten Markt Monopolist ist, seine Waren oder Leistungen also als einziger Marktteilnehmer anbietet oder bestimmte Waren oder Leistungen als einziger Abnehmer nachfragt. Monopolartige Strukturen können entweder aus wirtschaftlichen Abläufen oder rechtlichen Gründen entstehen (zur Bildung eines faktischen Monopols vgl etwa 16 Ok 1/05). Gesetzlich begründete Monopole (vor allem Staatsmonopole wie das „Salzmonopol“) haben historisch erhebliche Bedeutung gehabt. „Unwesentlicher“ Wettbewerb iSv § 4 Abs 1 Z 1, 2. Fall setzt zunächst 25 einmal voraus, dass es auf dem relevanten Markt überhaupt Wettbewerb, also Wettbewerb zumindest zwischen zwei Unternehmen gibt. Hauptkriterium für das Vorliegen nur unwesentlichen Wettbewerbs ist ein hoher Marktanteil des betreffenden Unternehmens. Marktbeherrschung ist jedenfalls dann anzunehmen (und nicht bloß zu vermuten wie nach § 4 Abs 2 Z 1), wenn ein Marktteilnehmer einen Marktanteil von 65% oder mehr aufweist (4 Ob 90/99; 6 Ok 11/04; 16 Ok 12/04). Unwesentlicher Wettbewerb und damit Marktbeherrschung kann sich in Funktionsunfähigkeit von Preiswettbewerb, aber auch in Kontrolle 181
§ 4 KartGGugerbauer der Produktion oder des Vertriebs bedeutender Teile einer Ware oder Dienstleistung ausdrücken.
B. Überragende Marktstellung gegenüber Wettbewerbern (§ 4 Abs 1 Z 2) 26 Eine im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung kann durch Faktoren, die das Unternehmen auszeichnen, oder durch die Struktur des relevanten Marktes begünstigt werden. § 4 Abs 1 Z 2 listet demonstrativ eine Reihe derartiger Faktoren auf. Etwa einen hohen Marktanteil, beträchtliche Finanzkraft, einen durch Exklusivverträge gesicherten Zugang zu den Beschaffungsmärkten, viele Standorte auf den Absatzmärkten oder eine Beschränkung der Zutrittsmöglichkeiten für Mitbewerber (vgl 25 Kt 48, 49/99). 27 Finanzkraft (gemessen an Cashflow, Eigenkapital, langfristigen Kreditlinien, dem Zugang zum Kapitalmarkt, der Umsatzrendite oder der Möglichkeit, [Anfangs-]Verluste auf dem einen Markt durch Gewinne auf einem anderen auszugleichen [Quersubventionierung], vgl EuGH, 4.5.1988 „Bodson“, Slg 1988, 2479, 2515 Tz 29; Europäische Kommission, 9.12.1971 „Continental Can“, ABl 1972, L 7/25, 35 f Tz 3, 12 f) ist die Gesamtheit der finanziellen Mitteln und Rahmen, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen. Durch einen hohen Diversifizierungsgrad, der zwischen einzelnen Geschäftsaktivitäten Quersubventionen ermöglicht („deep pockets“), können jedenfalls kurz- bis mittelfristig verlustreiche Marktstrategien verfolgt werden, die einem nichtdiversifizierten Unternehmen nicht offen stehen (vgl Europäische Kommission, 24.7.1991 „Tetra Pak II“, ABl 1992, L 72/1, 20 f Tz 101). Die Verflechtung mit anderen Unternehmern kann den Zugriff auf deren Ressourcen eröffnen (vgl EuGH, 4.5.1988 „Bodson“, Slg 1988, 2479, 2515 Tz 29; 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461, 3510 Tz 55). Besondere Finanzkraft führt nicht automatisch zu Marktbeherrschung, sie muss auf dem entsprechenden Markt einen relevanten Wettbewerbsfaktor darstellen, etwa wegen eines intensiven Preis-, bzw Rabattwettbewerbs oder im Hinblick auf erforderliche Investitionen, umfangreiche Marketingmaßnahmen, etc. 28 Verluste in der G&V bedeuten nicht zwingend, dass einem Unternehmen die Macht zur Bestimmung von Preisen fehlt, es nicht beherrschend ist, jedenfalls dann nicht, wenn es sich um vorübergehende Verluste 182
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handelt. Verluste oder geringe Erträge können auch auf interne Ineffizienzen eines Marktbeherrschers zurückzuführen sein („fette Katze“). Je nach Umfang und Dauer können Verlustphasen zumindest bei geringen Marktanteilen ein Indiz gegen die Fähigkeit eines Unternehmers sein, sich unabhängig vom Wettbewerb zu verhalten (vgl Fuchs/Möschel in Immenga/Mastmäcker, Art 102 AEUV, Rn 100). Umgekehrt sprechen Gewinne nicht gegen das Vorliegen wirksamen Wettbewerbs (vgl EuGH, 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461, 3511 Tz 59). Eine wichtige Rolle spielen auch Produktions- und Lieferkapazität (vgl 29 Europäische Kommission, 19.12.1990 „Soda-Solvay“, ABl 1991, L 152/21, 32 Tz 45). Technologischer Vorsprung kann gegenüber (potentiellen) Konkurrenten einen Effizienzvorteil verschaffen (vgl Europäische Kommission, 24.7.1991 „Tetra Pak II“, ABl 1992, L 72/1, 19 Tz 101; EuG 6.10.1994, Slg 1994, II-755, 811 f; EuGH 14.11.1996, Slg 1996, I-5951). Wenn etwa umfangreiche Forschungsaktivitäten zu einer Verbesserung der Produktionsabläufe führen (vgl EuGH, 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461, 3510 Tz 55), oder als Folge der Entwicklung und langjährigen Anwendung einer bestimmten Technik wichtige Know-how eingesetzt werden kann (vgl Europäische Kommission, 26.7.1988 „Tetra Pak I“, ABl 1988, L 272/27, 39 Tz 44). Solche Vorteile genießt häufig ein Unternehmen, dem es als erstem gelingt, sich im relevanten Markt nachhaltig zu etablieren („first mover advantage“, vgl Fuchs/Möschel, aaO Rn 103). Eine überragende Marktstellung kann auch auf einen besonderen Zu- 30 gang zu den Beschaffungs- und/oder Absatzmärkten zurückzuführen sein. Etwa dann, wenn das Unternehmen vertikal integriert ist, also selbst auch auf einem dem relevanten Markt vor- und/oder nachgelagerten Markt tätig ist. Aus der vertikalen Integration können sich aufgrund des erleichterten Zugangs zu Vorleistungen gegenüber einstufigen Konkurrenten besondere Wettbewerbsvorteile ergeben. Dies gilt zB für den Produzenten, der über eigene Rohstoffquellen oder zumindest einen besonderen Zugang zu Rohstoffmärkten verfügt (vgl EuGH 14.2.1978 „United Brands“, Slg 1978, 207, 287 ff), oder für den Großhändler, der im Einzelhandel über eine nicht unerhebliche Marktposition verfügt. Die vertikale Integration von Abnehmern oder des Vertriebs kann bei einem Angebotsüberhang einen gesicherten Absatz ermöglichen oder die Vermarktung im Vergleich zur nicht integrierten Konkurrenz flexibler gestalten (vgl EuGH, 14.2.1978 „United Brands“, Slg 1978, 207, 285 ff). Ähnliches gilt für eine vom Hersteller nicht direkt 183
§ 4 KartGGugerbauer übernommene, aber kontrollierte Vertriebsstufe (vgl EuGH, 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461, 3511 Tz 58; Fuchs/Möschel, aaO Rn 105). Dies unter Umständen auch bereits bei einer Beteiligung unter 25 %. Aus einem gut ausgebauten Vertriebsnetz kann sich im Handel ein kommerzieller Vorsprung ergeben (vgl Europäische Kommission, 22.12.1987 „Eurofix-Bauco / Hilti“, ABl 1988, L 65/19, 34 Tz 69; EuG 12.12.1991, Slg 1991, II-1439; EuGH, 2.3.1994, Slg 1994, I-667), oder aus einem Vertriebsnetz, das erheblich größer ist als dasjenige der Wettbewerber und ein Unternehmen in die Lage versetzt, seine Marktstellung zu festigen und auszubauen und sich gegen die Konkurrenz zu behaupten (EuGH, 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461, 3511; Fuchs/ Möschel, aaO Rn 105). Dadurch wird auch ein Marktzutritt erschwert, falls eine konkurrenzfähige Produktion ebenfalls den Aufbau eines vertikal integrierten Unternehmens erfordert (vgl EuGH, 14.2.1978 „United Brands“, Slg 1978, 207, 291). 31 Marktzutrittsschranken kommt besondere Bedeutung zu. Das Erfordernis umfangreicher Anfangsinvestitionen, etwa für den Aufbau eines Vertriebsnetzes (vgl Europäische Kommission, 4.7.2007 „Telefónica“, COMP/38.784, Tz 224 ff), für die Werbung (vgl EuGH, 14.2.1978 „United Brands“, Slg 1978, 2007, 291) oder für die Entwicklung komplexer Produkte (vgl Europäische Kommission, 13.5.2009 „Intel“, COMP/37.990, Tz 854 ff), aber auch lange Amortisationszeiträume für das investierte Kapital (vgl Europäische Kommission, 9.6.1976 „Vitamine“, ABl 1976 L 223/27, 35 Tz 21) oder regionale oder nationale Abnehmerpräferenzen (EuGH, 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461 3511 Tz 56) können zu Marktzutrittsschranken führen. Weitere faktische Marktzutrittsschranken können sich aus einem bedeutenden Knowhow-Vorsprung eines auf dem Markt bereits tätigen Unternehmens oder aus hohen Transportkosten ergeben. Rechtliche Schranken können aus administrativen Hindernissen, zB aus langwierigen Genehmigungsverfahren (Umweltschutzauflagen, Flächenwidmung, etc; vgl Europäische Kommission, 21.12.1988 „Decca Navigator System“, ABl 1989, L 43/27, 41 Tz 92) oder erforderlichen Lizenzen (zB für Rundfunk oder Mobiltelefonie) resultieren. 32 Soweit die in § 4 Abs 1 Z 2 angesprochenen Zutrittsschranken zu einem Markt niedrig sind, verschafft in der Regel auch ein verhältnismäßig hoher Marktanteil allein noch keine überragende Marktstellung. Dagegen können hohe Marktzutrittsschranken einem am Markt etablierten Unternehmen einen erweiterten Handlungsspielraum und damit eine 184
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überragende Marktstellung sichern. Anderen Unternehmen ist es dann nicht leicht möglich, in diesen Markt, in dem sie bisher nicht tätig waren, einzudringen.
C. § 4 Abs 1a – Kollektive Marktbeherrschung (Oligopol) Ob ein marktbeherrschendes Oligopol vorliegt hängt zunächst davon 33 ab, ob zwischen den entsprechenden Unternehmen wesentlicher (Binnen-)Wettbewerb besteht. Darüber hinaus ist festzustellen, ob die Gesamtheit der Voraussetzungen von § 4 Abs 1 vorliegt, also diese Unternehmen keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb von Dritten ausgesetzt sind oder ob sie eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung haben. § 4 Abs 1a orientiert sich – nahezu wortident – an der Regelung von § 18 Abs 5 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), nur der im GWB enthaltene Zusatz „für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen“ wurde weggelassen (vgl in diesem Zusammenhang den vom dt BKartA herausgegebenen „Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle“ vom 29. März 2012, abrufbar im Internet unter bundeskartellamt.de). Auch der österreichische Gesetzgeber stellt darauf ab, dass Wettbewerb durch die Marktstellung mehrerer führender Unternehmen, zwischen denen kein Wettbewerb besteht, ausgeschaltet werden kann. Der Tatbestand der Einzelmarktbeherrschung (§ 4 Abs 1) und jener der kollektiven Marktbeherrschung (§ 4 Abs 1a) regeln unterschiedliche Formen der Marktbeherrschung und schließen einander aus. Im sektorenspezifischen Wettbewerbsrecht für Telekommunikation ist der Tatbestand der kollektiven Marktbeherrschung in § 35 Abs 3 und 4 TKG 2003 verankert. Erfasst werden entsprechende Vereinbarungen (vgl EuGH 16.3.2000, 34 verb C-395/96 P und C-396/96 P, Kommission/Compagnie Maritime Belge ua, Slg 2000, I-1365 Rn 44, 45), aber auch parallele Verhaltensweisen von zwei oder mehreren Unternehmen, die den Wettbewerb weitgehend ausschalten. Dabei ist schlichtes Parallelverhalten von gemeinsamer Marktbeherrschung abzugrenzen. Gemeinsame Marktbeherrschung liegt vor, wenn die Einhaltung einer kollusiven Marktstrategie kontrollierbar (für die – anderen – Oligopolisten beobachtbar) und im Zeitverlauf nachhaltig ist, letzteres kann vor allem durch wirksame Sanktionen gesichert werden, keiner der Oligopolisten hat dann einen Anreiz, sich über die Koordinierung hinwegzusetzen. 185
§ 4 KartGGugerbauer 1. Fehlender Wettbewerb im Innenverhältnis 35 Zunächst ist zu überprüfen, inwieweit zwischen den unter Oligopolverdacht stehenden Unternehmen eine Koordinierung möglich ist und ausreichende Anreize für ein entsprechendes Verhalten bestehen. Ist dies der Fall, ist die stillschweigende Koordinierung wahrscheinlich, ist zu erwarten, dass zwischen diesen Unternehmen kein wesentlicher Wettbewerb stattfindet. Prinzipiell kommt eine stillschweigende Koordinierung bei allen Wettbewerbsparametern in Frage, also etwa bei Preisen, Mengen, Kapazitäten, usw. Solch eine stabile Koordinierung ist allerdings nur dann naheliegend, wenn sog „Außenseiter“ nicht in der Lage sind, die Koordinierung durch wettbewerbliche Vorstöße nachhaltig zu stören (vgl unten Rn 38 ff). 36 Die Wahrscheinlichkeit einer stabilen Koordinierung hängt von unternehmens- und/oder marktbezogenen Kriterien ab, die ein Parallelverhalten begünstigen oder erschweren. Die Überprüfung erfordert eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände. Mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Mitglieder eines möglichen Oligopols ist dann zu rechnen, wenn zwischen den beteiligten Unternehmen aufgrund der Marktstruktur eine enge Reaktionsverbundenheit besteht („implizite Kollusion“). „Implizite Kollusion“ wird durch Markttransparenz in Verbindung mit Abschreckungs- und Sanktionsmitteln für abweichendes Marktverhalten indiziert. 37 Zu berücksichtigen sind zunächst einmal die Symmetrie der vermutlichen Oligopolmitglieder hinsichtlich der Produktpalette, der Kapazität, der verwendeten Technologie, der Ressourcen, der Kostenstruktur, der vertikalen Integration, der Marktposition, weiters etwaige Marktzutrittschranken, die Nachfragemacht der Marktgegenseite und die Preiselastizität der Nachfrage. Bei ausreichender Symmetrie zwischen den Oligopolmitgliedern sind die Interessen der Unternehmen ähnlicher und eine implizite Koordinierung ist daher leichter zu erreichen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 95). Relevant kann auch sein, inwieweit im Hinblick auf die Homogenität eines vertriebenen Produkts ein Produkt- und Qualitätswettbewerb nur eingeschränkt oder gar nicht in Betracht kommt, und ob die beteiligten Unternehmen gesellschaftsrechtlich oder personell miteinander verbunden sind. Wechselseitige Beteiligungen, gemeinsame Beteiligungen an dritten Unternehmen bzw Gemeinschaftsunternehmen, strategische Allianzen oder sonstige vertragliche Kooperationen erleichtern die Koordinie186
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rung (vgl Bardong in Langen/Bunte, § 18 GWB, Rn 165). So können Verflechtungen zwischen Mineralölgesellschaften den Anreiz für Wettbewerbsvorstöße verringeren, etwa gemeinsame Beteiligungen an Raffinerien, Pipelines oder Tanklagern (vgl BKartA, 29.4.2009 „Total/ OMV“ B8-175/08, Rn 62 ff, 79 ff). Stabile Marktbedingungen mögen dazu beitragen, implizite Kollusion 38 zu vereinfachen, starke Schwankungen können sie dagegen erschweren (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 97). Wird ein Markt durch Innovationen geprägt, ist die Marktentwicklung weniger leicht vorhersehbar und ist es für Unternehmen schwieriger, mögliche Koordinierungspunkte zu erkennen. Allerdings können auch Innovationsstrategien Gegenstand stillschweigender Koordinierung sein (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 97). Befindet sich ein Markt in einer frühen Marktphase, sind die Unternehmen in der Regel bestrebt, von den Wachstumschancen zu profitieren und sich eine dauerhaft bedeutende Marktposition aufzubauen. Das Interesse, durch stillschweigende Koordinierung den Wettbewerbsdruck kurzfristig zu senken, um trotz den noch niedrigen Absatzmengen Gewinne zu vergrößern, ist bei solchen Rahmendbedingungen meist nicht sehr stark ausgeprägt, implizite Koordinierung ist daher weniger wahrscheinlich (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 97). Befinden sich Märkte dagegen in einer Ausreifungs-, Stagnations- oder Rückbildungsphase, sind die Marktbedingungen stabiler und vorhersehbarer, implizite Koordinierung wird dadurch erleichtert (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 98). Vergleichbares gilt für die Vorhersehbarkeit von Nachfragebedingungen. Unvorhersehbare Schwankungen erschweren stillschweigende Koordinierung, saisonale Schwankungen sind in vielen Branchen allerdings vorhersehbar und stören eine implizite Abstimmung nicht. Die Auswirkungen geringer Preiselastizität sind ambivalent (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 99; Bardong, aaO, Rn 167). Langfristig stabile Marktanteile deuten tendenziell auf eine Annähe- 39 rung der Interessen und fehlenden Wettbewerb hin. Marktanteilsübertragungen durch Akquisitionen zwischen den Oligopolmitgliedern sind ebenfalls ein Indiz für einen Interessenausgleich zwischen den Oligopolmitgliedern, insbesondere dann, wenn damit eine Arrondierung der räumlichen Tätigkeitsschwerpunkte erreicht wird. Auch parallele Preisentwicklungen bei den Oligopolmitgliedern oder die Abwesenheit von wesentlichem Produktwettbewerb durch Innovationen können ein 187
§ 4 KartGGugerbauer Indiz für ein wettbewerbsloses Oligopol sein (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 118 f). 40 Die Chancen der Unternehmen, stillschweigend zu einer Koordinierung zu kommen, hängt stark von der Zahl der führenden Anbieter in einem Markt ab. Bei einer niedrigen Zahl beteiligter Unternehmen sind weniger Schwierigkeiten zu erwarten (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 93). Denkbar ist aber auch eine implizite Aufteilung von Märkten nach Gebieten, Kundengruppen oder Produktmerkmalen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 86). Gibt es nur zwei oder drei Oligopolmitglieder, wird die Koordinierung erleichtert. Oligopole ohne Binnenwettbewerb sind zwar auch bei einer größeren Anzahl koordinierter Unternehmen möglich, doch mit wachsender Zahl sinkt die Wahrscheinlichkeit einer stabilen Koordinierung. Die Vermutungstatbestände des § 4 Abs 2 a KartG können eine Orientierung bieten, sie sind aber keinesfalls zwingend. 41 Auf Märkten mit homogenen Produkten, etwa Treibstoffen, ist eine stillschweigende Koordinierung in der Regel einfacher zu erreichen als auf Märkten mit differenzierten Produkten (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 94). Bei differenzierten Produkten kann auch die Form der Produktdifferenzierung Gegenstand der Koordinierung sein (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung Rn 86). Bei solchen Produkten wird stillschweigende Koordinierung beispielsweise dadurch erleichtert, dass ein Auftraggeber Ausschreibungen detaillierte Leistungsbeschreibungen anschließt (vgl zur Automobilzulieferindus trie etwa BKartA, 21.5.2010 „Magna/Karmann“ B9-13/10, 72 f). Eine stabile implizite Koordinierung kann aber auch an einer starken Marktgegenseite scheitern. 42 Maßgeblich ist der Anreiz, von dem gemeinsamen Vorgehen nicht abzuweichen. Können die Unternehmen erwarten höhere Gewinne zu erzielen, wenn sie sich in ihrem Marktverhalten an die stillschweigende Koordinierung, zB bei den Preisen, halten? Oder können höhere Gewinne erwartet werden, wenn sich ein Unternehmen von der Koordinierung ausnimmt? Unter Umständen kann es durch eine Preissenkung (unter das koordinierte Preisniveau) den Absatz steigern und können zusätzliche Kunden und damit höhere Marktanteile gewonnen werden. Daher ist auch das tatsächliche Wettbewerbsverhalten der beteiligten Unternehmen auf dem betreffenden Markt zu berücksichtigen. Eine geringe Kundenwechselquote kann fehlenden Binnenwettbewerb indi188
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zieren (vgl EuG, 6.6.2002 Airtours/First Choice, Slg 2002, II-2585; EuGH, 10.7.2008 „Bertelsmann und Sony/Impala“, Slg 2008, I-4951). Im Hinblick auf das Kriterium „wesentlicher“ Wettbewerb muss das 43 tatsächliche Marktgeschehen bewertet werden: Der tatsächliche Einsatz von Wettbewerbsparametern entscheidet darüber, ob die maßgeblichen Funktionen des Wettbewerbs erfüllt werden, vor allem, ob der Preissetzungsspielraum des einzelnen Unternehmens begrenzt bleibt. Die Bewertung des tatsächlichen Marktgeschehens muss dabei die strukturellen Bedingungen beachten, unter denen es sich vollzieht und die seine ökonomische Beurteilung beeinflussen können (vgl BGH, 6.12.2011 „Total/OMV“, KVR 95/10, Rn 56). Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung sind die einzelnen Strukturelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für den konkreten Markt zu gewichten, darauf ist zu untersuchen, ob und in welchem Umfang sie tatsächlich geeignet sind, ein einheitliches Vorgehen der beteiligten Unternehmen zu erleichtern (vgl BGH, aaO, Rn 55 f). Es ist auch zu prüfen, ob die Erwartung eines wirksamen Abschre- 44 ckungs- und Sanktionsmechanismus durch das tatsächliche Wettbewerbsgeschehen entkräftet wird. Gibt es Wettbewerbsvorstöße möglicher Oligopolmitglieder, die – insbesondere in Form erheblicher Veränderungen der Marktanteile – eindeutig wesentlichen Binnenwettbewerb belegen? Nur dies würde die Annahme rechtfertigen, dass ungeachtet ungünstiger Marktstrukturen dennoch wesentlicher Wettbewerb stattfindet. Ist das festgestellte Verhalten dagegen mehrdeutig, kann dies die aus einer Strukturanalyse resultierende Annahme eines einheitlichen Verhaltens unter Ausschluss wesentlichen Wettbewerbs jedenfalls im Anwendungsbereich der Oligopolvermutung des § 4 Abs 2a nicht in Frage stellen (vgl BGH, 6.12.2011, „Total/OMV“, KVR 95/10, Rn 64). So können etwa Preisbewegungen nicht nur Ausdruck von wesentlichem Wettbewerb sein, sondern auf eine Sanktionierung abweichenden Wettbewerbsverhaltens zurückzuführen sein (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 118). Wesentlicher Wettbewerb fehlt nicht zwangsläufig, wenn wichtige 45 Wettbewerbsparameter wie Preis und Qualität nicht eingesetzt werden, etwa dann, wenn dies rechtlich oder faktisch unmöglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Auch untergeordnete Wettbewerbsfaktoren können in Summe wesentlichen Wettbewerb begründen, die Anforderungen an die tatsächlich eingesetzten Wettbewerbsparameter sind 189
§ 4 KartGGugerbauer dann aber sehr hoch. Bloßer Marken- und Werbewettbewerb, der sich weder auf Preise noch Qualitäten bezieht, würde nicht ausreichen. Auch geringe preisliche Abweichungen zwischen homogenen Gütern sind kein klares Indiz für Binnenwettbewerb zwischen Oligopolmitgliedern (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 118). 2. Markttransparenz 46 Die zweite Voraussetzung für kollektive Marktbeherrschung ist hinreichende Markttransparenz, die es den beteiligten Unternehmen ermöglicht, ohne größeren Aufwand und zeitnah zu entdecken, wenn eines der beteiligten Unternehmen von der stillschweigenden Koordinierung abweicht. Es reicht ein Niveau der Markttransparenz, das den Oligopolisten erlaubt, Wettbewerbsvorstöße einzelner Unternehmen zu erkennen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 101, siehe auch EuGH, 10.7.2008 „Bertelsmann und Sony/Impala“ C-413/06 P, Rn 125 f). Es ist daher weder eine vollständige Transparenz aller Wettbewerbsparameter, noch aller koordinierten Wettbewerbsparameter erforderlich (Bardong, aaO, Rn 168). 47 Zweifellos erleichtert eine geringe Zahl beteiligter Unternehmen und Wettbewerber dieser Unternehmen die Überwachung des Marktgeschehens. Bei homogenen Produkten müssen in der Regel weniger Wettbewerbsparameter als bei differenzierten Produkten überwacht werden, ausreichende Markttransparenz ist dadurch leichter zu erreichen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 102). Stabile Marktbedingungen erleichtern die Überwachung, dagegen ist es bei schwankenden Nachfrage- oder Angebotsbedingungen (die beispielsweise witterungsbedingt sein können) schwieriger festzustellen, ob eine Verhaltensänderung auf Schwankungen der Nachfragebedingungen zurückzuführen ist oder ob sich ein Unternehmen der Koordinierung entzieht (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 103). 48 Ausschreibungen (vgl zB BKartA, 21.5.2010 „Magna/Karmann“ B913/10, 66 ff, 72 f), Börsenpreise, Werbeanzeigen mit Preisen oder öffentliche Preisangaben (zB bei Tankstellen) sorgen auf den betroffenen Märkten nicht nur für Kunden für hohe Transparenz. Die Veröffentlichung von Preisstatistiken, Marktstatistiken oder Informationen von Branchenverbänden wie auch die öffentliche Ankündigung von Preisänderungen können ebenfalls für Markttransparenz sorgen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 105). Im Duopol lassen 190
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sich manchmal aus dem Verhalten der Kunden Rückschlüsse auf das Wettbewerbsverhalten des anderen Duopolmitglieds ziehen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 104). 3. Sanktionierungsmechanismus Eine weitere Voraussetzung für kollektive Marktbeherrschung ist, dass 49 Abweichungen von der stillschweigenden Koordinierung eine Sanktionierung auslösen. Sobald die anderen Oligopolmitglieder die Abweichung erkennen, haben sie die Möglichkeit, ihrerseits mit einer (zumindest zeitweisen) Rückkehr zu Wettbewerbspreisen zu reagieren. Dann stehen kurzfristigen Vorteilen des die Koordinierung nicht umsetzenden Oligopolmitglieds künftige Nachteile gegenüber (etwa Verlust von Kunden und Marktanteilen, Umsatzrückgang, geringere Deckungsbeiträge). Erwarten die an der Koordinierung beteiligten Unternehmen daher größere Vorteile aus der Umsetzung der Koordinierung, führt dies zu Stabilisierung des wettbewerbslosen Oligopols. In der Regel sind dann gar keine Vergeltungsmaßnahmen mehr erforderlich, um die Mitglieder eines wettbewerbslosen Oligopols von einer Abweichung von der stillschweigenden Koordinierung abzuhalten (vgl EuG, 6.6.2002, Airtours/First Choice, Slg 2002, II-2585, Tz 61 f). Die Sanktion muss daher zeitnah zu erwarten sein. Die drohenden Folgen müssen nachteilig genug sein, um die beteiligten Unternehmen davon abzuhalten, die Koordinierung zu missachten um selbst zusätzliche Kunden und Marktanteile zu gewinnen. Dafür reicht es in der Regel schon aus, dass sich in einem solchen Fall die anderen beteiligten Unternehmen nicht mehr an die Koordinierung halten und (zumindest zeitweise) zu einem normalen Wettbewerbsverhalten zurückkehren (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 106). Je rascher eine Sanktion zu erwarten ist, umso geringer sind im Re- 50 gelfall die Vorteile, die ein Unternehmen durch ein Abweichen von der Koordinierung erzielen kann (vgl zB BKartA, 21.5.2010 „Magna/ Karmann“ B9-13/10, 115f). Die Reaktionsgeschwindigkeit kann ua davon beeinflusst werden, wie häufig oder wie intensiv die beteiligten Unternehmen am Markt aufeinander treffen, aber auch davon, wie gleichmäßig sich Auftragsvolumina im Zeitablauf auf einzelne Aufträge verteilen. Bei häufigen Aufträgen mit geringem Volumen kann es schnell zur Ahndung von Abweichungen kommen, dagegen ist bei unregelmäßig oder in längeren Abständen erteilten Großaufträgen 191
§ 4 KartGGugerbauer der Anreiz zum Abweichen besonders groß (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 108 f). Sanktionen sind dann weniger effektiv und weniger wahrscheinlich, dies erschwert eine stabile Koordinierung. 51 Das Spektrum möglicher Sanktionen wird erweitert, wenn sich Oligopolmitglieder auf anderen Märkten als Wettbewerber gegenüberstehen oder wenn es zwischen Oligopolmitgliedern Verflechtungen, zB über Gemeinschaftsunternehmen, gibt. Als Vergeltungsmaßnahmen für ein abweichendes Verhalten auf dem betroffenen Markt können dann verstärkte wettbewerbliche Aktivitäten auf den anderen Märkten oder Verhaltensänderungen im Gemeinschaftsunternehmen erfolgen, zB indem das zur Sanktion greifende Unternehmen als Gesellschafter eines Gemeinschaftsunternehmens bei anstehenden Entscheidungen in den Unternehmensgremien weniger Rücksicht auf die Interessen des sich der Koordinierung entziehenden Unternehmens nimmt (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 112). Sanktionen sind auch dann rascher umsetzbar, wenn die Oligopolmitglieder über ausreichende Kapazitäten verfügen, die – wenn erforderlich – zur Sanktionierung von Abweichungen eingesetzt werden können (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 110). 52 Bei differenzierten Produkten kann die Wirksamkeit von Sanktionen gering bleiben, wenn entgegenstehende Präferenzen von Nachfragern einen wettbewerblichen Vorstoß sanktionierender Oligopolmitglieder erschweren. Schnelle Änderungen der Marktbedingungen können zu ähnlichen Auswirkungen führen, etwa bei innovationsgetriebenen Märkten oder kurzen Produktzyklen. Auch geänderte Marktbedingungen können Wettbewerbsvorstöße als Sanktion erschweren (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 110). Für Unternehmen mit großen freien Kapazitäten erhöht sich bei einer Asymmetrie der Potentiale der beteiligten Unternehmen der Anreiz, von dem Koordinierungsergebnis abzuweichen, und reduziert sich das Risiko, dass Unternehmen mit knappen Kapazitäten zu Sanktionen greifen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 111). 4. Kein Wettbewerb durch Außenseiter 53 Von wesentlicher Bedeutung ist, ob Unternehmen, die dem Oligopol nicht zuzuordnen sind (Außenseiter), ausreichenden Wettbewerbsdruck auf die Mitglieder des Oligopols ausüben können, um eine stabi192
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le Koordinierung im Oligopol zu verhindern (BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 113 ff). Für die Prüfung des Außenwettbewerbs verweist das Gesetz auf die Kriterien der Einzelmarktbeherrschung (§ 4 Abs 1), die auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen der „Gesamtheit“ der Oligopolmitglieder und ihren Wettbewerbern anzuwenden sind. Zu berücksichtigen sind sowohl aktuelle, wie auch potenzielle Wettbewerber. Entscheidend ist der Wettbewerbsdruck, der von ihnen ausgeht, ob dieser also geeignet ist, eine Verhaltenskoordinierung zwischen den Oligopolmitgliedern so nachhaltig zu stören, dass es erst gar nicht zu einer Koordinierung kommt oder diese jedenfalls nicht stabil ist. Ein Außenseiter kann vor allem dann in der Lage sein, eine stabile Ko- 54 ordinierung zu verhindern oder jedenfalls erheblich zu stören, wenn er eine andere Kostenstruktur als die Oligopolmitglieder hat, exklusiv über eine relevante Technologie verfügt oder aus sonstigen Gründen eine abweichende Marktstrategie verfolgt (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 115). Dies selbst dann, wenn dieses Unternehmen vorerst nur vergleichsweise geringe Marktanteile hat, soweit es über ausreichende Kapazitäten verfügt (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 115; Bardong, aaO, Rn 179). Ob ausreichender potenzieller Wettbewerb vorhanden ist, um die Verhaltensspielräume der Oligopolmitglieder zu begrenzen, hängt vor allem vom Bestehen oder Nichtbestehen von Marktzutrittsschranken ab (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 116, FN. 189). Auch Wettbewerb im Außenverhältnis steht nicht in jedem Fall der Feststellung eines marktbeherrschenden Oligopols entgegen, vor allem dann nicht, wenn er auf die Verdrängung von Außenseitern abzielt. Auch bei starken, strategisch nachfragenden Kunden, bzw dann, wenn 55 mehrere Kunden ihre Nachfrage bündeln („Nachfragemacht“), gelingt es Oligopolmitgliedern in der Regel nicht, eine stabile Koordinierung zu erreichen (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 100). Ist die Nachfrageseite dagegen fragmentiert oder besteht in der Branche der Nachfrager ein geringes Interesse an einer wettbewerblichen Auftragsvergabe (Ausschreibung), wird eine stillschweigende Verhaltenskoordinierung erleichtert (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 100; Bardong, aaO, Rn 184). Als (wirtschaftliche) Gegenmaßnahme gegen ein Oligopol kommt dann noch die Androhung einer alternativen Eigenfertigung in Betracht. Glaubwürdig ist eine entsprechende Drohung aber nur, wenn das Unternehmen die erforderlichen 193
§ 4 KartGGugerbauer Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum mit einem vertretbaren Aufwand aktivieren kann (vgl BKartA, 21.5.2010 „Magner/Karmann“ B9-13/10, 86 ff).
D. Anteilsindizierte Marktbeherrschungsvermutung 56 Marktbeherrschung ist zu vermuten, wenn ein Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt (in einem entsprechenden Wettbewerbsumfeld) die in § 4 Abs 2 Z 1 bis 3 angeführten Marktanteile hat. Die Marktanteile und Umsätze von Konzerngesellschaften können dabei nur dann zusammen berücksichtigt werden, wenn die Unternehmen auf demselben relevanten Markt tätig sind (4 Ob 165/98p). Bei Verwirklichung eines dieser Tatbestände geht die Beweislast (dass keine Marktbeherrschung vorliegt) auf das betroffene Unternehmen über. Der Nachweis, dass – entgegen der Vermutung – keine Marktbeherrschung vorliegt, ist also zulässig, da Marktanteile (jedenfalls in der in § 4 Abs 2 Z 1 bezeichnete Höhe) kein absoluter Indikator für die wirtschaftliche Position eines Unternehmens sind. Zur Widerlegung der Marktbeherrschungsvermutung trägt natürlich der Nachweis geringerer Marktanteile bei, aber auch der Nachweis von erheblichem (auch potenziellem) Wettbewerb, einer Abhängigkeit von marktstarken Abnehmern sowie des Fehlens von Marktzutrittsschranken bei. Die Vermutungsregelungen sollen die Ermittlung der Marktverhältnisse erleichtern. Dies vor allem im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle (wegen der dieses Verfahrens prägenden knappen Fristen), die beteiligten Unternehmen müssen – im Hinblick auf die Vermutungsregeln – selbst ein Interesse daran haben, dass die Bundeswettbewerbsbehörde, der Bundeskartellanwalt, bzw das KartGer in kürzester Zeit ein umfassendes Bild von den Marktverhältnissen bekommt. Das Schutzziel von § 4 Abs 2 f erfasst aber auch den mittelbaren Schutz des Wettbewerbs durch eine erleichterte zivilrechtliche Durchsetzbarkeit kartellrechtlicher Verbote (vgl Bardong, aaO, Rn 203). Im Rahmen eines kartellgerichtlichen Verfahrens hat der Antragsteller, im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger lediglich das Erreichen bzw Überschreiten der Anteilsschwellen zu bescheinigen. Die Fusionskontrollverordnung der EU enthält keine Vermutungsregel. Die Europäische Kommission hat aber in ihrer Entscheidungspraxis eine Vermutungsschwelle entwickelt, die bei hohen Marktanteilen der Zusammenschlussbeteiligten eingreift. 194
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1. § 4 Abs 2 Z 1 Nach Abs 2 Z 1 ist Marktbeherrschung zu vermuten, wenn ein Unter- 57 nehmen als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt ein Anteil von mindestens 30% hat. Dann trifft dieses Unternehmen die Beweislast, dass die Voraussetzungen nach Abs 2 Z 1 nicht vorliegen (16 Ok 9/01). Als Voraussetzung der Marktanteilsvermutung ist eine genaue Marktabgrenzung und eine genaue, ziffernmäßige Berechnung der Marktanteile erforderlich. Ein tatsächlich unter der Schwelle liegender Marktanteil kann etwa dadurch nachgewiesen werden, dass der relevante Markt nicht mit dem Inland begrenzt und der Marktanteil dadurch niedriger als im Rahmen des kleineren nationalen Marktes ist (16 Ok 14, 15/02). Art 102 AEUV definiert – anders als das KartG – keinen maßgeblichen Marktanteil, die Kommission setzt die Schwelle für eine beherrschende Stellung – im Rahmen einer Einzelfallprüfung – über jener des § 4 Abs 2 Z 1, vielfach erst bei einem Marktanteil von 40% oder mehr an. Nach der Rsp des EuGH machen sogar nur Marktanteile von 50% oder mehr – ohne weiteres, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – Beweis für eine beherrschende Stellung. Für die Annahme einer Einzelmarktbeherrschung müssen gewichtige Gründe sprechen (vgl etwa Europäische Kommission, IX. Wettbewerbsbericht, Tz 22). Entscheidend ist der Abstand zu den Wettbewerbern, deren Anzahl sowie eine allfällige wirtschaftliche oder technische Überlegenheit des Unternehmens. Im dt Kartellrecht greift eine Marktbeherrschungsvermutung ab einem Marktanteil von 40% (§ 18 Abs 4 GWB). 2. § 4 Abs 2 Z 2 Marktbeherrschung iSv § 4 Abs 2 Z 2 wird dann vermutet, wenn ein 58 Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt einen Anteil von mehr als 5% hat und dem Wettbewerb von höchstens zwei Unternehmen ausgesetzt ist. Prima facie kann dies dazu führen, dass auch ein Unternehmen mit einem Marktanteil von nur knapp über 5%, das im Wettbewerb mit zwei Unternehmen steht, die zusammen auf einen Marktanteil von mehr als 90% kommen, als Marktbeherrscher qualifiziert wird. Dabei kommt es insbesondere auf die Marktabgrenzung an. Die praktische Bedeutung von Abs 2 Z 2 (und 3) ist aber durch die Einführung von Abs 2a zurückgegangen. Eine so festgestellte kollektive Marktbeherrschung schließt die gleichzeitige Annahme individueller Marktbeherrschung aus. 195
§ 4 KartGGugerbauer 3. § 4 Abs 2 Z 3 59 Wenn ein Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager am inländischen Markt oder einem anderen örtlich relevanten Markt einen Anteil von mehr als 5% hat und zu den vier größten Unternehmen gehört, die auf diesem Markt zusammen einen Anteil von mindestens 80% haben, ist Marktbeherrschung iSv Abs 2 Z 3 zu vermuten. Was die vier Unternehmen mit dem größten Marktanteil betrifft ist es nicht erforderlich, dass jedes dieser Unternehmen einen Marktanteil von zumindest 5% erreicht, damit ein anderes – das einen Anteil von mehr als 5% hat – als marktbeherrschend gilt. Eine so festgestellte kollektive Marktbeherrschung schließt die gleichzeitige Annahme individueller Marktbeherrschung aus.
E. Oligopolvermutung (§ 4 Abs 2a) 60 Voraussetzung für die Vermutung nach § 4 Abs 2a ist entweder ein summierter Marktanteil der vermuteten (höchstens drei) Oligopolisten von 50 Prozent und oder ein solcher von zwei Dritteln bei höchstens fünf beteiligten Unternehmen (vgl Bardong, aaO, Rn 216). Die Marktanteile müssen von der „Gesamtheit“ einer Gruppe von Unternehmen, die unter Oligopolverdacht steht, erreicht werden, die Anteile sind also summiert für alle Unternehmen einer entsprechenden Gruppe zu berechnen. Die Marktanteilsgrenzen von 50% bzw zwei Dritteln stehen alternativ nebeneinander. Wenn drei Unternehmen 50% Marktanteil haben, können sie aber zusammen mit zwei weiteren Unternehmen auch einen Marktanteil von zwei Drittel erreichen. 61 Die materielle Beweislast liegt (wie auch bei der Vermutung der Einzelmarktbeherrschung) bei denjenigen Unternehmen, zu deren Lasten die Vermutung gilt – also hier bei den am vermuteten marktbeherrschenden Oligopol beteiligten Unternehmen. Dies sowohl im Hinblick da rauf, dass zwischen den vermuteten Oligopolmitgliedern – wesentlicher – Wettbewerb herrscht, wie auch darauf, dass die vermuteten Oligopolisten wesentlichem Außenwettbewerb ausgesetzt sind. Vorstoßender Preiswettbewerb einzelner Oligopolmitglieder reicht als solcher nicht aus, insbesondere wenn er auf die Abwehr von Außenseitern gerichtet ist (vgl Bardong, aaO, Rn 228). 62 Eine kollektive marktbeherrschende Stellung zeichnet sich zunächst durch die Möglichkeit zu dauerhaft einheitlichem Verhalten aus, was 196
Begriffsbestimmungen
§ 4 KartG
eine enge Reaktionsverbundenheit, Markttransparenz und Abschreckungsmittel voraussetzt (vgl BGH 20.4.2010, KVR 1/09, Phonak/GN Store, WuW 2010, 661 = WuW/E DE-R 2905 Rn 55). Jedes beteiligte Unternehmen muss wissen, dass es keinen Vorteil aus einem Wettbewerbsvorstoß ziehen kann, weil ein solcher Vorstoß entsprechende Maßnahmen der anderen Unternehmen auslösen würde (aaO). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist die Symmetrie der beteiligten Unternehmen hinsichtlich der Produktpalette, der eingesetzten Technologie und der Kostenstruktur, aber auch das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken, die Nachfragemacht der Marktgegenseite, die Preis elastizität der Nachfrage sowie das Wettbewerbsverhalten zu berücksichtigen (aaO, vgl auch BGH 11.11.2008, KVR 60/07, E.ON/Stadtwerke Eschwege, BGHZ 178, 285 Rn 39). Die Widerlegung der Vermutung der Marktbeherrschung erfordert eine Gesamtbetrachtung, dabei sind alle relevanten Strukturfaktoren zu berücksichtigen. Die Vermutungstatbestände können eine Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse nicht ersetzen. Unternehmenseigenschaften wie vertikale Integration oder Kostenstrukturen sind wichtiger als ein erheblicher Marktanteilsabstand zu dem oder den Marktführer(n). Es kommt auf die Wettbewerbsbedingungen und die tatsächliche Wahrscheinlichkeit eines Parallelverhaltens an (vgl BGH 8.6.2010, KVR 4/09, Springer/Pro Sieben II, WuW 2010, 1261 = WuW/E DE-R 3067 Rn 20 ff). Im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle kommt es auf eine Prognose der zukünftigen Marktbedingungen an, für die Missbrauchsaufsicht ist auch das bisherige Marktverhalten zu berücksichtigen. Lässt der Sachverhalt ernsthafte Zweifel an der Erwartung bestehen, dass es (künftig) wesentlichen Wettbewerb gibt, ist die Widerlegung gescheitert (vgl Bardong, aaO, Rn 230). Im Hinblick auf das Außenverhältnis zwischen der Gesamtheit der ver- 63 muteten Oligopolunternehmen und den auf demselben Markt tätigen Konkurrenten ist die Marktstellung der Oligopolunternehmen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, nicht die Marktstellung einzelner Oligopolisten. Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2a wird ja vermutet, dass es zwischen den Oligopolunternehmen keinen wesentlicher Wettbewerb gibt (vgl Bardong, aaO, Rn 232). Den Oligopolunternehmen in ihrer Gesamtheit werden die am Markt tätigen Wettbewerber des Oligopols einzelnen gegenübergestellt. Dies ist wegen der mangelnden Verbindung der Außenseiter geboten. Soweit die Marktstellung der Gruppe der Oligopolmitglieder jene der Außenseiter deutlich 197
§ 4 KartGGugerbauer überragt, kommt eine Widerlegung der Vermutung mit Blick auf den Außenwettbewerb nicht zum Tragen. Dabei ist aber nicht allein auf die Marktanteile abzustellen, sondern auf die Marktpositionen in einem umfassenden Sinne (vgl Bardong, aaO, Rn 233). 64 Die beiden Widerlegungsmöglichkeiten stehen sich alternativ gegenüber. Der Nachweis einer der beiden Widerlegungsmöglichkeiten reicht aus, um die Vermutung des § 4 Abs 2a aufzuheben. § 4 Abs 2a hat ja kumulativ zwei Voraussetzungen – kein wesentlicher Wettbewerb im Innenverhältnis und zumindest eine überragende Marktstellung im Außenverhältnis (vgl Bardong, aaO, Rn 234).
F. Überragende Marktstellung im Verhältnis zu Abnehmern oder Lieferanten (Abs 3) 65 Nur unwesentlichem Wettbewerb iSv § 4 Abs 1 Z 1 ist auch ausgesetzt, wer iSv § 4 Abs 3 eine überragende Marktstellung im Verhältnis zu Abnehmern oder Lieferanten innehat. Die Frage, ob eine beherrschende Stellung vorliegt, wird dann nicht durch einen Vergleich mit Wettbewerbern, sondern durch die Analyse der Geschäftsbeziehungen mit bestimmten Unternehmen der Marktgegenseite beantwortet. Dieser Marktbeherrschungstatbestand stellt auf eine außergewöhnliche Gewichtsverteilung bei Geschäftsbeziehungen im Vertikalverhältnis ab. Dabei kommt es nicht auf das generelle Machtverhältnis zwischen einem bestimmten Unternehmen und allen tatsächlichen oder potenziellen Abnehmern oder Lieferanten auf dem betroffenen Markt an, sondern auf konkrete „bilaterale“ Beziehungen dieses Unternehmens mit einem bestimmten Anbieter oder Nachfrager. Das relative Gewicht der entsprechenden Geschäftsbeziehungen für das potenzielle Beherrschungsobjekt wird zum Beherrschungsmaßstab. Insoferne wird auch von relativer Marktmacht gesprochen. Eine (bezogen auf Umsatz und/ oder Deckungsbeitrag) Dominanz dieser Geschäftsbeziehungen im Unternehmen des potenziell Beherrschten kann dazu führen, dass diese „Machtstellung“ (nicht die Marktstellung) des Partnerunternehmens Marktbeherrschung indiziert. Als explizite Regelung erleichtert § 4 Abs 3 die die Feststellung von Marktmacht im Rahmen geltender Liefer- und Leistungsverträge. 66 Marktbeherrschung nach § 4 Abs 3 liegt insbesondere dann vor, wenn Abnehmer oder Lieferanten zur Vermeidung schwerwiegender be198
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§ 4 KartG
triebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung mit dem potentiell marktbeherrschenden Unternehmen angewiesen sind (vgl 4 Ob 119/09t; EuGH, 6.4.1995 „Magill“, Slg 1995, I-743, 822; 11.11.1986 „British Leyland“, Slg 1986, 3263, 3299 f; 13.11.1975 „General Motors Continental“, Slg 1975, 1367 1369). Es kommt nicht auf die absolute „Größe“, etwa auf Umsatzerlöse, des prima facie als beherrschend eingestuften Unternehmens an, auch ein im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern „schwaches“ Unternehmen kann aufgrund seiner überragenden „Machtstellung“ gegenüber einem einzelnen Abnehmer oder Lieferanten in dieser Relation als maktbeherrschend qualifiziert werden. Entscheidend ist, ob Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind, die Lieferanten bzw Abnehmer also auf dem relevanten Markt alternative Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen haben (16 Ok 12/13i, 16 Ok 20/04; 4 Ob 187/02g). Die Abhängigkeit von der Marktgegenseite steigt, je weniger Ausweichmöglichkeiten für einen Unternehmer verfügbar sind. Ausweichmöglichkeiten können sich entweder daraus ergeben, dass die unternehmerische Tätigkeit die Umstellung des Angebots bzw der Nachfrage auf andere Waren oder Leistungen ermöglicht oder andere Geschäftspartner zur Verfügung stehen. Bei produzierenden Unternehmen kann wirtschaftliche Abhängigkeit 67 auf einen hohen Spezialisierungsgrad verbunden mit einer geringen Umstellungsflexibilität der Produktionsanlagen zurückzuführen sein. Etwa, dass sie auf die Belieferung mit bestimmten Ersatzteilen angewiesen sind (vgl Europäische Kommission, 8.12.1977 - IV/29.132, Hugin/ Liptons, ABl EG 1978, Nr L 22, S. 23, II. A; EuGH 31.5.19979, Rs 22/78, Hugin, Slg 1979, 1869, Rn 5 ff; 6.4.1995, Slg 1995, I-743, 822 „Magill“). Bei Handelsunternehmen darauf, dass sie von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment (Artikel einer „starken“ Marke) abhängig sind. Bei Produktions-, wie bei Handelsunternehmen kann die Abhängigkeit aber auch damit zusammenhängen, dass sie ihrer Geschäftstätigkeit einseitig auf ein oder wenige Unternehmen der Marktgegenseite fokussiert haben, sich also die Geschäftsbeziehungen auf relativ wenige (oder sogar nur einzelne) Partnerunternehmen beschränken und die aus diesen Geschäftsbeziehungen resultierenden Umsatzerlöse und Deckungsbeiträge einen relativ hohen Anteil der gesamten Umsatzerlöse und Deckungsbeiträge der tendenziell „abhängigen“ Produktions- oder Handelsunternehmen ausmachen. Eine Entwicklung, die dazu zwingt, Produktion oder Vertrieb kurzfristig um199
§ 4 KartGGugerbauer zustellen, könnte dann mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden sein. 68 Schwerwiegende betriebswirtschaftliche Nachteile liegen jedenfalls dann vor, wenn die Existenz des abhängigen Unternehmens bedroht ist, können aber schon gegeben sein, wenn – im Hinblick auf die Finanzkraft des abhängigen Unternehmers – umstellungsbedingte markenbezogene Investitionen in einem relevanten Ausmaß nicht refinanziert werden könnten (sunk costs), in Einzelfällen auch dann, wenn es zu massiven Umsatzeinbußen oder zum Verlust eines erheblichen Teils der Kundschaft und damit zu einem nicht kalkulierbaren Risiko kommt (vgl EuGH, 5.10.1988 „Renault“, Slg 1988, 6039, 6072 f; 5.10.1988 „Volvo / Veng“, Slg 1988, 6211, 6235; Europäische Kommission, XVII. Wettbewerbsbericht, Tz 84 „Oliofiat“). 69 Um ein Abhängigkeitsverhältnis auszuschließen, müssen die sich einem Unternehmen anbietenden Ausweichmöglichkeiten effektiv verfügbar und betriebswirtschaftlich vertretbar sein. Für einen – markengebundenen – Vertragshändler eines bestimmten KFZ-Herstellers (dem der Vertrieb von Neufahrzeugen einer anderen Marke vertraglich untersagt ist) ist beispielsweise (im Falle einer Kündigung dieses Vertrages) eine Ausweichmöglichkeit nur dann verfügbar, wenn die Netzplanung eines anderen KFZ-Herstellers im bisherigen Marktverantwortungsgebiet des Händlers einen Vertragshändler-Standort vorsieht, aber für dieses Marktverantwortungsgebiet noch kein Händlervertrag abgeschlossen wurde. Ob eine derartige Ausweichmöglichkeit, so sie denn grundsätzlich vorhanden ist, auch konkret nutzbar und objektiv zumutbar ist, bestimmt sich etwa danach, welche Belastungen für den Händler aus der Erfüllung von – anderen – Standards eines anderes Geschäftspartners (Corporate Design des Schauraums, Spezialwerkzeuge und Diagnosegeräte für die Werkstatt, markenspezifische Schulung der Mitarbeiter) zu bewältigen wären, bzw wie die innerbetriebliche Umstellungsflexibilität des abhängigen Unternehmens beschaffen ist. 70 Generalimporteure von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke sind also marktbeherrschende Unternehmen iSv § 4 Abs 3, wenn der Wechsel eines Vertragshändlers dieser Marke zu dem Lieferanten einer anderen Marke mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist (4 Ob 148/07d; 4 Ob 62/98s; zum dt Recht vgl BGH 23.2.1988 – KZR 20/86; 21. Februar 1995 – KZR 33/93; 30.3.2011, KZR 200
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6/09 und 7/09). Unter solcher Machtverhältnissen kann am Markt Druck ausgeübt werden, die Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Beherrscher oder die Verlängerung des Vertragsverhältnisses unter nachteiligen Bedingungen zu akzeptieren. Der sachlich nicht gerechtfertigten Abbruch von geschäftlichen Beziehungen zu einem abhängigen Unternehmen fällt unter das Mißbrauchsverbot des § 5 (16 Ok 22/97; 16 Ok 12/03; 16 Ok 23/04). Auch die Einkaufsmacht einer Einzelhandelskette kann zur Markt- 71 macht werden: Lieferanten haben regelmäßig geringere Gewinnmargen und können deshalb den Wegfall eines wesentlichen Abfallkanals nicht kompensieren, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Insofern kann auch im Verhältnis zwischen Einzelhandelsketten als Nachfragern und Lieferanten ein relevantes „Kräfteungleichgewicht“ bestehen (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die Formulierung des § 4 Abs 3, dass ein Unternehmen unter be- 72 stimmten Umständen als marktbeherrschend „gilt“, stellt eine gesetzliche Vermutung dar. Dieser Vermutungstatbestand bürdet dem mit relativer Marktmacht ausgestatteten Unternehmen in einem entsprechenden Verfahren die materielle Beweislast auf, es muss Umstände vorbringen und nachweisen, die die vermutete überragende Marktstellung widerlegen. Der Umstand, dass die Abhängigkeit im Einzelfall selbstverschuldet ist, weil etwa ein benachteiligender Vertrag abgeschlossen, die rechtzeitige Produktdiversifikation oder der Abschluss von Vertriebsverträgen mit zusätzlichen Unternehmen verabsäumt wurde, berührt die Feststellung objektiv vorhandener Marktmacht nicht (vgl Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, Art 102 AEUV Rn 85). Die Bestimmung des Abs 3 stellt auf die „Aufrechterhaltung“, nicht 73 auf die „Begründung“ von Geschäftsbeziehungen ab. Für Unternehmen mit relativer Marktmacht besteht kein Kontrahierungszwang dahingehend, jeden von einem Dritten gewünschten Vertrag abschließen zu müssen. Wenn ein Unternehmen, das mit einem Unternehmen mit relativer Marktmacht noch keine Geschäftsbeziehungen unterhält, von diesem Unternehmen künftig beziehen oder dieses Unternehmen künftig beliefern will, kann im Hinblick auf dieses Unternehmen Marktbeherrschung allenfalls nach den Bestimmungen von Abs 1 und 2, nicht aber nach Abs 3 geltend gemacht werden. Dass der Marktbeherrscher nach Abs 1 oder 2 über eine „essential facility“ verfügt 201
§ 5 KartGGugerbauer und damit nicht nur gegenüber seinen Wettbewerbern, sondern auch gegenüber potenziellen Geschäftspartnern (potenziellen Abnehmern oder Lieferanten) einem Kontrahierungszwang unterliegt, wird nur bei Vorliegen strenger Anforderungen anzunehmen sein (vgl EuGH 26.11.1998 – C-7/97, Slg 1998 I-7791 „Bronner“). Eine Pflicht zum Vertragsabschluss ist dort zu bejahen, wo die beherrschende Stellung sittenwidrig ausgenützt worden ist. Ein missbräuchliches Unterlassen – insbesondere in Form einer Lieferverweigerung – wird dann zugerechnet, wenn das Verhalten durch keine objektiven Gründe gerechtfertigt ist. Ist bereits mit anderen Nachfragern kontrahiert worden, hat dies auch mit neuen Nachfragern zu erfolgen, die als geeignete Vertragspartner in Betracht kommen. Die Grenze der Kontrahierungspflicht ergibt sich aus der Eignung der Geschäftsanbahnenden zur Durchführung des Geschäfts und aus vorhandenen Kapazitäten des Marktbeherrschers (16 Ok 12/13).
Missbrauchsverbot § 5. (1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten. Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen: 1. der Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen sind, 2. der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher, 3. der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen, 4. der an die Vertragsschließung geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen, 5. dem sachlich nicht gerechtfertigten Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis. 202
Missbrauchsverbot
§ 5 KartG
(2) Im Fall des Abs. 1 Z 5 trifft den marktbeherrschenden Unternehmer die Beweislast für die Widerlegung des Anscheins eines Verkaufs unter dem Einstandspreis sowie für die sachliche Rechtfertigung eines solchen Verkaufs. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Missbrauch von Marktmacht............................................................. 1–6 II. Verhältnis zum EU-Kartellrecht....................................................... 7–10 III. Missbräuchliche Verhaltensweisen.................................................... 11–80 A. Generalklausel................................................................................. 11–18 1. Preis- und Konditionenmissbrauch......................................... 19–47 a) An- und Verkaufspreise........................................................ 19–22 b) Rabatte und Boni.................................................................. 23–26 c) Vergleichsmarktmethode..................................................... 27–42 d) Geschäftsbedingungen......................................................... 43–47 2. Einschränkung von Erzeugung, Absatz oder Entwicklung. 48– 57 3. essential facilities......................................................................... 58–60 4. Diskriminierung ........................................................................ 61–70 5. Koppelungsgeschäfte ................................................................ 71–73 6. Verkauf unter dem Einstandspreis.......................................... 74–80 a) Kampfpreisunterbietung..................................................... 76–80 IV. Kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht im Verhältnis zu anderen Normen.................................................................................. 81–84
I. Missbrauch von Marktmacht Wenn ein den anderen Marktteilnehmern nach bestimmten Kriterien 1 wirtschaftlich überlegenes Unternehmen auf das Marktgeschehen in 203
§ 5 KartGGugerbauer einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten, liegt ein Missbruch einer marktbeherrschenden Stellung vor (16 Ok 1/12; 16 Ok 6/08). Erfasst werden sämtliche Verhaltensweisen, die die Strukturen eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs abweichen (RIS-Justiz RS0063530; 16 Ok 9/15g). Grundsätzlich sind zwei Missbrauchsvarianten zu unterscheiden: Die Beeinträchtigung von Wettbewerbschancen anderer Unternehmen und damit die Gefährdung von Wettbewerb (Marktstrukturen) einerseits und die Übervorteilung von Abnehmern oder Lieferanten andererseits. Für diese Alternativen haben sich die Bezeichnungen „Behinderungsmissbrauch“ und „Ausbeutungsmissbrauch“ durchgesetzt (9 Ob 66/07g). Behinderung (insbesondere die Verdrängung von Wettbewerbern, indem zu anderen Mitteln als denjenigen des Leistungswettbewerbs gegriffen wird, um auf diese Weise die eigene Stellung zu stärken) und Ausbeutung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen sind nach § 5 verboten (4 Ob 23/08y). Ein und derselbe Sachverhalt kann beide Missbrauchstatbestände verwirklichen. 2 Durch die kartellgerichtliche Missbrauchsaufsicht soll verhindert werden, dass auf Märkten, die von einem Unternehmen (oder von Oligopolisten) beherrscht werden, die Marktgegenseite und/oder Wettbewerber wirtschaftlich ausgebeutet und/oder behindert wird/werden. Das KartG sieht die Abstellung einer Zuwiderhandlung (§ 26), die Feststellung einer Zuwiderhandlung (§ 28) Geldbußen (§ 29) und Schadenersatz (§§ 37a ff) vor. Missbräuchliches Verhalten marktbeherrschender Unternehmen kann auch dann noch mit einem Abstellungsantrag aufgegriffen werden, wenn es zwar bereits beendet ist, seine Auswirkungen aber (etwa aufgrund des langfristigen Charakters der mit den Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens abgeschlossenen Verträge) noch andauern. Wenn beispielsweise ein Dauerschuldverhältnis begründet wurde und der Wettbewerb in der vom Gesetz verpönten Weise während der gesamten Vertragsdauer nachteilig beeinflusst werden kann, sind Mitbewerber nicht auf die die Geltendmachung von Schadenersatzansprüche beschränkt. Vorrangi204
Missbrauchsverbot
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ges Anliegen der Rechtsordnung ist die effiziente Wiederherstellung des Wettbewerbs und nicht der – stets nur ein Surrogat bildende – geldwerte Ausgleich von dessen Beeinträchtigung (16 Ok 8/08; 16 Ok 13/08). Ein Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherr- 3 schenden Stellung bewirkt – wie jeder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot – gem § 879 Abs 1 ABGB die Nichtigkeit der den Missbrauch verwirklichenden Handlung, etwa eines Vertrages bzw Vertragsbestandteils (16 Ok 3/11; 16 Ok 14/04; 9 Ob 66/07g). Das Verfahren vor dem KartG hat aber nicht den Zweck, über die zivilrechtlichen Folgen von Verträgen, die dem Missbrauchsverbot widersprechen, zu entscheiden. Das KartGer kann kartellrechtswidrig abgeschlossene Verträge nicht für nichtig erklären (16 Ok 13/08; 16 Ok 14/04). Der Missbrauch kann auf einem von einem Unternehmen beherrsch- 4 ten, oder auf einem dem beherrschten Markt (horizontal oder vertikal, sachlich oder räumlich) benachbarten Markt stattfinden, soweit das Unternehmen aufgrund seiner beherrschenden Stellung auf dem ersten Markt und seiner Präsenz auf dem benachbarten Markt sich auch auf dem benachbarten Markt unabhängig von seinen Abnehmern verhalten kann (vgl EuGH Rs C-333/94 P, Tetra Pak II, Slg 1996, I-5951). Wenn der beherrschte und der vom Missbrauch betroffene Markt nicht völlig isoliert nebeneinander stehen, sondern zwischen beiden eine enge Verbindung besteht, treffen den Marktbeherrscher die aus seiner beherrschenden Marktposition folgenden besonderen kartellrechtlichen Verhaltenspflichten daher auch auf dem verbundenen Markt. Ein kausaler Zusammenhang zwischen einer marktbeherrschenden Stellung und einem missbräuchlichen Verhalten ist nicht erforderlich, um den Tatbestand des Missbrauchsverbots zu erfüllen (vgl 16 Ok 11/04; 16 Ok 12/04). Der räumliche Anwendungsbereich des Missbrauchsverbotes bestimmt sich nach § 24 Abs 2. Maßgeblich ist, ob sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist (Auswirkungsprinzip). Der sachliche Anwendungsbereich des Missbrauchsverbotes ist durch in § 24 Abs 3 angeführte Bereichsausnahmen eingeschränkt. In Missbrauchsverfahren ist eine sorgfältige Abwägung der einander 5 widerstreitenden Interessen vorzunehmen (16 Ok 1/12; 16 Ok 13/08). 205
§ 5 KartGGugerbauer Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet einem marktbeherrschenden Unternehmen nicht nur die Verfolgung eines grundsätzlich legitimen unternehmerischen Zwecks mit unlauteren Mitteln, sondern darüber hinaus auch alles, was den Vertragspartner in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit mehr als erforderlich einschränkt (4 Ob 187/02g). 6 Es kommt alleine auf das objektive Verhalten, also die Verwirklichung eines bestimmten Missbrauchstatbestandes an, die subjektive Seite im Sinne eines vorwerfbaren Verschuldens spielt keine Rolle (16 Ok 9/15g). Zur Verwirklichung des Tatbestands des § 5 ist also keine wettbewerbschädliche Absicht des Marktbeherrschers erforderlich, die objektive Eignung eines Verhaltens, den verpönten Erfolg herbeizuführen, genügt (16 Ok 13/08; 4 Ob 23/08y).
II. Verhältnis zum EU-Kartellrecht 7 Für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 5 ist Voraussetzung, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt (auf den gesamten oder auf Teile davon) auswirkt (§ 24 Abs 2). Das Missbrauchsverbot nach Art 102 AEUV ist dagegen nur auf solche Verhaltensweisen anwendbar, die geeignet sind, den Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das sog Zwischenstaatlichkeits-Kriterium wird in der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission und der Rechtssprechung der Unions-Gerichte grundsätzlich weit ausgelegt. Es ist nicht notwendig, dass Verhaltensweisen den Handel zwischen dem gesamten Gebiet eines Mitgliedstaates und demjenigen eines anderen Mitgliedstaates beeinträchtigen. Art 102 AEUV kommt auch in Fällen zur Anwendung, in denen nur ein Teil eines Mitgliedstaates betroffen ist (vgl Leitlinien der Europäischen Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl 2004 C 101, Rn 21). Auf eine „Spürbarkeit“ kommt es dabei nicht an, „Spürbarkeit“ ist nur ein – ungeschriebenes – Tatbestandsmerkmal von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen iSv Art 101 AEUV (16 Ok 9/15g). 8 Die weite Interpretation des Zwischenstaatlichkeitskriteriums führt dazu, dass im Bereich der Missbrauchsaufsicht auf denselben Sachverhalt allenfalls sowohl § 5 wie auch Art 102 AEUV zur Anwen206
Missbrauchsverbot
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dung gelangen kann. Das in der Verordnung 1/2003 (EU) verankerte Prinzip des Vorrangs von Art 101 AEUV gegenüber nationalem Wettbewerbsrecht gilt nicht für Art 102 AEUV: Auf Grund der Ausnahmeermächtigung in Art 3 Abs 2 Satz 2 VO 1/2003 dürfen EUMitgliedstaaten selbst für Sachverhalte, die das „Zwischenstaatlich keits“-Kriterium erfüllen, strengere innerstaatliche Regelungen zur Unterbindung oder Ahndung missbräuchlicher Verhaltensweisen einführen, als in Art 102 AEUV vorgesehen (vgl VO [EG] Nr 1/2003, ErwGr Rn 8). In Österreich gibt es teilweise schon für das Kriterium der Marktbeherrschung (§ 4) striktere Regelungen, beispielsweise wird Marktbeherrschung bereits bei einem Marktanteil von 30% (§ 4 Abs 2 Z 1) oder bei einer überragenden Marktstellung im Verhältnis zu Abnehmern oder Lieferanten (§ 4 Abs 3) vermutet. Und Missbrauchstatbestände wie Preis- und Konditionenmissbrauch (§ 5 Abs 1 Z1) oder der Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis (§ 5 Abs 1 Z 5 und Abs 2 KartG) sind in Art 102 AEUV nicht (zB der Missbrauch durch Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis) oder anders definiert. Soweit auf ein und denselben Sachverhalt sowohl § 5 wie auch Art 102 AEUV zur Anwendung gelangen kann und § 5 eine strengere Regelung enthält, kommt aufgrund der Ausnahmeermächtigung in Art 3 Abs 2 zweiter Satz der VO 1/2003 das KartG zur Anwendung. Zur angestrebten Stärkung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in 9 der wettbewerbsrechtlichen Analyse („more economic approach“) bei der Anwendung des Art 102 AEUV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch vgl die Mitteilung der Kommission zu Durchsetzungsprioritäten, ABl C 2009/45, 7: Die Europäische Kommission anerkennt prinzipiell die Möglichkeit der Rechtfertigung wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen, wie auch einen Test „des zumindest genauso effizienten Wettbewerbers“ („as-efficient-competitor-test“). Die Rsp verlangt für die Verwirklichung des Tatbestandes des Missbrauchs der Marktbeherrschung allerdings keinen Nachweis eines konkreten ökonomischen Schadens („consumer loss“; vgl EuGH 15.3.2007, C-95/04 P, British Airways, Slg 2007, I-2331). Für die Beurteilung der Generalklausel des § 5 Abs 1 Satz 1 („Der Miss- 10 brauch einer marktbeherrschenden Stellung ist verboten“) und der in § 5 Abs 1 Z 1 bis 5 angeführten Missbrauchstatbestände sind auch die zu Art 102 AEUV ergangenen Entscheidungen heranzuziehen (RISJustiz RS0110382; 16 Ok 9/15g; 16 Ok 1/12; 16 Ok 7/12). 207
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III. Missbräuchliche Verhaltensweisen A. Generalklausel 11 Unter die Generalklausel des § 5 fallen sämtliche Handlungsbeschränkungen, vor allem Ausschließlichkeitsbindungen, die ein marktbeherrschendes Unternehmen Vertragspartnern auferlegt. Derartige Bindungen greifen nicht nur in die Handlungsfreiheit der Vertragspartner ein, sie eignen sich auch für die Verfolgung wettbewerbsfeindlicher Ziele, etwa die Behinderung von Konkurrenten oder die Aufteilung von Märkten (16 Ok 14/08). So kann eine Kunden auferlegte Verpflichtung, ihren Bedarf zur Gänze bei einem marktbeherrschenden Unternehmen zu decken, zur Behinderung von Mitbewerbern führen und mit dem Leistungswettbewerb unvereinbar sein. Da durch Bezugsbindungen und ausschließlichen Lieferpflichten Kunden oder Lieferanten ausschließlich an das marktbeherrschende Unernehmen gebunden werden, werden sie damit gleichzeitig den Wettbewerbern als Nachfrager oder Lieferanten entzogen (vgl 16 Ok 14/08). Mit anderen Worten werden nicht nur die Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens benachteiligt, sondern aktuelle und potenzielle Wettbewerber im Wettbewerb behindert. Bei den Vertragspartnern kann die Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durch den Marktbeherrscher neben einer Behinderung auch Ausbeutung bewirken. 12 Für die Missbräuchlichkeit von Bezugsbindungen und ausschließliche Lieferpflichten spielt es keine Rolle, ob diese vom Marktbeherrscher mit rechtlichen oder faktischen Mitteln erreicht wurden bzw ob diese erzwungen wurden oder freiwillig zustande kamen (vgl 16 Ok 14/08; EuG 23.10.2003, T-65/98, Van den Bergh/Kommission, Slg 2003, II4653). Um tatbestandsmäßig zu handeln ist es nicht erforderlich, dass das marktbeherrschende Unternehmen auf andere Marktteilnehmer aktiv Druck ausübt. Es genügt schon, wenn der Marktbeherrscher seinen aus der Abhängigkeit des Partners resultierenden Handlungsspielraum „wahrnimmt“. Dass die Bindung möglicherweise auch im Interesse des Kunden liegt oder sogar auf seinen Wunsch vereinbart wurde, ändert daran nichts. Maßgebend sind nur der Bindungsgrad und die Auswirkungen auf den Restwettbewerb. Die Ausschlusswirkung ist nach der Größe des gebundenen Anteils an der Gesamtnachfrage und der Laufzeit der Bindung zu beurteilen (16 Ok 7/12). „Englische Klauseln“ sollen zwar manchmal Bezugbindungen abmildern, der wettbe208
Missbrauchsverbot
§ 5 KartG
werbsbeschränkende Effekt einer ausschließlichen Bezugsbindung wird dadurch aber eher noch verstärkt: Die Verpflichtung des Vertragspartners, dem Marktbeherrscher Angebote von anderen Anbietern offen zu legen, wird diesem die Identifizierung seiner Konkurrenz erleichtert (EuGH 13.2.1979, Rs 85/76, Hoffmann-La Roche, Slg 1979, 461 Rn 102-108). Ein Missbrauch der Marktmacht ist anzunehmen, wenn die vom markt- 13 beherrschenden Unternehmen als Voraussetzung für den Vertragsabschluss (wie auch für die Aufrechterhaltung eines Vertragsverhältnisses) genannten Bedingungen ihrem Inhalt nach nicht gerechtfertigt sind, weil sie bloß unternehmenseigenem Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmens dienen oder wenn der Marktbeherrscher dem Vertragspartner Verpflichtungen auferlegt, die für die Verwirklichung eines an sich legitimen Ziels entbehrlich sind und damit die Freiheit des Vertragspartners unbillig beschränkt (4 Ob 187/02g mwN; vgl auch BWB, Stellungnahme zum Kfz-Sektor vom Herbst 2016, S 4). Eine Rechtfertigung ist in aller Regel schwierig (vgl 16 Ok 8/10; 16 Ok 14 14/08). Aber auch unbefristete Ausschließlichkeitsbedingungen marktbeherrschender Unernehmen können eine nur geringe Bindungs- und damit Abschottungswirkung entfalten, wenn sie unter Einhaltung kurzer Kündigungsfristen aufgelöst werden können. Im Einzelfall ist zu überprüfen, ob die Option einer Kündigung mit kurzen Kündigungsfristen realistisch ist (16 Ok 7/12). Und selbst eine auf kurze Dauer vereinbarte Alleinbezugbindung kann zu einer Marktverschließung führen, wenn das marktbeherrschende Unternehmen für den betroffenen Abnehmer ein nicht zu umgehender Handelspartner ist (vgl Europäische Kommission, Mitteilung zu den Durchsetzungsprioritäten, ABl C 2009/45, 7 Rn 36). Verträge mit langer Laufzeit hindern den Vertragspartner eines Marktbeherrschers auch ohne Verpflichtung zur Deckung des gesamten Bedarfs daran, auf Veränderungen des Marktes zu reagieren und Leistungen von anderen Anbietern zu beziehen. Neben Bezugsbindungen und ausschließlichen Lieferpflichten können 15 auch Vertriebs- und Verwendungsbeschränkungen den Wettbewerb sowohl auf Ebene des Marktbeherrschers selbst, wie auch bei den Vertragspartnern des Marktbeherrschers beschränken. Sie sind grundsätzlich zulässig, müssen aber nach objektiven Kriterien eingesetzt werden (vgl EuGH 4.2.1978, Rs 27/76, United Brands, Slg 1978, 207 Rn 130– 138 und 152–160). Das beherrschende Unternehmen ist nach dem Ver209
§ 5 KartGGugerbauer hältnismäßigkeitsprinzip verpflichtet, den Vertragspartner nicht stärker zu binden, als es für den Vertragszweck unerlässlich ist. 16 Auch einem marktbeherrschenden Lieferanten ist ein legitimes Interesse an einem einheitlichen Auftritt seiner Vertriebspartner sowie der Positionierung, Pflege und Entwicklung seiner Marke zuzubilligen, weswegen die Erteilung gewisser Vorgaben für den Vertrieb grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Das gilt auch für Vorgaben, die eine umfassende und fachgerechte Erbringung von Service- und Wartungsdienstleistungen sicherstellen sollen. Allerdings sind dabei auch die (wirtschaftlichen) Interessen der Vertragspartner zu berücksichtigen. Im Einzelfall können sich daher Vorgaben als missbräuchlich erweisen. Etwa dann, wenn der geforderte Investitionszyklus auffällig von der üblichen Abschreibungsdauer für das betreffende Vermögensgut abweicht (dies gilt umso mehr, wenn durch die geforderte Investition zuvor ebenfalls vom marktbeherrschenden Vertragspartner veranlasste Investitionen vorzeitig entwertet werden), wenn die geforderte Investitionshöhe in einem auffälligen Missverhältnis zu den Umsatz- und Ertragschancen des Vertriebspartners steht, betriebswirtschaftlich unvernünftige oder unvertretbare Investitionen gefordert werden oder eine Bindung für bestimmte Waren und Leistungen an bestimmte Bezugsquellen besteht, insbesondere wenn diese einem Drittvergleich nicht standhalten. In solchen Situationen kommt es zu einer unbilligen Ungleichverteilung von Kosten und Nutzen der Maßnahmen zu Gunsten des marktbeherrschenden Vertragspartners (vgl BWB, Stellungnahme, S 5). 17 Macht ein marktbeherrschender Lieferant finanzielle Leistungen an seine Vertriebspartner (teilweise) von der Zufriedenheit der Kunden der Vertriebspartner abhängig, muss die Bewertung der Kundenzufriedenheit im Rahmen eines objektiven, transparenten und nachvollziehbaren Systems erfolgen. Das Vorliegen bestimmter Elemente, die – allenfalls in Kumulation – auf eine willkürliche Gewährung von Teilen der Handelsspanne oder von Boni hindeuten, kann einen Missbrauch indizieren. Dies gilt etwa für die willkürliche Festsetzung von Zielwerten bzw die Verwendung dynamischer Zielwerte, die sich nicht an der Erreichung objektiver Zielgrößen orientieren (zB: „Die drei schlechtest gereihten Vertriebspartner erhalten keine Vergütung“, wenn dies unabhängig davon geschieht, welche Kundenzufriedenheit diese Vertriebspartner tatsächlich erreichen); für die Abfrage der Zufriedenheit unter Verwendung unüblicher Bewertungsschemata; für fehlende Transparenz und Rückmeldung über das Zustandekommen von Ergeb210
Missbrauchsverbot
§ 5 KartG
nissen. Werden finanzielle Leistungen des Marktbeherrschers mit solchen Elementen junktimiert, kann dies missbräuchlich sein, dies insbesondere dann, wenn es sich bei den finanziellen Leistungen um (Teile der) Händlerspannen handelt (vgl BWB, Stellungnahme, S 7). Auf Beteiligungsvorgänge ist § 5 nicht anwendbar; den spezielleren Re- 18 geln über die Zusammenschlusskontrolle kommt der Vorrang zu. Andernfalls würde das in § 36 Abs 2 festgelegte Antragsmonopol umgangen. Einzelne Mitbewerber könnten dann über den Umweg des Missbrauchsverbots einen Einfluss auf das Zusammenschlussverfahren erlangen, den ihnen der Gesetzgeber gerade nicht zubilligen wollte. Nur die BWB und der Bundeskartellanwalt sind zur Geltendmachung eines allfälligen Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Zusammenschlusskontrolle legitimiert. Der Gesetzgeber hat den Einfluss von Mitbewerbern bei der Zusammenschlusskontrolle bewusst auf die Erstattung von Stellungnahmen gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde beschränkt und ausdrücklich angeordnet, dass der Einschreiter kein Recht auf eine bestimmte Behandlung seiner Äußerung hat (§ 10 Abs 4). Auch aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Missbrauchs tatbestand von der Zusammenschlusskontrolle abzugrenzen ist (16 Ok 6/10). Auch die Europäische Kommission erklärte, das Missbrauchsverbot (des Art 102 AEUV) auf Zusammenschlüsse iSv Art 3 FKVO nicht anwenden zu wollen (6. ErwGr der FKVO 2004; 7. ErwGr der FKVO 1989). Ein Zusammenschluss kann aber dann den Missbrauchstatbestand erfüllen, wenn zur bloßen Verstärkung der Marktposition eines marktbeherrschenden Unternehmens „besondere Umstände“ hinzutreten, wie zB eine praktische Ausschaltung des Wettbewerbs (16 Ok 6/10). 1. § 5 Abs 1 Z 1 – Preismissbrauch a) An- und Verkaufspreise Wenn die Leistungen eines beherrschenden Unternehmens, insbeson- 19 dere unter Berücksichtigung der von ihm geforderten (wenn auch nicht immer durchgesetzten) Preise und Bedingungen, für die Marktgegenseite signifikant ungünstiger sind, als sie bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit durchsetzbar wären, wird dies als Ausbeutungsmissbrauchs qualifiziert. § 5 Abs 1 Z 1 erfasst nicht nur das Fordern überhöhter Preise durch Anbieter von Waren oder Dienstleistungen, sondern auch das Fordern von missbräuchlich niedrigen Prei211
§ 5 KartGGugerbauer sen (dh von entsprechend hohen Preisnachlässen) durch Nachfrager. Im Einkauf ist ein Preis missbräuchlich niedrig, wenn er von einem Nachfrager nur aufgrund seiner Marktmacht unter das bei wirksamem Nachfragewettbewerb mögliche Niveau gedrückt wird. Ein Einkaufspreis ist vor allem dann unangemessen, wenn er die Gestehungskosten des Lieferanten nicht deckt oder ihm keinen angemessenen Gewinn ermöglicht. Das „Fordern“ eines missbräuchlichen Preises ist nicht auf Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Vertrages, etwa eines Kaufvertrages, beschränkt, sondern erfasst auch die Weigerung eines Marktbeherrschers, Preise im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses anzupassen (vgl z dt Recht BGH KVR 13/83, WuW/E BGH 2103). Ausbeutungsmissbrauch ist nicht nur gegenüber privaten Endverbrauchern, sondern auch gegenüber Unternehmen tatbestandsmäßig. 20 Die tatsächlichen Austauschbedingungen, die das Unternehmen dank seiner Marktmacht durchsetzt, sind mit den (hypothetischen) Bedingungen bei wesentlichem Wettbewerb zu vergleichen. Die Nachfragemacht eines Unternehmens kann selbst beim gleichen Produkt gegenüber unterschiedlichen Anbietern – in relevantem Ausmaß – unterschiedlich groß sein: In bestimmten Branchen sind Preise einfach das Ergebnis bilateraler Verhandlungen. Beim Fordern unangemessen hoher Preise iSd § 5 Abs 1 Z 1 muss notwendigerweise ein gewisser „Abstand“ zu Marktpreisen vorliegen, um den Tatbestand der Missbräuchlichkeit zu erfüllen. Die Überschreitung eines wettbewerbsanalogen Preises begründet nur dann die Annahme eines Missbrauchs, wenn der strittige Preis, gemessen an Vergleichsmärkten oder Gewinnspanne, „erheblich“, „eindeutig“ bzw „stark“ überhöht ist (16 Ok 9/15g; 16 Ok 13/13; EuGH 13.11.1975, Rs 26/75, General Motors, Slg 1975, 1367, Rn 15 und 16). Preisunterschiede von 7% zwischen den Produkten des Marktbeherrschers und jenen seiner bedeutendsten Wettbewerber müssen daher nicht als unangemessen angesehen werden (EuGH 4.2.1978, Rs 27/76, United Brands, Slg 1978, 207 Rn 266). Dem Verbot ist ja ein gewisses Unwerturteil inhärent (vgl 16 Ok 13/13). Die Senkung der von einem beherrschenden Nachfrager angebotenen Preise (der Verschleißprovision auf dem Markt für den Vertrieb von Postwertzeichen) um 70% ist dagegen als eindeutig missbräuchlich eingestuft worden (vgl 16 Ok 14/03). 21 Warum oder wie es auf dem beherrschten Markt zu überhöhten Preisen gekommen ist, ist irrelevant. Es bleibt auch unbeachtlich, ob die über212
Missbrauchsverbot
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höhten Preise zu überhöhten Gewinnen geführt haben, oder ob sie in Ineffizienzen des beherrschenden Unternehmens „investiert“ wurden. Setzt sich ein Preis aus mehreren Bestandteilen zusammen, ist für die Missbrauchskontrolle das Gesamtentgelt maßgebend. Denn Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung wird nicht durch die Art der Preisfindung, sondern durch deren Ergebnis verwirklicht. Deshalb reicht die Missbräuchlichkeit einzelner Entgeltbestandteile nicht zum Nachweis eines Missbrauchs im Sinn des § 5 Abs 1 Z 1 aus (16 Ok 13/13). Entgeltbestandteile können trotzdem relevant sein. So kann die Berufung auf eine Mehrheit von Preisbildungsfaktoren, von denen anzunehmen ist, dass auf ihrer Grundlage kalkulierte Preise bei wirksamem Wettbewerb auf dem Markt nicht durchgesetzt werden könnten, ein Indiz dafür sein, dass der so kalkulierte Preis missbräuchlich überhöht ist. Aus dem Umstand, dass die Preissenkung eines Vorlieferanten nicht 1:1 weitergegeben wird, ist nicht zwingend eine missbräuchliche Preisgestaltung abzuleiten. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen ist berechtigt, die zum 22 Schutz seiner Geschäftsinteressen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn diese in einem angemessenen Verhältnis zur Bedrohung stehen (vgl 29 Kt 13, 14/08; EuGH 14.2.1978, Rn 27/76, United Brands, Slg 1978, 207 Rn 184 ff; EuGH 16.9.2008, verb. C-468/06 ua, Sot. Lelos ua/GlaxoSmithKline, Slg 2008, I-7139 Rn 69, 76). Gegebenenfalls kommt eine Rechtfertigung höheren Preise durch objektive Gründe in Betracht. Die Darlegungs- und Beweislast für Rechtfertigungsgründe liegt beim beherrschenden Unternehmen (vgl EuGH 13.7.1989, Rs 395/87, Tournier, Slg 1989, 2521). Eine unternehmerische Fehlentscheidung, einen von einem marktbeherrschenden Abnehmer angebotenen Preis zu akzeptieren, obwohl dieser nicht (nicht einmal bei Vollauslastung der Kapazitäten) rentabel sein konnte, kann dem marktbeherrschenden Abnehmer nicht angelastet werden. Auch ein Abnehmer in marktbeherrschender Stellung ist nicht verpflichtet, zugunsten eines abhängigen Lieferanten bewusst Verlustgeschäfte einzugehen und dessen Ware zu Preisen abzunehmen, um die er sie mit Sicherheit nicht weiterverkaufen kann (16 Ok 5/09). Das marktbeherrschende Unternehmen darf seine Preise den Preisen seiner Wettbewerber anpassen, wenn eine objektive Verdrängungswirkung zu beobachten ist („meeting competition defense“, EuGH 2.4.2009, C-202/07 P, France Télécom, Slg 2009, I-2369 Rn 56). Dies selbst dann, wenn dadurch zu einer Ungleichbehandlung zwischen von einem Wettbewerber umworbenen 213
§ 5 KartGGugerbauer Kunden und den sonstigen Kunden des Marktbeherrschers führt. Dann liegt keine Diskriminierung iSv § 5 Abs 1 Z 3 vor. b) Rabatte und Boni 23 Rabattsysteme eines marktbeherrschenden Unternehmens können Ausbeutungs-, wie auch Behinderungselemente aufweisen. Vom Marktbeherrscher gewährte Rabatte dürfen nicht darauf abzielen, dem Kunden die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen zu erschweren oder zu versperren. Sie dürfen auch nicht den Zugang von Wettbewerbern zum Markt behindern oder Konkurrenten vom Markt verdrängen. Schließlich darf ein Rabattsystem auch nicht die Verstärkung der beherrschenden Stellung eines Unternehmers bezwecken. Rabatte eines Marktbeherrschers müssen ökonomisch gerechtfertigt sein, etwa als Gegenleistung für erhöhte Absatzmengen eines Kunden (linear kalkulierte Mengenrabatte), geringere Transportkosten (Selbstabholung), geringere Marketingkosten oder die Übernahme besonderer Funktionen beim Absatz des Produktes durch den Abnehmer (vgl EuG Rs T-203/01, Michelin, Slg 2003, II-4071; EuGH 19.4.2012, C-549/10 P, Tomra Systems ASA/Europäische Kommission, Rn 71). Auch Funktionsrabatte, etwa Markteinführungsrabatte, sind zulässig. 24 Rabatte eines Marktbeherrschers, die seine Abnehmer dazu veranlassen, den Bezug von Wettbewerbern ganz oder weitgehend zu unterlassen (Treue- oder Zielrabatte), bewirken einen Behinderungsmissbrauch (4 Ob 90/99k; 16 Ok 9/04; 16 Ok 46/05; EuGH 13.2.1979, Rs 85/76, Hoffmann-La Roche, Slg 1979, 461 Rn 97 – 101; EuGH 15.3.2007, C-95/04 P, British Airways/Kommission, Slg 2007 I-2331). Auch Volumensrabatte eines marktbeherrschenden Unternehmers halten den Abnehmer von Verträgen mit anderen Wettbewerbern ab und haben dadurch eine Art wirtschaftlicher Ausschließlichkeitsbindung zur Konsequenz (EuGH 13.2.1979, Rs 85/76, Hoffmann-La Roche, Slg 1979, 461 Rn 97 – 101; EuGH 15.3.2007, C-95/04 P, British Airways/Kommission, Slg 2007 I-2331; EuG 12.6.2014, T-286/09, Intel Rn 72 ff). Sie sollen das individuelle Abnahmepotential eines Kunden (zu Lasten anderer Anbieter) ausschöpfen (vgl 4 Ob 90/99k; 16 Ok 9/04). Ist der marktbeherrschende Lieferant fähig, seine Mitbewerber zu verdrängen und den entprechenden Teil der Nachfrage für sich zu vereinnahmen, ist keine Analyse der konkreten Auswirkungen der Rabatte auf den Wettbewerb erforderlich, da für die Feststellung eines Verstoßes gegen das Miss214
Missbrauchsverbot
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brauchsverbot der Nachweis genügt, dass das fragliche Verhalten eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben kann (aaO, Rn 79). Bei der Beurteilung des Marktmissbrauchs durch Rabatte muss daher auch kein kausaler Zusammenhang zwischen dem verpönten Verhalten des Marktbeherrschers und den tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt nachgewiesen werden (EuG 12.6.2014, T-286/09, Intel Corp./Kommission, Rn 104). Auch eine kurze Dauer der Rabattgewährung oder eine kurzfristige Kündigungsmöglichkeit ändern nichts daran, dass die finanziellen Anreize, den gesamten Bedarf durch Einkäufe bei einem marktbeherrschenden Unternehmen zu decken, Eingriffe in die Marktstruktur darstellen und daher missbräuchlich sind (aaO, Rn 111 – 112). Der Anreiz zum (fast) ausschließlichen Bezug bei einem Unternehmen 25 ist dann besonders stark, wenn für alle Einkäufe eines Kunden in einem bestimmten Bezugszeitraum ein rückwirkender Rabatt, ein Bonus, gewährt wird. Der Verdrängungsmechanismus von Boni setzt nicht vo raus, dass das marktbeherrschende Unternehmen auf Gewinne verzichtet, denn der Durchschnittspreis, den das marktbeherrschende Unternehmen erzielt, kann deutlich über den Kosten liegen und eine im Durchschnitt hohe Gewinnspanne bieten (vgl EuGH 19.4.2012, C-549/10 P, Tomra Systems ASA/Europäische Kommission, Rn 78). Entsteht für Vertragspartner eines Marktbeherrschers der Eindruck, 26 hinsichtlich der Rabatte im beherrschten Markt allein auf das Wohlwollen des Marktbeherrschers angewiesen zu sein, kann dies zu einer Wettbewerbssituation führen, in der für Kunden bei Vertragsverhandlungen über Leistungen und Umsatzvolumen ein psychischer Zwang zum „Wohlverhalten“ entsteht. Unter Umständen kann die Rabattierung einer individuellen Abnahmemenge eines Kunden aber auch zu einer Preisdiskriminierung anderer Abnehmer führen (vgl EuG 30.9.2003, T-203/01, Michelin/Kommission II, Slg 2003, II-4071). Diese Situation würde nur entschärft, wenn für die Gewährung bestimmter Rabatte im beherrschten Markt allgemeine Regeln bestehen würden, Rabatte also nicht individuell verhandelt würden. c) Vergleichsmarktmethode Zur Feststellung eines hypothetischen Wettbewerbspreises verweist § 5 27 Abs 1 Z 1 ausdrücklich auf das Vergleichsmarktkonzept, ohne andere Methoden (arg: „insbesondere“) auszuschließen (16 Ok 13/13). Daher kann alternativ auch auf das Konzept der Kostenkontrolle oder auf je215
§ 5 KartGGugerbauer nes der Gewinnbegrenzung zurückgegriffen werden. Die Methoden können nicht hundertprozentig voneinander abgegrenzt werden, es können auch Mischformen eingesetzt werden. So kommen die Kostenkontrolle und das Konzept der Gewinnbegrenzung vielfach nicht ohne Benchmarks aus anderen Unternehmen oder Branchen aus (vgl Nothdurft, in Langen/Bunte, § 19 GWB, Rn 105). 28 Mit Hilfe der Vergleichsmarktmethode wird zwischen den Produkten (oder Dienstleistungen) des Marktbeherrschers und Produkten (oder Dienstleistungen) auf anderen Märkten Wettbewerb simuliert und so ermittelt, wie hoch ein hypothetischer Wettbewerbspreis wäre. In Frage kommt ein räumlicher, ein zeitlicher und/oder ein sachlicher Vergleich. Bei einem Vergleich des Preises des Marktbeherrschers mit den Preisen für die entsprechenden Waren oder Leistungen auf einem anderen räumlichen Markt, der durch wirksamen Wettbewerb gekennzeichnet ist, kann ein anderer inländischer Teilmarkt oder ein ausländischer Markt Bezugspunkt sein (vgl EuGH 13.11.1975, Rs 26/75, General Motors, Slg 1975, 1367, Rn 11 und 12). 29 Mit Hilfe des zeitlichen Vergleichsmarktkonzeptes wird auf einen Preis rekurriert, der sich auf dem betroffenen Markt früher, bei noch wirksamem Wettbewerb, gebildet hatte (vgl EuGH 11.11.1986, Rs 226/84, British Leyland, Slg 1986, 3263). In der Regel handelt es sich um einen früheren Preis (Preissockel – daher auch „Sockeltheorie“) des Markbeherrschers, vor allem einen Preis, als der nunmehrige Marktbeherrscher noch nicht beherrschend war. Auch wenn der Vergleichspreis zeitlich willkürlich herausgegriffen worden ist, nicht der einzig mögliche Wettbewerbspreis ist und nicht einmal kostendeckend war, lassen bestimmte Abweichungen Rückschlüsse zu. Den Beherrscher treffende Kostensteigerungen, die tendenziell auch bei Wettbewerb zu entsprechend höheren Preisen geführt hätten, müssen berücksichtigt werden. Sprunghafte und exorbitante Preiserhöhungen im Zeitablauf indizieren einen Missbrauch. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich Vermarktungsgewohnheiten und Wertrelationen ändern können: So können früher unentgeltliche Leistungen entgeltlich werden oder sich Zahlungsströme umkehren. Vor allem ist die Preisdifferenz nur dann tatbestandsmäßig, wenn ein Kausalzusammenhang mit der Marktmacht besteht (vgl Nothdurft, aaO, Rn 112). 30 Ein Vergleich mit den Preisen für Waren oder Leistungen auf einem anderen sachlich relevanten Markt ist nur bei sehr ähnlichen, wenn 216
Missbrauchsverbot
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auch nicht austauschbaren Waren oder Leistungen zulässig. Die für die Preisbildung maßgeblichen Bedingungen dürfen sich ebenfalls nicht wesentlich unterscheiden. Unterschiedliche Kosten für Produktion und/oder Vertrieb jener Waren, die der Marktbeherrscher anbietet, und den Vergleichserzeugnissen sind zu berücksichtigen. Allenfalls sind Korrekturauf- oder -abschläge zu berücksichtigen. Der Vergleichsmarkt ist nicht unter dem Gesichtspunkt auszuwählen, 31 dass die Unternehmensstruktur der dort tätigen Unternehmen jener des Marktbeherrschers möglichst gleichen soll, denn dann könnten in einer solchen Unternehmensstruktur begründete Ineffizienzen zu einer falschen Beurteilung führen. Stimmen die Marktverhältnisse weitgehend überein, wird vielfach auch auf dem Vergleichsmarkt kein wirksamer Wettbewerb bestehen. Soweit auch das Vergleichsunternehmen keinem oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist besteht die Gefahr, dass ein ebenfalls missbräuchlich überhöhter Preis als Vergleichsgrundlage herangezogen wird. Dann muss durch eine Überprüfung der Kalkulation des Marktbeherrschers festgestellt werden, ob bzw inwieweit die Preissetzung auf durch die Marktbeherrschung bedingten Ineffizienzen („Monopolsockel“) beruht (vgl Nothdurft, aaO, Rn 130). Gibt es dagegen zwischen den verglichenen Märkten größere Unterschiede, wird der Ansatz, die Preise auf dem Vergleichsmarkt seien der uneingeschränkte Maßstab für das marktbeherrschende Unternehmen, problematisch. Gegebenenfalls müssen daher zum Ausgleich nachgewiesener oder nicht mit Sicherheit auszuschließender Unterschiede Zuschläge zum Vergleichsmarktpreis eingerechnet werden (vgl Nothdurft, aaO, Rn 107 ff). Die Beweislast für die Unangemessenheit des Preis-Leistungs-Verhältnisses liegt beim Antragsteller (vgl EuGH 14.2.1978, Rs 27/76, United Brands, Slg 1978, 207 Rn 264-268). Bei der Festlegung von Korrekturfaktoren sind alle objektiven Parame- 32 ter zu berücksichtigen, die auf dem jeweiligen Markt auch auf die Preisbildung eines anderen Unternehmens als des Beherrschers einwirken würden. Ist der Marktbeherrscher Anbieter, sind unternehmensunabhängige Kosten (aber nicht unternehmensindividuelle Kosten, schon gar nicht konzernintern verrechnete Preise) auf dem beherrschten Markt zu berücksichtigen, die im Verhältnis zum Vergleichsmarkt auch dann zu höheren Preisen führen würden, wenn auf dem beherrschten Markt wirksamer Wettbewerb bestehen würde. Topografische Gegebenheiten, etwa gebietsbezogene Mehrkosten der Logistik von Handelsketten (vgl etwa die häufige Argumentation, warum Verbraucher217
§ 5 KartGGugerbauer preise in Österreich höher als in der Bundesrepublik Deutschland seien) können eine Rolle spielen. 33 Zu den unternehmensindividuellen Faktoren (die nicht zu berücksichtigen sind) zählen zB die Unternehmensgröße (vgl die economies of scale) oder der Erhaltungszustand einer Produktionsanlage oder von Vertriebs-Outlets, wenn er auf vergangenen Investitionsentscheidungen des Marktbeherrschers beruht. Bezugskosten bei Vorlieferanten, die nicht marktkonform sind, rechtfertigen als unternehmensindividuelle Faktoren keine Korrekturzuschläge. Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann zulässig, wenn der Beschaffungsmarkt des Vergleichsunternehmens anders strukturiert wäre oder das Vergleichsunternehmen bei seiner Beschaffung ganz außergewöhnliche Risiken eingegangen wäre und nur darum über besondere Kostenvorteile verfügte. 34 Unternehmensindividuelle Besonderheiten bei auf einem räumlichen Vergleichsmarkt tätigen Unternehmen sind nicht in jedem Fall durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen, da für Wettbewerb ja geradezu charakteristisch ist, dass Unternehmen unterschiedlich effizient sind. Soweit Preise eines Vergleichsunternehmens aber künstlich unter Marktniveau gehalten werden, etwa wegen eines Verzichts auf eine angemessene Kapitalverzinsung oder sogar auf positive Deckungsbeiträge, ist dem Rechnung zu tragen (vgl Nothdurft, aaO, Rn 119). 35 In der Regel dürfte der niedrigste der verglichenen Preise dem Marktpreis, der sich bei tatsächlichem Wettbewerb zwischen den gegenübergestellten Produkten oder Leistungen bilden würde, entsprechen. Gelingt es aber einzelnen Anbietern, auf dem Vergleichsmarkt trotz wirksamen Wettbewerbs höhere Preise als die Durchschnittspreise durchsetzen, ist für den Vergleich mit den Preisen des marktbeherrschenden Unternehmens nur dieser höhere Wettbewerbspreis Maßstab, nicht etwa der Durchschnittspreis. Allenfalls können zu besonders hohen Preisen abgeschlossene Einzelgeschäfte vom Vergleich ausgenommen werden. Der individuelle Preis eines unbedeutenden Außenseiters kann nicht Vergleichsmaßstab sein, eine isolierte, vom Verhalten aller anderen Marktteilnehmer abweichende Strategie ist kein Richtwert für das Missbrauchsverbot. 36 Beruht der zum Vergleich gewonnene Maßstab stärker auf Korrekturfaktoren als auf den tatsächlichen Preisen am Vergleichsmarkt, ist der ausgewählte Vergleichsmarkt ungeeignet. Bei geschätzten Korrekturfaktoren ist daher eine 50%-Grenze zu beachten. Werden – ermittelte – 218
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Vergleichsfaktoren zur Vermeidung von Restunsicherheiten durch geschätzte Zu- oder Abschläge ergänzt, darf nicht jeweils der gesamte Vergleichsfaktor als Schätzwert eingestuft und auf die 50%-Grenze angerechnet werden, sondern nur der geschätzte Anteil des Vergleichsfaktors (vgl Nothdurft, aaO, Rn 120). Ob durch die Vergleichsmarktmethode festgestellte überhöhte Preise 37 sachlich gerechtfertigt sind, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen. Die Berücksichtigung von Rechtfertigungsgründen reduziert sich auf Umstände, die nicht ohnedies bereits über Korrektur- oder Sicherheitszuschläge Eingang in den Preisvergleich gefunden haben. Dies betrifft vor allem die individuelle Kostensituation des Beherrschers. Ergeben sich hier keine Besonderheiten ist aber wegen der klaren Interessenlage und des dem § 5 Abs 1 Z 1 inhärenten Unwerturteils eine explizite Interessenabwägung verzichtbar (vgl Nothdurft, aaO, Rn 126). Da im Rahmen des Vergleichs unternehmensindividuelle Faktoren auf 38 Seiten des Marktbeherrschers unberücksichtigt bleiben, kann der Vergleichspreis unter den tatsächlichen Kosten des Marktbeherrschers liegen. Erhöhte Preise können freilich nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, auch einem Marktbeherrscher könne es nicht zugemutet werden, seine Preise auf ein Niveau unter den eigenen Kosten zu senken: Wettbewerbsbezogene Preishöhenkontrolle würde ihr Ziel verfehlen, würde die Ineffizienz des Marktbeherrschers zu Lasten der Marktgegenseite respektiert. Macht das marktbeherrschende Unternehmen eine besondere individuelle Kostensituation geltend, sind die einzelnen Kosten nach einem objektivierten Effizienzmaßstab auf ihre wettbewerbliche Akzeptanz zu überprüfen (vgl Nothdurft, aaO, Rn 127). Letztlich beruht die Definition der Obergrenze nicht missbräuchlicher 39 Preise eher auf Plausibilitätsüberlegungen als auf Beweisen. Der Gesetzgeber fordert auch nur eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ für andere Preise bei wirksamem Wettbewerb. Ein gerichtlicher Abstellungsauftrag muss daher nicht deswegen unterbleiben, weil letzte Sicherheit über die Höhe des fiktiven Wettbewerbspreises nicht zu erzielen ist. Verbleibende Zweifel können zugunsten des marktbeherrschenden Unternehmens entweder bei den einzelnen Rechengrößen oder durch einen abschließenden Sicherheitszuschlag berücksichtigt werden. Die Höhe des Sicherheitszuschlags richtet sich nach Art und Grad der Unsicherheiten der Vergleichsbetrachtung (vgl Nothdurft, aaO, Rn 129). 219
§ 5 KartGGugerbauer 40 Erweist sich der Vergleich von Preisen als undurchführbar oder nicht aussagekräftig, etwa weil es keine wirklich vergleichbaren Produkte oder Dienstleistungen gibt oder weil die Preisgestaltung für ein Produkt oder eine Dienstleistung in eine Vielzahl unterschiedlicher Tarife zerfällt, gebietet das dem Gesetz zu Grunde liegende Konzept des Alsob-Wettbewerbs den Rückgriff auf den Vergleich entsprechender Proxies für den Preis als Gegenstand des Vergleichs (vgl Nothdurft, aaO, Rn 114). Konzept der Gewinnbegrenzung 41 Ein Vergleich der Gewinne, die einerseits das marktbeherrschende Unternehmer für seine Waren oder Dienstleistungen und andererseits Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, für ihre Waren oder Dienstleistungen erzielen, ist Gegenstand des Konzepts der Gewinnbegrenzung. Die Gewinnspanne wird durch einen Vergleich des Verkaufspreises mit den Kosten ermittelt (vgl dazu EuGH 14.2.1978, Rs 27/76, United Brands, Slg 1978, 207, Rn 305). Dabei ist auch die Angemessenheit der Kosten zu überprüfen, künstlich aufgeblähte oder durch Ineffizienz verursachte Kosten können überhöhte Preise nicht rechtfertigen (vgl EuGH 13.7.1989, Rs 395/87, Ministere Public/Tournier, Slg 1989, 2521). Der Vergleich wird dadurch erschwert, dass Unternehmen auch bei wirksamem Wettbewerb keine einheitliche Unternehmerrente lukrieren müssen, bzw Unternehmerrenten während dem Lebenszyklus bestimmter Waren oder Leistungen nicht konstant bleiben. Letztlich stellt die willkürliche Festlegung einer „erlaubten“ Gewinnspanne in einem Wettbewerbssystem einen Fremdkörper dar. Konzept der Kostenkontrolle 42 Das Konzept der Kostenkontrolle bietet sich an, wenn auf beherrschten Märkten besonders Ineffizienzen berücksichtigt werden sollen („Monopolsockel“). Die Grenzen zwischen Vergleichsmarktkonzept und Kostenkontrolle sind allerdings teilweise fließend, auch im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts muss sich die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung gegebenenfalls auf einzelne Kostenpositionen erstrecken. Zudem erschwert das Fehlen verbindlicher Grundsätze der Kostenrechnung den Nachweis eines Missbrauchs. Bezüglich einzelner Kalkulationselemente gibt es viele offene Fragen, etwa was unter einer „gerechten“ oder „angemessenen“ Eigenkapitalverzinsung zu verste220
Missbrauchsverbot
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hen ist. Auch unterschiedliche Infrastrukturen können unterschiedliche Kostenpositionen bedingen. d) Geschäftsbedingungen Soweit ein marktbeherrschendes Unternehmen unangemessene Ge- 43 schäftsbedingungen anwendet, erzwingt es sie iSd § 5 Abs 1 Z 1 (vgl 4 Ob 187/02g). Die missbräuchliche Erzwingung von Geschäftsbedingungen betrifft alle wettbewerbsrelevanten Vereinbarungsinhalte, also neben Geschäftsbedingungen im engeren Sinn auch Liefer-, Verkaufs-, Einkaufs- und Zahlungsbedingungen, dies unabhängig davon, ob sie individuell ausverhandelt werden oder (etwa im Rahmen von Standardverträgen) allgemein vorformuliert sind. Bei offenbarer Unbilligkeit sind Geschäftsbedingungen unangemessen. Die berechtigten Interessen des durch die Risikoverteilung begünstigten Unternehmers sind gegen die Nachteile abzuwägen, die eine solche Klausel für seinen Vertragspartner bringt, wobei sich die Beurteilung nicht auf eine einzelne Geschäftsbedingung beschränkt darf, eine nachteilige Klausel kann ja durch andere (günstige) Vertragsbestandteile „kompensiert“ werden (1 Ob 1/07i). Angebotsseitig besteht der Missbrauchstatbestand in der Forderung 44 nach – für die Abnehmer – unvorteilhaften Vorzugskonditionen (vgl EuGH 28.3.1985, Rs 298/83, CICCE/Kommission, Slg 1985, 1105 Rn 22). Es ist aber nicht missbräuchlich, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen von Marktneulingen Sicherstellungen verlangt, dies nicht unüblich ist und ein angemessenes Verhältnis zwischen dem von dem Vertragspartner zu erbringenden Kostenaufwand und den zu erwartenden Anfangsinvestitionen des marktbeherrschenden Unternehmens besteht. Unter diesen Umständen ist es legitim, aus Wirtschaftlichkeits- und Sicherheitserwägungen die Beibringung einer Bankgarantie zu verlangen (vgl 16 Ok 1/03). In Folge eines Kompensationsverbots verliert der Belastete die mit 45 der Aufrechnung verbundene Verrechnungsmöglichkeit, wodurch er bis zur Einbringlichmachung seiner eigenen Forderungen einen Liquiditätsverlust erleidet und – im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung – des prozessualen Verteidigungsmittels der Aufrechnungseinrede beraubt und in die Klägerrolle gedrängt wird. Seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit wird auf diese Weise gegenüber den marktbeherrschenden Unternehmen unbillig eingeschränkt, wenn 221
§ 5 KartGGugerbauer er nicht einmal konnexe Gegenforderungen ihm gegenüber aufrechnen kann (4 Ob 187/02g). Soll ein Aufrechnungsverbot also auch konnexe Gegenforderungen (also Forderungen, die mit der Hauptforderung im Zusammenhang stehen) erfassen, kann darin eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung liegen (16 Ok 18/04). 46 Aus Sicht eines Lieferanten ist es zwar legitim, die Vergütung von Leistungen, die (Kfz-)Vertragswerkstätten im Rahmen von Gewährleistung und Herstellergarantie (sogenannte Rückrufaktionen der Hersteller sind ähnlich einzuordnen) erbringen, durch die Vorgabe von Richtzeiten, Pauschalsätzen etc zu standardisieren, wodurch ebenso wie durch Einführung formaler Abwicklungsprozesse eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes sowie ein Schutz vor ungerechtfertigten Ansprüchen erreicht werden soll, umgekehrt besteht aber auf Seiten der Vertragswerkstätten das berechtigte Interesse, die Abwicklung von Gewährleistungs- und Garantiearbeiten zumindest nicht als Verlustgeschäft zu führen oder indirekt die Garantieversprechen des Lieferanten zu finanzieren. Auch wenn die exakte Bestimmung einer angemessenen Vergütung im Einzelfall schwierig erscheint und einen gewissen Spielraum zulässt, wird es in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund des Bestehens einer expliziten gesetzlichen Vergütungsregelung (§ 5 KraSchG) insbesondere als missbräuchlich anzusehen sein, wenn Richtzeiten o.ä. systematisch unter dem tatsächlich für die Mängelbehebung erforderlichen Zeiten festgesetzt werden, Zeiten für die notwendige Vor- und Nachbereitung (Fehlersuche, Probefahrt etc) wie auch Gemeinkosten, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs einer Kfz-Werkstatt bzw eines Ersatzteillagers erforderlich sind, systematisch nicht vergütet werden, oder Formvorschriften zum Anlass genommen werden, die Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen zu verweigern. All diese Punkte wiegen umso schwerer, je höher der Anteil von Garantie- und Gewährleistungsreparaturen am gesamten Werkstattaufkommen ist (vgl BWB, Stellungnahme, S 6). 47 Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung liegt auch vor, wenn ein Vertragshändler seinen Kunden gegenüber für berechtigte Garantieansprüche sofort einstehen muss, aber die dafür getätigten Auslagen nicht unmittelbar (dem marktmächtigen) Lieferanten weiterverrechnen kann, obwohl ihm der Lieferant wegen der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware haftet (4 Ob 187/02g). 222
Missbrauchsverbot
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2. Einschränkung von Erzeugung, Absatz oder technischer Entwicklung Nach § 5 Abs 1 Z 2 handeln marktbeherrschende Unternehmen miss- 48 bräuchlich, wenn sie die Produktion, den Absatz oder die technische Entwicklung auf dem Markt direkt oder indirekt zum Nachteil der Verbraucher beschränken (Behinderungsmissbrauch). Der Begriff des Verbrauchers ist dabei weit auszulegen, er schließt alle Abnehmer, auch gewerbliche, ein. Unter „Einschränkung der Erzeugung“ sind Maßnahmen zu verstehen, 49 die – ungeachtet gegebener Nachfrage – eine künstliche Verknappung des Angebots bewirken. Dadurch kommt es regelmäßig zu einer Verteuerung der Produkte. Solche Verhaltensweisen sind missbräuchlich, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nicht durch objektive wirtschaftliche Ursachen, etwa die Verknappung oder Verteuerung von Vorprodukten oder die Notwendigkeit, die begrenzten Fertigungskapazitäten für die Produktion eines wichtigen anderen Produktes zu nutzen, zu dieser Vorgangsweise gezwungen wird, sondern eine Behinderung und/oder Ausbeutung anderer Marktteilnehmer bezweckt oder bewirkt (vgl EuGH Rs 238/87, Volvo/Veng, Slg 1988, 6211, 6235). Missbräuchlich kann auch die Einschränkung der Erzeugung dritter Unternehmer sein, etwa durch vertragliche Wettbewerbsverbote, Verwendungsbeschränkungen oder Zweckbindungsvereinbarungen. Der Tatbestand der Absatzeinschränkung kann etwa dadurch verwirk- 50 licht werden, dass ein marktbeherrschender Lieferant (etwa auf einem nationalen Markt der beherrschende Generalimporteur) den Absatz eines Produktes zeitweise einschränkt, um dadurch leichter eine Preiserhöhung durchzusetzen. Ähnliches kann (in der Regel auf regionalen Märkten) im Hinblick auf die Absatzpolitik eines beherrschenden Alleinvertriebshändlers gelten. Ist das marktbeherrschende Unternehmen, das auf eine Angebotsverknappung aus ist, ein produzierendes, wird es eher seine Erzeugung einschränken als den Absatz seiner bereits – unter Aufwendung von Kosten – erzeugten Waren. Behinderungsmissbräuche erstrecken sich vielfach weniger auf den eigenen Absatz, als vielmehr auf den Absatz Dritter (EuGH, 16.12.1975 „Sui ker Unie“, Slg 1975, 1663, 2021, Rn 526 f). Auch wenn sich Absatzeinschränkungen Dritter in der Regel „downstream“ manifestieren (regelmäßig in Vereinbarungen von Lieferanten mit Händlern), gilt ihre eigentliche Stoßrichtung den Wettbewerbern des marktbeherr223
§ 5 KartGGugerbauer schenden Unternehmens. Vor allem folgende Vereinbarungen und Maßnahmen sind als missbräuchlich zu qualifizieren: Ausfuhrverbote in andere EU-Mitgliedstaaten; vertragliche Verpflichtungen mit gleicher Wirkung wie Ausfuhrverbote; die Verpflichtung, das betreffende Produkt nur zu bestimmten Verwendungszwecken oder an bestimmte Abnehmer zu veräußern; Preisbindungsklauseln, soweit sie wegen der Höhe der Preise den Absatz der Abnehmer einschränken; an die Käufer bestimmter Anlagen gerichtete Verbote, andere Geräte als die vom Hersteller der Anlage gelieferten an die Anlage anzuschließen; an Händler gerichtete Wettbewerbsverbote zulasten von Konkurrenzprodukten; die Weigerung, Ersatzteile zu nachfragekonformen Bedingungen zugänglich zu machen, usw. Berücksichtigungsfähige Rechtfertigungsgründe für Absatzeinschränkungen können solche sein, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Händlers, seines Personals sowie seiner sachlichen Ausstattung beziehen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. 51 Ein marktbeherrschendes Unternehmen darf seine eigenen geschäftlichen Interessen schützen, wenn es sich Bestellungen anormaler Mengen gegenübersieht (vgl EuGH 16.9.2008, C-468/06 bis C-478/06, Sot. Lelos ua/GlaxoSmithKline, Slg 2008, I-7139 Rn 76). Auf unbestimmte Zeit eingegangene Dauerschuldverhältnisse können in der Regel auch ohne wichtigen Grund aufgelöst werden. Allerdings muss dem Vertragspartner (Händler) eine ausreichende Frist für die Umstellung seines Geschäftsbetriebs zur Verfügung stehen. Aus der marktbeherrschenden Stellung des kündigenden Unternehmens kann sich ergeben, dass eine Kündigung nur bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig ist. Die für die Kündigung erforderlichen sachlichen Gründe müssen allerdings nicht so schwerwiegend sein, dass sie auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung rechtfertigen würden. Vielmehr genügt es, dass die Kündigung auf einem objektiv nachvollziehbaren und von der Rechtsordnung nicht verpönten Grund beruht (4 Ob 205/12v; 4 Ob 119/09t). 52 Der Abbruch von Geschäftsbeziehungen mit Handelspartnern ist missbräuchlich, wenn den Vertragspartnern des marktbeherrschenden Unternehmens auf dem sachlich relevanten Markt keine oder nur geringe Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen und daher eine Leistungsbeschränkung oder Leistungsverweigerung das entsprechende Unternehmen im Wettbewerb massiv beeinträchtigen kann. Eine solche Lieferverweigerung lässt sich als Fall des Behinderungsmissbrauchs 224
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nach § 5 Abs 1 Z 2, oder auch als Missbrauch iSd Generalklausel des § 5 Abs 1 einstufen. Bei Produkten, die zwar nicht ohne weiteres sofort, aber doch innerhalb einiger Wochen beschaffbar sind, fehlt es in der Regel an einer ins Gewicht fallenden Marktzutrittsbarriere (16 Ok 6/10). Als Rechtfertigungsgründe für eine Liefereinstellung kommen etwa Zahlungsunfähigkeit, schlechte Zahlungsmoral, schwerwiegende Verletzungen vertraglicher Verpflichtungen, verbunden mit der Zerstörung der Vertrauensbasis, in Betracht (16 Ok 9/04; 16 Ok 12/03). Auch einer sofortigen Vertragsauflösung aus wichtigem Grund steht die marktbeherrschende Stellung eines Lieferanten nicht entgegen, etwa dann, wenn sich der Vertragspartner nachhaltig weigert, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen, insbesondere dann, wenn das Entgelt bereits rechtskräftig zugesprochen wurde (1 Ob 88/12s). Ein marktbeherrschender Nachfrager darf die jahrelangen Lieferbeziehungen zu einem Lieferanten abbrechen, wenn dem Lieferanten die gesamte Produktions- und Verwertungskette „abhanden gekommen“ ist. Werden die Geschäftsbeziehungen eines marktbeherrschenden Unternehmens mit Vertragspartnern von bestimmten Bewertungskriterien abhängig gemacht, ist eine spätere Änderung der Bewertungskriterien nicht prinzipiell ausgeschlossen. Allerdings ist die sachliche Rechtfertigung einer derartigen Änderung der Bewertungskriterien besonders streng zu prüfen, wenn der Verdacht besteht, dass diese Änderung nur der Verschleierung eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung dienen soll (16 Ok 6/08). Ist ein Unternehmen iSv § 4 Abs 3 KartG beherrschend kann es ge- 53 zwungen sein, die Geschäftsbeziehungen zu Abnehmern oder Lieferanten, die zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die „Aufrechterhaltung“ bereits bestehender Geschäftsbeziehungen (nicht auf die „Begründung“ noch nicht existenter Geschäftsbeziehungen) angewiesen sind, beizuerhalten. Zu einer Einschränkung der technischen Entwicklung kommt es, wenn 54 ein marktbeherrschendes Unternehmen dem Markt technische Neuerungen zum Nachteil der Verbraucher vorenthält. Zwar steht es prinzipiell auch einem Marktbeherrscher frei, auf technische Neuerungen – zB aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen – zu verzichten, ein derartiger Verzicht wäre aber nicht gerechtfertigt, wenn er bezwecken sollte, den fortgesetzten Absatz von Waren oder Dienstleistungen zu überhöhten Gewinnen zu sichern (vgl etwa EuGH Rs C-179/90, Porto di Genova, Slg 1991, I-5889, Rn 18-20). 225
§ 5 KartGGugerbauer 55 Die technische Entwicklung kann auch durch Behinderung eingeschränkt werden. Etwa durch die Verweigerung des Zugangs zu Informationen, die für die Kompatibilität „fremder“ Produkte mit den Standards des marktbeherrschenden Unternehmens notwendig wären (EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft/Kommission, Slg 2007, II-3601). Soweit dritte Unternehmen, etwa Lizenznehmer, durch Vertragsbedingungen bei der technischen Entwicklung beschränkt werden, kann dies ebenfalls des Tatbestand von § 5 Abs 1 Z 2 verwirklichen. Missbräuchlich kann auch die Verweigerung des Zugangs zu einer sonst nicht verfügbaren Infrastrukturleistung (KOME 82/861/EWG, British Telecommunications, ABl 1982 L 360 S 36, Rn 28 - 36) sein. Dies immer unter der Voraussetzung, dass solche Schritte die Entwicklung neuer Produkte zum Nachteil der Verbraucher verhindern. 56 Ein marktbeherrschendes Unternehmen darf regulatorische Verfahren nicht in einer Weise in Anspruch nehmen, durch die der Marktzutritt von Wettbewerbern vereitelt oder erschwert wird, wenn es keine Gründe gibt, die mit der Verteidigung berechtigter Interessen eines im Leistungswettbewerb stehenden Unternehmens zusammenhängen und für dieses Verhalten auch sonst keine objektive Rechtfertigung besteht (vgl EuGH 6.12.2012, C-457/10 P, AstraZeneca, Rn 134). Wenn der Markteintritt von Wettbewerbern durch die Ausnutzung des Patentsystems, etwa die Anmeldung von Sperrpatenten (EuGH Rs C-241/91P und Rs C-242/91 P, Kommission/RTE, Slg 1995, I-743), oder durch die Ausnutzung von Verfahren betreffend die Zulassung von Arzneimitteln hinausgezögert wird, ist dies missbräuchlich. Werden durch irreführende Darstellung rechtswidrig ergänzende Schutzzertifikate (ausschließliche Rechte) erworben, die nach Ablauf der Grundpatente eine erhebliche Ausschlusswirkung haben und die Marktstruktur verändern, und kann dadurch schon vor dem Patentablauf der potenzielle Wettbewerb beeinträchtigt werden, verstößt dies gegen Art 102 AEUV bzw § 5 Abs 1 Z 2 (vgl EuGH 6.12.2012, C-457/10 P, AstraZeneca, Rn 105– 111). Gleiches gilt für den Fall, dass ein Unternehmen nach Ablauf seines ausschließlichen Rechts auf Verwertung der Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen und ärztlichen oder klinischen Versuche den Widerruf der Zulassung für seine Medikamente betreibt, um die Einführung von Generika und Paralleleinfuhren zu behindern, dies zu einem Zeitpunkt, da dieses Unternehmen nicht mehr über das ausschließliche Recht zur Verwertung dieser Ergebnisse verfügt (aaO, Rn 130 f). 226
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Der Marktbeherrscher kann den Nachweis erbringen, dass sein Verhal- 57 ten objektiv gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang können allfällige verhaltensbedingte Effizienzvorteile berücksichtigt werden (vgl EuGH 27.3.2012, C-209/10, Post Danmark/Konkurrenceradet, Rn 40 f; EuGH 15.3.2007, C-95/04 P, British Airways, Slg 2007, I-2331 Rn 76; Kommission, Mitteilung zu den Durchsetzungsprioritäten, ABl C 2009/45, 7 Rn 28). Für die Rechtfertigung eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens mit Effizienzgewinnen müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: die Effizienzvorteile wurden (bzw werden wahrscheinlich) als Ergebnis des fraglichen Verhaltens erzielt (etwa technische Verbesserungen zur Qualitätssteigerung und Kostensenkungen in Herstellung oder Vertrieb); das Verhalten ist für das Erreichen der Effizienzvorteile unverzichtbar; durch das Verhalten herbeigeführten Effizienzvorteile werden etwaige negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und das Verbraucherwohl auf den betroffenen Märkten ausgleichen bzw aufwiegen; durch das Verhalten wird der wirksame Wettbewerb nicht ausgeschaltet, indem fast alle bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen gebracht werden (vgl EuGH 27.3.2012, C-209/10, Post Danmark/Konkurrenceradet, Rn 42; Kommission, Mitteilung zu den Durchsetzungsprioritäten, ABl C 2009/45, 7 Rn 29 ff) Dies entspricht den Kriterien für die Berücksichtigung von Effizienzgewinnen nach § 2 Abs 1. 3. essential facilities Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann verpflichtet sein, seine 58 Anlagen und Einrichtungen für Wettbewerber zu öffnen, wenn ein Mitbewerber ohne Nutzung dieser Anlagen nicht in der Lage wäre, auf dem Markt in Erscheinung zu treten („essential facility doctrine“ – vgl 4 Ob 191/09f). Wenn also kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für diese Anlagen und Einrichtung besteht. Die Verpflichtung, eigene Leistungen nicht willkürlich anderen vorzuenthalten, trifft insbesondere Unternehmen, die eine allgemein benötigte Einrichtung kontrollieren oder einen Markt für Vorprodukte beherrschen. Betroffen sind Einrichtungen, die wesentlich sind, um Kunden zu erreichen und Wettbewerbern die Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit zu ermöglichen und die nicht mit angemessenen Mitteln neu geschaffen werden können. Als wesentliche Einrichtungen werden beispielsweise die „klassischen“ Versorgungsnetz-Monopole, aber auch marktbeherrschende Reservierungssysteme und Datenverarbeitungsnetze sowie Schlüssel227
§ 5 KartGGugerbauer patente angesehen (4 Ob 17/02g). Die Zugangsverweigerung ist aber nur dann missbräuchlich, wenn sie dazu geeignet ist, jeglichen Wettbewerb auf dem relevanten Markt auszuschalten, und dies nicht gerechtfertigt ist (vgl 4 Ob 191/09f; 16 Ok 1/12, 16 Ok 1/12; 4 Ob 231/12t). Wenn die Versagung der konkreten Leistung also ein nicht objektiv gerechtfertigtes und unübliches Geschäftsgebaren darstellt, das betroffenen Wettbewerbern erhebliche Nachteile zufügt (vgl KOME 94/19/ EG, Sea Containers/Sealink, ABl 1994 L 15 S 8, Rn 70-75). 59 Die Unentbehrlichkeit der Leistung für die Geschäftstätigkeit des Wettbewerbers muss so wesentlich sein, dass es keinen tatsächlichen oder potenziellen Ersatz dafür gibt (vgl EuGH Rs T-504/93, Tiercé Ladbroke, Slg 1997, II-923, Rn 131). Das ist nur dann der Fall, wenn die Leistung auch von einem Unternehmen mit derselben Leistungsfähigkeit nicht dupliziert werden könnte (EuGH 6.3.1974, C-7/97, Bronner/ Media Print, Slg 1988, I-7791). Dabei sind zwei Märkte zu unterscheiden: Der Markt für die unmittelbare Nutzung der von dem marktbeherrschenden Unternehmen kontrollierten Einrichtung („essential facility“) und der Markt für jene Dienstleistungen, für deren Erbringung oder Herstellung die „essential facility“ notwendig ist (EuGH 29.4.2004, C-418/01, IMS/NDC, Slg 2004, I-5039 Rn 49). Stehen aber andere, wenn auch weniger günstige Anlagen und Einrichtungen zur Verfügung, fehlt es an der Missbräuchlichkeit (16 Ok 4/00). Die Anwendung der „essential facility doctrine“ setzt daher auch voraus, dass das marktbeherrschende Unternehmen hinsichtlich der begehrten Leistung keinem – noch so geringen – Wettbewerb ausgesetzt ist (16 Ok 1/12). 60 Die Verweigerung von Lizenzen für gewerbliche Schutzrechte oder besonderes Know-how stellt im Prinzip keinen Missbrauch dar, da der Ausschluss anderer gerade den Inhalt des Rechts des Inhabers ausmacht (vgl EuGH 31.10.1974, Rs 15/74, Centrafarm/Sterling Drug, Slg 1974, 1147 Rn 9 – 12; EuGH 5.10.1988, Rs 238/87, Volvo/Veng, Slg 1988, 6211 Rn 8 – 1). Allerdings kann die konkrete Ausübung von Ausschließlichkeitsrechten unter bestimmten Voraussetzungen doch den Missbrauchstatbestand erfüllen (vgl EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft/Europäische Kommission, Slg 2007, II-3601 Rn 331; EuGH 5.10.1988, Rs 53/87, CIRCA und Maxicar/Renault, Slg 1988, 6039 Rn 16; EuGH Rs 238/87, Volvo/Veng, Slg 1988, 6211, Rn 9; Rs C-241/91 P und Rs C-242/91 P, RTE Kommission, Slg 1995, I-743, Rn 50). Als (außergewöhnliche) Voraussetzungen werden vor allem Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die für die Ausübung einer bestimmten Tätig228
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keit auf einem benachbarten Markt unerlässlich sind, und der Ausschuss jeglichen wirksamen Wettbewerbs auf diesem benachbarten Markt gesehen. Liegen solche Umstände vor, kann die Weigerung des Inhabers einer beherrschenden Stellung, eine Lizenz zu erteilen, missbräuchlich sein (vgl EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft/Europäische Kommission, Slg 2007, II-3601 Rn 332 f). Jedenfalls eine unbegründete und willkürliche Vorenthaltung von Ausschließlichkeitsrechten, die über das erforderliche Maß zum Schutz dieses Rechts hinausgeht, ist missbräuchlich (vgl EuGH Rs 53/87, CICRA und Maxicar/Renault, Slg 1988, 6039, Rn 16). Eine Lizenzverweigerung, die explizit deshalb erfolgt, um den Wettbewerb auszuschalten oder die zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führt, ist daher missbräuchlich (vgl EuGH Rs 53/87, CICRA und Maxicar/Renault, Slg 1988, 6039, Rn 15). Missbräuchlich sind auch Leistungs- und Lizenzverweigerung, durch die die Entwicklung eines neuen Erzeugnisses verhindert oder die Ausdehnung eines Monopols auf einen abgeleiteten, aber getrennten Markt bewirkt wird (vgl EuGH Rs C-241/91 P und Rs C-242/91 P; RTE Kommission, Slg 1995, I-743, Rn 47-55). Bereits die Möglichkeit der Verhinderung neuer Produkte reicht also für die Missbräuchlichkeit einer Lizenzverweigerung aus (EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft/Europäische Kommission, Slg 2007, II-3601 Rn 334). 4. Diskriminierung Der Missbrauchstatbestand des § 5 Abs 1 Z 3 wird verwirklicht, wenn 61 ein marktbeherrschendes Unternehmen von seinen Abnehmern für gleichwertige Waren oder Leistungen unterschiedliche Preise fordert oder seinen Abnehmern unterschiedliche Konditionen bietet oder als Nachfrager für gleichwertige Waren oder Leistungen seiner Lieferanten unterschiedliche Gegenleistungen erbringt und diese Differenzierung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Unterschiedliche Bedingungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie ökonomisch begründbar sind und wirksamen Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt jedenfalls dann vor, wenn die erzwungenen Konditionen offensichtlich unbillig sind (4 Ob 187/02g). Die Benachteiligung von Vertragspartnern durch unterschiedliche Bedingungen kann einen Ausbeutungsmissbrauch oder einen Behinderungsmissbrauch darstellen. Geringfügige Preisunterschiede stellen in der Regel noch keine Diskriminierung dar (vgl EuG Rs T-83/91, Tetra Pak, Slg 1994, II-755, Rn 163). 229
§ 5 KartGGugerbauer 62 Vertragspartner iSv § 5 Abs 1 Z 3 sind Unternehmen, die im Verhältnis zu dem marktbeherrschenden Unternehmen auf einer vor- oder nachgelagerten Produktions- oder Vertriebsstufe stehen und mit diesem (zumindest potenziell) in geschäftlichem Kontakt stehen. Durch eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung werden bestimmte Vertragspartner schlechter gestellt, ihre Wettbewerbsfähigkeit wird beeinträchtigt. Die selektive Begünstigung gewisser Vertragspartner kann überdies dazu führen, dass deren Interesse an Angeboten von Wettbewerbern des Marktbeherrschers sinkt, was wiederum eine Behinderung dieser Wettbewerber und eine Verfälschung des Wettbewerbs bewirken kann (vgl 4 Ob 60/09s). Eine Gleichbehandlungspflicht besteht nur gegenüber Vertragspartnern, die sich gegenüber dem Marktbeherrscher in der gleichen Lage befinden. Auch dem Marktbeherrscher ist eine Differenzierung erlaubt, wenn die Geschäftspartner nach objektiven Maßstäben in ihren relevanten Eigenschaften nicht übereinstimmen und die Differenzierung daher sachlich gerechtfertigt ist (16 Ok 1/15f; 16 Ok 1/12). Unter Umständen ist eine Kategorisierung der Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens geboten. Dies innerhalb einer bestimmten Produktions- oder Vertriebsebene. Dabei kann etwa zwischen Großabnehmern, die – selbst gegenüber einem Marktbeherrscher – über eine relativ starke Verhandlungsmacht verfügen, und Kunden, die nur geringe Abnahmemengen beziehen, differenziert werden (vgl EuGH Rs C-62/86, AKZO, Slg 1991, I-3359, Rn 159). 63 Die Sachverhalte müssen vergleichbar sein, eine Identität der Sachverhalte ist dagegen nicht erforderlich. Zu berücksichtigen ist neben der die Vergleichbarkeit der von der Diskriminierung betroffenen Vertragspartner die Vergleichbarkeit der Leistung sowie eine mögliche sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung (vgl etwa 16 Ok 9/04). Ob Leistungen vergleichbar sind, hängt davon ab, ob sie aus der Sicht der Marktgegenseite austauschbar sind (Europäische Kommission 94/210, HOV-SVZ/MCN, ABl 1994 L 104 S 34, Rn 58). Dazu ist zunächst erforderlich, dass sie dem selben sachlich und räumlich relevanten Markt angehören. In der Regel mangelt es an einer Gleichwertigkeit, wenn wesentliche Unterschiede der von Kunden erbrachten Gegenleistungen, des Leistungszeitpunkts, der Kosten und der Qualität vorliegen. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung einer Diskriminierung besteht ja darin, dass im Wettbewerb bestimmte Unternehmen gegenüber anderen benachteiligt werden (EuG Rs T-504/93, Tiercé Ladbroke, Slg 1997, II-923 Rn 128 f). 230
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Aus einem Missverhältnis zwischen den von einem Marktbeherrscher 64 verrechneten Preisen für Vorleistungen für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung und den vom Marktbeherrscher Endkunden für dieses Produkt oder diese Dienstleistung verrechneten Preisen ergibt eine missbräuchliche Margenbeschneidung („margin squeeze“). Diese Vorgangsweise kann von Unternehmen praktiziert werden, die sowohl auf einem Primärmarkt (einem Markt für bestimmte Vorleistungsprodukte), wie auch auf einem Sekundärmarkt (etwa einem nachgestaffelten Markt für Endkunden) tätig sind. Hohe Preise für Vorleistungen, die Mitbewerber dem Marktbeherrscher zahlen müssen, zwingen die Mitbewerber, den Endkunden höhere Preise zu berechnen als der Marktbeherrscher. Wenn ein zumindest ebenso effizienter Wettbewerber wie der Marktbeherrscher bei den den Wettbewerbern (vom Marktbeherrscher) verrechneten Vorleistungspreisen auf der Endkundenstufe nicht ohne Verlust anbieten könnte, bedarf es angesichts der möglichen Verdrängungswirkung keines Nachweises, dass bereits die Vorleistungspreise oder die Endkundenpreise missbräuchlich wären, weil sie zu hoch wären bzw Verdrängungswirkung hätten (vgl EuGH 4.10.2010, C-280/08 P, Deutsche Telekom AG, Slg 2010, I-9555 Rn 183). Erschwerend kann hinzukommen, dass der marktbeherrschende Liefe- 65 rant über die Vorgabe von Standards unmittelbar Einfluss auf die Kosten seiner auf die Vorleistung angewiesenen Abnehmer (zB Vertragshändler, die am Endkundenmarkt seine Wettbewerber sind) nehmen kann (vgl BWB, Stellungnahme, S 8, mit Hinweis auf die Kosten-PreisSchere). Geografisch differenzierte Preise oder Konditionen können durch Ab- 66 weichungen bei Transport- oder Vertriebskosten oder Marktbedingungen, insbesondere unterschiedliche Belastungen durch Steuern, Gebühren, Währungsverluste, Löhne, Gehälter etc, gerechtfertigt sein (vgl EuGH Rs 27/76, United Brands, Slg 1978, 207 Rn 227-233). Rechtfertigungsgründe können auch unterschiedliche Absatzbedingungen oder eine unterschiedliche Intensität des Wettbewerbs sein (vgl EuG Rs T-83/91, Tetra Pak, Slg 1994, II-755, 834). Eine Differenzierung zwischen inländischen Vertragspartnern und solchen aus anderen EU-Mitgliedstaaten ist grundsätzlich unzulässig. Sind einzelne EU-Mitgliedstaaten aber als eigenständige (getrennte) räumliche Märkte zu definieren (etwa wegen der oben angesprochenen unterschiedlichen Belastungen), wird eine Differenzierung von Preisen zwischen diesen Mitgliedstaaten nicht vom Diskriminierungsverbot erfasst. In einem einheitli231
§ 5 KartGGugerbauer chen räumlichen Markt indizieren erhebliche Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten dagegen das Vorliegen einer Diskriminierung. 67 Soweit ein Lieferant Unternehmen außerhalb seines Vertriebsnetzes keine Direktbelieferung anbietet, verstößt dies nicht gegen das Behinderungsverbot bzw das Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Diskriminierung. Potenzielle Kunden des marktbeherrschenden Unternehmers fallen nicht in den Anwendungsbereich des Diskriminierungstatbestandes (16 Ok 1/12). Grundsätzlich dürfen auch marktbeherrschende Unternehmer ihre Handelspartner nach eigenem Ermessen auswählen, sie sind in der Gestaltung ihrer Absatzpolitik frei. Ein nicht dem Vertriebsnetz angehöriges Unternehmen kann insofern auch nicht verlangen, vom Lieferanten über sein Vertriebsnetz vertriebene Waren zu Preisen beziehen zu können, die Unternehmen, welche dem Vertriebsnetz angehören, zu zahlen haben (16 Ok 1/15f). Eine Preisdifferenzierung kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn sie den Wettbewerb fördert, etwa bei besonderen Einführungsangeboten. Es ist nicht missbräuchlich, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen von Neukunden (anders als von Altkunden) aus Wirtschaftlichkeitsund Sicherheitserwägungen eine – per se nicht unangemessene – Bankgarantie verlangt (vgl 16 Ok 1/03). Es stellt nicht in jedem Fall einen Missbrauch dar, für dieselbe Leistung bei mehreren Nutznießern nur von einer Seite ein Entgelt zu verlangen. Diese Frage stellt sich insbesondere auf zweiseitigen Märkten wie jenen der Makler. Wird auf solchen Märkten nur einer Seite ein Entgelt verrechnet, das aber nach allgemeinen Grundsätzen als missbräuchlich überhöht anzusehen ist, kann dies nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass die andere Seite dafür eine Gratisleistung erhält. Bei Zustelldiensten ist das Gewähren höherer Rabatte für Dienstleistungen in Gebieten mit einer höheren Dichte von Haushalten nicht missbräuchlich (16 Ok 9/04). 68 Qualitativ selektive Vertriebssysteme eines marktbeherrschenden Lieferanten sind missbräuchlich, wenn die Auswahl der Vertriebspartner nicht nach objektiven Kriterien, insb der betrieblichen Leistungsfähigkeit und der sachlichen Ausstattung, erfolgt oder diese Kriterien nicht einheitlich angewandt werden (vgl EuGH Rs 26/76, Metro I, Slg 1977, 1875, Rn 27-30). Selbst eine notwendige Voraussetzung für die Freistellung vom Kartellverbot des § 1, die Bereitschaft des Lieferanten, einen Interessenten, der alle vom Lieferanten festgelegten Merkmale erfüllt, in ein qualitativ selektives Vertriebssystem aufzu232
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nehmen, kann aber als solche den Lieferanten im Einzelfall nicht dazu zwingen, einen Händler, der sich darum bewirbt, in sein Vertriebssystem aufzunehmen (16 Ok 1/15f; EuGH 14.6.2012, C-158/11, Auto 24, Rn 22 mwN). Die Verweigerung der Aufnahme von Geschäftsverbindungen mit Un- 69 ternehmen außerhalb selektiver Vertriebssysteme ist missbräuchlich, wenn der Marktbeherrscher einem Kontrahierungszwang unterliegt und keine sachliche Rechtfertigung für sein Verhalten gegeben ist (16 Ok 1/12; zur „essential facility“ vgl oben Rn 58 ff). Den Inhaber einer Monopolstellung trifft eine Kontrahierungspflicht, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist (16 Ok 6/08; RIS-Justiz RS0016745). Es obliegt dem Marktbeherrscher, eine Nichtbelieferung sachlich zu rechtfertigen, dem Verkürzten darf nicht aufgebürdet werden, den Nachweis zu erbringen, dass nicht nach sachlichen Kriterien vorgegangen worden ist. Ein (monopolistischer) Marktbeherrscher ist daher zumindest auf Ersuchen dazu verpflichtet, verständlich zu begründen, aus welchen Gründen er einen Vertragsabschluss verweigert. Eine – trotz Nachfrage – begründungslos gebliebene Ablehnung einer Geschäftsaufnahme ist daher zunächst einmal als sachlich nicht gerechtfertigt zu betrachten (vgl 16 Ok 20/04). Marktbeherrschende (wenn auch nicht monopolistische) Unternehmen der öffentlichen Hand sind zum Vertragsabschluss verhalten, als dessen Verweigerung ihrer Pflicht zur Gleichbehandlung widersprechen würde (16 Ok 1/12; 6 Ob 48/01d; RIS-Justiz RS0016745). Unternehmen der öffentlichen Hand zur Daseinsvorsorge unterliegen einem „allgemeinen“ oder „mittelbaren“ Kontrahierungszwang. Wird ein potenzieller Kunde dadurch diskriminiert, dass der Marktbeherrscher schon mit anderen kontrahiert hat, also selektiv beliefert, und sich weigert, mit dem potenziellen Kunden eine Geschäftsbeziehung einzugehen, so kann dieses Verhalten als Lieferverweigerung nach der Generalklausel des § 5 Abs 1 wettbewerbswidrig sein und einen Kontrahierungszwang begründen (16 Ok 1/12). Aus sachlich gerechtfertigten Gründen kann ein marktbeherrschendes Unternehmen einen Vertragsabschluss ablehnen (RIS-Justiz RS0117542; RS0109204; 16 Ok 1/15f). Eine Grenze der Kontrahierungspflicht ergibt sich aus der Eignung des Geschäftsanbahnenden zur Durchführung des Geschäfts und aus den vorhandenen Kapazitäten des Marktbeherrschers (16 Ok 1/12; 16 Ok 23/04). In jedem Fall sind die Ablehnungsgründe transparent darzulegen, sodass die Möglichkeit besteht, sie auf Plausibilität zu überprüfen (16 Ok 6/08). 233
§ 5 KartGGugerbauer 70 In einem Vertriebssystem, das für die Händler einen Gebietsschutz vorsieht, kann es von Vornherein keinen Kontrahierungszwang geben, da es in einem bestimmten Gebiet jeweils nur einen Händler geben kann. In einem solchen Vertriebssystem ist die ordentliche Kündigung eines Vertragshändlervertrags (Alleinvertriebsvertrags) durch einen marktbeherrschenden Lieferanten im Regelfall ohne Vorliegen besonderer Gründe zuzulassen (4 Ob 119/09t mit Verweis auf BGH 21.2.1995, KZR 33/93). 5. Koppelungsgeschäfte 71 § 5 Abs 1 Z 4 erklärt die an die Vertragsschließung geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen, als missbräuchlich. Dabei wird zwischen verdeckten und offenen Koppelungsangeboten unterschieden. Bei verdeckten Koppelungsgeschäften wird ein Gesamtpreis verlangt, ohne dass die Einzelpreise offengelegt werden (4 Ob 241/98i). Ein Koppelungsgeschäft liegt auch dann vor, wenn im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen auf dem beherrschten Markt ein Rabatt davon abhängig gemacht wird, dass der Vertragspartner auf einem anderen Markt bestimmte Mindestmengen abnimmt (vgl EuGH Rs 322/81, Michelin, Slg 1983, 3461 Rn 86). Solche Koppelungsgeschäfte führen zu einer Benachteiligung der Kunden, da diese Leistungen annehmen müssen, die sie eigentlich (jedenfalls zu diesem Zeitpunkt) nicht benötigen oder zu besseren Konditionen von Dritten beziehen könnten. Koppelungsangebote können aber auch den Wettbewerb auf dem Markt des gekoppelten Produkts einschränken (4 Ob 84/12z). Dadurch werden dritten Unternehmen, die solche Leistungen anbieten, vom marktbeherrschenden Unternehmen Nachfrager entzogen – sie werden im Wettbewerb benachteiligt. Die marktbeherrschende Stellung auf einem Produktoder Dienstleistungsmarkt wird zu einem Missbrauch auf einem anderen (benachbarten) Produkt- oder Dienstleistungsmarkt genutzt. 72 Die Abgrenzung zwischen Haupt- und Zusatzleistung ist vergleichsweise einfach, wenn verschiedene sachlich relevante Märkte betroffen sind. Aus seiner beherrschenden Stellung folgende besondere kartellrechtliche Verhaltenspflichten treffen ein Unternehmen dann, wenn der beherrschte und der vom Missbrauch betroffene Markt nicht völlig isoliert nebeneinander stehen (zu Komplementärmärkten vgl etwa 16 Ok 234
Missbrauchsverbot
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11/04). Wenn Märkte so eng miteinander verbunden sind, dass auf dem einen Markt auftretende Kunden notwendig als (potenzielle) Kunden auf dem anderen Markt in Frage kommen, ist ein Verhalten des Marktbeherrschers, wenn es geeignet ist, sich auf dem anderen Markt auszuwirken, nach § 5 zu beurteilen, dies ungeachtet der Frage, ob der Marktbeherrscher auch diesen Markt beherrscht. Entscheidendes Kriterium ist die funktionale Austauschbarkeit aus der Sicht der Nachfrager (16 Ok 3/01; 16 Ok 11/03; 16 Ok 11/04). Nicht entscheidend ist, ob die Waren üblicherweise zusammen nachgefragt oder angeboten werden. Dadurch wird vermieden, dass Leistungen, die vom Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens von anderen Unternehmen zu günstigeren Bedingungen bezogen werden könnten, vom Koppelungsverbot nicht erfasst werden (vgl etwa EuG Rs T-30-89, Hilti, Slg 1991, II-1439, Rn 66–68; EuGH Rs C-333/94 P, Tetra Pak II, Abl 1992 L 72 S 1, Rn 117–119). Auch Betriebssysteme für Client-Produkte stellen gesonderte Produkte dar (vgl EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft/Europäische Kommission, Slg 2007, II-3601 Rn 917-944). Soweit – vom Marktbeherrscher – miteinander verbundene Leistungen 73 voneinander abgrenzbar sind, ist die Koppelung missbräuchlich, wenn diese Leistungen nicht sachlich oder nach Handelsbrauch in Zusammenhang stehen. Ein sachlicher Zusammenhang besteht, wenn die Verbindung der beiden Leistungen objektiv gerechtfertigt ist (vgl EuGH Rs C-333/94 P, Tetra Pak II, Slg 1996, I-5951, Rn 37). Beispielsweise ist die Koppelung von Tankmiete und Alleinbezugsverpflichtung des Mieters (für Flüssiggas) für die Dauer des Mietverhältnisses aus Gründen der Sicherheit gerechtfertigt, zumal dann, wenn die gemieteten Gastanks im Eigentum des vermietenden (marktbeherrschenden) Flüssiggasunternehmens stehen, sodass die Koppelung keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bewirkt (16 Ok 4/15x). Handelsbräuche sind unbeachtlich, wenn sie vom marktbeherrschenden Unternehmen selbst begründet wurden oder rechtswidrig sind. Nicht marktbeherrschenden Unternehmen sind Koppelungsgeschäfte grundsätzlich erlaubt, sie können aber gegen Lauterkeitsrecht verstoßen (4 Ob 241/98i). 6. Verkauf unter dem Einstandspreis Auch im sachlich nicht gerechtfertigten Verkauf von Waren unter dem 74 Einstandspreis kann ein kartellrechtlich verpönter Marktmissbrauch 235
§ 5 KartGGugerbauer liegen. § 5 Abs 1 Z 5 zielt darauf ab, jene Erscheinungsform des Preismissbrauchs zu verhindern, bei der ein Marktbeherrscher seine Marktmacht einsetzt, um durch besonders niedrige Verkaufpreise seine Mitbewerber vom Markt zu verdrängen (um anschließend die Preise wieder anheben zu können, vgl 4 Ob 23/08y). Ob das marktbeherrschende Unternehmen eine Chance hat, seine Verluste zu einem späteren Zeitpunkt – nach Verdrängung der Wettbewerber – durch höhere Preise wieder auszugleichen ist aber grundsätzlich irrelevant (vgl EuGH Rs C-333/94 Tetra Pak, Slg 1996, 5951 Rn 39–45). Unterkostenpreise sind nur dann tatbestandsmäßig, wenn sie über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden, punktuelle Verlustverkäufe (zB Abverkauf verderblicher Ware) sind nur in Ausnahmefällen missbräuchlich, so bei schwerwiegender Auswirkung auf die Marktstruktur. Auf die „Spürbarkeit“ kommt es aber nicht an, dies zeigt schon der Wortlaut von § 5 Abs 1 Z 5, der „jede“ Veräußerung von Waren unter dem Einstandspreis verbietet (16 Ok 9/15g). 75 Die Verbotsnorm des § 5 Abs 1 Z 5 durchbricht als Ausnahmebestimmung das allgemeine Prinzip der freien Preisfestsetzung und ist daher eng auszulegen. Dies entspricht im Lichte des Gleichheitsgebots auch dem Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung und steht an sich einer Anwendung dieser – nur auf marktbeherrschende Unternehmen anwendbaren – Norm im Weg der Analogie auf den darin nicht geregelten Fall der unentgeltlichen Abgabe von Nebenwaren entgegen. Ein kartellrechtliches Verbot für Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung, den Absatz ihrer Waren oder Dienstleistungen durch die Abgabe unentgeltlicher Zugaben – die nicht gegen UWG verstoßen – zu fördern, besteht nicht (4 Ob 23/08y). Der Tatbestand des § 5 Abs 1 Z 5 kann aber dadurch verwirklicht werden, dass bei unentgeltlichen Nebenwaren als Zugabe der Preis der Hauptware unter Berücksichtigung des Werts der kostenlosen Zugabe unter den Einstandspreis gedrückt wird. Ein solches Verhalten betrifft zwei Märkte, nämlich jenen der Hauptware und jenen der Nebenware, und kann deshalb bei der gebotenen Gesamtwürdigung des wirtschaftlichen Gehalts des Sachverhalts nur unter der weiteren Bedingung als marktmissbräuchlich beurteilt werden, dass beide betroffenen Märkte im kartellrechtlichen Sinn miteinander verbunden sind (4 Ob 23/08y; 16 Ok 16/98). Dies ist der Fall, wenn die Kunden, die Bedarfsträger des einen Markts sind, notwendigerweise potenzielle Kunden auf dem anderen Markt sind (4 Ob 84/12z; 4 Ob 23/08y). Der Verkauf von Geräten unter dem Ein236
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standspreis ist dagegen unbedenklich, wenn diese Geräte nur Zugaben sind, eine Hauptware gekauft werden muss und der gemeinsame Preis über dem Einstandspreis liegt (4 Ob 34/11w). a) Kampfpreisunterbietung Beim Verkauf unter dem Einstandspreis iSv § 5 Abs 1 Z 5 ist bereits das 76 bloße Unterschreiten des Einstandspreises tatbestandsmäßig. Für eine Kampfpreisunterbietung („predatory pricing“, vgl EuGH 3.7.1991, C-62/86, AKZO/Kommission, Slg 1991, I-3359; EuGH 2.4.2009, C-202/07 P, France Télécom/Kommission, Slg 2009, I-2369) mit dem Ziel der Verdrängung von Konkurrenten aus einem schon beherrschten relevanten Markt oder aus dritten Märkten sind dagegen weitere Voraussetzungen erforderlich: Das marktbeherrschende Unternehmen nutzt seine eigene überlegene Finanzkraft zur Ausschaltung von Wettbewerbern aus, indem es über einen Zeitraum von gewisser Dauer unangemessen niedrige Preise praktiziert, die nicht mehr als Maßnahmen des normalen Leistungswettbewerbs, sondern erkennbar nur mit dem Ziel der Verdrängung von Wettbewerbern erklärbar sind (vgl 16 Ok 9/15g). Ein Missbrauch liegt dann vor, wenn die Preise des Marktbeherrschers unter seinen durchschnittlichen variablen Kosten (dh den Kosten, die abhängig von den produzierten Mengen variieren) liegen und der Marktbeherrscher offensichtlich mit ihrer Hilfe versucht, Konkurrenten auszuschalten. Die Absicht, Konkurrenten auszuschalten, muss in einem solchen Fall nicht nachgewiesen werden, sie wird vielmehr vermutet (vgl EuGH Rs C-62/86, AKZO, Slg 1991, I-3359 Rn 65; Rs C-333/94, Tetra Pak, Slg 1996, 5951 Rn 42). Missbräuchlich kann bereits die Drohung mit Abgabepreisen unter dem Einstandspreis (Kampfpreisen) sein, wenn der bedrohte Wettbewerber damit rechnen muss, dass der Marktbeherrscher seine Ankündigung auch wahrmacht. Eine Kampfpreisunterbietung kann alternativ auch dann vorliegen, 77 wenn die Preise eines Marktbeherrschers unter seinen durchschnittlichen Gesamtkosten (dh Fixkosten plus variable Kosten), aber über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen und die Preisfestsetzung im Rahmen einer Gesamtstrategie dem Ziel dient, die Konkurrenz auszuschalten (16 Ok 9/15g; 16 Ok 5/98; 16 Ok 6/00; 16 Ok 11/02). Die Verdrängungsabsicht kann sich etwa aus der Dauer, der Beständigkeit oder der Planmäßigkeit der Verluste ableiten lassen (vgl 16 Ok 6/00; 16 Ok 11/02). Die Abgrenzung zwischen Fixkosten und variablen Kos237
§ 5 KartGGugerbauer ten ist nicht immer einfach. Entscheidend ist, ob Kosten im Einzelfall je nach der produzierten Menge variieren. Regelmäßig Fixkosten sind zB Kapitalkosten (Darlehens- oder Anleihezinsen, Gebühren) für Investitionen (in Grundstücke, Anlagen, Ausrüstung), Steuern, die nicht an die Produktionsmenge anknüpfen (also nicht Umsatzsteuern) oder Abschreibungen der Betriebsanlagen. Bleiben bei steigender Produktion die Kosten für die in diesem Produktionsbereich eingesetzten Arbeitskräfte – inflationsbereinigt – konstant, sind sie Fixkosten. Wenn Kalkulationsrichtlinien, die vom Erfordernis einer Vollkostendeckung abweichen, von einem Bundesministerium genehmigt wurden, steht dies einem gerichtlichen Missbrauchsverfahren nicht entgegen (16 Ok 9/15g; 16 Ok 11/04; vgl auch 7 Ob 214/10m). 78 Kampfpreisunterbietung bleibt auch dann tatbestandsmäßig, wenn ein kleinerer Mitbewerber kurzfristig mit den unzulässigen Kampfpreisen mithalten kann bzw dies aus Wettbewerbsgründen tun muss (16 Ok 9/15g). Ein Missbrauch liegt dagegen nicht vor, wenn es plausible (betriebswirtschaftliche) Gründe für die unter den Preisen der Mitbewerber liegenden Preise gibt, bzw die Finanzkraft eines Mitbewerbers jene des marktbeherrschenden Unternehmens bei weitem übersteigt und eine Verdrängungsgsabsicht nicht festgestellt werden kann (16 Ok 43/05). 79 Liegt der Preis, den ein Unternehmen in beherrschender Stellung gegenüber einigen wichtigen ehemaligen Kunden eines Wettbewerbers verrechnet, unter den durchschnittlichen Gesamtkosten aber über den durchschnittlichen inkrementellen Kosten (Kosten, die kurz- oder mittelfristig – in drei bis fünf Jahren – entfallen, wenn ein Unternehmen eine bestimmte Dienstleistung einstellt), ist dies nicht als missbräuchliche Verdrängungspraxis anzusehen (16 Ok 9/15g mit Verweis auf EuGH 27.3.2012, C-209/10 – Post Danmark). Die Mitteilung der Europäischen Kommission „Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Art 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen“, ABl 2009 C 45/7, in welcher langfristige durchschnittliche Grenzkosten (LRAIC) als eigener Kostenbegriff definiert werden, ist für die Gerichte nicht bindend. Die Mitteilung dient lediglich der Schaffung eines allgemeinen Prüfungsrahmens für die Europäische Kommission. Aber die Gerichte sind natürlich frei, bei ihrer Entscheidungsfindung die Rechtsansicht der Europäischen Kommission zu berücksichtigen (vgl 16 Ok 9/15g). Auch die durchschnittlich vermeidbaren Kosten (AAC) 238
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können in Fällen von Kampfpreisunterbietung einen tauglichen Kostenmaßstab bilden (16 Ok 9/15g). Die Europäische Kommission wendet die LRAIC im Post- und Telekommunikationsbereich regelmäßig zur Beurteilung der – mit Verdrängungspreisen verwandten – KostenPreis-Scheren an, ohne dass dies vom EuGH bemängelt wurde (16 Ok 9/15g; vgl EuGH 10.7.2014, Rs 295/12P – Telefonika / Kommission). Die Beweislastumkehr des § 5 Abs 2 führt dazu, dass das marktbeherr- 80 schende Unternehmen den Nachweis zu erbringen hat, dass die Preise entweder kostendeckend sind oder eine sachliche Rechtfertigung besteht, die eine Verdrängungsabsicht ausschließt. § 5 Abs 2 sieht nur für den Missbrauchstatbestand des § 5 Abs 1 Z 5 eine Ausnahme von den allgemeinen Behauptungs- und Beweislastregeln vor. Die Beweislast umkehr zu Lasten des Marktbeherrschers ist auf diesen Missbrauchs tatbestand eingeschränkt (9 Ob 66/07g).
IV. Kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht im Verhältnis zu anderen Normen Aufgrund des Spezialtatbestands des § 2 NVG kann auf Unterlassung 81 in Anspruch genommen werden, wer als Lieferant gewerberechtlich befugten Widerverkäufern bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewährt oder anbietet. Dieses Diskriminierungsverbot gilt nicht bloß für marktbeherrschende Unternehmen, sondern für alle Marktteilnehmer (16 Ok 1/10; 16 Ok 2, 3/09; 16 Ok 8/00). Umfassende Bestimmungen gegen Beschränkungen des Wettbewerbs 82 finden sich auch im TKG 2003 (§§ 34 bis 50 TKG 2003). Zwischen KartG und sektorenspezifischem Telekommunikationsrecht besteht eine gewisse Parallelität, aber kein Rangordnungs- oder Subsidiaritätsverhältnis (vgl 16 Ok 11/04; 16 Ok 12/04). Ein Verfahren zur Abstellung eines Missbrauchs nach § 5 kann unabhängig von der Möglichkeit geführt werden, Missbräuche nach dem TKG abstellen zu lassen, selbst wenn dies zu einer teilweisen Überschneidung der Verfahren führen sollte (16 Ok 11/03). Verfahren vor der Regulierungsbehörde (etwa nach dem TKG) und kartellgerichtliche Verfahren lassen einander unberührt (16 Ok 12/04). Eine allfällige Genehmigung des Tarifs durch die Regulierungsbehörde bedeutet daher nicht zwingend auch die kartellrechtliche Zulässigkeit (16 Ok 13/08; 16 Ok 11/04). 239
§ 6 KartGGugerbauer 83 Ein Missbrauchstatbestand kann auch im Rahmen einer Auftragsvergabe verwirklicht werden. Der Gesetzgeber wollte durch die Vergabegesetze nicht auch kartellrechtliche Fragen abschließend regeln und insoweit die Bestimmungen des KartG und die Zuständigkeit des Kartellgerichts aufheben (16 Ok 14, 15/02). 84 Verstöße gegen § 5 können in aller Regel auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellen, das UWG ermöglicht Unterlassungs-, Beseitigungsund Schadenersatzansprüche. Der Tatbestand der sonstigen unlauteren Handlungen nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG wird aber nur dann verwirklicht, wenn die angeblich übertretene Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegen steht (4 Ob 101/09w; 4 Ob 34/11w; 4 Ob 60/09s).
Verbot von Vergeltungsmaßnahmen § 6. Ein Verfahren zur Abstellung des Missbrauchs einer marktbe-
herrschenden Stellung (§ 26) oder eine darauf gerichtete Beschwerde an eine Amtspartei (§ 40) darf vom marktbeherrschenden Unternehmer nicht zum Anlass genommen werden, den durch den Missbrauch unmittelbar betroffenen Unternehmer von einer weiteren Belieferung oder Abnahme zu angemessenen Bedingungen auszuschließen.
1 Zu dieser Gesetzesbestimmung gibt es kaum Rechtsprechung, dennoch darf ihre Signalfunktion nicht unterschätzt werden: Im Hinblick auf die Bedeutung der Kronzeugenregelung für die Einleitung und Durchführung kartellgerichtlicher Verfahren kommt dem Informantenschutz zusätzliche Bedeutung zu. Ein Verstoß gegen das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen nach § 6 wird iZm der Exekution aufgrund kartellgerichtlichen Beschlüsse in § 34 Abs 2 neben § 5 genannt und wird wie ein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot behandelt. Es kann sowohl § 26 (Abstellungsauftrag), § 27 (Verpflichtungszusagen), wie auch § 28 (Feststellungen) zur Anwendung gelangen. Darüber hinaus kann gegen das zu Vergeltungsmaßnahmen greifende Unternehmen gem § 29 Abs 1 eine Geldbuße verhängt werden. Sind die Vergeltungsmaßnahmen Gegenstand einer Vereinbarung, führt dies zur Nichtigkeit der Vereinbarung oder der entsprechenden Vereinbarungsteile. Schließlich kann das von Vergeltungsmaßnahmen betroffene Unternehmen zivilrechtlich Schadenersatzansprüche geltend machen. 240
Verbot von Vergeltungsmaßnahmen
§ 6 KartG
Verboten ist ein Liefer- oder Abnahmeboykott, bzw eine Diskriminie- 2 rung des Abnehmers bzw Lieferanten durch unangemessene Bedingungen. Nachteile gesellschaftlicher oder sonstiger Natur sind nicht erfasst. Der Tatbestand wird verwirklicht, wenn es tatsächlich zu entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen kommt. Das Missbrauchsverfahren, bzw eine entsprechende Beschwerde an eine Amtspartei muss „Anlass“ für die Vergeltungsmaßnahmen sein, es muss also Kausalität vorliegen. Ist die während eines Missbrauchsverfahrens vom Marktbeherrscher ausgesprochene Aufkündigung eines Vertrages aus sachlichen Gründen gerechtfertigt, kann eine derartige Maßnahme nicht als Vergeltung beurteilt werden. Die Aufkündigung des Vertrages kann dann nicht unter Verweis auf § 6 untersagt werden (16 Ok 4/02). Der räumliche Anwendungsbereich des Verbotes richtet sich nach § 24 3 Abs 2, maßgeblich ist, ob sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist. Im Wettbewerbsrecht der EU gibt es keine vergleichbare Regelung. 4 Vergeltungsmaßnahmen können aber nach den allgem. Wettbewerbsregeln geahndet werden (vgl etwa EuGH 14.2.1978, Rs 27/76, United Brand).
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§ 7 KartGGugerbauer
3. Abschnitt Zusammenschluss Begriffsbestimmungen § 7. (1) Als Zusammenschluss im Sinn dieses Bundesgesetzes gelten
1. der Erwerb eines Unternehmens, ganz oder zu einem wesentlichen Teil, durch einen Unternehmer, insbesondere durch Verschmelzung oder Umwandlung, 2. der Erwerb eines Rechts durch einen Unternehmer an der Betriebsstätte eines anderen Unternehmers durch Betriebsüberlassungs- oder Betriebsführungsverträge, 3. der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25%, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50% erreicht oder überschritten wird, 4. das Herbeiführen der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe oder der Aufsichtsräte von zwei oder mehreren Gesellschaften, die Unternehmer sind, 5. jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann. (2) Als Zusammenschluss gilt auch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt. (3) (aufgehoben durch BGBl I Nr. 13/2013) (4) Gehören alle beteiligten Unternehmen einem Konzern (§ 15 Aktiengesetz 1965, BGBl. Nr. 98, § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl. Nr. 58/1906) an, so liegt kein Zusammenschluss vor.
Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5
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Begriffsbestimmungen
§ 7 KartG
(2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Vorbemerkungen.................................................................................. 1–3 II. Unternehmen........................................................................................ 4–6 III. Zusammenschlusstatbestände............................................................ 7–53 A. Erwerb eines Unternehmens(teils) (§ 7 Abs 1 Z 1)..................... 7–13 B. Betriebsüberlassung und Betriebsführung (§ 7 Abs 1 Z 2)....... 14–21 C. Anteilserwerb (§ 7 Abs 1 Z 3)........................................................ 22–29 D. Personengleichheit (§ 7 Abs 1 Z 4)................................................ 30–32 E. Beherrschender Einfluss (§ 7 Abs 1 Z 5)...................................... 33–42 F. Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen (§ 7 Abs 2)........... 43–53 IV. Kooperative Aspekte von Unternehmens-Zusammenschlüssen.. 54–57 V. Verwirklichung mehrerer Zusammenschlusstatbestände............. 58–59 VI. Konzernprivileg (§ 7 Abs 4)................................................................ 60–67
I. Vorbemerkungen Durch einen Unternehmens-Zusammenschluss werden zwei oder 1 mehr Unternehmen unter Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit auf Dauer unter einheitlicher wirtschaftlicher Leitung zusammengefasst. Ein Zusammenschluss iSd KartG liegt vor, wenn einer der in § 7 umschriebenen Tatbestände seinem äußeren Erscheinungsbild nach erfüllt ist; auf den konkreten Willen der Beteiligten kommt es dabei ebensowenig an (16 Ok 1/07) wie auf den Nachweis einer konkreten Beherrschungsmöglichkeit (16 Ok 12/08). Die Tatbestände des § 7 Abs 1 (insbesondere der Tatbestand des Abs 1 Z 3) sind entsprechend ihrem Wortlaut als abstrakte Gefährdungstatbestände aufzufassen. Während ein Kartell das Verhalten von Unternehmen beeinflusst, wird 2 durch einen Zusammenschluss die Struktur von Unternehmen geändert (vgl 16 Ok 11/13; 16 Ok 6/10; RIS-Justiz RS0063572). Abträgliche Marktergebnisse erscheinen allenfalls als Nebenfolge einer veränderten Unternehmensstruktur (16 Ok 6/10), während Kartelle und der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bereits als solche Wettbewerbsbeschränkungen verwirklichen. 243
§ 7 KartGGugerbauer 3 Durch die kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle sollen wettbewerblich strukturierte Märkte mit einer möglichst großen Anzahl „selbständiger“ Marktteilnehmer erhalten und verhindert werden, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehet oder verstärkt wird (vgl RIS-Justiz RS0121884; RS0117535; 16 Ok 1/07). Die Zusammenschlusskontrolle hat den Charakter einer ordnungspolitischen Maßnahme, für die volkswirtschaftliche Gesichtspunkte maßgeblich sind (vgl 16 Ok 9/16h).
II. Unternehmen 4 Die Zusammenschlusstatbestände des § 7 Abs 1 beziehen sich auf „Unternehmer“, die ein (anderes) „Unternehmen“ ganz oder teilweise erwerben, oder auf sonstige Weise unter ihren Einfluss bringen. Dem Kartellrecht liegt ein eigenständiger Unternehmensbegriff, der funktionale Unternehmensbegriff, zugrunde (16 Ok 12/08; zur Definition vgl oben die Kommentierung zu § 1). Es wird jede Einheit erfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, dies unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (16 Ok 6/10). Von einem Unternehmer iSv § 7 kann erst dann gesprochen werden, wenn er sich wirtschaftlich betätigt (Okt 12/94, Okt 10/94). Dies gilt selbst für Kapitalgesellschaften nach § 2 UGB 16 (Ok 12/08). Im Anwendungsbereich der Zusammenschlusskontrolle ist der Unternehmensbegriff aber enger auszulegen als bei Anwendung des § 1, er erfasst keine potenziellen Unternehmer. 5 Auch Gesellschafter von Kapitalgesellschaften oder sonstige am Unternehmen beteiligte Personen können Unternehmer iSd KartG sein. Voraussetzung ist, dass sie über die bloße Verwaltung der Beteiligung hinaus wirtschaftlich planend oder lenkend auf die Leitung des Unternehmens Einfluss nehmen. Es kommt also darauf an, ob das an einem Zusammenschluss beteiligende Rechtssubjekt unternehmerische Leitungsmacht ausübt und insbesondere die für die Marktstellung wesentlichen Entscheidungen trifft oder zumindest jederzeit treffen kann (16 Ok 12/08). Somit ist nicht jeder, der eine Stammeinlage in einer GmbH hält, deswegen bereits Unternehmer (16 Ok 3/98). Eine Beteiligung unter 25% an einer ein Unternehmen betreibenden Gesellschaft reicht ohne Sonderrechte nicht aus, um als Unternehmer betrachtet zu werden. Eine GmbH, welche die Führung der Geschäfte des von einer KG betriebenen Unternehmens innehat, ist zumindest mittelbar Unternehmerin iSd §§ 7 ff (25 Kt 409/96). 244
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Hält eine Privatstiftung unmittelbar oder mittelbar Anteile an einem 6 Unternehmen, ist der Stifter Unternehmer, wenn er in der Lage ist, über die Privatstiftung einen (mit)beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen auszuüben. Wenn die Privatstiftung beispielsweise widerruflich ist, wenn der Stifter den Stiftungsvorstand abberufen und bestellen kann, wenn er über einen Beirat auf die Tätigkeit des Stiftungsvorstands Einfluss nehmen kann und/oder er die Stiftungserklärung abändern kann (vgl 25 Kt 257, 367/99).
III. Zusammenschlussbestände A. Erwerb eines Unternehmens(teils) (§ 7 Abs 1 Z 1) Der Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 1 wird verwirklicht, wenn das Zielob- 7 jekt eines Unternehmers ein Unternehmen oder ein wesentlicher Unternehmensteil ist. Beim Erwerb steht das Ergebnis und nicht die Form im Vordergrund. § 7 Abs 1 Z 1 schließt daher Fälle der Gesamtrechtsnachfolge (etwa Verschmelzung oder Umwandlung) ebenso ein wie Fälle der Einzelrechtsnachfolge (etwa einen „asset deal“). Der Veräußerer gilt im Zusammenschlusskontrollverfahren nicht als 8 beteiligter Unternehmer. Dies ist vor allem bei der Umsatzberechnung, die darüber entscheidet, ob ein Zusammenschluss anmeldebedürftig ist (vgl § 9), von Bedeutung. Bei einem treuhändigen Erwerb ist das treuhändig erworbene Unternehmen iSv § 20 (wirtschaftliche Betrachtungsweise) dem Treugeber zuzurechnen, jedenfalls dann, wenn er sich die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen vorbehält. Zumindest in diesem Fall ist die Treuhandschaft im Rahmen der Anmeldung des Zusammenschlusses offenzulegen. Ein Teil eines Unternehmens ist „wesentlich“ iSv § 7 Abs 1 Z 1, wenn 9 er die Stellung des Erwerbers auf dem relevanten Markt – durch externes Unternehmenswachstum – zu stärken vermag. Dies ist der Fall, wenn der zu übertragende Unternehmensteil dem Erwerber die Möglichkeit verschafft, in eine bestehende Marktstellung des Verkäufers einzutreten. Wenn etwa ein Geschäftsbereich oder eine in sich geschlossene Einheit mit Marktanteilen übergeht, oder solch wesentliche Teile einer Einheit übertragen werden, dass damit der Übergang von Marktanteilen verbunden ist (16 Ok 6/10). Sind die erworbenen Unternehmensteile zwar „groß“ oder „wertvoll“, übertragen sie aber keine relevante Marktstellung, liegt dagegen keine Wesentlichkeit iSv § 7 Abs 1 Z 1 vor. 245
§ 7 KartGGugerbauer 10 In der Praxis kommen zB Niederlassungen, Fertigungsbetriebe, Produktionszweige, Vertriebsteams, ein Kundenstamm bzw Kundenverzeichnisse oder geistige Schutzrechte (vor allem Lizenzen) als wesentliche Unternehmensteile in Frage. Eine Betriebsstätte gilt selbst dann als wesentlicher Teil eines Unternehmens, wenn dieses Unternehmen über mehrere Betriebstätten verfügt (auch Betriebsführungsverträge können über Betriebsstätten einen Zusammenschluss begründen – § 7 Abs 1 Z 2, vgl 16 Ok 8/01). Der „Teilerwerb“ einer Betriebsstätte wird von § 7 Abs 1 Z 1 erfasst, wenn der betriebsbezogene Marktanteil auf den Erwerber übergeht (16 Ok 8/01). 11 Auch bei einem bereits stillgelegten Unternehmen kann mit der Übertragung von Assets die Übertragung von Marktanteilen einhergehen. Diese Marktanteile behalten noch einige Zeit nach Stillegung des Betriebs ihr Potenzial. Aus diesem Grund verlieren selbst stillgelegte Unternehmen nicht ihre Unternehmenseigenschaft, wenn eine Reaktivierung – durch den Unternehmer selbst oder durch einen Käufer – zumindest „nicht unwahrscheinlich“ ist und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, seine Marktbeherrschung zu erweitern (16 Ok 6/10). 12 Dass ein erworbener Vermögenswert die Position des Erwerbers am relevanten Markt stärken kann, reicht dagegen noch nicht, um diesen Vermögenswert als wesentlichen Unternehmensteil einstufen zu können. Der Erwerb einer Liegenschaft oder einer Produktionsanlage (von deren Herstellern) begründet ebensowenig einen Zusammenschluss wie der Kauf eines Rohstoffvorrats, auch wenn solche „Assets“ die Wettbewerbsposition des Erwerbers stärken (vgl Okt 11/74). Die Übertragung eines Warenlagers kann die Weiterführung der bisherigen Tätigkeit eines Unternehmers ermöglichen. Wird die gekaufte Ware (wenn auch aufgrund des Umfangs des Lagers über einen längeren Zeitraum) abtransportiert, ist dies kein Beitrag dazu, eine wirtschaftliche Tätigkeit am ursprünglichen Standort fortzusetzen oder zu begründen (16 Ok 6/10). Ein Warenlager, das (etwa witterungsbedingt oder saisonbedingt) einem Wertverfall unterliegt und dessen Waren am Markt leicht wiederbeschafft werden können, ist kein wesentlicher Teil eines Unternehmens (25 Kt 23, 24/10). Wenn etwa ein Transportunternehmen den Großteil seiner Fahrzeugflotte verkauft, der Erwerber aber in einem anderen räumlichen Markt tätig ist und die erworbenen Fahrzeuge dort einsetzen wird, liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 1 nicht vor. Der Erwerb solcher Vermögenswerte kann internes Unter246
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nehmenswachstum begünstigen, unterliegt aber nicht der Fusionskontrolle. Beim Verkauf von Unternehmensteilen, die für den Veräußerer weiter 13 tätig bleiben sollen („Outsourcing“), hängt die Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 Z 1 davon ab, ob die von diesem Unternehmensteil hergestellten Produkte oder erbrachten Leistungen vermarktungsfähig sind und der Unternehmensteil auch ohne Verpflichtung des Veräußerers zum fortgesetzten Bezug die Marktstellung des Erwerbers erweitert hätte. Mit anderen Worten kommt es darauf an, ob der Erwerber diese Unternehmensteile nicht nur für das outsourcende (verkaufende) Unternehmen, sondern auch für Dritte, also am Markt, einsetzen kann.
B. Betriebsüberlassung und Betriebsführung (§ 7 Abs 1 Z 2) Im Falle einer Betriebsüberlassung überträgt der Inhaber eines Unter- 14 nehmens dessen weisungsfreie Führung einem Dritten. Aufgrund eines Betriebsführungsvertrags führt der bisherige Eigentümer das Unternehmen für Rechnung (und damit auf Risiko) eines Dritten fort (vgl dazu § 238 Abs 2 AktG: Ein Vertrag, durch den eine Aktiengesellschaft einem anderen den Betrieb ihres Unternehmens verpachtet oder sonst überlässt [Betriebsüberlassungsvertrag], oder durch den die Aktiengesellschaft ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen zu führen übernimmt [Betriebsführungsvertrag], bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung). Nur dauerhafte Marktstrukturveränderungen verwirklichen einen Zu- 15 sammenschluss, daher sind auch nur auf Dauer angelegte Betriebsüberlassungs- bzw Betriebsführungsverträge tatbestandsmäßig (etwa Verträge mit einer Kündigungsfrist von 10 Jahren – vgl 27 Kt 599/04). Bloß vorübergehende Einflussrechte auf fremde Unternehmen verwirklichen den Zusammenschlusstatbestand nicht, sie sind allenfalls nach § 1 zu beurteilen. Durch Betriebsüberlassungsverträge wird die effektive Sachherrschaft 16 (der Besitz, aber nicht das Eigentum) über das Betriebsvermögen oder über wesentliche Teile davon auf ein anderes Unternehmen übertragen. Sie räumen einem Unternehmen das Recht ein, den Betrieb eines anderen Unternehmens oder einer oder mehrerer Betriebstätten eines ande247
§ 7 KartGGugerbauer ren Unternehmens frei von Weisungen dieses anderen Unternehmens zu führen (Okt 22/73). Bedingt sich der Betriebs-Inhaber bestimmte strategische Vetorechte aus, kann es zu gemeinsamer Kontrolle kommen. 17 Eine Betriebsüberlassung findet häufig in Form der Verpachtung eines Unternehmens bzw einer Betriebstätte (als Unternehmensteil, vgl §§ 1090 f ABGB) statt: Der Pächter betreibt das Unternehmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Bei einer sog Innenpacht führt der Pächter das Unternehmen auf Grund einer Vollmacht des Verpächters in dessen Namen, aber auf eigene Rechnung. 18 Im Zusammenschlusskontrollverfahren gelten der Pächter und das gepachtete Unternehmen als beteiligte Unternehmen. Voraussetzung für die Verwirklichung eines Zusammenschlusstatbestandes ist, dass der Pächter bereits Unternehmer ist und der Rechtserwerb somit durch ein Unternehmen erfolgt (vgl Okt 21/74; Okt 37/74). Auch die Marktstellung des Verpächters oder eines Dritten, der den Betrieb auf sonstige Weise überlässt, kann aber unmittelbar beeinflusst oder verändert werden. Dann kann ihnen materielle Parteistellung zukommen (vgl 16 Ok 9/16h). Mit Beendigung des Pachtverhältnisses geht die Beherrschungsmöglichkeit über das verpachtete Unternehmen an den Verpächter zurück. Dadurch wird ein Zusammenschlusstatbestand iSv § 7 Abs 1 Z 5 KartG verwirklicht (vgl 16 Ok 4/05). 19 Die Stellung eines Fruchtnießers stimmt mit jener eines Unternehmens pächters weitgehend überein. Durch Einräumung eines Fruchtgenusses (§ 509 f ABGB) an einem Unternehmen bzw einer Betriebsstätte erhält der Fruchtnießer ein dingliches Recht an dem überlassenen Unternehmen. Auch er führt das Unternehmen auf eigene Rechnung. Der Abschluss eines handelsvertreterähnlichen Vertrags begründet dagegen keinen Zusammenschluss (vgl Okt 22/73). 20 Aufgrund eines Betriebsführungsvertrages führt der bisherige Eigentümer das Unternehmen (im eigenen oder fremden Namen) fort, dies allerdings für Rechnung eines Dritten, der sich als Risikoträger in der Regel Weisungsrechte vorbehält. Ein Zusammenschlusstatbestand liegt vor, wenn die dem Dritten eingeräumten Weisungsrechte dauerhaft und so weitreichend sind, dass er strategische Entscheidungen des Unternehmens bestimmen kann. 21 Durch Betriebsführungsverträge kann die wirtschaftliche Selbständigkeit aber auch nur teilweise aufgegeben werden, es kann zur gemeinsa248
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men Kontrolle kommen. Etwa dann, wenn der Eigentümer das Unternehmen relativ selbstständig fortführen kann und sich der Risikoträger nur für einige strategische Fragen (zB Businessplan, Budget, Gewinnverteilung) Vetorechte vorbehält.
C. Anteilserwerb (§ 7 Abs 1 Z 3) Gem § 7 Abs 1 Z 3 gilt der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von 22 Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25%, wie auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50% erreicht oder überschritten wird, als Zusammenschluss. Neben dem Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH oder von Aktien wird auch der Erwerb von Gesellschafterrechten an Personenhandelsgesellschaften erfasst. Ab einer Minderheitsbeteiligung von zumindest 25% kann auf ein anderes Unternehmen ein wettbewerblich erheblicher Einfluss ausgeübt werden. Das Erreichen von 25% (womit vielfach eine Sperrminorität verbunden ist) wird daher unabhängig von einer allfälligen Veränderung der Kontrollverhältnisse als kartellrechtlich relevante Gefährdungslage eingestuft (vgl 16 Ok 9/01; 16 Ok 20/02). Eine konkrete Beherrschungsmöglichkeit ist nicht erforderlich, um die Anmeldebedürftigkeit auszulösen (16 Ok 12/08). Bei Aufstockung einer Beteiligung von 25% auf weniger als 50%, etwa 23 auf 40%, wird kein neuer Zusammenschlusstatbestand verwirklicht. Die Aufstockung von mehr als 25% aber weniger als 50% der Gesellschaftsanteile an einem Zielunternehmen auf 50% oder mehr unterliegt dagegen – soweit anmeldebedürftig (vgl § 9) – der ZusammenschlussKontrolle. Bei einer Aufstockung von (exakt) 50% auf über 50% kann es darauf an kommen, ob dadurch eine Veränderung der Kontrollverhältnisse ausgelöst wird. Die Aufstockung einer 50%-Beteiligung kann zu einem Wechsel von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle führen und einen Zusammenschluss iSv § 7 Abs 1 Z 5 begründen (16 Ok 12/08). Die Aufstockung einer Beteiligung von bisher unter 50% auf künftig über 50% verwirklicht keinen Zusammenschluss-Tatbestand, wenn der entsprechende Gesellschafter bereits auf Grundlage der bisherigen Beteiligung alleinige Kontrolle ausüben konnte. Dann kommt es bloß zu einem konzerninternen Umstrukturierung (16 Ok 16/04). Beteiligungsverschiebungen zwischen Gesellschaftern einer gemeinsam kon 249
§ 7 KartGGugerbauer trollierten Gesellschaft, etwa von 55 : 45 auf 45 : 55, werden ebenfalls durch § 7 Abs 4 privilegiert. 24 Ein Gesellschafter verfügt sowohl über Rechte vermögensrechtlicher Natur, wie auch über Mitbestimmungsrechte, insb. das Stimmrecht in der Gesellschaftsversammlung. Der Erwerb einer Kapitalbeteiligung von 25% führt selbst dann zu einem Zusammenschluss, wenn der Erwerber weniger als 25% der Stimmrechte bekommt. Der Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 kann aber auch über den Erwerb von Stimmrechten verwirklicht werden, nämlich dann, wenn die Kapital-Beteiligung zwar unter der 25% Schwelle bleibt, mit diesen Anteilen an der Gesellschaft aber mehr als 25% der Stimmrechte verbunden sind. 25 Der Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 wird auch dann verwirklicht, wenn der Erwerber zwar weniger als 25% der Kapitalanteile und weniger als 25% der Stimmrechte an einem Unternehmen erhält, aber durch eine atypische Satzungsgestaltung (vgl 16 Ok 12/08) Rechte eingeräumt werden, die in der Regel nur ein Gesellschafter hat, der über eine Beteiligung von mindestens 25% verfügt (vgl 26 Kt 132/04, 26 Kt 167/04). Sind etwa für alle wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen eines Unternehmens Gesellschafterbeschlüsse mit einer qualifizierten Mehrheit erforderlich und ist für das Erreichen der Mehrheit die Stimme des Minderheitsgesellschafters erforderlich, hat der Minderheitsgesellschafter die damit verbundenen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen (16 Ok 12/08). Auch dann, wenn ein Gesellschafter seine die Stimmrechte nur insoweit ausüben soll, als dies erforderlich ist, um den Wert der Investition zu erhalten, sind damit unternehmerische Entscheidungen nicht ausgeschlossen (16 Ok 12/08). Gesellschafter mit Minderheitsbeteiligung können also im Einzelfall als Unternehmer zu qualifizieren sein, wenn sie die relevanten unternehmerischen Entscheidungen in einer Gesellschaft beeinflussen oder zumindest beeinflussen könnten. Im Hinblick auf das Gebot der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 20) unterliegen Umgehungskon struktionen der Anmeldepflicht (26 Kt 132/04, 26 Kt 167/04, 26 Kt 168/04). Auch eine Beteiligung im Ausmaß von 24,9% kann (ohne besondere Satzungsgestaltung) über § 20 erfasst werden (vgl 26 Kt 132/04). 26 Als Erwerb iSv § 7 Abs 1 Z 3 gilt auch ein bloß mittelbarer Erwerb von Anteilen, etwa über eine Tochtergesellschaft, eine Holding oder eine 250
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Privatstiftung. Eine bloß mittelbare Beteiligung über mehrere Stufen muss zumindest jenen Einfluss ermöglichen, der mit einer unmittelbaren Beteiligung von 25% oder mehr verbunden ist, um einen Zusammenschlusstatbestand zu verwirklichen (16 Ok 12/08). Das die relevanten Beteiligungsschwellen vermittelnde Tochter- und/oder Enkelunternehmen muss vom Erwerber beherrscht werden. Eine derartige Beherrschung wird in der Regel nur bei Vorliegen einer Anteilsmehrheit an den Tochter- bzw Enkelgesellschaften vorliegen. Da es aber auf die tatsächliche Beherrschung ankommt, kann auch bei einer niedrigeren Beteiligung an – die Beteiligungsstellung nach § 7 Abs 1 Z 3 vermittelnden – Gesellschaften aufgrund besonderer Konstellationen eine Beherrschung gesichert sein. Entscheidende Kriterien sind der Einfluss auf die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, das jährliche Budget, den jährlichen Businessplan oder strategisch wichtige Investitionen, wobei bereits die Kontrolle über einzelne dieser Angelegenheiten ausreichen kann (16 Ok 12/08). Über eine Privatstiftung kommt es jedenfalls dann zu einem mittelba- 27 ren Erwerb, wenn der Unternehmer-Stifter – etwa über einen Beirat – maßgebenden Einfluss auf den Vorstand der Stiftung ausüben kann (vgl etwa 25 Kt 204/97; 25 Kt 535/97; 25 Kt 367/99). Auch der Anteilserwerb über einen Treuhänder führt zu einem mittelbaren Erwerb. Erwirbt ein Treuhänder die Anteile und hält er diese wirtschaftlich für den Treugeber, wird der Erwerb jedenfalls dann dem Treugeber zuzurechnen sein, wenn der Treugeber über Weisungen an den Treuhänder die Kontrolle über die Beteiligung ausüben kann. Vorkaufsrechte auf Anteile (Optionen) oder dingliche Recht, etwa Pfandrechte an Anteilen, sind nicht tatbestandsmäßig. Zumeist tritt das erwerbende Unternehmen in die Stellung eines bishe- 28 rigen Gesellschafters ein (derivativer Erwerb). § 7 Abs 1 Z 3 ist aber nicht auf den Erwerb von Anteilen an bestehenden Gesellschaften beschränkt. Ausschlaggebend ist, ob sich ein Unternehmen mit mindestens 25% an einer ein Unternehmen betreibenden – gegebenenfalls auch neu zu errichtenden – Gesellschaft beteiligt (vgl 26 Kt 132/04, 26 Kt 168/04). Zu einem originären Erwerb von Anteilen kommt es bei einer neu gegründeten Gesellschaft (in welche Gesellschafter beispielsweise jeweils einen bereits bestehenden Geschäftsbereich eingebracht haben). Im Zusammenschlusskontrollverfahren gelten das erwerbende Unter- 29 nehmen sowie die (ein Unternehmen betreibende) Gesellschaft, an der 251
§ 7 KartGGugerbauer die Anteile erworben werden, als beteiligte Unternehmen. Erwerben mehrere Unternehmen eine Beteiligung von jeweils zumindest 25%, gilt jedes von ihnen als beteiligtes Unternehmen. Werden Anteile erworben, die bisher von verschiedenen Gesellschaftern gehalten wurden, liegt, wenn die Erwerbsvorgänge rechtlich und wirtschaftlich miteinander verknüpft sind, nur ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vor. Die Veräußerer der Anteile (wie auch sonst alle verbleibenden Gesellschafter der Zielgesellschaft) werden im Zusammenschlusskontrollverfahren selbst dann nicht als „beteiligtes Unternehmen“ behandelt, wenn ihre Beteiligung an der Zielgesellschaft infolge des Zusammenschlusses nicht unter 25% fällt. Erwirtschaften solche Alt-Gesellschafter als Unternehmen aber auch selbst Umsatzerlöse, sind diese gem § 22 Z 1 der Zielgesellschaft zuzurechnen.
D. Personengleichheit (§ 7 Abs 1 Z 4) 30 Durch das Herbeiführen der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe oder der Aufsichtsräte von zwei oder mehreren Gesellschaften, die Unternehmen sind, wird der Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 4 verwirklicht. Die Personengleichheit muss nicht in korrespondierenden Organen vorliegen, auch Personengleichheit der Hälfte der Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs der einen Gesellschaft und der Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats der anderen Gesellschaft ist tatbestandsmäßig. Solche personelle Strukturen lassen erwarten, dass die betreffenden Unternehmer ihr Marktverhalten abstimmen. Im Hinblick darauf, dass es sich bei § 7 Abs 1 Z 4 um einen Formaltatbestand handelt, steht die Dauerhaftigkeit bei der Beurteilung nicht im Vordergrund (vgl 27 Kt 65/14). 31 „Zur Geschäftsführung berufene Organe“ werden formal nur in juristischen Personen bestellt. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 20) sind aber auch geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften sowie Einzelkaufleute „Organe“ iSv § 7 Abs 1 Z 4. Ein Zusammenschluss liegt also auch dann vor, wenn ein Einzelkaufmann – in einem anderen Unternehmen – zum Mitglied einer aus zwei Personen bestehenden Geschäftsführung bestellt wird. 32 Verfügen Beiräte in nicht aufsichtsratpflichtigen Gesellschaften satzungsgemäß über gleiche Rechte wie Aufsichtsräte (und damit einen 252
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zumindest indirekten Einfluss auf das Marktverhalten), verwirklicht die Herbeiführung einer Personengleichheit gem § 7 Abs 1 Z 4 iVm § 20 ebenfalls einen Zusammenschlusstatbestand.
E. Beherrschender Einfluss (§ 7 Abs 1 Z 5) Bei § 7 Abs 1 Z 5 handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der nur dann zum Tragen kommt, wenn die Tatbestände des § 7 Abs 1 Z 1 bis 4 nicht verwirklicht werden (16 Ok 12/08). Ein Zusammenschluss wird nicht nur durch Vorgänge iSv § 7 Abs 1 Z 1 bis 4 und § 7 Abs 2, sondern auch durch jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann, begründet. Alleinige Kontrolle wird erworben, wenn der Erwerber aufgrund der ihm zustehenden Einflussmöglichkeiten allein in der Lage ist, das strategische Wettbewerbsverhalten eines Unternehmens zu bestimmen (16 Ok 7/07). Auch die Gewinnung eines beherrschenden Einflusses auf einen wesentlichen Unternehmsteil ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise tatbestandsmäßig. Im Einzelfall ist eine Gesamtwürdigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände erforderlich (16 Ok 7/07).
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Der kartellrechtliche Beherrschungsbegriff reicht über jenen des Gesellschaftsrechts hinaus (16 Ok 16/04). Liegen die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für einen Konzern vor (vgl § 15 AktG, § 115 GmbHG), ist von einem beherrschenden Einfluss iSv § 7 Abs 1 Z 5 auszugehen. Auch wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kommt es dennoch zu einem Zusammenschluss, wenn eine Beherrschung möglich ist (16 Ok 7/07; 16 Ok 9/01; 16 Ok 4/05). Entscheidend ist dabei, ob ein Unternehmen in einem anderen Unternehmen seine eigenen wettbewerblichen Interessen durchsetzen, ob es wesentliche Markt- und Wettbewerbsstrategien des Zielunternehmens bestimmen kann (16 Ok 16/04). Bleibt den Organen der Zielgesellschaft die Fähigkeit erhalten, selbstständig zu disponieren, begründet eine externe Einflussnahme bloß auf Teilbereiche der unternehmerischen Tätigkeit noch keinen beherrschenden Einfluss.
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Der Begriff des beherrschenden Einflusses ist inhaltsgleich mit dem unionsrechtlichen Begriff eines bestimmenden Einflusses (Art 3 FKVO; vgl 16 Ok 9/02). Kontrolle nach Art 3 Abs 2 FKVO erwächst aus der Möglichkeit, bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines anderen
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§ 7 KartGGugerbauer Unternehmens auszuüben, wobei Kontrolle auch durch bloße Vetorechte in strategischen Angelegenheiten ermöglicht wird (vgl Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl C 2009/43, 10 Rn 65 f). Beherrschung iSv § 7 Abs 1 Z 5 setzt nicht voraus, dass ein Unternehmen alle Einzelheiten des Tagesgeschäfts eines anderen Unternehmens bestimmen kann. Es sind bestimmte Entscheidungskompetenzen, die einen beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen begründen können: Entscheidungen über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, über das jährliche Budget, über den jährlichen Businessplan und über strategisch wichtige Investitionen. Unter Umständen kann bereits eine einzige dieser Kernkompetenzen, insbesondere die Entscheidung über die Geschäftsführung, ausreichen, um beherrschenden Einfluss zu ermöglichen. Reine Investitionsschutzrechte, wie sie häufig Minderheitsgesellschaftern eingeräumt werden, etwa Vetorechte bei Satzungsänderungen, bei Kapitalerhöhungen, beim Verkauf des Unternehmens, usw., begründen keinen Einfluss auf das strategische Marktverhalten eines Unternehmens. Vetorechte in strategischen Angelegenheiten können dagegen Beherrschung ermöglichen. 36 Alleinige Kontrolle liegt nicht nur dann vor, wenn ein Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit an einem anderen Unternehmen hält, dadurch strategische Geschäftsentscheidungen (auch gegen den Willen anderer Gesellschafter) durchsetzen kann, sondern auch dann, wenn ein einzelner Gesellschafter strategische Entscheidungen durch sein Veto verhindern kann, ohne seine Zustimmung sind dann strategische Entscheidungen nicht möglich („negative alleinige Kontrolle“, vgl 16 Ok 7/07). Wenn beispielsweise drei Gesellschafter über Stimmrechte im Verhältnis von 50 : 25 : 25 verfügen, übt der 50%-Gesellschafter negative alleinige Kontrolle aus. Eine Minderheitsbeteiligung kann alleinige Kontrolle ermöglichen, wenn der Minderheitsgesellschafter in der Hauptversammlung einer AG über eine gesicherte Mehrheit verfügt, weil erfahrungsgemäß nicht alle Kleinaktionäre an der Hauptversammlung teilnehmen und die Hauptversammlungsmehrheit mit weniger als 50% der Stimmrechte erreicht werden kann. 37 Die Beherrschung muss auf Dauer angelegt sein und eine dauerhafte Marktstrukturveränderung bewirken. Dazu kann schon reichen, dass eine Vereinbarung nur mit einer 10-jährigen Kündigungsfrist auflösbar ist (vgl 27 Kt 599/04). Auch eine existenziell wichtige Finanzierung, die mit einem Genehmigungsvorbehalt des Finanziers bezüglich strategisch wichtiger Angelegenheiten verbunden wird, kann – auf Dauer 254
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angelegt – zur Beherrschung führen. Der Abschluss einer schuldrechtlichen Vereinbarung, die dem Darlehensgeber wesentliche Zustimmungsrecht etwa in Bezug auf Jahresbudget, Investitionsplan und Bestellung der Geschäftsführung einräumt, verwirklicht auch ohne gesellschaftsrechtliche Verschränkungen der beteiligten Unternehmen den Zusammenschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Z 5, dies jedenfalls dann, wenn die Vereinbarung nur mit einer mehrjährigen Kündigungsfrist auflösbar ist (27 Kt 599/04; vgl auch § 19 Abs 1 Z 2). Zur Herbeiführung einer Verbindung von Unternehmen iSv § 7 Abs 1 38 Z 5 genügt es, dass ein Unternehmen die bloße Möglichkeit erlangt, beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben. Nicht erforderlich ist, dass ein solcher Einfluss der erklärten Absicht der Unternehmen entspricht, also gewollt ist, oder tatsächlich ausgeübt wird (16 Ok 1/07). Sobald die Beherrschung möglich ist, gilt der Zusammenschluss als zustande gekommen, auf die Durchführung kommt es nicht an. Die Durchführung des Zusammenschlusses erfolgt ja erst, wenn von dem beherrschenden Einfluss erstmals in einer die Wettbewerbsverhältnisse berührenden Weise Gebrauch gemacht wird (25 Kt 257, 367/99). § 7 Abs 1 Z 5 setzt keine alleinige Kontrolle voraus. Auch gemeinsame 39 Kontrolle, bei der zwei oder mehr Unternehmen einen beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen ausüben, verwirklicht diesen Zusammenschlusstatbestand (16 Ok 12/08). Für die Annahme gemeinsamer Kontrolle reicht es nicht, dass nebeneinander Beteiligungsrechte mehrerer Unternehmen bestehen, die in Summe den Einflussmöglichkeiten eines alleine kontrollierenden Unternehmens entsprechen. Gemeinsame Kontrolle hängt vielmehr davon ab, ob mittels einer gemeinsamen Unternehmenspolitik eigene Wettbewerbsinteressen im Verhältnis zueinander und gegenüber dem abhängigen Unternehmen abgestimmt und durchgesetzt werden können (16 Ok 12/08). Ob jeder Beteiligte die Möglichkeit zur Beeinflussung strategischer Entscheidungen hat, sie also ohne die anderen Partner nicht getroffen werden können und die Beteiligten bei strategischen Entscheidungen, die das gemeinsame Unternehmen betreffen, aufeinander angewiesen sind (16 Ok 7/07). Zur Erlangung gemeinsamer Kontrolle ist es nicht erforderlich, dass 40 der Erwerber einen bestimmenden Einfluss auf das Tagesgeschäft des Unternehmens ausüben kann. Maßgeblich sind auch Vetorechte zur Beeinflussung des strategischen Wirtschaftsverhaltens. Ein Gesellschaf255
§ 7 KartGGugerbauer ter, der über 50% der Anteile und/oder Stimmrechte verfügt, kann zwar nicht alleine entscheiden, aber jede Entscheidung blockieren, also (negativ) alleine kontrollieren. Zu dem strategisch relevanten Bereich zählen das Budget, der Businessplan, größere Investitionen oder die Besetzung der Unternehmensleitung (16 Ok 7/07). Die gemeinsam kontrollierenden Unternehmen üben über abgestimmtes Verhalten beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens aus. Die gemeinsame Kontrolle kann rechtlich oder faktisch herbeigeführt werden. Ein Syndikatsvertrag kann Anhaltspunkt dafür sein, dass von zwei oder mehr Gesellschaftern eine gemeinsame Geschäftspolitik betrieben wird (16 Ok 12/08). Eine faktische Basis liegt vor allem vor, wenn, aus welchen Gründen auch immer, die Stimmrechte paritätisch aufgeteilt sind. Gleichgerichtete und hinreichend starke finanzielle und wirtschaftliche Interessen von (Minderheits-)Gesellschaftern können faktisch eine gemeinsame Kontrolle über ein Unternehmen begründen, ohne dass eine derartige gemeinsame Kontrollausübung verbindlich fixiert wäre. Wenn die Gesellschafter durch eine sonst bestehende Pattsituation dazu gezwungen sind, stets Übereinstimmung zu erzielen, ist dies ein Indiz für eine gemeinsame Geschäftspolitik (16 Ok 12/08). Um Übereinstimmung erzielen zu müssen, reichen aber auch schon entsprechende Vetorechte aus. Bei einer Mehrzahl von Minderheitsgesellschaftern ist die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften und stabilen Allianz grundsätzlich eher gering (16 Ok 7/07). 41 § 7 Abs 1 Z 5 erfasst auch jede wesentliche Änderung der Art der Kontrolle. Ein Wechsel von alleiniger zu gemeinsamer Kontrolle – oder umgekehrt – begründet einen Zusammenschluss. Auch wenn sich die Zahl gemeinsam kontrollierender Gesellschafter erhöht oder ihre Identität verändert, liegt eine Änderung der Art der Kontrolle vor (es macht keinen Unterschied, ob der neue Gesellschafter einen ausscheidenden ersetzt oder zu dem Kreis der gemeinsam kontrollierenden Gesellschafter hinzutritt; vgl 25 Kt 535/97). In der Regel wird kein Zusammenschlusstatbestand verwirklicht, wenn sich die Anzahl gemeinsam kontrollierender Gesellschafter reduziert und das Gemeinschaftsunternehmen nach dem Ausscheiden eines gemeinsam kontrollierenden Gesellschafters unter der gemeinsamen Kontrolle der verbleibenden Gesellschaft steht (16 Ok 12/08), es sei denn, die dadurch stärkere Position der verbleibenden kontrollierenden Unternehmen führt zu nennenswerten wettbewerblichen Implikationen. In wirtschaftlicher Betrachtungswei256
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se (§ 20) sind bei Beurteilung eines Kontrollwechsels nicht nur die aktuell bestehenden Einflussmöglichkeiten, sondern auch bereits absehbare Änderungen der Gestaltung der Satzung zu berücksichtigen (16 Ok 12/08). Bei einem Wechsel von negativer zu positiver alleiniger Kontrolle (und umgekehrt) wird kein Zusammenschlusstatbestand verwirklicht. Sind in der Gesellschafterversammlung wechselnde Mehrheiten der 42 Gesellschafter möglich, kann nicht von gemeinsamer Kontrolle gesprochen werden. Halten drei Gesellschafter je ein Drittel der Anteile an einem Unternehmen, können zwei von ihnen gemeinsam Kontrolle ausüben, wenn sie sich entsprechend abstimmen. Bedürfen strategische Entscheidungen einer qualifizierten Mehrheit, kann das Unternehmen – abhängig vom Quorum – unter Umständen nur von allen drei Gesellschaftern gemeinsam kontrolliert werden. Bei einer Stimmrechtsverteilung zwischen drei Gesellschaftern von 50 : 25 : 25 würde nur ein Gesellschafter die mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüsse blockieren können.
F. Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen (§ 7 Abs 2) Nach § 7 Abs 2 verwirklicht die Gründung eines Gemeinschaftsunter- 43 nehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt, einen Zusammenschluss. Dieser Tatbestand erfasst jedoch nur originäre Neugründungen (16 Ok 12/08; 16 Ok 11/13). Der Erwerb der gemeinsamen Kontrolle an einem bereits operativ täti- 44 gen Zielunternehmen durch zwei oder mehr Unternehmer verwirklicht nicht den Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 2, sondern jenen nach § 7 Abs 1 Z 3 (Erreichen der Beteiligungsschwelle von 50%) oder nach § 7 Abs 1 Z 5 (gemeinsamer Erwerb eines beherrschenden Einflusses; vgl 16 Ok 12/08). Die Zusammenschlusstatbestände des § 7 Abs 1 erfordern lediglich die Beteiligung oder Einflussnahme auf ein anderes Unternehmen. Auch dann, wenn das – schon bestehende – Zielunternehmen bloße Hilfsfunktionen für eine Muttergesellschaft ausübt und somit kein Vollfunktionsunternehmen ist, wird der Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 oder § 7 Abs 1 Z 5 verwirklicht. Werden (Teil-)Betriebe und damit eine bestehende Marktposition iS 45 eines „wesentlichen Vermögensteils“ von Muttergesellschaften auf ein 257
§ 7 KartGGugerbauer Gemeinschaftsunternehmen übertragen und erwirtschaftet dieses Gemeinschaftsunternehmen einen wesentlichen Teil, zB 80 Prozent, seines Umsatzes mit dem Muttergesellschaften, wird kein Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen (§ 7 Abs 2) gegründet, sondern liegt ein Zusammenschluss-Tatbestand nach § 7 Abs 1 vor. Die Einbringung der (Teil-)Betriebe der Muttergesellschaften in das Gemeinschaftsunternehmen bringt mit sich, dass der jeweils andere Partner gemeinsame Kontrolle an dem eingebrachten Unternehmensteil erhält. Das Gemeinschaftsunternehmen tritt mit Durchführung des Vorhabens in die Marktposition der Muttergesellschaften ein. Dies kann als wechselseitige Beteiligung an dem eingebrachten Geschäftsbereich des jeweils anderen Gründungspartners nach § 7 Abs 1 Z 3 angesehen werden (16 Ok 11/13; 26 Kt 132/04; 26 Kt 167/04; 26 Kt 168/04). 46 Nach der konsolidierten Mitteilung der Europäischen Kommission zu Zuständigkeitsfragen (ABl C 2009/43, 10, Rn 91 f) müssen kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen, damit von einem VollfunktionsGU gesprochen werden kann: Das GU muss wirtschaftlich selbständig sein, also über ausreichende eigene Ressourcen für die Bewältigung des Tagesgeschäfts verfügen, es darf nicht nur Hilfsfunktionen für die Gründerunternehmen wahrnehmen, über eine Start-up-Phase (von maximal 3 Jahren) hinaus nicht abhängig von Geschäftsbeziehungen mit den Gründern sein und muss auf Dauer angelegt sein. Wichtig ist aber auch ein eigenes Management, das sich dem Tagesgeschäft des GU widmen kann. 47 Das Gemeinschaftsunternehmen muss also wirtschaftlich selbständig sein, somit – unabhängig von den Gründerunternehmen – über ausreichende Ressourcen für die Bewältigung des Tagesgeschäfts verfügen. Bei Zusammenschlüssen, bei denen die Beteiligten ihre wirtschaftliche Selbstbestimmung nicht aufgeben, gibt es keinen allgemeinen Vorrang der Fusionskontrolle vor dem Kartellverbot (OGH 16 Ok 9/08). Das allgemeine Interesse an der Aufrechterhaltung einer Marktstruktur, die einen funktionierenden Wettbewerb verspricht, würde beeinträchtig, wenn die Gründungsunternehmen die Kontrolle über die von ihnen eingebrachten Ressourcen behielten und gemeinsam ausübten, wodurch ein in die Gründerunternehmen hineinwirkender „Gruppeneffekt“ entstehen könne (16 Ok 9/02). 48 Das Postulat der Selbständigkeit des Gemeinschaftsunternehmens bezieht sich auf das operative Tagesgeschäft, strategische Richtungsent258
Begriffsbestimmungen
§ 7 KartG
scheidungen müssen in der Regel von den Gesellschaftern mitbestimmt werden (16 Ok 9/02). Die Einstufung als strategische Entscheidung, ist unter Berücksichtigung des Einzelfall von den Besonderheiten des Marktes abhängig. Wer Entscheidungen über die Ernennung und Abberufung der Geschäftsführung über das jährlich Budget über den Businessplan und über strategisch wichtige Investitionen prägen oder zumindest blockieren kann, kontrolliert das Unternehmen in der Regel. Gemeinsame Kontrolle wird rechtlich oder faktisch begründet, typi- 49 scher Weise durch eine paritätische Verteilung der Stimmrechte im GU (16 Ok 15/98). Vetorechte eines Gesellschafters reichen zumeist nicht aus. Zumindest zwei Gesellschafter müssen über Kontrollrechte verfügen. Bei einer Stimmrechtsverteilung von 50 : 25 : 25 und mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüssen liegt keine gemeinsame Kontrolle von drei Gesellschaftern vor, weil nur ein Gesellschafter die Beschlussfassung blockieren kann (16 Ok 5/99). Gemeinsame Kontrolle ist auch dann nicht gegeben, wenn in der Gesellschafterversammlung wechselnde Mehrheiten möglich sind (25 Kt 183). Eine Vereinbarung zur Gründung eines Unternehmens, das nicht unter der gemeinsamen Kontrolle seiner Anteilseigener stehen soll, bezweckt für sich allein genommen keine Einschränkung des Wettbewerbs, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (16 Ok 51/05). Wenn zwei Gesellschafter, die über ein GU einen „beherrschenden Einfluss“ iSv § 7 Abs 1 Z 5 ausüben, die Beteiligungsverhältnisse des – vorher und nachher – gemeinsam kon trollierten Unternehmens verschieben, dies auch durch Überschreitung der 50%-Beteiligungsschwelle des § 7 Abs 1 Z 3, kommt es, soweit dadurch die Machtverhältnisse der Gesellschafter untereinander nicht verändert werden, zu keinem Zusammenschluss (vgl 16 Ok 16/04). Das Gemeinschaftsunternehmen darf nicht nur Hilfsfunktionen für die 50 Gründerunternehmen ausführen. Ein Vollfunktionsunternehmen ist nur dann anzunehmen, wenn die Lieferungen an die Gründer im relevanten Markt auf Dauer unter der Schwelle von 50% liegen (25 Kt 160/03). Auch die Europäische Kommission verlangt als Voraussetzung einer Vollfunktionseigenschaft einen Anteil am Drittkundengeschäft von zumindest 50%. Über eine Start-up-Phase hinaus (in der Regel bis zu 3 Jahre) darf das Gemeinschaftsunternehmen also nicht abhängig von Geschäftsbeziehungen mit den Gründern sein. Ist ein gemeinsames Unternehmen aber auch nach der Start-up-Phase auf die Belieferung durch bzw den Verkauf an die Gründerunternehmen angewiesen, 259
§ 7 KartGGugerbauer spricht dies gegen die Annahme, dass das Gemeinschaftsunternehmen eine aktive Rolle am Markt spielen wird. Soweit ein Gemeinschaftsunternehmen aber in der Anfangsphase, bis es auf dem relevanten Markt Fuß fassen kann, nur die Gründungsgesellschafter als Kunden hat, beeinträchtigt dies seine Qualifikation als Vollfunktionsunternehmen nicht (1 Kt 410/95). 51 Die bloße Ausgliederung betrieblicher Teilfunktionen, etwa des Vertriebs oder der Lagerung, durch die Gründungsgesellschafter führt nicht zur Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens, das „alle Funktionen“ einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt (1 Kt 312/95). Dies gilt auch für die Ausgliederung von Back-Office-Leistungen an ein Gemeinschaftsunternehmen, das nur die Gründer serviciert, oder für die Gründung reiner F&E-, Produktions- oder Vertriebs-Gemeinschaftsunternehmen. das Outsourcing bestimmter Einkaufsaufgaben in ein gemeinsam kontrolliertes Unternehmen ist nicht als tatbestandsmäßig iSv § 7 Abs 2 (29 Kt 46, 47/11). Solche Koopera tionsformen sind – sofern nicht ein Tatbestand des § 7 Abs 1 erfüllt ist – nach § 1 zu prüfen (vgl 16 Ok 11/13). 52 Das Gemeinschaftsunternehmen muss auf Dauer angelegt sein. Ist ein GU nicht auf Dauer ausgerichtet, fehlt es an dauerhaften strukturellen Marktveränderung. Gemeinschaftsunternehmen, die gezielt nur für eine kurze Zeit errichtet werden, zB reine Projektgesellschaften oder Gesellschaften, die – nur – für die Teilnahme an einer Ausschreibung gegründet worden sind, erfüllen das Kriterium der Dauerhaftigkeit nicht. Haben die Gründerunternehmen aber entsprechende Ressourcen auf das Gemeinschaftsunternehmen übertragen, lässt dies auf eine dauerhafte Gemeinschaftsunternehmen-Gründung schließen. 53 Dem Kriterium Vollfunktionseigenschaft kommt nur im Rahmen des § 7 Abs 2 eigenständige Bedeutung zu § 7 Abs 1 setzt in keinem Tatbestand die Vollfunktionseigenschaft voraus, sondern stellt lediglich auf die Beteiligung oder Einflussnahme auf ein anderes Unternehmen ab (16 Ok 11/13). Dies zeigt schon der Wortlaut des § 7 Abs 1 Z 1: Unter dem in dieser Bestimmung ausdrücklich angesprochenen „wesentlichen Teil“ eines Unternehmens sind auch Geschäftsbereiche, Produktionsstandorte, Filialen, Markenrechte, Zeitschriftentitel, Patentrechte, Kundenlisten, eine Vertriebsmannschaft (vor allem in einem Markt, in dem persönliche Kundenbeziehungen wesentlich sind) oder auch eine ausreichend große Anzahl von Schlüsselarbeitskräften, die von einem 260
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§ 7 KartG
Konkurrenten übernommen werden, zu verstehen. Selbst der Abschluss eines langfristigen, exklusiven Lizenzvertrages kann unter bestimmten Voraussetzungen, vor allem bei Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für einen längeren Zeitraum, als Erwerb eines wesentlichen Unternehmensteils qualifiziert werden. Deswegen muss dieser Unternehmensteil aber noch kein Vollfunktions-Unternehmen darstellen (16 Ok 11/13).
IV. Kooperative Aspekte von Unternehmens- Zusammenschlüssen Im Rahmen einer Entscheidung über die Untersagung bzw Nichtun- 54 tersagung eines Zusammenschlusses sind auch allfällige kooperative Aspekte des Zusammenschlusses, soweit dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, zu bewerten (16 Ok 11/13). Dies entspricht der Rechtslage nach Art 6 Abs 1 lit b FKVO. Demnach gelten durch eine Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss genehmigt wird, auch die mit seiner Durchführung unmittelbar verbundenen und für sie notwendigen Einschränkungen des Wettbewerbs als genehmigt. Diese Auffassung lässt sich auf das österreichische Kartellrecht übertragen. Alle Marktwirkungen, die sich wesensnotwendig aus dem Zusammenschluss ergeben, sind von der „Freistellungswirkung“ der Fusionskontrollentscheidung erfasst. Dies betrifft etwa die Verpflichtung der Muttergesellschaften, dem Gemeinschaftsunternehmen in dessen Tätigkeitsbereich keine Konkurrenz zu machen und umgekehrt (vgl die Bekanntmachung der Kommission zu wettbewerbsbeschränkenden Nebenabreden, ABl 2005, C 56/24, Rn 36 ff), aber auch koordinierende Effekte, die sich daraus ergeben, dass die Muttergesellschaften zukünftig vom Gemeinschaftsunternehmen Waren oder Leistungen zu einheitlichen Kosten beziehen können (16 Ok 11/13). Die Verpflichtung zur parallelen Anwendung von nationalem Wettbe- 55 werbsrecht und Unionsrecht (vgl Art 3 Abs 1 VO 1/2003) gilt gem Art 3 Abs 3 VO 1/2003 nicht für den Bereich der einzelstaatlichen Fusionskontrolle. Diese „Vorrangregel“ zu Gunsten des KartG ist vor allem für den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen von zumindest 25% an Wettbewerbern von Relevanz, weil derartige Vorgänge nach österreichischem Recht einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3 begründen, nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH 17.11.1987, Rs 261
§ 7 KartGGugerbauer 142 und 156/84 - Philip Morris / Rothmans, Slg 1987, I-4487) aber (gleichzeitig) unter das Kartellverbot gem Art 101 AEUV fallen können, wenn sie eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung zwischen Erwerber und Zielgesellschaft entfalten. Gem Art 3 Abs 3 VO 1/2003 sind die mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden und Gerichte nicht verpflichtet, Art 101 auf einen nationalen Fusionskontrollsachverhalt pa rallel anzuwenden. Bei Zusammenschlüssen iSv Art 3 FKVO (Kontroll erwerb), welche keine gemeinschaftsweite Bedeutung haben, jedoch die Umsatzschwellen des § 9 überschreiten, ist die parallele Anwendung von Art 101 AEUV durch die Europäische Kommission zusätzlich zur nationalen Fusionskontrolle gem Art 21 Abs 1 FKVO ausgeschlossen. Bedeutung kann dieser Vorrangregel auch bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zukommen, das gemäß § 7 Abs 2 KartG als Zusammenschluss anzumelden ist, aber auch zu einer Koordinierung der Gründergesellschaften führt (16 Ok 11/13). Dann müssten allfällige „Gruppeneffekte“ zwischen den Gründern über den Marktbeherrschungstest des § 12 geprüft werden. Dagegen findet bei Zusammenschlüssen von gemeinschaftsweiter Bedeutung gem Art 2 Abs 4 und 5 FKVO eine Prüfung kooperativer Aspekte nach den Kriterien des Art 101 AEUV statt. 56 In Art 21 Abs 1 FKVO ist angeordnet, dass die VO 1/2003 für Gemeinschaftsunternehmen, die keine gemeinschaftsweite Bedeutung haben und die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezwecken oder bewirken, gilt. Dies bezieht sich auf Fälle, in denen die Muttergesellschaften auf dem gleichen sachlich und räumlich relevanten Markt wie das Gemeinschaftsunternehmen tätig bleiben. Damit haben es die Mitgliedstaaten in der Hand, auch Fusionskontrolltatbestände vorzusehen, die sich in der FKVO nicht finden. Das Instrument der Fusionskontrolle kann eingesetzt werden, um Anliegen zu schützen, die über die Bewahrung eines effektiven Wettbewerbs hinausgehen. Ein Beispiel dafür bildet das Ziel der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt gemäß § 13 KartG (16 Ok 11/13). 57 Die Prüfung eines Sachverhalts als Zusammenschluss schließt die parallele Prüfung der für den Zusammenschluss tatbestandsmäßigen Sachverhaltselemente als Kartell aus (16 Ok 11/13). Jenseits des fusionskontrollrechtlichen Prüfungsgegenstands bleibt die Anwendung von § 1 dagegen möglich. Entscheidend ist, was im Fusionskontrollverfahren bereits geprüft worden ist (16 Ok 11/13). Nur darüber hinausgehende 262
Begriffsbestimmungen
§ 7 KartG
kooperative Elemente (zB wettbewerbsbeschränkende Absprachen zwischen den Gründen) sind nach § 1 zu überprüfen.
V. Verwirklichung mehrerer Zusammenschluss tatbestände Ein in sich zusammenhängender Sachverhalt kann unterschiedliche Zu- 58 sammenschlusstatbestände verwirklichen und dennoch nur eine Anmeldung erfordern (vgl 26 Kt 132/04). So führt der Erwerb sämtlicher Anteile an einem Unternehmen zu einem Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3 (Erwerb von zumindest 50%), aber auch zu einem solchen nach § 7 Abs 1 Z 5 (Erwerb eines beherrschenden Einflusses). Beim Erwerb eines Geschäftsbereichs eines Konzerns, zu dem mehrere Tochtergesellschaften und bestimmte gewerbliche Schutzrechte gehören, wird ein Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 1 (hinsichtlich wesentlicher Unternehmensteile) und nach § 7 Abs 1 Z 3 (hinsichtlich übernommener Gesellschaften) herbeigeführt. Betrifft aber bei Verwirklichung von zwei voneinander unterschiedli- 59 chen Zusammenschlusstatbeständen jeder von ihnen die Marktstellung eines anderen Unternehmens, darf die fusionskontrollrechtliche Beurteilung der beiden Zusammenschlüsse, auch bei einem wirtschaftlich zusammenhängenden Vorhaben nicht vermengt werden (vgl 26 Kt 358/04).
VI. Konzernprivileg (§ 7 Abs 4) § 7 Abs 4 bestimmt, dass dann, wenn alle beteiligten Unternehmen ei- 60 nem Konzern (§ 15 AktG, § 115 GmbHG) gehören, Vorgänge iSv Abs 1 Z bis 5 und Abs 2 keinen kartellrechtlichen Zusammenschlusstatbestand verwirklichen (16 Ok 16/04). Dies entspricht dem allgemeinen Grundverständnis, dass an einem kartellrechtlich relevanten Zusammenschluss zumindest zwei unabhängige Unternehmen beteiligt sein müssen, von denen durch den Zusammenschluss eines seine wirtschaftliche Selbständigkeit (zumindest weitgehend) verliert (vgl Okt 10/94). Tatsächlich ist mit einer bloßen Verschiebung innerhalb eines Konzerns, mit „internen Reorganisationsmaßnahmen“ keine Veränderungen der Machtverhältnisse verbunden. Die gesellschaftsrechtlichen Konzernregelungen (§ 15 AktG, § 115 61 GmbHG) einerseits und die kartellrechtlichen Bestimmungen anderer263
§ 7 KartGGugerbauer seits weisen unterschiedliche Zielsetzungen auf, die Charakteristika des Phänomens „Konzern“ sind daher vor dem Hintergrund der kartellrechtlichen Regelungen zu interpretieren (vgl 16 Ok 20/03). Da für das Eingreifen der Fusionskontrolle die Veränderung der internen Machtverhältnisse maßgeblich sind, kommt für den Konzernbegriff nach § 7 Abs 4 auch der bloßen Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussnahme Bedeutung zu (vgl 16 Ok 12/08). Der Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen kann ein solches Gewicht zukommen, dass es gerechtfertigt erscheint, deren Verhältnis zueinander unabhängig von einer konkreten einheitlichen Leitung als Konzernverhältnis anzusehen (vgl 16 Ok 20/03). Jedenfalls kann es nach den Umständen des Einzelfalls für die Annahme eines Konzernverhältnisses genügen, wenn die beteiligten Unternehmen iSd § 7 Abs 1 Z 5 miteinander verbunden sind. Wenn einmal das Erlangen eines beherrschenden Einflusses nach § 7 Abs 1 Z 5 angemeldet und den Zusammenschluss vollzogen worden ist, liegt danach auch bei Vorliegen eines Sacherhalts, der die Kriterien nach § 7 Abs 1 Z 1 bis Z 4 bzw Abs 2 erfüllt, kein neuerlicher Zusammenschluss vor (vgl 16 Ok/04). Das Konzernprivileg schlägt auch dann durch, wenn einem Stifter gehörende Aktien auf die vom Stifter beherrschte Privatstiftung übertragen werden, soweit sich der Stifter den Widerruf der Stiftung ausdrücklich vorbehalten hat (vgl 25 Kt 826/00). 62 Aber nicht alle Vorgänge, die zu einem beherrschenden Einfluss iSv § 7 Abs 1 Z 5 führen (etwa der Erwerb bloß „gemeinsamer Beherrschung“), können das Konzernprivileg des Abs 4 beanspruchen. Ist beispielsweise ein Unternehmen über eine – nicht-kontrollierende – 25%-Beteiligung mit einem anderen Unternehmen verbunden, kommt es zu einem Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3, wenn es seine Beteiligung auf zumindest 50% aufstockt, bzw nach § 7 Abs 1 Z 5, wenn es die Kon trolle über dieses Unternehmen erwirbt. 63 In Entsprechung der von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung über den Begriff des Zusammenschlusses (ABl C 1998/66, 5) aufgestellten Grundsätze ist der Bund im Rahmen seiner verschiedenen Beteiligungen als Konzern iSv § 7 Abs 4 iVm § 15 AktG anzusehen, wenn eine einheitliche Leitung (§ 15 Abs 1 AktG) vorliegt oder wenn bei einer beherrschenden gesellschaftsrechtlichen Beteiligung organisationsrechtliche Bestimmungen oder sonstige gesetzliche Vorgaben einer einheitlichen Geschäftspolitik nicht entgegenstehen bzw eine solche sogar vorgegeben ist (16 Ok 20/02). 264
Begriffsbestimmungen
§ 7 KartG
Bei Staatsunternehmen wird man daher von einem Konzernverhältnis 64 ausgehen können, wenn die einzelnen Unternehmen keine autonome Geschäftspolitik verfolgen können. Dies ist etwa der Fall, wenn faktisch eine einheitliche Leitung besteht oder wechselseitige Interessen als Ausfluss gesetzlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Unter Umständen ist die öffentliche Hand unter dem Aspekt der Beurteilung des Konzerns aber gleich zu behandeln, reicht also bereits die Möglichkeit der Einflussnahme auf ein anderes Unternehmen für die Annahme eines Konzerns aus (vgl 25 Kt 74/13). Nach ständiger Rechtsprechung zum Unionsrecht wird die Anwend- 65 barkeit von Wettbewerbsregeln durch das Bestehen von Regulierungsregeln nicht ausgeschlossen. Vielmehr bleiben die Wettbewerbsregeln anwendbar, soweit im Rahmen der Regulierung Raum für Wettbewerb bleibt (EuGH Rs 40/73 – Suiker Unie, Rn 19/23; EuG Rs T-202/98 ua – Tate & Lyle Rn 44 ff, EuGH C-359/95p – Ladbroke Racing Rn 33 f; EuG Rs T-228/97 – Irish Sugar Rn 130). Dies gilt auch für die Beurteilung einer Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch einen Zusammenschluss im Rahmen der Fusionskon trolle (vgl ausdrücklich zu Wettmärkten COMP/M. 1411 – Deutsche Bank/Coral Rn 9 ff unter Hinweis auf EuGH C-359/95p; 16 Ok 11/16b). In der Bundesrepublik Deutschland wurden zwischen 2003 und 2007 66 mehr als 70 Fusionskontrollverfahren im Krankenhausbereich durchgeführt, vier führten zu Untersagungen. Bei Verkehrsunternehmungen der Öffentlichen Hand ist es allerdings möglich, dass im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Regulierungen dieses Sektors keine erheblichen wettbewerblichen Spielräume bestehen (16 Ok 11/16b). Das Glücksspielgesetz verfolgt die Zielsetzung, Glücksspiel nur in ge- 67 regelten Bahnen stattfinden zu lassen. Den Gefahren, die das Glücksspiel mit sich bringt, begegnet der mit dem Glücksspielgesetz normierte Regulierungsrahmen (vgl dazu auch VfGH E 945/2016 ua). Im Rahmen dieser Regulierung kann sich Wettbewerb jedoch insoweit förderlich auswirken, als dieser durch Verbesserung des Angebots ein Abdriften des Sektors in die Illegalität verhindern kann. Wettbewerb ist also mit dem Glücksspielgesetz grundsätzlich vereinbar und in den österreichischen Glücksspielmärkten möglich (16 Ok 11/16b). 265
§ 8 KartGGugerbauer
Medienzusammenschlüsse § 8. (1) Ein Zusammenschluss ist ein Medienzusammenschluss, wenn mindestens zwei der beteiligten Unternehmer beziehungsweise Unternehmen zu einer der folgenden Gruppen gehören: 1. Medienunternehmen oder Mediendienste (§ 1 Abs. 1 Z 6 und 7 Mediengesetz, BGBl. Nr. 314/1981), 2. Medienhilfsunternehmen (Abs. 2) oder 3. Unternehmen, die an einem Medienunternehmen, Mediendienst oder Medienhilfsunternehmen einzeln oder gemeinsam mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 25% beteiligt sind. (2) Als Medienhilfsunternehmen im Sinn dieses Bundesgesetzes gelten 1. Verlage, sofern sie nicht Medienunternehmen sind, 2. Druckereien und Unternehmen der Druckvorstufe (Repround Satzanstalten), 3. Unternehmen, die Werbeaufträge beschaffen oder vermitteln, 4. Unternehmen, die den Vertrieb von Medienstücken im großen besorgen, 5. Filmverleihunternehmen. (3) Ein Zusammenschluss ist ein Medienzusammenschluss auch dann, wenn nur eines der beteiligten Unternehmen zu den im Abs. 1 Z 1 bis 3 aufgezählten Unternehmen gehört und an mindestens einem weiteren am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ein oder mehrere Medienunternehmen, Mediendienste oder Medienhilfsunternehmen mittelbar oder unmittelbar insgesamt zu mindestens 25% beteiligt sind. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht I. Medienzusammenschlüsse.................................................................. 1–3 II. Medienunternehmen........................................................................... 4 III. Mediendienst......................................................................................... 5 IV. Medienhilfsunternehmen.................................................................... 6–7
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Medienzusammenschlüsse
§ 8 KartG
I. Medienzusammenschlüsse Das KartG sieht für „Medienzusammenschlüsse“ spezielle Regelungen 1 vor: Im Mediensektor besteht bereits bei vergleichsweise geringen Umsätzen der an einem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Anmeldepflicht (vgl § 9 Abs 3), zudem verfolgt die Kontrolle ein weiteres Ziel, neben der Verhinderung des Entstehens oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 12) die Verhinderung einer Beeinträchtigung der Medienvielfalt (§ 13). Für die Qualifikation als „Medienzusammenschluss“ kommt es allerdings nicht darauf an, ob das Vorhaben Auswirkungen auf die Medienvielfalt hat oder haben kann. Ein Medienzusammenschluss iSv § 8 Abs 1 liegt vor, wenn am Zusam- 2 menschluss mindestens zwei Medienunternehmen, Mediendienste oder Medienhilfsunternehmen („Medienunternehmen i.w.S.“) beteiligt sind oder Unternehmen, die an einem solchen eine Beteiligung von 25% oder mehr halten (§ 8 Abs 1 Z 3). Ein Medienzusammenschluss wird aber auch verwirklicht, wenn zwar 3 nur eines der beteiligten Unternehmen ein Medienunternehmen iwS ist oder eine relevante Beteiligung an einem Unternehmen gem § 8 Abs 1 Z 1 oder 2 hält, jedoch zumindest ein weiteres Unternehmen am Zusammenschluss beteiligt ist, an dem ein Medienunternehmen iwS 25% oder mehr der Anteile hält (§ 8 Abs 3 – „Medientochter“). Die beteiligte Medientochter selbst muss keine Aktivitäten im Medienbereich ausüben.
II. Medienunternehmen Bezüglich der Begriffe Medienunternehmen und Mediendienst ver- 4 weist § 8 Abs 1 auf § 1 Abs 1 Z 6 und 7 MedienG, BGBl 1981/314. § 8 Abs 2 regelt, welche Unternehmen als Medienhilfsunternehmen gelten. Als Medienunternehmen ist demnach ein Unternehmen zu verstehen, das die inhaltliche Gestaltung eines Mediums sowie seine Herstellung und Verbreitung besorgt oder veranlasst (§ 1 Abs 1 Z 6 MedienG). Alle drei Kriterien, also die inhaltliche Gestaltung, die Herstellung und die Verbreitung, müssen kumulativ erfüllt werden (vgl 16 Ok 2/97). Unter „Medium“ ist jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild, das 267
§ 8 KartGGugerbauer einem größeren Personenkreis zugänglich ist, zu verstehen (§ 1 Abs 1 Z 1 MedienG).
III. Mediendienste 5 Mediendienste wenden sich nicht unmittelbar an die Öffentlichkeit, sondern versorgen andere Unternehmen (Medienunternehmen) mit (Text-)Beiträgen und Bildmaterial (§ 1 Abs 1 Z 7 MedienG). Zu den Mediendiensten gehören Nachrichten- und Bildagenturen oder auch Pressedienste.
IV. Medienhilfsunternehmen 6 Zu Medienhilfsunternehmen zählen gem § 8 Abs 2 Verlage (sofern sie nicht Medienunternehmen sind, Verlage produzieren und vertreiben in der Regel Werke der Literatur, Kunst, Musik oder Wissenschaft); Druckereien und Unternehmen der Druckvorstufe (Repro- und Satzanstalten); Unternehmen, die Werbeaufträge beschaffen und vermitteln, das sind vor allem Mediaagenturen, die für die werbetreibende Wirtschaft Anzeigenplätze bzw Sendezeiten buchen; Unternehmen, die den Vertrieb von Medienstücken im Großen besorgen (dass PresseGrossisten den Vertrieb „im Großen“ besorgen, reflektiert nicht ihre Unternehmensgröße, sondern ihre Tätigkeit im Großhandel); Filmverleihunternehmen (Filmverleihunternehmen sind in wirtschaftlicher Betrachtungsweise „Unternehmen, die den Vertrieb von Medienstücken im Großen besorgen“, vergleichbar). 7 Es ist unbeachtlich, wenn an einem Zusammenschluss beteiligte Druckereien aktuell nicht mit dem Druck von Medienwerken befasst sind. Nach § 8 Abs 2 Z 2 kommt es allein auf die Tätigkeit als Druckerei bzw als Unternehmen der Druckvorstufe an. Erkennbarerer Zweck dieser Bestimmung ist es, Unternehmen, deren Befassung mit der Herstellung und/oder Verbreitung von Medien aufgrund ihrer Einrichtungen, ihres Know-How, und des Ausbildungsstands ihrer Mitarbeiter jederzeit möglich wäre, den strengeren Vorschriften über Medienzusammenschlüsse zu unterwerfen (vgl 26 Kt 429/96).
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Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse
§ 9 KartG
Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse § 9. (1) Zusammenschlüsse bedürfen der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten: 1. weltweit insgesamt mehr als 300 Millionen Euro, 2. im Inland insgesamt mehr als 30 Millionen Euro und 3. mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als fünf Millionen Euro. (2) Ausgenommen von Abs. 1 sind Zusammenschlüsse, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten: 1. nur eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als fünf Millionen Euro und 2. die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit insgesamt nicht mehr als 30 Millionen Euro. (3) Bei der Anwendung der Abs. 1 Z 1 und 2 und des Abs. 2 Z 2 auf Medienzusammenschlüsse (§ 8) sind die Umsatzerlöse von Medienunternehmen und Mediendiensten mit 200, die Umsatzerlöse von Medienhilfsunternehmen mit 20 zu multiplizieren. (4) Zusammenschlüsse, auf die Abs. 1 nicht anwendbar ist, bedürfen auch der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn 1. die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von weltweit insgesamt mehr als 300 Millionen Euro erzielten, 2. die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss im Inland Umsatzerlöse von insgesamt mehr als 15 Millionen Euro erzielten, 3. der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 200 Millionen Euro beträgt und 4. das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang im Inland tätig ist. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015);
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§ 9 KartGGugerbauer Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/ Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Aufgriffsschwellen................................................................................ 1–18 A. § 9 Abs 1............................................................................................ 6 B. § 9 Abs 2............................................................................................ 7 C. § 9 Abs 4............................................................................................ 8–18 II. Beteiligte Unternehmen...................................................................... 19–24 III. Umsatzberechnung.............................................................................. 25–27 IV. Umsätze in der Medienbranche......................................................... 28–29
I. Aufgriffsschwellen 1 Ob ein Unternehmenszusammenschluss zur „Fusionskontrolle“ anzumelden ist, hängt von den Umsatzerlösen ab, die von den beteiligten Unternehmen zuletzt erwirtschaftet wurden. Aus den Jahresabschlüssen kann abgelesen werden, ob bestimmte Umsatzschwellen überschritten wurden. Dabei gibt es eine untere und eine obere Grenze. Für Medienzusammenschlüsse gilt ein Umsatz-Multiplikator (Abs 3). 2 Bei Überschreitung der „oberen“ Grenzwerte greift die Europäische Fusionskontrolle ein, entfällt die Anmeldepflicht nach § 9 (16 Ok 6/96). Gem Art 1 Abs 2 hat ein Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn ein weltweiter Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen von zusammen mehr als 5 Mrd EUR und ein gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Mio EUR erzielt werden. Dies gilt nicht, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen. Ein Zusammenschluss, der die in Absatz 2 vorgesehenen Schwellen nicht erreicht, hat gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 2,5 Mrd EUR beträgt, der Gesamtumsatz aller beteiligten Un270
Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse
§ 9 KartG
ternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils 100 Mio EUR übersteigt, in jedem von mindestens drei von Buchstabe b) erfassten Mitgliedstaaten der Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio EUR beträgt und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils 100 Mio EUR übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen. Ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung bedarf nur einer Anmeldung bei der Europäischen Kommission (OneStop-Shop-Prinzip). Aufwändige Parallelverfahren vor mitgliedsstaatlichen Wettbewerbsbehörden werden dadurch vermieden. Ein Mitgliedstaat der Europäischen Union kann der Kommission vom 3 Amts wegen oder auf Aufforderung durch die Kommission binnen 15 Arbeitstagen nach Erhalt der Kopie der Anmeldung eines Zusammenschlusses bei der Kommission mitteilen, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich zu beeinträchtigen droht, oder der Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigen würde, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist und keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt. Teilt die Kommission diese Beurteilung, kann sie die Gesamtheit oder einen Teil des Falls an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaates verweisen, damit das Wettbewerbsrecht des Mitgliedstaats angewandt wird (Art 9 FKVO – „deutsche Klausel“). Die Zuständigkeit kann sich auch von einer mitgliedstaatlichen Wettbe- 4 werbsbehörde zur Europäischen Kommission verschieben („holländische Klausel“). Dadurch soll der administrative Aufwand von Mehr fachanmeldungen vermieden werden. Vorausgesetzt, dass ein Zusammenschluss-Vorhaben (kumulativ) nach dem Kartellrecht von mindestens drei EU-Mitgliedstaaten einer Genehmigungspflicht unterliegt (aber noch in keinem dieser Staaten angemeldet worden ist), die beteiligten Unternehmen einen begründeten Verweisungsantrag an die Europäische Kommission stellen und keiner der EU-Mitgliedstaaten, die nach nationalem Recht für die Prüfung des Zusammenschlusses zuständig wären, sich innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Erhalt einer Gleichschrift des Antrags gegen die Verweisung ausspricht, wird von einer gemeinschaftsweiten Bedeutung des Zusammenschlussvorhabens aus271
§ 9 KartGGugerbauer gegangen. Das Vorhaben ist dann (ausschließlich) bei der Europäischen Kommission anzumelden. 5 Die FKVO und die §§ 7 ff KartG sind gegebenenfalls auf ein und denselben Unternehmenszusammenschluss parallel anzuwenden. Dies etwa dann, wenn ein Unternehmen 70% und ein anderes Unternehmen 30% an einem Zielunternehmen erwirbt und mit den 70% die alleinige Kontrolle über das Zielunternehmen verbunden ist. Von der Europäischen Kommission werden dann die Auswirkungen des Erwerbs der alleinigen Kontrolle geprüft, nach § 7 Abs 1 Z 3 stellt jedoch auch der Erwerb von 30% einen Zusammenschluss dar, die Europäische Kommission und die österreichischen Wettbewerbsbehörden befassen sich dann mit der Prüfung unterschiedlicher Sachverhaltselemente der Transaktion.
A. § 9 Abs 1 6 Ein Zusammenschluss muss bei der BWB angemeldet werden, wenn die beteiligten Unternehmen weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio und im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio erwirtschaftet haben und weltweit mindestens zwei beteiligte Unternehmen jeweils mehr als EUR 5 Mio erlöst haben (§ 9 Abs 1). Zudem muss eine entsprechende Inlandsauswirkung gegeben sein (vgl § 24 Abs 2). Die „Bagatellschwelle“ des § 9 Abs 1 Z 3 (Beteiligung von mindestens zwei Unternehmen mit jeweils mehr als EUR 5 Mio Umsatz) soll verhindern, dass jeder Zusammenschluss eines Unternehmens, dessen Umsatzerlöse schon alleine über die beiden Untergrenzen des § 9 Abs 1 Z 1 und Z 2 kommen, mit einem noch so kleinen Unternehmen anmeldebedürftig ist (1 Kt 1318/94). Voraussetzung für die Anmeldebedürftigkeit ist, dass die Ausnahme des § 9 Abs 2 nicht zieht.
B. § 9 Abs 2 7 § 9 Abs 2 soll sicherstellen, dass Fälle, bei denen zwar die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 erfüllt werden, aber nur ein Unternehmen mit einem Inlandsumsatz von mehr als EUR 5 Mio beteiligt ist und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit relativ umsatzschwach (gemeinsam Umsatzerlöse von höchstens EUR 30 Mio) sind, nicht der österreichischen Fusionskontrolle unterliegen. Von ihnen wird angenommen, dass sie ohne spürbare Auswirkungen auf den Inlandsmarkt 272
Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse
§ 9 KartG
bleiben: Der Erwerb eines relativ kleinen ausländischen Unternehmens durch ein großes österreichisches Unternehmen wird von der Fusionskontrolle ausgenommen. Dagegen hat ein großes ausländisches Unternehmen (mit einem Jahresumsatz von mehr als EUR 30 Mio) den Erwerb eines im Inland tätigen Unternehmens (das im Inland jährlich mehr als EUR 5 Mio umsetzt) auch dann anzumelden, wenn es selbst noch über keine nennenswerten Aktivitäten im Inland verfügt.
C. § 9 Abs 4 Wenn junge innovative Unternehmen, sog Startups, durch große, etab- 8 lierte Unternehmen übernommen werden, können, selbst wenn die Umsätze eines derartigen Zielunternehmens EUR 5 Mio nicht überschreiten, seine Geschäftsideen ein hohes Marktpotenzial und große wirtschaftliche Bedeutung für den Erwerber haben. Ein Zusammenschluss mit einem derartigen Unternehmen kann unter Umständen zum Entstehen oder zur Verstärkung einer volkswirtschaftlich unerwünschten Marktbeherrschung führen (vgl 9. RV GWB-Novelle, S 39). § 9 Abs 4 sieht daher neben Umsatzschwellen eine Kaufpreis-Auf- 9 griffsschwelle (von EUR 200 Mio) vor, dies ermöglicht eine wettbewerbliche Prüfung von bestimmten Typen von Zusammenschlüssen, bei denen Unternehmen, die nur Umsätze unterhalb der Inlandsumsatzschwelle von EUR 30 Mio (§ 9 Abs 1 Z 2) oder sogar unter der Schwelle von EUR 5 Mio (§ 9 Abs 1 Z 3) aufweisen, zu einem hohen Preis gekauft werden. Dadurch können Märkte vor struktureller Verschließung bewahrt werden (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 70). Der hohe Kaufpreis ist in solchen Übernahmefällen häufig ein Zeichen 10 für das Vorhandensein innovativer Geschäftsideen mit einem hohen wettbewerblichen Marktpotenzial. Fehlender oder geringer Umsatz lässt sich besonders, wenn auch nicht ausschließlich, im digitalen Wirtschaftsbereich nicht stets mit geringer wettbewerblicher Bedeutung des Unternehmens gleichsetzen. Ursächlich sind vielfach ökonomische Besonderheiten neuartiger, innovativer Geschäftsmodelle. Für ihre erfolgreiche Markteinführung ist häufig zunächst primär entscheidend, eine große Zahl von Nutzern und damit Netzwerkeffekte zu generieren, wofür wiederum ein unentgeltliches oder preiswertes Angebot förderlich, oft sogar zwingend ist. In dieser Phase erzielen Unternehmen dementsprechend keine oder nur sehr geringe Umsätze. Entgelte werden erst mit zeitlicher Verzögerung, nur für einzelne Funktionalitäten 273
§ 9 KartGGugerbauer oder ab einer hinreichenden Nutzerzahl eingeführt. Auf sogenannten mehrseitigen Märkten kann das Geschäftsmodell auch dauerhaft so konzipiert sein, dass ein Angebot an eine Nutzergruppe unentgeltlich erbracht und mittelbar über Zahlungen anderer Nutzergruppen finanziert wird. Diese Nutzergruppen sind zu Zahlungen bereit, weil sie vom Zugang zu anderen Nutzern profitieren (indirekte Netzwerkeffekte). Auf mehrseitigen Märkten steigt also mit wachsenden Nutzerzahlen und Netzwerkeffekten die Zahlungsbereitschaft. In vielen Fällen muss jedoch eine gewisse Nutzerzahl erreicht sein, damit Nutzer überhaupt bereit sind für das Angebot zu zahlen. Aus diesem Grund stellen sich entsprechende Umsätze häufig erst mit zeitlicher Verzögerung ein (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 71). 11 Weitere Beispiele, in denen ein noch fehlender Umsatz das schon angelegte Marktpotenzial als niedrig und damit falsch wiedergeben kann, finden sich im Bereich privater Forschung und Entwicklung, etwa im Pharmasektor. Das Umsatzpotenzial solcher Unternehmen wird sich vielfach erst nach ihrer Veräußerung verwirklichen, wenn ihr Geschäftsmodell gerade darauf gerichtet ist, Technologien oder Produkte (zB pharmazeutische Wirkstoffe vor der Arzneimittelzulassung) zu entwickeln (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 71). 12 Diese Trends spiegeln sich im Investitionsverhalten größerer, etablierter Unternehmen wider. Insbesondere Unternehmen, die selbst ein erfolgreiches internet- und datenbasiertes Geschäftsmodell haben, versuchen potenzielle Wettbewerber mit hohem Innovationspotenzial aufzukaufen. Dies kann dazu dienen, das eigene Angebotesportfolio zu erweitern. Ziel solcher Übernahmen kann aber auch sein, das Innovationspotential nicht zu nutzen, sondern konkurrierende Geschäftsmodelle oder Produkte vom Markt zu nehmen. Investoren sind bereit, auch für Unternehmen, die bisher nur sehr geringe oder keine Umsätze erzielen, aber Erfolg mit ihren Angeboten und Geschäftsideen haben, hohe Kaufpreise zu zahlen. Die Disproportionalität zwischen fehlendem oder geringem Umsatz, der zunächst eine fehlende oder geringe Marktbedeutung vermuten lässt, und dem gleichwohl auffällig hohen Kaufpreis spricht dafür, dass der Zusammenschluss aus Sicht des Erwerbers durchaus eine wirtschaftliche und wettbewerbliche Relevanz besitzt (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 71). 13 Dabei kann die Entstehung wettbewerblicher Probleme nicht ausgeschlossen werden, es können Marktverschließungseffekte auftreten, 274
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Marktzutrittsbarrieren geschaffen und Innovationspotential wettbewerblich bedenklich behindert werden, indem etwa bereits marktführende Unternehmen aufstrebende Konkurrenten in einem frühren Entwicklungsstadium vollständig in das eigene Geschäft integrieren, die ursprüngliche Tätigkeit des erworbenen Unternehmens verändern oder sogar gänzlich einstellen. Die Zusammenschlusskontrolle ist gerade in dynamischen Märkten ein wichtiges Instrument, um eine innovationsfeindliche Verfestigung der Marktstruktur zu verhindern, da sie sowohl den Erwerb von direkten Wettbewerbern als auch Zusammenschlüsse entlang der Wertschöpfungskette sowie mit Unternehmen in direkt benachbarten oder sonstigen Märkten erfasst. Um dieses Ziel zu erreichen, ist das wettbewerbliche Potential eines noch umsatzschwachen Zielunternehmens zu reflektieren. Dafür ist der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss ein geeigneter Indikator (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 72). Für Zusammenschlüsse, bei denen Unternehmen zu einem hohen Preis 14 gekauft werden, die nur geringe Umsätze erzielen, ist der Inlandsumsatzschwellenwert des § 9 Abs 1 Z 2 in Abs 4 Z 2 auf EUR 15 Mio halbiert, zusätzlich wird der Transaktionswert als Tatbestandsmerkmal aufgenommen. Als Transaktionswert wird die Gegenleistung herangezogen, die auch Vermögensgegenstände (etwa im Rahmen eines Asset Deals) und sonstige geldwerte Leistungen umfasst, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält, zuzüglich des Wertes etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten. Der Wert der Gegenleistung wird in den meisten Fällen als wichtiges Geschäftsgeheimnis nicht publiziert, sondern unterliegt der zwischen den Parteien vereinbarten Vertraulichkeit. Von den Wettbewerbsbehörden kann also uU nur schwer verifiziert werden, ob Teile der Gegenleistung in einer separaten Vereinbarung „versteckt“ wurden. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Konsequenzen der Unterlassung einer Anmeldung ist das Kriterium der Kaufpreisschwelle dennoch zur Ergänzung der Umsatzschwellen geeignet. Die Höhe des Schwellenwertes von EUR 200 Mio spiegelt die wirtschaftliche Bedeutung eines Zusammenschlusses für den Erwerber wider und beschränkt diesen Fusionskontrolltatbestand auf volkswirtschaftlich bedeutsame Fälle (vgl RV KaWeRÄG 2017, S 3). In wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist gegebenenfalls eine Aliquotierung der Kaufpreis-Schwelle zu berücksichtigen, dh dass dann, wenn der Erwerber nur einen (wenn fusionskontrollrechtlich auch relevanten, vgl etwa § 7 Abs 1 Z 3) Teil 275
§ 9 KartGGugerbauer eines Zielunternehmens erwirbt, schon die Vereinbarung einer aliquoten Gegenleistung in Relation zu EUR 200 Mio zur Anmeldepflicht nach § 9 Abs 4 führt. 15 Abs 4 Z 1 stellt klar, dass die Anwendbarkeit der Fusionskontrollvorschriften (wie auch bei Fällen gem Abs 1) davon abhängt, ob die beteiligten Unternehmen in dem letzten vor dem Zusammenschluss abgeschlossenen Geschäftsjahr insgesamt einen weltweiten Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro erzielt haben. Die weltweite Umsatzschwelle von 300 Millionen Euro stellt sicher, dass zumindest ein umsatzstarkes, mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits am Markt etabliertes Unternehmen am Zusammenschluss beteiligt ist. Mit dem Erfordernis von mindestens 15 Millionen Euro erwirtschafteten Umsatzes in Österreich (Abs 4 Z 2) ist zugleich sichergestellt, dass ein (Erwerber-)Unternehmen bereits in nennenswertem Umfang im Inland tätig ist (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 72). Voraussetzung für die Anmeldebedürftigkeit ist, dass die Ausnahme des § 9 Abs 2 nicht zieht. 16 Der nach dem völkerrechtlichen Auswirkungsgrundsatz nötige Bezug zwischen Zusammenschluss und dem Staat, der Zusammenschlüsse darauf überprüfen will, ob sie in eigenem Staatsgebiet zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen können, wird durch das Erfordernis einer erheblichen Inlandstätigkeit des zu erwerbenden Zielunternehmens nach Abs 4 Z 4 gewährleistet (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 72). Für eine Inlandsauswirkung ist maßgeblich, ob ein Zusammenschluss geeignet ist, die Voraussetzungen für den Wettbewerb auf Märkten zu beeinflussen, die im Inland liegen oder das Inland ganz oder teilweise umfassen. Dabei muss die Beeinflussung eine gewisse Mindestintensität erreichen, also spürbar sein. Unternehmen mit marginalen Aktivitäten in Österreich werden vom Zusammenschlusstatbestand ausgenommen, allerdings sind an die Spürbarkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Anmeldepflicht keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 75). Eine erhebliche Inlandstätigkeit ist zB dann anzunehmen, wenn sich ein Standort des zu erwerbenden Unternehmens im Inland befindet, wenn das Unternehmen beispielsweise Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im Inland durchführt. Die Bemessung der Aktivität in Österreich und die dafür maßgeblichen, aussagekräftigen Kriterien und Faktoren variieren zwangsläufig beispielsweise je nach Branche oder Marktreife. Eine gesetzliche Fixierung oder Festsetzung absoluter quantitativer Grenzwerte wäre daher nicht sachgerecht (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 75). Die Kriterien Faktoren für 276
Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse
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die Inlandstätigkeit hängen zB von den anerkannten Maßzahlen der jeweiligen Branche ab. Im digitalen Bereich können beispielsweise die Nutzerzahlen („monthly active users“) oder die Zugriffshäufigkeit einer Website („unique visits“) für die Beurteilung der Inlandsauswirkung herangezogen werden (vgl RV KaWeRÄG 2017, S 3). Die Tätigkeiten eines Unternehmens sind – so wie dies in der Zusam- 17 menschlusskontrolle auch bei den Umsätzen der Fall ist (vgl konsolidierte Mitteilung der Europäischen Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl C 43/2009, 10, Rn 195 ff) – dem Ort zuzurechnen, an dem sich der Kunde befindet, also wo er seinen Standort hat. Denn dort findet in aller Regel der Wettbewerb mit alternativen Anbietern statt. Entscheidend ist der Ort der bestimmungsgemäßen Nutzung. Dieser Ort ist in der Regel derjenige, an dem die charakteristische Handlung des fraglichen Rechtsverhältnisses durchgeführt wird, also an dem beispielsweise die Dienstleistungen tatsächlich erbracht oder die Waren tatsächlich ausgeliefert werden (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 75). Dies gilt auch für den digitalen Bereich, da am Ort des Kunden der Wettbewerb um den Kunden stattfindet (vgl RV KaWeRÄG 2017, S 4). Eine erhebliche Inlandstätigkeit läge beispielsweise vor, wenn ein welt- 18 weit tätiger Konzern beabsichtigt, den Anbieter einer „App“ für Smartphones, die sich an Endkunden richtet und von dem zu erwerbenden Unternehmen bislang kostenfrei bzw nahezu kostenfrei angeboten wurde, zu erwerben und diese „App“ in Österreich bereits von über hunderttausend Nutzern verwendet wird. Da sich die App grundsätzlich an alle Verbraucher als Nutzerkreis richtet, ist bei hunderttausend Nutzern der österreichische Markt in ausreichender Weise betroffen. Bei kleineren Nutzergruppen (nicht „alle“ Verbraucher) kann die Zahl niedriger liegen. Eine erhebliche Inlandstätigkeit läge hingegen nicht vor, wenn die Umsätze eines erworbenen Unternehmens in Österreich in den letzten Jahren um die EUR 1 Mio pendelten und das wettbewerbliche Potenzial des Zielunternehmens (eines Zulieferers) und seine Marktposition in diesen Umsätzen zuverlässig reflektiert wird (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 75).
II. Beteiligte Unternehmen Nach § 9 werden lediglich die Umsatzerlöse des Erwerbers und des 19 Zielunternehmens, bzw die Umsätze der mit ihnen iSv § 7 verbundenen 277
§ 9 KartGGugerbauer Unternehmen (vgl § 22) berücksichtigt, nicht jene eines Veräußerers, er gilt nicht als „beteiligtes Unternehmen“ (26 Kt 358/04). Den Umsatzerlösen der beteiligten Unternehmen sind gem § 22 die Umsatzerlöse jener Unternehmen hinzuzurechnen, mit denen ein Verbund iSv § 7 besteht. Der Umsatz eines Gesellschafters, der diese Funktion auch nach dem Anteils- oder Kontrollerwerb durch einen Neugesellschafter beibehält, wird, eine angemessene (zB 25%) Beteiligung vorausgesetzt, gem § 22 dem Zielunternehmen zugerechnet (26 Kt 358/04). 20 Eine Inlandsauswirkung iSv § 24 Abs 2 liegt vor, wenn das Zielunternehmen Leistungen im Inland erbringt oder in absehbarer Zukunft erbringen wird (27 Kt 238/03), das Zielunternehmen Leistungen auf einem größerem als dem nationalen, aber Österreich einschließenden Markt erbringt (etwa einem EU-weiten Markt, dies selbst dann, wenn die Zielgesellschaft im Inland keine Leistungen anbietet; vgl 16 Ok 1/05), oder der Zusammenschluss die Marktstellung des Erwerbers im Inland „spürbar“ (27 Kt 238/03) bzw „unmittelbar“ (16 Ok 52/05) verbessert. Spürbare Inlandsauswirkungen entstehen, wenn die Marktstellung des Erwerbers auf dem österreichischen Markt oder auf einem räumlichen Markt, der zumindest Teile Österreichs einschließt, gestärkt wird. Der Erwerb von wichtigen Patenten oder andere marktwirksame Ressourcenzuwächse können auch ohne Verringerung der Marktteilnehmer in Österreich unmittelbare Auswirkungen im Inland haben und insoweit eine Anmeldepflicht bewirken (27 Kt 45/06). 21 Wird zwar die Finanzkraft, aber nicht die Marktstellung verstärkt, begründet eine solche mittelbare Auswirkung keinen hinlänglichen Inlandsbezug. Beschränkt sich etwa die Tätigkeit des Zielunternehmens auf einen abgeschlossenen ausländischen Markt, genügt die durch den Zusammenschluss bewirkte Verbesserung der Finanzsituation des Erwerbers (der seinen Sitz oder doch relevante unternehmerische Aktivitäten im Inland hat) alleine nicht, eine Anmeldepflicht auszulösen. Das KartG stellt darauf ab, eine Marktstruktur mit miteinander konkurrierenden selbständigen Marktteilnehmern aufrechterhalten. Die Beherrschung eines Unternehmens, das nur auf einem ausländischen Markt tätig ist, durch ein Unternehmen mit Sitz in Österreich verändert die Zahl der selbständigen Unternehmen auf dem Inlandsmarkt nicht, die Stärkung der Finanzkraft eines Unternehmens mit Sitz oder relevanten unternehmerischen Aktivitäten in Österreich wirkt sich auf die Anzahl der selbständigen Unternehmen im Inland nicht aus (vgl 16 Ok 49/05). Allerdings wird durch das Wirkungsprinzip lediglich die Anmeldebe278
Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse
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dürftigkeit von Zusammenschlüssen, bei denen eine Auswirkung auf Österreich praktisch „denkunmöglich“ ist, verneint, nicht aber, wenn solche Auswirkungen „nicht sicher“ sind (27 Kt 245/04). Wird an einem Zielunternehmen gemeinsame Kontrolle erworben, ist 22 neben den die gemeinsame Kontrolle erwerbenden Unternehmen auch die Zielgesellschaft beteiligtes Unternehmen. Bei einem Zusammenschluss durch Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens iSv § 7 Abs 2 sind die Umsatzerlöse der Muttergesellschaften und der mit ihnen verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen (25 Kt 201/99). Kommt es bei einem Gemeinschaftsunternehmen zu einer Änderung der Art der Kontrolle (zum Zugang oder zum Wechsel von gemeinsam kontrollierenden Anteilseignern), sind die verbleibenden und neuen Anteilseigner, die die Kontrolle gemeinsam ausüben, sowie das Gemeinschaftsunternehmen selbst beteiligte Unternehmen. Erwirbt ein Unternehmen einen Anteil von 50% an einem anderen Unternehmen, sind die Umsatzerlöse des erwerbenden Unternehmens, des Zielunternehmens sowie jedes weiterhin mit zumindest 25% beteiligten anderen Unternehmens zu berücksichtigen, weil letzteres mit dem Zielunternehmen iSv § 7 Abs 1 Z 3 verbunden bleiben (25 Kt 201/99). Verringert sich die Zahl der Muttergesellschaften eines Gemeinschafts- 23 unternehmens, ohne dass es zu einem Wechsel von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle kommt, ist das Vorhaben nur anmeldepflichtig, wenn sich die Struktur der Kontrolle wesentlich verändert, danach richtet sich dann auch die Einstufung als beteiligte Unternehmen. Beim Übergang von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle werden der – dann allein – Kontrollierende und das beherrschte Unternehmen als beteiligte Unternehmen eingestuft. Wird ein Gemeinschaftsunternehmen aufgeteilt, erhalten also bisherige Muttergesellschaften des Gemeinschaftsunternehmens Unternehmensteile des Gemeinschaftsunternehmens, sind jeweils die erwerbenden Unternehmen und die erworbenen Teilunternehmen als beteiligte Unternehmen zu behandeln. Der Tausch von Unternehmensteilen und/oder Unternehmen führt zu gesondert zu beurteilenden Zusammenschlüssen, beteiligte Unternehmen sind dann das übernehmende und das zu erwerbende Unternehmen. Bei Kontroll- oder Anteilserwerb durch ein Vollfunktions-Gemein- 24 schaftsunternehmen gilt nur dieses als „beteiligtes Unternehmen“. Erwirbt ein Gemeinschaftsunternehmen, das als reine Holding (ohne Eigenumsätze) fungiert oder als Gesellschaft, die keinen oder nur einen 279
§ 9 KartGGugerbauer zu vernachlässigenden Umsatz erwirtschaften soll (möglicherweise eigens als Vehikel für eine Übernahme oder Beteiligung) errichtet worden ist, ein Unternehmen, werden die Muttergesellschaften dieses Gemeinschaftsunternehmen als „beteiligte Unternehmen“ behandelt. Bei einer Ausweitung der Geschäftstätigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens auf einen anderen sachlichen oder räumlichen Markt, die durch die Übertragung bisheriger Aktivitäten oder Ressourcen der Muttergesellschaften herbeigeführt worden ist, sind die Muttergesellschaften (und nicht das unmittelbar erwerbende Gemeinschaftsunternehmen) als beteiligte Unternehmen anzusehen (16 Ok 3/13). Der Erwerb eines Unternehmens durch das Management („Management buy-out“) verwirklicht nur dann einen Zusammenschluss-Tatbestand, wenn das Management bereits parallel – in einem anderen Unternehmen – unternehmerisch tätig ist.
III. Umsatzberechnung 25 § 9 stellt auf die Umsatzerlöse ab, die die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr (dies wird vielfach, muss aber natürlich nicht, das letzte Kalenderjahr sein) vor dem Zusammenschluss erwirtschaftet haben. Das Geschäftsjahr muss im Zeitpunkt der Anmeldung des Zusammenschlusses also bereits beendet sein. Wenn die zum Zusammenschluss führenden Verträge kurz vor dem Wechsel des (Geschäfts-) Jahrs geschlossen, jedoch erst im neuen Jahr umgesetzt werden, sind die Umsatzerlöse des auslaufenden Jahres maßgeblich. Umfasst das letzte Geschäftsjahr wegen einer Umstellung nicht zwölf Monate, ist der Umsatz des Rumpfjahres durch die Zahl seiner Monate zu dividieren und mit zwölf zu multiplizieren. Bei volatilen Umsatzerlösen kann die Anmeldebedürftigkeit eines Zusammenschlussvorhabens zeitabhängig und insofern – zumindest in gewissen Grenzen – steuerbar sein. Liegen im Zeitpunkt der Anmeldung noch keine geprüften Jahresabschlüsse für das relevante Geschäftsjahr vor, akzeptieren die Amtsparteien zum Beleg der Anmeldebedürftigkeit eines Vorhabens die geprüften Zahlen des Vorjahres. Ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot (§ 17) kann allerdings nicht damit gerechtfertigt werden, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge noch keine geprüften Jahresabschlüsse für das letzte Geschäftsjahr vorgelegen hätten und nach den Zahlen des dem relevanten Geschäftsjahr vorausgegangenen Jahres noch keine Anmeldebedürftigkeit gegeben gewesen sei. 280
Anmeldebedürftige Zusammenschlüsse
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Akquisitionen und/oder Veräußerungen durch ein beteiligtes Unter- 26 nehmen, die im Zeitpunkt des Zustandekommens des angemeldeten Zusammenschussvorhabens bereits vollzogen sind, die sich aber (noch) nicht oder nicht zur Gänze in den geprüften Zahlen widerspiegeln, müssen berücksichtigt werden. Teilweise werden in Jahresabschlüssen die Umsatzerlöse eines im Rechnungsjahr erworbenen Unternehmens nur für den Zeitraum ab dem Erwerbszeitpunkt erfasst; die Umsatzerlöse müssen dann um den im Abschluss nicht berücksichtigten Umsatz ergänzt oder – wenn ein Unternehmen veräußert wurde – verkürzt werden. Zur Anrechnung der Umsatzerlöse einer mittelbaren Beteiligung 27 kommt es nur dann, wenn an die unmittelbare Beteiligung (von zumindest 25%) beherrschender Einfluss anschließt. Nur dann verschafft eine mittelbare Beteiligung dem Anteilseigner Einflussmöglichkeiten wie eine unmittelbare Beteiligung von zumindest 25% (vgl 16 Ok 12/08). Die Umsatzerlöse sind über so viele Unternehmensstufen zusammenzurechnen, wie an die 25% Beteiligung beherrschender Einfluss anschließt, dies gilt auch für horizontale Verflechtungen (etwa Schwestergesellschaften).
IV. Umsätze in der Medienbranche Gem § 9 Abs 3 sind die Umsätze von Medienunternehmen und -diens- 28 ten mit 200, jene von Medienhilfsunternehmen mit 20 zu multiplizieren. Diese Multiplikatorregel kommt bei der weltweiten Umsatzschwelle von (mehr als) EUR 300 Mio, bei der Inlandsschwelle von (mehr als) EUR 30 Mio sowie bei der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 (bei der EUR 30 Mio Umsatzschwelle), aber nicht bei den Umsatzschwellen und der Berechnung der Gegenleistung nach § 9 Abs 4 zur Anwendung. Für die Berechnung der „Bagatellschwelle“ des § 9 Abs 1 Z 3 von EUR 5 Mio und der EUR 5 Mio-Umsatzschwelle der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 bleibt es bei Medienzusammenschlüssen ebenfalls bei den tatsächlichen Umsatzerlösen der Beteiligten. In Folge der Umsatzmultiplikation werden Zusammenschlüsse im Me- 29 diensektor mit Rücksicht auf den zusätzlichen Schutzzweck – die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt – auch schon dann erfasst, wenn es sich um „kleinere“ Unternehmen handelt. Die Multiplikatoren sind 281
§ 10 KartGGugerbauer aber nur auf jene Umsatzerlöse anzuwenden, die durch Medientätigkeit erwirtschaftet wurden. Zu multiplizieren sind auch medienspezifische Umsatzerlöse eines Unternehmens, das mit einem beteiligten Unternehmen iSd § 7 verbunden ist und bleibt.
Anmeldung § 10. (1) Zur Anmeldung ist jeder am Zusammenschluss beteiligte Unternehmer berechtigt. Die Anmeldung ist mit den Beilagen in vier Gleichschriften einzubringen; sie hat zu enthalten: 1. genaue und erschöpfende Angaben zu den Umständen, durch die eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann, vor allem a) zur Unternehmensstruktur, und zwar insbesondere für jedes beteiligte Unternehmen die Angabe – der Eigentumsverhältnisse einschließlich von Unternehmensverbindungen im Sinn des § 7, – der im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss erzielten Umsätze (Menge und Erlöse) getrennt nach bestimmten Waren und Dienstleistungen im Sinn des § 23, b) für jedes beteiligte Unternehmen die Angabe der Marktanteile bei den in lit. a angeführten Waren und Dienstleistungen, c) zur allgemeinen Marktstruktur; 2. wenn es sich um einen Medienzusammenschluss handelt, auch genaue und erschöpfende Angaben zu den Umständen, durch die die Medienvielfalt überdies beeinträchtigt werden kann. (2) Der Bundesminister für Justiz kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung nähere Bestimmungen über Form und Inhalt von Anmeldungen erlassen. (3) Unverzüglich nach dem Einlangen der Anmeldung hat die Bundeswettbewerbsbehörde 1. die Anmeldung und ihre Beilagen in zwei Gleichschriften an den Bundeskartellanwalt weiterzuleiten; 2. die Anmeldung öffentlich bekanntzumachen. Die Bekanntmachung hat den Namen der Beteiligten und in kurzer 282
Anmeldung
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Form die Art des Zusammenschlusses, die betroffenen Geschäftszweige sowie alle sonstigen für die rechtmäßige Durchführung des Zusammenschlusses maßgeblichen Umstände anzugeben. Ebenso ist jede Änderung der Anmeldung, die bekannt zu machende Tatsachen betrifft, bekannt zu machen. (4) Jeder Unternehmer, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluss berührt werden, kann binnen 14 Tagen ab der Bekanntmachung nach Abs. 3 gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde und dem Bundeskartellanwalt eine schriftliche Äußerung abgeben; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Der Einschreiter hat kein Recht auf eine bestimmte Behandlung der Äußerung. Die Amtspartei (§ 40), bei der eine solche Äußerung einlangt, hat die andere Amtspartei hievon unverzüglich zu verständigen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht
Rn I. Die Anmeldung von Zusammenschlüssen....................................... 1–2 II. Inhalt der Anmeldung......................................................................... 3–10 III. Bekanntmachung der Anmeldung.................................................... 11–12 IV. Äußerungsrecht Dritter...................................................................... 13–15
I. Die Anmeldung von Zusammenschlüssen Gem § 10 Abs 1 Satz 1 ist jedes am Zusammenschluss beteiligte Unter- 1 nehmen zur Anmeldung berechtigt. Beim Anteilserwerb sind der Erwerber und das Zielunternehmen, an dem Anteile erworben werden, am Zusammenschluss beteiligt, nicht jedoch die Veräußerer (16 Ok 16/04). Auch wenn ein Veräußerer ein – zivilrechtlich geschütztes – Interesse an der Wirksamkeit eines Veräußerungsvertrages hat, begründet dies keine Anmeldeberechtigung (abweichend: 26 Kt 10/08, 26 Kt 11/08). Eine Anmeldung kann nur von einem von mehreren Zusammenschlussbeteiligten eingebracht werden, es ist aber auch eine ge283
§ 10 KartGGugerbauer meinsame Anmeldung durch mehrere beteiligte Unternehmen zulässig. Der Anmelder hat die Pauschalgebühr nach § 10a WettbG zu entrichten und ist im Falle eines kartellgerichtlichen Prüfungsverfahrens für die Rahmengebühr zahlungspflichtig. Dann kommt dem Anmelder bzw den Anmeldern auch (formelle) Parteistellung zu. 2 Die Anmeldung kann vorgenommen werden bevor noch ein – schriftlicher – Vertrag vorliegt. Allerdings muss die Absicht der beteiligten Unternehmer erkennbar sein, den angemeldeten Zusammenschluss innerhalb absehbarer Zeit vorzunehmen, und muss Klarheit über die genaueren Strukturen des Zusammenschlusses und den Zeitplan zur Umsetzung bestehen (16 Ok 4/97); „Eventualanträge“ bzw „Eventualanmeldungen“ sind im Rahmen von Zusammenschlussanmeldungen nicht möglich. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine präventive Fusionskontrolle nicht mit rein hypothetischen Szenarien befasst werden soll (16 Ok 11/16b). Liegt eine Vereinbarung über einen Zusammenschluss vor, gibt es keine Frist, innerhalb der angemeldet werden muss, aber ohne Anmeldung (und Nichtuntersagung, vgl die §§ 12 und 11 Abs 4) ist das Durchführungsverbot (§ 17 Abs 1) zu beachten.
II. Inhalt der Anmeldung 3 Gem § 10 Abs 1 hat die Anmeldung genaue und erschöpfende Angaben zu den Umständen, durch die eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden könnte, zu enthalten (Z 1). Was unter „erschöpfend“ iSv § 10 Abs 1 zu verstehen ist, hängt von einer Beurteilung im Einzelfall ab, Z 1 nennt demonstrativ etwa die Eigentumsverhältnisse, Unternehmensverbindungen oder Marktanteile. Unter erschöpfenden Angaben zu den Umständen, durch die eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann, sind aber alle für die inhaltliche Prüfung eines Zusammenschlusses erforderlichen Angaben zu verstehen (vgl § 12 Abs 1 Z 2). Bei Medienzusammenschlüssen bedarf es gem Z 2 zusätzlicher Angaben zur möglichen Beeinträchtigung der Medienvielfalt. 4 In einem von der BWB im Einvernehmen mit dem Bundeskartellanwalt erstellten Formblatt (vgl www.bwb.gv.at) wird konkretisiert, welche Angaben die BWB in der Anmeldung erwartet. Von der Verordnungsermächtigung gem § 10 Abs 2 (der Bundesminister für Justiz kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit 284
Anmeldung
§ 10 KartG
durch Verordnung nähere Bestimmungen über Form und Inhalt von Anmeldungen erlassen) wurde bislang kein Gebrauch gemacht. Gem § 10 Abs 1 ist die Anmeldung (samt Beilagen) in vier Gleichschriften einzubringen. Zwei Gleichschriften sind von der BWB gem § 10 Abs 3 Z 1 unverzüglich an den Bundeskartellanwalt weiterzuleiten. Die Prüfungsfrist gem § 11 Abs 1 beginnt ja auch für den Bundeskartellanwalt bereits mit dem Einlangen der – ordnungsgemäß vergebührten – Anmeldung bei der BWB zu laufen. Soweit eine Amtspartei in der Folge die Einleitung eines kartellgerichtlichen Prüfungsverfahrens beauftragt, legt sie eine der ihr zugeleiteten zwei Gleichschriften dem Kartellgericht vor. Die ordnungsgemäße Vergebührung ist mit der Anmeldung nachzu- 5 weisen (vgl § 10a Abs 2 letzter Satz WettbG). Im Falle eines kartellgerichtlichen Prüfungsverfahrens ist der Anmelder auch für die Rahmengebühr zahlungspflichtig (§ 52 Abs 1 iVm § 50 Z 1). Die BWB kann eine Anmeldung zwar nicht als unvollständig zurück- 6 weisen, aber (mittels Auskunftsverlangen bzw Auskunftsbescheid nach § 11a WettbG) ergänzende Informationen anfordern und vor allem im Rahmen eines beim KartGer eingebrachten Prüfungsantrages erforderliche Verbesserungen relevieren (vgl 16 Ok 2/03). Das KartGer darf sich nicht mit offensichtlich unzureichenden oder undeutlichen Angaben begnügen, es ist von Amts wegen verpflichtet, die zur Beurteilung erforderlichen Umstände zu erheben (16 Ok 7/07). Sind in einer „Anmeldung“ aber nicht einmal die die wesentlichsten Informationen über ein Zusammenschlussvorhaben enthalten (fehlen insbesondere die Angaben, die gem § 10 Abs 3 Z 2 nach Einlangen der Anmeldung zu veröffentlichen sind), kann der Eingabe die Qualifikation als Anmeldung fehlen. Änderungen eines angemeldeten Zusammenschlussvorhabens sind nur 7 soweit möglich, als die Identität des Zusammenschlusses gewahrt bleibt (vgl 16 Ok 2/02). Ist dies nicht möglich, ist eine neue Anmeldung einzubringen. Für unrichtige oder irreführende Angaben in der Anmeldung, die vor- 8 sätzlich oder fahrlässig gemacht wurden, sieht § 29 Z 2 lit b Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1% des im vorausgegangenen Geschäftsjahres erzielten Gesamtumsatzes vor. Eine Angabe ist unrichtig, wenn sie in ihrer Gesamtheit geeignet ist, ein in erheblichen Punkten von der Wirklichkeit abweichendes Bild des der Anmeldung zugrundeliegenden Sachverhalts herbeizuführen (16 Ok 52/05). Ob die unrichti285
§ 10 KartGGugerbauer gen oder irreführenden Angaben einen wesentlichen Punkt betreffen, ist am Maßstab der inhaltlichen Mindesterfordernisse für Anmeldungen (§ 10 Abs 1 Z 1) zu beurteilen (16 Ok 52/05). Wenn dies weder aus spezial- noch generalpräventiven Gründen erforderlich ist, kann trotz Vorliegen eines Geldbußentatbestandes von der Verhängung einer Geldbuße abgesehen werden (16 Ok 52/05). Dabei ist insbesondere auf den Grad des Verschuldens und das Gewicht der Folgen abzustellen. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Normzweck, die Absicherung der richtigen Ermittlung des Sachverhaltes, zu berücksichtigen (vgl 16 Ok 2/02): Wegen des engen zeitlichen Korsetts sind die Amtsparteien darauf angewiesen, schon mit der Anmeldung die richtigen Informationen zu erhalten. 9 Haben unrichtige oder irreführende Angaben in der Anmeldung zur Unterlassung der Einbringung eines Prüfungsantrags, zur Abgabe eines Prüfungsverzichts, zur Zurückziehung eines Prüfungsantrags oder zur Nichtuntersagung eines Zusammenschlusses geführt, können gem § 16 Z 1 – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nachträgliche Maßnahmen verhängt werden, durch die die Wirkungen des Zusammenschlusses abgeschwächt oder beseitigt werden. Eine Unvollständigkeit, die vorsätzlich oder fahrlässig zur Irreführung über den Zusammenschluss führt, ist darüber hinaus vom Geldbußentatbestand erfasst. 10 Ein Verfahren vor dem OLG Wien als KartGer wird erst durch den Antrag einer Amtspartei auf Prüfung des Zusammenschlusses eingeleitet. Bis zur Einleitung eines kartellgerichtlichen Prüfungsverfahrens ist eine Rücknahme oder Abänderung der Anmeldung ohne weiteres möglich. Wird durch eine Änderung die Identität des Zusammenschlusses (16 Ok 2/02) nicht gewahrt, ist eine neue Anmeldung einzubringen. Im Hinblick auf den erheblichen verfahrensrechtlichen Aufwand, der für die Überprüfung der Zulässigkeit eines Zusammenschlusses erforderlich ist, besteht, nachdem das gerichtliche Verfahren einmal eingeleitet ist, ein erhebliches Interesse an der rechtskräftigen Klärung dieser Frage (vgl 16 Ok 3/04). Ein Prüfungsantrag ist vom KartGer aber zurückzuweisen, wenn die Anmelderin während des kartellgerichtlichen Prüfungsverfahrens die Anmeldung zurückgezogen und erklärt hat, dass sie nicht mehr beabsichtige, den angemeldeten Zusammenschluss durchzuführen. Gegebenenfalls hat die Anmelderin nachzuweisen, dass der Zusammenschluss nicht durchgeführt wird (25 Kt 31, 33/08; vgl Art 6 Abs 1 lit c FKVO). Dann liegt ein anmelde286
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pflichtiger Zusammenschluss nicht mehr vor. Für die Amtsparteien besteht dann auch kein rechtliches Interesse, den Zusammenschluss prüfen zu lassen. Die Zurücknahme einer Anmeldung führt somit zu keiner materiellen Entscheidung über den ursprünglich beabsichtigen Zusammenschluss, sondern zur einer Zurückweisung der Prüfungsanträge nach § 12 Abs 1 Z 1.
III. Bekanntmachung der Anmeldung Die Anmeldung ist gem § 10 Abs 3 Z 2 unmittelbar nach ihrem Einlan- 11 gen öffentlich bekannt zu machen. Die BWB kommt dieser Verpflichtung gem § 10 b Abs 1 WettbG durch Veröffentlichung auf ihrer Website nach (www.bwb.gv.at). Die Bekanntmachung hat den Namen der Beteiligten und in kurzer Form die Art des Zusammenschlusses, die betroffenen Geschäftszweige sowie alle sonstigen für die rechtmäßige Durchführung des Zusammenschlusses maßgeblichen Umstände anzugeben. Auf die Möglichkeit der Ausübung von Äußerungsrechten dritter Unternehmen ist in der Bekanntmachung hinzuweisen (§ 10 Abs 4). Eine Änderung der Anmeldung, die nach § 10 Abs 3 lit 2 bekanntzuma- 12 chende Tatsachen betrifft, ist von der BWB ebenfalls auf deren Website (§ 10b Abs 1 WettbG) bekannt zu machen.
IV. Äußerungsrecht Dritter Unternehmen, deren rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch 13 den Zusammenschluss berührt werden, können also sowohl im Vorprüfungsverfahren (gegenüber den Amtsparteien – § 10 Abs 4), wie auch in einem allfälligen nachfolgenden kartellgerichtlichen Prüfungsverfahren (gegenüber dem KartGer – § 11 Abs 3) Stellungnahmen abgeben. Im Fall verspäteten Äußerung gegenüber einer Amtspartei besteht keine Verpflichtung, die andere Amtspartei iSv § 10 Abs 4 letzter Satz unverzüglich zu verständigen. In keinem Fall (also auch nicht bei rechtzeitiger Abgabe) hat der Einschreiter einen Anspruch auf eine bestimmte Behandlung seiner Äußerung (§ 10 Abs 4 Satz 2). Gem § 28 kann jedes Unternehmen, dessen rechtliche oder wirtschaft- 14 liche Interessen durch einen Zusammenschluss berührt werden, die Feststellung beantragen, dass ein Zusammenschluss in verbotener Weise durchgeführt wurde. Durch diese Bestimmung werden jedoch an 287
§ 11 KartGGugerbauer einem Zusammenschluss nicht beteiligten Unternehmen, etwa Wettbewerbern, im Zusammenschlusskontrollverfahren keine Parteienrechte eingeräumt (vgl 25 Kt 657 – 659, 782, 788/96). 15 Den Mitgliedern der Wettbewerbskommission (§ 16 WettbG) ist gem § 17 Abs 2 WettbG zur Erfüllung der Aufgaben im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle (vgl § 17 Abs 1 WettbG) auf Verlangen Einsicht in die Anmeldeunterlagen zu gewähren und sind Abschriften davon zur Verfügung zu stellen.
Prüfungsantrag § 11. (1) Binnen vier Wochen nach dem Einlangen der dem § 10a WettbG entsprechenden Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde können die Amtsparteien (§ 40) beim Kartellgericht die Prüfung des Zusammenschlusses beantragen. (1a) Die Frist nach Abs. 1 verlängert sich auf sechs Wochen, wenn dies der Anmelder innerhalb der vierwöchigen Frist gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde begehrt. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat das Begehren unverzüglich an den Bundeskartell anwalt weiterzuleiten. In einem Prüfungsantrag ist auf die Fristverlängerung unter Anschluss des Begehrens hinzuweisen. (2) Wenn ein Prüfungsantrag gestellt worden ist, hat die Bundeswettbewerbsbehörde dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen. (3) Jeder Unternehmer, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluss berührt werden, kann im Prüfungsverfahren gegenüber dem Kartellgericht schriftliche Äußerungen abgeben; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Der Einschreiter erlangt hiedurch keine Parteistellung. (4) Vor Ablauf der Frist können die Amtsparteien gegenüber dem Anmelder auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichten. Haben sie auf die Stellung eines Prüfungsantrags zwar nicht verzichtet, innerhalb der Antragsfrist aber keinen Prüfungsantrag gestellt, dann haben sie dies dem Anmelder unverzüglich mitzuteilen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Ur-
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Prüfungsantrag
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lesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Antrag einer Amtspartei..................................................................... 1–2 II. Frist......................................................................................................... 3–4 III. Öffentliche Bekanntmachung ........................................................... 5 IV. Die Rechte Dritter............................................................................... 6–7 V. Zurückziehung und Verzicht............................................................. 8–9 VI. Pränotifikationsgespräch.................................................................... 10
I. Antrag einer Amtspartei Die Anmeldung eines Unternehmens-Zusammenschlusses ist gegen- 1 über der BWB vorzunehmen (§ 9), ein Verfahren vor dem KartGer wird erst durch die Einbringung eines Prüfungsantrages einer Amtspartei eingeleitet: Das KartGer soll nur mit Zusammenschlussvorhaben, die einer intensiveren Überprüfung iSv § 12 bedürfen, befasst werden. Wird kein Prüfungsantrag gestellt oder haben die Amtsparteien explizit auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichtet, besteht nach Maßgabe des § 17 kein Durchführungsverbot mehr. Die Mitteilung nach § 11 Abs 4 Satz 2 hat – im Gegensatz zur Abgabe einer Verzichtserklärung – nur deklarative Wirkung. Antragsberechtigt nach § 11 Abs 1 sind die BWB und der BKAnw. Be- 2 absichtigt der BKAnw einen Prüfungsantrag zu stellen, hat er vorab der BWB Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 81 Abs 2). Dadurch soll die gebotene Koordinierung sichergestellt werden. Umgekehrt ist die BWB zwar zu keiner Vorabinformation verpflichtet, im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit der beiden Amtsparteien ist jedoch stets eine enge Abstimmung geboten.
II. Frist Die Amtsparteien haben vier Wochen Zeit, selbst eine (Vor-)Prüfung 3 durchzuführen und gegebenenfalls einen Prüfungsantrag zu stellen. (Phase I). Die kurze Frist soll verhindern, dass weitreichende unternehmerische Weichenstellungen unnötig verzögert, vielleicht sogar blockiert werden (16 Ok 2/03). Gem § 11 Abs 1a kann, um unnötige Prü289
§ 11 KartGGugerbauer fungsanträge zu vermeiden, die Frist für die Stellung eines Prüfungsantrags (ausschließlich) auf Antrag der Anmelder durch ein „Stop-theclock-Verfahren“ (vgl Art 10 FKVO) auf insgesamt sechs Wochen verlängert werden. Mit dem Einlangen eines entsprechenden Antrages bei der BWB gilt die Frist als verlängert, über den Antrag ist nicht zu entscheiden, es liegt also nicht im Ermessen der BWB (oder des BKAnw), ob die Verlängerung gewährt wird. Allerdings ist möglich, dass der Antrag der Anmelder auf Verlängerung der Frist zu einem Zeitpunkt einlangt, zu dem eine Amtspartei bereits einen Prüfungsantrag gestellt hat. Dann ist die Verlängerung der Frist hinfällig. Die Frist für die Stellung eines Prüfungsantrages ist eine prozessuale, für deren Einhaltung gem § 89 Abs 1 GOG die Postaufgabe am letzten Tag der Frist reicht (vgl 16 Ok 2/07). Die Wiedereinsetzung einer Amtspartei in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Stellung eines Prüfungsantrages ist vor allem aufgrund teleologischer Überlegungen nicht zulässig, deren Bewilligung würde einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsposition der Zusammenschlusswerber nach sich ziehen (16 Ok 2/07). 4 Gem § 11 Abs 1 wird die Frist durch den Eingang der Anmeldung bei der BWB, bzw (wenn die Vergebührung nicht schon mit der Anmeldung nachgewiesen wurde) gem § 10a Abs 2 WettbG mit der ordnungsgemäßen Vergebührung (Gutbuchung der vollständigen Pauschalgebühr bei der BWB) ausgelöst.
III. Öffentliche Bekanntmachung 5 Wenn von einer der beiden Amtsparteien ein Prüfungsantrag gestellt wurde, ist dies von der BWB gem § 11 Abs 2 unverzüglich öffentlich bekanntzumachen. Die BWB setzt diese Verpflichtung durch eine entsprechende Veröffentlichung auf ihrer Website (www.bwb.gv.at) um (§ 10b Abs 1 WettbG). § 11 Abs 2 verpflichtet nicht zur Veröffentlichung bestimmter Inhalte. In der Bekanntmachung ist aber gem § 11 Abs 3 jedenfalls auf das Recht dritter Unternehmer, im Prüfungsverfahren eine Äußerung abzugeben, hinzuweisen.
IV. Die Rechte Dritter 6 Unternehmen, deren rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluss berührt werden, haben gem § 11 Abs 3 ein wei290
Prüfungsantrag
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teres Mal (vgl § 10 Abs 4) das Recht, eine schriftliche Äußerung abzugeben. Der Einschreiter erlangt durch die Abgabe einer derartigen Äußerung aber keine Parteistellung (vgl 16 Ok 21, 22/03). Das Recht auf Äußerung (und die Aussicht auf deren Berücksichtigung) ist grundsätzlich unbefristet aber durch die Dauer des kartellgerichtlichen Verfahrens begrenzt. Die Frage, wer (künftig) einen beherrschenden Einfluss auf das Zielun- 7 ternehmen ausüben kann, wirkt sich auf die Marktstellung des zu erwerbenden Unternehmens aus und ist daher geeignet, deren rechtlich geschützte Stellung unmittelbar zu beeinflussen bzw zu verändern. Der Zielgesellschaft kommt daher materielle Parteistellung zu. Die Äußerungsrechte gem § 11 Abs 3 und der damit verbundene (klarstellende) Hinweis auf den Ausschluss der Parteistellung knüpft daran an, dass rechtliche oder auch nur wirtschaftliche Interessen „berührt“ werden. Demgegenüber verlangt der materielle Parteibegriff eine unmittelbare Beeinflussung der rechtlich geschützten Stellung. Insoweit schließt § 11 Abs 3 KartG die Parteistellung der Zielgesellschaft nicht aus, weil § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG weitergehende Voraussetzungen enthält. Die künftige Stellung des Zielunternehmens hängt wesentlich vom Ausgang des Zusammenschlussverfahrens und der Frage, ob der Anmelder eine kontrollierende Beteiligung erwerben darf, ab (16 Ok 9/16h). Kommt einem Zielunternehmen materielle Parteistellung zu, steht der Bewilligung der Akteneinsicht durch das Zielunternehmen eine fehlende Zustimmung der BWB und/oder einer Anmelderin des Zusammenschlusses nicht entgegen (16 Ok 9/16h).
V. Zurückziehung und Verzicht Ein Prüfungsantrag kann bis zur Entscheidung des KartGer zurückge- 8 zogen werden (§ 11 AußStrG). Nach Zurückziehung des Prüfungsantrags bzw der Prüfungsanträge hat das KartGer das Prüfungsverfahren durch Beschluss einzustellen (§ 14 Abs 1). Eine Amtspartei, die selbst keinen Prüfungsantrag gestellt hat, kann allerdings binnen 14 Tagen nach Zustellung der Zurücknahmeerklärung die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Gem § 10 Abs 5 WettbG hat die BWB, wenn sie beabsichtigt, ihren Prüfungsantrag zurückzuziehen, dem BKAnw Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Wenn es zu einem Rekursverfahrens gekommen ist kann der Antrag mit Zustimmung der An291
§ 11 KartGGugerbauer tragsgegner bis zur Entscheidung des KOG zurückgezogen werden (§ 36 Abs 5). 9 Gem § 11 Abs 4 Satz 1 können die Amtsparteien noch vor Ablauf der Frist nach § 11 Abs 2 gegenüber den Anmeldern auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichten. Das Zusammenwirken der Amtsparteien ist in §§ 81 f geregelt. Der BKAnw kann seinen Prüfungsverzicht auch gegenüber der BWB rechtswirksam abgeben (§ 82 Abs 1). Die BWB kann den BKAnw um die Erklärung eines Prüfungsverzichts ersuchen, wobei es auch als Verzicht gilt, wenn der BKAnw binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Ersuchens keine Erklärung abgibt. Gem § 82 Abs 2 gilt die Regelung des Abs 1 auch für Prüfungsverzichte betreffend die beabsichtigte Anmeldung von Zusammenschlüssen. Die BWB hat, sofern sie beabsichtigt, einen Prüfungsverzicht zu erklären, gem § 10 Abs 5 WettbG dem BKAnw aber auch – soweit diese eine Empfehlung nach § 17 abgegeben hat – der Wettbewerbskommission Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.
VI. Pränotifikationsgespräch 10 Es gibt ein legitimes unternehmerisches Interesse möglichst bald zu erfahren, ob ein Zusammenschluss-Vorhaben bei BWB und/oder BKAnw auf Vorbehalte stößt, dazu dienen sog Pränotifikationsgespräche. Verfahrenswirksam kann ein Verzicht auf die Stellung eines Prüfungsantrages allerdings erst nach Einlangen der Anmeldung erklärt werden (§ 11 Abs 4). Zur Wahrung der gesetzlich vorgesehenen Äußerungsmöglichkeit dritter Unternehmen (§ 10 Abs 4) darf auf die Stellung eines Prüfungsantrages nicht vor Ablauf der vierzehntägigen Äußerungsfrist verzichtet werden. 11 Wurde von den Amtsparteien innerhalb offener Frist kein Prüfungsantrag gestellt oder wurde ein Prüfungsverzicht abgegeben, wird vom KartGer diesbezüglich keine Bestätigung ausgestellt. Auch für die BWB besteht von Gesetzes wegen keine Bekanntmachungspflicht, tatsächlich informiert sie aber auf ihrer Website (www.bwb.gv.at), wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichtet oder innerhalb offener Frist keinen derartigen Antrag gestellt haben.
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Prüfung
§ 12 KartG
Prüfung § 12. (1) Wenn die Prüfung des Zusammenschlusses beantragt worden ist, hat das Kartellgericht 1. den Antrag zurückzuweisen, wenn kein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vorliegt; 2. den Zusammenschluss zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung (§ 4) entsteht oder verstärkt wird; oder, wenn dies nicht der Fall ist, 3. auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird. (2) Trotz Vorliegens der Untersagungsvoraussetzungen nach Abs. 1 hat das Kartellgericht auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird, wenn 1. zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen, oder 2. der Zusammenschluss zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig und volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist. (3) Wenn die Voraussetzungen sonst nicht gegeben sind, kann das Kartellgericht den Ausspruch, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird, mit entsprechenden Beschränkungen oder Auflagen verbinden. Wenn sich nach diesem Ausspruch die maßgeblichen Umstände ändern, kann das Kartellgericht auf Antrag eines am Zusammenschluss beteiligten Unternehmers erteilte Beschränkungen oder Auflagen ändern oder aufheben. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/
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§ 12 KartGGugerbauer Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Zurückweisung eines Prüfungsantrags............................................ 1 II. Untersagung wegen Marktbeherrschung........................................ 2–33 A. Begriff der Marktbeherrschung.................................................... 6–14 B. Kausalität......................................................................................... 15–16 C. Prognoseentscheidung................................................................... 17–26 D. Unterschiedliche Zusammenschlusskategorien......................... 27–33 III. Die Prüfung von Gemeinschaftsunternehmen............................... 34–36 IV. Nichtuntersagung wegen Rechtfertigungsgründen...................... 37–55 A. Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen.............................. 39–47 B. Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit........ 48–55 V. Auflagen und Beschränkungen.......................................................... 56–64 A. Änderung oder Aufhebung von Auflagen oder Beschränkungen.............................................................................. 62–64 VI. Nebenabreden zu Zusammenschlüssen............................................ 65–97 A. Wettbewerbs- und Abwerbeverbote............................................. 72–84 B. Lizenzvereinbarungen................................................................... 85–87 C. Bezugs- und Lieferverpflichtungen............................................. 88–92 D. Nebenabreden zu Gemeinschaftsunternehmen......................... 93–97
I. Zurückweisung eines Prüfungsantrags (Abs 1 Z 1) 1 Liegt kein (nach dem KartG) anmeldebedürftiger Zusammenschluss vor, weil etwa keiner der Zusammenschlusstatbestände des § 7 verwirklicht wird, die Aufgriffsschwellen nicht erreicht werden, keine Inlandsauswirkung vorliegt, oder der Zusammenschluss gemeinschaftsweit Bedeutung hat (vgl Art 1 FKVO), darf die BWB, bei der die Anmeldung einzubringen ist, die Anmeldung nicht selbst zurückweisen, sondern muss formell einen Prüfungsantrag an das KartGer stellen, das diesen Antrag in Ermangelung eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses gem § 12 Abs 1 Z 1 zurückzuweisen hat. Mit der Zurückweisung des Prüfungsantrags wird auch die Anmeldung zurückgewiesen, dagegen besteht ein Rekursrecht auch des Anmelders.
II. Untersagung wegen Marktbeherrschung 2 Durch kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle soll sichergestellt werden, dass wettbewerblich strukturierte Märkte und funktionsfähi294
Prüfung
§ 12 KartG
ger Wettbewerb erhalten bleiben. Das setzt voraus, dass das Entstehen oder die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung verhindert wird (vgl 16 Ok 7/07). Marktbeherrschung bedeutet, dass das Unternehmen sein Verhalten in erheblichen Umfang unabhängig von Wettbewerbern und Abnehmern (oder auch Anbietern) bestimmen und dadurch etwa seine Preise oberhalb (als Nachfrager unterhalb) des Wettbewerbspreises festsetzen kann. Diese Akzeptanz-Schwelle ist ökonomisch begründet und normativ gesetzt (vgl BKartA, Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 8 ff). Für die Untersagung eines Zusammenschlusses reicht aber nicht irgendeine marktrelevante Verschlechterung aus, sondern es muss eine Verschlechterung der Marktstruktur zu erwarten sein (vgl Kallfaß in Langen/Bunte, § 36 GWB, Rn 57). Also etwa eine Änderung von Marktanteilen, von Marktzugangsbarrieren, oder von Zugangsmöglichkeiten zu vor- und nachgelagerten Märkten. Das „Entstehen“ einer marktbeherrschenden Stellung setzt voraus, 3 dass es vor dem Zusammenschluss noch keine gab. Die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung ist anzunehmen, wenn das Unternehmen nach dem Zusammenschluss über einen vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum verfügt, der es in die Lage versetzt, andere Unternehmen zu behindern oder auszubeuten. Die entsprechende Erwartung muss Ergebnis einer Prognose der Marktstruktur und der Wettbewerbsbedingungen nach dem Zusammenschluss sein. Dabei können alle Verschlechterungen bei jedem für die Wettbewerbsbedingungen maßgeblichen markt- oder unternehmensbezogenen Strukturfaktor zur Untersagung führen (vgl Kallfaß, aaO, Rn 57). Ist das Zielunternehmen eines Zusammenschlusses marktbeherrschend und wird der Erwerber durch den Zusammenschluss auf dem entsprechenden Markt beherrschend, ohne dass die schon gegebene Marktbeherrschung (durch Potentiale des Erwerbers) verstärkt wird, führt der Zusammenschluss nicht zum Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung, sondern bloß zu einem Eigentümerwechsel. Der rechtfertigt keine Untersagung. Durch externes Unternehmenswachstum, insbesondere durch den Er- 4 werb weiterer Marktanteile, kann es nicht nur zum Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung, sondern auch zur „Verstärkung“ einer bereits gegebenen Marktbeherrschung kommen. Eine derartige Verstärkung kann dadurch zustande kommen, dass eine weitere Tatbestandsvariante des § 4 erfüllt wird. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehung zu anderen Unternehmen, 295
§ 12 KartGGugerbauer die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken (27 Kt 245/04). Aber schon die Schwächung des Wettbewerbs als Folge des Zusammenschlusses, etwa dadurch, dass dem Erwerber ermöglicht wird, nachstoßenden Wettbewerb abzuwehren, kann eine marktbeherrschende Stellung verstärken. Das Gesetz gibt für die Intensivierung einer marktbeherrschenden Stellung keinen Maßstab. Bei einer bloß geringen Veränderungen der Wettbewerbsparameter ist aber eine konkrete Strukturverschlechterung wohl auszuschließen (vgl 27 Kt 238/03). 5 Ein wirtschaftlich zusammenhängender Gesamtvorgang kann unter verschiedene Zusammenschlusstatbestände des § 7 KartG subsumiert werden. Eine Trennung der Teilvorgänge in einzelne Zusammenschlussvorhaben, die nach getrennter Prüfung getrennt freizugeben oder zu untersagen wären, ist nicht durchführbar (16 Ok 11/16b). Zeigt sich, dass der Zusammenschluss zu einer marktbeherrschenden Stellung führt oder eine solche verstärkt (Abs 1 Z 2), keine Rechtfertigungsgründe vorliegen (Abs 2) und keine geeigneten Beschränkungen oder Auflagen verfügbar sind (Abs 3), ist der Zusammenschluss zu untersagen. Maßgebend ist die Marktstellung des Unternehmens im Inland, selbst wenn der relevante Markt darüber hinaus reicht, eine marktbeherrschende Stellung auf einem grenzüberschreitenden (relevanten) Markt schließt eine Marktbeherrschung im Inland als dem Schutzbereich des KartG ein (vgl Kallfaß in Langen/Bunte, § 36 GWB, Rn 50). Bei einem Zusammenschluss mit hinreichendem Inlandsbezug, der der Zusammenschluss-Kontrolle nach dem KartG unterliegt, ist im Falle der Untersagung ein räumlich unbegrenztes Verbot auszusprechen (16 Ok 1/05).
A. Begriff der Marktbeherrschung 6 Marktbeherrschend ist ein Unternehmen nicht an sich, sondern stets nur im Zusammenhang mit einer bestimmten Marktfunktion (Angebot oder Nachfrage) in einem bestimmten sachlich, örtlich und zeitlich abgegrenzten Bereich (vgl § 4). Ein noch so großes Potenzial eines Unternehmens (Umsatz, Gewinn, Zahl der Mitarbeiter, etc) reicht also nicht, um ihm von vornherein Marktbeherrschung zu unterstellen und weiteres externes Wachstum zu untersagen (vgl Kallfaß in Langen/Bunte, § 36 GWB, Rz 50). 296
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Die Abgrenzung des relevanten Marktes kann unterschiedlich ausfal- 7 len, je nachdem ob ein Unternehmens-Zusammenschluss oder ein Missbrauchsfall zu überprüfen ist (vgl die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl 1997 C 372 Rn 12). Während die Missbrauchsaufsicht auf ein aktuelles oder zeitlich zurückliegendes Verhalten abstellt, kommt es bei einem Zusammenschluss auf eine im Wesentlichen zukunftsbezogene Untersuchung an. Bei der Marktabgrenzung im Rahmen der Missbrauchsaufsicht sind Unternehmen, die nur potenziell Anbieter werden können, zu vernachlässigen: sie bieten für einen vom Missbrauch betroffenen Nachfrager keine unmittelbar wirksame Ausweichmöglichkeiten. Im Rahmen der Kontrolle von Unternehmens-Zusammenschlüssen ist dagegen bereits die „disziplinierende Kraft“ auch nur potentieller Wettbewerber zu berücksichtigen. Aber auch zu erwartende rechtliche und tatsächliche Entwicklungen, etwa eine absehbare Vereinheitlichung bestimmter Standards der EU und solcher anderer Wirtschaftsgebiete (etwa der USA), können im Rahmen der Prüfung eines Zusammenschlusses eine geänderte Abgrenzung des sachlich und/oder geographisch relevanten Marktes gebieten. Zunächst einmal ist bei der Marktabgrenzung darauf zu achten, welche 8 anderen Unternehmen ein Unternehmen überhaupt als Wettbewerber ansieht und in seinen Wirtschaftsplänen berücksichtigt, jedes Unternehmen definiert den Markt, auf dem es sich betätigt, ja zunächst einmal selbst (16 Ok 15/08). Wenn sachlich verwandte Märkte zu einem Markt verbunden werden 9 und die Erweiterung des Produktportfolios dem Erwerber ermöglicht, Konkurrenten von diesem Markt auszuschließen, führt der Zusammenschluss zu Portfolioeffekten (vgl COMP/M.68 – Tetra Pak/Alfa Laval). Wettbewerbsnachteilige Portfolioeffekte (die Erweiterung des Produktportfolios des Erwerbers) sind auch bei räumlich verwandten Märken oder im Vertikalverhältnis möglich. Auch dann, wenn bei einer Erweiterung eines Sortiments die daraus resultierende Marktmacht größer ist als die Summe der mit den einzelnen (Marken-)Produkten verbundenen Marktanteile. In manchen Märkten verfügt der Anbieter eines umfassenden Sortiments über einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, weil die Abnehmer dadurch nicht mit mehreren Lieferanten kontrahieren müssen. Spillover-Effekte entstehen, wenn der Erwerber durch einen Zusammenschluss Zugriff auf Ressourcen erhält, die seine Position auf seinem Stammmarkt verstärken. „Konglomerate“ Effekte 297
§ 12 KartGGugerbauer können etwa bei Sortimentserweiterungen oder -vervollständigungen entstehen (16 Ok 15/08). Bei vertikalen Zusammenschlüssen spricht die Vermutung dafür, dass es zu einem bevorzugten Leistungsaustausch zwischen den vertikal verbundenen Untenehmen kommt, der dann die Marktstellung der beteiligten Unternehmen stärkt. Ein Zusammenschluss, der eine Vielzahl zusammenhängender lokaler Märkte betrifft, die insgesamt einen nationalen Markt abdecken, kann als nationaler Zusammenschluss zu beurteilen sein, zumal dann, wenn dies der Strategie der beteiligten Unternehmen entspricht (16 Ok 15/08). 10 In Bezug auf die Zusammenschluss-Tatbestände einer Beteiligung bis zu 50% (§ 7 Abs 1 Z 3) und personeller Verflechtungen (§ 7 Abs 1 Z 4) sind die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt durch die gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten der beteiligten Unternehmen zu prüfen. Kann der Erwerber aufgrund von mit der Beteiligung verbundenen Rechten (zB dem Recht zur Nominierung von Organen der Zielgesellschaft) oder aufgrund von Zusatzvereinbarungen (etwa Liefer-, Lizenz- oder Kreditverträgen) für die Marktstellung des Zielunternehmens wesentliche Entscheidungen (etwa über Investitionen, Produktion oder Vertrieb) im eigenen wettbewerblichen Interesse beeinflussen? Verschafft die Beteiligung dem Erwerber keinen ausreichenden Einfluss auf die Zielgesellschaft, ist davon auszugehen, dass der Zusammenschluss keine Auswirkungen auf die Marktstellung der beteiligten Unternehmen hat (vgl 16 Ok 9/01). 11 Wenn sich ein Großhändler, der auf dem relevanten (Großhandels-) Markt über einen Marktanteil von mehr als 25% aber weniger als 50% verfügt, an einem Einzelhändler, der auf dem Einzelhandelsmarkt über einen Anteil von einigen wenigen Prozentpunkten verfügt, beteiligt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Marktstellung des Großhändlers auf dem Großhandelsmarkt dadurch verstärkt wird. Erst der Erwerb eines Marktanteils von mindestens 10% am Einzelhandelsmarkt würde, abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls, als für die Verhältnisse am Großhandelsmarkt kritischer Wert einzuordnen sein (27 Kt 446/02). 12 Im Zusammenhang mit den widerlegbaren Marktbeherrschungs-Vermutungen des § 4 ist auf die Marktanteile zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses bzw der Entscheidung über das Vorhaben abzustellen. Dabei sind die Anteile der sich zusammenschließenden Unternehmen, soweit sie in Zukunft eine wirtschaftliche Einheit bilden, zu addieren. 298
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Dies ohne Rücksicht auf die mögliche weitere Entwicklung nach dem Zusammenschluss, die wesentlich von der Geschäftpolitik der Unternehmen und ihrem Erfolg abhängt (vgl Kallfaß, aaO, Rn 52). Werden die Voraussetzungen des § 4 Abs 2a (vermutetes Oligopol) erst 13 durch den Zusammenschluss erreicht, heißt dies, dass Marktbeherrschung „durch“ den Zusammenschluss entsteht. Hat bereits zuvor ein marktbeherrschenden Oligopol bestanden, wenn auch die Vermutungsschwellen des § 4 Abs 2 a noch nicht überschritten waren, müssten dies die Zusammenschlussbeteiligten nachweisen, um die Erwartung zu widerlegen, dass die Marktbeherrschung erst „durch“ den angemeldeten Zusammenschluss entstehen wird (vgl Bardong in Langen/ Bunte, § 18 GWB, Rn 220). Besteht bereits bezüglich der Verhältnisse vor dem Zusammenschluss eine Marktbeherrschungsvermutung nach § 4 Abs 2a (vermutetes marktbeherrschendes Oligopol), muss eine Verstärkung iSv § 12 Abs 1 Z 2 gesondert nachgewiesen werden. Das ergibt sich einerseits aus dem eindeutigen Wortlaut, andererseits wäre es auch nicht sachgerecht, einen Zusammenschluss auch dann, wenn er keinerlei Auswirkungen auf den betroffenen Markt hat, als eine Marktbeherrschung verstärkend zu beurteilen. Die Verstärkung der Marktbeherrschung eines Oligopolmitglieds wird 14 aber regelmäßig auch zur Verstärkung des Oligopols insgesamt führen (vgl etwa BGH, 12.2.1980 „Bituminöses Mischgut“, WuW/E BGH 1763, 1765). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Struktur des Oligopols so stark ändert, dass mit einem Wiederaufleben des Binnenwettbewerbs (zwischen den Oligopolmitgliedern) zu rechnen wäre. Wenn sich bei asymmetrischen Oligopolen ein nachrangiger Oligopolist verstärkt (zB durch einen Zusammenschluss mit einem dem Oligopol nicht angehörigen Wettbewerber) ist entscheidend, ob dies – im Oligopol – zu einer Belebung des Binnenwettbewerbs oder aber zu einer stabilen Koordinierung führt. Eine stärkere Symmetrie spräche eher für das Letztere. Ähnliches gilt für einen Zusammenschluss zwischen zwei nachrangigen Oligopolmitgliedern, die Verringerung der Anzahl der Oligopolmitglieder gilt als wichtiges Indiz für eine erleichterte Koordinierung (vgl Bardon, aaO, Rn 219).
B. Kausalität Die marktbeherrschende Stellung oder deren Verstärkung muss 15 „durch“ den Zusammenschluss zustande kommen (Abs 1 Z 2). Zwi299
§ 12 KartGGugerbauer schen dem Zusammenschluss und der Veränderung der Marktstruktur muss daher ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei sind die Wettbewerbsbedingungen vor und nach dem Zusammenschluss zu vergleichen. Nicht nur die unmittelbar nach Durchführung des Zusammenschlusses eintretenden Auswirkungen sind relevant. Auch spätere Folgen sind zu berücksichtigen, soweit sie nach dem Ergebnis der Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und mit dem Zusammenschlussvorhaben kausal zusammenhängen. 16 Kausalität fehlt, wenn nach dem Zusammenschluss die gleiche Marktstruktur zu erwarten ist, die sich auch ohne ihn herausgebildet hätte. Wenn etwa die Ressourcen eines sanierungsbedürftigen Unternehmens auch ohne Zusammenschluss – durch sein Ausscheiden aus dem Markt – dem Erwerber zugeflossen wären (failing company defence). Hätten sich die Marktanteile des sanierungsbedürftigen Unternehmens nach seinem Ausscheiden aus dem Markt aber auch auf andere Wettbewerber verteilt oder hätte auch ein weniger marktmächtiges Unternehmen das sanierungsbedürftige retten können, ist der Zusammenschluss kausal für die Marktbeherrschungseffekte (vgl 16 Ok 6/10; 26 Kt 342, 369, 380, 381, 382, 383/00).
C. Prognoseentscheidung 17 Die Entscheidung, ob durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder eine solche verstärkt wird, ist im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens erst in einem zweiten Prüfungsschritt zu treffen. Zuvor ist zu klären, wie groß die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten sind (vgl 16 Ok 12/08). Soweit ein Zusammenschluss (etwa gem § 7 Abs Z 3) keinen ausreichenden Einfluss auf die Zielgesellschaft verschafft, ist ausgeschlossen, dass er Auswirkungen auf die Marktstellung der beteiligten Unternehmen hat (16 Ok 9/01). Ist die Einflussmöglichkeit ausreichend, ist eine Prognoseentscheidung über die Auswirkung des Zusammenschlussvorhabens auf die Wettbewerbsbedingungen zu treffen. Für diese Prognose sind die Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt vor und nach dem Zusammenschluss unter Berücksichtigung sämtlicher maßgebender Umstände und der zu erwartenden Marktentwicklung zu vergleichen. Negative Auswirkungen sind den Wettbewerbsvorteilen gegenüberzustellen (16 Ok 15/08). Dabei sind sämtliche Aspekte auf dem relevanten 300
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Markt zu berücksichtigen, mag dieser auch Teil eines überregionalen Markts sein (vgl 16 Ok 1/05). Der Begriff „Erwartung“ in § 12 Abs 1 Z 2 verdeutlicht, dass keine sta- 18 tische Betrachtungsweise, sondern eine in die Zukunft gerichtete dynamische Analyse der Marktauswirkungen des Zusammenschlusses gefragt ist. Eine mit dem Zusammenschluss eintretende strukturelle Verschlechterung muss im Licht sich bereits abzeichnender Änderungen der relevanten Wettbewerbsbedingungen beurteilt werden: Das Erfordernis einer zukunftsgerichteten Betrachtung gilt auch im Hinblick auf die Entwicklung ohne den Zusammenschluss. Weil es in der Praxis vielfach an zwingenden Beweisen fehlt, weist § 12 Abs 1 Z 2 Elemente eines Gefährdungstatbestands auf. Die Erwartung, dass eine bestimmte Entwicklung tatsächlich eintreten wird, ist weitergehend als die Möglichkeit, dass es zu einer derartigen Entwicklung kommt. Die bloß denkbare Möglichkeit einer bestimmten Entwicklung genügt nicht. Die Untersagung ist daher nur auszusprechen, wenn die strukturelle Verschlechterung wahrscheinlich ist. Ein Zusammenschluss lässt die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung erwarten, wenn rechtliche oder tatsächliche Umstände dem marktbeherrschenden Unternehmen zwar nicht zwingend, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit eine günstigere Wettbewerbssituation verschaffen (vgl BGH, 19.6.2012, KVR 15/11, „Haller Tagblatt“, WuW/E DE-R 3695, Rn 17). Dafür bedarf es konkreter Anhaltspunkte (vgl Kallfaß, aaO, Rn 40 f). Ausreichend für eine Untersagung ist etwa, dass es mit einiger Wahr- 19 scheinlichkeit zu einer spürbaren Abnahme des Wettbewerbsdrucks kommt. Dies könnte für Preiserhöhungen genutzt werden. Die tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb (und auf die Verbraucher) werden in der Regel nicht untersucht, eine Prognose konkreten Marktergebnisse bzw der konkreten Nachteile iSe Verschlechterung für die Verbraucher ist dann nicht mehr erforderlich (vgl Kallfaß, aaO, Rn 41). Der Vergleich der Wettbewerbsbedingungen ohne Zusammenschluss 20 mit jenen, die durch den Zusammenschluss entstehen würden, ist nicht als simpler Vorher-Nachher-Vergleich, sondern als Vergleich zweier zukunftsgerichteter Szenarien anzustellen: Auch in das Vergleichsszenario, das die Verhältnisse ohne den Zusammenschluss abbildet, ist die weiter zu erwartende Entwicklung einzubeziehen. In der Praxis wird allerdings hinsichtlich der Entwicklung ohne den Zusammenschluss häufig einfach deswegen auf die aktuelle Situation abzustellen sein, weil 301
§ 12 KartGGugerbauer es an Anhaltspunkten für wesentliche Veränderungen fehlen wird. Die Möglichkeit einer positiven Veränderung bei der Zielgesellschaft (zB infolge des Erwerbs durch einen Dritten, von dem Wettbewerbsimpulse ausgehen) ist aber schon dann zu berücksichtigen, wenn dies auf der Grundlage der vor dem Zusammenschluss bestehenden Wettbewerbsbedingungen einigermaßen wahrscheinlich ist (vgl Kallfaß, aaO, Rn 42). 21 Ein strengerer Maßstab gilt für Veränderungen der Rahmenbedingungen des Wettbewerbs. Solche dürfen für die Prognose nur berücksichtigt werden, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Eine Verstärkung der Marktbeherrschung kann etwa deswegen zu erwarten sein, weil ein derzeit noch begrenzter, perspektivisch aber wichtiger werdender Substitutionswettbewerb durch gemeinsam marktbeherrschende Unternehmen dadurch „eingefangen“ wird, dass diese Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen errichten. Umgekehrt ist aber ebenso zu berücksichtigen, wenn losgelöst vom Zusammenschluss Veränderungen zu erwarten sind, die eine bestehende Marktbeherrschung aufheben. Beispielsweise kann ein zu erwartendes Investitionsvorhaben eines Duopolisten die Symmetrie zwischen den Duopolisten beseitigen, Anreize zu wettbewerblichen Vorstößen setzen und damit das Duopol destabilisieren. Weil kein reiner Vorher-NachherVergleich anzustellen ist, ist in diesem Zusammenhang etwa auch die „Entfristung“ einer bestehenden, aber absehbar auslaufenden, befristeten Unternehmensbeteiligung (als neuer Zusammenschluss) zu prüfen (vgl Kallfaß, aaO, Rn 42). 22 Strukturelle Veränderungen sind in der Regel unumkehrbar. Neben den unmittelbar mit der Durchführung eines Zusammenschlusses eintretenden Strukturveränderungen sind auch längerfristige Wirkungen zu berücksichtigen, die aufgrund der durch den Zusammenschluss geschaffenen Wettbewerbsbedingungen zu erwarten sind. Auch wenn solche Wettbewerbsverhältnisse keinen Schluss auf eine marktbeherrschende Stellung zulassen, können sich die Wettbewerbsbedingungen durch den Zusammenschluss zum Nachteil ändern. Stellt die Prognose auf eine erst künftig eintretende Verstärkung ab, muss sie berücksichtigen, ob das betreffende Unternehmen dann noch marktbeherrschend ist. 23 Neben den Auswirkungen des Zusammenschlusses sind auch durch den Zusammenschluss nicht berührte, aber für den Wettbewerb relevante Entwicklungen auf dem Markt zu berücksichtigen. Dabei auch solche – 302
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mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende – Entwicklungen, welche eine ursprünglich durch den Zusammenschluss eingetretene oder verstärkte Marktbeherrschung wegfallen lassen. Steht etwa zum Zeitpunkt der Entscheidung schon fest, dass in absehbarer Zeit eine Marktzutrittsschranke (zB ein entscheidendes Patent) entfällt und daher sicher mit zusätzlichen potenten Wettbewerbern zu rechnen ist, muss dies mit berücksichtigt werden. Nur wenn trotz einer derartigen Strukturverbesserung mit dem Entstehen oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu rechnen ist, kommt die Untersagung in Betracht. Bei einander berührenden Zusammenschluss-Vorhaben, die kurz nach- 24 einander angemeldet werden, kommt entweder eine zeitlich gestaffelte, oder eine kombinierte Prüfung in Frage. Im Hinblick auf Rechtssicherheit und Praktikabilität empfiehlt sich eine Prüfung nach Maßgabe des Zeitpunkts der Anmeldung. Bei der Prüfung des später angemeldeten Zusammenschlusses ist dann die Veränderung der Marktstruktur durch das zuvor angemeldete Vorhaben zu berücksichtigen. Eine kombinierte Prüfung kann etwa dann, wenn das zweite Verfahren erst in einem schon fortgeschrittenen Prüfungsstadium des ersten Vorhabens angemeldet wird, für die Amtsparteien und/oder das KartGer erhebliche Probleme aufwerfen. Bei der Prüfung des zunächst angemeldeten Vorhabens sind künftige Veränderungen in einer Prognoseentscheidung zu berücksichtigen, der zweite Zusammenschluss ist dabei in alternativen Szenarien zu denken, da der erste ja untersagt werden kann (vgl Kallfaß, aaO, Rn 46). Im Rahmen der Gesamtbetrachtung nach § 12 Abs 2 Z 1 sind sämtliche 25 wettbewerblichen Wirkungen eines Zusammenschlusses auf dem relevanten Markt zu berücksichtigen. Grundsätzlich können dies sowohl wettbewerbsschädliche, wie auch wettbewerbsfördernde Effekte sein. Überwiegen bei einer Saldierung von positiven und negativen Wettbewerbseffekten die Letzteren, fehlen die Voraussetzungen für eine Nichtuntersagung nach § 12 Abs 2 Z 1 (vgl Kallfaß, aaO, Rn 47). Die Voraussetzungen für eine Strukturverschlechterung sind umso schwächer, je stärker die Marktbeherrschung schon vor dem Zusammenschluss war (vgl BGH 18.12.1979, WuW/E BGH 1685, 1691 f, in dieser Entscheidung wurde bereits ein Marktanteilszuwachs von 1,3% als relevant eingestuft). Da zusammenschlussbedingte Strukturverschlechterungen in der Regel 26 unumkehrbar sind, müssen auch längerfristige Wirkungen berücksich303
§ 12 KartGGugerbauer tigt werden. Auch dann muss sich die Prognose aber auf einen überschaubaren Zeitraum beschränken, dessen Länge anhand der konkreten Bedingungen auf dem betroffenen Marktes zu bestimmen ist. Ein mittelfristiger Prognosezeitraum wird in der Regel wohl drei bis fünf Jahre betragen (vgl BGH, 19.6.2012 – KVR 15/11, „Haller Tagblatt“, WuW/E DE-R 3695, Rn 38). Im Einzelfall kann aber – etwa im Hinblick auf langfristige Verträge – ein darüber hinausgehender Zeitraum angemessen sein (vgl Kallfaß, aaO, Rn 48).
D. Unterschiedliche Zusammenschlusskategorien 27 Bei horizontalen Zusammenschlüssen kommt es vor allem durch die Reduzierung der Zahl selbständiger Anbieter oder Nachfrager und eine damit verbundene Marktanteilsaddition zu Marktbeherrschung. Allerdings können Abschmelzeffekte auftreten (und zu prognostizieren sein), vor allem dann, wenn wichtige Unternehmer der Marktgegenseite ankündigen, auf einen anderen Lieferanten oder Abnehmer auszuweichen. Dies kann das Entstehen oder die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung verhindern. Einen anerkannten Erfahrungssatz, dass der summierte Marktanteil teilweise schrumpft, gibt es aber nicht. Abgesehen von den Marktanteilen des Zielunternehmens können auch Ressourcen (etwa Patente, Markenrechte, längerfristige Bezugs- oder Vertriebsverträge, eine Filialkette, etc) die Marktposition verstärken. Effizienzgewinne aus einem Zusammenschluss können ebenfalls zum Entstehen oder zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen, etwa wenn Synergien den beteiligten Unternehmen größere Verhaltensspielräume verschaffen. Ein nach dem Zusammenschluss größeres Einkaufsvolumen kann den Zugang zu Beschaffungsmärkten, ein erweitertes Angebot den Zugang zu Absatzmärkten verbessern. Die Marktposition kann aber auch durch die Übernahme von Vertriebsverträgen oder die Erweiterung des Servicenetzes verbessert werden. Schon eine Beteiligung an einem Wettbewerber mit zumindest 25% (§ 7 Abs 1 Z 3) kann wettbewerblich von Relevanz sein. Das zwischen den beteiligten Unternehmen bestehende Wettbewerbsverhältnis kann dadurch aufgehoben, zumindest aber erheblich eingeschränkt werden (vgl BGH 19.12.1996, WuW/E BGH 3037, 3041, Raiffeisen). 28 Auch der Zusammenschluss mit einem potenziellen Wettbewerber kann die Marktstellung des Erwerbers stärken: durch den Wegfall von (potenziellem) Wettbewerbsdruck. Allerdings müsste wirksamer Wett304
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bewerb auf dem Markt bereits vor dem Zusammenschluss geschwächt sein, nur dann hätte der Zusammenschluss mit einem potenziellen Wettbewerber Bedeutung für eine – weitere – Verschlechterung der Marktstruktur (vgl 16 Ok 1/05). Vertikale Zusammenschlüsse führen bei den Marktanteilen zu keiner 29 unmittelbaren Bewegung, können aber über einen verbesserten Zugang zu Absatz- oder Beschaffungsmärkten eine marktbeherrschende Stellung begründen oder verstärken, denn gleichzeitig können Wettbewerber beim Zugang zu Lieferanten oder Abnehmern schlechter gestellt werden: Wenn der vertikal integrierte Erwerber in Folge des Zusammenschlusses auf dem vor- oder nachgelagerten Markt über Marktmacht verfügt, kann dies dazu führen, dass seine Konkurrenten beim Absatz oder bei der Beschaffung von Produkten auf den Erwerber angewiesen sind. Verschafft die überragende Stellung auf dem vor- oder nachgelagerten Markt dem Erwerber einen überragenden Verhaltensspielraum gegenüber seinen Konkurrenten, ist dies ein Untersagungsgrund (26 Kt 132/04). Dies gilt umso mehr für Marktausschließungseffekte, wenn der Zugang zum vor- oder nachgelagerten Markt für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens von wesentlicher Bedeutung ist. Soweit an einem Zusammenschluss beteiligte Unternehmen weder in 30 einem Wettbewerbs-, noch in einem Vertikalverhältnis zueinander stehen, aber in eng benachbarten Märkten tätig sind, kommt es zu einem konglomeraten Zusammenschluss. Konglomerate Zusammenschlüsse werden tendenziell als wettbewerbsneutral, zum Teil sogar als wettbewerbsfördernd beurteilt. Marktbeherrschungseffekte können dadurch herbeigeführt werden, dass der marktbeherrschende Erwerber die Produkte verwandter Märkte koppelt und so auch auf dem Markt des Zielunternehmens eine beherrschende Stellung erlangt (vgl EuG, 15.12.2005, Rs T-210/01 General Electric/Honeywell). Umgekehrt kann der Erwerber versuchen, mit Hilfe des Zielunternehmens seine Marktstellung auf seinem Stammmarkt zu stärken: Der Zugriff auf Ressourcen des Zielunternehmens kann am Stammmarkt des Erwerbers zu einem spill-over-Effekt führen. Dies ist vor allem bei sachlich verwandten Märkten möglich, deren Waren oder Leistungen in einem gewissen Substitutionswettbewerb zueinander stehen. Konglomerate Effekte können sich auch aus dem Zuwachs an Finanzkraft ergeben, wenn etwa dieser Zuwachs auf (potentielle) Wettbewerber einen Abschreckungseffekt ausübt. 305
§ 12 KartGGugerbauer 31 Durch einen marktübergreifenden Zusammenschluss kann ein marktbeherrschender Erwerber seine Stellung insbesondere dann stärken, wenn er dadurch den vom Zielunternehmen ausgehenden Restwettbewerb ausschließen kann (vgl die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Erwerbers auf dem Markt für Straßenverkaufszeitungen durch den Erwerb einer damit in Wettbewerb stehenden Abonnementzeitung – BGH 29.9.1981, WuW/E BGH 1854 ff, 1857 ff). Wenn die Erweiterung des Produktportfolios des Erwerbers dessen Marktstellung verbessert, kommt es zu Portfolioeffekten. Als Folge eines Zusammenschlusses können sachlich verwandte Märkte zu einem Markt verbunden werden und kann der Zusammenschluss dem Erwerber ermöglichen, Konkurrenten von diesem Markt auszuschließen (vgl 16 Ok 15/08). Marktbeherrschungseffekte sind auch dann möglich, wenn verwandte Märkte zwar nicht verbunden werden, aber der marktbeherrschende Erwerber die Produkte koppelt und damit auf dem Markt des Zielunternehmens eine beherrschende Stellung erlangt (vgl EuG, 15.12.2005, T-210/01). Portfolioeffekte sind auch bei räumlich verwandten Märken (vgl Kom 10.10.2001, M. 2283, Schneider/Legrand) und im Vertikalverhältnis (vgl Kom 20.7.2000, JV. 48, Vodafone/ Vivendi/Canal+) möglich. 32 Ein Zusammenschluss führt zu einer oligopolistischen Marktbeherrschung, wenn für die unter Oligopolverdacht stehende Unternehmensgruppe der Ausschluss wirksamen Binnenwettbewerbs zu erwarten ist und gegenüber Mitbewerbern und Abnehmern ein unabhängiger Verhaltensspielraum geschaffen wird. Ein Zusammenschluss verstärkt eine oligopolistische Marktbeherrschung, wenn Verhaltensspielräume des Oligopols erweitert oder abgesichert werden, wenn Parallelverhalten im Oligopol erleichtert oder auf zusätzliche Wettbewerbsparameter ausgedehnt wird. Soweit Zusammenschlüsse auf oligopolistischen Märkten die Marktstruktur nicht verschlechtern, sind sie nicht zu untersagen. 33 Vertikale Zusammenschlüsse führen zu einer (weiteren) oligopolistischen Marktbeherrschung, wenn Oligopolisten ihre Marktstellung auf die vor- oder nachgelagerte Produktions- oder Vertriebsstufe ausdehnen. Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch Oligopolisten kann – zusätzliche – Marktbeherrschungseffekte nach sich ziehen, weil Wettbewerb zwischen den Gründerunternehmen dadurch weiter geschwächt werden kann, was mit einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Oligopols im Außenverhältnis einherge306
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hen kann. Die Stärkung eines einzelnen Oligopolmitglieds kann aber unter Umständen den Binnenwettbewerb sogar verstärken.
III. Die Prüfung von Gemeinschaftsunternehmen § 12 sieht als Prüfungsmaßstab nur den Marktbeherrschungstest vor. 34 Die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens nach § 7 Abs 2 kann daher nur dann zur Untersagung eines Zusammenschlusses führen, wenn es eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt. Durch die gemeinsame Kontrolle des neuen Marktteilnehmers durch die Gründerunternehmen kann es zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs kommen (vgl 16 Ok 9/02). Wenn die Muttergesellschaften bei der Gründung eines Vollfunktions- 35 Gemeinschaftsunternehmens Ressourcen, Know-how, etc zusammenführen und sich verpflichten, mit dem Gemeinschaftsunternehmen nicht in Wettbewerb zu treten, kommt es zur Ausschaltung (potenziellen) Wettbewerbs zwischen den Gründern auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens. Bleibt dagegen zumindest ein Gründer auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens (in welches ein anderer Gründer und bisheriger Wettbewerber seine marktrelevanten Aktivitäten eingebracht hat) oder auf vor- oder nachgelagerten oder damit eng verknüpften Märkten tätig, kann die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens – auch ohne besondere Kartellabsprache – zu einer Abstimmung des Wettbewerbsverhaltens des auf diesem Markt weiter tätig bleibenden Gründers mit dem Gemeinschaftsunternehmen oder sogar zu einer Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründer führen. Solche kooperativen Effekte werden als „Gruppeneffekte“ oder „spill-over-Effekte“ bezeichnet. Sie treten auch beim Erwerb eines Unternehmensteils oder dem wechselseitigen Anteilserwerb, die unter § 7 Abs 1 Z 1 oder Z 3 fallen, auf. Für die materiellrechtliche Beurteilung sind vor allem Gruppeneffekte zwischen den Gründern des Gemeinschaftsunternehmens relevant. Überschneiden sich die unternehmerischen Aktivitäten der Gründer auf einem bestimmten Markt ist zu untersuchen, ob das Zusammenschlussvorhaben kausal und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu Marktbeherrschungseffekten führt. Eine Koordinierung der Gründer im Verhältnis zum Gemeinschaftsunternehmen ergibt sich schon aus der gemeinsamen Kontrolle und ist daher gewissermaßen systemimmanent. Bringt jedoch nur einer der Gründer Aktivitäten in das Gemeinschaftsunternehmen ein, die er bis307
§ 12 KartGGugerbauer her als Wettbewerber des anderen Gründers ausgeübt hat, kann es auch zu einem Gruppeneffekt zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und dem anderen Gründer kommen. 36 Der Gruppeneffekt beschreibt die gegenseitige Rücksichtnahme der über Beteiligungen verbundenen Unternehmen. Ein Gruppeneffekt begründet keine Beschränkung der Handlungsfreiheit, er ist – die Anmeldebedürftigkeit eines Zusammenschlussvorhabens vorausgesetzt – im Rahmen der strukturbezogenen Prüfung des Zusammenschlusses und nicht über die kartellrechtliche Verhaltenskontrolle (nach § 1) zu beurteilen. § 1 findet jedenfalls keine Anwendung auf die Verhaltensabstimmung der Gründer, soweit sie notwendiger Bestandteil der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens ist, und auf die unmittelbar mit der Durchführung der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens verbundenen und dafür notwendigen Nebenabreden, sowie auf allfällige Gruppeneffekte zwischen den Gründern. Wettbewerbsbeschränkungen, die zwischen den Gründern anlässlich der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens oder zeitlich danach vereinbart werden, ohne in einem unmittelbaren und untrennbaren Sachzusammenhang mit einem Zusammenschluss nach § 7 Abs 2 zu stehen, unterliegen dagegen der Kontrolle nach § 1.
IV. Nichtuntersagung wegen Rechtfertigungs gründen 37 Ein Zusammenschluss, der eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist nicht zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass er zu Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen führt, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 12 Abs 2 Z 1), oder dass er zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig und volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist (§ 12 Abs 2 Z 1). Die Abwägung nach Abs 2 Z 1 ist beschränkt auf die Berücksichtigung von Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen – losgelöst vom volkswirtschaftlichen Aspekten (vgl Abs 2 Z 2). 38 Die Beweislast für durch einen Zusammenschluss wahrscheinlich eintretende Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen oder für die Notwendigkeit des Zusammenschlusses zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit liegt bei den Anmeldern des Zusammenschlusses. 308
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A. Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen Vielfach sind Zusammenschlussvorgänge aufgrund unterschiedlicher 39 Produkte oder Dienstleistungen der beteiligten Unternehmen komplex, unterschiedlich können dann auch ihre Folgen sein. Den negativen wettbewerblichen Auswirkungen können positive Wirkungen gegenüberstehen. Soweit die Untersagung nicht auf Teilbereiche beschränkt werden kann (vgl Abs 3) und die Unternehmen unbedenkliche Teilbereiche nicht aus einem Zusammenschluss ausklammern können, erlaubt das KartG die Abwägung wettbewerblicher Vorteile und Nachteile eines Zusammenschlusses. Für die Nichtuntersagung müssen die Verbesserungen aber die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. Bei den Tatbestandsmerkmalen Entstehen oder Verstärkung (einer Marktbeherrschung) ist das Ausmaß der strukturellen Verschlechterung zu bewerten. Im Fall der Entstehung ist zu prüfen, ob ein Markt, der bisher von wirksamem Wettbewerb geprägt ist, durch den Zusammenschluss zu einem beherrschten Markt wird. Die Anforderungen an einen qualitativen Umschlag der Marktverhältnisse sind dann deutlich höher als im Fall der Verstärkung einer bereits bestehenden Marktbeherrschung (vgl Kallfaß, aaO, Rn 57). Unter Wettbewerbsbedingungen sind die strukturellen, wettbewerbser- 40 heblichen Faktoren zu verstehen, die bei der Prüfung der Untersagungsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind. Die Einbeziehung von Verhaltensmerkmalen und anderen als wettbewerblichen Gesichtspunkte ist daher ausgeschlossen. Unter verbesserten Wettbewerbsbedingungen sind nicht Umstände zu verstehen, die die Marktstellung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen betreffen, sondern solche, die sich positiv auf die Struktur des relevanten Marktes (vgl 16 Ok 15/08), gegebenenfalls auch auf einem Drittmarkt, auswirken (vgl 16 Ok 9/01). Maßgeblich ist also ein die Verschlechterung der Marktstruktur überkompensierendes Element (vgl 26 Kt 342, 369, 380, 381, 382, 383/00). Reine Rationalisierungseffekte bewirken in der Regel keine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen, eher die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung (26 Kt 143, 186, 191, 192/01 26; Kt 342, 369, 380, 381, 382, 383/00). Nur ausnahmsweise bringen sie (mittelbar) strukturelle Vorteile für die Wettbewerbsbedingungen mit sich. Keine strukturelle Verbesserung ist die Vergrößerung oder Erhaltung der Angebotspalette (des marktbeherrschenden Unternehmens oder des Marktes insgesamt) oder die zugesagte Ermäßigung der Marktprei309
§ 12 KartGGugerbauer se, auch wenn dies im Interesse der Nachfrager liegt. Ebenfalls außer Betracht bleibt ein behaupteter Beitrag zum technischen Fortschritt, sofern damit keine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen einhergeht, da die Förderung des technischen Fortschritts gerade Aufgabe des funktionsfähigen Wettbewerbs ist (vgl Kallfuß, aaO, Rn 121). 41 Der Zusammenschluss muss für die zu erwartenden verbesserten Wettbewerbsbedingungen kausal sein („durch den Zusammenschluss“). Dabei ist einerseits ein Vergleich zwischen der tatsächlichen Situation nach dem Zusammenschluss und einer gedachten Lage anzustellen, die unter gleichen Bedingungen ohne den Zusammenschluss bestehen würde. Andererseits bleiben Verbesserungen außer Betracht, die zwar auf den Zusammenschluss zurückgehen, aber auch ohne ihn, wenn auch in anderer Weise, zu erwarten wären (vgl Kallfaß, aaO, Rn 126). Ein sofortiger Eintritt der erwarteten Effekte ist nicht erforderlich. Es reicht, wenn sie mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb eines vertretbaren Zeitraums eintreten werden. Kausalität fehlt, wenn die verbesserten Wettbewerbsbedingungen auch ohne den Zusammenschluss eintreten würden. Aber auch dann, wenn die Wettbewerbsvorteile auf weniger wettbewerbsbeschränkende Weise erreicht werden können. Insofern ist auch betreffend die zukünftige Entwicklung ohne den Zusammenschluss eine vorausschauende Betrachtung vorzunehmen. Berufen sich die Unternehmen zB auf ein verbessertes Angebot oder auf eine Markt erschließung durch ein von ihnen gegründetes Gemeinschaftsunternehmen müssen sie nachweisen, dass ohne diese Gründung keines von ihnen alleine tätig geworden wäre. Andernfalls könnte der Nachteil, der in dem Ausschluss des potentiellen Wettbewerbs der beteiligten Unternehmen liegt, sogar die Notwendigkeit einer Untersagung unterstreichen (vgl Kallfaß, aaO, Rn 127). 42 Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf dem beherrschten Markt sind bereits bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Zusammenschluss zu einer Strukturverschlechterung führt (Marktbeherrschungstest nach § 12 Abs 1 Z 2; 26 Kt 342, 369, 380, 381, 382, 383/00). In Gesamtbetrachtung sind die Auswirkungen auf sämtliche Wettbewerbsbedingungen zu berücksichtigen (vgl 16 Ok 9/01). 43 Strukturelle Verbesserungen auf einem anderen als dem beherrschten Markt sind uneingeschränkt zu berücksichtigen. Bei dem Drittmarkt, auf dem verbesserte Wettbewerbsbedingungen eintreten, muss es sich nicht um einen von einem Marktbeherrscher dominierten Markt han310
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deln: Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen sind auch in einem nicht beherrschten Drittmarkt zu berücksichtigen. Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf einem Auslandsmarkt spielen keine Rolle, wenn keine positiven Rückwirkungen auf die Marktstruktur im Inland zu erwarten sind. Ist der räumlich relevante Markt weiter als national abzugrenzen und Österreich Teil dieses weiteren Marktes, sind die dort auftretenden Effekte (Verbesserungen wie Verschlechterungen) allerdings zu berücksichtigen, insoweit sie auch für den inländischen Teil des relevanten Marktes von Bedeutung sind. Ob die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen unter diesen Umständen dritten Unternehmen oder einem Zusammenschlussbeteiligten zum Vorteil gereicht ist unerheblich (vgl 26 Kt 132/04, 26 Kt 167/04; 26 Kt 168/04; 26 Kt 16, 26/03). Es genügt also, wenn die Wettbewerbspositionen unbeteiligter Unternehmen und dadurch die Wettbewerbsbedingungen – theoretisch auch auf Märkten, auf denen keines der beteiligten Unternehmen tätig ist – verbessert werden (vgl Kallfaß, aaO, Rn 123). Die Anforderungen an die eintretenden Verbesserungen sind umso hö- 44 her, je stärker die zu erwartende Strukturverschlechterung bzw je stärker die festgestellte Marktbeherrschung ist. Beim Entstehen oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung werden regelmäßig nur solche wettbewerblich positiven Effekte die Voraussetzung der Abwägungsklauseln erfüllen, die auf anderen Märkten zum Abbau oder zuminderst zur Abmilderung der dort bestehenden Marktbeherrschung führen. Hinreichende strukturelle Verbesserungen sind aber auch unterhalb der Marktbeherrschungsschwelle nicht generell ausgeschlossen (zur dt Fusionskontrolle vgl OLG Düsseldorf, 18.10.2006 „SES / DPC“, WuW/E DE-R 1845, 1851). Nur überwiegende Vorteile reichen aus, um eine Untersagung trotz des 45 Vorliegens der Voraussetzungen des § 12 Abs 1 Z 2 auszuschließen. Maßgebend ist zunächst die Relevanz der betroffenen Märkte in volkswirtschaftlicher Hinsicht – quantitativ durch das jeweilige Marktvolumen. Dann ist eine qualitative Bewertung der Verbesserung vorzunehmen. Auch wenn nicht zwingend vorausgesetzt werden kann, dass die Verbesserung im Abbau einer marktbeherrschenden Stellung auf dem anderen Markt besteht, muss es sich um eine ins Gewicht fallende Wettbewerbsverbesserung handeln. Die entsprechenden Anforderungen sind umso höher, je geringer die (quantitative) Bedeutung des Marktes ist, dessen Struktur durch den Zusammenschluss verbessert wird (vgl Kallfaß, aaO, Rn 125). 311
§ 12 KartGGugerbauer 46 Verbesserungen, die im Zusammenhang mit anderen Zusammenschlüssen – auch zeitgleich – auftreten, können nicht in die Abwägung einbezogen werden. Das gilt idR auch für Verpflichtungszusagen (nach § 17 Abs 2) und Auflagen (§ 12 Abs 3), die nicht auf die Beseitigung der Strukturverschlechterung auf dem vom Zusammenschluss betroffenen Markt, sondern auf eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten abziehen, da diese nicht durch den gegenständlich zu beurteilenden Zusammenschluss verursacht werden. Es ist gewissermaßen ein „innerer Zusammenhang“ zwischen der nachteiligen Strukturverschlechterung auf dem einen und der Verbesserung auf dem anderen Markt erforderlich – das bloße Nebeneinander einer problematischen mit einer vorteilhaften Fusion genügt jedenfalls nicht (vgl Kallfaß, aaO, Rn 128). 47 Auch Sanierungsfusionen, die zur Sanierung eines Unternehmens führen sollen, bewirken nicht per se eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen (vgl 26 Kt 342, 369, 380, 381, 382, 383/00). Sie sind trotz Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zulässig, wenn kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind: Das erworbene Unternehmen würde ohne die Übernahme aus dem Markt ausscheiden, die Marktposition des erworbenen Unternehmens würde im Fall seines Ausscheidens aus dem Markt dem erwerbenden Unternehmen zuwachsen und es gibt keine weniger wettbewerbsschädliche Erwerbsalternative, insbesondere steht kein anderer Erwerber für das finanziell angeschlagene Unternehmen zur Verfügung (16 Ok 6/10; vgl auch LLHoriz., Rn 90).
B. Verbesserung der internationalen Wettbewerbs fähigkeit 48 § 12 Abs 2 Z 2 stellt auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen ab (vgl 16 Ok 1/05). Nicht nur zur Erhaltung, sondern auch zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wird ein Zusammenschluss unter dem Vorbehalt der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung auch dann akzeptiert, wenn zu einer marktbeherrschenden Stellung führt (vgl 26 Kt 143, 186, 191 192/01). 49 Wettbewerbsfähigkeit ist die Fähigkeit, dauerhaft am wirtschaftlichen Wettbewerb teilzunehmen. Internationale Wettbewerbsfähigkeit ist aber nicht darauf beschränkt, die Teilnahme auf ausländischen Märkten 312
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sicherzustellen. Auch in der Begegnung mit ausländischen Konkurrenten im Inland spielt die internationale Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle (vgl 26 Kt 342, 369, 380, 381, 382, 383/00). Die Anwendung von § 12 Abs 2 Z 2 ist dem Wortlaut nach nicht auf inländische Unternehmen beschränkt, in der Praxis dürfte dieser Rechtfertigungsgrund aber überwiegend Unternehmen mit Sitz in Österreich begünstigen. Nicht jede fusionsbedingte Verbesserung der Wettbewerbsposition von 50 Unternehmen mit Sitz in Österreich auf dem internationalen Markt ist ausreichend. Der Zusammenschluss muss alternativlos sein, was die Absicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit betrifft (vgl 16 Ok 9/01). Dabei ist der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ tendenziell restriktiv auszulegen, es geht um die Fähigkeit, überhaupt dauerhaft und erfolgversprechend am Wettbewerb auf internationalen Märkten teilzunehmen (vgl Thomas in Immenga/Mestmäcker, § 42 GWB Rn 94). Kritischer zu sehen ist der Ausbau bestehender Marktpositionen auf dem Weltmarkt, besonders wenn dies auch zu Lasten kleinerer inländischer Wettbewerber geht (Kallfaß, aaO, Rn 8). Voraussetzung ist jedenfalls, dass die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen gegenüber ausländischen Konkurrenten ohne den Zusammenschluss nicht erhalten werden könnte. Das Kriterium der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kann aber auch dann berücksichtigungswürdig sein, wenn die Möglichkeit geschaffen wird, die Stellung im internationalen Wettbewerb durch vorstoßenden Wettbewerb zu verbessern (vgl Thomas, aaO, Rn 95). Ein Zusammenschluss als solcher kann die Wettbewerbsfähigkeit freilich nicht verbessern. Maßgeblich ist, ob er die Voraussetzungen für Kosteneinsparungen und Effizienzgewinne schafft, etwa durch die Zusammenlegung von Vertriebsstrukturen, Forschungseinheiten, etc Bei der Beurteilung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist eine 51 Gesamtbetrachtung des betroffenen Unternehmens vorzunehmen, das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit ist zu berücksichtigen. Nicht maßgeblich ist, wie sich das Zusammenschlussvorhaben auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf einem einzelnen Markt auswirkt (16 Ok 1/05). Die Notwendigkeit eines Zusammenschlussvorhabens zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist nicht zwingend gegeben, wenn der Erwerber seine Schwerpunkte in anderen Märkten hat (29 Kt 5, 70/04). Zur Rechtfertigung nach § 12 Abs 2 Z 2 muss ein Zusammenschluss 52 nicht nur zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbe313
§ 12 KartGGugerbauer werbsfähigkeit notwendig, sondern auch volkswirtschaftlich gutzuheißen sein. Damit wird darauf abgestellt, inwieweit die Ziele des sog magischen Vierecks, also Vollbeschäftigung, Stabilität des Geldwertes, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Wachstum, durch den Zusammenschluss beeinflusst werden. Diese Ziele lassen sich in der Regel nicht gleichzeitig realisieren, sie sind daher zu gewichten. Die Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist volkswirtschaftlich betrachtet in Fällen zu berücksichtigen, in denen etwa die Beschäftigungslage oder die Versorgungssicherheit (zB im Energiesektor) von einer hinreichenden Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen auf den Weltmärkten abhängig ist. 53 Der Begriff „volkswirtschaftliche Rechtfertigung“ ist aber nicht so eng auszulegen, dass die Vorteile eines Zusammenschlusses der Volkswirtschaft insgesamt zukommen müssten. Volkswirtschaftliche Vorteile können auch schon dann vorliegen, wenn die Vorteile für die Gesamtwirtschaft zumindest von einiger Bedeutung sind. Damit etwa Rationalisierungsvorteile zu einer Rechtfertigung eines Zusammenschlusses führen, müssen die Verbesserung des Aufwand-Ertrag-Verhältnisses im Einzelfall volkswirtschaftliche Dimensionen erreichen, der Vorteil darf nicht in gleicher Weise durch wettbewerbskonforme Mittel zu erzielen sein (vgl Kallfaß, aaO, Rn 4). 54 Die Bedeutung der langfristigen Sicherung der Vollbeschäftigung ist unbestritten. Die Sicherung bestimmter Arbeitsplätze als Rechtfertigung für einen allenfalls nur nach § 12 Abs 2 Z 2 zulässigen Zusammenschluss ist schon faktisch fraglich, da durch strukturelle Probleme entstehende Arbeitsplatzrisiken nur selten durch Zusammenschlüsse zu vermindern sind. So kann zum Beispiel ein Zusammenschluss bei Überkapazitäten einer Branche, was die Sicherung von Arbeitsplätzen betrifft, nur die Risiken verlagern. Indirekt kann die Sicherung von Arbeitsplätzen etwa eine Rolle spielen, wenn durch einen Zusammenschluss wertvolles technisches Know-how erhalten werden soll (vgl Kallfaß, aaO, Rn 7). 55 Eine Rolle spielen können auch gewichtige fiskalische Interessen (zB Beseitigung des mit Dauersubventionen verbundenen Haushaltsrisikos) oder wissenschaftspolitische Gründe (Erhalt und Ausbau eines Forschungsschwerpunktes). Zu berücksichtigen sind in jedem Fall nur dauerhafte Vorteile, für die der zu erlaubende Zusammenschluss kausal ist (vgl Kallfaß, aaO, Rn 3). 314
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V. Auflagen und Beschränkungen Das KartGer kann die Nichtuntersagung eines Zusammenschlusses mit 56 Beschränkungen und Auflagen verbinden. Sie sollen bewirken, dass keine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verhindern, dass eine solche verstärkt wird. Auflagen oder Beschränkungen sind nur bei Zustimmung der beteiligten Unternehmen möglich. Liegt eine derartige Zustimmung nicht vor, fehlen die Voraussetzungen für eine Nichtuntersagung, der Zusammenschluss ist dann in seiner Gesamtheit zu untersagen. Auflagen oder Beschränkungen können auch eine Brücke bilden, wel- 57 che die Berücksichtigung der Rechtfertigungsgründe des § 12 Abs 2 KartG ermöglicht. (Verhaltensbezogene und strukturelle) Auflagen können zwar unter Umständen die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung nicht verhindern, jedoch auf einem vor- oder nachgelagerten Markt zu solchen Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen iSv § 12 Abs 2 Z 1 beitragen, dass diese die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (26 Kt 16, 26/03). Unter Umständen kann auch der Rechtfertigungsgrund des § 12 Abs 2 58 Z 2 erst durch Auflagen oder Beschränkungen erfüllt werden (vgl 27 Kt 260, 338/04). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein mit Marktbeherrschungseffekten verbundenes Zusammenschlussvorhaben zwar für die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig ist, aber die volkswirtschaftliche Rechtfertigung nur durch entsprechende Auflagen sichergestellt werden kann. Durch Auflagen werden Unternehmen zu einem bestimmten Tun, Dul- 59 den oder Unterlassen verpflichtet. Dabei ist zwischen bloßen Verhaltensauflagen und strukturellen Auflagen zu unterscheiden. In letzterem Fall kann den beteiligten Unternehmen die Verpflichtung auferlegt werden, Beteiligungen oder Geschäftsbereiche zu veräußern. Oder eine registrierte Marke an einen Wettbewerber zu übertragen, der fachlich und finanziell in der Lage ist, die Marke zu verwerten. Dem (bisherigen) Markeninhaber kann in diesem Zusammenhang aufgetragen werden, dass es dafür zu sorgen habe, dass der Wettbewerber die mit der Marke verbundenen Lieferanten- und Kundenbeziehungen nutzen könne. Die Auswahl des Wettbewerbers kann von einer Zustimmung der BWB abhängig gemacht werden (25 Kt 75/06). 315
§ 12 KartGGugerbauer 60 Strukturelle Auflagen haben mehr Gewicht als Verhaltsauflagen. Wenn sich die wettbewerbsrelevanten Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf einen relativ kleinen Anteil des Inlandsmarktes (etwa 25%) beziehen, könnte eine strukturelle Auflage aber überschießend sein (29 Kt 5, 70/04). Bei der Verhängung einer Auflage ist daher das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Auflagen dürfen auch nicht in die Rechtsposition Dritter eingreifen. Ist etwa für die Veräußerung einer Beteiligung die Zustimmung von Mitgesellschaftern erforderlich und wird diese verweigert, gilt die Auflage als nicht durchführbar. Allenfalls ist dann eine andere Auflage vorzusehen oder der Zusammenschluss zu untersagen (25 Kt 457/99). 61 Unter Beschränkung ist die nur teilweise Freigabe eines angemeldeten Zusammenschlussvorhabens zu verstehen; der über die Beschränkung hinausgehende Teil des Zusammenschlusses wird untersagt (vgl 26 Kt 132/04; 26 Kt 167/04; 26 Kt 168/04).
A. Änderung oder Aufhebung von Auflagen oder Beschränkungen 62 Auf Antrag können angeordnete Beschränkungen oder Auflagen durch das KartGer nachträglich abgeändert oder gänzlich aufgehoben werden. Die Befugnis zur Stellung eines solchen Abänderungs- oder Aufhebungsantrags kommt alleine den am seinerzeitigen Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu, weder die Amtsparteien noch andere Unternehmen (selbst solche, die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an einer Abänderung oder Aufhebung von Auflagen oder Beschränkungen geltend machen, ohne am Zusammenschluss beteiligt gewesen zu sein) haben eine Antragslegitimation. 63 Voraussetzung für die Bewilligung eines Abänderungs- oder Aufhebungsantrag ist in jedem Fall, dass nach der Nichtuntersagung unter Beschränkungen und/oder Auflagen eine Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Geänderte oder sich ändernde Verhältnisse berechtigen ein Unternehmen allerdings nicht, bestehende Auflagen oder Beschränkungen nicht einzuhalten, solange keine – rechtskräftige – Bewilligung des entsprechenden Abänderungs -oder Aufhebungsantrages vorliegt. 64 Auflagen oder Beschränkungen, zu deren Einhaltung sich die Zusammenschlusswerber gegenüber den Amtsparteien verpflichtet haben 316
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(Verpflichtungszusagen nach § 17 Abs 2) können generell nicht durch eine Beschluss des KartGer abgeändert oder aufgehoben werden. Es liegt dann ausschließlich an den Amtsparteien, ob nachträglich von der Bindung an die zugesagten Auflagen und/oder Beschränkungen abgesehen wird. Grundsätzlich werden Verpflichtungszugsagen aber keiner Rechtskraft teilhaftig.
VI. Nebenabreden zu Zusammenschlüssen Gewisse Vorgaben betreffend das Verhalten von an einem Zusammen- 65 schluss beteiligten Unternehmen können unverzichtbare Voraussetzung dafür sein, dass der Zusammenschluss Erfolg hat oder überhaupt stattfindet. Soweit etwa die Übertragung eines Unternehmens oder von Unternehmensteilen nicht dazu führt, dass der Veräußerer als Marktteilnehmer ausscheidet, hat sich der Erwerber dagegen abzusichern, dass der Veräußerer die vom Erwerber durch den Zusammenschluss – vielfach teuer – erlangte Marktstellung nicht durch die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit auf dem gleichen Markt in ihrem Wert beeinträchtigt (vgl Körber in Immenga/Mestmäcker, Art 8 FKVO Rn 19). Die Fusionskontrollverordnung der EU (FKVO) ist nach ihrem Erwä- 66 gungsgrund 21 auch in Fällen anwendbar, in denen die an einem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen sich Einschränkungen unterwerfen, die mit der Durchführung des Zusammenschlusses unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind. Die Bekanntmachung der Europäischen Kommission zu Vereinbarungen, die mit der Durchführung eines Zusammenschlusses verbunden und für diese notwendig sind, ABl 2005 C 56, präzisiert die Reichweite der entsprechenden Bestimmungen der FKVO (Art 6 Abs 1 lit b Satz 2; Art 8 Abs 1 Satz 2), um die Anwendung dieser Normen zu erleichtern und damit Rechtssicherheit zu schaffen. Mit Hilfe eines zweistufigen Tests ist festzustellen, ob die Vereinbarung mit dem Zusammenschluss „unmittelbar verbunden“ und für diesen notwendig ist (vgl Bekanntmachung, Rn 27 ff, sowie – für Gemeinschaftsunternehmen – Rn 42 f). Der EuGH hat erstmals in Sachen „Remia“ (EuGH, 11.7.1985 „Remia“, Slg 1985, 2545) entschieden, dass ein in einem Unternehmenskaufvertrag vereinbartes Wettbewerbsverbot zulasten des Verkäufers nicht unter das Kartellverbot fällt, wenn es in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht sachgerecht und verhältnismäßig ist (vgl Krauß in Langen/Bunte, § 1 GWB Rn 143). 317
§ 12 KartGGugerbauer 67 Die Bekanntmachung hat für Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten keine Bindungswirkung, sie bietet aber auch für die Zusammenschlusskontrolle nach dem KartG eine gewisse Orientierungshilfe. Sie kann also auch für die Beurteilung von Nebenabreden zu bei der BWB anzumeldenden Zusammenschlüssen als Interpretationshilfe herangezogen werden. Wenn der Zusammenschluss ohne gewisse Einschränkungen des Wettbewerbs gar nicht oder nicht in dieser Form zustande gekommen wäre, werden für einen Zusammenschluss als funktionsnotwendig angesehene – wettbewerbsbeschränkende – „Nebenabreden“ (ancillary restraints) von der Nichtuntersagung des Zusammenschlusses miterfasst und sind nicht gesondert nach den §§ 1 ff zu beurteilen. 68 Dass aus einer Nebenabrede resultierende Einschränkungen unmittelbar mit der Durchführung des Zusammenschlusses verbunden und für diesen notwendig sind, ist nur anzunehmen, wenn die Nebenabrede bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, die Umsetzung des Zusammenschlussvorhabens zu ermöglichen oder zu erleichtern. Darüber hinaus muss die durch die Nebenabrede bewirkte Wettbewerbsbeschränkung im Verhältnis zum Zusammenschluss untergeordnete Bedeutung haben (vgl Körber, aaO, Rn 38). 69 Bei Überprüfung der Zulässigkeit einer Nebenabrede ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten: Haben die an einem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mehrere Vereinbarungsvarianten zur Auswahl, haben sie diejenige umzusetzen, die den Wettbewerb objektiv am wenigsten einschränkt. Dabei sind die Art der Einschränkung, ihre Geltungsdauer und ihr sachlicher und räumlicher Geltungsbereich zu berücksichtigen. Soweit überschießende Wettbewerbsbeschränkungen in ihrem sachlichen, räumlichen und zeitlichen Anwendungsbereich trennbar sind, kann eine über eine zulässige Nebenabrede hinausgehende Wettbewerbsbeschränkungen gegen § 1 verstoßen. Ob dies der Fall ist, muss zunächst von den Zusammenschlusswerbern selbst überprüft werden. Sie tragen damit auch das Risiko einer Fehleinschätzung. Eine Prüfung oder gar gesonderte Entscheidung durch die BWB oder das KartGer ist dafür nicht vorgesehen (vgl Thomas in Immenga/Mestmäcker, § 36 GWB Rn 706). 70 In persönlicher Hinsicht sind befristete, Bezugs- oder Lieferpflichten begründende Nebenabreden sowohl zu Gunsten des Erwerbers, wie auch zu Gunsten des Veräußerers zulässig, in der Regel hat der Erwerber ein größeres Schutzinteresse (vgl Körber, aaO, Rn 84). Die Europä318
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ische Kommission sieht Wettbewerbsverbote, die den Erwerber binden und den Veräußerer begünstigen, nur in engen Grenzen als zulässige Nebenabreden an (Körber, aaO, Rn 58). Wettbewerbsbeschränkungen, die weder Nebenabreden zu einem Zu- 71 sammenschluss noch direkte Folge der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens sind, werden von der Nichtuntersagung des Zusammenschlusses nicht berührt. Für die Annahme einer Nebenabrede reicht es nicht aus, dass eine Vereinbarung bei der gleichen Gelegenheit oder zum gleichen Zeitpunkt wie der Zusammenschluss zustande gekommen ist (vgl Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 12; Körber, aaO, Rn 47).
A. Wettbewerbs- und Abwerbeverbote Die Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen wird 72 häufig von dem Veräußerer auferlegten Wettbewerbsverboten begleitet. Aber auch im Zusammenhang mit der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens werden regelmäßig die Gründer (gegenüber dem Gemeinschaftsunternehmen) treffende Wettbewerbsverbote fixiert: Die Gründer ziehen sich aus dem Geschäftsbereich, den sie in das Gemeinschaftsunternehmens einbringen, zurück und verpflichten sich, dieses nicht zu konkurrenzieren. Wettbewerbsverbote zu Lasten des Veräußerers eines Unternehmens 73 sind in der Regel für die Durchführung eines Zusammenschlusses notwendig und daher auch mit dem Zusammenschluss unmittelbar verbunden, ohne sie würde es nicht zur Übernahme des Unternehmens oder Unternehmensteils kommen. Sie sollen sicherstellen, dass der Erwerber den vollen Wert der übertragenen materiellen und immateriellen Vermögenswerte er- und behält. Dies betrifft vor allem Kundenstamm, Goodwill und Know-how des Veräußerers (vgl Bekanntmachung Nebenabreden Rn 18; Körber, aaO, Rn 48). Wettbewerbsverbote können insbes unter folgenden Voraussetzungen 74 verhältnismäßig sein: In der Regel wird eine Geltungsdauer des Wettbewerbsverbots von bis zu drei Jahren angemessen sein, wenn die Übertragung sich auf Goodwill, Kundenstamm und Know-how erstreckt. Ist kein Know-How miterfasst, müsste ein zweijähriges Wettbewerbsverbot ausreichend sein (vgl Körber, aaO, Rn 53). Längerfristige Verbote sind nur zulässig, wenn dies ausnahmsweise not319
§ 12 KartGGugerbauer wendig ist, etwa bei überdurchschnittlich hoher Kundenloyalität und langen Produktzyklen (vgl beispielsweise den Modellwechsel in der Kfz-Produktion und die durchschnittliche Behaltedauer von Neufahrzeugen) oder bei der Notwendigkeit, technische Kenntnisse über einen längeren Zeitraum vertraulich zu behandeln. Die absolut zulässige Höchstdauer für ein Wettbewerbsverbot wird aber mit fünf Jahren zu begrenzen sein. Nur bei Vertraulichkeitsvereinbarungen, hat die Europäische Kommission auch schon eine Dauer von zehn Jahren und sogar unbefristete Vereinbarungen akzeptiert (vgl Körber, aaO, Rn 54). 75 In Einzelfällen können auch Vereinbarungen ohne starre Befristung, in denen beispielsweise ein Wettbewerbsverbot für die Dauer der Beteiligung an einem Unternehmen oder für so lange, wie der Veräußerer noch Vertreter im Aufsichtsrat des veräußerten Unternehmens stellt, als zulässige Nebenabrede qualifiziert werden. Dem Veräußerer ist es in einem solchen Fall ja jederzeit möglich, ein Ende des Wettbewerbsverbots herbeizuführen (vgl Körber, aaO, Rn 55). 76 Grundsätzlich muss ein Wettbewerbsverbot auf das Gebiet beschränkt werden, in dem der Veräußerer die betreffenden Waren oder Dienstleistungen vor der Unternehmensübertragung absetzte bzw erbrachte. Gebiete, in denen der Veräußerer zuvor nicht präsent war, sind zulässigen Wettbewerbsverboten entzogen. Hatte der Veräußerer aber kurz vor der Unternehmensübertragung auf neuen geografischen Märkten Investitionen getätigt, um dort geschäftlich tätig zu werden, darf das Wettbewerbsverbot auf diese Gebiete erweitert werden (vgl Bekanntmachung, Rn 22). 77 Vor allem darf das Wettbewerbsverbot nur solche Waren oder Dienstleistungen betreffen, die das übertragene Unternehmen oder der übertragene Unternehmensteil produziert, anbietet oder nachfragt. Aber auch verbesserte Versionen, Nachfolgemodelle sowie in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befindliche aber noch nicht auf dem Markt eingeführte Erzeugnisse können einbezogen werden, ebenso Produkte, die mit den den Gegenstand der Geschäftstätigkeit des übertragenen Unternehmens bildenden Waren aus Nachfragersicht funktional austauschbar sind und daher iSd Bedarfsmarktkonzepts demselben sachlichen Markt angehören. Ein Wettbewerbsverbot, das sich auf Produktmärkte erstreckt, auf denen das übertragene Unternehmen nicht tätig war, die aber beispielsweise Gegenstand der Wirtschaftstätigkeit 320
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der beim Veräußerer verbliebenen Unternehmensteile sind, wäre dagegen als nicht zulässige Nebenabrede einzustufen (vgl Bekanntmachung, Rn 23; Körber, aaO, Rn 56). Unternehmenskaufverträge oder Verträge betreffend die Übernahme 78 von Gesellschaftsbeteiligungen sind Beispiele für Vereinbarungen, die kartellrechtsneutral sind und mit denen regelmäßig Wettbewerbsverbote verbunden sind: War der Kaufvertrag oder der Gesellschaftsvertrag aber kartellrechtlich „neutral“ und damit zur Nichtuntersagung geeignet, kann ein darin enthaltenes Wettbewerbsverbot kartellrechtlich nicht unzulässig sein, soweit es sachlich erforderlich ist, die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu sichern und zu erhalten oder die Übertragung des Unternehmens mit seinen Kundenbeziehungen auf den Erwerber zu ermöglichen, wenn es mit andern Worten nach Zeit, Ort und Gegenstand erforderlich ist, um den mit dem Zusammenschluss zugrunde liegende Vertrag verfolgten Zweck zu erreichen. Darüber hi nausgehende Wettbewerbsverbote (bzw darüber hinausgehende andere wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen) unterliegen dagegen dem Verbot des § 1 (vgl Krauß, aaO, Rn 144). Vielfach werden Abwerbeverbote, das sich auf den übernommenen 79 Kunden- und Mitarbeiterstamm beziehen, oder Klauseln, die das Recht des Veräußerers einschränken, strategisch bedeutende Anteile an einem Konkurrenzunternehmen der Zielgesellschaft zu erwerben, als Nebenabrede vereinbart. Für solche Beteiligungsverbote gibt es keine definitive Grenze. Eine Obergrenze für bloße Investitionsanteile im Bereich von 5% dürfte aber zulässig sein (vgl Körber, aaO, Rn 50). Beteiligungsverbote können aber jedenfalls dann nicht als notwendig eingestuft werden, wenn sie den Veräußerer auch daran hindern, Anteile allein zu Investitionszwecken zu erwerben oder zu halten, also ohne dass damit direkt oder indirekt Kontrolle über das betreffende Unternehmen verbunden wäre (vgl Bekanntmachung, Rn 25). Der Veräußerer kann sich selbst, seine Tochtergesellschaften, aber auch 80 seine Muttergesellschaft unter entsprechenden Voraussetzungen verpflichten, mit dem veräußerten Unternehmen oder Unternehmensteil nicht in Wettbewerb zu treten (vgl Körber, aaO, Rn 58). Die Verpflichtung, Dritten ähnliche Beschränkungen aufzuerlegen, ist dagegen keine zulässige Nebenabrede. Dies gilt insbesondere für Klauseln, die die Einfuhr- oder Ausfuhrmöglichkeiten für Wiederverkäufer oder Nutzungsberechtigte einschränken (Bekanntmachung, Rn 24), oder die die 321
§ 12 KartGGugerbauer eine Verpflichtung vorsehen, künftigen Käufern ein Wettbewerbsverbot aufzuerlegen (vgl Körber, aaO, Rn 59). 81 Kartellrechtlich zulässig kann ein Wettbewerbsverbot zulasten eines Verpächters sein, nicht im gleichen Bezirk oder gar in einem teilweise an den Pächter verpachteten Gebäude Konkurrenzgeschäfte zu betreiben, sofern es zur Verhinderung eines Abwerbens von Kunden des Pächters angemessen ist (vgl zum dt Recht OLG Naumburg, 15.9.2004, „Düngemittellagerung“, WuW/E DE-R 1426, 1427). 82 Die Wettbewerbsverbote können sowohl zulasten einer Muttergesellschaft (oder mehrerer Muttergesellschaften), wie auch zulasten des Gemeinschaftsunternehmens gehen. Ein die Muttergesellschaften (Gründer) bindendes Wettbewerbsverbot signalisiert den endgültigen Rückzug der Gründer vom Markt der neugeschaffenen Wirtschaftseinheit und ist insoweit einem Wettbewerbsverbot zulasten des Veräußerers eines Unternehmens vergleichbar. Es soll dem Gemeinschaftsunternehmen die Aneignung und gesicherte Nutzung des Know-How, des Goodwill und des Kundenstamms der Gründer ermöglichen. Gleichzeitig soll es die Interessen der einzelnen Gründer insoweit schützen, als verhindert wird, dass andere Gründer sich Know-How und andere Werte, die auf das Gemeinschaftsunternehmen übertragen oder von diesem geschaffen werden, für den eigenen Wettbewerb zunutze machen. Neben Wettbewerbsverboten, die alle kontrollierenden Muttergesellschaften gleichermaßen betreffen, gibt es auch solche, die nur eine Muttergesellschaft binden. Etwa dann, wenn einer der Gründer auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens tätig bleibt, sich dafür aber bestimmten Restriktionen unterwirft (vgl Körber, aaO, Rn 61). 83 Außer den unmittelbar an der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmen beteiligten Unternehmen können auch die mit den Muttergesellschaften verbundenen Unternehmen (Mutter-, Schwester- und Tochtergesellschaften der Gründer) dem Wettbewerbsverbot unterworfen werden, um dessen Umgehung zu verhindern. Bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch den Erwerb von Kapitalanteilen unter Ausschluss des Veräußerers kann dem Veräußerer ein (auf maximal fünf Jahre befristetes) Wettbewerbsverbot auferlegt werden. 84 Wettbewerbsverbote zulasten des Gemeinschaftsunternehmens stellen regelmäßig zulässige Nebenabreden dar. Es liegt ja ohnedies in der Hand der Gründer, den Tätigkeitsbereich der neugeschaffenen Wirtschaftsein322
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heit festzulegen, dies kann dann eben auch durch die Bindung des Gemeinschaftsunternehmens an Wettbewerbsverbote flankiert werden. So kann als Nebenabrede vereinbart werden, dass weder eine Muttergesellschaft noch das Gemeinschaftsunternehmen Know-How oder sonstige Informationen weitergeben bzw außerhalb des für das Gemeinschaftsunternehmen abgesteckten Tätigkeitsbereichs nutzen dürfen. Solche Klauseln, etwa Produktionsbeschränkungen, können unter Umständen aber bloß den Koordinierungsinteressen der Muttergesellschaften dienen, dann sind sie für die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens nicht notwendig und unterliegen dem Verbot des § 1.
B. Lizenzvereinbarungen Beim Erwerb eines Unternehmens oder Unternehmensteils werden in 85 der Regel auch die von diesem genutzten gewerblichen und kommerziellen Schutzrechte und sonstiges Know-How übertragen. Als Nebenabrede kommt die Gewährung einfacher oder ausschließlicher Lizenzen zur Verwertung von Patenten, verwandten Rechten oder Knowhow in Betracht. Auch Vereinbarungen über Lizenzen für Warenzeichen, Marken, Geschäftsbezeichnungen, Muster und Urheberrechte sowie verwandte Rechte können Nebenabreden zu einem Zusammenschluss sein. Solche Vermögenswerte sind häufig entscheidendes Motiv für den Erwerber, sie können für ihn von größerem Wert als gleichfalls akquiriertes Sachvermögen sein (vgl Körber, aaO, Rn 68). Der Abschluss von Lizenzvereinbarungen kann etwa dann notwendig 86 werden, wenn der Veräußerer des Zielunternehmens für die Tätigkeit dieses Unternehmens erforderliche Rechte an geistigem Eigentum und Know-how nicht mitüberträgt, weil er diese Rechte – losgelöst vom Zielunternehmen (und ohne das Zielunternehmen zu konkurrenzieren) – weiter selbst nutzen will. In solch einem Fall kann es sich aber auch als notwendig erweisen, dass der Erwerber eines Unternehmens, dem Rechte an geistigem Eigentum oder Know-how mitübertragen wurden, diese an den Veräußerer „rücklizenziert“. Lizenzen können einfach oder ausschließlich, befristet oder unbefristet erteilt werden. Eine räumliche Beschränkung auf das Gebiet, in dem die übertragene Geschäftstätigkeit ausgeübt wird, ist nicht erforderlich (vgl Bekanntmachung, Rn 28 f). Eine nur auf die Übertragung von Schutzrechten gerichtete Vereinba- 87 rung zwischen Veräußerer und Erwerber stellt keine Nebenabrede dar, 323
§ 12 KartGGugerbauer sie ist vielmehr integraler Bestandteil des Zusammenschlusses. Eine Vereinbarung, die lediglich den gesetzlich geregelten Inhalt des Schutzrechts wiedergibt und insoweit (deklaratorisch) der Sicherung seines Bestandes dient, bewirkt keine Wettbewerbsbeschränkung iSd § 1 und bedarf daher auch keiner Qualifizierung als Nebenabrede (vgl Körber, aaO, Rn 69).
C. Bezugs- und Lieferverpflichtungen 88 Durch die Veräußerung eines Unternehmens oder Unternehmensteils werden häufig gewachsene Liefer- und Bezugsbeziehungen unterbrochen, die vorher – insbesondere bei vertikal integrierten Unternehmen – bestanden. Für den Veräußerer kann dies nachteilig sein, wenn Lieferungen, die er für die Weiterführung der ihm verbleibenden Aktivitäten benötigt, ausbleiben. Umgekehrt kann es den Erwerber bzw das erworbene Unternehmen treffen, wenn in Folge der Unterbrechung der bisherigen Lieferströme Leistungen, insbesondere Zulieferungen, nicht mehr erbracht werden, die für die Aufnahme und Ausführung der Unternehmenstätigkeit erforderlich sind (vgl Körber, aaO, Rn 82). 89 Um das Herauslösen eines Unternehmens oder Unternehmensteils aus seiner bisherigen Wirtschaftseinheit unter zumutbaren Bedingungen zu ermöglichen, müssen an die Stelle der bisher innerhalb einer Wirtschaftseinheit abgewickelten Abläufe rechtlich abgesicherte Liefer- und Bezugsvereinbarungen zwischen Erwerber und Veräußerer treten (vgl Bekanntmachung, Rn 32 f). Die Begründung vertraglicher Liefer- und Bezugsverpflichtungen oder von Dienstleistungs- und Vertriebsvereinbarungen zwischen Erwerber und Veräußerer sind dann zumindest für eine Übergangszeit als zulässige Nebenabrede zu dem betreffenden Zusammenschluss anzusehen (vgl Körber, aaO, Rn 83). Bei Gemeinschaftsunternehmen können Liefer- und Bezugsvereinbarungen in der Startphase als funktionsnotwendig Nebenabreden dazu beitragen, dem Gemeinschaftsunternehmen vorläufig einen verlässlichen Zugang zu Ressourcen oder einen gesicherten Absatz zu verschaffen. 90 In zeitlicher Hinsicht sind Liefer- und Bezugsverpflichtungen auf den Zeitraum zu begrenzen, der erforderlich ist, um das Abhängigkeitsverhältnis durch neue Lieferbeziehungen mit Dritten zu ersetzen (vgl Bekanntmachung, Rn 33). Bezugs- und Lieferpflichten, mit denen sichergestellt werden soll, dass die zuvor bereitgestellten Mengen weiter ge324
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liefert werden, können für eine Übergangszeit von bis zu fünf Jahren gerechtfertigt sein (vgl Körber, aaO, Rn 85). Die Einräumung des Status eines Vorzugsabnehmers oder -lieferanten 91 ist in der Regel ebensowenig gerechtfertigt wie Alleinbezugs- und Alleinbelieferungspflichten. Eine Verpflichtung zur Lieferung oder zum Bezug fester Mengen in Verbindung mit einer Anpassungsklausel kann grundsätzlich als notwendige Nebenabreden eingestuft werden. Die Verpflichtung zur Lieferung bzw zum Bezug unbegrenzter Mengen dagegen nicht. Wenn die vereinbarte Liefermenge so hoch angesetzt wird, dass faktisch eine Ausschließlichkeitsbindung entsteht, kann die entsprechende Vereinbarung in der Regel nicht als zulässige Nebenabrede qualifiziert werden, weil die Verpflichtung zur Lieferung oder zum Bezug fester Mengen in Verbindung mit einer Anpassungsklausel als weniger wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen möglich ist (vgl Körber, aaO, Rn 86 f). Wenn Liefer- und Bezugspflichten oder Dienstleistungs- und Ver- 92 triebsvereinbarungen für die Durchführung eines Zusammenschlusses nicht wirklich notwendig sind, können solche Vereinbarungen jedenfalls in den Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen fallen und insoweit vom Kartellverbot ausgenommen sein.
D. Nebenabreden zu Gemeinschaftsunternehmen Die Nichtuntersagung eines Zusammenschlusses, insbesondere eines 93 Zusammenschlusses zu einem kooperativen Gemeinschaftsunternehmen, im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle bedeutet nicht, dass damit auch künftiges wettbewerbsbeschränkendes Verhalten der beteiligten Unternehmen freigestellt ist. Wettbewerbsverbote können auch im Zusammenhang mit der Grün- 94 dung von Gemeinschaftsunternehmen vereinbart werden (vgl 16 Ok 11/13). Solche Wettbewerbsverbote können unmittelbar mit der Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens verbunden und dafür notwendig sein, soweit sie den Wettbewerb zwischen Gemeinschaftsunternehmen und Muttergesellschaften beschränken (Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 36). Abwerbeverbote und Vertraulichkeitsvereinbarungen sind grundsätzlich gleichgestellt (vgl Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 41; Körber, aaO, Rn 60). 325
§ 13 KartGGugerbauer 95 Im Zusammenhang mit der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmen können vor allem Lizenzen der Gründer an das Gemeinschaftsunternehmen, gegebenenfalls des Gemeinschaftsunternehmen an einens der Gründer (zB in der Form einer „Rücklizenz“), nicht aber Lizenzvereinbarungen zwischen den Gründern selbst mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sein. 96 Nach der Verordnung (EG) Nr 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, Abl Nr L 1 vom 4.1.2003, S 1, steht es ausschließlich der Europäischen Kommission zu, die Voraussetzungen des Kartellverbots nach Artikel 101 AEUV festzustellen. Allerdings ermöglicht Art 5 letzter Satz der Verordnung Nr 1/2003 den Wettbewerbsbehörden der EUMitgliedstaaten zu entscheiden, dass „für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden“, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach den ihnen vorliegenden Informationen nicht gegeben sind. Von der damit eingeräumten Möglichkeit macht Abs 4, eingeschränkt auf mit Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens verbundene wettbewerbsbeschränkende Abreden, Gebrauch (ME KaWeRÄG 2017). 97 Es bleibt dem KartGer überlassen, ob es eine solche Entscheidung trifft, oder die Frage der kartellrechtlichen Zulässigkeit mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens verbundener wettbewerbsbeschränkender Abreden unbeantwortet lässt (ME KaWeRÄG 2017).
Prüfung von Medienzusammenschlüssen § 13. (1) Ein Medienzusammenschluss ist nach § 12 auch dann zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss die Medienvielfalt beeinträchtigt wird. § 12 Abs. 2 Z 2 gilt auch für diesen Fall. (2) Unter Medienvielfalt ist eine Vielfalt von selbständigen Medienunternehmen zu verstehen, die nicht im Sinne des § 7 miteinander verbunden sind und durch die eine Berichterstattung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Meinungen gewährleistet wird.
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer,
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Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 Wien (2014). Übersicht
Rn I. Medienmärkte....................................................................................... 1–38 II. Zeitungen/Zeitschriften (gedruckt).................................................. 3–19 A. Lesermarkt....................................................................................... 3–8 B. Anzeigenmarkt................................................................................ 9–16 C. Pressevertrieb................................................................................... 17–19 III. Buchmarkt............................................................................................ 20 IV. Rundfunkmarkt................................................................................... 21–22 A. Fernsehmarkt................................................................................... 23–26 B. Programmbeschaffung und -verwertung................................... 27–29 C. Internet............................................................................................. 30 D. Film-Kinomarkt.............................................................................. 36 E. Außenwerbung................................................................................ 37–38 F. Marktbeherrschung........................................................................ 39–42 V. Medienvielfalt ....................................................................................... 43–45 VI. Beeinträchtigung der Medienvielfalt................................................. 46–49
I. Medienmärkte Die kartellrechtliche Kontrolle von Medienzusammenschlüssen ver- 1 folgt zwei Ziele: den Erhalt des wirtschaftlichen Wettbewerbs und den Erhalt der Medienvielfalt. Daher kommt es neben der Überprüfung der Marktposition der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auch zur Überprüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Medienvielfalt. Ist zu erwarten, dass der Medienzusammenschluss zum Entstehen oder zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führt oder dass er die Medienvielfalt beeinträchtigt, ist er zu untersagen. In § 8 findet sich die Definition, unter welchen Voraussetzungen ein 2 Unternehmens-Zusammenschluss als Medienzusammenschluss zu qualifizieren ist. Medienunternehmen iSv § 8 Abs 1 Z 1 bzw Verlage iSv § 8 Abs 2 Z 1 produzieren eine Vielzahl unterschiedlicher Medien bzw Medienprodukte und bieten eine Vielzahl unterschiedlicher Mediendienstleistungen an, die vielfach nicht miteinander substituierbar sind. Um den Marktbeherrschungstest durchführen zu können, müssen zunächst die relevanten Märkte abgegrenzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Medienunternehmen einerseits Kunden gegenüber327
§ 13 KartGGugerbauer stehen, die den Medieninhalt konsumieren, also lesen (Printmedien, Internet-Portale), hören (Hörfunk, Tonträger), sehen (Fernsehen, Internet-Portale) oder nutzen (Web-Applikationen), andererseits Kunden, die in solchen Medien für ihre Produkte und/oder Dienstleistungen werben.
II. Zeitungen/Zeitschriften (gedruckt) A. Lesermarkt 3 Entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der Medienkonsumenten einerseits und der Werbewirtschaft andererseits ist bei Zeitungen und Zeitschriften zwischen dem Leser- und dem Anzeigenmarkt zu unterscheiden. Zwischen beiden bestehen enge Wechselbeziehungen (vgl 26 Kt 342, 369, 380 bis 383/00). Die Lesermärkte sind unter den Gesichtspunkten des Inhalts, der Erscheinungsweise (Tageszeitung, wöchentlich oder monatlich erscheinende Magazine) und der Vertriebsmethode abzugrenzen. Für „Presseerzeugnisse“, „Zeitungen und Zeitschriften“, ist die periodische Erscheinungsweise kennzeichnend. Tageszeitungen gehören einem anderen sachlich relevanten Markt an als Magazine, wobei sich Letzterer weiter unterteilt. Dazu gibt es einen eigenständigen Buchmarkt, der sich wiederum in Teilmärkte untergliedert. Sukzessiv erscheinende Sammelwerke (insb Lexika) sind Bücher ohne Rücksicht auf die äußere Aufmachung, nicht Zeitschriften. Das Gleiche gilt für (bebilderte) Kataloge, auch wenn diese mit einer gewissen Regelmäßigkeit erscheinen. 4 Bei den Tageszeitungen sind sog Boulevardzeitungen (die früher teilweise durch sog Kolporteure im Straßenverkauf vertrieben wurden) mit vielen Bildern und – in der Regel – kürzeren Berichten über Chronik (Unfälle, Kriminalfälle, Unwetter, usw.), Gesellschaft und Sport, und Tageszeitungen mit stärkerer Hintergrund-Berichterstattung (Politik, Wirtschaft, Kultur) voneinander abzugrenzen. Weiters ist zwischen überregionalen und regionalen Zeitungen („Bundesländerzeitungen“) zu unterscheiden, weil auch sie aus der Sicht der Leser nicht austauschbar sind. Überregionale Tageszeitungen zeichnen sich durch einen nationalen (bis internationalen) redaktionellen Schwerpunkt und Breite und Tiefe der Berichterstattung aus (26 Kt 132/04). Die Zeitschriften-Märkte sind entsprechend dem Bedarfsmarktkonzept vor allem nach Inhalt und Erscheinungsweise abzugrenzen. Dabei ist zunächst zwischen Publikumszeitschriften und Fachzeitschriften zu 328
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unterscheiden. Zeitschriften für ein enges Fachpublikum, zB wissenschaftliche Journale, liegen vielfach im Zeitschriftenhandel nicht auf Bei den Publikumszeitschriften ist zwischen einem „general interest“ und einem „special interest“-Segment zu unterscheiden, bei Letzterem wiederum zwischen unterschiedlichen Themen- und Leserkreisen. Es gibt eigene Märkte für Wirtschaftsmagazine, Automobilzeitschriften, Elternzeitschriften, Computerzeitschriften, Gourmet-Magazine, Golfzeitschriften, usw. Auch für wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazine, die sich in- 5 haltlich mit Politik (Schwerpunkt: österreichische Innenpolitik), Wirtschaft, Gesellschaft usw durch Hintergrundberichterstattung bzw Investigationsjournalismus befassen, gibt es einen eigenen Markt (26 Kt 342, 369, 380 bis 383/00). Ebenso für Fernsehprogrammzeitschriften, welche die empfangbaren Programme in- und ausländischer Fernsehanstalten beschreiben. Ob es nur einen einheitlichen Markt der Fernseh-Programmzeitschriften gibt (so LG Münschen 21.3.2006 „TV Digital“, WuW/E DE R 1708, 1714) oder ob der Markt noch weiter unterteilt werden muss zwischen Programmzeitschriften mit wöchentlicher, 14-tägiger Berichterstattung oder mit 4-wöchigen Programminformationen ist umstritten (so LG München, 7.4.2004 „TV-Digital“ – 33 O 5243/04; vgl auch Bunte in Langen/Bunte, Syst. III Medien, Rn 16). Tages- und Wochenzeitschriften, die ein Fernsehprogramm enthalten oder denen – in der Regel wöchentlich – eine Fernsehprogrammbeilage beigegeben wird, sind in diesen Markt aber nicht einzurechnen (4 Ob 26/99y). Sind ausschließlich bundesweit verbreitete Zeitschriften betroffen, erfasst der räumlich relevante Markt das gesamte Bundesgebiet (26 Kt 342, 369, 380 bis 383/00). So ist räumlich relevanter Markt für Fernsehprogrammzeitschriften Österreich (4 Ob 26/99y). Anzeigenblätter sind jedenfalls dann Presseerzeugnisse, wenn sie einen 6 redaktionellen Teil haben, ebenso wie – zum Teil – kostenlos an ein bestimmtes Fachpublikum verteilte Zeitschriften, da weder Qualität und Umfang des redaktionellen Teils noch Finanzierungsart geeignete Abgrenzungskriterien sind (stRspr, vgl zum deutschen Recht BGH, 16.02.1982 „Münchener Anzeigenblätter“, WuW/E BGH 1905 f; BVerfG, 29.08.1983 „Münchener Anzeigenblätter“, WuW/E VG 307 f; BGH, 10.11.1987 „Singener Wochenblatt“, WuW/E VGH 2443, 2449). Die von Zentralredaktionen und/oder Kopfblättern zum unveränder- 7 ten Abdruck gelieferten Vorlagen für eine oder mehrere Zeitungsseiten 329
§ 13 KartGGugerbauer werden ebenso in den entsprechenden Markt einbezogen wie ausgedruckte Teile (Supplemente, zB beigelegte TV-Programme). Dies gilt bei einer am Normzweck orientierten Auslegung auch für die Zulieferung von Redaktionsmaterial durch Nachrichtenagenturen, Artikeldienste usw (BKartA, B 6 – 48/10 „ddp/AP“, Fallbericht vom 22.07.2010). 8 Die Marktanteile auf den Lesermärkten können nach der verkauften Auflage, nach der demoskopisch erhobenen Reichweite („Mitlesefaktor“) oder nach den Verkaufserlösen berechnet werden. Bei einer Berechnung nach Umsätzen werden nur die Presseumsätze selbst, nicht die sonstigen Umsätze, als weder Umsätze aus dem Vertrieb, noch solche aus dem Anzeigengeschäft (und schon gar nicht solche aus Werbung auf Internetportalen der Zeitungsverlage) berücksichtigt.
B. Anzeigenmarkt 9 Unter Berücksichtigung der Kriterien der Preislage, der Eigenschaften und des Verwendungszwecks der Waren oder Dienstleistungen ist davon auszugehen, dass im Bereich der Werbung jedes Werbemedium, das sich in seinen Eigenschaften signifikant von den anderen verfügbaren Werbemedien unterscheidet, einen eigenen sachlichen Markt bildet. Sohin bestehen eigenständige sachlich relevante Märkte insbesondere für Anzeigen in Printmedien (26 Kt 342, 369, 380 bis 383/00), für die Verteilung gedruckter Werbung (26 Kt 9, 10/01; 26 Kt 291/00), für Hörfunkwerbung (26 Kt 71/98), für Fernsehwerbung (Europäische Kommission 20.9.1995, M 553 – RTL / Veronica / Endemol) oder für Außenwerbung (Europäische Kommission 14.9.2001, M 2529 – JCD/ RCS / Publitransport / IPG; 26 Kt 16/03). 10 Anzeigen in Tageszeitungen bilden einen sachlich relevanten Markt (16 Ok 43/05). Der Marktanteil auf den Anzeigenmärkten wird nach Umsätzen berechnet. Unter Berücksichtigung des Hauptverbreitungsgebiets einer Tageszeitung kann der räumlich relevante Markt für Anzeigen in einer Tageszeitung mit Schwerpunkt in einem Bundesland mit dem Gebiet dieses Landes gleichgesetzt werden (16 Ok 43/05). Diese räumliche Abgrenzung berücksichtigt die redaktionelle Fokussierung aber auch den Umstand, dass die in einem Bundesland führende Tageszeitungen im Wesentlichen auch nur in diesem Bundesland vertrieben wird, wie auch, dass Werbungs-, Preissenkungsmaßnahmen auf dieses Bundesland beschränkt bleiben (vgl 16 Ok 6/00). 330
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Es besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Leser- 11 und Anzeigenmarkt (sog Leser-Anzeigen-Spirale). Anzeigenkunden einer Zeitung profitieren davon, wenn viele potentielle Kunden zum Leserkreis Zeitung zählen. Dementsprechend steigen die Aussichten der Herausgeber einer Zeitung, auf dem Anzeigenmarkt entsprechende Umsatzerlöse zu erzielen, parallel zur Zunahme der Leserschaft bzw der von den Werbekunden gewünschten Zielgruppe (vgl BKartA, 29.8.2008 „Intermedia / Health and Beauty“ – B6-52/08; Bunte, aaO, Rn 15). Da der Großteil der Anzeigenkunden in verschiedenen Printmedi- 12 en wirbt, kann bei verschiedenen Anzeigenmärkten eine fusionskon trollrechtlich vom Lesermarkt unabhängige Wertung geboten sein (vgl Bunte, aaO, Rn 15). Insbesondere bei Zeitschriften ist der Anzeigenmarkt tendenziell weiter zu fassen als der Lesermarkt, weil sich die Werbekunden bei der Schaltung von Anzeigen vielfach nicht auf eine Zeitschriftenkategorie beschränken (vgl BkartA, 2.8.2004 „Gruner & Jahr“ – B6-26/04, S 26). Allerdings ist zu beachten, dass im Wesentlichen der Leserkreis, der von der Thematik der Zeitschrift abhängt, die Eignung als Werbeträger vorgibt. Der Werbende will ja einen bestimmten Personenkreis erreichen, teilweise auch das Image einer Zeitschrift für sein Produkt oder seine Dienstleistung nutzen (vgl Bunte, aaO, Rn 17). In die Anzeigenmärkte für Tageszeitungen können Anzeigenblätter 13 einbezogen werden, soweit sie Anzeigenbelegungseinheiten und Beilagenbelegungen anbieten, die mit denjenigen der Tageszeitungen im Wesentlichen deckungsgleich sind. Allerdings ist umstritten, ob auch auf deckungsgleiche Beilagenbelegung abzustellen ist (ablehnend insoweit OLG Düsseldorf, 22.12.2010 „Anzeigengemeinschaft“ WuW/E DE-R 3173, 3183: unterschiedliche Leistungen gegenüber unterschiedlichen Nachfragern; vgl Bunte, aaO, Rn 15). Auf dem Markt für nationale Anzeigenkampagnen können sich Gratiswochenzeitungen in einem nationalen Anzeigenverbund in einem gemeinsamen Markt mit nationalen Kauftageszeitungen (etwa der „Kronen Zeitung“) finden (vgl 26 Kt 8, 9/08). Die Durchschaltung einer bestimmten Werbeanzeige in – alle Bundesländer abdeckende – regionale Kauftageszeitungen ist vergleichsweise teurer und aufwändiger (vgl 26 Kt 8, 9/08). Es besteht somit ein Markt für Anzeigen in Kauf- und Gratiszeitungen, aber kein eigener Markt für Anzeigen in Gratiszeitungen (16 Ok 15/08). Der Markt für Anzeigen in Kauf- und Gratiszeitungen ist ein nationaler Markt (16 Ok 15/08). 331
§ 13 KartGGugerbauer 14 Für die größten Anzeigen-Kunden von Gratiszeitungen (zB Einzelhandelsketten) besteht durch Direktwerbung und Flugblätter eine gewisse Substitutionsmöglichkeit. Diese Möglichkeit, auf Direktwerbung und Flugblätter auszuweichen, steht jedoch nicht sämtlichen Kunden von Gratiszeitungen offen, da eine gewisse kritische Menge erforderlich ist, um die Druckkosten zu rechtfertigen (26 Kt 8, 9/08). Sogenannte Kundenzeitschriften, die kostenlos zur Verteilung gelangen, können zu denselben Anzeigenmärkten wie Kaufzeitschriften gehören. Es kommt aber stets auf das Verbreitungsgebiet bzw die Anzeigenbelegungsmöglichkeit und auch auf die Möglichkeit, gegebenenfalls in Kombination, den Markt zu erreichen, an (BKartA, 26.1.2006 „Süddeutscher Verlag / Lokalzeitung“, WuW/E DE-V 1191; vgl Bunte, aaO, Rn 18). 15 Die aggregierte Kundenstruktur (gemessen in Wirtschaftsbereichen) weicht zwar zwischen TV, Radio, Online, Außenwerbung, Kino und Gelbe Seiten einerseits und regionalen Wochenzeitungen andererseits stark ab, ist aber zwischen den Tageszeitungen und Supplements einerseits und den regionalen Wochenzeitungen andererseits ähnlich (26 Kt 8, 9/08). Auf dem Markt für regionale Anzeigenkampagnen (einschließlich nationale Kampagnen mit Regionalmutationen) sind Zeitungen aus Sicht der Anzeigenkunden unabhängig von der Periodizität oder der Vertriebsform (Verkauf oder Gratisvertrieb) in einem großen Umfang austauschbar, wenn eine entsprechende regionale Ausgabe verfügbar ist (26 Kt 8, 9/08). Zum regionalen Anzeigenmarkt gehören daher neben den regionalen Tageszeitungen auch Anzeigenblätter, sofern sie im Wesentlichen deckungsgleiche Belegungseinheiten anbieten (OLG Düsseldorf, 22.12.2010 „Anzeigengemeinschaft“ WuW/E DE-R 3173, 3183), jedoch nicht reine Inseratenblätter und direkt verteilte Werbung, etwa Prospekte oder Flyer (zum dt Recht: Kammergericht, 4.3.1986 „Niederrheinsche Anzeigenblätter“, WuW/E OLG 3767, 3773). Sog Inseratenblätter und Kundenzeitungen (beispielsweise von Handelsunternehmen) sind lediglich unter dem Gesichtspunkt des Substitutionswettbewerbs zu berücksichtigen (vgl BGH, 26.5.1987 „Niederrheinsche Anzeigenblätter“, WuW/E BGH 2425, 2429 f; B unte, aaO, Rn 18). 16 Auf dem Markt für lokale Anzeigenkampagnen finden sich Gratiswochenzeitungen in einem gemeinsamen Markt mit anderen Gratiswochen- und Gratistageszeitungen mit einer Lokalausgabe. Eine SSNIPTest-Grenze aus Sicht der Gratiswochenzeitungen trennt diese je332
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doch – mit ansteigender Distanz – von 1. Gratistageszeitungen ohne Bezirksausgaben; 2. Sponsoring, Gelben Seiten, Flugblättern und Außenwerbung; sowie 3. – im Hinblick auf hohe Streuverluste – Kauftageszeitungen und 4. Radio (26 Kt 8, 9/08).
C. Pressevertrieb Gegenüber dem sachlich relevanten Markt des Pressegroßvertriebs ste- 17 hen andere Vertriebswege für Presseprodukte in keiner Substitutionsbeziehung und bilden daher in sachlicher Hinsicht eigene (wenn auch benachbarte) Märkte. Nicht einzurechnen in das Marktvolumen sind die Eigenleistungen der Verlage im Hinblick auf den Detailverkauf (26 Kt 132/04). Der räumlich relevante Markt für den Pressegroßvertrieb ist mit dem Bundesgebiet gleichzusetzen (26 Kt 132/04). Die Hauszustellung von Tageszeitungen bildet nach dem Bedarfs- 18 marktkonzept einen eigenen sachlich relevanten Markt. Grundsätzlich ist auch die Zustellung von Wochen- und Monatszeitungen dem gleichen Dienstleistungsmarkt zuzurechnen (16 Ok 46/05). Räumlich relevanter Markt ist das österreichische Bundesgebiet (16 Ok 46/05). Die Dienstleistung der Verteilung gedruckter Werbung bildet einen ei- 19 genen sachlich relevanten Markt (16 Ok 3/01). Er ist, soweit es nicht bei Aktivitäten in einzelnen Städten oder Bundesländern bleibt, räumlich mit dem Gebiet der Republik Österreich abzugrenzen (16 Ok 9/04).
III. Buchmarkt Bücher für ein bestimmtes Fachgebiet, zB juristische Fachliteratur im 20 weiteren Sinn (Recht, Wirtschaft und Steuern) bilden einen je eigenen sachlich relevanten Markt (dabei kann es Teilmärkte für Fachbücher, Fachzeitschriften und elektronische Medien geben vgl 16 Ok 9/01). In Einzelfällen kann ein bestimmtes Buch allein einen eigenständigen Markt bilden, etwa das Kursbuch der ÖBB für den regionalen und überregionalen Bahnverkehr (vgl 16 Ok 1/12). Der räumlich relevante Markt kann je nach Fachgebiet (und dessen Internationalisierung) divergieren. So ist etwa im Gegensatz zu wissenschaftlichen medizinischen Fachpublikationen bei juristischer Fachliteratur der örtlich relevante Markt im Wesentlichen ein nationaler, österreichweiter Markt (16 Ok 9/01). 333
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IV. Rundfunkmarkt 21 Bei der Marktabgrenzung ist zwischen Hörfunk und Fernsehen zu unterscheiden (26 Kt 391/05). Die Art der Übertragung der Rundfunk signale kann zur weiteren Untergliederung in Teilmärkte führen: Der Übertragungsweg Terrestrik bildet sachlich einen eigenen Markt. Der räumlich relevante Markt für terrestrische Rundfunkübertragungen umfasst das ganze Bundesgebiet (26 Kt 391/05). Die Übertragung über Kabelnetz schafft einen eigenen Teilmarkt, soweit der Endkunde ein Entgelt für den Empfang der Sendungen bezahlt (vgl BKartA, 22.02.2002 „Liberty/Viola“, WuW/E DE-V 558 Rn 185). 22 Zu den Umsätzen im Rundfunk gehören einerseits für den öffentlichrechtlichen ORF Gebühren, andererseits Einnahmen aus Rundfunkwerbung, bei der Übertragung über Kabelnetze uU auch noch Entgeltsanteile. Dazu im weiteren Sinne auch die Erlöse von Unternehmen, die einzelne Sendungen oder Sendungsteile produzieren und vertreiben, sei es gegen Entgelt an Programmveranstalter oder (zB gegen die Nutzung von Werbezeiten) durch eigenverantwortliche Ausstrahlung. Erfasst werden auch Umsätze von Unternehmen, die – ohne selbst Programme anzubieten – ausschließlich Rundfunkwerbezeiten absetzen (vgl Bunte, aaO, Rn 12 ff).
A. Fernsehmarkt 23 Der Fernsehwerbemarkt bildet gegenüber dem Markt für Hörfunkwerbung sowie den Print- und Online-Anzeigenmärkten einen eigenen sachlich relevanten Markt (vgl BGH, 8.6.2010 „Springer/ProSiebenII“ WuW/E DE-R 3067, 3070; Bunte, aaO, Rn 23). Auf dem Fernsehwerbemarkt stehen sich die Veranstalter von Fernsehprogrammen (als Anbieter von Werbezeiten) und werbetreibende Unternehmen bzw Mediaagenturen gegenüber. Anbieter auf diesem Markt sind neben privaten Sendeanstalten, deren Programme frei empfangbar sind, und dem öffentlich-rechtlichen ORF auch Pay-TV-Sender. 24 Im frei empfangbaren Fernsehen gibt es nach der klassischen Marktdefinition keinen Fernsehzuschauermarkt, weil das Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt: Die frei empfangbaren Programme privater Sendeanstalten (sog Free-TV, etwa ATV, Puls4, Servus-TV, aber auch lokale Anbieter) finanzieren sich durch das Pro334
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gramm begleitende, in Blöcken ausgestrahlte Fernsehwerbung, während sich der öffentlich-rechtliche ORF zu einem erheblichen Teil aus Gebühren finanziert. Im werbefinanzierten Fernsehen nutzen die Zuschauer die Programme also unentgeltlich. Für das öffentlich-rechtliche Programm haben die Haushalte unabhängig davon ob, mit wie vielen Personen und wie intensiv sie das Programm nutzen, Gebühren zu entrichten. Dies selbst dann, wenn überhaupt keine TV-Sendungen oder nur TV-Sendungen von privaten Sendeanstalten konsumiert werden. Zwischen dem öffentlich-rechtlichen ORF und den privaten (Free-TV) Fernsehanstalten gibt es daher gegenüber den Zusehern auch keinen Preiswettbewerb (vgl BKartA, 19.1.2006, „Springer/ProSiebenSat.1“ WuW/E DE-V 1163, 1165 ff). Ein Austauschverhältnis wäre aber eine wesentliche Voraussetzung für einen Marktprozess (vgl BKartA, 19.1.2006 „Springer/ProSiebenSat.1“, WuW/E DE-V 1163, 1165 ff). Einen Fernsehzuschauermarkt im klassischen Sinn gibt es danach nur bei Pay-TV: Dort kann der Kunde seine Teilnahme (und damit seine Abo-Gebühr) auch wieder kündigen. Ungeachtet der Definition eines Fernsehzuschauermarktes gibt es im 25 freiempfangbaren Fernsehen einen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Zuseher, um einen größtmöglichen Zuschaueranteil, einen Wettstreit um „Einschaltquoten“, dessen Ergebnis sich auf dem Fernsehwerbemarkt auswirkt: Auch wenn es nach dem Entgelt-Maßstab keinen Fernsehzuschauermarkt gibt, bestimmen sich die Preise für Werbezeiten (nicht nur) in den Programmen der privaten Fernsehsender (sondern auch des ORF) maßgeblich nach den Einschaltquoten der entsprechenden Programme und ihrer Zuschaueranteile (vgl BGH, 8.6.2010 „Springer / ProSieben II“ WuW/E DE-R 3067). Zum Teil werden die Preise für Fernsehwerbung sogar nachverhandelt, etwa dann, wenn eine Sendung die erwartete Einschaltquote nicht erreicht (vgl Bunte, aaO, Rn 22). Der räumlich relevante Markt für Satellitenfernsehen überschreitet die 26 Grenzen Österreichs. Er ist wohl weniger mit dem EWR-Raum (so aber 26 Kt 391/05), als vielmehr mit einem bestimmten Sprachraum gleichzusetzen. Soweit auch ORF-Landesstudios Fernsehwerbung anbieten oder regionale bzw lokale Fernsehanstalten („Bezirks-TV“) werbefinanziert tätig sind, kann der Fernsehwerbemarkt räumlich in einen bundesweiten Fernsehmarkt und regionale Fernsehwerbemärkte unterteilt werden (vgl BKartA, 27.2.2002 „Berlin.de new media“, WuW/E DE-V 665, 668; Bunte, aaO, Rn 27). 335
§ 13 KartGGugerbauer B. Programmbeschaffung und -verwertung 27 Im Zusammenhang mit TV-Übertragungen bestimmter Veranstaltungen, insbesondere Sportveranstaltungen, sind die vorgelagerten Programmbeschaffungsmärkte von den nachgelagerten Programmverwertungsmärkten zu unterscheiden. Auf den Programmbeschaffungsmärkten verkaufen die originären Rechteinhaber (etwa ein Sportclub, ein Sportverband, eine Musikgruppe, ein Orchester, ein Theater) ihre Rechte direkt an TV-Sender oder an Zwischenhändler oder Mediendienstleister. Die Medienrechte für bestimmte Ereignisse, insbesondere große Sportereignisse, sind als je gesonderte Märkte anzusehen. Mit Hilfe der erworbenen Fernsehrechte konkurrieren ORF, Free-TV-Sender und Pay-TV-Sender um Werbekunden und die Pay-TV-Sender auch um Abonnementen (vgl Bunte, aaO, Rn 24). 28 Sowohl der Programmbeschaffungs-, wie auch der Programmverwertungsmarkt kann in eigenständige Märkte für das frei empfangbare Fernsehen und für das Pay-TV unterteilt werden (vgl Kommission, 30.3.2006 „CVC/SLEC“, COMP/M. 4066, Rn 31). Etwa getrennte Märkte für Fernsehrechte an Sportveranstaltungen (vgl Kommission, 7.10.1996 „Bertelsmann CLT“, ABl 1999 C 364/3, Rn 18). Die Europäische Kommission entwickelt immer engere Marktdefinitionen für separate Produktmärkte, zB für Fernsehrechte an einigen großen, meist internationalen Sportveranstaltungen (vgl Bunte, aaO, Rn 13). 29 TV-Sendeanstalten beschaffen nicht nur Programme, sie treten auf einem (nachgelagerten) Markt für die Erteilung von Rechten an Fernsehprogrammen gegenüber Kabelnetzbetreibern, ITTV-Anbietern oder Satellitenbetreibern, die TV-Programme als – entgeltliche – Zusatzpakete an ihre Kunden vermarkten, auch als Anbieter auf (vgl BKartA, 27.12.2012 – B7 – 22/07, B7 – 34/10; Bunte, aaO, Rn 25).
C. Internet 30 Die Marktabgrenzung im sich rasch entwickelnden Medienbereich darf nicht statisch erfolgen, sondern muss sich aktuellen Marktentwicklungen anpassen. Über Smartphones und Tablets, bzw über Internet-Portale und „Apps“ von Zeitungsverlagen, aber auch über originäre WebApplikationen wie Twitter sind laufend aktualisierte Informationen praktisch jederzeit und an jedem Ort verfügbar, während Tageszeitungen im klassischen Papierformat einen zum Zeitpunkt des Redaktions336
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schlusses eingefrorenen Nachrichtenstand zeigen. Es ist daher offenkundig, dass zwischen den Printmedien und Informationsangeboten im Internet eine erhebliche Substitutionskonkurrenz besteht, die auch Wettbewerbsdruck ausübt. Das BKartA hat bereits im TB 2011/2012 auf die technisch und wirtschaftlich immer einfacher werdende Möglichkeit zur Loslösung medialer Inhalte von bestimmten Übertragungswegen hingewiesen. Die Europäische-Kommission hat erwogen, dass die Übermittlung von Nachrichten durch digitale Geräte wie Tablets oder E-Reader zum gleichen Markt wie Print- oder Online-Zeitungen gehören (EU-Kommission, 21.12.2010 „News Corp / BSkyD“ Fall-Nr COMP/M 5932, Rn 207 ff; Bunte, aaO, Rn 19). Die Digitalisierung zieht auch Überschneidungen zwischen dem Anzeigengeschäft der Tageszeitung und Online-Portalen nach sich (BKartA, TB 2011/2012, S 87), die Printausgaben von Tagszeitungen kämpfen mit schrumpfenden Leser- und Anzeigenmärkten (BGH, 19.06.2012 „Haller Tagblatt“, WuW/E DE-R 3695, Rn 42; Bunte, aaO, Rn 40). Internet-Portale ersetzen zunehmend sowohl die Printausgaben von 31 Zeitungen wie auch Rubrik-Anzeigen in den Zeitungen (vgl BKartA, TB 2007/2008, S 71: allenfalls Substitutionswettbewerb). Angesichts dieses zunehmenden Wettbewerbsdrucks ist davon auszugehen, dass der von digitalen Medien ausgehende Substitutionswettbewerb in vollem Umfang zu berücksichtigen ist (vgl OLG München, 28.4.2005 „Apothekenumschau“, WuW/E DE-R 1527, 1529, mit Hinweis auf die Bedeutung der Sicht der sog Media-Planer; Bunte, aaO, Rn 20). Aber auch zwischen den Programmzeitschriften und kostenlosen TV- 32 Supplements und Internetangeboten besteht auf dem Lesermarkt ein erheblicher Substitutionswettbewerb (BKartA, 30.3.2010 „Roth + Horsch“ – B6 – 98/09, Tz 74). Elektronische Programmführer und Printmedien erbringen wechselseitig substituierbare Leistungen, soweit es um die Überlassung von Programminformationen geht (vgl BGH, 27.03.2012 „Elektronischer Programmführer“ WuW/E DER 3657, 3661, Tz 33). Der Besitz von Schlüsseltechnologien kann genutzt werden, um andere 33 Unternehmen dauerhaft vom Wettbewerb auszuschließen. Bei Mediendiensten (zB Internetprovidern) kann eine Verknüpfung von Marktmacht bei Inhalten und Vertrieb zu kartellrechtlichen Problemen führen (vgl Kommission, 11.10.2000 „AOL/Time Warner“ COMP/M. 1845). Etwa bei einem Zusammenwachsen von Netzwerkbetreibern 337
§ 13 KartGGugerbauer und Anbietern von Inhalten. Netzbetreiber wie die Telekom entwickeln sich zu Rundfunkveranstaltern, wenn sie vermehrt auf eine vertikale Integration von Fernsehen, Internet und Telefonie über eine Leitung setzen. Fernsehempfang ist inzwischen über verschiedene Medien möglich. Die beteiligten Unternehmen können solche Bedenken nur ausräumen, wenn sie sich zu einer wirksamen Marktöffnung (zB Offenlegung von Schnittstellen) verpflichten (vgl Käseberg in Langen/ Bunte, Art 2 FKVO Rn 322). Die Europäische Kommission hat zB den Kabelzugang im Pay-TV Bereich oder die Decodertechnik als kritisch angesehen und deshalb die Genehmigung eines Zusammenschlusses davon abhängig gemacht, dass die Märkte ausreichend lange und intensiv für Wettbewerb offengehalten werden (Kommission, 9.11.1994 „MSG Media Service“ ABl 1994 L 364/1; 27.5.1998 „Bertelsmann/Kirc/Premiere“, ABl 1999 L 53/1; 13.10.2000 „Vivendi/Canal+/Seagram“, SOMP/M.2050; Käseberg, aaO, Rn 322). 34 Die Gründung einer Plattform (eines Gemeinschaftsunternehmens) für den gemeinsamen Vertrieb von Videos (Video on demand) kann eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Fernsehwerbung verstärken und zu Beschränkungen insbesondere des Preisund Mengenwettbewerbs führen (vgl BKartA, TB 2011/2012, S 91f; Bunte, aaO, Rn 26). Die zu erwartende Koordinierung geschäftlicher Interessen über das Gemeinschaftsunternehmen kann darüber hinaus einen Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen darstellen. Positive Auswirkungen sind nur bei einer offenen, rein technischen Plattform zu erwarten, die Vorteile durch erhöhte Reichweite für Video-On-Demand-Angebote und die einfachere Navigation durch die Inhalte wiegen dann noch bestehenden Nachteile für den Wettbewerb auf. Bei einer Beschränkung des Zugangs auf Fernsehsender hätte eine derartige Plattform den Effekt, die bestehenden Verhältnisse auf dem Fernsehwerbemarkt und auf das Segment der Video-Werbung mit Online-Video-Inhalten zu übertragen (vgl OLG Düsseldorf, 08.08.2012 – VI Kart 4/11 –; BKartA, 17.03.2011-B6-94/10-TB 2011/2012, S. 92; Bunte, aaO, Rn 35, 41). 35 Innen-Stream-Video-Werbung stellt über ihre Substitutionswirkung auf den Fernsehwerbemarkt hinaus einen eigenen Markt dar, der nicht einem breiteren Online-Video-Werbemarkt zuzuordnen ist (vgl BKartA, TB 2011/2012, S 92 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, 8.8.2012 „Video-On-Demand“ – VI Kart 4/11; Bunte, aaO, Rn 23). 338
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D. Film-/Kino-Markt Auf dem Markt für neue, erstmalig im Inland in die Kinos kommende 36 Filme stehen sich Filmverleiher (Medienhilfsunternehmen iSv § 8 Abs 2 Z 5) und Kinounternehmer gegenüber. Bei Kinofilmen sind nicht die Präferenzen der Endverbraucher, sondern ist die Einschätzung der Kinobetreiber entscheidend. Deren Beurteilung wird allerdings von der Einschätzung der jeweils relevanten Zielgruppe der Kinobesucher geprägt (16 Ok 5/02). Je nach der vom Verleiher vorab vorgenommenen Erfolgseinstufung des Films, bestehen Teilmärkte, welche sich in der Zahl der in Umlauf gesetzten Startkopien niederschlagen: Erfolgversprechende Filme („Blockbuster“), ein das breitere Publikum ansprechendes Mittelsegment mit Produktionen unterschiedlichster Herkunft und aller Genres, sowie qualitativ hochwertige Kunst- oder Nischenfilme, wobei für jeden dieser Teilmärkte eine bestimmte Anzahl von Startkopien festgelegt wird (16 Ok 20/04). Bei einem besonders erfolgversprechenden Film („Blockbuster“) handelt es sich um einen eigenen Markt (16 Ok 6/08).
E. Außenwerbung Außenwerbung bildet einen eignen sachlich relevanten Markt (26 Kt 37 358/04). Aufgrund der unterschiedlichen Qualitäten der Dienstleistungen „Plakatieren“ (nur eigene Flächen) und „Streuen“ (auch Zukauf „fremder“ Flächen) ist eine Aufspaltung des Markts für Außenwerbung in weitere Marktsegmente denkbar (vgl 26 Kt 16/03). Aber auch elektronische billboards sind in den Markt für Außenwerbung einzubeziehen. In räumlicher Hinsicht sind mehrere Märkte für Außenwerbung zu un- 38 terscheiden: Einerseits der „nationale“ Markt, der das Zielgebiet für bundesweite Werbe-Kampagnen umfasst. Dieser nationale Markt ist nicht exakt mit dem Bundesgebiet, sondern mit jenen Ballungsgebieten deckungsgleich, die in solche Kampagnen üblicherweise einbezogen werden. Darüber hinaus gibt es mehrere „regionale“, im Wesentlichen mit den Einzugsgebieten größerer Städte gleichzusetzende, und viele „lokale“, auf noch kleinere Gebiete, etwa auf Gemeindegebiete, beschränkte Märkte (26 Kt 16/03; 26 Kt 358/04). Soweit Werbeflächen (nur) auf in einer bestimmten Stadt eingesetzten Straßenbahngarnituren vergeben werden, ergibt sich daraus die örtliche Abgrenzung des rele339
§ 13 KartGGugerbauer vanten Marktes (4 Ob 146/93). Die wirtschaftliche Bedeutung des „nationalen“ Markts überragt jene der kleineren Märkte bei weitem (26 Kt 16/03).
F. Marktbeherrschung 39 Für die Fusionskontrolle ist die Marktstärke der beteiligten Unternehmen zentrales Kriterium. Die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung geht inhaltlich mit einer marktstrukturellen Verschlechterung einher. Die beteiligten Unternehmen sollen aber durch die beabsichtigte Fusion keine vom Wettbewerb unkontrollierten Verhaltensspielräume gewinnen oder vergrößern (vgl zum Medienbereich BKartA, 30.03.2010 „Roth + Horsch“ – B6 – 98/09). Entscheidend ist eine Prognose der Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens und dessen Einschätzung durch die Marktgegenseite, etwa die Anzeigenkunden (16 Ok 15/08). 40 Im Medienbereich ist insbesondere auf den verlegerischen und finanziellen Rückhalt, der zur Abschreckung von Wettbewerbern führen kann, abzustellen. So können sich aus einer Summierung von Zeitschriftentiteln bei der Herstellung, beim Druck und Vertrieb Synergieeffekte ergeben, welche zu Kostenvorteilen führen; wenn dann die Wettbewerber nicht über vergleichbare Möglichkeiten verfügen, kann sich die Marktstruktur erheblich verschlechtern (vgl BKartA, 22.08.2001 „SV-C Verwaltung GmbH / WEKA“-B6-56/01; Bunte, aaO, Rn 31). Eine Fusion von Zeitungsverlagen, die in ihren räumlich unmittelbar benachbarten Verbreitungsgebieten jeweils marktbeherrschend sind, würde jede Option auf künftigen Wettbewerb (durch verlegerische Aktivitäten auch im benachbarten Gebiet) beseitigen; der Wegfall potentiellen Wettbewerbs würde die bereits bestehende marktbeherrschenden Stellungen verstärken (vgl Bunte, aaO, Rn 40). 41 Insb bei (konglomeraten) Zusammenschlüssen von Unternehmen, die auf verschiedenen Märkten tätig sind, sind sog cross-mediale, also marktübergreifende Effekte zu berücksichtigen. Klassisches Beispiel hierfür ist die Beteiligung von Presseunternehmen an Rundfunk- und Fernsehveranstaltern. Solche intermediale Verflechtungen sind für die beteiligten Unternehmen mit erheblichen Vorteilen verbunden. Vor allem mit einer Optimierung der Wertschöpfungskette von der Recherche, dem Interview, der Foto- und Filmaufnahme, der Strukturierung und dem Rechteerwerb, Kommentierung bis zur Vermarktung auf ver340
Prüfung von Medienzusammenschlüssen
§ 13 KartG
schiedenen Plattformen. Verbundvorteile ermöglichen die Erzielung von Synergieeffekten. Die Beteiligten können auch wechselseitig Werbung für die Angebote des anderen Zusammenschlussbeteiligten betreiben. Externen Werbekunden können für verschiedene Medien Kampagnen aus einer Hand angeboten werden. Selbst geringe crossmediale Effekte können zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen (vgl BKartA, TB 2007/2008, S 19; Bunte, aaO, Rn 32). Selbst dann, wenn konglomerate Fusionen auf den betroffenen Einzelmärkten weder zu einer Marktanteilsaddition führen noch Abschottungsstrategien ermöglichen, können sie eine marktbeherrschende Stellung auf den Werbemärkten verstärken (Bunte, aaO, Rn 34). Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit eines Medienunternehmens auf 42 eine vor- oder nachgelagerte Wirtschaftsstufe (etwa eines Verlages auf die Wirtschaftsstufe eines Pressegroßhändlers) ist grundsätzlich geeignet, wirtschaftliche Macht zu vergrößern (26 Kt 132/04). Angesichts der Digitalisierung der Medienmärkte und des geänderten Mediennutzungsverhaltens ist im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren für die Pressevielfalt eine betriebswirtschaftliche Zusammenarbeit von Verlagen unterhalb der redaktionellen Ebene heute aber wohl anders zu beurteilen als noch vor zwanzig Jahren. Kooperationen, etwa bei Druck und Vertrieb (Hauszustellung, Befüllung von Entnahmetaschen an Sonn- und Feiertagen, etc) haben große Bedeutung. Dafür kann es Freistellungsgründe geben (vgl § 2 Abs 2 Z 2). Bei einer Stellenanzeigenkombination mehrerer Zeitungsverlage kann die Zusammenarbeit zu einer Verbesserung und Verbreitung des Dienstleistungsangebotes auf dem Markt für nationale Stellenanzeigen führen (vgl Bunte, aaO, Rn 38).
V. Medienvielfalt Unter „Berichterstattung unter Berücksichtigung unterschiedlicher 43 Meinungen“ (§ 13 Abs 2) ist journalistische Meinungsvielfalt gemeint. Solch publizistische Vielfalt leistet einen wesentlichen Beitrag für den demokratischen Willensbildungsprozess (vgl 26 Kt 8, 9/08). Das Gesetz knüpft bei der Definition des Begriffs „Medienvielfalt“ an die sogenannte Außenpluralität an (26 Kt 132/04): Im Lichte von Art 10 MRK ist neben einer Vielfalt von diverisfizierten Informationsquellen, also nach ihrer Tendenz und politisch-gesellschaftlichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen, auch eine Vielfalt von 341
§ 13 KartGGugerbauer Medienunternehmen, die nicht iSv § 7 miteinander verbunden sind, zu erhalten (vgl 26 Kt 8, 9/08). Eine gewisse redaktionelle Selbständigkeit (etwa über ein Redaktionsstatut) alleine würde noch keine Medienvielfalt sicherstellen (26 Kt 342, 369, 381, 382 und 383/00). 44 Medienvielfalt gilt nicht nur im Zusammenschluss-Kontrollverfahren nach dem KartG als schutzwürdig: Gem Art 21 Abs 4 FKVO könne die Mitgliedstaaten der EU geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, welche in der FKVO berücksichtigt werden. Als berechtigtes Interesse gilt dabei auch das Interesse an Medienvielfalt. Bei einem Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung, der die Medienvielfalt in Österreich berührt, ist zusätzlich zur Genehmigung durch die Europäische Kommission eine Freigabe durch die österr Wettbewerbsbehörden erforderlich. Diese haben sich bei ihrer Prüfung aber auf Aspekte der Medienvielfalt zu beschränken. Großbritannien hat als EU-Mitgliedstaat im Rahmen eines bei der Europäischen Kommission anhängigen Fusionskontrollverfahrens solche Interessen (hinsichtlich der Medienvielfalt) geltend gemacht, sie wurden von der Kommission anerkannt (14.3.1994 „Newspaper Publishing“, WuW/E EV 2185). 45 Beim Prüfungsmaßstab ist eine Gewichtung geboten: Beispielsweise sind auch TV-Magazine Teil der Medienvielfalt, aber sie sind für den Meinungspluralismus wahrscheinlich nicht gleich relevant wie etwa Nachrichtenmagazine (vgl 16 Ok 2/02). Der Markt für juristische Fachmedien ist, was seine Vielfalt betrifft, wohl weniger empfindlich als der Markt für Medien wahlwerbender Gruppierungen, die für unterschiedliche gesellschaftspolitische oder soziale Modelle stehen (vgl 16 Ok 9/01). Andererseits wäre wohl auch eine Gratis(wochen)zeitung im Hinblick auf einen als redaktionell einzustufenden Blattteil als Schutzobjekt des § 13 KartG anzusehen (26 Kt 8, 9/08).
VI. Beeinträchtigung der Medienvielfalt 46 Medienvielfalt bringt sich zwar auf dem Lesermarkt zum Ausdruck, für die Prüfung, ob Medienvielfalt beeinträchtigt ist, ist Marktbeherrschung und damit die genaue Abgrenzung der sachlich und örtlich relevanten Märkte aber nicht entscheidend (26 Kt 8, 9/08). 47 Zusammenschlüsse können – ungeachtet des Marktanteils der beteiligten Unternehmen – durch eine Reduzierung der Titel von Verlagen 342
Prüfung von Medienzusammenschlüssen
§ 13 KartG
oder durch das Zusammenlegen von Redaktionen zu einer Beeinträchtigung der Medienvielfalt führen. Sind die Auswirkungen auf die Medienvielfalt spürbar, weil durch einen geplanten Zusammenschluss etwa Titel zum Verschwinden oder Medienunternehmen aus dem Markt gedrängt gebracht werden (vgl 26 Kt 8, 9/08), muss dies zur Untersagung des Zusammenschlusses führen (26 Kt 132/04) soweit die Beeinträchtigung der Medienvielfalt nicht durch geeignete Auflagen aufgehoben werden kann (26 Kt 391/05). Bei einem Anteilserwerb ist nicht nur der erstmalige Erwerb einer Beteiligung von mindestens 25% bezüglich der zu erwartenden Auswirkungen auf die Medienvielfalt zu prüfen, sondern auch eine Erhöhung der Beteiligung auf mindestens 50 %. Liegen keine Anhaltspunkte für das Einstellen von (auch nur lokalen) Printmedien oder für einen Marktaustritt von Mitbewerbern vor, sind die Untersagungsvoraussetzungen des § 13 Abs 1 nicht gegeben (16 Ok 15/08). Effizienzgewinne und Synergieeffekte, die für den Fortbestand von 48 Pressetiteln und damit von Konkurrenzprodukten sorgen, könnten zwar zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen führen (vgl BKartA, Leidfaden z. Marktbeherrschung, Tz 188), nach § 13 Abs 1 ist jedoch § 12 Abs 2 Z 1 nicht zu berücksichtigen. Ist dagegen ein Zusammenschluss zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit notwendig und volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist (vgl § 12 Abs 2 Z 2), führt dies selbst bei einer Beeinträchtigung der Medienvielfalt zur Nichtuntersagung. Auch ein Zusammenschluss von anderen Unternehmen als Medienun- 49 ternehmen iSv § 8 Abs 1 Z 1 (etwa Medienhilfsunternehmen) kann Auswirkungen auf die Medienvielfalt nach sich ziehen. Der Begriff des Medienunternehmens iSv § 13 Abs 2 ist daher weit auszulegen, er erfasst auch Mediendienste (§ 8 Abs 1 Z 1), Medienhilfsunternehmen (§ 8 Abs 1 Z 2) und an Medienunternehmen, Mediendiensten oder Medienhilfsunternehmen iSv § 8 Abs 1 Z 3 beteiligte Unternehmen. Der Pressegroßvertrieb mit Remissionsrechten der den Verlagen nachgeordneten Vertriebsstufen ist für die Verfügbarkeit vielfältiger Medienprodukte an den Verkaufsstellen und daher auch für die Medienvielfalt von besonderer Bedeutung. Vorraussetzung für das Funktionieren dieses Vertriebssystems ist die strikte Neutralität des Grossisten (26 Kt 132/04). Eine Gefahr für die Medienvielfalt kann sich grundsätzlich bei jeder nicht ganz unerheblichen Verengung von Vertriebswegen für Presseprodukte ergeben (26 Kt 132/04). 343
§ 14 KartGGugerbauer
Entscheidungsfristen § 14. (1) Das Kartellgericht darf den Zusammenschluss nur binnen fünf Monaten nach dem Einlangen des Prüfungsantrags bzw. des ersten von zwei Prüfungsanträgen untersagen. Diese Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn dies der Anmelder innerhalb der fünfmonatigen Frist gegenüber dem Kartellgericht begehrt. Nach Ablauf dieser Fristen und nach Zurückziehung des oder der Prüfungsanträge hat das Kartellgericht das Prüfungsverfahren einzustellen. (2) Über Rekurse gegen die Entscheidung des Kartellgerichts hat das Kartellobergericht binnen zwei Monaten nach dem Einlangen der Akten zu entscheiden. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 Ein Zusammenschluss kann nur innerhalb von fünf Monaten ab dem Einlagen des Prüfungsantrages einer Amtspartei (bzw des ersten von zwei Prüfungsanträgen) untersagt werden. Das KartGer muss eine (Untersagungs-)Entscheidung innerhalb dieser Frist erlassen, dies ist gemäß § 416 Abs 2 ZPO der Fall, wenn die schriftliche Abfassung des Beschlusses (in Urschrift) rechtzeitig an die Geschäftsstelle übergehen wird (16 Ok 10/01). Wurde vom KartGer ein Verbesserungsauftrag erteilt (§ 43 Abs 1), läuft die Entscheidungsfrist ab dem Einlangen der verbesserten Anmeldung. 2 Innerhalb der Fünf-Monats-Frist ist dem KartGer in der Regel eine hinreichende Prüfung der entscheidungsrelevanten Umstände möglich. Ein Begehren auf Verlängerung auf sechs Monate wird in der Regel dann gestellt werden, wenn die beteiligten Unternehmen den Versuch machen wollen, eine drohende Untersagung durch neue Stellungnahmen oder das Angebot von Verpflichtungszusagen abzuwenden. Die Fristverlängerung kann zur Klärung beitragen, ob wettbewerbliche Probleme eines Zusammenschlusses durch Auflagen gelöst werden können. 344
Entscheidungsfristen
§ 14 KartG
Die Fristen des § 14 Abs 1 sind Ausdruck des Beschleunigungsgebots 3 im Zusammenschlusskontrollverfahren. Dieses Bestimmung normiert nach ihrem klaren und unzweideutigen Wortlaut lediglich die Höchstdauer der dem KartGer für die Fällung der Entscheidung offenstehenden Frist, ordnet aber keineswegs eine bestimmte „Wartefrist“ an. § 414 Abs 2 ZPO sieht vor, dass ein Urteil zum Zeitpunkt der Verkündung bereits in vollständiger schriftlicher Fassung vorliegt. Das Verfahren außer Streitsachen erfordert keine abweichende Beurteilung. In Anbetracht der knappen Entscheidungsfristen im Fusionskontrollverfahren ist es in aller Regel unerlässlich, dass das KartGer mit der Abfassung des Entscheidungsentwurfs bereits vor Durchführung der letzten Tagsatzung beginnt. Dem KartGer steht die Entscheidungsbefugnis jedenfalls während der gesamten Dauer der Frist (und nicht erst in deren letzter Woche oder an deren letztem Tag) zu. Eine Entscheidung kann also auch vor dem letzten Tag der Entscheidungsfrist ergehen. Aus der Überschrift zu § 14 KartG („Entscheidungsfristen“) ergibt sich, dass es bei den in dieser Bestimmung genannten Zeiträumen von fünf bzw sechs Monaten um an das KartGer gerichtete Entscheidungsfristen handelt. Weil es sich um eine Entscheidungsfrist für das Gericht handelt, stehen die in § 14 KartG angeführten Zeiträume nicht zur Disposition der Verfahrensparteien (16 Ok 11/16b). Ist die Frist des § 14 Abs 1 abgelaufen, ohne dass der Zusammenschluss 4 untersagt worden wäre, hat das KartGer das Prüfungsverfahren durch Beschluss einzustellen. Das Durchführungsverbot fällt damit weg, die Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses muss nicht abgewartet werden (vgl § 17 Abs 1). Die Zurückziehung einer Anmeldung und eine spätere Neuanmeldung 5 in unveränderter Form ist keine Umgehung der Ausschlussfrist, sondern im Hinblick auf die Dispositionsfreiheit der Anmelder zulässig (zum dt Recht vgl BGH, 20.4.2010, KVR 1/09 „Phonak / GN Store“, WuW/E DE-R 2905, 2907). Das Ziel, mit der Rücknahme und Neuanmeldung unter Abänderung des Vorhabens oder mit Hilfe neuer Informationen eine Freigabe in der ersten Phase zu erreichen, stellt keine Umgehung des Gesetzes dar (vgl Kallfaß in Langen/Bunte, § 40 GWB, Rz 10). Im Fall einer Verweisung nach Art 9 Abs 1 FKVO beginnen die Fristen 6 mit dem Eingang der Verweisungsentscheidung bei der BWB, sofern 345
§ 15 KartGGugerbauer die erforderlichen Angaben in deutscher Sprache vorliegen und daher eine gesonderte Anmeldung nicht notwendig ist (vgl Kallfaß, aaO). 7 Die zweimonatige Entscheidungsfrist nach § 14 Abs 2 beginnt mit Einlangen der Akten zu laufen, dem KOG steht die voll Frist für die Bearbeitung des Rekurses zur Verfügung (ErläutRV zu den §§ 7 bis 19 KartG 2005). 8 Wird eine Entscheidung gemäß § 57 AußStrG durch Beschluss des KOG als Rekursgericht aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückgewiesen, beginnt die fünfmonatige Entscheidungsfrist mit Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichts an das Erstgericht neuerlich zu laufen (vgl 16 Ok 9/01).
Bekanntmachung von Entscheidungen § 15. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat den Spruch von Ent-
scheidungen, mit denen ein Zusammenschluss mit Beschränkungen oder Auflagen im Sinn des § 12 Abs. 3 nicht untersagt wird, nach deren Rechtskraft öffentlich bekanntzumachen.
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 Viele Zusammenschlüsse stossen wegen der Größe der beteiligten Unternehmen und den Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen auf einzelnen Märkten auf erhebliches öffentliches Interesse. Dies gilt insbesondere für die betroffenen Wirtschaftskreise (Wettbewerber, Lieferanten, Abnehmer). § 15 sichert die entsprechende Publizität und leistet damit einen Beitrag zu erhöhter Transparenz. Die Veröffentlichung soll nicht zuletzt ein „Monitoring“ der Einhaltung der Beschränkungen oder Auflagen durch dritte Marktteilnehmer ermöglichen. Die Bekanntmachung soll aber auch die Vorhersehbarkeit von Entscheidungen im Rahmen der Zusammenschluss-Kontrolle erleichtern. 2 Die BWB hat den Spruch solcher – rechtskräftiger – Entscheidungen zu veröffentlichen, durch die ein Zusammenschluss mit Beschränkungen 346
Nachträgliche Maßnahmen
§ 16 KartG
oder Auflagen iSd § 12 Abs 3 nicht untersagt wird. Veröffentlicht wird gem § 10b Abs 1 WettbG auf der Website der BWB (www.bwb.gv.at). Rechtskräftige Entscheidungen über Anträge auf Abstellung (§ 26), Feststellung (§ 28), Verhängung einer Geldbuße (§ 29), Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 12) und nachträgliche Maßnahmen (§ 16) sind durch Aufnahme in die Ediktsdatei (§ 89j GOG) zu veröffentlichen (www.ediktsdatei.justiz.gv.at), dies nach Maßgabe von § 37 Abs 1 unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung. Der (anonymisierte) Volltext rechtskräftiger Entscheidungen (auch jener, durch welche ein Zusammenschluss ohne Beschränkungen oder Auflagen nicht untersagt wird) kann, soweit diese entsprechend § 48a Abs 1 GOG veröffentlicht werden, über das Rechtsinformationssystem des Bundes (www.ris.bka.gv.at) abgerufen werden. In § 10b Abs 2 WettbG wird auf den Schutz von Geschäftsgeheimnis- 3 sen hingewiesen. Sind solche im Spruch der Entscheidung enthalten, hat vor Veröffentlichung des Spruchs eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen.
Nachträgliche Maßnahmen § 16. Nach der zulässigen Durchführung eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses kann das Kartellgericht den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmern unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachträglich Maßnahmen auftragen, durch die die Wirkungen des Zusammenschlusses abgeschwächt oder beseitigt werden, wenn 1. die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses bzw. der Verzicht auf einen Prüfungsantrag, die Unterlassung eines Prüfungsantrags oder die Zurückziehung eines Prüfungsantrags auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht, die von einem der beteiligten Unternehmen zu vertreten sind, oder 2. einer mit der Nichtuntersagung verbundenen Auflage zuwidergehandelt wird. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Ur-
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§ 16 KartGGugerbauer lesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Unrichtige oder unvollständige Angaben........................................ 2–5 II. Zuwiderhandlung gegen eine Auflage.............................................. 6–8 III. Nachträgliche Maßnahmen ............................................................... 9–14
1 Das KartGer kann den an einem anmeldebedürftigen Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nach der Nichtuntersagung des Zusammenschlusses nachträglich bestimmte Maßnahmen auftragen, durch die die Wirkung eines Zusammenschlusses abgeschwächt oder beseitigt werden. Dies dann, wenn die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses bzw der Verzicht auf einen Prüfungsantrag, die Unterlassung eines Prüfungsantrags oder die Zurückziehung eines Prüfungsantrags auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhen, die von einem beteiligten Unternehmen zu vertreten sind (Z 1). Oder wenn einer mit der Nichtuntersagung verbundenen Auflage zuwidergehandelt wird (Z 2; vgl 16 Ok 3/12).
I. Unrichtige oder unvollständige Angaben 2 Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 16 Z 1 ist, dass es zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn die beteiligten Unternehmen richtige und vollständige Angaben gemacht hätten. Dies betrifft die Ausführungen im Rahmen der Anmeldung, die Beweisurkunden, die der Anmeldung beigelegt waren oder von einem beteiligten Unternehmen im Rahmen des Prüfungsverfahrens vorgelegt wurden, das – ergänzende – Vorbringen beteiligter Unternehmen im Prüfungsverfahren und Aussagen von Organvertretern der beteiligten Unternehmen. 3 Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben muss von einem der beteiligten Unternehmen „zu vertreten“ sein, eines dieser Unternehmen muss dafür also verantwortlich sein. Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit muss für die Entscheidung des KartGer (bzw der Amtsparteien) zumindest mitursächlich geworden sein. Ein Verschulden ist nicht erforderlich (vgl Körber in Immenga/Mestmäcker, Art 8 FKVO, Rn 217). Eine irreführende Unvollständigkeit liegt etwa vor, wenn bestehende Beteiligungen an anderen Unternehmen, die für die 348
Nachträgliche Maßnahmen
§ 16 KartG
Beurteilung des Zusammenschlusses maßgeblich sind, verschwiegen wurden. Angaben einer Amtspartei oder von dritter Seite in das Verfahren ein- 4 gebrachte Angaben können nie zu nachträglichen Maßnahmen iSv § 16 führen. Unrichtige oder unvollständige Angaben, die zur Nichtuntersagung 5 des Zusammenschlusses führen, sind davon zu unterscheiden, dass ein anderer als der angemeldete (und nichtuntersagte) Zusammenschlusses durchgeführt wird. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn der Erwerb eines Anteils von 25% an einem anderen Unternehmen angemeldet wird, tatsächlich aber 50% erworben werden. In solch einem Fall liegt die verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses vor.
II. Zuwiderhandlung gegen eine Auflage Die Durchführung eines Zusammenschlusses ist mit der Verwirkli- 6 chung des Zusammenschlusstatbestandes, der Gegenstand von Anmeldung und Nichtuntersagung war, realisiert. Wenn eine Auflage, unter der ein Zusammenschluss nichtuntersagt wurde, zunächst eingehalten wurde, der Zusammenschluss also zunächst gesetzeskonform durchgeführt wurde, die beteiligten Unternehmen aber in der Folge einer mit der Nichtuntersagung verbundenen Auflage aktiv oder durch Unterlassen zuwidergehandelt haben, kommt die Anwendung von § 16 in Betracht. Ein schuldhaftes Handeln ist auch hier nicht erforderlich (vgl Körber, aaO, Rn 218). Wird von den beteiligten Unternehmen dagegen schon ab dem Beginn 7 der Durchführung gegen Auflagen verstoßen, ist dies als verbotene Durchführungshandlung iSv § 17 Abs 2 zu bewerten ist, es stehen Abhilfe- bzw Sanktionsmaßnahmen (vgl §§ 26, 29 Z 1 lit a) zur Verfügung, sogar strukturelle Maßnahmen bis hin zur Entflechtung können aufgetragen werden. Ein Verstoß gegen eine Beschränkung iSv § 12 Abs 3 wird von § 16 da- 8 gegen nicht erfasst. Durch eine Beschränkung wird ein angemeldeter Zusammenschluss ja nur teilweise freigegeben, ein Verstoß gegen die Beschränkung würde zu einer unzulässigen Durchführung des Zusammenschlusses führen. 349
§ 16 KartGGugerbauer
III. Nachträgliche Maßnahmen 9 Im Hinblick auf Z 1 kommt es darauf an, zu welchem Ergebnis die kartellgerichtliche Zusammenschlussprüfung auf der Basis richtiger und vollständiger Angaben gekommen wäre. Nachträgliche Maßnahmen sind auch dann erforderlich, wenn die Zuwiderhandlung gegen eine Auflage (Z 2) zu Wirkungen geführt hat, die alleine dadurch, dass die Auflage doch wieder eingehalten wird, nicht beseitigt werden können. Wenn die im Rahmen der Anmeldung oder des anschließenden Zusammenschluss-Kontrollverfahrens vorgenommenen unrichtigen Angaben mittlerweile – etwa aufgrund zwischenzeitlicher Änderungen der Marktverhältnisse – nicht mehr entscheidungserheblich sind und der Zusammenschluss deshalb auch ohne Auflagen genehmigungsfähig wäre, kann von nachträglichen Maßnahmen Abstand genommen werden (vgl Körber, aaO, Rn 219). 10 § 16 ermöglicht die Abschwächung oder Beseitigung der „Wirkungen“ des Zusammenschlusses. Das Gesetz definiert nicht, auf welche Wirkungen abgezielt wird. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist diese Bestimmung aber einschränkend zu interpretieren, es sind nur solche Wirkungen zu beseitigen oder abzuschwächen, die gerade durch die Zusammenschluss-Kontrolle verhindert werden sollen, nämlich das Entstehen oder die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. 11 § 16 definiert auch nicht, welche Maßnahmen den beteiligten Unternehmen aufgetragen werden können, damit die Wirkungen des Zusammenschlusses abgeschwächt bzw beseitigt werden. Es ist daher nach dem Umständen des Einzelfalls und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Ermessensentscheidung zu treffen („kann . . . unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit . . . auftragen“), welche Maßnahmen im Hinblick auf ihre Eignung zur Beseitigung bzw Abschwächung des Entstehens oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung in Frage kommen. Solche Maßnahmen können Beschränkungen oder Auflagen nach § 12 Abs 3 entsprechen. Schon die Abschwächung kann ausreichend sein, vor allem dann, wenn Maßnahmen zur Beseitigung der Wirkungen unverhältnismäßig wären. In der Regel werden aber solche Maßnahmen zu ergreifen sein, die die Wirkungen weitestgehend beseitigen. Vor der Entscheidung sind die beteiligten Unternehmen anzuhören (vgl Körber, aaO, Rn 219). 350
Nachträgliche Maßnahmen
§ 16 KartG
Wird die kartellgerichtlich aufgetragene nachträgliche Maßnahme nicht 12 umgesetzt, kann gem § 29 Z 1 lit b eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenem Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes verhängt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass schon die Nichtbeachtung von Auflagen als verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses nach § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 2 und unrichtige Angaben in der Anmeldung nach § 29 Z 2 lit b durch Geldbußen sanktioniert werden können. Sie können kumulativ verhängt werden. Um die Einhaltung des Auftrages durchzusetzen kann nach § 35 Abs 1 lit a ein Zwangsgeld bis zu einem Höchstbetrag von 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes vorgeschrieben werden. § 16 enthält keine ausdrückliche Regelung der Antragsberechtigung 13 (anders als etwa § 11 iVm § 36 Abs 2, der die Amtsparteien im Zusammenschlusskontrollverfahren zu einem Prüfungsantrag legitimiert). Das Antragsprinzip ist grundsätzlich in § 36 geregelt. § 36 Abs 4 bestimmt, dass „in allen anderen Fällen“ auch jeder Unternehmer, der ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat, zum Antrag berechtigt ist (vgl 16 Ok 3/12). Parteien des Zusammenschlussverfahrens sind aber nur die anmeldenden Unternehmen und die Amtsparteien. Dass im Zusammenhang mit einer Zusammenschlussanmeldung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden seien, kann daher in aller Regel von Verfahrensfremden, insbesondere Mitbewerbern, nicht geltend gemacht werden. Die Antragslegitimation ist auf die Amtsparteien beschränkt (16 Ok 3/12). In einem auf § 16 Z 1 gestützten Antrag ist konkretes Vorbringen ua 14 dazu zu erstatten, dass die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses bzw der Verzicht auf einen Prüfungsantrag bzw dessen Zurückziehung auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben der Anmelder beruhte. Bloße Vermutungen erfüllen die inhaltlichen Anforderungen an einen schlüssigen Antrag nicht (16 Ok 3/12). Eine Frist für die Entscheidung über nachträgliche Maßnahmen ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Amtsparteien innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntnis der Gründe eine nachträgliche Maßnahme beantragen müssen (vgl EuG 20.11.2002, Rs T-251/00 Tz 140 „Lagardère und Canal+“; Körber, aaO, Rn 221).
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§ 17 KartGGugerbauer
Durchführungsverbot § 17. (1) Ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss darf erst durchgeführt werden, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben. Wenn ein Prüfungsantrag gestellt worden ist, dürfen sie erst nach Einstellung des Prüfungsverfahrens oder nach Rechtskraft der Entscheidung durchgeführt werden, womit das Kartellgericht den Antrag zurückgewiesen oder den Zusammenschluss nicht untersagt hat. (2) Wenn ein Zusammenschluss mit Beschränkungen oder Auflagen im Sinn des § 12 Abs 3 nicht untersagt worden ist, ist die Durchführung des Zusammenschlusses anders als mit diesen Beschränkungen oder Auflagen verboten. Gleiches gilt, wenn sich die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmer gegenüber einer Amtspartei (§ 40) zur Einhaltung von Beschränkungen oder Auflagen verpflichtet haben, um die Unterlassung oder Zurückziehung eines Prüfungsantrags zu erreichen. (3) Verträge sind unwirksam, soweit sie dem Durchführungsverbot widersprechen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Durchführung eines Zusammenschlusses........................................ 2–7 II. Durchführungsverbot......................................................................... 8–15 III. Wegfall des Durchführungsverbots.................................................. 16–20
1 Das KartG schreibt nicht vor, zu welchem Zeitpunkt ein Unternehmens-Zusammenschluss angemeldet werden muss. Anmeldepflichtige Zusammenschlüsse dürfen allerdings erst nach ihrer Nichtuntersagung durchgeführt werden. Durch die präventive Fusionskontrolle soll erreicht werden, dass eine Störung des Wettbewerbs überhaupt nicht erst eintritt: Vor der abschließenden wettbewerbsrechtlichen Beurteilung 352
Durchführungsverbot
§ 17 KartG
dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die durch eine Untersagungsentscheidung ex post – wenn überhaupt – nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnten. Hat sich die Marktstruktur einmal spürbar verändert, ist nach internationalen Erfahrungen schon die einvernehmliche Auflösung eines bereits vollzogenen Zusammenschlusses kaum praktikabel, eine zwangsweise Entflechtung droht auf unüberwindbare Hindernisse zu stoßen. Infolgedessen sind alle einzelnen Durchführungshandlungen, nicht nur die abschließende Durchführung, verboten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn einzelne Durchführungshandlungen bereits für sich gesehen zur Durchführung führen.
I. Durchführung eines Zusammenschlusses Das KartG enthält keine Definition des Begriffs „Durchführung“. Der 2 Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags zum Erwerb von Unternehmensanteilen bzw Vermögenswerten ist keine Durchführungshandlung iSv § 17. Vor allem dann nicht, wenn die Verbindlichkeit des Vertrages von der aufschiebenden Bedingung der kartellrechtlichen Nichtuntersagung abhängig gemacht wird. Vielfach wird die Durchführung des Zusammenschlusses mit der sachenrechtlichen Übertragung der Anteile bzw Vermögensgegenstände zusammenfallen. Dabei ist hinsichtlich der Durchführung darauf abzustellen, wann von den erworbenen Rechten erstmals in einer die Wettbewerbsverhältnisse berührenden Weise Gebrauch gemacht wird (vgl etwa 29 Kt 52/13). Dies auch dann, wenn das Zielunternehmen für den Anmeldezeitraum durch eine gesonderte Vereinbarung gepachtet wird (25 Kt 257, 367/99). Der Abschluss des Pachtvertrags begründet einen Zusammenschluss, aber erst mit der tatsächlichen Ausübung der Geschäftsführungsbefugnisse in dem gepachteten Unternehmen erfolgt die Durchführung des Zusammenschlusses (vgl 25 Kt 257, 367/99). Faktische Handlungen zur Durchsetzung von Kontroll- oder Einfluss- 3 rechten in der Zielgesellschaft (und damit eine Durchführungshandlung) liegen etwa vor, wenn der (vorgesehene) Erwerber Betriebsteile der Zielgesellschaft, zB Verkaufsbüros, mit seinen zusammengelegt, Mitarbeiter der Zielgesellschaft bei sich anmeldet oder Agenturverträge mit Handelsvertretern schon vorab anpasst (vgl etwa 27 Kt 245/04). Auch die Veranlassung des unverzüglichen Abbaus von Arbeitnehmern 353
§ 17 KartGGugerbauer der Zielgesellschaft ist als Durchführungsmaßnahme anzusehen, weil das KartG die Möglichkeit einer vorläufigen Durchführung auch nur einzelner Teile des Zusammenschlusses (während des Anmeldezeitraums) nicht vorsieht (27 Kt 245/04). Personelle oder (sonstige) budget wirksame Maßnahmen können als Durchführungshandlung beurteilt werden (vgl 29 Kt 52/13). Die Ernennung eines von insgesamt drei Vorstandmitgliedern durch den Erwerber eines Unternehmens begründet aber in der Regel noch keine verbotene Durchführung; ebensowenig der vorläufige Erwerb einer nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligung von 24.9%, die im Rahmen des Zusammenschlusses auf 100% aufgestockt werden soll. 4 Es kann fraglich sein, ob sich das Verbot der Stimmrechtsausübung nur auf erworbene, oder auch auf bereits zuvor gehaltene Anteile erstreckt, wenn eine bloße „Stilllegung“ der erworbenen Anteile zu einer Verschiebung der Mehrheiten zu Gunsten des Erwerbers führt. Eine Erstreckung des Verbots ist zumindest dann angezeigt, wenn eine Nichtberücksichtigung der neuerworbenen Anteile zur Folge hat, dass der Erwerber mit seinen bereits gehaltenen Anteilen rein rechnerisch einen Zusammenschlusstatbestand verwirklicht (Kallfaß in Langen/Bunte, § 41 GWB, Rn 5). 5 In der Regel erfordert die Durchführung mehrere voneinander unabhängige Handlungen, rechtsgeschäftliche wie tatsächliche (von internen Anweisungen bis zu marktbezogenen Aktivitäten). Rechtsgeschäftliche Durchführungshandlungen sind vor der Nichtuntersagung eines Zusammenschlusses (schwebend) unwirksam (§ 17 Abs 3). Dies entspricht § 879 ABGB. Mit rechtskräftiger Nichtuntersagung des Zusammenschlusses durch das KartGer bzw – ungenütztem – Ablauf der vierwöchigen Frist zur Stellung eines Prüfungsantrags (allenfalls einem schon vorher abgegebenen Prüfungsverzicht der Amtsparteien) treten die betroffenen Verträge – mangels einer anderen Regelung – rückwirkend in Kraft. Bei Eintritt der Rechtskraft eines Untersagungsbeschlusses werden die Verträge endgültig nichtig. 6 Bloße Vorbereitungshandlungen und Kontrollmaßnahmen zur Absicherung des Erwerbs, die einen Wertverlust des Zielunternehmens verhindern sollen, sind schon vor der Nichtuntersagung des Zusammenschlusses zulässig. Eine Verpflichtung des Veräußerers, den Geschäftsbetrieb des Zielunternehmens bis zum Übergang auf den Erwerber wie bisher fortzuführen, verstößt ebenfalls nicht gegen § 17. 354
Durchführungsverbot
§ 17 KartG
Die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines anmeldepflichtigen aber nicht 7 angemeldeten Zusammenschlusses kann durch eine nachträgliche Anmeldung (und Nichtuntersagung) rückwirkend geheilt werden.
II. Durchführungsverbot Im Firmenbuch, Genossenschaftsregister und Grundbuch müssen die 8 Registerbeamten das Durchführungsverbot beachten, dürfen also eine Eintragung vor Wegfall des Durchführungsverbotes nicht vornehmen. Ein Antrag auf Eintragung eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses in das Firmenbuch vor Ablauf des Durchführungsverbotes ist als Durchführungshandlung anzusehen. Das Durchführungsverbot wird durch keine Legalausnahmen durch- 9 brochen, auch nicht für öffentliche Übernahmeangebote und Erwerbsvorgänge, die über die Börse unter Beteiligung einer Vielzahl von Verkäufern erfolgen (vgl dagegen Art 7 Abs 2 FKVO). Es gibt auch keine Freistellung vom Durchführungsverbot (vgl aber Art 7 Abs 3 FKVO). Für eine Angebotspflicht iSv § 22 ÜbG kann es bereits reichen, wenn die Möglichkeit zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses gegeben ist (§ 22 Abs 3 Z 2 ÜbG). Bei einem freiwilligen Übernahmeangebot zur Kontrollerlangung iSv § 25a ÜbG darf die Frist für den Eintritt einer Bedingung die Annahmefrist (gem § 19 Abs 1 ÜbG 10 Wochen ab Veröffentlichung der Angebotsunterlage) nur überschreiten, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist. Die als Richtschnur angesehene Bedingungsfrist von 90 Börsetagen (vgl die Generelle Stellungnahme der ÜbK, GZ 2001/V/1 v 3.12.2001) kann bei sachlicher Rechtfertigung verlängert werden. Da das Durchführungsverbot nach KartG auf die tatsächliche Ausübung einer Beherrschung abzielt, muss die kartellrechtliche Nichtuntersagung des freiwilligen Übernahmeangebots zur Kontroll erlangung nicht schon innerhalb der Annahmefrist nach § 19 ÜbG vorliegen. Die Anmeldung des Zusammenschlusses kann nach Ablauf der Angebotsfrist ohne Verstoß gegen das Durchführungsverbot umgesetzt werden, solange die neu erworbenen Stimmrechte nicht ausgeübt werden. Das Auswirkungsprinzip (§ 24) kann das Durchführungsverbot be- 10 schränken. Ein grenzüberschreitendes aber nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Kommission fallendes Zusammenschlussvorhaben kann dann ohne Verstoß gegen § 17 durchgeführt werden, wenn es 355
§ 17 KartGGugerbauer möglich ist, jene Teile der Zielgesellschaft, die auf einem inländischen Markt tätig sind, vorläufig nicht auf den Erwerber zu übertragen. Bei einem Zusammenschluss mit hinreichendem Inlandsbezug (wenn etwa das übernehmende Unternehmen seinen Sitz in Österreich hat) gilt mit der Untersagung dieses Zusammenschlusses nach den Bestimmungen des KartG aber ein räumlich unbeschränktes Durchführungsverbot (vgl 16 Ok 1/05). 11 Ein Rekurs gegen den Nichtuntersagungsbeschluss hat keine aufschiebende Wirkung. Das Durchführungsverbot endet erst mit rechtskräftiger Aufhebung der Untersagung. 12 Bei einem Verstoß gegen das Durchführungsverbot kann auf Antrag einer Amtspartei ein Bußgeldverfahren eingeleitet und vom KartGer eine Geldbuße von bis zu 10% des Gruppenumsatzes der beteiligten Unernehmen verhängt werden (gem § 29 Z 1 lit a). 13 Die Amtsparteien, aber darüber hinaus auch die in § 36 Abs 4 angeführten Institutionen und Unternehmen, können beim KartGer beantragen, dass gegen Unternehmen, die gegen § 17 verstoßen, ein Abstellungsauftrag nach § 26 erlassen wird. Das KartGer ist nicht an konkret beantragte Maßnahmen gebunden, es hat aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Änderungen der Unternehmensstruktur, welche die Wirkungen eines bereits durchgeführten Zusammenschlusses beseitigen oder abschwächen, können angeordnet werden, wenn der Zusammenschluss wettbewerbswidrige Wirkungen zeitigt und keine gelinderen, gleich wirksamen Maßnahmen, insbesondere keine Verhaltensanordnungen zur Verfügung stehen. 14 Der Eingriff des (vorgesehenen) Erwerbers in den wettbewerblichen Handlungsspielraum der Zielgesellschaft vor der Nichtuntersagung eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses kann dann, wenn es sich bei dem Zielunternehmen um einen Wettbewerber des Erwerbers handelt, nicht nur gegen das Durchführungsverbot, sondern auch gegen das Kartellverbot gem § 1 verstoßen. So kann die Besetzung von Leitungsorganen der Zielgesellschaft mit „Vertrauenspersonen“ des Erwerbers tatbestandsmäßig iSd § 1 sein. 15 Unvollständige oder irreführende Sachverhaltsangaben in der Anmeldung (etwa über gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit anderen Unternehmen) oder im Rahmen des Zusammenschluss-Kontrollver356
Verordnungsermächtigung
§ 17 KartG
fahrens begründen keine verbotene Durchführung, sondern können allenfalls die Verhängung „nachträglicher Maßnahmen“ auslösen (vgl dazu § 16 Z 1).
III. Wegfall des Durchführungsverbots Hat eine Amtspartei einen Prüfungsantrag gestellt, entfällt das Durch- 16 führungsverbot mit Einstellung des Prüfungsverfahrens (etwa infolge der Zurückziehung des Prüfungsantrags, des Ablaufs der Entscheidungsfrist des KartGer, der Rechtskraft der Entscheidung, mit der das KartGer den Prüfungsantrag zurückgewiesen hat, oder der Nichtuntersagungsentscheidung). Von dem Umstand, dass die vierwöchige Prüfungsfrist abgelaufen ist, 17 ohne dass ein Prüfungsantrag gestellt worden wäre, sind die Anmelder unverzüglich zu verständigen. Die Verständigung ist aber rein deklarativer Natur, das Durchführungsverbot entfällt mit dem Ablauf der vierwöchigen Prüfungsfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 11 Abs 1 KartG findet nicht statt, andernfalls würde es zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsposition der Zusammenschlusswerber kommen (16 Ok 2/07). Bei Abgabe eines Prüfungsverzichts fällt das Durchführungsverbot mit dem Zugang der Verzichtserklärungen beider Amtsparteien an den/die Anmelder. Auch dann, wenn ein kartellgerichtlicher „Nichtuntersagungsbe- 18 schluss“ mit Beschränkungen oder Auflagen verbunden ist, fällt mit seiner Rechtskraft das Durchführungsverbot weg. Ein Verstoß gegen Auflagen oder Beschränkungen führt allerdings dazu, dass der Zusammenschluss in verbotener Weise durchgeführt wird (vgl § 17 Abs 2). Unbeachtlich ist, ob gegen Auflagen oder Beschränkungen des kartellgerichtlichen Beschlusses auf Nichtuntersagung, oder gegen Auflagen oder Beschränkungen, zu deren Einhaltung sich die beteiligten Unternehmen gegenüber einer Amtspartei verpflichtet haben, verstoßen wird. Ein Verstoß gegen Auflagen kann darüber hinaus zur Verhängung einer Geldbuße in der Höhe von bis zu 10% des Unternehmensumsatzes führen. Ein anmeldepflichtiger, nichtuntersagter Zusammenschluss wird in 19 verbotener Weise durchgeführt, wenn Art oder Ausmaß des Zusam357
§ 18 KartGGugerbauer menschlussvorhabens nachträglich so abgeändert oder erweitert wird, dass dadurch ein anderen Zusammenschlusstatbestand verwirklicht wird. Etwa dann, wenn der Erwerb einer 25% Beteiligung (§ 7 Abs 1 Fall 1) nichtuntersagt wurde, in der Folge aber tatsächlich 50% (oder mehr) der Anteile übernommen werden (§ 7 Abs 1 Fall 2). 20 Unschädlich ist dagegen, wenn das durchgeführte Vorhaben zwar über das nichtuntersagte hinausgeht, aber kein anderer Zusammenschlusstatbestand verwirklicht wird (wenn beispeilsweise anstatt des nichtuntersagten Erwerbs einer Beteiligung von 25% eine solche von 49% erworben wird – beide Vorhaben verwirklichen § 7 Abs 1 Fall 1; vgl 16 Ok 2/02). Auch dann, wenn das durchgeführte Vorhaben hinter dem nichtuntersagten zurück bleibt, ist dies irrelevant. Etwa dann, wenn alleinige Kontrolle (§ 7 Abs 1 Z 5) angemeldet wurde, letztlich aber nur eine nicht-kontrollierende Beteiligung in Höhe von 25% erworben wird (§ 7 Abs 1 Z 3 Fall 1).
Verordnungsermächtigung § 18. (1) Die Bundesministerin für Justiz kann nach Anhörung der Wettbewerbskommission im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend durch Verordnung anordnen, dass bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 und 2 die Umsatzerlöse, die auf einem bestimmten Markt (§ 23) erzielt werden, mit einem bestimmten Faktor zu multiplizieren sind. (2) Eine Verordnung nach Abs. 1 kann erlassen werden, wenn wegen der Besonderheiten des betroffenen Marktes auch Zusammenschlüsse umsatzschwächerer Unternehmen zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Wettbewerbs auf diesem Markt führen können und diese Beeinträchtigungen nicht durch andere wettbewerbs- oder handelspolitische Maßnahmen verhindert werden können. Hiebei sind insbesondere die folgenden Umstände zu berücksichtigen: 1. der Umfang der auf dem betroffenen Markt insgesamt erzielten Umsatzerlöse, 2. Umstände, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken, 3. die Verflechtung des betroffenen Marktes mit den ausländischen Märkten. 358
Ausnahmen
§ 19 KartG
Die Verordnungsermächtigung trägt der Möglichkeit Rechnung, dass 1 die im KartG bestimmten Aufgriffsschwellen, deren Erreichung bei Unternehmenszusammenschlüssen eine Anmeldepflicht auslöst, für bestimmte Märkte zu niedrig sein könnten, um wettbewerblich relevante Vorgänge mit der Zusammenschluss-Kontrolle zu erfassen. Wie ein derartiger Multiplikator gehandhabt werden könnte, zeigt die gesetzliche Sonderregelung für Medienzusammenschlüsse. Entsprechende Überlegungen gab es etwa bezüglich des Taximarktes, 2 aber von der Verordnungsermächtigung wurde bislang nicht Gebrauch gemacht.
Ausnahmen § 19. (1) Die §§ 7 bis 18 gelten nicht für den Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, 1. wenn ein Kreditinstitut die Anteile zum Zweck der Veräußerung erwirbt; 2. wenn ein Kreditinstitut die Anteile zum Zweck der Sanierung einer notleidenden Gesellschaft oder der Sicherung von Forderungen gegen die Gesellschaft erwirbt; 3. wenn die Anteile in Ausübung des Beteiligungsfonds- oder des Kapitalfinanzierungsgeschäftes (§ 1 Abs. 1 Z 14 und 15 BWG) oder sonst durch eine Gesellschaft erworben werden, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen. (2) Wenn der Anteilserwerb ohne die Ausnahme nach Abs. 1 ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss wäre, gelten für den Erwerber der Anteile die folgenden Beschränkungen: 1. Der Erwerber darf die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht ausüben, um das Wettbewerbsverhalten des Unternehmens zu bestimmen; die Stimmrechte dürfen jedoch ausgeübt werden, um den vollen Wert der Investition zu erhalten sowie um eine Veräußerung der Gesamtheit oder von Teilen des Unternehmens oder seiner Vermögenswerte oder die Veräußerung der Anteile vorzubereiten;
359
§ 19 KartGGugerbauer 2. er muss die Anteile im Fall des Abs. 1 Z 1 binnen einem Jahr, im Fall des Abs. 1 Z 2 nach Beendigung des Sanierungs- beziehungsweise Sicherungszweckes wiederveräußern. (3) Das Kartellgericht hat dem Erwerber der Anteile aufzutragen, ein gegen Abs. 2 verstoßendes Verhalten abzustellen. Das Kartellgericht hat hiebei die Einjahresfrist nach Abs. 2 Z 2 zu verlängern, wenn die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar ist. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Bankenklausel (§ 19 Abs 1 Z 1)........................................................... 3–8 II. Sanierungserwerb und Sicherungsübereignung (§ 19 Abs 1 Z 2). 9–11 III. Kapitalfinanzierungsgeschäfte (§ 19 Abs 1 Z 3).............................. 12–14 IV. Beschränkungen (§ 19 Abs 2)............................................................. 15–20 V. Abstellungsauftrag (§ 19 Abs 3)......................................................... 21
1 Bei den drei Ausnahmetatbeständen des § 19 besteht – unabhängig von den Umsatzerlösen der beteiligten Unternehmen – keine Pflicht zur Anmeldung eines Zusammenschlusses. Abs 1 Z 1 (Kreditinstitute erwerben zum Zwecke der Veräußerung) und Z 3 (Beteiligungs- oder Kapitalfinanzierungsgeschäft) folgen weitgehend Art 3 Abs 5 lit a und lit c FKVO. Die Ausnahme für Sanierungserwerbe und Sanierungsübereignungen (Z 2) ist dagegen nur im KartG vorgesehen. 2 Alle drei Ausnahmetatbestände stellen ausschließlich auf das Zustandekommen des Anteilserwerbs iSd § 7 Abs 1 Z 3 (Anteilserwerb von zumindest 25% oder 50%), allenfalls auch auf den Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 5 (wenn durch einen Anteilserwerb keine Beteiligungsschwelle des Abs 1 Z 3 erreicht, jedoch beherrschender Einfluss auf das Zielunternehmen gewonnen wird) ab, das nachfolgende Verhalten des Erwerbers, die Stimmrechtsausübung (vgl § 19 Abs 2 Z 1) oder ein Verstoß gegen die Veräußerungsfrist (vgl § 19 Abs 2 Z 2), beeinflussen die Ausnahme nicht (vgl 25 Kt 810/95). Die (vergleichbaren) Ausnahmentatbestände nach Art 3 Abs 5 lit a und lit c FKVO werden dagegen nur dann 360
Ausnahmen
§ 19 KartG
verwirklicht, wenn der Erwerber der Anteile die damit verbundenen Stimmrechte nicht in einer das Wettbewerbsverhalten des Zielunternehmens bestimmenden Weise ausübt. § 19 ist als Ausnahmebestimmung im Zweifel eher eng auszulegen. Bei einem gegen § 19 Abs 2 verstoßenden Verhalten kann es nachträglich zu einem Abstellungsauftrag (vgl § 19 Abs 3), bei einem schuldhaft fortgesetzten Verstoß gegen den kartellgerichtlichen Abstellungsauftrag zur Verhängung eines Bußgelds kommen.
I. Bankenklausel (§ 19 Abs 1 Z 1) Bestimmte Bankgeschäfte, insbesondere der Wertpapierhandel, würden 3 erheblich erschwert, wenn sie dem Zusammenschluss-Kontrollverfahren unterworfen würden. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Kreditinstitut (etwa im Rahmen der Liquidierung eines Kreditengagements) unter Zeitdruck Anteile an einem Unternehmen übernimmt, um sie in der Folge zu verwerten. Der Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen zum Zweck der Veräußerung, der Unternehmenssanierung oder der Forderungssicherung durch ein Kreditinstitut iSv § 19 Abs 1 Z 1 f wird daher von der Zusammenschluss-Kontrolle ausgenommen. Die Ausnahmeregelung des § 19 Abs 1 Z 1 gilt nicht für „sonstige Finanzinstitute“ oder Versicherungsgesellschaften. Der Begriff des Kreditinstituts wird von § 1 Abs 1 BWG übernommen. 4 Zum Zeitpunkt des Erwerbs durch das Kreditinstitut muss die klare Absicht bestehen, die erworbenen Unternehmensanteile weiterzuveräußern, also die Anteile bloß vorübergehend zu halten. Eine entsprechende Absichtserklärung muss ausreichen, wenn dieser nicht tatsächliche Anhaltspunkte widersprechen. Die Chancen auf eine Weiterveräußerung sind ebenso unbeachtlich wie deren – spätere – Umsetzung oder die Identität des möglichen oder tatsächlichen Käufers. Es muss sich um kein Emissionsgeschäft handeln, auch die gezielte Wei- 5 tergabe der Anteile an einzelne Erwerber ist möglich (vgl Kallfaß in Langen/Bunte, § 37 GWB Rn 68). Steht im Zeitpunkt des Erwerbs der Unternehmensanteile durch das Kreditinstitut schon fest, an wen die Anteile weiterverkauft werden sollen, wird die Anwendung der Bankenklausel dadurch nicht ausgeschlossen. Die erwerbende Bank darf jedoch nicht als eine Art Treuhänderin des Letzterwerbers tätig werden, sonst würde der Erwerb durch das Kreditinstitut (als Treuhänder) bereits dem 361
§ 19 KartGGugerbauer Letzterwerber (als Treugeber) zugerechnet und es bedürfte bereits der Erwerb durch das Kreditinstitut einer Anmeldung bei der BWB. 6 Ein wichtiger Anwendungsfall der Bankenklausel sind die Loro-Emissionsgeschäfte (die Teilnahme an der Emission Dritter und damit zusammenhängende Dienstleistungen, vgl § 1 Abs 1 Z 11 BWG), insbesondere die Platzierung und das „Underwriting“ von Investmentbanken im Rahmen von Kapitalmarkttransaktionen. Investmentbanken kaufen dabei neu ausgegebene oder von Aktionären abgetretene Anteile an Unternehmen auf, um sie in der Folge über den Kapitalmarkt wieder zum Verkauf anzubieten. 7 Strategische Unternehmensbeteiligungen (wie sie vor Jahren beispielsweise von österreichischen Großbanken erworben wurden) sind von der Zusammenschlusskontrolle nicht ausgenommen. 8 Die Bankenklausel (Abs 1 Z 1) bleibt auch anwendbar, wenn die Anteile nicht binnen Jahresfrist wieder verkauft sind (vgl § 19 Abs 2 Z 2). Es entsteht also keine Verpflichtung zur nachträglichen Anmeldung zur Zusammenschluss-Kontrolle. Das KartGer kann allerdings einen Wiederveräußerungsauftrag erteilen (vgl § 19 Abs 3), in diesem Zusammenhang kann die Einjahresfrist zur Wiederveräußerung angemessen verlängert werden (vgl etwa 25 Kt 810/95).
II. Sanierungserwerb und Sicherungsübereignung 9 Ein Anteilserwerb durch ein Kreditinstitut wird von der Zusammenschlusskontrolle auch dann ausgenommen, wenn Unternehmensanteile zum Zweck der Sanierung übernommen werden. Unter „notleidender Gesellschaft“ iSv § 19 Abs 1 Z 2 Fall 1 werden nicht nur solche Gesellschaften verstanden, deren Marktaustritt unmittelbar bevorsteht, sondern Sanierungsfälle in weiterem Sinne. § 13 des EigenkapitalersatzGesetzes (EKEG – BGBl I 2003/92) stellt auf einen Vorgang ab, der auch für den Sanierungserwerb iSv § 19 KartG bestimmend ist: „Erwirbt jemand an einer in der Krise befindlichen Gesellschaft eine Beteiligung zum Zweck der Überwindung der Krise, . . .“ § 2 EKEG definiert als Krisenmodus, wenn eine Gesellschaft zahlungsunfähig (§ 66 KO) oder überschuldet (§ 67 KO) ist, oder wenn ihre Eigenmittelquote (§ 23 URG) weniger als 8% und die fiktive Schuldentilgungsdauer (§ 24 URG) mehr als 15 Jahre ausmacht, es sei denn, die Gesellschaft bedarf nicht der Reorganisation. 362
Ausnahmen
§ 19 KartG
Der Erwerb muss – im Zeitpunkt des Erwerbs – auf die Sanierung der 10 Gesellschaft abzielen. Ist die Sanierung abgeschlossen (oder wird die Sanierung nicht weiter verfolgt), müssen die Anteile vom Kreditinstitut wieder veräußert werden (§ 19 Abs 2 Z 2). Wenn ein Kreditinstitut Unternehmensanteile zur Sicherung seiner 11 Forderungen gegen diese Gesellschaft erwirbt, sind die §§ 7 ff ebenfalls nicht anzuwenden (vgl § 19 Abs 1 Z 2 Fall 2). Die bloße Verpfändung von Unternehmensanteilen begründet keinen Zusammenschluss, diesbezüglich bedarf es daher auch keines Ausnahmetatbestands.
III. Kapitalfinanzierungsgeschäfte (§ 19 Abs 1 Z 3) Werden Unternehmensanteile in Ausübung des Kapitalfinanzierungs- 12 geschäfts (§ 1 Abs 1 Z 15 BWG – Z 14 wurde durch BGBl I Nr 135/2013 aufgehoben) oder durch eine Gesellschaft erworben werden, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben und diese Beteiligungen zu verwalten und zu verwerten, wird dadurch kein Zusammenschlusstatbestand verwirklicht (16 Ok 12/08). Für eine „Private Equity-Ausnahme“ reicht nicht, dass die Satzung einer Erwerberin vorsieht, dass die Stimmrechte in der Zielgesellschaft nur insoweit ausgeübt werden sollen, als dies für den Erhalt der Investition erforderlich ist (16 Ok 12/08). Die Ausnahme wird von der Erwartung geleitet, dass solche Gesell- 13 schaften ihr Investment als reine Finanzanlage betrachten und nicht in die operative Geschäftsführung der Zielgesellschaft eingreifen. Die Gesellschaften dürfen die Anteile an Unternehmen zeitlich unbegrenzt halten. Nimmt eine Gesellschaft iSv § 19 Abs 1 Z 3 abseits des Investitionsschutzgedankens mit Hilfe der erworbenen Stimmrechte auf das Wettbewerbsverhalten der Zielgesellschaft Einfluss, sieht das Gesetz nur die Möglichkeit eines Abstellungsauftrags durch das KartGer vor. Eine Anmeldung ist aber nicht nachzuholen. Die Ausnahme gilt nur für Zusammenschlusstatbestände, die durch 14 Anteilserwerb verwirklicht werden (§ 7 Abs 1 Z 3 und Z 5). Die Voraussetzung für die Ausnehmung ist offenkundig nicht erfüllt, wenn bisherige (mittelbare) Gesellschafter gemeinsam die restlichen Anteile an einer Gesellschaft (mittelbar) erwerben (16 Ok 12/08). 363
§ 19 KartGGugerbauer
IV. Beschränkungen (§ 19 Abs 2) 15 Für alle Ausnahmetatbestände gilt, dass der Erwerber der Anteile die damit verbundenen Stimmrechte nur beschränkt ausüben darf. Bei der Bankenklausel ist weiters die Veräußerungsverpflichtung binnen eines Jahres, beim Sanierungserwerb bzw bei der Sicherungsübereignung die Veräußerungsverpflichtung nach Beendigung des Sanierungs- bzw Sicherungszweckes zu beachten. Werden diese gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten, können die Amtsparteien an das KartGer einen Antrag auf Erlassung eines Abstellungsauftrags stellen. Eine Verpflichtung zur nachträglichen Anmeldung bei der BWB besteht nicht, die (weitere) Durchführung des Anteilserwerbs ist dann auch nicht verboten. 16 Dem erwerbenden Kreditinstitut bzw der erwerbenden Beteiligungsgesellschaft ist die Stimmrechtsausübung nur insoweit verboten, als, sie erfolgt, um das Wettbewerbsverhalten des Unternehmens zu beeinflussen. Zulässig ist die Stimmrechtsausübung, um den vollen Wert der Investition zu erhalten sowie um die Veräußerung vorzubereiten. In der Regel wird der Erwerber aber immer argumentieren können, sein Eingriff in das Wettbewerbsverhalten sei erforderlich, um den Wert der Investition zu erhalten oder – im Hinblick auf die beabsichtigte Veräußerung – zu steigern, der Gegenbeweis ist mitunter schwierig. Nach den einschlägigen Bestimmungen im Wettbewerbsrecht der EU (Art 3 Abs 5 lit c FKVO) wäre selbst die Ausübung der Stimmrechte zur Ernennung der Geschäftsführungs- und Aufsichtsratsorgane – als Maßnahme des Investitionsschutzes – noch zulässig. In der Praxis kann die Besetzung von Unternehmensorganen aber schwer ohne Einfluss auf strategische Geschäftsentscheidungen bleiben. 17 Auch beim Sanierungserwerb besteht zwischen zulässigen Sanierungsmaßnahmen und der unzulässigen Beeinflussung des Wettbewerbsverhaltens des betroffenen Unternehmens ein erhebliches Spannungsverhältnis. Und die Abgrenzung zulässiger (und nach § 19 Abs 2 Z 2 notwendiger) Maßnahmen zur Vorbereitung der Veräußerung gegenüber verbotenen strategischen Einflussnahme auf ein Unternehmen kann ebenfalls schwierige Probleme aufwerfen. 18 Die Einjahresfrist für einen Anteilserwerb nach § 19 Abs 1 Z 1 ist durch Beschluss des KartGer verlängerbar, sollte die Veräußerung der Anteile innerhalb eines Jahres unzumutbar sein. Das KartGer kann die Einjahresfrist allerdings nur im Rahmen eines gem § 19 Abs 3 erlassenen Wie364
Ausnahmen
§ 19 KartG
derveräußerungsauftrags verlängern (vgl 25 Kt 810/95). Die setzt voraus, dass die Einjahresfrist bereits abgelaufen ist. Nach dem Antragsprinzip (§ 36) kann das KartGer die Verlängerung der Veräußerungsfrist nur auf Antrag (in der Regel des betroffenen Kreditinstituts) beschließen. Die Verpflichtung zum Wiederverkauf von Anteilen nach § 19 Abs 1 19 Z 2 setzt mit der Erreichung des Ziels ein, das für die Ausnahmeregelung ausschlaggebend war, nämlich mit der Sanierung der notleidenden Gesellschaft (der Sanierungszweck ist erreicht, wenn die weitere Existenz des Unternehmens auf überschaubare Zeit gewährleistet ist) bzw mit dem Zeitpunkt, ab dem eine Besicherung der Forderung des Kreditinstituts nicht länger erforderlich ist. Dieser Stichtag hängt also von objektiven Kriterien ab. Die Unternehmensbeteiligung ist jedenfalls soweit zu reduzieren, dass 20 keine Voraussetzungen für einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss mehr vorliegen. Die Beteiligung muss also auf unter 25% reduziert, das Kontrollverhältnis gelöst werden.
V. Abstellungsauftrag (§ 19 Abs 3) Übt ein Kreditinstitut bzw eine Beteiligungsgesellschaft in einer nach 21 § 19 Abs 1 erworbenen Gesellschaft die Stimmrechte aus, um das Wettbewerbsverhalten zu bestimmen, hat das KartGer auf Antrag (§ 36) einen Abstellungsauftrag zu beschließen.
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§ 20 KartGGugerbauer
4. Abschnitt Gemeinsame Bestimmungen Wirtschaftliche Betrachtungsweise § 20. Für die Beurteilung eines Sachverhalts nach diesem Bundesgesetz ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 Bei der kartellrechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts muss berücksichtigt werden, dass es für Begriffe wie Wettbewerbsbeschränkung, Verhaltensabstimmung, beherrschender Einfluss oder Marktzutrittsschranke keine Legaldefinition gibt, auch nicht in ABGB, UGB oder UWG. Solche Begriffe müssen aus dem konkreten Zweck und aus dem jeweiligen Normenzusammenhang heraus ausgelegt werden, dem der jeweilige Tatbestand seine Entstehung verdankt: Alles bewegt sich um die geordnete Kraft der Privatautonomie unter den Bedingungen freien Wettbewerbs (vgl Bunte in Langen/Bunte, Einleitung zum GWB, Rn 87; U. Immenga/Mestmäcker in Immenga/Mestmäcker, GWB Einl., Rn 30). 2 Auch im Wettbewerbsrecht der EU wird einer „wirtschaftlich realistischen Betrachtungsweise“ zentrale Bedeutung zugemessen (vgl EuG, 15.9.1998 „European Night Services“, Slg 1998, II-3141 Rn 137). Stets müsse der wirtschaftliche Kontext berücksichtigt werden, der durch die betroffenen Waren oder Dienstleistungen, Marktbedingungen und Marktstrukturen geprägt werde (vgl EuG, 18.9.2001, „TPS“, Slg 2001, II-2459 Rn 76). Die Europäische Kommission verfolgt zuletzt in ihren Leitlinien (vgl Vertikal-LL, ABl 2010 C 130/1; Horizontal-LL, ABl 2011, C 11/1) einen „stärker wirtschaftlichen Ansatz“ („more economic approach“). Hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkung soll der früher stärker regelorientierte Marktstruktur-Verhaltens-Ergebnis-An366
Wirtschaftliche Betrachtungsweise
§ 20 KartG
satz (zB Handlungsbeschränkung = Wettbewerbsbeschränkung) der Orientierung an Marktergebnissen („performance approach“) weichen. Dass damit die Prognose der Wettbewerbsergebnisse an die Stelle einer Analyse der Handlungsbeschränkungen tritt ist für die Adressaten des Kartellverbots ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann ihnen entgegenkommen, dass die Schwellen für anerkannt kooperatives leistungssteigerndes Verhalten abgesenkt und solches Verhalten damit, innerhalb bestimmter Grenzen, erleichtert wird. Andererseits entstehen neue Rechtsunsicherheiten (vgl Braun in Langen/Bunte, Nach Art 101 AEUV Rn 22 ff). Die äußere Erscheinungsform eines Sachverhalts bleibt im Anwen- 3 dungsbereich des Kartellrechts oft indifferent. Grundsätzlich kann ja jede Rechtsform in den Dienst einer Wettbewerbsbeschränkung gestellt werden. Aus dem Zivilrecht lässt sich kein Bereich stets rechtsmäßigen Handelns im Wettbewerb ableiten. Daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob Institute des Privatrechts nach Zweck, Durchführung oder Wirkung den Wettbewerb beschränken. Diese Aufgabe tritt etwa bei der Beurteilung von Wettbewerbsverboten als Teil gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen („ancillary restraints“) hervor (vgl U. Immenga/Mestmäcker, aaO, Rn 31). § 20 betrifft nicht die Sachverhaltsermittlung, sondern die rechtliche 4 Beurteilung eines (festgestellten) Sachverhalts nach den der betreffenden Norm zugrunde liegenden wirtschaftlichen Zwecken. § 20 fügt eine besondere Form der teleologischen Auslegung zu den allgemeinen Interpretationsregeln nach §§ 6 ff ABGB hinzu. Die Textierung lehnt sich an § 21 Abs 1 BAO an. Durch die wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird einerseits ermöglicht, dass auch Sachverhalte, bei denen zwar eines von mehreren Merkmalen eines kartellrechtlichen Tatbestandes nicht gegeben ist, die jedoch nach Zweck oder Wirkung dem Tatbestand ganz nahe kommen, nach Maßgabe der entsprechenden Norm beurteilt werden können. Umgekehrt werden Sachverhalte, die zwar alle Tatbestandsmerkmale einer kartellrechtlichen Norm verwirklichen, deren Unterwerfung unter das Kartellrecht aber den Gesetzeszweck verfehlen würde, von den Rechtsfolgen ausgenommen. Dabei können wirtschaftliche Erfahrungssätze berücksichtigt werden. 5 Erfahrungssätze sind alltägliche oder wissenschaftlich-empirisch ermittelte Allgemeinaussagen zum Eintritt von Wirkungen aufgrund bestimmter Ursachen, die bei der Beweiswürdigung, aber auch bei der 367
§ 20 KartGGugerbauer Rechtsanwendung zu beachten sind (vgl zum dt Recht BGH 4.3.2008 „Nord-KS / Stella“, WuW/E-R 2361, 2362). 6 In wirtschaftlicher Betrachtungsweise liegt es nahe, dass die Kartellpreise höher liegen als die im Wettbewerb erreichbaren Marktpreise. „Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen regelmäßig eine Kartellrendite entstehen“ (vgl zum dt Recht Kammergericht, 1.10.2009 „Berliner Transportbeton“, WuW/E DE-R 2773, 2777: „Im Übrigen ist zu vermuten, dass der typische Unternehmer seinen Gewinn zu maximieren versucht, dh nicht ohne Grund seine Preise senkt bzw eine sich ihm eröffnende Möglichkeit zur Preissteigerung nutzt“). Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Unternehmen idR Kenntnisse über die geplante Marktstrategie seines Wettbewerbers bei Ausrichtung seines eigenen Marktverhalten berücksichtigt (vgl dt BKartA, Fallbericht vom 27.5.2013 „Süßwaren“, B 11-11/08). Beim Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Preisbildung kann auf den Erfahrungssatz zurückgegriffen werden, „dass das marktbeherrschende Unternehmen, wäre es wirksamem Wettbewerb ausgesetzt, die Ausübung eines Preisgestaltungsspielraums maßgeblich davon abhängig machen würde, welchen Erlös es erzielen müsste, um die bei Ausschöpfung von Rationalisierungsreserven zu erwartenden Kosten zu decken und eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, andererseits aber zu verhindern, dass Kunden wegen zu hoher Preise zu einem Wettbewerber abwandern“ (vgl zum dt Recht BGH, 15.5.2012 „Wasserpreise Calw“, WuW/E DE-R 3632, 3635, Tz 15). Die Europäische Kommission hat den Versuch unternommen, in ihren Leitlinien für bestimmte Fallgruppen Mustervoraussagen zu entwickeln. So soll sich etwa die Prognose nachteiliger Wettbewerbswirkungen nicht nur nach den typischerweise zu erwartenden Koordinierungs- und Marktverschließungswirkungen einer Vereinbarung richten, sondern auch nach weiteren „strukturellen“ Faktoren“, etwa der Marktanteilsentwicklung, den Marktzutrittsschranken, der Nachfragemacht oder der Beschaffenheit der Produkte (vgl Braun, aaO, Rn 24). 7 Bei der Beurteilung eines Kontrollwechsels sind in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht nur die aktuell bestehenden Einflussmöglichkeiten, sondern auch bereits absehbare Änderungen der Gestaltung der Satzung zu berücksichtigen (16 Ok 12/08). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann auch eine Rolle spielen, wenn der Erwerber bei einem Zusammenschluss zwar weniger als 25% der Kapitalanteile und Stimmrechte erwirbt, ihm aber aufgrund einer atypischen Satzungsge368
Berechnung von Marktanteilen
§ 21 KartG
staltung Rechte eingeräumt werden, über die normalerweise nur jemand verfügt, der mindestens 25% der Anteile hält (26 Kt 132/04); wenn trotz einer mittelbaren 25% Beteiligung von einer Umsatzzurechnung abzusehen ist, weil bei wirtschaftlicher Betrachtung die derart verbundenen Unternehmen keine „wettbewerbliche Einheit“ darstellen (bei mittelbarer Beteiligung kommt es darauf an, dass auf jeder der der unmittelbaren Beteiligung anschließenden Stufen jeweils ein beherrschender Einfluss vorliegt; vgl 16 Ok 16/98); wenn einer kartellwidrige Vereinbarung zwischen zwei Wettbewerbern angenommen wird, obwohl die Abstimmung über einen Dritten erfolgte (16 Ok 11/96); wenn ein Kartell angenommen wird, obwohl die Kooperation auch eine Anteilsübertragung beinhaltet, die – für sich betrachtet – den Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 erfüllen würde (26 Kt 99/96), etc Dem Kartellrecht liegt – nicht zuletzt aufgrund der gem § 20 gebotenen 8 wirtschaftlichen Betrachtungsweise – ein eigenständiger Unternehmensbegriff zugrunde (16 Ok 12/08): Ein GmbH Gesellschafter wird uU – abhängig von seinem Anteil – als Unternehmer iSd Zusammenschlussbegriffs behandelt (Okt 34/74); Ein Unternehmen verliert in wirtschaftlicher Betrachtungsweise durch die Verpachtung seiner Supermärkte seine wettbewerbsrechtliche Stellung als Unternehmen selbst dann nicht, wenn die Höhe des Pachtentgelts nicht unmittelbar vom Gewinn des verpachteten Unternehmens abhängt (ein Verpächter bleibt ja Eigentümer des Unternehmens und ist an dessen Entwicklung viel unmittelbarer und stärker interessiert als jemand, der sich an einem fremden Unternehmen mit Kapital beteiligt – 4 Ob 34/01f).
Berechnung von Marktanteilen § 21. Bei der Anwendung dieses Bundesgesetzes sind Marktanteile nach den folgenden Grundsätzen zu berechnen: 1. es ist auf eine bestimmte Ware oder Leistung (§ 23) abzustellen; 2. Unternehmen, die in der im § 7 beschriebenen Form mitei nander verbunden sind, gelten als ein einziges Unternehmen; 3. bei der Berechnung von Anteilen auf dem inländischen Markt sind auch die inländischen Marktanteile ausländischer Unternehmer zu berücksichtigen. 369
§ 21 KartGGugerbauer Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle, (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/ Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Abgrenzung des relevanten Marktes................................................ 1–3 II. Berechnung des Marktvolumens ...................................................... 4–6 III. Berechnung der Marktanteile............................................................ 7–9
I. Abgrenzung des relevanten Marktes 1 Ab einer gewissen Größe eines Unternehmens besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Vorgangsweisen wettbewerbsrelevant sind. Das KartG stellt bei Bagatellkartellen (§ 2 Abs 2), bei der Marktbeherrschungsvermutung (§ 4 Abs 2), wie auch bei der Zusammenschluss-Kontrolle (§ 12 Abs 1 Z 2) auf den Marktanteil der betroffenen Unternehmen ab. Über den Marktanteil soll die wirtschaftliche Position eines Unternehmens realistisch und objektiv erfasst werden, er soll Aufschluss über Marktstellung und Marktmacht eines Unternehmens geben. 2 Zur Berechnung eines Marktanteils ist zunächst der betroffene, also der relevante Markt nach sachlichen, geografischen und (gegebenenfalls auch) zeitlichen Kriterien abzugrenzen (vgl die Kommentierung zu § 23). Dabei ist zwischen Märkten, auf denen ein zu überprüfendes Unternehmen als Anbieter tätig ist, und Märkten, auf denen dieses Unternehmen Waren oder Leistungen nachfragt, zu unterscheiden. 3 Für einen iSv § 23 sachlich, räumlich und zeitlich abgegrenzten Markt ist das Gesamtvolumen zu errechnen. Nach Maßgabe der betroffenen 370
Berechnung von Marktanteilen
§ 21 KartG
Waren oder Dienstleistungen ist zu beurteilen, welche Parameter die wirtschaftliche Position, die Macht eines Unternehmens in seinem Geschäftsumfeld, objektiver darstellen, diese Parameter sind zunächst zur Berechnung des gesamten Marktvolumens heranzuziehen.
II. Berechnung des Marktvolumens In der Regel wird das Marktvolumen nach Menge oder Wert ermit- 4 telt. Bei der Berechnung nach Menge kommen wiederum unterschiedliche Parameter, zB Stückzahlen, Tonnage, Volumen, in Betracht. Im Einzelfall können auch andere, rein branchenbezogene Parameter herangezogen werden, etwa Energieeinheiten, die Anzahl von Girokonten im Bankbereich, etc (vgl Kallfaß in Langen/Bunte, § 38 GWB, Rn 20). Ist grundsätzlich sowohl eine Berechnung auf der Grundlage von (gelieferten oder nachgefragten) Mengen, wie auch eine solche auf der Grundlage der Umsätze möglich, kommt es dabei jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen, wird vielfach die wertmäßige Berechnung vorzuziehen sein. Stehen verlässliche Daten nicht zur Verfügung, sind Schätzungen vorzunehmen (deren Grundlagen sind offen zu legen). Bei homogenen Produktmärkten (Massenprodukten) wird sich eine 5 mengenmäßige Berechnung des Marktanteils empfehlen. Die Mengenberechnung kann jedoch zu einer verzerrten Feststellung von Marktanteilen führen, wenn auf dem betreffenden Markt Produkte unterschiedlicher Qualität angeboten und/oder nachgefragt werden und es daher zu unterschiedlicher Preis- und/oder Rabattgestaltung kommt. Oder wenn Preise teils überhöht, teils zu niedrig sind. Bei differenzierten (inhomogenen) Produkten (etwa Markenartikeln) werden die Umsatzerlöse die relative Position und Stärke der einzelnen Anbieter meist besser widerspiegeln. Für Handelsmärkte kann das Marktvolumen mangels entsprechender statistischer Daten auf Basis der durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für einzelne Produktgruppen, multipliziert mit der Einwohnerzahl der betroffenen regionalen Märkte, berechnet werden (vgl Kallfaß, aaO, Rn 22). § 21 Z 3 bezieht in die Berechnung auch die Marktvolumina ausländi- 6 scher Unternehmen im Inland mit ein, Konkurrenz beeinflusst die Wettbewerbsverhältnisse ja unabhängig davon, wo die entsprechenden Unternehmen ihren Sitz oder ihre Produktionsstandorte haben. 371
§ 21 KartGGugerbauer
III. Berechnung der Marktanteile 7 Dem Gesamtmarktvolumen sind die entsprechend berechneten Leistungen einzelner Unternehmen gegenüberzustellen. Der nationale Markt erfasst – und beschränkt sich auf – den inländischen Leistungsaustausch (unter Einrechnung von Importen und Aussparung von Exporten). Leistungen, die zwischen Unternehmen erfolgen, die unterei nander iSv § 7 verbunden sind, sind keine Leistungen auf dem Markt, sie werden nicht berücksichtigt. Werden Lieferungen eines Unternehmens einem diesem nach § 7 verbundenen Unternehmen aber über den Markt angeboten und von Letzterem nachgefragt und stehen sie im Wettbewerb mit anderen Angeboten, sind die entsprechenden Umsätze doch zu berücksichtigen (vgl Europäische Kommission, 9.12.1991, COMP/M.149 – Lucas/Eaton). Leistungen innerhalb ein und desselben Unternehmens (Verwendung für den eigenen Gebrauch oder Verwendung von selbst erzeugten Vormaterialien für die Weiterverarbeitung) beeinflussen den Marktanteil nicht (vgl BGH, 21.2.1978, KfzKupplungen, WuW/E 1501 ff). Ausgenommen sind Hersteller, die bereit sind, die Eigenproduktion zu verkaufen (vgl Kom 30.9.1992, M.984, DuPont/ICI). Produkte, die an Wettbewerber oder Handelsunternehmen geliefert werden, die diese dann unter einer Eigen- oder Handelsmarke vertreiben, werden – auf dem Einzelhandelsmarkt – nicht dem Produzenten zugerechnet. 8 Da in der Regel mangels entsprechender Unterlagen eine aktuelle Berechnung nicht möglich ist, ist vom letzten Kalender-, bzw Geschäftsjahr auszugehen. Sind die relevanten Produkte jedoch durch lange Fertigungszeiten oder ist der der relevante Markt durch wenige Großaufträge (bzw durch einige wenige Ausschreibungen) geprägt, kann nur ein mehrjähriger Berechnungszeitraum Aufschluss über die Marktverhältnisse geben. In innovativen Branchen liefert eine rein vergangenheitsbezogene Marktanteilsberechnung uU kein marktgerechtes Ergebnis, dann ist eine Prognose für die Zukunft zu erstellen (vgl Kom, 8.9.1995, M.599 – Norana Forest/Glunz). Dies gilt auch für kurzlebige Produktzyklen und für Märkte, die sich durch erhebliche Marktstrukturveränderungen auszeichnen (vgl Bardong in Langen/Bunte, Art 2 FKVO, Rn 170). 9 Der so errechnete Anteil eines Unternehmens am Gesamtvolumen eines relevanten Markts ergibt den Marktanteil. Die Marktanteile von nach § 7 verbundenen Unternehmen sind (ohne interne Umsätze) hin372
Berechnung des Umsatzerlöses
§ 22 KartG
zuzurechnen. Im Rahmen der Zusammenschluss-Kontrolle erfolgt eine Zusammenrechnung der Marktanteile aller Unternehmen, die durch den Zusammenschlussvorgang miteinander verbunden werden sollen. Für den Fall, dass mehrere Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander Anteile von 25% oder 50% an einem anderen Unternehmen erwerben, gelten die Muttergesellschaften nur hinsichtlich jener Märkte, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen tätig ist, als zusammengeschlossen. Beim Erwerb eines Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil (§ 7 Abs 1 Z 1) sind Marktanteile des veräußernden Unternehmens aus Betriebsstätten, die nicht veräußert werden und deren Betrieb aufrecht erhalten bleibt, nicht einzubeziehen. Ist ein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen Muttergesellschaft eines zusammen mit anderen Gesellschaftern gemeinsam beherrschten Unternehmens, werden nur die Marktanteile der anderen Muttergesellschaften mitgerechnet, die auf den Märkten des gemeinsam beherrschten Unternehmens erzielt werden (vgl Kallfaß, aaO, Rn 23).
Berechnung des Umsatzerlöses § 22. Bei der Anwendung dieses Bundesgesetzes sind Umsatzerlöse nach den folgenden Grundsätzen zu berechnen: 1. Unternehmen, die in der im § 7 beschriebenen Form mitei nander verbunden sind, gelten als ein einziges Unternehmen; Umsätze aus Lieferungen und Leistungen zwischen diesen Unternehmen (Innenumsätze) sind in die Berechnung nicht einzubeziehen; 2. bei Kreditinstituten tritt an die Stelle der Umsatzerlöse die Summe der folgenden Ertragsposten: a) Zinserträge und ähnliche Erträge, b) Erträge aus Aktien, anderen Anteilsrechten und nicht festverzinslichen Wertpapieren, Erträge aus Beteiligungen und Erträge aus Anteilen an verbundenen Unternehmen, c) Provisionserträge, d) Nettoerträge aus Finanzgeschäften und e) sonstige betriebliche Erträge; 3. bei Versicherungsunternehmungen treten an die Stelle der Umsatzerlöse die Prämieneinnahmen. 373
§ 22 KartGGugerbauer Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle, (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/ Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Unternehmenserlöse............................................................................ 1–8 II. Verbundene Unternehmen................................................................. 9–13 III. Geografische Umsatzzurechnung .................................................... 14–15 IV. Umsatzberechnung für Kreditinstitute........................................... 16–18 V. Umsatzberechnung für Versicherungsunternehmen.................... 19–20
I. Unternehmenserlöse 1 Der Umsatz gilt gemeinhin als Kennzeichen für die Größe eines Unternehmens. Er indiziert aber kein Werturteil, insbesondere keine Vermutung wettbewerblicher Wirkungen. Die isolierte Betrachtung des Umsatzes eines Unternehmens lässt auch nicht erkennen, inwieweit er für den inländischen Markt von Bedeutung ist. 2 Die Berechnung der Umsatzerlöse erfolgt – unabhängig von der Rechtsform eines Unternehmens – nach den Grundsätzen von § 232 Abs 1 UGB. Erfasst werden jene typischen Erlöse, die ein Unternehmen im Rahmen als Gegenwert für Waren oder Leistungen von Dritten zu erhalten hat. Die Qualifizierung von Umsatzerlösen als typisch oder atypisch ergibt sich aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Ist ein Unternehmen in mehreren Geschäftszweigen bzw auf mehreren Märkten tätig, so sind die Einnahmen aus allen Geschäftszweigen und auf allen Märkten zu berücksichtigen. Atypische Umsatzerlöse müssen nicht notwendigerweise der außerordentlichen Ge374
Berechnung des Umsatzerlöses
§ 22 KartG
schäftstätigkeit (vgl § 233 UGB) zuzurechnen sein. Aber die Vergleichbarkeit von Umsatzangaben soll nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass (einzelne) Unternehmen nicht ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit zuzurechnende Nebenerlöse erzielen (zB Mieten für Werkswohnungen, Pacht für vorläufig nicht benötigte Grundstücke, Kantinenerlöse). Erlöse aus Vermietung oder Verpachtung betriebstypischer Waren werden dagegen erfasst. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung also insbesondere bei Leasinggesellschaften (oder Unternehmen mit einem vergleichbaren Unternehmensgegenstand, etwa Mietwagenunternehmen) oder Brauereien (die Umsätze aus Pachtgaststätten erwirtschaften). Einnahmen aus dem Verkauf von Anlagevermögen oder Beteiligungen (ausgenommen die Erzielung von Beteiligungserträgen ist typischer Betriebszweck), Gutschriften aus Gläubigerverzichten oder Gesellschafterzuschüsse werden generell als nicht typisch eingestuft. Aus der Definition der typischen Umsatzerlöse folgt somit, dass nicht alle Umsatzerlöse iSv § 1 Abs 1 UStG erfasst sind. Wirken mehrere Unternehmen im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft 3 bei der Durchführung eines gemeinsam übernommenen Auftrages mit, sind die Umsatzerlöse auf die Unternehmen zu verteilen. Ist ein Unternehmen dagegen nur am Gewinn einer Arbeitsgemeinschaft beteiligt, gehören diese Einnahmen i.d.R. nicht zu den typischen Erlösen. Bedient sich ein Unternehmen bei der Auftragserfüllung (im Innenverhältnis) der Leistungen eines Subunternehmens, ist das gesamte Auftragsentgelt jenem Unternehmen anzurechnen, das den Auftrag übernommen hat. Die an Subunternehmer gezahlten Vergütungen sind ebensowenig abzuziehen, wie etwa Vergütungen, die von einem Pauschalreise-Veranstalter an Flugunternehmen, Hotelketten, Versicherungen, usw, durch die er die einzelnen Verpflichtungen gegenüber dem Reisenden erbringen lässt, ausbezahlt werden. Der Spediteur berechnet dagegen seinem Auftraggeber Transportleis- 4 tungen Dritter in Höhe der tatsächlich gemachten Auslagen, für ihn sind lediglich die für seine (Vermittlungs-)Leistung eingenommenen Provisionen Umsatzerlöse. Auch bei Handelsvertretern, Kommissionären, Vermittlern und Einkaufsverbänden sind alleine die Provisionen zu berücksichtigen, nicht die mit den vertriebenen Waren erzielten Umsätze. Zu den Umsatzerlösen gehören auch Preiszuschläge wie Versand- und 5 Verpackungskosten oder Versicherungsprämien. Auch Beihilfen sind 375
§ 22 KartGGugerbauer Umsatzerlöse, wenn die Beihilfe sich auf die geschäftliche Tätigkeit des betreffenden Unternehmens auswirkt. Das gilt etwa für Beihilfen, die Absatzpreise subventionieren sollen und vom geförderten Unternehmen als Preisbestandteil kalkuliert werden. 6 Umgekehrt sind alle Erlösschmälerungen abzuziehen, also insbesondere Rabatte, Boni, Skonti, Preisnachlässe wegen Sachmängeln, aber auch Gutschriften, etwa für Rückwaren. Werbekostenzuschüsse, Listungsgebühren u.ä. sind in der Praxis regelmäßig Teil der Einkaufskonditionen, sie werden als Abschläge auf den Herstellerabgabepreis bzw auf den Einstandspreis des Abnehmers gewährt (vgl Kallfaß, in Langen/ Bunte, § 38 GWB, Rn 5). Abzuziehen sind auch Zuführungen zu entsprechenden Rückstellungen. Erlösschmälerungen sind auch dann von den Umsatzerlösen abzuziehen, wenn sie erst erfolgt sind, nachdem der (ungeschmälerte) Umsatz ausgewiesen worden ist. 7 Ohne Rücksicht auf Rechnungslegung und Zahlungsziel ist jener Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Unernehmen seine Leistung erbracht hat (Kallfaß, aaO, Rn 2). In Summe sind die Umsatzerlöse des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres zusammenzurechnen. Liegt ein abschließend geprüfter Jahresabschluss noch nicht vor, so sind die Umsätze anhand vorläufiger Zahlen oder – soweit größere Abweichungen nicht zu erwarten sind – anhand der Zahlen des vorletzten Geschäftsjahres zu belegen. 8 Verbrauchsteuern werden letztlich vom dem Endverbraucher der betreffenden Leistung getragen, sie sind für die kartellrechtliche Umsatzberechnung von den Brutto-Umsatzerlösen abzuziehen. Verbrauchsteuer sind neben der USt (vgl § 232 Abs 1 UGB) etwa die Mineralölsteuer oder die Tabaksteuer.
II. Verbundene Unternehmen 9 Soweit Unternehmen eine Gewinn- und Verlustrechnung (G&V) erstellen müssen oder tatsächlich erstellen, gibt es nur selten Zweifel an der richtigen Berechnung der Umsatzerlöse. Schwierigkeiten können jedoch dann auftreten, wenn ein Unternehmen seine Leistungen in einem erheblichen Umfang unter Heranziehung anderer Unternehmen erbringt. Einzubeziehen sind ja auch Erlöse von Hilfs- und Nebenbetrieben. Für die kartellrechtliche Analyse sind einem Unternehmen überdies die Umsätze jener Unternehmen zuzurechnen, mit denen es 376
Berechnung des Umsatzerlöses
§ 22 KartG
iSv § 7 verbunden ist. Unter solchen Voraussetzungen müssen für die kartellrechtliche Umsatzberechnung teilweise besondere Berechnungen angestellt werden. Zwischen verbundenen Unternehmen ist Wettbewerb (in der Regel) 10 ausgeschaltet und sie agieren auf dem Markt als wirtschaftliche Einheit. Die Innenumsatzerlöse verbundener Unternehmen sind zur Vermeidung von Doppelzählungen abzuziehen. Die Verbundklausel des § 7 schließt außer den Konzernunternehmen auch die abhängigen bzw herrschenden Unternehmen und darüber hinaus die gemeinsam beherrschten Unternehmen (Mehrmütterklausel) ein, daher sind auch die Umsatzerlöse aus dem Leistungsaustausch mit solchen Unternehmen auszuklammern. Kommt es durch einen Zusammenschluss zur Internalisierung bisheri- 11 ger Marktumsätze oder umgekehrt zum Entstehung von Marktumsätzen durch „Outsourcing“, erfordert eine angemessene Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung des Zusammenschlusses die Berücksichtigung dieser Umsätze. Aktuell (vor Durchführung des Zusammenschlusses) erzielte (Markt-)Umsätze zwischen den beteiligten Unternehmen sind dann keine abzugsfähigen Innenumsätze. Hat das Vorhaben umgekehrt zur Folge, dass bisherige Innenumsätze zu externen Marktumsätzen werden („Outsourcing“), sind auch diese im Hinblick auf die Schwellen der Anmeldepflicht zu berücksichtigen (Kallfaß, aaO, Rn 6). Bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens iSv § 7 Abs 2 sind 12 die Umsatzerlöse der Muttergesellschaften und der mit ihnen verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen (25 Kt 201/99). Erwirbt ein Unternehmen an einem anderen Unternehmen („Zielunternehmen“) einen Anteil von 50%, so sind für die Umsatzberechnung nicht nur der Umsatz der Erwerberin und des Zielunternehmens, sondern auch der Umsatz eines weiterhin mit 50% beteiligten anderen Unternehmens zu berücksichtigen, weil letzteres mit dem Zielunternehmern iSv § 7 Abs 1 Z 3 verbunden bleibt (25 Kt 201/99). Ob die verbundenen Unternehmen einen anderen Unternehmensgegenstand haben und auf anderen Märkten tätig sind, ist irrelevant. § 22 erfasst auch Schwestergesellschaften, Gemeinschaftsunternehmen und Minderheitsbeteiligungen (in der Regel ab 25%) zur Gänze. Bei der Berechnung der Umsatzerlöse sind auch die Umsatzerlöse jener 13 Unternehmen zu berücksichtigen, die mit einem am Zusammenschluss 377
§ 22 KartGGugerbauer beteiligten Unternehmen über eine mindestens 25%-Minderheitsbeteiligung verbunden sind. Ob mit dieser Beteiligung ein beherrschender Einfluss verbunden ist, ist nicht maßgeblich (25 Kt 435/96). Auf jeder an eine unmittelbare Minderheitsbeteiligung anschließenden Stufe (also bei jeder mittelbaren Beteiligung) bedarf es jedoch eines beherrschenden Einflusses für die Zusammenrechnung der Umsätze iSv § 22 iVm § 7 Abs 1 Z 3 (25 Kt 435/96).
III. Geografische Umsatzzurechnung 14 Für die Umsatzberechnung nach § 22 ist irrelevant, auf welchem räumlichen Markt der Umsatz erzielt worden ist, es sind also auch alle Auslandsumsätze zu berücksichtigen. Dies gilt für die Auslandsumsätze beteiligter oder verbundener inländischer Unternehmen wie auch für die Umsätze ausländischer Unternehmen, soweit diese als beteiligte oder verbundene Unternehmen zu berücksichtigen sind. Auslandsumsätze sind gegebenenfalls in Euro umzurechen. Die Umrechnung von Fremdwährungsumsätzen hat auf Grundlage des Jahresmittelkurses der Europäischen Zentralbank zu erfolgen (vgl Kallfaß, aaO, Rn 4). 15 Sind Umsätze geographisch zuzuordnen, zB als „Inlandsumsätze“, richtet sich die Umsatzzurechnung in der Regel nach dem Ort des Kunden, dh nach dem Ort, an dem die Leistung tatsächlich erbracht oder die Ware ausgeliefert wird. Davon kann es im Einzelfall Abweichungen geben. So ist bei Pauschalreisen der erzielte Umsatz dem Wohnort des Kunden zuzurechnen, auch wenn die vertraglich vereinbarte Leistung an anderen Orten erbracht wird. Wenn der Ort des Warenlieferung vom Ort der Vertragsabschlusses abweicht, richtet sich die Zurechnung nach dem Ort, an dem die Wettbewerber um den Verkauf von Waren an Kunden konkurrieren. Dabei kann der Ort des Vertragsabschlusses wichtiger sein als der Ort der Warenauslieferung.
IV. Umsatzberechnung für Kreditinstitute 16 Als „Kreditinstitut“ gilt gem § 1 BWG wer berechtigt ist, die in § 1 Abs 1 BWG angeführten Bankgeschäfte zu betreiben. Kreditinstitute dürfen auch die in § 1 Abs 2 BWG aufgezählten Finanzgeschäfte tätigen, „Finanzinstitute“ dürfen dagegen lediglich die in § 1 Abs 2 BWG 378
Berechnung des Umsatzerlöses
§ 22 KartG
aufgelisteten Finanzgeschäfte ausführen. Auch die Erträge sonstiger Finanzinstitute sind gem § 22 Z 2 zu berechnen. Neben den in § 22 Z 2 aufgelisteten Ertragspositionen sind sonstige be- 17 triebliche Erträge iSv § 22 Z 2 lit e für die Umsatzberechnung nur relevant, wenn sie Erträge aus der typischen Geschäftstätigkeit eines Kredit- oder sonstigen Finanzinstituts sind. Umsatzerlöse eines Kreditinstituts aus Nicht-Bankengeschäften (soweit solche überhaupt zu den typischen Erlösen des Instituts gehören) werden nach den allgemeinen Regeln für die Umsatzermittlung berechnet. In die Umsatzberechnung einzubeziehen sind Zinserträge (als Ertrags- 18 posten brutto, dh nur die vereinnahmten Zinsen ohne Gegenrechnung gezahlter Zinsen), laufende Erträge aus Aktien und anderen Wertpapieren, Provisionen, Nettoerträge aus Finanzgeschäften und sonstige betriebliche Erträge. Wie nach der allgemeinen Regelung ist auch hier vom Nettoumsatz auszugehen, dh Umsatz- und allfällige andere (indirekte) Verbrauchsteuern sind abzuziehen.
V. Umsatzberechnung für Versicherungs unternehmen Gem § 22 Z 3 sind für die Umsatzberechnung von Versicherungsunter- 19 nehmen ihre Prämieneinnahmen heranzuziehen. Also alle Einnahmen aus Versicherungsverträgen, die von einem Versicherungsunternehmen oder für seine Rechnung abgeschlossen worden sind. Dazu kommen allfällige Rückversicherungsprämien, ohne Rücksicht darauf, zu welchem Anteil das Risiko in Rückdeckung gegeben wird (Kallfaß, aaO, Rn 15). Maßgebend sind die vereinbarten Prämien, es kommt nicht darauf an, dass diese bereits bezahlt oder auch nur vorgeschrieben worden sind. Von den Prämieneinnahmen ist die aufgrund des Prämienvolumens berechnete Mehrwertsteuer abzuziehen. Werden Prämieneinnahmen zur Rücklagenbildung veranlagt, gelten 20 Erträge aus solchen Finanzanlagen nicht als gem § 22 Z 3 zu berücksichtigender Umsatz. Sofern ein Versicherungsunternehmen aber einen beherrschenden Einfluss auf ein Beteiligungsunternehmen ausüben kann, ist dessen Umsatz der Versicherungsgesellschaft zuzurechnen. Dabei kann eine Kombination der Umsatzberechnungsmethoden erforderlich werden. 379
§ 23 KartGGugerbauer
Bestimmte Ware oder Leistung § 23. Als bestimmte Ware (Leistung) im Sinn dieses Bundesgesetzes gelten alle Waren (Leistungen), die unter den gegebenen Marktverhältnissen der Deckung desselben Bedarfes dienen.
Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle, (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/ Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Der sachlich relevante Markt............................................................. 3–10 II. Der hypothetische Monopolistentest................................................ 11–14 III. Der räumlich relevante Markt........................................................... 15–18 IV. Der zeitlich relevante Markt............................................................... 19 V. Mehrseitige Märkte.............................................................................. 20–26
1 Kartellrechtliche Beurteilung setzt das Erkennen und Strukturieren charakteristischer Sachverhaltselemente, vor allem eines betroffenen Marktes, voraus. Eine Legaldefinition von „Markt“ gibt es aber nicht. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der Markt der ökonomische Ort des Tausches. Durch die Abgrenzung relevanter Märkte sollen Wettbewerbsbeziehungen zwischen Unternehmen identifiziert werden (16 Ok 6/12). „Markt“ ist durch die Marktteilnehmer definiert, die sich als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen mit gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen gegenüberstehen (vgl 16 Ok 15/08). 2 Dabei sind grundsätzlich zwei wesentliche Wettbewerbskräfte zu berücksichtigen: die Austauschbarkeit auf der Nachfrageseite und die 380
Bestimmte Ware oder Leistung
§ 23 KartG
Angebotsumstellungsflexibilität. Die Austauschbarkeit auf der Nachfrageseite zeigt, inwieweit die Verbraucher bereit sind, das fragliche Produkt oder die fragliche Dienstleistung durch andere Produkte oder Dienstleistungen zu ersetzen. Bei Abgrenzung des sachlich relevanten Nachfragemarkts werden daher all jene Produkte bzw Dienstleistungen berücksichtigt, die ein Lieferant anbietet oder bei – technisch und wirtschaftlich möglicher – Produktionsumstellung anbieten könnte (4 Ob 165/98p). Die Angebotsumstellungsflexibilität drückt aus, ob Anbieter kurzfristig bereit wären, ihre Produktion umzustellen bzw die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, ohne dass für sie erhebliche Zusatzkosten entstehen.
I. Der sachlich relevante Markt Im Hinblick auf die mögliche Verwirklichung eines kartellrechtlichen 3 Tatbestands ist der relevante Markt nach sachlichen, örtlichen und zeitlichen Kriterien zu bestimmen (16 Ok 1/12; RIS-Justiz RS00663659). Die Abgrenzung des sachlich betroffenen Markt hat nach dem in § 23 zum Ausdruck kommenden Bedarfsmarktkonzept zu erfolgen (16 Ok 8/10; 16 Ok 14/08; 16 Ok 20/04; RIS-Justiz RS0124421). Demnach liegt ein sachlich relevanter Markt vor, wenn sich die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen durch besondere Merkmale in ihrer für die Bedarfsdeckung wesentlichen Beschaffenheit von anderen spürbar abheben. Entscheidend ist die funktionelle Austauschbarkeit bzw Substituierbarkeit aus der verständigen Sicht der jeweiligen Marktgegenseite, sie zeigt sich an der Reaktion der Handelspartner, soweit sich hierzu Tatsachenfeststellungen treffen lassen (vgl 16 Ok 6/15s; 16 Ok 14/08; 16 Ok 15/08). Es genügt, dass ein erheblicher Teil der Marktgegenseite zwei oder 4 mehr Produkte oder Dienstleistungen im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung als gegeneinander austauschbar und damit marktgleichwertig ansieht, während ihre Austauschbarkeit mit andere Erzeugnissen oder Leistungen gering ist (stRsp RIS-Justiz RS0063539; 16 Ok 15/08). Produkte, die nur in geringem Maß oder relativ austauschbar sind, gehören nicht demselben Markt an (vgl Europäische Kommission, Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht ABl 2002 C 165, Rn 44). Im Rahmen einer wertenden Betrachtung ist zu prüfen, ob die Austauschbarkeit hinreichend ist, um einen einheitlichen Produkt- oder Dienstleistungsmarkt annehmen 381
§ 23 KartGGugerbauer zu können. Die funktionale Austauschbarkeit bestimmt sich nach den spezifischen Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung, nach Preis und Verwendungszweck (16 Ok 1/12; 16 Ok 8/10; 16 Ok 14/08; RIS-Justiz RS0124671, RS0116056). Was die Eigenschaft (objektiven Merkmale) eines Produktes betrifft, bewirken geringfügige materielle Unterschiede, etwa hinsichtlich Verpackung, Wartung oder Markenbezeichnung, in der Regel nicht, dass es sich um unterschiedlichen Märkten zugehörige Waren handelt. Dies kann auch für geringfügige materielle Unterschiede an der Ware oder Dienstleistung selbst gelten, dabei ist der Bedarf maßgebend (vgl 29 Kt 177 – 179/99; 4 Ob 146/93). 5 Es kommt aber nicht nur auf die objektiven Merkmale, sondern auch auf die Wettbewerbsbedingungen und/oder die Strukturen von Angebot und Nachfrage auf dem betreffenden Markt, etwa auf anhaltende Konsumbedürfnisse oder Verbraucherpräferenzen, an. Unterschiedliche Modelle und Angebote für ein nach objektiven Merkmalen grundsätzlich gleiches Produkt können auf unterschiedliche Verbrauchergruppen schließen lassen. So kommt es im Bereich der Telekommunikationsmärkte zu gesonderten Märkten für Geschäfts- und Privatkunden, wenn die Anbieter gegenüber Privat- und Geschäftskunden stark abweichende Preise und Rabatte verrechnen. Ein Erzeugnis kann sich auch deshalb von vergleichbaren Erzeugnissen abheben, weil es ein bekanntes Warenzeichen trägt, das zur Etablierung eines eigenen Marktes führt (vgl EuGH, 13.7.1966 „Grundig/Consten“, Slg 1966, 321, 391). Kunden können beim Ersatz des Produktes A durch das Produkt B auch durch langfristige Verträge die Hände gebunden sein. Dann sollten dieses beiden Produkte nicht in ein und denselben Markt eingezogen werden (Leitlinien, Rn 50). Der relevante Markt muss also jeweils konkret unter Berücksichtigung der Schutzrichtung und des verfolgten Zwecks, die mit der Abgrenzung verfolgt werden, geprüft werden (vgl Hengst in Langen/Bunte, Art 101 AEUV, Rn 254). 6 Ist der Verwendungszweck bei verschiedenen Waren oder Dienstleistungen ident, können die Nebenumstände für die Abgrenzung entscheidend sein. Umgekehrt können unterschiedliche Arten von Produkten, die für den selben Zweck verwendet werden, einen Markt darstellen: So kann im Bereich der Telekommunikation unterschiedliche Infrastruktur, etwa Kabel- oder Satellitenverbindungen, für denselben Zweck verwendet, also demselben Produktmarkt zugerechnet werden (vgl dazu Leitlinien, Rn 45). 382
Bestimmte Ware oder Leistung
§ 23 KartG
Kaffee kann etwa nicht ohne weiteres durch Tee ersetzt werden (vgl 7 Europäische Kommission 18.12.1975 „Brasilianischer Kaffee“, 5. Wettbewerbsbericht Rn 33), ein Neureifen nicht durch einen runderneuerten Reifen (vgl EuGH, 9.11.1983 „Michelin“, Slg 1983, 3461, 3505), Zucker nicht durch Zuckerersatz (vgl EuGH, 15.12.1975 „Zucker“, Slg 1975, 1663, 1995), ein aseptische Verpackungssystem nicht durch ein nicht-aseptisches (vgl EuGH, 6.10.1994, „Tetra Pak II“, Slg 1994, II755, 716 ff). Wenn auch Bananen nicht durch frisches Obst ersetzt werden können (vgl EuGH, 14.2.1978 „United Brands“, Slg 1978, 207, 281), so doch Orangen durch Äpfel (vgl EuGH, 15.7.1963 „Apfelsinen“, Slg 1963, 321), oder industriell produziertes durch handwerklich hergestelltes Speiseeis (vgl EuG, 8.6.1995 „Langnese“, Slg 1995, II1539). Das Bedarfsmarktkonzept wird auch für die Abgrenzung des sachlich 8 relevanten Marktes bei Nachfragemacht eingesetzt (Angebotssubstituierbarkeit). Auch für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes aus Sicht des Anbieters ist zu prüfen, wie sich Austauschmöglichkeiten darstellen, welche Ausweichmöglichkeiten es beim Absatz der betroffenen Ware oder Dienstleistung gibt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, ob eine solche Ausweichmöglichkeit allenfalls ohne weiteres durch eine Umstellung des Angebotes erreicht werden kann. Ist ein Anbieter in Reaktion auf kleine, dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage, seine Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen, um sie, ohne spürbare Zusatzkosten, kurzfristig auf den Markt zu bringen (vgl Europäische Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes, ABl 1997 C 372, Rn 20)? Wären mit der Umstellung erhebliche Kosten und ein unternehmeri- 9 sches Risiko verbunden, wäre nicht mehr von einer Substituierbarkeit auszugehen. Sind die Gesamtkosten für die Umstellung der Produktion auf das fragliche Produkt dagegen nicht besonders hoch, kann dieses Produkt in den sachlich relevanten Markt einbezogen werden. Dabei sind auch Anforderungen, die sich aus Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergeben, zu berücksichtigen, da diese den Eintritt in den relevanten Markt verzögern oder sogar verhindern und dadurch die Umstellungsbereitschaft beeinträchtigen können (Leitlinien, Rn 52 ff). Die Marktabgrenzung ist Tatfrage, soweit es um die Feststellung objek- 10 tiv überprüfbarer Abgrenzungskriterien geht, sie ist Rechtsfrage, so383
§ 23 KartGGugerbauer weit es um eine Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode geht (16 Ok 8/10; RIS-Justiz RS0124421). Feststellungen aufgrund eines Sachverständigengutachtens sind im Rechtsmittelverfahren nur in engen Grenzen überprüfbar: Der OGH kann nur die generelle Eignung einer bestimmten Methode zur Markabgrenzung – wie etwa die Eignung des hypothetischen Monopolistentests – überprüfen (vgl16 Ok 8/10).
II. Der hypothetische Monopolistentest 11 Aus praktischen Erwägungen kann bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes der Preis als entscheidender Parameter berücksichtigt werden. Das Bedarfsmarktkonzept kann insoweit durch die Ermittlung der sog Kreuzpreiselastizität oder durch den hypothetischen Monopolistentest (SSNIP-Test – small but significant non transitory increase in price) ergänzt werden (16 Ok 6/15s; vgl Bekanntmachung, Rn 15 ff). Über die Kreuzpreiselastizität wird geprüft, ob eine geringfügige Änderung der Preise die Nachfrage von dem einen Produkt auf ein anderes verlagern würde. Ist dies der Fall, gehören die Produkte zum selben relevanten Markt. Durch den SSNIP-Test wird die Nachfragesubstituierbarkeit oder Angebotsumstellungsflexibilität ermittelt. 12 Der Test wurde ursprünglich für die Zusammenschlusskontrolle entwickelt, ist aber keineswegs darauf beschränkt, sondern kann auch im Zusammenhang mit Kartellverbot und Missbrauchsverbot angewendet werden (16 Ok 8/10). Er basiert auf der Annahme, dass Marktpreise ein sachgerechter Indikator für die Zugehörigkeit von Waren oder Dienstleistungen zu einem relevanten Markt sind. Im Rahmen eines Gedankenexperiments wird analysiert was geschehen würde, wenn es bei einem bestimmten Produkt (oder einer bestimmten Dienstleistung) zu einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung kommen würde und die Preise sämtlicher anderer Produkte konstant blieben (sog relative Preiserhöhung). Ob eine Preiserhöhung signifikant ist, wird vom Einzelfall abhängen. Im Rahmen des SSNIP-Tests wird in der Regel eine Preiserhöhung von 5% bis 10% angenommen. Maßgeblich ist, ob die Kunden als Reaktion auf eine derartige bleibende Erhöhung der relativen Preise für die betreffenden Produkte auf andere ausweichen würden (vgl 16 Ok 14/08; Bekanntmachung, Rn 7, Rn 15 und 384
Bestimmte Ware oder Leistung
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17). Diese anderen Produkte wären dann als dem relevanten Markt zugehörig einzustufen. Ist also eine dauerhafte und profitable (signifikante) Preiserhöhung (ohne Verlust an Kunden und Marktanteilen) nicht möglich, ist anzunehmen, dass der (hypothetische) Monopolist als Anbieter der fraglichen Produkte wettbewerblichen Verhaltensres triktionen durch alternative Produktangebote unterliegt und der relevante Markt entsprechend weiter zu fassen ist (vgl Bekanntmachung, Rn 15–19). Bei im Wege des hypothetischen Monopolistentests antizipierten Ent- 13 scheidungen eines Abnehmers können zwar auch andere Faktoren eine Rolle spielen, sie treten aber in der Regel nicht neben den Preis oder gar an dessen Stelle (16 Ok 14/08). Die Aussagekraft der Tests bleibt etwa dann beschränkt, wenn der geltende Marktpreis bereits überhöht ist („cellophane fallacy“, vgl 16 Ok 6/15s), sodass eine weitere auch geringfügige Erhöhung nicht deshalb unrentabel wird, weil die Nachfrager auf ein Substitutionsgut ausweichen, sondern weil sie dann überhaupt auf den Konsum verzichten. Umgekehrt kann ein Produkt geringerer Qualität, das zu einem niedrigeren Preis angeboten wird, ein Substitut für ein Produkt höherer Qualität sein, das zu einem höheren Preis verkauft wird, wenn dies durch Reaktion der Verbraucher auf eine relative Preiserhöhung indiziert wird. Unterschiedliche Preismodelle und -angebote für ein nach objektiven 14 Merkmalen gleiches Produkt können auf unterschiedliche Verbrauchergruppen schließen lassen. So werden etwa im Bereich der Telekommunikation für nach objektiven Merkmalen gleiche Dienste gesonderte Märkte für Geschäfts- und Privatkunden unterschieden, weil gegenüber Privat- und Geschäftskunden unterschiedliche Preise in Rechnung gestellt werden.
III. Der räumlich relevante Markt Inwieweit das Angebot einer Ware oder Dienstleistung in einem be- 15 stimmten geographischen Gebiet den relevanten Markt darstellt, hängt vor allem von den Wettbewerbskräften ab, die das Preisverhalten der jeweiligen Hersteller, Händler oder Dienstleistungserbringer beeinflussen können (Leitlinien, Rn 38). Es kommt darauf an, ob in dem Gebiet, in dem sich beteiligte Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager gegenüberstehen, die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen 385
§ 23 KartGGugerbauer sind und ob sich dieses Gebiet von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet. Eine vollkommene Homogenität der Wettbewerbsbedingungen ist dabei nicht erforderlich, es reicht, wenn diese Bedingungen einander gleichen oder hinreichend homogen sind (vgl 16 Ok 4/08). 16 Dass Bedingungen hinreichend homogen sind bedeutet, dass sie einander gleichen. Maßgebliche Faktoren sind die Eigenschaften der betroffenen Produkte oder Dienstleistungen, wesentliche Preisunterschiede, Marktzutrittsschranken, Verbraucherpräferenzen oder deutlich unterschiedliche Marktanteile der Unternehmer in räumlich benachbarten Gebieten (vgl Bekanntmachung, Rn 8; Leitlinien, Rn 55 ff). Typische Eigenschaften eines Produktes, die für die geografische Marktabgrenzung relevant sein können, sind zB die Verderblichkeit, damit verbunden eine zeitlich beschränkte Transportfähigkeit. Ein wichtiges Kriterium sind auch die Transportkosten, die in Relation zu den Produktionskosten eines bestimmten Produktes zu setzen sind: Je höher die Produktionskosten für eine bestimmten Ware sind, umso geringer ist die Bedeutung der Kosten für die Anlieferung. Hohe Frachtkostenintensität schließt dagegen Lieferungen aus einer Region in entferntere Regionen aus, lässt regionale Teilmärkte entstehen. Branchen mit hohen Transportkosten oder mit spezifischen Dienstleistungen gegenüber Endverbrauchern setzen manchmal eine lokale Präsenz voraus. Weitere Faktoren für geografische Marktzutrittsschranken können in gesetzlichen Vorschriften oder regulatorischen Schranken liegen. So besteht für Dienstleistungen auf Telekommunikationsmärkten eine nationale regulatorische Aufsicht. 17 Grundsätzlich ist bei der Berechnung von einem relevanten Markt auszugehen, der größer, gleich oder kleiner als der Geltungsbereich des KartG sein kann. Das in § 24 Abs 2 KartG verankerte Wirkungsprinzip besagt nur, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirken muss, was nicht heißt, dass auf einen nationalen Markt abzustellen ist (vgl 16 Ok 14/02). Ein bestimmter Produkt- oder Dienstleistungsmarkt kann sich als regionaler oder lokaler (zB sich auf ein Bundesland oder eine Stadt beschränkender) Teilmarkt darstellen, als sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckender nationaler Markt oder als größerer, nicht mit dem Inland begrenzter Markt, der Nachbarstaaten oder deren Teile einschließt. Nach den Verbrauchergewohnheiten kann man beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel, auf dem Kino-Markt oder auf dem Nahverkehrs-Markt regionale bzw lokale Märkte abgren386
Bestimmte Ware oder Leistung
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zen. Dies setzt voraus, dass es Orte und Regionen gibt, die entweder durch erheblich unterschiedliche Marktverhältnisse gekennzeichnet oder durch wirtschaftliche Grenzen getrennt sind (die unterschiedlichen Marktverhältnisse können auch auf unterschiedlichem Verbraucherverhalten beruhen). So ist bei der Prüfung des Marktbeherrschungstatbestandes nach § 4 18 der größtmögliche geografische Markt nicht auf das Gebiet der Republik Österreich, nicht mit dem Bundesgebiet begrenzt, sondern kann über dieses hinausgehen (vgl 16 Ok 14/02). Dies ergibt sich auch aus § 4 Abs 2, wonach sich Marktbeherrschungsvermutungen nicht alleine auf den gesamten inländischen Markt, sondern auch auf einen anderen örtlich relevanten Markt beziehen können. Dieser andere örtlich relevante Markt muss nicht unbedingt ein inländischer Teilmarkt sein, sondern es kann auch ein regionaler Markt betroffen sein, der über den inländischen Markt hinausreicht, wie dies in Verbindung mit (Teilen von) Nachbarstaaten (etwa Österreich, Süddeutschland, Norditalien und die Schweiz) vorkommen kann.
IV. Der zeitlich relevante Markt Die zeitliche Abgrenzung, ein zeitlich relevanter Markt, kann eine Rol- 19 le spielen, wenn sich die Substitutionselastizität im Zeitablauf ändert, wenn also bestimmte Waren oder Leistungen nur für eine bestimmte Zeit oder zu einer bestimmten Zeit (Saisonwaren, „Ausverkauf“, Sonntagszeitung, Messen, sportliche Großveranstaltung, usw) angeboten werden (4 Ob 165/98). Abgesehen davon können sich während der Laufzeit einer Vereinbarung oder Absprache die Marktverhältnisse so ändern, dass eine zeitliche Eingrenzung der Wettbewerbsstörung erforderlich wird.
V. Mehrseitige Märkte Auch im Fall einer unentgeltlichen Leistungsbeziehung kann ein Markt 20 vorliegen. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive entsteht ein Markt durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage und ist durch das Vorliegen einer Austauschbeziehung gekennzeichnet. Ein Markt liegt demzufolge nicht nur vor, wenn für die angebotene Leistung eine Geldzahlung verlangt wird, sondern kann auch gegeben sein, wenn bei der Transaktion kein Entgelt übertragen wird. Die Regelung 387
§ 23 KartGGugerbauer erfasst damit Geschäftsmodelle, bei denen Leistungen ohne direkte monetäre Gegenleistung angeboten werden. Das betrifft vor allem Sachverhalte, für die die Bezeichnung zwei- oder mehrseitige Märkte geprägt wurde (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 47). 21 Auf mehrseitigen Märkten werden mindestens zwei unterscheidbaren Nutzergruppen Leistungen angeboten. Wesentliches Merkmal mehrseitiger Märkte sind indirekte Netzwerkeffekte, die vorliegen, wenn der Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung (zB einer „Plattform“) für mindestens eine Nutzergruppe von der Größe einer anderen Nutzergruppe abhängt. „Plattformen“ werden im Folgenden teilweise synonym zum Begriff der mehrseitigen Märkte verwendet (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 47). 22 Der Erfolg einer Plattform kann maßgeblich von der Existenz indirekter Netzwerkeffekte abhängen. Der Betreiber einer Plattform wird versuchen, die unterschiedlichen Gruppen zur Nutzung seiner Plattform zu bewegen. Dafür ist vor allem die Wahl einer Preisstrategie von Bedeutung, mittels derer der Betreiber die Preissensitivitäten der verschiedenen Nutzergruppen berücksichtigen kann. Wie ausgeprägt die Preissensitivität der jeweiligen Nutzergruppe ist, hängt vor allem von der Intensität der Netzwerkeffekte ab. Die Nutzergruppe, deren Nutzen nicht oder deutlich weniger von der Größe der anderen Nutzergruppe abhängt, wird dann über niedrigere Preise angesprochen. Das kann eben – siehe oben – dazu führen, dass einer Nutzergruppe eine Leistung unentgeltlich angeboten wird. Ein typisches Beispiel stellen werbefinanzierte Produkte dar. Während eine Nutzergruppe ein Produkt unentgeltlich nutzen kann, zahlt die andere Nutzergruppe, die Werbetreibenden, einen Preis für die Schaltung der Werbung. Dies gilt etwa für (nicht gebührenpflichtiges) Free-TV, private Radioprogramme oder Gratiszeitungen, bei denen es eine Wechselbeziehung zwischen Reichweite (bei TV-Zusehern, Radiohörern oder Zeitungslesern) einerseits und Werbeeinnahmen (regelmäßig nach einem „Tausender-KontaktPreis“ – TKP) andererseits gibt. In der digitalen Wirtschaft werden Leistungen häufig nur zur Markteinführung unentgeltlich angeboten. Bei Erreichen einer entsprechend großen Zahl von Nutzern wird dann ein Entgelt verlangt. Die Entscheidung über die Entgeltpflicht kann das Unternehmen jederzeit treffen (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 47 f). 23 Die Europäische Kommission hat in Fusionskontrollverfahren das Vorliegen eines Marktes auch dann angenommen, wenn die Leistungen des Ziel388
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§ 23 KartG
unternehmens unentgeltlich angeboten werden (vgl Europäische Kommission, 3. Oktober 2014, COMP/M.7217 – Facebook / WhatsApp). Die Feststellung einer unentgeltlichen Austauschbeziehung rechtfertigt 24 allerdings nicht stets die Annahme, dass ein wettbewerbsrechtlich relevanter Markt vorliegt. Das gilt insbesondere außerhalb von mehrseitigen Märkten. Werden unentgeltliche Leistungen aus nichtwirtschaftlichen Motiven angeboten, ohne Teil einer zumindest mittelbar oder längerfristig auf Erwerbszwecke angelegten Strategie zu sein, fehlt die entsprechende Relevanz. Das kann beispielsweise bei der Vergabe von privaten Stipendien der Fall sein (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 48). Auf mehrseitigen Märkten kommen mindestens zwei unterscheidbare 25 Nutzergruppen zusammen. Mehrseitige Märkte gibt es in vielfältiger Gestalt. Dazu zählen Einkaufszentren (Läden und Kunden), werbefinanzierte Medien (Werbende und Konsumenten), e-commerce Plattformen (Händler und Konsumenten), technische Standards (im Fall von Blue-ray zum Beispiel Anbieter von Inhalten auf Blue-ray-Discs und Besitzer von Blue-ray-Playern), Betriebssysteme (Entwickler von Programmen und Endkunden des Betriebssystems), Spielekonsolen (Entwickler von Spielen und Spieler), Kreditkartensysteme (Kreditkarten akzeptierende Geschäfte und Kreditkartenbesitzer), App Stores (Entwickler von Apps und Endgerätenutzer; vgl RV 9. GWB-Novelle, S 49). Ein Produkt hat Netzwerkcharakter, wenn es zwischen den Nutzern 26 des Produktes zu direkten Netzwerkeffekten kommt. Solche direkten Netzwerkeffekte bestehen, wenn das Wachstum oder der Rückgang der Anzahl der Nutzer unmittelbare positive oder negative Auswirkungen auf die Nützlichkeit des Produkts bzw seiner Leistung für die individuellen Nutzer hat. Dies kann beispielsweise bei Computer-Software der Fall sein. Zwar kann der einzelne Nutzer die Software unabhängig von anderen Nutzern verwenden. Der Nutzen steigt für ihn aber mit der zunehmenden Verbreitung, zum Beispiel weil mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellte Dokumente einfacher mit anderen Nutzern derselben Software ausgetauscht werden können. Größenvorteile eines Unternehmens sind dabei von Netzwerkeffekten, die immer auf der Nutzerseite eines Produktes entstehen, zu trennen. Wenn sich beispielsweise einzelne Unternehmen zu Verbünden zusammenschließen, um gemeinsam Vorteile beim Einkauf von Produkten oder Dienstleistungen zu erzielen, liegen darin keine Netzwerkeffekte (vgl RV 9. GWB-Novelle, S 48 f). 389
§ 24 KartGGugerbauer
Anwendungsbereich § 24. (1) (Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 51/2012)
(2) Dieses Bundesgesetz ist nur anzuwenden, soweit sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist (3) Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden 1. auf einen Sachverhalt der auf Grund gesetzlicher Bestimmungen der Aufsicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde über Kreditinstitute, Bausparkassen oder private Versicherungsunternehmungen oder des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über Verkehrsunternehmen unterliegt; dies gilt jedoch nicht für Prämienbeträge des Unternehmenstarifs in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, 2. auf staatliche Monopolunternehmen, soweit sie in Ausübung der ihnen gesetzlich übertragenen Monopolbefugnisse tätig werden.
Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle, (1995); ders, Kodex Wettbewerbs- und Kartellrecht3 (2015); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/ Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Inlandsauswirkung.............................................................................. 1–7 II. Verhältnis zum Kartellrecht der EU................................................. 8–10 III. Ausnahme für Unternehmen unter Fachaufsicht.......................... 11–14 IV. Postdienste............................................................................................. 15–28 V. Monopolunternehmen........................................................................ 29
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Anwendungsbereich
§ 24 KartG
I. Inlandsauswirkung Wettbewerbsverhältnisse außerhalb des Staatsgebietes entziehen sich 1 nach dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip der Regelungsbefugnis des inländischen Gesetzgebers und der Zuständigkeit inländischer Gerichte und Behörden. Das Völkerrecht setzt dem nationalstaatlichen Erlass kartellrechtlicher Normen oder jedenfalls ihrer Anwendung klare Grenzen (vgl Stadler in Langen/Bunte, § 130 GWB, Rn 140). Der Geltungsbereich des KartG beschränkt sich daher auf das Gebiet 2 der Republik Österreich, sein Anwendungsbereich erstreckt sich jedoch auf alle Wettbewerbsbeschränkungen, die sich auf dem Inlandsmarkt auswirken, dies auch dann, wenn sie im Ausland veranlasst werden (vgl 16 Ok 3/08; 16 Ok 14, 15/02). § 24 folgt damit dem sog Auswirkungsprinzip. Maßgeblich ist nicht, ob inländische Unternehmen (und sei es auch im Ausland) an einer Wettbewerbsbeschränkung beteiligt sind, sondern ob eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Inlandsmarkt erfolgt, dies unabhängig davon, wo die beteiligten Unternehmen ihren Sitz oder ihre Betriebsstätten haben oder ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Eine Wettbewerbsbeschränkung durch juristisch selbstständige inländische Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen gilt aber jedenfalls als im Inland veranlasst und unterliegt damit der Jurisdiktion des KartGer. Das Auswirkungsprinzip ist allgemein als eine sinnvolle Anknüpfung für kartellrechtliche Normen anerkannt und ua im deutschen, schweizerischen, französischen und US-amerikanischen Kartellrecht berücksichtigt (vgl Stadler, aaO, Rn 143 mwN). Die Inanspruchnahme der Zuständigkeit aufgrund des Auswirkungs- 3 prinzips unterliegt den völkerrechtlichen Begrenzungskriterien, ua iSv Art 38 Abs 1 lit c) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs. Bei der Auslegung und Anwendung von § 24 ist insbesondere das völkerrechtliche Verbot des Rechtsmissbrauchs, das Einmischungsverbot und der Grundsatz der Interessenabwägung zu beachten, die Ziele des KartG sind unter weitgehender Vermeidung von Konflikten mit anderen Staaten über die Kriterien der Unmittelbarkeit, der Mindestintensität und der konkreten Vorhersehbarkeit zu verfolgen (vgl 16 Ok 3/08; Stadler, aaO, Rn 142). Werden diese Mindestanforderungen verfehlt, ist die Inanspruchnahme der Zuständigkeit völkerrechtlich unzulässig (aaO, Rn 144). 391
§ 24 KartGGugerbauer 4 Erforderlich ist also eine unmittelbare Wirkung der im Ausland veranlassten Wettbewerbsbeschränkung. Ließe man eine nur mittelbare Wirkung ausreichen, würden wohl Kompetenzkonflikte drohen, die in der Regel kaum durch ein gewichtiges eigenes Regelungsinteresse gerechtfertigt werden könnten (vgl Stadler, aaO, Rn 150). Tatsächlich gibt es aber wegen der wachsenden Bedeutung des EU-Kartellrechts – von der Zusammenschluss-Kontrolle abgesehen – ohnedies kaum nennenswerte Fälle, in denen das KartG auf im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen zur Anwendung kommt, sodass die Bedeutung von § 24 Abs 2 gering bleibt. 5 Völkerrechtlich zulässig ist die Inanspruchnahme der Zuständigkeit nicht nur bei tatsächlicher, sondern bereits bei – konkret – möglicher Inlandsauswirkung. Eine nur abstrakte Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von Inlandsauswirkungen genügt also nicht. Vielmehr muss aufgrund konkreter Tatsachen nach allgemeiner wirtschaftlicher Erfahrung eine im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkung geeignet sein, sich auf den Inlandsmarkt unmittelbar und spürbar auszuwirken (16 Ok 3/08). Vor allem im Hinblick auf die (potentiellen) Auswirkungen eines Zusammenschlusses tritt die Prognose an die Stelle eines ex-post Nachweises. Eine Inlandsauswirkung ist dann anzunehmen, wenn das Zielunternehmen Leistungen im Inland erbringt bzw in absehbarer Zukunft erbringen wird, oder wenn das Zielunternehmen Leistungen auf einem Markt (zB einem EU-weiten Markt) erbringt, der weiter als national ist, aber Österreich jedenfalls einschließt, selbst wenn die Zielgesellschaft im Inland (noch) keine Leistungen anbietet. Dass der Zusammenschluss Auswirkungen im Inland haben wird, kann auch dann der Fall sein, wenn die Marktstellung eines Erwerbers durch einen Zusammenschluss „spürbar“ bzw „unmittelbar“ verbessert wird, die bloße Stärkung der Finanzkraft eines (inländischen) Erwerbers genügt dagegen nicht (25 Kt 1/10). Da die Inlandsauswirkung ein objektives Tatbestandsmerkmal ist, kommt es auf die subjektive Absicht der Beteiligten nicht an. Relevant sind vielmehr objektiv vorhersehbare Inlandsauswirkungen (vgl Stadler, aaO, Rn 152). 6 Was die Mindestintensität einer Inlandsauswirkung betrifft, wäre die Erfassung von Auslandsbeschränkungen unterhalb einer Bagatellgrenze als Verstoß gegen das völkerrechtliche Missbrauchsverbot unzulässig. Diese Bagatellgrenze entspricht dem auch dem österreichischen Kartellrecht zu Grunde gelegten Merkmal der Spürbarkeit. Eine höhe392
Anwendungsbereich
§ 24 KartG
re Intensität wie „erheblich“, „wesentlich“ oder „beträchtlich“ ist nicht zu verlangen (vgl Stadler, aaO, Rn 151). Für Kartelle definiert die Bagatellklausel des § 2 Abs 2 Z 1 die erforderliche Spürbarkeit der Inlandsauswirkung. Die Inlandsauswirkung ist nicht relevant, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufgrund der Interdependenz der Märkte bloße „Reflexwirkungen“ auf dem inländischen Markt zur Folge hat (16 Ok 3/08). Beim Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Ausland 7 kann es zu Inlandsauswirkungen kommen, soweit eine unmittelbare Beziehung besteht (zB Vertrieb von Waren im Inland durch die eigene Absatzorganisation des marktbeherrschenden Unternehmens; vgl 16 Ok 3/08).
II. Verhältnis zum Kartellrecht der EU Wenn auch zufolge des Auswirkungsprinzips Auslandssachverhalte, 8 die den Wettbewerb auf einem Inlandsmarkt beeinträchtigen, eine Zuständigkeit des KartGer begründen können, bedeutet dies nicht, dass in jedem Fall das KartG zur Anwendung kommen muss. Gem Art 5 und 6 der VO 1/2003 sind nationale Wettbewerbsbehörden und Gerichte – auch – für die Anwendung von Art 101 f AEUV zuständig. Sie haben bei der Prüfung von Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, wie auch bei der Prüfung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Binnenmarkt oder in einem wesentlich Teil desselben (mit Zwischenstaatlichkeitsbezug) Kartellrecht der EU anzuwenden. Nach Art 3 Abs 2 Satz 1 der VO 1/2003 darf die Anwendung des KartG nicht zum Verbot von Vereinbarungen, abgestimmten Verhaltensweisen oder Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen führen, die zwar einen Zwischenstaatlichkeitsbezug aufweisen, aber entweder nicht gegen das Kartellverbot nach Art 101 Abs 1 AEUV verstoßen, oder unter die Legalausnahme des Art 101 Abs 3 fallen. Was das Kartellverbot betrifft schließt die VO 1/2003 also die Anwendung strengeren nationalen Rechts aus. Wenn – umgekehrt – das KartG Vereinbarungen, Verhaltensweise oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen erlauben sollte, die nach Art 101 AEUV verboten sind, ist – bei gegebener Zwischenstaatlichkeit – der Anwendungsvorrang des Wettbewerbsrechts der EU zu beachten. 393
§ 24 KartGGugerbauer 9 Der Vorrang des Wettbewerbsrechts der EU (gegenüber strengerem nationalen Kartellrecht) erstreckt sich aber gem Art 3 Abs 2 Satz 2 VO 1/2003 nicht auf einseitiges (wettbewerbsbeschränkendes) Verhalten. Gegen einseitige Maßnahmen (etwa den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung), die sich auf ihren Märkten auswirken, dürfen die Mitgliedstaaten der EU strengere innerstaatliche Vorschriften erlassen und anwenden. 10 Das Verhältnis von nationaler und europäischer Zusammenschlusskontrolle wird durch die FKVO geregelt. Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung sind bei der Europäischen Kommission anzumelden. Auf Zusammenschlüsse ohne gemeinschaftsweite Bedeutung, oder Zusammenschlüsse mit gemeinschaftsweiter Bedeutung, die aber gem Art 9 FKVO an die nationale Behörde verwiesen worden sind, ist allein nationales Recht anwendbar.
III. Ausnahme für Unternehmen unter Fachaufsicht 11 Wettbewerbsbeschränkende bzw missbräuchliche Verhaltensweisen von Kreditinstituten, Bausparkassen, privaten Versicherungsunternehmungen (Sozialversicherungsanstalten sind nicht erfasst) oder Verkehrsunternehmen, die einer besonderen behördlichen Fachaufsicht, nämlich der Aufsicht der Finanzmarktbehörde (FMA) oder der Aufsicht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), unterstehen, sind von der Anwendung des KartG ausgenommen. 12 Nicht jede behördliche Fachaufsicht bewirkt also eine Ausnehmung vom KartG, so fallen etwa gemeinnützige Bauvereinigungen nicht unter die Bereichsausnahme, obwohl ihre Geschäftsführung der (landes) behördlichen Überwachung unterliegt (§ 29 WGG). 13 Unternehmen der in § 24 Abs 3 Z 1 Branchen sind nicht generell, sondern nur insoweit vom KartG ausgenommen, als ein bestimmter Sachverhalt unter der Aufsicht der FMA bzw des BMVIT steht. Für Kreditinstitute ist die Aufsicht beispielsweise im BWG geregelt. Demgemäß unterliegt etwa die Erhöhung der Gebühren für Girokonten nicht der Aufsicht der FMA (vgl Okt 7/91). Für private Versicherungsunternehmen wird die Bereichsausnahme durch § 24 Abs 3 Z 1 insofern eingeschränkt, als Prämienbeiträge des Unternehmenstarifs in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung dem KartG unterliegen. 394
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§ 24 KartG
Die Ausnahmen nach § 24 Abs 3 gelten für den Anwendungsbereich 14 des KartG, Sachverhalte mit Zwischenstaatlichkeitsbezug werden dagegen von Art 101 und 102 AEUV erfasst. In letzterem Falle können sich Unternehmen nicht auf eine Kartellrechtsimmunität berufen. BWB und KartGer haben wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot mit Zwischenstaatlichkeitsbezug gegen ein Unternehmen, das unter die Bereichsausnahme nach § 24 Abs 3 Z 1 fallen würde, nach Art 101 Abs 1 AEUV vorzugehen, die VO 1/2003 legt den Vorrang von europäischem vor nationalem Kartellrecht fest (vgl 16 Ok 6/05).
IV. Postdienste Die Österreichischen Post AG und die Österreichische Bundesbahnen 15 unterliegen keiner Aufsicht iSv § 24 Abs 3 Z 1. Auf der Grundlage der 1. Postrichtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 erfolgte eine (zunächst teilweise) Liberalisierung des Postsektors. Nach der 2. Postrichtlinie 2002/39/EG vom 10.6.2002, welche einen Zeitplan für die schrittweise Öffnung des Postmarktes vorgab, stellt die 3. Postrichtlinie 2008/6/EG, ABl 2008 L 52/3, auf die Verwirklichung einer vollständigen Marktöffnung ab. Das mit 1.1.2011 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Regulierung 16 des Postmarktes (Postmarktgesetz – PMG) idF BGBl Nr 134/2015, geht von einer Teilnahme der Post am Wettbewerb aus. Es ist Zweck des Postmarktgesetze, bei der Erbringung von Postdiensten einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen (§ 1 Abs 1 lit b PMG). Die staatliche Post-Control-Kommission (PCK) wurde mit Aufsichtsmaßnahmen betreut. Dazu gehört insbesondere die bescheidmäßige vorläufige Untersagung geplanter Maßnahmen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Verpflichtungen nach dem Postmarktgesetz oder einer aufgrund des Postmarktgesetzes erlassenen Verordnung nicht eingehalten werden (§ 50 Abs 1 Z 4). Der der Österreichischen Post AG eingeräumte Spielraum unterliegt 17 der kartellrechtlichen Kontrolle (16 Ok 9/04; 16 Ok 3/01). Aufsichtsmaßnahmen betreffend die Einhaltung des Kartellgesetzes (KartG) gehören aber nicht in den Zuständigkeitsbereich der Post-Control-Kommission. Sie ist jedoch, soweit es zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben erforderlich ist, zur Amtshilfe gegenüber dem KartG, dem KOG, dem BKAnw und der BWB berechtigt und verpflichtet (§ 48 Abs 1 PMG). 395
§ 24 KartGGugerbauer 18 Als ehemalige Monopolistin für Postdienstleistungen und als Universaldienstbetreiber iSv § 12 Abs 1 des Postmarktgesetzes besitzt die Österreichische Post AG in weiten Teilen des österreichischen Postsektors eine im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung. Dies betrifft insbesondere ihre Finanzkraft (nicht zuletzt aufgrund des Gesellschafterstatus’ der Republik Österreich), ihre Beziehungen zu anderen Unternehmen und staatlichen Behörden, welche die Dienste der Post in Anspruch nehmen, und – im Hinblick auf ihr bundesweit lückenlos eingerichtetes Zustellsystem – die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungsmärkten. Vor allem durch das letztere Kriterium wird der Marktzutritt für andere Unternehmen beschränkt. Die Post ist daher marktbeherrschend iSv § 4 Abs 1 Z 2 KartG. 19 Die Europäische Kommission ist mit Entscheidungen auf der Grundlage von Art 106 Abs 3 AEUV gegen staatliche Maßnahmen vorgegangen, welche die mit dem postalischen Universaldienst betrauten und in Teilen ihrer Tätigkeit durch Ausschließlichkeitsrechte geschützten öffentlichen Postunternehmen zu missbräuchlichen Praktiken verleiteten. Die Entscheidungen der Kommission betrafen vor allem Postvorbereitungsdienste, die der Zustellung vorgelagert, jedoch auf die Inanspruchnahme der Zustellung durch die Post angewiesen sind. Unter Postvorbereitungsdienst wird insbesondere die Vorbereitung von Sendungen für den Versand für den Absender verstanden (Druck, Kuvertierung oder Einschweißung, Etikettierung, Adressierung und Frankierung), aber auch das Sammeln, Ordnen, Sortieren und die Einlieferung bei den Postämtern. Ferner können darunter Leistungen fallen, die für das mit dem postalischen Universaldienst betraute Unternehmen erbracht werden, etwa die Vorbereitung der Postsendungen, ihre Verpackung in Postsäcken unter Einhaltung bestimmter Normen, die Sortierung nach Bestimmungsorten und die Einlieferung bei dafür bestimmten Postämtern (vgl Mestmäcker/Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Art 106 Abs 3 AEUV, FN 130). 20 In einer auf Art 106 Abs 3 AEUV gestützten Entscheidung vom 20.10.2004 hat die Europäische Kommission beispielsweise einen Verstoß der deutschen Regelung zu Postvorbereitungsdiensten gegen Art 106 Abs 1 iVm Art 102 AEUV festgestellt. Das deutsche Postgesetzt ermöglichte es Absendern, Briefsendungen, deren Beförderung den der Deutschen Post AG gewährten Ausschließlichkeitsrechten unterfiel, bei einem der den örtlichen Annahmestellen nachgelagerten Briefzentren der Deutsche Post AG einzuspeisen und hierfür Nachläs396
Anwendungsbereich
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se auf die normalen Entgelte zu erlangen. Nach Beschlüssen der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation waren diese Nachlässe, die ein entscheidendes Verkaufsargument auf dem Markt für Postvorbereitungsdienste sind, jedoch uneingeschränkt nur für vom Absender selbst eingelieferte Sendungen (sogenannte Eigenbeförderung) verfügbar. Gewerbliche Postvorbereiter, die für mehrere Kunden auftreten (sogenannte „Konsolidierer“), erhielten keine Entgeltermäßigung. Diese Rechtslage verstieß gegen Art 106 Abs 1 iVm Art 102 AEUV, da sie erhebliche Wettbewerbsnachteile für Konsolidierer bedeutete und damit die Deutsche Post AG dabei unterstützte, ihre marktbeherrschende Stellung auf benachbarte Märkte zu erstrecken. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Rahmen eines Vor- 21 abentscheidungsverfahrens mit Urteil vom 6.3.2008 (EuGH, 6.3.2008 – Rs C-287/06 bis C-292/06) entschieden, dass die Richtlinie 97/67/EG („Gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarkts der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstqualität“, ABl 1998 L 15, 14; vgl § 1 Abs 2 PMG) so auszulegen sei, dass Unternehmen, die Postsendungen mehrerer Absender gewerblich und im eigenen Namen zusammenfassen würden, Sondertarife nicht verweigert werden dürften, die der nationale Anbieter von Univeralpostdienstleistungen Geschäftskunden für die Anlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in seinen Briefzentren gewähre. Die Wettbewerbschancen für auf einem vorgelagerten Markt tätige Unternehmen dürfen nicht durch eine missbräuchliche Preis-Kosten-Schere ausgehebelt werden (vgl Bunte in Langen/Bunte, Bd 2, Syst. II, Post, Rn 16). Die Preis-Kosten-Schere beschreibt einen Fall von Behinderungsmiss- 22 brauch durch das Zugang gewährende marktbeherrschende Unternehmen. Eine Preis-Kosten-Schere liegt vor, wenn die Differenz zwischen den Endkundenentgelten eines marktbeherrschenden Unternehmens und dem Vorleistungsentgelt für vergleichbare Leistungen an seine Wettbewerber entweder negativ ist oder nicht ausreicht, um die produktspezifischen Kosten des marktbeherrschenden Betreibers für die Erbringung seiner eigenen Endkundendienste im nachgeordneten Markt zu decken (vgl EU-Kommission, 21.5.2003 „Telekom“ ABl Nr L 263 vom 14.10.2003, S 9, Rn 102). Dass sich die Problematik einer solchen Preis-Kosten-Schere auch im Postsektor stellen kann, hat sich in verschiedenen Verfahren vor dem EuGH gezeigt (vgl etwa EuGH, 14.10.2010, Slg 2010, I-9555; 17.2.2011, Slg 2011, I-527). 397
§ 24 KartGGugerbauer 23 Bei richtlinienkonformer Auslegung der postrechtlichen Vorschriften anhand der Postdienste RL 97/67/EG greift eine Konsolidierungstätigkeit in keinen Exklusivbereich der Österreichischen Post AG ein. Der EuGH hat die Verpflichtung der Mitgliedstaaten betont, die Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung zu beachten. Wenn ein nationaler Anbieter von Universalpostdienstleistungen (also etwa auch die Österreichische Post AG) für Dienste gegenüber Geschäftskunden Sondertarife einräumt, so sind diese Tarife ebenso wie die sie betreffenden Bedingungen in gleicher Weise in Beziehung zu Masseversendern oder Konsolidierern von Sendungen mehrerer Kunden anzuwenden (EuGH, aaO, Tz 42/43). 24 Auch auf dem österreichischen Markt für die Zustellung persönlich adressierter Direktmarketing-Aussendungen verfügt die österreichische Post AG, soweit sie überhaupt wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist (vgl § 4 Abs 1 Z 1 KartG), jedenfalls über einen Marktanteil, der deutlich über die Schwellen von § 4 Abs 2 Z 1, bzw § 4 Abs 2a Z 1 KartG hinausgeht. Die Österreichische Post AG ist daher auf dem Markt für die Zustellung persönlich adressierter Direktmarketing-Aussendungen beherrschend iSv § 4 Abs 2 Z 1 und § 4 Abs 2a Z 1 KartG sowie Art 102 AEUV (vgl auch 16 Ok 3/01). 25 Zwischen dem Angebot von Flächen für Werbeanzeigen im Rahmen eines redaktionellen Umfeldes einerseits und – unadressierten – Prospekten, Flyern und dgl andererseits besteht aus Sicht der Anzeigenkunden ein Substitutionswettbewerb. Auch auf dem Markt für die Verteilung von „Nur-Werbung“, also etwa von Prospekten oder Flyern, kommt der Post eine marktbeherrschende Stellung zu (vgl 26 Kt 9, 10/01). Der Anteil der Post am Markt der Verteilung gedruckter Werbung hat – unter Einrechnung ihrer Tochtergesellschaft – im Jahr 1999 über 55 %, im Jahre 2001 66% betragen (16 Ok 9/04), die Marktverhältnisse dürften sich seitdem nicht massiv verändert haben. 26 In Österreich ist weder die Zustellung gedruckter unadressierter Werbung, noch die Zustellung unadressierter Gratiszeitungen gesetzlich geregelt. Insofern gibt es (im Gegensatz zu § 107 TKG für elektronische Kommunikation) auch kein gesetzliches Verbot und keine gesetzliche Einschränkung der Zustellung von unadressierter gedruckter Werbung (oder von unadressierten Gratiszeitungen). Dies gilt auch im Hinblick auf § 1 Abs 1 Z 2 UWG („Wer im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik anwendet, die den Erfordernissen der be398
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ruflichen Sorgfalt widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht, oder an den sie sich richtet, wesentlich zu beeinflussen, kann auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden“): Die Herausgabe einer Regionalzeitung (und deren Zustellung an Haushalte) stellt keine „unlautere Geschäftspraktik“ dar, die den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und geeignet wäre, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Nach der Legaldefinition in § 1 Abs 4 Z 3 UWG würde „eine wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verbraucherverhaltens“ dann vorliegen, wenn die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt würde und damit der Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden sollte, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Zwischen bloßer Werbung (insbesondere in der Form von Prospekten, 27 Flyern, Katalogen, Werbebriefen und dgl) und Zeitungen, die einen werthaltigen redaktionellen Anteil von zumindest 25% haben (wenn sie auch durch Werbeanzeigen finanziert sind), besteht aus Sicht der Empfänger keine Substitutionsbeziehung: Eine Zeitung mit lokalen und regionalen Nachrichten kann nicht durch einen Werbeprospekt für – beispielsweise – Elektrogeräte ersetzt werden (vgl dazu auch 26 Kt 8, 9/08). Auf dem Zustellungsmarkt ist reine Werbung (Prospekte, Flyer, etc), die sich nicht in einem redaktionell gestalteten Medium findet, schon im Hinblick auf die „Werbeverweigerer“ an anderen Kriterien zu messen als die Zustellung von Zeitungen. In Österreich gibt es noch keine Rechtssprechung betreffend die Diffe- 28 renzierung zwischen Werbeprospekten, Katalogen, Flugblättern und ähnlichen Kommunikationsmitteln einerseits und Gratiszeitungen mit redaktionellem Inhalt, die auch Werbeinserate beinhalten und denen Werbeprospekte beigelegt sein können, andererseits. Bei einer vergleichbaren Rechtslage hat das deutsche Höchstgericht entschieden, dass vom Verbraucherverständnis und Verbraucherinteresse her zwischen Werbeprospekten und Gratiszeitungen zu unterscheiden ist (BGH 16.5.2012, I ZR 158/11). Gratiszeitungen würden lokale und regionale Informationen transportieren, die sonst – zumindest in dieser dichten Form – nicht zugänglich seien, weshalb von einem Interesse der Verbraucher, also der Empfänger solcher Gratiszeitungen, am Erhalt dieser redaktionell gestalteten Gratiszeitungen ausgegangen werden 399
§ 25 KartGGugerbauer könne. Dies bedeutet, dass die Zustellung von Regionalzeitungen (auch) an Haushalte, die sich als „Flugblattverzichter“ oder „Werbeverweigerer“ deklariert haben, weder gegen (§ 1) UWG verstößt, noch eine Besitzstörung darstellt, und die Verweigerung der Zustellung daher missbräuchlich iSv § 5 ist.
V. Monopolunternehmen (§ 24 Abs 3 Z 2) 29 Wettbewerbsbeschränkungen durch gesetzlich verankerte Monopole verstoßen nicht gegen die Verbotstatbestände des KartG. Die Ausnahme ist auf Maßnahmen und Verhaltensweisen beschränkt, die in Ausübung der gesetzlich übertragenen Monopolverwaltung gesetzt werden.
Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften § 25. Rechtsvorschriften, die Preise, Preisgrenzen oder Kalkulationsrichtlinien festsetzen oder zu ihrer Festsetzung ermächtigen, werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt. 1 § 25 unterstreicht den Vorrang preisrechtlicher Vorschriften gegenüber wettbewerbsrechtlichen Normen. Solche Normen gibt es etwa im Zusammenhang mit der Abnahme elektrischer Energie aus Ökostromanlagen oder mit der Preisbindung für Bücher. 2 Beschlüsse von Standesvertretungen, mit denen Preise/Tarife vorgegeben werden, können, selbst wenn diese Maßnahmen nach österreichischen Recht erlaubt wären, aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts gegen das Kartell- oder Missbrauchsverbot verstoßen: Bei Sachverhalten, die das „Zwischenstaatlichkeitskriterium“ berühren, kommen die Art 101 und Art 102 AEUV zur Anwendung. Über Unternehmen, die an solchen Praktiken beteiligt sind, ist nur dann kein Bußgeld zu verhängen, wenn sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten verpflichtet sind, dh keinen wettbewerblichen Handlungsspielraum haben (vgl Europäische Kommission, UGEL/BNIC, ABl L 1982/379, 1).
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Abstellung
§ 26 KartG
II. Hauptstück Rechtsdurchsetzung 1. Abschnitt Abstellung von Zuwiderhandlungen und Feststellungen Abstellung § 26. Das Kartellgericht hat Zuwiderhandlungen gegen die im ersten Hauptstück enthaltenen Verbote wirksam abzustellen und den beteiligten Unternehmern und Unternehmervereinigungen die hiezu erforderlichen Aufträge zu erteilen; diese Aufträge dürfen mit Beziehung auf die Zuwiderhandlung nicht unverhältnismäßig sein. Eine Änderung der Unternehmensstruktur darf das Kartellgericht nur dann auftragen, wenn keine anderen gleich wirksamen Maßnahmen zur Verfügung stehen oder diese mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmer verbunden wären. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Anhaltend verbotswidriges Verhalten ............................................. 1–5 II. Antragsprinzip..................................................................................... 6–8 III. Verhältnismäßigkeit............................................................................ 9–10 IV. Unterlassungsauftrag.......................................................................... 11–16 V. Auftrag zu aktivem Tun...................................................................... 17–20
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§ 26 KartGGugerbauer VI. Auftrag struktureller Maßnahmen................................................... 21–22 VII. Abstellungsbeschluss........................................................................... 23–29
I. Anhaltend verbotswidriges Verhalten 1 Bei einem Verstoß gegen eines der Verbote des 1. Hauptstücks des KartG „hat“ das KartGer Unternehmen dieses kartellgesetzwidrige Verhalten zu untersagen, ihnen rechtlich bindende Aufträge zu erteilen und dabei aktiv in das Marktverhalten, gegebenenfalls sogar in die Struktur der betreffenden Unternehmen einzugreifen. Erfasst werden Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1), das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 5), das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen (§ 6) sowie das Durchführungsverbot (§ 17). Was den räumlichen Anwendungsbereich des § 26 betrifft ist maßgeblich, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist. Da rüber hinaus sind die Bereichsausnahmen des § 24 Abs 3 zu beachten. Die Nichtbefolgung eines entsprechenden Auftrages des KartGer ist gem § 29 mit Geldbußen bedroht. 2 Gegenstand des kartellgerichtlichen Abstellungsauftrags ist ein – im Entscheidungszeitpunkt noch anhaltendes – verbotswidriges Verhalten (16 Ok 4/15x; 16 Ok 9/08). Gem stRsp ist ein Antrag nach § 26 ohne jede inhaltliche Prüfung abzuweisen, wenn das Verhalten im Entscheidungszeitpunkt bereits – definitiv – beendet ist (vgl 16 Ok 10/02). Denn dann mangelt es an der Verwirklichung eines Tatbestandes, die für die Zukunft untersagt werden könnte (vgl 16 Ok 13/08; 16 Ok 8/08). Die bloße Behauptung, das wettbewerbsbeschränkende Verhalten aufgegeben zu haben, reicht aber nicht aus, um den Abstellungsauftrag abzuwenden (vgl zum dt Recht BGH, 14.8.2008 „Lottoblock“, WuW/E DE-R 2408 Tz 53). Inwieweit eine substantiierte Erklärung glaubwürdig ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Vor allem wenn das Endes des verbotswidrigen Verhaltens durch eine einschneidende Zäsur markiert wird, kann dies gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen. 3 Wurde ein gegen die Verbotstatbestände des KartG verwirklichtes Verhalten lediglich aufgrund der Einleitung des kartellgerichtlichen Verfahrens eingestellt und könnte es jederzeit wieder aufgenommen werden, wird die Erlassung eines Abstellungsauftrags dadurch nicht ausgeschlossen. Auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder zu 402
Abstellung
§ 26 KartG
vergleichbaren Kartellrechtsverstößen eines Unternehmens gekommen ist, die sich in der Zusammenschau als fortgesetzte Geschäftspraxis darstellen, kann nach Maßgabe des zeitlichen Abstandes zum letzten derartigen Verstoß ein Abstellungsauftrag erlassen werden. Wird gegenüber einer marktbeherrschenden Einzelhandelskette der Verkauf unter Einstandspreis beanstandet, kann auch dann noch ein Abstellungsauftrag ergehen, wenn die Angebote, die Anlass für das Einschreiten waren, längst nicht mehr aktuell sind (vgl Bornkamm in Langen/Bunte, § 32 GWB, Rn 16). Die Erlassung eines Abstellungsauftrags ist auch dann zulässig, wenn 4 das kartellrechtswidrige Verhalten als solches zwar beendet ist, sich aber nach wie vor Folgewirkungen zeigen bzw in der Marktstruktur niederschlagen. Wenn etwa der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zwar bereits beendet ist, dessen Auswirkungen aber aufgrund des langfristigen Charakters der mit den Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens abgeschlossenen Verträge noch andauern, kann der Wettbewerb – bis zum Ende der Laufzeit dieser Dauerschuldverhältnisse – weiter nachteilig beeinflusst werden. Dann können die benachteiligten Unternehmen (etwa vom Markt ausgeschlossene Wettbewerber) nicht einfach auf Schadenersatzansprüche verwiesen werden, da die effiziente Wiederherstellung des Wettbewerbs und nicht ein – stets nur ein Surrogat bildender – finanzieller Ausgleich für die Beeinträchtigung des Wettbewerbs vorrangiges Anliegen der Rechtsordnung ist (vgl 6 Ok 13/08). Behindernde Auswirkungen von Verträgen können manchmal nur dadurch abgestellt werden, den Kunden das Recht zur Anpassung eingeräumt wird. Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann etwa dazu verpflichtet werden, innerhalb eines bestimmten Zeitraums allen Kunden mitzuteilen, dass bestimmte Konditionen nicht mehr gelten (vgl 16 Ok 13/08). Die Kartellrechtswidrigkeit kann aber trotz der Fortsetzung des bean- 5 standeten Verhaltens wegfallen, wenn die Normadressateneigenschaft entfällt, etwa weil das betreffende Unternehmen Beteiligungen veräußert und damit unter die Grenze der Marktbeherrschung sinkt (vgl Bornkamm, aaO, Rn 33). Werden Unternehmensteile, in deren Geschäftsbereich gegen kartellrechtliche Bestimmungen verstoßen wurde, aus einem Unternehmen ausgegliedert, kann dem betroffenen Unternehmen nicht die Überbindung kartellgerichtlicher Abstellungsaufträge an den Unternehmensnachfolger aufgetragen werden (16 Ok 20/04). Darüber hinaus hat sich ein Abstellungsauftrag an der Sach- und 403
§ 26 KartGGugerbauer Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung zu orientieren, künftige Sachverhaltsänderungen können nicht erfasst werden.
II. Antragsprinzip 6 Das KartGer entscheidet grundsätzlich nur auf Antrag (§ 36 Abs 1) einer hierzu berechtigten Partei, also einer Amtspartei (BWB oder BKAnw), einer durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichteten Behörde (Regulator), der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte oder der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs. Aber auch auf Grund des Antrages eines Unternehmens (bzw einer Unternehmensvereinigung), das ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat (§ 36 Abs 4). 7 Der verfahrenseinleitende Antrag muss hinreichend konkretisiert sein, vor allem muss ihm „das geschuldete Verhalten“ nach Gegenstand, Art, Umfang und Zeit zu entnehmen sein (16 Ok 20/04). Der Untersuchungsgrundsatz des § 16 Abs 1 AußStrG, der die grundlegende Anordnung des Gesetzes für die Stoffsammlung im Außerstreitverfahren enthält, wird durch eine Mitwirkungspflicht der Parteien gemäß § 16 Abs 2 AußStrG abgesichert (16 Ok 15/08). Da die Entscheidung auf Parteienantrag erlassen wird, hat sich das KartGer etwa auch bei einem Auftrag an einen Sachverständigen im Rahmen der Anträge der Parteien zu halten (16 Ok 7/02). 8 Bei der Entscheidung und beschlussmäßigen Ausfertigung ist das KartGer nicht an die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen gebunden, es hat vielmehr nach eigenem Ermessen jene Maßnahmen festzulegen, die eine „wirksame“ Abstellung des Verstoßes gewährleisten, und alle „erforderlichen“ Aufträge zu erteilen. Die Zurückziehung des Antrags beendet das Verfahren. § 36 Abs 5 räumt den Amtsparteien allerdings die Möglichkeit der Fortführung des aufgrund des Antrages einer anderen Partei eingeleiteten Verfahrens durch Stellung eines Fortsetzungsantrags ein.
III. Verhältnismäßigkeit 9 Abstellungsaufträge dürfen in Relation zu einem bestimmten Verstoß gegen das KartG nicht unverhältnismäßig sein. Die Belastungen, die 404
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dem Unternehmen auferlegt werden, dürfen also nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Ziels – der Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands – angemessen und erforderlich ist (vgl EuGH, 6.4.1995 „RTE und JTP / Kommission“, Slg 1995, I-743 Rn 90). Diese Einschränkung beeinflusst die Zulässigkeit aufzutragender Maßnahmen. Verhaltensorientierte Maßnahmen genießen Vorrang vor strukturellen Maßnahmen. Bei verhaltensorientierten Maßnahmen folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip wiederum der Vorrang eines Unterlassungsauftrags vor einem Auftrag positiven Tuns (durch Ersteren wird weniger in die Dispositionsfreiheit der betroffenen Unternehmen eingegriffen). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird verletzt, wenn der Ermessensgebrauch zu einer zwar abstrakt zulässigen, im konkreten Fall aber nicht nur unzweckmäßigen, sondern ungeeigneten, nicht erforderlichen oder unangemessenen Rechtsfolge führt (vgl Bornkamm, aaO, Rn 41). Im EU-Wettbewerbsrecht ist nach dem Erwägungsgrund 12 der VO 10 1/2003 – die Anordnung von Änderungen der Unternehmensstruktur (nur) dann verhältnismäßig (und damit zulässig), wenn ein erhebliches, durch die Struktur eines Unternehmens als solche bedingtes Risiko anhaltender oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegeben ist. Ähnlich gelagert ist der Fall, dass der Kartellverstoß selbst ein struktureller ist, wenn zB ein Gemeinschaftsunternehmen als solches gegen Art 101 Abs 1 AEUV (bzw gegen § 1 KartG) verstößt und dieser Verstoß nur dadurch beseitigt werden kann, dass die Gemeinsamkeit der Beteiligungen an dem Gemeinschaftsunternehmen aufgegeben wird. Strukturelle Maßnahmen stehen auch nach Art 7 Abs 1 der VO 1/2003 unter einem besonderen Rechtfertigungsdruck. Der Extremfall struktureller Abhilfemaßnahmen besteht in der Entflechtung marktbeherrschender Unternehmen, aber auch andere Eingriffe in die Struktur, etwa die rechtliche oder organisatorische Verselbstständigung eines Unternehmensteils oder die Gewährung des Zugangs zu wichtiger Infrastruktur, können einschneidende Auswirkungen haben (vgl Bornkamm, aaO, Rn 32). Jedenfalls bei einer Verletzung der Bestimmungen über die Zusammenschlusskontrolle durch einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot kann die Anordnung struktureller Maßnahmen zur Abstellung des Verstoßes aber sowohl verhältnismäßig als auch notwendig sein, wenn sie bezweckt, die verbotenerweise vorgenommenen strukturellen Verflechtungen rückgängig zu machen. 405
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IV. Unterlassungsauftrag 11 Ein kartellgerichtlicher Abstellungsauftrag hat sich stets gegen ein konkret als verbotswidrig beschriebenes Verhalten zu richten (16 Ok 11/04). Ein (vorbeugender) Abstellungsantrag zur Verhinderung künftigen missbräuchlichen Verhaltens ist dem österreichischen Kartellrecht fremd (16 Ok 13/08). Besteht der abzustellende Verstoß in einem aktiven Tun, wird in der Regel die Unterlassung des als Verstoß qualifizierten Verhaltens aufzutragen sei. Art und Umfang bestimmt sich nach dem Marktverhalten (16 Ok 6/08). Ein allgemein gefasstes Unterlassungsgebot ist gegebenenfalls durch konkrete Einzelverbote zu ergänzen (16 Ok 2, 3/09). Inwieweit ein in der Vergangenheit liegendes kartellrechtswidriges Verhalten allenfalls Schadenersatz-, Beseitigungsund Unterlassungsansprüche betroffener Marktteilnehmer auslösen kann, ist nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Diese Fragen sind jedenfalls nicht Gegenstand eines auf § 26 gestützten Verfahrens vor dem KartGer (vgl 16 Ok 13/08). 12 Wird ein Vertrag oder werden Verträge mit kartellrechtswidrigen Klauseln (die gegen § 1 verstoßen) beanstandet, kann der Abschluss derartiger, genau zu bezeichnender Verträge ohne Beschränkung auf bestimmte kartellrechtlich verbotene Klauseln untersagt werden. Es reicht aus, wenn sich aus der Begründung des Abstellungsauftrages ergibt, welche Klauseln Anlass zu der Untersagung gegeben haben. Alternativ dazu kann das KartGer eine abstraktere Verbotsform wählen und generell den Abschluss von Verträgen untersagen, die die – in diesem Falle einzeln zu benennenden – kartellrechtswidrigen Bestimmungen enthalten (vgl Bornkamm, aaO, Rn 43). 13 Das gesetzliche Verbot bezieht sich nicht nur auf den Abschluss kartellrechtswidriger Verträge, sondern auch auf deren Durchführung. Daher kann auch die Durchführung zum Gegenstand eines Abstellungsauftrags gemacht werden. In diesem Fall ergibt sich freilich die Notwendigkeit, bereits im Tenor des Auftrags die kartellrechtswidrigen Vertragsbestimmungen zu benennen; denn die Durchführung kartellrechtsneutraler Klauseln fällt in der Regel nicht unter das Kartellverbot (Bornkamm, aaO, Rn 44). 14 Werden durch ein behauptetes missbräuchliches Verhalten Kunden durch Einräumung besonders vorteilhafter Konditionen begünstigt, greift ein Unterlassungsbegehren uU in die Position der Kunden, also 406
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der Marktgegenseite, ein. Dies ist jedenfalls bei einem schwerwiegenden Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, dessen Auswirkungen noch fortwirken, zulässig, wenn diese Maßnahme – abgesehen von (ohnedies stets nur subsidiär zulässigen) noch einschneidenderen strukturellen Maßnahmen wie der Spaltung des beherrschenden Unternehmens und der Übertragung der betroffenen Verträge auf eine neue Gesellschaft – die einzige Möglichkeit ist, die Auswirkungen des Missbrauchs auf die Marktstruktur zu beseitigen. Die Maßnahme steht dann auch im Einklang mit der zivilrechtlichen Rechtslage, weil solche Verträge wegen der besonders verwerflichen Umstände ihres Zustandekommens, nämlich des Verstoßes gegen tragende Grundsätze des Binnenmarkts (vgl 3 Ob 115/95 = SZ 71/26), auch zivilrechtlich nichtig sein können (16 Ok 13/08). Es bestehen Unterschiede zwischen der Fassung eines Unterlassungs- 15 begehrens im Kartellverfahren und im Lauterkeitsrecht. Die im Lauterkeitsrecht zulässige Praxis, bei Formulierung eines Unterlassungstitels die verbotene Handlung allgemeiner zu fassen, damit – unter Wahrung des „Kerns“ einer Verletzungshandlung – gleichartige Handlungen unter den Schutzumfang des Unterlassungsanspruches fallen, ist für das kartellrechtliche Verfahren schon im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht analog umzusetzen. Kartellrechtliche Abstellungsaufträge können ja massiv in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen, sie können mit hohen Geldbußen verbunden werden. Dem Verpflichteten kann daher nur solches Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat. Wollte man den „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ eines Verhaltens zum Gegenstand eines Abstellungsauftrags machen, müsste dieser regelmäßig so unbestimmt gefasst sein, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert würde, die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 13/08). Die Zurückziehung einer auf das UWG (iVm einer kartellrechtlichen Be- 16 stimmung als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB) gestützten zivilrechtlichen Klage unter Anspruchverzicht führt nicht dazu, dass in dieser Sache beim KartGer kein Antrag auf Abstellung eingebracht werden könnte. Die Tatbestandsvoraussetzungen nach UWG und KartG sind jeweils andere, sodass insgesamt unterschiedliche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden müssen, um einen Anspruch nach UWG oder KartG durchzusetzen. Es liegt daher kein identer Streitgegenstand iSd herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs vor (16 Ok 14/08). 407
§ 26 KartGGugerbauer
V. Auftrag zu aktivem Tun 17 Insbesondere dann, wenn das verbotswidrige Verhalten in einer Unterlassung besteht, kann es sich als notwendig erweisen, dem entsprechenden Untenehmen zur Abstellung des Verstoßes ein aktives Handeln aufzutragen. So kann etwa der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die sachlich nicht gerechtfertigte Einstellung der Belieferung eines Kunden verwirklicht werden (vgl 16 Ok 6/08). In solchen Fällen kann die Belieferung eines bestimmten Unternehmens, in anderen Fällen die Änderung von Preisen oder Geschäftsbedingungen, die Erteilung einer Lizenz oder auch die Gewährung eines Zugangs zu Infrastruktur, aufgetragen werden. Die Grenze zu einem Unterlassungsauftrag kann fließend sein. Häufig kommt es auch dazu, dass ein Auftrag in Form einer Unterlassungsverpflichtung formuliert wird, die ein betroffenes Unternehmen aber zu einem aktiven Tätigwerden zwingen soll (etwa Unterlassung der Verwendung bestimmter AGB). 18 Mit einem Abstellungsauftrag können aber auch Maßnahmen angeordnet werden, die der Beseitigung einer geschehenen, aber noch gegenwärtigen Beeinträchtigung dienen. So kann etwa einem Unternehmen aufgetragen werden, durch den Kartellverstoß erwirtschaftete Vorteile an die Kunden zurückzuerstatten. Eine solcher Auftrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn damit zu rechnen ist, dass viele Abnehmer von sich aus keine Rückerstattung (Schadenersatzanspruch iSv § 37a) beanspruchen werden. Passivität der Geschädigten kann beispielsweise deshalb angenommen werden, weil es sich jeweils nur um relativ geringe Beträge handelt, und viele Betroffene den Aufwand scheuen dürften, geringfügige Beträge einzufordern und notfalls einzuklagen. Oder weil Geschädigte im Hinblick auf die Marktstellung des verbotswidrig handelnden Unternehmens nicht wagen dürften, Ersatzansprüche geltend zu machen. 19 Denkbar ist es, einem marktbeherrschenden Unternehmen aufzutragen, Vertragspartnern keine ungünstigere Kosten zu verrechnen als ihrer eigenen Vertriebsorganisation. Unbestimmt wäre ein Begehren, andere Tarifmodelle „auf mit den Vertragspartnern einvernehmlich zu gestaltende und geeignete Weise“ anzuwenden (16 Ok 13/08). 20 Die Berücksichtigung des Ausmaßes des eingetretenen Schadens (als „Bereicherung“ des Verletzers) bei der Bemessung der über den Verletzer zu verhängenden Geldbuße (gegebenenfalls als Bußgeld-erhöhend) würde dazu führen, dass missbräuchlich erlangte Mehrerlöse dem Staat 408
Abstellung
§ 26 KartG
und nicht der beeinträchtigten Marktgegenseite zufließen. Ein Auftrag, die gesetzwidrig erlangten Vorteile den Kunden zurückzuerstatten, dient dem Primärziel des Schadensausgleichs, der eingetretene Schaden ist dann nicht bloß ein Kriterium („Bereicherung“) für die Bemessung einer Geldbuße. Das öffentliche Interesse ist nicht nur darauf gerichtet, dass der Mehrerlös nicht beim missbräuchlich handelnden Marktbeherrscher bleibt, sondern auch, dass die betroffenen Verbraucher oder gewerblichen Abnehmer in den Genuss der Rückerstattung kommen und damit die Folgen des Missbrauchs beseitigt werden (Bornkamm, aaO, Rn 39; BGH, 15.5.2012 „Wasserpreis Calw“, WuW/E DE-R 3632, 3637, Tz 21). Ist der potenzielle Adressat des Abstellungsauftrags bereit, die Verpflichtung zur Rückerstattung der Vorteile an die Kunden zu übernehmen, kann das KartGer in einem solchen Falle auch eine entsprechende Verpflichtungszusage (§ 27) für verbindlich erklären und auf einen Abstellungsauftrag verzichten (vgl Bornkamm, aaO, Rn 34).
VI. Auftrag struktureller Maßnahmen Strukturelle Maßnahmen sind nur in dem durch den dritten Satz des 21 § 26 vorgegebenen Rahmen zulässig. Sie dürfen nur aufgetragen werden, wenn keine gleich wirksamen verhaltensorientierten Maßnahmen zur Verfügung stehen. Allenfalls auch dann, wenn verhaltensorientierte Maßnahmen mit einer größeren Belastung des betroffenen Unternehmens verbunden wären. Strukturelle Maßnahmen sind überdies besonders streng unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Bei geringfügigen Verstößen gegen die im ersten Hauptstück genannten Verbote wird ein Auftrag struktureller Maßnahmen daher in der Regel nicht zulässig sein. Die Anordnung von Änderungen der Unternehmensstruktur ist allen- 22 falls dann verhältnismäßig, wenn ein erhebliches, durch die Struktur eines Unternehmens bedingtes Risiko anhaltender oder wiederholter Zuwiderhandlungen besteht (vgl ErwGr 12 der VO 1/2003). Dies kann etwa der Fall sein, wenn Unternehmen zur Durchführung eines Kartells eine eigene GmbH errichtet haben.
VII. Abstellungsbeschluss Grundsätzlich ist Gegenstand eines Abstellungsauftrages ein began- 23 gener Verstoß gegen eines der gesetzlichen Verbote des KartG oder 409
§ 26 KartGGugerbauer der Art 101 und 102 AEUV. Gem Art 5 VO 1/2003 sind die Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten auch für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV in Einzelfällen zuständig, sie haben von Amts wegen oder auf Antrag die Abstellung von Zuwiderhandlungen und einstweilige Maßnahmen anzuordnen. Die Anwendung einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts darf jedoch nicht dazu führen, dass unionsrechtlich erlaubte Vereinbarungen oder Verhaltensweisen (vgl etwa Art 101 Abs 3 AEUV) verboten werden. Gem Art 3 Abs 2 Satz 2 VO 1/2003 ist es den EU-Mitgliedstaten aber selbst bei Zwischenstaatlichkeit nicht verwehrt, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung missbräuchlicher Verhaltensweisen iSv Art 102 AEUV vorzusehen. Im Hinblick auf das weite Verständnis des Zwischenstaatlichkeitskriteriums kann ein Abstellungsauftrag materiell sowohl auf EU-Wettbewerbsrecht, wie auch auf das KartG gestützt werden. 24 Der Abstellungsauftrag ist in Form eines Beschlusses zu fassen, der nach Rechtskraft einen Exekutionstitel gem § 34 darstellt. Der Adressat eines Abstellungsauftrags muss erkennen können, was von ihm gefordert wird. Der Auftrag muss so vollständig, klar und unzweideutig sein, dass sich der Adressat in seinem Verhalten danach richten kann und dass eine Verletzung gem § 355 EO sanktioniert werden kann. 25 Einem Unternehmen steht eine nahezu grenzenlose Vielfalt von Verhaltensweisen offen. Es ist daher ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante – sei sie auch noch so geringfügig – eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen (16 Ok 13/08). Letztlich hat das Exekutionsgericht zu beurteilen, ob eine behauptete Zuwiderhandlung als Verstoß gegen den Exekutionstitel gewertet werden kann (16 Ok 11/03). 26 Ungeachtet der Praxis der Europäischen Kommission (vgl Art 7 Abs 1 Satz 1 VO 1/2003; EuGH, 2.3.1983 „GVL“, Slg 1983, 483 Rn 23) ist es nach § 26 nicht erforderlich, dass die Zuwiderhandlung im Tenor des Beschlusses des KartGer festgestellt wird. Die Feststellung einer Zuwiderhandlung ist lediglich ein Begründungselement und sollte auch gedanklich klar von den Rechtsfolgen (zB Untersagung) unterschieden werden (vgl Bornkamm, aaO, Rn 20). Für die Bindungswirkung nach § 37a Abs 3 (Bindung der Zivilgerichte an die Feststellung, dass ein Unternehmen die in der Entscheidung angeführte Rechtsverletzung 410
Verpflichtungszusagen
§ 27 KartG
rechtswidrig und schuldhaft begangen hat) bedarf es nicht der Aufnahme der Feststellung in den Tenor des Auftrags. Für die Follow-on-Klage kommt es allein auf die Feststellung der Zuwiderhandlung an, die als Begründungselement zu jedem Abstellungsauftrag gehört, der sich auf einen in der Vergangenheit liegenden Verstoß stützt (vgl Bornkamm, aaO, Rn 23). Hätte der Abstellungsauftrag gar nicht erlassen werden dürfen, weil 27 etwa eine relevierte Lieferverweigerung sachlich gerechtfertigt war, kann der Auftrag durch den späteren Wegfall dieses Rechtfertigungsgrundes nicht nachträglich zu einem rechtmäßigen Auftrag werden. Denn dies liefe darauf hinaus, dass ein neuer Sachverhalt zur Begründung des früheren Beschlusses herangezogen würde, der den Abstellungsauftrag in seinem Wesen verändern würde. Für den neuen Sachverhalt bedarf es vielmehr gegebenenfalls eines neuen Beschlusses (Bornkamm, aaO, Rn 17). Abstellungsaufträge sind auf Antrag einer Partei, soweit die Vorausset- 28 zungen für die Abstellung einer Zuwiderhandlung bescheinigt sind, gem § 48 mit Einstweiliger Verfügung zu erteilen. Sowohl Beschlüsse nach § 26, wie auch Einstweilige Verfügungen nach 29 § 48 sind durch Rekurs bekämpfbar.
Verpflichtungszusagen § 27. (1) Statt der in § 26 vorgesehenen Abstellung kann das Kartellgericht Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmer und Unternehmervereinigungen für bindend erklären, wenn zu erwarten ist, dass diese Zusagen künftige Zuwiderhandlungen ausschließen. Durch diese Entscheidung wird das Verfahren beendet. (2) Das Kartellgericht hat das Verfahren wieder aufzunehmen, 1. wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt geändert haben, 2. wenn die beteiligten Unternehmer oder Unternehmervereinigungen ihre Verpflichtungen nicht einhalten oder 3. wenn die Entscheidung auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben der beteiligten Unternehmer oder Unternehmervereinigungen beruht. 411
§ 27 KartGGugerbauer Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Konsensualer Verfahrensabschluss.................................................... 1–2 II. Inhalt von Verpflichtungszusagen.................................................... 3–6 III. Annahme von Verpflichtungszusagen............................................. 7–10 IV. Folgen der Annahme........................................................................... 11–13 V. Wiederaufnahme des Verfahrens....................................................... 14–20 VI. Geldbuße/Zwangsgeld......................................................................... 21–22
I. Konsensualer Verfahrensabschluss 1 § 27 ermöglicht es dem KartGer, alternativ zur Erteilung eines Abstellungsauftrages (§ 26) die Zusage eines betroffenen Unternehmens, sich zur Beendigung eines kartellgesetzwidrigen Verhaltens zu verpflichten, für verbindlich zu erklären. Parallel dazu ermächtigt Art 5 der VO 1/2003 der EU die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten (in Österreich das KartGer), bei Anwendung der Art 101 f AEUV nicht nur die Abstellung von Zuwiderhandlungen anzuordnen, sondern auch Verpflichtungszusagen im Sinne des Art 9 VO 1/2003 für bindend zu erklären. Mit solchen Verbindlicherklärungen wird das Abstellungsverfahren beendet, es kann nur unter bestimmten, in § 27 Abs 2 aufgezählten Voraussetzungen wieder aufgenommen werden. 2 Verpflichtungszusagen ermöglichen es den betroffenen Unternehmen, selbst Maßnahmen vorzuschlagen, die die Abstellung eines verbotswidrigen Verhaltens sicherstellen, ohne betriebswirtschaftliche Kollateralschäden auszulösen. Zudem kann das kartellgerichtliche Verfahren durch eine konsensuale Lösung uU verkürzt werden. Die Anwendung 412
Verpflichtungszusagen
§ 27 KartG
des § 27 setzt aber voraus, dass bereits ein derartiges Verfahren (zur Abstellung eines Verstoßes gegen ein Verbot des 1. Hauptstücks) anhängig ist. Also ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot (§ 1), das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 5), das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen (§ 6) oder das Durchführungsverbot (§ 17).
II. Inhalt der Verpflichtungszusage Verpflichtungszusagen können sowohl verhaltensorientierte, wie auch 3 strukturelle Maßnahmen vorsehen. Im Wesentlichen geht es darum, das Verhaltensmuster, das zur Einleitung des kartellgerichtlichen Verfahrens geführt hat, so zu ändern, dass aus der Sicht des KartGer keine kartellrechtlichen Bedenken mehr bestehen oder solche doch zurückgestellt werden können. Die zugesagten Maßnahmen müssen eindeutig und bestimmt sein. Sie dürfen nicht von der Mitwirkung (gerichtlich nicht verpflichteter) Dritter oder generell von einer unsicheren zukünftigen Entwicklung abhängig sein (vgl Bornkamm in Langen/Bunte, § 32b GWB, Rn 7). Hat beispielsweise ein marktbeherrschendes Unternehmen von Ver- 4 brauchern missbräuchlich überhöhte Preise verlangt, wird eine Verweisung der Geschädigten auf den Zivilrechtsweg häufig nicht opportun sein, wenn mit einer umfassenden Geltendmachung der zivilrechtlichen Ansprüche nicht zu rechnen wäre. In einem derartigen Fall kann versucht werden, das Ermessen des KartGer dadurch zu beeinflussen, dass das betroffene Unternehmen eine Rückgewährung des kartellrechtswidrig erzielten Mehrerlöses zusagt (vgl Bornkamm, aaO, Rn 8). Verpflichtungszusagen unter Vorbehalten, deren Gegenstand nach § 27 5 ohnehin eine Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglichen würde, etwa Vorbehalte dahingehend, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich ändern, sind zwar unschädlich aber auch überflüssig. Ein Vorbehalt, die der Verfahrenseinleitung zugrunde liegende Frage, etwa die Frage der Marktbeherrschung, in einem Parallelverfahren (etwa beim OGH, allenfalls beim EuGH) gerichtlich klären zu lassen, um sich – je nach Ausgang dieser Klärung – dann wieder von der Zusage zu lösen, wird schon im Hinblick auf § 27 Abs 2 Z 1 (Wiederaufnahme des Verfahrens) als unnötig einzustufen sein. 413
§ 27 KartGGugerbauer 6 Eine Einschränkung sonst ausreichender Verpflichtungszusagen auf Fälle außerhalb privilegierender Sachverhalte (etwa außerhalb des Konzernprivilegs nach § 7 Abs 4) steht einer Bindenderklärung der Verpflichtungszusagen (§ 27 Abs 1) nicht entgegen (16 Ok 9/08).
II. Annahme der Verpflichtungszusage 7 Es ist es ein berechtigtes Anliegen eines betroffenen Unternehmens, keine weitergehenden Verpflichtungszusagen abgeben zu müssen als seine gesetzlichen Verpflichtungen reichen (16 Ok 9/08). Das KartGer kann die Verpflichtungszusage für bindend erklären, wenn zu erwarten ist, das diese Zusage künftige Zuwiderhandlungen gegen das KartG ausschließt. Dies geschieht um den Preis, dass vom KartGer auf eine verbindliche Entscheidung darüber, ob ein Kartellverstoß vorliegt, verzichtet wird. Auch eine Ahndung mit einem Bußgeld ist dann nicht mehr möglich. Und auf Präzedenzwirkungen, die uU mit einer Abstellungsentscheidung verbunden wären, wird mit einer Entscheidung nach § 27 ebenfalls verzichtet. Das KartGer braucht sich durch einer Verpflichtungszusage, auch wenn diese objektiv geeignet sein sollte, das verpönte Verhalten zu beenden, das Heft des Handelns aber nicht aus der Hand nehmen zu lassen. Die Entscheidung, ob eine Verpflichtungszusage angenommen und für bindend erklärt wird, liegt letztlich ausschließlich beim KartGer. Der Weg über § 27 stellt einen Kompromiss dar, zu dem keine Seite gezwungen werden kann (vgl Bornkamm, aaO, Rn 16). 8 Das betroffene Unternehmen wird in der Regel Zusagen machen, die Ergebnis der Erörterungen mit dem kartellgerichtlichen Senat (allenfalls auch mit anderen Parteien) sein werden. Anders als bei einem Vergleich müssen die weiteren Parteien (auch die Amtsparteien) nicht zustimmen. Da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt und alle Verfahrensparteien ein Rechtsmittel ergreifen können, wird den weiteren Parteien aber eine Äußerung zu einer Verpflichtungszusage zu ermöglichen sein. 9 Die Entscheidung des KartGer, mit der eine Verpflichtungszusage für bindend erklärt wird, kann (ohne dass dies in § 27 ausdrücklich vorgesehen wäre) befristet werden. Eine solche zeitliche Befristung kann sich beispielsweise empfehlen, wenn es von der Marktentwicklung abhängt, ob die gegebenen Zusagen ausreichen, um die Wettbewerbsbeschränkungen entfallen zu lassen. Nach Ablauf der Frist kann dann geprüft 414
Verpflichtungszusagen
§ 27 KartG
werden, ob eine Verlängerung der Verbindlicherklärung in Frage kommt, ob noch weitere Zusagen erforderlich sind oder ob das Verhalten sogar durch einen kartellgerichtlichen Beschluss abgestellt werden muss. Denkbar ist aber auch, dass sich die Verhältnisse mittlerweile so verändert haben, dass das Verhalten gänzlich unbedenklich ist. Mit einer Befristung der Selbstbindung des KartGer kann auch eine Befristung der Verpflichtungszusage einhergehen (vgl Bornkamm, aaO, Rn 14 f). Eine Verbindlicherklärung von befristeten Verpflichtungszusagen sieht § 27 nicht vor. Wenn jedoch zu erwarten ist, dass eine befristete Verpflichtungszusage zukünftige Zuwiderhandlungen ausschließt, steht dies einer Bindenderklärung durch das KartGer nicht entgegen. Der räumliche Anwendungsbereich von § 27 wird durch § 24 Abs 2 10 vorgegeben, maßgeblich ist, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist. Betrifft der Fall eine Anwendung der EUWettbewerbsregeln (Art 101 und 102 AEUV), muss das KartGer die beabsichtigte Entscheidung rechtzeitig, mindestens dreißig Tage bevor sie erlassen wird, der Europäischen Kommission mitteilen (Art 11 Abs 4 VO 1/2003). Dies gibt der Europäischen Kommission die Möglichkeit, auf die beabsichtigte Entscheidung Einfluss zu nehmen, gegebenenfalls von ihrem Evokationsrecht nach Art 11 Abs 6 VO 1/2003 Gebrauch zu machen, also ein eigenes Verfahren einzuleiten und damit die Zuständigkeit des KartGer zu beenden (vgl Bornkamm, aaO, Rn 12).
IV. Folgen der Annahme von Verpflichtungszusagen In der Entscheidung des KartGer, mit der die Zusage des betroffenen 11 Unternehmens für bindend erklärt wird, müssen die übernommenen Verpflichtungen aufgeführt sein. Daraus muss sich klar und deutlich ergeben, was vom verpflichteten Unternehmen zu tun bzw zu unterlassen ist. Die Angaben müssen so bestimmt sein, dass sie gegebenenfalls eine zuverlässige Grundlage für die Verhängung einer Geldbuße bieten. Eine solche kann verhängt werden, wenn der Adressat der im Beschluss enthaltenen Anordnung zuwiderhandelt (vgl Bornkamm, aaO, Rn 13). Eine Veröffentlichung von Entscheidungen gem § 27 Abs 1 ist weder im KartG noch im WettbG vorgesehen. Gegen eine Entscheidung nach § 27 ist ein Rechtmittel zulässig. Die 12 Entscheidung muss daher sowohl hinsichtlich der Zuwiderhandlung, 415
§ 27 KartGGugerbauer wie auch bezüglich der Angemessenheit der Verpflichtungszusagen ausreichend bestimmt sein. Die Bindungserklärung kann aber nicht von Dritten (etwa mit der Begründung, es hätte eine Abstellungsentscheidung ergehen müssen oder die Verpflichtungszusagen seien unzureichend) angefochten werden (vgl Bornkamm, aaO, Rn 37). 13 Erwächst ein Beschluss nach § 27 Abs 1 in Rechtskraft, stellt er, sofern der Verfahrensgegenstand ident ist, ein Prozesshindernis der entschiedenen Streitsache dar. Die Rechtskraftwirkung erstreckt sich aber nur auf die Parteien des Verfahrens. Es ist keine Entscheidung, die das (bisherige) Verhalten mit Wirkung gegenüber jedermann freistellt. Dritte bleiben zur Klagsführung berechtigt. Das Fehlen der Bindungswirkung ergibt sich schon daraus, dass das KartGer gar keine Entscheidung darüber trifft, ob das ursprünglich beanstandete, aber auch ob das zukünftige, durch die Zusage veränderte Verhalten gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt oder nicht (vgl Bornkamm, aaO, Rn 23).
V. Wiederaufnahme des Verfahrens 14 Im Gegensatz zu Art 9 Abs 2 der VO 1/2003, wonach die Europäische Kommission im Rahmen eines Ermessensspielraums das Verfahren wieder aufnehmen „kann“, „hat“ das KartGer gem § 27 Abs 2 das Verfahren aufzunehmen. Allerdings gem § 36 Abs 1 nur dann, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Zum Antrag sind gem § 36 Abs 4 die BWB, der BKAnw, die durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichteten Behörden, die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs sowie jedes Unternehmen und jede Unternehmensvereinigung, der oder die ein rechtliches oder ein wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat, berechtigt. 15 Der Beschluss, mit dem eine Verpflichtungszusage als verbindlich erklärt wird, steht unter dem Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus. Gem § 27 Abs 2 stellt die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt, die Nichteinhaltung von Verpflichtungszusagen sowie die Tatsache, dass die Entscheidung auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben der beteiligten Unternehmen oder Unternehmervereinigungen beruht, einen 416
Verpflichtungszusagen
§ 27 KartG
Wiederaufnahmegrund dar. Der Katalog der drei Wiederaufnahmegründe ist abschließend. Bezüglich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl § 27 16 Abs 2 Z 1) kommt es nicht darauf an, ob sich diese Änderung zum Vorteil oder zum Nachteil des verpflichteten Unternehmens auswirkt oder ob sie von diesem Unternehmen beeinflusst oder verschuldet wurde. Zu unterscheiden sind objektive Veränderungen von einer Änderung der (subjektiven) Einschätzung durch das KartGer. Fehleinschätzungen – etwa hinsichtlich der Auswirkungen, die das zugesagte Verhalten auf die Marktverhältnisse hat – rechtfertigen eine Wiederaufnahme nicht (vgl Bornkamm, aaO, Rn 29). Bei einer Änderung der Marktsituation zum Nachteil eines gem § 27 17 Abs 1 verpflichteten Unternehmens kann dieses einen Antrag auf Wiederaufnahme stellen, um im Rahmen des wiederaufgenommenen Verfahrens allenfalls neue Verpflichtungszusagen anzubieten, die der Veränderung der Marktsituation Rechnung tragen. Eine Wideraufnahme zu Gunsten des betroffenen Unternehmens ist auch dann möglich, wenn sich aufgrund einer OGH- oder EuGH-Entscheidung ergibt, dass das beanstandete Verhalten des betroffenen Unternehmens nicht kartellrechtswidrig war. Gegebenfalls ist dann die Bindungserklärung aufzuheben und den Abstellungsantrag endgültig abzuweisen. Hält das Unternehmen, das die Zusage abgegeben hat, die Zusage nicht 18 ein, kann das Verfahren ebenfalls wieder aufgenommen werden. Schon ein einmaliger Verstoß rechtfertigt einen entsprechenden Antrag. Immerhin ist der Verbindlicherklärung ja bereits ein Verstoß des betroffenen Unternehmens vorausgegangen. Ein weiterer Verstoß, zu dem es nun entgegen der Verpflichtungszusage kommt, muss nicht sanktionslos hingenommen werden. Wurden Verpflichtungszusagen nicht eingehalten, kann dies zur Verhängung einer Geldbuße (§ 29 Z 1 lit c) oder eines Zwangsgeldes (§ 35 Abs 1 lit b) führen. Allerdings gilt auch hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ein bloßer Bagatellverstoß rechtfertigt die Wiederaufnahme nicht ohne Weiteres (vgl Bornkamm, aaO, Rn 30). Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist weiters möglich, wenn sich 19 herausstellt, dass das betroffene Unternehmen unvollständige, unrichtige oder irreführende Angaben gemacht hat. Ein Verschulden der Organe des beteiligten Unternehmens ist nicht Voraussetzung, die fraglichen Angaben müssen aber kausal dafür gewesen sein, dass das Verfah417
§ 27 KartGGugerbauer ren nach § 27 abgeschlossen worden ist. Der jeweilige Antragsteller muss plausibel darlegen, dass diese Ermessenentscheidung des KartGer in Kenntnis der vorenthaltenen Umstände anders getroffen worden wäre. Dabei kommt es auf einen objektiven Maßstab an (Bornkamm, aaO, Rn 31). 20 Geht es darum, ob unvollständige Angaben gemacht worden sind, ist zu beachten, dass die betroffenen Unternehmen normalerweise keine Verpflichtung trifft, von sich aus umfassende Angaben zu machen. Eine solche Verpflichtung kann sich aber aus einem Auskunftsverlangen (§ 11a WettbG) ergeben. Besteht eine solche Verpflichtung nicht, kann auch der Umstand unvollständiger Angaben die Wiederaufnahme nicht rechtfertigen (vgl Bornkamm, aaO, Rn 32).
VI. Geldbuße/Zwangsgeld 21 Im Falle der Nichteinhaltung einer Verpflichtungszusage kann über das betroffene Unternehmen eine Geldbuße verhängt werden (§ 29 Z 1 lit c). Ein betroffenes Unternehmen kann sich dann nicht darauf berufen, dass der Verbindlicherklärung der (nicht eingehaltenen) Verpflichtungszusage keine Zuwiderhandlung vorausgegangen sei, weil eine rechtskräftige Verbindlicherklärung von Verpflichtungszusagen betroffene Unternehmen unabhängig vom Vorliegen einer Zuwiderhandlung dazu verpflichtet, die verbindlich erklärte Zusage einzuhalten. 22 Aber auch ein Zwangsgeld bis zu einem Höchstbetrag von 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs ist zulässig, um das Unternehmen zu zwingen, seine Verpflichtungszusagen einzuhalten (§ 35 Abs 1 lit b). Voraussetzung dafür ist die Nichteinhaltung der verbindlich erklärten Verpflichtungszusage, nicht eine (Fortsetzung der) Zuwiderhandlung, die zur Einleitung des ursprünglichen Verfahrens geführt hat.
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Feststellungen
§ 28 KartG
Feststellungen § 28. (1) Wenn die Zuwiderhandlung gegen ein im ersten Haupt-
stück enthaltenes Verbot bereits beendet ist, hat das Kartellgericht die Zuwiderhandlung festzustellen, soweit daran ein berechtigtes Interesse besteht. (1a) Ein berechtigtes Interesse im Sinn des Abs. 1 liegt auch vor, wenn 1. die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung begehrt wird, dem oder der die Bundeswettbewerbsbehörde Kronzeugenstatus zuerkannt hat, oder 2. die Feststellung begehrt wird, um Schadenersatz wegen der Zuwiderhandlung geltend zu machen, es sei denn, dass das Kartellgericht gegen die Zuwiderhandlung bereits eine Abstellungsentscheidung erlassen, deswegen eine Geldbuße verhängt oder die Zuwiderhandlung festgestellt hat oder ein hierauf gerichtetes Verfahren anhängig ist. (2) Im Übrigen hat das Kartellgericht festzustellen, ob und inwieweit ein Sachverhalt diesem Bundesgesetz unterliegt. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Beendete Zuwiderhandlung.............................................................. 1 II. Berechtigtes Interesse......................................................................... 2–5 III. Kronzeugen......................................................................................... 6 IV. Schadenersatzansprüche................................................................... 7–9
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§ 28 KartGGugerbauer V. § 28 Abs 2.............................................................................................. 10–12 VI. Feststellung von Verstößen gegen EU-Kartellrecht..................... 13–14 VII. Antragsprinzip.................................................................................... 15–16
I. Beendete Zuwiderhandlung 1 Die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen ein Verbot des 1. Hauptstücks des KartG, also gegen das Kartellverbot (§ 1), das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 5), das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen (§ 6) oder das Durchführungsverbot (§ 17), setzt gem § 28 Abs 1 voraus, dass der Verstoß bereits beendet ist (vgl 16 Ok 1/15f). Die Feststellung ist sowohl hinsichtlich eines Verstoßes, der bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung beendet war, wie auch bezüglich eines solchen, der erst während eines kartellgerichtlichen Abstellungsverfahrens beendet wird, möglich. Ein Abstellungsantrag kann daher mit einem Eventualantrag auf Feststellung (und der Darlegung des erforderlichen rechtlichen Interesses) verbunden werden. Die Zuwiderhandlung muss aber zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch sanktionsfähig, also noch nicht verjährt sein, so dass wegen der – in der Vergangenheit gesetzten – Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt werden könnte (16 Ok 4/07). Dagegen bietet das KartG keine Möglichkeit, ein Feststellungsbegehren im Sinne einer Stufenklage mit einem Abstellungsantrag zu kombinieren, im Verhältnis zwischen Leistungsbegehren und Feststellungsbegehren besteht Subsidiarität (25 Kt 19/08).
II. Berechtigtes Interesse 2 Die Möglichkeit, vergangene Zuwiderhandlungen zum Gegenstand von Feststellungsanträgen zu machen, wird dadurch eingeschränkt, dass auf ein berechtigtes Interesse abgestellt wird (16 Ok 8/08). Die antragsstellende Partei hat das berechtigte Interesse darzutun (25 Kt 108/06). Im KartG wird allerdings nicht definiert, was unter „berechtigtem Interesse“ zu verstehen ist. Die Formulierung des § 28 Abs 1 lässt jedenfalls darauf schließen, dass ein „berechtigtes“ Interesse von Unternehmen nicht mit dem rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesses an der Entscheidung, wie in § 36 Abs 4 Z 4 gefordert, ident ist (vgl 16 Ok 13/08). Das berechtigte Interesse nach § 28 Abs 1 muss vielmehr zum „rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesse“ eines Unternehmens 420
Feststellungen
§ 28 KartG
iSd § 36 Abs 4 Z 4 hinzutreten (25 Kt 19/08). Bei den Amtsparteien, Regulatoren und Kammern wird ein berechtigte Interesse aus der Wahrnehmung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben abzuleiten sein. § 28 Abs 1 verpflichtet das KartGer zur Feststellung, sofern daran ein 3 berechtigtes Interesse besteht. Im Unterschied dazu stellt Art 7 VO 1/2003 die Erlassung einer Feststellungsentscheidung in das Ermessen der Europäischen Kommission. Hierin unterscheidet sich das Kartellverfahren der EU grundlegend vom österreichischen innerstaatlichen Verfahren, dem KartGer wird kein vergleichbares Ermessen eingeräumt (16 Ok 8/08). Die Feststellung bereits beendeter Kartellrechtsverstöße ist vor allem 4 zur Vorbereitung eines Bußgeldverfahrens (als Vorfrage für die Verhängung einer Geldbuße, vgl 16 Ok 4/07 = RIS-Justiz RS0122739), zur Klärung strittiger Rechtsfragen, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausreicht (vgl 16 Ok 13/08), zur Lösung einer Rechtsfrage, die wegen zu erwartender ähnlich gelagerter Fälle im öffentlichen Interesse liegt (25 Kt 108/06), oder auch im Hinblick auf eine mögliche Wiederholungsgefahr gerechtfertigt. Wenn die nachteiligen Wirkungen eines missbräuchlichen Verhaltens – selbst wenn dieses zwischenzeitlich aufgegeben wurde – fortbestehen kann die Notwendigkeit zu deren Beseitigung andauern. Dazu kann ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines – angeblich – missbräuchlichen und Wiederholungsgefahr begründenden Verhaltens gestellt werden (vgl 16 Ok 13/08). Für ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann jedenfalls schon das Interesse an einer kohärenten Anwendung des Kartellrechts genügen (vgl Bornkamm in Langen/Bunte, § 32 GWB, Rn 61). Die Feststellung muss sich aber immer auf das Verhalten bestimmter Unternehmen beziehen. Auch vom EuGH wird (iSd Art 7 Abs 1 Satz 4 der VO 1/2003) ein be- 5 rechtigtes Interesse angenommen, wenn die ernsthafte Gefahr der Wiederaufnahme eines (beendeten) wettbewerbswidrigen Verhaltens besteht und insofern eine Klarstellung der Rechtslage geboten erscheint (vgl etwa EuGH Rs C-119/97 P, Ufex, Rn 94).
III. Kronzeugen Gem Abs 1a Z 1 ist ein Feststellungsantrag auch gegen einen Kronzeu- 6 gen zulässig. Nach einer allfälligen weiteren Zuwiderhandlung des 421
§ 28 KartGGugerbauer Kronzeugen kann dann die entsprechende Feststellung in einem dann eingeleiteten Geldbußenverfahren als Erschwerungsgrund herangezogen werden. Solange die BWB in Anwendung von § 11 Abs 3 WettbG einem Unternehmen Kronzeugenstatus zugesteht, kann sie einen Feststellungsantrag nur damit begründen, dass das – mittlerweile beendete – Zuwiderhandeln im Rahmen eines künftig möglichen Verfahrens wegen eines künftig möglichen weiteren Verstoßes einen Erschwerungsgrund abgeben könnte, aber nicht damit, dass wegen des mittlerweile beendeten Verstoßes eine Geldbuße verhängt werden könnte (14 Ok 4/09). Ebensowenig reicht ein Vorbringen, dass allenfalls in der Zukunft ein Umstand eintreten könnte, der die Zuerkennung des Kronzeugenstatus beseitigen würde. Etwa, dass die BWB eine Voraussetzung des § 11 Abs 3 WettbG – insbesondere jene der Nichtausübung von Zwang nach § 11b Abs 1 Z 4 WettbG – zu Unrecht angenommen hat. Das KartG normiert keine Feststellungskompetenz in Bezug auf einen sich möglicherweise in der Zukunft ereignenden Sachverhalt (16 Ok 4/09). Wegen des engen Zusammenhangs mit dem Bußgeldverfahren bleibt die Antragsbefugnis gegen Kronzeugen auf die Amtsparteien beschränkt (vgl RV, 1804 d Blg XXIV GP).
IV. Schadenersatz 7 Die Notwendigkeit einer Klärung von Vorfragen für geplante zivilrechtliche Schadenersatz- oder Unterlassungsverfahren rechtfertigt einen Antrag auf Feststellung (vgl Emmerich in Immenga/Mestmäcker, § 32 GWB Rn 47). Für die Antragslegitimation eines Unternehmens oder einer Unternehmervereinigung ist eine unmittelbare rechtliche Wirkung des dem Feststellungsantrag zugrundeliegenden Verhaltens auf die Rechtsstellung des Antragsstellers oder seine wirtschaftlichen Verhältnisse Voraussetzung, ein wirtschaftliches Interesse an der begehrten Entscheidung, insbesondere eine wirtschaftliche Betroffenheit des Antragsstellers von einem allfälligen kartellrechtswidrigen Verhalten des Antragsgegners, reicht für die Bejahung der Aktivlegitimation bereits aus (16 Ok 14/08; 25 Kt 19/08). Auch bei einer Schwestergesellschaft ist gegebenenfalls das wirtschaftliche Interesse zu bejahen (16 Ok 14/08). Für die Annahme des berechtigten Interesses genügt es, dass mit der Feststellungsentscheidung die Grundlage für individuelle Ersatzansprüche geschaffen werden soll, da auf diese Weise gleich auch die Durchsetzung der Verbote des Kartellrechts verbessert wird, dem Ver422
Feststellungen
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letzer etwa keine „Kartellrendite“ verbleibt (vgl Emmerich, aaO, Rn 50). Der Entscheidung des KartGer kommt Bindungswirkung für die zivil- 8 rechtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu. Durch die Möglichkeit eines Antrags auf Feststellung eines bereits beendeten kartellrechtswidrigen Verhaltens wird verhindert, dass ein Verletzer durch einseitige Erklärung die Wiederholungsgefahr, damit die Voraussetzungen für einen Abstellungsauftrag und eine entsprechende kartellgerichtliche Entscheidung mit Bindungswirkung für Zivilgerichte, torpedieren kann (vgl Bornkamm, aaO, Rn 61). Die nach Abs 1a Z 2 zur Vorbereitung von Schadenersatzklagen zuläs- 9 sigen Feststellungsanträge sollen nicht zu einer Beeinträchtigung der im öffentlichen Interesse gelegenen Kartellrechtsdurchsetzung führen oder Parallelverfahren über die gleiche Rechtsverletzung ermöglichen. In Hinblick darauf, dass die Öffentlichkeit über § 37 ohnedies Zugang zu kartellgerichtlichen Entscheidungen erhält, ist die Antragsbefugnis nur für solche Fälle vorgesehen, in denen nicht bereits eine einschlägige Entscheidung des KartGer vorliegt oder ein darauf gerichtetes Verfahren anhängig ist (RV, 1804 d Blg XXIV GP).
V. § 28 Abs 2 Die frühzeitige Abklärung kartellrechtlich diffuser Sachverhalte er- 10 höht die Rechtssicherheit und verringert für die betroffenen Unternehmen das Risiko von Geldbußen. Es steht jedem Antragsberechtigen (vgl § 36) – vor allem den Amtsparteien sowie Unternehmen, die daran ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse haben – frei, einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs 2 zu stellen. Unternehmen wird eine Klärung ermöglicht, ob ihr Verhalten unter ein kartellrechtliches Verbot fällt. Dies wird insbesondere deshalb als notwendig angesehen, weil Kartelle auf Risiko der Kartellmitglieder durchgeführt werden (vgl 25 Kt 19/08). § 28 Abs 2 ermächtigt das KartGer aber auch zur Erlassung von Feststellungsentscheidungen dahingehend, dass ein bzw kein anmeldebedürftiger Zusammenschluss iSd §§ 7 ff vorliegt (25 Kt 19/08). § 28 Abs 2 gibt dem KartGer aber keine Feststellungsbefugnis in Bezug 11 auf geplante Vorhaben, der zu beurteilende Sachverhalt muss vielmehr spätestens im Entscheidungszeitpunkt bereits vorliegen, bzw gelebt 423
§ 28 KartGGugerbauer werden. § 28 Abs 2 ermöglicht mit anderen Worten keine ex-ante-Prüfung lediglich beabsichtigter aber (noch) nicht praktizierter Verhaltensweisen (vgl 16 Ok 19/04). Es ist nicht Aufgabe des KartGer, Gutachten über von einer Partei als klärenswert befundene Rechtsfragen abzugeben (vgl 16 Ok 19/97). Auch wenn ein zu beurteilender Sachverhalt nicht mehr vorliegt, weil das fragliche Verhalten bereits eingestellt wurde, ist eine Feststellung nach § 28 Abs 2 nicht mehr möglich (25 Kt 19/08; RIS-Justiz RS0116044). Das KartGer kann bereits beendete Kartellrechtsverstöße jedoch nach § 28 Abs 1 feststellen. 12 § 28 Abs 2 normiert keine Feststellungsbefugnis, sondern eine Feststellungspflicht, das KartGer hat auf entsprechenden Antrag ein Feststellungsverfahren durchzuführen. § 28 Abs 2 enthält keine Einschränkung auf ein „berechtigtes Interesse“ (16 Ok 8/08). Wenn kein aktives kartellrechtswidriges Verhalten vorliegt, sind Feststellungsanträge nach § 28 Abs 2 unbegründet. Sie sind abzuweisen, nicht zurückzuweisen (25 Kt 19/08).
VI. Feststellung von Verstößen gegen EU-Kartellrecht 13 Die Art 7 und 10 der VO 1/2003, welche analoge Feststellungsbefugnisse für den Bereich des EU-Wettbewerbsrechts regeln, weisen diese Feststellungsbefugnisse der Europäischen Kommission zu. Dies steht Feststellungen des KartGer hinsichtlich einer Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV oder Art 102 AEUV nicht entgegen, soweit mit einer Feststellungsentscheidung die Zuwiderhandlung bejaht wird: Entsprechend der Verfahrensvorschrift des § 83 ist das KartGer nach § 28 Abs 1 auch berufen, hinsichtlich eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens eine Zuwiderhandlung gegen Art 101 und/oder 102 AEUV festzustellen, soweit daran ein berechtigtes Interesse besteht (25 Kt 108/06). Die gerichtliche Zuständigkeit für ein Begehren auf Feststellung einer beendeten Zuwiderhandlung gegen EU-Kartellrecht ist als Vorfrage einer zivilrechtlichen Schadenersatzklage mangels Bestehen einer Gemeinschaftsregelung autonom nach nationalem Recht zu beurteilen (16 Ok 8/08). 14 § 28 Abs 2 bezieht sich dagegen ausschließlich auf das KartG, bietet somit keine Grundlage für Feststellungen des KartGer in Bezug auf Art 101 und 102 AEUV oder in Bezug auf die (Nicht-)Erfüllung der 424
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Freistellungsvoraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung der EU (16 Ok 1/15f; 16 Ok 19/04).
VII. Antragsprinzip Das KartGer entscheidet nur auf Antrag (§ 36 Abs 1). Der Antrag einer 15 hierzu berechtigten Partei muss hinreichend konkretisiert sein, dies betrifft insbesondere das Feststellungsinteresse. Das gem § 36 Abs 4 Z 4 erforderliche rechtliche oder wirtschaftliche Interesse ist als gegeben anzunehmen, wenn das fragliche Verhalten eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Antragstellers hat oder unmittelbar geeignet ist, seine wirtschaftliche Stellung zu beeinflussen (16 Ok 1/06). Als Außerstreitverfahren gilt für das kartellgerichtliche Feststellungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz. Die Erhebungspflicht des KartGer ist allerdings begrenzt, sie wird durch die Antragsbehauptungen im Kern bestimmt, das KartGer hat sich – etwa bei Aufträgen an Sachverständige – im Rahmen der Anträge der Parteien zu halten (16 Ok 7/02). Die Zurückziehung des entsprechenden Antrags beendet das Verfah- 16 ren. Allerdings räumt § 36 Abs 5 den Amtsparteien die Möglichkeit der Fortführung des Verfahrens durch Stellung eines Fortsetzungsantrags ein.
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2. Abschnitt Geldbußen Geldbußentatbestände § 29. Das Kartellgericht hat Geldbußen zu verhängen, und zwar
1. bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung, der oder die vorsätzlich oder fahrlässig a) dem Kartellverbot (§ 1), dem Missbrauchsverbot (§ 5), dem Verbot von Vergeltungsmaßnahmen (§ 6) oder dem Durchführungsverbot (§ 17) zuwiderhandelt, b) einem Auftrag nach § 16 nicht nachkommt, c) nach § 27 für verbindlich erklärte Verpflichtungszusagen nicht einhält oder d) gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV verstößt; 2. bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung, der oder die vorsätzlich oder fahrlässig a) einer Entscheidung des Kartellgerichts nach § 19 Abs. 3 nicht nachkommt; b) in der Anmeldung eines Zusammenschlusses nach § 9 unrichtige oder irreführende Angaben macht. c) (Anm: aufgehoben durch BGBl I 2013/13)
Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008).
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Übersicht
Rn I. Ahndung und Prävention................................................................ 1-8 II. Antragsprinzip.................................................................................. 9 III. Bemessungsgrundlage ..................................................................... 10-13 IV. Verschuldensprinzip......................................................................... 14-17 V. Tatsachen- oder Rechtsirrtum........................................................ 18-22 VI. Verantwortlichkeit mehrerer beteiligter Unternehmen............. 23-32 VII. Fair Trial.............................................................................................. 33-35 VIII. Settlement........................................................................................... 36-43
I. Ahndung und Prävention Im 2. Abschnitt des 2. Hauptstücks finden sich die Bestimmungen be- 1 treffend die Verhängung von Geldbußen für Zuwiderhandlungen gegen die materiell-kartellrechtlichen Verbotsnormen sowie bestimmte Verhaltenspflichten. Eine Geldbuße nach § 29 ist ein Mittel staatlichen Zwangs, um die kartellrechtlich vorgesehene Wirtschaftsordnung durchzusetzen (5 Ob 154/07v; 16 Ok 4/07). Begangenes Unrecht soll geahndet (Repression), von der Begehung weiterer Zuwiderhandlungen abgeschreckt werden (Prävention; vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 4/07). Damit weisen Geldbußen typische Merkmale einer Strafe auf (16 Ok 8/07), dennoch zählen die einschlägigen kartellrechtlichen Bestimmungen nicht zum allgemeinen (Kriminial-)Strafrecht und auch nicht zum Verwaltungsstrafrecht. Man könnte von einem Strafrecht iwS sprechen, die kartellrechtliche Geldbuße ist nach Zweck und Wirkung eine Sanktion mit „strafrechtsähnlichem Charakter“, eine Sanktion des Zivilrechts sui generis (vgl 16 Ok 7/15p; 5 Ob 154/07v; 16 Ok 8/07; 16 Ok 4/07). § 29 sanktioniert verschiedene Arten von Verstößen, zum einen Verstö- 2 ße gegen materielles Recht (§ 29 Z 1 lit a und d), zum anderen Verstöße gegen verfahrensrechtlich ausgelöste Mitwirkungs- und Duldungspflichten (§ 29 Z 1 lit b und c, Z 2). Die Geldbußenandrohung verstärkt zugleich die Autorität und Legitimität des Kartellverfahrens und die Entscheidungen des KartGer (vgl Sura in Langen/Bunte, Art 23 VO 1/2003, Rn 23). Der Grundsatz der Unschuldsvermutung (in dubio pro reo) erfordert allerdings, dass eine Zuwiderhandlung gegen kartellrechtliche Verbote entsprechend zu beweisen ist. Zweifel des Gerichts wirken zugunsten des betroffenen Unternehmens (vgl 16 Ok 4/07; EuGH 8.7.1999, C-49/92 P, Anic Partecipazioni SpA, Rn 86). 427
§ 29 KartGGugerbauer 3 In gewissen Grenzen sind allerdings Tatsachen- und Rechtsvermutungen und eine darauf beruhende Beweislastumkehr zulässig (vgl EGMR 7.10.1988, Beschwerde Nr 10519/83). Nach Unionsrecht gilt, dass, sofern die Europäische Kommission eine behauptete Zuwiderhandlung gegen die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln auf Annahmen stützt, das betroffene Unternehmen den von der Kommission festgestellten Sachverhalt durch einen Gegenbeweis in einem anderen Licht erscheinen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen als möglich erscheinen lassen kann (EuGH 22.11.2012, C-89/11 P, E.ON Energie AG, Rn 74). Andernfalls ist von der Annahme der Kommission anzugeben. An das Beweismaß von reinen Vermutungen, die einen Gegenbeweis erforderlich machen, sind aber hohe Anforderungen zu stellen. Für den Nachweis der Dauer einer Zuwiderhandlung ist etwa die Dokumentation von Fakten erforderlich, die zeitlich so nahe beieinanderliegen, dass vernünftigerweise kein Zweifel besteht, dass die Zuwiderhandlung ohne Unterbrechung begangen wurde (vgl etwa EuG 16.11.2006, T-120/04, Peroxidos Organicos, Rn 51). Das Erfordernis eines Gegenbeweises stellt keine ungebührliche Beweislastumkehr und daher keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar (EuGH 22.11.2012, C-89/11 P, E.ON Energie AG, Rn 75). 4 Wird etwa nachgewiesen, dass ein Unternehmen an Sitzungen teilgenommen hat, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, hat dieses Unternehmen entlastende Gesichtspunkte vorzubringen, die eine fehlende wettbewerbswidrige Einstellung bei der Teilnahme an diesen Sitzungen nachweisen, bzw dass dieses Unternehmen den wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen nicht zugestimmt und die anderen Teilnehmer darauf hingewiesen hat (vgl 16 Ok 5/08; EuGH 8.7.1999, C-49/92P, Anic Participazioni, Rn 96). 5 Ein Verstoß gegen materielles Recht kann zur Festsetzung einer Geldbuße gem § 29 Z 1 lit a bzw d führen, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 1 Abs 1 oder § 5 bzw des Art 101 Abs 1 oder Art 102 AEUV erfüllt sind, ohne dass zugleich die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 bzw des Art 101 Abs 3 AEUV vorliegen bzw eine GVO einschlägig ist. Das österreichische Geldbußensystem ist mit dem europäischen Sanktionssystem nicht in allen Aspekten deckungsgleich (vgl 16 Ok 4/09; 16 Ok 5/10). Das System kartellgesetzlicher Geldbußen ist daher im Rahmen des sanktions- und verfassungsrechtlichen Gesamtsystems des österreichischen Rechts zu beurteilen. Die Leitlinien der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen und die da428
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rauf beruhende Entscheidungspraxis können in einem Verfahren über eine nach dem KartG zu verhängende Geldbuße daher nur insoweit angewandt werden, als die ihnen zugrundeliegenden Wertungen vergleichbar sind (vgl 16 Ok 5/10). Der Bußgeldrahmen ist in den Fällen des § 29 Z 1 auf 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes, in den Fällen des § 29 Z 2 auf 1% des Gesamtumsatzes begrenzt. Besonders schwerwiegende Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln, etwa horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, der Aufteilung von Märkten oder zur Einschränkung der Erzeugung, werden in der Praxis mit einem Betrag von bis zu 30% des tatbezogenen Umsatzes sanktioniert. Wettbewerbsbeschränkende vertikale Vereinbarungen werden mit einem Betrag von bis zu 10% des tatbezogenen Umsatzes geahndet. Gem § 29 Z 1 lit c kann eine Geldbuße für den Fall festgesetzt werden, 6 dass ein Unternehmen eine durch Entscheidung nach § 27 für verbindlich erklärte Verpflichtungszusage nicht einhält. Hier wird die bloße Zuwiderhandlung gegen einen Beschluss des KartGer sanktioniert. Ein Beschluss nach § 27 setzt mit Blick auf die Zuwiderhandlung gegen § 1 oder 5 ja nur einen prima-facie-Nachweis voraus. In einer Entscheidung nach § 27 führt das KartGer also keinen Beweis, dass ein Verstoße gegen § 1 oder 5 vorgelegen hat (Sura, aaO, Rn 33). Durch Verfahrensgeldbußen soll das Kartellverfahren und damit die 7 Entscheidungsfindung des KartGer vor falschen Informationen geschützt werden. § 29 Z 2 lit b sieht die Festsetzung eines Bußgeldes vor, wenn bei der Anmeldung eines Zusammenschlusses unrichtige oder irreführende Angaben gemacht wurden. Wer entgegen einem Bescheid der BWB nach § 11a Abs 3 WettbG der BWB keine, unrichtige, irreführende oder unvollständige Auskünfte erteilt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der BWB mit einer Geldstrafe bis zu EUR 75.000,00 zu bestrafen (§ 11a Abs 5 WettbG). Das Bußgeldsystem des KartG wurde unter Bedachtnahme auf die 8 Rechtsentwicklung in der EU gestaltet. Der EuGH hat den unionsrechtlichen Geldbußen in seiner Rechtsprechung ausdrücklich Abschreckungswirkung zugesprochen. Ihr Zweck bestehe darin, unerlaubte Handlungsweise zu ahnden sowie ihrer Wiederholung unabhängig davon vorzubeugen, ob das Verhalten noch andauert oder dessen Auswirkungen noch bestehen (vgl 16 Ok 4/07). Die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen wird also nicht dadurch berührt, dass die Zu429
§ 29 KartGGugerbauer widerhandlung zur Zeit der Entscheidung bereits eingestellt wurde und keine nachteiligen Auswirkungen drohen (16 Ok 8/07).
II. Antragsprinzip 9 Das KartGer kann nicht „von Amts wegen“ eine Geldbuße verhängen, dazu bedarf es eines Antrags. Antragsberechtigt sind alleine die Amtsparteien, also die BWB und der BKAnw (§ 36). Der Antrag auf Verhängung einer Geldbuße ist nicht an den Erfordernissen einer strafrechtlichen Anklageschrift iSv § 211 StPO, sondern vielmehr – dem weniger formstrengen Charakter des Verfahrens außer Streitsachen entsprechend – an den Anforderungen des § 9 Abs 1 AußStrG 2003 zu messen. Danach genügt es, dass der Antrag hinreichend erkennen lässt, welche Entscheidung der Antragssteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Eine genaue und vollständige Angabe der einzelnen Tatsachen sowie der Beweismittel ist nicht erforderlich (16 Ok 4/07).
III. Bemessungsgrundlage 10 Als Grundlage für die Festsetzung einer Geldbuße wird der vom betroffenen Unternehmen im vorangegangen Geschäftsjahre erzielte Gesamtumsatz herangezogen (16 Ok 4/09). Darunter ist der weltweite Umsatz eines Unternehmens zu verstehen. § 22 kommt ungeachtet dessen zur Anwendung, dass in dieser Bestimmung von Umsatzerlös und nicht von Gesamtumsatz die Rede ist (16 Ok 5/08). Nur der Gesamtumsatz kann einen Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss des Unternehmens auf den Markt liefern (vgl EuGH, 15.3.2000 „Cimenteries CBR ua / Kommission, Slg 2000, II-491, Rn 5022). Dadurch, dass auf den Gesamtumsatz im vorausgegangenen Geschäftsjahr abgestellt wird, wird der zeitliche Zusammenhang zwischen Verstoß und Leistungsfähigkeit sichergestellt (16 Ok 7/15p). Wenn das betreffende Unternehmen im Geschäftsjahr vor Erlass der Entscheidung keinen Umsatz erzielte, kann das KartGer den Umsatz des letzten Geschäftjahres mit „normaler Tätigkeit“ zugrunde legen (vgl EuGH, 7.6.2007 – C-76/06 P, „Briannia Alloys“, Rn 19 ff). Die in § 29 vorgesehene Obergrenze ist nicht bloß „Kappungsgrenze“, sondern bildet den Rahmen, an dem sich das KartGer bei der Bemessung der Geldbuße zu orientieren hat. Eine Einschränkung allein auf den tatbezogenen Umsatz kommt nicht in Betracht, weil dadurch die gesamte wirtschaftliche 430
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Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt würde (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 4/09). Aus diesem Grund ist auch eine detaillierte Ermittlung von „tatbezogenen“ Umsätzen nicht erforderlich (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die Bemessung nach dem Umsatz im letzten Jahr des Zuwiderhandelns stellt den zeitlichen Zusammenhang zwischen Verstoß und Leistungsfähigkeit sicher. Für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen werden für die Berechnung der Geldbuße die nach § 22 Z 2 und Z 3 maßgeblichen Kriterien herangezogen. Auch die Umsätze solcher Unternehmen sind zu berücksichtigen, an 11 denen das unmittelbar betroffene Unternehmen eine Beteiligung hält: Aufgrund der Bestimmung über die Berechnung von Umsatzerlösen in § 22 gelten Unternehmen, die iSd § 7 verbunden sind, als ein einziges Unternehmen, dessen Gesamtumsatz heranzuziehen ist (vgl 16 Ok 7/15p; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung, die in der genannten Norm in typisierter Form erfasst wird, ist es sachlich gerechtfertigt, auch bei Ausmittlung einer Geldbuße die Leistungsfähigkeit (Finanzkraft) nicht allein am Umsatz des zuwiderhandelnden Unternehmens, sondern am Umsatz der gesamten Unternehmensgruppe zu messen. Dabei wird auch das strafrechtliche Schuldprinzip nicht verletzt, bleibt doch das zuwiderhandelnde Unternehmen alleiniger Adressat der Bußgeldentscheidung (16 Ok 5/08). Der Gesetzgeber hat sich im kartellrechtlichen Verfahren ganz allge- 12 mein dafür entschieden, die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens nicht allein nach dessen Umsatz zu beurteilen, sondern die Finanzkraft des Konzerns, dem das Unternehmen angehört, einzubeziehen (§ 22 Z 1 KartG). Dies gilt auch für das Geldbußenverfahren. Sonst könnte das kartellrechtliche Geldbußensystem dadurch unterlaufen werden, dass ein zuwiderhandelndes Unternehmen von seinem Konzern mit so geringen Eigenmitteln ausgestattet wird, dass es im Fall einer Geldbuße in empfindlicher Höhe insolvent wird und aus dem Markt ausscheidet, während der Konzern den aus der Zuwiderhandlung erwirtschafteten und bereits abgeschöpften Gewinn dieses Unternehmens straflos behalten kann (16 Ok 5/08). Unter Berücksichtigung der ständigen Rechtssprechung des EuGH besteht auch keine Verpflichtung, bei der Bemessung einer Geldbuße die schlechte Finanzlage eines Unernehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unernehmen einen ungerechtfertigten Wettbe431
§ 29 KartGGugerbauer werbsvorteil zu verschaffen (16 Ok 7/15p mit Verweis auf EuGH C-308/04 P, SGL Carbon, Rn 105 mwN). 13 Die Regelung des § 29 unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. In beiden Fällen sind die Höchstbeträge einer möglichen Geldbuße als Prozentsatz bestimmter Umsätze festgelegt. Auch wenn eine Unternehmensvereinigung selbst wirtschaftlich nicht tätig ist, ist gem § 31 (vgl Art 23 Abs 4 der VO 1/2003) wegen einer Zuwiderhandlung, welche mit der Tätigkeit ihrer Mitglieder in Zusammenhang steht, die Summe der Gesamtumsätze der Mitglieder heranzuziehen, die auf dem entsprechenden Markt tätig waren.
IV. Verschuldensprinzip 14 In § 29 wird (wie auch in § 30) ausdrücklich auf den Grad des Verschuldens abgestellt, Geldbußen sind nur bei Verschulden zu verhängen (16 Ok 2/11): ein Unternehmer oder ein vertretungsbefugtes Organ eines Unternehmens in der Rechtsform einer juristischen Person bzw einer Unternehmervereinigung muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht haben. Die Bußgeldvorschrift des § 29 richtet sich nur dann an natürliche Personen, wenn diese – wie der Einzelkaufmann – persönlich unternehmerisch tätig sind. Unternehmen, die selbst nicht schuldfähig sind, wird das schuldhafte Handeln der für sie auftretenden natürlichen Personen zugerechnet. Die fraglichen Personen müssen nicht benannt werden (vgl Sura, aaO, Rn 37). Gleiches gilt im Unionsrecht, Art 23 Abs 2 der VO (EG) Nr 1/2003 des Rates vom 16. Dezember zur Durchführung der in den Art 101 und 102 AEUV [ex Art 81 und 82 EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl 2003 L 1/1 (bzw dessen Vorgänger, Art 15 VO 17/62), hat denn auch der inländischen Norm als Muster gedient. 15 Im KartG selbst wird nicht definiert, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist, aber es kann auf § 5 f StGB und § 3 VbVG zurückgegriffen werden. Danach handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, das er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzliche Tatbild entspricht (§ 6 Abs 1 StGB). Eine abstrakte Definition der – jeweils – geforderten Sorgfalt ist nicht möglich, die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs muss der Beurteilung 432
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des konkreten Falls vorbehalten bleiben, der Umfang des das Unternehmen treffenden Sorgfaltspflicht ist individuell zu bestimmen (16 Ok 2/11). Fahrlässig handelt aber auch, wer es für möglich hält, dass er einen einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs 2 StGB; vgl 16 Ok 2/11). Dieser für das Individualstrafrecht entwickelte Fahrlässigkeitsbegriff 16 erfasst subjektive Sorgfaltswidrigkeit. Für das kartellrechtliche Geldbußenverfahren gegen juristische Personen ist die im KartG bestehende Gesetzeslücke wegen des gleichen Regelungszwecks durch analoge Anwendung von § 3 Abs 3 VbVG zu schließen. Einer juristischen Person ist das wettbewerbswidrige Verhalten ihrer Organe und sonstigen Entscheidungsträger insoweit anzurechen, als diese in Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben handeln oder ihr Verhalten auf dienstlichen Weisungen beruht (16 Ok 5/08). Fahrlässigkeit von Mitarbeitern ist gem § 3 Abs 3 VbVG dann anzunehmen, wenn die für ein Unternehmen zurechenbar handelnde Personen die jeweilige Zuwiderhandlung bei Aufwendung einer nach den Umständen gebotenen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können (vgl 16 Ok 2/11). Nach dieser Bestimmung ist ein als juristische Person, etwa als GmbH, verfasstes Unternehmen für fahrlässige Straftaten von Mitarbeitern (Entscheidungsträgern) also nur verantwortlich, wenn die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben (16 Ok 2/11). Bei der Ausmittlung einer Geldbuße soll die Zusammenrechnungsregel 17 die Leistungsfähigkeit (Finanzkraft) nicht alleine am Umsatz des zuwiderhandelnden Unternehmens, sondern am Umsatz der Unternehmensgruppe, mit der es verbunden ist, messen (vgl 16 Ok 5/08; 16 Ok 2/15b). Das Schuldprinzip wird durch die Zusammenrechnungsregel des § 22 iVm § 7 nicht verletzt, weil nur das zuwiderhandelnde Unternehmen Adressat der Bußgeldentscheidung ist. Verbundene Unternehmen müssen nicht für etwas einstehen, womit sie nichts verbindet (16 Ok 5/08).
V. Tatsachen- oder Rechtsirrtum Im KartG findet sich keine Regelung, welche Auswirkungen etwaige 18 Tatsachen- oder Rechtsirrtümer auf das Verschulden haben. Im System 433
§ 29 KartGGugerbauer der Legalausnahmen ist die Irrtumsproblematik allerdings systemimmanent (vgl Sura, aaO, Rn 38). Bei Vorliegen eines Tatsachenirrtums, also dann, wenn der Täter weder weiß noch bei gehöriger Aufmerksamkeit wissen müsste, dass er einen Wettbewerbsverstoß begeht, weil ihm die Kenntnis der Verwirklichung von zumindest einem Tatbestandsmerkmal fehlt, liegt kein Verschulden vor. Die Verbotsbestimmungen des KartG (wie auch des AEUV) knüpfen vielfach an konkrete Marktverhältnisse an. Die Einschätzung, wie viel Marktmacht ein bestimmtes Unternehmen hat, setzt oft eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung voraus, bei der es – unverschuldet – zu Irrtümern kommen kann. Ähnlich herausfordernd kann die Entscheidung sein, ob die – sachlichen – Voraussetzungen des § 2 Abs 1 (bzw Art 101 Abs 3 AEUV) gegeben sind. 19 Bei einem Tatbildirrtum kommt es auch darauf an, bei wem das notwendige Wissen um die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale fehlt. Die Verbotsbestimmungen des KartG (wie auch des AEUV) sind an Unternehmen, also überwiegend an Gesellschaften gerichtet. Zumindest Kapitalgesellschaften als solche verfügen über keine kognitiven Fähigkeiten. Vertretungsbefugte Organe sind einem Unternehmen zweifellos zurechenbar. Das Verhalten (und die Kenntnis) von Mitarbeitern ohne Leitungsbefugnis kann dagegen schwerer zu qualifizieren sein (vgl § 3 VerbVG). 20 Nicht nur im Zusammenhang mit Verletzungen des Kartellverbots, sondern auch im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Missbrauchsverbot wird ein Irrtum über das Verbotensein eines Verhaltens regelmäßig als vermeidbar und damit unbeachtlich beurteilt. Rechtsunkenntnis und Rechtsirrtum sind nur dann nicht vorwerfbar, wenn die (richtige) Gesetzeslage dem Betroffenen trotz zumutbarer Aufmerksamkeit, etwa durch Vergleich mit den Rechtsquellen, nicht erkennbar war (16 Ok 2/11). Auch im Unionsrecht wird für ausreichend erachtet, dass sich ein Unternehmen nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass das ihm zur Last gelegte Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte oder bewirkte (vgl EuG T-62/98, Volkswagen/ Kommission, Rn 334). Nur in Einzelfällen finden sich Ansätze in der Entscheidungspraxis und Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht der EU, aus denen sich auf eine Erheblichkeit von unvermeidbaren Verbotsirrtümern schließen lässt (16 Ok 2/11). 21 Der Grad des Verschuldens eines Unternehmens hängt auch davon ab, inwieweit es (etwa als Teil eines großen internationalen Konzerns) über 434
Geldbußentatbestände
§ 29 KartG
juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügt und damit ein Fehlverhalten leichter erkennen kann. Im Einzelfall kann aber auch ein kleines Unternehmen gezwungen sein, einen kartellrechtlich erfahrenen Rechtsanwalt zu befragen, wenn erkennbar komplizierte oder neuartige Problemkonstellationen zu überprüfen sind. Zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang, ob das Unternehmen sein geplantes Handeln unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Rechtsquellen sorgfältig genug dahin überprüft hat oder überprüfen lassen hat, ob es unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt sei. Neben der Unternehmensgröße ist die Schwierigkeit des zu beurteilenden Sachverhalts ein Kriterium für den Umfang der Sorgfaltspflicht (16 Ok 2/11). Wenn einer Zuwiderhandlung ein Irrtum eines Unternehmens über die 22 Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zu Grunde liegt, der auf dem Inhalt eines Rechtsrates eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht, ist der Verstoß gegen das Kartellverbot dennoch durch eine Geldbuße bedroht, eine unrichtige oder unvollständige anwaltliche Auskunft wird jedenfalls bei einem Verstoß gegen eine Kernbeschränkung nicht einmal als Milderungsgrund berücksichtigt (16 Ok 4/13; EuGH 18.6.2013, C-681/11; RIS-Justiz RS0082955; zum schuldmildernden Effekt vgl 16 Ok 12/04).
VI. Verantwortlichkeit mehrerer beteiligter Unternehmen Grundsätzlich werden Unternehmen als wirtschaftliche Einheit aus ei- 23 ner Gesamtheit personeller und materieller Faktoren erfasst, diese wirtschaftliche Einheit kann eine Mehrzahl von Unternehmen mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit umfassen, bei Unternehmensgruppen neben der gesamten Gruppe auch einzelne Gruppenteile oder Tochtergesellschaften. Nicht nur ein unmittelbar handelndes Konzernunternehmen, sondern auch die Muttergesellschaft kann (unmittelbar) von einer Geldbuße betroffen werden, nämlich dann, wenn die Tochtergesellschaft gegenständlich Weisungen der Muttergesellschaft befolgte. Eine rechtswidrige Handlung kann allerdings nicht nur deshalb irgendeinem demselben Konzern, derselben Person oder einer Familie gehörenden Unternehmen zugerechnet werden, weil sich nicht ermitteln lässt, wem die Leitung tatsächlich zusteht. Eine Geldbuße gegen Mutterunterneh435
§ 29 KartGGugerbauer men liegt freilich stets nahe, wenn mehrere Konzernunternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt sind. In diesem Fall ist es möglich, dass die Geldbuße sowohl der rechtswidrig handelnden wie auch der leitenden juristischen Person auferlegt wird. Ein Handeln von Tochtergesellschaften aufgrund von Weisungen der Mutter wird widerleglich vermutet, wenn die Mutter Alleingesellschafterin ist (vgl Sura, aaO, Rn 10). Unter Umständen kann einem Unternehmen auch das Handeln eines Handelsvertreters oder Absatzmittlers zugerechnet werden. Dies dann, wenn der Handelsvertreter/Absatzmittler nur ein unbedeutendes Geschäftsrisiko trägt und weitestgehend als Hilfsorgan in das Unternehmen eingegliedert ist (vgl EuG 15.7.2015, T-418/10, Voestalpine AG, Rz 138 mwN). Haftet ein Unternehmen an der Spitze einer Unternehmensgruppe für die Zuwiderhandlung, so ist zur Bemessung der Geldbuße der Umsatz der Gruppe heranzuziehen, da dieser am besten Aufschluss über die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens bieten kann (EuG, 15.3.2000 „Cimeneries CBR ua / Kommission“, Slg 2000, II-491, Rn 5040). 24 Auch in der Rspr zum KartG wird eine gesamtschuldnerische Haftung der an der Zuwiderhandlung beteiligten Konzerunternehmen als Solidarschuldner für die verhängte Geldbuße bejaht (29 Kt 132, 133/07, 29 Kt 5/09; 16 Ok 2/15b; dagegen 16 Ok 5/08). Dies dann, wenn an der Zuwiderhandlung direkt beteiligte Unternehmen im Eigentum der Konzernmutter stehen, am Markt nicht selbständig agieren können, die Budgethoheit bei der Muttergesellschaft liegt und die Tochtergesellschaft bei wirtschaftlich erheblichen Investitionen Vorschläge zu unterbreiten hat, die von der Konzernmutter zu genehmigen sind (vgl 29 Kt 132; 16 Ok 2/2/15b). 25 Innerhalb komplexer Organisationen zu dem gleichen Zweck getroffene Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen sind für ihre gesamte Dauer als einheitliche Zuwiderhandlung zu beurteilen. Die Zerlegung eines durch ein einziges wirtschaftliches Ziel gekennzeichneten kontinuierlichen Verhaltens wäre gekünstelt. Sind an einer Zuwiderhandlung mehrere Mittäter beteiligt, kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die Gesamtzuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt worden ist, aber die gleiche wettbewerbswidrige Bestimmung oder Wirkung hat, nicht schon allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt (16 Ok 5/08). 436
Geldbußentatbestände
§ 29 KartG
Erforderlich ist ein konkretes schuldhaftes Verhalten sowie die Teilnah- 26 me am Verfahren als Partei, um es dem betreffenden Konzernunternehmen zu ermöglichen, seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen. Eine bloße gesellschaftsrechtliche Beteiligung und die faktische und/oder rechtliche Möglichkeit der Kontrolle über die Tochtergesellschaft ist nicht ausreichend, um eine (solidarische) Haftung zu begründen (16 Ok 5/08). Das verantwortliche Unternehmen haftet für begangenen Verstöße 27 (vorbehaltlich des Eintritts der Verjährung) selbst dann, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die Zuwiderhandlung bereits eine andere juristische Person für den Betrieb der seinerzeit unmittelbar handelnden Gesellschaft bzw des seinerzeit unmittelbar handelnden Betriebsteils verantwortlich ist, etwa in Folge zwischenzeitlicher Veräußerung. Ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, daraufhin seine Vermögenswerte veräußert, die das Instrument seiner Zuwiderhandlung waren und sich aus dem betreffenden Markt zurückzieht, ist – sofern es noch existiert – weiterhin für die Zuwiderhandlung haftbar zu machen (vgl Europäische Kommission, 27.11.2002, „Methylglukamin“, ABl 2004 L 38/18, Rn 206). Dies gilt selbst dann, wenn der ursprünglich handelnde und rechtlich unselbstständige Betriebsteil nach Übergang auf eine andere Person Rechtspersönlichkeit erwirbt, also unmittelbar Zustellungsadressat werden könnte (Sura, aaO, Rn 11). Nach § 1409 ABGB haftet der Erwerber eines Unternehmens neben 28 dem Veräußerer für alle zum Unternehmen gehörigen Verbindlichkeiten bis zum Wert des übernommenen Unternehmens, die er kannte oder kennen musste; nach § 38 Abs 1 UGB haftet der Erwerber eines Unternehmens für alle unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten, weil eine derartige Haftung nicht nach § 38 Abs 4 UGB ausgeschlossen ist; nach § 39 UGB haftet der Veräußerer eines Unternehmens – trotz Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Erwerber – weiter für solche Verbindlichkeiten, soweit sei vor Ablauf von 5 Jahren nach dem Unternehmensübergang fällig werden; nach § 142 UGB geht das Vermögen einer OG bzw KG (samt allen Verbindlichkeiten) mit Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den letzten verbliebenen Gesellschafter über; nach § 2 Abs 2 Z 1 UmwG gehen im Fall der übertragenen Umwandlung auf den Hauptgesellschafter (auch) alle Schulden auf den Hauptgesellschafter über; nach § 5 UmwG gehen im Fall der errichtenden Umwandlung (auch) 437
§ 29 KartGGugerbauer alle Verbindlichkeiten auf die errichtete Personengesellschaft über; nach § 15 SpaltG haften neben der Gesellschaft, welcher die Verbindlichkeit nach dem Spaltungsplan zugeordnet wird, die übrigen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften bis zur Höhe des ihnen jeweils zugeordneten Nettoaktivvermögens als Gesamtschuldner haften; nach § 219 AktG eher im Fall der Verschmelzung (auch) alle Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über; nach § 3 Abs 2 EUVerschG iVm § 219 AktG gehen im Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung (auch) alle Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über. 29 Die Verantwortlichkeit mehrerer an einer einheitlichen Zuwiderhandlung gegen § 1 beteiligter Unternehmen erstreckt sich auf die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung und auch auf Verhaltensweisen anderer Kartellmitglieder, an denen das betroffene Unternehmen selbst nicht beteiligt ist, sofern sie im Rahme des Gesamtkartells (der „Grundvereinbarung“) erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen wusste oder wissen musste, dass es sich an einem auf Wettbewerbsverfälschung abzielenden Gesamtkartell beteiligte und vom Verhalten der anderen Kartellmitglieder wusste oder wissen musste oder solches Verhalten hätte voraussehen müssen und bereit war, das Risiko auf sich zunehmen (16 Ok 5/08). 30 Die Verantwortlichkeit für ein langjährig abgesprochenes und ausgeübtes Gesamtverhalten mehrerer Teilnehmer entfällt nicht schon deshalb, weil sich ein Teilnehmer nicht mehr an Sitzungen beteiligt, dies jedenfalls dann, wenn er weiterhin an einer wettbewerbsbeschränkenden Abstimmung partizipiert. Die Beendigung der Beteiligung eines Unternehmens an der Durchführung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder die Einstellung eines auf die Verfälschung des Wettbewerbs abzielenden abgestimmten Verhaltens bedarf einer klaren und deutlichen Willenserklärung gegenüber den andern Beteiligten, weil letztere erst dadurch in die Lage versetzt werden, ihr künftiges Verhalten sowie den Umfang ihrer eigenen Verantwortlichkeit aufgrund der geänderten Umstände neu zu beurteilen (16 Ok 5/08). 31 Dass der Gruppenumsatz des Konzerns als Berechnungsgröße der Obergrenze der Geldbuße heranzuziehen ist, bewirkt noch nicht, dass neben einer Konzerngesellschaft als Adressatin der Geldbußenent438
Geldbußentatbestände
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scheidung noch weiteren die Stellung von Verfahrensbeteiligten samt den damit verbundenen Rechten einzuräumen wäre (16 Ok 5/08). Falls das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV er- 32 wiesen ist, kann sich das KartGer in Ausnahmefällen darauf beschränken, diese Zuwiderhandlung (auf Antrag) festzustellen, ohne eine Geldbuße zu verhängen, wenn das betreffende Unternehmen an einem nationalen Kronzeugenprogramm teilgenommen hat (vgl die Art 5 und 23 Abs 2 der VO (EG) 1/2003; EuGH 18.6.2013, C-681/11 – Bundeswettbewerbsbehörde / Schenker & Co, Rn 50).
VII. Fair Trial Der strafrechtsähnliche Charakter von Geldbußen, wie auch die Höhe 33 der vom KartGer zu verhängenden (und bereits verhängten) Geldbußen gebieten bei Anwendung der Bußgeldvorschriften die Berücksichtigung der in Art 47 ff der Charta der Grundrechte der EU (ABl 2000 Nr C 364/1) verbrieften und für Strafverfahren geltenden Grundsätze (vgl dazu auch ErwG 37 zur VO 1/2003), dh der Bestimmungen der MRK und damit auch der allgemeinen Prinzipien des „fair trial“ (vgl 5 Ob 154/07v). Hervorzuheben sind insbesondere der sich aus Art 6 Abs 2 EMRK ergebende Grundsatz der Unschuldsvermutung (vgl 16 Ok 4/07), die Verteidigungsrechte nach Art 6 Abs 3 MRK, das Bestimmtheitsgebot, das Rückwirkungs- und Analogieverbot des Art 7 MRK (nulla poena sine lege) und das Verbot der Doppelbestrafung „ne bis in idem“ in Art 4 des Protokolls Nr 7 zur MRK (vgl etwa EuGH 29.6.2006, Rs C-308/04 P). Der in Art 50 der Charta der Grundrechte der EU verankerte verfah- 34 rensrechtliche Grundsatz „ne bis in idem“, kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn sich gegen ein Unternehmen, gegen das bereits ein kartellgerichtliches Verfahren anhängig war oder ist, ein weiteres Verfahren richtet, diesem neuen Verfahren derselbe Sachverhalt zugrunde liegt und dasselbe Rechtsgut als verletzt gilt (vgl EuGH 7.1.2004, Rs C-204/00 P, Rn 338, Aalborg ua). Mehrfachsanktionen sind zulässig, wenn im Zusammenhang mit einem bereits sanktionierten Verhalten ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen eine andere Norm eingeleitet wird. Dies kann bei der Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen mit kartellrechtlichem Einschlag (vg § 168 b StGB) eine Rolle spielen, nach dem VbVG kann auch ein Unternehmen bestraft werden (vgl 439
§ 29 KartGGugerbauer 16 Ok 4/07). Im internationalen Zusammenhang findet der Grundsatz „ne bis in idem“ keine Anwendung, soweit Wettbewerbsbehörden von Drittstaaten aufgrund ihres nationalen Rechts Geldbußen verhängen und diese Verfahren und Sanktionen nicht dasselbe Rechtsgut schützen (EuGH 29.6.2006, Rs C-308/04 P; 14.2.2012, C-17/10, Rn 96). 35 Nach stRsp von EuG und EuGH zur Vorgangsweise bei Verstößen gegen Art 101 AEUV haben betroffene Unternehmen bei der Bußgeldbemessung einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Hat sich die Wettbewerbsbehörde bei für eine bestimmte Methode der Berechnung der Geldbuße entschieden, ist sie verpflichtet, diese schlüssig und ohne Diskriminierung auf alle Betroffenen anzuwenden (vgl EuG 29.4.2004, T-236/01, Tokai Carbon ua/Kommission, Rn 219, 232). Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet es, ohne objektive Rechtfertigung vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln (vgl EuGH 7.5.2007, C-76/06 P, Brittania Alloys & Chemicals/Kommission, Rn 40; EuGH 10.1.2006, C-344/04, IATA und ELFAA, Rn 95). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht nur für die Berechnung von Geldbußen innerhalb ein und desselben Verfahrens, sondern auch dann, wenn die Wettbewerbsbehörde parallele Verfahren zu gleichartigen Sachverhalten führt (vgl EuG 16.6.2011, T-192/06, Caffaro Srl/Kommission, Rn 46–48). Es ist aber kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, wenn eine verhängte Geldbuße deutlich über dem Geldbußenniveau der bisherigen Entscheidungen liegt (16 Ok 5/08). Es besteht mit anderen Worten kein Vertrauensschutz dahingehend, dass eine Geldbuße nach der zum Zeitpunkt des Verstoßes angewandten Berechnungsmethode bemessen wird bzw ein in der Vergangenheit erreichtes Geldbußenniveau nicht überschritten wird (vgl dazu auch EuGH 28.6.2005, C-189/02 P, Dansk Rørindustri A/S, Rn 173, 228 f). Gegen die vom Umsatz abhängende Strafobergrenze und die Bemessungskriterien gem § 30 bestehen nach der Rsp zum KartG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (16 Ok 3/06).
VIII. Settlement 36 BWB und betroffene Unternehmen können im Vorfeld eines (auf Antrag der BWB einzuleitenden) kartellgerichtlichen Verfahrens oder auch während eines bereits anhängigen kartellrechtlichen Verfahrens (auf Initiative des betroffenen Unternehmens oder auf Initiative der BWB) Einvernehmen über den relevanten Sachverhalt herstellen und 440
Geldbußentatbestände
§ 29 KartG
sich über eine angemessene Bußgeldhöhe einigen. Die §§ 33 Abs 1 und 17 AußStrG ermöglichen es einem Unternehmen als Antragsgegner im kartellgerichtlichen Verfahren, die Beweisaufnahme durch das KartGer abzukürzen, indem den Angaben der BWB entweder nicht entgegengetreten wird oder diese explizit außer Streit gestellt werden. Die BWB hat 2014 ihre Vorgangsweise bei einvernehmlichen Verfahrensbeendigungen in einem Standpunkt veröffentlicht (abrufbar unter www.bwb. gv.at/Fachinformationen/Standpunkte). Sie ist grundsätzlich bereit, in allen Verfahren vor dem KartGer wegen Verstößen gegen das KartG oder das Wettbewerbsrecht der EU eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung zu ermöglichen, also auch bei einseitigen Verhaltensweisen wie Marktmachtmissbräuchen nach § 5 oder der verbotenen Durchführung von Zusammenschlüssen (§ 17). Geben Unternehmen auf Basis einer derartigen Einigung gegenüber dem KartGer ein Anerkenntnis ab, prüft das KartGer den Bußgeldantrag der BWB (nur mehr) auf Schlüssigkeit, trifft und verkündet seine Entscheidung in der Regel in mündlicher Verhandlung. Hinsichtlich der Höhe des beantragten Bußgeldes kann das KartGer nur prüfen, ob allenfalls eine niedrigere Geldbuße als beantragt oder ein Verzicht auf die Verhängung einer Geldbuße (etwa in analoger Anwendung des § 42 StGB) in Frage kommt. Das KartGer ist nicht an die Bußgeldbemessung aus abgeschlossenen Settlement-Verfahren gebunden (vgl 16 Ok 2/15 b). Die Ausmittlung der Geldbuße (in den Grenzen des BWB-Antrags) ist eine Ermessensentscheidung des KartGer, bei der neben den gesetzlichen Bemessungsfaktoren (§ 30) die Umstände des Einzelfalls, wie auch der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind (vgl 16 Ok 4/07, 16 Ok 5/08, 16 Ok 4/09). Auch kann die Mitwirkung eines Kronzeugen (vgl § 11 Abs 3 WettbG) an der Aufklärung sowohl gegenüber der BWB wie auch gegenüber dem KartGer von Letzterem nach eigenem Ermessen als Milderungsgrund berücksichtigt werden (vgl 16 Ok 5/10). Das Verfahren wird also nicht durch einen Vergleich zwischen BWB und betroffenem Unternehmen (vgl dazu § 30 Abs 1 AußStrG), sondern durch einen – ohne Durchführung eigener gerichtlicher Erhebungen nur auf der Grundlage eines durch die BWB ermittelten und vom Unternehmen nicht bestrittenen Sachverhalts ergehenden – Beschluss des KartGer beendet. Ist die BWB grundsätzlich zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeen- 37 digung bereit, erläutert sie dem Unternehmen die wesentlichen Elemente der Zuwiderhandlung, die vorliegenden Beweismittel und deren 441
§ 29 KartGGugerbauer rechtliche Beurteilung. Abhängig vom Stand des Verfahrens kann diese Erläuterung die in Geldbußenverfahren gem § 13 Abs 1 WettbG vorgesehenen Mitteilung der Beschwerdepunkte ersetzen. Das Unternehmen kann dazu Stellung nehmen. Dem Unternehmen wird ein konkreter Betrag als Geldbuße avisiert, der nach dem Stand der Ermittlungen im Falle eines Settlements nicht überschritten wird. Das Unternehmen kann in der Folge ein Anerkenntnis abgeben, mit dem der maßgebliche Sachverhalt bestätigt, die Geldbuße bis zur Höhe des angekündigten Betrages ausdrücklich nicht bestritten und die rechtliche Würdigung der Behörde zur Kenntnis genommen wird. Bei Mehrparteienverfahren ist es nicht erforderlich, dass sämtliche betroffenen Unternehmen mit einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung einverstanden sind. 38 In das gegenüber der BWB abgegebene Anerkenntnis kann von dem betroffenen Unternehmen eine Erklärung aufgenommen werden, dass die rechtliche Bindungswirkung des Anerkenntnisses durch die Erlassung einer rechtskräftigen Geldbußenentscheidung des KartGer aufschiebend bedingt ist, wobei die Geldbuße nicht über jenem Betrag liegen darf, den die BWB dem Unternehmen zum Zeitpunkt der Abgabe der Anerkenntnis in Aussicht gestellt hat. 39 Die BWB berücksichtigt ein Anerkenntnis des zugrunde gelegten Sachverhalts sowie dessen rechtliche Würdigung durch eine Minderung der zu beantragenden Geldbuße um bis zu 20%. Wurde von der BWB bereits aufgrund des Kronzeugenprogramms eine geminderte Geldbuße beantragt, erfolgt der Settlement-Abschlag auf die bereits geminderte Geldbuße. 40 In Settlement-Verfahren, in denen nicht § 11 Abs 4 WettbG zur Anwendung kommt, hat der BKAnw ein uneingeschränktes Antragsrecht. Er kann einen eigenen (auch einen den BWB-Antrag übersteigenden) Bußgeldantrag stellen. Deshalb bedarf ein Settlement außerhalb eines Kronzeugenverfahrens auch der Einbindung und Zustimmung des BKAnw. 41 Für die betroffenen Unternehmen liegt der Vorteil dieser Vorgangsweise darin, vergleichsweise rasch Klarheit über die Höhe der drohenden Geldbuße zu erhalten, ein aufwändiges kartellgerichtliches Verfahren zu vermeiden und sich wieder den eigentlichen unternehmerischen Aufgaben zuwenden zu können. 42 Ein Vergleich mit Settlement-Verfahren nach EU- oder deutschem Kartellrecht ist nur bedingt möglich, weil das Verfahren nach dem KartG grundsätzlich (und anders als jenes der EU oder Deutschlands) ein du442
Bemessung
§ 30 KartG
ales (mit Ermittlungs- und Antragsbefugnis der BWB, aber Entscheidungsbefugnis des KartGer) ist. Nachteilig kann sich die fehlende Transparenz von Settlements und das Ausbleiben höchstgerichtlicher Kontrolle auswirken. Es ist dem Ermessen der BWB überlassen, ob sie einen Sachverhalt in mehrere unterschiedliche Verfahren aufteilt. Damit ist dem KartGer – trotz des dualen Sanktionssystems – die Möglichkeit einer inhaltlichen Überprüfung der für die Festsetzung der Geldbuße relevanten Umstände, etwa einer Überprüfung der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, genommen, zumal es in die Beurteilung wesentlicher Aspekte der Bemessung einer Geldbuße (etwa in die Definition des tatrelevanten Umsatzes) gar nicht eingebunden ist. Die Entscheidung durch das KartGer wird in der Regel zwar nicht als verkürzter Beschluss nach § 39 Abs 4 AußStrG ausgefertigt, die Begründung des Beschlusses fällt aber nach bisherigen Erfahrungen regelmäßig kurz aus. Anders als kartellgerichtliche Bindenderklärungen von Verpflichtungs- 43 zusagen (§ 27 Abs 1) enthalten Settlement-Entscheidungen des KartGer einen bindenden Schuldausspruch. Sie können gem § 37a ff als Grundlage für Schadenersatzansprüche Dritter herangezogen werden.
Bemessung § 30. (1) Bei der Bemessung der Geldbuße ist insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. (2) Ein Erschwerungsgrund ist es insbesondere, wenn 1. das Kartellgericht gegen den Unternehmer oder die Unternehmervereinigung schon wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt oder eine solche Zuwiderhandlung festgestellt hat oder 2. der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung als Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung oder an einer solchen Rechtsverletzung führend beteiligt gewesen ist. (3) Ein Milderungsgrund ist es insbesondere, wenn der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung 1. an einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung nur in untergeordneter Weise beteiligt war, 443
§ 30 KartGGugerbauer 2. die Rechtsverletzung aus eigenem beendet, 3. wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hat oder 4. den aus den Rechtsverletzung entstandenen Schaden ganz oder teilweise gutgemacht hat. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Gesamtwürdigung aller Umstände................................................ 1–8 II. Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung.................................. 9–12 III. Bereicherung...................................................................................... 13–15 IV. Verschulden........................................................................................ 16–19 V. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit................................................. 20–23 VI. Erschwerende Umstände................................................................. 24–25 VII. Mildernde Umstände........................................................................ 26–29 VIII. Antragsprinzip.................................................................................. 30
I. Gesamtwürdigung aller Umstände 1 Die Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung. Neben den im KartG – nicht taxativ (arg: „insbesondere“) – aufgezählten Bemessungsfaktoren, der Schwere und Dauer der Rechtsverletzung, der durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, dem Grad des Verschuldens sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sind die Umstände des Einzelfalls (etwa der räumliche Umfang des betroffenen Markts oder die kumulierten Marktanteile der beteiligten Unternehmen – vgl 16 Ok 5/10), der Kontext der Zuwiderhandlung 444
Bemessung
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und die gewünschte Abschreckungswirkung zu berücksichtigen. Im Fall der Zuwiderhandlung gegen des Kartellverbot ist auch auf die Mitwirkung der Aufklärung der Rechtsverletzung Bedacht zu nehmen (16 Ok 7/15p). Die Kriterien des § 30 Abs 1 stehen in keinem besonderen Verhältnis zueinander und sind im Rahmen der Beurteilung gleichrangig zu behandeln (vgl 16 Ok 4/07). Erforderlich ist eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Faktoren, es gibt keine arithmetische Formel, mit einer schlichten Rechenoperation auf Grundlage etwa des Gesamtumsatzes wäre es nicht getan (stRsp, zuletzt 16 Ok 7/15p; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; SZ 2008/5). Dies gilt auch für die Konstellation, dass die betroffenen Waren oder Dienstleistungen nicht den gesamten Teil des Umsatzes ausmachen (16 Ok 5/08; 16 Ok 4/07). Nur eine Geldbuße, deren Verhängung wahrscheinlich ist und deren 2 Höhe den aus einem kartellgesetzwidrigen Verhalten zu erwartenden Gewinn übersteigt, kann abschreckende Wirkung erzielen. Die theoretisch optimale Höhe einer Geldbuße ist daher der Betrag des durch den Wettbewerbsverstoß erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die sicherstellt, dass Zuwiderhandlungen nicht einem rationalen Kalkül folgen (vgl 16 Ok 2/15b mwN; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 4/09; 16 Ok 5/08 mwN). Vergleiche mit in anderen Verfahren verhängten Geldbußen sind nur 3 beschränkt zielführend. Denn es hängt immer von den besonderen Umständen des jeweiligen Falls ab, wie hoch die Geldbuße sein muss, um die mit ihr verfolgten Zwecke zu erreichen (vgl 16 Ok 4/09). Das KartGer kann daher auch Geldbußen verhängen, die die bisher im Inland verhängten Geldbußen deutlich überschreiten; die grundsätzliche Vorhersehbarkeit der Höhe einer kartellrechtlichen Geldbuße ergibt sich schon aus den gesetzlichen Bestimmungen (16 Ok 5/08). Umgekehrt kann das KartGer aufgrund seines Ermessens von der Festsetzung einer Geldbuße auch dann absehen, wenn alle Voraussetzungen für eine Sanktionierung vorliegen würden. Das Ermessen wird auch nicht durch das Diskriminierungsverbot eingeschränkt, sodass selbst dann eine Geldbuße verhängt werden darf, wenn gegen ein anderes Unternehmen in einer ähnlichen Lage keine Geldbuße verhängt worden ist (vgl EuGH, 31.3.1993, Slg 1993, I-1307 Rn 145 f, 197). Eine Bußgeldentscheidung des KartGer unterliegt der uneingeschränk- 4 ten Ermessensnachprüfung durch den OGH als KOG. Im Rechtsmit445
§ 30 KartGGugerbauer telverfahren kann der OGH als KOG eine Geldbuße nicht nur reduzieren, sondern (innerhalb des durch den Antrag einer Amtspartei vorgegebenen Rahmens) auch erhöhen. Die Kontrolle der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren richtet sich danach, inwieweit das KartGer bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung rechtlich korrekt alle gesetzlichen Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind (stRsp, zuletzt 16 Ok 7/15p; 2015 hat der OGH eine vom KartGer mit EUR 3 Mio festgesetzte Geldbuße auf EUR 30 Mio erhöht:) 16 Ok 2/15b). 5 Bei Wettbewerbsverstößen mit mehreren Beteiligten kann ein mehrstufiges Verfahren sicherstellen, dass die Geldbuße für jedes einzelne an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen individuell und differenziert je nach dem Gewicht des jeweils zu verantwortenden Verstoßes bemessen wird (vgl 16 Ok 7/15p). Dabei kann in einem ersten Schritt ein Grundbetrag der Geldbuße festgelegt werden. Dieser Grundbetrag ist nach der Schwere des Verschuldens und der Verstöße mit einem bestimmten Prozentsatz des Umsatzes des letzten Geschäftsjahres, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war, zu bestimmen. In einem zweiten Schritt kann für die Dauer des Verstoßes ein Aufschlag vorgenommen werden. In einem dritten Schritt können schließlich Milderungs- oder Erschwerungsgründe berücksichtigt werden. In einer Art Plausibilitätskontrolle kann die so ermittelte Geldbuße schließlich der gesetzlichen Höchstgrenze gegenübergestellt werden (vgl 16 Ok 5/08). 6 Weil eine im Zuge eines Settlement-Verfahrens gegen einen Mitbewerber festgesetzte Geldbuße keiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterlag, kann sie nicht gleichsam mechanisch als Muster für eine gerichtliche anzuordnende Geldbuße herangezogen werden. Settlement-Verfahren sind in der Praxis teilweise dadurch gekennzeichnet, dass die BWB dem betreffenden Unternehmen auf zweifache Weise, nämlich bei der Darstellung des zugestandenen Sachverhalts wie auch bei der Höhe der Geldbuße, entgegenkommt (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 7 Die Bemessungsfaktoren des § 30 wurden weitgehend aus den Bußgeld-Leitlinien der Europäischen Kommission (ABl 2006 C 210) übernommen. Das Geldbußensystem des KartG ist aber mit jenem des Wettbewerbsrechtes der EU nicht deckungsgleich. Die LL Geldbußen können deshalb im Verfahren über eine nach österreichischem Recht zu 446
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verhängende Geldbuße nur in jenem Unfang sinngemäß angewendet werden, in dem die entsprechenden Normen und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen vergleichbar sind. Unbedenklich ist es, wenn sich das KartGer an der Geldbußenpraxis der EU orientiert, ohne dabei das eigenständige inländische Sanktionensystem zu missachten und eigenen Überlegungen zu vernachlässigen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 4/07; 16 Ok 5/08). Das KartGer hat entsprechend dieser gesetzlichen Vorgaben etwa 8 Geldbußen in der Höhe von 2,2% (16 Ok 3/06, relativ kurzzeitiger Verstoß im Vertikalbereich), 3,5% (16 Ok 2/15b, vertikale Verkaufspreisabstimmung in Bezug auf Kulant- und Aktionspreise), 7,7% (16 Ok 4/07, Absichtskartell kombiniert mit Marktmissbrauch), 10% (16 Ok 4/09, Kartell) oder 30% (16 Ok 5/08, Kartell) des Inland-Umsatzes verhängt.
II. Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung Der Begriff „Schwere“ der Rechtsverletzung bezieht sich auf die kon- 9 kreten Merkmale der Zuwiderhandlung. Insoferne sind etwa die Menge und der Wert der betroffenen Waren oder Leistungen, die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens sowie sein Einfluss auf den Markt (sein Marktanteil) von Bedeutung (vgl EuG, 14.5.1998 SCA Holding / Kommission“, Slg 1998, II-1373 Rn 176). Zu den schwersten Verstößen zählen horizontale Wettbewerbsbeschränkungen, da wiederum Preisabsprachen und Marktaufteilungsabreden (vgl 16 Ok 5/10; 16 Ok 5/08; 16 Ok 4/07; RIS-Justiz RS0122753). Nach der Rechtssprechung der Gerichte der Europäischen Union verdienen Kartellrechtsverstöße wie die Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen oder die Aufteilung der Märkte schon aufgrund ihres Wesens die schwersten Geldbußen, sodass die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis als solche für die Beurteilung der Höhe der Geldbuße nicht ausschlaggebend sind (16 Ok 7/15p mit Verweis auf EuG T-655/11, FSI ua, Rn 538 unter Bezug auf EuGH C-554/08 P, Carbone-Lorraine, Slg 2009 I-189 Rn 44). Dass sich etwa eine Aufteilung der Märkte zum Nachteil der Kunden auswirkt, bedarf keiner zusätzlichen sachverhaltsmäßigen Grundlage, auch wenn die Höhe des Nachteils nicht feststeht (16 Ok 4/09). Ein besonders schwerer Verstoß wird auch bei der Vereinbarung von Ausfuhrverboten, bei ungerechtfertigter Lieferverweigerung, Preisdiskriminierung oder der 447
§ 30 KartGGugerbauer Gewährung von Treuerabatten angenommen (vgl Sura, in Langen/ Bunte,Art 23 VO 1/2003, Rn 41). Soweit Verstöße gegen § 1 und 5 bzw Art 101 und 102 AEUV kumulativ vorliegen, richtet sich die festzusetzende Geldbuße nach dem schwersten Verstoß (vgl Sura, aaO, Rn 31). 10 Auch eine Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot des § 17 wird als schwerer Verstoß gewertet, aber als „untersagungsferne“ Zuwiderhandlung gegen eine bloße Formvorschrift im Ergebnis milder als Verstöße gegen Untersagungstatbestände beurteilt (vgl 16 Ok 2/13). Dabei kommt es etwa darauf an, ob durch die Unterlassung der Anmeldung des Zusammenschlusses die Marktstrukturen und Marktverhältnisse nachhaltig geschädigt wurden. Die unterlassene Anmeldung eines Zusammenschlusses, der zum Entstehen oder zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen könnte, wird daher in der Regel zu einer massiveren Sanktionierung führen (vgl 16 Ok 2/13). 11 Neben der Schwere eines Verstoßes gegen das KartG ist auch dessen Dauer ein wesentliches Beurteilungskriterium (16 Ok 5/10). Ein Marktmissbrauch bzw ein Verstoß gegen das Kartellverbot besteht nicht nur in der (erstmaligen) Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen, sondern für die Dauer der Zuwiderhandlung. Die Dauer der Rechtsverletzung ist dementsprechend auch ein Bemessungsfaktor für die Höhe der Geldbuße (16 Ok 4/07). Eine nur kurze Verstoßdauer führt nicht automatisch zur Annnahmen geringere Schwere. Bei über lange Zeit andauernden Kartellrechtsverstößen liegt regelmäßig schweres Verschulden vor (vgl 16 Ok 4/07). Nach den Geldbußenleitlinien der Europäische Kommission (ABl 2006 C 210, Rn 22) errechnet sich für besonders schwerwiegende (horizontale) Verstöße gegen das Kartellverbot ein Grundbetrag nach dem Wert der verkauften Waren oder Dienstleistungen, also dem tatbezogenen Umsatz. Für schwerstmögliche Verstöße kann ein Betrag von bis zu 30% des (tatbezogenen) Umsatzes festgesetzt werden (aaO, Rn 21). Dieser Betrag wird mit der Anzahl der Jahre multipliziert, die das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (aaO, Rn 24). Die Beweislast für die der Bußbemessung zugrunde gelegte Verstoßdauer liegt in der Regel bei der BWB (vgl auch EuG 6.7.2000, „Volkswagen / Kommission“, Slg 2000, II-2707 Rn 199, 345, 346). 12 Bei einer Vielzahl von Verletzungshandlungen und einer diesen zugrundeliegenden zielgerichteten und planmäßigen Absicht liegt kein „außerordentlich geringer“ Wettbewerbsverstoß vor (16 Ok 3/06). 448
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III. Bereicherung Kartellrechtliche Geldbußen pönalisieren kein Kriminalunrecht. Des- 13 halb ist einer Berufung auf § 20 StGB, der neben einer (Geld-)Strafe die Abschöpfung der Bereicherung vorsieht, im kartellrechtlichen Bußgeldverfahren der Boden entzogen (vgl 16 Ok 04/07). Die durch einen Verstoß gegen das KartG erzielte Bereicherung ist bei der Festsetzung einer Geldbuße lediglich als ein Bemessungskriterium unter mehreren zu berücksichtigen. Dies bedeutet umgekehrt, dass eine Geldbuße auch dann verhängt werden kann, wenn keine Bereicherung eingetreten ist. Aus diesem Grund, aber auch wegen des weniger formstrengen Charakters des Verfahrens außer Streitsachen, bedarf es vor einer Ermessensentscheidung über eine kartellrechtliche Geldbuße keines detaillierten Beweisverfahrens zur Ermittlung des exakten Ausmaßes einer erzielten Bereicherung (16 Ok 4/09; 16 Ok 4/07). Erreicht oder überschreitet eine festgestellte Bereicherung die gesetzli- 14 che Obergrenze für die Höhe einer Geldbuße, ist die Geldbuße nicht zwingend in Anlehnung an diese gesetzliche Obergrenze festzusetzen. Dagegen spricht – neben dem Umstand, dass andernfalls ein detailliertes Beweisverfahren zur Ermittlung des exakten Ausmaßes der erzielten Bereicherung zwingend notwendig wäre – vor allem, dass die Aufzählung der Bemessungskriterien im Gesetz eine taxative ist („insbesondere“; vgl 16 Ok 4/07). Geldbußen sind von den betroffenen Unternehmen steuerlich nicht 15 absetzbar, dies selbst unter Berücksichtigung des Bemessungskriteriums der Bereicherung, das ja nur eines von mehreren Kriterien ist. § 20 Abs 1 Z 5 lit b EStG und § 12 Abs 1 Z 4 lit b KStG schließen ausdrücklich auch Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden, in das Abzugsverbot für Betriebsausgaben ein. Wenn damit auch auf den Pönalcharakter der Geldbuße und nicht auf den Gewinnabschöpfungsteil abgestellt wird, enthalten Bußgeldentscheidungen des KartGer (wie auch der Europäischen Kommission) in der Regel keine hinreichenden Anhaltspunkte, die eine nachvollziehbare Berechnung eines Abschöpfungsanteils erlauben würden. Die im Verfahren aufgewendeten Anwaltskosten sind dagegen voll steuerlich abzugsfähig.
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IV. Verschulden 16 Der Grad des Verschuldens ist ein wichtiger Bemessungsfaktor für die Höhe der Geldbuße (16 Ok 2/11; 16 Ok 5/10). Zu den verschiedenen Graden des Verschuldens gehören auch grobe und leichte Fahrlässigkeit (25 Kt 38/04). Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn das Unternehmen die Zuwiderhandlung hätte erkennen müssen. Der im Kartellrecht zur Anwendung kommende weite Vorsatzbegriff nähert sich der bewussten Fahrlässigkeit an. Ein Unternehmen handelt demnach vorsätzlich, wenn es die Wettbewerbsbeschränkung erkannt hat oder sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass das Verhalten eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckte oder bewirkte (vgl Sura, aaO, Rn 37). Zur Frage, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 101 und Art 102 AEUV vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist und deshalb mit Geldbuße geahndet werden kann, geht aus der Rechtssprechung des EuGH hervor, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit nicht im Unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstößt. Dass das betreffende Unternehmen sein Verhalten, auf dem die Feststellung einer Zuwiderhandlung beruht, rechtlich unrichtig eingestuft hat, kann also nicht dazu führen, dass ihm keine Geldbuße auferlegt wird, sofern es sich über die Wettbewerbswidrigkeit dieses Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte (16 Ok 7/15p mit Verweis auf EuGH C-681/11, Schenker & Co ua, Rn 37 mwN). Es liegt auf der Hand, dass sich Unternehmen, die unmittelbar ihre Preise absprechen und den Markt aufteilen, über die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein können (16 Ok 7/15p). In der Rechtssprechung wird aber bisweilen offen gelassen, ob ein vorsätzliches oder ein fahrlässiges Verhalten vorliegt (vgl EuGH, 25.3.1996 „SPO ua / Kommission“, Slg 1996, I-1611 Rn 53 ff). 17 Der Grad des Verschuldens hängt auch davon ab, inwieweit ein Unternehmen – etwa als Teil eines großen internationalen Konzerns – über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand sowie Ressourcen verfügt und sein Fehlverhalten daher – leichter – erkennen kann (16 Ok 5/10). So ist ein Verschulden an der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sich ein Unternehmen entsprechend anwaltlich beraten lassen hat. Vielmehr ist ein allfälliges dort anzusiedelndes Verschulden dem Unternehmen zuzurechnen (27 Kt 245/04). 450
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Im KartG ist nicht geregelt, ob von einer kartellrechtlichen Geldbuße 18 abgesehen werden kann, wenn das Verschulden des betroffenen Unternehmens oder der Unternehmervereinigung geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Diese Gesetzeslücke ist daher durch Analogieschluss zu füllen (16 Ok 4/07). Eine Geldbuße kann in nur symbolischer Höhe festgesetzt werden, etwa bei bloß fahrlässigem Verhalten oder bei einer unklaren Rechtslage in Folge Neuartigkeit des Falles. Bei geringem Verschulden und unbedeutenden Sachverhalten kommt in Ausnahmefällen selbst ein gänzliches Absehen von einer Geldbuße in Betracht, wenn sie weder aus spezial- noch generalpräventiven Gründen erforderlich ist. Dieser allgemeine Grundsatz kann aus § 42 StGB und § 21 Abs 1 VStG abgeleitet werden (16 Ok 2/11; 16 Ok 5/10; 16 Ok 52/05; RIS-Justiz RS0126268). Setzt aber ein Unternehmen beispielsweise während eines laufenden 19 Prüfungsverfahrens keinerlei (ernsthafte) Maßnahmen, um das aus dem Gesetz ableitbare Durchführungsverbot zu respektieren, dies nicht einmal nach Ergehen der erstinstanzlichen Untersagungsentscheidung, muss von einem nicht unerheblichen Grad des Verschuldens ausgegangen werden (27 Kt 245/04).
V. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens führt zu 20 einem weiteren Kriterium für die Bemessung einer Geldbuße. In Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen darf aber nicht nur deswegen eine Ermäßigung gewährt werden, weil die Finanzlage eines betroffenen Unternehmens schlecht ist. Eine solche Verpflichtung würde da rauf hinauslaufen, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl EuGH 29.6.2006, Rs C-308/04 P). Eine Ermäßigung ist nur möglich, wenn nachgewiesen wird, dass die Verhängung einer Geldbuße die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens unwiderruflich gefährden würde. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit darf sich nicht bloß an der 21 Höhe des Gewinns orientieren, weil dieser in Anbetracht der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht immer einen verlässlichen Maßstab für diese Leistungsfähigkeit bildet. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gewinn wegen einer Reihe von Einmaleffekten (zB Grün451
§ 30 KartGGugerbauer dung einer Zweigniederlassung, Einführung eines neuen EDV-Systems, etc) relativ niedrig war und bereits für das nächste Jahr eine deutlich Verbesserung der Ertragssituation zu erwarten ist (16 Ok 8/07). 22 Wenn das betreffende Unternehmen einem Konzern angehört, ist seine Leistungsfähigkeit nicht alleine nach seinem eigenen Umsatz zu beurteilen, sondern – in wirtschaftlicher Betrachtungsweise – ist die Finanzkraft des Konzerns einzubeziehen (vgl § 22). Für das Geldbußenverfahren kann damit nichts anderes gelten. Bei gegenteiliger Betrachtungsweise könnte das kartellrechtliche Geldbußensystem dadurch unterlaufen werden, dass ein zuwiderhandelndes Unternehmen von seinem Konzern mit so geringen Eigenmitteln ausgestattet wird, dass es im Fall einer Geldbuße in empfindlicher Höhe insolvent wird und aus dem Markt ausscheidet, während der Konzern den aus der Zuwiderhandlung erwirtschafteten und bereits abgeschöpften Gewinn dieses Unternehmens sanktionslos behalten könnte (16 Ok 5/08). 23 Die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse eines Unternehmens können sich im Zeitablauf ändern. Dies kann insbesondere während oder nach dem verbotswidrigen Verhalten in Folge des Erwerbs durch externe, an dem Kartellrechtsverstoß nicht beteiligte Dritte erfolgen. Diese können das Unternehmen, das die Zuwiderhandlung begangen hat, vollständig oder teilweise fortführen und dann insgesamt deutlich höhere Umsätze aufweisen. Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist grundsätzlich auf das Unternehmen im Zeitpunkt der Ausmittlung der Geldbuße abzustellen. Hat sich der Gesamtumsatz oder haben sich sonstige wirtschaftlich relevante Verhältnisse des Unternehmens in Folge des Erwerbs durch einen externen Dritten aber verändert, ist bei Ausmessung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen, ob eine angemessene Geldbuße zuvor erkennbar geringer ausgefallen wäre. Bei einer wesentlichen Erhöhung der relevanten Gesamtumsätze in Folge eines vollständigen oder teilweisen Erwerbs durch einen Dritten ist dies gegebenenfalls als bußgeldmindernd zu berücksichtigen (vgl EB RV 9. GWB-Novelle, S 93 f).
VI. Erschwerende Umstände 24 Wenn erschwerende Umstände vorliegen, kann dies zur Festsetzung einer höheren Geldbuße führen. Gemäß § 30 Abs 2 stellen insbesondere die Fortsetzung einer Zuwiderhandlung oder erneutes Begehen einer 452
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gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung, nachdem das KartGer festgestellt hat, dass das Unternehmen gegen § 1 oder § 5 bzw gegen Art 101 oder 102 AEUV verstoßen hatte („Wiederholungstäteraufschlag“ – vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k), wie auch die Betätigung als Urheber, Anführer oder Anstifter des Verstoßes einen Erschwerungsgrund dar (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Liegt zwischen den einzelnen Zuwiderhandlungen ein sehr langer Zeitraum, kann die letzte nicht als Wiederholungstat beurteilt werden (vgl EuG 27.9.2012, T-82/08, Guardian Industries, Rn 123). Der „sehr lange Zeitraum“ kann allerdings jenseits von zehn Jahren angesiedelt sein (vgl EuGH 8.2.2007, C-3/06 P, Groupe Danone, Rn 36 ff). Ein Verhalten wird als Anführerschaft beurteilt, wenn das betreffende Unternehmen eine wichtige Antriebskraft für das kartellrechtswidrige Verhalten gewesen ist, bzw eine besondere Verantwortung für dessen Funktionieren hatte (vgl EuG 15.3.2006, T-15/02, BASF, Rn 300 und 375). Damit wird etwa der Vorsitz bei Treffen von Kartellanten erfasst. Zur Qualifikation als Anstifter ist erforderlich, dass ein Unternehmen andere gedrängt oder zumindest ermuntert hat, ein Kartell zu errichten (vgl EuG 15.3.2006, T-15/02, BASF, Rn 321). Dass ein Unternehmen zu den Gründungsmitgliedern eines Kartells zählt, ist alleine für eine Qualifizierung als Anstifter noch nicht ausreichend (vgl EuG 27.9.2012, T-343/06, Shell, Rn 155). Aber auch Aktivitäten, mit denen andere Unternehmen zur Beteiligung an der Zuwiderhandlung gezwungen werden sollten; Vergeltungsmaßnahmen gegenüber anderen Unternehmen, mit denen die Einhaltung des rechtswidrigen Verhaltens durchgesetzt werden sollte; Preis- oder Marktaufteilungsabsprachen; der Umstand, dass Unternehmen – etwa durch einen Wirtschaftsverband – ausdrücklich auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens hingewiesen worden sind (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k); die Setzung eines Missbrauchsverhaltens auf einem wettbewerbsmäßig gering entwickelten Markt; die große wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines marktbeherrschenden Unternehmens wie auch der große Einfluss, den es auch auf dem Markt ausübt, sind Erschwerungsgründe (16 Ok 12/04). Für die Annahme einer Wiederholungstäterschaft ist – schon im Hinblick auf die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs – aber Voraussetzung, dass das betreffende Unternehmen (bzw dessen Rechtsvorgänger) auch tatsächlich Adressat der vorhergehenden kartellgerichtlichen Entscheidung war. Das KartGer kann Geldbußen gegen Unternehmen, die besonders hohe Umsätze mit Waren oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen, erzielt haben, höher festsetzen. 453
§ 30 KartGGugerbauer 25 Das Fehlen offizieller Sitzungsniederschriften oder Dokumente, also einer Dokumentation der Besprechungen oder Vereinbarungen unter Kartellanten, bildet für sich allein keinen Erschwerungsgrund (16 Ok 4/09). Problematisch wäre es, die Verweigerung einer Zusammenarbeit mit der BWB als erschwerenden Umstand anzusehen. Die Grenze zum bloßen Bestreiten, welches aus rechtsstaatlichen Gründen immer erlaubt sein muss, wäre fließend (vgl Sura, aaO, Rn 48).
VII. Mildernde Umstände 26 Als mildernde Umstände können ua berücksichtigt werden: Beweise, dass sich das Unternehmen der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem sie ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat; Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch Behörden oder geltende Vorschriften; ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum eines Unternehmens bei der Zuwiderhandlung; freiwillige Beendigung vor dem Eingreifen der BWB; aktive Zusammenarbeit des Unternehmens mit der BWB über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus; wesentlicher Beitrag zur Aufklärung der Rechtsverletzung (die Mitwirkung bei der Aufklärung der Zuwiderhandlung ist in der Kronzeugenregelung des § 11 WettbG berücksichtigt; vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 27 Die Mitwirkung bei der Aufklärung einer Rechtsverletzung als Milderungsgrund kommt jenem Unternehmen zugute, das sich insbesondere gegenüber der BWB kooperativ verhält, sie bei ihren Aufgaben unterstützt und damit im Ermittlungsverfahren einen spürbaren Beitrag zur Aufklärung der Zuwiderhandlung leistet. Die vom betreffenden Unternehmen gelieferten Informationen und sein sonstiges Verhalten müssen als Zeichen einer echten Zusammenarbeit angesehen werden können (16 Ok 5/10). Die Mitwirkung an der Aufklärung umfasst aber auch das Verhalten der betroffenen Unternehmen gegenüber dem KartGer (16 Ok 5/10). So kann als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wenn ein Unternehmen die BWB oder das KartGer darauf hinweist, dass ein Kartell länger gedauert hat als bisher angenommen. Unterbleibt ein solcher Hinweis, kann von einer umfassenden Mitwirkung an der Aufklärung ohne jeden Vorbehalt (die allenfalls den gänzlichen Entfall einer Geldbuße rechtfertigen könnte) keine Rede sein (16 Ok 5/10). 454
Unternehmervereinigungen
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Unabhängig vom Vorgehen der BWB bei Anwendung der Kronzeu- 28 genregelung kann die Mitwirkung an der Aufklärung vom KartGer als Milderungsgrund berücksichtigt werden (16 Ok 5/10). Mehrere Verfahrensbeteiligte, die gleichermaßen zur Aufklärung beigetragen haben, sind gleich zu behandeln, sonst ist nach dem Aufklärungsbeitrag abzustufen (16 Ok 5/10). ISd Art 18 Abs 3 der Richtlinie 2014/104/EU kann das KartGer eine Schadenersatzzahlung als mildernden Umstand berücksichtigen (vgl Abs 3 Z 4). Der Umstand, dass es sich um die erste Zuwiderhandlung handelt, ist 29 nicht als Milderungsgrund zu berücksichtigen. Das Fehlen einer früheren Zuwiderhandlung sollte der Normalfall sein (16 Ok 5/10). Über Bestehen und Auswirkungen eines Milderungsgrundes entscheidet das KartGer nach eigenem Ermessen. Aus einem Antrag der BWB ergibt sich nur die Obergrenze für die Bemessung der Geldbuße (16 Ok 5/10).
VIII. Antragsprinzip Liegt kein Antrag einer Amtspartei auf Verhängung einer Geldbuße 30 vor, darf das KartGer keine verhängen. Auch wenn das KartGer im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis kommt, dass eine höhere als die beantragte Geldbuße (§ 36 Abs 2) zu verhängen wäre, darf es lediglich die beantragt Geldbuße verhängen (vgl 16 Ok 4/09). Das Gericht kann aber eine geringere Geldbuße als die beantragte verhängen, etwa dann, wenn auf die Mitwirkung bei der Aufklärung Bedacht zu nehmen ist, die BWB aber keinen Antrag in Entsprechung der Bestimmungen über die Kronzeugenregelung gestellt hat.
Unternehmervereinigungen § 31. Bei der Bemessung von Geldbußen nach § 29 Z 1 gegen eine
Unternehmervereinigung, deren Zuwiderhandlung mit der Tätigkeit ihrer Mitglieder im Zusammenhang steht, ist die Summe der Gesamtumsätze derjenigen Mitglieder maßgeblich, die auf dem Markt tätig waren, auf dem sich die Zuwiderhandlung der Vereinigung auswirkte. Dies gilt jedoch nicht für Unternehmervereinigungen mit gesetzlicher Mitgliedschaft. 455
§ 31 KartGGugerbauer Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008).
1 Unternehmervereinigungen sind Vereinigungen von Unternehmern bzw und Unternehmen. Der Begriff „Unternehmervereinigung“ erfasst – in Ergänzung des Begriffs „Unternehmer“ und zur vollständigen Erfassung der selbstständigen Marktteilnehmer – überwiegend Fälle, bei denen die jeweilige Vereinigung selbst nicht als Unternehmer handelt. Unternehmervereinigungen sind in § 1 Abs 1 (und Art 101 Abs 1 AEUV) vor allem deswegen berücksichtigt, um die Umgehung des Verbots einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung von Unternehmen durch einen Beschluss (oder eine Empfehlung) einer Vereinigung dieser Unternehmen erfassen zu können. Die Rechtsform und Organisationsform einer Unternehmervereinigung ist ohne Bedeutung. Vereine, Verbände, Genossenschaften, Kammern aber auch weniger eng organisierte Interessengemeinschaften können Unternehmerereinigungen sein. Unternehmervereinigungen können wiederum aus Unternehmervereinigungen bestehen (vgl Hengst in Langen/Bunte, Art 101 AEUV Rn 68 f). 2 Soweit Unternehmervereinigungen keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfalten, erlösen sie auch keine Umsätze. Eine gegen eine Unternehmervereinigung wegen Zuwiderhandlungen gegen kartellrechtliche Verbote verhängte Geldbuße kann daher gem § 31 iVm § 29 bis zu 10% der Summe des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Umsatzes der Mitglieder betragen, die auf dem relevanten Markt tätig waren. Dies unter der Voraussetzung, dass die Zuwiderhandlung der Unternehmervereinigung mit der Tätigkeit ihrer Mitglieder in Zusammenhang gestanden hat. Unter Umständen können Mitglieder einer Unternehmervereinigung, wenn sie an der Zuwiderhandlung mitgewirkt haben, auch direkt mit einer Geldbuße belegt werden. 456
Unternehmervereinigungen
§ 31 KartG
Der Wortlaut von § 29 schließt nicht aus, dass dann, wenn an einem 3 Verstoß gegen eine kartellgesetzliche Bestimmung (etwa an einem Verstoß gegen das Kartellverbot) nicht nur Unternehmen, sondern auch eine Unternehmervereinigung beteiligt sind, jeweils ein Bußgeldrahmen von bis zu 10% ausgeschöpft wird. Da die Mittel einer Unternehmervereinigung in der Regel von ihren Mitgliedern aufgebracht werden, könnte damit die Obergrenze für eine Geldbuße in Summe indirekt 20% des Umsatzes eines Unternehmens betragen. In den Materialien gibt es aber keinen Hinweis, dass vom Gesetzgeber eine derartige „Doppelhaftung“ beabsichtigt worden wäre. § 29 ist daher dahingehend auszulegen, dass eine Kumulierung der Obergrenze in § 29 Z 1 ausscheidet, die Summe der einer Unternehmervereinigung und deren Mitgliedsunternehmen auferlegten Geldbuße also nicht 10% der Gesamtumsätze der beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr überschreiten darf (vgl Sura, in Langen/Bunte, Art 23 VO 1/2003, Rz 19). Bei der Bemessung der Geldbuße für eine Unternehmervereinigung ist 4 aber auch zu berücksichtigen, wenn die BWB iSv § 11 Abs 3 WettbG davon Abstand genommen hat, gegen ein am relevanten Markt tätiges Mitgliedsunternehmen der Unternehmervereinigung die Verhängung einer Geldbuße zu beantragen (Kronzeugenregelung). Damit soll vermieden werden, dass der entsprechenden Umsatz des Kronzeugen doch wieder (nämlich bei der Bemessung der Geldbuße für die Unternehmervereinigung) herangezogen wird. Von den Bestimmungen über die Gesamtumsätze der auf dem relevan- 5 ten Markt tätigen Mitgliedsunternehmen als Berechnungsgrundlage sind (abweichend vom Muster des Art 23 Abs 2 dritter Unterabsatz der VO 1/2003) Unternehmervereinigungen mit gesetzlicher Mitgliedschaft, etwa die Wirtschaftskammer Österreich, ausgenommen. Solche Unternehmervereinigungen sind dahingehend privilegiert, dass bei Bemessung einer Geldbuße jeweils nur der Umsatz jener Mitglieder he ranzuziehen ist, welche tatsächlich eine Zuwiderhandlung begangen haben.
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§ 32 KartGGugerbauer
Einbringung § 32. (1) Die Geldbuße fließt dem Bund zu und ist nach den Bestimmungen über die Eintreibung von gerichtlichen Geldstrafen einzubringen. (2) Von den Geldbußen sollen jeweils jährlich 1,5 Millionen Euro für Zwecke der Bundeswettbewerbsbehörde und des Vereins für Konsumenteninformation verwendet werden. 1 Zur Einbringung von Geldbußen wird in § 32 auf die Bestimmungen über die Eintreibungen von gerichtlichen Geldstrafen verwiesen, daher kommt § 409a StPO zur Anwendung (vgl 25 Kt 12/07). Die von den Gerichten verhängten Geldstrafen sind nach den Bestimmungen des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes (BGBl 1962/288 idgF) „einzubringen“ (§ 1 Z 2 GEG). Eine einzubringende (noch nicht entrichtete) Geldbuße ist durch einen Zahlungsauftrag zu bestimmen (§ 6a GEG). Dieser bildet einen Exekutionstitel iSd EO. Im Falle des Zahlungsverzuges wird der geschuldete Betrag im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung durch die Einbringungsstelle, welche beim Oberlandesgericht Wien eingerichtet ist, eingetrieben. 2 Die Gewährung einer Stundung oder Ratenzahlung kann auf der Grundlage von § 9 Abs 1 GEG erfolgen. Dies unter der Voraussetzung, dass die Einbringung für das zahlungspflichtige Unternehmen mit besonderer Härte verbunden ist und die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet wird oder Sicherheit geleistet wird. Vom Senatsvorsitzenden ist auf Antrag durch Beschluss ein angemessener Aufschub zu gewähren oder Ratenzahlung zu bewilligen. Die Entrichtung einer Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Zahlungspflichtige mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist (25 Kt 12/07). 3 Unternehmen, die miteinander iSv § 7 verbunden sind, gelten bei der Bemessung der Geldbuße als ein Unternehmen. Die Gewährung einer Ratenzahlung setzt voraus, dass sich die Finanzkraft einer Konzerngesellschaft und ihrer Konzernmutter seit der Verhängung der Geldbuße – bei deren Bemessung ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ja bereits berücksichtigt worden war – signifikant negativ entwickelt hat (25 Kt 12/07). 458
Verjährung
§ 33 KartG
Die mit 1. Jänner 2018 in Kraft tretende Bestimmung des Abs 2 soll 4 2020 evaluiert werden. Ab 2019 wird der Betrag jährlich valorisiert (vgl § 86 Abs 5). Im Hinblick auf ihren pönalen Charakter fällt eine kartellrechtliche 5 Geldbuße unter den Begriff „Geldstrafe wegen strafbarer Handlungen jeder Art“ iSd § 58 Z 2 IO. Nach dieser Bestimmung können Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Sie werden weder von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch vom Abschluss eines Sanierungsplans berührt (§ 156 Abs 5 Satz 2 IO). Aufgrund des pönalen Charakters dieser Forderungen sollen sie nur den Schuldner und nicht die Insolvenzgläubiger durch Verminderung der Quote belasten. Sie können nur durch Exekution in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners geltend gemacht werden (16 Ok 7/15p; 2 Ob 177/06b).
Verjährung § 33. Eine Geldbuße darf nur verhängt werden, wenn der Antrag
binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Diese Frist wird unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer oder einer beteiligten Unternehmervereinigung eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekannt gegeben wird. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Frist neu zu laufen; sie endet jedoch jedenfalls zehn Jahre ab Beendigung der Rechtsverletzung. Die Dauer eines Verfahrens vor einem Gericht wird in die Frist nicht eingerechnet.
Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3
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§ 33 KartGGugerbauer (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Verjährungsfrist................................................................................... 1–2 II. Beendigung der Rechtsverletzung.................................................... 3–6 III. Beweislast............................................................................................... 7 IV. Analoge Anwendung........................................................................... 8–12
I. Verjährungsfrist 1 Nach § 1501 ABGB ist auf Verjährung ohne Einwendung der Parteien von Amts wegen keine Bedacht zu nehmen. Gemäß § 1432 ABGB kann eine verjährte Schuld wirksam erfüllt werden und stellt daher eine Naturalobligation dar. Diese Grundsätze sind auf die Verjährung von Kartellrechtsverstößen jedoch nicht anwendbar. Die Textierung des § 33 KartG, wonach eine Geldbuße nur dann verhängt werden darf, wenn ein darauf gerichteter Antrag der BWB oder des BKAnw innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde, spricht dafür, dass es sich um eine Präklusivfrist handelt, die von vornherein die „Lebensdauer“ eines Rechts begrenzt, sodass dieses nach Ablauf der Frist vollkommen erloschen ist (27 Kt 44, 45/11). 2 Durch das KaWeRÄG 2017 wurde § 33 durch den zweiten bis vierten Satz ergänzt. Damit wurden die europarechtlichen Bestimmungen vom Art 25 Abs 3 und Abs 5 zweiter Satz VO Nr 1/2003 in das KartG übernommen. Mit jeder Ermittlungshandlung, die einem der Beteiligten bekanntgegeben wird, tritt Unterbrechung der Verjährung ein. Wenn also ein Hausdurchsuchungsbefehl zuerst einem Beteiligten Unternehmen zugestellt wird und später anderen Unternehmen, tritt die Unterbrechung mit dem Tag der ersten Zustellung ein, und zwar auch gegenüber Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, auf die sich die Ermittlungen jedoch (noch) nicht beziehen. Dies entspricht zwar nicht der Rechtslage bei gerichtlich strafbaren Handlungen (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB), ist aber bei Wettbewerbsverstößen, die Mittäterschaft geradezu voraussetzen, gerechtfertigt, da sonst die Verjährung dem Zufall, gegen welches Unternehmen sich der erste Verdacht der Wettbewerbsbehörde richtet, überlassen bliebe. Da die Verjährungsfrist für den (zunächst) unentdeckt gebliebenen Kartellanten ohnedies mit 460
Verjährung
§ 33 KartG
10 Jahren nach Beendigung der Rechtsverletzung begrenzt ist, bedeutet die vorgeschlagene Regelung keine unzumutbare Beschränkung des Rechtschutzes. Dadurch wird auch verhindert, dass die Wettbewerbsbehörde möglicherweise grundrechtsintensive Ermittlungsschritte gegen möglichst viele mutmaßliche Beteiligte setzt, nur um den Ablauf der Verjährungsfrist zu verhindern (EB RV KaWeRÄG 2017).
II. Beendigung der Rechtsverletzung Der Beginn der Verjährungsfrist knüpft an die Beendigung der Rechts- 3 verletzung an. Ein Verstoß gegen das KartG kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem kontinuierlichen Verhalten ergeben. § 33 differenziert nicht zwischen einmaligen, dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen oder zwischen Zustands- und Dauerdelikten (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen (16 Ok 7/15p; 16 Ok 2/15b). Bei Zustandsdelikten beginnt die Verjährung mit dem Tag zu laufen, an dem die Zuwiderhandlung begangen wurde. Bei den Dauerdelikten ist zwischen dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen zu unterscheiden. Bei einer dauernden Zuwiderhandlung handelt es sich um ein abgrenzbares rechtswidriges Verhalten, das ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum gesetzt wird (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 27 Kt 44, 45/11). Dann, wenn die Rechtsverletzung in Vertragsbestimmungen begründet ist, besteht der Verstoß nicht nur im Zeitpunkt des Vertragsschusses, sondern für die Dauer des aufrechten Vertrags (16 Ok 7/15p; 16 Ok 2/15b). Bei der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses (wegen unterlassener Anmeldung) wird der rechtswidrige Zustand regelmäßig erst durch die Anmeldung sowie endgültige Nichtuntersagung des Zusammenschlussvorhabens beendet. Auch die meisten Fälle von Missbrauch der Marktbeherrschung iSv § 5 (Art 102 AEUV) sind als Dauerdelikt zu qualifizieren. Der Verstoß endet dann mit der (endgültigen) Einstellung (bzw Abstellung) des entsprechenden Verhaltens. Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt vor bei einer Vielzahl aufeinan- 4 derfolgender rechtswidriger Verhaltensweisen oder mehreren abgrenzbare Handlungen, die auf ein und dasselbe Ziel gerichtet und durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind, wobei jede dieser Verhaltensweisen oder Handlungen für sich die Tatbe461
§ 33 KartGGugerbauer standsvoraussetzungen der §§ 1 und/oder 5 erfüllt. Bei einer fortgesetzten Zuwiderhandlung, also solchen Verstößen, die aus mehreren Teilhandlungen bestehen, die in ihrer Begehungsweise gleichartig sind, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sind, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist, also erst mit Beendigung des letzten Teilakts. Auf die strafrechtliche Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt (vgl 13 Os 1/07g) kommt es aufgrund der besonderen Rechtsgrundlagen im Kartellrecht nicht weiter an (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 5 Bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine Folge oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis belegen oder in Frage stellen könne, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit die Zielsetzung der verschiedenen fraglichen Handlungen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). 6 Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung erfasst eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem kontinuierlichen Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die Zusammenfassung der verschiedenen Zuwiderhandlungen führt dann dazu, dass die Verjährungsfrist grundsätzlich erst mit deren endgültiger Beendigung zu laufen beginnt. Dies selbst dann, wenn ein Unternehmen an einzelnen Zuwiderhandlungen gar nicht mehr beteiligt war.
III. Beweislast 7 Die Beweislast dafür, dass der Beginn der Verjährungsfrist für eines der beteiligten Unternehmen bereits zu einem früheren Zeitpunkt anzuset462
Verjährung
§ 33 KartG
zen ist, liegt bei diesem Unternehmen. Dafür wird der Nachweis einer offenen Distanzierung gefordert, weil die anderen Beteiligten erst dadurch in die Lage versetzt werden, ihr künftiges Verhalten sowie den Umfang ihrer eigenen Verantwortlichkeit neu zu beurteilen (16 Ok 5/08).
IV. Analoge Anwendung § 33 KartG bezieht sich auf Geldbußen. Allerdings muss die Verjäh- 8 rung analog für jede Art von „Sanktionen“ gelten. Wenn auf Grund der Kronzeugenregelung gegen ein bestimmtes Unternehmen keine Geldbuße verhängt werden kann, kann gegen dieses Unternehmen doch die Feststellung beantragt werden, dass es gegen das KartG verstoßen hat. Die Verjährungsbestimmung des § 33 KartG ist dann auch auf den Antrag auf Feststellung anwendbar (vgl 27 Kt 44, 45/11). Die Bekanntgabe einer Ermittlungshandlung der BWB gegenüber ei- 9 nem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmen (und damit eine Unterbrechung der Verjährungsfrist) wirkt gegenüber allen an dieser Rechtsverletzung Beteiligten. Nach Art 25 Abs 5 VO 1/2003 tritt die (absolute) Verjährung spätestens dann ein, wenn zehn Jahre ab Begehung bzw Beendigung der Zuwiderhandlung verstrichen sind, ohne dass die Europäische Kommission eine Geldbuße (oder ein Zwangsgeld) festgesetzt hat. Bei einem Verfahren auf Basis des KartG muss hingegen binnen zehn Jahren lediglich der entsprechende Antrag einer Amtspartei an das KartGer gestellt worden sein. Art 25 Abs 3 der Verordnung (EG) Nr 1/2003 sieht vor, dass die Ver- 10 jährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines EU-Mitgliedstaates unterbrochen wird. Ergänzt wird diese Regelung durch eine absolute Verjährungsfrist von in der Regel zehn Jahren (Art 25 Abs 5 zweiter Satz) und die Anordnung, dass die Verfolgungsverjährung während eines anhängigen Gerichtsverfahrens ruht (EB RV KaWeRÄG 2017). Wesentlich ist auch, dass die Dauer eines Zwischenverfahrens vor ei- 11 nem Gericht nicht in die Frist eingerechnet werden soll. Damit soll verhindert werden, dass aufwändige Rechtsmittelverfahren mit dem alleinigen Ziel geführt werden, die Verjährung herbeizuführen. Deshalb soll 463
§ 33 KartGGugerbauer weder ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts noch ein Verfahren vor dem KartGer oder KOG in die Verjährungszeit eingerechnet werden (EB RV KaWeRÄG 2017). 12 Alle Rechtsverletzungen, die am 30.4.2012 beendet waren und für die noch keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde, sind mit 1.5.2017 bereits verjährt. Wird bei einer Rechtsverletzung, die am 30.4.2012 noch nicht beendet war, am 1.5.2017 eine Verfolgungshandlung gesetzt und dem Unternehmen bekanntgegeben, dann bewirkt diese Bekanntgabe nach dem neuen Regime bereits eine Unterbrechung, sodass die Frist neu zu laufen beginnt, jedenfalls aber nach zehn Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung endet (EB RV KaWeRÄG 2017).
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Exekution auf Grund kartellgerichtlicher Beschlüsse
§ 34 KartG
3. Abschnitt Exekution Exekution auf Grund kartellgerichtlicher Beschlüsse und Vergleiche § 34. (1) Einstweilige Verfügungen des Kartellgerichts und rechtskräftige Beschlüsse des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts sowie die vor ihnen geschlossenen Vergleiche sind Exekutionstitel. (2) Zum Antrag auf Bewilligung der Exekution auf Grund von Beschlüssen, mit denen die Zuwiderhandlung gegen ein Verbot nach den §§ 5 oder 6 abgestellt wird, ist neben dem Antragsteller im kartellgerichtlichen Verfahren auch der durch den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung unmittelbar betroffene Unternehmer berechtigt. (3) Die Bewilligung und der Vollzug der Exekution ist auf Grund von kartellgerichtlichen Exekutionstiteln bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat (§§ 66, 75 JN), oder bei dem in den §§ 18 und 19 EO bezeichneten Exekutionsgericht zu beantragen. Übersicht
Rn I. Exekutionstitel...................................................................................... 1–2 II. Bestimmtheitsgebot............................................................................. 3–5 III. Antragsberechtigung.......................................................................... 6 IV. Exekutionsgericht................................................................................ 7 V. Exekutionsbewilligungsbeschluss...................................................... 8–9 VI. Abgrenzung.......................................................................................... 10–11
I. Exekutionstitel Nach Abs 1 sind Einstweilige Verfügungen (§ 48), rechtskräftige Be- 1 schlüsse, also vor allem Abstellungsaufträge (§ 26), die Anordnung nachträglicher Maßnahmen bei Zusammenschlüssen (§ 16) sowie bindend erklärte Verpflichtungszusagen (§ 27), schließlich vor dem KartGer oder dem KOG abgeschlossene Vergleiche (vgl § 30 AußStrG) Exekutionstitel. Auch Verpflichtungsentscheidungen der Europäischen Kommission des EuGH und des EuG sind vollstreckbar. 465
§ 34 KartGGugerbauer 2 Kartellgerichtliche Exekutionstitel können Unterlassungsgebote, aber auch Gebote zu einem positiven Tun enthalten (ein Abstellungsauftrag kann beides umfassen). Die exekutionsrechtliche Durchsetzung kartellgerichtlicher Abstellungsaufträge erfolgt in der Regel nach den §§ 355 ff EO, im Titel kann aber auch positives Tun angeordnet sein (vgl 16 Ok 20/04). So kommen etwa die Exekution zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung beweglicher Sachen (§ 346 EO), oder zur Erwirkung vertretbarer (§ 353 EO) oder unvertretbarer (§ 354 EO) Handlungen in Betracht.
II. Bestimmtheitsgebot 3 Exekutionstitel müssen so hinreichend konkretisiert sein, dass ihnen das geschuldete Verhalten nach Gegenstand, Art, Umfang und Zeit zu entnehmen ist. Dies ist schon bei der Formulierung des verfahrenseinleitenden Antrags zu berücksichtigen (vgl § 7 Abs 1 EO; 16 Ok 20/04). 4 Eine Unterlassungspflicht muss so deutlich formuliert sein, dass ihre Verletzung gem § 355 EO sanktioniert werden kann. Dabei müssen aber nicht alle möglichen Formen des Zuwiderhandelns im Detail angeführt werden, da ohnedies dem Exekutionsgericht die Beurteilung vorbehalten ist, ob die behauptete Zuwiderhandlung einen Verstoß gegen den Exekutionstitel darstellt. In der Regel wird ein allgemein gehaltenes Begehren durch konkrete Einzelverbote ergänzt. Das Bestimmtheitsgebot ist bei Unterlassungsbegehren nicht allzu streng auszulegen (vgl 16 Ok 11/03). 5 In Fällen von Marktmachtmissbrauch muss das Unterlassungsgebot auf ein konkretes missbräuchliches Verhalten abstellen. Bei einem unbestimmten (wenn auch am „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ eines Verhaltens orientierten) Abstellungsauftrag wäre das Exekutionsgericht, das nicht zur Klärung kartellrechtlichen Fragen berufen ist, überfordert (vgl 16 Ok 11/04).
III. Antragsberechtigung 6 Zum Antrag auf Bewilligung der Exekution sind der Antragsteller des kartellgerichtlichen Verfahrens (die beiden Amtsparteien auch dann, wenn sie im Verfahren vor dem KartGer nicht Antragsteller waren) und ein von einer Zuwiderhandlung nach den §§ 5, 6 unmittelbar betroffe466
Exekution auf Grund kartellgerichtlicher Beschlüsse
§ 34 KartG
nes Unternehmen berechtigt. Die Exekutionsführung durch mehrere parallel Berechtigte aufgrund desselben Titels ist möglich. Da Unternehmen in der Regel nicht im Besitz einer Ausfertigung des Exekutions titels sein werden, haben sie gegebenenfalls beim KartGer die Ausfolgung eines Exekutionstitels (nach Prüfung ihrer Berechtigung) zu beantragen. Grundsätzlich ist von einer parallelen Anwendbarkeit von Zwangsvollstreckung und Zwangsgeldern zur Rechtsdurchsetzung auszugehen. Zwangsgelder (§ 35) können aber nur auf Antrag der Amtsparteien verhängt werden (§ 36 Abs 2),
IV. Exekutionsgericht Entscheidungen im Außerstreitverfahren sind grundsätzlich nach der 7 EO zu vollstrecken (§ 80 AußStrG). Für Bewilligung und Vollzug der Exekution aufgrund von kartellgerichtlichen Exekutionstiteln – einschließlich Einstweiliger Verfügungen – ist wahlweise das Bezirksgericht, in dessen Sprengel das verpflichtete Unternehmen seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 66, 75 JN) hat, oder das in den §§ 18 und 19 EO bezeichnete Exekutionsgericht zuständig.
V. Exekutionsbewilligungsbeschluss Der Exekutionsbewilligungsbeschluss braucht die gegen den Exeku 8 tionstitel verstoßende Handlung sowie Zeit und Ort des Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung nicht genau anzugeben, soweit diese im Exekutionsantrag genau bezeichnet wurden. Gegen eine ungerechtfertigte Exekutionsführung (etwa weil Rechtfer- 9 tigungsgründe für eine Nichtbelieferung vorliegen) kann exekutionsrechtliche Klage eingebracht werden (vgl 16 Ok 20/04). Der vom Betreibenden behauptete Verstoß des Verpflichteten gegen das Unterlassungsgebot kann mit Impugnationsklage (§ 36 EO) bestritten werden (vgl 16 Ok 3/00).
VI. Abgrenzung Vom KartGer verhängte Geldbußen (§§ 29 ff) werden nicht nach § 34, 10 sondern entsprechend § 32 nach den Bestimmungen des GEG voll467
§ 35 KartGGugerbauer streckt. Die Exekution zur Hereinbringung von Zwangsgeldern (§ 35) wird von § 34 ebenfalls nicht erfasst, auch sie erfolgt nach dem GEG. 11 Wettbewerbsrechtliche Entscheidungen der Europäischen Kommission, welche die Zahlung von Geldbußen oder Zwangsgeldern gem Art 23 f VO 1/2003 vorsehen, sind Exekutionstitel, deren Vollstreckung nach den entsprechenden Vorschriften der Mitgliedstaaten vorzunehmen ist.
Zwangsgelder § 35. (1) Das Kartellgericht hat gegen einen Unternehmer oder eine
Unternehmervereinigung Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs von dem in seiner Entscheidung bestimmten Zeitpunkt an festzusetzen, um ihn beziehungsweise sie zu zwingen, a) eine Abstellungsentscheidung nach § 26, einen Auftrag nach § 16 oder eine einstweilige Verfügung nach § 48 zu befolgen; b) eine durch Entscheidung nach § 27 für bindend erklärte Verpflichtungszusage einzuhalten; c) im Rahmen einer Hausdurchsuchung (§ 12 WettbG) den Zugang zu Beweismitteln, die in elektronischer Form in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten abgerufen werden können, zu ermöglichen. (2) Ist der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung der Verpflichtung nachgekommen, zu deren Durchsetzung das Zwangsgeld festgesetzt worden war, so kann das Kartellgericht die endgültige Höhe des Zwangsgelds auf einen Betrag festsetzen, der unter dem Betrag liegt, der sich aus der ursprünglichen Entscheidung ergeben würde.
Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch
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Zwangsgelder
§ 35 KartG
der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Zwangsgelder als Beugemittel............................................................ 1–5 II. Zur Höhe des Tagessatzes................................................................... 6–13 III. Die endgültige Verhängung des Zwangsgeldes............................... 14–19
I. Zwangsgelder als Beugemittel Die Nichtigkeitssanktion in § 1 beseitigt nur die Rechtsverbindlichkeit 1 kartellrechtswidriger Vereinbarungen und Beschlüsse, hindert die beteiligten Unternehmen aber nicht an ihrer weiteren Umsetzung und erfasst nicht die Fälle abgestimmten Verhaltens. § 5 sieht überhaupt keine zivilrechtlichen Sanktionen vor. Es besteht aber ein öffentliches Interesse, dass Gebote des Kartellrechts zu jeder Zeit beachtet werden. Zur effektiven Durchsetzung der – taxativ angeführten – materiellrechtlichen (Abs 1 lit a, b) und verfahrensrechtlichen (Abs 1 lit c) Entscheidungen des KartGer, also einer Abstellungsentscheidung (§ 26), eines Auftrags nach § 16, einer Einstweilige Verfügung (§ 48), der Einhaltung einer durch Entscheidung nach § 27 für bindend erklärten Verpflichtungszusage oder zur Ermöglichung des Zugangs zu elektronisch abrufbaren Beweismitteln, stehen daher Zwangsbefugnisse zur Verfügung. § 35 soll die kurzfristige Umsetzung kartellgerichtlicher Beschlüsse befördern (16 Ok 13/08; vgl auch Stadler in Langen/Bunte, Art 103 AEUV, Rn 19; Sura, in Langen/Bunte, Art 23 VO 1/2003, Rn 2). Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 22.4.2015, Ra 2014/04/0046, 2 ausgesprochen, dass sich die Befugnis der Wettbewerbsbehörde nach § 12 Abs 4 vorletzter Satz iVm § 11 a Abs 1 Z 2 WettbG 2002, geschäftliche Unterlagen einzusehen, auch auf elektronisch gespeicherte Unterlagen erstreckt, solange sie in den vom Hausdurchsuchungsbefehl erfassten Räumlichkeiten eingesehen werden können. Da es somit nicht darauf ankommt, ob derartige elektronische Unterlagen auf der Festplatte eines in den erfassten Räumlichkeiten befindlichen Endgerätes 469
§ 35 KartGGugerbauer oder auf externen Speicherplätzen (etwa dem zentralen Server) gespeichert sind, trifft die Inhaber der Unternehmen und deren Vertreter nach § 11 a Abs 2 WettbG die Pflicht, einen Zugang zu den Unterlagen zu ermöglichen. Da die Wettbewerbsbehörde – anders als bei vor Ort gespeicherten Unterlagen – auf externen Servern gespeicherte Dokumente nicht durch Beschlagnahme (§ 12 Abs 4 letzter Satz WettbG) sichern kann, soll die Durchsetzung der Pflicht zur Ermöglichung des Zugangs zu den Dokumenten durch Zwangsgelder gesichert werden, die vom KartGer zu verhängen sind. Die Mitwirkung kann im Rahmen von Hausdurchsuchungen erzwungen werden, die nach dem 1.5.2017 stattfinden (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 3 Zwangsgelder sind – wie im Exekutionsrecht – ein unterstützendes (Beuge-)Mittel zur Durchsetzung von Entscheidungen, die Handlungs-, Duldungs-, oder Unterlassungsverpflichtungen aussprechen (vgl 16 Ok 3/07). Die Auslegung des § 35 kann sich an den §§ 354 f EO orientieren, da das AußStrG explizit auf die EO (§ 80) verweist, oder auch am analog anzuwendenden § 24 FBG (firmenbuchrechtliches Zwangsstrafenverfahren, vgl etwa 16 Ok 5/97, 16 Ok 3/07). 4 Alle Zwangsgeldtatbestände sind akzessorisch zu der die (Verhaltens-) Pflicht aussprechenden Grundentscheidung des KartGer Voraussetzung für die Verhängung von Zwangsgeldern ist ein im Zeitpunkt der Entscheidung noch fortwährendes, objektiv kartellrechtswidriges Verhalten des Unternehmens (vgl Stadler, aaO). Das vom KartGer aufgrund eines Bundesgesetzes (des KartG) verhängte Zwangsgeld fließt wie eine Geldbuße (vgl § 32) dem Bund zu. Da Zwangsgeld keinen Strafcharakter hat, liegt keine Doppelbestrafung vor, wenn Zwangsgeld zusätzlich zu einer Geldbuße verhängt wird (vgl 16 Ok 8/07). Parallel zur Zwangsgeldverhängung (§ 35) kann eine Exekution (§ 34) als Rechtsdurchsetzungsbehelf zur Anwendung gelangen. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Auferlegung von Zwangsgeldern liegt beim KartGer, jene für eine Zwangsvollstreckung gem § 34 Abs 3 beim zuständigen BG. 5 Das KartGer hat bei Vorliegen der Voraussetzungen (ua einem entsprechenden Antrag) zwingend ein Zwangsgeld festzusetzen (vgl 16 Ok 3/07). Dabei kommt es zu einem Rechtsmäßigkeitszusammenhang: Ist die Grundentscheidung rechtmäßig, dann ist auch das Zwangsgeld rechtmäßig; es sei denn, es treten Verfahrensfehler auf oder die Höhe des festgesetzten Zwangsgelds ist unverhältnismäßig (vgl Sura, aaO, 470
Zwangsgelder
§ 35 KartG
Rn 4). Vor Verhängung des Zwangsgelds iSv Abs 2 muss die entsprechende Grundentscheidung des KartGer (zB ein Abstellungsauftrag) vollstreckbar sein. Das KartGer kann der noch nicht rechtskräftigen Grundentscheidung nach § 44 Abs 1 AußStrG vorläufig Vollstreckbarkeit zuerkennen, wenn es dies zur Vermeidung erheblicher Nachteile für eine Partei oder die Allgemeinheit für notwendig erachtet. Hat das durch das Zwangsgeld beschwerte Unternehmen gegen die Grundentscheidung einen Rekurs eingebracht und drohen ihm durch die vorläufige Vollstreckung erhebliche Nachteile, die bei einem Erfolg seines Rekurses gegen die Grundentscheidung nicht beseitigt werden könnten, kann es eine Änderung der Entscheidung über die Zuerkennung beantragen, worüber nach Vorlage des Rekurses das KOG zu entscheiden hat. Die Exekution (Einbringung) von Zwangsgeldern erfolgt analog § 32 nach GEG.
II. Zur Höhe des Tagessatzes Zwangsgelder können ausschließlich von einer der beiden Amtspartei- 6 en (§ 36 Abs 2) beantragt werden. Die Antragstellung ist an keine Frist gebunden, sie ist solange möglich, wie der durch das KartGer auferlegten Verpflichtung noch nicht nachgekommen worden ist. Der verfahrenseinleitende Antrag muss gem § 9 Abs 1 AußStrG anführen, warum das KartGer gegen welches Unternehmen oder welche Unternehmensvereinigung ein Zwangsgeld zu verhängen hat. Weder aus dem KartG noch aus dem AußStrG ergibt sich das Erfordernis einer konkreten betragsmäßigen Bezifferung (der Höhe des Tagessatzes) in absoluten Zahlen oder Prozentsätzen. Wurde aber Zwangsgeld einer bestimmten Höhe beantragt, darf das KartGer kein höheres verhängen (§ 36 Abs 2). Anders als in § 29 ist in § 35 keine Gesamtbetrags-Höchstgrenze („Deckelung“) vorgesehen. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (§ 15 AußStrG) hat das KartGer 7 dem betroffenen Unternehmen den Zwangsgeldantrag zuzustellen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und es zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufzufordern, die als Berechnungsgrundlage für die Höhe des Tagessatzes herangezogen können (Jahresabschluss, Bilanz etc). Das Verfahren ist zweistufig. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraus- 8 setzungen ist zunächst die Höhe des Tagessatzes – entsprechend dem 471
§ 35 KartGGugerbauer gesetzlichen Rahmen (Höchstbetrag von 5% des durchschnittlichen Tagesumsatzes) – festzusetzen. Während die Verhängung einer Geldbuße beim entsprechenden Unternehmens stets Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraussetzt, erfolgt die Festsetzung der Höhe des Tagessatzes iSv § 35 Abs 1 unabhängig von einem (allfälligen) Verschulden des betroffenen Unternehmens. Das KartGer kann ja (auf Antrag) präventiv tätig werden. Zum Zeitpunkt der Festsetzung der Höhe des Tagessatzes muss nicht schon evident sein, dass das betroffene Unternehmen der Verpflichtung nicht nachkommt oder nicht nachkommen wird. Der Beschluss ist gewissermaßen als konkretisierte Androhung, als Belehrung und Warnung hinsichtlich der im Gesetz normierten Ungehorsamsfolgen, zu verstehen (vgl 16 Ok 3/07). 9 Zunächst ist daher auch kein Gesamtbetrag des Zwangsgeldes zu beziffern, da zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht abzusehen ist, falls es zu einem Verzug kommen sollte, wie lange dieser andauern würde. Unter Verzug ist in diesem Zusammenhang objektive Säumnis zu verstehen (vgl Sura, aaO, Rn 11). Müsste das KartGer den Verzug abwarten, wäre der Zeitraum zwischen dem Eintritt des Verzugs und dem Beschluss über die Festsetzung der Höhe des Tagessatzes ungeschützt. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Festsetzung eines Zwangsgelds steht aber, soweit ein entsprechender Antrag vorliegt, im Ermessen des KartGer. In der Regel wird das KartGer vor allem bei Einstweiligen Verfügungen sowie im Fall offensichtlicher Erfüllungsverweigerung den Tagessatz festsetzen ohne abzuwarten, ob überhaupt Verzug eintritt (vgl Sura, aaO, Rn 13). 10 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist in der Erstentscheidung der Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem die Tagessätze anfallen. Dieser Zeitpunkt darf nicht vor dem Tag der Zustellung des Festsetzungsbeschlusses an das betroffene Unternehmen liegen. Es ist nicht erforderlich, dass bei auferlegten Handlungspflichten zwischen dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verpflichtung und dem Eintritt des Verzugs eine angemessene Zeitspanne liegen muss, um dem betreffenden Unternehmen die Vornahme der Handlung zu ermöglichen (wenn etwa bei der Umsetzung von Unterlassungs- oder Duldungspflichten besondere Bemühungen oder Vorkehrungen auf Seiten des Unternehmens erforderlich sind). Nach § 35 ist ja vorab der entsprechende Antrag einer Amtspartei dem säumigen Unternehmen zuzustellen. Damit ist dieses jedenfalls spätestens ab Zustellung informiert und kann sich für den Fall der Verhängung eines Zwangsgeldes entsprechend vorbereiten (16 Ok 3/07). 472
Zwangsgelder
§ 35 KartG
Die Höhe des Tagessatzes ist so festzusetzen, dass damit eine möglichst 11 rasche Umsetzung des aufgetragenen Verhaltens erzwungen wird. Die maximale Höhe beträgt 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes. Für den Tagesumsatz ist der Gesamtumsatz, der im letzten vollen Geschäftsjahr vor Erlass der Zwangsgeldentscheidung erzielt wurde, Bezugsgröße. In § 35 fehlt zwar ein expliziter Hinweis, es ist aber davon auszugehen, dass der Gesamtumsatz gemeint ist. Bei der Berechnung des Tagesumsatzes gilt nicht bloß die Zahl der Werktage (weil an Nichtwerktagen kein Umsatz erzielt wird und es folglich auch keinen Tagesumsatz gibt) als relevanter Maßstab: Die Anzahl der Werktage kann von Bundesland zu Bundesland divergieren, bei international agierenden Unternehmen würde es unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereiten, die von Land zu Land unterschiedlichen Werktage aufeinander abzustimmen. Daher ist zur Feststellung des Tagesumsatzes der Jahresgesamtumsatz eines Unternehmens durch die Anzahl der Kalendertage des betreffenden Jahres zu dividieren (vgl Sura, aaO, Rn 10). Wenn mehrere Verstöße gegen kartellgerichtliche Entscheidungen 12 deutlich voneinander zu trennen sind und nicht in einem inneren Zusammenhang stehen, sind Zwangsgelder gegebenenfalls zu kumulieren, die Höchstgrenze von 5% kann dann wiederholt ausgenutzt werden (vgl Sura, aaO, Rn 10). Der Festsetzungsbeschluss des KartGer in der ersten Stufe des Zwangs- 13 geldverfahrens ist nicht gesondert anfechtbar. Die – für den Fall der Nichtbefolgung ausgesprochene – Festsetzung der Höhe des Tagessatzes führt nicht zwingend zu einem Zwangsgeld bestimmter Höhe; sie ist nicht der Rechtskraft fähig und nicht vollstreckbar, weshalb eine Beschwer zur Erhebung eines Rechtsmittels fehlt (16 Ok 3/07).
III. Die endgültige Verhängung des Zwangsgeldes In einem zweiten Beschluss ist vom KartGer für einen bestimmten 14 Zeitraum, in welchem dem Grundauftrag nicht Folge geleistet wurde, ein vollstreckbarer Betrag (in der Regel der bereits in der ersten Stufe festgesetzte Tagessatz mal der Anzahl der Tage bis zur Umsetzung des verpflichtenden Verhaltens) als Zwangsgeld festzusetzen („Verhängungsbeschluss“; vgl 16 Ok 3/07; Sura, aaO, Rn 9). Dabei wird notwendigerweise an ein zurückliegendes Verhalten angeknüpft. Der Wortlaut 473
§ 35 KartGGugerbauer von § 35 Abs 2 ist allerdings missverständlich: Zwar wird das Zwangsgeld im Normalfall nur einmal – endgültig – festgesetzt, sobald das Unternehmen seine Verpflichtung erfüllt hat. Aber Zwangsgeld kann nicht nur dann verhängt werden, wenn das betreffende Unternehmen (die Unternehmervereinigung) die Verpflichtung erfüllt hat. Der Gesetzgeber hat offensichtlich nicht gewollt, dass sich ein Unternehmen dadurch der Auferlegung eines Zwangsgelds entziehen kann, dass es die Verpflichtung nicht erfüllt. Daher ist anerkannt, dass das KartGer, einen entsprechenden Antrag vorausgesetzt, zu jedem Zeitpunkt des Verzugs für den jeweils abgelaufenen zwanggeldrelevanten Zeitraum ein Zwangsgeld iSv Abs 2 festsetzen kann. Gegebenenfalls muss das KartGer in seinem Beschluss aber deutlich machen, dass es sich – weil der Verzug immer noch anhält – nicht um die abschließende Entscheidung handelt (vgl Sura, aaO, Rn 14). 15 Nicht jede Verzögerung bei der Einräumung des Zugangs zu Beweismitteln, die in elektronischer Form in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten abgerufen werden können, wird zur Verhängung von Zwangsgeldern führen. Wie sich nämlich aus dem ersten Halbsatz des Abs 1 ergibt, hat das KartGer „gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs von dem in seiner Entscheidung bestimmten Zeitpunkt an“ festzusetzen, um ihn bzw sie zu den in den nachfolgenden Litera angeführten Handlungen zu zwingen (EB RV KaWeRÄG 2017). 16 Zwangsstrafen kommen nur für den Fall des „Verzugs“ in Betracht. Die Funktion von Zwangstrafen ist es nicht, das betroffene Unternehmen wegen eines vergangenen Verhaltens zu sanktionieren, sondern zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Ein Verzug kann in verfahrensrechtlicher Hinsicht frühestens mit auf dem auf die Zustellung der Entscheidung des KartGer nach Abs 1 folgenden Tag eintreten, wobei ein solcher Beschluss auf einem Antrag einer Amtspartei und der Äußerung der betroffenen Partei beruht. In inhaltlicher Hinsicht liegt aber ein „Verzug“ nicht vor, solange für das gewünschte Verhalten noch Vorbereitungshandlungen erforderlich sind. Selbst im Fall eines Verzugs kann das KartGer die endgültige Höhe des Zwangsgeldes mit einem Betrag festsetzen, der unter jenem liegt, der sich aus der ursprünglichen Entscheidung ergeben würde, wenn der betroffene Unternehmer der Verpflichtung nachkommt (§ 35 Abs 2). Dabei ist es auch möglich, 474
Zwangsgelder
§ 35 KartG
von der Verhängung von Zwangsgeld ganz abzusehen. Es besteht daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen einige Zeit, um den Zugang zu den elektronischen Beweismitteln zu ermöglichen (EB RV KaWeRÄG 2017). Für den Fall der Erfüllung sieht § 35 Abs 2 die Möglichkeit vor, die 17 Zwangsgeldsumme so festzusetzen, dass sie unter dem Betrag liegt, der sich aus einer Multiplikation des im ersten Beschluss festgesetzten Tagessatzes mit der Zahl der „Säumnistage“ ergeben würde (vgl 16 Ok 3/07). Abs 2 enthält keine Kriterien für eine derartige Reduzierung. Die Senkung unterliegt richterlichem Ermessen (arg „kann“, nicht „hat“). Die endgültige Höhe des Zwangsgeldes kann uU auch mit „Null“ festgesetzt werden. Dies in Analogie zur Rechtsprechung zu § 24 FBG: Bei nach § 24 FBG verhängten Zwangsstrafen kann, sobald dem gerichtlichen Auftrag Folge geleistet wurde, ausgesprochen werden, dass die verhängte Strafe nicht vollstreckt wird. Das firmenbuchrechtliche Zwangsstrafenverfahren ist ja ebenfalls nach den Grundsätzen des AußStrG zu vollziehen, Zwangsstrafen nach § 24 FBG kommt Beugecharakter zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung zu (16 Ok 3/07). In der Praxis wird zu berücksichtigen sein, inwieweit der raschen Umsetzung der Verpflichtung Sachzwänge entgegengestanden haben. Die Verhängung von Zwangsgeldern hängt zwar nicht von einem Verschulden des betroffenen Unternehmens ab, aber die Höhe der Zwangsgelder kann reflektieren, ob die Missachtung von Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflichten vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte. Die Möglichkeit, den endgültigen Betrag des Zwangsgeldes herabzusetzen, soll einen zusätzlichen Anreiz für die Unternehmen bieten, die Verpflichtung zu erfüllen (vgl Sura, aaO, Rn 15). Für die Festsetzung der Zwangsgeldsumme nach Abs 2 ist kein neuer- 18 licher Antrag einer Amtspartei erforderlich (29 Kt 106, 107/06). Es sind aber die allgemeinen Verfahrensgarantien hinsichtlich belastender Entscheidungen und insbesondere die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens zu beachten. Dazu gehört ua, dass das KartGer vor der endgültigen Festsetzung des Zwangsgeldes verpflichtet ist, dem Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Sura, aaO, Rn 16). Die Durchführung einer Verhandlung ist nicht zwingend, hat auf Antrag einer Partei jedoch stattzufinden (§ 47). Der auf der zweiten Stufe endgültig festgesetzte Gesamtbetrag des 19 Zwangsgeldes ist vollstreckbar. Dieser Beschluss ist – im Gegensatz 475
§ 35 KartGGugerbauer zum Festsetzungsbeschluss – anfechtbar (16 Ok 3/07). Das betroffenen Unternehmen kann Rekurs einbringen, wobei dem Rekurs aufschiebende Wirkung zukommt (16 Ok 3/07). Analog zu § 33 ist von einer fünfjährigen Verjährungsfrist für die endgültige Festsetzung der Zwangsgeldhöhe auszugehen. Sie beginnt mit jenem Tag, an dem das betroffene Unternehmen die ihm vom KartGer (oder KOG) auferlegte Verpflichtung zur Gänze erfüllt hat.
476
Antragsprinzip
§ 36 KartG
4. Abschnitt Gemeinsame Bestimmungen Antragsprinzip § 36. (1) Das Kartellgericht entscheidet grundsätzlich nur auf An-
trag. (1a) Ein Antrag auf Verhängung von Geldbußen hat ein bestimmtes Begehren zu enthalten, das die Bezeichnung der belangten Unternehmer oder Unternehmervereinigungen sowie Angaben über die näheren Umstände des Verstoßes enthält. Ferner sind im Antrag die Ergebnisse des von der antragstellenden Amtspartei durchgeführten Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen und die Beweise anzuführen, die vom Kartellgericht aufgenommen werden sollen. Wird eine Geldbuße in bestimmter Höhe beantragt, so ist auch dies zu begründen. (2) Zum Antrag auf Prüfung von Zusammenschlüssen, auf nachträgliche Maßnahmen nach § 16 Z 1, auf eine Feststellung nach § 28 Abs. 1a Z 1 sowie auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern sind nur die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt berechtigt. Das Kartellgericht darf keine höhere Geldbuße und kein höheres Zwangsgeld verhängen als beantragt. (3) Hat die Bundeswettbewerbsbehörde den Bundeskartellanwalt benachrichtigt, dass sie gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung im Sinn des § 11 Abs. 3 und 4 WettbG vorgeht, dann entfällt die Berechtigung des Bundeskartellanwaltes wegen der gegenständlichen Zuwiderhandlung einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen. (4) In allen anderen Fällen sind zum Antrag berechtigt: 1. die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt, 2. durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichtete Behörden (Regulatoren), 3. die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, 4. jeder Unternehmer und jede Unternehmervereinigung, der oder die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat. 477
§ 36 KartGGugerbauer (5) Der Antrag kann bis zur Entscheidung des Kartellgerichts zurückgenommen werden; das Verfahren ist damit jedoch nur dann beendet, wenn keine der Amtsparteien (§ 40) binnen 14 Tagen nach Zustellung der Zurücknahmeerklärung die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Wurde ein zulässiger Rekurs erhoben, so kann der Antrag, soweit er Gegenstand des Rekursverfahrens ist, noch bis zur Entscheidung des Kartellobergerichts, allerdings nur mit Zustimmung des Antragsgegners und der Amtsparteien zurückgenommen werden. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Antragsprinzip ................................................................................... 1–7 II. Inhaltshalts- und Formerfordernisse .............................................. 8–13 III. Antragsverbesserung oder -änderung............................................ 14–15 IV. Bußgeldanträge................................................................................... 16–18 V. Nebenintervention............................................................................. 19–23 VI. Einheitliche Streitpartei..................................................................... 24–26 VII. Antragsrücknahme............................................................................ 27–29
I. Antragsprinzip 1 Zielsetzung kartellgerichtlicher Verfahren ist die Sicherstellung funktionsfähigen Wettbewerbs im öffentlichem Interesse. Der Antrag einer berechtigten Partei bildet den Anlass, aber auch den Rahmen für das Tätigwerden des KartGer, er steckt die Grenzen der Rechtskraftwir478
Antragsprinzip
§ 36 KartG
kung der Entscheidung ab (vgl 16 Ok 20/04). Das KartGer ist aber nicht zur Klärung bloß akademischer Rechtsfragen berufen (25 Kt 19/08). Der im AußStrG verankerte Untersuchungsgrundsatz (§ 16 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG) ermächtigt nicht zu einer antragslosen Entscheidung des KartGer (vgl 16 Ok 1/15f). Von allen nach § 36 Abs 4 Antragsberechtigten können Anträge auf 2 Abstellung von Zuwiderhandlungen (§ 26), Feststellungsanträge (§ 28), Anträge auf Verhängung nachträglicher Maßnahmen, die die Wirkung eines zulässigen Zusammenschlusses abschwächen oder beseitigen, wenn einer mit der Nichtuntersagung verbundenen Auflage zuwidergehandelt wird (§ 16 Z 2), Anträge auf Feststellung bzw Abstellung der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses sowie der Durchführung eines Zusammenschlusses anders als mit vom KartGer auferlegten Beschränkungen (§ 17 Abs 2), gestellt werden. Die beiden Amtsparteien, die BWB und der BKAnw, sind über die all- 3 gemeine Antragsberechtigung hinaus exklusiv zum Antrag auf Prüfung von Zusammenschlüssen, zum Antrag auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern, zum Antrag auf Verhängung von nachträglichen Maßnahmen (§ 16 Z 1), wenn die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses bzw die Nichtstellung eines Prüfungsantrags oder die Zurückziehung eines Prüfungsantrags auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht, die von einem der beteiligten Unternehmen zu vertreten sind (vgl auch 16 Ok 3/12), sowie zum Antrag auf Feststellung gegen Kronzeugen (§ 28 Abs 1 a Z 1) berechtigt (überdies haben sie gem § 40 Parteistellung auch dann, wenn sie nicht Antragsteller sind). Die Amtsparteien sind aber nicht gehalten, in kontradiktorischen Verfahren für oder gegen eine der anderen Parteien Stellung zu nehmen. Schließt sich eine Amtspartei dem Antrag eines Unternehmens an, vertritt sie das öffentliche Interesse (am funktionierenden Wettbewerb) und ist nicht Streithelfer des Antragstellers. Stellen die Amtsparteien einen Antrag nach den §§ 26 ff, hat die BWB dies – unter Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen – auf ihrer Website bekannt zu machen (§ 10 b Abs 2 WettbG). Die Antragsbefugnis bezüglich nachträglicher Maßnahmen nach § 16 Z 1, weil die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht, ist schon deswegen auf die Amtsparteien beschränkt, weil nur diesen die Zusammenschlussanmeldung vorliegt und sie die Anmeldung daher auch prüfen können, ob sie „unrichtig oder unvollständig“ war. 479
§ 36 KartGGugerbauer 4 Die Antragsrechte der Amtsparteien sind konkurrierend: Verfahrenshandlungen der einen Amtspartei binden die andere nicht (ausgenommen Abs 3). Dies gilt vor allem für den Verzicht auf die Einbringung eines Antrags oder eines Rechtsmittels und die Zurückziehung eines Antrags oder eines Rechtsmittels. Will die BWB von der „Kronzeugenregelung“ (§ 11 Abs 3 WettbG) Gebrauch machen und benachrichtigt sie den BKAnw davon, entfällt nach Abs 3 die Berechtigung des BKAnw, wegen der gegenständlichen Zuwiderhandlung einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen. Dadurch, wie auch durch die in Abs 2 enthaltenen Begrenzung der Höhe einer Geldbuße soll das Funktionieren der in § 11 Abs 3 WettbG enthaltenen Kronzeugenregelung sichergestellt werden (EB 2005). 5 Durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichtete Behörden (Regulatoren), dh Art 133 Z 4 B-VG-Kommissionen wie die Telekom-Control-Kommission, die Energie-Control-Kommission, die Schienen-Control-Kommission oder die Kommunikationsbehörde Austria, aber im Rahmen der ihnen übertragenen behördlichen Zuständigkeiten auch die dazugehörigen Gesellschaften, etwa die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR GmbH), die Energie-Control GmbH oder die Schienen-Control GmbH, sind nach Abs 4 Z 2 antragsberechtigt. Der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs kommt Antragsberechtigung nach Abs 4 Z 3 zu. 6 Jedem Unternehmer und jeder Unternehmervereinigung, der oder die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat, kommt ein Antragsrecht nach Abs 4 Z 4 zu. Ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung wird als gegeben angenommen, wenn das Verhalten, auf welches der Antrag abziehlt, eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Antragstellers besitzt oder unmittelbar geeignet ist, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu beeinflussen (16 Ok 1/06). Ein wirtschaftliches Interesse ist aber auch einer Schwestergesellschaft (gegebenenfalls auch einer Tochtergesellschaft) einer – unmittelbar geschädigten – Gesellschaft zuzuerkennen (vgl 16 Ok 14/08). Wurde die Rechtslage, die mit dem an das KartGer gerichteten Antrag angestrebt wird, bereits durch eine andere Entscheidung (etwa eines Zivilgerichts nach § 1 UWG iVm § 5 KartG) herbeigeführt, ist das rechtliche Interesse zu hinterfragen (vgl 26 Kt 16/07; 16 Ok 19/03). Das rechtliche Interesse iSv § 36 Abs 4 Z 4 ist nicht 480
Antragsprinzip
§ 36 KartG
ident mit dem berechtigten Interesse iSv § 28 Abs 1 (vgl 16 Ok 8/08). Der funktionale Unternehmerbegriff (vgl 16 Ok 5/04) umfasst jede selbstständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen (16 Ok 12/03; vgl die Kommentierung zu § 1). UU reicht schon eine potenzielle unternehmerische Tätigkeit (16 Ok 9/99). Dieses „private enforcement“ unterscheidet sich vom bloßen Beschwerderecht (ohne Entscheidungsanspruch) etwa des EURechts. Beschränkungen oder Auflagen, mit denen ein Zusammenschluss nicht untersagt wurde, können nach Änderung der Umstände nur über Antrag eines beteiligten Unternehmers geändert oder aufgehoben werden (§ 12 Abs 3). Das Antragsrecht einer Unternehmervereinigung ist gegeben, wenn überindividuelle Interessen der Mitgliedschaft und nicht nur Partikular-Interessen eines Mitglieds bzw einiger Mitglieder betroffen sind. Auch im Falle einer Verfahrenseinleitung aufgrund des Antrages eines 7 Unternehmens schreitet das KartGer mit der sich aus den kartellrechtlichen Vorschriften ergebenden spezifischen Aufgabenstellung ein (vgl 25 Kt 108/06). Die Antragsbefugnisse privater Unternehmer sollen der Durchsetzung der dem KartGer bei der Sicherstellung funktionierenden Wettbewerbs im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben dienen, mag damit bei wirtschaftlicher Betrachtung im Einzelfall auch ein Individualschutz verbunden sein (vgl 16 Ok 8/08).
II. Inhalts- und Formerfordernisse Nach § 36 Abs 4 AußStrG ist das KartGer an das Begehren des Antrag- 8 stellers gebunden, ein darüber hinausgehender Zuspruch kommt nicht in Betracht (26 Kt 31/09). Der Antrag einer dazu berechtigten Partei bildet den Grund wie auch den Rahmen für das Tätigwerden des KartGer. Das KartG definiert für Anträge keine Inhaltserfordernisse. Nach § 9 AußStrG (vgl § 38 KartG) muss ein Antrag zwar kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen, aufgrund welchen Sachverhalts welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit angestrebt wird (vgl 16 Ok 3/12). Ein verfahrenseinleitender Sachantrag muss so hinreichend konkretisiert sein, dass ihm das geschuldete Verhalten nach Gegenstand, Art, Umfang und Zeit zu entnehmen ist (16 Ok 8/07). Bloßen Vermutungen hat das KartGer nicht nachzugehen, setzt doch die Durchführung eines Verfahrens 481
§ 36 KartGGugerbauer Schlüssigkeit des Antrags voraus. Um Schlüssigkeit des Vorbringens herzustellen, muss zumindest ein gewisses Vorbringen zu den Elementen des geltend gemachten Tatbestands erstattet werden (vgl 16 Ok 3/12; RIS-Justiz RS0123676). Wenn ein Antragsteller kein ausreichendes und schlüssiges Sachvorbringen zum Bestehen eines aktuell andauernden, konkreten Zuwiderhandelns eines Antragsgegners gegen kartellrechtliche Verbote erstattet, ist dem KartGer kein Fehler vorzuwerfen, wenn es einen Abstellauftrag keiner inhaltlichen Überprüfung zuführt (vgl 16 Ok 8/08). 9 Die Bestimmtheit des Begehrens ist vor allem im Hinblick auf eine mögliche Vollstreckung der angestrebten Entscheidung von Bedeutung. Bei Anträgen auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung (§ 48) ist ein schlüssiges Vorbringen zu den Voraussetzungen für die Abstellung einer Zuwiderhandlung, nicht aber eine Gefährdungsbescheinigung oder Vorbringen hinsichtlich eines unwiederbringlichen Schadens erforderlich. 10 Bei Abstellungsverfahren wegen eines verbotenen Kartells (§ 1) sind Ausführungen zu den Tatbestandsmerkmalen der Vereinbarung, des Beschlusses oder der abgestimmten Verhaltensweise, die oder der eine Behinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt, als notwendiges Vorbringen anzusehen. Bei einem Empfehlungskartell (§ 1 Abs 4) sind Ausführungen zu den Tatbestandsmerkmalen einer Empfehlung zur Einhaltung bestimmter Preise, Preisgrenzen, Kalkulationsrichtlinien, Handelsspannen oder Rabatte, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, erforderlich. Auf Art 101 f AEUV gestützte Anträge haben zusätzlich Ausführungen zur spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, bzw zur Betroffenheit des Binnenmarktes oder doch eines wesentlichen Teils desselben zu enthalten. 11 Bei Abstellungsverfahren wegen Marktmachtmissbrauchs bedarf es Ausführungen zur marktbeherrschenden Stellung (§ 4) sowie zu deren Missbrauch, dies entweder durch Behauptung des Vorliegens eines bzw mehrerer der in § 5 demonstrativ aufgezählten Tatbestandsmerkmale oder – wenn diese nicht verwirklicht sind – eines Vorbringens iSd „Generalklausel“ des § 5 Abs 1 Satz 1 (Behinderungs- oder Ausbeutungsmissbrauch). Darüber hinaus hat der Antragsteller vorzubringen, welchen relevanten Märkten das Tätigkeitsfeld des Marktbeherrschers zuzurechnen ist, welche weiteren Marktteilnehmer es auf diesen Märkten 482
Antragsprinzip
§ 36 KartG
gibt, welche Umsätze diese Marktteilnehmer zumindest größenordnungsmäßig erzielen und welche Marktanteile daher zugeordnet werden können (vgl 16 Ok 4/08). Für Zusammenschlussanmeldungen ergibt sich das erforderliche Vor- 12 bringen aus dem entsprechenden Formblatt der BWB als Adressatin (www.bwb.gv.at). In Anträgen einer Amtspartei auf Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11) kommt es vor allem auf Ausführungen zum Entstehen bzw zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung an (§ 4 iVm § 12 Abs 1 Z 2). Allerdings ist nach den Bestimmungen des KartG eine Begründung nicht zwingend erforderlich, selbst „abstrakte“ Prüfungsanträge wären zulässig (vgl 16 Ok 2/03). Die Formerfordernisse des Antrags regelt – das spezifische Fusions- 13 kontrollverfahren ausgenommen – § 10 AußStrG Anträge, Schriftsätze und Beilagen sind in so vielen Gleichschriften einzubringen, dass jeder Partei, einschließlich der Amtsparteien, eine Gleichschrift zugestellt werden kann (§ 42 als lex spezialis zu § 10 Abs 2 AußStrG). Protokollaranträge wären grundsätzlich zulässig, kommen aber praktisch nicht vor.
III. Antragsverbesserung oder -änderung Leidet ein Antrag an einem Form- oder Inhaltsmangel, ist dies vom 14 KartGer mit den Parteien zu erörtern (§ 182a ZPO iVm § 14 AußStrG und § 38 KartG; 16 Ok 13/08). Bevor ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abgewiesen wird, ist eine Verbesserung anzuregen bzw – allenfalls unter Setzung einer Frist – aufzutragen (§ 10 Abs 4 AußStrG; 16 Ok 8/08; RIS-Justiz RS0117576; RIS-Justiz RS0037516). Wurde das Begehren des Antragsstellers bereits in einer Tagsatzung erörtert, dabei jedoch nicht auf – später – vom KOG aufgezeigte Mängel hingewiesen (andere Erwägungen standen im Vordergrund), ist im Rahmen einer Neudurchführung oder Ergänzung des Verfahrens unter Bezugnahme auf die KOG-Entscheidung (neuerlich) eine Verbesserung anzuregen (16 Ok 13/08). Zur Änderung eines Antrags enthält weder das KartG noch das Auß- 15 StrG Regelungen. Eine Antragsänderung ist jedenfalls dann zulässig, wenn sie keine Verfahrensverzögerung nach sich zieht. Soweit dem KartGer eine beantragte Maßnahme ungeeignet oder unzulässig erscheint, hat es dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, seinen Antrag 483
§ 36 KartGGugerbauer zu modifizieren (16 Ok 14/04). Hat die Modifikation eines Antrags in der beschlussmäßigen Sachentscheidung zu einem offenbaren Fehler des KartGer geführt, ist gem § 41 AußStrG iVm § 419 ZPO ein Antrag auf Berichtigung möglich (16 Ok 7, 8/06).
IV. Bußgeldanträge (Abs 1a) 16 § 36 Abs 2 beschränkt einerseits die Antragslegitimation (auf die beiden Amtsparteien), andererseits das dem KartGer zukommende Ermessen: es darf keine höhere Geldbuße (§ 29) und kein höheres Zwangsgeld (§ 35) verhängt werden als beantragt. Daraus kann aber keine Verpflichtung der Amtsparteien zur betragsmäßigen Bezifferung einer beantragten Geldbuße oder eines beantragten Zwangsgeldes abgeleitet werden (16 Ok 8/07). Es reicht, wenn die Amtsparteien die Verhängung einer „angemessenen Geldbuße“ oder die Festsetzung eines „angemessenen Zwangsgelds“ beantragen. Die Anführung einer bestimmten Höhe ist nicht erforderlich (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 8/07). Dies entspricht der Rechtslage in anderen Rechtsgebieten, insbesondere im Strafverfahren (vgl § 255 Abs 1 Satz 2 StPO) und im Exekutionsverfahren (vgl 3 Ob 92/81; SZ 54/115). Auch die Entscheidung des VfGH, wonach bei einer Anklage gegen einen Landeshauptmann ein „Antrag“ der Bundesregierung auf bloße Feststellung der Gesetzesverletzung nicht zulässig ist, sondern ein derartiger Ausspruch nur angeregt werden kann (VfGH E 1/84 VfSlg 10.314; VfGH E 2/84 VfSlg 10.510), beruht auf der Erwägung, dass die Sanktionsbemessung von Amts wegen und weitgehend unabhängig von Anträgen der Parteien erfolgen soll (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Die BWB und/oder der BKAnw müssen sich zur Höhe einer Geldbuße nur äußern, wenn sie von der Möglichkeit der Beschränkung der Geldbuße Gebrauch machen wollen (vgl RV, 1804 d Blg XXIV GP). Tun sie das nicht, ist das KartGer in seiner Entscheidung (was die Höhe der Geldbuße betrifft) frei. Wird von einer Amtspartei eine Geldbuße in bestimmter Höhe beantragt, ist dies nach Abs 1a zu begründen (vgl 16 Ok 14/13). 17 § 36 Abs 2 enthält eine Ausnahmeregelung, die die allgemeine Bestimmung über die Antragslegitimation einschränkt. Ausnahmebestimmungen sind nach der Rechtsprechung im Allgemeinen nicht ausdehnend auszulegen (16 Ok 3/12; RIS-Justiz RS0111009; RIS-Justiz RS0069264). Das Geldbußenverfahren hat sich bis zu einem gewissen Rahmen an den Rechtsschutzstandards für das Strafverfahren zu orien484
Antragsprinzip
§ 36 KartG
tieren, dies gilt insbesondere für die Verteidigungsrechte. Das einer Rechtsverletzung beschuldigte Unternehmen ist ausreichend bestimmt über die erhobene Beschuldigung in Kenntnis zu setzen (vgl 16 Ok 14/13). Über § 9 AußStrG hinaus ist für Geldbußenanträge eine Begründung erforderlich. Das Begehren hat nicht nur die belangten Unternehmen oder Unternehmervereinigungen zu bezeichnen, sondern auch die vorgeworfenen Tathandlungen durch Anführung näherer Umstände des Verstoßes zu individualisieren, wozu in der Regel auch die Angabe von Zeit und Ort der Tathandlung gehören (vgl RV, 1804 d Blg XXIV GP). Soweit sich im Verfahren betreffend den vom KartGer ermittelten 18 Sachverhalt und/oder dessen rechtlicher Subsumtion Divergenzen ergeben, ist dies vom KartGer zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung (vgl 16 Ok 4/07; 16 Ok 7/07) mit dem Antragsteller zu erörtern und diesem die Gelegenheit zu geben, seinen Antrag gegebenenfalls zu modifizieren.
V. Nebenintervention Das KartG regelt selbständig nur die Antragsbefugnisse, nicht aber die 19 sonstige Parteistellung. Ein bloß wirtschaftliches Interesse reicht für die Aktivlegitimation, nicht aber für die Passivlegitimation im kartellgerichtlichen Verfahren aus. Für eine Erweiterung der Passivlegitimation besteht schon deshalb kein Bedarf, weil im Regelfall das Eigeninteresse des jeweiligen Antragsgegners ausreichend Gewähr dafür bietet, dass dieser sich gegen den Antrag entsprechend zur Wehr setzt (vgl 16 Ok 9/09). Insoweit ist zunächst auf das subsidiär anzuwendende Außerstreitgesetz zurückzugreifen. Dessen § 2 Abs 1 Z 3 normiert, dass auch jene Personen Parteien sind, deren rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (16 Ok 3/11). Die Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ist eng auszulegen (RIS-Justiz RS0123029). Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich aus dem materiellen Recht (RISJustiz RS0123027). Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Reflexwirkungen allein reichen demgegenüber nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen (RIS-Justiz RS0123028). Für 485
§ 36 KartGGugerbauer eine Parteistellung reicht aber nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse aus, sondern es ist auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0128451; 16 Ok 9/16h). Ein Kartellverfahren dient nicht dem Schutz von Kartellvereinbarungen, eine materielle Parteistellung von Kartellmitgliedern bzw Personen, die daraus Rechte ableiten, ist daher zu verneinen (vgl 16 Ok 9/09). Von der Einführung des Instituts der Nebenintervention hat der Gesetzgeber im Außerstreitverfahren explizit abgesehen. Derjenige, dessen rechtliches Interesse nicht durch das Verfahren geschützt sei, solle im Allgemeinen keine Verfahrensrechtsstellung haben (vgl 16 Ok 9/09). 20 Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Regelung des Außerstreitverfahrens von der Absicht des Gesetzgebers getragen war, eine Angleichung an den im Streitverfahren bestehenden Rechtsschutzstandard und die dort gegebenen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung zu erreichen. Diese Verfahrensgarantien betreffen ausschließlich den unmittelbaren Verfahrensgegenstand und nicht zwangsläufig auch damit allenfalls verbundene Reflexwirkungen. Auch aus Sicht der MRK ist die Zulässigkeit der Nebenintervention eine rein prozessuale Frage, sodass die Garantien des Art 6 MRK hier nicht anzuwenden sind (6 Ob 236/06h). Ein Recht auf Beitritt als Nebenintervenient bzw dessen Abwehr ist von der MRK nicht geschützt (16 Ok 9/09; 6 Ob 236/06h). Aus diesem Grund kann auch die Bestimmung des Art 6 MRK an der vorliegenden Beurteilung nichts ändern (16 Ok 9/09). 21 Ein Beschluss der KartGer, durch den (eine Streitverkündung und) ein Beitritt als Nebenintervenient zurückgewiesen wird, ist abgesondert anfechtbar. Dabei handelt es sich um keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 45 AußStrG, da damit die Nebenintervenientin ausgeschlossen wird. Auch im Streitverfahren, dessen Regelung des aufgeschobenen Rekurses Vorbild für die Bestimmung des § 45 AußStrG war, war die Zurückweisung der Nebenintervention (wie umgekehrt auch deren Zulassung) stets abgesondert anfechtbar. Vor diesem Hintergrund ist die abgesonderte Anfechtbarkeit der Zurückweisung einer Nebenintervention auch im Außerstreitverfahren zu bejahen (vgl 16 Ok 9/09; 10 Ob 29/06x; 6 Ob 236/06h; 1 Ob 147/07k). 22 Dass die Beiziehung einer Einschreiterin (als Nebenintervenientin) der Effektivität der Rechtsverfolgung dienlich sein könnte, ist keine recht486
Antragsprinzip
§ 36 KartG
liche Grundlage für die Beiziehung als Partei in einem Kartellverfahren (16 Ok 3/11). Die mangelnde Bindungswirkung einer Entscheidung gegenüber einer nicht beigezogenen Einschreiterin reicht ebenfalls nicht aus, ihre Parteistellung zu begründen. Weder § 46 Abs 2 AußStrG noch § 43 Abs 2 AußStrG schaffen zusätzliche Gründe, eine Person als Partei beizuziehen. Sie setzen die Parteistellung vielmehr voraus (16 Ok 3/11). Gründe für eine abweichende Lösung dieser Frage im Verfahren nach dem KartG bzw dem NVG sind nicht ersichtlich (16 Ok 9/09). Die Zulassung der Nebenintervention würde vor dem Hintergrund des Charakters des Kartellverfahrens als Mehrparteienverfahren auch die Übersichtlichkeit des Verfahrens und damit letztlich die Prozessökonomie beeinträchtigen (16 Ok 9/09). Vor diesem Hintergrund bleibt für die Annahme einer planwidrigen Lücke, die Voraussetzung für die analoge Anwendung von Bestimmungen aus dem Streitverfahren wäre, kein Raum (16 Ok 9/09). Für die Nichtigerklärung eines zwischen einer Antragsgegnerin und 23 Dritten abgeschlossenen Vertrages besteht keine Grundlage (vgl 16 Ok 9/09; 16 Ok 14/04; 16 Ok 13/08). Auch das NVG sieht lediglich die Abstellung der Zuwiderhandlung und die Verpflichtung zum Vertragsabschluss (§ 4 NVG) sowie die Versorgungspflicht (§ 5 NVG) vor, aber keine Entscheidung über die zivilrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen Bestimmungen des NVG.
VI. Einheitliche Streitpartei Eine einheitliche Streitpartei einer Antragsgegnerin (oder Antragsstel- 24 lerin) mit einer Einschreiterin iSd § 14 ZPO ist nur dann anzunehmen, wenn sich die Wirkungen der Entscheidung kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf alle erstrecken (16 Ok 3/11). Das Verfahrensrecht übt keinen generellen Zwang zur Geltendma- 25 chung von Ansprüchen von allen Berechtigten oder gegen alle Berechtigte aus. Es bleibt daher nur die materiellrechtliche Beurteilung des Streitgegenstands als Kriterium für das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei. Von solcher einheitlicher (notwendiger) Streitgenossenschaft spricht man, wenn es das materielle Recht gebietet, den Anspruch für oder gegen alle Berechtigten bzw Verpflichteten zu erheben. Eine solche Streitpartei bilden zB Miteigentümer bei der Klage auf 487
§ 36 KartGGugerbauer Feststellung des Miteigentums, bei Streitigkeiten über Servituten oder die Eigentumsfreiheitsklage (nicht aber bei schlichten Unterlassungsklagen), oder Gesellschafter, zB bei Feststellung der Beteiligungsverhältnisse an einer Gesellschaft (16 Ok 3/11). 26 Eine Wirkungserstreckung in diesem Sinn wird angenommen, wenn die Wirkungen der zu fällenden Entscheidung sich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstrecken. Die Voraussetzungen sind aber streng und jeweils gesondert zu prüfen (16 Ok 3/11).
VII. Antragsrücknahme 27 Ein Antrag kann bis zur Sachentscheidung des KartGer zurückgenommen werden, eine Zustimmung des Antragsgegners bzw ein Anspruchsverzicht ist dafür nicht erforderlich (§ 11 Abs 1 AußStrG). Mit der Zurücknahme des Antrags, auf Grund dessen ein Verfahren eingeleitet wurde, ist das Verfahren beendet (§ 11 Abs 1 AußStrG). Beabsichtigt die BWB im Zusammenschlusskontrollverfahren, einen Prüfungsantrag (§ 11) zurückzuziehen, hat sie dem BKAnw (uU auch der WettbK) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 10 Abs 5 lit b WettbG). 28 Abs 5 enthält jedoch eine Sonderregelung: Soweit die Amtsparteien nicht selbst Antragsteller sind, können sie binnen 14 Tagen nach Verständigung von der Rücknahme die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Das Verfahren wird dann von dieser Amtspartei in der Rolle der Antragstellerin fortgesetzt. Damit kann öffentlichem Interesse Rechnung getragen werden (vgl 16 Ok 6/04). 29 Nach der Erhebung eines Rekurses ist die Zurücknahme eines Antrages, der Gegenstand des Rekursverfahrens ist, bis zur Entscheidung des KOG zulässig vorausgesetzt der Antragsgegner und die Amtsparteien stimmen zu (Abs 5). Nach Zurückstellung des Aktes fasst das KartGer einen Beschluss, dass das Verfahren infolge Antragsrückziehung beendet ist. Der Beschluss wird den Parteien zugestellt.
488
Entscheidungsveröffentlichung
§ 37 KartG
Entscheidungsveröffentlichung § 37. (1) Das Kartellgericht hat sowohl stattgebende als auch aboder zurückweisende rechtskräftige Entscheidungen über die Abstellung einer Zuwiderhandlung, die Feststellung einer Zuwiderhandlung, die Verhängung einer Geldbuße, Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen oder über Anträge nach den §§ 11 und 16 durch Aufnahme in die Ediktsdatei (§ 89j GOG) zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich der verhängten Sanktionen. Sie muss einem berechtigten Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen. Wurde die Entscheidung des Kartellgerichts durch eine Entscheidung des Kartellobergerichts abgeändert, so ist die Entscheidung des Kartellobergerichts zu veröffentlichen. (2) Das Kartellgericht hat den Parteien Gelegenheit zu geben, die Teile der Entscheidung zu bezeichnen, die sie von der Veröffentlichung ausnehmen wollen. Es hat über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung der Entscheidung mit Beschluss des Vorsitzenden zu entscheiden.
Übersicht
Rn I. Form der Veröffentlichung ................................................................ 1 II. Zweck der Veröffentlichung............................................................... 2–9 III. Umfang der Veröffentlichung ........................................................... 10–13 IV. Geschäftsgeheimnisse.......................................................................... 14–17 V. Rechtsmittel.......................................................................................... 18–19
I. Form der Veröffentlichung Die Veröffentlichung von Entscheidungen des KartGer ist in mehreren 1 Bestimmungen geregelt. Gem § 37 Abs 1 hat das KartGer rechtskräftige Entscheidungen (unter anderem über die Verhängung einer Geldbuße) durch Aufnahme in die Ediktsdatei (§ 89j GOG) zu veröffentlichen (vgl 16 Ok 6/14i). Dies betrifft auch ab- und zurückweisende Entscheidungen sowie Entscheidungen im Provisorialverfahren. Die Veröffentlichung hat gem Abs 1 die Beteiligten, den wesentlichen Inhalt der Entscheidung sowie die verhängten Sanktionen zu enthalten. Die Veröffentlichung erfolgt auf der Website www.edikte.justiz.gv.at unter 489
§ 37 KartGGugerbauer „Kundmachungen und Aufgebote“ in der Rubrik „Entscheidungen des Kartellgerichts“. Nach den §§ 14 f OGH-G und den §§ 48a f GOG werden Entscheidungen des OGH als KOG oder des OLG Wien als KartGer in der Entscheidungsdokumentation Justiz erfasst und über das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) im Internet zugänglich gemacht. Entscheidungen des KartGer werden dann in die Entscheidungsdokumentation aufgenommen, wenn sie von allgemeinem, über den Einzelfall hinausgehendem Interesse sind. Auch Entscheidungen über Prüfungsanträge im Zusammenschlusskontrollverfahren (§ 11 KartG) und über Anträge auf nachträgliche Maßnahmen nach § 16 KartG gehören zum Katalog der zu veröffentlichenden Entscheidungen. Nach § 10b Abs 3 WettbG informiert die BWB auf ihrer Website über die Entscheidungen, die das KartGer und das KOG erlassen haben.
II. Zweck der Veröffentlichung 2 Mit der Veröffentlichung einer Entscheidung über die Abstellung einer Zuwiderhandlung, die Feststellung einer Zuwiderhandlung, die Verhängung einer Geldbuße oder über Anträge nach den §§ 11 und 16 in der Ediktsdatei kann der wünschenswerten Transparenz der Entscheidungen des KartGer am besten entsprochen werden. Dabei geht es um die Information über eine konkrete Rechtsverletzung und nicht – wie bei der Veröffentlichung in der Entscheidungsdokumentation Justiz – um die Information über die Auslegung des geltenden Rechts (vgl RV, 1804 d Blg XXIV GP). Die Veröffentlichung erfolgt unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich verhängter Sanktionen (vgl 16 Ok 14/13). Nach herrschender Auffassung zum Unionsrecht dürfen auch Entscheidungen der Europäischen Kommission veröffentlicht werden, die nicht in Art 30 VO 1/2003 genannt sind, solange dadurch keine Geschäftsgeheimnisse verbreitet werden und soweit durch die Publizität die Einhaltung der Wettbewerbsregeln gewährleistet wird (vgl 16 Ok 14/13). 3 Die Veröffentlichung soll die Einhaltung der Wettbewerbsregeln fördern. Sie ermöglicht den Unternehmen und anderen Interessierten eine Orientierung darüber, wie vom KartGer bzw KOG bestimmte Verhaltensweisen im Hinblick auf die Anwendung der Wettbewerbsregeln eingeschätzt werden. Durch die Information der Öffentlichkeit, dass und aus welchen Gründen eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise 490
Entscheidungsveröffentlichung
§ 37 KartG
gesetzwidrig war, können die betroffenen Unternehmen daraus Rückschlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen, ihr zukünftiges Verhalten an die in den veröffentlichten Entscheidungen berücksichtigte Judikatur anpassen, dadurch wird die Zurückdrängung kartellrechtswidrigen Verhaltens gefördert (vgl 16 Ok 11/04). Die Veröffentlichung hat damit aber auch eine generalpräventive Funktion. Eine umfassende Veröffentlichung in Ansehung sämtlicher wesentli- 4 cher Umstände der festgestellten Zuwiderhandlung kann auch dann geboten sein, wenn erst dadurch – im Sinne der vom Gesetzgeber verfolgten Transparenz – die Höhe einer Geldbuße nachvollziehbar wird. § 36 verpflichtet die Amtsparteien nicht, in einem Antrag auf Verhängung einer Geldbuße eine bestimmte Höhe des Bußgeldes zu fordern (16 Ok 8/07). Beantragt eine Amtspartei aber eine Geldbuße in bestimmter Höhe, hat sie dies nach § 36 Abs 1a letzter Satz zu begründen. Weil die Anträge der Amtsparteien selbst nicht veröffentlicht werden, kann hier die Transparenz nur durch eine Begründung der Geldbußent scheidung, die auf die Erwägungen der antragstellenden Amtspartei Bezug nimmt, sichergestellt werden (vgl 16 Ok 14/13). Die Veröffentlichung kartellgerichtlicher Entscheidungen dient aber 5 auch der Unterrichtung Dritter von wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen, die ihre Interessen berühren, etwa weil sie – als Folge einer festgestellten Zuwiderhandlung – zivilrechtliche Ansprüche vor nationalen Gerichten geltend machen können bzw wollen (vgl 16 Ok 6/14i; 16 Ok 14/13). Zweck von § 37 ist es also auch, infolge eines bindend festgestellten kartellrechtswidrigen Verhaltens Schadenersatzklagen von Privaten (sogenannte Follow-on-Klagen) zu erleichtern (16 Ok 14/13; 16 Ok 6/14i). Die Bestimmung des 37a liefe weitgehend leer, wenn keine entsprechende Information der Öffentlichkeit über – die Zivilgerichte bindende – Entscheidungen des KartG und des KOG erfolgte. Dies würde für Geschädigte eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des durch Art 6 EMRK und Art 47 der Grundrechtscharta garantierten Rechts auf Zugang zu einem Gericht bedeuten, da gem § 39 Abs 2 in die Akten des Kartellverfahrens nur bei Zustimmung der Parteien Akteneinsicht zu gewähren ist (16 Ok 14/13). Ein kartellgerichtliches Abstellungs- oder Feststellungsverfahren ver- 6 folgt zwar nicht primär den Zweck, Grundlagen für die Führung von Schadenersatzprozessen zu schaffen, doch ist bei Auslegung des § 37 zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Geltendmachung privater 491
§ 37 KartGGugerbauer Schadenersatzansprüche wegen Kartellverstößen erleichtern wollte. Dies erfordert, den maßgeblichen Sachverhalt (vgl „nähere Umstände des Verstoßes“ gem § 36 Abs 1a) möglichst deutlich wiederzugeben, um damit bereits eine Grundlage für die zivilrechtliche Beurteilung von Schadenersatzansprüchen gem § 37a Abs 3 zu schaffen, zumindest aber, um jedermann die Prüfung zu ermöglichen, ob für ihn im konkreten Fall die Erhebung derartiger Schadenersatzansprüche überhaupt in Betracht kommt. 7 Nach § 37a Abs 2 kann ein bereits anhängiger Rechtsstreit über einen Schadenersatzanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes bis zur Erledigung eines Verfahrens des KartGer, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedsstaates unterbrochen werden. Nach § 37a Abs 3 ist ein Zivilgericht an eine in einer rechtskräftigen Entscheidung des KartGer, der Europäischen Kommission oder einer anderen Wettbewerbsbehörde iSd VO (EG) Nr 1/2003 getroffene Feststellung, dass ein Unternehmen die in der Entscheidung angeführte Rechtsverletzung schuldhaft begangen hat, gebunden (16 Ok 14/13). 8 Auch Einstweilige Verfügungen (§ 48 KartG) sind seit dem KaWeRÄG 2017 im taxativen Katalog des § 37 Abs 1 angeführt. Wenn Dritte daraus auch keine Konsequenzen für die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen ziehen können (zur Rechtslage vor dem KaWeRÄG 2017 vgl 16 Ok 1/14), wird damit doch die Transparenz von Kartellverfahren gefördert. Beschlüsse über die Verhängung von Zwangsgeldern (§ 35) und über die Bindenderklärung von Verpflichtungszusagen (§ 27) sind im taxativen Katalog der zu veröffentlichenden Entscheidungen nicht angeführt. Der ratio des § 37 („Transparenz“) würde es allerdings entsprechen, wenn jedenfalls auch kartellgerichtliche Entscheidung nach § 27 Abs 1 – natürlich unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen – in die Ediktsdatei aufgenommen würden. 9 Losgelöst von § 37 hat die BWB die gesonderten Bekanntmachungsbestimmung des § 10b Abs 1 (Zusammenschlussverfahren) und Abs 2 WettbG (Anträge nach §§ 26 ff) umzusetzen.
III. Umfang der Veröffentlichung 10 Hinsichtlich des Umfangs der Entscheidungsveröffentlichung orientierte sich der österreichische Gesetzgeber an den Bestimmungen über 492
Entscheidungsveröffentlichung
§ 37 KartG
die Veröffentlichung der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Europäischen Kommission (vgl Art 30 VO [EG] Nr 1/2003). Die Offenlegung von Rechtsverstößen unter voller Namensnennung wird im Unionsrecht nicht als vernachlässigbarer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, sondern als Nebensanktion für die Verletzung des Kartellrechts angesehen (16 Ok 14/13). Nach der österreichischen Judikatur darf die Veröffentlichungsentscheidung des KartGer zwar nicht den Charakter einer – vom Normzweck nicht gedeckten – Strafmaßnahme erlangen, im Hinblick auf die gewollte Erleichterung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ist die namentliche Anführung von an einem Kartellrechtsverstoß beteiligten Unternehmen im Sinne einer möglichst umfassenden und zielgerichteten Information aber grundsätzlich zweckmäßig (16 Ok 6/14i; 16 Ok 14/13, 16 Ok 15/13). Der konkrete Umfang und die Art der Veröffentlichung sind im Rah- 11 men einer Ermessensentscheidung des KartGer festzulegen: Auch eine Volltextveröffentlichung ist – unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen – zulässig. Bei Kürzungen muss die Veröffentlichung in sich verständlich bleiben und sich am Aufklärungsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise orientieren (vgl 16 Ok 11/04). Soweit Feststellungen in Bezug auf eine von einem Unternehmen begangene Zuwiderhandlung mit der Anwendung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung in Konflikt geraten können, sind sie gegenüber der Öffentlichkeit grundsätzlich als vertraulich anzusehen. Die allgemeinen Grundsätze der Grundrechte sind fester Bestsandteil der Unionsrechtsordnung, der Grundsatz der Unschuldsvermutung wird in Art 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt (vgl 16 Ok 6/14i). Standen einem Unternehmen, gegen welches ein Abstellungsauftrag er- 12 gangenen ist oder dessen Verstoß gegen eine kartellgesetzliche Bestimmung durch das KartGer festgestellt wurde, sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung und war ihm insoweit grundsätzlich umfassendes rechtliches Gehör eingeräumt, ist die Judikatur zur Unzulässigkeit von Hinweisen auf Wettbewerbsverstöße von Unternehmen im Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung (EuG 12.10.2007, T-474/04 „Pergan“ und 16 Ok 14/13) aber nicht einschlägig. Das Interesse, das ein Unternehmen, dem das KartGer wegen Verstoßes gegen das KartG etwa eine Geldbuße auferlegt hat, daran hat, dass die Einzelheiten der ihm nachgewiesenen Zuwiderhandlung nicht der Öffentlichkeit, preisgegeben werden, verdient keinen besonderen Schutz ange493
§ 37 KartGGugerbauer sichts des Interesses der Öffentlichkeit, möglichst umfassend Kenntnis von den Gründen für Entscheidungen des KartGer zu erhalten, des Interesses der Wirtschaftsbeteiligten, zu wissen, welches Verhalten Sanktionen nach sich ziehen kann, und des Interesses der durch die Zuwiderhandlung geschädigten natürlichen oder juristischen Personen an der Kenntnis näherer Einzelheiten, um gegebenenfalls ihre Rechte gegenüber diesem Unternehmen geltend machen zu können (vgl 16 Ok 14/13). 13 Als Beteiligte gelten die Adressaten der betreffenden Entscheidung. Bedingung für die Veröffentlichung der Namen anderer Beteiligter an einem Kartellverstoß ist im Lichte des Art 6 EMRK, dass diese Unternehmen Gelegenheit hatten, sich gegen die betreffenden Vorwürfe zu verteidigen. Die Unschuldsvermutung verbietet jede ausdrückliche Feststellung und jede Anspielung auf die Verantwortlichkeit einer eines bestimmten Verstoßes beschuldigten Person in einer verfahrensbeendenden Entscheidung, wenn diese Person nicht alle im Rahmen eines normalen, mit einer Sachentscheidung abzuschließenden Verfahrensablaufs zur Ausübung der Verteidigungsrechte erforderliche Garantien in Anspruch nehmen konnte (16 Ok 6/14i; 16 Ok 6/14i, 16 Ok 14/13 mwN).
VI. Geschäftsgeheimnisse 14 Auf berechtigte Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse ist gem § 37 Abs 1 Bedacht zu nehmen. Demnach kann es auch unberechtigte und damit unbeachtliche Interessen geben. Zur Definition von Geschäftsgeheimnissen vgl die Kommentierung zu § 39 (Rn 2 ff). 15 Um den Anspruch auf Bedachtnahme auf berechtigte Interessen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse umzusetzen, sieht § 37 Abs 2 ein Verfahren über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung vor (16 Ok 6/14i; 16 Ok 14/13): Das KartGer hat den Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, die Passagen der Entscheidung zu bezeichnen, die ihrer Meinung nach Geschäftsgeheimnisse wiedergeben § 37 Abs 2 sieht keine Pflicht der Parteien vor, die begehrte Ausnahme von der Veröffentlichung zu begründen. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (vgl 16 Ok 6/06). Das KartGer entscheidet durch Beschluss des Senatsvorsitzenden über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung, wobei es eine Interessensabwägung zwischen den Informationsinteres494
Entscheidungsveröffentlichung
§ 37 KartG
sen der Öffentlichkeit und den geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen vorzunehmen hat. Das Geheimhaltungsinteresse des Bußgeldadressaten hat zurückzutreten, wenn andere Interessen im Einzelfall überwiegen (16 Ok 14/13). Auch eine unter „Schwärzung“ der Geschäftsgeheimnisse veröffentlichte Entscheidung muss aus sich heraus verständlich bleiben und die wettbewerbsrechtlich erheblichen Gesichtspunkte zutage treten lassen (vgl 16 Ok 6/14i). Hat ein beteiligtes Unternehmen die Möglichkeit einer Äußerung zur 16 beabsichtigten Veröffentlichungsentscheidung wahrgenommen, hatte es damit die Gelegenheit, im Einzelnen zu begründen, warum die Veröffentlichung nur unter Berücksichtigung von ihm dargelegter Änderungen erfolgen könne, kommt es dann aber zur Veröffentlichung ohne diese Änderungen, ist keine Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht nach § 14 AußStrG iVm § 182a ZPO ersichtlich. § 37 Abs 2 kann nicht entnommen werden, dass das KartGer einer Partei, die sich nach dieser Bestimmung geäußert hat, eine – weitere – Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen muss (16 Ok 6/14i). Jedenfalls Antragsteller und -gegner des konkreten Verfahrens (Verfah- 17 rensparteien), gegebenenfalls aber auch Unternehmen, gegen die bereits in anderen – gesonderten, aber gleichgelagerten – rechtskräftig abgeschlossenen kartellgerichtlichen Verfahren die Feststellung einer Zuwiderhandlung erfolgt ist, sind „Beteiligte“. Eine derartige Entscheidung deckt auch die namentliche Nennung in einem anderen kartellgerichtlichen Verfahren ab, ohne Art 6 EMRK zu verletzen.
V. Rechtsmittel Gegen den – zu begründenden – Beschluss auf Veröffentlichung gibt es 18 die Möglichkeit des Rekurses an das KOG, dem nach den Bestimmungen des AußStrG aufschiebende Wirkung zukommt (RV, 1804 d Blg XXIV GP). Das KOG hat gegebenenfalls nur zu überprüfen, ob die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung einer Entscheidung des Erstgerichtes dem Gesetz entspricht und sich innerhalb des dem Erstgericht eingeräumten Ermessenspielraums hält, nicht hingegen, ob auch eine davon abweichende andere Fassung – etwa eine von einer Rekurswerberin vorgeschlagene – diesen Kriterien genügt. Im RIS werden in der Regel nur die Namen der beteiligten Unterneh- 19 men/Personen bis auf den ersten Buchstaben unkenntlich gemacht. 495
§ 37 KartGGugerbauer Vielfach ist aufgrund sonstiger Ausführungen in der Begründung klar, um welche Beteiligten es sich handelt. In Verfahren, in denen erfolglos ein Rekurs eingelegt wurde (in denen die OGH-Entscheidung die Entscheidung des KartGer also nicht abändert), kann dies dazu führen, dass zwar ein Verfahren über den Umfang der Veröffentlichung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Ediktsdatei (§ 37 Abs 2) durchgeführt wird, der Großteil der (bzw alle) Inhalte der erstinstanzlichen Entscheidung aber durch die Veröffentlichung der OGH-Entscheidung im RIS allgemein bekannt werden.
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Geltungsbereich und Zweck des Abschnitts
§ 37a KartG
5. Abschnitt Ersatz des Schadens aus Wettbewerbsrechtsverletzungen Geltungsbereich und Zweck des Abschnitts § 37a. (1) Die Bestimmungen dieses Abschnitts regeln die zivil-
rechtliche Haftung für und die Geltendmachung von Schäden, die durch Wettbewerbsrechtsverletzungen verursacht werden. (2) Sie dienen der Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadenersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. Nr. L 349 vom 5.12.2014, S. 1. In Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU wurde der 5. Abschnitt des 1 II. Hauptstücks durch das KaWeRÄG 2017 gänzlich neu gefasst. Er enthält materiellrechtliche und prozessuale Sonderbestimmungen zum Ersatz eines Schadens, der aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung resultiert. Die Bestimmungen sollen durch Wettbewerbsrechtsverletzungen, insbesondere durch Kartelle, Geschädigte stärken. Mittel- bis längerfristig sind durch die mit dem „private enforcement“ des Kartellrechts verbundenen Abschreckungswirkungen volkswirtschaftliche Vorteile (etwa in Form niedrigerer Preise) zu erwarten, wenn Unternehmen angesichts der kumulativen Wirkung von Geldbußen und Schadenersatzansprüchen von Kartellierungen absehen oder kartellrechtswidrige Verhaltensweisen einstellen. Die Gliederung des Abschnitts erfolgt so, dass nach den Begriffsbe- 2 stimmungen (§ 37b) zunächst die materiell-rechtlichen Bestimmungen (§§ 37c bis 37h), dann die verfahrensrechtlichen Regelungen (§§ 37i bis 37m) folgen.
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§ 37b KartGGugerbauer
Begriffsbestimmungen § 37b. Im Sinn der Bestimmungen dieses Abschnitts bedeuten:
1. Wettbewerbsrechtsverletzung: eine Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot (§ 1), das Missbrauchsverbot (§ 5) und das Verbot gegen Vergeltungsmaßnahmen (§ 6) sowie gegen Artikel 101 oder 102 AEUV oder gegen solche Bestimmungen des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums, mit denen überwiegend das gleiche Ziel verfolgt wird wie mit den Artikeln 101 und 102 AEUV und die nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. Nr. L 1 vom 4.1.2003, S. 1, auf denselben Fall und parallel zum Wettbewerbsrecht der Union angewandt werden, mit Ausnahme nationaler Rechtsvorschriften, mit denen natürlichen Personen strafrechtliche Sanktionen auferlegt werden, sofern diese nicht als Mittel dienen, um die für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln durchzusetzen; 2. Rechtsverletzer: der Unternehmer oder die Unternehmensvereinigung, der beziehungsweise die eine Wettbewerbsrechtsverletzung (Z 1) begangen hat; 3. Wettbewerbsbehörde: das Kartellgericht, die Bundeswettbewerbsbehörde, der Bundeskartellanwalt, die Kommission der Europäischen Union oder eine andere Wettbewerbsbehörde im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 1/2003; 4. Kronzeugenerklärung: die freiwillige Erklärung einer an einem Kartell zwischen Wettbewerbern beteiligten Person über deren Kenntnis des Kartells und über ihre Beteiligung daran, die gegenüber einer Wettbewerbsbehörde abgegeben wird, um den Erlass oder die Ermäßigung der wegen dieser Beteiligung zu verhängende Geldbuße durch Beschluss oder Einstellung des Verfahrens zu erwirken, davon erfasst ist auch die Aufzeichnung einer Erklärung; 5. Vergleichsausführung: die freiwillige Darlegung eines Unternehmers gegenüber einer Wettbewerbsbehörde, die ein Anerkenntnis oder den Verzicht auf das Bestreiten seiner Beteiligung an einer Wettbewerbsrechtsverletzung und seiner Verantwortung dafür enthält und eigens dazu abgege-
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Begriffsbestimmungen
§ 37b KartG
ben wird, um der Wettbewerbsbehörde ein vereinfachtes oder beschleunigtes Verfahren zu ermöglichen; 6. unmittelbarer Abnehmer: eine Person, die Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand einer Wettbewerbsrechtsverletzung waren, unmittelbar von einer Person erworben hat, die die Wettbewerbsrechtsverletzung begangen hat; 7. mittelbarer Abnehmer: eine Person, die Waren oder Dienstleistungen nicht unmittelbar von einer Person erworben hat, die die Wettbewerbsrechtsverletzung begangen hat, sondern von einem unmittelbaren Abnehmer oder einem nachfolgenden Abnehmer, wobei die Waren oder Dienstleistungen entweder Gegenstand einer Wettbewerbsrechtsverletzung waren, oder solche Waren oder Dienstleistungen enthalten oder aus solchen hervorgegangen sind. Übersicht
Rn I. Wettbewerbsrechtsverletzung............................................................ 2–3 II. Wettbewerbsbehörde............................................................................ 4 III. Kronzeugenerklärung......................................................................... 5–7 IV. Vergleichsausführung.......................................................................... 8 V. Abnehmer.............................................................................................. 9
Mit § 37b werden die zentralen Begriffsdefinitionen der Richtlinie 1 2014/104/EU umgesetzt. Berücksichtigt werden diejenigen Begriffe, die an mehr als einer Stelle vorkommen. Die Begriffsbestimmungen gelten nur für die Zwecke des 5. Abschnitts des II. Hauptstücks.
I. Wettbewerbsrechtsverletzung Dem Begriff der „Wettbewerbsrechtsverletzung“ kommt eine entschei- 2 dende Bedeutung zu, da er die Reichweite des Anwendungsbereichs des 5. Abschnitts des II. Hauptstücks absteckt. Er wird als eine Zuwiderhandlung gegen § 1 bzw Art 101 AEUV (dies auch dann, wenn dieses Verbot durch Verpflichtungszusagen gem § 27 konkretisiert wurde) sowie gegen das Missbrauchsverbot nach § 5 bzw Art 102 AEUV (einschließlich des Verbots von Vergeltungsmaßnahmen nach § 6) definiert. Soweit das gleiche legistische Ziel verfolgt wird, ist die Definition analog auch für die Bestimmung von Wettbewerbsrechtsverletzungen tauglich, die nach dem nationalen Recht anderer EU-Mitgliedstaaten 499
§ 37b KartGGugerbauer sanktioniert wurden. Für das österreichische Recht bleibt festzuhalten, dass eine „parallele“ Anwendung der österreichischen Bestimmungen zu jenen der Art 101 und 102 AEUV kaum in Betracht kommt, da nach der Rechtsprechung des KOG im Fall der Anwendung des Unionsrechts das nationale Recht verdrängt wird (RIS-Justiz RS0119693). Ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Fusionskontrolle (Durchführungsverbot § 17, nachträgliche Maßnahmen § 16, Verpflichtungszusagen § 27) bleibt überhaupt ausgenommen 3 Verstöße gegen das KartG und gegen das Wettbewerbsrecht der EU können auch iVm § 1 UWG zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht werden (vgl etwa 4 Ob 60/09s). Schadenersatzansprüche können ua auf der Grundlage von § 16 UWG iVm § 1 UWG und iVm einer kartellrechtlichen Verbotsbestimmung (etwa § 1) zivilrechtlich geltend gemacht werden. § 37b Z 1 verweist explizit auf die Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften, ein Schadenersatzanspruch unter Berufung auf die Verletzung eines (kartellrechtlichen) Schutzgesetzes iSv § 1311 ABGB iVm § 37b Z 1 schließt die Anwendbarkeit der Bestimmungen des 5. Abschnitts des II. Hauptstücks aber nicht aus. Bei Verstößen gegen das NVG sind die §§ 37a ff dagegen nicht anwendbar.
II. Wettbewerbsbehörde 4 Unter „Wettbewerbsbehörde“ gem Z 3 sind (iSv von Art 2 Z 8 der Richtlinie 2014/104/EU) alle Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten und die Europäische Kommission zu verstehen. Wichtig ist diese Begriffsbestimmung vor allem für § 37b Z 4 und 5, es sind auch Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen gegenüber Wettbewerbsbehörden von anderen EU-Mitgliedstaaten umfasst, sowie für § 37h, Verfahren vor jeder Wettbewerbsbehörde eines EU-Mitgliedstaates hemmen die Verjährung. Auch die Beweismittelbeschränkungen für aktenkundige Beweismittel (§ 37k) beziehen sich mit auf ausländische Wettbewerbsbehörden.
III. Kronzeugenerklärung 5 Die Definition der „Kronzeugenerklärung“ in Z 4 (iSv Art 2 Z 16 der Richtlinie 2014/104/EU) ist für § 37k Abs 4 relevant. Ob eine von der Einsicht ausgeschlossene Kronzeugenerklärung vorliegt, ist streng nach 500
Begriffsbestimmungen
§ 37b KartG
dieser Definition zu beurteilen, da die Kronzeugenprogramme der Wettbewerbsbehörden der verschiedenen EU-Mitgliedstaaten nicht einheitlich geregelt sind. Der Begriff ist daher auch nicht an das Kronzeugenprogramm nach dem WettbG angepasst. In § 37k Abs 4 ist eine Klarstellung enthalten, dass die Kronzeugenerklärung nicht bereits vorhandene Informationen umfasst, dies gilt gleichermaßen für Vergleichsausführungen (vgl ErwGr 28 zur Richtlinie 2014/104/EU; EB RV KaWeRÄG 2017). Da die Kronzeugenerklärung entsprechend dem Wortlaut der Richtli- 6 nie nur der Aufdeckung eines Kartells im Sinne einer Absprache oder abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Wettbewerbern dient, wurde der § 1 eigentümliche Begriff, der auch vertikale Absprachen oder abgestimmte Verhaltensweisen abdeckt, ausdrücklich auf „Kartelle zwischen Wettbewerbern“ eingeschränkt (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Die Begriffe „Kronzeuge“ und „Kronzeugenprogramm“ sind für den 7 Ausschluss von der Solidarhaftung von Bedeutung und werden daher unmittelbar in § 37e Abs 3 umgesetzt. Anders als bei der „Kronzeugenerklärung“ kommt es bei der Ausnahme von der Solidarhaftung darauf an, ob dem Kronzeugen die Geldbuße gänzlich erlassen wurde (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Eine formale Erlassentscheidung ist im KartG nicht vorgesehen, der vollständige Erlass der Geldbuße erfolgt mit dem rechtskräftigen Abschluss eines (auch) gegen den Kronzeugen gerichteten kartellgerichtlichen Verfahrens ohne Festsetzung einer Geldbuße gegen den Kronzeugen. Im Falle der Verfolgung eines Verstoßes im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens bei der Europäischen Kommission folgt der Erlass der Geldbuße unmittelbar aus der abschließenden Entscheidung der Kommission.
IV. Vergleichsausführung Ob eine Vergleichsausführung (Z 5) gem Art 2 Z 18 der Richtlinie 8 214/104/EU vorliegt, ist im Einzelfall nach Z 5 zu prüfen.
V. Abnehmer Die Begriffe „unmittelbarer“ und „mittelbarer Abnehmer“ in Z 6 und 9 7 sind vor allem für § 37e und § 37f relevant. 501
§ 37c KartGGugerbauer
Haftung § 37c (1) Wer schuldhaft eine Wettbewerbsrechtsverletzung begeht,
ist zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet. (2) Es wird vermutet, dass ein Kartell zwischen Wettbewerbern einen Schaden verursacht. Diese Vermutung kann widerlegt werden.
Übersicht
Rn I. Voraussetzungen.................................................................................. 1 II. Wettbewerbsrechtsverletzung............................................................ 2 III. Verschulden........................................................................................... 3–4 IV. Vermutung der Schadenszufügung.................................................. 5–7 V. Preisschirmeffekt.................................................................................. 8–9 VI. Widerlegung der Vermutung............................................................. 10
I. Voraussetzungen 1 Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch sind ein kartellrechtswidriges Verhalten iSv § 37b Z 1, Verschulden, ein Schaden, Kausalität und Zurechnungszusammenhang zwischen Verstoß und Schaden (vgl auch 4 Ob 46/12m).
II. Wettbewerbsrechtsverletzung 2 § 37c Abs 1 stellt klar, dass die entsprechenden Verbotsbestimmungen des KartG (und des AEUV, aber auch der einschlägigen kartellrechtlichen Bestimmungen der anderen EU-Mitgliedstaaten) Schutzgesetzcharakter haben (vgl § 1311 ABGB). Dass die Junktimierung der Schadenersatzpflicht mit einem Verschulden des Schädigers (und das Erfordernis eines Äquivalenz- und Adäquanzzusammenhangs) zulässig ist, ergibt sich aus ErwGr 11 der Richtlinie 2014/104/EU.
III. Verschulden 3 Schadenersatzansprüche iSv § 37c bestehen nur dann, wenn der Kartellant schuldhaft – vorsätzlich oder fahrlässig – gehandelt hat (vgl dazu die Kommentierung zu § 29 Rn 14–22). Das Verschulden wird entspre502
Haftung
§ 37c KartG
chend der allgemeinen Regelung des § 1298 ABGB widerleglich vermutet. Es obliegt dem Schädiger den Nachweis zu erbringen, dass ihm der Verstoß gegen § 1, 5 oder 6 (bzw gegen Art 101 oder 102 AEUV) nicht als (schutzgesetzbezogenes) Verhaltensunrecht angelastet werden kann (Beweislastumkehr bezüglich des Verschuldens; vgl 4 Ob 46/12m). Die subjektiven Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße 4 sind erfüllt, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte, dies unabhängig davon, ob ihm dabei bewusst war, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des KartG oder des AEUV verstößt (vgl etwa EuGH 14.10.2010, C-280/08 P, Deutsche Telekom, Rn 124). Ein Rechtsirrtum begründet keinen Schuldausschließungsgrund (vgl EuGH 18.6.2013, C-681/11), und zwar auch dann nicht, wenn der Irrtum der handelnden Unternehmen über die Verbotswidrigkeit ihres Verhaltens auf dem Rechtsrat eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht (vgl die Kommentierung zu § 29 Rn 22). § 37c baut auf die §§ 1294 ff ABGB auf. Fragen im Zusammenhang mit der Kausalität oder der Zurechnung der Handlungen von Erfüllungsgehilfen sind nach den allgemeinen Regelungen des ABGB zu klären.
IV. Vermutung der Schadenszufügung Der Anspruchsteller hat seinen Anspruch zu substantiieren und zu be- 5 weisen, dass er Waren oder Dienstleistungen abgenommen oder geliefert hat, auf die – gegebenenfalls auch als Vorprodukt – sich der Verstoß bezogen hat. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Gerichte zur Annahme einer anderen Verteilung der Beweislast kommen (vgl EB RV 9-GWB-Nov). Die Vermutung des Abs 2 bezieht sich auf das Bestehen eines Schadens 6 und dessen Verursachung durch ein „Kartell zwischen Wettbewerbern“. Vertikale Absprachen (Verhaltensabstimmungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen) und Fälle des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Position werden von der Schadensvermutung nicht erfasst. Auch die Höhe des verursachten Schadens wird von der Vermutung 7 nicht erfasst (vgl ErwGr 47 der Richtlinie). Vollständiger Ersatz des Schadens, den eine Person erlitten hat, bedeutet, dass sie in die Lage 503
§ 37c KartGGugerbauer versetzt wird, in der sie sich befinden würde, wenn die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht nicht begangen worden wäre (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Der Schaden muss nicht alleine in einem (vom Abnehmer bezahlten) zu hohen Preis oder einem vom Lieferanten erlangten zu niedrigen Preis liegen. Der Aspekt des Preises ist nur einer in der Sicherung des Wettbewerbs. Gleichrangig ist ua die Sicherung der Qualität.
V. Preisschirmeffekt 8 Soweit Unternehmen, die nicht an einem Kartell beteiligt sind, in Anbetracht der Marktwirkungen des Kartells ihre Preise höher festsetzen, als sie dies ohne das Kartell getan hätten (sog Preisschirmeffekt, „umbrella pricing“), haften die Kartellbeteiligten auch für diesbezügliche Schäden (vgl 7 Ob 48/12b; EuGH 5.6.2014, C-557/12). 9 Es würde gegen den unionsrechtlichen Effizienzgrundsatz verstoßen, Schadenersatzansprüche aufgrund eines Preisschirmeffekts kategorisch von der Haftung der Kartellanten auszunehmen. Es bedarf einer Prüfung der speziellen Umstände des konkreten Falles. Ein durch ein „umbrella pricing“ Geschädigter kann den Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, auch wenn er keine vertraglichen Beziehungen zu ihnen hatte, wenn erwiesen ist, dass dieses Kartell nach den Umständen des konkreten Falles und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Marktes nachteilige Auswirkungen auf das Preissetzungsverhalten von eigenständig handelnden Dritten zur Folge hatte und dies den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnte.
VI. Widerlegung der Vermutung 10 Die Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung einer Schadenszufügung ergibt sich zwar schon aus § 270 ZPO, wird der Klarheit halber aber nochmals erwähnt. Der Beklagte kann nachweisen, dass es zu keinem Preisaufschlag gekommen ist (weil sich beispielsweise die Kartellanten nicht an die Absprache gehalten haben), dass eine Preiserhöhung nicht auf eine Absprache der Kartellanten, sondern auf kartellfremde Faktoren zurückzuführen ist, oder die Preiserhöhung aufgrund einer 504
Gegenstand des Ersatzes
§ 37d KartG
entsprechenden Verbesserung der Produktqualität gerechtfertigt ist. Die Vermutung kann aber auch dadurch widerlegt werden, dass nachgewiesen wird, dass die Preiserhöhung und damit der Schaden an den Abnehmer des kartellbefangenen Produktes oder daraus hervorgegangener Produkte weitergegeben worden ist.
Gegenstand des Ersatzes § 37d. (1) Der Ersatz des Schadens umfasst auch den entgangenen
Gewinn. (2) Der Ersatzpflichtige hat die Schadenersatzforderung ab Eintritt des Schadens in sinngemäßer Anwendung des § 1333 ABGB zu verzinsen. Die Schadensberechnung nach Wettbewerbsverstößen ist konkret vor- 1 zunehmen, nicht abstrakt (vgl 3 Ob 1/12m). Um Gerichten und Parteien für die Ermittlung des Schadensumfangs eine Hilfestellung zu geben, hat die Europäische Kommission eine Mitteilung zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadenersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Art 101 oder 102 AEUV herausgegeben (ABl C 2013/167, 19). In dem dieser Mitteilung angefügten Leitfaden werden ökonomische Methoden zur Schadensermittlung beschrieben. Dabei geht es primär um die Frage, inwieweit der verrechnete Preis von jenem Preis abwich, der sich bei funktionierendem Wettbewerb gebildet hätte (Differenzmethode). Bei einer zeitlichen Vergleichsmarktanalyse werden Preise, Gewinnspannen und Absatzmengen während der Dauer des Wettbewerbsverstoßes mit jenen in der Zeit davor bzw danach verglichen. Können Preisdifferenzen nicht mit statistisch signifikanter Wahrscheinlichkeit auf andere Faktoren (etwa auf den technischen Fortschritt, konjunkturelle Veränderungen, den Marktein- oder -austritt von Wettbewerbern, etc), zurückgeführt werden, sind sie dem wettbewerbswidrigen Verhalten zuzuschreiben. Nach § 273 Abs 1 ZPO kann das Gericht den Schadensbetrag nach frei- 2 er Überzeugung festsetzen, wenn ein präziser Beweis über die Schadenshöhe nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten erbracht werden kann, dass etwa die Ermittlung des Schadens nach der Differenzmethode wegen des damit verbundenen Aufwands an Zeit 505
§ 37e KartGGugerbauer und Kosten unverhältnismäßig ist. Der Kläger muss dann nur Anhaltspunkte zur Schadensermittlung vorbringen, eine exakte Bezifferung ist nicht erforderlich. Die Gleichsetzung des Vorteils des Schädigers mit dem Schaden des Geschädigten kann – insbesondere bei mehreren Vertriebsebenen – einen Konflikt mit dem Verbot der Überkompensation in sich bergen. Allerdings ist nicht per se ausgeschlossen, den vom Kartellanten durch den Kartellverstoß erzielten Vorteil im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Schätzung des Schadens nach § 273 ZPO heranzuziehen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 3 Ein Mehrerlös beim Weiterverkauf, den der Geschädigte erzielen konnte, ist im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen. Dadurch soll gesichert werden, dass der Geschädigte aus dem schädigenden Ereignis keinen Gewinn zieht und aufgrund der Kompensation nicht besser (auch nicht schlechter) als ohne die Wettbewerbsrechtsverletzung gestellt ist. Bei einem Vorteilsausgleich kommt es darauf an, dass der erlittene Nachteil und der entstandene Vorteil sachlich und zeitlich kongruent sind und die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadenersatzrechts entspricht, also zu keiner unbilligen Entlastung des Schädigers führt (vgl 7 Ob 174/12g; RIS-Justiz RS0023600). 4 Durch die Bezugnahme auf § 1333 ABGB wird der Anspruch auf Zinsen unabhängig vom Eintritt eines tatsächlichen Zinsschadens begründet. § 1333 ABGB verweist auf § 1000 Abs 1 ABGB, demnach sind die gesetzlichen Zinsen mit 4% zu berücksichtigen. Die höheren Verzugszinsen nach § 456 UGB werden in der Regel nicht zuzusprechen sein, weil Schadenersatzansprüche nach Wettbewerbsrechtsverletzungen meist deliktischer Natur sind, also nicht aus einem Vertrag ableitbar sind.
Mehrheit von Ersatzpflichtigen § 37e. (1) Unternehmer, die durch gemeinschaftliches Handeln eine Wettbewerbsrechtsverletzung begangen haben, haften solidarisch für den durch diese Wettbewerbsrechtsverletzung verursachten Schaden. (2) Ein Rechtsverletzer haftet aber nur seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten, wenn 506
Mehrheit von Ersatzpflichtigen
§ 37e KartG
1. es ein kleines oder mittleres Unternehmen im Sinn der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. Nr. L 124 vom 20.5.2003, S. 36, ist, das weniger als 250 Personen beschäftigt und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielt oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro aufweist, 2. sein Anteil am relevanten Markt in der Zeit der Wettbewerbsrechtsverletzung stets weniger als 5 % betrug und 3. eine uneingeschränkte Haftung seine wirtschaftliche Lebensfähigkeit unwiederbringlich gefährdet und seine Aktiva völlig entwertet, es sei denn, der Rechtsverletzer hat die Wettbewerbsrechtsverletzung organisiert, andere Unternehmer gezwungen, sich an der Wettbewerbsrechtsverletzung zu beteiligen, oder nach Feststellung einer Wettbewerbsbehörde (§ 37i Abs. 2) bereits früher eine Wettbewerbsrechtsverletzung begangen. (3) Eine Person, die ihre Kenntnis eines geheimen Kartells zwischen Wettbewerbern und ihre Beteiligung daran freiwillig gegenüber einer Wettbewerbsbehörde offengelegt hat und der dafür durch Beschluss oder Einstellung des Verfahrens die wegen ihrer Beteiligung am Kartell zu verhängende Geldbuße erlassen wurde (Kronzeuge), haftet nur gegenüber ihren unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten, es sei denn, die anderen Geschädigten können von den anderen Haftpflichtigen keinen vollständigen Schadenersatz erlangen. (4) Der Rückersatzanspruch eines in Anspruch genommenen Rechtsverletzers gegen die übrigen Rechtsverletzer (Ausgleichsbetrag) bestimmt sich anhand der relativen Verantwortung aller Rechtsverletzer für den durch die Wettbewerbsrechtsverletzung entstandenen Schaden. Diese relative Verantwortung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von den Umsätzen, Marktanteilen und Rollen der beteiligten Rechtsverletzer bei der Wettbewerbsrechtsverletzung. Der Rückersatzanspruch gegen einen Kronzeugen (Abs. 3) ist für den Schaden, der unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten der Rechtsverletzer entstanden ist, mit der Höhe des Schadens begrenzt, den der Kronzeuge seinen eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten verursacht hat. 507
§ 37e KartGGugerbauer Übersicht
Rn I. Solidarhaftung...................................................................................... 1 II. Ausnahme für KMUs........................................................................... 2–3 III. Einschränkung für Kronzeugen........................................................ 4–9 IV. Innenregress.......................................................................................... 10–12
I. Solidarhaftung 1 § 37 Abs 1 bringt den schon nach dem allgemeinen Schadenersatzrecht geltenden Grundsatz zum Ausdruck, dass gemeinschaftlich handelnde Rechtsverletzer solidarisch haften (vgl § 1302 ABGB).
II. Ausnahme für KMUs 2 Abs 2 schafft für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) eine Ausnahme von der Solidarhaftung, sieht aber auch eine Gegenausnahme vor. Hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit vom KMUs macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen Verstoß durch Anbieter oder Nachfrager einer Ware oder Dienstleistung handelt, also ob ein Abnehmer oder ein Lieferant geschädigt wird. Um dem Schutz dieser Unternehmen die volle Geltung zu verschaffen, werden daher auch Wettbewerbsrechtsverletzungen von Nachfragern einer Ware oder Dienstleistung der Privilegierung teilhaftig. 3 Als Voraussetzung dafür, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz nach Abs 1 die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Unternehmens unwiederbringlich gefährden und seine Aktiva jeden Werts berauben würde, reicht die Tatsache, dass die Schadensersatzforderung die Insolvenz des ersatzpflichtigen Unternehmens herbeiführen könnte, nicht aus, da die Insolvenz allein die finanziellen Interessen der Eigentümer berührt, aber nicht notwendigerweise zum Verschwinden des Unternehmens führt. Das Unternehmen kann weiter fortbestehen, insbesondere durch Rekapitalisierung oder durch Übernahme sämtlicher Vermögenswerte durch ein anderes Unternehmen. Eine solche Übernahme kann durch freiwilligen Erwerb oder zwangsweisen Verkauf der Vermögenswerte des insolventen Unternehmens unter Fortführung des Betriebs erfolgen. Erst wenn die Übernahme des Unternehmens oder zumindest seiner Vermögenswerte unwahrscheinlich oder unmöglich erscheint, sind seine Aktiva jeglichen Wertes beraubt. In einem solchen 508
Mehrheit von Ersatzpflichtigen
§ 37e KartG
Fall würden die verschiedenen Vermögenswerte des insolventen Unternehmens einzeln zum Kauf angeboten. Dann ist es möglich, dass viele dieser Vermögenswerte keinen Käufer finden oder allenfalls mit einem starken Preisabschlag verkauft werden müssten, so dass es legitim erscheint, von einem vollständigen Verlust des Wertes zu sprechen (vgl EuG, 14. Mai 2014 – T-406/09; EB RV 9. GWB-Nov)
III. Einschränkung für Kronzeugen Unter Bedachtnahme auf die Begriffsbestimmungen in § 37b Z 4 4 („Kronzeugenprogramm“ und „Kronzeuge“) ist gem Abs 3 nur jenem Kronzeugen eine Erleichterung der Haftung gewährt, der ein geheimes (horizontales) Kartell als erster aufgedeckt hat, sodass ihm der (gänzliche) Erlass der Geldbuße zuerkannt wird. Der Begriff ist nicht notwendigerweise deckungsgleich mit einem „Kronzeugen“ im Sinn des WettbG, er gilt ja für alle EU-Mitgliedstaaten, unabhängig von den jeweiligen Praktiken und Definitionen der jeweiligen Wettbewerbsbehörden. Ob ein „Kronzeuge“ im Sinne von § 37e Abs 3 vorliegt ist daher autonom zu beurteilen und nur soweit von der Zuerkennung dieses Status durch die BWB abhängig, als diese dem Rechtsverletzer die Geldbuße gänzlich erlassen hat. Mit anderen Worten ist ein Kartellant, gegen den keine Geldbuße verhängt wird, weil das aufgedeckte Kartell der Behörde schon bekannt war oder weil es sich um eine vertikale Absprache gehandelt hat, nicht „Kronzeuge“ im Sinne dieser Bestimmung. Auch jemand, gegen den eine Geldbuße verhängt wurde (und sei sie auch nur gemäßigt), kann niemals „Kronzeuge“ im Sinn dieser Bestimmung sein (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Zur Frage, wie lange ein Kartell „geheim“ ist und eine Kronzeugener- 5 klärung daher noch rechtzeitig erfolgt ist, um die Rechtswirkungen nach Abs 3 zu entfalten, ist Rn 10 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art 23 Abs 2 lit a der VO (EG) Nr 1/2003 (ABl 2006 C 210), zu berücksichtigen. Demnach wird ein Erlass der Geldbuße nur dann gewährt, wenn die Wettbewerbsbehörde zum Zeitpunkt der Vorlage nicht bereits über ausreichende Beweismittel verfügte, um eine Nachprüfung (Art 20 der VO [EG] Nr 1/2003) im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell anzuordnen bzw eine solche Nachprüfung noch nicht durchgeführt hat (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Ein Kartell verliert seinen „geheimen“ Charakter iSv § 37e Abs 3 aber nicht schon dadurch, dass die Wettbewerbsbehörde 509
§ 37e KartGGugerbauer eine Nachprüfung vornehmen kann oder eine solche durchführt, wenn ihr anschließend trotz Nachprüfung (Hausdurchsuchung) der Nachweis bzw die Aufdeckung des Verstoßes nicht möglich ist. 6 Die solidarische Haftung des Kronzeugen für Schäden ist nach Abs 4 zunächst beschränkt auf dessen eigene Abnehmer und Lieferanten sowie deren Abnehmer bzw Lieferanten. Nur diese können von dem Kronzeugen ohne Weiteres für ihren gesamten durch den Verstoß verursachten Schaden Ersatz verlangen. Demgegenüber können Geschädigte, die im Hinblick auf die von dem Verstoß betroffenen Waren oder Dienstleistungen keine unmittelbare oder mittelbare Austauschbeziehung zu dem Kronzeugen unterhalten, den Ersatz ihres vollständigen Schadens zunächst nur von den übrigen an dem Kartell Beteiligten beanspruchen. Abs 4 bestimmt, dass der Rückersatzanspruch gegen einen Kronzeugen nachrangig ist. Für die Entstehung des Schadenersatzanspruchs gegen den Kronzeugen ist daher zusätzlich erforderlich, dass die übrigen Schädiger den Schaden des betreffenden Geschädigten nicht vollständig ersetzen konnten. Es ist dem Geschädigten dabei zumutbar, zumindest einmal eine Exekution wegen der Schadenersatzforderung gegen jeden der übrigen Schädiger zu versuchen. Ist der Geschädigte bei der Durchsetzung erfolglos oder wird nur ein Teil seiner Forderung befriedigt, kann er seinen verbliebenen Schaden von dem Kronzeugen ersetzt verlangen (vgl EB RV 9. GWB-Nov) 7 Der Kronzeuge haftet im Innenverhältnis der Schädiger für Schäden, die anderen als den unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten der Schädiger entstehen. Dies betrifft die Abnehmer oder Lieferanten von kartellbefangenen Produkten oder Dienstleistungen, die diesbezüglich ausschließlich Austauschbeziehungen zu Unternehmen unterhalten haben, die nicht an dem Verstoß beteiligt waren. Auch die nicht beteiligten Wettbewerber der Kartellbeteiligten können aber im Windschatten des Kartells autonom ihre Preise an das Niveau der kartellbeteiligten Wettbewerber angepasst haben, so dass auch ihren Abnehmern durch die mittelbar kartellbedingte Preiserhöhung ein Schaden entstanden sein kann. Diese Schäden sind im Innenverhältnis der Schädiger nicht von der Haftungsbegrenzung erfasst. Die Geschädigten selbst können ihre Schäden zunächst nur bei den übrigen Schädigern geltend machen (vgl EB RV 9. GWB-Nov) 8 Dass ein Kronzeuge bestimmten Geschädigten, zu denen er weder unmittelbar noch mittelbar eine Austauschbeziehung bezogen auf das von 510
Mehrheit von Ersatzpflichtigen
§ 37e KartG
dem Verstoß betroffene Gut unterhalten hat, nachrangig ihren Schaden ersetzen muss, führt nicht dazu, dass er auch im Verhältnis unter den Schädigern eine höheren Beitrag tragen müsste als den zunächst für ihn vorgesehenen Anteil. Er kann daher auch in einem Fall der nachrangigen Haftung von den übrigen Schädigern Regress fordern (vgl EB RV 9. GWB-Nov) Die Sonderregelungen für die Kronzeugen bei der Haftung sollen keine 9 Bevorzugung gegenüber den übrigen Schädigern darstellen, sondern nur den Nachteil ausgleichen, den die Kronzeugen andernfalls durch die frühere Rechtskraft der Verletzungsentscheidung erfahren würden (ErwGr 38 der Richtlinie 2014/104/EU). Allerdings haftet der Kronzeuge auch gegenüber den anderen Geschädigten, wenn von den übrigen Haftpflichtigen „kein vollständiger Schadenersatz erlangt werden kann“. Durch § 37h Abs 3 wird sichergestellt, dass die Verjährungsfrist gegen den Kronzeugen nicht in der Zwischenzeit (wegen erfolgloser Klags- und Exekutionsführung gegen die übrigen Geschädigten) abgelaufen ist (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
IV. Innenregress Grundsätzlich bestimmt sich der Innenregress der Rechtsverletzer un- 10 tereinander nach der relativen Verantwortung eines jeden für den verursachten Schaden (vgl Abs 4). Die „relative Verantwortung“ hängt nach dem ErwGr 37 der Richtlinie 2014/104/EU von verschiedenen Kriterien wie Umsatz, Marktanteil, Mehrerlösen oder Rolle im Kartell ab. Die Verengen des Blicks auf ein Kriterium, zB den Umsatzanteil, würde nicht mehr die individuelle Verantwortung der einzelnen Schädiger widerspiegeln (EB RV 9. GWB Novelle). Von diesem Grundsatz macht Abs 4 insofern eine Ausnahme, als der Ausgleichsbetrag des Kronzeugen nicht höher sein darf als der Schaden, den er seinen eigenen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten verursacht hat. Allerdings bleibt es bei der Grundregel des Ausgleichs nach der relativen Verantwortung, wenn ein solidarisch haftender Schädiger von Drittgeschädigten in Anspruch genommen wird, also etwa von solchen, die auf Grund des Preisschirmeffektes des Kartells selbst höhere Preise bezahlen mussten, obwohl sie keine Produkte, die von der Kartellabsprache betroffen waren, abgenommen haben. Anders formuliert greift die Sonderregelung des Abs 4 nur so weit ein, als die solidarisch haftenden Rechtsverletzer Schadenersatz an unmittelbare 511
§ 37e KartGGugerbauer und mittelbare Abnehmer oder Lieferanten geleistet haben. (vgl EB RV KaWeRÄG 2017) 11 Bei der Haftung des Kronzeugen im Verhältnis unter den Schädigern ist der Ausgleichsbeitrag des Kronzeugen im Verhältnis zu den übrigen Gesamtschuldnern der Höhe nach auf den Betrag beschränkt, den dieser seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten als Schaden durch den Verstoß verursacht hat. Darüber hinaus haftet der Kronzeuge gegenüber den übrigen Solidarschuldnern nicht für solche Schäden, die anderen Abnehmern oder Lieferanten der Schädiger entstanden sind. Der verbleibende Anteil des Kronzeugen, den dieser über den Höchstbetrag nach Abs 4 hinaus zu tragen hätte, wächst anteilig bei den übrigen Schädigern entsprechend ihrer eigenen Haftungsquote im Innenverhältnis an. Durch die Berücksichtigung der „relativen Verantwortung“ ein „besonderes Verhältnis“ iSv § 896 ABGB geschaffen. Mangels eines Nachweises einer „relativen Verantwortung“ besteht iSv § 896 ABGB ein subsidiärer Ersatzanspruch zu gleichen Teilen. Die haftungsbeschränkende Regelung von Abs 4 Satz 1 entlastet den Kronzeugen im Innenverhältnis somit zunächst auch von dem Risiko eines Zahlungsausfalls einzelner Solidarschuldner (vgl EB RV 9. GWB-Nov) 12 Entscheidend für den Rückersatzanspruch nach Abs 4 ist im Regelfall in erster Linie das Maß der Verursachung. Auf ein etwaiges Verschulden kommt es erst in zweiter Linie an. Die vorzunehmende Abwägung kann zu einer Quotierung, aber auch zur alleinigen Belastung eines Ersatzpflichtigen führen (vgl BGH, Urteil vom 10.7.2014 – III ZR 441/13 –, Rn 21). Ausschlaggebend für das Maß der Verursachung ist, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit die entsprechenden Verursachungsbeiträge zur Herbeiführung des schädigenden Erfolges geeignet waren (vgl EB RV 9. GWB Novelle).
Beweislast bei Schadensüberwälzung § 37f. (1) Die beklagte Partei kann in einem Verfahren über den Ersatz des Schadens aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung die Einrede erheben, dass die klagende Partei den sich aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung ergebenden Preisaufschlag ganz oder teilweise weitergegeben hat. Dafür ist die beklagte Partei beweispflichtig. Die erfolgreiche Einrede lässt das Recht der klagenden 512
Beweislast bei Schadensüberwälzung
§ 37f KartG
Partei unberührt, Schadenersatz wegen entgangenen Gewinns zu fordern. (2) Macht ein mittelbarer Abnehmer gegen einen Rechtsverletzer einen Schaden geltend, der auf ihn im Sinn des Abs. 1 von einem Abnehmer einer vorgelagerten Vertriebsstufe überwälzt wurde, so liegt ihm der Beweis ob, dass der Preisaufschlag an ihn weiter gegeben wurde. (3) Weist der mittelbare Abnehmer in einer Situation nach Abs. 2 nach, dass 1. die beklagte Partei eine Wettbewerbsrechtsverletzung begangen hat, 2. diese einen Preisaufschlag für deren unmittelbare Abnehmer zur Folge hatte, und 3. er Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die Gegenstand der Wettbewerbsrechtsverletzung waren oder solche Waren oder Dienstleistungen enthalten oder aus solchen hervorgegangen sind, so wird die Weitergabe des Preisaufschlags vermutet. Die beklagte Partei kann die Vermutung durch die Glaubhaftmachung des Gegenteils entkräften. (4) Zur Frage der Schadensüberwälzung kann den Streit verkünden (§ 21 ZPO): 1. die von einem unmittelbaren Abnehmer als Rechtsverletzer geklagte Partei einen mittelbaren Abnehmer; 2. die von einem mittelbaren Abnehmer als Rechtsverletzer geklagte Partei einem unmittelbaren Abnehmer. Der unmittelbare oder mittelbare Abnehmer, dem der Beklagte rechtzeitig den Streit verkündet hat, ist an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Schadensüberwälzung gebunden. (5) Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß, wenn die Wettbewerbsrechtsverletzung die Belieferung des Rechtsverletzers betrifft und der Schaden in einem zu geringen Preis besteht. Übersicht
Rn I. Passing-on-Einwand............................................................................ 1–2 II. Beweislast............................................................................................... 3–5 III. Vermutung der Weitergabe des Preisaufschlags.............................. 6–8 IV. Streitverkündung................................................................................. 9–10 V. Schadensabwälzung auf vorgelagerte Vertriebsstufe..................... 11
513
§ 37f KartGGugerbauer
I. Passing-on-Einwand 1 Unmittelbaren Abnehmer könnten wenig Interesse daran haben, einen Schaden geltend zu machen, wenn sie die durch eine Wettbewerbsrechtsverletzung ausgelöste Preisüberhöhung an ihre Kunden weitergeben konnten. Die einseitige Berücksichtung der Erstabnehmerstufe durch Ausschluss des sog Passing-on-Einwands würde daher die Effizienz des Wettbewerbsrechts beeinträchtigen. 2 § 37f Abs 1 stellt klar, dass der Passing-on-Einwand, die Einrede der Überwälzung des Schadens, zu berücksichtigen ist, selbst wenn es sich um eine bloß faktische Schadensverlagerung auf die nachgelagerte Vertriebsstufe handelt. Als mittelbare Abnehmer gelten private oder gewerbliche Verbraucher, die die kartellverfangenen Waren oder Dienstleistungen nicht unmittelbar von den Kartellanten bezogen haben, sondern erst auf einer nachgelagerten Wirtschaftsstufe betroffen waren (weil die kartellierten Produkte an sie weiterveräußert wurden, bzw sie als Vorprodukte verwendet wurden).
II. Beweislast 3 Der mittelbare Abnehmer, der Schadenersatz wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften des 1. Abschnitts des KartG oder gegen Artikel 101 oder 102 AEUV geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe ein kartellbedingter Preisaufschlag auf die nachfolgende Marktstufe abgewälzt wurde (vgl BGH, Urteil vom 28.6.2011 – KZR 75/10 –, BGHZ 190, 145-172, Rn 44). Gleiches gilt für mittelbare Lieferanten, durch § 37j erleichtert, wonach sie Auskünfte und die Herausgabe von Beweismitteln verlangen können, soweit diese für die Geltendmachung ihrer Ansprüche erforderlich sind (vgl EB RV 9. GWB-Nov) 4 Es genügt nicht, wenn der Kartellant nachweist, dass sich der Preis auf der nachgelagerten Vertriebsstufe erhöht hat. Vielmehr muss er auch beweisen, dass diese Preiserhöhung durch den Kartellverstoß bewirkt wurde und nicht etwa auf eigenen Anstrengungen des unmittelbaren Abnehmers beruht. Dies wird auch durch den Begriff „weitergegeben“ zum Ausdruck gebracht. Ein Preisaufschlag ist nicht „weitergegeben“, wenn er durch eigene Anstrengungen des Abnehmers absorbiert werden konnte, und eine Erhöhung des Preises in der nachgelagerten Ver514
Beweislast bei Schadensüberwälzung
§ 37f KartG
triebsstufe auf Umstände zurückzuführen ist, die in der Sphäre dieses Abnehmers liegen (zB auf erhöhte Marketingaufwendungen; vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Zu einem Gewinnentgang iSv Abs 1 kann es beispielsweise kommen, 5 wenn die Weitergabe einer kartellbedingten Preiserhöhung einen Rückgang der Nachfrage und damit einen verringerten Absatz zur Folge hat (vgl EB RV 9. GWB-Nov)
III. Vermutung der Weitergabe des Preisaufschlags Eine Erleichterung zugunsten der mittelbaren Abnehmer folgt aus 6 Abs 3. Danach wird zugunsten des mittelbaren Abnehmers vermutet, dass eine Schadensweitergabe an ihn stattgefunden hat. Die Vermutung wirkt ausschließlich zugunsten mittelbarer Abnehmer, nicht aber zugunsten von Schädigern. Sie kann sich je nach Konstellation zum Nachteil des Schädigers oder der aus Sicht des mittelbaren Abnehmers, zu dessen Gunsten die Vermutung wirkt, jeweils vorgelagerten Marktstufe auswirken. Der Umfang der Schadensweitergabe ist nicht Gegenstand dieser Rege- 7 lung, er unterliegt den Grundsätzen des freien richterlichen Ermessens (§ 273 ZPO). Die Europäische Kommission gibt für die Gerichte Leitlinien zur Schätzung des auf den mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten abgewälzten Preisaufschlags heraus (vgl Artikel 16 der Richtlinie 2014/104/EU), diese können die Gerichte bei ihrer Einschätzung berücksichtigen (EB RV 9. GWB-Nov). Die für die Bemessung des Umfangs erforderlichen Informationen können mittelbare Geschädigte aufgrund ihres Anspruchs auf Herausgabe von Beweismitteln und Erteilung von Auskünften verlangen. Zur Widerlegung der Vermutung nach Absatz 3 Z 1 reicht es bereits aus, wenn die Schädiger oder unmittelbaren Abnehmer Umstände glaubhaft machen, die geeignet sind, die vermutete Annahme zu erschüttern. Der Beweis des Gegenteils ist nicht erforderlich (vgl EB RV 9. GWB-Nov) Im Zusammenhang mit der Beweislast des Kartellanten im Prozess ge- 8 gen den unmittelbaren Abnehmer für die Schadensverlagerung kann es dazu kommen, dass bei einem „non liquet“ in Bezug auf die Schadensverlagerung der Rechtsverletzer zweimal in Anspruch genommen wird. Das soll aber ebenso vermieden werden wie eine Nichthaftung des Rechtsverletzers vermieden werden soll. Beides kann durch das Institut 515
§ 37f KartGGugerbauer der Streitverkündung erreicht werden (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Nach ständiger Rechtsprechung erstrecken sich die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils auf den nach Streitverkündung beigetretenen Nebenintervenienten und auf eine trotz Streitverkündung nicht beigetretene Person insofern, als in einem Folgeverfahren keine Einwendungen erhoben werden können, die mit notwendigen Elementen der Vorentscheidung im Widerspruch stehen. Die Interventionswirkung besteht nicht nur im Verhältnis zwischen der Haftung des Streitverkünders und der Regresspflicht des Empfängers der Streitverkündung, sondern auch bei materiell-rechtlichen Alternativverhältnissen, die einander gegenseitig ausschließend bedingen, bei denen also die positiven Voraussetzungen des einen Rechtsverhältnisses gleichzeitig die negativen Voraussetzungen des anderen sind (vgl 5 Ob 68/11b).
IV. Streitverkündung 9 In Abs 4 werden jene Situationen angeführt, in denen der in Anspruch genommene Kartellant durch Streitverkündung sein Risiko vermindern kann, den Schaden mehrfach zu ersetzen: Wenn der unmittelbare Abnehmer klagt, ist der Kartellant für die Überwälzung beweispflichtig (Abs 1). Er verkündet daher dem mittelbaren Abnehmer den Streit. Wenn der Beweis gelingt, dass der Schaden überwälzt wurde, wird in diesem Ausmaß die Klage des unmittelbaren Abnehmers abgewiesen. Die Rechtsprechung dürfte dann von einer Bindung des Kartellanten an dieses Ergebnis im Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers ausgehen (Alternativverhältnis). Der Kartellant kann unter diesen Umständen nicht einwenden, dass der Schaden doch nicht überwälzt wurde. So kann es nicht dazu kommen, dass der Rechtsverletzter nicht haftet. Im umgekehrten Fall, wenn der Beweis der Schadensüberwälzung misslingt, wird der Klage stattgegeben. Im Folgeprozess könnte sich aber die Frage stellen, ob der mittelbare Abnehmer an das Ergebnis des Vorprozesses gebunden ist. Um in einer solchen Konstellation eine mehrfache Inanspruchnahme des Kartellanten zu verhindern, soll angeordnet werden, dass der mittelbare Abnehmer, dem der Beklagte rechtzeitig den Streit verkündet hat, an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts über die Schadensüberwälzung gebunden ist (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 10 Wenn der mittelbare Abnehmer klagt, ist er für die Überwälzung beweispflichtig, allerdings besteht nach Abs 3 eine ihn begünstigende 516
Beweislast bei Schadensüberwälzung
§ 37f KartG
Vermutung. Der Kartellant kann nun dem unmittelbaren Abnehmer den Streit verkünden. Wenn diesem der Beweis gelingt, dass nicht überwälzt wurde, wird man wegen Vorliegens eines Alternativverhältnisses eine Bindungswirkung für den Kartellanten annehmen können, sodass dessen Nichthaftung vermieden wird. Wurde im Vorprozess hingegen vom mittelbaren Abnehmer bewiesen, dass der Schaden überwälzt wurde, so liegt keine non-liquet-Situation vor. Der unmittelbare Abnehmer soll an eine diesbezügliche Entscheidung gebunden sein, da ein Alternativverhältnis vorliegt. Wurde der Vorprozess lediglich auf Grund der nicht entkräfteten Überwälzungsvermutung zugunsten des mittelbaren Abnehmers entschieden, so stellt sich die Frage der Bindungswirkung. Bejahte man eine Bindungswirkung, so wäre der unmittelbare Abnehmer im Folgeprozess, in dem der Kartellant für die Überwälzung beweispflichtig ist, schlechter gestellt. Die Vermutung des Vorprozesses würde ihm dann im Folgeprozess zum Nachteil gereichen und er würde keinen Ersatz erhalten. Eine solche Bindungswirkung würde der von der Richtlinie 2014/104/EU vorgegebenen Beweislastverteilung widersprechen. Es wird hier am Kartellanten liegen, mit den Beweisergebnissen des Vorprozesses zu beweisen, dass der Schaden überwälzt wurde (EB RV KaWeRÄG 2017).
V. Schadensabwälzung auf vorgelagerte Vertriebsstufe Gem Abs 5 sind die Regeln über die Schadensabwälzung mutatis 11 mutandis auch auf den Fall anzuwenden, in dem die Rechtsverletzung sich nicht auf der nachgelagerten, sondern auf der vorgelagerten Vertriebsstufe auswirkt. Das ist zB bei einem Einkaufskartell der Fall. Da in solchen Fällen der unter normalen Wettbewerbsverhältnissen erzielbare Preis höher ist, geht es dann nicht um einen Preisaufschlag, sondern um einen Preisabschlag, den der Lieferant dann seinen Lieferanten weiterreicht (EB RV KaWeRÄG 2017).
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§ 37g KartGGugerbauer
Wirkung einer einvernehmlichen Streit beilegung § 37g. (1) Einigt sich ein Geschädigter mit einem Rechtsverletzer über die Leistung eines Ersatzbetrages (Vergleich), so verringert sich sein Ersatzanspruch gegen die übrigen Rechtsverletzer um den Anteil, mit dem der vergleichende Rechtsverletzer verantwortlich ist. (2) Ein Rechtsverletzer, der sich mit einem Geschädigten verglichen hat, ist anderen Rechtsverletzern gegenüber für die Ersatzansprüche dieses Geschädigten nicht zum Rückersatz verpflichtet. Dem Geschädigten haftet er für einen nach Abs. 1 verringerten Ersatzanspruch nur soweit, als dieser Ersatzanspruch bei den anderen Rechtsverletzern uneinbringlich ist. Die Haftung im Fall der Uneinbringlichkeit kann vertraglich abbedungen werden. (3) Bei Rückersatzansprüchen (§ 37e Abs. 4 erster Satz) gegen einen Rechtsverletzer, der sich mit einem Geschädigten verglichen hat, für Zahlungen an einen nicht am Vergleich beteiligten Geschädigten sind aus dem Vergleich geleistete Zahlungen entsprechend der relativen Verantwortung anteilig zu berücksichtigen. (4) Wenn eine einvernehmliche Regelung zwischen den Parteien zu erwarten ist, kann das Gericht, das über den Ersatz des Schadens aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung entscheidet, mit dem Verfahren innehalten. Das Innehalten darf während des Verfahrens über eine Sache nur für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren angeordnet werden; ansonsten ist § 29 Abs. 2 bis 4 AußStrG anzuwenden. Übersicht
Rn I. Vergleich................................................................................................ 1–3 II. Befreiung von Regressansprüchen.................................................... 4 III. Nachrangige Haftung......................................................................... 5–6 IV. Rückersatzansprüche nach Abs. 3..................................................... 7 V. Innehalten des Gerichts....................................................................... 8–9
I. Vergleich 1 § 37g regelt die Wirkung einer einvernehmlichen Streitbeilegung, die die deutsche Fassung der Richtlinie 2014/104/EU mit „Vergleich“ 518
Wirkung einer einvernehmlichen Streitbeilegung
§ 37g KartG
übersetzt. Im ersten Satz des § 37g wird daher klargestellt, dass jede Einigung, die im gegebenen Zusammenhang im Zuge einer einvernehmlichen Streitbeilegung erzielt wird, als „Vergleich“ bezeichnet wird, auch wenn es sich nicht um einen Vergleich im Sinn des § 1380 ABGB, sondern zB um eine Anerkenntnis handelt. Ob die Einigung vor Gericht oder außerhalb des Gerichts stattfindet ist nicht entscheidend, maßgeblich ist, dass der Vergleich einvernehmlich zustande kommt (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Gem Abs 1 verringert sich – anders als nach den sonst geltenden 2 Grundsätzen der Solidarhaftung – der Schadenersatzanspruch eines vergleichenden Geschädigten nicht um jenen Betrag, den der vergleichende Rechtsverletzer leistet, sondern um den (den Parteien nicht immer bekannten) Anteil, zu dem der vergleichende Rechtsverletzer für den Schaden verantwortlich war (EB RV KaWeRÄG 2017). Beispiel: An einem Kartell sind A, B und C beteiligt, wobei nach den 3 Kriterien des § 37e Abs 4 (vgl ErwGr 37) für den entstandenen Schaden, A zu 50%, B zu 30% und C zu 20% verantwortlich ist. Dem Geschädigten X ist ein Schaden von 200 entstanden, und dem Geschädigten Y ein Schaden von 300. A vergleicht sich mit X um 80. Wenn er seinen verbleibenden Schaden (120) gegen B und C einklagt, können diese einwenden, dass sich sein Anspruch um 50% verringert hat (Anteil, zu dem A für den Schaden verantwortlich ist), und daher nur 100 gerechtfertigt sind (EB RV KaWeRÄG 2017).
II. Befreiung von Regressansprüchen Der sich vergleichende Schädiger soll durch den Vergleich von der 4 Schadenersatzforderung des sich vergleichenden Geschädigten befreit werden. Zugleich soll er nach dem Vergleich keinen Regressansprüchen der übrigen Gesamtschuldner ausgesetzt sein (vgl Abs 2 erster Satz). Um dies zu erreichen, muss sich der Schaden des sich vergleichenden Geschädigten gegenüber den als Gesamtschuldner haftenden Schädigern um den Anteil des sich vergleichenden Schädigers an dem Schaden verringern. Der Anteil des sich vergleichenden Schädigers am Schaden des sich vergleichenden Geschädigten bestimmt sich nach § 37e Abs 4. Die Höhe des Vergleichsbetrages ist für die Bestimmung des Anteils ohne Bedeutung (vgl EB RV 9. GWB-Nov). 519
§ 37g KartGGugerbauer
III. Nachrangige Haftung 5 Abs 2 zweiter Satz gewährleistet die Sicherstellung des Schadenersatzanspruches des Geschädigten: Um das Recht auf vollständigen Schadenersatz abzusichern, ist der sich vergleichende Rechtsverletzer in Ausnahmefällen verpflichtet, Schadenersatz zu leisten, soweit dies für den sich vergleichenden Geschädigten die einzige Möglichkeit ist, Schadenersatz für den verbleibenden Anspruch zu erhalten. Dieser verbleibende Anspruch bezieht auf den Anspruch des sich vergleichenden Geschädigten abzüglich des Anteils des sich vergleichenden Rechtsverletzers an dem Schaden, der dem sich vergleichenden Geschädigten durch den Verstoß entstanden ist (ErwGr 51 der Richtlinie 2014/104/ EU). Selbst diese nachrangige Haftung des sich vergleichenden Schädigers kann aber im Vergleich ausgeschlossen werden. 6 Fortsetzung des Beispiels: X erhält von den nicht vergleichenden Rechtsverletzern B und C 100 zugesprochen. Da A zu 50% für den Schaden verantwortlich ist, könnten B und C im Regressweg 50 von A fordern. Wenn diese Forderung berechtigt wäre, hätte A für den Schaden, der X entstanden wäre, 130 geleistet (80 aufgrund des Vergleichs, 50 aufgrund des Regresses), obwohl sein Anteil nur 100 wäre. Da damit kein Anreiz entsteht, einen Vergleich zu schließen, verhindert Abs 2 einen Regress (EB RV KaWeRÄG 2017).
IV. Rückersatzansprüche nach Abs 3 7 Abs 3 behandelt den Rückersatz der übrigen Rechtsverletzer für Zahlungen, die diese an nicht am Vergleich beteiligten Geschädigte geleistet haben. Variante des Beispiels: X hat sich mit A nicht unter dessen Quote (50%), sondern darüber verglichen und erhält von A 150. Da er der unmittelbare Abnehmer von A ist, macht er keine weiteren Ansprüche gegen B und C geltend. Alle drei Rechtsverletzer werden nun zum Ersatz von 300 an den Geschädigten Y verpflichtet. Im Normalfall würde A für den Gesamtschaden (500) zu 50% einstehen, müsste also an alle Geschädigten insgesamt 250 leisten. Müsste er hingegen den an Y zu leisteten Ersatz zur Hälfte tragen (150), so hätte er – unter Einschluss der bereits geleisteten Zahlung an X (150) – insgesamt 300 zu leisten, also um 50 mehr. Umgekehrt wären B und C entlastet. Damit aus dieser Situation kein Anreiz entsteht, sich nicht zu vergleichen, hat das Gericht im Regressprozess von B und C gegen A zu berücksichtigen, dass dieser bereits 150 an X geleistet hat (EB RV KaWeRÄG 2017). 520
Verjährung
§ 37h KartG
V. Innehalten des Gerichts Inwieweit iSv Abs 4 eine einvernehmliche Regelung zwischen den Par- 8 teien „zu erwarten“ ist, kann unter Heranziehung von § 29 Abs 1 AußStrG beurteilt werden. Im Hinblick auf das „Innehaltens“ des Gerichtes iSv Abs 4 kommt dem Gericht ein Ermessen zu, dabei kann sich das Gericht von prozessökonomischen Erwägungen (Beurteilung der Erfolgsaussicht) leiten lassen. Zu prüfen ist, ob die Belange einer Partei gefährdet werden, deren Schutzzweck das Verfahren ist (vgl § 29 Abs 1 AußStrG). Für eine außergerichtliche Streitbeilegung bei Schadenersatzforderun- 9 gen nach Wettbewerbsverstößen gibt es nur wenige Rechtsinstrumente. § 22 des Mediationsgesetzes sieht (in teleologischer Übereinstimmung mit Art 18 Abs 1 der Richtlinie 2014/104/EU) vor, dass Verjährungsfristen für die Dauer eines Mediationsverfahrens gehemmt sind. Wenn die Streitteile einer Mediation oder einem Schiedsverfahren zustimmen, kann nach § 168 ZPO aber auch ein Ruhen des Schadenersatz-Verfahrens vereinbart werden.
Verjährung § 37h. (1) Das Recht, den Ersatz eines Schadens geltend zu machen,
der durch eine Wettbewerbsrechtsverletzung verursacht wurde, verjährt in fünf Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Geschädigte Kenntnis von der Person des Schädigers, vom Schaden, von dem den Schaden verursachenden Verhalten sowie von der Tatsache, dass dieses Verhalten eine Wettbewerbsrechtsverletzung darstellt, Kenntnis erlangt hat oder vernünftigerweise hätte erlangen müssen. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen verjährt der Ersatzanspruch in zehn Jahren vom Schadenseintritt an. Die Fristen beginnen nicht, bevor die Wettbewerbsrechtsverletzung beendet ist. (2) Die Verjährung eines Ersatzanspruchs wird gehemmt: 1. für die Dauer eines auf die Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde gegen die Wettbewerbsrechtsverletzung gerichteten Verfahrens, 2. für die Dauer einer Untersuchungsmaßnahme einer Wettbewerbsbehörde gegen die Wettbewerbsrechtsverletzung und 521
§ 37h KartGGugerbauer 3. für die Dauer von Vergleichsverhandlungen im Sinn des § 37g. Die Hemmung endet im Fall der Z 1 und 2 ein Jahr nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des auf eine Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde gegen die Wettbewerbsrechtsverletzung gerichteten Verfahrens oder die Beendigung der Untersuchungsmaßnahme. Im Fall der Z 3 ist nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen zur Verhinderung des Ablaufs der Verjährungsfrist eine Klage binnen angemessener Frist einzubringen und gehörig fortzusetzen. (3) Die Verjährungsfrist für den Ersatzanspruch eines Geschädigten, der nicht unmittelbarer und mittelbarer Abnehmer oder Lieferant eines Kronzeugen (§37e Abs. 3) ist, gegen diesen Kronzeugen ist für die Dauer von Verfahren zur Geltendmachung und zwangsweisen Einbringung des Ersatzanspruchs gegen die anderen Rechtsverletzer gehemmt. Die Hemmung endet ein Jahr nach einem erfolglosen Exekutionsversuch jeweils gegen die anderen Rechtsverletzer. Übersicht
Rn I. Fünfjährige Frist................................................................................... 1–2 II. Absolute Frist: 10 Jahre....................................................................... 3 III. Hemmung der Verjährung................................................................. 4–8 IV. Inkrafttreten......................................................................................... 9
I. Fünfjährige Frist 1 Die allgemeine Verjährungsfrist für Schadenersatzklagen wird durch § 37h von drei (§ 1489 ABGB) auf fünf Jahre verlängert. Anders als nach § 1489 ABGB kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist zusätzlich darauf an, dass das schädigende Verhalten eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellt. 2 Die Verjährung beginnt mit Kenntnis des Geschädigten von Schaden und ersatzpflichtigem Unternehmen. Der Sachverhalt muss soweit bekannt sein, dass gegen das schädigende Unternehmen mit Aussicht auf Erfolg eine Klage eingebracht werden kann. In der Regel ist bei Followon-Klagen der Beginn der Verjährungsfrist nicht vor Rechtskraft der präjudiziellen Entscheidung des KartGer anzusetzen. Der OGH hat 522
Verjährung
§ 37h KartG
schon vor dem Inkrafttreten des KaWeRÄG 2017 wiederholt Entscheidungen des KOG – im Falle einer rechtskräftigen Ab- oder Feststellung einer Zuwiderhandlung – für fristauslösend erachtet (4 Ob 46/12m, 5 Ob 123/12t, 6 Ob 189/12i; vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
II. Absolute Frist: 10 Jahre Entsprechend dem durch ErwGr 36 letzter Satz der Richtlinie 3 2014/104/EU eingeräumten Spielraum, „absolute Verjährungsfristen beizubehalten oder einzuführen, sofern die Dauer dieser absoluten Verjährungsfristen die Ausübung des Rechts auf Schadenersatz in voller Höhe nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert“, wurde – in Analogie zur behördlichen Verfolgungsverjährung – eine zehnjährige Frist eingeführt, die ohne Rücksicht auf Kenntnis oder Kennenmüssen zu laufen beginnt. § 1489 ABGB – und damit auch die dreißigjährige Verjährungsfrist – wird also von der lex specialis des § 37h verdrängt. Damit wird erreicht, dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, den die Behörde nach dem vorgeschlagenen § 33 nicht mehr aufgreifen kann, weil die zehnjährige Frist verstrichen ist, auch in einem privaten Schadenersatzverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann. Sobald die Behörde innerhalb der zehnjährigen Frist einen Geldbußenantrag an das Kartellgericht stellt, wird der Ablauf der Frist für die Schadenersatzklage gem Abs 2 gehemmt, bis ein Jahr nach der rechtskräftigen Entscheidung im Kartellverfahren abgelaufen ist (EB RV KaWeRÄG 2017).
III. Hemmung der Verjährung Die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs wegen Wettbewerbs- 4 rechtsverletzungen wird für die Dauer eines einschlägigen Verfahrens vor dem KartGer, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates gehemmt. Dh, dass der Zeitraum, den ein solches Verfahren in Anspruch nimmt, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. Kraft der ausdrücklichen Anordnung in Abs 2 endet die Hemmung sogar erst frühestens ein Jahr nach rechtskräftiger Beendigung des entsprechenden Verfahrens oder der entsprechenden Untersuchungsmaßnahme. Die Hemmung trifft auch ein, wenn eine Wettbewerbsbehörde „Maßnahmen in Hinblick auf die Untersuchung“ einer Zuwiderhandlung trifft. Eine Hausdurch523
§ 37h KartGGugerbauer suchung würde also jedenfalls die Verjährung hemmen, auch wenn die Wettbewerbsbehörde danach kein förmliches Verfahren einleiten sollte, weil zB die aufgefundenen Beweise nicht hinreichend sind. 5 Für den Geschädigten ist zwar nicht immer klar, wann die Wettbewerbsbehörde eine derartige Maßnahme beendet. Dies hat aber in der Praxis keine Auswirkungen: denn solange die Wettbewerbsbehörde noch ein Geldbußenverfahren führen kann, besteht auch die Möglichkeit, den Schadenersatz aus dem Wettbewerbsverstoß geltend zu machen. Die objektive Verjährungsfrist des Abs 1 wird jedenfalls für die Dauer eines Verfahrens vor der Wettbewerbsbehörde gehemmt. Selbst wenn die Wettbewerbsbehörde im extremsten Fall kurz vor Ende der Verfolgungsverjährung eine Ermittlungsmaßnahme setzte und die Maßnahme kurz darauf beendete und das Verfahren nicht weiterführte, bliebe dem Geschädigten jedenfalls noch bis Ende der objektiven Verjährungsfrist des Abs 1 (10 Jahre mangels „Kenntnis“ eines Wettbewerbsverstoßes, weil die Behörde keine Entscheidung veröffentlicht hat) Zeit, um den Schaden geltend zu machen (EB RV KaWeRÄG 2017). 6 Eine „Untersuchungsmaßnahme“ iSv § 37h Abs 2 Z 2 ist eine auf Ermittlung oder Verfolgung einer Wettbewerbsrechtsverletzung gerichtete Handlung der BWB iSv § 33 Satz 2. Ihr Beginn setzt mit der Verständigung eines an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmers ein. In Mehrparteienverfahren tritt die Rechtskraft eines Beschlusses erst dann ein, wenn die Zustellung an den letzten Beteiligten erfolgt ist. 7 Nach Abs 2 Z 3 wird die Verjährungsfrist für die Dauer einer einvernehmlichen Streitbeilegung gehemmt. Der Begriff „einvernehmliche Streitbeilegung“ ist ein Mechanismus, der es den Parteien ermöglicht, den Streit über einen Schadenersatzanspruch außergerichtlich beizulegen. Also etwa eine „Vergleichsverhandlung“, die bereits als Hemmungsgrund anerkannt ist. Vergleichsverhandlungen zielen auf das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen der geschädigten Partei und dem Schädiger ab; sie haben nichts mit den „Vergleichsausführungen“ zu tun, die im Rahmen eines „Settlement-Verfahrens“ der BWB vorgelegt werden. Die Hemmung nach Abs 2 Z 3 gilt aber nur für diejenige Parteien, die an der einvernehmlichen Streitbeilegung beteiligt waren, dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen des ABGB. Der letzte Satz entspricht der Rechtsprechung, nach der nach ergebnislosem Abbruch der Vergleichsverhandlungen eine Klage binnen angemesse524
Wirkung eines Verfahrens vor einer Wettbewerbsbehörde
§ 37i KartG
ner Frist einzubringen und gehörig fortzusetzen ist. Zuwarten von etwa drei Monaten ist angemessen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Abs 3 schafft eine Gegenausnahme von der Ausnahme des Kronzeugen 8 von der Solidarhaftung, wenn der Geschädigte keinen vollständigen Ersatz von den anderen am Kartellverstoß beteiligten Unternehmen erlangen kann. Der Geschädigte muss also zunächst Ersatz von den übrigen beteiligten Unternehmen fordern, erst wenn er gegen diese erfolglos Exekution geführt hat, kann er gegen den Kronzeugen vorgehen. Um zu verhindern, dass mittlerweile der Ersatzanspruch gegen den Kronzeugen verjährt, ist eine Ablaufhemmung bis ein Jahr nach den erfolglosen Exekutionsversuchen vorgesehen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
IV. Inkrafttreten § 37h ist auf Schadenersatzansprüche anzuwenden, die zum Zeitpunkt 9 des Inkrafttretens des KaWeRÄG noch nicht verjährt waren (§ 86 Abs 9).
Wirkung eines Verfahrens vor einer Wettbewerbsbehörde § 37i. (1) Ein Rechtsstreit über den Ersatz des Schadens aus einer
Wettbewerbsrechtsverletzung kann bis zur Erledigung des Verfahrens einer Wettbewerbsbehörde über die Wettbewerbsrechtsverletzung unterbrochen werden. (2) Ein Gericht, das über den Ersatz des Schadens aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung entscheidet, ist an die Feststellung der Wettbewerbsrechtsverletzung gebunden, wie sie in einer rechtskräftigen Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde oder eines Gerichts, das im Instanzenzug über die Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde abspricht, getroffen wurde.
Übersicht
Rn I. Follow-on-Klagen................................................................................. 1 II. Unterbrechung des Zivilprozesses..................................................... 2–4 III. Bindungswirkung................................................................................ 5–8 IV. Art 6 EMRK.......................................................................................... 9
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§ 37i KartGGugerbauer
I. Follow-on-Klagen 1 Auf Zuspruch von Schadenersatz gerichtete Klagen, die nach der Ahndung eines Wettbewerbsverstoßes durch das KartGer (oder eine andere Wettbewerbsbehörde) bei einem Zivilgericht eingebracht werden, werden auch als Follow-on-Klagen bezeichnet. Die Bindungswirkung einer Entscheidung des KartGer (der Wettbewerbsbehörde) befreit den Geschädigten vom Beweis einer Wettbewerbsrechtsverletzung. Der Kläger kann sich auf den Nachweis des erlittenen Schadens und der Kausalität konzentrieren.
II. Unterbrechung des Zivilprozesses 2 Zivilgerichte haben (auch) bei Schadenersatzprozessen nach Wettbewerbsrechtsverletzungen die Möglichkeit, den Ausgang eines noch anhängigen, für sie präjudiziellen Verfahrens (etwa vor dem KartGer) abzuwarten. Wie nach § 190 Abs 1 ZPO wird eine Unterbrechung des Zivilprozesses aber nur dann zulässig sein, wenn das präjudizielle Verfahren (vor dem KartGer, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates) bereits anhängig ist. Beim KartGer kommt die Streitanhängigkeit durch einen verfahrenseinleitenden Sachantrag zustande. Es macht keinen Unterschied, ob dieser Antrag vom Kläger des Zivilprozesses, von einer Amtspartei oder von einem Dritten gestellt wurde. 3 Bei einem Verfahren vor der Europäischen Kommission ist dagegen der förmliche Einleitungsbeschluss gem Art 11 Abs 6 VO 1/2003 maßgeblich (vgl 4 Ob 46/12m). Bei Verfahren vor Wettbewerbsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten, für die keine klare Regelung besteht, ab welchem Zeitpunkt von einer Eröffnung des Verfahrens auszugehen ist, kann wohl darauf abgestellt werden, wann das beschuldigte Unternehmen von dieser Behörde in Übereinstimmung mit Art 6 Abs 3 lit a EMRK über Art und Grund der Beschuldigung unterrichtet wurde. 4 Für die Wiederaufnahme eines unterbrochenen Schadenersatzprozesses nach rechtskräftiger Erledigung des kartellgerichtlichen (oder wettbewerbsbehördlichen) Vorverfahrens ist § 190 Abs 3 ZPO anzuwenden. In der Regel wird das zivilgerichtliche Verfahren nicht von Amts wegen, sondern aufgrund eines Parteiantrags wieder aufgenommen werden. 526
Wirkung eines Verfahrens vor einer Wettbewerbsbehörde
§ 37i KartG
III. Bindungswirkung Von der Bindungswirkung erfasst sind die Feststellungen zu sämtlichen 5 Tatbestandsmerkmalen, deren Verwirklichung den Verstoß begründet und zu denen die Behörde oder das Gericht in seiner Entscheidung Feststellungen getroffen hat. Dazu gehören insbesondere auch die räumliche und sachliche Marktabgrenzung sowie das zeitliche Ausmaß des Verstoßes, soweit die Entscheidung hierzu Feststellungen enthält (vgl zum dt Recht BGH, 12.7.2016, KZR 25/14, Rn 18; vgl EB RV 9. GWB – Nov). Wurden dagegen etwa im Zusammenhang mit der Ausmittlung einer Geldbuße Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen, haben diese keine bindende Wirkung. Keine Bindung besteht auch an Entscheidungen des KartGer (von an- 6 deren Wettbewerbsbehörden), die das Vorliegen einer Gesetzesverletzung verneinen (etwa durch Abweisung eines Abstellungsantrags). Art 10 VO 1/2003 sieht – eine bislang nicht zur Anwendung gekommene – Ausnahme vor, die Europäische Kommission kann aus Gründen des öffentlichen Interesses durch Entscheidung feststellen, dass Art 101 oder Art 102 AEUV auf einen bestimmten Sachverhalt nicht anwendbar sind. Eine derartige Entscheidung wäre gem Art 16 Abs 1 VO 1/2003 für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlich. In Fällen, in denen ein Verstoß gegen ausschließlich nationales Wettbe- 7 werbsrecht eines anderen Mitgliedstaats der EU, das überwiegend das gleiche Ziel wie Art 101 AEUV verfolgt, durch eine bestandskräftige Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde oder einer Rechtsmittelinstanz dieses Mitgliedstaats der EU festgestellt worden ist, können Zivilgerichte diese Entscheidung als Anscheinsbeweis dafür ansehen, dass ein Verstoß gegen die betroffenen Vorschriften begangen worden ist. Einer gesetzlichen Regelung bedarf es dazu nicht (EB RV 9. GWB – Nov). Bei der Entscheidung von Wettbewerbsbehörden anderer EU-Mit- 8 gliedstaaten ist zu berücksichtigen, inwieweit ihnen eine extraterritoriale Jurisdiktionsbefugnis zukommt. Werden Feststellungen der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates über das Verhalten von Unternehmen auf dem österreichischen Markt nicht von der Rechtskraft der Entscheidung dieser Behörde umfasst, erlangen sie auch keine Bindungswirkung für österreichische Zivilgerichte. 527
§ 37j KartGGugerbauer
IV. Art 6 EMRK 9 Das in Art 6 EMRK verankerte (durch Art 47 der Grundrechtecharta der EU erweiterte) Recht auf „fair trial“ bewirkt, dass eine kartellgerichtliche (wettbewerbsbehördliche) Entscheidung nur für (gegen) solche Unternehmen Bindungswirkung entfaltet, die an dem vorausgehenden Verfahren mit Recht auf Gehör und allen sonstigen Verfahrensgarantien beteiligt waren. Es ist daher nicht ohne Konsequenzen, ob über Wettbewerbsverstöße in erster Instanz ein Tribunal iSv Art 6 EMRK oder eine Verwaltungsbehörde entscheidet. Die Entscheidung durch eine Wettbewerbs-„Behörde“ ist nur dann mit Art 6 EMRK vereinbar, wenn sie vor einem Gericht angefochten werden kann, das alle Garantien der EMRK erfüllt und über volle Jurisdiktionsbefugnis verfügt (vgl EGMR 4.3.2014, Bsw 18640/10, Menarini). Dh, dass das Gericht in der Lage sein muss, auch die Sachverhaltsfeststellungen der Verwaltungsbehörde uneingeschränkt zu überprüfen. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das EuG bei Klagen gegen Feststellungs- und Geldbußenentscheidungen der Europäischen Kommission über keine pleine jurisdiction verfügt: Das EuG billigt der Kommission bei technisch und/oder wirtschaftlich komplexen Sachverhalten einen Beurteilungsspielraum zu und sieht davon ab, bei derartigen Fragen Feststellungen der Kommission durch eigene zu ersetzen. Diese Vorgehensweise steht durchaus in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs 2 EMRK („in dubio pro reo“).
Offenlegung von Beweismitteln § 37j. (1) In Verfahren, die Ersatzansprüche aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung zum Gegenstand haben, reicht es aus, wenn die Klage zumindest soweit substanziiert ist, als diejenigen Tatsachen und Beweismittel enthalten sind, die dem Kläger mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind und die die Plausibilität eines Schadenersatzanspruchs ausreichend stützen. (2) Auf begründeten Antrag einer Partei kann das Gericht in Verfahren nach Abs. 1 der Gegenpartei oder einem Dritten nach ihrer Anhörung auftragen, Beweismittel offenzulegen, die sich in ihrer Verfügungsgewalt befinden, einschließlich solcher Beweismittel, 528
Offenlegung von Beweismitteln
§ 37j KartG
die vertrauliche Informationen enthalten, wenn die Offenlegung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen aller Parteien und der betroffenen Dritten verhältnismäßig ist. Auch ein Dritter, von dem Offenlegung begehrt wird, kann gemäß § 307 Abs. 1 ZPO vom Gericht vernommen werden. (3) Der Kläger oder der Beklagte muss Beweismittel oder relevante Kategorien von Beweismitteln, deren Offenlegung nach Abs 2 begehrt wird, so genau und so präzise wie möglich abgrenzen, wie dies auf der Grundlage der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen möglich ist. (4) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinn des Abs. 2 sind die berechtigten Interessen aller Parteien und betroffenen Dritten gegeneinander abzuwägen; insbesondere ist zu berücksichtigen, 1. inwieweit das Vorbringen der Parteien durch zugängliche Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die den Antrag auf Offenlegung von Beweismitteln rechtfertigen; 2. welcher Umfang und welche Kosten mit der Offenlegung, insbesondere für betroffene Dritte, verbunden sind, wobei eine nicht gezielte Suche nach Informationen, die für die Verfahrensbeteiligten wahrscheinlich nicht relevant sind, verhindert werden sollte, und 3. ob die offenzulegenden Beweismittel vertrauliche Informationen — insbesondere über Dritte — enthalten und welche Vorkehrungen zum Schutz dieser vertraulichen Informationen bestehen. (5) Das Interesse von Unternehmern, Schadenersatzklagen aufgrund von Wettbewerbsrechtsverletzungen zu vermeiden, ist nicht schutzwürdig und im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unbeachtet zu lassen. (6) Das Gericht hat wirksame Maßnahmen für den Schutz vertraulicher Informationen anzuordnen; dabei kann es insbesondere 1. die Vorlage eines von vertraulichen Informationen bereinigten Auszugs eines Dokuments anordnen, 2. die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausschließen, 3. bis auf die Parteien und ihre Vertreter den Personenkreis beschränken, der von den Beweismitteln Kenntnis erlangen darf, soweit dadurch nicht die Parteienrechte ungebührlich eingeschränkt werden, oder 4. einen Sachverständigen anweisen, eine Zusammenfassung vorzulegen, die keine vertraulichen Informationen enthält. 529
§ 37j KartGGugerbauer (7) Der zur Offenlegung eines Beweismittels Verpflichtete kann verlangen, dass bestimmte, einzeln bezeichnete Beweismittel wegen einer gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht oder eines ihm zustehenden Rechts zur Verweigerung der Aussage gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 5 StPO nur gegenüber dem Gericht offengelegt werden. In diesem Fall hat das Gericht nach Sichtung der Beweismittel ohne Beteiligung der Parteien mit Beschluss zu entscheiden, ob sie auch der die Offenlegung begehrenden Partei gegenüber offengelegt werden. (8) Die Entscheidung, die die Offenlegung anordnet, kann von dem zur Offenlegung Verpflichteten angefochten werden. Die Verweigerung der Offenlegung kann erst mit der Endentscheidung von der die Offenlegung begehrenden Partei angefochten werden. (9) Ein Beschluss nach Abs. 2 ist nach seiner Rechtskraft vollstreckbar. Für die Durchsetzung eines solchen Beschlusses gilt § 79 AußStrG sinngemäß. Übersicht
Rn I. Klagsseitige Voraussetzungen......................................................... 1–2 II. Auftrag an Dritte.............................................................................. 3 III. Begründung des Antrags................................................................. 4–5 IV. Beweismittel....................................................................................... 6–9 V. Prüfung der Verhältnismäßigkeit................................................... 10–12 VI. Interessen des Schädigers................................................................. 13–14 VII. Offenlegung nur gegenüber dem Gericht..................................... 15–16 VIII. Vollstreckbarkeit............................................................................... 17–18
I. Klagsseitige Voraussetzungen 1 Ein Antrag auf die Offenlegung von Beweismitteln iSv § 37j kann nur in einem mit Klage eingeleiteten zivilgerichtlichen Verfahren, das Ersatzansprüche aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung zum Gegenstand hat, erhoben werden. Nach Abs 1 reicht es für eine Schadenersatzklage aus, wenn eine substanziierte Begründung vorgelegt wird, die mit zumutbarem Aufwand zugängliche Tatsachen und Beweismittel enthält, die die Plausibilität des Schadenersatzanspruchs ausreichend stützen. Höhere Anforderungen an die Substanziierung des klägerischen Anspruchs dürfen nicht gestellt werden (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 530
Offenlegung von Beweismitteln
§ 37j KartG
Dass das Erfordernis der Substanziierung des geltend gemachten Klags- 2 anspruches in Abs 1 eingeschränkt wird besagt nicht, dass die Klage nicht zu einem späteren Zeitpunkt, sobald dem Kläger weitere Beweismittel mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind, nicht entsprechend dem Regelbeweismaß der ZPO zu begründen ist.
II. Auftrag an Dritte Die gem Abs 2 auf Antrag des Klägers oder des Beklagten jeweils der 3 anderen Streitpartei aufzuerlegende Verpflichtung zur Vorlage von Beweismitteln geht deutlich über die Vorlagepflicht nach den §§ 303 ff ZPO hinaus. Dieser Verpflichtung unterliegen die Gegenpartei und/ oder Dritte, wobei nach ErwGr 15 der Richtlinie 2014/104/EU selbst Behörden als Adressaten einer Offenlegungsanordnung in Frage kommen. § 37k Abs 1 stellt dazu im Einklang mit ErwGr 15 (letzter Satz) klar, dass die Offenlegungsanordnung gegen Gerichte und Behörden im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu geschehen hat (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
III. Begründung des Antrags Der Offenlegungsantrag muss gem Abs 2 begründet sein, wobei die 4 Begründung sowohl die Tatsachen enthalten muss, die den Anspruch erzeugen oder vernichten, wie auch die verfügbaren Beweismittel, jeweils soweit diese Tatsachen und Beweismittel der antragstellenden Partei mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Der Anspruch nach Abs 2 darf nicht zu einer Ausforschung des Ver- 5 pflichteten führen, die über das zur Erforschung des Verstoßes und der Ermittlung des Schadens zwingend notwendige Maß hinausgeht. Zwar dürfen die Anforderungen an die Substanziierung des Antrags des Anspruchstellers nicht überspannt werden, jedoch hat die Auskunft oder die Herausgabe von Beweismitteln in einem angemessenen Verhältnis zum Vorbringen zu stehen. Insbesondere in Fällen, in denen die Rechtsverletzung bereits feststeht oder sehr wahrscheinlich ist, kann der zumutbare Aufwand höher liegen (vgl zum dt Recht BGH, 5. Juni 1985 – I ZR 53/83 –, BGHZ 95, 274-284, Rn 40). In solchen Fällen werden dann in der Regel auch der Umfang und der Detailgrad der Auskunft 531
§ 37j KartGGugerbauer oder der herauszugebenden Beweismittel größer sein. Für den Verpflichteten muss dann zweifelsfrei bestimmt oder jedenfalls bestimmbar sein, welche Auskünfte oder Beweismittel von ihm gefordert werden (vgl EB RV 9. GWB – Nov). Dies wird vor allem bei hinreichender Substanziierung der eigenen Betroffenheit durch den Anspruchsteller in Verbindung mit einer rechtskräftigen oder kartellgerichtlichen Feststellung des Verstoßes der Fall sein. Hingegen kann in Fällen, in denen der Anspruch nach § 37c und vor allem die zugrundeliegende Rechtsverletzung nur in groben Zügen glaubhaft gemacht werden kann, der Umfang und Detailgrad der offenzulegenden Beweismittel entsprechend gering sein und sich zunächst auf eine Grundauskunft beschränken (vgl EB RV 9. GWB – Nov).
IV. Beweismittel 6 Die Offenlegungspflicht erstreckt sich über § 304 und § 308 Abs 1 ZPO hinaus auf alle Beweismittel. Darunter fallen insbesondere, aber nicht nur, Urkunden und „alle sonstigen Gegenstände, die Informationen enthalten, unabhängig von dem Medium, auf dem die Informationen gespeichert sind“ (Augenscheinsgegenstände; vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Die Offenlegungspflicht gilt entgegen § 305 ZPO auch dann, wenn das Beweismittel vertrauliche Informationen enthält (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 7 Für die Hersausgabe von Urkunden oder Gegenständen zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs reicht in der Regel die Übergabe von Abschriften oder elektronischen Kopien aus. Wenn im Rechtstreit die Vorlage von Originalurkunden erforderlich werden sollte, gibt das Zivilprozessrecht den Gerichten hinreichende Möglichkeiten, deren Vorlage anzuordnen. 8 Die Pflicht zur Offenlegung erstreckt sich auf Beweismittel, die sich in der Verfügungsgewalt des Adressaten befinden. Um sicherzustellen, dass sich ein Dritter nicht einfach der Beweismittel entledigt, sobald er vom Antrag Kenntnis erlangt (er muss ja vor der Anordnung gehört werden), wird § 307 Abs 1 ZPO auch für Dritte anwendbar gemacht. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht zum Zweck der Ermittlung die Vernehmung anordnen, ob der Adressat des Offenlegungsantrags das Beweismittel noch besitzt oder wisse, wo es zu finden sei, oder ob es dem Beweisführer entzogen, beseitigt oder zur Benützung untaug532
Offenlegung von Beweismitteln
§ 37j KartG
lich gemacht wurde (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Nach § 307 Abs 2 ZPO kann das Gericht bei Verweigerung der Vorlage oder Beseitigung durch den Prozessgegner nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände auch die Angaben des Beweisführers über den Inhalt der Urkunde als erwiesen ansehen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Mit der Offenlegung durch den Antragsgegner werden die betroffenen 9 Beweismittel aber noch nicht als Beweismittel dem Gericht vorgelegt, sondern zunächst nur dem Antragsteller zur Verfügung gestellt. Nach Offenlegung durch den Antragsgegner hat der Antragsteller sein Vorbringen gegebenenfalls zu vervollständigen und dem Gericht diejenigen offengelegten Beweismittel zu benennen, derer er sich zum Nachweis seiner Tatsachenbehauptungen bedienen will. Die übrigen offengelegten Beweismittel finden keinen Eingang in das Verfahren (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
V. Prüfung der Verhältnismäßigkeit Die Offenlegung von Beweismitteln muss sowohl dem Grunde nach als 10 auch dem Umfang nach verhältnismäßig sein. Der Maßstab für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ergibt sich im Wesentlichen aus Abs 4 (vgl EB RV 9. GWB – Nov). Demnach ist der Umfang der zu erteilenden Auskunft oder der herauszugebenden Beweismittel im Einzelfall nach Abwägung der Interessen der Beteiligten zu bestimmen. Bei der Abwägung der Interessen aller Parteien (und Dritter) ist der 11 zeitliche, personelle und finanzielle Aufwand des Verpflichteten zu berücksichtigen (vgl Abs 4 Z 2). Die Vorbereitung der Auskunft oder Herausgabe von Beweismitteln kann in erheblicher Weise in den betrieblichen oder geschäftlichen Ablauf eingreifen. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass der Anspruchsverpflichtete durch die Offenlegung von Beweismitteln nicht ausgeforscht werden soll. Liegt eine rechtskräftige kartellgerichtliche (wettbewerbsbehördliche) Entscheidung vor, wird gem § 37i Abs 2 die Offenlegung von Beweismitteln, die zum Nachweis des Verstoßes dienen sollen, durch die Bindungswirkung in der Regel nicht mehr erforderlich sein (vgl EB RV 9. GWB – Nov). Die Ersatzpflicht des Beweisführers für Offenlegungskosten Dritter 12 nach § 308 Abs 1 ZPO, wie auch die zivilprozessrechtliche Bestim533
§ 37j KartGGugerbauer mung der Entschädigung wegen mutwilliger Prozessführung (§ 408 ZPO) bleiben unberührt (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
VI. Interessen des Schädigers 13 Abs 5 stellt klar, dass das Interesse eines mutmaßlichen Schädigers, die Geltendmachung von Schadenersatz gegen ihn zu verhindern oder zu erschweren, nicht schutzwürdig ist. Aber auch der Schädiger hat einen Anspruch auf Offenlegung von Beweismitteln, dies zur Abwehr eines Schadenersatzanspruchs (vgl Abs 2). Der Anspruch des mutmaßlichen Schädigers auf Offenlegung von Beweismitteln entsteht mit der Streitanhängigkeit einer Klage auf Schadensersatz. Oder mit der Streitanhängigkeit einer von dem mutmaßlichen Schädiger eingebrachten negativen Feststellungsklage hinsichtlich eines Schadenersatzanspruchs nach § 37c. Um zu gewährleisten, dass von dieser Option nicht uferlos Gebrauch gemacht wird, setzt der Offenlegungsanspruch des mutmaßlichen Schädigers in einem von ihm durch eine negative Feststellungsklage eingeleiteten Verfahren voraus, dass der mutmaßliche Schädiger den einem Schadenersatzanspruch zu Grunde liegenden Verstoß gegen das Kartellrecht nicht bestreitet (vgl EB RV 9. GWB – Nov). 14 Die in ErwGr 18 der Richtlinie 2014/104/EU aufgelisteten Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit wurden in Abs 6 aufgenommen.
VII. Offenlegung nur gegenüber dem Gericht 15 Abs 7 kodifiziert den schon nach § 12 Abs 5 WettbG bekannten Mechanismus, nach dem der Vorlagepflichtige das Beweismittel nur gegenüber dem Gericht vorlegt, das nach Verhältnismäßigkeitsprüfung mit Beschluss entscheidet, ob das Beweismittel auch für den Gegner einsehbar sein soll (vgl § 298 Abs 2 ZPO: „dem Gegner vorgewiesen werden“; EB RV KaWeRÄG 2017). 16 Insbesondere bei Dritten, die zur Offenlegung von Beweismitteln verpflichtet werden sollen, ist schon im Rahmen dieser Abwägung in angemessener Weise zu berücksichtigen, wenn sie gesetzlich zur Geheimhaltung von Geheimnissen, die sie in Ausübung ihrer Tätigkeit über den mutmaßlichen Schädiger erfahren haben, verpflichtet sind. Gem Abs 7 kann der Verpflichtete eine auf das Gericht beschränkte Offenlegung eines Beweismittels nur wegen einer gesetzlich anerkannten Ver534
Offenlegung von Beweismitteln
§ 37j KartG
schwiegenheitspflicht oder eines ihm zustehenden Rechts zur Verweigerung der Aussage gem § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO verlangen. Besonders Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater können sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Gerade die Kommunikation zwischen einem an einer Wettbewerbsrechtsverletzung iSv § 37 Z 1 Beteiligten und dessen Rechtsanwalt zur Vorbereitung eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens sowie die Kommunikation während eines solchen Verfahrens ist als vertraulich schutzbedürftig (vgl EB RV 9. GWB – Nov). Dies entspricht der Regelung der StPO, das Umgehungsverbot des Aussageverweigerungsrechts in § 157 Abs 2 StPO erstreckt sich auch auf die „Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherten Informationen, selbst wenn sich diese in der Verfügungsmacht einer anderen Person befinden“. Das Anwaltsprivileg nach StPO gilt also nicht nur für solche Urkunden, die sich in der Gewahrsame eines Rechtsanwalts befinden.
VIII. Vollstreckbarkeit Nach § 308 Abs 2 letzter Satz ZPO würde nur der Vorlagebeschluss 17 gegen einen Dritten nach Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar. Soweit ein Gegner dem Vorlagebeschluss nicht nachkommt, hätte das Gericht dies nach § 307 Abs 2 ZPO zu würdigen. Dies würde aber als alleinige Sanktion nicht genügen (vgl den Wortlaut von Art 8 Abs 2 der Richtlinie 2014/104/EU: „umfassen unter anderem...“), weshalb durch § 37j Abs 9 auch die Offenlegungsanordnung nach Abs 2 vollstreckbar gemacht wird. Ein Beschluss nach Abs 2 ist nach seiner Rechtskraft vollstreckbar, die Vollstreckbarkeit tritt (entsprechend § 308 ZPO) nach Ablauf der Offenlegungsfrist ein. Gem § 37j Abs 8 kann die Offenlegungsanordnung von dem zur Offenlegung Verpflichteten (anders als nach § 319 Abs 2 ZPO) sofort angefochten werden. Verweigert das Gericht die Erlassung einer Offenlegungsanordnung, kann dies dagegen erst mit dem Urteil in der Hauptsache angefochten werden (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Um unnötigen Verfahrensaufwand zu vermeiden, der dadurch entsteht, 18 dass mit dem Exekutionsgericht ein weiteres Gericht befasst wird, findet § 79 AußStrG sinngemäß Anwendung, wonach das Prozessgericht selbst die notwendigen Zwangsmaßnahmen setzt (Abs 9 zweiter Satz). Unberührt bleibt die Möglichkeit des Gerichts, die Kostentragung durch die Partei anzuordnen (§ 408 Abs 1 ZPO; vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 535
§ 37k KartGGugerbauer
Offenlegung und Verwendung von akten kundigen Beweismitteln § 37k. (1) Das Gericht kann auch um Offenlegung von Beweismitteln, die sich in Akten von Gerichten oder Behörden befinden, im Weg der Rechts- und Amtshilfe ersuchen, wenn solche Beweismittel nicht von den Parteien oder einem Dritten mit zumutbarem Aufwand beigeschafft werden können. (2) Ist der Antrag auf die Offenlegung von Informationen gerichtet, die sich in den Akten einer Wettbewerbsbehörde befinden, so hat das Gericht im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Offenlegungsantrags neben § 37j Abs. 4 auch zu berücksichtigen, wie bestimmt einzelne Unterlagen hinsichtlich Art, Gegenstand oder Inhalt bezeichnet wurden und ob die Notwendigkeit besteht, die Offenlegung zu beschränken, um die Wirksamkeit der behördlichen Rechtsdurchsetzung zu wahren. Das Gericht hat der Wettbewerbsbehörde vor der Entscheidung über den Antrag Gelegenheit zu geben, zu den Voraussetzungen Stellung zu nehmen; die Wettbewerbsbehörde kann auch von sich aus dem Gericht ihre Ansichten über die Verhältnismäßigkeit von Offenlegungsanträgen darlegen. (3) Die Offenlegung folgender Inhalte der Akten einer Wettbewerbsbehörde darf erst angeordnet werden, wenn die Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren beendet hat: 1. Informationen, die eigens für das Verfahren vor der Wettbewerbsbehörde erstellt wurden; 2. Informationen, die die Wettbewerbsbehörde im Laufe ihres Verfahrens erstellt und den Parteien übermittelt hat, und 3. zurückgezogene Vergleichsausführungen aus solchen Verfahren. (4) Die Offenlegung von Kronzeugenerklärungen oder Vergleichsausführungen darf nicht angeordnet werden. Dieses Verbot umfasst nicht Informationen, die unabhängig von einem wettbewerbsbehördlichen Verfahren vorliegen, auch wenn diese Information in den Akten einer Wettbewerbsbehörde vorhanden sind. (5) Die Beschränkungen für die Offenlegung von Beweismitteln aus den Akten einer Wettbewerbsbehörde nach den Abs. 3 und 4 gelten auch für Aufträge an die Parteien, solche Beweismittel vorzulegen. Die Verwendung von Beweismitteln aus den Akten einer Wett536
Offenlegung von aktenkundigen Beweismitteln
§ 37k KartG
bewerbsbehörde ist unzulässig, soweit deren Vorlage nicht angeordnet werden kann. (6) Beweismittel, die eine Person allein durch Einsicht in die Akten einer Wettbewerbsbehörde erlangt hat, dürfen unbeschadet des Abs. 5 zweiter Satz nur von dieser Person in einem Verfahren über Ersatzansprüche aus einer Wettbewerbsrechtverletzung oder von einer Person, die in die Rechte einer solchen Person eingetreten ist, verwendet werden. (7) Wird vorgebracht, dass sich das Offenlegungsbegehren auf eine Kronzeugenerklärung oder Vergleichsausführungen bezieht, so kann das Gericht die Vorlage dieser Beweismittel anordnen, um zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß ihr Inhalt dem Verbot nach Abs. 4 unterliegt. Das Gericht darf für diese Beurteilung nur die zuständige Wettbewerbsbehörde zur Unterstützung heranziehen und den Verfasser der Beweismittel anhören. Das Gericht hat mit Beschluss zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Teile der Beweismittel dem Verbot nach Abs. 4 unterliegen und daher nicht zum Akt zu nehmen sind. Eine solche Entscheidung kann nur vom Offenlegungspflichtigen und dem Verfasser des Beweismittels angefochten werden. Anderen Parteien oder Dritten darf das Gericht Zugang zu diesen Beweismitteln ausschließlich dann und in dem Umfang gewähren, in dem das Gericht rechtskräftig entschieden hat, dass diese Beweismittel dem Verbot nach Abs. 4 nicht unterliegen. (8) Wenn Teile eines Beweismittels unterschiedlichen Beschränkungen im Sinn dieser Bestimmung unterliegen, ist über die Offenlegung der betroffenen Teile nach den jeweils maßgeblichen Regeln zu entscheiden. Übersicht
Rn I. Aktenkundige Beweismittel................................................................ 1 II. Akten einer Wettbewerbsbehörde...................................................... 2–5 III. Kronzeugenerklärungen..................................................................... 6–7 IV. Aktenkundige Beweismittel im Besitz einer Partei......................... 8–9 V. Vorabprüfung durch das Zivilgericht............................................... 10 VI. Unionsrecht........................................................................................... 11–19
I. Aktenkundige Beweismittel Dass ein (Zivil-)Gericht (andere) Gerichte (etwa das KartGer) oder Be- 1 hörden (etwa die BWB) gem § 37k Abs 1 um die Offenlegung von Be537
§ 37k KartGGugerbauer weismitteln ersucht, setzt zunächst einmal voraus, dass bei diesem Zivilgericht ein Verfahren über den Ersatz von Schäden aus einer Wettbewerbsrechtsverletzung anhängig ist. Der Anwendungsbereich von § 37k erfasst gem Abs 1 alle Gerichte und Behörden. Da die Offenlegungsanordnung gegen den Gegner oder einen Dritten durch § 37j weitgehend erleichtert ist, ist eine „Aktenbeischaffung“ von anderen Gerichten oder Behörden aber nur subsidiär zulässig (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
II. Akten einer Wettbewerbsbehörde 2 § 37k bezieht sich (in Umsetzung von Art 6 und 7 der Richtlinie 2014/104/EU) auf Beweismittel, „die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind“. Also Beweismittel, die sich (auch) in den Akten des KartGer, der BWB, des BKAnw, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates befinden. Eine von § 37j abweichende Behandlung Akten einer Wettbewerbsbehörde bestimmten Beweismitteln ist notwendig, um die Wirksamkeit der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Wettbewerbsbehörde nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Eine Akteneinsicht während eines laufenden wettbewerbsrechtlichen Verfahrens könnte die Untersuchungsstrategie einer Wettbewerbsbehörde durchkreuzen. Außerdem soll verhindert werden, dass Unternehmen angesichts der drohenden Akteneinsicht (potenziell) Geschädigter davon absehen, im Rahmen von Kronzeugenprogrammen oder Vergleichsverfahren mit Wettbewerbsbehörden zusammenzuarbeiten. Die Bereitschaft zur Kooperation könnte beeinträchtigt werden, wenn Erklärungen, mit denen sich Unternehmen selbst belasten und die ausschließlich zum Zweck dieser Zusammenarbeit erstellt werden, offengelegt würden (EB RV KaWeRÄG 2017). 3 Das Zivilgericht hat bei einer Offenlegungsanordnung gegenüber dem KartGer oder einer Wettbewerbsbehörde genauso wie bei einer Offenlegungsanordnung von Dokumenten, die sich in Händen des Gegners oder eines Dritten befinden, wenn diese Dokumente auch in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind, auf die Wirksamkeit der behördlichen Rechtsdurchsetzung zu achten. Dokumente nach Abs 4 sind von der Offenlegungsanordnung ausgeschlossen. Wenn Dokumente nach Abs 3 (sogenannte „graue Liste“) nach Abschluss des kartellgerichtlichen Verfahrens offengelegt werden sollen, oder wenn interne Unterlagen von Wettbewerbsbehörden vorgelegt werden sollen, 538
Offenlegung von aktenkundigen Beweismitteln
§ 37k KartG
bedarf es insoweit einer zusätzlichen Prüfung. Das gilt nicht für Beweismittel, die nicht unter die in Abs 3 genannten Kategorien fallen. Beweismittel, die unabhängig von einem kartellgerichtlichen bzw wettbewerbsbehördlichen Verfahren vorliegen (sog „pre-existing informations“), müssen daher jederzeit offengelegt werden (ErwGr 28 der Richtlinie). Das sind etwa Beweismittel, die aus einer früheren Hausdurchsuchung stammen. Wenn solche Beweismittel direkt von der Wettbewerbsbehörde beigeschafft werden sollen, ist stets auf das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit der behördlichen Verfolgung Bedacht zu nehmen (EB RV KaWeRÄG 2017). Damit das Zivilgericht die Einschätzung der Wettbewerbsbehörde, wie 4 sich die Offenlegung auf die Wirksamkeit der öffentlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auswirkt, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigen kann, hat es vor einer Offenlegungsanordnung der (allenfalls auch ausländischen) Wettbewerbsbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Handelt es sich bei der Wettbewerbsbehörde, von der die Beischaffung von Akten angestrebt wird, um das KartGer, ist zusätzlich auch eine Stellungnahme der BWB und des BKAnw einzuholen. Eine Stellungnahme von BWB und BKAnw ist auch geboten, bevor das Zivilgericht vom Gegner oder einem Dritten die Herausgabe von Dokumente der „grauen Liste“ verlangt. Daneben besteht die Möglichkeit, dass die Wettbewerbsbehörde auch von sich aus zur Verhältnismäßigkeit einer beabsichtigten Offenlegungsanordnung Stellung nimmt. Solche Stellungnahmen sind auch in Art 15 Abs 3 der Verordnung (EG) Nr 1/2003 vorgesehen (siehe ErwGr 30 der Richtlinie 2014/104/EU). Diese Stellungnahme bewirkt, dass das Zivilgericht eine Prüfung der Auswirkungen auf die behördliche Rechtsdurchsetzung durchzuführen hat (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Im Zusammenhang mit der Offenlegung von Informationen aus Akten 5 der Wettbewerbsbehörde hat das Zivilgericht nicht nur die Wirksamkeit der behördlichen Rechtsdurchsetzung zu berücksichtigen, sondern auch, wie bestimmt einzelne Unterlagen bezeichnet wurden, ob sich der Offenlegungsantrag also nicht bloß pauschal auf (alle) Unterlagen der Wettbewerbsbehörde bezieht.
III. Kronzeugenerklärungen Von dem absoluten Schutz der Kronzeugenerklärung sind gem Abs 4 6 nur Beweismittel und Informationen ausgenommen, die unabhängig 539
§ 37k KartGGugerbauer von einem wettbewerbsbehördlichen Verfahren vorliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind oder nicht. Die Erteilung von Auskünften oder die Herausgabe von Beweismitteln, die solche bereits vorhandenen Informationen enthalten, erfolgt nach den allgemeinen Regeln. 7 Beweismittel, die erst im wettbewerbsbehördlichen Verfahren erstellt wurden, können Teil der Kronzeugenerklärung sein. Etwa Protokolle über die behördliche Einvernahme von Mitarbeitern des Unternehmens, das den Kronzeugenantrag gestellt hat, als Zeugen. Auch die Offenlegung dieser Beweismittel kann erhöhten Anforderungen unterworfen sein, den Schutz der Effektivität der staatlichen Kartellrechtsdurchsetzung sicherzustellen. Dies wird in der Regel der Fall sein, wenn die Beweismittel in einem besonderen sachlichen Zusammenhang zu einer Kronzeugenerklärung stehen. Vor allem Anträge auf Auskunftserteilung oder Herausgabe, die die begehrten Beweismitteln lediglich als Anlagen zum Kronzeugenantrag bezeichnen, ohne die zu erwartenden Inhalte genauer auszuführen, dürften in der Regel unverhältnismäßig sein. Will der Anspruchsteller gerade solche Beweismittel erhalten, ist es unerlässlich, dass er konkret darlegt, inwieweit diese Beweismittel aufgrund der seiner Erwartung nach enthaltenen Informationen zum Nachweis von Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs oder des Schadens erforderlich sind (vgl EB RV 9. GWB – Nov).
IV. Aktenkundige Beweismittel im Besitz einer Partei 8 Abs 5 stellt klar, dass das Zivilgericht weder auf Antrag noch von Amts wegen einer Partei den Auftrag erteilen darf, Beweismittel der „grauen“ (Abs 3) oder „schwarzen Liste“ (Abs 4) vorzulegen. Die Parteien dürfen solche Beweismittel auch nicht von sich aus vorlegen, ihre Verwendung ist unzulässig. 9 Abs 6 soll verhindern, dass mit aus einer Akteneinsicht bei der Wettbewerbsbehörde gewonnenen Beweismitteln ein „Handel“ stattfindet. Der Verweis auf Abs 5 stellt das Verwertungsverbot sicher.
V. Vorabprüfung durch das Zivilgericht 10 Gem Abs 7 kann die die Offenlegung begehrende Partei bei dem Zivilgericht, das für den Auskunftsanspruch (und den Schadenersatzan540
Offenlegung von aktenkundigen Beweismitteln
§ 37k KartG
spruch) zuständig ist, einen begründeten Antrag stellen, dass das Gericht die Kronzeugenerklärung und/oder Vergleichsausführung einsieht, um zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Verbot nach Abs 4 unterliegt. Bei dieser Beurteilung darf nur der zuständigen Wettbewerbsbehörde und dem Verfasser der betreffenden Beweismittel Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Anderen Parteien oder Dritten darf in keinem Fall Zugang zu diesen Beweismitteln gewährt werden, bevor nicht rechtskräftig entschieden ist, dass die untersuchten Beweismittel nicht den relevanten Begriffsbestimmungen entsprechen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
VI. Unionsrecht Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist davon 11 auszugehen, dass § 39 Abs 2 in Kartellverfahren mit unionsrechtlichem Bezug nicht angewendet werden darf (vgl zum Anwendungsvorrang: RIS-Justiz RS0109951). Der vom EuGH betonte Effektivitätsgrundsatz ist vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber angestrebten Förderung der privaten Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen als verallgemeinerungsfähig und auch auf Verstöße gegen das KartG übertragbar anzusehen (vgl 16 Ok 10/14 b). Demzufolge können antragstellende Dritte ihren Anspruch auf Akteneinsicht auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz stützen, soferne sie sich nur durch Einsichtnahme in die Schriftstücke des Gerichtsakts die zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs notwendigen Beweise verschaffen können. Der EuGH bezieht sich auf nicht am Verfahren beteiligte Dritte, die 12 Schadenersatzklagen gegen Kartellteilnehmer „erwägen“, die Akteneinsicht darf offensichtlich auch dazu dienen, die Erfolgsaussichten einer Anspruchsverfolgung erst zu prüfen. Um das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht nachvollziehbar zu 13 begründen, muss der Antragsteller präzisieren, welchen Rechtsanspruch er verfolgen will und welches konkrete Informationsbedürfnis sich daraus ergibt. Vgl dazu das Urteil des EuGH iS EnBW (EuGH 27.2.2014, C-365/12 P), wonach demjenigen, der Schadenersatz wegen eines Verstoßes gegen Art 101 AEUV begehrt, der Nachweis obliegt, dass für ihn die Notwendigkeit des Zugangs zu dem einen oder anderen Dokument der Kommissionsakte besteht (aaO, Rn 107), damit die Kommission die erforderliche Interessenabwägung vornehmen könne. 541
§ 37k KartGGugerbauer 14 Den Parteien des betroffenen Kartellverfahrens ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bei unionsrechtlichem Bezug ist die Verweigerung bei jedem einzelnen Dokument, für das die Einsichtnahme abgelehnt wird, auf zwingende Gründe in Bezug auf den Schutz des geltend gemachten Interesses zu stützen (EuGH Donau Chemie, Rn 47; 16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b). 15 Das Recht auf Wahrung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen (zur Definition vgl Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten, ABl C 2005/325, 7 Rn 18) und das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit des nationalen Kronzeugenprogramms ist dabei schützenswert. Letzteres jedenfalls dann, wenn die Gefahr besteht, dass ein bestimmtes Schriftstück konkret das öffentliche Interesse beeinträchtigen könnte (EuGH Donau Chemie, Rn 33 und 48). Daher werden insb die Amtsparteien, die zur Wahrung des öffentlichen Interesses eingesetzt sind, zu dieser Frage zu hören sein. 16 Allerdings kann diese allgemeine Vermutung auch widerlegt werden, wobei die bloße Behauptung, eine Schadenersatzklage erheben zu wollen, nicht ausreichend ist. Um einem Antragssteller einen wirksamen Schutz des Rechts auf Schadenersatz zu gewährleisten, muss nämlich nicht jedes einzelne Dokument des Kartellakts übermittelt werden. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Schadenersatzklage auf sämtliche Bestandteile des Kartellakts gestützt werden muss. Es obliegt dem Schadenersatzkläger nachzuweisen, dass für ihn die Notwendigkeit des Zugang zu dem einen oder anderen Dokument der Kommissionsakte besteht (EuGH, C365/12, Rn 106 f). 17 (Potentielle) Schadenersatzkläger tragen daher die Beweislast für den Nachweis, dass der Zugang zu einzelnen Dokumenten der Kommissionsakte („Zugang zu dem einen oder anderen Dokument“) für sie erforderlich ist. Allgemein formulierte Akteneinsichtsanträge sind nicht ausreichend (EuGH, C365/12, Rn 107). 18 Aus all dem ergibt sich, dass bei Vorliegen eines begründeten notwendigen Akteneinsichtsantrags eine konkrete Interessenabwägung vorzunehmen ist (EuGH, C-365/12, Rn 107). 19 Das Unionsrecht, insb der Effektivitätsgrundsatz, steht einer nationalen Bestimmung entgegen, „wonach in Bezug auf Dokumente, die in den Akten eines die Anwendung von Art 101 AEUV betreffenden nationalen Verfahrens enthalten sind – einschließlich Dokumenten, die im 542
Ordnungsstrafen
§ 37m KartG
Rahmen eines Kronzeugenprogramms übermittelt wurden –, die Einsichtnahme durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte, die Schadensersatzklagen gegen Kartellteilnehmer erwägen, allein von der Zustimmung aller Parteien dieses Verfahrens abhängt, ohne dass die nationalen Gerichte die Möglichkeit hätten, die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen“ (aaO, Rn 49). Die Berufung auf die Gefahr der Beeinträchtigung der Wirksamkeit eines Kronzeugenprogramms alleine rechtfertigt im Hinblick auf die Bedeutung von Schadenersatzklagen für die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs in der Union nicht die Verweigerung des Zugangs zu den für derartige Klagen notwendigen Beweisen (aaO, Rn 46). Der EuGH spricht Informationen, die vom Kronzeugen erlangt wurden, keinen generellen Schutz zu (aaO, Rn 47).
Unterstützung durch Kartellgericht, Bundeskartellanwalt und Bundeswettbewerbsbehörde § 37l. Das Kartellgericht, der Bundeskartellanwalt und die Bundeswettbewerbsbehörde können auf Ersuchen eines Gerichts dieses bei der Festlegung der Höhe des Schadenersatzes unterstützen. Ein an das KartGer, die BWB und/oder den BKAnw gerichtetes „Ersu- 1 chen“ des Gerichtes, bei dem die Klage auf Ersatz des durch eine Wettbewerbsrechtsverletzung zugefügten Schadens anhängig ist, hat nach den Regeln der ZPO unter Wahrung der Parteienrechte zu erfolgen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
Ordnungsstrafen § 37m. Das Gericht hat gegen Parteien und deren Vertreter sowie Dritte Ordnungsstrafen bis zu 100.000 Euro zu verhängen, wenn diese 1. relevante Beweismittel dem Beweisführer entziehen, beseitigen oder zur Benützung untauglich machen, 2. die Erfüllung der mit einer Anordnung zum Schutz vertraulicher Informationen auferlegten Verpflichtungen unterlassen oder verweigern; oder 3. nach § 37k Abs. 5 und 6 unzulässig Beweismittel benutzen.
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§ 37m KartGGugerbauer 1 Die Durchsetzung der Offenlegungsanordnung wird in § 37j Abs 9 geregelt. Nach § 79 AußStrG erfolgt sie in der Regel durch die Verhängung von Beugestrafen. In § 37m sind daher nur Strafen für Verhaltensweisen iSv Z 1 bis 3 vorgesehen. 2 Es kann vorkommen, dass das Gericht bei der Verhängung von Sanktionen auch EU-Vorschriften (zB Art 16a Abs 2 und 3 Verordnung [EG] Nr 773/2004) oder die Vorschriften anderer EU-Mitgliedstaaten anzuwenden oder Anordnungen von Gerichten anderer Mitgliedstaaten zu vollziehen hat (zB nach Art 13 der Beweisaufnahme-Verordnung [EG] Nr 1206/2001; vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
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Verfahrensart
§ 38 KartG
III. Hauptstück Verfahren vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht Verfahrensart § 38. Das Kartellgericht und das Kartellobergericht entscheiden in
Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Im Verfahren über die Verhängung einer Geldbuße ist § 39 Abs 4 AußStrG nicht anzuwenden.
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Verfahren nach dem AußStrG........................................................ 1–4 II. Zulässigkeit des Rechtswegs............................................................ 5–6 III. Antragsprinzip.................................................................................. 7–9 IV. Vertretung.......................................................................................... 10–11 V. Untersuchungsgrundsatz................................................................ 12–14 VI. Beweislast............................................................................................ 15–18 VII. Beweismittel....................................................................................... 19–21 VIII. Unmittelbarkeitsgrundsatz............................................................. 22 IX. Rechtliches Gehör............................................................................. 23–31 X. Verfahrensleitende Beschlüsse ........................................................ 32–33 XI. Entscheidung durch Beschluss........................................................ 34–37 XII. Rechtskraft......................................................................................... 38–40 XIII. Vergleiche........................................................................................... 41–46
I. Verfahren nach dem AußStrG Gem § 38 ist in kartellgerichtlichen Verfahren das AußStrG anzuwen- 1 den. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (16 Ok 8/07). Im KartG selbst finden sich ja nur einige wenige verfahrensrechtliche Regelungen, neben Bestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (§ 39), zur Durchführung von Verhandlungen (§ 47 Abs 1 545
§ 38 KartGGugerbauer Satz 2) und zur Parteistellung von Amtsparteien (§ 40) Bestimmungen betreffend Stellungnahmen der Kammern und Regulatoren (§§ 45, 46). Der Verweis in § 38 bezieht sich gem § 201 AußStrG auf die Bestimmungen des ersten Hauptstücks des AußStrG. Dort wird wiederum teilweise auf Regelungen der ZPO verwiesen. Ist für bestimmte Fragen im AußStrG keine Regelung vorgesehen, sind in kontradiktorischen Verfahren die Bestimmungen der ZPO heranzuziehen (16 Ok 6/04; 16 Ok 1/05). 2 Wird beim KartGer ein Antrag auf Abstellung (§ 26) oder Feststellung (§ 28) eines Kartells oder des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung oder ein Prüfungsantrag im Zusammenschlusskontrollverfahren eingebracht, kommt es zu einem kontradiktorischen Verfahren zwischen Antragsteller und Antragsgegner. Ist der Antragsteller ein Unternehmen, eine Kammer oder ein Regulator, können die Amtsparteien diesem Verfahren formell als Partei beitreten oder sich sonst, zB durch die Teilnahme an Tagsatzungen und/oder durch Schriftsätze mit rechtlichen Erwägungen, daran beteiligen (16 Ok 6/04). 3 Auch für kartellgerichtliche Verfahren nach dem NVG, die durch den Antrag einer Amtspartei, einer der drei sozialpartnerschaftlichen Kammern, einer Unternehmervereinigung oder eines Unternehmers eingeleitet werden (§ 7 Abs 2 NVG), gelten gem § 7 Abs 1 NVG die allgemeinen Bestimmungen des AußStrG, wegen der Strukturähnlichkeit mit dem streitigen Zivilprozess sind aber auch die Vorschriften der ZPO analog anzuwenden (vgl Okt 39/90). 4 Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 ist Teil des Primärrechts der Europäischen Union (Art 6 Abs 1 EUV). In Art 47 GRC sind das Grundrecht auf Gewährung eines wirksamen Rechtsbehelfs bei einem Gericht sowie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verankert (vgl die Erl zu Art 47 GRC: ABl 2007 C 303, 30).
II. Zulässigkeit des Rechtswegs 5 Für eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind in erster Linie der Wortlaut des Begehrens und darüber hinaus die Behauptungen, auf die es gestützt wird, maßgebend. Nach der Natur und dem Wesen des geltend gemachten Anspruchs ist zu beurteilen, ob es sich um einen kartellrechtlichen handelt (16 Ok 14, 15/02). Stützt ein 546
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Antragsteller sein Begehren gegenüber dem KartGer beispielsweise auf die Verletzung vergaberechtlicher Regelungen, liegt Unzulässigkeit des Rechtsweges vor (16 Ok 14, 15/02). Worüber bereits rechtskräftig entschieden wurde, kann kein neuerli- 6 ches Verfahren durchgeführt werden (16 Ok 20/04). Das Verbot „ne bis in idem“ ist ein auf verfassungsrechtlicher Ebene stehendes Verfolgungshindernis (16 Ok 4/07).
III. Antragsprinzip Mit der Einbringung eines Sachantrages beim OLG Wien als KartGer 7 wird ein Verfahren anhängig (vgl § 36 Abs 1). Der Antragsteller bestimmt daher Beginn und Inhalt des Verfahrens. Er hat im Abstellungsoder Feststellungsverfahren als notwendiges Minimalvorbringen alle Tatbestandsmerkmale eines wettbewerbswidrigen Verhaltens in seinen Antrag aufzunehmen (25 Kt 19/08). Das Verhalten muss nach Gegenstand, Art, Umfang und Zeit hinreichend konkretisiert sein. Es obliegt dem Antragsteller, dass Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen für den Antrag zumindest zu behaupten (16 Ok 13/08). Das KartGer hat Verfahrensvoraussetzungen, Form und Inhalt des An- 8 trages sowie seine Schlüssigkeit zu prüfen. Hindert ein Form- oder Inhaltsmangel weitere Verfahrensschritte, hat das KartGer die Verbesserung des Antrages zu veranlassen. War schon bei Stellung des Antrages eine Frist einzuhalten, hat das KartGer die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist aufzufordern, den Mangel zu verbessern (§ 10 Abs 4 AußStrG). Die Anleitungspflicht nach § 182 ZPO geht nicht so weit, dass der Richter auf die Partei beratend einzuwirken hätte. Eine solche Anleitung würde die Besorgnis einer Befangenheit auslösen, wäre als parteilich zu werten (16 Ok 8/08; RIS-Justiz RS0108818). Bleibt das Verbesserungsverfahren erfolglos, ist der Antrag (a limine) zurück- oder bei Unschlüssigkeit abzuweisen. Die Bestimmungen der ZPO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind – von § 154 ZPO (Ersatz der durch die Versäumnis entstandenen Kosten) abgesehen – sinngemäß anzuwenden. Grundsätzlich ist auf das eigene Verschulden der Partei abzustellen, das nach ihren persönlichen Verhältnissen zu bestimmen ist. Eine Zurechnung fremden Verschuldens über den gesetzlichen Vertreter der Partei, dessen Prozessbevollmächtigten und allenfalls dessen Subbevollmächtigten hinaus kommt nicht in Betracht (16 Ok 47/05). 547
§ 38 KartGGugerbauer 9 Die Voraussetzungen für die Änderung eines Antrags sind gesetzlich nicht geregelt. Ein Änderung ist jedenfalls dann zulässig, wenn dadurch keine wesentliche Verzögerung des Verfahrens zu befürchten ist. Im Rechtsmittelverfahren ist das Neuerungverbot zu beachten. Dem Antragsteller steht es frei, das Verfahren durch Zurücknahme des Antrags (vgl § 36 Abs 5) oder – unter bestimmten Voraussetzungen – durch Vergleich zu beenden (Dispositionsgrundsatz; vgl 16 Ok 8/08). Gem § 36 Abs 5 ist die Zurückziehung bis zur Entscheidung des KartGer zulässig. Allerdings ist einerseits das Fortsetzungsrecht der Amtsparteien, andererseits – im Rekursverfahren – das Erfordernis ihrer Zustimmung zu beachten (vgl 16 Ok 6/04; 16 Ok 3/04). Im Falle einer (zulässigen) Antragsrückziehung im Rekursverfahren ist durch Beschluss festzustellen, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Zurücknahme wirkungslos ist (vgl § 483 Abs 3 ZPO; 16 Ok 53/05). Wurde ein Antrag wirksam mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgenommen, kann über ihn nicht mehr entschieden werden (16 Ok 6/04 ).
IV. Vertretung 10 Die Bestimmungen der ZPO über den Nachweis der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts (§ 30 Abs 2 ZPO) und der Wirkung der Vollmachtskündigung (§ 36 ZPO) sind im kartellgerichtlichen Verfahren analog anzuwenden (Okt 39/90). Nach § 24 AußStrG iVm § 93 Abs 1 ZPO haben alle Zustellungen bis zum Widerruf der Prozessvollmacht an den Bevollmächtigten zu geschehen. Infolge analoger Anwendung des § 36 ZPO erlangt der Widerruf der Bevollmächtigung Rechtsanwalts erst mit der Mitteilung an das Gericht Wirksamkeit (Okt 39/90). 11 Die Amtsparteien müssen sich auch in Verfahren vor dem KOG nicht durch Rechtsanwälte vertreten lassen (§ 49 Abs 1), sie sind von der Anwaltspflicht ausgenommen (16 Ok 5/08).
V. Untersuchungsgrundsatz 12 Ist der verfahrenseinleitende Antrag mängelfrei, ist er allen Personen, deren Parteistellung sich aus dem Akt ergibt, wie auch den Amtsparteien zu eigenen Handen zuzustellen. Er bildet den Rahmen für die Erhebungen des KartGer (25 Kt 19/08). Dessen Erhebungspflicht wird 548
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durch den Antrag und das Tatsachenvorbringen des Antragstellers im Kern bestimmt (16 Ok 14/08; RIS-Justiz RS0006330). Bloßen Vermutungen hat das KartGer aber nicht nachzugehen (16 Ok 3/12). Ein Antrag (zB ein Gutachten einzuholen) zielt auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab, wenn ihm kein konkretes Sachvorbringen zugrunde liegt (16 Ok 4/03). Die Pflicht des KartGer zur „amtswegigen“ Prüfung des Sachverhalts setzt voraus, dass die Parteien ihrer qualifizierten Behauptungspflicht nachgekommen sind (RIS-Justiz RS0083783). Das KartGer hat gem § 16 AußStrG von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen und es so zu gestalten hat, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstandes bei möglichst kurzer Verfahrensdauer gewährleistet ist (§ 13 AußStrG). Alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen sind aufzuklären (Stoffsammlung) und sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen sind entsprechend zu berücksichtigen (Untersuchungsgrundsatz). Im Rahmen der gestellten Anträge sind alle relevanten Beweisaufnahmen und Tatsachenerhebungen von Amts wegen durchzuführen (16 Ok 14/08). Die konkrete Strukturierung eines Verfahrens wird dem Senat, bzw dem Senatsvorsitzenden überlassen. Das Außerstreitverfahren kennt keine formellen Beweisbeschlüsse es ist daher unerheblich, ob das KartGer über einen Beweisantrag einen Beschluss gefasst hat. Der Senat darf nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als beantragt wurde (16 Ok 20/04). Der Untersuchungsgrundsatz gilt auch für Verfahren, die auf Antrag einer Amtspartei, eines Regulators oder einer Kammer eingeleitet wurden. Nach § 16 Abs 2 AußStrG haben die Parteien alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des KartGer maßgebenden Tatsachen und Beweise vollständig und wahrheitsgemäß vorzubringen bzw anzubieten und alle darauf bezogenen Fragen des Gerichts zu beantworten (vgl die §§ 13 und 16 AußStrG). Die Erhebungspflicht ist zeitlich beschränkt: Eine Verfahrensbeendigung muss in angemessener Frist möglich sein (vgl 224 BlgNR 22. GP 8).
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Die Erforschung aller maßgeblichen Umstände ist im Außerstreitverfahren nur dann geboten, wenn keine Außerstreitstellung seitens der Beteiligten vorliegt (vgl 1 Ob 45/01a; 3 Ob 30/03p), bestehen jedoch seitens des Gerichts Bedenken gegen die Richtigkeit der Parteiangaben, ist es verpflichtet, jederzeit weitere Beweise aufzunehmen. Eine Absprache zwischen einer Amtspartei und einer anderen Verfahrenspartei bindet das KartGer nicht. Das KartGer kann gem § 31 Abs 2 AußStrG
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§ 38 KartGGugerbauer auch dann Beweise aufnehmen und Erkundigungen einholen, wenn sich alle Parteien dagegen aussprechen oder wenn das Gericht begründete Bedenken gegen Tatsachen hegt, die gesetzlich vermutet werden, oder für die ein Beweismittel vorhanden ist, das vollen Beweis machen soll.
VI. Beweislast 15 Der im kartellgerichtlichen Verfahren herrschende Untersuchungsgrundsatz besagt nur, dass notwendige Beweise auch ohne entsprechenden Antrag – von Amts wegen – aufgenommen werden müssen, nicht aber, dass es keine Beweislast gibt (16 Ok 8/02 ). Die Verpflichtung der Parteien, den Beweis der ihren Rechtsstandpunkt stützenen Tatsachen zu erbringen (subjektive Beweislast), wird nur durch die Verpflichtung des KartGer ergänzt, die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen amtswegig zu erheben (vgl RIS-Justiz RS0008752). 16 Bei (geltend gemachten) Verstößen gegen § 1, 5 oder 6 (bzw Art 101 und 102 AEUV) liegt die Beweislast für eine Zuwiderhandlung bei der Partei, die einen entsprechenden Vorwurf erhebt, dagegen die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 (bzw Art 101 Abs 3 AEUV), also einer Ausnahme vom Kartellverbot, bei demjenigen, der sich darauf beruft (vgl Art 2 VO 1/2003; 16 Ok 8/08). Der Antragsgegner muss nicht beweisen, dass er ein früheres verbotswidriges Zuwiderhandeln eingestellt hat. Insoweit besteht keine Beweislast umkehr (16 Ok 8/08). 17 Aus der objektiven Beweislast lässt sich ableiten, wie das KartGer zu entscheiden hat, wenn der maßgebliche Sachverhalt trotz Heranziehung aller zugänglichen Erkenntnisquellen nicht aufgeklärt und daher weder das Vorliegen noch das Nichtvorliegen der relevanten Tatsachen festgestellt werden kann (non liquet-Fall). Dann sind die Beweislastregeln, die für das streitige Verfahren entwickelt wurden, anzuwenden (vgl 16 Ok 8/02; 16 Ok 8/08). Wegen der Beweisferne des Antragstellers und der Beweisnähe des Antragsgegners kann aber auch eine „Beweiserleichterung“ eintreten, wenn sich der Antragsteller in einem echten Beweis- bzw Bescheinigungsnotstand befindet (16 Ok 11/02). Können keine anspruchsbegründenden Feststellungen getroffen werden, geht dies im kontradiktorischen Verfahren zu Lasten derjenigen Partei, die dafür die objektive Beweislast trifft (16 Ok 8/02). 550
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Wiederholungsgefahr ist – anders als im lauterkeitsrechtlichen Unter- 18 lassungsverfahren – keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Stattgebung eines kartellrechtlichen Abstellungsauftrags oder eines Feststellungsbegehrens (16 Ok 8/08). Ein fehlendes Zugeständnis reicht nicht für die Vermutung, dass Unternehmen, denen ein kartellrechtswidriges Verhalten angelastet wird, dieses Verhalten wieder fortsetzen werden. Es ist im Hinblick auf die hohen Geldbußen im Gegenteil davon auszugehen, dass die Antragsgegnerinnen für die nahe und ferne Zukunft wettbewerbswidrige Handlungen unterlassen (25 Kt 19/08).
VII. Beweismittel Im kartellgerichtlichen Verfahren sind die Bestimmungen der ZPO 19 über die Beweisaufnahme und über die einzelnen Beweismittel, ausgenommen die Bestimmungen über die Gemeinschaftlichkeit der Beweismittel, die Fortsetzung des Verfahrens ohne Rücksicht auf ausstehende Beweisaufnahmen und die eidliche Vernehmung eines Zeugen oder einer Partei, anzuwenden (vgl § 35 AußStrG). Eine Beschränkung zulässiger Beweismittel gibt es nicht. Zur Feststellung des Sachverhalts kann jedes geeignete Beweismittel herangezogen werden (§ 31 AußStrG). Das AußStrG lässt dem KartGer freie Hand, wie es sich die Überzeugung von den rechtserheblichen Tatsachen verschafft (16 Ok 6/08; RISJustiz RS0006272). Gegebenenfalls kann das KartGer die Vernehmung einer Partei, die 20 Vorlage einer Urkunde oder die Ermöglichung eines Augenscheinsbeweises durch Zwangsmittel (insbesondere durch Geldstrafen, Beugehaft, zwangsweise Vorführung, Abnahme von Urkunden, oder die Bestellung von Kuratoren auf Kosten des Säumigen) durchsetzen (§ 79 AußStrG). Auch wegen unrichtiger, unvollständiger oder nicht erteilter Auskünfte bzw Angaben können Geldbußen bzw Zwangsgelder verhängt werden. Gem § 31 Abs 3 AußStrG kann die Bestellung eines Sachverständigen 21 auch ohne vorherige Anhörung der Parteien über dessen Person erfolgen. Ein Gutachten, das – im kartellgerichtlichen Verfahren – nicht von einem gerichtlich bestellten Sachversständigen stammt, gilt nicht als Sachverständigengutachten iSd ZPO. Ein solches Privatgutachten hat nur den Rang einer Privaturkunde und beweist bloß, welche Ansicht der Verfasser vertritt (16 Ok 9/01; vgl auch RIS-Justiz RS0040363). Wi551
§ 38 KartGGugerbauer dersprüche zwischen einem Privatgutachten und dem Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen sollten iS einer erschöpfenden Erörterung möglichst aufgeklärt werden. Geht das KartGer aus Zeitgründen auf ein Privatgutachten nicht näher ein, begründet dies aber keine Nichtigkeit des Verfahrens (16 Ok 9/01).
VIII. Unmittelbarkeitsgrundsatz 22 Die Unmittelbarkeit einer Beweisaufnahme gilt im Außerstreitverfahren im Hinblick auf die Notwendigkeit einer flexiblen Verfahrensgestaltung nicht als starres Grundprinzip (vgl 16 Ok 6/09; 224 BlgNR 22. GP 8). Es schadet daher nicht, wenn nicht alle an einer Entscheidung beteiligten Richter an allen Verhandlungen teilnehmen. Die Einvernahme eines Zeugen oder auch einer Partei kann vom Vorsitzenden des Senats allein und ohne Anwesenheit der Beisitzer durchgeführt wurde (16 Ok 8/02; RIS-Justiz RS0036578; RIS-Justiz RS0041480). Auch außerhalb der mündlichen Verhandlung aufgenommene Beweise oder außerhalb der Verhandlung erstattetes Parteivorbringen sind – unter Wahrung des rechtlichen Gehörs – zu berücksichtigen. Das KartGer kann den Parteien außerhalb der Verhandlung ergänzende Angaben auftragen und sonstige Verfahrenshandlungen setzen (vgl § 31 Abs 4 AußStrG). Dadurch soll vermieden werden, dass es wegen der sonst zusätzlich notwendigen Terminabstimmung zwischen den Richtern und fachkundigen Laienrichtern, die ja neben ihrer Tätigkeit im kartellgerichtlichen Senat jeweils unterschiedliche Terminvorgaben zu berücksichtigen haben, zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kommt. Selbst Ergebnisse aus einem Vorverfahren können für die Entscheidungsfindung verwertet werden (16 Ok 6/08).
IX. Rechtliches Gehör 23 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist mit Art 6 Abs 1 EMRK verfassungsrechtlich verankert (16 Ok 13/04). Nach dieser Bestimmung hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird. Und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf dem Gesetz beruhenden Gericht (vgl Okt 7/93). 24 Für Verfahren außer Streitsachen, und damit für kartellgerichtliche Verfahren, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör in § 15 AußStrG ver552
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ankert (16 Ok 13/04). Das rechtliche Gehör ist gewahrt, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen, und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern können (16 Ok 9/08; 16 Ok 6/09; RIS-Justiz RS0005915). Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs (16 Ok 4/07). Im Außerstreitverfahren gibt es keine formellen Verhandlungen, die Bestimmungen der ZPO sind insoferne nur eingeschränkt anwendbar (16 Ok 8/02). Mangels einer obligatorischen mündlichen Verhandlung ist es nicht geboten, die Beteiligten zu den Vernehmungen oder Befundaufnahmen beizuziehen (16 Ok 9/01). Das KartGer hat den Parteien aber alle Verfahrensergebnisse, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekannt zu geben und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Zu einer schriftlichen Äußerung nur bei außerhalb der Verhandlung aufgenommenen Beweisen. Das rechtliche Gehör wird nicht verletzt, wenn das Ergebnis einer amtswegigen Einsichtnahme in öffentlich zugängliche Quellen (etwa einer Internet-Abfrage oder der Einholung eines Firmenbuch-Auszuges) nicht zur Stellungnahme mitgeteilt wird, weil Verfahrensparteien angesichts des öffentlichen Zugangs zu solchen Abfrageergebnis davon nicht überrascht werden können (16 Ok 12/06). Beantwortet ein Sachverständiger bestimmte Fragen in einer mündlichen Verhandlung, müssen die Parteien sofort Stellung nehmen. Ein Anspruch darauf, Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung nachträglich im Rahmen eines Schriftsatzes zu kommentieren, besteht nicht (16 Ok 8/10). Dadurch, dass einer Partei eines vor dem KartGer geführten Verfahrens in einem von der BWB geführten (Vor-)Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde, wird der Grundsatz des rechtlichen Gehörs im kartellgerichtlichen Verfahren noch nicht gewahrt (16 Ok 10/05). Wird einer Partei aber nicht jede Einzelheit von Erhebungen zur Kenntnis gebracht, bewirkt dies weder Nichtigkeit noch Mangelhaftigkeit (6 Ok 12/06; RIS-Justiz RS0006002).
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Wenn Amtsparteien erstmals in einem Verfahrensstadium zugezogen worden sind, in dem Anträge zum Teil aufgrund unvollständigen Vorbringens als zu wenig konkretisiert abgewiesen worden sind, können sie mit ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht darauf verwiesen werden, dass sie ohnehin im Rechtsmittelverfahren wirksames Vorbringen erstatten könnten. Die Wahrnehmung von Parteirechten in einem Verfahren setzt die Kenntnis der Amtspartei von diesem Verfahren not-
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§ 38 KartGGugerbauer wendig voraus (16 Ok 13/04). Keinen Anspruch auf rechtliches Gehör haben Dritte, die nicht Verfahrenspartei sind (vgl EuGH 13.7.1966, 56/64 und 58/64, Consten und Grundig, Slg 1966, 429). 27 Außerstreitverfahren werden durch eine Konkurseröffnung nur dann unterbrochen, wenn vermögensrechtliche Ansprüche des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens betroffen sind. Eine das Konkursvermögen bindende kartellgerichtliche Entscheidung muss auf der verfahrensrechtlichen Mitwirkung des Masseverwalters beruhen. Daher dürfen solche Verfahren nur gegen den Masseverwalter anhängig gemacht oder fortgesetzt werden (16 Ok 1/03). 28 Der in erster Instanz nicht ausreichend Gehörte muss deswegen unterlassenes Vorbringen im Rekurs nachtragen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die angefochtene Entscheidung in jedem Fall aufgehoben wird (16 Ok 6/09). Gegebenenfalls ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rahmen eines Rekursverfahrens aber gem § 55 Abs 3 AußStrG auch von Amts wegen aufzugreifen. Vor allem dann, wenn der Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör in wesentlichen Punkten verletzt wurde (16 Ok 10/05; RIS-Justiz RS0006057). § 58 AußStrG macht davon eine Ausnahme, wenn der angefochtene Beschluss „nach den Angaben im Rekursverfahren“ zur Gänze zu bestätigen (§ 58 Abs 1 Z 1 AußStrG) oder ohne weitere Erhebungen abzuändern ist (§ 58 Abs 3 AußStrG). Andernfalls ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das KartGer zurückzuverweisen. Reine Formfehler, die keine Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung bewirken, führen zu keiner Aufhebung einer inhaltlich nicht zu beanstandenden Entscheidung (224 BlgNR 22. GP 52). Um die Relevanz der Verfahrensverletzung überprüfen zu können, bedarf es der Erstattung des im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglichen Vorbringens im Rahmen des Rekurses (vgl 16 Ok 13/04; RIS-Justiz RS0006057). 29 Soweit Tatfragen betroffen sind, kann die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Vorbringen neuer Tatsachen im Rekursverfahren nicht geheilt werden, das KOG ist ja nur Rechtsinstanz (RIS-Justiz RS0109206) und kann kein Ermittlungsverfahren über Tatfragen durchführen. 30 Den Parteien muss bei einer relevanten, während des Rekursverfahrens eingetretenen Änderung der Rechtslage Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Das Erstgericht hat dann sein Verfahren zur Ge554
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winnung der für die Beurteilung notwendigen Feststellungen zu ergänzen (16 Ok 51/05). Auf Provisorialverfahren, die zu einer Einstweilige Verfügungen füh- 31 ren sollen, findet Art 6 EMRK keine Anwendung (16 Ok 1/99; RISJustiz RS0074799). Das Verfahren auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung ist ein Eilverfahren, das darauf abzielt, einer gefährdeten Partei raschen Rechtsschutz zu gewähren. Zur Wahrung aller Rechte des Art 6 EMRK ist das Hauptverfahren vorgesehen (16 Ok 1/99).
X. Verfahrensleitende Beschlüsse Verfahrensleitende Beschlüsse erwachsen nicht in materieller Rechts- 32 kraft. Sie dienen der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht darf sie jederzeit abändern und einer geänderten Situation anpassen (§ 45 AußStrG). Soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, sind sie nach den Allgemeinen Bestimmungen des AußStrG nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache selbst anfechtbar. Selbständig anfechtbar sind die Beschlüsse im Zusammenhang mit der Unterbrechung, dem Ruhen und der Innehaltung des Verfahrens. Für die Fristsetzung und die Fristerstreckung als verfahrensleitende 33 Beschlüsse sind die Bestimmungen der ZPO über die Fristen sinngemäß anzuwenden (§ 38 KartG iVm § 23 Abs 1 AußStrG; vgl 6 Ob 140/08v; RIS-Justiz RS0006265). Die Anfechtbarkeit von Fristsetzungsbeschlüssen ist - soweit sie nach § 141 ZPO nicht überhaupt ausgeschlossen ist - im außerstreitigen Verfahren ausschließlich nach § 45 AußStrG als lex specialis zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung sind verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar (16 Ok 5/14). Eine behauptete rechtswidrige Verlängerung von Fristen durch das KartGer kann regelmäßig keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründen (16 Ok 5/14).
XI. Entscheidung durch Beschluss Das KartG kennt Abstellungsentscheidungen (§ 26), Verbindlicherklä- 34 rung von Verpflichtungszusagen (§ 27), Feststellungsentscheidungen (§ 28), Bußgeldentscheidungen (§ 29), Entscheidungen über Zwangs555
§ 38 KartGGugerbauer gelder (§ 35), Einstweilige Verfügungen (§ 47) sowie Entscheidungen im Rahmen der Fusionskontrolle (§§ 12, 16, 17 und 19). Alle diese Entscheidungen ergehen in der Form eines Beschlusses. 35 Gem § 36 Abs 2 AußStrG kann das KartGer einen Zwischenbeschluss über den Grund eines Anspruchs fassen und über einen Teil der Sache durch Teilbeschluss entscheiden. Teil- oder Zwischenbeschlüsse sind nach Kriterien der Zweckmäßigkeit zu fällen. In kartellgerichtlichen Abstellungsverfahren, im Zusammenhang mit der Verbindlicherklärung von Verpflichtungszusagen und in Geldbußen- bzw Zwangsgeldverfahren kann nicht nur die Beweisaufnahme zur Ermittlung eines Wettbewerbsverstoßes, sondern auch jene zur Beurteilung der Eignung von Mitteln zur Abstellung sowie zur Frage der Höhe der zu verhängenden Geldbuße bzw des Zwangsgeldes aufwändig sein, die Fassung von Zwischenbeschlüssen kann sich dann aus Gründen der Verfahrens ökonomie empfehlen (vgl 16 Ok 12/06). 36 § 39 Abs 4 AußStrG erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen (gleichgerichtete Parteienanträge, mündliche Verkündung, allseitiger Rechtsmittelverzicht) den Entfall einer Beschlussbegründung (im Geldbußenverfahren ist eine verkürzte Entscheidungsausfertigung – ohne Begründung – selbst bei übereinstimmenden Parteienanträgen und Rechtsmittelverzicht nicht zulässig). Das Gericht kann aber nicht darin beschränkt werden, die schriftliche Ausfertigung eines mündlichen verkündeten Beschlusses trotz Rechtsmittelverzichts aller Verfahrensparteien – allenfalls auch ausführlich – zu begründen. Eine verkürzte inhaltsleere Entscheidung würde die mit der Veröffentlichungspflicht nach § 37 KartG angestrebte Information als Grundlage von Schadenersatzansprüchen („private enforcement“); unterlaufen. 37 Entwürfe von Urteilen bzw Beschlüssen gehören zu den gem § 219 Abs 1 ZPO von der Akteneinsicht ausgenommen Aktenstücken, dies gilt nach § 22 AußStrG im außerstreitigen Verfahren sinngemäß (16 Ok 9/08). Die Notifizierung einer bevorstehenden Entscheidung nach Art 15 Abs 2 VO (EG) 1/2003 an die Europäische Kommission erfolgt unter Beilage eines Entscheidungsentwurfs, auch sie unterliegt daher nicht der Akteneinsicht (16 Ok 9/08).
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XII. Rechtskraft Mit Rechtskraft eines Beschlusses treten gem § 43 AußStrG die Ver- 38 bindlichkeit bzw die Vollstreckbarkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung, ein. Ein Rechtsmittel hat aufschiebende Wirkung. Nach § 44 AußStrG kann aber einem Beschluss zur Vermeidung beson- 39 derer Nachteile für eine Partei oder die Allgemeinheit von Amts wegen oder über Antrag vorläufige Verbindlichkeit zuerkannt werden. Diese Anordnung kann auch schon in den Beschluss aufgenommen werden. Sie wird mit der Zustellung wirksam und gilt bis zur Rechtskraft der die Sache erledigenden Entscheidung. Die Anordnung vorläufiger Verbindlichkeit ist unanfechtbar, kann aber jederzeit – auch während des Rechtsmittelverfahrens (vom KOG) – abgeändert werden. Rechtskräftige Beschlüsse des KartGer und des KOG, etwa Entschei- 40 dungen über Abstellungsanträge oder Beschlüsse, durch welche Bußgelder oder Zwangsgelder verhängt werden, sind Exekutionstitel (§ 34; vgl 16 Ok 20/04).
XIII. Vergleiche Die Parteien können über die Rechte, die Gegenstand eines gerichtli- 41 chen Verfahrens sind, verfügen (§ 30 AußStrG). Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Beendigung eines kartellgerichtlichen Verfahrens durch Vergleich grundsätzlich nicht ausgeschlossen: In § 34 wird ein Vergleich als Exekutionstitel erwähnt und in § 56 wird für Vergleiche eine Befreiung von Gerichtsgebühren vorgesehen. Ein Vergleich hat neben den materiellrechtlichen Wirkungen auch eine verfahrensbeendende, die nicht gesondert festgestellt werden muss. Zur Auslegung sind die Regeln des § 914 ABGB heranzuziehen (16 Ok 5/07; RIS-Justiz RS0023319). Zwischen einzelnen von mehreren Parteien eines kartellgerichtlichen 42 Verfahrens ist der Abschluss eines Vergleichs dann, wenn damit zusammenhängende Fragen für alle Parteien, also auch für die den Vergleich nicht anstrebenden Parteien, gleich zu beurteilen wären, etwa ob eine abzustellende Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegt und wie sie wirksam abzustellen ist, ob ein Sachverhalt dem KartG unterliegt, ob ein Zusammenschluss zu untersagen ist oder nicht, oder mit welchen Auflagen oder Bedingungen er genehmigungsfähig ist, nicht zulässig: Sind 557
§ 38 KartGGugerbauer nicht alle Verfahrensparteien mit einem Vergleichsvorschlag einverstanden, hat eine gerichtliche Entscheidung gegenüber allen zu ergehen. Hat sich eine Amtspartei nicht aktiv am Verfahren beteiligt, schließt dies ein „Mitspracherecht“ hinsichtlich eines Vergleichs nicht aus. 43 Es besteht zwar ein öffentliches Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb, das Interesse der Parteien wird aber als disponibel angesehen. Für Amtsparteien freilich nur beschränkt, sie können von ihnen durch Antrag eingeleitete Verfahren nur soweit durch Vergleich beenden, als dadurch die öffentlichen Interessen gewahrt bleiben. Eine Neubewertung des von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interesses ist möglich (beispielsweise in § 17 Abs 2 oder in § 36 Abs 5), insoweit kommt den Amtsparteien im Rahmen eines gebundenen Ermessens doch auch eine Dispositionsbefugnis zu. Sowohl in Fusionskontrollverfahren, wie auch in (durch Antrag einer Amtspartei eingeleiteten) Abstellungsverfahren kann es zu einer vergleichsweisen Beendigung kommen. Im Bußgeldverfahren ist dagegen wegen dessen strafrechtsähnlichen Charakters (vgl 16 Ok 8/07) und der sich daraus ergebenden Anforderungen an Rechtsschutz- und Richtigkeitsgewähr sowie wegen des mit der Verhängung einer Geldbuße verbundenen, durch Parteienvereinbarung nicht substituierbaren staatlichen Unwerturteils ein „Settlement“ nur nach Überprüfung durch das KartGer zulässig (zum „plea bargaining“ in gerichtlichen Strafverfahren vgl RIS-Justiz RS0119311). 44 Schließen sich die Amtsparteien einem Vergleich zwar nicht an, waren sie aber beim Vergleichsabschluss anwesend, haben dabei keine weiteren Anträge gestellt und der nachfolgenden Festsetzung der Rahmengebühr nicht widersprochen, ist das Verfahren mit dem Vergleich auch gegenüber den Amtsparteien, beendet. Ein deklarativer Beendigungsbeschluss ist nicht notwendig (16 Ok 14/11). 45 Ein Vergleich über die gerichtlichen Kosten bindet das KartGer nicht (16 Ok 14/11): Die Festsetzung der gerichtlichen Rahmengebühr sowie der sonstigen gerichtlichen Kosten erfolgt gem §§ 54 ff nach Abschluss des Verfahrens durch einen Beschluss des Vorsitzenden nach freiem Ermessen. Dabei handelt es sich um einen Akt der Rechtsprechung. 46 Ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vergleichs ist zulässig. Diese Möglichkeit steht in Fällen offen, in denen Verbindlichkeiten aus dem Vergleich nicht wirksam sind, dies aber von der Gegenseite bestritten wird (16 Ok 5/07). 558
Schutz von Geschäftsgeheimnissen
§ 39 KartG
Schutz von Geschäftsgeheimnissen § 39. (1) Mehrere Verfahren dürfen nicht verbunden werden, wenn dadurch eine Partei Zugang zu Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bekäme, auf deren Offenlegung sie sonst keinen Anspruch hätte, es sei denn, dass die Person, die an der Nichtverbreitung ein berechtigtes Interesse hat, der Verbindung zustimmt. (2) In die Akten des Kartellgerichts können am Verfahren nicht als Partei beteiligte Personen nur mit Zustimmung der Parteien Einsicht nehmen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Geschäftsgeheimnisse im Kartellrecht........................................... 1 II. Definition von Geschäftsgeheimnissen......................................... 2–5 III. Verbindung kartellgerichtlicher Verfahren.................................. 6–9 IV. Beischaffung von Akten in kartellgerichtlichen Verfahren....... 10–12 V. Akteneinsicht durch Dritte............................................................. 13–22 VI. Kartellgerichtliche Akten im Amtshilfeverfahren....................... 23–26 VII. Ausschluss der Öffentlichkeit.......................................................... 27 VIII. Entscheidungsveröffentlichungen................................................. 28–30 IX. Offenlegung von Beweismitteln in Schadenersatzverfahren..... 31 X. Beischaffung von Akten in Schadenersatzverfahren.................. 32
I. Geschäftsgeheimnisse im Kartellrecht Die Beschränkungen des § 39 KartG dienen dem Schutz von Geschäfts- 1 geheimnissen der an kartellgerichtlichen Verfahren beteiligten Unternehmen, wenn dieser Zweck im Gesetzestext auch nicht explizit angeführt wird (vgl 5 Ob 154/07v). Das Kartellrecht sieht den Schutz von Geschäftsgeheimnissen (bzw Kriterien für die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen) in verschiedenen Zusammenhängen vor. Bei Auskunftsverlangen der BWB (§ 11a WettbG) gibt es für Geschäftsgeheimnisse keine Ausnahme. Bei Hausdurchsuchungen durch die BWB sind 559
§ 39 KartGGugerbauer Unterlagen, für die eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht oder ein Aussagenverweigerungsrecht iSv § 157 Abs 1 Z 2-5 StPO in Anspruch genommen werden kann (§ 12 WettbG), vorerst auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme zu sichern. Gem § 10 WettbG ist die BWB nur unter Bedachtnahme auf schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen iSd DSG berechtigt, dem KartGer oder anderen Wettbewerbsbehörden Informationen zur Verfügung zu stellen. § 39 untersagt die Verbindung mehrerer Verfahren vor dem KartGer, wenn dadurch Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden könnten, und lässt Akteneinsicht durch Dritte nur bei Zustimmung der Betroffenen zu. Nach § 47 ist in kartellgerichtlichen Verfahren auf Antrag die Öffentlichkeit auszuschließen, soweit dies zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen notwendig ist. § 37j regelt die Offenlegung von Beweismitteln im Rahmen von Schadenersatzverfahren nach dem KartG, § 37k die Offenlegung und Verwendung von aktenkundigen Beweismitteln. Die verfassungsrechtlich verankerte Amtshilfe (Art 22 B-VG) wird durch das Amtsgeheimnis, den Datenschutz und sonstige gesetzliche Geheimhaltungspflichten beschränkt. § 37 bestimmt die Voraussetzungen für die Veröffentlichung kartellrechtlicher Entscheidungen. Soweit im Rahmen eines kartellgerichtlichen Verfahrens ein SachverständigenGutachten in Auftrag gegeben wird, können vor allem Dritte die Bereitstellung von Daten davon abhängig machen, dass diese als Geschäftsgeheimnis nicht offengelegt werden.
II. Definition von Geschäftsgeheimnissen 2 In Abs 1 wird nicht nur auf Geschäftsgeheimnisse, sondern, wie auch in § 47, auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse abgestellt. Geschäftsgeheimnisse sind besondere Kategorien von Informationen, durch deren Veröffentlichung oder sogar durch deren bloße Weitergabe an Dritte legitime wirtschaftliche Interessen Schaden nehmen können. Also insbesondere Daten, die anderen Unternehmen (vor allem Wettbewerbern) von Vorteil sind (16 Ok 6/14i). Unter „Betriebsgeheimnis“ ist zu schützendes technisches Wissen zu verstehen. In vielen Unternehmen besteht ein diesen eigentümlicher, nicht offenkundiger Wissensstand, die entsprechenden Informationen sind nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt. Wurde das Interesse an der Geheimhaltung durch Beschränkung der Information auf einen eng begrenzten Kreis von Beteiligten klargestellt, können diese einer Geheimhaltungspflicht 560
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unterliegen. Die Interessen, die durch die Offenlegung derartiger Informationen verletzt werden können, müssen aber schützenswert sein (vgl EuG, T-474 vom 12.10.2007, „Pergan“ Rn 65). Mit dem Begriff „Geschäftsgeheimnis“ ist aber auch eine gewisse zeitliche Komponente verbunden. Geschäftsgeheimnisse verlieren in der Regel nach einer gewissen, von den Umständen des Einzelfalls abhängigen, Frist ihre Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit (16 Ok 6/14.). Bei einem Wettbewerbsverstoß kann es sich niemals um ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis handeln (16 Ok 10/14b; 16 Ok 14/13). Konkret kann es sich um technische und finanzielle Angaben, Angaben 3 in Bezug auf das Know-how eines Unternehmens, Produktionsgeheimnisse und -verfahren, Kostenrechnungsmethoden, Bezugsquellen, produzierte und verkaufte Mengen, Marktanteile, Auskünfte über Geschäftsbeziehungen Kunden- und Händlerlisten, Vermarktungspläne, Absatzstrategien, aktuelle monatliche Verkaufszahlen sowie die Kosten eines Erzeugnisses, seine besonderen Eigenschaften oder die Zusammensetzung seines Preises handeln (vgl etwa 16 Ok 6/14). Die Frage, ob eine bestimmte Information als Geschäftsgeheimnis zu bewerten ist, kann aber letztlich nur im Einzelfall beantwortet werden. Bestimmungen betreffend Geschäftsgeheimnisse finden sich auch in der ZPO, so in (in analoger Anwendung) § 172 oder § 321 Abs 1 Z 5, sowie in den §§ 11 und 26 UWG. Umsatzzahlen können, zumal wenn sie nach unterschiedlichen Märk- 4 ten aufgegliedert werden, Geschäftsgeheimnisse sein. Soweit aber nur Annäherungswerte bzw Umsatzzahlen lediglich gerundet mit „ca“ Beträgen angegeben werden liegt keine Verletzung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen vor. Auch eine wertende Prognose des KartGer ist nicht zwangsläufig mit geheimen Interna eines Unternehmens gleichzusetzen. Die Veröffentlichung von Umsatzzahlen eines bereits länger zurückliegenden Geschäftsjahrs kann keinen Wettbewerbsnachteil bewirken: Derart veröffentlichte Zahlen besitzen für Wettbewerber keine Aussagekraft. Auch dann, wenn eine Konzernmutter durch Tochtergesellschaften auf unterschiedlichen Märkten tätig ist, besitzt die Veröffentlichung des Konzernumsatzes für Wettbewerber auf den Teilmärkten keine Aussagekraft (16 Ok 6/14i). Informationen, die auch in öffentlich zugänglichen Quellen verfügbar sind, stellen keine Ge schäfts- und Betriebsgeheimnisse dar. Umsatzangaben sowie andere Unternehmenskennzahlen, die etwa im Rahmen des Jahresabschlusses gem §§ 222 ff UGB zu veröffentlichen sind, sind ebenso wenig Ge561
§ 39 KartGGugerbauer schäfts- und Betriebsgeheimnisse wie Tatsachen, die bereits veröffentlicht oder einem unbestimmten Personenkreis aus eigener Initiative und ohne Verletzung von Rechtspflichten zugänglich gemacht worden sind (26 Kt 9/15). 5 Das Geheimhaltungsinteresse der Entscheidungsadressaten wird entsprechend dem Normzweck nicht respektiert und nicht geschützt, soweit es um ihre persönliche Identität, die Tatsache und den Umfang ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung gegen das KartG und um die gegen sie verhängten Sanktionen geht (vgl 16 Ok 6/14i). Dass einem Unternehmen die Veröffentlichung schlicht unangenehm ist, steht der Veröffentlichung nicht entgegen.
III. Verbindung kartellgerichtlicher Verfahren (Abs 1) 6 Abs 1 bezieht sich auf die Verbindung von vor dem KartGer geführten Verfahren. Das KartG stellt dabei nicht auf Parteienidentität, auch nicht auf Parteienidentität auf nur einer Verfahrensseite, ab (vgl dagegen § 187 ZPO). Wurde die Verbindung von Verfahren beantragt, hat das KartGer von Amts wegen darauf zu achten, ob ein zu wahrendes Geschäfts- und Betriebsgeheimnis Bestandteil eines der Akten ist. Die Entscheidung, ob eine Verbindung beschlossen wird oder nicht, steht nicht im Ermessen des KartGer. Die Zulässigkeit der Verbindung ist in jedem Fall von der Zustimmung des Unternehmens abhängig, das ein berechtigtes Interesse hat, dass ein (bestimmtes) anderes Unternehmen keinen Zugang zu ihren Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen erhält. 7 Erforderlich ist also nicht die Zustimmung aller Verfahrensparteien zur Verbindung, sondern die Zustimmung jenes Unternehmens (das nicht einmal Verfahrenspartei sein muss), dessen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse gewahrt werden sollen. Eine Interessensabwägung zwischen den Interessen der die Verbindung von zwei oder mehr Verfahren anstrebenden Partei einerseits und des sich auf den Schutz von Geschäftsoder Betriebsgeheimnissen berufenden Unternehmens findet nicht statt. 8 Wenn die Person, die ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen geltend macht, die Zustimmung zur Verbindung von Verfahren verweigert, hat ihr das KartGer zur Vornahme der erforderlichen Interessenabwägung die Angabe von Gründen dafür aufzutragen (vgl 16 Ok 10/14b). 562
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Ist ersichtlich, dass keine schutzwürdigen Geschäfts- oder Betriebsge- 9 heimnisse Akteninhalt sind, liegt es im Ermessen des KartGer, ob es zur Verbindung mehrerer Verfahren kommt. Dabei wird analog zu § 187 ZPO auf eine Beschleunigung der Erledigung, bzw auf eine Reduzierung des Verfahrensaufwandes zu achten sein (vgl dazu auch § 13 Abs 1 AußStrG).
IV. Beischaffung von Akten in kartellgerichtlichen Verfahren Gem § 31 AußStrG kann in einem kartellgerichtlichen Verfahren zur 10 Feststellung des Sachverhalts jedes dafür geeignete Beweismittel verwendet werden. Dazu gehört auch die Beischaffung und Verwertung des Inhalts von (anderen) Akten. Wenn das KartGer andere Akten beischafft und deren Inhalt verliest und sie damit zum Aktenbestandteil macht, ermöglicht dies den Parteien des kartellgerichtlichen Verfahrens die Einsicht in den beigeschafften Akt. Wenn etwa ein und derselbe kartellrechtlich relevante Sachverhalt zu unterschiedlichen Sachanträgen und Verfahren führen kann (Feststellung, Abstellung, Geldbuße usw), ist es durchaus möglich, dass ein beizuschaffender (Vor-)Akt Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse von Unternehmen enthält, die an dem Verfahren, in dem nun über die Verbindung entschieden werden soll, nicht beteiligt sind. Das Verfahren ist in § 37k geregelt. Die BWB muss Beweismittel, auf die sie sich in einem kartellgerichtli- 11 chen Verfahren berufen will, auch dann vorlegen, wenn diese Geschäftsgeheimnisse enthalten. Sie werden Bestandteil des kartellgerichtlichen Akts. Um zu verhindern, dass Konkurrenten des betroffenen Unternehmens ihr Recht zur Antragstellung dazu nutzen, um – nach Verbindung der Verfahren – Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen zu erhalten, kann sich die BWB, die gem § 10 Abs 1 WettbG verpflichtet ist, schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen iSd DSG zu beachten, auf § 39 Abs 1 berufen, weil Unternehmen andernfalls künftig mit allen Mitteln versuchen würden, ihrer Auskunftspflicht nach § 11a WettbG zu entkommen (vgl 16 Ok 10/05; 16 Ok 7, 8/06). Dies kommt dem öffentlichen Interesse an der Aufdeckung von Wett- 12 bewerbsverstößen entgegen. Die Abwägung privater Interessen (etwa der durch einen Verstoß gegen das KartG Geschädigten) gegen das öffentliche Interesse an der Erlangung von Auskünften und dadurch der 563
§ 39 KartGGugerbauer Aufdeckung von Zuwiderhandlungen gegen das KartG ergibt eine höhere Bewertung des öffentlichen Interesses.
V. Akteneinsicht durch Dritte (Abs 2) 13 § 39 Abs 2 macht die Gewährung der Einsicht in einen Akt des KartGer von der Zustimmung aller Parteien des Verfahrens, in dessen Akt Einsicht genommen werden soll, abhängig. Damit auch von der Zustimmung einer Partei, von der sich keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse in diesem Akt befinden. Dies selbst dann, wenn weder ein Unternehmen, dessen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse von der Akteneinsicht sehr wohl betroffen wären, noch die Amtsparteien sich dagegen aussprechen. 14 Akteneinsicht kann auch davon dritten, verfahrensfremden Personen beantragt werden, etwa um im Vorfeld der Einbringung einer Klage die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen abzuklären. Unter Akteneinsicht wird eine Informationsaufnahme aus dem Gerichtsakt verstanden. 15 Nach § 219 Abs 2 ZPO muss das rechtliche Interesse des Dritten an der Akteneinsicht konkret gegeben sein, sei es auch nur dadurch, dass er in die Lage versetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten, weil er aus dem Akt etwas erfahren will, das er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss (vgl RIS-Justiz RS0037263 mwN). Neugier wird zur Begründung des Anspruchs auf Akteneinsicht also nicht ausreichend sein (vgl 3 Ob 58/12v). 16 Ein bloß pauschales Vorbringen des Antragstellers, dass ohne Zugang zu sämtlichen Dokumenten eines Aktes keine Erfolgschancen für eine Schadenersatzklage bestehen würden, ist nicht ausreichend ist. Dem Antragsteller kann andererseits aber auch nicht abverlangt werden, genau anzugeben, welche konkreten Tatsachen er durch die Akteneinsicht eruieren will. Der Zweck der Akteneinsicht besteht ja gerade da rin, die relevanten Umstände in Erfahrung zu bringen (vgl 16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b). 17 Von einer Akteneinsicht beantragenden Person kann nicht (etwa mit Hinweis auf das Verbot des Ausforschungsbeweises) verlangt werden, die Tatsachen genau anzugeben, die sie sich aus der Akteneinsicht erwartet, dem Antrag auf Akteneinsicht liegt notwendig ein Ausforschungsinteresse zugrunde. Erst durch die Akteneinsicht kann ein An564
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tragsteller Kenntnis von den relevanten Umständen erlangen. Ist die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses erforderlich, um Akteneinsicht gewährt zu bekommen, kann daher vom Antragssteller nicht verlangt werden, dass er dieses durch Angaben zu dem (ihm unbekannten) konkreten Inhalt des Akts belegt (16 Ok 10/14b; 8 Ob 4/03a). Ein ehemaliger Antragsteller, der seinen Sachantrag unter Anspruchs- 18 zurücknahme zurückgezogen hat, hat – wenn eine Amtspartei diesen Antrag aufrecht hält und es zu einer nachfolgenden Entscheidung der Gerichte kommt – mangels Parteistellung keinen Anspruch mehr auf Einsichtnahme in den vollständigen Text der Entscheidung (27 Kt 243, 244/02). Durch § 39 Abs 2 wird ausgeschlossen, dass Dritten – selbst bei nach- 19 vollziehbarem rechtlichen Interesse – ohne Zustimmung der Parteien Akteneinsicht gewährt werden kann (vgl § 219 ZPO). Die Gewährung von Akteneinsicht wird mit dem Vorliegen der Erlaubnis der am Verfahren beteiligten Parteien junktimiert. Die Verweigerung der Zustimmung muss nicht begründet werden, es kann daher auch nicht überprüft werden, ob ein schützenswertes Interesse vorliegt. Bei einer Akteneinsicht handelt es sich schon begrifflich um einen ein- 20 maligen Vorgang und um kein unbefristetes Recht, welches – einmal bewilligt – nach Belieben des (einmal) Einsichtsberechtigten immer wiederausgeübt werden könnte. Eine neuerliche Akteneinsicht muss daher erneut beantragt und darüber muss neuerlich entschieden werden, da sich zwischenzeitig die Bewilligungsvoraussetzungen geändert haben können (16 Ok 10/14b; RIS-Justiz RS0079198). Wurde eine Partei zur Abgabe einer Erklärung, ob sie einer Aktenein- 21 sicht iSv § 39 Abs 2 zustimmt, gem § 17 AußStrG aufgefordert, also zur Stellungnahme binnen bestimmter Frist, bleibt sie aber untätig, kann nach fruchtlosem Verstreichen der Frist vom KartGer davon ausgegangen werden, dass keine Einwendungen gegen eine Akteneinsicht erhoben werden. Der EuGH geht bei der Akteneinsichtsersuchen nach der Transparenz- 22 VO in die Kartellakten der Europäischen Kommission von einer allgemeinen Vermutung des Vorliegens der Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen Dritter aus, dies auch nach Abschluss eines Kommissionsverfahrens (EuGH, EnBW, C-365/12, Rn 93). 565
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VI. Kartellgerichtliche Akten im Amtshilfeverfahren 23 Aufgrund eines Ersuchens um Aktenübersendung im Rahmen der Amtshilfe hat das KartGer zu prüfen, ob von der ersuchenden Behörde am kartellgerichtlichen Verfahren Nichtbeteiligten Akteneinsicht gewährt werden wird. Denn über die Zulässigkeit einer Aktenübermittlung bzw allenfalls die notwendige Einschränkung einer Aktenübermittlung hat nicht das ersuchende, sondern das ersuchte Organ zu entscheiden. Eine Aktenübermittlung ist nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 2 KartG zulässig (OLG Wien, 8 Ra 38/09f). Enthält der Akt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, ist die Zustimmung der betroffenen verfahrensbeteiligten Unternehmen bzw der Amtspartei einzuholen. 24 Ein an das KartGer gerichtetes Ersuchen der StA um Aktenübersendung ist ein Ersuchen um Amtshilfe iSd Art 22 B-VG. Nach dieser Bestimmung sind alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereichs zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden nicht verletzt, wenn überwiegende berechtigte Interessen Akteneinsicht erfordern. Dies ist gem § 3 Z 2 DSG der Fall, wenn die Verwendung der Daten durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht. Für das Strafverfahren statuiert § 76 Abs 2 StPO einen Vorrang strafgerichtlicher Erhebungsersuchen vor der Amtsverschwiegenheit. Demnach hat das KartGer etwa dem Begehren einer Staatsanwaltschaft auf Amtshilfe, ohne Rücksicht auf die in § 39 Abs 2 normierten Parteirechte in einem Ermittlungsverfahren wegen eines aufzuklärenden Offizialdelikts durch Übersendung des Kartellakts zu entsprechen (16 Ok 3/10). 25 Wird einem Ersuchen der StA um Amts- oder Rechtshilfe vom KartGer nicht oder nicht vollständig entsprochen, so hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft das KOG in analoger Anwendung von § 76 Abs 2a StPO ohne vorhergehende mündliche Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der unterlassenen Amts- oder Rechtshilfe oder über den sonstigen Gegenstand der Meinungsverschiedenheit zu entscheiden (16 Ok 3/10). 26 Die in einem Kartellakt enthaltenen Geschäftsgeheimnisse, die infolge Erfüllung eines Amtshilfeersuchens Bestandteil des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens werden, fallen jedenfalls unter den Schutzzweck des § 54 StPO (16 Ok 3/10). 566
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VII. Ausschluss der Öffentlichkeit Soweit dies zur Wahrung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen 27 notwendig ist, ist in Verfahren vor dem KartGer auf Antrag einer Partei die Öffentlichkeit auszuschließen (§ 47 Abs 1). Der Ausschluss der Öffentlichkeit steht aber einer nachfolgenden Entscheidungsveröffentlichung nicht entgegen. In § 37 ist keine entsprechende Ausnahmeregelung von der Veröffentlichungspflicht vorgesehen und sogar in einem Strafverfahren hat, selbst wenn die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurde, die Verkündung des Urteils samt wesentlichen Gründen öffentlich zu erfolgen (vgl § 229 Abs 4 StPO).
VIII. Entscheidungsveröffentlichungen Geschäftsgeheimnisse werden aber auch dadurch geschützt, dass das 28 KartGer vor der Veröffentlichung einer Entscheidung nach § 37 KartG den Parteien Gelegenheit zu geben hat, die Passagen der Entscheidung zu bezeichnen, die ihrer Meinung nach Geschäftsgeheimnisse wiedergeben. Daraufhin entscheidet das KartGer mit Beschluss über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung, wobei es eine Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen vorzunehmen hat (16 Ok 10/14b mit Verweis auf 1804 BlgNR 24. GP 10). Soweit Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben steht einer Volltextver- 29 öffentlichung auch das Prinzip der Amtsverschwiegenheit nach § 58 RStDG nicht entgegen (vgl 16 Ok 6/14i). Auch befürchtete Repressalien sind kein Grund, von einer Veröffentlichung der Entscheidung Abstand zu nehmen oder diese einzuschränken. Im Übrigen können derartige Repressalien ihrerseits kartellrechtswidrig sein (vgl § 6 KartG; 16 Ok 14/13). Geschäftsgeheimnisse, die geradezu Kern des Wettbewerbsverstoßes 30 sind, können veröffentlicht werden, denn in diesen Fällen überwiegt das öffentliche Informationsinteresse (vgl Sura in Langen/Bunte, VO 1/2003 Art 30 Rn 10 mwN).
IX. Offenlegung von Beweismitteln in Schadenersatzverfahren vgl die Kommentierung zu § 37j.
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X. Beischaffung von Akten in Schadenersatz verfahren 32 vgl die Kommentierung zu § 37k.
Amtsparteien § 40. Die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt haben als Amtspartei Parteistellung auch dann, wenn sie nicht Antragsteller sind. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 BWB und BKAnw sind materiell als Treuhänder der von ihnen gesetzlich wahrzunehmenden Interessen anzusehen (16 Ok 1/08). Dh, dass sie – im Gegensatz zu den im § 36 Abs 4 Z 4 KartG genannten antragsberechtigten Unternehmen – nicht aus persönlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Interessen, sondern in Wahrnehmung der ihnen übertragenen öffentlichen Interessen an einem funktionierenden Wettbewerb handeln (vgl § 1 Abs 1 WettbG für die BWB; 16 Ok 7/06; § 75 Abs 1 für den BKAnw). Sie sind kraft gesetzlicher Anordnung Partei jedes kartellgerichtlichen Verfahrens. Im Gegensatz zu den Regulatoren und Kammern (§§ 45 und 46) sowie den übrigen Antragsberechtigten nach § 36 sind Amtsparteien also auch dann Partei, wenn sie nicht Antragsteller sind. Sie haben selbst dann Parteistellung, wenn es darum geht, ob (noch) ein „Antrag“ vorliegt (16 Ok 6/10). Konkrete Bestimmungen über den Umfang der Parteistellung der Amtsparteien in solchen Verfahren, in denen sie keinen eigenen Sachantrag gestellt haben, finden sich im KartG nicht, sieht man von der Antragsrückziehung (§ 36 Abs 5) ab. 2 Zur Wahrung der ihnen übertragenen Aufgaben sind die Amtsparteien berechtigt, alle gesetzlich zur Verfügung stehenden Antragsrechte zu nutzen (16 Ok 1/08). Auch in Gebührensachen steht ihnen ein 568
Amtsparteien
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Antragsrecht zu. Die Entscheidung der Amtsparteien, ob das öffentliche Interesse ihr Einschreiten erfordert, unterliegt keiner Nachprüfung durch das Gericht. Einem von einem Unternehmen eingeleiteten Abstellungs- oder Feststellungsverfahren, also einem „kontradiktorischen“ Kartellverfahren (16 Ok 6/04), können Amtsparteien gegebenenfalls auch formell beitreten bzw sich sonst – zB durch Schriftsätze mit Beweisanträgen und/oder Rechtsausführungen – beteiligen. Umgekehrt müssen die Amtsparteien aber nicht für eines dieser Unternehmen Stellung beziehen. Sie haben nur das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb zu wahren (16 Ok 6/04; 16 Ok 9/03). Den Amtsparteien ist jeder Schriftsatz samt Beilagen, der im kartellge- 3 richtlichen Verfahren eingebracht wird (vgl 16 Ok 6/06), und jede Entscheidung zuzustellen, dies unabhängig davon, ob sie sich bis dahin am Verfahren beteiligt haben. Sie haben ein Recht auf Akteneinsicht und auf Teilnahme an Verhandlungen (16 Ok 13/04). Sie können jederzeit in das Verfahren eingreifen, auch durch Erhebung eines Rechtsmittels (selbst dann, wenn sie sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hatten), bzw erst im Rechtsmittelverfahren. Es steht den Amtsparteien frei, den verfahrenseinleitenden Sachantrag 4 eines Dritten, wenn der Dritte diesen Antrag zurückzieht, im aus öffentlichem Interesse für erforderlich erachteten Umfang als eigenen Antrag aufrecht zu erhalten (16 Ok 6/0). Das Verfahren ist aber nur im Falle der ausdrücklichen Erklärung einer Amtspartei, ein Verfahren nach der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags durch den Antragsteller nunmehr als Antragsteller – somit als eigenes Verfahren – fortsetzen zu wollen, fortzusetzen (16 Ok 6/0). Am Verfahrensstand ändert sich dadurch nichts. Befindet sich das Verfahren bereits im Stadium des Rechtsmittelverfahrens, kann die Amtspartei daher weder neue Anträge stellen, noch eine von ihr schon früher eingebrachte Gegenäußerung zum Rekurs ergänzen (16 Ok 6/04). Bei der Prüfung von Zusammenschlüssen und bei Anträgen auf Ver- 5 hängung von Geldbußen sowie Zwangsgeldern kommt den Amtsparteien sogar ein Antragsmonopol zu (für den BKAnw gilt dies mit der Einschränkung, dass er die Verhängung einer Geldbuße nicht beantragen kann, wenn die BWB einem Unternehmen oder einer Unternehmervereinigung Kronzeugenstatus iSd § 11 Abs 3 bis 6 WettbG zuerkennt). 569
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Kostenersatz § 41. In Verfahren wegen der Abstellung von Zuwiderhandlungen
(§§ 26 und 27), wegen Feststellungen (§ 28) und wegen der Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über den Kostenersatz sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Kostenersatzpflicht der unterliegenden Partei nur soweit eintritt, als die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig war. Hat eine Partei Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer oder Vergütungen für die fachkundigen Laienrichter getragen, so hat sie gegen eine Gegenpartei, die Gerichtsgebühren zu entrichten hat, Anspruch auf Ersatz mit jenem Teil, der dem Ausmaß ihres Obsiegens entspricht. Auf die Kostenentscheidung ist § 273 ZPO sinngemäß anzuwenden.
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Betroffene Verfahren........................................................................... 1 II. Verzeichnung der Kosten.................................................................... 2–4 III. Kriterien für die Kostenentscheidung.............................................. 5–9 IV. Entscheidung über den Kostenersatz............................................... 10–13
I. Betroffene Verfahren 1 Gem § 41 Satz 1 hat die unterliegende Partei – wenn überhaupt – nur die Kosten bestimmter kartellgerichtlicher Verfahren zu ersetzen. Durch die Bezugnahme auf §§ 26 und 28 KartG sind alle Entscheidungen des KartGer über Zuwiderhandlungen gegen die im ersten Hauptstück enthaltenen Verbote erfasst. Also auch Entscheidungen über die Verhängung nachträglicher Maßnahmen nach § 16 KartG, Entscheidungen über Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot nach § 17 sowie Entscheidungen nach § 19 Abs 3. Dagegen ist für das eigentliche Zusammenschlussprüfungsverfahren kein Kostenersatz 570
Kostenersatz
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vorgesehen. Auch Ermittlungsverfahren der BWB, etwa das Verfahren über Auskunftsverlangen oder zur Bewilligung von Hausdurchsuchungen, sind in § 41 nicht genannt (16 Ok 5/12).
II. Verzeichnung der Kosten Was den Zeitpunkt der spätesten Geltendmachung des Kostenersatzan- 2 spruchs betrifft, entscheidet der Gesetzgeber nicht danach, ob für die antragstellende Partei schon hinreichend erkennbar ist, ob ihrem Antrag Erfolg beschieden sein wird: Abgestellt wird allein auf den formalen Gesichtspunkt, dass das Kostenverzeichnis spätestens im Entscheidungszeitpunkt betreffend die Hauptsache vorliegen muss (16 Ok 20/03). Dies – bei sonstigem Verlust – vor Schluss der der Entscheidung unmit- 3 telbar vorangehenden Verhandlung oder, wird eine solche nicht anberaumt, im Zuge der Einvernahme der (Organvertreter oder Zeugen der) Partei oder bereits mit dem der Beschlussfassung zu unterziehenden Antrag (vgl 16 Ok 20/03; 16 Ok 10, 11/06). Im kartellgerichtlichen Verfahren muss keine mündliche Streitverhandlung stattfinden, beanspruchte Kosten sollten daher unmittelbar im Sachantrag bzw in jeder Beweisaufnahmetagsatzung verzeichnet werden. Mit der Abgabe des Beschlusses an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung ist das Erstgericht an seinen Beschluss gebunden, einem späteren Antrag auf Zuerkennung von Kosten ist nicht stattzugeben (16 Ok 10, 11/06). Ein späteres – auch zusammenfassender – Antrag ist, vom KartGer zurückzuweisen (16 Ok 10, 11/06). Für die Pflicht zur rechtzeitigen Verzeichnung der Kosten kommt es nicht darauf an, ob die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung bereits erkannt bzw beurteilt werden konnte (16 Ok 20/03). Sind Kosten erst später entstanden, gilt für deren Geltendmachung (den 4 Antrag auf Ergänzung der Entscheidung) gem § 54 Abs 2 ZPO eine vierwöchige Notfrist. Sind die nachträglichen Kosten auf eine Zahlungspflicht zurückzuführen, gelten sie mit deren Begründung als entstanden. Dies betrifft etwa die Rahmengebühr oder die Vergütung der fachmännischen Laienrichter, die in kartellgerichtlichen Verfahren regelmäßig erst nach Abschluss des Verfahrens in der Sache bestimmt werden. Die Notfrist für die nachträgliche Verzeichnung beginnt mit der Zustellung der entsprechenden Vorschreibung. 571
§ 41 KartGGugerbauer
III. Kriterien für die Kostenentscheidung 5 Im Hinblick auf die Erfolgshaftung iSv § 41 ZPO kommt es nach § 41 erster Halbsatz KartG zunächst darauf an, ob und in welchem Umfang ein Antragsteller mit seinem Sachantrag in der Endentscheidung durchgedrungen ist. Auf den Grund des Erfolgs kommt es dabei nicht an, nur das Ergebnis ist für das kartellgerichtliche Erfolgsprinzip maßgebend (vgl 16 Ok 19/02; 16 Ok 2/06). 6 Auch wenn eine Antragstellerin zur Gänze unterlegen ist, ist sie nicht zum Kostenersatz zu verpflichten, wenn ihr – mangels Rsp zu einem vergleichbaren Sachverhalt – keine mutwillige Rechtsverfolgung vorgeworfen werden kann (16 Ok 7/0). Beispielsweise wurde im Hinblick auf fehlende oberstgerichtliche Rsp zur Frage der Antragslegitimation bei einem ruhenden Gewerbe (des Antragstellers) die Rechtsverfolgung nicht als mutwillig angesehen (16 Ok 9/9). 7 Mutwillige Rechtsverfolgung liegt vor, wenn sich ein Antragsteller der Unrichtigkeit seines Verfahrensstandpunkts bewusst ist und sich in diesem Bewusstsein dennoch in das Verfahren einlässt, oder wenn er mit dem Verfahren ausschließlich einen durch die Rechtsordnung nicht geschützten Zweck verfolgt (16 Ok 1/12). Mag die Rechtsauffassung einer Verfahrenspartei zwar unrichtig, aber nicht völlig unvertretbar gewesen sein, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass sich diese Verfahrenspartei im Bewusstsein der Unrichtigkeit ihres Verfahrensstandpunktes in das kartellgerichtliche Verfahren eingelassen hat. Eine mutwillige Rechtsverfolgung ist dann nicht erkennbar (16 Ok 23/03). 8 Nach dem zweiten Halbsatz von § 41 ist die Führung eines Verfahrens offenbar mutwillig, wenn sich eine Partei der Unrichtigkeit ihres Standpunkts bewusst ist und sich in diesem Bewusstsein in das Verfahren einlässt oder das Verfahren fortsetzt, bzw wenn sie das Verfahren zur Erzielung eines nicht durch die Rechtsordnung geschützten Zwecks (Publicity, Feindseligkeit, etc) führt (16 Ok 5/07; 16 Ok 1/12). Eine zwar unrichtige, aber gerade noch vertretbare Rechtsmeinung ist nicht mutwillig (16 Ok 23/03; 16 Ok 10/04). 9 Mutwillig wäre beispielsweise der in einem Rekursverfahren betreffend die Rahmengebühr vertretene Rechtsstandpunkt eines Antragsgegners, er hätte großteils obsiegt, weil der Antragsteller nur mit dem Haupt-, nicht aber auch mit seinen Eventualbegehren durchgedrungen sei (16 Ok 3/02). Hatte eine Amtspartei einen Bußgeldantrag gestellt und zieht sie 572
Kostenersatz
§ 41 KartG
diesen wieder zurück, lässt dies keinen Rückschluss auf die Mutwilligkeit des Sachantrags eines Unternehmens zu (vgl 16 Ok 10, 11/06).
IV. Entscheidung über den Kostenersatz In den in Satz 1 angeführten Verfahren sind nicht die Bestimmungen 10 des AußStrG (§ 78), sondern jene der ZPO über den Kostenersatz sinngemäß anzuwenden. Auf die Kostenentscheidung kommt § 273 ZPO über die Betragsfestsetzung nach freier Überzeugung des Gerichts sinngemäß zur Anwendung. Auch in kartellgerichtlichen Verfahren kann die Kostenentscheidung 11 bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten werden (für die Rahmengebühr sieht dies § 54 sogar ausdrücklich vor). Gem § 52 Abs 1 ZPO ist ja in jedem Beschluss, welcher eine Rechtssache für die Instanz vollständig erledigt, auch über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu entscheiden, sofern sich das Gericht nicht die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehält. Ein solcher Vorbehalt kann nicht angefochten werden ist aber gem § 52 Abs 2 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung durch ein Rechtsmittel angefochten werden kann und wenn dies aufgrund der Komplexität der zu treffenden Kostenentscheidung aus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist. In Verfahren, in denen ein Unternehmen Antragsteller ist (§ 36 Abs 4 12 Z 4), sollte bei den Barauslagen der Grundsatz der Kostentragung durch die unterliegende Partei herrschen, wie sich aus § 55 ergibt. Nach dieser Bestimmung sind die gerichtlichen Kosten (ins Gewicht fallen hier insbesondere Sachverständigengebühren) von der Partei zu tragen, die Gerichtsgebühren zu entrichten hat. Die Zahlungspflicht bei Gerichtsgebühren richtet sich gem § 52 Abs 2 wiederum nach dem Verfahrenserfolg (EB RV KaWeRÄG 2017). In der Praxis wird in Verfahren, die zwischen Unternehmen geführt 13 werden, allerdings auch ein Kostenvorschuss aufgetragen oder die Verpflichtung zur Direktzahlung von den Parteien übernommen. In diesen Fällen kommt § 55 nicht zur Anwendung, was dazu führt, dass die unterlegene Partei nur dann zum Ersatz der Kosten der Zeugen, Sachverständigen und fachkundigen Laienrichter verpflichtet werden kann, wenn diese Kosten aus Amtsgeldern, nicht aber dann, wenn sie aus einem Kostenvorschuss beglichen wurden. Für diese unterschiedlichen 573
§ 42 KartGGugerbauer Folgen gibt es keine sachliche Begründung, weshalb vom KartGer häufig eine Bezahlung der Gebühren des Sachverständigen – vorerst – aus Amtsgeldern bevorzugt wird. Dies kompliziert das Verfahren durch die notwendige Befassung der Revisorin oder des Revisors und steht außerdem in einem Spannungsverhältnis zu § 3 GEG, wonach die Vornahme einer jeden mit Kosten verbundenen Amtshandlung vom Erlag eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden soll (EB RV KaWeRÄG). 14 Im Provisorialverfahren richtet sich ein allfälliger Kostenersatzanspruch des Gegners der gefährdeten Partei gem § 393 Abs 1 zweiter Satz EO nach den Kostenersatzbestimmungen des Verfahrens in der Hauptsache. Die demnach anzuwendende Kostenersatzregelung des § 41 KartG führt in Verfahren wegen der Abstellung von Zuwiderhandlungen nur im Fall mutwilliger Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu einer Kostenersatzpflicht der unterlegenen Partei (16 Ok 1/12). Vgl aber auch § 48.
Schriftsätze § 42. Schriftsätze und Beilagen sind in so vielen Gleichschriften einzubringen, dass jeder Partei, einschließlich der Amtsparteien, eine Gleichschrift zugestellt werden kann. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 Gem § 10 Abs 3 AußStrG hat jedes Anbringen bei Gericht die Bezeichnung der Sache (soweit schon vergeben das Aktenzeichen, die dem Sachantrag zugrunde liegende Gesetzesbestimmung), Namen und Anschrift des Einschreiters und seines Vertreters sowie Namen und Anschrift der anderen Parteien (und deren Vertreter) zu enthalten. 2 Ein Antrag muss hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung (oder sonstige gerichtliche Tätigkeit) der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet (§ 9 Abs 1 AußStrG). Im KartG finden sich nur in § 10 Hinweise auf Inhaltserfordernisse (welche An574
Verbesserung von Zusammenschlussanmeldungen
§ 43 KartG
gaben die Anmeldung eines Unternehmenszusammenschlusses zu enthalten hat), weiters in § 36 Abs 1a (dass Anträge auf Verhängung von Geldbußen Angaben über die näheren Umstände der Verstöße und die Ergebnisse des von der antragsstellenden Amtspartei durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu enthalten haben). Das Vorbringen des Antragstellers hat möglichst konkret zu sein, es gibt den Rahmen für die Erhebungspflichten des KartGer vor. Leidet das Vorbringen an einem Form- oder Inhaltsmangel, der weitere 3 Verfahrensschritte hindert, hat das KartGer zunächst eine Verbesserung aufzutragen (§ 10 Abs 4 AußStrG). War bei dem Vorbringen eine Frist einzuhalten, ist der Verfahrenspartei eine (angemessene) Frist zu setzen, innerhalb den sie den Mangel zu verbessern hat, der Mangel ist dabei konkret zu bezeichnen. Gegen einen Verbesserungsauftrag steht kein abgesondertes Rechtsmit- 4 tel zu (§ 84 Abs 1 S 2 ZPO). Wurde kein Verbesserungsauftrag erlassen, obwohl dies geboten gewesen wäre, kann gegen den Zurückweisungsbeschluss oder die Sachentscheidung ein Rekurs eingebracht und mit Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründet werden. Ist ein Antrag dem Antragsgegner und den Amtsparteien vom KartGer 5 gar nicht erst zuzustellen, weil er sofort ab- oder zurückzuweisen ist, kommt diesen Parteien gegen die a limine Ab- oder Zurückweisung kein Rekursrecht zu, ein vom Antragsteller eingebrachtes Rechtsmittel ist unter diesen Umständen nicht zweiseitig (vgl 16 Ok 6/06). Schriftsätze, die weder verfahrenseinleitend sind (§ 8 Abs 2 AußStrG) 6 noch eine Notfrist auslösen (wie dies bei Rechtsmittelschriften der Fall ist), können den (Vertretern der) jeweils anderen Verfahrensparteien gem § 112 ZPO direkt zugestellt werden. Dies gilt auch für die Übermittlung von Gleichschriften an die Amtsparteien.
Verbesserung von Zusammenschluss anmeldungen § 43. (1) Soweit die Anmeldung eines Zusammenschlusses, dessen
Prüfung nach § 11 beantragt worden ist, dem § 10 Abs 1 und 2 nicht entspricht, hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag dem Anmelder bei sonstiger Zurückweisung der Anmeldung deren Verbesserung binnen angemessener Frist aufzutragen; ein solcher Antrag ist spätestens mit dem Prüfungsantrag zu stellen. 575
§ 43 KartGGugerbauer (2) Der Verbesserungsauftrag darf nur binnen einem Monat nach Einlangen des Prüfungsantrags erteilt werden. Wenn ein Verbesserungsauftrag erteilt worden ist, ist die Entscheidungsfrist nach § 14 Abs. 1 vom Einlangen der verbesserten Anmeldung zu berechnen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 Zusammenschlussanmeldungen sind zwar bei der BWB einzubringen und das KartGer wird erst nach der Stellung eines Prüfungsantrags durch eine Amtspartei zuständig, förmliche Aufträge zur Verbesserung einer Anmeldung bleiben aber dem KartGer vorbehalten. Mit anderen Worten können Verbesserungsaufträge nur bei Zusammenschlüssen, die in das Stadium der vertieften Prüfung gelangen (vgl § 11 Abs 1), erteilt werden. 2 Selbst wenn Zusammenschlussanmeldungen nicht den Inhaltserfordernissen des § 10 entsprechen, sind sie von der BWB als solche zu behandeln soweit erkennbar ist, dass die Durchführung eines bestimmten Zusammenschlusses beabsichtigt ist. Nur ein konkretes Zusammenschlussvorhaben kann „genehmigt“ oder untersagt werden. Informelle Verbesserungs- und/oder Ergänzungsempfehlungen einer Amtspartei sind möglich, ihre Nichtbefolgung hat aber keine Konsequenzen, außer – gegebenenfalls – der Einbringung eines Prüfungsantrags beim KartGer. Hält eine Amtspartei einen formellen Verbesserungsauftrag für erforderlich, hat sie den an das KartGer gerichteten Prüfungsantrag mit einem Verbesserungsantrag zu verbinden. Ergeben die darauf von den Anmeldern getätigten ergänzenden Angaben, dass kein Grund zu einer weiteren Prüfung besteht, kann der Prüfungsantrag jederzeit wieder zurückgezogen werden. 3 Der Prüfungsantrag muss ein schlüssiges Vorbringen enthalten (§ 9 AußStrG), ein abstrakter Prüfungsantrag wäre unzureichend. Wurde der Prüfungs- mit einem Verbesserungsantrag verbunden, ist bezüglich der erforderlichen Schlüssigkeit des Prüfungsantrages zu berücksichtigen, inwieweit dieses Kriterium auf Grundlage der (noch zu verbes576
Fristen
§ 44 KartG
sernden) Anmeldung erfüllt werden konnte. Das Schlüssigkeitserfordernis des § 9 AußStrG beschränkt sich dann auf die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Anmeldung nach § 12 Abs 1 Z 1. Der kartellgerichtliche Verbesserungsauftrag an die Anmelder des Zu- 4 sammenschlusses darf unabhängig davon, ob er auf Antrag oder von Amts wegen erfolgt, nur binnen eines Monats nach Einlangen des (ersten) Prüfungsantrags erteilt werden. Die Frist für die Verbesserung muss angemessen sein, sie ist vom Vorsitzenden zu bestimmen, eine Verlängerung ist zulässig (§ 44). Mit dem – fristgerechten – Einlagen der verbesserten Anmeldung beginnt die Entscheidungsfrist des § 14. Eine Aufforderung, abweichend von § 10 bestimmte Beilagen nachzureichen, bewirkt dagegen keine Verschiebung der Entscheidungsfristen des § 14. Kommen die Anmelder dem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht 5 nach, ist die Anmeldung gem § 43 Abs 1 KartG zurückzuweisen. Der Verbesserungsauftrag braucht keinen gesonderten Hinweis auf die Rechtsfolge der Zurückweisung der Anmeldung zu enthalten (vgl dagegen § 17 AußStrG). Die Entscheidungsfrist des KartGer verlängert sich auch bei einem 6 Auftrag zur Verbesserung eines Prüfungsantrags nicht (§ 43 Abs 2 bezieht sich ausdrücklich nur auf das Einlangen der verbesserten Anmeldung). Wird ein verbesserungsbedürftiger Prüfungsantrag einer Amtspartei nicht fristgerecht verbessert, führt dies zur Zurückweisung des Prüfungsantrags, nicht der Anmeldung.
Fristen § 44. Soweit Fristen nicht durch das Gesetz bestimmt werden, hat der Vorsitzende sie angemessen zu bestimmen; er hat sie auf Antrag einer Partei aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu verlängern. Fristen definieren bis wann am Verfahren Beteiligte, als vor allem eine 1 Verfahrenspartei, aber etwa auch ein Sachverständiger, spätestens bestimmte Handlungen vorzunehmen haben. Es gibt durch das Gesetz bestimmte oder vom Vorsitzenden festzusetzende Fristen. Soweit das KartG keine eigene Regelung trifft, sind die Bestimmungen von § 23 577
§ 45 KartGGugerbauer AußStrG über Fristen anzuwenden, die ihrerseits – mit Ausnahme der Regelung über die verhandlungsfreie Zeit – auf die ZPO verweisen. 2 Fristen, die er selbst gesetzt hat, die also nicht bereits durch das Gesetz bestimmt sind, kann der Vorsitzende (auf Antrag einer Partei) verlängern. Fristen zur Einbringung und Beantwortung eines Rechtsmittels sind aber niemals verlängerbar. 3 Gem dem auch für kartellgerichtliche Verfahren maßgeblichen § 21 AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sinngemäß anzuwenden (16 Ok 47/05). 4 Die vierwöchige Frist für die Stellung eines Prüfungsantrags beginnt (auch für den BKAnw) mit der – ordnungsgemäß vergebührten – Anmeldung eines Zusammenschlusses bei der BWB. Es genügt die Postaufgabe (Einbringung per ERV) am letzten Tag der Frist (16 Ok 2/07). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung dieser Frist durch eine Amtspartei ist im Hinblick auf das Gebot eines raschen Zusammenschlusskontrollerfahrens nicht zulässig. 5 Gem § 14 kann das KartGer Zusammenschlüsse nur innerhalb von fünf Monaten nach Einlangen des (ersten) Prüfungsantrags untersagen. Läuft diese Frist ohne Untersagung des Zusammenschlusses ab, hat dies materiellrechtlich zur Folge, dass der Zusammenschluss durchgeführt werden darf. Für den Fall eines Verbesserungsauftrags des KartGer setzt § 43 Abs 2 den (Neu-)Beginn des Fristenlaufs mit dem Einlangen der verbesserten Anmeldung fest. 6 Die Bestimmungen des AußStrG betreffend Unterbrechung (§ 25), Ruhen (§ 28) bzw Innehalten (§ 29) des Verfahrens sind mangels entsprechender Regelungen im KartG auch auf das kartellgerichtliche Verfahren anzuwenden.
Stellungnahmen der Kammern § 45. Die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs sind berechtigt, in allen kartellgerichtlichen Verfahren Stellungnahmen abzugeben.
1 Den drei durch Pflichtmitgliedschaft gekennzeichneten sozialpartnerschaftlichen Kammern hat der Gesetzgeber erheblichen Einfluss auf 578
Stellungnahmen der Regulatoren
§ 46 KartG
kartellgerichtliche Verfahren eingeräumt. Von der in § 45 vorgesehenen Möglichkeit, dass Kammern in kartellgerichtlichen Verfahren Stellungnahmen abgeben, wird zwar praktisch kaum Gebrauch gemacht, aber die Kammern können in kartellgerichtlichen Verfahren auch als Antragsteller einschreiten (§ 36 Abs 4 Z 3) und für die fachkundigen Laienrichter der kartellgerichtlichen Senate gibt es Personalvorschläge der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (eingeschränkt auch von Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs), aus diesen Vorschlägen nominiert der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister Laienrichter, die Ernennung erfolgt durch den Bundespräsidenten. Gem § 16 Abs 3 WettbG wird je ein Mitglied der Wettbewerbskommission (die im Auftrag der Bundeswettbewerbsbehörde oder des Wirtschafsministers Gutachten über allgemeine wettbewerbspolitische Fragestellungen erstattet und Empfehlungen zu angemeldeten Zusammenschlüssen abgibt) auf Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte sowie der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs ernannt.
Stellungnahmen der Regulatoren § 46. Das Kartellgericht kann durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichtete Behörden (Regulatoren) auffordern, Stellungnahmen zu den den jeweiligen Wirtschaftszweig betreffenden Fragen auch in den Verfahren abzugeben, in denen sie nicht Antragsteller sind; die Regulatoren sind berechtigt, solche Stellungnahmen auch ohne Aufforderung durch das Kartellgericht abzugeben. Gem § 36 Abs 4 Z 2 können Regulatoren vor dem KartGer als Antrag- 1 steller einschreiten, gem § 46 können sie in kartellgerichtlichen Verfahren, die von ihnen regulierte Wirtschaftszweige betreffen, Stellungnahmen abgeben. Dies auch ohne Aufforderung durch das KartGer.
579
§ 47 KartGGugerbauer
Verhandlungen § 47. (1) Auf Antrag einer Partei hat eine Verhandlung stattzufinden. Die Verhandlung ist öffentlich, auf Antrag einer Partei ist die Öffentlichkeit jedoch auszuschließen, soweit dies zur Wahrung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen notwendig ist. Regulatoren bleibt der Zutritt trotz Ausschlusses der Öffentlichkeit auch dann gestattet, wenn sie keine Parteistellung im Verfahren haben. (2) Den Parteien ist je eine Abschrift des Verhandlungsprotokolls zuzustellen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Tagsatzungen........................................................................................ 1–2 II. Überraschungsverbot.......................................................................... 3–4 III. Öffentlichkeit........................................................................................ 5–7 IV. Schluss des Verfahrens......................................................................... 8
I. Tagsatzungen 1 Das AußStrG sieht keine obligatorische Verhandlung vor, sondern lässt die Aufnahme von Beweisen außerhalb einer mündlichen Verhandlung zu (§ 20 AußStrG; 16 Ok 4/08). Auch hinsichtlich der Bemessungskriterien für eine beantragte Geldbuße besteht keine Erörterungspflicht, sie sind dem Gesetz klar zu entnehmen (§ 30; 16 Ok 7/07; 16 Ok 4/07). Eine Verständigung von einer Beweisaufnahme außerhalb der mündlichen Verhandlung ist nur auf Antrag vorgesehen (§ 20 AußStrG). Das K artGer kann aber auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anberaumen (vgl § 18 AußStrG). Eine mündliche Verhandlung ist insbesondere dann geboten, wenn sie zur Beschleunigung des Verfahrens, zur Erhebung des Sachverhalts oder zur Erörterung von Rechtsfragen zweckmäßig erscheint. Dem KartGer steht es dabei frei, über die gesamte Sache oder einzelne Punkte mündlich zu verhandeln. Den Parteien steht ein Fragerecht gegenüber den üb580
Verhandlungen
§ 47 KartG
rigen Parteien, Zeugen und Sachverständigen zu (§ 3 AußStrG). Die Bestimmungen über die verhandlungsfreie Zeit sind im Außerstreitverfahren und damit in kartellgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden. Weder das KartG noch das AußStrG legen fest, in welcher Senatsbeset- 2 zung Verhandlungen vor dem Kartellgericht durchzuführen sind. Es schadet daher nicht, wenn nicht alle an der Entscheidung beteiligten Richter an der Verhandlung bzw allen Verhandlungen teilnehmen (16 Ok 6/09).
II. Überraschungsverbot Gem § 14 AußStrG iVm § 182a ZPO ist die Rechtslage mit den Parteien 3 zu erörtern. Überraschungsentscheidungen sind verboten (16 Ok 1/10; 16 Ok 8/08; 16 Ok 4/07; RIS-Justiz RS0122749). Auch die Pflicht nach § 182 a ZPO kann aber nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat (16 Ok 8/08; RIS-Justiz RS0122365). Das K artGer muss seine Rechtsansicht vor der Entscheidung nicht kundtun. Eine derartige Anleitungspflicht besteht lediglich dann, wenn rechtserhebliche Tatsachen nicht vorgebracht wurden (16 Ok 1/10; RIS-Justiz RS0122749; RIS-Justiz RS0122749). Die Anleitungspflicht nach § 182 ZPO geht auch nicht soweit, dass der Richter auf die Partei beratend einzuwirken hätte. Ein solche Anleitung würde die Besorgnis der Befangenheit auslösen und wäre als parteilich zu werten (16 Ok 8/08; 16 Ok 5/08; RIS-Justiz RS0108818). Das Gericht hat auch gegenüber Parteien, die durch einen Rechtsanwalt 4 vertreten sind, Anleitungs- und Belehrungspflichten. Gegenüber der BWB, die sich selbst im Verfahren vor dem KOG nicht durch Rechtsanwälte vertreten lassen muss (§ 49 Abs 1), besteht keine über die allgemeine Anleitungs- und Belehrungspflicht hinausgehenden erweiterte Manuduktionspflicht, wie sie sonst gegenüber rechtsunkundigen und nicht durch Rechtsanwälte vertretenen Parteien gem § 14 zweiter Satz AußStrG geboten ist (16 Ok 5/08).
III. Öffentlichkeit Verhandlungen in kartellgerichtlichen Verfahren sind öffentlich. Die 5 Öffentlichkeit kann – für die ganze Verhandlung oder für einzelne Tei581
§ 48 KartGGugerbauer le – ausgeschlossen werden, wenn dies zur Wahrung von Geschäftsoder Betriebsgeheimnissen notwendig ist. Dies von Amts wegen, wenn die Besorgnis besteht, dass die Öffentlichkeit der Verhandlung zur Erschwerung der Erhebung des Sachverhalts führen könnte (§ 19 Abs 2 lit 2 AußStrG), oder auf Antrag, aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 19 Abs 3 AußStrG) Ein Beschluss auf Ausschließung der Öffentlichkeit gem § 47 Abs 1 KartG iVm § 19 Abs 3 AußStrG ist nicht selbstständig anfechtbar (16 Ok 4/15x). 6 Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verkündung der Sachentscheidung in der mündlichen Verhandlung begründet keine Nichtigkeit, im AußStrG ist nicht normiert, dass sich die Ausschließung nicht auf die Verkündung der Sachentscheidung beziehen darf, und die Anwendung des § 172 Abs 3 ZPO ist im Verfahren außer Streitsachen nicht angeordnet (§ 19 Abs 5 AußStrG; 16 Ok 4/15x). 7 Regulatoren dürfen bei einer Verhandlung, deren Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, auch dann anwesend zu sein, wenn sie nicht Partei des Verfahrens sind, sie unterliegen der Amtsverschwiegenheit.
IV. Schluss des Verfahrens 8 Im Außerstreitverfahren ist – im Gegensatz zum Streitverfahren – kein förmlicher Schluss des Verfahrens vorgesehen. Es reicht, wenn das Erstgericht lediglich die „heutige Verhandlung“ für geschlossen erklärt hat (16 Ok 8/10).
Einstweilige Verfügungen § 48. (1) Soweit die Voraussetzungen für die Abstellung einer Zuwi-
derhandlung bescheinigt sind, hat das Kartellgericht auf Antrag einer Partei die erforderlichen Aufträge mit einstweiliger Verfügung zu erteilen. (2) Der Antragsgegner ist vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu hören. Der Rekurs gegen eine solche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Kartellgericht hat auf Antrag des Rekurswerbers dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dies unter Abwägung aller beteiligten Interessen gerechtfertigt ist.
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Einstweilige Verfügungen
§ 48 KartG
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Bescheinigung....................................................................................... 3–7 II. Rechtliches Gehör................................................................................ 8–9 III. Grenzen der Verfügung...................................................................... 10–11 IV. Kostenersatz ......................................................................................... 12–14 V. Rechtsmittel.......................................................................................... 15–17 VI. Schadenersatz....................................................................................... 18–19
Die Bestimmungen der EO über Einstweilige Verfügungen (§§ 378 bis 1 402 EO) sind subsidiär auch auf Einstweilige Verfügungen nach dem KartG anzuwenden (vgl 16 Ok 1/00; 16 Ok 9/03). Vor Einleitung des Hauptverfahrens wäre grundsätzlich das Bezirksgericht des allgemeinen Gerichtsstands für Anträge auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung zuständig. Nach § 387 Abs 3 EO ist aber das Gericht, das in einer nach dem UWG anhängigen Streitsache für die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung zuständig wäre, anzurufen. Analog ist daher auch in Kartellsachen vor Einleitung des Hauptverfahrens das KartGer für die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung nach dem KartG als zuständig anzusehen. Der Antrag hat nach § 389 EO die begehrte Verfügung, die Zeit, für die 2 sie beantragt wird, sowie den behaupteten (oder bereits zuerkannten) Anspruch und die den Antrag begründenden Tatsachen zu enthalten. Bei Formmängeln ist eine Verbesserung des Antrags möglich, bei Inhaltsmängeln ist zu berücksichtigen, dass die Effektivität einer Provisorialmaßnahme von einer raschen Entscheidung ab hängt. Gegebenenfalls ist auch die Zurückweisung von Anträgen bzw Schriftsätzen zulässig (16 Ok 12/13). Räumt das KartGer der Gegnerin der gefährdeten Partei aber eine vierwöchige Äußerungsfrist ein, deutet dies darauf hin, dass die Entscheidung im Provisorialverfahren nicht von vornherein als besonders dringlich eingestuft wird. Wird dann eine rund zwei Wochen nach der letzten Äußerung bzw Urkundenvorlage der Gegnerin der gefährdeten Partei eingelangte weitere Äußerung der Antragstellerin zu den Argumenten der Gegnerin der gefährdeten Partei nicht berücksich583
§ 48 KartGGugerbauer tigt, obwohl das KartGer seine Feststellungen auch auf die Gegenäußerung und die damit vorgelegten Urkunden stützt, liegt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor (16 Ok 12/13).
I. Bescheinigung 3 Für die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung nach § 48 KartG ist nur die Bescheinigung der Zuwiderhandlung, also etwa des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, erforderlich (16 Ok 1/12; 16 Ok 6/08). Die Bescheinigungsmittel müssen parat sein, es gibt keinen Untersuchungsgrundsatz (Okt 1/89, Okt 2/89). Eine Bescheinigung der Gefährdung wird nicht vorausgesetzt. 4 Bei Verhinderung einer Auskunftsperson (eines Zeugen oder einer Partei) hat keine Verlegung bzw Erstreckung einer zur Anhörung vorgesehenen Tagsatzung zu erfolgen (16 Ok 5/02). Die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens ist kein parates Bescheinigungsmittel. Befindet sich ein Sachverständigengutachten in einem Vorakt, wird mit dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung die Beischaffung dieses Aktes zur Einsichtnahme in das Gutachten beantragt und ist die Beischaffung ohne weitere Verzögerung möglich, ist dies entsprechend zu veranlassen. 5 Ohne entsprechendes Antragsvorbringen ist das KartGer nicht verpflichtet, im Provisorialverfahren von Amts wegen Feststellungen zu treffen (16 Ok 1/09). Im Hinblick auf den im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 16 AußStrG) sind offenkundige Tatsachen in einem Sicherungsverfahren aber zu berücksichtigen, dabei kommt es nicht darauf an, ob diese durch ausdrückliche Parteienbehauptungen gedeckt sind (vgl 16 Ok 6/08). 6 Im Hinblick auf die typische Beweisferne eines Antragstellers und die Beweisnähe eines Antragsgegners (1 Ob 532/94, SZ 67/9) kommt es bei einem echten Bescheinigungsnotstand dahingehend zu einer „Beweis erleichterung“, dass Tatsachen mittels Prima-facie-Beweises mittelbar wahrscheinlich gemacht werden können (16 Ok 11/02). Gelingt eine Prima-facie-Bescheinigung, kann der Antragsgegner, eine Gegenbescheinigung versuchen. 7 Nach der rechtskräftigen Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung ist ein neuerlicher Provisorialantrag zum glei584
Einstweilige Verfügungen
§ 48 KartG
chen Sachverhalt nicht zulässig (26 Kt 525/97; 27 Kt 177 – 179/99). Nachträgliche Änderungen im Sachverhalt ermöglichen aber eine neue Antragstellung.
II. Rechtliches Gehör Der Antragsgegner ist vor Erlassung einer Einstweiligen Verfügung zu 8 hören, ein Widerspruchsverfahren ist daher nicht vorgesehen. Das KartGer muss der gefährdeten Partei die Äußerung des Gegners zum Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung nicht zustellen (um diesem eine Gegenäußerung zu ermöglichen). Das Provisorialverfahren zielt – als Eilverfahren – darauf ab, raschen Rechtsschutz zu ermöglichen. Zur Wahrung der Rechte nach Art 6 MRK ist das Hauptverfahren vorgesehen, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt nur eingeschränkt (Abs 2 Satz 1, vgl 16 Ok 1/99). Trotz eines entsprechenden Antrags muss daher im Verfahren über einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung auch keine mündliche Verhandlung anberaumt werden. Wenn ein Rekursgericht in einem zweiseitig geführten Sicherungsver- 9 fahren beabsichtigt, seine Entscheidung auf Bescheinigungsmittel zu stützen, zu denen die gegnerische Partei in erster Instanz nicht Stellung nehmen konnte, ist dieser vor der Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung zu geben (RIS-Justiz RS0126204).
III. Grenzen der Verfügung Eine Einstweilige Verfügung darf nicht über den Antrag hinausgehen 10 und – nach § 379 und nach § 381 Z 1 EO – der Endentscheidung nicht vorgreifen; durch sie darf nichts bewilligt werden, was die gefährdete Partei erst im Wege der Exekution erzwingen könnte (16 Ok 1/09). Dient die Einstweilige Verfügung aber zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden und unwiederbringlichen Schadens iSd § 381 Z 2 EO, kann sie auch bewilligt werden, wenn sie sich mit dem im Hauptverfahren angestrebten Ziel deckt (16 Ok 1/09). Es darf nur keine Sachlage geschaffen werden, die im Fall einer die Einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Sachentscheidung (zB Abweisung eines Abstellungsantrages) nicht rückgängig gemacht werden könnte (4 Ob 180/99w; 4 Ob 134/06v). Unzulässig sind alle Provi585
§ 48 KartGGugerbauer sorialmaßnahmen, die unwiederbringliche, irreparable Eingriffe in die Rechtssphäre des Antragsgegners nach sich ziehen (16 Ok 1/09). Es darf also beispielsweise nicht die Löschung einer Firma im Firmenbuch (3 Ob 727/54 = SZ 27/317; 4 Ob 321/73; 4 Ob 339/98a) oder die Löschung einer Domain aufgetragen werden (4 Ob 166/00s). Ist eine untersagte Handlung später nicht mehr nachholbar, ist ein Unterlassungsgebot als Provisorialmaßnahme auch unter den Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO nicht zulässig. 11 Durch die vorläufige Untersagung eines Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung wird der endgültigen Entscheidung nicht vorgegriffen. Eine Einstweilige Verfügung kann den Missbrauch daher auch vorläufig in vollem Umfang untersagen (Okt 46/90). Im Zusammenhang mit der Zusammenschlusskontrolle ist eine Einstweilige Verfügung im Abstellungsverfahren bei verbotener Durchführung eines Zusammenschlusses nach § 17 zulässig (§ 19 Abs 3).
IV. Kostenersatz 12 In der Auflistung der Verfahren mit Kostenersatz des § 41 werden Provisorialverfahren zwar nicht berücksichtigt, die für den Kostenersatz im Provisorialverfahren geltenden Bestimmungen der EO wenden jedoch in der kartellgerichtlichen Praxis analog mit der Begründung angewandt, dass diesbezüglich eine planwidrige Gesetzeslücke vorliege (Okt 3/93). Dies jedenfalls bei mutwilliger Rechtsverfolgung oder -verteidigung (RIS-Justiz RS0113721). 13 Einstweilige Verfügungen werden (zunächst) stets auf Kosten der antragstellenden Partei erlassen, für den Fall des Obsiegens der Antragstellerin im Provisorialverfahren ist zunächst ein Kostenvorbehalt auszusprechen (vgl 16 Ok 1/96). Diese Kosten können der der antragstellenden Partei entsprechend den Voraussetzungen des § 41 im Rahmen des Hauptverfahrens zugesprochen werden. 14 Auch über einen allfälligen Kostenersatzanspruch des Gegners der gefährdeten Partei ist nach den Kostenersatzbestimmungen des Verfahrens in der Hauptsache zu befinden. Zu einer Kostenersatzpflicht der (unterlegenen) antragstellenden Partei kommt es daher nur im Fall mutwilliger Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (vgl 16 Ok 1/12). 586
Einstweilige Verfügungen
§ 48 KartG
V. Rechtsmittel Ein Rekurs gegen eine Einstweilige Verfügung hat keine aufschiebende 15 Wirkung (Abs 2 Satz 2). Sie kann aber auf Antrag des Rekurswerbers zuerkannt werden, soweit dies unter Abwägung aller beteiligten Interessen gerechtfertigt erscheint. Der Antragsgegner ist vor Erlassung einer Einstweiligen Verfügung zu hören (Abs 2 Satz 1), das Rechtsmittelverfahren ist daher grundsätzlich zweiseitig. In Sicherungsverfahren kommt es zu keiner Überprüfung der Beweis- 16 würdigung durch das KOG, soweit das KartGer den Sachverhalt auf Grund vor ihm abgelegter Aussagen von Auskunftspersonen als bescheinigt angenommen hat (vgl 16 Ok 20/97). Eine Einstweilige Verfügung kann auch dann aufgehoben oder einge- 17 schränkt werden, wenn sie weitergehend erlassen wurde, als zur Sicherung notwendig gewesen wäre, wenn sich inzwischen die Verhältnisse derart geändert haben, dass es des Fortbestands der Einstweiligen Verfügung nicht mehr bedarf, oder wenn der geltend gemachte Hauptanspruch rechtskräftig aberkannt wurde (vgl § 399 EO; 16 Ok 15/97).
VI. Schadenersatz Eine Junktimierung Einstweiliger Verfügungen mit einer Sicherheits- 18 leistung der gefährdeten Partei ist nicht vorgesehen. Hinsichtlich einer späteren finanziellen Abgeltung ist zu berücksichtigen, dass bei Einstweiligen Verfügungen des KartGer § 394 EO nicht anzuwenden ist (vgl 16 Ok 9/03). Für den Fall, dass der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch 19 rechtskräftig aberkannt wird oder ihr Ansuchen sich sonst als unberechtigt erweist, sieht § 394 EO einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch vor. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung ist aber unter Berücksichtigung von § 144a Abs 7 StPO zu verneinen (16 Ok 9/03). Dort ist ausdrücklich geregelt, dass der Bund für Vermögensnachteile, die durch die Anordnung einer Einstweiligen Verfügung, ihren Vollzug oder durch die Entscheidung über ihre Aufhebung verursacht werden, alleine nach dem AHG haftet. Die im öffentlichen Interesse liegende Durchsetzung des Kartellrechts durch die Amtsparteien würde empfindlich beeinträchtigt, wenn diese Behörden unter der 587
§ 49 KartGGugerbauer strengen Haftung des § 394 EO stehen würde. Gegen die Annahme einer verschuldensunabhängigen Haftung anderer Parteien eines kartellgerichtlichen Verfahrens steht der Gleichheitssatz.
Rechtsmittelverfahren § 49. (1) Die Amtsparteien (§ 40) müssen sich auch im Verfahren
vor dem Kartellobergericht nicht durch Rechtsanwälte vertreten lassen. (2) Die Rekursfrist gegen Endentscheidungen beträgt vier Wochen, die Rekursfrist gegen einstweilige Verfügungen, Entscheidungen nach § 37 Abs. 2 oder Zwischenerledigungen vierzehn Tage. Die anderen Parteien können binnen der jeweils selben Frist nach der Zustellung des Rekurses eine Rekursbeantwortung einbringen. (3) Der Rekurs kann sich auch darauf gründen, dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der Entscheidung des Kartellgerichts zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Rechtsmittellegitimation................................................................. 1–3 II. Beschwer............................................................................................. 4–10 III. Form und Inhalt des Rechtsmittels................................................ 11–16 IV. Anfechtbare Beschlüsse ................................................................... 17–18 V. Rekursgründe.................................................................................... 19–59 A. Nichtigkeit.................................................................................... 20–25 B. Mangelhaftigkeit des Verfahrens............................................... 26–41 1. Rechtliches Gehör................................................................... 27–29 2. Nichterledigung von Anträgen............................................ 30–35 3. Mündliche Verhandlung........................................................ 36–39 4. Überraschungsentscheidung................................................. 40–41 C. Unrichtige rechtliche Beurteilung............................................ 42–49 D. Erhebliche Bedenken gegen zugrunde gelegte Tatsachen..... 50–59 VI. Rekurs gegen eine Geldbuße........................................................... 60–62
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Rechtsmittelverfahren
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VII. Rekurs im Provisorialverfahren..................................................... 63–64 VIII. Nebenintervention............................................................................ 65 IX. Neuerungsverbot.............................................................................. 66–69 X. Rekursfrist.......................................................................................... 70–73 XI. Rekursbeantwortung....................................................................... 74–75 XII. Vorabentscheidung........................................................................... 76–78 XIII. Rekursentscheidung......................................................................... 79–81
I. Rechtsmittellegitimation Im Außerstreitverfahren und damit auch im kartellgerichtlichen Ver- 1 fahren gibt es keine „abstrakten“ Anfechtungsgründe, die selbst dann zur Aufhebung einer Entscheidung führen, wenn diese inhaltlich richtig ist (16 Ok 6/09). Es ist nicht Aufgabe des KOG, rein theoretische Fragen zu entscheiden, grundsätzlich kann daher nur ein durch einen Spruch Beschwerter ein Rechtsmittel ergreifen (16 Ok 7 bis 13/11; 16 Ok 1/07; RIS-Justiz RS0002495): Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre des Rekurswerbers, eine Verletzung des Anspruchs des Rekurswerbers auf Rechtsschutz (16 Ok 7 bis 13/11; RIS-Justiz RS0006497). Für die Erhebung eines Rekurses gegen eine Entscheidung des KartGer 2 sind neben den Verfahrensparteien gegebenenfalls auch sonstige Personen legitimiert, deren rechtlich geschützte Stellung durch einen Beschluss des KartGer unmittelbar berührt wird (beispielsweise ein Zeuge durch eine Ordnungsstrafe, oder ein Sachverständiger durch die – seinem Antrag nicht Rechnung tragende – Festsetzung seiner Gebühren). Den Amtsparteien des Kartellverfahrens obliegt es nach den Gesetz 3 (§ 75 Abs 1; § 1 Abs 1 WettbG), funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und das öffentliche Interesse in Angelegenheiten des Wettbewerbsrechts zu vertreten. Werden durch eine kartellgerichtliche Entscheidung solche öffentlichen Interessen berührt, sind die Amtsparteien befugt, diese Entscheidung mit Rekurs zu bekämpfen, es sei denn, es fehlt ihnen ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis (16 Ok 1/07). Im Rahmen dieser Interessenwahrnehmung sind Amtsparteien auch in solchen kartellgerichtlichen Verfahren zum Rekurs legitimiert, an denen sie sich bis dahin nicht beteiligt haben (vgl 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Dazu reicht es, dass das Verfahren noch anhängig ist und eine Amtspartei dem Spruch der Entscheidung fristgerecht entgegentritt und mit dem Rekurs deren Abänderung oder Aufhebung begehrt (16 Ok 6/10). 589
§ 49 KartGGugerbauer
II. Beschwer 4 Das vom KOG vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis eines Rekurswerbers (16 Ok 12/08; 16 Ok 1/07), die Beschwer, wird vor der meritorischen Beurteilung des Rekurses geprüft. Die Beschwer muss bei Einlangen des Rechtsmittels und auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen (16 Ok 7 bis 13/11; RIS-Justiz RS0006497). Dabei ist der Spruch der angefochtenen Entscheidung maßgebend, aus den Entscheidungsgründen kann in der Regel keine Beschwer abgeleitet werden, Entscheidungsgründe als solche sind kein Objekt eines Rechtsmittels (16 Ok 6/10; RIS-Justiz RS0041735). Die Frage, ob eine Partei beschwert ist, ist nur dort zu verneinen, wo die Rechtsstellung der Beteiligten nicht gefährdet ist (16 Ok 1/07). Ein kleinlicher Maßstab ist zu vermeiden. Wurde ein Rekurs aber von einer Partei eingebracht, der das Rechtschutzbedürfnis, die Beschwer, gänzlich fehlt, ist der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen (16 Ok 1/07; RIS-Justiz RS0006598). Die Zurückweisung ist auch dann geboten, wenn das Anfechtungsinteresse nach dem Einlangen des Rekurses wegfällt (16 Ok 8/03, 16 Ok 7/03). 5 Zunächst ist die formelle Beschwer zu beachten. Formelle Beschwer liegt vor, wenn der Beschluss von einem im Verfahren erster Instanz gestellten Antrag des Rekurswerbers abweicht, wenn der Rechtmittelwerber durch die angefochtene Entscheidung nicht alles erhalten hat, was er begehrt hat (16 Ok 12/08). Für die Rechtsmittellegitimation einer Amtspartei reicht es, dass wegen einer Berührung öffentlicher Interessen ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (16 Ok 1/07), formelle Beschwer genügt (16 Ok 6/10). 6 Materielle Beschwer liegt vor, wenn durch den Beschluss rechtlich geschützte Interessen des Rekurswerbers beeinträchtigt werden. Es muss ein subjektives Recht beeinträchtigt werden, die Berührung ideeller oder sonstiger Interessen alleine genügt nicht. Beispielsweise kann ein Rechtsmittelwerber durch eine – entgegen seinem Antrag – unterlassene Beweisaufnahme nicht – materiell – beschwert sein, wenn der entsprechende Sachverhalt vom KartGer ohnedies festgestellt wurde (16 Ok 4/03). Dann liegt zwar formelle, aber nicht materielle Beschwer vor. Wurde von einer Partei im Verfahren vor dem KartGer eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten, kann dies dann, wenn das KartGer dieser Rechtsansicht folgt, vom KOG nicht als Rechtsmittelverzicht (und fehlende materielle Beschwer) beurteilt werden (vgl 16 Ok 1/07). 590
Rechtsmittelverfahren
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Verpflichtet ein vom KartGer erlassener Abstellungsauftrag nur einen Antragsgegner, sind weitere Antragsgegner in ihrer Rechtsposition durch diesen Beschluss nicht beeinträchtigt. Ihr Rechtsmittel ist daher mangels Beschwer unzulässig (16 Ok 20/04). In Zusammenschlusskontrollverfahren vor dem KartGer fällt die die 7 Beschwer der Anmelder weg, wenn das Verfahren etwa durch die Zurückziehung des Prüfungsantrags oder eine Einstellung nach § 14 Abs 1 KartG beendet wurde (16 Ok 6/06). Wird ein (Zusammenschlusskontroll-)Verfahren wegen der Zurücknahme ihres Prüfungsantrages eingestellt, fehlt der Amtspartei für einen Rekurs gegen einen vor der Einstellung ergangenen verfahrensrechtlichen Beschluss die Beschwer (16 Ok 6/06). Die Zurückziehung des Antrags auf Prüfung eines Zusammenschlusses führt aber nicht immer (nicht bei allen Verfahrensparteien) zum Wegfall einer Beschwer. Haben die Anmelder gegenüber der BWB, die einen Prüfungsantrag gestellt hat oder stellt, die Zusage gemacht, bestimmte Auflagen einzuhalten, die aber außer Kraft treten sollen, falls das KartGer oder das KOG rechtskräftig das Nichtvorliegen eines Zusammenschlusses iSv § 7 feststellen sollte, und zieht die BWB in der Folge ihren Prüfungsantrag zurück, fällt die Voraussetzung für eine kartellgerichtliche Beschlussfassung weg. Damit kommt den Anmelderinnen aber ein rechtliches Interesse an der (gesondert zu beantragenden) Feststellung zu, ob es sich bei der angemeldeten Transaktion um einen Zusammenschluss iSv § 7 handelt (16 Ok 12/08). Wurde von einer Amtspartei zwar die Verhängung einer Geldbuße, 8 aber nicht die Verhängung einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe beantragt, genügt für die Erhebung eines Rechtsmittels der Amtspartei das Vorliegen materieller Beschwer. Das Kriterium der materiellen Beschwer erfordert nicht einen Eingriff in die eigene individuelle Rechtsposition der Amtspartei; es genügt, dass dieser Eingriff von der betreffenden Amtspartei wahrzunehmende öffentliche Interessen betrifft. Dass die Höhe einer im kartellgerichtlichen Verfahren zu verhängenden Geldbuße von den Amtsparteien wahrzunehmende Interessen (§ 75 Abs 1) betrifft, kann keinem Zweifel unterliegen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Hat das KartGer für den Fall der Nichtbefolgung eines erteilten (Ver- 9 besserungs-)Auftrags die Zurückweisung des gestellten Antrags angedroht, würde erst eine derartige Zurückweisung in die Rechte des Antragsstellers eingreifen (Okt 8/91). 591
§ 49 KartGGugerbauer 10 Hat das KartGer einen Sicherungsantrag abgewiesen, nachdem eine rechtskräftig erlassene Einstweiligen Verfügung eines Zivilgerichts (insbesondere im Rahmen eines Verfahrens nach dem UWG) dasselbe Rechtsschutzziel verwirklicht hat, ist die Beschwer zu verneinen (16 Ok 4/02; vgl auch 16 Ok 19/03).
III. Form und Inhalt des Rechtsmittels 11 Der Rekurs ist in Form eines Schriftsatzes beim KartGer einzubringen (§ 47 AußStrG), das Wort „eines“ hat auch numerische Bedeutung, Nachträge oder Ergänzungen zum Rekurs sind zurückzuweisen (16 Ok 9/08;16 Ok 10/09; RIS-Justiz RS0041666). Die Replik eines Rekurswerbers auf eine Rekursbeantwortung wie auch eine Gegenäußerung auf eine solche Replik sind unbeachtlich (vgl 16 Ok 10/05; 16 Ok 3/03). Eine als „Rekursbeantwortung“ bezeichnete Äußerung einer Amtspartei zum Rekurs einer Verfahrenspartei nach § 36 Abs 4 Z 4 ist als Rekurs aufzufassen, wenn sie inhaltlich das Vorbringen des Rekurses unterstützt und sich daher gegen die Entscheidung des KartGer richtet. Wurde sie allerdings nicht innerhalb der Rekursfrist eingebracht, ist sie als verspätet zurückzuweisen (16 Ok 5/07). 12 Zu den allgemeinen Rechtsmittelerfordernissen zählen die Rekurserklärung (inwieweit die Entscheidung angefochten wird), Rekursgründe, sowie ein Rekursantrag (auf Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses). Der Rekurs muss also hinreichend erkennen lassen, aus welchen Gründen sich der Rekurswerber beschwert erachtet, inwieweit er eine andere Entscheidung anstrebt (Rekursantrag). Für die Beurteilung des Umfangs der Anfechtung kommt es auf den gesamten Inhalt des Rechtsmittels an. Ist der Umfang der Anfechtung nicht konkretisiert, ist davon auszugehen, dass der bekämpfte Beschluss zur Gänze bekämpft wird (16 Ok 4/15x; 2 Ob 192/08m mwN). 13 Beruft sich ein Rekurswerber in seinem Rechtsmittel auf Ausführungen in einem während des Verfahrens erster Instanz beim KartGer eingebrachten Schriftsatz oder auf mündliches Vorbringen, ist dies unbeachtlich. Ein Rechtsmittel ist eine selbstständige Verfahrenshandlung, die durch einen Verweis auf früheres Vorbringen weder ersetzt noch ergänzt werden kann (16 Ok 1/11; 16 Ok 12/08; RIS-Justiz RS0043579). Auch die Erklärung einer Verfahrenspartei (auch einer Amtspartei), den Ausführungen einer anderen Verfahrenspartei in deren Rekurs592
Rechtsmittelverfahren
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schrift „beizutreten“, ist eine unzulässige Verweisung (vgl 16 Ok 13/08). Fehlt ein als notwendiger Inhalt zu qualifizierendes Vorbringen, ist ein 14 Verbesserungsverfahren durchzuführen (vgl § 54 Abs 1 Z 2 AußStrG). Rekurse sind durch das KOG zurückzuweisen, wenn sie – trotz durchgeführten Verbesserungsverfahrens – nicht gesetzeskonform sind (§ 54 Abs 1 Z 2 AußStrG). Ein Mangel dahingehend, dass der Rekurswerber (nur) auf anderes Vorbringen verwiesen hat, ist von vorneherein nicht verbesserungsfähig (16 Ok 1/11; RIS-Justiz RS004357). Der Rekurs ist aufsteigend und aufschiebend (soweit nicht die vorläufi- 15 ge Vollstreckbarkeit angeordnet wurde). Ein Antrag auf Protokollergänzung bzw -berichtigung muss vor der Rekursentscheidung vom Erstgericht erledigt werden, wenn die begehrte Protokollergänzung nicht jedenfalls von vorneherein völlig ungeeignet erscheint, eine andere Entscheidung herbeizuführen (16 Ok 3/00). Das Rekursverfahren vor dem KOG ist ein reines Aktenverfahren 16 (16 Ok 14/04). Bedarf die Entscheidung noch weiterer Erörterungen mit den Parteien, ist die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen (16 Ok 3/05).
IV. Anfechtbare Beschlüsse Zwischenerledigungen im Laufe eines anhängigen Verfahrens sind 17 grundsätzlich nicht gesondert anfechtbar (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 5/14t). Dies betrifft alle Entscheidungen im Sinne des § 62 Abs 1, die nicht „in der“ oder „über die“ Sache ergehen, die nicht einmal teilweise die Erledigung der Sache bedeuten, also verfahrensleitende Beschlüsse, die der zweckmäßigen Verfahrensgestaltung oder der Stoffsammlung dienen (etwa Beschlüsse über eine Fristverlängerung zur Verbesserung des Antragsvorbringens, Beschlüsse betreffend die Beauftragung eins Sachverständigen, Beweisbeschlüsse, etc; 16 Ok 5/15v). Zwischenerledigungen trifft stets der Senatsvorsitzende alleine (§ 62 Abs 1). Beschlüsse iZm der Unterbrechung (§ 26 Abs 4 AußStrG), dem Ruhen (§ 28 Abs 6 AußStrG) oder dem Innehaltung des Verfahrens sind dagegen nach dem allgemeinen Teil des AußStrG gesondert anfechtbar. Dies trifft auch auf Einstweilige Verfügungen oder Beschlüsse über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung einer Entscheidung zu. 593
§ 49 KartGGugerbauer 18 Zwischenerledigungen führen kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 5/14t). Nach dem Außerstreitgesetz ist ein nicht abgesondert anfechtbarer Beschluss nicht gleichzeitig mit der nächsten selbständig anfechtbaren Entscheidung (vgl § 515 ZPO), sondern erst mit der jeweiligen Endentscheidung bekämpfbar (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k).
V. Rekursgründe 19 Als Rekursgründe kommen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens (zu von Amts wegen wahrzunehmenden Verfahrensverletzungen vgl § 55 Abs 3 AußStrG, Nichtigkeitsgründe werden im AußStrG nicht gesondert erwähnt), unrichtige rechtliche Beurteilung und Aktenwidrigkeit in Frage.
A. Nichtigkeit 20 § 56 Abs 1 AußStrG sieht die Aufhebung eines Beschlusses wegen Nichtigkeit vor, wenn über eine Sachen entschieden wurde, die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört, der inländischen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen oder bereits rechtskräftig entschieden ist oder unter Verzicht auf den Anspruch zurückgezogen wurde (16 Ok 8/07). Die Wahrnehmung einer Nichtigkeit setzt das Vorliegen eines zulässigen Rechtsmittels voraus (RIS-Justiz RS0041907). Der in der Unzuständigkeit des Erstgerichts liegende Nichtigkeitsgrund ist aber, solange keine Heilung eingetreten ist, in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (16 Ok 3/08). 21 Das Gericht eines EU-Mitgliedstaates wird „zuständig“, wenn sich ein Beklagter trotz Unzuständigkeit „auf das Verfahren einlässt“ (Art 24 EuGVVO). Der Beklagte muss zur Vermeidung einer solchen Heilung grundsätzlich während des gesamten Verfahrens an seinem Einwand der internationalen Unzuständigkeit festhalten. Die Unterlassung der ausdrücklichen Aufrechterhaltung eines in erster Instanz erhobenen Einwands in der Rekursbeantwortung ist keine (vorbehaltslose) Einlassung in das Verfahren (16 Ok 3/08). 22 § 57 Z 1 AußStrG sieht eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Rückverweisung an das KartGer vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicher594
Rechtsmittelverfahren
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heit vorgenommen werden kann, wenn der Beschluss mit sich selbst in Widerspruch steht oder – außer in den Fällen des § 39 Abs 4 AußStrG – keine Begründung enthält und wenn diese Mängel auch nicht durch eine Berichtigung des Beschlusses behoben werden können. Damit entspricht die Norm im Wesentlichen § 477 Abs Z 9 ZPO (RIS-Justiz RS0121710). Bei einander widersprechenden Beweisergebnissen hat der Richter sei- 23 nen Entscheidung jenen Sachverhalt zugrunde zu legen, den er nach bestem Wissen und Gewissen für wahr hält, während die gegenteiligen Beweisergebnisse nicht in die Entscheidung einfließen. Dieser Auswahlvorgang ist zu begründen (16 Ok 1/05). Ist die Entscheidung so unzureichend begründet, dass sie sich nicht überprüfen lässt, ist die Entscheidung nichtig, aber nicht schon dann, wenn eine mangelhafte Begründung vorliegt (16 Ok 4/15x; RIS-Justiz RS0007484; RS0042133). Ein relevanter Begründungsmangel liegt nicht vor, wenn die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht gehindert wird (RIS-Justiz RS012171 [T1]; 16 Ok 9/16h). Wurde das rechtliche Gehör gänzlich verletzt, der Sachantrag dem (po- 24 tenziellen) Antragsgegner nicht zugestellt und der Antragsgegner nicht geladen, tritt Nichtigkeit der Sachentscheidung ein, die vom Amts wegen wahrzunehmen ist. Das Fehlen des Zusatzes „als Kartellgericht“ im Kopf der Entschei- 25 dung begründet keine Nichtigkeit, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass das OLG Wien als KartGer iSd § 58 Abs 1 tätig wurde (16 Ok 4/08).
B. Mangelhaftigkeit des Verfahrens Gegenstand der Anfechtung einer Entscheidung wegen eines Verfah- 26 rensmangels können immer nur Fehler des Gerichts (also nicht Fehler, etwa Unterlassungen, einer Partei) sein. Voraussetzung ist, dass ein derartiger Fehler abstrakt dazu geeignet ist, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu verhindern (vgl 16 Ok 11/16b; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Ein Rekurswerber hat die die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels in seinem Rekurs „ausreichend darzutun“ (16 Ok 8/10; RIS-Justiz RS0043027) und auszuführen, in welchem Punkt das Ergebnis des Verfahrens für ihn günstiger gewesen 595
§ 49 KartGGugerbauer wäre, wären die gerügten angeblichen Verfahrensfehler unterblieben (16 Ok 5/09; RIS-Justiz RS0043027). 1. Rechtliches Gehör 27 Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist also nur dann wahrzunehmen, wenn sie einen Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (§ 57 Z 4 AußStrG). Aber nicht nur aufgrund eines entsprechenden Rechtsmittels, sondern auch von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens (16 Ok 9/08). 28 Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es genügt, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (16 Ok 5/09; 16 Ok 4/07; RIS-Justiz RS0074920). Für die Entscheidung unerhebliches Vorbringen muss nicht gehört werden (16 Ok 9/08). Hat nach Einbringung des Schriftsatzes einer Partei eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die andere Partei Gelegenheit gehabt hätte, ihre bisherigen Anträge zu modifizieren, kann von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (der anderen Partei, etwa dadurch, dass die Verhandlung geschlossen wurde) keine Rede sein (16 Ok 5/08). Das Vorbringen einer Partei, sie hätte bei einer zusätzlichen Äußerungsmöglichkeit weiteres „entsprechendes Vorbringen“ erstattet, das besonders relevant sei, reicht nicht für die Annahme einer Mangelhaftigkeit (16 Ok 8/10). Hatte ein Antragsgegner im Bußgeldverfahren Gelegenheit, eine ergänzende Vernehmung von Auskunftspersonen zu beantragen, wurde den Anforderungen eines fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK Rechnung getragen (16 Ok 4/07). 29 Wurde vom KartGer das rechtliche Gehör verletzt, ergibt sich im Rekursverfahren aber, dass der angefochtene Beschluss zu bestätigen oder ohne weitere Erhebungen abzuändern ist, hat das KOG in der Sache selbst zu entscheiden (§ 58 Abs 1 Z 1 und Abs 3 AußStrG). Dies unter der Voraussetzung, dass ausdrücklich vorgebracht wurde, welches Vorbringen bei Gewährung des rechtlichen Gehörs erstattet worden wäre und inwieweit dies Einfluss auf die Entscheidung gehabt hätte. 2. Nichterledigung von Anträgen 30 Die Nichterledigung von Sachanträgen als besondere Erscheinungsform der Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann grundsätzlich von allen 596
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Parteien des Verfahrens geltend gemacht werden (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Dieser Rekursgrund nach § 57 Z 3 AußStrG entspricht § 496 Abs 1 Z 1 ZPO. Prüfungsmaßstab sind dabei diejenigen Anträge, die Gegenstand des Spruchs einer gerichtlichen Entscheidung sein können. Zu prüfen ist, ob der Spruch der angefochtenen Entscheidung die Anträge der Parteien zur Gänze erledigt hat (16 Ok 11/16b). Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt beispielsweise vor, wenn das 31 KartGer ein Vorbringen des Antragstellers nicht berücksichtigt hat und die Berücksichtigung des Vorbringens zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung geführt hätte (Okt 7/93), oder wenn der Verfahrensgegenstand nach § 405 ZPO überschritten wird, also etwas zugesprochen wurde, was nicht beantragt war (16 Ok 51/05; RIS-Justiz RS0007501). Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt dagegen nicht vor, wenn die 32 bekämpften bzw vermissten Tatsachenfeststellungen für die Entscheidung nicht wesentlich sind (16 Ok 5/01); oder wenn das KartGer von der Einvernahme von Zeugen abgesehen hat, die beantragt worden ist, um die „Rechtsansicht“ des Antragstellers zu „bescheinigen“, die relevanten Rechtsvorschriften bedürfen keiner Ermittlung in einem Beweisverfahren (16 Ok 7/00). Wenn das Erstgericht in der Entscheidung über die Geldbuße teilweise 33 auf Feststellungen der Vorentscheidung (Abstellungsverfügung) verweist und wesentliche Elemente dieser Entscheidung vom Erstgericht sogar wörtlich wiedergegeben werden, wird die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht beeinträchtigt (16 Ok 3/06). Wenn in einem Rekurs nicht vorgebracht wird, auf welche inhaltlichen 34 Aspekte der Stellungnahme einer Verfahrenspartei der Sachverständige nicht eingegangen ist, ist die behauptete mangelhafte Erfüllung des Gutachtensauftrags nicht ausreichend dargetan (16 Ok 1/11). Widersprüche zwischen dem Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und einem Privatgutachten sollten im Sinne einer erschöpfenden Erörterung möglichst aufgeklärt werden, wurde vom Erstgericht aus Zeitgründen (etwa im Rahmen eines Zusammenschlusskon trollverfahrens) auf ein Privatgutachten nicht näher eingegangen, begründet dies keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (16 Ok 9/01). Keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt auch dann vor, wenn eine 35 Antragstellerin kein schlüssiges Vorbringen erstattet hat und das 597
§ 49 KartGGugerbauer KartGer deshalb von der Durchführung eines Beweisverfahrens Abstand nimmt (16 Ok 3/12; 16 Ok 8/08). 3. Mündliche Verhandlung 36 Nach § 47 KartG ist auf Antrag einer Partei zwingend mündlich zu verhandeln (16 Ok 51/05). Es liegt aber keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, weil die betreffende Partei eine solche gar nicht beantragt hatte, soweit das Erstgericht die entscheidungswesentlichen Rechtsfragen anhand der vorgelegten Urkunden beurteilen konnte (16 Ok 4/05); oder wenn Beweise außerhalb einer mündlichen Verhandlung aufgenommen wurden (§ 20 AußStrG; 16 Ok 4/08). 37 Es führt auch nicht zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn nicht alle an der Sachentscheidung beteiligten Senatsmitglieder an einer Verhandlung teilgenommen haben (16 Ok 6/09), es reicht ein beauftragter Richter. Das gilt umso mehr, wenn die Verhandlung lediglich der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens und der Einräumung der Möglichkeit zur Schlüssigmachung des Vorbringens der Antragsteller dient (16 Ok 4/08). 38 Wenn das KartGer lediglich die „heutige Verhandlung“ für geschlossen erklärt hat, das Verfahren dann aber ohne weitere Verhandlung beendet wird, begründet allein dies keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (16 Ok 8/10). 39 Dass im außerstreitigen Verfahren bei einer Befundaufnahme durch den Sachverständigen die Parteien anwesend sein müssten, dass der Sachverständige darüber ein Protokoll aufzunehmen habe und dass den Parteien ein Fragerecht an Auskunftspersonen zukomme, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (16 Ok 4/07). Ein Sachverständiger hat sich am Gutachtensauftrag zu orientieren, er hat keineswegs den Auftrag, auf alle Stellungnahmen der Parteien einzugehen (16 Ok 1/11). 4. Überraschungsentscheidung 40 § 182a ZPO verbietet Überraschungsentscheidungen. Dieses Verbot gilt über den Verweis des § 14 AußStrG auch im Außerstreitverfahren. Ein Rechtsmittelwerber, der eine Verletzung des § 182a ZPO rügt, muss im Rechtsmittel ausführen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er erstattet hätte, bzw welche konkreten Beweisanträge er ge598
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stellt hätte (RIS-Justiz RS0037325), hätte das Gericht mit ihm den späteren Ab- bzw Zurückweisungsgrund erörtert. Der Rechtsmittelwerber muss auch dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 9/15g). Wenn das KartGer dem Antragsteller keine Gelegenheit zu einer An- 41 tragsänderung gegeben hat, obwohl ihm die beantragte Maßnahme ungeeignet oder unzulässig erschien, liegt Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor (16 Ok 14/04) Hat das KartGer eine Amtspartei nicht aufgefordert hat, ihren bisherigen Bußgeld-Antrag der Höhe nach der geänderten Beweislage anzupassen, begründet dies aber keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor (16 Ok 5/08).
C. Unrichtige rechtliche Beurteilung Eine begründungslos bleibende Behauptung, es liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das KartGer vor, ist keine gesetzmäßige Ausführung des Rechtsmittelgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (vgl RIS Justiz RS0043605; 16 Ok 11/16b). Die Rechtsrüge ist auch dann nicht gesetzmäßig ausgeführt, wenn der Rekurswerber nicht von dem vom KartGer festgestellten Sachverhalt, sondern von einem von ihm behaupteten Sachverhalt ausgeht (16 Ok 1/10; RIS-Justiz RS0043312). Sachverhaltsfeststellungen früherer Entscheidungen in anderen Verfahren haben grundsätzlich keine Bindungswirkung für spätere Verfahren (16 Ok 6/08).
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Allerdings darf das Gericht aufgrund eigener Sachkenntnis aus früheren Verfahren gewonnene Erkenntnisse auch in späteren Verfahren verwerten. § 269 ZPO sieht auch im streitigen Zivilverfahren die Berücksichtigung gerichtsbekannter Tatsachen vor, ohne dass es besonderer Parteibehauptungen oder eines eigenen Beweisverfahrens bedürfte (16 Ok 6/08). Auch im Außerstreitverfahren kann das Gericht gem § 33 Abs 1 AußStrG von Erhebungen absehen, wenn es schon aufgrund offenkundiger Tatsachen oder unbestrittener und unbedenklicher Angaben einer oder mehrerer Parteien davon überzeugt ist, dass eine Behauptung für wahr zu halten ist.
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Vom KartGer muss nicht zu jeder von späteren Rekurswerber aufgeworfenen Frage eine eigene rechtliche Begründung abgegeben werden (RIS-Justiz RS0042203; 16 Ok 11/16b). Ein Verstoß gegen die Denkge-
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§ 49 KartGGugerbauer setze (die Schlussfolgerung des Gerichtes ist logisch unmöglich oder mit den Gesetzen der Logik und Erfahrung unvereinbar – vgl RIS-Justiz RS0043356) oder die allgemeine Lebenserfahrung begründet eine unrichtige rechtliche Beurteilung (16 Ok 9/15g; 16 Ok 5/07, 16 Ok 43/05; RIS-Justiz RS0043555). 45 Beispielsweise ist es eine Rechtsfrage, ob ein Bagatellkartell vorliegt, ob der von einem Vertragspartner geforderte Aufwand rechtlich und wirtschaftlich zumutbar ist, ob Vertragsbedingungen fair und angemessen sind oder ob durch Bildung eines Vereinbarungskartells eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt wird (16 Ok 4/03; 16 Ok 23/04). Und das Rückwirkungsverbot von Art 7 EMRK schließt nicht aus, dass das KartGer auf der Tatsachenebene in der Vergangenheit gesetzte Verhaltensweisen der Antragsgegnerin im Wege von Schlussfolgerungen als Indiz für eine umfassende Strategie heranzieht (16 Ok 3/06). 46 Auch die Anfechtung einer Sachentscheidung, die sich auf ein Sachverständigengutachten stützt, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist zulässig, wenn dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Befundaufnahme ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder gegen objektiv überprüfbare Gesetze sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (vgl 16 Ok 46/05 RIS-Justiz RS0043168). 47 Eine methodisch nachvollziehbare Tätigkeit der Sachverständigen, auf deren Befunden und gutachterlichen Schlussfolgerungen die Feststellungen des KartGer häufig beruhen, ist von zentraler Bedeutung. Besteht für eine Gutachtenserstattung keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, ist die Billigung des Ergebnisses eines Gutachtens eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0118604; 16 Ok 9/15g). Anders liegt der Fall, wenn eine grundsätzlich inadäquate Methode angewendet wurde (RIS-Justiz RS0010087; 16 Ok 9/15g), die Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode ist Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0124421). Das KOG kann die generelle Eignung einer bestimmten Methode eines Sachverständigen – zB die Eignung des Hypothetischen Monopolistentests für die Marktabgrenzung – überprüfen (16 Ok 8/10). 48 Die Frage, inwiefern ein Prima-facie-Beweis zulässig ist, ist als Frage der Verschiebung von Beweisthema und Beweislast eine solche der rechtlichen Beurteilung (16 Ok 11/02). Ein im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommener Sachverhalt kann aufgrund des im Hauptverfahren durchgeführten umfangreichen Beweisverfahrens teilweise ergänzt bzw berichtigt werden. Dann lassen sich die im Provisorialver600
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§ 49 KartG
fahren zum – als bescheinigt angenommenen – Sachverhalt getroffenen Aussagen nicht ohne weiteres auf die im Hauptverfahren getroffenen Tatsachenfeststellungen übertragen (16 Ok 1/10). Fehlen rechtlich erhebliche Feststellungen ist dies als Ausfluss einer un- 49 richtigen rechtlichen Beurteilung mit einer Rechtsrüge geltend zu machen (sekundäre Feststellungsmängel, vgl 16 Ok 10/13).
D. Erhebliche Bedenken gegen zugrunde gelegte Tatsachen Nach dem durch das KaWeRÄG 2017 neu eingeführten Abs 3 führt ein 50 Begründungsmangel in Anlehnung an die Regelung in § 281 Abs 1 Z 5a StPO jedenfalls dann zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn die Erwägungen des KartGer aufgrund der Aktenlage nicht nachvollzogen werden können, wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der Entscheidung des KartGer zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben (Grundsatz des Vorrangs der Sachentscheidung – 6 Ob 191/11y; 16 Ok 8, 9/13; 6 Ob 174/11y; 6 Ob 246/07f). Nur exakte und ausreichend begründete Rügen der Tatsachenfeststellung sind zulässig (vgl § 281 Abs 1 Z 5a StPO; RISRS0124172). Nicht jeder Zweifel an der Richtigkeit eines Beschlusses ist freilich relevant, sondern nur ein schwerwiegender („erheblicher“). Als entscheidend sind Tatsachen anzusehen, die entweder auf die Unterstellung des Sachverhalts unter eine bestimmte kartellrechtliche Verbotsnorm oder auf die anzuwendende Rechtsfolge (Abstellung, Feststellung, etc) Einfluss haben. Ob Tatsachen „entscheidend“ sind, ist nur auf der Grundlage des angefochtenen Beschlusses zu prüfen. Die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen sind mit dem 51 Inhalt des Aktes zu vergleichen. Wenn die dem Beschluss zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen auf der Außerachtlassung aktenkundiger Verfahrensergebnisse beruhen und sich mit einer lebensnahen, der allgemeinen menschlichen Erfahrung entsprechenden Beurteilung nicht oder nur schwer in Einklang bringen lassen, liegt ein Rekursgrund vor. Die Bedenken können sich sowohl aus nicht überzeugenden Erwägun- 52 gen und Schlussfolgerungen in der Begründung als auch daraus ergeben, dass das KartGer zwar in sich folgerichtig argumentiert hat, jedoch unter Außerachtlassung seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung 601
§ 49 KartGGugerbauer der Wahrheit die ihm zugänglichen Beweismittel, von denen es nach der Aktenlage Kenntnis haben konnte, nicht oder in erheblichen Punkten derart unvollständig ausgeschöpft hat, dass dadurch die Überzeugungskraft der Grundlagen für die Entscheidung wesentlich berührt wird. Offenkundige Tatsachen müssen also nicht durch ausdrückliche Par teienbehauptungen gedeckt sein. Das ergibt sich schon aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 16 AußstrG (16 Ok 6/08). 53 Es gehört beispielsweise zu den Tatsachenfeststellungen, ob eine vertragliche Übereinkunft oder Absprache vorliegt (16 Ok 1/13), welche Absicht eine Partei mit bestimmten Willenserklärungen oder Handlungen verband (16 Ok 5/07; vgl auch RIS-Justiz RS0043419; RIS-Justiz RS0043369), ob ein marktbeherrschendes Unternehmen eine bestimmte Maßnahme in Vernichtungsabsicht – dh im Rahmen einer Gesamtstrategie mit dem Ziel, die Konkurrentin auszuschalten – getroffen hat (16 Ok 43/05), ob Verdrängungsabsicht vorliegt (16 Ok 6/00), ob ein typischer Geschehensablauf vorliegt (16 Ok 11/02; vgl RIS-Justiz RS0040196; RIS-Justiz RS0022624). 54 Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn der Akteninhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig wiedergegeben wird (16 Ok 8/10; 16 Ok 15/08), wenn es für die bekämpften Tatsachenfeststellungen überhaupt keine beweismäßige Grundlage gibt (16 Ok 1/10), wenn das KartGer wegen eines bei Darlegung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtums Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage trifft (16 Ok 6/08), wenn also Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, weil der Inhalt eines bestimmten Aktenstücks, etwa einer Beweisurkunde, eines Protokolls oder eines Gutachtens, unrichtig wiedergegeben und in Folge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (vgl RIS-Justiz RS0041773). Der behauptete Widerspruch muss für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sein (16 Ok 5/08; RIS-Justiz RS0043421). 55 Aktenwidrigkeit liegt dagegen nicht vor, wenn das KartGer auf Grund richtig dargestellter Beweisergebnisse zu Feststellungen oder rechtlichen Schlussfolgerungen in einer bestimmten Richtung gelangt ist (16 Ok 8/10; 16 Ok 2/12; RIS-Justiz RS0043324), wenn ein Beweisergebnis übergangen wird (16 Ok 6/08), wenn eine allenfalls mögliche Feststellung nicht getroffen oder eine Feststellung durch Schlussfolgerung gewonnen wurde, mag diese auch unrichtig sein (RIS-Justiz RS0043347 [T20, T21]; 16 Ok 4/15x). Hat das KartGer den Inhalt eines 602
Rechtsmittelverfahren
§ 49 KartG
Schreibens an sich zutreffend wiedergegeben und nur keine weiteren Feststellungen zum Inhalt getroffen, obwohl dies nach der Aktenlage möglich wäre, ist schon begrifflich der Rekursgrund der Aktenwidrigkeit nicht verwirklicht (16 Ok 6/08). Tatsachenfeststellungen auf aktengemäßer Grundlage, die als Schlussfolgerungen das Ergebnis richterliche Werturteile sind, verwirklichen keine Aktenwidrigkeit. Daher kann nur die Verwertung einer Tatsache, die jeder Stütze in den Ergebnissen des Beweisverfahrens oder im sonstigen Akteninhalt entbehrt, eine Aktenwidrigkeit realisieren (16 Ok 7/07). Im Verfahren außer Streitsachen reicht es aus, wenn sich die Begründung eines angefochtenen Beschlusses aus der Aktenlage nachvollziehen lässt (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k). Eine offenbare Unrichtigkeit, die nicht auf einem richterlichen Gedankenfehler, sondern bloß auf einem offenkundigen Vergreifen im Ausdruck beruht, die sich also durch einen Berichtigungsbeschluss beseitigen lässt, begründet keine Aktenwidrigkeit. Das hat KOG an die Stelle der aktenwidrigen Feststellung die durch den Akteninhalt gedeckte Feststellung zu setzen. Demnach kann es – sofern die Entscheidungsgrundlage vollständig bleibt – sogleich in der Sache selbst entscheiden (16 Ok 4/07).
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Das KOG hat an die Stelle der aktenwidrigen Feststellung die durch den Akteninhalt gedeckte Feststellung zu setzen (16 Ok 4/07; RIS-Justiz RS0043396). Der Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit kann im Verfahren vor dem KOG nicht als Ersatz für eine unzulässige generelle Beweisrüge herangezogen werden. Erwägungen des KartGer, aus welchen Gründen ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden konnten, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung und bilden daher keine Aktenwidrigkeit (16 Ok 2/12; RIS-Justiz RS0043347). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist das KOG nicht berufen (RIS-Justiz RS0123662; 16 Ok 11/16b).
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Im außerstreitigen kartellgerichtlichen Verfahren ist eine Überprüfung der Beweiswürdigung jedenfalls soweit unzulässig, als die Tatsachenfeststellungen in erster Instanz nicht nur aufgrund der Aktenlage getroffen wurden (16 Ok 3/06, 16 Ok 20/04, 16 Ok 1/05; RIS-Justiz RS0109206). Eine Überprüfung der Beweiswürdigung ist ausgeschlossen, wenn das KartGer den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugen- und/oder Parteiaussagen als bewiesen oder bescheinigt angenommen hat (25 Kt 19/08; RIS-Justiz RS0109206). Bei widersprechen-
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603
§ 49 KartGGugerbauer den Aussagen ist letztlich der persönliche Eindruck von der Fähigkeit und dem Willen der einen oder anderen vernommenen Person zur objektiv wahrheitsgemäßen Wiedergabe von Zuständen oder Geschehensabläufen für die Beweiswürdigung ausschlaggebend (16 Ok 5/01). Das KOG kann aber selbst Zeugen oder Parteien nicht einvernehmen (16 Ok 11/03). 59 Eine Frage der Beweiswürdigung ist auch, ob jemand die für die Erfüllung der Aufgabe eines Sachverständigen notwendige Fachkunde hat (16 Ok 8/10); ob sich Befund und Gutachten trotz Einhaltung der rechtlich vorgezeichneten Ermittlungsgrundsätze zB auf eine zu geringe Anzahl von Befragten stützen (vgl 16 Ok 8/10); ob ein Sachverständigen Befund mit den gerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen übereinstimmt (16 Ok 8/10; 16 Ok 46/05; RIS-Justiz RS0043320); ob das Gutachten erschöpfend ist (16 Ok 8/10); ob an den Sachverständigen weitere Fragen zu richten wären (16 Ok 8/10); ob die Einholung eines Ergänzungsgutachtens erforderlich ist (16 Ok 8/10); ob die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen notwendig ist (16 Ok 8/10); ob einem Sachverständigen nicht zu folgen ist (16 Ok 8/10); ob das Sachverständigengutachten allein eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bietet oder die Aufnahme von weiteren Beweisen erforderlich ist (16 Ok 8/10), etwa die Einvernahme von Zeugen (16 Ok 15/08; RIS-Justiz RS0043371).
VI. Rekurs gegen eine Geldbuße 60 Die Überprüfung der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren stellt darauf ab, ob das KartGer bei der im obliegenden Ermessensentscheidung rechtlich korrekt alle gesetzlichen Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k; 16 Ok 5/10; 16 Ok 4/09). 61 Art 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (sofern man diese Bestimmung, wegen des strafrechtsähnlichen Charakters des Geldbußenverfahrens heranzieht) verlangt lediglich, dass überhaupt eine Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidung des Erstgerichts besteht. Die konkrete Ausgestaltung der Anrufung der zweiten Instanz obliegt dem Vertragsstaat. Es ist daher durchaus mit diesem Zusatzprotokoll vereinbar, wenn die Kognitionsbefugnis des KOG – weitgehend – auf Rechtsfragen beschränkt ist (vgl 16 Ok 8/07). 604
Rechtsmittelverfahren
§ 49 KartG
Ist dem KartGer bei der Bemessung der Geldbuße eines beteiligten Un- 62 ternehmens ein Rechenfehler unterlaufen, der zur Bevorzugung dieses Unternehmens geführt hat, kann ein anderes beteiligtes Unternehmen deshalb nicht – unter dem Aspekt der Gleichbehandlung – eine Herabsetzung seiner Geldbuße fordern. Die Geldbuße ist für jedes beteiligte Unternehmen individuell nach dessen Beitrag zum Zuwiderhandeln zu bemessen (16 Ok 5/08).
VII. Rekurs im Provisorialverfahren Art 6 EMRK ist auf das Sicherungsverfahren nicht anwendbar. Für rein 63 verfahrensrechtliche Entscheidungen sieht aber auch Art 6 EMRK keine Zweiseitigkeit des Rechtsmittels vor. Eine Rekursbeantwortung zu einem Rekurs gegen die Versagung der Zuerkennung aufschiebender Wirkung ist unzulässig (es liegt kein Fall nach § 402 EO bzw § 521a ZPO vor). (16 Ok 2, 3/09; RIS-Justiz RS0028350). Durch die Entscheidung über den Rekurs gegen eine Einstweilige Verfü- 64 gung ist gegebenenfalls auch ein Rekurs gegen die Versagung der Zuerkennung aufschiebender Wirkung erledigt (16 Ok 2, 3/09; 3 Ob 64/68).
VIII. Nebenintervention Im kartellgerichtlichen Verfahren ist eine Streitverkündung unzulässig 65 (16 Ok 9/09; 10 Ob 29/06x). Auch aus Sicht der EMRK ist die Zulässigkeit der Nebenintervention eine rein prozessuale Frage, sodass die Garantien des Art 6 EMRK nicht zur Anwendung kommen. Ein Recht auf Beitritt als Nebenintervenient bzw dessen Abwehr ist von der EMRK nicht geschützt (16 Ok 9/09; 6 Ob 236/06h). Die Zurückweisung einer Nebenintervention kann aber auch im Außerstreitverfahren abgesondert angefochten werden (16 Ok 9/09; 1 Ob 147/07k). Aufgrund eines Rekurses ist weder eine Entscheidung über die Sache, noch eine solche über die Kosten des Verfahrens zu treffen, daher ist keine Rekursbeantwortung einzuholen ( vgl 16 Ok 9/09).
IX. Neuerungsverbot Nach § 49 AußStrG sind neue Tatsachen und Beweismittel im Rekurs- 66 verfahren nur eingeschränkt zulässig, dies gilt auch für das kartellrecht605
§ 49 KartGGugerbauer liche Rekursverfahren. Von einem Rekurswerber mit dem Rechtsmittel erstmals vorgelegte Urkunden bedürfen deshalb keiner Stellungnahme durch das KOG wenn sie nicht zur Unterstützung der Rechtsmittelgründe vorgebracht werden (16 Ok 7/15p; 16 Ok 9/15g; 16 Ok 5/09). Zur Rechts- oder zur Aktenwidrigkeitsrüge kommen Neuerungen schon begrifflich nicht in Frage. Gegenstand der rechtlichen Überprüfung kann immer nur der festgestellte oder trotz entsprechender Behauptung ungeprüft gebliebene Sachverhalt sein; mit neuen Tatsachen oder Beweisen kann die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung nicht dargetan werden (16 Ok 7/15p). 67 Die Parteien können im Rekursverfahren das vorliegende Tatsachenmaterial ergänzen oder berichtigen (16 Ok 3/05; 16 Ok 14/03; RIS-Justiz RS0063600). Sie dürfen aber keine Tatsachenbehauptungen vortragen, die von den bisherigen Behauptungen abweichen oder bisher überhaupt noch nicht aufgestellt worden sind (16 Ok 18/04; 16 Ok 14/03). Weiters sind Tatsachen und Beweismittel, die zur Zeit des Beschlusses erster Instanz schon vorhanden waren und erst im Rechtsmittel vorgebracht werden, als unzulässige Neuerung im Rekursverfahren nach § 49 Abs 2 AußStrG nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der Partei schon vor Erlassung des Beschlusses hätten vorgebracht werden können. Es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung oder Unterlassung des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt (16 Ok 4/08). Neuerungen in Folge einer Gesetzesänderung sind im Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen (16 Ok 5, 6/95). 68 Neuerungen, die erst nach Beschlussfassung des KartGer entstanden sind, finden nur dann Berücksichtigung, wenn sie nicht (weil von einer Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses nicht umfasst) ohne Nachteil zum Gegenstand eines neuen Antrags gemacht werden können (16 Ok 3/05). 69 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs macht es erforderlich, den anderen Parteien – im Rahmen des Rekursverfahrens – Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (dies auch bei – zulässigen – Neuerungen im Rahmen einer Rekursbeantwortung), jedenfalls dann, wenn die Entscheidung des KartGer nicht aufgehoben werden soll.
X. Rekursfrist 70 Die Rekursfrist gegen Endentscheidungen (Sachentscheidungen) beträgt vier Wochen. Die Rekursfrist gegen Einstweilige Verfügungen, 606
Rechtsmittelverfahren
§ 49 KartG
gegen gesondert anfechtbare Zwischenerledigungen iSv § 62 Abs 1 (zB gegen den Beschluss über die Bestimmung der Gebühren eines Sachverständigen), gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Unterbrechung, dem Ruhen oder dem Innehalten eines Verfahrens oder gegen Entscheidungen über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung einer Entscheidung (§ 37 Abs 2) beträgt 14 Tage. Gem § 23 AußStrG iVm § 125 ZPO und § 89 GOG sind für die Berechnung der Frist die Tage des Postlaufs nicht einzuberechnen. Gem § 46 Abs 3 AußStrG können Beschlüsse nach Ablauf der Rekurs- 71 frist angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Anderenfalls sind verspätete Rekurse zurückzuweisen (16 Ok 1/97). Ein Beschluss über die Festsetzung der Rahmengebühr ist keine „Zwi- 72 schenerledigung“ iSv § 49. Die Beschlussfassung über die Festsetzung der Rahmengebühr fällt in die Zuständigkeit des Senatsvorsitzenden (§ 54). Für eine Zwischenerledigung wäre eine derartige gesonderte Anordnung nicht erforderlich. Es handelt sich um eine Endentscheidung, sodass die vierwöchige Rekursfrist zur Anwendung kommt (16 Ok 5/15v). § 41 GebAG regelt die im Gebührenbestimmungsverfahren notwendi- 73 ge Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen, die dem Rechtsschutzbegehren der Beteiligten ganz oder teilweise nicht entsprochen haben. Die darin enthaltenen verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen etwa hinsichtlich der Rechtsmittelfrist gelten als leges speciales und sind in ihrem Regelungsbereich als abschließende, sonstige Verfahrensvorschriften verdrängende Regelungen anzusehen. Der Wille des Gesetzgebers, im Gebührenbestimmungsverfahren eine einheitliche Rechtsmittelfrist unabhängig davon festzulegen, welche Rechtsmittelfrist im jeweiligen Hauptverfahren gilt, ist eindeutig. Auch vom KartGer gefasste Gebührenbestimmungsbeschlüsse unterliegen daher der vierzehntägigen Rechtsmittelfrist des § 41 Abs 1 GebAG und nicht jener des § 49 Abs 2 KartG (16 Ok 16/03).
XI. Rekursbeantwortung Für die Einbringung von Rekursbeantwortungen gelten die gleichen 74 Fristen wie für die Einbringung von Rekursen. Bei unzulässigen Rekursen ist § 49 Abs 2 teleologisch dahin zu reduzieren, dass keine Re607
§ 49 KartGGugerbauer kursbeantwortung einzuholen ist. Die Einholung einer Rekursbeantwortung ist in diesem Fall auch nicht zur Wahrung des Gehörs der Gegenseite erforderlich. Ein Eingriff in ihre Rechtsposition kommt wegen der Unzulässigkeit des Rekurses schon von vornherein nicht in Betracht (16 Ok 6/06). 75 Ein in einer Rekursbeantwortung enthaltener Eventualantrag zur erstinstanzlichen Entscheidung ist unbeachtlich, in der Rekursbeantwortung kann keine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses beantragt werden (vgl 16 Ok 2/99).
XII. Vorabentscheidung 76 Im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EG legt der EuGH Unionsrecht aus. Er prüft unter bestimmten Voraussetzungen auch die Vereinbarkeit von aus dem nationalen Recht abgeleiteten Einzelfallrechtsfolgen mit dem Unionsrecht (16 Ok 9/96). Die Vorabentscheidung entfaltet bindende Wirkung für das Verfahren vor dem österreichischen Gericht in allen Instanzen und zwar nicht nur in ihrem Tenor, sondern auch in den tragenden Entscheidungsgründen (16 Ok 4/12, RIS-Justiz RS0082955). 77 Ein Vorabentscheidungsverfahren kann nicht auf Parteiantrag, sondern nur von Amts wegen eingeleitet werden. Die Parteien haben kein subjektives Recht auf Vorlage und bei Nichtvorlage kein Rekursrecht (16 Ok 9/96). 78 Jedes befugte Gericht ist verpflichtet, bei Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit bzw die Anwendung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit das Verfahren zu unterbrechen und einen Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung bzw dieses Gesetzes beim VfGH zu stellen. Rekurse gegen Beschlüsse, mit denen ein Verfahren zwecks Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung durch den VfGH unterbrochen wird, sind unzulässig. Die Aufhebung eines solchen Beschlusses aufgrund eines dagegen erhobenen Rekurses wäre verfassungswidrig. Diese Beschränkung kann wegen einer vergleichbaren Interessenlage auch für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH nutzbar gemacht werden, wenn auch nicht verkannt werden soll, dass hier für die nicht letztinstanzlichen Gerichte keine Vorlagepflicht besteht (16 Ok 9/96). 608
Rechtsmittelverfahren
§ 49 KartG
XIII. Rekursentscheidung Verspätete oder mangelhafte Rekurse sind gem § 54 AußStrG nicht 79 schon vom KartGer, sondern erst vom KOG zurückzuweisen. § 50 AußStrG räumt dem KartGer die Möglichkeit ein, einem Rekurs 80 gegen verfahrensleitende Beschlüsse, soweit sie selbstständig anfechtbar sind, gegen die Zurückweisung eines Revisionsrekurses gem § 67 AußStrG und gegen Sachentscheidungen, die gem Aktenlage ohne weitere Erhebungen aufzuheben sind, wobei der zugrunde liegende verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen oder der angefochtene Beschluss iSd Rekursbegehrens zur Gänze abzuändern ist, selbst stattzugeben. Im Zusammenschlusskontrollverfahren kommt eine Erledigung nach 81 § 50 Z 4 AußStrG dann in Frage, wenn nicht § 14 als lex specialis verletzt wird. Bei § 50 AußStrG handelt es sich um eine „Kann“-Bestimmung. Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des KartGer ist der Zweck der Entscheidungsfristen im Zusammenschlusskontrollverfahren im Auge zu behalten: Gegen einen selbststattgebenden Beschluss des KartGer wäre ja neuerlich ein Rekurs zulässig, dies würde zu einer weiteren Verfahrensverzögerung führen. Eine Entscheidung des KartGer über den Rekurs dürfte daher in der Regel dem Zweck des Verfahrens (aber auch den Interessen der Parteien) nicht gerecht werden.
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Gerichtsgebühren
§ 50 KartG
IV. Hauptstück Gebühren Gerichtsgebühren § 50. In Verfahren vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht sind folgende Gerichtsgebühren zu entrichten: 1. für ein Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11) eine Rahmengebühr bis 34.000 Euro; 2. für ein Verfahren über die Abstellung einer Zuwiderhandlung (§§ 26, 27 und 28 Abs. 1) eine Rahmengebühr bis 34.000 Euro; 3. für ein Verfahren über Feststellungen (§ 28 Abs. 2) eine Rahmengebühr bis 17.000 Euro; 4. für ein Verfahren über die Verhängung einer Geldbuße, das nicht mit einem Verfahren nach Z 2 verbunden ist, sowie für das Verfahren zur Abschöpfung (§ 111 TKG 2003, § 56 PMG) eine Rahmengebühr bis 34.000 Euro; 5. für ein Verfahren über die Verhängung von Zwangsgeldern (§ 35) und in Verfahren über Hausdurchsuchungen, sofern Widerspruch gegen die Einsichtnahme in oder Beschlagnahme von Urkunden (§ 12 Abs. 5 WettbG) erhoben wird, eine Rahmengebühr bis 8.500 Euro; 6. für sonstige Verfahren eine Rahmengebühr bis 34.000 Euro. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Gebührenstaffel................................................................................. 1–3 II. Gebührenpflicht................................................................................ 4 III. Prüfung eines Zusammenschlusses................................................ 5 IV. Antragshäufung................................................................................ 6–12 V. Einstweilige Verfügung.................................................................... 13 VI. Amtsparteien..................................................................................... 14 VII. Bußgeldantrag................................................................................... 15 VIII. Hausdurchsuchung.......................................................................... 16 IX. Sonstige Verfahren............................................................................ 17
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§ 50 KartGGugerbauer
I. Gebührenstaffel 1 § 50 sieht drei Gebührenrahmen vor, die nach der Bedeutung bestimmter Arten von Verfahren abgestuft sind, dazu eine Generalklausel: Eine Rahmengebühr bis 34.000 Euro für Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11), über die Abstellung einer Zuwiderhandlung (§ 26, einschließlich einer gleichzeitig beantragten Geldbuße), über die Feststellung einer Zuwiderhandlung nach § 28 Abs 1, über die Verhängung einer Geldbuße (§ 29, soweit dieses Verfahren nicht mit einem Abstellungsverfahren verbunden ist), über Abschöpfung (§ 111 TKG 2003, § 56 PMG) sowie für sonstige Verfahren (Z 1, 2, 4 und 6). 2 Gerichtsgebühren bis 17.000 Euro sind für Verfahren über Feststellungen nach § 28 Abs 2 vorgesehen (Z 3). Für Verfahren über die Verhängung von Zwangsgeldern (§ 35) und für Verfahren über Hausdurchsuchungen kann schließlich eine Rahmengebühr bis 8.500 Euro vorgeschrieben werden (Z 5). 3 Auch Geldbußenverfahren vor dem KartGer aufgrund anderer Gesetze (zB § 104 ElWOG) werden durch Z 6 erfasst. Nach § 7 Abs 8 NVG ist für kartellgerichtliche Verfahren nach diesem Gesetz eine Rahmengebühr zwischen 70 und 3.500 Euro festzusetzen.
II. Gebührenpflicht 4 Die Gebührenbestimmungen des KartG sind zwar einer Auslegung zugänglich, sie dürfen aber nicht ausdehnend ausgelegt werden. Eine Rechtsansicht, im Zweifel sei von einer Gebührenpflicht auszugehen, ist nicht haltbar (16 Ok 7/08). Nach dem Wortlaut des Gesetzes bildet ein „Verfahren“ den ersten Anknüpfungspunkt. Verfahren vor dem KartGer sind gebührenpflichtig, die Rahmengebühr wird durch die Einbringung eines verfahrenseinleitenden Antrags ausgelöst (vgl § 2 Z 9 GGG), dies unabhängig davon, in welcher Weise er erledigt wird. Die Gebührenpflicht bleibt bestehen auch wenn der Antrag zurückgezogen oder zurückgewiesen wurde (RIS-Justiz RS0063729).
III. Prüfung eines Zusammenschlusses 5 Für ein Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschluss kann eine Rahmengebühr von bis zu 34.000 Euro vorgeschrieben werden (Z 1). 612
Gerichtsgebühren
§ 50 KartG
Die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen im Zusammenschlussverfahren ist nicht im selben Paragraphen wie der Antrag auf Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11) geregelt, sondern in § 12 Abs 3, auf den § 50 Z 1 nicht verweist. § 50 Z 1 ist nicht auf Verfahren nach § 12 Abs 3 anzuwenden, Verfahren über die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen nach § 12 Abs 3 sind von einer Gebührenpflicht befreit. Auch andere im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen mögliche kartellgerichtliche Verfahren, wie zB jenes nach § 16, sind gebührenfrei gestellt (16 Ok 7/08).
IV. Antragshäufung Bei Umsetzung der Z 2 ist von Bedeutung, ob auf „eine“ Zuwiderhand- 6 lung oder auf mehrere Zuwiderhandlungen abzustellen ist. Im Falle einer Antragshäufung wie auch einer Antragsänderung ist zu überprüfen, ob ein Gebührentatbestand mehrfach oder mehrere Gebührentatbestände gleichzeitig zur Anwendung kommen. Nur „eine“ Zuwiderhandlung und demnach nur eine Gebührenpflicht ist anzunehmen, wenn ein sachlich, zeitlich und rechtlich als Einheit zu wertender Kartellrechtsverstoß vorliegt (etwa „ein“ Kartell iSd § 1, oder die Durchführung „eines“ anmeldebedürftigen Unternehmens-Zusammenschlusses vor dessen Nichtuntersagung), mag dieser auch durch unterschiedliche (aufeinander abgestimmte) Handlungen oder Verhaltensweisen mehrerer Unternehmer verwirklicht werden bzw mehrere Unternehmer in unterschiedlicher Weise berühren. In diese Richtung weist auch die Regelung des § 53 über die Solidarhaf- 7 tung: Wird ein Verfahren gegen mehrere Antragsgegner geführt, ist die Rahmengebühr nicht mehrfach festzusetzen, sondern ist die Rahmengebühr innerhalb der jeweils vorgegebenen Obergrenze unter Berücksichtigung der solidarischen Haftung auszumitteln. Sind hingegen Zuwiderhandlungen eines oder mehrerer Unternehmer zu prüfen, zwischen denen kein innerer Zusammenhang im dargestellten Sinn besteht, wird der Gebührentatbestand mehrfach verwirklicht (16 Ok 5/15v mwN). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jeder gesondert eingebrachte 8 Antrag eine eigenständige Gebührenpflicht auslöst. Dies selbst dann, wenn die Anträge dasselbe Rechtsschutzziel auf der Grundlage desselben Sachverhalts verfolgen und unter denselben Gebührentatbestand fallen (vgl 16 Ok 48/05). Eine Verbindung dieser Anträge ändert nichts 613
§ 50 KartGGugerbauer an der bereits entstandenen mehrfachen Gebührenpflicht, selbst wenn sich die Anträge gegen dieselben Gegner richten und denselben Sachverhalt betreffen (vgl 16 Ok 48/05). Auch eine Verschmelzung von Verfahrensparteien im Zuge eines Verfahrens berührt die mit der Verfahrenseinleitung (für die damals noch selbständigen Unternehmen) entstandenen Gebührenpflichten nicht (16 Ok 19/02). 9 Wurden beispielsweise für jeden von 14 Antragsgegnern zwei unterschiedliche Anträge gestellt (einerseits Abstellung eines verbotenen Kartells, andererseits Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung), die jeweils verschiedenen Gebührentatbeständen zuzuordnen sind, ergeben sich für die Bemessung der Rahmengebühr insgesamt 28 Verfahren (16 Ok 19/02). 10 Die Entscheidungsarten nach den §§ 26, 27 und § 28 Abs 1 sind nach Z 2 gleichgestellt. Auch bei einer Verfahrensbeendigung durch die Annahme einer Verpflichtungszusage kommt es zu keiner Antragsänderung oder sonstigen Parteienhandlung, die eine weitere Gebührenpflicht auslösen würde. Es entsteht auch keine weitere Gebührenpflicht, wenn ein Abstellungsantrag aufgrund der Beendigung der Zuwiderhandlung während des Verfahrens in einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs 1 geändert wird (16 Ok 2/08). 11 Dagegen betreffen Feststellungsverfahren nach § 28 Abs 1 und § 28 Abs 2 verschiedene Gebührentatbestände, im Falle eine „Umstellung“ eines Antrags nach § 28 Abs 2 in einen Antrag nach § 28 Abs 1 nach Wegfall des zu prüfenden Sachverhalts sind die Gebührentatbestände kumulativ anzuwenden. Wird ein nicht weiterzuführender Antrag nach § 28 Abs 2 in einen Antrag auf Feststellung einer Zuwiderhandlung nach § 28 Abs 1 abgeändert, ist davon auszugehen, dass beide Gebührentatbestände anzuwenden sind (vgl 16 Ok 19/02). 12 Die Ausführungen zu einer Antragshäufung bei Gebührentatbeständen nach Z 2 gelten sinngemäß auch für solche nach Z 3, 4 und 5. Dies nicht zuletzt deswegen, weil eine Antragshäufung kein gesetzliches Bemessungskriterium iSv § 54 darstellt.
V. Einstweilige Verfügung 13 Verfahren zur Erlassung einer Einstweiligen Verfügung (§ 48) sind nicht nach Z 2 zu vergebühren, wenn die Erlassung der Einstweiligen 614
Gerichtsgebühren
§ 50 KartG
Verfügung im Rahmen eines beim KartGer anhängigen Hauptverfahrens beantragt wurde.
VI. Amtsparteien Bei Antragsgegner – und Sachverhaltsidentität fällt die Gebühr aber 14 nur einmal an, wenn das Verfahren (auch mit getrennten Schriftsätzen) von beiden Amtsparteien eingeleitet wird (auch wenn beide Amtsparteien einen Prüfungsantrag stellen; vgl 16 Ok 1/08). Gleiches gilt für andere von beiden Amtsparteien eingeleitete Verfahren, diese sind ja trotz konkurrierender Antragsrechte zur Vertretung des (einheitlichen) öffentlichen Interesses berufen.
VII. Bußgeldantrag Eine Geldbuße kann erst dann verhängt werden, wenn die Vorfrage 15 hinreichend geklärt ist, dass ein kartellrechtswidriges Verhalten vorgelegen hat oder weiterhin vorliegt. Werden demnach Abstellungsauftrag und Geldbußenantrag miteinander verbunden, führt dies naturgemäß dazu, dass sich das Ermittlungsverfahren vorerst auf die Klärung des Vorwurfs eines Kartellrechtsverstoßes konzentriert; demgegenüber tritt die Erhebung der zur Ausmittlung der Geldbuße bedeutsamen Umstände (zunächst) in den Hintergrund. Eine Trennung des Sachverhalts in einzelne Elemente, die nur für den Abstellungsauftrag oder nur für die Geldbuße von Bedeutung sind, ist kaum möglich. Dieser Umstand findet auch in der Kostenbestimmung des § 50 Z 4 seinen Niederschlag, wonach für ein Geldbußenverfahren, das mit einem Verfahren zur Abstellung einer Zuwiderhandlung verbunden ist, keine gesonderte Gerichtsgebühr zu entrichten ist (16 Ok 11/09).
VIII. Hausdurchsuchung Nach der Z 5 sind auch Verfahren über Hausdurchsuchungen (nach 16 § 12 WettbG und § 25 E-ControlG) im Falle der Erhebung eines Widerspruchs gegen die Durchsuchung oder Einsichtnahme in Urkunden gebührenpflichtig. Dies ist aufgrund des regelmäßig erheblichen Verfahrensaufwands gerechtfertigt. Wurde eine Hausdurchsuchung dagegen ohne weitere Intervention der durchsuchten Partei bewilligt und 615
§ 51 KartGGugerbauer dagegen auch kein Rechtsmittel erhoben, wäre eine Gebührenpflicht für die Partei, bei der eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat, in solchen Fällen unbillig (vgl schon 16 Ok 7/14m).
IX. Sonstige Verfahren 17 Die Z 6 normiert einen Gebührentatbestand „für sonstige Verfahren“. Nach dieser „Generalklausel“ sollen alle vor dem KartGer geführten Verfahren einer Gebührenpflicht unterliegen. Damit werden etwa Verfahren nach § 29 Abs 2 der VO 1/2003 oder Verfahren nach § 12 Abs 3, § 16 und § 19 Abs 3 erfasst.
Ausschluss weiterer Gebühren § 51. Neben den Rahmengebühren nach § 50 sind keine weiteren Gerichtsgebühren zu entrichten; dies gilt auch dann, wenn ein Rechtsmittel erhoben wird. 1 Durch die Rahmengebühr wird der gesamte Verfahrensaufwand (gegebenenfalls beider Instanzen) abgedeckt. Ausgenommen bleiben „sonstige“ gerichtliche Kosten nach § 55 (beispielsweise SachverständigenGebühren).
Zahlungspflichtige Personen § 52. (1) Zahlungspflichtig für die Gebühr nach § 50 Z 1 ist der An-
melder. (2) Die Zahlungspflicht für die Gebühr nach § 50 Z 2 bis 6 ist nach Maßgabe des Verfahrenserfolgs dem Antragsteller, dem Antragsgegner oder beiden verhältnismäßig aufzuerlegen; die Amtsparteien sind jedoch von der Zahlung der sie treffenden Gebühren befreit.
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
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Zahlungspflichtige Personen
§ 52 KartG
Übersicht
Rn I. Zahlungspflicht bei Zusammenschlusskontrolle............................ 1–2 II. Zahlungspflicht nach Erfolgsprinzip................................................ 3–10 III. Antragszurücknahme......................................................................... 11–12 IV. Keine Dispositionsbefugnis................................................................. 13 V. Zahlungspflicht bei einem Vergleich................................................. 14–17 VI. Die Stellung der Amtsparteien........................................................... 18–20
I. Zahlungspflicht bei Zusammenschlusskontrolle Stellen die Amtsparteien einen Prüfungsantrag, tragen die den Zusam- 1 menschluss Anmeldenden die Kosten des Verfahrens, die Rahmengebühr nach § 50 Z 1. Dies auch dann, wenn der Prüfungsantrag als unzulässig, verspätet oder mangels Vorliegens eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses (§ 12 Abs 1 Z 1) zurückzuweisen war. Ein Aufwand fällt ja auch bei der Zurückweisung eines Antrags auf Prüfung eines Zusammenschlusses – gleichgültig aus welchem Grund er zurückgewiesen wird – an. Bei der Festsetzung der Höhe der Rahmengebühr ist aber darauf Bedacht zu nehmen, dass der Aufwand bei der Zurückweisung eines Antrags idR geringer ist als bei einer sachlichen Erledigung (16 Ok 1/98). Bei der von einem Unternehmen beantragten Feststellung, dass ein Zu- 2 sammenschluss nicht anmeldebedürftig ist (§ 28 Abs 2), ist der Antragsteller für die Rahmengebühr selbst dann zahlungspflichtig, wenn sein Feststellungsantrag erfolgreich gewesen ist (vgl 16 Ok 8/99). Verfahren nach § 12 Abs 3 und § 16 sind gebührenrechtlich nach § 50 Z 6 (und damit unter § 52 Abs 2) zu behandeln.
II. Zahlungspflicht nach Verfahrenserfolg Gem Abs 2 richtet sich die Zahlungspflicht bei Verfahren über Abstel- 3 lung, über Feststellung, über die Verhängung einer Geldbuße oder von Zwangsgeldern, über Abschöpfung oder über eine Hausdurchsuchung sowie bei sonstigen Verfahren (mit Ausnahme solcher über die Prüfung eines Zusammenschlusses) nach dem Verfahrenserfolg. Ist der Antragsteller keine Amtspartei, ist die Zahlungspflicht für die Rahmengebühr nach Maßgabe des Verfahrenserfolgs dem Antragsteller, dem Antragsgegner oder beiden verhältnismäßig aufzuerlegen (vgl 16 Ok 48/05; 617
§ 52 KartGGugerbauer 16 Ok 2/06). Wurde ein Verfahren endgültig beendet, ohne dass die Antragsteller mit ihren Anträgen auch nur teilweise durchgedrungen wären, sind die Antragsteller allein zahlungspflichtig (16 Ok 19/02). Bei der Gebührenbestimmung im außerstreitigen kartellgerichtlichen Verfahren und im streitigen Verfahrensrecht sind die gleichen Prinzipien anzuwenden (16 Ok 11/09; RIS-Justiz RS0035831). Abs 2 erster Halbsatz entspricht inhaltlich § 43 Abs 1 erster Satz ZPO. 4 In zivilgerichtlichen Verfahren kommt der Verfahrenserfolg regelmäßig auch in der Entscheidung über die Kosten (§ 41) zum Ausdruck. Liegt eine Entscheidung über einen Kostenersatz an die Gegenpartei nicht vor (dies ist in kartellgerichtlichen Verfahren überwiegend der Fall), ist zu prüfen, welche Partei ihr Verfahrensziel im Wesentlichen erreicht hat (16 Ok 14/11). Es ist also zu klären, ob und in welchem Umfang eine Partei im Verfahren mit ihren Sachanträgen durchgedrungen ist oder Sachanträge abgewehrt hat (RIS-Justiz RS0117350; 16 Ok 19/02; 16 Ok 2/06). Ist beispielsweise eine Amtspartei mit einem Antrag nur zum Teil durchgedrungen, ist dies bei der Bemessung der Höhe der – vom Antragsgegner zu berichtigenden – Rahmengebühr zu berücksichtigen (16 Ok 2/06). Auf den Grund des Erfolgs kommt es ebenso wenig an wie darauf, warum das Verfahren (etwa infolge Rückziehung des Antrags oder infolge gemeinsamer Parteienerklärung, dass das Verfahren eingestellt werden möge) ohne antragsstattgebende Entscheidung endgültig beendet worden ist (16 Ok 19/02). 5 Die vor dem KartGer geltend gemachten Ansprüche sind (primär) nicht finanzieller Natur, ein Teilerfolg lässt sich idR nicht in einer rechnerischen Erfolgsquote ausdrücken, das Verhältnis zwischen erfolgreichem und abgewiesenem (Teil-)Anspruch ist daher in Anlehnung an die Judikatur zu § 43 Abs 1 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen (16 Ok 11/09; RIS-Justiz RS0035831). Dabei sind ua die unterschiedliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung von Anspruchsteilen und der jeweilige Verfahrensaufwand zu berücksichtigen (16 Ok 11/09). 6 Als Maßstab dafür, inwieweit die eine Partei als obsiegend und die andere als unterliegend anzusehen ist, ist primär auf den Gesamtstreitgegenstand abzustellen. Soweit der Antragsteller mit dem Hauptbegehren Erfolg hatte, ist bei der Entscheidung über die Zahlungspflicht auf Eventualverträge nicht Bedacht zu nehmen, selbst wenn zu einem Eventualantrag eine (im Ergebnis irrelevante) Beweisaufnahme stattgefunden hat (16 Ok 3/02). 618
Zahlungspflichtige Personen
§ 52 KartG
Bei Feststellungsanträgen nach § 28 Abs 2, die zu einem Verfahren ohne 7 Antragsgegner (oder allenfalls zu einem Verfahren mit einer Amtspartei als zahlungsfreigestellten Antragsgegner) führen (Gebührentatbestand des § 50 Z 3), trifft die Zahlungspflicht den Antragsteller (16 Ok 8/99; RIS-Justiz RS0112842). Es wirkt sich bei der Aufteilung der Rahmengebühren zu Gunsten ei- 8 nes Antragsteller aus, wenn er sein deklariertes Hauptziel erreicht hat und die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Erfolgs beträchtlich waren. Eine Aufteilung nach der Gliederung des Beschlusses (Spruches) entsprechend der Anzahl abgewiesener Teilbegehren ist dagegen nicht zielführend. Sie würde sich ausschließlich an formalen Gesichtspunkten orientieren und nicht auf den tatsächlich aufgewendeten Verfahrens aufwand oder den wirtschaftlichen Gehalt der Anträge abstellen (16 Ok 48/05). Wenn sich der Streitgegenstand (das Begehren des Antragstellers) zwi- 9 schen Einleitung des Verfahrens und Entscheidung quantitativ oder qualitativ erheblich verändert, sind zur Ermittlung des Kostenersatzes Verfahrensabschnitte zu bilden, weil in solchen Fällen das Gericht nicht über einen von Beginn an feststehenden Streitgegenstand entscheidet und das Verfahren damit vom gesetzlichen Idealbild, das den kostenrechtlichen Einzelvorschriften zu Grunde liegt, abweicht. Bei einer derartigen Phasenbildung (im Sinn einer „horizontalen Teilung der Kostennote“) sind Erfolgs- und Ersatzquoten für jede Phase gesondert zu bestimmen (16 Ok 11/09). Wird allein auf den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abge- 10 stellt, kann dies zu einem unbilligen Ergebnis führen, wenn dem nach dem Ausgang in der Hauptsache alleine Zahlungspflichtigen bei der Gebührenbemessung ein bestimmter Verfahrensaufwand aufgrund fehlender Veranlassung nach § 54 nicht zuzurechnen ist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein in der Hauptsache siegreicher Antragsteller während des Verfahrens erfolglos Sicherungsanträge gestellt hat. Liegt ein für das Ergebnis in der Hauptsache unerhebliches Zwischenverfahren vor, kann der Veranlasser wegen Unterliegens in diesem Zwischenstreit als im Gesamtverfahren teilweise unterlegen und damit als für einen Teil der Rahmengebühr und der sonstigen Kosten iSd § 55 zahlungspflichtig beurteilt werden.
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III. Antragszurücknahme 11 Im Falle und im Umfang einer Antragszurücknahme (§ 36 Abs 5) ist der Antragsteller als unterlegen zu betrachten. Auf den Grund der Antragszurücknahme kommt es dabei nicht an (16 Ok 19/02). Dem Antragsteller ist die Rahmengebühr aufzuerlegen, soweit er keinen Verfahrenserfolg hatte (16 Ok 7/96). Allerdings ist der Antragsgegner gebührenpflichtig, wenn der (ursprünglich berechtigte) Antrag nur deswegen zurückgezogen wurde, weil ihm der Antragsgegner nach Einleitung des kartellgerichtlichen Verfahrens inhaltlich entsprochen hat (16 Ok 2/08). Mit anderen Worten wird der Antragsgegner, der den Antragsteller klaglos stellt, bei „Einschränkung auf Kosten“ jedenfalls dann zahlungspflichtig, wenn er nach § 41 dessen Kosten zu ersetzen hat oder vom Kostenersatz (nur) mangels Mutwillens ausgenommen bleibt. 12 Hat ein Antragsteller die weitere Rechtsverfolgung aufgegeben und ist dieses Verfahren in der Folge von einer anderen Partei, etwa einer Amtspartei (§ 36 Abs 5 zweiter Halbsatz) fortgesetzt und erfolgreich abgeschlossen worden, ist für das Gesamtverfahren über „eine“ Zuwiderhandlung nach Abschluss des Gesamtverfahrens auch nur „eine“ Gebühr zu bestimmen, die der Antragsgegner zu berichtigen hat.
IV. Keine Dispositionsbefugnis 13 Die Festsetzung der gerichtlichen Rahmengebühr und der sonstigen gerichtlichen Kosten ist ein Akt der Rechtsprechung. Der Vorsitzende ist in seinem freien Ermessen durch eine privatrechtliche Vereinbarung weder beschränkt noch an diese gebunden (16 Ok 14/11). Die Parteien haben insoweit keine Dispositionsbefugnis, auch wenn es ihnen die Privatautonomie ermöglicht, inter partes – zB im Rahmen eines kartellgerichtlichen Vergleichs – eine Kostenvereinbarung abzuschließen (16 Ok 14/11). Im Falle einer privatautonomen Kostenvereinbarung ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Außenverhältnis, also jenem zwischen dem KartGer und den Parteien, und dem privatrechtlichen Innenverhältnis inter partes zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse müssen inhaltlich nicht deckungsgleich sein. Ergibt sich zwischen der gerichtlichen Gebührenfestsetzung und der privatrechtlichen Kostenvereinbarung ein Widerspruch, trifft die Zahlungspflicht das durch den Beschluss des KartGer belastete Unternehmen. Dies kann zu einem 620
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§ 52 KartG
privatrechtlich begründeten Ersatzanspruch in einem Zivilgerichtsverfahren führen, in dem der Inhalt der Kostenvereinbarung – und bei Unklarheit gegebenenfalls deren Auslegung – Gegenstand sind (16 Ok 14/11).
V. Zahlungspflicht bei einem Vergleich In Fällen, in denen ein Verfahren über die Abstellung einer Zuwider- 14 handlung (§§ 26, 27 und 28 Abs 1 KartG) durch Vergleich beendet wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass für den bis dahin aufgetretenen Verfahrensaufwand keine gerichtliche Gebühr im Sinne des § 50 Z 2 KartG zu bestimmen wäre. Mit der Rahmengebühr soll vielmehr der bereits aufgetretene Verfahrensaufwand abgegolten werden, der sich ja durch den Vergleichsabschluss nicht mehr verringert (vgl 16 Ok 2/06). Ein Antragsteller hat auch dann ausreichenden Erfolg, wenn er sein 15 zentrales Verfahrensziel (zB eine Konkurrenzklausel zu beseitigen), wenn auch zeitlich verzögert, durch einen Vergleich erreicht. Gegebenenfalls ist auch ein vergleichsweise erzielter Teilerfolg zu berücksichtigen. Der Erfolg des Antragstellers wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die einer kartellgerichtlichen Abstellungsanordnung logisch vorausgehende Feststellung eines Kartellgesetzverstoßes im Vergleich nicht explizit enthalten ist. Es reicht, wenn ein Antragsteller sein zentrales Verfahrensziel erreicht hat. Auch eine zwar beantragte, aber im Vergleich nicht enthaltene Veröffentlichungsermächtigung ändert nichts am Erfolg eines Antragstellers in der Hauptsache. Eine Veröffentlichungsermächtigung ist akzessorisch und setzt eine Entscheidung in der Hauptsache voraus. Sie hat den Charakter eines unselbständigen Nebenanspruchs (16 Ok 14/11). Wird ein Verfahren zur Abstellung einer Zuwiderhandlung mit einer 16 für bindend erklärten Verpflichtungszusage beendet, so bedeutet dieses Verfahrensergebnis seinem Wesen nach ein vollständiges Unterliegen des Antragsgegners, setzt es doch voraus, dass die Zusage künftige Zuwiderhandlungen ausschließt (§ 27 Abs 1); ohne die Zusage wäre dem Antrag also stattzugeben gewesen (16 Ok 11/09). In der Praxis kann sich die Zusage aber auch nur auf einzelne der relevierten Zuwiderhandlungen beziehen, zumal dann, wenn die anderen nicht nachgewiesen werden konnten. 621
§ 52 KartGGugerbauer 17 Wenn ein Antragsteller nach Abschluss eines Vergleiches im Parallelverfahren seinen ursprünglichen Abstellungsantrag „auf Kosten einschränkt“, ist er als in der Sache obsiegend zu behandeln. Hat der Antragsteller seinen ursprünglichen Abstellungsantrag auf einen Feststellungsantrag umgestellt, nachdem im Parallelverfahren ein Vergleich abgeschlossen wurde, und unterliegt er mit dem Feststellungsantrag, tritt nach dem im kartellrechtlichen Gebührenrecht herrschenden Erfolgsprinzip seine Zahlungspflicht für die gerichtliche Rahmengebühr ein (16 Ok 2/08).
VI. Die Stellung der Amtsparteien 18 Die Amtsparteien sind von der Zahlung einer Gebühr, die nach den Prinzipien der Erfolgshaftung sie treffen würde, grundsätzlich befreit (16 Ok 6/13; 16 Ok 14/11). Für ein von einer Amtspartei eingeleitetes Verfahren, das völlig erfolglos geblieben ist, ist daher keine Rahmengebühr festzusetzen, im Hinblick auf das maßgebende Er folgsprinzip sind dann auch vom Antragsgegner keine Gebühren zu entrichten (16 Ok 2/06). Mit anderen Worten wird das für das kartellgerichtliche Verfahren zwischen zwei Parteien iSv § 36 Abs 4 Z 4 (nicht Amtsparteien) vorgesehene Erfolgsprinzip, wonach die Parteien die Zahlungspflicht nach Maßgabe des Verfahrenserfolges verhältnismäßig trifft, für Verfahren modifiziert, in denen allenfalls eine Partei – den jeweiligen Antragsgegner einer Amtspartei – eine Zahlungspflicht treffen kann. Entscheidend ist – unabhängig von der Form – nur das Ergebnis (vgl RIS-Justiz RS0117350; 16 Ok 48/05). Das KartGer hat unter solchen Umständen nach § 2 Abs 2 GEG zu bestimmen, dass die gerichtlichen Gebühren – zB die Vergütung der fachkundigen Laienrichter – aus Amtsgeldern zu tragen ist (16 Ok 1/01). 19 Bei einer teilweisen Durchsetzung des Begehrens der antragstellenden Amtspartei (auch im Rahmen eines Vergleiches) entsteht eine Zahlungspflicht des Antragsgegners, der Umstand, dass der Antrag bloß teilweise durchgedrungen ist, ist schon bei der Bemessung der Höhe der Rahmengebühr zu berücksichtigen (16 Ok 2/06). 20 Zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichtete Behörden (§ 36 Abs 4 Z 2), wie etwa der Energieregulator, sind ebenfalls von den Gerichtsgebühren befreit (vgl etwa § 37 Abs 1 E-ControlG). 622
Festsetzung der Rahmengebühren
§ 54 KartG
Haftung mehrerer Personen § 53. Mehrere Personen, die zur Entrichtung desselben Gebührenbetrags verpflichtet sind, haften zur ungeteilten Hand.
Für Personen, die zur Entrichtung ein und desselben Gebührenbetrags 1 verpflichtet werden, besteht Solidarhaftung. Ein Solidarschuldner allein kann zur vollständigen Berichtigung der Gebührenschuld herangezogen werden (vgl auch 16 Ok 48/05; 16 Ok 19/02). Sind Gebühren dagegen für Verfahrensparteien jeweils gesondert festzusetzen, tritt keine Solidarhaftung ein. Die nach Anfechtung eines Gebührenbestimmungsbeschlusses erfolgte 2 Neufestsetzung der gerichtlichen Rahmengebühr wirkt für und gegen sämtliche Zahlungspflichtige (16 Ok 10/03).
Festsetzung der Rahmengebühren § 54. Die Höhe der Rahmengebühr ist vom Vorsitzenden nach Abschluss des Verfahrens nach freiem Ermessen mit Beschluss festzusetzen; hiebei sind insbesondere die wirtschaftspolitische Bedeutung des Verfahrens, der mit der Amtshandlung verbundene Aufwand, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen und die Tatsache zu berücksichtigen, inwieweit der Zahlungspflichtige Anlass für die Amtshandlung gegeben hat. Ein Verfahren, das unterbrochen ist oder ruht, gilt als abgeschlossen, wenn innerhalb von zwei Jahren ab Unterbrechung oder Ruhen kein Antrag auf Fortsetzung (§ 26 Abs. 3, § 28 Abs. 4 AußStrG) gestellt wird. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Ermessensentscheidung des Vorsitzenden....................................... 1–4 II. Wirtschaftspolitische Bedeutung....................................................... 5–9 III. Verfahrensaufwand.............................................................................. 10–14
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§ 54 KartGGugerbauer IV. Wirtschaftliche Verhältnisse des Zahlungspflichtigen .................. 15–16 V. Anlass für die Amtshandlung............................................................ 17–20 VI. Festsetzung der Gebühr...................................................................... 21–25
I. Ermessensentscheidung des Vorsitzenden 1 Die Festsetzung der Rahmengebühren gem § 50 erfolgt nach Abschluss des kartellgerichtlichen Verfahrens (wozu auch ein allfälliger Rechtsmittelverfahren zählt) durch (einen) Beschluss. Eine Trennung in eine Entscheidung dem Grunde nach und eine weitere Entscheidung der Höhe nach ist aus dem Gesetz nicht abzuleiten (16 Ok 20/04). 2 Die Festsetzung der Höhe der Rahmengebühr wird vom Vorsitzenden nach freiem Ermessen vorgenommen. Dabei besteht zwar ein entsprechender Spielraum, allerdings sind die allgemeinen Wertungen des Gesetzes zu beachten. Ohne bloße Teilaspekte herauszugreifen sind divergierende gesetzliche Gesichtspunkte „angemessen“ zu berücksichtigen, bei der Bewertung ist eine Gesamtschau vorzunehmen (16 Ok 1/08; vgl RIS-Justiz RS0123285). 3 Der Ermessensspielraum wird überschritten, wenn die Rahmengebühr mit dem gesetzlich zulässigen Höchstbetrag festgelegt wird, obwohl Sachverhalte denkbar sind, bei denen etwa die wirtschaftspolitische Bedeutung oder der Verfahrensaufwand noch spürbar höher anzusetzen wäre (16 Ok 10/03). Mangels einer gesetzlichen Untergrenze kann von der Festsetzung eines Gebührenbetrags auch gänzlich abzusehen werden (auch eine derartige Entscheidung ist mit Beschluss auszusprechen und zu begründen). 4 Ein Vergleich der Rahmengebühr kann mit der Kostenbelastung vor einem Zivilgericht ist nicht angebracht, da das Kartellverfahren andere Zielsetzungen hat (16 Ok 7/05 ). Kriterien der Festsetzung der Höhe der Rahmengebühr sind insbesondere die wirtschaftspolitische Bedeutung des Verfahrens, der mit der Amtshandlung verbundene Aufwand, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen sowie die Tatsache, inwieweit der Zahlungspflichtige Anlass für die Amtshandlung gegeben hat (16 Ok 14/11). In § 54 sind die Bemessungskriterien nicht erschöpfend (arg: „insbesondere“) aufgelistet (16 Ok 10, 11/08). Weitere Kriterien sind dann zu berücksichtigen, wenn sie der erkennbaren Wertung des Gesetzgebers entsprechen. 624
Festsetzung der Rahmengebühren
§ 54 KartG
II. Wirtschaftspolitische Bedeutung Die wirtschaftspolitische Bedeutung eines Verfahrens ist zunächst von 5 der Größe und Bedeutung des vom Verfahrensgegenstand betroffenen Marktes (Wirtschaftssektors) abhängig. Der Umstand, dass ein vom Antrag betroffener Markt geringe räumliche Ausdehnung aufweist, ist zu berücksichtigen (16 Ok 6/13). Die wirtschaftspolitische Bedeutung ist daher vergleichsweise gering, wenn sich eine Absprache auf ein Bundesland beschränkt (16 Ok 4/06). Die räumliche Ausdehnung des vom Antrag betroffenen Markts ist aber nicht schematisch mit 1/9 pro Bundesland zu berücksichtigen (16 Ok 10, 11/08). Dagegen ist einem Verfahren vergleichsweise große wirtschaftspolitische Bedeutung beizumessen, wenn sich Zuwiderhandlungen gegen das Kartellrecht auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken (Okt 13/94). Wesentliche Kriterien sind weiters die Anzahl und Bedeutung der be- 6 langten/betroffenen Marktteilnehmer und die Größe der betroffenen Marktanteile (16 Ok 1/08; 16 Ok 5/15v). Wenn die an einem Zusammenschlussvorhaben beteiligten Unternehmen am inländischen Markt einen Anteil von zusammen um die 50 % aufweisen, ist von einer großen wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens auszugehen (16 Ok 10/03). Zählt ein für die Gebühr zahlungspflichtiges Unternehmen zu den größten Einzelhändlern einer bestimmten Branche (hier mit einem österreichischen Marktanteil von etwa 20%), ist von einer erheblichen wirtschaftspolitischen Bedeutung des Verfahrens auszugehen (16 Ok 1/08). Die wirtschaftspolitische Bedeutung ist dagegen gering, wenn die Antragsgegnerin kein überdurchschnittlich kapitalkräftiges und bedeutendes, sondern ein sehr kleines Unternehmen ist (16 Ok 2/06; 16 Ok 7/05). Bei der Beurteilung der wirtschaftspolitischen Bedeutung eines Verfahrens ist aber nicht allein auf die Umsatzzahlen der beteiligten Unternehmen abzustellen, damit würde aus einem Gesamtsachverhalt willkürlich ein bloßer Teilaspekt herausgegriffen (16 Ok 10/03). Zwar ist einem Missbrauchsaufsichtsverfahren angesichts des Tatbe- 7 standserfordernisses einer marktbeherrschenden Stellung die wirtschaftspolitische Bedeutung schon begriffsimmanent, dennoch ist dieses Kriterium nach dem klaren Auftrag des Gesetzgebers in die Ausmessung der Gebühr einzubeziehen (Okt 13/94). Dem Kriterium der Marktbeherrschung darf bei der Gebührenbemessung in Missbrauchsaufsichtsverfahren aber keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Bei einem zu hohen Kostenrisiko würde die Antragslegiti625
§ 54 KartGGugerbauer mation aller Unternehmen, deren rechtliche oder wirtschaftliche Interessen berührt werden, ohne praktische Bedeutung bleiben (Ok 13/94). Es ist daher sogar zu berücksichtigen, inwieweit der Antragsteller über eigene Interessen hinaus auch Interessen der Verbraucher insgesamt verfolgt. 8 Nicht unerheblich, wenn auch nicht überragend ist die wirtschaftspolitische Bedeutung, wenn es um die Untersagung einer vertikalen Vertriebsbindung geht (16 Ok 4/04). Sie ist aber eher gering, wenn sich ein Antrag nicht gegen das Vertriebssystem des Antragsgegners (eines Generalimporteurs mit zahlreichen Vertragshändlern) im Allgemeinen richtet, sondern nur gegen das Lieferverbot gegenüber einem einzigen Händler (16 Ok 4/95). 9 Auch wenn sich der Verdacht auf eine Wettbewerbsbeschränkung nicht bestätigt, kann ein Verfahren mit diesem Ergebnis erhebliche wirtschaftspolitische Bedeutung aufweisen. Betrifft ein Verfahren etwa einen hoch konzentrierten Markt (zB den Lebensmittel-Einzelhandel), kann es für den auf diesem Markt verbliebenen Restwettbewerb wirtschaftspolitisch allein schon von Bedeutung sein, dass einem einigermaßen begründeten Verdacht auf ein kartellrechtswidriges Verhalten überhaupt nachgegangen wird. Aber auch in Fällen, in denen eine Verfahrenseinleitung zum Anlass genommen wurde, das beanstandete kartellrechtswidrige Verhalten zu beenden, sagt das Ergebnis des Verfahrens wenig über seine wirtschaftspolitische Bedeutung aus.
III. Verfahrensaufwand 10 Der Begriff „Amtshandlung“ steht für ein kartellgerichtliches „Verfahren“ (vgl 16 Ok 4/04). Beim Verfahrensaufwand ist nicht nur auf mündliche Verhandlungen vor dem KartGer und auf eine allfällige Befassung des KOG Bedacht zu nehmen; mit Amtshandlungen verbundener Aufwand schlägt sich insbesondere auch darin nieder, wie umfangreich die Inanspruchnahme des KartGer war (vgl 16 Ok 4/06; 16 Ok 2/05). 11 Zu berücksichtigen sind insbesondere die Anzahl und der Umfang der von den Verfahrensparteien eingebrachten Schriftsätze, die Anzahl und Dauer der mündlichen Verhandlungen, die Häufigkeit und Intensität mündlichen Sach- und Rechtsvorbringens (16 Ok 5/15v), die Strukturiertheit und Schlüssigkeit des Vorbringens (RIS-Justiz RS0123280, 626
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RS0124034; 16 Ok 4/14; 16 Ok 5/15v), der Umfang der Beweisurkunden (16 Ok 7/04), die Anzahl der einvernommenen Zeugen, der Aufwand für Rechtshilfeersuchen zur Einvernahme ausländischer Zeugen (16 Ok 14/11), die Intensität der Beteiligung der BWB und/oder des Bundeskartellanwalts (umfangreiches Vorbringen, eigene Anträge, Einschreiten in der mündlichen Verhandlung – 16 48/05), die allfällige Beteiligung von Regulatoren, die Beauftragung eines Sachverständigen, das Ausmaß allfälliger Ergänzungsgutachten, ein allfälliges Sicherungsverfahren (16 Ok 15/03), der Begründungsaufwand für die Entscheidung (16 Ok 2/08), die Komplexität der rechtlichen Fragestellungen (die sich beispielsweise auch auf andere Rechtsmaterialien, etwa das TKG beziehen, vgl 16 Ok 7/04), ein anschließendes Rechtsmittelverfahren (RIS-Justiz RS0063735 16 Ok 9/06) und ein an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen (16 Ok 5/15v). Beispielsweise ist bei einer fast vierzigseitigen Gegenäußerung, weite- 12 ren Stellungnahmen und Anträgen, einem Sachverständigengutachten mit 100 Seiten (mehrfach ergänzt, rund 450 Stunden Aufwand des Sachverständigen), drei Tagsatzungen in der Dauer von zehn, acht und zwölf halben Stunden, weiteren Auskünfte der Sachverständigen, einer Entscheidung mit 65 Seiten und umfangreichen Beilagen, einem Akt mit 700 Seiten, von einem überdurchschnittlich großen Aufwand auszugehen (16 Ok 1/08). Auch bei einem teilweise modifizierten Antrag (27 Seiten) mit zwei An- 13 tragsbegehren und umfangreichen Beilagen, ausführlichen Einwendungen, kleineren Eingaben (darunter kurzen Stellungnahmen der BWB und eines Regulator), zwei ausführlichen Stellungnahmen der Antragsteller, einer Replik der Antragsgegner, weiteren Stellungnahmen der Antragsteller, ist der Aufwand auch ohne Einvernahmen, ohne mündliche Verhandlung und ohne Rechtsmittelverfahren nicht gering (16 Ok 9/06). Gab es keine Einvernahmen, keine mündliche Verhandlung, kein 14 Rechtsmittelverfahren (16 Ok 4/06), wurde gleich in der ersten mündlichen Verhandlung ein Vergleich geschlossen (16 Ok 2/06), wurde der Antrag gleich nach Einlangen der Stellungnahmen der BWB und des Bundeskartellanwalts zurückgewiesen (16 Ok 5/05) oder der Antrag ohne Durchführung eines besonderen Ermittlungsverfahrens zurückgenommen (16 Ok 7/96), ist der Aufwand eher gering. 627
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IV. Wirtschaftliche Verhältnisse des Zahlungs pflichtigen 15 Hat eine Partei mit der Auferlegung einer Rahmengebühr zu rechnen, hat sie für den Fall schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse zeitgerecht ein zweckdienliches Vorbringen zu erstatten (16 Ok 7/96). Aktenkundige Zahlungsschwierigkeiten sind zu beachten (16 Ok 7/05). Bei mehreren Antragstellern und solidarischer Haftung ist zu berücksichtigen, was im Durchschnitt auf den einzelnen Antragsteller entfällt (16 Ok 2/08; RIS-Justiz RS0063735; 16 Ok 5/05). Dass sich ein Zahlungspflichtiger im Innenverhältnis gegenüber anderen Verfahrensparteien zur alleinigen Tragung der Rahmengebühr verpflichtet hat, ist bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse dieses Zahlungspflichtigen nicht zu berücksichtigen (Okt 2/91). Bei schlechten finanziellen Verhältnissen eines zahlungspflichtigen Unternehmens ist gegebenenfalls auch die Finanzkraft der Muttergesellschaft zu berücksichtigen, inwieweit diese Verluste der zahlungspflichtigen Tochtergesellschaft decken kann (16 Ok 15/03). 16 Die Eröffnung eines Konkursverfahrens ist bei der Bemessung der Rahmengebühr grundsätzlich unter den Kriterien der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen zu berücksichtigen (16 Ok 8/04). Die Verfahrenseröffnung allein führt aber noch nicht zu einer Ausmessung der Gerichtsgebühr im unteren Bereich des Bemessungsrahmens (16 Ok 2/08).
V. Anlass für die Amtshandlung 17 Ein erfolgloser Antragsteller hat das Verfahren durch die Antragstellung veranlasst (vgl 16 Ok 2/05; 16 Ok 7/05), einem unterlegenen Antragsgegner kommt die Rolle des Veranlassers aufgrund seines (kartell) rechtswidrigen Verhaltens (etwa des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung) zu (16 Ok 7/04). Anlass für Amtshandlungen gibt auch, wer unvollständige oder fehlerhafte Eingaben einbringt (16 Ok 10/03). 18 Ein Verfahren wurde durch das Verhalten des Antragsgegners veranlasst, wenn erst im Rahmen eines vor dem KartGer abgeschlossen Vergleichs Änderungen an einem zunächst kartellrechtswidrigen Verhalten zugesagt wurden (16 Ok 2/06). Der Umstand, dass ein Verfahren wegen einer Gesetzesänderung nicht fortzusetzen war und die Antragstel628
Festsetzung der Rahmengebühren
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ler demnach das von ihnen angestrebtes Rechtsschutzziel nicht (mehr) erreicht haben, spielt bei der Gebührenbemessung keine Rolle, auch für ein nicht fortzusetzendes Verfahren besteht Gebührenpflicht (16 Ok 4/06). Im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle wird das kartellgerichtli- 19 che Prüfungsverfahren zwar durch den Prüfungsantrag einer Amtspartei angestoßen, aber durch die (aufschiebend bedingte) Verwirklichung eines Zusammenschlusstatbestandes durch die Anmelder veranlasst (16 Ok 1/08), gegen diese ist eine Rahmengebühr festzusetzen, auch wenn der Zusammenschluss letztlich freigegeben wurde (16 Ok 1/08). Das Ergebnis eines durchgeführten Prüfungsverfahrens ist kein bei der Kostenbestimmung zu berücksichtigendes Kriterium (16 Ok 10/03). Im Falle der Zurückweisung eines unzulässigen oder verspäteten Prüfungsantrags ist den Anmeldern aber nicht anzulasten, dass sie einen Aufwand veranlasst hätten. Anders liegen die Dinge bei der Zurückweisung einer (nicht fristgerecht verbesserten) Anmeldung gem § 43 Abs 1, dann kann an der Veranlassung der Amtshandlung durch die fehlerhafte Anmeldung kein Zweifel bestehen. Gleiches gilt für die Zurückweisung eines Prüfungsantrags mangels Vorliegens eines anmelde bedürftigen Zusammenschlusses (§ 12 Abs 1 Z 1), über die Anmeldebedürftigkeit kann ja mangels Entscheidungskompetenz der Amtsparteien nur in einem Prüfungsverfahren abgesprochen werden. Bei einer beantragten Feststellung, dass kein Zusammenschluss vor- 20 liegt, ist eine Rahmengebühr auch dann festzusetzen, wenn der Feststellungsantrag der Antragstellerin erfolgreich gewesen ist, die Rahmengebühr fällt nämlich unabhängig davon an, auf welche Weise das Verfahren erledigt wird (16 Ok 8/99).
VI. Festsetzung der Gebühr Die Festsetzung der Rahmengebühr erfolgt durch einen Akt der Recht- 21 sprechung. Die Parteien haben keine Dispositionsbefugnis, die für die Gebührenbestimmung maßgeblichen Umstände sind von Amts wegen zu erheben. Dabei ist grundsätzlich auch auf das rechtlichen Gehör (§ 15 AußStrG) zu achten, bei Gerichtsgebühren handelt es sich allerdings um Abgaben, ihre Vorschreibung ist daher keine Entscheidung über „civil rights“ iSd Art 6 EMRK (vgl VwGH 26.6.2003, 2000/16/0305). 629
§ 54 KartGGugerbauer 22 Bei einem Beschluss über die Festsetzung der Rahmengebühr handelt es sich um eine Endentscheidung, es kommt daher die vierwöchige Rekursfrist zur Anwendung (16 Ok 5/15v). Rekurslegitimiert sind auch die Amtsparteien. 23 Richtet sich ein Rekurs nur gegen den Grund – und nicht gegen die Höhe – der auferlegten Rahmengebühr, scheidet deren Herabsetzung (zB wegen besonders schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, wenn die Rekurswerberin insolvent ist) aus, eine amtswegige Herabsetzung ist nicht vorgesehen (16 Ok 8/99). Bei einem Rekurs nur gegen die Höhe der bestimmten Rahmengebühr hat das KOG dagegen abgesprochen, dass aufgrund der allseitigen rechtlichen Prüfungspflicht gegebenenfalls auch bei einem Rekurs, mit dem nur die Höhe einer Rahmengebühr angefochten wird, über den Grund der Festsetzung der Rahmengebühr zu entscheiden ist (16 Ok 5/06). 24 Bilden mehrere Unernehmen hinsichtlich der Gebührenbestimmung eine einheitliche Streitpartei, wirkt eine Neufestssetzung der Gebühr in zweiter Instanz nach Anfechtung des Gebührenbeschlusses für und gegen sämtliche Zahlungspflichtige (16 Ok 10/03). 25 Um bei einer Unterbrechung oder einem Ruhen eines Verfahrens nicht offen zu lassen, ob dies als „Abschluss“ des Verfahrens gilt und ein Beschluss auf Festsetzung der Rahmengebühr gefasst werden kann, kann die Rahmengebühr gem § 54 letzter Satz jedenfalls nach zwei Jahren festgesetzt werden. Wird das Verfahren anschließend fortgesetzt, so ist bei der Festsetzung der Gebühr nach dem neuerlichen Abschluss des Verfahrens innerhalb des Rahmens für das Verfahren die bereits festgesetzte Gebühr zu berücksichtigen (ER RV KaWeRÄG 2017).
Gerichtliche Kosten § 55. Für sonstige Kosten, insbesondere Sachverständigengebühren und nach der Anzahl der Sitzungen oder Verhandlungen bemessene Vergütungen für die fachkundigen Laienrichter des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts, sind die Personen zahlungspflichtig, die die Gerichtsgebühr zu entrichten haben.
Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Gugerbauer, Rechtsschutz und SV-
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Gerichtliche Kosten
§ 55 KartG
gebühren, ÖZK 2011, 113; Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Zahlungspflichtig................................................................................. 1–2 II. Sachverständigengebühr.................................................................... 3–6 III. Warnpflicht des Sachverständigen.................................................... 7–13 IV. Sonstige Kosten.................................................................................... 14–15
I. Zahlungspflichtig Die Parteien eines kartellgerichtlichen Verfahrens trifft die Ersatz- 1 pflicht für sonstige Kosten iSv § 55 im Verhältnis der gegen sie festgesetzten Rahmengebühr. Wurde von der Festsetzung einer Rahmengebühr gegenüber einem Zahlungspflichtigen abgesehen, fehlt es auch an einer Zahlungspflicht für sonstige Kosten. Ergibt sich, dass ein bestimmter Verfahrensaufwand (etwa in einem Zwischenverfahren) einem Zahlungspflichtigen nicht zuzurechnen ist, ist von einem rein numerischen Ansatz abzuweichen. Amtsparteien sind auch für sonstige Kosten nicht ersatzpflichtig. Wur- 2 de für ein von einer Amtspartei eingeleitetes und erfolglos gebliebenes Verfahren keine Rahmengebühr festgesetzt, sind die sonstigen gerichtlichen Kosten, etwa die Vergütung für die fachkundigen Laienrichter, aus Amtsgeldern zu tragen (16 Ok 1/01).
II. Sachverständigengebühren Der Gebührenanspruch eines Sachverständigen gemäß § 25 Abs 1 3 GebAG setzt die Erfüllung des erteilten Auftrags voraus. Die Anspruchsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle sind daher gegeben, wenn das Gutachten in Befolgung des gerichtlichen Auftrags erstattet wurde (RIS-Justiz RS0059129). Aus dem Wortlaut des § 35 Abs 2 GebAG ergibt sich, dass – zumindest 4 im Regelfall – die mündliche Gutachtensergänzung niedriger zu honorieren ist als das ursprüngliche schriftliche Gutachten. Für die Teilnahme an einer Verhandlung kommen zwei alternative Gebührenansätze in 631
§ 55 KartGGugerbauer Frage, nämlich eine Stundengebühr oder eine Gesamtgebühr für die Ergänzung oder Erläuterung in der Verhandlung. Die Gesamtgebühr für die Ergänzung oder Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens in der Verhandlung ist nach richterlichem Ermessen in einem je nach der aufgewendeten Zeit und Mühe entsprechend niedrigeren Verhältnis zu der Gebühr für die Grundleistung (das schriftliche Gutachten) zu bestimmen. Dies auf Basis der Annahme, dass die Ergänzung des schriftlichen Gutachtens weniger schwieriger als die eigentliche Befundaufnahme und Erstattung des Gutachtens ist und daher mit einer geringeren als der hiefür vorgesehenen Gebühr zu entlohnen ist (vgl 16 Ok 6/07). 5 Bei Bestimmung nach einem Stundensatz kann dagegen nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein niedrigerer als für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens anzusetzen ist. Grundsätzlich ist von dem Entgelt auszugehen, dass der Sachverständige sonst in seinem Beruf erzielen würde. Bei nach Stundensätzen entlohnten Sachverständigen ist also für die mündliche Gutachtensergänzung idR vom gleichen Ansatz wie für das schriftliche Gutachten auszugehen (16 Ok 6/07). 6 Bei der Bestellung eines Sachverständigen aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat ist darauf zu achten, dass Dienstleistungen grundsätzlich an dem Ort besteuert werden, an dem der Empfänger ansässig ist, während es auf den Sitz des Dienstleistungserbringers nicht ankommt (16 Ok 6/11). Der Bund (OLG Wien) ist als Leistungsempfänger auch Steuerschuldner (§ 19 Abs 1 UStG).
III. Warnpflicht des Sachverständigen 7 Gerade in kartellgerichtliche Verfahren ist es aufgrund der regelmäßig umfangreichen und komplexen Aufgabenstellungen der Sachverständigen, die zu immensen Gebühren führen können, von besonderer Bedeutung, Parteien und Gericht über die Kosten des Gutachtens zu informieren (16 Ok 7/10). Der Sachverständige unterliegt daher einer Warnpflicht (vgl § 25 Abs 1a GebAG), er hat das KartGer rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn zu erwarten ist oder sich bei der Sachverständigentätigkeit herausstellt, dass die tatsächlich entstehende Gebühr die Höhe des Kostenvorschusses, mangels eines solchen die im Gesetz genannten Beträge von EUR 2.000,00 und 4.000 Euro übersteigt (16 Ok 7/10), soweit ihn das KartGer nicht anlässlich der Beauftragung von dieser Verpflichtung befreit hat. 632
Gerichtliche Kosten
§ 55 KartG
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 303 BlgNR XXIII. GP zu 8 Z 7 (§ 25 Abs 1a GebAG) wird ua ausgeführt: „Die Ausweitung der Warnpflicht verfolgt den Zweck, dass sich das Gericht und die Parteien möglichst frühzeitig eine grobe Vorstellung von den Kosten des Gutachtens machen können. Bei Gefahr einer erheblichen Kostenüberschreitung kann die Warnung der Sachverständigen auch Anlass werden, den Gutachtensauftrag präziser zu fassen, um […
] frustrierte Aufwendungen zu vermeiden. […] Damit können sich Parteien und Gericht ein Bild machen, ob und wie sinnvoll der Gutachtensaufwand ist“ (vgl auch LG Linz 15R177/97y, OLG Wien 16 R 151/99i = SV 2000, 23; OLG Graz 7 Ra 36/00v = SV 2000, 121). Der Sachverständige muss ausdrücklich auch vor dem Überschreiten 9 der eigenen Kostenschätzung – bei sonstigem Entfall des Anspruchs auf weitere Gebühren – warnen (16 Ok 7/10). Da sich die Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG auf den gesamten Gebührenanspruch des Sachverständigen bezieht und nicht nur auf die Gebühr für Mühewaltung, sind ihm auch über seine Schätzung hinausgehende Beträge für sonstige Teile des Gebührenanspruchs iSd § 24 GebAG, etwa Reisekosten, nicht zusätzlich zuzusprechen (16 Ok 7/10). In kartellgerichtlichen Verfahren zur Prüfung von Zusammenschlüssen 10 schlägt die für das Gericht vorgegebene kurze Entscheidungsfrist regelmäßig auch auf die Frist für die Erstellung des Gutachtens durch. In aller Regel ist die Erstellung des Gutachtens dringend und für das KartGer unverzichtbar. Die Dringlichkeit der Tätigkeit entbindet den Sachverständigen aber nicht von der Warnpflicht, er darf allerdings – hat er gewarnt – mit der dringenden Tätigkeit bis zum Zugehen einer Reaktion fortfahren (16 Ok 7/10). Ohne Warnung kann er sich nicht auf Dringlichkeit berufen (16 Ok 7/10). Mit dem Gutachtensauftrag erhält der Sachverständige also kein plein 11 pouvoir, das ihn ermächtigen würde, den Umfang seines Gutachtens beliebig auszuweiten und letztlich beliebig hohe Gebühren in Rechnung zu stellen. Die Warnpflicht des Sachverständigen soll aber nicht alleine Verfahrensparteien nach § 36 Abs 4 Z 4, sondern – unter bestimmten Umständen – auch die öffentliche Hand schützen: Dies gilt für kartellgerichtliche Verfahren, die aufgrund des Antrages einer Amtspartei eingeleitet werden und bei denen aufgelaufene Gebühren mangels eines entsprechenden Verfahrenserfolges (vgl § 52 Abs 2 KartG) letztlich vom Bund zu tragen sind. 633
§ 56 KartGGugerbauer 12 Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tunlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens sind im Gebührenbemessungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Eine mangelhafte Erfüllung des Gutachtensauftrags ist im Rahmen eines allfälligen Rekurses gegen die Festsetzung der Gebühren dadurch zu substantiieren, dass konkret ausgeführt wird, auf welche inhaltlichen Aspekte (etwa einer Stellungnahme des Rekurswerbers) der Sachverständige nicht eingegangen ist (16 Ok 1/11). 13 Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG. Daraus ergibt sich, dass im Gebührenbestimmungsverfahren weder der Sachverständige noch die Parteien des Verfahrens einen Anspruch auf Kostenersatz haben.
IV. Sonstige Kosten 14 Auch für die Vergütung der fachkundigen Laienrichter sind die Parteien ersatzpflichtig, die die Rahmengebühr zu entrichten haben (16 Ok 1/01). 15 Neben den in § 55 beispielhaft genannten „sonstigen Kosten“, kommen auch die aus Amtsgeldern zu berichtigenden Kosten des § 1 Z 5 und 7 GEG in Betracht: Zeugen-, Dolmetscher- und Übersetzergebühren, Kosten einer ausländischen Behörde anlässlich der Erledigung eines Zustellungs- oder Rechtshilfeersuchen, Kosten eines Lokalaugenscheins, usw.
Gebührenfreiheit von Vergleichen § 56. Der Abschluss eines Vergleiches unterliegt keiner Gebühr. 1 Vgl dazu die generelle Bestimmung in § 51. Der Gesetzgeber hat mit § 56 (wie auch mit § 34 Abs 1) explizit zum Ausdruck gebracht, dass das kartellgerichtliche Verfahren durch einen Vergleich beendet werden können (vgl auch 16 Ok 2/06).
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Einbringung
§ 57 KartG
Einbringung § 57. Die Einbringung der Gebühren und Kosten richtet sich nach den für bürgerliche Rechtssachen geltenden Vorschriften.
Die Einbringung von Gebühren und Kosten ist im GEG geregelt. Sie 1 ist Angelegenheit der Justizverwaltung. Für Verfahren vor dem K artGer und dem KOG ist in erster Linie der Präsident des OLG Wien (als Leiter der Behörde des Grundverfahrens, vgl § 6 Abs 1 Z 3 GEG) für den Vollzug zuständig. Die Leiter der Geschäftsabteilungen oder andere geeignete Bedienstete (Kostenbeamte) können mit Ermächtigung des Präsidenten Mandatsbescheide erlassen. Vor Erlassung derartiger Zahlungsaufträge, die Exekutionstitel im Sinne der EO sind, kann der Zahlungspflichtige mittels Lastschriftanzeige aufgefordert werden, fällige Gebühren oder Kosten binnen 14 Tagen zu entrichten. Gegen einen von einem Kostenbeamten erlassenen Zahlungsauftrag, der 2 eine bestimmte Rahmengebühr iSv § 50 zum Gegenstand hat, ist eine (an den Präsidenten des OLG Wien gerichtete) Vorstellung nur zulässig ist, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder der Zahlungsauftrag dem Beschluss des KartGer nach § 54 nicht entspricht. Das Bestehen und die Rechtmäßigkeit einer dem Grunde und der Höhe nach durch Beschluss des KartGer rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht können dagegen nicht überprüft werden (§§ 6 ff GEG). Zur Verjährung des Anspruchs des Bundes auf Bezahlung der Gebühren und Kosten vgl § 8 GEG. Der Vorstellung kommt aufschiebende Wirkung zu. Der Präsident des OLG Wien (oder ein von ihm ermächtigter Kostenbeamter) kann irrtümlich erlassene Zahlungsaufträge aufheben (§ 7 Abs 3 GEG). Eine „reformatio in peius“ ist möglich (§ 7 Abs 2 GEG). Der Präsident des OLG Wien entscheidet auch über Stundungs- und 3 Nachlassanträge. Ein Nachlassersuchen betreffend eine gerichtlich bestimmte Rahmengebühr gem § 9 Abs 2 GEG kann aber nur auf Umstände gestützt werden, die nach der Gebührenfestsetzung durch das KartGer eingetreten sind. Bei Beträgen über € 30.000 bedarf die Gewährung einer Stundung oder eines Nachlasses überdies der Zustimmung des Bundesministers für Justiz – vgl § 9 GEG. Die Eintreibung im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung er- 4 folgt durch die dem Präsidenten des OLG Wien unterstehende Einbringungsstelle (§ 11 GEG). 635
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Gerichtsorganisation
§ 58 KartG
V. Hauptstück Institutionen 1. Abschnitt Kartellgericht und Kartellobergericht Gerichtsorganisation § 58. (1) Das Oberlandesgericht Wien ist als Kartellgericht für das ganze Bundesgebiet zuständig. (2) Der Rechtszug gegen Beschlüsse des Kartellgerichts geht in zweiter und letzter Instanz an den Obersten Gerichtshof als Kartell obergericht. Übersicht
Rn I. Zuständigkeit für Verfahren nach dem KartG............................... 1–4 II. Zivilrechtliche Ansprüche................................................................... 5 III. Wettbewerbsregeln des AEUV........................................................... 6–9 IV. Weitere Zuständigkeiten..................................................................... 10–13 V. Amtshilfe für die StA........................................................................... 14
I. Zuständigkeit für Verfahren nach dem KartG Dass die Entscheidungsbefugnis für Verfahren nach dem KartG aus- 1 schließlich bei Gerichten liegt, ist im europäischen Vergleich die Ausnahme. Die organisatorischen und verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Kartellgerichtsbarkeit liegen in der Konzentration der örtlichen Zuständigkeit, der Beschränkung auf zwei Instanzen und der Beteiligung besonders qualifizierter fachkundiger Laienrichter: Im kartellgerichtlichen Verfahren ist das OLG Wien als KartGer für das ganze Bundesgebiet zuständig. Dabei handelt es sich um eine gerichtsorganisatorische Vorschrift. Das ergibt sich aus der Überschrift des ersten Abschnitts des fünften Hauptstücks („Kartellgericht und Kartellobergericht – Gerichtsorganisation“) in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit (16 Ok 3/08). Der Rechtszug gegen Beschlüsse der KartGer geht in zweiter und letzter Instanz an den OGH als KOG (16 Ok 3/10). Sachlich ist das KartGer primär für Tatbestände nach dem KartG zu- 2 ständig, für Verstöße gegen das Kartellverbot (§§ 1 ff), den Missbrauch 637
§ 58 KartGGugerbauer einer marktbeherrschenden Stellung (§§ 4 ff) und für Unternehmenszusammenschlüsse (§§ 7 ff). Dies beschränkt auf die gesetzlich normierten Befugnisse (vgl vor allem die §§ 12, 26–29, 35 f). 3 Durch § 24 Abs 3 wird der Anwendungsbereich des KartG in Angelegenheiten der aufsichtsbehördlichen Finanzmarkt- und Verkehrsverwaltung sowie der staatlichen Monopolverwaltung eingeschränkt. Werden mit staatlichen Monopolbefugnissen ausgestattete Unternehmen auf an den Monopolmarkt angrenzenden Märkten tätig, ist aber § 5 zu beachten, vor allem dann, wenn sie Ressourcen aus dem Monopol einsetzen (16 Ok 3/01). Wird versucht, mit einem Abstellungsoder Feststellungsantrag unmittelbarer in das hoheitliche Handeln eines Rechtsträgers einzugreifen, liegt Unzulässigkeit des Rechtswegs vor (16 Ok 9/95; 16 Ok 4/12). Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist eine Verfahrensvoraussetzung, die amtswegig zu berücksichtigen ist, sofern noch keine bindende Entscheidung dieser Frage vorliegt. 4 Gem Art 94 Abs 1 B-VG bzw Art 6 EMRK ist die klare Trennung von verwaltungsbehördlichem Ermittlungsverfahren und gerichtlichem Erkenntnisverfahren zu wahren, dies selbst dann, wenn § 2 Abs 1 WettbG Auslegungsspielraum bieten sollte. So fällt die Prüfung von Zusammenschüssen nicht in den Aufgabenbereich der BWB, ihre Ermittlungsbefugnis endet mit der Einleitung eines kartellgerichtlichen Prüfungsverfahrens (vgl 16 Ok 15/04).
II. Zivilrechtliche Ansprüche 5 Über zivilrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen Bestimmungen des I. Hauptstücks (dazu gehört etwa die Nichtigkeit nach § 1 Abs 3 bzw Art 101 Abs 2 AEUV) hat das KartGer nicht zu entscheiden (RIS-Justiz RS0119408; 16 Ok 46/05). Zum sog Private Enforcement des Kartellrechts vgl die §§ 37a ff. Verstöße gegen ein Verbot des I. Hauptstückes können auch Unterlassungsansprüche nach dem UWG begründen (4 Ob 60/09s) und als Schutzgesetzverletzungen (vgl § 1311 ABGB) Schadenersatzansprüche auslösen (vgl 4 Ob 46/12m). Auch diese Ansprüche sind vor den Zivilgerichten geltend zu machen. In kartellgerichtlichen Rekursverfahren fehlt die Beschwer, wenn das mit dem Antrag beim KartGer verfolgte Rechtsschutzziel schon durch die Entscheidung eines Zivilgerichts erreicht wurde (16 Ok 19/03). 638
Gerichtsorganisation
§ 58 KartG
III. Wettbewerbsregeln des AEUV Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist die Zuständigkeit des KartGer 6 durch das Wirkungsprinzip begrenzt (§ 24 Abs 2). Mit dieser Einschränkung ist das KartGer aber auch für die – unmittelbar anwendbaren – Art 101 und 102 AEUV zuständig: Das KartGer ist gem § 83 Abs 1 Z 1 die für die Erlassung von Entscheidungen in Anwendung der Art 101 und 102 AEUV und der aufgrund der Art 42 und 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln im Einzelfall zuständige Wettbewerbsbehörde iSv Art 5 VO 1/2003. Die Bereichsausnahmen des § 24 Abs 3 betreffen nicht den Anwendungsbereich von Art 101 f AEUV. Die in Art 5 Satz 3 der VO 1/2003 vorgesehene Entscheidung, dass 7 „kein Anlass besteht, tätig zu werden“, wurde aber nicht in das KartG übernommen. Diese Bestimmung ist daher nicht unmittelbar anwendbar (vgl aber 16 Ok 6/05). Die Regelung des Art 29 Abs 2 der VO 1/2003 über den Entzug des Rechtsvorteils einer Gruppenfreistellungsverordnung im Einzelfall wurde zwar ebenfalls nicht ausdrücklich in das KartG übernommen, eine entsprechende Entscheidung kann aber gegebenenfalls mit einer Abstellungs- oder Verpflichtungszusagenentscheidung verbunden werden. Das KartGer verliert seine Zuständigkeit zur Anwendung von Kartell- 8 recht der EU, sobald die Europäische Kommission gegenständlich ein Verfahren einleitet (Art 11 Abs 6 der VO 1/2003). Dies betrifft nicht das KOG als Rechtsmittelgericht (Art 35 Abs 3 Satz 2 der VO 1/2003). Das KOG ist als einzelstaatliches Gericht iSd VO 1/2003 (vgl die Be- 9 kanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art 101 und 102 des Vertrags, ABl C 2004 101, Rn 2) Adressatin der Art 6, 15 und 16 der VO 1/2003.
IV. Weitere Zuständigkeiten Weitere Zuständigkeiten des KartGer ergeben sich aus § 12 WettbG, 10 § 25 Abs 2 E-ControlG, § 6 NVG, § 111 Abs 1 TKG 2003, § 56 Abs 1 PMG (kartellgerichtliches Verfahren zur Abschöpfung einer Bereicherung), § 89 Abs 5 ElWOG 2010 und § 148 Abs 6 iVm § 164 GWG 2011. § 37a Abs 1 TKG 2003 räumt „den Kartellgerichten“ eine Befugnis zur Stellungnahme in Marktanalyseverfahren der Regulierungsbehörde ein, 639
§ 58 KartGGugerbauer die von den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senaten (§ 59) wahrgenommen wird. 11 Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zielsetzungen ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem Vergaberecht den gesamten Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe generell von der kartellrechtlichen Überwachung ausnehmen wollte (16 Ok 14/02). 12 Teilweise gibt es parallele Zuständigkeiten von KartGer und Regulierungsbehörden. So können bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen Missbrauchsverfahren nach dem KartG eingeleitet werden, dies ungeachtet der Möglichkeit, auch nach dem TKG Missbräuche einer marktbeherrschenden Stellung abstellen zu lassen (16 Ok 12/02; 16 Ok 11/03). Ein Tarif, der durch die zuständige Regulierungsbehörde genehmigt wurde, kann zum Gegenstand kartellgerichtlicher Missbrauchsaufsicht gemacht werden (16 Ok 11/04). 13 Auch § 132 Abs 1 Z 3 GWG und § 22 Abs 1 ElWOG 2010 sehen eine subsidiäre Zuständigkeit des sektorspezifischen Regulators gegenüber jener des KartGer vor, § 6 Abs 4 VerwGesG 2006 löst bestimmte Angelegenheiten aus der Zuständigkeit des KartGer heraus, die §§ 53 f Abs 2 und 74 Abs 2 Eisenbahngesetz 1957, § 24 Abs 1 E-ControlG, § 11 Abs 7 und § 67 Abs 1 AMD-G, § 29 Abs 1 PrR-G und § 2 Abs 4 TKG 2003 sehen dagegen vor, dass „die Zuständigkeit des Kartellgerichts“ oder „das Kartellgesetz“ unberührt bleiben.
V. Amtshilfe für die StA 14 Wird dem Ersuchen einer Staatsanwaltschaft um Amts- oder Rechtshilfe von einem ersuchten Gericht nicht oder nicht vollständig entsprochen, so hat das dem ersuchten Gericht übergeordnete Oberlandesgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft ohne vorhergehende mündliche Verhandlung über die Rechtsmäßigkeit der unterlassenen Amts- oder Rechtshilfe oder über den sonstigen Gegenstand der Meinungsverschiedenheit zu entscheiden (§ 76 Abs 2a StPO). Ein dem ersuchten KartGer iSd § 76 Abs 2a StPO übergeordnetes OLG besteht nicht. Diese planwidrige Lücke im Gesetz ist mittels Analogie zu schließen, weil für eine verschiedene Behandlung der Sachverhalte kein Grund zu finden ist. Über einen Antrag analog § 76 Abs 2a StPO hat deshalb – wenn das ersuchte Gericht das KartGer ist – der OGH als KOG zu entscheiden (16 Ok 3/10; RIS-Justiz RS0098756). 640
Zusammensetzung der Senate
§ 59 KartG
Zusammensetzung der Senate § 59. (1) In Ausübung der Kartellgerichtsbarkeit bestehen
1. die Senate des Oberlandesgerichtes Wien aus einem Richter als Vorsitzendem, einem weiteren Richter und zwei fachkundigen Laienrichtern, 2. die einfachen Senate des Obersten Gerichtshofs aus einem Richter als Vorsitzenden, zwei weiteren Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern, 3. die verstärkten Senate des Obersten Gerichtshofs aus sieben Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern. (2) Die fachkundigen Laienrichter in einem Senat müssen je zur Hälfte dem Kreis der von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und von der Wirtschaftskammer Österreich entsandten Personen angehören. (3) Hat ein Kartell ausschließlich Waren zum Gegenstand, die in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführt sind, so muss dem Senat des Kartellgerichts anstelle des von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte entsandten fachkundigen Laienrichters ein von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs entsandter fachkundiger Laienrichter angehören. Hat ein Kartell sowohl Waren, die in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführt sind, als auch andere Waren zum Gegenstand, so sind für diese beiden Warengruppen gesonderte Verfahren durchzuführen.
Übersicht
Rn I. Die kartellgerichtlichen Senate.......................................................... 1–4 II. Ablehnung von Richtern.................................................................... 5
I. Die kartellgerichtlichen Senate Das KartGer entscheidet in Vierersenaten, dem Vorsitzenden kommt 1 ein Dirimierungsrecht zu (§ 63 Satz 2). Die einfachen Senate des KOG bestehen aus fünf, die verstärkten Senate aus neun Mitgliedern. Allen diesen Senaten gehören jeweils zwei fachkundige Laienrichter an. Ein nur aus Berufsrichtern bestehenden Dreiersenat des KOG entscheidet über Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die der Vorsitzende des KartGer getroffen hat, sowie gegen Entscheidungen über Gebühren und den Kostenpunkt (vgl § 62 Abs 2). 641
§ 59 KartGGugerbauer 2 Die fachkundigen Laienrichter müssen in jedem Senat je zur Hälfte dem Kreis der von der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte vorgeschlagenen Personen entstammen. Der von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte entsandte Laienrichter wird durch einen von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs entsandten Laienrichter ersetzt, soweit über ein Kartell zu befinden ist, das in der Anlage zum KartG angeführte Waren zum Gegenstand hat. Diese Regelung gilt nicht für Verfahren der Missbrauchsaufsicht und für Zusammenschlussprüfungen sie findet auch im Rechtsmittelverfahren keine Anwendung. 3 Ein bloßer Verstoß gegen die Geschäftsverteilung ist keinem Besetzungsmangel iSd § 59 gleichzuhalten, sondern kraft Größenschlusses wie eine örtliche Unzuständigkeit zu behandeln, die im Regelfall keinen wesentlichen Verfahrensmangel bildet und daher sanktionslos bleibt (6 Ob 51/09g). 4 Fachkundige Laienrichter sind nicht als Mitwirkende des Volks iSd Art 91 Abs 1 B-VG anzusehen, sie sind vielmehr Richter nach den Art 83ff B-VG, sie sind in Ausübung ihres Amtes mit allen Merkmalen der richterlichen Unabhängigkeit ausgestattet (vgl auch Okt 9/91). Vor Ablauf ihrer Amtsdauer können sie gegen ihren Willen nicht versetzt und nur durch ein Erkenntnis des OLG Wien als Disziplinargericht ihres Amts enthoben werden.
II. Ablehnung von Richtern 5 Sieht man von § 72 KartG (Ablehnung von fachkundigen Laienrichtern) ab, enthalten das KartG und das AußStrG keine Bestimmungen über die Ablehnung von Richtern. Die allgemeinen Regelungen der §§ 19 ff JN beziehen sich auf alle zivilgerichtlichen Verfahren, also auch auf das außerstreitige Verfahren. Sie gelten im kartellgerichtlichen Verfahren für Berufs- und Laienrichter (vgl 5 Ob 154/07v).
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Geschäftsverteilung
§ 60 KartG
Geschäftsverteilung § 60. (1) Die §§ 45 und 46 des Gerichtsorganisationsgesetzes, RGBl. Nr. 217/1896, sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass Sachen der Kartellgerichtsbarkeit beim Oberlandesgericht Wien auf zumindest zwei, höchstens jedoch auf fünf Senatsabteilungen zu verteilen sind. (2) § 13 des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968, ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Sachen der Kartellgerichtsbarkeit beim Obersten Gerichtshof nur einer einzigen Senatsabteilung zuzuweisen sind. (3) Durch die Geschäftsverteilung müssen auch die fachkundigen Laienrichter, die den einzelnen Senaten angehören, bestimmt werden. Nach Art 87 Abs 3 B-VG sind die gerichtlichen Geschäfte für eine be- 1 stimmte Zeit im Voraus zu verteilen, dadurch wird das Recht auf den gesetzlichen Richter präzisiert. Die Verfassung verbürgt ein „Recht auf ein Verfahren vor dem geschäftsverteilungsgemäßen Richter“ (4 Ob 143/10y mwN). Die auf Verfassungsrecht beruhenden Vertretungsregeln haben für alle gerichtlichen Zuständigkeitsvorschriften - und damit auch für jene des KartG und des WettbG (vgl etwa § 12 Abs 3 WettbG) – Gültigkeit. Ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung bedeutet daher regelmäßig auch einen Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (16 Ok 8/13, 16 Ok 9/13). Die Verteilung der Geschäfte in Angelegenheiten der Kartellgerichts- 2 barkeit obliegt den Personalsenaten des OLG Wien und des OGH (§ 36 RDG). Für die Festlegung der Anzahl, der personellen Zusammensetzung und der Geschäftsbereiche der Kartellsenate des OLG Wien gelten die – durch § 60 modifizierten – Vorgaben der §§ 45 ff GOG. Bei der Anzahl der Senate (zwei bis fünf) besteht ein Spielraum, eine größere Anzahl an Senaten ermöglicht eine stärkere Spezialisierung. Für die durch das KartG angeordnete Einrichtung nur einer Senatsabteilung beim KOG war ebenfalls der Gedanke der Spezialisierung ausschlaggebend (vgl AB 310 BlgNR 19. GP). Die Geschäftsverteilung hat auch zu bestimmen, welchen Senaten die ernannten fachkundigen Laienrichter angehören. Die Geschäftsverteilung hat auch Regelungen für die Vertretung der 3 einzelnen Gerichtsabteilungen zu enthalten, wobei jedem Leiter einer Gerichtsabteilung eine ausreichende Zahl von Vertretern und die Rei643
§ 61 KartGGugerbauer henfolge in der die Vertreter einzutreten haben, zu bestimmen ist. Der Vertretungsfall tritt bei jedweder Abwesenheit des ursprünglich zuständigen Richters ein. Handelt der Vertreter im Vertretungsfall, wird das Recht der Parteien auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt (vgl 15 Os 152/07b = RIS-Justiz RS0123066 zur Haftverhandlung). Ob in der Begründung der Entscheidung auf den Vertretungsfall Bezug genommen wird, ist unerheblich, weil es für die Rechtsverletzung allein darauf ankommt, ob der Vertretungsfall gegeben ist oder nicht (16 Ok 8/13, 16 Ok 9/13). 4 Im Außerstreitgesetz sind die Folgen eines Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung nicht ausdrücklich angeführt (vgl §§ 56, 58 Abs 4 AußStrG). Im Schrifttum wird einhellig der Größenschluss gezogen, dass dann, wenn nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sogar die Entscheidung durch ein örtlich unzuständiges Gericht sanktionslos bleibt, dies umso mehr auch gelten muss, wenn ein Vertreter im Vertretungsfall handelt (6 Ob 51/09g; 16 Ok 8/13, 16 Ok 9/13).
Berichterstatter § 61. Der Senatsvorsitzende beim Oberlandesgericht Wien kann, sofern er nicht selbst Bericht erstattet, einen fachkundigen Laienrichter als Berichterstatter bestimmen. 1 Innerhalb des zuständigen Senats des KartGer verteilt der Senatsvorsitzende die Geschäfte, er bestimmt insbesondere den Berichterstatter (der in der Regel den Erledigungsentwurf ausarbeitet). Dass § 61 die Berichterstattung durch den Vorsitzenden als den Regelfall ansieht, geht auf die ursprüngliche Fassung des KartGer zurück, die den Vorsitzenden als einzigen Berufsrichter des Senats vorsah. In der Praxis wird die Berichterstattung häufig dem zweiten Berufsrichter übertragen. 2 Jedes Senatsmitglied kann als beauftragter Richter iSd §§ 282 ff ZPO iVm § 35 AußStrG mit Beweisaufnahmen außerhalb einer mündlichen Verhandlung betraut werden.
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Entscheidung durch den Vorsitzenden des Kartellgerichts
§ 62 KartG
Entscheidung durch den Vorsitzenden des Kartellgerichts und durch den Dreiersenat des Kartellobergerichts § 62. (1) Zwischenerledigungen des Kartellgerichts trifft der Vorsitzende allein; Endentscheidungen trifft er außer in den in diesem Bundesgesetz sonst vorgesehenen Fällen nur dann allein, wenn eine Partei dies beantragt und die anderen Parteien zustimmen. (2) Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat durch einen Dreiersenat (§ 7 des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof) zu entscheiden über Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die der Vorsitzende allein getroffen hat, sowie gegen Entscheidungen über Gebühren und über den Kostenpunkt. Entscheidungen, die nicht „in der“ oder „über die“ Sache ergehen, die 1 also nicht einmal teilweise zu einer Erledigung der Sache für die Instanz führen, werden als Zwischenerledigungen bezeichnet. Dazu gehören vor allem die verfahrensleitenden Beschlüsse, die der Gestaltung des Verfahrens oder der Stoffsammlung dienen (zB Aktenbeischaffung, Anberaumung einer Tagsatzung etc). Auch Verbesserungsaufträge sowie Entscheidungen über die Verfahrenshilfe und über eine beantragte Wiedereinsetzung stellen Zwischenerledigungen dar. Zwischenerledigungen des KartGer trifft der Senatsvorsitzende allein 2 (§ 62 Abs 1); Rechtsmittel gegen solche Entscheidungen sind dem Dreiersenat des KOG zugewiesen (§ 62 Abs 2). In sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen ist vom OGH über den Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 76 Abs 2a StPO (Amts- und Rechtshilfe) im Dreiersenat zu entscheiden. Eine solche Entscheidung betrifft keine dem KartGer zugewiesene Sache; sie geht über eine Zwischenerledigung hinaus (16 Ok 3/10). Entscheidungen gem § 37 Abs 2 (Entscheidungsveröffentlichung), § 43 3 Abs 1 (Verbesserung und Zurückweisung einer Zusammenschlussanmeldung), § 44 (Bestimmung von Fristen) und § 54 (Festsetzung der Rahmengebühr) werden vom KartGer explizit in die Zuständigkeit des Vorsitzenden verwiesen. Auch Beschlüsse gem § 2 Abs 2 GEG, die Anordnung einer Haus- 4 durchsuchung gem § 12 WettbG und § 25 Abs 2 E-ControlG, der Zuspruch der Befugnis zur Entscheidungsveröffentlichung nach § 7 Abs 9 645
§ 63 KartGGugerbauer NVG sowie die Gebührenbestimmung nach § 39 GebAG fallen in die Entscheidungskompetenz des Senatsvorsitzenden. 5 Entscheidungen in oder über die Sache (auch Teil- und Zwischenentscheidungen gem § 36 Abs 2 AußStrG) trifft der Vorsitzende nur dann allein, wenn alle Parteien zustimmen. Dies kann vor allem bei einfachen Formalentscheidungen, die Erledigungen darstellen, etwa der Einstellung des Prüfungsverfahrens gem § 14 Abs 1 Satz 2, zweckmäßig sein. 6 Entscheidet der Vorsitzende ohne das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allein, liegt ein Besetzungsfehler vor, der nach § 58 Abs 4 Z 3 AußStrG „jedenfalls“, also auch ohne Geltendmachung (§ 55 Abs 3 AußStrG), zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt (vgl Okt 6/73). Dass eine Nichtigkeit nicht vorliegt, wenn der Senat an Stelle des Vorsitzenden (als Einzelrichter) entschieden hat, sieht zwar die Zivilprozessordnung (vgl Okt 6/73), nicht aber das – für das kartellgerichtliche Verfahren maßgebliche – AußStrG vor.
Abstimmung § 63. Für die Abstimmung gilt § 10 Abs 2 der Jurisdiktionsnorm mit der Maßgabe, dass die an Lebensjahren älteren fachkundigen Laienrichter vor den jüngeren abstimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
1 Grundsätzlich gelten für die Kartellgerichtsbarkeit die Bestimmungen der JN über Beratung, Abstimmung und Ablehnung von Richtern. Bei Abstimmungen gibt zunächst der ältere Laienrichter, dann der jüngere Laienrichter, der berufsrichterliche Beisitzer und schließlich der Vorsitzende die Stimme ab. Erstattet der beisitzende Berufsrichter oder der an Lebensjahren jüngere Laienrichter Bericht, fällt ihm die erste Stimmabgabe zu. Der Vorsitzende gibt seine Stimme dagegen auch dann zuletzt ab, wenn er Berichterstatter ist. Auch für die Stimmabgabe in den Senaten des KOG gilt die Regelung von § 63 iVm § 10 Abs 2 JN. 2 Gem § 11 Abs 1 JN ist eine Stimmenhaltung unzulässig, Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefasst (§ 12 Abs 1 JN), bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Haben nicht alle Senatsmitglieder abgestimmt, führt dies gem § 58 Abs 4 Z 3 AußStrG zur Aufhebung der Entscheidung. 646
Stellung der fachkundigen Laienrichter
§ 64 KartG
Die Abstimmung der Richter im Senat ist (wie auch ihre Beratung) 3 nicht öffentlich (vgl 2 Ob 98/08p). Das Beratungsprotokoll ist von der Akteneinsicht der Parteien ausgenommen (§ 219 Abs 1 ZPO; § 170 Abs 2 GeO). Das Beratungsgeheimnis dient der Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung.
Stellung der fachkundigen Laienrichter § 64. (1) Die fachkundigen Laienrichter haben das Recht zur Führung des Titels ,,Kommerzialrat“. Sofern ein fachkundiger Laienrichter dem Kartellgericht oder dem Kartellobergericht mindestens fünf Jahre angehört hat, besteht dieses Recht auch nach Beendigung des Amtes weiter. (2) Die fachkundigen Laienrichter sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig; sie haben hiebei die mit dem Richteramt verbundenen Befugnisse in vollem Umfang. (3) Für jede Sitzung oder Verhandlung haben die fachkundigen Laienrichter beim Kartellgericht Anspruch auf eine Vergütung von 4,68%, die fachkundigen Laienrichter beim Kartellobergericht auf eine Vergütung von 6,68% des Gehaltes eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung in der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, zuzüglich allfälliger Teuerungszulagen. Wird ein fachkundiger Laienrichter als Berichterstatter tätig, so hat er Anspruch auf die doppelte Vergütung. (4) Finden an einem Tag mehrere Sitzungen oder Verhandlungen in verschiedenen Rechtssachen statt, so gebührt für jede Sitzung oder Verhandlung die volle Vergütung. (5) Die fachkundigen Laienrichter haben Anspruch auf Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie auf Entschädigung für Zeitversäumnis entsprechend den für Zeugen geltenden Bestimmungen des GebAG 1975, BGBl. Nr. 136, mit der Maßgabe, dass für die Dauer der Sitzungen und Verhandlungen keine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht und sich der in § 18 Abs. 1 Z 1 des genannten Bundesgesetzes jeweils genannte Betrag um die Hälfte erhöht. Die fachkundigen Laienrichter sind in ihren Amtsbefugnissen den Be- 1 rufsrichtern gleichgestellt. Sie sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei. Eine Amtsenthebung kann gem § 70 Abs 2 nur im Rahmen eines förmlichen gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen werden. 647
§ 65 KartGGugerbauer
Ernennung § 65. Die fachkundigen Laienrichter des Kartellgerichts und des
Kartellobergerichts werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesministers für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ernannt.
Eignung § 66. Als fachkundige Laienrichter dürfen nur Personen ernannt werden, die 1. zur Übernahme des Amtes bereit sind; 2. zum Amt eines Geschwornen oder Schöffen fähig sind; 3. ein inländisches rechts-, handels- oder wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium vollendet haben; 4. längere Berufserfahrungen auf rechtlichem oder wirtschaftlichem Gebiet haben. 1 Die anspruchsvollen Anforderungen in Z 3 und 4 stellen sicher, dass die fachkundigen Laienrichter mit Sachverstand und Erfahrung zur Entscheidung der in der Regel komplexen Fragen beitragen können. Das Fehlen einer Ernennungsvoraussetzung oder der nachträgliche Wegfall einer Ernennungsvoraussetzung bildet einen Enthebungs- wie auch einen Ablehnungsgrund.
Unvereinbarkeit § 67. Ein fachkundiger Laienrichter darf nicht
1. gleichzeitig auf Vorschlag mehrerer vorschlagsberechtigter Stellen oder gleichzeitig zum Kartellgericht und zum Kartellobergericht ernannt sein; 2. Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung, des Nationalrats oder des Bundesrats sein.
1 Das Vorliegen eines der in § 67 angeführten Unvereinbarkeitsgründe zum Zeitpunkt der Ernennung oder der nachträgliche Eintritt eines dieser Kriterien führt zur Amtsenthebung, bzw stellt in anhängigen Verfahren einen Ablehnungsgrund dar (§ 72). 648
Nominierung
§ 68 KartG
Fachkundige Laienrichter dürfen darüber hinaus weder Mitglied der 2 Wettbewerbskommission (§ 16 Abs 2 WettbG) sein, noch als Sachverständige in die vom Präsidenten des HG Wien geführten Sachverständigen-Liste für das Fachgebiet oder die Fachgruppe „Wettbewerbsökonomie“ (vgl § 73), bzw in die nach § 73 Abs 1 aF vom Präsidenten des OLG Wien geführte Sachverständigenliste eingetragen sein. Wegen der fehlenden Erwähnung in § 67 stellen diese (Zusatz-)Funktionen zwar kein Hindernis für eine Ernennung zum fachkundigen Laienrichter, aber gegebenenfalls eine Grundlage für eine Ablehnung iSv § 19 Z 2 JN dar.
Nominierung § 68. (1) Je fünf fachkundige Laienrichter des Kartellgerichts sind vom Bundesminister für Justiz auf Grund von Vorschlägen der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs vorzuschlagen. Je fünf fachkundige Laienrichter des Kartellobergerichts sind vom Bundesminister für Justiz auf Grund von Vorschlägen der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte vorzuschlagen. (2) Die vorschlagsberechtigten Stellen sollen in ihren Vorschlag für jeden fachkundigen Laienrichter wenigstens zwei Personen aufnehmen und diese Personen reihen. Die Voraussetzungen für die Ernennung und die Zustimmung der vorgeschlagenen Personen sind nachzuweisen. (3) Der Bundesminister für Justiz darf jeweils nur eine der ihm vorgeschlagenen Personen vorschlagen; wird jedoch das Vorschlagsrecht nicht binnen einer angemessenen, vom Bundesminister für Justiz zu bestimmenden Frist ausgeübt, so ist er bei Erstattung seines Vorschlags an Vorschläge der genannten Stellen nicht gebunden. Der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter 1 und Angestellte und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs kommt ein Vorschlagsrecht für die fachkundigen Laienrichter zu, die Vorschläge sind bindend. Unterschreitet die Zahl der ernannten Laienrichter fünf, hat der Bun- 2 desminister für Justiz weitere Laienrichter zur Ernennung vorzuschlagen. 649
§ 69 KartGGugerbauer
Amtsdauer § 69. Das Amt eines fachkundigen Laienrichters endet mit Ablauf des Jahres, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat.
1 Das Amt des fachkundigen Laienrichters ist nicht auf eine Funktionsperiode beschränkt.
Amtsenthebung § 70. (1) Ein fachkundiger Laienrichter ist seines Amtes zu entheben, wenn 1. die Ernennungsvoraussetzungen nicht gegeben waren oder nachträglich weggefallen sind; 2. Umstände vorgelegen oder nachträglich eingetreten sind, mit denen das Amt eines fachkundigen Laienrichters unvereinbar ist; 3. er ohne genügende Entschuldigung die Pflichten seines Amtes wiederholt vernachlässigt; 4. er sich eines Verhaltens schuldig macht, das mit dem Ansehen seines Amtes unvereinbar ist. (2) Der Oberste Gerichtshof hat über die Enthebung nach Abs. 1 Z 1 bis 3 in dem nach § 93 Abs. 1 RStDG vorgesehenen Verfahren, über die Enthebung nach Abs. 1 Z 4 in dem nach den §§ 112 bis 120, 122 bis 138, 142 bis 144, 146 Abs. 1, §§ 147 bis 149, 151, 152 lit a, 153, 154, 155 Abs. 1, §§ 157, 161 bis 163 und 165 RStDG vorgesehenen Verfahren mit der Maßgabe zu entscheiden, dass außer der Enthebung keine Strafe verhängt werden darf. (3) Überdies ist ein fachkundiger Laienrichter auf sein Ersuchen durch den Bundesminister für Justiz seines Amtes zu entheben. 1 Gegen den Willen des fachkundigen Laienrichters kann eine Amtsenthebung nur durch den OGH im Rahmen eines dienstgerichtlichen oder eines disziplinargerichtlichen Verfahrens nach dem RStDG ausgesprochen werden.
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Ablehnung von fachkundigen Laienrichtern
§ 72 KartG
Meldepflichten § 71. Die fachkundigen Laienrichter haben dem Präsidenten des Gerichtshofs (dem Vorsitzenden des Senats) umgehend die folgenden Umstände zu melden: 1. jeden Umstand, der sie daran hindert, einer Ladung als fachkundiger Laienrichter nachzukommen, 2. jeden Wohnungswechsel, 3. das Eintreten einer länger dauernden Verhinderung an ihrer Amtsausübung, 4. den Eintritt einer Unvereinbarkeit und 5. den Verlust der Voraussetzungen für das Wahlrecht zum Nationalrat. Die Meldepflichten nach § 71 dienen einerseits der Vermeidung von 1 Verfahrensverzögerungen (Z 1 bis 3), andererseits der Vorbereitung eines Ablehnungsverfahrens gem § 72 bzw einer Amtsenthebung nach § 70 (Z 4 und 5).
Ablehnung von fachkundigen Laienrichtern § 72. Fachkundige Laienrichter können auch deshalb abgelehnt werden, weil ihnen die Voraussetzungen für die Ernennung fehlen oder Umstände vorliegen, mit denen das Amt eines fachkundigen Laienrichters unvereinbar ist.
Übersicht
Rn I. Allgemeine Befangenheits- und Ausschließungsgründe............... 1–5 II. Fachkundige Laienrichter................................................................... 6–12
I. Allgemeine Befangenheits- und Ausschließungsgründe Über die besonderen Ablehnungsgründe der §§ 66 und 67 (Ernen- 1 nungserfordernisse) hinaus sind im kartellgerichtlichen Verfahren die allgemeinen Befangenheits- und Ausschließungsgründe der §§ 19 ff JN zu beachten (1 Ob 199/12i; 1 Nc 67/04z; RIS-Justiz RS0123013). Aus 651
§ 72 KartGGugerbauer § 39 kann kein eigener Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund für in kartellgerichtlichen Verfahren tätig werdende Richter abgeleitet werden, es gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 19 ff JN (5 Ob 154/07v). 2 Eine Befangenheit nach § 19 Z 2 JN liegt immer dann vor, wenn zureichende Gründe zumindest den Anschein erwecken können, dass der zur Entscheidung berufene Richter nicht völlig unbefangen an seine Aufgabe herangehe. Dabei genügt schon, dass bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte. Bei der Prüfung der Unbefangenheit ist im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Wien, 13 Nc 12/13h). 3 Nach § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Das Ablehnungsrecht ist verzichtbar und verschweigbar (RIS-Justiz RS0046040 [T1]; RS0045982 [T5]). Ablehnungsgründe sind sofort nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen (RIS-Justiz RS0045977 [T2]). Jede Einlassung in die Verhandlung oder Antragstellung nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrundes bewirkt den Ausschluss von der Geltendmachung (RISJustiz RS0045982 [T3] = RS0046040 [T4]). Wird ein Befangenheitsgrund in einer mündlichen Verhandlung bekannt, so hat die Partei in dieser sofort den Ablehnungsantrag zu stellen (RIS-Justiz RS0045982 [T3]; 1 Ob 199/12i). 4 Verfahrensmängel vermögen in der Regel nicht die Befangenheit des Gerichts darzutun (RIS-Justiz RS0046090). Sie können den Anschein der Befangenheit dann begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln lassen. Das KartGer entscheidet in Kartellangelegenheiten gemäß § 38 KartG im Verfahren außer Streitsachen mit den im KartG vorgesehenen Modifikationen. Mangels spezifischer Regelungen über die Beweisaufnahme gilt § 13 AußStrG, der seinerseits keinen bestimmten gegliederten Verfahrensablauf vorsieht, sondern lediglich anordnet, dass das Verfahren so zu gestalten ist, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet werden (2 Ob 4/17b). 652
Ablehnung von fachkundigen Laienrichtern
§ 72 KartG
Die Tätigkeit des Sachverständigen ist aufgrund der Komplexität der zu 5 beurteilenden Sachverhalte gerade im Kartellverfahren von großer Bedeutung. Notwendig wird seine Bestellung immer dann, wenn der Richter die zur Beurteilung des Gegenstands der Erhebung erforderlichen Sachkenntnisse nicht besitzt. Dies kann aber letztlich nur der Richter selbst beurteilen, weshalb sogar nach § 183 Abs 2 ZPO der Sachverständigenbeweis uneingeschränkt – also auch gegen den Willen der Parteien – zulässig ist. Auch nach § 31 Abs 3 AußStrG – auf den mangels spezieller Regelungen im KartG wiederum zurückzugreifen ist – kann das KartGer Sachverständige bestellen, ohne vorher die Parteien über die Person zu vernehmen; lediglich der Bestellungsbeschluss ist zuzustellen. Das KartGer hat daher sowohl bei der Frage der Bestellung eines Sachverständigen als auch bei jener, ob Verlängerungen der Frist für die Gutachtenserstattung gewährt werden können, jeweils zwischen der Notwendigkeit, nicht vorhandenes, aber für die gründliche Beurteilung notwendiges Sachwissen zu ermitteln, und jener, eine möglichst kurze Verfahrensdauer zu gewährleisten, abzuwägen (2 Ob 4/17b).
II. Fachkundige Laienrichter Berufliche Kontakte begründen nicht ganz allgemein Befangenheit eines Richters. Ist ein fachkundiger Laienrichter Dienstnehmer einer Verfahrenspartei, ist er deswegen noch nicht vom Richteramt ausgeschlossen, es kann aber Befangenheit gem § 19 (Z 2) JN vorliegen, wenn der Anschein entstehen könnte, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten (1 Nc 67/04z; 16 Ok 24/03; RIS-Justiz RS0045952). Eine beratende Tätigkeit, etwa die Befassung mit einem einem (anstehenden) Verfahren vor dem KartGer zugrundeliegenden konkreten Sachverhalt und die Äußerung einer Rechtsmeinung zu diesem Sachverhalt als Sachbearbeiter der Wirtschaftskammer oder Arbeiterkammer, ist ebenso geeignet, bei den Parteien den Anschein der Befangenheit des Richters zu erwecken, wie die Ausarbeitung eines Privatgutachtens in dieser Sache (vgl OLG Wien, 13 Nc 12/13h).
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Soweit ein fachkundiger Laienrichter erklärt, bis zur Einleitung eines bestimmten Verfahrens sei ihm der verfahrensgegenständliche Sachverhalt unbekannt gewesen, weder davor noch danach habe es mit der be-
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§ 72 KartGGugerbauer troffenen Untergliederung der gesetzlichen Interessensvertretung in der gegenständlichen Angelegenheit Kontakt gegeben, er könne ausschließen, dass er dieser Untergliederung im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt jemals rechtlich beraten habe, liegt kein Ablehnungsgrund vor (16 Ok 2, 3/09). 8 War ein fachkundiger Laienrichter im Zusammenhang mit dem Gegenstand eines (späteren) kartellgerichtlichen Verfahrens konkret mit Aufgaben der Interessensvertretung befasst, ist er als Bevollmächtigter iSv § 20 Z 4 JN anzusehen, eine kartellgerichtliche Entscheidung, an der er mitgewirkt hat, ist von Amts wegen aufzuheben (16 Ok 24/03). 9 Über die Befangenheit eines fachkundigen Laienrichters des KartGer entscheidet ein aus drei Berufsrichtern bestehender Senat des OLG Wien (§ 8 Abs 1 JN). Über die Befangenheit eines fachkundigen Laienrichters des KOG ein aus fünf Berufsrichtern bestehenden Senat (§ 6 OGHG; 1 Nc 67/04z). 10 Ein Befangenheitsgrund liegt regelmäßig auch dann vor, wenn der Richter seine Befangenheit selbst anzeigt. Nur ausnahmsweise wird bei der Selbstmeldung des Richters keine Befangenheit anzunehmen sein, etwa bei Anzeichen einer missbräuchlichen Selbstanzeige oder wenn die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet sind, den Anschein einer Befangenheit zu begründen (vgl RIS-Justiz RS0045949, RS0046053). 11 Unter den Voraussetzungen des § 21 Abs 2 JN kann eine Befangenheit auch noch im Rahmen eines Rekurses gegen die Entscheidung, an der der Richter mitgewirkt hat, geltend gemacht werden. Dann hat das KartGer noch vor Durchführung des Rekursverfahrens durch das KOG über den Ablehnungsantrag zu entscheiden (Okt 15/76). 12 Nach § 58 Abs 4 AußStrG hat das Rekursgericht einen angefochtenen Beschluss aufzuheben, wenn ein ausgeschlossener oder mit Erfolg abgelehnter Richter entschieden hat (16 Ok 2, 3/09).
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Sachverständige in Kartellangelegenheiten
§ 73 KartG
Sachverständige in Kartellangelegenheiten § 73. Abweichend von § 3 Sachverständigen- und Dolmetscherge-
setz, BGBl. Nr. 137/1975, ist die Liste für das Fachgebiet oder die Fachgruppe „Wettbewerbsökonomie“ bundesweit durch den Präsidenten oder die Präsidentin des Handelsgerichts Wien zu führen.
Die Aufnahme in die bis zum Inkrafttreten der KartG-Nov 2017 zu 1 führende Liste der Sachverständigen in Kartellangelegenheiten sah keine dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz vergleichbare Auswahlkriterien (§ 2 SDG) vor; insbesondere erfolgte keine regelmäßige Überprüfung der Qualität der Sachverständigen, wie dies die Rezertifizierung nach § 6 SDG gewährleistet. Die Sachverständigen in Kartell angelegenheiten sind daher seit dem Inkrafttreten der KartG-Nov 2017 im Fachgebiet (in der Fachgruppe) „Wettbewerbsökonomie“ in der allgemeinen SDG-Liste zu führen. Im Hinblick auf den unternehmensrechtlichen Schwerpunkt des Kartellrechts ist der Präsident des Handelsgerichts Wien mit der Listenführung beauftragt. In den Übergangsbestimmungen (§ 86 Abs 6) ist vorgesehen, dass die 2 besonderen Sachverständigenliste beim KartGer dann, wenn die ab 1. Mai 2017 laufende Fünfjahresfrist des § 73 Abs 2 aF abgelaufen ist, nicht mehr weiterzuführen ist. Sachverständige, die sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht in die allgemeine SDG-Liste eintragen lassen haben (dies geschieht nur auf Antrag, eine amtswegige „Übertragung“ findet nicht statt), verlieren dann die Eigenschaft als allgemein beeidet, es sei denn, sie wären im Zeitpunkt des Auslaufens der früheren Liste noch in einem Verfahren bestellt: dann behalten sie diese Eigenschaft für das konkrete Verfahren (EB RV KaWeRÄG 2017). Welchen Sachverständigen das KartGer aus der Liste auswählt, ist eine 3 Frage des Verfahrensrechts (vgl Okt 18/74). Nach § 35 AußStrG gelten die Bestimmungen der ZPO über den Sachverständigenbeweis. Das KartGer kann – wie sich aus § 351 ZPO ergibt – auch andere geeignete Person bestellen. Das KartGer muss die Parteien vor der Bestellung des Sachverständigen nicht über dessen Person vernehmen. Auch die Expertise der Regulatoren kann herangezogen werden, vor allem dann, wenn sie nicht Antragsteller sind. Sachverständige müssen im Rahmen einer Befundaufnahme „Tatsachen 4 erheben bzw feststellen“. Der Befund hat die Feststellung aller Tatsa655
§ 73 KartGGugerbauer chen zu enthalten, die der Sachverständige ermittelt hat. Der Befund ist zu begründen, der Sachverständige muss seine Quellen angeben, um dem KartGer eine Nachprüfung zu ermöglichen. Der Befund bildet die Grundlage für die fachlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen. 5 Bei der Beweisaufnahme durch Sachverständige ist es deren Aufgabe, aufgrund ihrer einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gerichtsauftrag jeweils maßgebend strittigen Tatfrage(n) am besten eignet (RIS-Justiz RS0119439; 16 Ok 9/15g). Andernfalls verhinderte das Gericht, dem es an der notwendigen Fachkunde zur Lösung der durch Sachverständige zu beurteilenden Tatfragen mangelt, die Fruchtbarmachung spezifischen Expertenwissens. Das Gericht hat daher Sachverständigen die im Zuge der Auftragserledigung anzuwendende(n) Methode(n) im Allgemeinen nicht vorzuschreiben, gehört doch die Methodenwahl zum Kern der Sachverständigentätigkeit (RIS-Justiz RS0119439). 6 Bei der Abgrenzung von Tat- und Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem Sachverständige-Beweis ist davon auszugehen, dass nicht jede Methodenfrage auch eine Rechtsfrage ist. Methodenfragen sind nur dann Rechtsfragen, wenn sich die gewählte Methode – gemessen an den kartellrechtlichen Vorgaben – als ungeeignet (untauglich) herausstelle. So liegt eine Rechtsfrage vor, wenn der Sachverständige nicht kartellrechtlich vorgegebene Methoden, konkret etwa den hypothetischen Monopolistentest (SSNIP-Test), heranzieht. Anderes gilt, wenn er Ermittlungsgrundsätze einhält, jedoch gegen erfahrungswissenschaftliche Standards verstößt, etwa ein zu kleines Sample von Befragten verwendet (16 Ok 8/10). Dann handelt es sich um Fragen der Überzeugungskraft des Gutachtens und damit um Fragen der Beweiswürdigung (16 Ok 8/10). 7 Die Entlohnung der Sachverständigen ist nach den Bestimmungen des GebAG vorzunehmen. Gebührenbestimmungsbeschlüsse des KartGer unterliegen einer vierzehntätigen Rekursfrist (§ 41 Abs 1 GebAG; vgl 16 Ok 16/03). Der Sachverständige muss vor dem Überschreiten der Kostenschätzung – bei sonstigem Entfall weiterer Gebühren – warnen (§ 25 Abs 1a GebAG; vgl 16 Ok 7/10). 8 Es kann sowohl ein Befund, wie auch die darauf aufbauende gutachterliche Schlussfolgerung (das eigentliche Gutachten) unrichtig sein, aber auch der Befund richtig, die gutachterliche Schlussfolgerung dagegen unrichtig, oder der Befund unrichtig, wenn auch die gutachterlichen 656
Tätigkeitsbericht des Kartellobergerichts
§ 74 KartG
Schlussfolgerungen methodisch richtig sind. Wer als Sachverständiger einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet, handelt gem § 288 Abs 1 StGB tatbestandsmäßig.
Tätigkeitsbericht des Kartellobergerichts § 74. Das Kartellobergericht hat nach Schluss jedes Jahres nach
nhörung des Kartellgerichts einen Bericht über die Tätigkeit des A Kartellgerichts und des Kartellobergerichts und die hierbei gesammelten Erfahrungen unter Bedachtnahme auf die Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der betroffenen Unternehmer zu verfassen und dem Bundesminister für Justiz zu übermitteln. In den Bericht können auch Anregungen für die Vorbereitung von Maßnahmen der Gesetzgebung oder die Erlassung von Verordnungen aufgenommen werden. Der jährliche Tätigkeitsbericht des KOG ist von den im Rahmen der 1 Geschäftsverteilung damit betrauten Senaten zu erledigen. Der Bericht ist Teil des auf der Website des OGH veröffentlichten Tätigkeitsberichts gem § 12 OGHG.
657
§ 75 KartGGugerbauer
2. Abschnitt Bundeskartellanwalt Aufgaben § 75. (1) Der Bundeskartellanwalt ist zur Vertretung der öffentli-
chen Interessen in Angelegenheiten des Wettbewerbsrechts beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht berufen. Er ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben vom Kartellgericht unabhängig. (2) Der Bundeskartellanwalt ist dem Bundesminister für Justiz unmittelbar unterstellt. (3) Für den Bundeskartellanwalt sind ein oder mehrere Stellvertreter zu bestellen (Bundeskartellanwalt-Stellvertreter). Übersicht
Rn I. Öffentliche Interessen.......................................................................... 1–2 II. Antragslegitimation............................................................................ 3–6 III. Weisungsbefugnis des BMJ................................................................. 7
I. Öffentliche Interessen 1 Der BKAnw ist materiell Treuhänder der von ihm gesetzlich wahrzunehmenden öffentlichen Interessen in Angelegenheiten des Wettbewerbsrechts (16 Ok 2/15b). Bei den „öffentlichen Interessen“ handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. In den Materialien zur KartG-Nov 1999 wurde das öffentliche Interesse mit „dem KartG zugrunde liegenden Zielsetzungen“ definiert. Im Gegensatz zum rechtlichen und/oder wirtschaftlichen Individualinteresse eines Antragstellers nach § 36 Abs 4 Z 4 (vgl 16 Ok 1/06) hat der BKAnw gerade kein persönliches rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung, er vertritt das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb (vgl 16 Ok 1/08). Dies verlangt die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln sowie eine wirksame Ahndung wettbewerbsrechtlicher Zuwiderhandlungen. Als Anknüpfungspunkte für ein Einschreiten kommen in materieller Hinsicht etwa volkswirtschaftliche besonders nachteilige Kartellrechtsverstöße oder Sachverhalte, die sonst von großem allgemeinem Interesse sind (zB im Bereich von Gesundheit, öffentlichem Verkehr, Medien), in Frage. 658
Aufgaben
§ 75 KartG
Der Terminus „Wettbewerbsrecht“ umfasst im Rahmen des § 75 so- 2 wohl das KartG, wie auch das WettbG und das NVG, aber auch die Art 101 f AEUV. Nicht einbezogen sind das Lauterkeitsrecht (UWG) sowie das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz (VBKG). Die dem BKAnw in letzterem Gesetz (aufgrund mehrerer EU-Richtlinienmaterien) zugewiesenen Verbraucherschutzagenden sind nicht Teil des Wettbewerbsrechts iSv § 75 Abs 1.
II. Antragslegitimation Der BKAnw kann als Amtspartei beim KartGer alle nach dem KartG 3 vorgesehenen Anträge einbringen. Diese Anträge kann er als Aufgriffsbehörde aus Eigeninitiative (etwa aufgrund von Medienberichten), aber auch aufgrund des Ersuchens oder der Beschwerde („Anzeige“) Dritter stellen (§ 36). Er verfügt dabei über ein Aufgriffsermessen. Weder aus Abs 1 noch aus § 81 Abs 1 lässt sich ableiten, dass der BKAnw automatisch in jedem einzelnen Fall einschreiten muss. Die eigene Beurteilung, ob das öffentliche Interesse sein Einschreiten erfordert, unterliegt keiner Nachprüfung durch das Gericht. BKAnw und BWB verfügen in einigen Bereichen (Prüfungsantrag [§ 11 4 Abs 1], nachträgliche Maßnahmen [§ 16 Z 1], Feststellung nach § 28 Abs 1 a Z 1 und Verhängung von Geldbußen [§ 29, vgl aber § 36 Abs 3] sowie Zwangsgeldern [§ 35]) über ein Antragsmonopol (16 Ok 6/10) zu. Die kartellrechtliche Freigabe von Unternehmenszusammenschlüssen im Rahmen der sog „Phase I“ (§ 11 Abs 1, 1a) bedarf auch der Zustimmung des BKAnw (vgl § 11 Abs 4 iVm § 17 Abs 1). In Verfahren, in denen der BKAnw nicht Antragsteller ist, kann er als 5 Partei auftreten und Rechtsmittel gegen Entscheidungen des KartGer erheben (16 Ok 2/15b). Rekurslegitimation kommt ihm also auch dann zu, wenn er im erstinstanzlichen Verfahren nicht eingeschritten ist (16 Ok 2/15b). Eine Beschwer durch einen Eingriff in eine individuelle Rechtsposition des BKAnw ist nicht erforderlich, es genügt vielmehr, dass dieser Eingriff öffentliche Interessen berührt (16 Ok 2/15b, 8/15k). Schließt sich der BKAnw einem aufgrund des Antrags einer Partei iSv 6 § 36 Abs 4 Z 4 eingeleiteten kartellgerichtlichen Verfahren an, vertritt er auch in diesem Fall das öffentliche Interesse (am funktionierenden Wettbewerb), ist aber nicht Streithelfer des Antragstellers. Dies auch dann nicht, wenn BKAnw von seinem Fortsetzungsrecht gem § 36 Abs 5 Gebrauch macht. 659
§ 76 KartGGugerbauer
III. Weisungsbefugnis des BMJ 7 Der BKAnw ist dem BMJ unmittelbar unterstellt (§ 75 Abs 2), dem BMJ kommt ein Weisungsrecht zu. Dies schafft eine Verbindung zur Wettbewerbspolitik (vgl dazu auch die deutsche „Ministererlaubnis“ für sensible Unternehmenszusammenschlüsse oder die Europäische Kommission als politisches Kollegialorgan). Der Leiter der BWB ist dagegen in seiner gesetzlichen Tätigkeit weisungsfrei gestellt. Ressortmäßig ist die BWB dem Wirtschaftsministerium zugeordnet. Historisch geht diese (für BKAnw und BWB) unterschiedliche Ressortzuständigkeit auf die Bedürfnisse von zwei Regierungsparteien zurück, die sich in Führung jeweils eines der beiden Ministerien einen gewissen Einfluss auf die Wettbewerbspolitik zu sichern suchten.
Bestellung § 76. (1) Der Bundeskartellanwalt und der BundeskartellanwaltStellvertreter werden vom Bundespräsidenten jeweils für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Die Wiederbestellung ist zulässig. (2) Die Bestellung des Bundeskartellanwalts erfolgt auf Vorschlag der Bundesregierung, die Bestellung des Bundeskartellanwalt-Stellvertreters auf Vorschlag des Bundesministers für Justiz. (3) Dem Vorschlag der Bundesregierung und dem Vorschlag des Bundesministers für Justiz hat jeweils eine Ausschreibung zur allgemeinen Bewerbung durch den Bundesminister für Justiz voranzugehen. Die öffentliche Ausschreibung ist im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen.
Bestellungsvoraussetzungen § 77. (1) Zum Bundeskartellanwalt oder Bundeskartellanwalt-Stell-
vertreter kann nur bestellt werden, wer 1. persönlich und fachlich zur Ausübung des Amtes geeignet ist, 2. das rechtswissenschaftliche oder wirtschaftswissenschaftliche Studium abgeschlossen hat und 3. eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung in Verwaltung, Rechtsprechung oder Wissenschaft jeweils auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts aufweist.
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Dienst- und Besoldungsrecht
§ 79 KartG
(2) Personen mit Anspruch auf Bezüge nach den bezügerechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder dürfen nicht zum Bundeskartellanwalt oder Bundeskartellanwalt-Stellvertreter bestellt werden. Überdies darf nicht bestellt werden, wer in den letzten vier Jahren Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder Staatssekretär gewesen ist.
Funktionsdauer und Enthebung § 78. (1) Die Funktion des Bundeskartellanwalts (Bundeskartellanwalt-Stellvertreters) endet 1. mit Ablauf der Funktionsperiode, wenn keine Wiederbestellung erfolgt, 2. mit Auflösung des Dienstverhältnisses, 3. mit der Enthebung vom Amt, 4. mit Ablauf des Jahres, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet. (2) Der Bundeskartellanwalt ist vom Bundespräsidenten auf Antrag der Bundesregierung, der Bundeskartellanwalt-Stellvertreter vom Bundespräsidenten auf Antrag des Bundesministers für Justiz seiner Funktion zu entheben, wenn er 1. schriftlich darum ersucht, 2. sich Verfehlungen von solcher Art und Schwere zu Schulden kommen lässt, dass die weitere Ausübung seiner Funktion den Interessen der Funktion abträglich wäre, 3. infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine Aufgaben als Bundeskartellanwalt (BundeskartellanwaltStellvertreter) nicht erfüllen kann und die Wiedererlangung der Funktionsfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist, 4. infolge von Krankheit, Unfall oder Gebrechen länger als sechs Monate seine Funktion nicht ausüben kann.
Dienst- und Besoldungsrecht § 79. (1) Durch die Bestellung zum Bundeskartellanwalt (Bundes-
kartellanwalt-Stellvertreter) wird die dienstrechtliche Stellung eines öffentlich-rechtlich oder vertraglich beschäftigten Bundesbediensteten nicht verändert. Er ist für die Dauer der Funktion unter Entfall der Bezüge von seiner bisherigen Dienstleistung entbunden. Dienstbehörde ist der Bundesminister für Justiz. 661
§ 80 KartGGugerbauer (2) Es gebührt eine fixe Bezahlung 1. für die Dauer der Verwendung als Bundeskartellanwalt in der Höhe des Gehalts eines Richters der Gehaltsgruppe R2, Gehaltsstufe 9; 2. für die Dauer der Verwendung als BundeskartellanwaltStellvertreter in der Höhe des Gehalts eines Richters der Gehaltsgruppe R2, Gehaltsstufe 7 zuzüglich einer ruhegenussfähigen Dienstzulage im Ausmaß eines halben Vorrückungsbetrags. (3) Die Zeit der Ausübung der Funktion eines Bundeskartellanwalts (Bundeskartellanwalt-Stellvertreters) bleibt bei einem Bundesbediensteten für Rechte, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, wirksam. (4) Durch die Bestellung einer nicht in einem öffentlich-rechtlichen oder vertraglichen Bundesdienstverhältnis stehenden Person zum Bundeskartellanwalt (Bundeskartellanwalt-Stellvertreter) wird ein auf die Dauer der Funktion (§ 76 Abs. 1) befristetes vertragliches Dienstverhältnis nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86, begründet, wobei eine Bezahlung nach Maßgabe des Abs. 2 gebührt. Bei der Wiederbestellung ist § 4 Abs. 4 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 nicht anzuwenden; durch eine Wiederbestellung wird neuerlich ein befristetes Dienstverhältnis begründet. (5) Die Funktionen des Bundeskartellanwalts und des Bundeskartellanwalt-Stellvertreters sind hauptberuflich auszuüben. Der Bundeskartellanwalt und der Bundeskartellanwalt-Stellvertreter dürfen für die Dauer ihrer Funktion keine weitere Tätigkeit ausüben, die sie an der Erfüllung ihrer Aufgaben behindert oder geeignet ist, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, oder sonstige wesentliche Interessen ihrer Funktion gefährdet; dies gilt insbesondere für die in § 4 Unvereinbarkeitsgesetz 1983 umschriebenen Tätigkeiten.
Kanzleigeschäfte und Ausgaben § 80. (1) Die Kanzleigeschäfte des Bundeskartellanwalts sind von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Wien wahrzunehmen. (2) Zustellungen an den Bundeskartellanwalt und an den Bundeskartellanwalt-Stellvertreter sind im Wege der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Wien vorzunehmen. 662
Zusammenwirken mit der Bundeswettbewerbsbehörde
§ 81 KartG
(3) Die Personal- und Sachausgaben des Bundeskartellanwalts werden aus den Kreditmitteln des Oberlandesgerichts Wien getragen. Interne kanzleitechnische Abläufe erfolgen zweckentsprechend nach 1 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz.
Zusammenwirken mit der Bundeswett bewerbsbehörde § 81. (1) Eingaben an den Bundeskartellanwalt, in denen angeregt wird, den Antrag auf Einleitung eines Verfahrens vor dem Kartellgericht zu stellen oder eine Untersuchung in diese Richtung durchzuführen, kann der Bundeskartellanwalt zur weiteren Veranlassung an die Bundeswettbewerbsbehörde weiterleiten. (2) Vor Stellung eines Prüfungsantrags nach § 11 hat der Bundeskartellanwalt der Bundeswettbewerbsbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (3) Soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, kann der Bundeskartellanwalt 1. die Bundeswettbewerbsbehörde um Auskünfte ersuchen, 2. in die Akten der Bundeswettbewerbsbehörde Einsicht nehmen und 3. die Bundeswettbewerbsbehörde um die Durchführung von Ermittlungen ersuchen. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007). Übersicht
Rn I. Eingaben an den BKAnw.................................................................... 1 II. Prüfungsantrag.................................................................................... 2–4 III. Unterstützung des BKAnw................................................................ 5–6
663
§ 81 KartGGugerbauer
I. Eingaben an den BKAnw 1 Von (zumal kleineren) Unternehmen, Unternehmensmitarbeitern oder Dritten verfasste Eingaben an den BKAnw sind vielfach ergänzungs-, wenn nicht korrekturbedürftig. Dazu erforderliche Abstimmungen wird der BKAnw oftmals selbst (etwa durch Einsichtnahme in öffentliche Register) vornehmen können, dabei handelt es sich noch nicht um (der BWB vorbehaltene) Ermittlungshandlungen iSd §§ 11 ff WettbG. Soweit erforderlich kann der BKAnw Eingaben aber auch unmittelbar an die BWB weiterleiten.
II. Prüfungsantrag 2 Beabsichtigt der BKAnw einen Prüfungsantrag nach § 11 zu stellen, hat er der BWB Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies schließt aber nicht aus, dass der BKAnw den Prüfungsantrag abweichend von der Beurteilung der BWB stellt. Diese Option festigt die Gerichtszuständigkeit (und damit die so wichtige Veröffentlichung der Klärung von Rechtsfragen durch die Judikatur) im Bereich der Zusammenschlusskontrolle. Denn eine Alleinzuständigkeit der BWB könnte dazu führen, dass Zusammenschlusswerber eher Forderungen der BWB erfüllen, als die mit einer gerichtlichen Prüfung verbundene Verfahrensdauer und das Risiko einer Untersagung des Zusammenschlusses auf sich zu nehmen. Damit entfiele der Prüfungsantrag und das nachfolgende kartellgerichtliche Verfahren. 3 Umgekehrt hat die BWB dem BKAnw Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn sie die Abgabe einer Erklärung beabsichtigt, einen Prüfungsantrag (§ 11) nicht zu stellen, bzw beabsichtigt, einen gestellten Prüfungsantrag zurückzuziehen (§ 10 Abs 5 lit a, b WettbG). 4 Einschreiter, die gegenüber einer Amtspartei Äußerungen abgegeben haben, haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Behandlung (vgl zum Zusammenschlusskontrollverfahren § 10 Abs 4) die Amtspartei, bei der eine derartige Äußerung eingeht, hat aber die andere Amtspartei unverzüglich zu verständigen (§ 10 Abs 4).
III. Unterstützung des BKAnw 5 Soweit die Übermittlung von Unterlagen und Informationen für die Koordinierung der Vorgangsweise der Amtsparteien erforderlich ist, hat sie zu erfolgen. 664
Verzicht auf Prüfungsanträge
§ 82 KartG
Die Befugnis des – mit vergleichsweise bescheidenen Ressourcen aus- 6 gestatteten – BKAnw, die BWB um die Durchführung von Ermittlungen zu ersuchen (Abs 3 Z 3), ist darin begründet, dass nur die BWB als Ermittlungsbehörde eingerichtet wurde (§§ 11 ff WettbG).
Verzicht auf Prüfungsanträge § 82. (1) Der Bundeskartellanwalt kann mit Beziehung auf die Anmeldung eines Zusammenschlusses auch gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde rechtswirksam auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichten. Die Bundeswettbewerbsbehörde kann den Bundeskartellanwalt mit Beziehung auf die Anmeldung eines Zusammenschlusses um die schriftliche Erklärung ersuchen, ob er auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet. Gibt der Bundeskartellanwalt binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Ersuchens keine Erklärung ab, dann gilt dies als Verzicht auf die Stellung eines Prüfungsantrags. (2) Abs. 1 gilt auch für beabsichtigte Anmeldungen von Zusammenschlüssen; in einem solchen Fall bindet die Verzichtserklärung den Bundeskartellanwalt nur dann, wenn die beabsichtigte Anmeldung mit der tatsächlich vorgenommenen übereinstimmt und die Verzichtserklärung nicht auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht, die von einem der beteiligten Unternehmen zu vertreten sind. Vielfach finden vor der Anmeldung eines Zusammenschlusses Vorver- 1 handlungen mit den Amtsparteien („Pränotifikationsgespräche“) statt. Gem § 11 Abs 4 können die Amtsparteien gegenüber den Anmeldern auf einen Prüfungsantrag verzichten. Ein koordiniertes Vorgehen eröffnet den Anmeldern die Möglichkeit, bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen eine schnellere Freigabeentscheidung zu erhalten. Durch einen nach § 82 abgegebenen Prüfungsverzicht des BKAnw kann einer zwischen den Zusammenschlusswerbern und der BWB getroffenen Vereinbarung vorzeitig Rechtsbeständigkeit gesichert werden. Ein Prüfungsverzicht kann gegenüber der regulären Vier-Wochen-Frist 2 (§ 11 Abs 1) bzw gegenüber der allenfalls verlängerten Sechs-WochenFrist (§ 11 Abs 1a) eine erhebliche Verfahrensverkürzung bewirken. Mit dem Verzicht auf volle zeitliche Inanspruchnahme der „Phase 1“ 665
§ 82 KartGGugerbauer des Zusammenschlusskontrollverfahrens ist aber auch ein solcher auf das Rechtsschutzbedürfnis der Amtsparteien verbunden (vgl 16 Ok 2/03). Von den Amtsparteien wird daher idR eine sachliche Begründung für das Ersuchen auf Abgabe eines Prüfungsverzichts verlangt, die über den Wunsch nach möglichst rascher Verfahrensbeendigung hinausgeht. Ein Anspruch der Zusammenschlusswerber (aber auch der BWB) auf die Abgabe eines Prüfungsverzichts durch den BKAnw besteht nicht. 3 Gem § 10 Abs 4 kann jeder in seinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Interessen durch den Zusammenschluss berührte Unternehmer binnen 14 Tagen nach Bekanntmachung des Zusammenschlusses auf der Website der BWB (§ 10 Abs 3 Z 2 iVm § 10b Abs 1 WettbG) gegenüber den Amtsparteien eine Äußerung abgeben. Der Ablauf dieser Frist vor Abgabe eines Prüfungsverzichts ist im öffentlichen Interesse tunlichst abzuwarten. 4 Der BKAnw gibt sowohl seine Erklärung, gem § 11 Abs 4 keinen Prüfungsantrag gestellt zu haben, wie auch eine Prüfungsverzichtungserklärung (§ 82 Abs 1) regelmäßig ausschließlich gegenüber der BWB, also nicht gegenüber den Zusammenschlusswerbern, ab. Die BWB verständigt dann die Zusammenschlusswerber von der Nichtuntersagung bzw vom Prüfungsverzicht beider Amtsparteien. 5 Die Wirksamkeit einer Verzichtserklärung des BKAnw unterliegt zwei Beschränkungen: Die Verzichtserklärung ist nur dann bindend, wenn die in den Vorgesprächen angekündigte Anmeldung mit der später tatsächlich vorgenommenen übereinstimmt. Eine durch unrichtige oder unvollständige Angaben der Zusammenschlusswerber erwirkte Verzichtserklärung des BKAnw bindet diesen ebenfalls nicht.
666
Zuständigkeit
§ 83 KartG
VI. Hauptstück Anwendung des Unionsrechts Zuständigkeit § 83. (1) Mit Beziehung auf die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV und der aufgrund der Artikel 42 und 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln im Einzelfall ist zuständige Wettbewerbsbehörde im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. Nr. L 1 vom 4.1.2003, S. 1 (Verordnung 1/2003), 1. das Kartellgericht für die Erlassung von Entscheidungen; 2. unbeschadet des § 3 Abs. 1 WettbG der Bundeskartellanwalt für die Antragstellung beim Kartellgericht. (2) Das Kartellgericht und der Bundeskartellanwalt haben bei der Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV und der aufgrund der Artikel 42 und 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln die Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes anzuwenden. Literatur Bellamy/Child, European Union Law of Competition8 (2015); Bellis, Droit européen de la concurrence (2015); Burgstaller/Lettner, EU Kartellrecht, Die Gruppenfreistellungsverordnungen, (2014); Faull/Nikpay, The EU Law of Competition3 (2014); Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Jaeger ua (Hrsg), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (2015); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Liebscher/Flohr/Petsche, Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen2 (2012) Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 (2009); Petsche/ Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches-Wettbewerbsrecht2 (2014); Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts2 (2008). Übersicht
Rn I. Zuständigkeit des KartGer................................................................. 1–5 II. Entzug des Rechtsvorteils einer GVO.............................................. 6–10
667
§ 83 KartGGugerbauer
I. Zuständigkeit des KartGer 1 Die VO (EG) 1/2003 regelt ein System der dezentralen Anwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Gem Art 5 VO 1/2003 sind neben der Europäischen Kommission die Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV in Einzelfällen zuständig. Die VO 1/2003 ist unmittelbar anwendbar. 2 Nach Art 35 VO 1/2003 haben die Mitgliedstaaten die für die Durchsetzung von Art 101 und 102 AEUV zuständigen Behörden zu bestimmen. Sie haben Wettbewerbsbehörden einzurichten, die in einer Weise zur Anwendung der Art 101 f AEUV befugt sind, die sicherstellt, dass die VO 1/2003 wirksam angewendet werden kann (16 Ok 6/05), dass insb auch Geldbußen verhängt werden können (16 Ok 5/08). Der Begriff „Wettbewerbsbehörde“ umfasst nicht nur Verwaltungsbehörden, sondern gegebenenfalls auch unabhängige Gerichte (vgl die „ECNBekanntmachung“ – Bekanntmachung der Europäischen Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl C 2004 101, Rn 2). 3 Nach Art 5 VO 1/2003 kann die national zuständige Wettbewerbsbehörde (von Amts wegen wie auch aufgrund einer Beschwerde) Entscheidungen erlassen, mit denen die Abstellung von Zuwiderhandlungen angeordnet wird, einstweilige Maßnahmen angeordnet werden, Verpflichtungszusagen angenommen werden oder Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgesehene Sanktionen verhängt werden. Nationalen Wettbewerbsbehörden sind aber nicht berechtigt, Nichtanwendbarkeitsentscheidungen zu erlassen, mit denen ein Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht verneint wird (EuGH 3.5.2011, C-375/09, Tele2 Polska). 4 Die VO 1/2003 sieht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Sanktionsvorschriften vor, die Mitgliedstaaten können frei bestimmen, welche Sanktionen verhängt werden und wie die Höhe der Geldbußen und der Zwangsgelder zu ermitteln ist, aber die von den EU-Mitgliedstaaten für Verstöße gegen Art 101 und Art 102 AEUV vorgesehenen Sanktionen müssen jedenfalls effektiv, angemessen und abschreckend sein. 5 § 83 Abs 1 schafft für das KartGer die innerstaatliche Ermächtigung für Entscheidungen zur Durchsetzung von Art 101 f AEUV, insbesondere 668
Zuständigkeit
§ 83 KartG
die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen wegen der Verletzung von Art 101 und 102 AEUV (16 Ok 5/08).
II. Entzug des Rechtsvorteils einer GVO Art 29 Abs 2 VO 1/2003 sieht vor, dass auch nationale Wettbewerbsbe- 6 hörden unter bestimmten Voraussetzungen zum Entzug des Rechtsvorteils einer GVO ermächtigt sind. Dies dann, wenn bestimmte Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen die unter eine GVO fallen, aber Wirkungen haben, die mit Art 101 Abs 3 AEUV unvereinbar sind, im Gebiet oder einem Teilgebiet eines Mitgliedstaats, das alle Merkmale eines gesonderten räumlichen Marktes aufweist, festzustellen sind. Art 29 Abs 2 VO 1/2003 kommt dagegen nicht zur Anwendung wenn es um Sachverhalte geht, die sich auch außerhalb des Staatsgebietes, für das eine nationale Wettbewerbsbehörde zuständig ist, auswirken, wenn das österreichische Staatsgebiet oder ein Teilgebiet also keinen eigenständigen räumlich relevanten Markt bildet. Unter solchen Voraussetzungen kann lediglich die Europäische Kommission den Entzug des Rechtsvorteils aussprechen. Wirkt sich ein tatbestandsmäßiges Verhalten in mehreren EU-Mitglied- 7 staaten aus und bilden diese getrennte räumlich relevante Märkte, ist sowohl das KartGer (für Österreich oder einen Teil von Österreich als gesonderten räumlichen Markt) berechtigt, den Rechtsvorteil der jeweiligen GVO zu entziehen, wie auch die Europäische Kommission. Kompetenzkonflikte sind über das ECN zu klären. Hat die Kommission bereits ein Verfahren eingeleitet, das auf die Wir- 8 kungen des betroffenen Sachverhalts in Österreich oder einem Teil von Österreich abzielt, kann das KartGer gem Art 11 Abs 6 VO 1/2003 kein Verfahren (auf Grundlage des Art 29 Abs 2 VO 1/2003) zum Entzug des Rechtsvorteils mehr durchführen. Ist das KartGer bereits tätig, leitet die Europäische Kommission ein Verfahren erst ein, nachdem sie das KartGer konsultiert hat. In zivilrechtlichen Streitigkeiten bleibt die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte dagegen von der Eröffnung eines Verfahrens durch die Europäische Kommission unberührt (das Verfahren kann aber unterbrochen werden). Ein Verfahren zum Entzug des Rechtsvorteils einer GVO muss auf ei- 9 nen konkreten Einzelfall abzielen. Die Freistellung entfällt ab einem 669
§ 84 KartGGugerbauer vom KartGer (der Europäischen Kommission) zu bestimmenden Zeitpunkt, der jedenfalls nicht vor dem Erlass der Entscheidung liegen darf. 10 Das KartGer (und der BKAnw) haben österreichisches Verfahrensrecht, nämlich das KartG iVmd AußStrG anzuwenden.
Zusammenarbeit § 84. Der Bundeskartellanwalt kann gegenüber der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten Erklärungen abgeben, die der Durchführung der Bestimmungen der Verordnung 1/2003 über die Zusammenarbeit der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten dienen; dies gilt insbesondere mit Beziehung auf die Einhaltung von Regeln über den Schutz von Antragstellern, die den Rechtsvorteil eines Kronzeugenprogramms beansprucht haben. Literatur Gruber, Österreichisches Kartellrecht2 (2013); Hoffer, Kartellgesetz (2007); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht (2006); Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich (2007).
1 Durch Art 11 Abs 1 der VO 1/2003 werden die Europäische Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden zu enger Zusammenarbeit (innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten, die das „Europäische Wettbewerbsnetz“ – „ECN“ bilden) verpflichtet (vgl die ECN-Bekanntmachung, ABl 2004 C 101). 2 Für die Zusammenarbeit im ECN, das insb dem Informationsaustausch dient, verlangt die Europäische Kommission von den Wettbewerbsbehörden bestimmte Erklärungen (vgl Art 11 Abs 3 f VO 1/2003). Mit § 84 wird die Rechtsgrundlage für die Abgabe derartiger Erklärungen von österreichischer Seite geschaffen. Diese Aufgabe wird dem BKAnw zugeordnet. 3 Der BKAnw hat die Europäische Kommission über sämtliche Verfahren zu unterrichten, die vom KartGer aufgrund der Bestimmungen der Art 101 und 102 AEUV eingeleitet wurden. Diese Information kann auch den Wettbewerbsbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten zu670
Zusammenarbeit
§ 84 KartG
gänglich gemacht werden. Diese Unterrichtung soll insb dazu beitragen, dass Überschneidungen bzw Mehrfachverfahren erkannt, möglicherweise auch vermieden werden. Innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach ihrer Unterrichtung 4 haben sich die nationalen Wettbewerbsbehörden um eine Einigung über die Frage der möglichen Umverteilung eines Falles von einer Wettbewerbsbehörde zu einer anderen, allenfalls über ein paralleles Vorgehen zu bemühen (ECN-Bekanntmachung, Rn 18). Grundsätzlich soll die Wettbewerbsbehörde, die bei Ablauf der Zweimonatsfrist mit dem Fall befasst ist, diesen auch abschließen. Eine Umverteilung soll nur dann erfolgen, wenn sich der Kenntnisstand über den Sachverhalt im Verlauf des Verfahrens wesentlich ändert (vgl die ECN-Bekanntmachung Rn 19). Erklärungen des BKAnw nach § 84 betreffen aber auch den Schutz sol- 5 cher Personen, die einen Antrag auf Zuerkennung des Kronzeugenstatus gestellt haben. Der BKAnw ist von der BWB über einen Antrag nach § 11 Abs 3 WettbG zu informieren. Der BKAnw kann darauf gegenüber der Europäischen Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten eine bezughabende Erklärung abgeben. § 84 ist eine „Kann“-Bestimmung, aufgrund der unionsrechtlichen Wettbewerbsbestimmungen, vor allem in Hinblick auf die Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden im Netzwerk, ist der BKAnw bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen aber wohl verpflichtet, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Im Zuge eines Antrages auf Anwendung der Kronzeugenbestimmungen 6 bekannt gewordene Informationen werden grundsätzlich nur mit Einverständnis des Kronzeugen an andere Netzmitglieder weitergeleitet. Hat der Antragsteller aber nicht nur bei der übermittelnden Behörde (in Österreich bei der BWB), sondern auch bei einer empfangenden Behörde (etwa der Europäischen Kommission) einen Kronzeugenantrag gestellt, ist (für die Weiterleitung an diese empfangende Behörde) kein Einverständnis erforderlich. Eine Einverständniserklärung des Antragstellers ist aber auch dann nicht erforderlich, wenn die empfangende Behörde eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, weder die ihr übermittelten Informationen noch sonstige Informationen, die sie möglicherweise nach dem von der übermittelnden Behörde angegebenen Datum und Zeitpunkt der Übermittlung erlangt, dazu zu verwenden, Sanktionen gegen das Kronzeugenstatus beanspruchende Unternehmen 671
§ 85 KartGGugerbauer und andere begünstigte Personen zu verhängen. Die empfangende Behörde hat dem Antragsteller eine schriftliche Bestätigung dieser Verpflichtungszusage auszustellen (vgl ECN-Bekanntmachung Rn 40 ff).
Übermittlung von Urteilen § 85. Soweit die Mitgliedstaaten nach Art. 15 Abs. 2 der Verord-
nung 1/2003 zur Übermittlung einer Kopie schriftlicher Urteile verpflichtet sind, hat das entscheidende Gericht gleichzeitig mit der Zustellung an die Parteien eine Urteilsausfertigung der Bundeswettbewerbsbehörde zwecks Weiterleitung an die Kommission zuzustellen.
1 Kopien der Urteile der Gerichte über die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV sind unverzüglich nach Zustellung an die Parteien an die Europäische Kommission zu übermitteln. In einem System paralleler Zuständigkeiten dient dies der Rechtssicherheit. Die EU-Wettbewerbsregeln sollen einheitlich angewendet, einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Kopien der entsprechenden Urteile verschaffen der Europäischen Kommission rechtzeitig Kenntnis von Fällen, in denen es (aus Sicht der Europäischen Kommission) erforderlich sein könnte, im Rechtsmittelverfahren durch eine Stellungnahme korrigierend einzugreifen (vgl dazu Art 16 Abs 1 VO 1/2003). 2 Gem Art 15 VO 1/2003 sind jene Gerichte der EU Mitgliedstaaten betroffen, die Art 101 und 102 AEUV anwenden können und nach Art 267 AEUV berufen sind, dem EuGH eine Frage zur Vorabent scheidung vorzulegen (vgl EuGH 30.5.2002, C-516/99, Schmid, Rn 34). Auf die Bezeichnung der Entscheidung (Urteil, Beschluss, etc) kommt es nicht an. Schiedsgerichte sind nicht erfasst, sie sind nicht verpflichtet, der Kommission Kopien ihrer Urteile zu übermitteln. 3 § 85 setzt die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten zur Übermittlung von Urteilen betreffend Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Art 101 und 102 AEUV um (Art 15 Abs 2 VO 1/2003). Da nicht nur Entscheidungen des KartGer (KOG), sondern auch einschlägige von Zivilgerichten zu übermitteln sind, wurde die Übermittlung der BWB übertragen, um auch diese in Kenntnis aller gegenständlichen gerichtlichen Entscheidungen zu setzen (vgl EB 2005, 10).
672
Inkrafttreten
§ 86 KartG
VII. Hauptstück Schlussbestimmungen Inkrafttreten § 86. (1) (Anm: Durch Art 2 § 2 Abs 2 Z 83, BGBl I Nr 2/2008, als nicht mehr geltend festgestellt) (2) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können bereits von dem seiner Kundmachung folgenden Tag an erlassen werden; sie werden jedoch frühestens mit dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes wirksam. (3) § 2 Abs. 2 Z 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1a, 2 und 2a, § 5 Abs. 1 Z 1, § 11 Abs. 1a, § 14 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 28 Abs. 1a, § 29 Z 1 lit. d und Z 2, §§ 30, 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1a, 2 und 3, §§ 37, 37a, 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 49 Abs. 2, §§ 50, 52 Abs. 2, § 70 Abs. 2, § 73 Abs. 1, § 74, § 81 Abs. 1 und § 83 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2013 treten am 1. März 2013 in Kraft. § 2 Abs. 2 Z 4 und § 7 Abs. 3 treten mit 28. Februar 2013 außer Kraft. (4) § 2 Abs. 2 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2013 ist auf Kartelle anzuwenden, die nach dem 28. Februar 2013 gebildet werden, und auf Kartelle, die vor dem 1. März 2013 gebildet wurden und nach dem Tag der Verlautbarung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 im Bundesgesetzblatt noch nicht beendet wurden. Auf Kartelle, die vor dem 1. März 2013 gebildet wurden und vor dem Tag des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 beendet wurden, ist § 2 Abs. 2 Z 1 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 13/2013 anzuwenden. § 4 Abs. 1a, 2 und 2a, § 5 Abs. 1 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2013 sind auf Handlungen anzuwenden, die nach dem 28. Februar 2013 begangen werden. § 28 Abs. 1a, § 36 Abs. 1a und Abs. 2, §§ 37, 39 Abs. 1, § 49 Abs. 2, §§ 50, 52 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2013 gelten für Verfahren, bei denen der verfahrens einleitende Antrag nach dem 28. Februar 2013 eingebracht wird. §§ 30 und 37a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2013 sind auf Wettbewerbsverstöße anzuwenden, die nach dem 28. Februar 2013 begangen werden. (5) § 2 Abs. 2, § 33, § 35 Abs. 1, § 37 Abs. 1, § 41, § 49 Abs. 3, § 50, § 54, § 68 Abs. 1, § 73 und § 75 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 treten mit 1. Mai 2017 in Kraft. § 9 Abs. 4 in der 673
§ 86 KartGGugerbauer Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 tritt am 1. November 2017 in Kraft. § 32 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Der dort genannten Betrag erhöht oder vermindert sich ab 2019 jährlich in dem Maß, in dem sich der Indexwert des von der Bundesanstalt „Statistik Österreich“ verlautbarten Verbraucherpreisindex 2015 für den Monat Oktober des jeweiligen Vorjahres gegenüber dem Indexwert für den Monat Oktober 2017 verändert. Die Zweckmäßigkeit der nach § 32 Abs. 2 eingesetzten Mittel und deren Valorisierung sind im Jahr 2020 zu evaluieren. § 92 Abs. 2 tritt mit Ablauf des 30. April 2017 außer Kraft. (6) § 37 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 ist auf Entscheidungen anzuwenden, die nach dem 30. April 2017 erlassen werden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 28. Februar 2013 eingelangt ist. § 41, § 49 Abs. 3, § 50 und § 54 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 sind in Verfahren anzuwenden, in denen der verfahrenseinleitende Schriftsatz nach dem 30. April 2017 eingebracht wird. Die besondere Sachverständigenliste nach § 73 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2017 ist mit dem Ablauf der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 laufenden Fünfjahresfrist nach § 73 Abs. 2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2017 nicht mehr weiterzuführen. Diejenigen Sachverständigen, die in einem Verfahren als Sachverständig bestellt sind, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist, behalten für das betreffende Verfahren die Eigenschaft als allgemein beeidet. (7) Der Bundesminister für Justiz hat nach dem Inkrafttreten des § 68 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 erst dann weitere fachkundige Laienrichter des Kartellobergerichts zur Ernennung vorzuschlagen, wenn ihre Zahl fünf unterschreitet. (8) § 30 Abs. 3, §§ 37a bis 37m in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 treten mit 27. Dezember 2016 in Kraft. § 79 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 tritt mit 12. Februar 2015 in Kraft. (9) Die §§ 37a bis 37g in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 sind auf den Ersatz von Schäden anzuwenden, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind. § 37h ist auf Ansprüche anzuwenden, die am 26. Dezember 2016 noch nicht verjährt sind, sofern nicht die Anwendung des bis dahin geltenden Rechts für den Geschädigten günstiger ist. Die §§ 37j bis 37m in der Fassung des 674
Außer-Kraft-Treten
§ 87 KartG
Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 sind auf Verfahren anzuwenden, in denen der verfahrenseinleitende Schriftsatz nach dem 26. Dezember 2016 eingebracht wird. Ordnungsstrafen nach § 37m dürfen jedoch nur für ein Verhalten verhängt werden, das nach dem 30. April 2017 gesetzt wurde. § 37a Abs. 1 und 4 in der Fassung vor dem Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 ist auf den Ersatz von Schäden weiterhin anzuwenden, die vor dem 27. Dezember 2016 entstanden sind. Nach dem ersten Satz des § 86 Abs 4 fallen Hardcore-Kartelle, die nach 1 dem 28.2.2013 gebildet werden, nicht mehr unter die Bagatellausnahme. Die Bestimmung trifft aber keine Aussage darüber, welches Regime auf Kartelle anzuwenden ist, die vor dem 1.3.2013 gebildet wurden. Dem Sinn der Regelung nach darf auch ein vor dem 1.3.2013 gebildetes Hardcore-Kartell nicht weitergeführt werden. Um dies klarzustellen, gleichzeitig aber kein Verhalten rückwirkend zu pönalisieren, findet die neue Regel auch auf Hardcore-Kartelle Anwendung, die zwar vor dem 1.3.2013 gebildet wurden, aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KaWeRÄG 2017 noch nicht beendet waren. Gleichzeitig wird klargestellt, dass für alle beendeten Kartelle die alte Bestimmung (also die Ausnahme) weiterhin anzuwenden ist. Die Abs 5 bis 9 enthalten die Übergangsbestimmungen zur KartG-Nov 2 2017 Die richtlinienbedingten Änderungen treten mit dem Datum der Umsetzungsfrist (27.12.2016) in Kraft, im Einklang mit Art 22 der Richtlinie (Abs 8 und 9). Die übrigen Bestimmungen treten mit Ausnahme des § 9 Abs 4 und § 32 mit 1.5.2017 in Kraft (Abs 5). Der neue Zusammenschlusstatbestand nach § 9 Abs 4 tritt mit 1.11.2017 in Kraft, sodass er für Zusammenschlüsse wirksam wird, die ab dem 1.11.2017 durchgeführt werden. Die Neufassung des § 32 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft und soll 2020 evaluiert werden.
Außer-Kraft-Treten § 87. (1) (Anm: Durch Art 2 § 2 Abs 1 Z 30 und Art 2 § 2 Abs 2 Z 83,
BGBl I Nr 2/2008, als nicht mehr geltend festgestellt.) (2) Die §§ 142 bis 143c KartG 1988 sind auf Sachverhalte, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes verwirklicht worden sind, weiterhin anzuwenden; die §§ 29 bis 33 sind auf diese Sachverhalte nicht anzuwenden. 675
§ 88 KartGGugerbauer (3) Für Sachverhalte, die vor dem In-Kraft-Treten der Kartellgesetznovelle 2002, BGBl. I Nr. 62/2002, verwirklicht worden sind, gilt weiterhin deren Art. V Abs. 6 und 7.
Kartellregister § 88. (1) Das Kartellregister nach dem KartG 1988 ist mit dem Tag
vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes abzuschließen. Es ist samt Urkundensammlung und Hilfsverzeichnissen von diesem Zeitpunkt an 5 Jahre aufzubewahren; § 78 Abs. 2 und § 80 Z 11 KartG 1988 sind während dieser Zeit weiterhin anzuwenden. (2) Die Pflicht zur Aufbewahrung der in § 148 Abs. 3 KartG 1988 angeführten Register und Verzeichnisse endet mit dem In-KraftTreten dieses Bundesgesetzes.
1 Das mit 31.12.2005 abgeschlossene Kartellregister war bis Ende 2010 aufzubewahren, die Bestimmung ist heute nur mehr von historischem Interesse.
Genehmigte Kartelle § 89. Vom Kartellgericht genehmigte Kartelle dürfen, auch wenn sie sonst nach diesem Bundesgesetz verboten wären, bis zum 31. Dezember 2006 durchgeführt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf der Genehmigungsdauer.
Fortsetzung anhängiger Verfahren § 90. Für Verfahren, die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses
Bundesgesetzes vor dem Kartellgericht oder dem Kartellobergericht anhängig sind, gilt Folgendes: 1. Nicht fortzusetzen sind Verfahren a) über Feststellungsanträge und Anzeigen nach § 19 KartG 1988, b) über Anträge auf Genehmigung von Kartellen (§§ 23, 26 KartG 1988), c) über Anträge auf Verlängerung der Genehmigungsdauer eines Kartells und auf die Genehmigung der Verlängerung der Geltungsdauer eines Kartells (§ 24 KartG 1988),
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Gebühren für nicht fortgesetzte Verfahren
§ 91 KartG
d) über Anträge auf Widerruf der Genehmigung eines Kartells nach § 27 Abs. 1 Z 1 KartG 1988, e) über Anzeigen vertikaler Vertriebsbindungen (§ 30b KartG 1988), f) über Anzeigen unverbindlicher Verbandsempfehlungen (§ 32 KartG 1988), g) über den Widerruf einer unverbindlichen Verbandsempfehlung (§ 33 KartG 1988) und h) über Anzeigen nach § 60 Z 5 KartG 1988. 2. Nach den Bestimmungen des Kartellgesetzes 1988 fortzusetzen sind Verfahren a) über richterliche Vertragshilfe (§ 30 KartG 1988), b) über Feststellungsanträge nach § 42a Abs. 5 KartG 1988, c) über die Anmeldung und Prüfung von Zusammenschlüssen (§§ 42a und 42b KartG 1988) und d) über Anträge auf Verhängung von Geldbußen nach § 142 KartG 1988. 3. Nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzusetzen sind alle anderen Verfahren, wobei a) Feststellungsanträge nach § 8a KartG 1988 als Anträge nach § 28 Abs. 2 und b) Anträge auf Untersagung der Durchführung von Kartellen (§ 25 KartG 1988) und von vertikalen Vertriebsbindungen (§ 30c KartG 1988), auf Widerruf der Genehmigung eines Kartells nach § 27 Abs. 1 Z 2 und auf Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 35 KartG 1988) und von Vergeltungsmaßnahmen (§ 36 KartG 1988) als Anträge nach § 26 zu behandeln sind.
Gebühren für nicht fortgesetzte Verfahren § 91. (1) Für Verfahren, die nach § 90 Z 1 nicht fortzusetzen sind,
sind Gerichtsgebühren nach den Bestimmungen des Kartellgesetzes 1988 zu entrichten. (2) Die Zahlungspflicht für die Gebühr nach § 80 Z 8 KartG 1988 entfällt, wenn das Verfahren auf Antrag einer Amtspartei eingeleitet wurde; anderenfalls trifft die Zahlungspflicht den Antragsteller. § 91 ist nur mehr von historischem Interesse.
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§ 92 KartGGugerbauer
Weitergeltung von Ernennungen und Eintragungen § 92. Die Ernennung der fachkundigen Laienrichter des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts nach § 95 KartG 1988 gilt als Ernennung nach § 65 dieses Bundesgesetzes weiter.
Sprachliche Gleichbehandlung § 93. Soweit in diesem Bundesgesetz personenbezogene Bezeich-
nungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.
Verweisungen § 94. Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird und nichts Abweichendes bestimmt ist, beziehen sich diese Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung.
Vollziehung § 95. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut, und zwar 1. hinsichtlich des § 3 Abs. 1, des § 10 Abs. 2, des § 18 Abs. 1 und des § 65 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, 2. hinsichtlich des § 3 Abs. 2 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und dem Bundesminister für Finanzen und 3. hinsichtlich des IV. Hauptstücks im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen.
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Wettbewerbsgesetz (Bundesgesetze über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde, BGBl I 2002/62 idF BGBl I 2017/56)
Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde § 1. (1) Beim Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend
wird eine Bundeswettbewerbsbehörde mit dem Ziel eingerichtet, a) funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen im Sinne des KartG 2005, BGBl I Nr 62/2005, oder der Europäischen Wettbewerbsregeln (§ 4 Abs 1) in Einzelfällen entgegenzutreten sowie b) eine die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht und den Zusammenhang mit Entscheidungen der Regulatoren (§ 4 Abs 2) wahrende Anwendung des KartG 2005, BGBl I Nr 62/2005, zu gewährleisten. (2) Die Bundeswettbewerbsbehörde wird vom Generaldirektor für Wettbewerb geleitet. Dieser wird im Verhinderungsfall vom Leiter der Geschäftsstelle oder bei dessen Verhinderung durch dessen Stellvertreter vertreten. Der Generaldirektor für Wettbewerb hat eine Geschäftsordnung zu erlassen, in der insbesondere nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Leiters der Geschäftsstelle zu treffen sind. (3) Der Generaldirektor für Wettbewerb und im Verhinderungsfall der Stellvertreter sind bei der Besorgung der in § 2 genannten Aufgaben weisungsfrei und unabhängig. Übersicht
Rn I. Ziele der BWB....................................................................................... 1–4 II. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht................................................. 5–9 III. Zusammenhang mit Entscheidungen der Regulatoren................ 10–12 IV. Organisation der BWB........................................................................ 13–15
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§ 1 WettbGGugerbauer
I. Ziel der Bundeswettbewerbsbehörde 1 Gem Abs 1 lit a hat die BWB funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen. Trotz der zentralen Bedeutung „funktionierenden Wettbewerbs“ enthält weder das WettbG, noch das KartG, noch der AEUV eine Definition des Wettbewerbsbegriffs. Nach den Leitlinien der Europäischen Kommission zu horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen sind Wettbewerbsparameter zB Preis, Produktionsmenge, Produktionsqualität, Produktvielfalt und Innovation (Leitlinien der Europäischen Kommission zur Anwendbarkeit von Art 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2011 C 11, Rn 27). In ihrer Mitteilung zur Anwendung von Art 102 AEUV (ABl 2009 C 45) hat die Europäische Kommission in ErwGr 5 die Funktionen des Wettbewerbs so beschrieben: „Wettbewerb kommt den Verbrauchern in Form niedrigerer Preise, höherer Qualität und eines größeren Angebots an neuen oder verbesserten Waren oder Dienstleistungen zu Gute. Deshalb wird die Kommission bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts darauf achten, dass die Märkte reibungslos funktionieren und die Verbraucher von der Effizienz und Produktivität profitieren, die ein wirksamer Wettbewerb zwischen Unternehmen hervorbringt“. Je nach Branche oder Marktstruktur können Art und Intensität des Wettbewerbs aber unterschiedlich sein (vgl EUGH, 25.10.1977 „Metro / SABA I“, Slg 1988, 1875, 1905). 2 Wettbewerb ist ein dynamischer Prozess. In der auf Friedrich von Hayek zurückgehenden Formulierung von Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 1968) kommt zu treffend zum Ausdruck, dass weder der Begriff noch das Ergebnis von Wettbewerb abschließend definiert werden können (vgl Bunte in Langen/Bunte, Bd 2, Einl, Rn 35). Die Frage, was (noch) Wettbewerb oder was (bereits) Wettbewerbsbeschränkung ist, unterliegt einem ständigen Wandel, der im Hinblick auf die Auslegung des Art 101 AEUV zu berücksichtigen ist. Nach einer eher phänomenologischen als juristischen Definition von Wettbewerb handelt es sich um einen durch die Rivalität selbstständiger, miteinander konkurrierender Unternehmen gekennzeichneten Verhaltensprozess (Hengst in Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd 2, 12. Aufl 2014, Art 101 AEUV Rn 146). 3 Unter Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen sind die im I. Hauptstück des KartG und in den Art 101 und 102 AEUV genannten 680
Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde
§ 1 WettbG
Verstöße zu verstehen, aber auch die durch anmeldebedürftige Unternehmenszusammenschlüsse (§ 9 KartG bzw Art 1 FKVO) drohenden Beschränkungen des Wettbewerbs. Der Begriff „entgegenzutreten“ verdeutlicht, dass die BWB auch künftig drohenden Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen entgegenzuwirken hat. § 3 WettbG erklärt die BWB zur für die Durchführung der Europäi- 4 schen Wettbewerbsregeln iSv § 4 Abs 1 zuständigen österreichischen Behörde. Für die Erlassung von Entscheidungen mit Beziehung auf die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV ist aber das KartGer die zuständige Wettbewerbsbehörde und für die Antragstellung beim KartGer im Einzelfall liegt die Zuständigkeit gem § 83 Abs 1 Z 2 KartG beim BKAnw.
II. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Wenden Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten einzelstaatli- 5 ches Wettbewerbsrecht auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art 101 Abs 1 AEUV an, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung beeinträchtigen können, so wenden sie gem Art 3 Abs 1 der VO (EG) 1/2003 (ABl 2003 L 1 idgF) auch Art 101 AEUV auf diese Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen an. Wenden Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten einzelstaatliches Wettbewerbsrecht auf nach Art 102 AEUV verbotene Missbräuche an, so wenden sie gem Art 3 Abs 1 VO 1/2003 auch Art 102 AEUV an. Die parallele Anwendung europäischen und österreichischen Wettbe- 6 werbsrechts setzt in Übereinstimmung mit Art 3 Abs 1 VO 1/2003 also voraus, dass ein Fall vorliegt, in welchem Art 101 bzw 102 AEUV anwendbar sind. Wendet das KartGer in solchen Fällen die einschlägigen Vorschriften des KartG an, muss es prüfen, ob die betreffenden Verhaltensweisen den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind, ob also im Einzelfall die Zwischenstaatlichkeitsklausel erfüllt ist. Zur Prüfung dieser Frage können die – das KartGer nicht bindenden – Leitlinien der Europäischen Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels (ABl 2004 C 101) herangezogen werden. Kann das untersuchte Verhalten dazu führen, den Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten iSd Zwischenstaat681
§ 1 WettbGGugerbauer lichkeitsklausel zu beeinträchtigen, ist das KartGer verpflichtet, parallel zu den einschlägigen Vorschriften des KartG auch Art 101 und 102 AEUV anzuwenden (vgl Schneider in Langen/Bunte, Bd 1, 12. Aufl 2014, § 22 GWB, Rn 12). 7 Soweit anwendbares österreichisches und EU-Recht bei der Bewertung eines bestimmten Einzelfalls zu miteinander unvereinbaren Ergebnissen führen, geht EU-Recht grundsätzlich vor. Im Einzelfall ist gegebenenfalls gem Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Die Europäische Kommission kann auch schon während eines Verfahrens vor dem KartGer ein eigenes Verfahren eröffnen, womit gem Art 11 Abs 6 VO 1/2003 die Zuständigkeit des KartGer zur Anwendung der Art 101 bzw 102 AEUV entfällt (vgl Schneider, aaO, Rn 14). 8 Das Ziel, eine Anwendung des KartG zu gewährleisten, die die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht wahrt (Abs 1 lit b), bezieht sich auf die Ermittlungsbefugnisse der BWB im Rahmen des WettbG, auf die Befugnisse der BWB als Amtspartei in kartellgerichtlichen Verfahren (§ 36 Abs 2 und Abs 4 Z 1 KartG), die es ihr ermöglichen, selbst in Verfahren, in denen sie nicht Antragstellerin ist, durch Anträge oder Sach- und Rechtsvorbringen, insbesondere auch durch Rechtsmittel, auf die Anwendung des KartG Einfluss zu nehmen. wie auch auf die Befugnisse der BWB im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Wettbewerbsbehörden. 9 Eine auf Grundlage des EU-Wettbewerbsrechts getroffene Entscheidung der Europäischen Kommission hat gem Art 16 VO 1/2003 materiellen Vorrang vor zuwiderlaufenden Entscheidungen des KartGer, dies gilt erst recht, wenn das KartGer Art 101 und 102 AEUV erst gar nicht anwendet. In einer solchen Konstellation kann die BWB beim KartGer während des Verfahrens ein entsprechendes Vorbringen erstatten und Anträge stellen, nach Vorliegen der Sachentscheidung einen Rekurs einbringen oder, falls die Rekursfrist bereits abgelaufen ist oder eine rechtskräftige Entscheidung des KOG vorliegt, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen (§ 73 AußStrG iVm § 530 ZPO).
III. Zusammenhang mit Entscheidungen der Regulatoren 10 Der BWB ist auch das Ziel vorgegeben, eine Anwendung des KartG zu gewährleisten, die den Zusammenhang mit den Entscheidungen der 682
Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde
§ 1 WettbG
Regulatoren (vgl § 4 Abs 2) wahrt. Die Regulatoren sind teilweise mit Aufgaben betraut, die sich mit jenen des KartGer überschneiden. So kann etwa der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sowohl nach den Bestimmungen des KartG, wie auch nach solchen des TKG (vgl §§ 37 ff TKG) abgestellt werden (vgl 16 Ok 11/03). Bestimmte Genehmigungen durch eine Regulierungsbehörde stehen einem kartellgerichtlichen Missbrauchsverfahren (zB wegen zwar genehmigter, aber überhöhter Tarife) nicht entgegen (16 Ok 11/04). Auch Art 101 und 102 AEUV gelten für von Regulierungsbehörden genehmigte Verhaltensweisen (vgl Europäische Kommission, „Zugangsmitteilung“ ABl 1998 C 265, Rn 60), es sei denn, die regulatorischen Maßnahmen hindern das Unternehmen an autonomem Verhalten (Europäische Kommission, COMP/C-1/37.451, 37.578, 37.579, Deutsche Telekom AG, Rn 54).
11
In kartellgerichtlichen Verfahren sind die Regulatoren berechtigt, An- 12 träge zu stellen (§ 36 Abs 4 Z 2 KartG) und sie können Stellungnahmen abgeben (§ 46 KartG). Die BWB hat eine koordinierende Funktion wahrzunehmen.
IV. Organisation der BWB Die BWB wird als monokratisch strukturierte Behörde vom Generaldi- 13 rektor für Wettbewerb geleitet (§ 1 Abs 2). § 1 Im Verhinderungsfall wird dieser vom Leiter der Geschäftsstelle vertreten. Art 20 B-VG ermöglicht es, bestimmte Kategorien von Behörden durch 14 einfaches Gesetz weisungsfrei zu stellen. Zu diesen Kategorien gehören ua Behörden zur Sicherung des Wettbewerbs und zur Durchführung der Wirtschaftsaufsicht (Art 20 Abs 2 Z 5 B-VG). Der Generaldirektor und – in seiner Vertretung – der Leiter der Geschäftsstelle, soweit auch dieser verhindert ist, der Stellvertreter des Leiters der Geschäftsstelle, sind bei Besorgung der in § 2 genannten Aufgaben weisungsfrei und unabhängig. Der Geschäftsstelle obliegt die administrative Unterstützung des Gene- 15 raldirektors (bzw seines Stellvertreters, vgl § 9 Abs 1). Der Generaldirektor für Wettbewerb hat im Rahmen einer Geschäftsordnung insbesondere nähere Bestimmungen betreffend die Aufgaben des Leiters der Geschäftsstelle zu erlassen (§ 1 Abs 2). 683
§ 2 WettbGGugerbauer
Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde § 2. (1) Zur Erreichung ihrer Ziele gemäß § 1 ist die Bundeswettbe-
werbsbehörde befugt zur Untersuchung und Bekämpfung vermuteter oder drohender Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen (§ 1), insbesondere durch Ausübung der in den folgenden Ziffern genannten Befugnisse: 1. Wahrnehmung der der Bundeswettbewerbsbehörde in Verfahren vor dem Kartellgericht und Kartellobergericht zukommenden Parteistellung nach § 40 KartG 2005, 2. Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich (§ 3), 3. allgemeine Untersuchung eines Wirtschaftszweigs, sofern die Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb in dem betreffenden Wirtschaftszweig eingeschränkt oder verfälscht ist, 4. Leistung von Amtshilfe in Wettbewerbsangelegenheiten gegenüber Kartellgericht, Kartellobergericht, Gerichten und Verwaltungsbehörden einschließlich der Regulatoren sowie des Bundeskartellanwaltes, 5. Abgabe von Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Wirtschaftspolitik, 6. Antragstellung nach § 7 Abs. 2 Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, 7. Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, wobei die §§ 11 bis 14 WettbG keine Anwendung finden, 8. Durchführung eines Wettbewerbsmonitorings, insbesondere über die Entwicklung der Wettbewerbsintensität in einzelnen Wirtschaftszweigen oder wettbewerbsrechtlich relevanten Märkten, 9. Wahrnehmung der Aufgaben nach § 6a des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz), BGBl. Nr. 379/1984 sowie 10. Wahrnehmung der Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Z 3 Bundesgesetz über die Zusammenarbeit von Behörden im Verbraucherschutz (Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz – VBKG), BGBl. I Nr. 148/2006.
684
Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde
§ 2 WettbG
(2) Der Bundeswettbewerbsbehörde obliegt die Geschäftsführung für die Wettbewerbskommission (§ 16). (3) Die Bundeswettbewerbsbehörde nimmt ihre Befugnisse von Amts wegen wahr. (4) Die Bundeswettbewerbsbehörde veröffentlicht in regelmäßigen Zeitabständen, zumindest aber jedes Jahr, einen Bericht über ihre Tätigkeit. Dieser Bericht ist nach Anhörung der Wettbewerbskommission vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend unverzüglich dem Nationalrat vorzulegen. Im Übrigen kann die Bundeswettbewerbsbehörde über von ihr geführte Verfahren von öffentlicher Bedeutung, über Untersuchungen von Wirtschaftszweigen sowie über die Durchführung eines Wettbewerbsmonitorings unter Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen informieren. § 35b Staatsanwaltschaftsgesetz über die Information der Medien ist sinngemäß anzuwenden. Literatur Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht2 (2011); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht
Rn I. Die Aufgabe der BWB....................................................................... 1 II. Antragstellerin in kartellgerichtlichen Verfahren....................... 2 III. Wettbewerbsregeln der EU.............................................................. 3 IV. Branchenuntersuchungen............................................................... 4 V. Amtshilfe............................................................................................ 5 VI. Fragen der Wirtschaftspolitik.......................................................... 6 VII. Nahversorgungsgesetz..................................................................... 7 VIII. UWG................................................................................................... 8 IX. Wettbewerbsmonitoring.................................................................. 9 X. ORF-Gesetz....................................................................................... 10–11 XI. Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz.................................. 12–14 XII. Geschäftsführung der Wettbewerbskommission......................... 15 XIII. Amtswegigkeit................................................................................... 16 XIV. Information der Medien................................................................... 17
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§ 2 WettbGGugerbauer
I. Die Aufgaben der BWB 1 Zur Erreichung der in § 1 vorgegebenen Ziele ist die BWB zur Untersuchung und Bekämpfung vermuteter oder drohender Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen befugt. Dazu werden in § 2 demonstrativ (arg: „insbesondere) einige wichtige Befugnisse angeführt.
II. Antragstellerin in kartellgerichtlichen Verfahren 2 In Verfahren vor dem KartGer hat die BWB Parteistellung auch dann, wenn sie nicht Antragstellerin ist (§ 40 KartG). Gem § 36 Abs 2 ist nur sie (und der BKAnw) berechtigt, Anträge auf Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen, auf nachträgliche Maßnahmen nach § 16 Z 1 KartG, auf eine Feststellung nach § 28 Abs 1a Z 1 KartG sowie auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu stellen.
III. Wettbewerbsregeln der EU 3 Im Zusammenhang mit der Durchführung der Wettbewerbsregeln der EU (§ 4 Abs 1) obliegt der BWB insbesondere die Unterstützung der Europäischen Kommission sowie das Zusammenwirken mit der Europäischen Kommission und den Wettbewerbsbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten (vgl § 3 Abs 1). Dabei ist zu beachten, dass bezüglich der Anwendung der Art 101 und 102 AEUV (sowie der aufgrund der Art 42 und 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln) der BKAnw für die Antragstellung beim KartGer im Einzelfall zuständig ist (§ 83 Abs 1 Z 2 KartG).
IV. Branchenuntersuchungen 4 Branchenuntersuchungen dienen dazu, die Einleitung und Durchführung kartellgerichtlicher Verfahren zu erleichtern, uU aber auch sonst notwendige Verfahren vor dem KartGer vermeiden zu helfen. Sie können Gesetzgeber und Verwaltung Grundlagen für wirtschaftspolitische Maßnahmen, etwa für Verordnungen nach dem KartG, liefern.
V. Amtshilfe 5 Der Hinweis, dass die BWB, in Wettbewerbsangelegenheiten Amtshilfe zu leisten habe (Z 4), konkretisiert einfachgesetzlich den verfassungs686
Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde
§ 2 WettbG
rechtlichen Grundsatz von Art 22 B-VG. Konkret geht es dabei etwa um Ersuchen des BKAnw um Auskünfte (§ 81 Abs 3 Z 1 KartG) um die Durchführung von Ermittlungen auf Ersuchen des BKAnw (§ 81 Abs 3 Z 3 KartG), um Ersuchen des KartGer oder des KOG um die Erteilung von Auskünften oder die Abgabe begründeter Stellungnahmen (§ 10 Abs 2) oder um die Übermittlung von Unterlagen an das KartGer, das KOG, den BKAnw, die Wettbewerbskommission, Regulatoren, die Europäische Kommission oder an Wettbewerbsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten (vgl § 10 Abs 1).
VI. Fragen der Wirtschaftspolitik Ungeachtet der Weisungsfreiheit ihres Generaldirektors (bzw dessen 6 Stellvertreters) ist die BWB eine Einrichtung des für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständigen Ressorts der österreichischen Bundesregierung (vgl § 1 Abs 1). Auf Ersuchen des Wirtschaftsressorts (oder auch aus eigener Initiative) kann die BWB Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Wirtschaftspolitik abgeben, soweit diese Fragen mögliche Wettbewerbsverzerrungen betreffen (vgl Abs 1 erster Satz). Dabei ist vor allem auf mögliche Auswirkungen legistischer Maßnahmen auf funktionierenden wirtschaftlichen Wettbewerb abzustellen.
VII. Nahversorgungsgesetz Die §§ 1 und 2 NVG sollen das KartG ergänzen, weil dessen einschlä- 7 gige Bestimmungen (§§ 4 f KartG) nach Auffassung des Gesetzgebers Nachfragemacht nur unzureichend erfassen (vgl Bericht des Handelsausschusses, 565 BlgNR 14. GP 1). Anders als § 5 KartG setzt § 1 NVG keine marktbeherrschende Stellung vor (vgl 4 Ob 34/01f). Nach § 1 Abs 1 NVG können Verhaltensweisen von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr untereinander untersagt werden, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. Gem § 2 Abs 1 Z 6 ist die BWB iSv § 7 Abs 2 NVG zur Antragstellung beim KartGer befugt.
VIII. UWG Gem § 14 Abs 1 zweiter Satz UWG ist die BWB befugt, in Fällen der 8 §§ 1, 1a und § 2 (unlautere, aggressive und irreführende Geschäftspraktiken) sowie § 9 c UWG (Verkauf gegen Vorlage von Einkaufsauswei687
§ 2 WettbGGugerbauer sen, Berechtigungsscheinen udgl) den Anspruch auf Unterlassung geltend zu machen. IVm § 1 UWG kann der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (§ 5 KartG) auch durch Zivilgerichte untersagt werden. Bringt die BWB bei einem Zivilgericht eine Unterlassungsklage ein, darf sie in diesem Zusammenhang keine Ermittlungen gegen die jeweils beklagte Partei führen, also weder ein Auskunftsverlangen nach § 11a an dieses Unternehmen richten, noch eine Hausdurchsuchung (§ 12) durchführen, noch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes heranziehen. Im Verfahren vor dem Zivilgericht ist Kostenersatz nach den Bestimmungen der ZPO zuzusprechen, auch die BWB kann ersatzpflichtig werden.
IX. Wettbewerbsmonitoring 9 Durch Wettbewerbsmonitoring soll die Wettbewerbsintensität bestimmter Märkte festgestellt werden, dies insbesondere durch Beobachtung der mehrjährigen Entwicklung wesentlicher Indikatoren. Als solche sind ua der Konzentrationsgrad, die Preisentwicklung (auch im internationalen Vergleich), angebots- und nachfrageseitige Einflussfaktoren, die Anzahl der Marktteilnehmer sowie Marktzu- und -austritte zu berücksichtigen (vgl EB 2012). Bei der Auswahl der Branchen sollte auch auf Empfehlungen der Wettbewerbskommission Rücksicht genommen werden. Das Wettbewerbsmonitoring wird ausschließlich auf Grundlage öffentlich verfügbarer Daten durchgeführt (vgl § 11a Abs 9).
X. ORF-Gesetz 10 In den im ORF-Gesetz (Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk – ORF-Gesetz, BGBl 1984 Nr 379 idgF) angeführten Fällen, insbesondere dann, wenn der öffentlich-rechtliche ORF ein neues Angebot anzubieten beabsichtigt, ist eine Auftragsvorprüfung durchzuführen. Als „neue Angebote“ gelten Programme oder Angebote, die erstmals veranstaltet oder bereitgestellt werden sollen und sich wesentlich von den vom ORF aufgrund der §§ 3 bis 5 ORF-Gesetz bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvorprüfung erbrachten Programmen oder Angeboten unterscheiden, dies gilt insbesondere auch für Online-Angebote. Eine Reihe von Online-Angeboten, darunter Anzeigenportale, Branchenverzeichnisse, Preisvergleichsportale, Partner-, Kontakt-, und Stellenbörsen, Telekommunikationsdienstleistungen, Erotikangebote, 688
Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde
§ 2 WettbG
Glücksspiele und Wetten, dürfen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF keinesfalls bereitgestellt werden (§ 4 f Abs 2 ORFGesetz). Im Zusammenhang mit einer Auftragsvorprüfung hat die Regulie- 11 rungsbehörde der BWB alle relevanten Unterlagen, insbesondere das vom ORF vorgelegtes Angebotskonzept, eine detaillierte Begründung, weshalb das neue Angebot im Unternehmensgegenstand liegt und zur wirksamen Erbringung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags sowie der besonderen, im Gesetz geregelten Aufträge zweckmäßig erscheint, sowie eine Darstellung der voraussichtlichen Auswirkungen des neuen Angebotes auf die Wettbewerbssituation auf dem jeweils für das Angebot relevanten Markt sowie auf die Angebotsvielfalt für Seher, Hörer und Nutzer, zur Verfügung zu stellen. Die BWB hat innerhalb einer sechswöchigen Frist zu den voraussichtlichen Auswirkungen des neuen Angebots auf die Wettbewerbssituation anderer in Österreich tätiger Medienunternehmen Stellung zu nehmen (§ 6 a Abs 4 Z 2 ORF-Gesetz). Neben dem ORF als Antragsteller kommt im Verfahren vor der Regulierungsbehörde der BWB Parteistellung zur Wahrung der Interessen des Wettbewerbs zu. Sie kann gegen die Entscheidung Beschwerde an das BVwG erheben.
XI. Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz Gem § 3 VBKG ist der BKAnw die für die Vorschriften zur Umsetzung 12 der im Anhang zum VBKG unter Z 1 angeführten Richtlinien (§ 3 Abs 1 Z 1 VBKG), die BWB die für die Vorschriften zur Umsetzung der im Anhang unter Z 3 angeführten Richtlinien (§ 3 Abs 1 Z 3) zuständige Behörde. In Z 1 des Anhangs zum VBKG werden folgende Richtlinien ange- 13 führt: RL 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher; RL 87/102/ EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit; RL 90/314/EWG 1990 über Pauschalreisen; RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen; RL 2008/122/EG über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen; RL 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter; RL 689
§ 2 WettbGGugerbauer 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt sowie RL 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher. 14 In Z 3 des Anhangs zum VBKG sind folgende Richtlinien angeführt: Art 1, 2 lit c, 4, 5, 6, 7 und 8 der RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung; RL 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge, soweit diese RL auch gewerberechtliche Bestimmungen über die Vermittlung von Personalkrediten und Finanzierungen betrifft; RL 90/314/EWG über Pauschalreisen, soweit diese RL auch gewerberechtliche Informationspflichten und die Sicherung der Ansprüche von Reisenden betrifft; RL 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, sowie RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern.
XII. Geschäftsführung für die Wettbewerbs kommission 15 Die Wettbewerbskommission ist „bei“ der BWB als beratendes Organ einzurichten (§ 16 Abs 1). Sie verfügt über keinen eigenen administrativen Apparat und wird daher von der Geschäftsstelle der BWB (§ 9) unterstützt. Dies betrifft die Bereitstellung von Sitzungsräumen, die Ausfertigung und Versendung von Einladungen zu Sitzungen, die Ausfertigung von Protokollen und Gutachten, die Ausfertigung von Vorschlägen für Schwerpunkte im folgenden Kalenderjahr (§ 16 Abs 1), die Ausfertigung einer begründeten schriftlichen Empfehlung hinsichtlich der Erstellung eines Antrages der BWB auf Prüfung eines angemeldeten Zusammenschlusses (§ 17 Abs 1), usw.
XIII. Amtswegigkeit 16 Die BWB nimmt ihre Befugnisse von Amts wegen wahr (§ 2 Abs 3). Dabei steht das Ziel, funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen in Einzelfällen entgegenzutreten (§ 1 Abs 1 lit a), im Vordergrund. Werden von dritter Seite Anregungen oder Beschwerden an die BWB herangetragen, hat sie zu überprüfen, inwieweit ein öffentliches Interesse an der Verfolgung 690
Zuständigkeit für die Durchführung der Wettbewerbsregeln
§ 3 WettbG
einer behaupteten Rechtsverletzung besteht, bzw ob Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die von Verstößen gegen Verbote iSd I. Hauptstücks des KartG bzw gegen Art 101 oder 102 AEUV passiv betroffen sind, durch objektive Umstände daran gehindert sind, ihre Interessen selbst als Antragsteller iSv § 36 Abs 4 Z 4 KartG wahrzunehmen (vgl EB 2002).
XIV. Information der Medien Um größtmögliche Transparenz nach außen zu gewährleisten, die Sen- 17 sibilität in Wettbewerbs- und Kartellrechtsfragen sowie damit die Präventionswirkung zu erhöhen, soll die BWB jederzeit unter Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen unter Berücksichtigung des Interesses der Öffentlichkeit an sachlicher Information über Verfahren von öffentlicher Bedeutung über ihre Tätigkeit informieren können. Dies beinhaltet auch, dass die BWB im kartellgerichtlichen Verfahren (auch im Rechtsmittelverfahren) Auskünfte über ihr Verhalten und über ihre Aufträge erteilen kann. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die mediale Information als verhältnismäßig, wenn in einer Rechtssache „die breite Öffentlichkeit . . . berechtigte Erwartungen an das entsprechende Tätigwerden der . . . Behörde hat (BVerwG, Urteil vom 29.6.2015, W214 2009464-1/41E, W214 2015654-1/28E, W21420156511/22E). Diese Informationsmöglichkeiten entsprechen den Möglichkeiten der StA. ISd § 35b StAG ist eine Information nur zulässig, wenn einerseits durch ihren Zeitpunkt und Inhalt die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen, der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie der Anspruch auf ein faires Verfahren nicht verletzt werden, andererseits insbesondere durch die Information der Zweck des Ermittlungsverfahrens nicht gefährdet wird (EB RV KaWeRÄG 2017).
Zuständigkeit für die Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln § 3. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde (§ 1) ist, soweit nicht gemäß
Abs. 2 die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit oder der Gerichte gegeben ist, die für die Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln (§ 4 Abs. 1) zuständige österrei691
§ 3 WettbGGugerbauer chische Behörde. Es obliegt ihr dabei insbesondere die Unterstützung der Europäischen Kommission sowie das Zusammenwirken mit der Europäischen Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten in den in diesen Rechtsakten genannten Fällen. Die Bundeswettbewerbsbehörde kann gegenüber der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten Erklärungen abgeben, die der Durchführung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. Nr. L 1 vom 04.01.2003 S. 1, dienen; dies gilt insbesondere mit Beziehung auf die Einhaltung von Regeln über den Schutz von Antragstellern, die den Rechtsvorteil eines Kronzeugenprogramms beansprucht haben. (2) Vom Unionsrecht vorgesehene Mitwirkungsbefugnisse der Mitgliedstaaten an der Erlassung von Verordnungen, Richtlinien oder anderen generell-abstrakten Akten zur Durchführung der Art. 101 bis 106 AEUV sind vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend wahrzunehmen. Betreffen diese Akte ausschließlich oder überwiegend Unternehmen oder Unternehmensverbände des Verkehrsbereichs, ist im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie vorzugehen. Der Bundeswettbewerbsbehörde sowie dem Bundeskartellanwalt ist die Möglichkeit einzuräumen, jederzeit Stellungnahmen abzugeben. (3) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit kann zur Wahrnehmung seiner Aufgabe gemäß Abs. 2 die Bundeswettbewerbsbehörde um die Erteilung von Auskünften ersuchen. Literatur Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht2 (2011); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht
Rn I. Durchführung der Wettbewerbsregeln der EU............................... 1 II. Gerichte................................................................................................. 2–3 III. Bundeswettbewerbsbehörde............................................................... 4–9 IV. Bundeskartellanwalt............................................................................ 10–11 V. Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.................... 12–14
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Zuständigkeit für die Durchführung der Wettbewerbsregeln
§ 3 WettbG
I. Durchführung der Wettbewerbsregeln der EU Zur Definition der „Europäischen Wettbewerbsregeln“ vgl § 4 Abs 1. 1 Bedingt durch die nicht immer ganz widerspruchsfreie Entwicklung des österreichischen Kartellverfahrensrechts sind die Bestimmungen betreffend die Durchführung der Wettbewerbsregeln der EU teilweise nach wie vor inkonsistent. Sieht man einmal von den wettbewerbspolitischen Aufgaben des für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständigen Ressorts der österreichischen Bundesregierung ab (vgl Abs 1 zweiter Halbsatz), hat sich die BWB ihre Zuständigkeit zur Durchführung der Wettbewerbsregeln der EU mit „den Gerichten“ (Abs 1 zweiter Halbsatz), dem Kartellgericht (vgl § 83 Abs 1 Z 1 KartG) und dem BKAnw (vgl § 83 Abs 1 Z 2 KartG) zu teilen.
II. Gerichte Die BWB ist Ermittlungs-, nicht Entscheidungsbehörde. Dies unter- 2 scheidet sie etwa von der Europäischen Kommission oder dem deutschen Bundeskartellamt. Soweit die Europäische Kommission nicht selbst im Einzelfall die Zuständigkeit für die Ahndung von Verstößen gegen Art 101 oder 102 AEUV mit Auswirkungen auf Österreich wahrnimmt (und dafür auch nicht eine Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates zuständig ist), kann in Österreich nur das KartGer oder ein Zivilgericht entscheiden. Das KartGer kann nicht von Amtswegen, sondern nur aufgrund eines gesetzmäßig eingebrachten Antrages tätig werden, für eine derartige Antragstellung ist zunächst einmal („unbeschadet des § 3 Abs 1 WettbG“) der BKAnw zuständig (§ 83 Abs 1 Z 2 KartG). Abgesehen davon können aber auch Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung haben (§ 36 Abs 4 Z 4 KartG), die drei sozialpartnerschaftlichen Kammern (§ 36 Abs 4 Z 3 KartG) oder Regulatoren (§ 36 Abs 4 Z 2 KartG) als Antragsteller auftreten. Bei einem österreichischen Zivilgericht können nach § 1 UWG iVm 3 einer Verbotsbestimmung des I. Hauptstücks des KartG oder Art 101 f AEUV Unterlassungsklagen eingebracht werden, dies primär von betroffenen Unternehmen, aber auch von der BWB (§ 2 Abs 1 Z 7). Durch das KaWeRÄG 2017 wurde zur Stärkung des „private enforcement“ des Kartellrechts die zivilrechtliche Geltendmachung von Schadener693
§ 3 WettbGGugerbauer satzansprüchen erleichtert (§§ 37a ff KartG), als relevante Wettbewerbsrechtsverletzung wird dabei ausdrücklich auch eine solche gegen Art 101 oder 102 AEUV definiert (§ 37b Z 1 KartG). Art 6 VO 1/2003 erfasst als Gerichte, die dazu aufgerufen sein können, Art 101 und 102 AEUV anzuwenden, neben den Zivilgerichten auch Straf- und Verwaltungsgerichte.
III. Bundeswettbewerbsbehörde 4 Der BWB obliegt die Kooperation mit der Europäischen Kommission und den Wettbewerbsbehörden der andern EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des Netzwerks der Wettbewerbsbehörden (vgl die Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden – „ECN-Bekanntmachung“, ABl 2004 C 101). 5 Die BWB hat die Europäische Kommission insbesondere von der Aufnahme förmlicher Ermittlungshandlungen zu unterrichten (Art 11 Abs 3 VO 1/2003), durch Vertreter an Sitzungen des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen teilzunehmen (Art 14 Abs 2 VO 1/2003), österreichische Gerichtsurteile bzw -beschlüsse über die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV an die Europäische Kommission zu übermitteln (Art 15 Abs 2; § 85 KartG), die Europäische Kommission bei Nachprüfungen zu unterstützen (Art 20, 21 VO 1/2003), auf Ersuchen der Europäischen Kommission (Art 22 Abs 2 VO 1/2003) oder im Namen und für Rechnung der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates (Art 22 Abs 1 VO 1/2003) Nachprüfungen vorzunehmen. 6 Auch für die Anwendung der FKVO ist eine enge Kooperation von BWB und Europäischer Kommission vorgesehen (Art 19 Abs 2 FKVO). Die BWB erhält alle Anmeldungen und wichtigen Schriftstücke (Art 19 Abs 1 FKVO), sie kann Erklärungen zu von Parteien gestellten Verweisungsanträgen abgeben (Art 4 Abs 4 bzw Abs 5 FKVO) oder selbst Verweisungsanträge stellen (Art 9, Art 22), sie entsendet Vertreter zu Sitzungen des Beratenden Ausschlusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Art 19 Abs 3 FKVO) und gibt Stellungnahmen ab (Art 19 Abs 2 FKVO), ist aber auch verpflichtet, der Europäischen Kommission Auskünfte zu erteilen (Art 11 Abs 6 FKVO), diese bei Nachprüfungen zu unterstützen (Art 13 FKVO) 694
Zuständigkeit für die Durchführung der Wettbewerbsregeln
§ 3 WettbG
oder solche auf ihr Ersuchen vorzunehmen (Art 12 FKVO). Im Zusammenhang mit einer in Österreich umzusetzenden Nachprüfungsentscheidung der Europäischen Kommission bedarf es des Zusammenwirkens von BWB und KartGer (vgl § 12 Abs 2). Die Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses variiert danach, ob 7 Einzelfälle (Art 14 Abs 2 Satz 1 VO 1/2003) oder allgemeine Fragen des Wettbewerbsrechts der Union (Art 14 Abs 2 Satz 2, Abs 7 Satz 6 VO 1/2003) zu erörtern sind. Für die Erörterung von Einzelfällen setzt sich der Beratende Ausschuss nur aus Vertretern der Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten zusammen (Art 14 Abs 2 Satz 1 VO 1/2003). Aus dem Zusammenhang mit Art 14 Abs 2 Satz 2 VO 1/2003 ergibt sich, dass die EU-Mitgliedstaaten insoweit grundsätzlich nur je einen Vertreter bestimmen. Für Österreich ist dies ein Vertreter der BWB. Zur Erörterung allgemeiner Fragen können die EU-Mitgliedstaaten gem Art 14 Abs 2 Satz 2 VO 1/2003 jeweils einen weiteren für Wettbewerbsfragen zuständigen Vertreter benennen, der nicht notwendig der Wettbewerbsbehörde angehören muss (FN 23 zu Rn 58 der ECN-Bekanntmachung). Österreich benennt für derartige Sitzungen regelmäßig einen Vertreter des für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständigen Bundesministeriums. Schließlich besteht die Möglichkeit (s ErwGr 20 zur VO 1/2003), dass die Vertreter sich durch andere nationale Experten, etwa solche mit einer besonderen Branchenkompetenz, unterstützen lassen, die jedoch selbst nicht Vertreter sind (vgl Sura in Langen/ Bunte, Art 14 VO 1/2003 Rn 4). Die in den Beratenden Ausschuss entsandten Vertreter können im Fall 8 der Verhinderung durch andere Vertreter ersetzt werden (Art 14 Abs 2 Satz 3 VO 1/2003). Diese Regelung besagt im Umkehrschluss, dass die Vertreter grundsätzlich auf Dauer ernannt werden. In der Praxis werden sie jedoch für jede einzelne Sitzung durch einfache Mitteilung an die Europäische Kommission neu bestimmt. Eine Stellungnahme des Beratenden Ausschlusses ist auch dann möglich, wenn einzelne Mitglieder des Ausschlusses weder anwesend noch vertreten sind (Art 14 Abs 3 Satz 5 VO 1/2003). Die Beschlussfähigkeit des Ausschusses erfordert somit keine Einhaltung eines Quorums (vgl Sura, aaO, Rn 5). Gem Art 15 Abs 3 VO 1/2003 kann die BWB von sich aus österreichi- 9 schen Gerichten schriftliche Stellungnahmen zur Anwendung der 101 und 102 AEUV übermitteln. Mit Erlaubnis des betreffenden Gerichts kann sie auch mündlich Stellung nehmen. 695
§ 3 WettbGGugerbauer
IV. Bundeskartellanwalt 10 Unbeschadet des § 3 Abs 1 ist der BKAnw mit Beziehung auf die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV und der aufgrund der Art 42 und 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln im Einzelfall zuständige Wettbewerbsbehörde für die Antragstellung beim KartGer. Dies betrifft insbesondere Anträge auf Abstellung (§ 36 KartG), auf Feststellung (§ 28 KartG) sowie auf die Verhängung von Geldbußen (§ 28 KartG) oder von Zwangsstrafen (§ 35 KartG). Für die Entziehung des Rechtsvorteils einer GVO im Einzelfall ist das KartGer zuständig, ein entsprechender Antrag kann sowohl von der BWB wie auch vom BKAnw gestellt werden. 11 Der BKAnw kann gegenüber der Europäischen Kommission und den Wettbewerbsbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten Erklärungen abgeben, die der Durchführung der Bestimmungen der VO 1/2003 über die Zusammenarbeit der Europäischen Kommission und der Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten dienen; dies gilt insbesondere mit Beziehung auf die Einhaltung von Regeln über den Schutz von Antragstellern, die den Rechtsvorteil eines Kronzeugenprogramms beansprucht haben (§ 84 KartG). Das gleiche Recht steht der BWB nach Abs 1 letzter Satz zu.
V. Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten 12 Die Wahrnehmung der Mitwirkungsbefugnisse an der Erlassung von Verordnungen, Richtlinien oder anderen generell-abstrakten Akten zur Durchführung der Art 101 bis 106 AEUV kommt dem für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständigen Ressortminister der österreichischen Bundesregierung zu. 13 Dies betrifft etwa Stellungnahmen zum Entwurf von Durchführungsvorschriften zur VO 1/2003 (vgl Art 33 Abs 2 VO 1/2003). Konsultiert die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang einen Beratenden Ausschuss, gehört ihm ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums an (vgl Art 14 Abs 2 VO 1/2003). 14 Soweit die zu erlassenden Akte ausschließlich oder überwiegend Unternehmen oder Unternehmensverbände des Verkehrsbereichs betreffen, ist vom Wirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem für Verkehrsangelegenheiten zuständigen Bundesminister vorzugehen (§ 3 Abs 2). 696
Begriffsbestimmungen
§ 4 WettbG
Begriffsbestimmungen § 4. (1) Unter Europäischen Wettbewerbsregeln im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die Art. 101 bis 106 AEUV sowie die zur Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen sowie die aufgrund von Art. 42 und 43 AEUV erlassenen Wettbewerbsregeln zu verstehen, insbesondere: 1. die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, 2. die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), 3. die Verordnung (EU) Nr. 261/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates im Hinblick auf Vertragsbeziehungen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse, ABl. Nr. L 94 vom 30.3.2012 S. 38. (2) Unter Regulatoren im Sinne dieses Bundesgesetzes sind durch Bundesgesetz eingerichtete Behörden zu verstehen, die mit der Ausübung von Regulierungsaufgaben hinsichtlich bestimmter Sektoren betraut sind. Übersicht
Rn I. Sonderregelung für Milchproduzenten............................................ 1–11 II. Regulierungsbehörden........................................................................ 12
I. Sonderregelung für Milchproduzenten Gem Abs 1 Z 3 sind von der BWB bei der Durchführung der Wettbe- 1 werbsregeln der EU insbesondere auch die VO (EU) 261/2012 und die VO (EG) 1234/2007 (Verordnung über die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte) zu beachten. Die beiden Verordnungen verfolgen das Ziel, Agrarpolitik und Wettbewerbspolitik miteinander in Einklang zu bringen. Um die Wettbewerbsnachteile der Landwirte auszugleichen, die Folge natürlicher und struktureller Bedingungen sind, wurden im Agrarsektor verschiedene Formen horizontaler und vertikaler Kooperation entwickelt. Damit soll das Angebot koordiniert und an den Bedarf angepasst werden, um so zu einer Stabilisierung der Agrarmärkte 697
§ 4 WettbGGugerbauer beizutragen. In Anerkennung des Umstandes, dass solche Kooperationsformen dazu dienen die Wettbewerbsschwäche der Landwirte gegenüber ihren Marktpartnern auszugleichen, hat der Gesetzgeber im Kartellrecht Bereichsausnahmen für die Landwirtschaft vorgesehen. Den Landwirten wird gewissermaßen erlaubt, sich durch Absprachen untereinander oder mit Abnehmern, die an sich kartellrechtlich verboten wären, überhaupt erst in die Lage zu versetzen, erfolgreich am Wettbewerb teilzunehmen (vgl Schweizer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd 1/Teil 2, 5. Aufl 2012, VIII. Abschnitt Landwirtschaft, Rn 12). 2 Die durch die VO (EU) Nr 261/2012 geänderte VO (EG) Nr 1234/2007 ermöglicht es von Milchbauern bzw deren Verbänden gegründeten, anerkannten Erzeugerorganisationen, im Namen ihrer Mitglieder für deren gesamte gemeinsame Erzeugung oder einen Teil davon Verträge über die Lieferung von Rohmilch an einen Rohmilch verarbeitenden Betrieb oder Abholer aushandeln (Art 126c VO 1234/2007), sofern für eine bestimmte Erzeugerorganisation die von den Verhandlungen abgedeckte Rohmilchmenge 3,5% der gesamten Erzeugung der Union nicht überschreitet und die von den Verhandlungen abgedeckte Rohmilchmenge die im betreffenden EU-Mitgliedstaat erzeugt wird, 33% der gesamten Erzeugung dieses Mitgliedstaats nicht überschreitet (vgl ABl 2012 L 94). Dafür gibt es eine besondere Legalausnahme vom Kartellverbot. 3 Solche Kartellabsprachen müssen aber notwendig zur Erreichung der Ziele des Art 39 AEUV („Gemeinsame Agrarpolitik“) sein. Das Tatbestandsmerkmal „notwendig“ bedeutet mehr als „nützlich“, „förderlich“ oder „geeignet“. Von Seiten der Europäischen Kommission findet diesbezüglich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Dabei darf aber kein zu strenger Maßstab an das Tatbestandsmerkmal „notwendig“ angelegt werden, da die kartellrechtliche Freistellung ansonsten totes Recht wäre. Es muss als ausreichend beurteilt werden, dass die Kartellabsprache die Ziele des Art 39 AEUV fördert und zu ihrer Verwirklichung einen wesentlichen Beitrag leistet; die Erreichung der Ziele muss von der Wettbewerbsbeschränkung abhängig sein (vgl Schweizer, aaO, Rn 33). 4 Das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV erfasst sowohl unmittelbare als auch mittelbare Preisbindungen. Die Festsetzung eines gemeinsamen Preises für die Weiterveräußerung durch die Absatzorganisation zB eine Genossenschaft, ist aber eine notwendige Folge des gemein698
Begriffsbestimmungen
§ 4 WettbG
schaftlichen Verkaufs; der Weiterverkauf zu unterschiedlichen Preisen durch die Absatzorganisation würde wirtschaftlich widersinnig sein und dem Zweck einer solchen Absatzorganisation widersprechen. Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestands von Art 176 Abs 1 Satz 2 VO 1234/2007 erfordern es, Absatzorganisationen, die die Erzeugnisse ihrer Mitglieder zu einem gemeinsamen Preis weiterveräußern, in dem Genuss der Begünstigung kommen zu lassen. Sowohl horizontale wie auch vertikale Preisbindungen können nach Art 176 Abs 1 Satz 1 VO 1234/2007 von dem Verbot des Art 101 Abs 1 AEUV freigestellt sein, sofern dies für die Erreichung der Ziele des Art 39 AEUV notwendig ist (vgl Schweizer, aaO, Rn 50 f). Die EU-Mitgliedstaaten können unter den in der VO 1234/2007 ge- 5 nannten Voraussetzungen Erzeugerorganisationen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse anerkennen, Kontrollen durchführen und die Anerkennung – soweit erforderlich – auch wieder entziehen. Sie haben die Europäische Kommission regelmäßig über ihre diesbezüglichen Entscheidungen zu informieren (Art 126a Abs 4 VO 1234/2007). Die Europäische Kommission hat entsprechend Art 176 Abs 2 VO 6 1234/2007 zu entscheiden, ob die Kartellabsprache einer derartigen Erzeugerorganisation die Voraussetzungen von Art 176 Abs 1 VO 1234/2007 erfüllt. Die BWB oder das KartGer können keine positive Feststellung treffen, dass eine Kartellabsprache die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bereichsausnahme nach Art 176 Abs 1 VO 1234/2007 erfüllt. Werden BWB und/oder das KartGer mit einer solchen Frage befasst und ist die Frage der Anwendbarkeit der Bereichsausnahme für den Agrarsektor entscheidungsrelevant, so haben sie ein allfälliges Verfahren bis zu einer Entscheidung der Kommission auszusetzen. BWB und KartGer sind an eine positive oder negative Feststellung der Europäischen Kommission gebunden. Ihnen bleibt aber auch dann jede eigene positive Entscheidungskompetenz verwehrt, wenn die Europäische Kommission noch kein Verfahren nach Art 176 Abs 2 VO 1234/2007 eingeleitet hat (vgl Schweizer, aaO, Rn 60). Das Feststellungsverfahren wird von der Europäischen Kommission 7 entweder auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet (Art 176 Abs 2 Unterabsatz 2 VO 1234/2007). Antragsberechtigt sind die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sowie die BWB. Hat die Europäische Kommission das Verfahren, sei es auf Antrag sei es 8 von Amts wegen, eröffnet, hat sie die EU-Mitgliedstaaten sowie die 699
§ 4 WettbGGugerbauer beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen anzuhören. Die Anhörung der Mitgliedstaaten ist zwingend vorgeschrieben. Die Europäische Kommission muss die EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf deren Stellungnahme hinreichend informieren und ihnen ausreichend Zeit für ihre Stellungnahme lassen. Für die Verpflichtung zur Anhörung ist es unerheblich, ob die Europäische Kommission beabsichtigt, eine positive oder negative Feststellung zu treffen (vgl Schweizer, aaO, Rn 68). 9 Bei der Aufklärung bzw Ergänzung des Sachverhalts ist die Europäische Kommission nicht auf eine mündliche Anhörung beschränkt, sie kann auch beim Feststellungsverfahren nach Art 176 Abs 1 VO 1234/2007 alle Aufklärungsmittel einsetzen, so das Verlangen von Auskünften, die Untersuchung von Wirtschaftszweigen, Nachprüfungen durch Behörden der Mitgliedstaaten sowie eigene Nachprüfungen. 10 Nach der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit Rahmenbedingungen für Erzeuger zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung und zur Stärkung ihrer Marktstellung (Erzeuger-Rahmenbedingungen-Verordnung), BGBl II 2015/326) haben Erzeugerorganisationen, Vereinigungen von Erzeugerorganisationen und Branchenverbände Organen und Beauftragten ua des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie der Europäischen Union das Betreten der Geschäfts-, Betriebs- und Lagerräume während der Geschäfts- oder Betriebszeiten auch ohne Vorankündigung zu gestatten (§ 5 Abs 1). 11 Die Europäische Kommission ist nicht verpflichtet, in einem Verfahren nach Art 176 Abs 1 VO 1234/2007 den Beratenden Ausschuss anzuhören. Das ist in dem Umstand begründet, dass im Beratenden Ausschuss nur der kartellrechtliche Sachverstand der Mitgliedstaaten vertreten ist, es aber bei Feststellungen nach Art 176 Abs 1 VO 1234/2007 auf die Beurteilung agrarpolitischer Fragen ankommt (vgl Schweizer, aaO, Rn 70).
II. Regulierungsbehörden 12 In Österreich sind Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas (Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft, § 2 E-ControlG), elektronische Kommunikation (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH und Telekom-Control700
Ernennungsvoraussetzungen
§ 7 WettbG
Kommission; §§ 115 und 116 TKG), Post (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH und Post-Control-Kommission § 38 iVm § 40 PMG), Eisenbahnwesen (Schienen-Control GmbH und Schienen-Control Kommission; 7. Teil EisenbahnG) sowie Rundfunk (Kommunikationsbehörde Austria [KommAustria]; § 1 KommAustriaG) eingerichtet.
Ausnahmen vom Anwendungsbereich § 5. Ausgenommen vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes sind Verfahren nach Art. 106 Abs. 3 AEUV, sofern sie Angelegenheiten staatlicher Monopole gemäß lit. E Z 5, BGBl. Nr. 76/1986, Teil 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 in der Fassung BGBl. Nr. 78/1987 zum Gegenstand haben. Gem Art 106 AEUV sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, in Be- 1 zug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EGV (insbesondere keine Art 18 EGV) und Art 101 bis 109 AEUV widersprechende Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten.
Ernennung des Generaldirektors § 6. Der Generaldirektor für Wettbewerb wird auf Vorschlag der
Bundesregierung vom Bundespräsidenten für eine Funktionsperiode von fünf Jahren gemäß § 141 BDG 1979, BGBl. Nr. 333/1979, ernannt. Neuerliche Ernennungen sind zulässig. Dem Vorschlag der Bundesregierung hat eine Ausschreibung zur allgemeinen Bewerbung durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit voranzugehen, auf die das Ausschreibungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 85/1989, anzuwenden ist.
Ernennungsvoraussetzungen § 7. (1) Zum Generaldirektor kann ernannt werden, wer
1. persönlich und fachlich zur Ausübung des Amtes geeignet ist, 2. das rechtswissenschaftliche oder wirtschaftswissenschaftliche Studium abgeschlossen hat und 3. eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts hat. 701
§ 8 WettbGGugerbauer (2) Personen mit Anspruch auf Aktivbezüge nach den bezügerechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder dürfen nicht zum Generaldirektor ernannt werden. Überdies darf nicht ernannt werden, wer in den letzten vier Jahren Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder Staatssekretär gewesen ist. (3) Der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde darf für die Dauer seiner Funktion keine weitere Tätigkeit ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner Aufgaben behindert oder geeignet ist, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, oder sonstige wesentliche Interessen seiner Funktion gefährdet; dies gilt insbesondere für die in § 4 Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz), BGBl. Nr. 330/1983, umschriebenen Tätigkeiten. (4) Der Generaldirektor scheidet aus dem Amt aus 1. mit Ablauf der Funktionsperiode, wenn keine neuerliche Ernennung erfolgt, 2. durch Auflösung des Dienstverhältnisses, 3. mit der Enthebung vom Amt oder 4. durch Versetzung oder Übertritt in den Ruhestand. (5) Der Generaldirektor ist auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten seines Amtes zu entheben, wenn er 1. sich Verfehlungen von solcher Art oder Schwere zu Schulden kommen lässt, dass die weitere Ausübung seines Amtes den Interessen des Amtes abträglich wäre, 2. schriftlich darum ansucht oder 3. infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine Aufgaben als Generaldirektor nicht erfüllen kann (Amtsunfähigkeit) und die Wiedererlangung der Amtsfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist. (6) Das Dienstverhältnis des Generaldirektors endet spätestens mit Ablauf des Jahres, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet hat.
Dienst- und Besoldungsrecht § 8. (1) Durch die Ernennung zum Generaldirektor wird ein definitives öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund begründet, soweit ein solches nicht bereits besteht. 702
Geschäftsstelle
§ 9 WettbG
(2) Die §§ 4 Abs. 1 Z 4 (Ernennungserfordernisse), 10 (provisorisches Dienstverhältnis), 11 und 12 (definitives Dienstverhältnis), §§ 24 bis 35 (Grundausbildung), 38 (Versetzung), 39 bis 41 (Dienstzuteilung und Verwendungsänderung), 41a (Berufung), 75b (Auswirkungen des Karenzurlaubes auf den Arbeitsplatz), 90 (Bericht über den provisorischen Beamten), 138 (Ausbildungsphase) und 139 (Verwendungszeiten und Grundausbildung) BDG 1979 sind auf den Generaldirektor nicht anzuwenden. (3) Amtstitel im Sinne des § 63 BDG ist die im § 1 Abs. 2 geregelte Funktionsbezeichnung. (4) Dem Generaldirektor gebührt ein Fixgehalt der Funktionsgruppe 9 der Verwendungsgruppe A 1 gemäß § 31 des Gehaltsgesetzes, BGBl. Nr. 54/1956. (5) Soweit das BDG 1979 dem Vorgesetzten oder Dienststellenleiter Aufgaben zuweist, sind diese vom Generaldirektor wahrzunehmen. Im Übrigen ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dienstbehörde.
Geschäftsstelle § 9. (1) Die Unterstützung des Generaldirektors und seines Stellver-
treters obliegt der Geschäftsstelle, für die der Generaldirektor eine Geschäfts- und Personaleinteilung zu erlassen hat. (2) Die Geschäftsstelle besteht aus einem Leiter der Geschäftsstelle, seinem Stellvertreter und der erforderlichen Anzahl von sonstigen Bediensteten. In der Geschäftsstelle können Abteilungen eingerichtet werden. Dem Leiter der Geschäftsstelle und in dessen Verhinderungsfall seinem Stellvertreter obliegt die Leitung des inneren Dienstes. Die der Wettbewerbsabteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zugewiesenen Bediensteten gehören mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes der Geschäftsstelle der Bundeswettbewerbsbehörde an. (3) Die Bediensteten sind bei der Besorgung ihrer Aufgaben nur an die Anordnungen des Generaldirektors und im Verhinderungsfall des Stellvertreters gebunden. Sind Abteilungen eingerichtet (Abs 2), sind die Bediensteten auch an die Anordnung des Leiters und im Verhinderungsfall des Stellvertreters der Abteilung, der sie zugewiesen sind, gebunden. 703
§ 10 WettbGGugerbauer (4) Der Leiter der Wettbewerbsabteilung im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ist mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes Leiter der Geschäftsstelle. Dem Leiter der Geschäftsstelle gebührt das Gehalt der Verwendungsgruppe A 1. Hinzu tritt die jeweilige Zulage der Funktionsgruppe 6. (5) Der Generaldirektor kann im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsbehandlung unbeschadet seiner Verantwortlichkeit einzelnen Bediensteten Angelegenheiten zur selbständigen Behandlung übertragen. Dabei ist auf die Bedeutung der einzelnen Angelegenheiten gebührend Bedacht zu nehmen. Angelegenheiten, zu deren selbständiger Behandlung ein Bediensteter ermächtigt wurde, sind im Namen des Generaldirektors zu erledigen und zu unterfertigen. § 10 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Zahl, den Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien (Bundesministeriengesetz 1986 – BMG), BGBl. Nr. 76/1986, gilt sinngemäß.
Zusammenarbeit mit anderen Behörden § 10. (1) Soweit es zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben
notwendig ist und dem keine unionsrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, ist die Bundeswettbewerbsbehörde berechtigt, unter Bedachtnahme auf schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen im Sinne des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, dem Kartellgericht, dem Kartellobergericht, dem Bundeskartellanwalt, der Wettbewerbskommission, der Europäischen Kommission, Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Regulatoren sämtliche Informationen zur Kenntnis zu bringen und Unterlagen zu übermitteln, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Sie ist weiters berechtigt, den Bundeskartellanwalt, die Wettbewerbskommission, die Europäische Kommission, die Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Regulatoren um Auskünfte sowie Stellungnahmen zu ersuchen. Sie ist zu diesem Zweck befugt, den genannten Stellen nach den Vorschriften des ersten Satzes sämtliche Informationen zur Kenntnis zu bringen und Unterlagen zu übermitteln, die diese dafür benötigen. (2) Soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, können Kartellgericht und Kartellobergericht die Bundeswettbe-
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Zusammenarbeit mit anderen Behörden
§ 10 WettbG
werbsbehörde um die Erteilung von Auskünften sowie die Abgabe von begründeten Stellungnahmen ersuchen. (3) Soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, kann die Bundeswettbewerbsbehörde den Bundeskartellanwalt um Auskünfte ersuchen und in die Akten des Bundeskartellanwaltes Einsicht nehmen. (4) Ist der Luftverkehrssektor betroffen, so ist dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, ist der Medienbereich betroffen, so ist der KommAustria (BGBl. I Nr. 32/2001) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (5) Beabsichtigt die Bundeswettbewerbsbehörde, insbesondere wegen Modifikationen des ursprünglichen Zusammenschlussvorhabens, die dessen nunmehrige Vereinbarkeit mit dem KartG sicherstellen, a) die Erklärung abzugeben, dass sie einen Antrag nach § 11 KartG 2005 nicht stellen wird, oder b) einen nach § 11 KartG 2005 gestellten Antrag zurückzuziehen, so hat die Bundeswettbewerbsbehörde dem Bundeskartellanwalt und, hat sie eine Empfehlung im Sinne des § 17 abgegeben, der Wettbewerbskommission - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (6) Die Bundeswettbewerbsbehörde trägt dafür Sorge, dass dem Bundeskartellanwalt eine Zusammenschlussanmeldung (§ 9 KartG 2005) unverzüglich nach dem Einlagen mit ihren Beilagen in zwei Gleichschriften weitergeleitet wird. Übersicht
Rn I. Informationsübermittlung................................................................. 1–4 II. Datenschutz.......................................................................................... 5–6 III. Leniency-Fälle....................................................................................... 7 IV. Information des Bundeskartellanwalts............................................. 8–9
I. Informationsübermittlung § 10 Abs 1 soll vor allem eine effektive Zusammenarbeit innerhalb des 1 Netzwerks der Europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN) gewährleisten und die verbindlichen Vorgaben des Art 12 VO 1/2003 präzisieren. Zur Auslegung kann insbesondere die Netzwerkbekanntmachung der Europäischen Kommission (ABl 2004 C 101, Rn 26 ff) herangezo705
§ 10 WettbGGugerbauer gen werden (die Bekanntmachung hat allerdings für die BWB keine rechtliche Bindungswirkung). In Österreich gehören die BWB, der BKAnw und das KartGer dem Netz der Wettbewerbsbehörden der EU an. 2 Wie Art 12 Abs 1 VO 1/2003 sieht § 10 Abs 1 lediglich Befugnisse, aber keine Verpflichtungen (der BWB) vor. Die Einräumung derartiger gesetzlicher Befugnisse bedeutet, dass die BWB über ein Ermessen verfügt, ob und in welcher Form sie davon Gebrauch macht. Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck des § 10 Abs 1 unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen auszuüben (vgl Schneider in Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd 1, 12 Aufl 2014, § 50a GWB Rn 6). 3 Diese Grenzen werden einerseits durch die der BWB übertragenen Aufgaben, andererseits durch die der empfangenden Stelle zugewiesenen Aufgaben gezogen. So kann etwa das KartGer im Rahmen der Prüfung eines Unternehmenszusammenschlusses um die Beistellung von der BWB in der „Phase 1“ ermittelten Daten ersuchen. Bevor die BWB Gerichten bzw anderen Behörden entsprechende Informationen zur Kenntnis bringt oder Unterlagen übermittelt, muss sie sich bei konkretem Anlass zu Zweifeln davon überzeugen, dass die Behörde, welche die Informationen bzw Unterlagen empfängt, diese zu Zwecken zu nutzen beabsichtigt, die durch das WettbG gedeckt sind. Dies analog Art 12 Abs 2 VO 1/2003. Eine weitergehende Kontrollpflicht besteht nicht, da sie einer effektiven Zusammenarbeit entgegenstehen würde (vgl Schneider, aaO, Rn 29). 4 Umgekehrt kann aber auch die BWB den BKAnw, die Wettbewerbskommission, die Europäische Kommission, Wettbewerbsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten und Regulatoren um Auskünfte sowie Stellungnahmen zu ersuchen (Abs 1 zweiter und dritter Satz). Dazu kann sie diesen Institutionen sämtliche Informationen zur Kenntnis bringen und Unterlagen übermitteln, die diese dafür benötigen.
II. Datenschutz 5 Teil der übermittelten Informationen können personenbezogene sein, Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Derartige Daten sind nicht nur in gegen natürliche Personen („Einzelkaufmann“) gerichteten Kartellverfahren relevant, sondern regelmäßig auch in gegen in Gesell706
Zusammenarbeit mit anderen Behörden
§ 10 WettbG
schaftsform tätigen Unternehmen gerichteten Verfahren. Beispielsweise kann schon dem Namen und dem Beruf eines in Kartellabsprachen verwickelten Geschäftsführers eines Unternehmens für die Sachverhaltsaufklärung Bedeutung zukommen, solche Daten werden daher im Rahmen eines Informationsaustausches regelmäßig mitgeteilt. Dabei handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne des DSG, 6 die datenschutzrechtlichen Standards unterliegen, § 10 Abs 1 schafft eine gesetzliche Ermächtigung für die Übermittlung derartiger Daten an andere Behörden. Personenbezogene Daten dürfen ja dann übermittelt werden, wenn ihre Verwendung eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung der einer Behörde gesetzlich übertragenen Aufgabe ist (§ 8 Abs 3 Z 1 DSG) oder wenn die Verwendung in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht (§ 8 Abs 3 Z 2 DSG).
III. Leniency-Fälle Der Informationsaustausch ist insbesondere in Leniency-Fällen nicht 7 ganz unproblematisch; hier sind die von der Europäischen Kommission postulierten Austausch- und Verwendungsbeschränkungen von Bedeutung (vgl Rn 40 der ECN-Bekanntmachung). In Leniency-Fällen kann eine besonders rasche und enge Zusammenarbeit erforderlich sein. Nachteile für Kronzeugen-Antragsteller sind aber zu minimieren, die Attraktivität der Kronzeugenregelung ist möglichst zu wahren.
IV. Information des Bundeskartellanwalts BWB und BKAnw haben wechselseitig das Recht auf Akteneinsicht, sie 8 können einander um die Erteilung von Auskünften ersuchen (§ 81 Abs 3 Z 1 und 2 KartG; § 10 Abs 3 WettbG). Weiters kann der BKAnw die BWB um die Durchführung von Ermittlungen ersuchen (§ 81 Abs 3 Z 3 KartG). Eine besonders enge Abstimmung ist für das Zusammenschlusskont- 9 rollverfahren vorgesehen. Der BKAnw hat vor Stellung eines Prüfungsantrages der BWB Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 81 Abs 2 KartG), den Verzicht auf die Stellung eines Prüfungsantrages kann er auch gegenüber der BWB abgeben. Umgekehrt trägt diese dafür Sorge, dass an den BKAnw unverzüglich nach dem Einlagen eine Zusammenschlussanmeldung mit Beilagen weitergeleitet wird (§ 10 707
§ 10a WettbGGugerbauer Abs 6); vor Abgabe einer Erklärung, dass die BWB einen Antrag nach § 11 KartG nicht stellen wird (dh eines Prüfungsverzichts) und vor Zurückziehung eines Prüfungsantrages hat sie dem BKAnw Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 10 Abs 5).
Anmeldegebühren § 10a. (1) Für Zusammenschlussanmeldungen (§ 9 KartG 2005) ist
eine Pauschalgebühr von 3 500 Euro zu entrichten. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat die zulässigen Entrichtungsarten nach Maßgabe der vorhandenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen festzulegen und auf ihrer Website bekannt zu machen. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat halbjährlich ein Neuntel der eingenommenen Anmeldegebühren an den Bundesminister für Justiz zu überweisen und dieser hat die überwiesenen Beträge als Justizverwaltungsgebühren zu vereinnahmen. (2) Die Frist zur Stellung eines Prüfungsantrags (§ 11 Abs. 1 KartG 2005) beginnt erst mit ordnungsgemäßer Vergebührung zu laufen, frühestens aber mit Einlangen der Anmeldung. Die ordnungsgemäße Vergebührung ist in der Anmeldung nachzuweisen.
1 Durch die bei Anmeldung eines Zusammenschlusses bei der BWB (§ 9 KartG) zu entrichtende Pauschalgebühr wird der Aufwand für die Prüfung des Zusammenschlusses in der ersten Verfahrensphase abgegolten. Stellt die BWB und/oder der BKAnw einen Prüfungsantrag, wird für das Verfahren vor dem KartGer über die Prüfung des Zusammenschlusses eine Rahmengebühr von bis zu EUR 34.000 festgesetzt (§ 50 Z 1 KartG). 2 Die Einzahlung der Pauschalgebühr ist durch Vorlage des Originals des Einzahlungsbeleges (Bareinzahlung bei der Postsparkasse) nachzuweisen. Wird die Anmeldegebühr auf das Konto der BWB überwiesen, ist erst die Gutschrift auf dem Konto der BWB fristauslösend (vgl § 211 Abs 1 lit d BAO; weitere Voraussetzung für den Beginn der Frist zur Stellung eines Prüfungsantrages ist das Einlangen der Anmeldung bei der BWB – vgl Abs 2 erster Satz). 3 Der Betrag der Pauschalgebühr von 1.500 Euro wurde seit Gründung der Bundeswettbewerbsbehörde nicht angepasst und entspricht nicht 708
Bekanntmachungen
§ 10b WettbG
dem tatsächlichen Aufwand, der bei der Prüfung einer Zusammenschlussanmeldung anfällt. Daher erfolgt eine Anpassung. Im Vergleich dazu sieht das deutsche GWB (§ 80) etwa Gebühren von 5.000 Euro bis zu 50.000 Euro vor, die bei außergewöhnlichem Aufwand im Einzelfall bis auf das Doppelte erhöht werden können.
Bekanntmachungen § 10b. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kommt ihren in den
§§ 10 Abs. 3, 11 Abs. 2 und 15 KartG 2005 festgelegten Bekanntmachungspflichten im Zusammenschlussverfahren durch Bekanntmachung auf ihrer Website nach. (2) Die Bundeswettbewerbsbehörde hat unter Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auf ihrer Website bekannt zu machen, dass sie oder der Bundeskartellanwalt einen Antrag gemäß §§ 26, 27 und 28 KartG 2005 an das Kartellgericht gestellt hat. Die Bekanntmachung kann die Namen des oder der betroffenen Unternehmen und in kurzer Form die Art der vermuteten Zuwiderhandlung und den betroffenen Geschäftszweig enthalten. (3) Die Bundeswettbewerbsbehörde hat auf ihrer Website unter Angabe der Geschäftszahl den Spruch rechtskräftiger Entscheidungen gemäß den §§ 26 bis 29 KartG 2005 unverzüglich zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung kann die Namen des oder der betroffenen Unternehmen und den betroffenen Geschäftszweig enthalten. Wird in einer Entscheidung ein Verstoß gegen Art 101 AEUV oder § 1 KartG 2005 zwar festgestellt, aber wegen des Vorgehens der Bundeswettbewerbsbehörde nach § 11b Abs 1 Z 1 lit a keine Geldbuße verhängt, hat die Veröffentlichung im Fall eines Kronzeugen iSd § 37e Abs 3 KartG 2005 jedenfalls den Namen des Unternehmens sowie den Hinweis auf seinen Status zu enthalten. Mit dieser Veröffentlichung sieht die Bundeswettbewerbsbehörde in dieser Sache endgültig von einem Antrag auf Geldbuße ab.
Die BWB ist verpflichtet, die Anmeldung von Zusammenschlüssen 1 (§ 10 Abs 3 KartG), die Stellung von Prüfungsanträgen (§ 11 Abs 2 KartG), sowie (den Spruch) von Entscheidungen, mit denen ein Zusammenschluss mit Beschränkungen oder Auflagen iSd § 12 Abs 3 nicht untersagt wird (§ 15 KartG), zu veröffentlichen. 709
§ 10b WettbGGugerbauer 2 Anträge der Amtsparteien auf Erlassung von Entscheidungen, mit denen Zuwiderhandlungen abgestellt werden (§ 26 KartG), Verpflichtungszusagen für bindend erklärt werden (§ 27 KartG) oder Feststellungen darüber, ob ein Sachverhalt dem Kartellgesetz unterliegt (§ 28 KartG), sind unter Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu veröffentlichen. 3 § 37 KartG sieht eine Veröffentlichung rechtskräftiger Entscheidungen des KartGer in der Ediktsdatei vor. Der Prozess der Veröffentlichung kann allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund ist der Spruch rechtskräftiger Entscheidungen des KartGer gem Abs 3 unverzüglich durch die BWB zu veröffentlichen. Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind auf jeden Fall zu wahren (vgl EB KaWeRÄG 2017). 4 Um im Rahmen des privatrechtlichen Schadenersatzverfahrens einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, ist im Fall kartellgerichtlicher Entscheidungen gegen Kronzeugen deren Name zu veröffentlichen. Grundsätzlich haften Unternehmen, die durch gemeinschaftliches Handeln gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben, gesamtschuldnerisch für den durch diese Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden. Gemäß § 37e Abs 3 KartG haftet aber ein Kronzeuge gegenüber anderen Geschädigten als seinem unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten nur dann, wenn von den anderen Unternehmen, die an derselben Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt waren, kein oder kein vollständiger Schadenersatz erlangt werden kann. Der Begriff des „Kronzeugen“ iSd § 37e Abs 3 KartG ist also enger als der in § 11b WettbG abgebildete. Im Übrigen unterscheidet sich der Kronzeugen-Begriff des österreichischen Rechts von jenem der Richtlinie 2014/104/EU (vgl EB KaWeRÄG 2017). 5 Um aussichtslose Schadenersatzklagen gegen Kronzeugen von anderen Geschädigten als unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten des Kronzeugen vermeiden zu helfen, soll der Name eines Unternehmens mit Kronzeugenstatus nach Abschluss des Verfahrens veröffentlicht werden. Dies dient der Transparenz gerade auch zugunsten Geschädigter (vgl EB KaWeRÄG 2017).
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Ermittlungen
§ 11 WettbG
Ermittlungen § 11. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes alle Ermittlungen führen, die ihr zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz zukommen. Die im Rahmen von Ermittlungen erlangten Kenntnisse dürfen – sofern nicht eine Berechtigung zur Zusammenarbeit nach § 10 Abs. 1 besteht – nur zu dem mit der Ermittlungshandlung verfolgten Zweck verwertet werden. (2) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist befugt, sich unter sinngemäßer Anwendung des AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Sachverständiger zu bedienen sowie Zeugen und Beteiligte heranzuziehen. Die §§ 7, 9 bis 16, 18 bis 20, 45 Abs. 1 und 2, 46 bis 51, 54, 55, 74 Abs. 1, 75 Abs. 1 und 2 sowie die Abschnitte 4, 5 und 6 des I. Teiles des AVG sind anzuwenden. Literatur Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht2 (2011); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht
Rn I. Ermittlungsbefugnisse der BWB.................................................... 1 II. Sachverständige................................................................................. 2 III. Beteiligte............................................................................................. 3–4 IV. Beweisverwertungsverbot................................................................ 5 V. Anzuwendende Bestimmungen des AVG..................................... 6–8 VI. Beweis.................................................................................................. 9 VII. Zeugen................................................................................................. 10–12 VIII. Niederschrift...................................................................................... 13–14 IX. Aussageverweigerung....................................................................... 15–17
I. Ermittlungsbefugnisse der BWB § 11 Abs 1 ermächtigt die BWB zu allen Ermittlungen, die ihr zur 1 Wahrnehmung ihrer Aufgaben iSd WettbG zukommen. Die entsprechenden Befugnisse sind insbesondere in § 11a (Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage) und § 12 (Hausdurchsuchung) sowie im Zu711
§ 11 WettbGGugerbauer sammenhang mit dem Kronzeugen-Verfahren (§ 11b) geregelt. Dabei kommen die zur Durchführung und Durchsetzung der ihr eingeräumten Ermittlungsbefugnisse erforderlichen Bestimmungen des AVG zur Anwendung (Ermittlungen der BWB sind allerdings kein Ermittlungsverfahren iSd §§ 37–44 AVG).
II. Sachverständige 2 Gem Abs 2 erster Satz kann sich die BWB auch Sachverständiger bedienen. Die §§ 52 f AVG werden in Abs 2 zweiter Satz aber nicht für anwendbar erklärt. Gutachten von Privatsachverständigen gelten gem § 46 AVG als zumindest abstrakt gleichwertige Beweismittel.
III. Beteiligte 3 Die BWB ist gem Abs 2 unter sinngemäßer Anwendung des AVG befugt, neben Zeugen auch Beteiligte (§ 8 AVG) heranzuziehen. Laufen Ermittlungen wegen eines vermuteten oder drohenden Wettbewerbsverstoßes, sind Unternehmen, gegen die sich die Ermittlungen richten (zB ein Einzelkaufmann als vermuteter Teilnehmer an einer verbotenen Verhaltensweise), bzw die Organvertreter dieser Unternehmen als Beteiligte zu behandeln. Dienstnehmer solcher Unternehmen haben dagegen den Status von Zeugen. 4 Falsche Aussagen von Beteiligten sind (strafrechtlich) sanktionslos. Ein Beteiligter hat das Recht, einen Rechtsbeistand zu bevollmächtigen und in dessen Begleitung vor der BWB zu erscheinen bzw aufzutreten (§ 10 Abs 5 AVG). Er hat die gleichen Aussageverweigerungsrechte wie ein Zeuge, davon ausgenommen ist eine Aussageverweigerung aufgrund der Gefahr eines unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteils.
IV. Beweisverwertungsverbot 5 Das Beweisverwertungsverbot nach Abs 1 ist im Falle einer Hausdurchsuchung nicht durch gesonderten Widerspruch, sondern im Rahmen eines allfälligen kartellgerichtlichen Verfahrens auf Abstellung, Feststellung oder Verhängung einer Geldbuße/Zwangsstrafe geltend zu machen (16 Ok 2/12). 712
Ermittlungen
§ 11 WettbG
V. Anzuwendende Bestimmungen des AVG Mitarbeiter der BWB sind nach § 7 AVG verpflichtet, wenn wichtige 6 Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, zB in Sachen, an denen sie selbst, ihr Ehegatte oder bestimmte Verwandte beteiligt sind, sich der Durchführung von Ermittlungshandlungen iSd Abs 1 zu enthalten. Anzeigen, Beschwerden, Ersuchen oder sonstige Mitteilungen können 7 bei der BWB schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und andere Eingaben, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen (vgl § 13 Abs 1 AVG). Schriftliche Eingaben können der BWB in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, via E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind (§ 13 Abs 2 AVG). Soweit schriftliche Eingaben mangelhaft sind, kann die BWB dem Einschreiter die Behebung des Mangels auftragen (vgl § 13 Abs 3 AVG). Zustellungen sind nach dem ZustG vorzunehmen (§ 21 f AVG). Die Berechnung von Fristen erfolgt nach § 33 AVG. Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten 8 sind, hat die BWB die zur Vornahme der angestrebten Verfahrenshandlung nötigen Anleitungen zu geben und sie über die damit zusammenhängenden Rechtsfolgen zu belehren (vgl § 13a AVG). Gegen Personen, die eine Amtshandlung trotz Ermahnung stören oder die Eingaben mit einer beleidigenden Schreibweise verfassen kann eine Ordnungsstrafe verhängt werden (vgl § 34 AVG). Gegen Personen, die die Tätigkeit der BWB offenbar mutwillig in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann eine Mutwillensstrafe verhängt werden.
VI. Beweis Die BWB kann gem § 46 AVG auch andere Beweismittel heranziehen 9 als die in § 11 Abs 2 genannten (also zB auch schriftliche Erklärungen oder Privatgutachten). Gem § 55 AVG kann sie förmliche Beweisaufnahmen (zB die Einvernahme eines Zeugen) durch andere Verwaltungsbehörden vornehmen lassen. Auch eine formlose, ja sogar telefonische Befragung von Zeugen oder die Berücksichtigung der schriftli713
§ 11 WettbGGugerbauer chen Erklärung eines Zeugen ist zulässig. Die Beweiskraft von Urkunden (§ 47 AVG) ist weitgehend nach ZPO zu beurteilen. Für die BWB gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG).
VII. Zeugen 10 Die BWB darf Zeugen, also physische Personen, die über selbst wahrgenommene Tatsachen berichten können, einvernehmen (§ 50 AVG), Zeuge kann nur sein, wer nicht Beteiligter ist (vgl § 51 AVG). Ein Zeuge ist verpflichtet, einer Ladung der BWB Folge zu leisten und wahrheitsgemäß auszusagen. Kostenersatz ist nicht vorgesehen (49 Abs 5 AVG). Während die einfache Ladung eines Zeugen auch mündlich oder telefonisch erfolgen kann, ist ein Ladungsbescheid schriftlich zu erlassen und zu eigenen Handen zuzustellen. Im Ladungsbescheid ist der Gegenstand der Amtshandlung anzugeben sowie in welcher Eigenschaft der Geladene vor der BWB erscheinen soll (als Beteiligter oder Zeuge) und welche allfälligen Beweismittel mitzubringen sind. Für den Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung wird die Verhängung einer Zwangsstrafe oder die Vorführung angedroht (§ 19 Abs 3 AVG). 11 Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, ist verpflichtet der Ladung Folge zu leisten. Im Falle eines unentschuldigten Fernbleibens kann die BWB dem Zeugen zusätzlich (zu einer Zwangsstrafe) auch noch den Ersatz aller durch seine Säumnis verursachten Kosten auferlegen. 12 § 10 Abs 5 AVG billigt es (nur) Beteiligten, nicht aber Zeugen zu, sich eines Rechtsbeistands zu bedienen und in dessen Begleitung vor der BWB zu erscheinen. Der Zeuge ist eingangs der Vernehmung über seine maßgebenden persönlichen Verhältnisse zu befragen und zu ermahnen, die Wahrheit anzugeben und nichts zu verschweigen. Er ist auf die gesetzlichen Gründe für die Verweigerung der Aussage, auf die Folgen einer ungerechtfertigten Verweigerung der Aussage (vgl § 49 Abs 5 AVG) sowie die (strafrechtlichen) Folgen einer falschen Aussage (§ 289 StGB) hinzuweisen (§ 50 AVG).
VIII. Niederschrift 13 In einer Niederschrift der BWB über die Einvernahme (vgl § 14 AVG) sind Ort, Zeit und Gegenstand der Vernehmung, die Namen des Leiters 714
Ermittlungen
§ 11 WettbG
der Amtshandlung und der sonst anwesenden Personen, die Zeugenbelehrung sowie der wesentliche Inhalt der Aussage anzuführen. Die Niederschrift ist der vernommenen Person zur Durchsicht vorzulegen oder vorzulesen und durch eigenhändige Unterschrift (auch von den beigezogenen Personen) zu bestätigen. Unterbleibt die Unterfertigung der Niederschrift durch eine beigezogene Person, ist der dafür maßgebende Grund in der Niederschrift festzuhalten. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift sind in einem Nachtrag festzuhalten und gesondert zu unterfertigen. Auf deren Verlangen ist den Zeugen eine Ausfertigung der Nieder- 14 schrift auszufolgen oder zuzustellen, binnen zwei Wochen ab Zustellung können Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift erhoben werden.
IX. Aussageverweigerung Eine Aussage über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder ihm 15 nahe stehenden Personen (insbesondere dem Ehegatten des Zeugen, seinen Verwandten oder Verschwägerten in auf- oder absteigender Linie) einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung zuziehen oder zur Schande gereichen würde, darf vom Zeugen verweigert werden (§ 49 Abs 1 AVG). Ein bedeutender vermögensrechtlicher Schaden liegt nur bei einer auf längerer Zeit hin wirksamen nachhaltigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Gesamtsituation vor (vgl 11 Os 83/77). Eine wegen einer Zeugenaussage drohende Kündigung wäre aber gem § 879 ABGB nichtig. Was die Gefahr eines Bußgeldverfahrens nach § 29 KartG betrifft, ist zu berücksichtigen, dass sich diese Bestimmung primär gegen Unternehmen richtet, während als Zeugen nur natürliche Personen vernommen werden. Das Aussageverweigerungsrecht wegen Gefahr einer strafgerichtlichen Verurteilung beschränkt sich wohl auf Sachverhalte iSv § 168b StGB (Submissionskartelle) und § 292 c (Bieterabsprachen). Allerdings erfasst § 49 Abs 1 Z 1 AVG auch die Gefahr verwaltungsstrafrechtlicher Verfolgung. Personen, die zur Mitteilung ihrer Wahrnehmungen unfähig sind oder 16 die zu der Zeit, auf die sich ihre Aussage beziehen soll, zur Wahrnehmung der zu beweisenden Tatsache unfähig waren (§ 48 Z 1 AVG), und 715
§ 11a WettbGGugerbauer Organe des Bundes, der Länder, Bezirke und Gemeinden, wenn sie durch ihre Aussage die ihnen obliegende Amtsverschwiegenheit verletzen würden, insofern sie von der Pflicht zur Geheimhaltung nicht entbunden sind (§ 48 Z 3 AVG), dürfen nicht als Zeugen vernommen werden. Gegebenenfalls kann ein Zeuge Gründe für eine Aussageverweigerung geltend und glaubhaft machen. 17 Die Aussage über Fragen, die ein Zeuge nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzen oder ein Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis (unternehmensbezogene Tatsachen technischer oder kommerzieller Art, an deren Nichtoffenbarung das Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse hat) zu offenbaren, darf nach § 49 Abs 1 Z 2 AVG vom Zeugen verweigert werden. Unter „staatlicher Anerkennung“ ist Anordnung durch Gesetz zu verstehen. Dies gilt etwa für § 9 RAO, § 37 NO, § 91 WTBG, aber auch für das Bankgeheimnis (§ 38 BWG). Die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen können eine Zeugenaussage auch darüber verweigern, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Vertreter einer Partei von dieser anvertraut wurde (§ 49 Abs 2 AVG).
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage § 11a. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz erforderlich ist, auch befugt: 1. von Unternehmern und Unternehmervereinigungen die Erteilung von Auskünften innerhalb einer jeweils zu setzenden, angemessenen Frist anzufordern, 2. geschäftliche Unterlagen, auf die im oder vom Unternehmen aus zugegriffen werden kann, unabhängig davon, in welcher Form diese vorliegen, einzusehen und zu prüfen oder durch geeignete Sachverständige einsehen und prüfen zu lassen, Abschriften und Auszüge der Unterlagen anzufertigen sowie 3. vor Ort alle für die Durchführung von Ermittlungshandlungen erforderlichen Auskünfte zu verlangen sowie von allen Vertretern oder Beschäftigten des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Sachverhalten oder Unterlagen zu verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Ermittlungen in Zusammenhang stehen. 716
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
§ 11a WettbG
(2) Die Inhaber der Unternehmen und deren Vertreter, bei juristischen Personen und teilrechtsfähigen Personengesellschaften die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen, sind – es sei denn, sie setzen sich dadurch der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aus – verpflichtet, die verlangten Auskünfte (Abs. 1 Z 1 und 3) zu erteilen. Dies gilt auch für die Vorlage der geschäftlichen Unterlagen, hinsichtlich solcher in elektronischer Form die Ermöglichung des Zugriffs auf diese und auf Verlangen die Vorlage derselben auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat, und die Erlaubnis zur Prüfung der geschäftlichen Unterlagen sowie das Anfertigen von Abschriften und Auszügen aus diesen Unterlagen (Abs. 1 Z 2). (3) Die Erteilung der Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen nach Abs. 1 kann unter Anwendung des AVG auch mit Bescheid angeordnet werden. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Auf Antrag ist die aufschiebende Wirkung von der Rechtsmittelbehörde binnen zwei Wochen nach Vorlage des Rechtsmittels zuzuerkennen, wenn diese unter Abwägung aller beteiligten Interessen gerechtfertigt ist. (4) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist zur Vollstreckung der von ihr erlassenen Bescheide, mit Ausnahme der Verwaltungsstrafbescheide, zuständig. Es gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991, mit der Maßgabe, dass die Zwangsmittel nach § 5 Abs. 3 VVG den Höchstbetrag von 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs von dem im Bescheid bestimmten Zeitpunkt an nicht übersteigen dürfen. (5) Wer entgegen einem Bescheid nach Abs. 3 keine, unrichtige, irreführende oder unvollständige Auskünfte erteilt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bundeswettbewerbsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 75 000 Euro zu bestrafen. Eine mit bis zu 25 000 Euro zu bestrafende Verwaltungsübertretung begeht, wer in einer Auskunft nach Abs. 2 unrichtige oder irreführende Angaben macht. Es gilt das Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991. (6) Gegen Bescheide der Bundeswettbewerbsbehörde nach Abs. 3 bis 5 ist das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. (7) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 129/2013) 717
§ 11a WettbGGugerbauer (8) Hat die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Unterlagen zum Zwecke einer Untersuchung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 zu erfolgen, so hat der Anwendung des Abs. 3 jedenfalls ein Verlangen gemäß Abs. 2 voranzugehen. (9) Das Wettbewerbsmonitoring gemäß § 2 Abs. 1 Z 8 wird ausschließlich aufgrund öffentlich verfügbarer Daten durchgeführt. Literatur Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht2 (2011); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht
Rn I. Anfangsverdacht............................................................................... 2 II. Erforderlichkeit................................................................................. 3 III. Materiellrechtliche Norm................................................................ 4–6 IV. Beweislage........................................................................................... 7–12 V. Verhältnismäßigkeit......................................................................... 13–15 VI. Auskunftsverlangen.......................................................................... 16–19 VII. Einsicht in geschäftliche Unterlagen............................................. 20–24 VIII. Anwaltsprivileg................................................................................. 25–26 IX. Ermittlungen vor Ort...................................................................... 27–30 X. Kreis der Verpflichteten................................................................... 31 XI. Aussageverweigerungsrecht............................................................ 32–34 XII. Geschäftsgeheimnisse....................................................................... 35 XIII. Anordnung durch Bescheid............................................................. 36–40 XIV. Verwaltungsstraftatbestände.......................................................... 41–44 XV. Beschwerde an das BVwG................................................................ 45 XVI. Ermittlungen für Branchenuntersuchungen/Wettbewerbsmonitoring......................................................................................... 46–47
1 Die der BWB durch § 11a eingeräumten Befugnisse gehen über die Ermittlungsbefugnisse nach § 11 AVG hinaus. Die Inhaber oder Organvertreter betroffener Unternehmen sind bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verpflichtet, mit der BWB zu kooperieren. Verwaltungsstraftatbestände sichern die vollständige und richtige Befolgung des Auskunftsverlangens ab (selbst auf ein „einfaches“ Auskunftsverlangen hin gemachte unrichtige oder irreführende Angaben können sanktioniert werden). 718
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
§ 11a WettbG
I. Anfangsverdacht Voraussetzung für die Geltendmachung der Rechte der BWB nach § 11a 2 ist zunächst ein hinreichend konkreter Anfangsverdacht. Das Vorgehen muss durch der BWB bereits bekannte Informationen gerechtfertigt sein. Schon inhaltlich substantiierte Vorwürfe von dritter Seite können einen ausreichenden Anfangsverdacht begründen (16 Ok 7, 8/06).
II. Erforderlichkeit Die BWB ist befugt Auskunft und/oder Vorlage von geschäftlichen 3 Unterlagen zu verlangen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gem dem WettbG „erforderlich“ ist. Der zulässige Umfang der Ermittlungen nach § 11a bestimmt sich also zunächst nach der Erforderlichkeit. Die Ermittlungen sind zulässig, wenn die BWB die Kenntnis der durch die Auskunft bzw Einsicht in Unterlagen erwarteten Tatsachen zu der Prüfung benötigt, ob beim KartGer ein Antrag nach §§ 11, 26, 28, 29 oder 35 KartG einzubringen ist.
III. Materiellrechtliche Norm Maßgebend ist in erster Linie die materiellrechtliche Norm (§§ 1, 5, 6, 4 17 KartG, Art 101 und 102 AEUV), deren Verletzung die BWB vermutet. Bei der Auslegung des Merkmals „erforderlich“ ist vom Zweck der Ermittlungen auszugehen. Die Ermittlungen müssen sich auf einen bestimmten Tatbestand beziehen, über dessen Verwirklichung in einem allenfalls anschließenden kartellgerichtlichen Verfahren zu entscheiden ist. Aus der Verknüpfung mit der entsprechenden Sachnorm ergibt sich, dass ein kartellgerichtlicher Beschluss auf Abstellung oder Feststellung eines kartellrechtswidrigen Verhaltens mindestens als möglich in Betracht kommen muss. Mit anderen Worten muss ein genügend konkretisierter Sachverhalt vorliegen, der die Anwendbarkeit einer bestimmten Sachnorm jedenfalls nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt. Wenn der von der BWB vertretenen Rechtsauffassung jegliche Plausibilität fehlt, liegen ernstliche Mängel an der Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens vor (vgl Klaue in Immenga/Mestmäcker, § 59 GWB Rn 20). Die BWB hat aber als Voraussetzung für die Befugnisse nach § 11a 5 nicht den Nachweis der Voraussetzungen für die Verwirklichung des 719
§ 11a WettbGGugerbauer Tatbestandes zu erbringen, denn § 11a dient der Ermittlung der Voraussetzungen. Man wird an die Voraussetzungen der Befugnis eine Art Schlüssigkeitsprüfung anlegen müssen. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise muss ein Geschehensablauf möglich sein, der bei Hinzufügung von zu ermittelnden Tatsachen zur Verwirklichung des Tatbestandes führt (aaO). 6 Steht von vornherein fest, dass ein notwendiges Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist oder stellt sich dieses im Verlauf der Ermittlungen heraus, sind Ermittlungen zu den übrigen Tatbestandsmerkmalen nicht erforderlich und damit unzulässig (vgl Schmidt in Immenga/Mestmäcker, § 57 GWB Rn 6).
IV. Beweislage 7 Die Ermittlung von Tatsachen darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss der Vorbereitung eines Antrages auf Einleitung eines konkreten kartellgerichtlichen Abstellungs- oder Feststellungsverfahrens (bzw eines Bußgeldverfahrens) dienen. Die BWB darf nur solche Auskünfte verlangen, die ihr eine Beurteilung der vermuteten Zuwiderhandlungen ermöglichen können. Erforderlich sind Ermittlungen dann, wenn sie sich auf Tatsachen beziehen, die eine Sachentscheidung auf Grundlage des materiellen Kartellrechts rechtfertigen können. Das Erfordernis des Zusammenhangs zwischen dem Auskunftsverlangen und der vermuteten Zuwiderhandlung ist erfüllt, wenn hinreichende Gründe für die Annahme einer derartigen Beziehung sprechen (vgl Sura in Langen/ Bunte, Art 18 VO 1/2003, Rn 11). Die Zulässigkeit von Ermittlungen ist dabei nicht auf unmittelbare Tatbestandsvoraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes beschränkt, es können auch Informationen über den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang relevant sein, innerhalb dessen die die Ermittlungen auslösende Zuwiderhandlung beurteilt werden muss (vgl 16 Ok 7/06). 8 Beispielsweise können sich Ermittlungen im Zusammenhang mit der Missbrauchsaufsicht uU auf den kalkulatorischen Aufbau von Preisen und darauf beziehen, ob diese im Vergleich zu den gleichen Abnahmeverhältnissen entsprechenden Preisen anderer Unternehmen angemessen sind. Dabei sind strukturelle Besonderheiten des Marktes zu berücksichtigen, auf dem das Unternehmen, bei dem Missbrauch vermutet wird, tätig ist (vgl Schmidt, § 57 GWB Rn 5). 720
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
§ 11a WettbG
Da regelmäßig mehrere Voraussetzungen für die Anwendung einer 9 materiellen Norm erfüllt sein müssen, können sich die Ermittlungen auf eine von mehreren Voraussetzungen beschränken. Die BWB ist nicht verpflichtet, gleichzeitig umfassende Ermittlungen hinsichtlich aller Voraussetzungen einer materiellen Vorschrift durchzuführen (vgl Schneider in Langen/Bunte, § 59 GWB, Rn 15 mwN). Erforderlich können auch zunächst beschränkte Auskünfte sein, die lediglich als Grundlage für weitere sachgerechte Ermittlungen dienen sollen. Gegebenenfalls kann die BWB in der selben Sache auch mehrere aufeinanderfolgende Auskunftsverlangen an ein Unternehmen richten. Allerdings muss die BWB zuerst die einfacheren Voraussetzungen ermitteln, um bei Nichtvorliegen dieser von der schwierigeren und umfassenderen Ermittlung anderer Voraussetzungen absehen zu können (vgl Klaue, § 59 GWB Rn 21). Im Einzelfall können sich umfangreiche Ermittlungen sogar als unzulässig erweisen, nämlich dann, wenn die Überprüfung auf einzelne Komplexe beschränkt werden könnte und es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass ein Auskunft zu weiteren Fragen notwendig ist (vgl Schneider, § 59 GWB, Rn 17 mwN). Deshalb ermitteln Wettbewerbsbehörden in der Praxis in einem Verfahren wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung häufig zuerst wegen eines konkreten Missbrauchsvorwurfs, ohne schon gleichzeitig die möglicherweise umfangreichen und zeitraubenden Prüfungen hinsichtlich der marktbeherrschenden Stellung durchzuführen (vgl Schneider, § 59 GWB, Rn 15 mwN).
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Tatsachen, die für das laufende Ermittlungsverfahren ohne Bedeutung sind, dürfen aber nicht Gegenstand von Ermittlungen sein. Die Grenze der objektiven Erforderlichkeit bestimmt sich nicht nur nach materiellem Recht, sondern auch nach der Beweislage im Einzelfall. Beweiserhebungen, die nur noch der Vervollständigung dienen, aber nicht mehr zur Entscheidungsreife beitragen, sind unzulässig.
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Die BWB braucht keine kostspieligen und umfangreichen Ermittlungen durchzuführen, wenn sie schon im Besitze der benötigten Informationen ist. Davon wird in der Regel auszugehen sein, wenn das auskunftspflichtige Unternehmen bereits auf eine formlose Anfrage die entsprechende Auskunft erteilt hat, es sei denn, es besteht ein begründeter Verdacht, dass diese Auskünfte falsch sind (vgl Schneider, § 59 GWB Rn 16 mwN). Nicht erforderlich sind Ermittlungen
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§ 11a WettbGGugerbauer auch dann, wenn die Kenntnis der Tatsachen offenkundig und der BWB mühelos zugänglich ist. Etwa dann, wenn sich die Angaben in amtlichen oder privaten Veröffentlichungen befinden (Klaue, § 59 GWB Rn 21).
V. Verhältnismäßigkeit 13 Es ist eine Abwägung zwischen den Interessen der BWB und den Interessen des betroffenen Unternehmens vorzunehmen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung darf zu keiner Belastung des Unternehmens, seiner Organvertreter und Beschäftigten führen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht (16 Ok 10/05). Ermittlungen sind so zu betreiben, dass sie dem betroffenen Unternehmen unnötigen und unverhältnismäßigen Aufwand ersparen. Es darf nur dasjenige Mittel (diejenige Ermittlungsbefugnis) eingesetzt werden, das mit den geringsten Belastungen und Einschränkungen für die Betroffenen verbunden ist. Deshalb ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Ermittlungsziel auch mit dem milderen Mittel des Auskunftsersuchens (Abs 1 Z 1) oder dem Verlangen auf Einsicht in Unterlagen (Abs 1 Z 2) erreicht werden kann (vgl Schmidt, § 57 GWB Rn 6). 14 Eine Prüfung vor Ort (iSv Abs 1 Z 3) ist nicht unzulässig, wenn die Gesamtprüfung unverzichtbar ist und die Einbeziehung der Punkte, die an sich durch eine Auskunftserteilung und die Einsichtnahme in einzelne Unterlagen aufgeklärt werden könnten, im Rahmen der VorOrt-Ermittlungen zu keinen ins Gewicht fallenden zusätzlichen Belastungen führt (vgl Schneider, § 59 GWB, Rn 17 mwN). In der Regel ist es auch noch verhältnismäßig, dem Unternehmen zuzumuten, ihm zugängliche Informationen zu bearbeiten und zusammenzustellen, wenn die BWB diese Informationen aus anderen Quellen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erlangen könnte (16 Ok 10/05). 15 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert eine sachgerechte Ermessensausübung der BWB. Nicht jeder Arbeitsaufwand für die Betroffenen, auch wenn er erheblich ist, ist ein Grund, die Auskunft zu verweigern. Auch erhebliche Belastungen müssen hingenommen werden (vgl Klaue, § 59 GWB Rn 21). Einschneidende Ermittlungen müssen aber in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Hauptsache stehen. Ist dies der Fall, können allerdings sogar kostspielige Ermittlungen geboten sein (vgl Schmidt, § 57 GWB Rn 6). 722
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
§ 11a WettbG
VI. Auskunftsverlangen Die Verpflichtung zur Erteilung von Auskunft, bzw zur Vorlage von 16 Urkunden trifft nicht nur solche Unternehmen, die als Beteiligte an einem bestimmten Gesetzesverstoß in Frage kommen, sonder alle Unternehmen, die in diesem Zusammenhang über möglicherweise relevante Informationen verfügen, also beispielsweise auch Lieferanten, Abnehmer, Handelsvertreter, Lizenzgeber oder Mitbewerber von Unternehmen, deren Handlungen Gegenstand der Ermittlungen sind. Die parallele Befragung solcher Unternehmen ist nicht unverhältnismäßig. Sie erleichtert eine Plausibilitätskontrolle der erhaltenen Auskünfte. Wäre der Einwand eines Unternehmens, es müsse eine bestimmte Auskunft nicht erteilen, weil diese auch von einem anderen Unternehmen erteilt werden könne, zulässig, könnte dies im Ergebnis bewirken, dass letztlich kein Unternehmen zur Auskunftserteilung verpflichtet wäre (vgl 16 Ok 7/06). Auskünfte iSv § 11a Abs 1 Z 1 und 3 sind Mitteilungen über Tatsachen, 17 tatsächliche Verhältnisse oder Umstände, aber keine Werturteile. Tatsachen sind konkrete, nach Raum und Zeit bestimmte, vergangene oder gegenwärtige Geschehnisse und Zustände der Außenwelt und des Seelenlebens, die das objektive Recht zur Voraussetzung einer Rechtswirkung gemacht hat (vgl Schneider, § 57 GWB Rn 3). Die Grenzen zwischen Tatsache und Werturteil können jedoch fließend sein. Wird eine Auskunft hinsichtlich der Schätzung von Marktdaten (etwa des Marktanteils) verlangt, handelt es sich um Tatsachen. Bei Einschätzungen und Beurteilungen der allgemeinen Marktsituation handelt es sich dagegen nicht um Werturteile (vgl Schneider, § 59 GWB Rn 23; Sura, Art 18 VO 1/2003 Rn 12). Die Auskunftspflicht geht über das präsente Wissen der Vertreter iSv 18 Abs 2 hinaus, denn sie richtet sich gegen das Unternehmen (oder die Unternehmensvereinigung). Deshalb muss jedenfalls das präsente Wissen aller in der Sache verantwortlichen Unternehmensangehörigen zur Grundlage der Auskunft gemacht werden. Allerdings bezieht sich die Auskunftspflicht nur auf im Unternehmen bereits vorhandene Informationen, eine Beschaffungspflicht besteht nicht (vgl Sura, Art 18 VO 1/2003 Rn 12). Gem § 11a Abs 1 Z 3 kann die BWB zwar von allen Vertretern oder 19 Beschäftigten Erläuterungen verlangen, gem Abs 2 erster Satz sind aber 723
§ 11a WettbGGugerbauer nur die Inhaber bzw Organvertreter des Unternehmens verpflichtet, Auskünfte iSv Abs 1 Z 1 und 3 zu erteilen.
VII. Einsicht in geschäftliche Unterlagen 20 Nach Abs 1 Z 2 ist die BWB zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben befugt, relevante geschäftliche Unterlagen einzusehen und zu prüfen. Der Begriff „geschäftliche Unterlagen“ ist weit auszulegen. Darunter sind alle aufgezeichneten Informationen, unabhängig von dem Informationsträger, die dem betroffenen Unternehmen für die Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung stehen zu verstehen. Zu den geschäftlichen Unterlagen, in die die BWB Einsicht nehmen kann, zählen etwa Gesprächsprotokolle, Aktenvermerke, Korrespondenz, Verträge, Marktanalysen, Planrechnungen, Reisekostenabrechnungen, usw. 21 Die Unterlagen müssen sich auf einen konkreten kartellrechtlich relevanten Sachverhalt beziehen. Besteht etwa der Verdacht, dass ein Hersteller versucht, Abnehmern durch Druckausübung zur Einhaltung bestimmter Abgabepreise zu veranlassen, kann die Einsichtnahme in die Korrespondenz (Originalunterlagen) mit den Abnehmern verlangt werden. In Anbetracht des bestehenden Prüfungsrechts nach § 11a Abs 1 Z 2 kann sich ein so weitreichendes Verlangen nur ausnahmsweise als unverhältnismäßig erweisen (vgl Schneider, § 59 GWB Rn 25). Befinden sich Unterlagen dritter Unternehmen in den Geschäftsräumen, so ist idR davon auszugehen, dass sie ebenfalls dem Geschäftsbetrieb des geprüften Unternehmens dienen (vgl Schneider, § 59 GWB Rn 36). 22 Der BWB kommt die Befugnis, geschäftliche Unterlagen einzusehen, aber unabhängig davon zu, in welcher Form diese vorliegen (VwGH (22.4.2015, Ra 2014/04/0046 – 2014/04/0051). Das Speichermedium ist nicht von Relevanz. Abs 1 Z 2 ist so formuliert, dass auch sämtliche digitale geschäftliche Unterlagen bzw Daten darunter zu verstehen sind, unabhängig davon an welchem Ort diese gespeichert bzw abgelegt sind. Eine taxative Aufzählung von Speichermedien wäre bei den zahlreichen technischen Möglichkeiten und den noch nicht absehbaren künftigen Entwicklungen nicht sinnvoll. Da geschäftliche Unterlagen in Form von elektronischen Daten auch auf externen Servern oder Clouds (auch im Ausland) gespeichert oder abgelegt werden können, kann die BWB, unabhängig davon, wo die Daten abgelegt bzw gespei724
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
§ 11a WettbG
chert sind, tätig werden, solange sie dies am Ort des Hausdurchsuchungsbefehls durchführt (Zugriffsprinzip). Dabei spielt es keine Rolle, an welchem Ort die digitalen geschäftlichen Unterlagen bzw Daten gespeichert oder abgelegt sind. Entscheidend ist, dass diese Unterlagen in den vom Hausdurchsuchungsbefehl erfassten Räumlichkeiten eingesehen werden können (EB KaWeRÄG 2017). Von schriftlichen Unterlagen kann sich die BWB Kopien bzw von elek- 23 tronisch gespeicherten Unterlagen Ausdrucke oder Kopien auf externen Datenträgern anfertigen bzw anfertigen lassen. Die in Abs 2 angeführten Personen sind zwar verpflichtet, geschäftliche Unterlagen, die sich in elektronischer Form befinden, auf einem elektronischen Datenträger „vorzulegen“, sie können aber nicht gezwungen werden, einen derartigen Datenträger der BWB zur Mitnahme zur Verfügung zu stellen oder die Daten für die BWB zu kopieren (auch zur Übersendung geschäftlicher Unterlagen iSv § 11a Abs 1 Z 2 an die BWB sind Unternehmen nicht verpflichtet). Wenn Personen iSv Abs 2 aber das Kopieren durch die BWB verhindern, widersetzen sie sich der Duldungsverpflichtung nach Abs 2 letzten Halbsatz (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003, Rn 19). Das Ziel der Prüfung der eingesehenen Geschäftsunterlagen iSv § 11a 24 Abs 1 Z 2 besteht darin, Informationen, die den Gegenstand und Zweck der Ermittlungen der BWB betreffen, von solchen zu unterscheiden, die dazu keinen Bezug aufweisen. Der Beweiswert der Unterlagen wird bei dieser Prüfung dagegen nicht beurteilt (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003, Rn 13). Die Prüfung (elektronischer) Unterlagen kann im Auftrag der BWB auch durch externe Sachverständige (die nicht ständige Mitarbeiter der BWB sind) durchgeführt werden.
VIII. Anwaltsprivileg Nach Unionsrecht wird der zwischen einem Unternehmen und seinem 25 (externen) Rechtsanwalt geführte Schriftverkehr nach Eröffnung eines Verfahrens sowie früherer Schriftverkehr, soweit dieser mit dem Gegenstand des Verfahrens in Zusammenhang steht, geschützt. Geschützt sind weiters interne Aufzeichnungen über den Wortlaut oder den Inhalt der Mitteilungen des Anwaltes an seinen Mandanten (Aktenvermerke, Memos; vgl EuG 12.12.1991, T-30/89, Hilti/Kommission, Rz 18). Dokumente, die unter Verletzung des Anwaltsprivilegs erlangt wurden, unterliegen einem Beweisverwertungsverbot. Soweit die BWB 725
§ 11a WettbGGugerbauer die Europäische Kommission im Rahmen einer Nachprüfung gem Art 20 Abs 5 VO 1/2003 unterstützt, ist das Anwaltsprivileg auch von den Mitarbeitern der BWB zu wahren. 26 Weder im KartG, noch im WettbG ist ein ausdrückliches Anwaltsprivileg vorgesehen (vgl aber Art 8 Abs 1 und Art 6 Abs 3 lit b und c EMRK und die Rsp zur Geltung der Grundsätze des Wettbewerbsrechts der EU bei gleicher Interessenslage, etwa 16 Ok 7, 8/06). Ist die BWB nicht im Auftrag der Europäischen Kommission oder eines das Anwaltsprivileg schützenden EU-Mitgliedstaates tätig, anerkennt sie das Anwaltsprivileg nicht, dies selbst dann nicht, wenn sich die Ermittlungshandlungen auf Art 101 f AEUV stützen. Umso weniger findet das Anwaltsprivileg Berücksichtigung, wenn sich ein Verdacht (etwa der Ausarbeitung einer Kartellvereinbarung) unmittelbar gegen einen Rechtsanwalt oder einen Wirtschaftstreuhänder richtet (vgl 16 Ok 2/10).
IX. Ermittlungen vor Ort 27 Stimmen die in Abs 2 genannten Personen Ermittlungen der BWB „vor Ort“ zu, ohne dass eine kartellgerichtliche Anordnung iSv § 12 vorliegt, ist § 11a Abs 1 Z 2 und 3 einschlägig (vgl 16 Ok 7-13/11). Die Einwilligung in eine freiwillige Nachschau kann bei der Bemessung einer allfälligen Geldbuße als Milderungsgrund berücksichtigt werden. Liegt kein Hausdurchsuchungsbefehl vor oder wurde ein Hausdurchsuchungsbefehl des KartGer nicht in Vollzug gesetzt, kann im Zusammenhang mit einer „freiwilligen Nachschau“ auch kein Rekurs an das KartGer erhoben werden. 28 In der kartellbehördlichen Praxis gehört die (mündliche) Anhörung zu den wichtigsten Beweismitteln überhaupt, weil die Beteiligten (insbesondere die in Abs 2 genannten Personen) oftmals die entscheidenden Wissensträger und somit zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage sind (vgl Schneider, § 57 GWB Rn 32). Im Zusammenhang mit den Ermittlungsbefugnissen vor Ort (Abs 1 Z 3) darf die BWB Erläuterungen zu Sachverhalten oder Unterlagen verlangen, die mit dem Gegenstand und Zweck der Ermittlungen in Zusammenhang stehen. Analog zu § 12 besteht der übergreifende Zweck des Abs 1 Z 3 in der Sicherstellung von Ermittlungshandlungen vor Ort zur Aufklärung von den Tatvorwurf betreffenden maßgeblichen Sachverhaltselementen (vgl § 12 Abs 4 Satz 5). 726
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
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„Erläuterungen“ beziehen sich auf bereits vorgefundene Tatsachen 29 oder Unterlagen, erwartet werden Erklärungen zum Inhalt bestimmter Geschäftsunterlagen. Komplett neue Informationen können mit diesem Instrument nicht ermittelt werden (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003 Rn 21 ff). Erläuterungen können von allen Vertretern oder Beschäftigten des betroffenen Unternehmens verlangt werden. Werden sie jedoch von Personen erteilt, die (intern) nicht ermächtigt sind, solche Erläuterungen zu geben, kann der Adressat der Ermittlungen (das betroffene Unternehmen) diese Erläuterungen formell richtig stellen, ändern oder ergänzen (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003 Rn 26). Eine Verletzung der Pflicht zur Erteilung von Erläuterungen kann nur 30 gegen die in Abs 2 genannten Personen, jedoch nicht (bloße) Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens sanktioniert werden (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003 Rn 27).
X. Kreis der Verpflichteten Die in Abs 2 erfolgte Auflistung der natürlichen Personen, die zur tat- 31 sächlichen Erteilung der Auskünfte, Vorlage der geschäftlichen Unterlagen und Erteilung der Erlaubnis zu ihrer Prüfung verpflichtet sind, liegt auch im Interesse der betroffenen Unternehmen, der Kreis der verantwortlichen und in Anspruch zu nehmenden Personen ist damit überschaubar. Ein Einzelkaufmann ist persönlich zur Kooperation verpflichtet. Bei juristischen Personen, Gesellschaften und Vereinen, sind nur die gesetzlichen Vertreter bzw die nach der Satzung zur Vertretung berufenen Personen verantwortlich. Allerdings kann die Auskunftserteilung auch durch einen (anderen) Mitarbeiter des Unternehmens erfolgen. Organvertreter juristischen Personen haben die Möglichkeit, Dritte zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen, die für die Einhaltung der sich aus § 11a ergebenden Verpflichtungen verantwortlich sind (§ 9 Abs 2 VStG).
XI. Aussageverweigerungsrecht Gem § 11a Abs 2 sind Inhaber der Unternehmen und deren Vertreter, 32 bei juristischen Personen und teilrechtsfähigen Personengesellschaften die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen, dann nicht von Erteilung der Auskünften verpflichtet, wenn sie sich dadurch 727
§ 11a WettbGGugerbauer der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würden. Es besteht aber kein allgemeines Auskunftsverweigerungsrecht, sondern nur die Möglichkeit, die Auskunft auf bestimmte Fragen zu verweigern, für die die Voraussetzungen des § 11a Abs 2 gegeben sind (vgl Schneider, § 59 GWB Rn 20). 33 Im Hinblick auf das Grundrecht der Unternehmen sich zu verteidigen ist aber auch davon auszugehen, dass Fragen nicht beantwortet werden müssen, die, etwa im Hinblick auf ein drohendes Bußgeldverfahren wegen einer noch nicht verjährten Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften, „auf ein Geständnis abzielen“ (16 Ok 7, 8/06). Der „nemo teneturGrundsatz“ ist in Art 6 EMRK als Teil des fair-trial-Prinzips verankert. Durch das „Selbstbelastungsverbot“ ist die Verweigerung von Auskünften geschützt, mit denen das Unternehmen das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen würde (5 Ob 154/07v). 34 Falls doch eine entsprechende Auskunft auf einen entsprechenden Bescheid hin erteilt wurde, ist sie rechtswidrig durch die BWB erlangt und daher nicht verwertbar. Wird jedoch ein Geständnis auf ein einfaches Auskunftsverlangen hin erteilt, verwirkt das Unternehmen sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen und die gewonnen Informationen können in vollem Umfang gegen das Unternehmen verwendet werden (vgl Sura, Art 18 VO 1/2003 Rn 14).
XII. Geschäftsgeheimnisse 35 Auf Geschäftsgeheimnisse kann sich ein betroffenes Unternehmen allenfalls dann berufen, wenn keine ausreichende Sicherheit vor Preisgabe und unbefugter Verwertung der betreffenden Informationen gewährleistet ist (vgl 16 Ok 10/05). Die Mitarbeiter der BWB sind verpflichtet, die Amtsverschwiegenheit zu wahren und das Berufsgeheimnis (iSv VO 1/2003 und FKVO) sowie das Verwertungsverbot iSv § 11 Abs 1 zu beachten. Ein betroffenes Unternehmen kann aber im Einzelfall den – konkreten – Nachweis erbringen, dass keine ausreichende Sicherheit vor Preisgabe und unbefugter Verwertung bestimmter Informationen gewährleistet ist.
XIII. Anordnung durch Bescheid 36 Die Auskunftserteilung/Urkundenvorlage kann auch durch Bescheid angeordnet werden. Einem Bescheid muss kein „einfaches“ Auskunfts728
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§ 11a WettbG
verlangen vorausgehen (vgl 16 Ok 5/11). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft Vorlage einer Urkunde durch Bescheid erfolgt entsprechend den Bestimmungen des AVG (Abs 3 Satz 1). Ein Auskunftsbescheid wird vor allem dann erlassen werden, wenn (etwa im Rahmen der Prüfung eines Unternehmenszusammenschlusses) eine rasche und umfassende Auskunftserteilung erforderlich ist und verwaltungsstrafrechtlich abgesichert werden soll. Eine Auskunftsverweigerung oder unvollständige und/oder verspätete Auskunftserteilung bleibt bei „einfachen“ Auskunftsverlangen für das betroffene Unternehmen ja ohne Sanktion. Die BWB hat im Bescheid eine angemessene Frist für die Erteilung der 37 Auskunft/die Vorlage der geschäftlichen Unterlage zu setzen. Die Frist ist dann angemessen, wenn alle relevanten Umstände, vor allem der Zweck der Ermittlungsbefugnisse nach § 11a, die Erfordernisse des konkreten Verfahrens (zB Frist nach § 11 Abs 1 KartG; durch die Ermittlungshandlung nicht unterbrochene Verjährung), Spezifika der verlangten Auskunft/vorzulegenden Unterlage (etwa Erfordernis einer Bearbeitung) und die berechtigten Interessen des betroffenen Unternehmens (zB betreffend eine Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs) angemessen berücksichtigt werden (Verhältnismäßigkeitsprinzip). Gibt das Kartellverfahrensrecht einen engen zeitlichen Rahmen vor (vgl etwa § 11 Abs 1 KartG), sind die Erfordernisse des Verfahrens im Rahmen der Abwägung noch stärker zu berücksichtigen. Die von der BWB angeordnete Frist kann im Einzelfall (etwa im Hinblick auf die 4-wöchige Frist nach § 11 Abs 1 KartG) kürzer als die vierwöchige Frist für eine Beschwerde gegen den entsprechenden Bescheid (§ 7 Abs 4 VwGVG) sein. Eine Verlängerung der durch einen Bescheid festgesetzten Frist zur 38 Auskunftserteilung/Urkundenvorlage ist nach § 68 AVG möglich. Die entsprechenden Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn die Frist für eine Beschwerde an das BVwG noch nicht abgelaufen ist (Abs 6). Allerdings besteht kein Anspruch auf Abänderung des Auskunftsbescheids nach § 68 AVG. Mangels einer Abänderung nach § 68 AVG kann eine – allenfalls auf die 39 festgesetzte Frist beschränkte – Beschwerde gegen den Bescheid an das BVwG gerichtet werden. Tritt die BWB der Darstellung in der Beschwerde, dass die ursprünglich von ihr gesetzte Frist nicht angemessen sei, nicht entgegen, kann sie den Auskunftsbescheid (die darin festge729
§ 11a WettbGGugerbauer setzte Frist) mit entsprechender Beschwerdevorentscheidung (§ 14 VwGVG) selbst ändern und die Frist verlängern. Dabei ist gegebenenfalls zu berücksichtigen, dass die Verjährung von Verstößen gegen das KartG nicht schon durch eine gegen ein bestimmtes Unternehmen gerichtete Verfolgungshandlung (zB einen Auftrag nach § 11a) unterbrochen wird, sondern erst durch einen Bußgeldantrag (§ 29 KartG) an das KartGer (§ 33 KartG). Kommt es zu keiner derartigen Erledigung, wird die auf Fristverlängerung gerichtete Beschwerde dem BWwG zur Entscheidung vorgelegt. 40 Wird die Erteilung von Auskünften durch einen Bescheid der BWB angeordnet und diesem Bescheid nicht entsprochen, kann die BWB Zwangsgelder nach § 5 Abs 3 VVG anordnen, deren Höchstbetrag für jeden Tag des Verzugs beträgt 5% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes (§ 11a Abs 4).
XIV. Verwaltungsstraftatbestände 41 Die in § 11a Abs 5 angeführten Geldstrafen richten sich gegen die in § 11a Abs 2 angeführten Personen, für sonstige Vertreter oder Beschäftigte des Unternehmens besteht nach § 11a Abs 2 keine Pflicht zur Auskunftserteilung. Die Verwaltungsstraftatbestände nach Abs 5 beziehen sich nur auf „Auskünfte“. Abs 2 bezieht sich auf Auskünfte iSv Abs 1 Z 1 und 3, geschäftliche Unterlagen nach Abs 1 Z 2 werden nicht erfasst. Der Tatbestand, entgegen einem Bescheid „keine“ Auskunft (Abs 1 Z 1) erteilt zu haben (Abs 5) ist verwirklicht, wenn die gesetzte Frist ergebnislos abgelaufen ist. Das nachträgliche Erteilen der Auskunft beseitigt den Verstoß (Nichterteilung vor Ablauf einer – angemessenen – Frist) nicht, kann aber bei der Strafbemessung als Milderungsgrund zu berücksichtigen sein. 42 Für die Entsprechung von Verlangen nach Abs 1 Z 2 und 3 hat zwar der Gesetzgeber (im Gegensatz zu Abs 1 Z 1) keine Frist vorgesehen, dies hindert die BWB aber nicht daran, eine angemessene Frist auch zur Umsetzung dieser Aufgaben zu setzen, mit dem ergebnislosen Ablauf dieser Frist würde dann der Tatbestand „keine Auskunft“ ebenfalls verwirklicht. Gegenständlich spricht aber bei einer nachträglichen Umsetzung noch mehr für die Annahme eines Milderungsgrundes. 43 Wurde die Auskunft/Urkundenvorlage/Erläuterung durch ein „einfaches“ Auskunftsverlangen (nach Abs 2) angefordert, begeht eine Ver730
Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage
§ 11a WettbG
waltungsübertretung, wer unrichtige oder irreführende Auskünfte erteilt. Hinsichtlich eines einfachen Auskunftsverlangens bezieht sich der Tatbestand nicht auf das Erteilen „unvollständiger“ Auskünfte (vgl Abs 5 Satz 2), eine unvollständige Auskunft kann allerdings irreführend und damit doch tatbestandsmäßig sein. Ob eine Auskunft vollständig ist, ist nach Maßgabe der konkreten Fra- 44 ge/Aufforderung zu beurteilen. Gegebenenfalls muss die BWB im Rahmen der Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitskriterien ein weiteres (konkreteres) Auskunftsverlangen an das betroffene Unternehmen richten.
XV. Beschwerde an das BVwG Gegen Bescheide der BWB nach Abs 3 oder 5 kann Beschwerde beim 45 BVwG erhoben werden. Die Rechtsmittelfrist beträgt 4 Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG). Bezüglich des dem BVwG auferlegten Prüfungsumfangs kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte. Mit anderen Worten kommt das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG für die Verwaltungsgerichte nicht bloß subsidiär zum Tragen (vgl etwa VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055; VwGH 9.9.2015, Ra 2015/04/0012).
XVI. Ermittlungen für Branchenuntersuchungen/ Wettbewerbsmonitoring Soweit die BWB beabsichtigt, für die allgemeine Untersuchung eines 46 Wirtschaftszweigs („Branchenuntersuchung“, § 2 Abs 1 Z 3) die Möglichkeiten von § 11a zu nutzen, muss sie sich zunächst einmal auf „einfache“ Auskunftsverlangen stützen. Dazu bedarf es keines Anfangsverdachts im Hinblick auf einen Wettbewerbsverstoß eines bestimmten Unternehmens, sondern eines solchen im Hinblick auf die Störung des Wettbewerbs in einem Wirtschaftszweig. Die Anordnung einer Auskunftserteilung/Urkundenvorlage durch Bescheid kann nur subsidiär erfolgen (wenn das „einfache“ Auskunftsverlangen die erforderlichen – und möglichen – Informationen nicht erbrachte). Für Wettbewerbsmonitoring (§ 2 Abs 1 Z 8) gibt es überhaupt eine kei- 47 ne Ermittlungsbefugnis iSv § 11a (vgl Abs 9). 731
§ 11b WettbGGugerbauer
Kronzeugen § 11b. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße gegen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen zu beantragen, die 1. a) der Bundeswettbewerbsbehörde als Erste Informationen und Beweismittel vorlegen, die es ihr ermöglichen, unmittelbar wegen des Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG 2005 oder Art. 101 Abs. 1 AEUV einen begründeten Antrag nach § 12 Abs. 1 zu stellen, oder b) der Bundeswettbewerbsbehörde, sofern sie bereits über ausreichende Informationen und Beweismittel aus anderer Quelle verfügt, um eine Hausdurchsuchung zu beantragen, als Erste zusätzliche Informationen und Beweismittel vorlegen, die es ihr ermöglichen, unmittelbar einen begründeten Antrag nach § 36 Abs. 1a KartG 2005 vor dem Kartellgericht einzubringen, 2. ihre Mitwirkung an der Zuwiderhandlung eingestellt haben, 3. in der Folge wahrheitsgemäß, uneingeschränkt und zügig mit der Bundeswettbewerbsbehörde zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes zusammenarbeiten sowie sämtliche Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung, die sich in ihrem Besitz befinden oder auf die sie Zugriff haben, vorlegen und 4. andere Unternehmer oder Unternehmervereinigungen nicht zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen haben. Beantragt die Bundeswettbewerbsbehörde gegen mindestens einen Teilnehmer an einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG 2005 oder Art. 101 AEUV eine Geldbuße, so stellt sie gegen das Unternehmen, gegen das sie aufgrund der Anwendung von Abs. 1 Z 1 lit. a oder b keinen Antrag auf Geldbuße stellt, einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs. 1a KartG 2005. (2) Gegen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen, die die Voraussetzungen von Abs. 1 Z 1 lit. a oder b nicht erfüllen, kann die Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Z 2 bis 4) eine geminderte Geldbuße beantragen. Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, müssen der Bundeswettbewerbsbehörde Informationen und Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung vorgelegt werden, die gegenüber 732
Kronzeugen
§ 11b WettbG
den bereits in ihrem Besitz befindlichen Informationen und Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen. Bei der Bestimmung des Umfangs der jeweiligen Reduktion ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der zusätzlichen Informationen und Beweismittel sowie das Ausmaß des Mehrwerts gegenüber der bereits bekannten Information abzustellen. (3) Die Bundeswettbewerbsbehörde hat ihre Praxis bei der Durchführung der Abs. 1 und 2 in einem Handbuch darzulegen. Darin ist jedenfalls zu erläutern, in welchen Fällen des § 1 KartG 2005 und Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Aufdeckung durch ein Kronzeugenprogramm besonders förderlich ist, welche Informationen mindestens beizubringen sind, um eine Hausdurchsuchung durchführen zu können, welche Pflichten die Zusammenarbeit mit der Bundeswettbewerbsbehörde umfasst, unter welchen Voraussetzungen sie eine geminderte Geldbuße beantragt und in welchem Ausmaß diese Reduktion erfolgt. Das Handbuch ist auf der Website der Bundeswettbewerbsbehörde zu veröffentlichen. (4) Möchte ein Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung Abs. 1 oder 2 in Anspruch nehmen, hat die Bundeswettbewerbsbehörde innerhalb angemessener Frist in einer rechtsunverbindlichen Mitteilung bekannt zu geben, ob sie von diesen Absätzen Gebrauch machen wird. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat den Bundeskartellanwalt zu benachrichtigen, wenn sie beabsichtigt, keine oder eine geminderte Geldbuße zu beantragen. (5) Informationen aus dem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden infolge eines Ersuchens um Kronzeugenbehandlung dürfen nicht als Grundlage für einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße herangezogen werden. Die Befugnis der Bundeswettbewerbsbehörde, Ermittlungen aufgrund von Informationen aus anderen Quellen als dem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden einzuleiten und auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse insbesondere Anträge auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen, bleibt unberührt. (6) Bei der Bundeswettbewerbsbehörde kann ein internetbasiertes Hinweisgebersystem, über welches begründete Hinweise über mögliche Wettbewerbsrechtsverletzungen im Sinne von § 37b KartG 2005 auch anonym gemeldet werden können, eingerichtet werden.“
733
§ 11b WettbGGugerbauer Literatur Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Langen/Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Petsche/ Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014). Übersicht
Rn I. Kontaktaufnahme............................................................................. 3–6 II. Geldbußenerlass nach Abs 1 Z 1 lit a............................................. 7–9 III. Geldbußenerlass nach Abs 1 Z 1 lit b............................................. 10–11 IV. Einstellung der Zuwiderhandlung................................................. 12 V. Kooperation mit der BWB............................................................... 13 VI. Kein Zwang auf andere Unternehmen.......................................... 14 VII. Geminderte Geldbuße für weitere Unternehmen....................... 15 VIII. Ausmaß der Minderung................................................................... 16–19 IX. Zeitaspekt........................................................................................... 20 X. Handbuch der BWB.......................................................................... 21 XI. Mitteilung an den Kronzeugen....................................................... 22–24 XII. Marker................................................................................................. 25–28 XIII. Summary Applications..................................................................... 29–31 XIV. Verständigung des BKAnw............................................................. 32–33 XV. Keine kartellgerichtliche Überprüfung der Durchführung....... 34 XVI. Kronzeugen im Netzwerk der EU-Wettbewerbsbehörden........ 35–41
1 Wettbewerbsbeschränkungen sind vielfach nur schwer aufzudecken und nachzuweisen, deshalb kommt Insider-Wissen über solche verbotenen Verhaltensweisen für die Aufdeckung und Ahndung von Wettbewerbsverstößen erhebliche Bedeutung zu (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). Als Gegenleistung für eine aus freien Stücken erfolgende Offenlegung von Informationen gewähren daher Kronzeugen- oder Leniencyprogramme entweder völlige Straffreiheit oder eine wesentliche Reduzierung der Strafe, die andernfalls gegen den an dem Wettbewerbsverstoß beteiligten Informanten (bzw dessen Unternehmen) zu verhängen wäre. 2 Der sachliche Anwendungsbereich des Kronzeugenprogramms nach § 11b umfasst Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot (§ 1 KartG oder Art 101 Abs 1 AEUV), auch Zuwiderhandlungen im Vertikalverhältnis.
I. Kontaktaufnahme 3 Will ein Unternehmen Abs 1 oder 2 in Anspruch nehmen, setzt es sich mit einer im (im Internet unter www.bwb.gv.at abrufbaren) Handbuch 734
Kronzeugen
§ 11b WettbG
der BWB zur Kronzeugenregelung genannten Ansprechperson bei der BWB zur Abklärung der Verfügbarkeit von Immunität in Verbindung. Die entsprechenden Informationen können mündlich oder schriftlich, in deutscher oder englischer Sprache übermittelt werden. Zur Wahrung der Anonymität des den Kontakt suchenden Informan- 4 ten kann die BWB ein standardisiertes Hinweisgebersystem einsetzen, das eine technische Rückverfolgung anonymer Hinweise unmöglich macht und zugleich die weitere Aufbereitung eines Falles durch Rückfragen erleichtert (angelehnt an § 2a Abs 6 Staatsanwaltschaftsgesetz). Im Sinne des datenschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müssen diese Hinweise begründet sein und muss der anonyme Hinweisgeber umfassend darlegen, dass er ausreichend Anlass hat, von einem Rechtsverstoß gegen das Wettbewerbsrecht auszugehen. Darüber hinaus muss er anführen, warum aus seiner Sicht die Meldung des Verstoßes im öffentlichen Interesse liegt und nicht nur seine persönlichen Gründe maßgeblich für den Hinweis sind. Damit sollen haltlose und unbegründete Beschwerden hintangehalten werden (EB RV KaWeRÄG 2017). Die Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Behörde im Rahmen 5 des internetbasierten anonymen Hinweisgebersystems erfolgt durch einen „Postkasten“. Die Sicherstellung der Anonymität geschieht dadurch, dass innerhalb des Systems weder IP-Adressen, Zeitstempel oder Geo-Daten bzw weitere Meta-Daten des Hinweisgebers gespeichert werden. Allein zur Aufrechterhaltung der Benutzersitzung (Session) wird temporär ein sogenanntes „Null-Cookie“ (enthält keinerlei interpretierbare Informationen) gespeichert, welches nach Beendigung einer Session automatisch verfällt. Die für die Kommunikation im Internet notwendigen IP-Adressen (jedem Gerät eindeutig zuordenbar) werden nur für die Kommunikation verwendet und sind unmittelbar danach nicht mehr verfügbar, da sie aufgrund einer speziellen Programmierung nicht protokolliert werden. Die gesamte Kommunikation erfolgt über eine höchstmöglich verschlüsselte Datenverbindung und nicht mittels Mailverkehr, wobei jede Meldung bzw Antwort in sich separat verschlüsselt wird. Die Datenhaltung erfolgt in Hochsicherheitsrechenzentren innerhalb der Europäischen Union und stellen einen eigenständigen autarken Datenbestand dar. Die Administration und Pflege der Server obliegt ausschließlich dem Systemanbieter. Auf den Servern sind nur die für die Anwendung und Pflege des Hinweisgebersystems erforderlichen Dienste installiert. Hinweisgeber- und Be735
§ 11b WettbGGugerbauer arbeitungsbereich sind auf den Servern strikt getrennt. Umfangreiche Verschlüsselungsmechanismen ergänzen diese Trennungen, sodass eine unrechtmäßige Verquickung der Daten ausgeschlossen werden kann. Außerdem werden auf Veranlassung der Systemanbieter laufend „System Penetration Tests“ durch externe IT-Sicherheitsspezialisten durchgeführt, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten (EB RV KaWeRÄG 2017). 6 EU-Recht verbietet die Offenlegung von Anträgen von Unternehmen auf Gewährung eines Kronzeugen-Status gegenüber den Geschädigten nicht, aber bei der gebotenen Abwägung muss neben den Interessen der Geschädigten auch das Interesse an einer effektiven Kartellrechtsverfolgung, für die eine Kronzeugenregelung anerkanntermaßen von Bedeutung ist, ins Gewicht fallen (EuGH, Urteil vom 14. Juni 2011, Rs C-360/09).
II. Geldbußenerlass nach Abs 1 Z 1 lit a 7 Voraussetzung für den Verzicht auf einen Geldbußenantrag nach Abs 1 lit a ist, dass ein Unternehmen (oder eine Unternehmensvereinigung) der BWB als Erstes Informationen und Beweismittel verfügbar macht, die es der BWB ermöglichen, wegen des Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG oder Art 101 Abs 1 AEUV nach § 12 Abs 1 einen begründeten Antrag auf Anordnung einer Hausdurchsuchung zu stellen. 8 In ihrem Handbuch erläutert die BWB iSv Abs 3, welche Informationen mindestens beizubringen sind, damit sie iSv Abs 1 Z 1 lit a erfolgversprechend eine Hausdurchsuchung beantragen kann. Die BWB hat sich erkennbar an den diesbezüglichen Anforderungen des Kronzeugenprogramms der EU orientiert (vgl die Mitteilung der Europäischen Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen [Kronzeugen-Bekanntmachung], ABl 2006 C 298) 9 § 12 Abs 1 regelt, unter welchen Voraussetzungen das KartGer eine von der BWB beantragte Hausdurchsuchung anzuordnen hat. Schriftlichen Informationen oder Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts wird in der Regel ein größerer Wert beigemessen bei solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, werden höher eingestuft als solche, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen (aaO, Rn 25). 736
Kronzeugen
§ 11b WettbG
III. Geldbußenerlass nach Abs 1 Z 1 lit b Ein Unternehmen (bzw eine Unternehmensvereinigung) kann den 10 Kronzeugenstatus aber auch noch zu einem Zeitpunkt erlangen, zu dem die BWB bereits (aus einer anderen Quelle) über ausreichende Informationen und Beweismittel verfügt, um erfolgversprechend eine Hausdurchsuchung nach § 12 Abs 1 beantragen zu können: Ein vollständiger Geldbußenerlass ist nach § 11b Abs 1 Z 1 lit b möglich, wenn das ersuchende Unternehmen (oder die Unternehmensvereinigung) als Erstes zusätzliche Informationen und Beweismittel, die es der BWB ermöglichen, beim KartGer unmittelbar einen begründeten Antrag auf Verhängung von Geldbußen nach § 36 Abs 1a KartG einzubringen, verfügbar macht. Ein Geldbußenerlass kann also selbst dann gewährt werden, wenn die BWB schon über den entsprechenden Sachverhalt informiert war, sogar dann, wenn sie bereits über ausreichend Beweise und Informationen verfügte, um eine Hausdurchsuchung zu beantragen (oder eine solche bereits durchgeführt hat). Während durch den Wortlaut von Abs 1 Z 1 nicht ausgeschlossen wird, 11 dass betreffend eine bestimmte Zuwiderhandlung einem Unternehmen ein Geldbußenerlass nach lit a, einem weiteren Unternehmen ein solcher nach lit b gewährt werden kann, stellt Abs 1 letzter Satz klar, dass nur ein einziges Unternehmen oder eine einzige Unternehmervereinigung Kronzeuge sein kann, dass also in Fällen, in denen die BWB bereits auf der Grundlage eines Ersuchens eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung nach Abs 1 Z 1 lit a vorgeht, keinem zweiten Unernehmen (keiner zweiten Unternehmensvereinigung) Kronzeugenstatus eingeräumt wird. Allerdings kann eine Geldbuße gem Abs 2 reduziert werden.
IV. Einstellung der Zuwiderhandlung Eine Voraussetzung für die Anwendung der Kronzeugenregelung ist, 12 dass die Mitwirkung an einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG oder Art 101 Abs 1 AEUV eingestellt wurde (Abs 1 Z 2). Zur Sicherstellung des Erfolgs allfälliger Ermittlungen dürfte es sich in der Regel empfehlen, diese Einstellung mit der BWB abzustimmen. 737
§ 11b WettbGGugerbauer
V. Kooperation mit der BWB 13 Das den Kronzeugenstatus anstrebende Unternehmen/die Unternehmervereinigung muss zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhalts wahrheitsgemäß, uneingeschränkt und zügig mit der BWB kooperieren. Dazu gehört auch, dass die Tatsache der Zusammenarbeit vor Dritten geheim zu halten ist, bis die BWB von dieser Verpflichtung entbindet.
VI. Kein Zwang auf andere Unternehmen 14 Das ersuchende Unternehmen (die ersuchende Unternehmensvereinigung) darf nicht andere Unternehmer oder Unternehmervereinigungen zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen haben (Abs 1 Z 4). Neben der Ausübung physischen wie psychischen Zwangs ist wohl auch die Ausübung wirtschaftlichen Drucks tatbestandsmäßig.
VII. Geminderte Geldbuße für weitere Unternehmen 15 Erfüllt ein den Kronzeugenstatuts anstrebendes Unternehmen nicht die Voraussetzungen von Abs 1 Z 1 lit a oder b, kann die BWB bei kumulativem Vorliegen der in Abs 1 Z 2 bis 4 WettbG genannten übrigen Voraussetzungen (Einstellung der Mitwirkung an der Zuwiderhandlung, Kooperation mit der Behörde, keine Zwangsausübung gegenüber anderen Unternehmen) gem Abs 2 dennoch eine reduzierte Geldbuße beantragen. Dies unter der Voraussetzung, dass der BWB Informationen und Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung verfügbar gemacht werden, die gegenüber den bereits bekannten Informationen und Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert enthalten.
VIII. Ausmaß der Minderung 16 Die BWB ist gem Handbuch bereit, die Höhe ihrer Geldbußenanträge in Bezug auf das erste Unternehmen, das die Voraussetzungen des Abs 2 erfüllt (Vorlage von Informationen und Beweismitteln mit erheblichen Mehrwert), um 30% bis 50%, in Bezug auf das zweite um 20% bis 30% und in Bezug auf jedes weitere um bis zu 20% zu reduzieren. In Einzelfällen, in denen der Mehrwert außergewöhnlich groß ist, kann die BWB auch eine noch größere Reduktion vornehmen. 738
Kronzeugen
§ 11b WettbG
Von erheblicher Bedeutung ist, von welchem Ausgangswert die Minde- 17 rung der Geldbuße erfolgt. In welcher Höhe wäre die Geldbuße beantragt worden, wenn sich das betreffende Unternehmen nicht als Kronzeuge angeboten und zur Verfügung gestellt hätte? Die Leitlinien der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gem Art 23 Abs 2 lit a der VO 1/2003 (ABl 2006 C 210) treffen gewisse Klarstellungen, die mangels eines vergleichbaren Leitfadens der BWB nutzbar gemacht werden können. Nach diesen Leitlinien wird zur Bestimmung des Grundbetrags einer 18 Geldbuße ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert. Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt. Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30% des Umsatzes festgesetzt werden. Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite werden mehrere Umstände berücksichtigt, ua die Art der Zuwiderhandlung, der kumulierte Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, der Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis. Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen zur Festsetzung 19 von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen. Zusätzlich, unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, wird ein Betrag zwischen 15% und 25% des Umsatzes hinzugefügt, um die Unternehmen im Vorhinein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinstellungen abzuschrecken. Dieser Zusatzbetrag kann auch in Fällen anderer Zuwiderhandlungen erhoben werden (aaO, Rn 19 ff).
IX. Zeitaspekt Die BWB zieht ein Vorgehen nach Abs 1 und 2 grundsätzlich nicht 20 mehr in Betracht, wenn sie bereits einen Geldbußen- oder Feststel739
§ 11b WettbGGugerbauer lungsantrag beim KartGer eingebracht hat (vgl 16 Ok 5/08). Die Kooperation eines Unternehmens kann in solchen Fällen aber als Milderungsgrund iSv § 30 Abs 3 Z 3 KartG berücksichtigt werden (16 Ok 5/08).
X. Handbuch der BWB 21 Die BWB legt iSv Abs 3 ihre Praxis bei der Durchführung der Abs 1 und 2 in einem Handbuch dar (im Internet abzurufen unter www.bwb. gv.at). Darin wird ua erläutert, welche Informationen mindestens beizubringen sind, um iSv Abs 1 Z 1 lit a eine Hausdurchsuchung durchführen zu können, unter welchen Voraussetzungen die BWB eine reduzierte Geldbuße beantragt und in welchem Ausmaß diese Reduktion erfolgt.
XI. Mitteilung an den Kronzeugen 22 Möchte ein Unternehmen (oder eine Unternehmervereinigung) Abs 1 oder 2 in Anspruch nehmen, hat die BWB in einer rechtsunverbindlichen Mitteilung bekanntzugeben, ob sie gegebenenfalls davon Abstand nehmen wird, eine Geldbuße zu beantragen, bzw eine geminderte Geldbuße beantragen wird (§ 11 Abs 4). 23 Die Mitteilung hat „innerhalb angemessener Frist“ nach Prüfung der angebotenen Informationen und Beweismittel im Hinblick auf die Beweisschwellen in Abs 1 Z 1 WettbG, bzw im Hinblick darauf, ob diese einen erheblichen Mehrwert iSd Abs 2 WettbG darstellen, sowie nach Überprüfung der sonstigen Voraussetzungen zu erfolgen. Eine positive Mitteilung setzt jedenfalls die volle Erfüllung der Kooperationsverpflichtungen dieses Unternehmens voraus. 24 Die BWB „kann“ bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen von einem Antrag auf Geldbuße absehen oder eine geminderte Geldbuße beantragen (§ 11 Abs 1 und 2). Im Hinblick auf die Formulierung in Abs 3 ist aber davon auszugehen, dass der BWB bei der der Frage, ob die Kronzeugenregelung im Einzelfall zur Anwendung kommen soll, grundsätzlich kein Ermessen zukommt, dass einem „Kronzeugen“ mit anderen Worten bei Erfüllung der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf die Anwendung dieses Programms zusteht. 740
Kronzeugen
§ 11b WettbG
XII. Marker Das einen Kronzeugenstatus anstrebende Unternehmen kann, statt so- 25 fort ein Ersuchen auf Erlassung der Geldbuße stellen, zunächst einen sog „Marker“ beantragen. Dadurch soll der Rang des ersuchenden Unternehmens als erster Kronzeuge iSd Abs 1 Z 1 gesichert werden. Ein Unternehmen kann sich dadurch möglichst unverzüglich positionieren, um anschließend seine unternehmensinternen Untersuchungen zu vervollständigen, und die Voraussetzungen für die Erfüllung der Beweisschwellen nach § 11b zu schaffen. Für die Setzung eines „Markers“ sind vorab folgende Informationen an 26 die BWB zu übermitteln: Name und Anschrift des ersuchenden Unternehmens sowie der weiteren an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen, Dauer und Art der Zuwiderhandlung, die betroffenen Produkte und Gebiete, Informationen darüber, ob bei weiteren Wettbewerbsbehörden um Kronzeugenbehandlung ersucht wurde oder ersucht werden soll. Für die Übermittlung dieser Informationen kann ein im Handbuch enthaltenes Formblatt verwendet werden. Die BWB setzt eine Frist von höchstens 8 Wochen, innerhalb derer er- 27 gänzend die zur vollen Erfüllung der Beweisschwellen des Abs 1 Z 1 erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen sind. Wird die Frist eingehalten, gelten die beigebrachten Informationen und Beweismittel laut Handbuch der BWB als zu dem Zeitpunkt eingebracht, zu dem der Marker gesetzt wurde. Die BWB bestätigt dem betreffenden Unternehmen den Zugang des 28 Ersuchens auf ein Vorgehen nach Abs 1 oder 2 WettbG, bzw das Setzen eines Markers schriftlich unter Angabe von Datum und Uhrzeit.
XIII. Summary Applications In Fällen, in denen im Rahmen des europäischen Netzwerks der Wett- 29 bewerbsbehörden die Europäische Kommission besonders gut zur Verfolgung eines Falls geeignet ist, hat das ersuchende Unternehmen einen Antrag auf Erlass der Geldbuße mittels des entsprechenden Formblatts bei der BWB oder der Europäischen Kommission einzubringen (Kurzantrag: „Summary Application“). Solche Kurzanträge sind im Verfahren vor der Europäische Kommission oder der BWB nicht nur für den 741
§ 11b WettbGGugerbauer ersten Kronzeugen, sondern auch in Fällen, in denen das ersuchende Unternehmen nur mehr für eine Geldbußenreduktion in Frage kommt, geeignet. 30 Die BWB bestätigt nach Erhalt eines solchen Kurzantrags mittels eines „Summary Application Markers“, dass dem ersuchenden Unternehmen eine Frist zur Vervollständigung seiner Informationen eingeräumt werden wird, sofern die BWB in dem Fall tätig wird. War das ersuchende Unternehmen im Hinblick auf die mutmaßliche Zuwiderhandlung erster Antragsteller bei der BWB, wird es darüber informiert. 31 Zusätzliche Informationen und Beweismittel sind vom Unternehmen nur vorzulegen, wenn es dazu ausdrücklich aufgefordert wird. Wird die BWB nach dem Ergebnis der Fallallokation im Netzwerk der Wettbewerbsbehörden in einem Fall tätig, setzt sie entsprechend der Regelung für den „normalen“ Marker eine Frist, vor deren Ablauf das ersuchende Unternehmen seine Eingaben zu vervollständigen hat.
XIV. Verständigung des BKAnw 32 Die BWB hat den BKAnw zu benachrichtigen, wenn sie iSv Abs 1 oder 2 beabsichtigt, keine oder eine geminderte Geldbuße zu beantragen (Abs 4 letzter Satz). Mit einer derartigen Benachrichtigung entfällt gem § 36 Abs 3 KartG die Berechtigung des BKAnw, wegen der entsprechenden Zuwiderhandlung beim KartGer einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen. 33 Eine rasche Verständigung des BKAnw ist auch im Hinblick auf dessen Aufgaben nach § 209b StPO von Bedeutung. Nach § 209b StPO ist ein besonderes Verfahren für Straftaten vorgesehen, die durch kartellrechtliche Zuwiderhandlungen begangen werden. Der BKAnw hat die StA zu verständigen, wenn die strafrechtliche Verfolgung von Mitarbeitern eines Kronzeugenunternehmens aufgrund des Gewichts ihres Beitrags zur Aufklärung einer Zuwiderhandlung iSd Abs 1 Z 1 unverhältnismäßig wäre (dies gilt gleichermaßen für die Kronzeugenprogramme der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten). Die StA hat daraufhin das Verfahren – unter dem Vorbehalt einer späteren Verfolgung – einzustellen (§ 209b Abs 2 StPO). Bei Verfahren gegen Verbände nach dem VbVG kann ebenfalls auf diese Weise vorgegangen werden (§ 209b Abs 3 StPO). Mitarbeiter oder Unternehmen, die Verbände iSd VbVG sind, erlangen dadurch die 742
Kronzeugen
§ 11b WettbG
Gewissheit, dass ihre Kooperation im kartellrechtlichen Verfahren nicht zur strafrechtlichen Verfolgung führt. Bei Verletzung von Mitwirkungs- und Informationspflichten kann das Verfahren wieder aufgenommen.
XV. Keine kartellgerichtliche Überprüfung der Durchführung Die Abs 1 bis 3 richten sich and die BWB und sind als Konkretisierung 34 des schon in § 2 Abs 3 normierten Prinzips des ausschließlich amtswegigen Tätigwerden der BWB zu verstehen. Eine kartellgerichtliche Überprüfung der Anwendung des Kronzeugenprogramms durch die BWB ist „mangels einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen“ nicht möglich (16 Ok 5/10). Im Rahmen der Bemessung einer allfälligen Geldbuße kann das KartGer jedoch die Mitwirkung an der Aufklärung der Rechtsverletzung als Milderungsgrund berücksichtigen (§ 30 Abs 3 Z 3 KartG). Kommt das KartGer zur Auffassung, dass der Aufklärungsbeitrag eines „Kronzeugen“ im Antrag der BWB auf Verhängung einer (reduzierten) Geldbuße nicht ausreichend berücksichtigt wurde, kann das KartGer die Geldbuße (bis hin zum vollständigen Erlass) weiter reduzieren.
XVI. Kronzeugen im Netzwerk der EU-Wettbewerbsbehörden In Ermangelung eines unionsweiten Systems harmonisierter Kronzeu- 35 genprogramme gilt ein bei der Wettbewerbsbehörde eines EU-Mitgliedsstaates gestellter Antrag auf Kronzeugenbehandlung nicht auch als Antrag bei einer anderen Behörde (vgl 16 Ok 5/08). Es kann aber bei allen Wettbewerbsbehörden, die gemäß den Grundsätzen für die Fallverteilung (vgl die Netzwerkbekanntmachung, ABl 2004 C 101, Rn 5 ff) als geeignet für die Behandlung des Verstoßes erscheinen und über ein Kronzeugenprogramm verfügen, parallel ein entsprechender Antrag auf Anwendung der jeweiligen Kronzeugenregelung gestellt werden. Wird aufgrund eines Antrags auf Kronzeugenbehandlung von der 36 BWB ein Verfahren eingeleitet, ist die Europäische Kommission hievon zu informieren (Art 11 Abs 3 VO 1/2003) und kann das (übrige) Netzwerk der Wettbewerbsbehörden informiert werden. 743
§ 11b WettbGGugerbauer 37 Nach Abs 5 darf die BWB keine infolge eines Ersuchens um Kronzeugenbehandlung zugänglichen Informationen aus dem Netzwerk als Grundlage für die Einleitung von Ermittlungen bzw für einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße heranziehen. Die Befugnis der BWB, Ermittlungen aufgrund von Informationen aus anderen Quellen zu führen, insbesondere Anträge auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen, bleibt unberührt. 38 Die BWB kann (wie jede andere Wettbewerbsbehörde eines EU-Mitgliedstaates) von jedem Mitglied des Netzes (auch von solchen, bei denen ein Antrag auf Kronzeugenbehandlung gestellt wurde) auf der Grundlage von Art 11 VO 1/2003 zugänglich gemachte Informationen (nicht jedoch auf der Grundlage Art 12 VO 1/2003 übermittelte Informationen) anfordern, erhalten und verwenden. 39 Informationen, die Fälle betreffen, in denen ein Antrag auf Kronzeugenbehandlung gestellt wurde und die der Europäische Kommission von der BWB gem Art 11b Abs 1 übermittelt wurden, werden nur nationalen Wettbewerbsbehörden zugänglich gemacht, die sich verpflichtet haben, die Grundsätze der Netzwerkbekanntmachung einzuhalten (vgl die Netzwerkbekanntmachung, Rn 42). Die BWB und der BKAnw haben sich zur Anerkennung der Grundsätze der Netzwerkbekanntmachung verpflichtet. 40 Informationen, die im Rahmen eines Antrags auf Kronzeugenbehandlung vom Antragsteller freiwillig zugänglich gemacht wurden, werden anderen Wettbewerbsbehörden des Netzes grundsätzlich nur mit Einverständnis des Antragstellers übermittelt (vgl Netzwerkbekanntmachung, Rn 40). 41 Ein derartiges Einverständnis ist nicht erforderlich, wenn von diesem Antragsteller auch bei der empfangenden Behörde wegen des gleichen Verstoßes ein Antrag auf Kronzeugenbehandlung gestellt wurde (Netzwerkbekanntmachung, Rn 40) oder die empfangene Behörde sich schriftlich verpflichtet hat, weder gegen den Antragsteller, noch gegen andere juristische oder natürliche Personen, auf die sich die begünstigende Behandlung durch die übermittelnde Behörde aufgrund der Beantragung einer Kronzeugenbehandlung erstreckt (jeweils einschließlich Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter), Sanktionen zu verhängen (Netzwerkbekanntmachung, Rz 41).
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Hausdurchsuchung
§ 12 WettbG
Hausdurchsuchung § 12. (1) Das Kartellgericht hat, wenn dies zur Erlangung von In-
formationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen §§ 1, 5 oder 17 KartG 2005, Art. 101 oder 102 AEUV eine Hausdurchsuchung anzuordnen. (2) Das Kartellgericht hat weiters auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde eine Hausdurchsuchung anzuordnen auf Grund einer Nachprüfungsentscheidung der Europäischen Kommission wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln. Dem Antrag ist das Original oder eine beglaubigte Ausfertigung der Nachprüfungsentscheidung anzuschließen. Das Kartellgericht hat neben der Echtheit der Nachprüfungsentscheidung der Europäischen Kommission nur zu prüfen, ob die beabsichtigte Durchsuchung nicht willkürlich oder, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, unverhältnismäßig ist. Im Falle von Nachprüfungen nach Art. 21 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gilt der Hausdurchsuchungsbefehl nach dem ersten Satz auch als Genehmigung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 erster Satz der zitierten Verordnung. (3) Die Hausdurchsuchung ist vom Senatsvorsitzenden im Verfahren außer Streitsachen mit Beschluss anzuordnen. Gegen den Beschluss steht ausschließlich das Rechtsmittel des Rekurses offen; dieses hat keine aufschiebende Wirkung. Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung ist die Bundeswettbewerbsbehörde zu beauftragen, die den Hausdurchsuchungsbefehl den in § 11a Abs. 2 genannten Personen sogleich oder doch innerhalb von 24 Stunden zuzustellen hat. (4) Bei der Durchführung der Hausdurchsuchung sind Aufsehen, Belästigungen und Störungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte desjenigen, bei dem die Hausdurchsuchung vorgenommen wird (Betroffener), sind soweit wie möglich zu wahren. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat über die Hausdurchsuchung ein Protokoll aufzunehmen und das Kartellgericht darüber zu informieren. Der Betroffene hat das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein und eine Person seines Vertrauens zuzuziehen. Der Bundeswettbewerbsbehörde kommen bei Hausdurchsuchungen die in § 11a Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Befugnisse zu. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist befugt, für die Dauer der Hausdurchsuchung in dem hierfür erforderlichen Ausmaß alle Räumlichkeiten zu versiegeln und Beweismittel in Beschlag zu nehmen, soweit dies zur Sicherung des Ermittlungserfolges geboten ist. 745
§ 12 WettbGGugerbauer (5) Unmittelbar vor einer auf Grund von Abs. 1 angeordneten Hausdurchsuchung ist der Betroffene (Abs. 4) zu den Voraussetzungen der Hausdurchsuchung zu befragen, es sei denn, dies würde den Ermittlungserfolg wegen Gefahr im Verzug gefährden. Widerspricht er im Rahmen der Prüfung von Unterlagen, unabhängig davon, in welcher Form diese vorliegen, der Einsichtnahme in bestimmte, einzeln bezeichnete Unterlagen oder ihrer Beschlagnahme unter Berufung auf eine ihn treffende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit oder ein ihm zustehendes Recht zur Verweigerung der Aussage gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 5 StPO, so sind diese Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und dem Kartellgericht vorzulegen; zuvor dürfen sie nicht eingesehen werden. Das Kartellgericht hat die Unterlagen zu sichten und mit Beschluss des Senatsvorsitzenden zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie eingesehen und Abschriften und Auszüge daraus angefertigt werden dürfen oder sie dem Betroffenen (Abs. 4) zurückzustellen sind. Gegen diesen Beschluss steht ausschließlich das Rechtsmittel des Rekurses offen. (6) Ist eine Bezeichnung einzelner Unterlagen im Zuge der Hausdurchsuchung nicht möglich, weil diese dadurch in unverhältnismäßiger Weise verzögert würde, so sind auf Verlangen des Betroffenen (Abs. 4) Kategorien von Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme zu sichern und bei der Bundeswettbewerbsbehörde getrennt vom Ermittlungsakt zu hinterlegen. Der Betroffene (Abs. 4) ist von der Bundeswettbewerbsbehörde aufzufordern, innerhalb einer von ihr zu setzenden Frist von mindestens zwei Wochen die Unterlagen einzeln zu bezeichnen. Zu diesem Zweck ist er berechtigt, in die hinterlegten Unterlagen Einsicht zu nehmen. Unterlässt er fristgerecht die Bezeichnung von einzelnen Unterlagen, so werden die Unterlagen Bestandteil des Ermittlungsaktes der Bundeswettbewerbsbehörde. Hinsichtlich der einzeln bezeichneten Unterlagen ist im Sinne des Abs. 5 vorzugehen. Literatur Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht2 (2011); Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht2 (2013); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 (2012); Langen/ Bunte, Kartellrecht Kommentar12 (2014); Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014).
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Hausdurchsuchung
§ 12 WettbG
Übersicht
Rn I. Richterliche Anordnung.................................................................. 1–3 II. Begründeter Verdacht...................................................................... 4–7 III. Erforderlichkeit................................................................................. 8 IV. Eignung.............................................................................................. 9 V. Verhältnismäßigkeit......................................................................... 10–12 VI. Rekurs gegen den Hausdurchsuchungsbefehl............................. 13 VII. Durchführen der Hausdurchsuchung........................................... 14–18 VIII. Beschlagnahme von Gegenständen................................................ 19–25 IX. Versiegelung durch die BWB........................................................... 26–28 X. Verwertungsverbot........................................................................... 29–30 XI. Widerspruch gegen Einsichtnahme................................................ 31–33 XII. Beschwerde an das BVwG................................................................ 34–37 XIII. Nachprüfungen mit der Europäischen Kommission.................. 38–41 XIV. Nachprüfung außerhalb von Betriebsräumlichkeiten................ 42–33 XV. Nachprüfungen im Auftrag der Europäischen Kommission..... 44–45 XVI. Hausdurchsuchung für Wettbewerbsbehörden eines anderen EU-Mitgliedsstaates.......................................................................... 46
I. Richterliche Anordnung Die Durchführung einer Hausdurchsuchung ist im Hinblick auf die 1 damit in der Regel verbundenen massiven Eingriffe in die Grundrechte der betroffenen Personen und Unternehmen (vgl etwa Art 5, 9 und 10 StGG, Art 8 EMRK) nur aufgrund einer Entscheidung des KartGer zulässig. Die mit einer Hausdurchsuchung verbundenen Eingriffe sind vom KartGer nur zu bewilligen, soweit sie zur Erreichung eines legitimen öffentlichen Interesses (zB des Interesses an der Abstellung eines verbotenen Kartells) geeignet, erforderlich und verhältnismäßig erscheinen (vgl EuGH 20.3.1997, C-286/94, Garage Molenheide). Bei Nachprüfungen der Europäischen Kommission in Österreich hat 2 die BWB iSd VO 1/2003 Amtshilfe zu leisten. Für die Durchführung einer Hausdurchsuchung durch die BWB auf Ersuchen der Europäischen Kommission bzw der Wettbewerbsbehörde eines anderen EUMitgliedsstaates ist wiederum ein Hausdurchsuchungsbefehl des KartGer Voraussetzung. Gem § 39 Abs 3 AußStrG hat die schriftliche Ausfertigung des vom 3 zuständigen Senatsvorsitzenden zu fassenden Beschlusses den zugrunde liegenden Antrag der BWB, die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, die Beweiswürdigung, die rechtliche Beurteilung, Gegen747
§ 12 WettbGGugerbauer stand und Zweck der Hausdurchsuchung, den Adressaten der richterlichen Anordnung und die zu durchsuchenden Räumlichkeiten (bzw Transportmittel usw) anzuführen (vgl auch 16 Ok 5/11). Der Hausdurchsuchungsbefehl muss keine zeitliche Befristung enthalten (vgl 16 Ok 7 – 13/11).
II. Begründeter Verdacht 4 § 12 Abs 1 listet jene Fälle, in denen eine Hausdurchsuchung zulässig sind, taxativ auf: Verstoß gegen § 1 (Kartellverbot), § 5 (Marktmachtmissbrauchsverbot), § 17 (Durchführungsverbot eines Zusammenschlusses) KartG, Art 101 AEUV (Kartellverbot) oder Art 102 AEUV (Marktmachtmissbrauch). Grundsätzlich können auch bereits beendete Verhaltensweisen zum Gegenstand einer Hausdurchsuchung gemacht werden (vgl 16 Ok 3/14). Andernfalls könnte die Aufklärung eines zwar schon beendeten, aber noch nicht verjährten kartellrechtswidrigen Verhaltens unangemessen beeinträchtigt werden. 5 Das KartGer prüft zunächst, ob ernsthafte Indizien für den Verdacht eines derartigen Wettbewerbsverstoßes vorliegen (vgl 16 Ok 7-13/11). Der Verdacht ist begründet, wenn er sich rational nachvollziehen lässt. Es müssen also Tatsachen vorliegen, die den nachvollziehbaren Schluss erlauben, dass eine Zuwiderhandlung gegen eine der in Abs 1 genannten Wettbewerbsbestimmungen vorliegt (vgl 16 Ok 5/11). Ein „dringender“ Tatverdacht (dh, dass die belastenden Momente stärker sind als die entlastenden, dass – ähnlich bei einer Bescheinigung – eine überzufällige, überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegt, vgl 1 Ob 19/92) ist dagegen nicht Voraussetzung (vgl 16 Ok 7-13/11). Ermittlungen „ins Blaue hinein“ bzw Ausforschungsnachprüfungen („fishing expeditions“) sind unzulässig, weil willkürlich (vgl Sura in Langen/Bunte, Art 20 VO 1/2003 Rn 5). 6 Die BWB muss in seinem an das KartGer gerichteten Antrag „substantiierte Erläuterungen“ über die Informationen und Hinweise geben, die den Verdacht eines Verstoßes des von der Hausdurchsuchung betroffenen Unternehmens gegen eines der genannten kartellrechtlichen Verbote begründen, ohne diese jedoch mit unmittelbaren Beweismitteln belegen zu müssen (vgl Sura, Art 20, VO 1/2003 Rn 43). Die dem Antrag der BWB zugrundeliegenden Informationsquellen sind irrelevant. Auch der Inhalt einer anonymen Anzeige kommt – nach sorgfältiger 748
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Würdigung – als Quelle für eine die Hausdurchsuchung rechtfertigende bestimmte Tatsache in Betracht (vgl 16 Ok 7/13). Das Objekt eines Verdachts und das Objekt eines Hausdurchsuchungs- 7 befehls müssen nicht übereinstimmen. Eine Hausdurchsuchungen kann sich auch gegen Dritte richten, bei denen Informationen iSd § 12 WettbG aufgefunden werden könnten (vgl 16 Ok 5/11). Voraussetzung ist ein von der BWB in ihrem an das KartGer gerichteten Antrag bescheinigter begründeter Verdacht, dass sich relevante Unterlagen bei dem Dritten befinden.
III. Erforderlichkeit Die Hausdurchsuchung muss erforderlich sein. Dies kann auch dann 8 der Fall sein, wenn es zuvor noch keine anderen Ermittlungsschritte gegeben hat. Die Erforderlichkeit ist vor allem dann zu bejahen wenn Verdunkelungsgefahr besteht (vgl 16 Ok 7-13/11). Dagegen fehlt die Erforderlichkeit einer Hausdurchsuchung iSv § 12 Abs 1, wenn der Gewahrsamsinhaber zur freiwilligen Herausgabe aller relevanten Unterlagen bereit ist (vgl Schmidt in Immenga/Mestmäcker, § 58 GWB Rn 4; vgl zum Kriterium der Erforderlichkeit vor allem die Kommentierung zu § 11a, Rn 3 bis 12).
IV. Eignung Vom KartGer ist weiters zu prüfen, ob auf Grundlage des Antrags der 9 BWB zu vermuten ist, dass sich in den Räumen, für die eine Hausdurchsuchung angeordnet werden soll, Unterlagen befinden, die die BWB iSv § 11a Abs 1 einsehen, prüfen und herausverlangen darf (vgl Schneider in Langen/Bunte, § 59 GWB Rn 40; bzw die Kommentierung zu § 11a Rn 13 f).
V. Verhältnismäßigkeit Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das KartGer ua die 10 Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung, die Art der Beteiligung des betreffenden Unternehmens und die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) der Maßnahme zu prüfen (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003 Rn 43; bzw die Kommentierung zu § 11a Rn 13 f). Besteht 749
§ 12 WettbGGugerbauer der Verdacht, dass ein Kartell noch andauert, ist von der Verhältnismäßigkeit einer Hausdurchsuchung auszugehen (vgl 16 Ok 7-13/11). 11 Soweit eine Muttergesellschaft und deren Tochtergesellschaft bzw Holdinggesellschaft den selben Geschäftssitz haben, ist zumindest eine räumliche Nahebeziehung gegeben und insofern ist es naheliegend und zweckmäßig, einen Hausdurchsuchungsbefehl für den gesamten Gesamtgebäudekomplex auszustellen, da andernfalls die Gefahr bestehen könnte, dass Unterlagen zwischenzeitlich verbracht werden bzw Räumlichkeiten einer Gesellschaft den Räumlichkeiten einer anderen Gesellschaften zugeordnet werden, um die Ermittlung zu behindern (vgl 16 Ok 5/11). 12 Gemäß § 12 Abs 4 zweiter Satz sind die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte desjenigen, bei dem die Hausdurchsuchung vorgenommen wird (Betroffener), soweit wie möglich zu wahren. Elektronische Daten, die im Rahmen einer Hausdurchsuchung offensichtlich nicht dem die Hausdurchsuchung betreffenden Unternehmen zugerechnet werden (wenn etwa das durchsuchte Unternehmen elektronische Daten für ein anderes Unternehmen im Rahmen einer outsourcing-Vereinbarung aufbewahrt), bleiben von den Ermittlungen der BWB ausgeschlossen. Es sind somit nur jene Daten betroffen, die vom Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt sind.
VI. Rekurs gegen den Hausdurchsuchungsbefehl 13 Gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung durch das KartGer kann ein Rekurs eingebracht werden, über den der OGH als KOG entscheidet. Gegenstand des Rekurses kann ausschließlich die Zulässigkeit der Hausdurchsuchung sein, nicht aber die (Art der) Durchführung der Hausdurchsuchung (16 Ok 7-13/11). Ein Rekurs kann sich vor allem auf das Fehlen eines begründeten Anfangsverdachts, auf fehlende Erforderlichkeit einer Hausdurchsuchung, oder auf eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stützen. Auch dass ein (grundsätzlich zulässiger) Hausdurchsuchungsbefehl zu weit gefasst ist, kann im gerichtlichen Rechtsmittelverfahren bekämpft werden (VwGH 12.9.2013, 2013/04/005, 2013/040049 bis 0053). Einem Rekurs gegen einen Hausdurchsuchungsbefehl kommt gem § 12 Abs 3 keine aufschiebende Wirkung zu, er kann aber jedenfalls im Hinblick auf das Verwertungsverbot iSv § 11 Abs 1 von Relevanz sein. 750
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VII. Durchführen der Hausdurchsuchung Vor dem faktischen Start der Hausdurchsuchung hat – außer bei Gefahr 14 im Verzug – eine Befragung zu den Voraussetzungen der Hausdurchsuchung stattzufinden (§ 12 Abs 5 erster Satz). Sofern keine der in § 11a Abs 2 genannten Personen anwesend ist, kann der Hausdurchsuchungsbefehl auch an einen (leitenden) Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens übergeben werden. Spricht sich der über das Objekt Verfügungsberechtigte gegen eine 15 Hausdurchsuchung aus, ist dies nicht mit Geldbußen sanktioniert, aber die Hausdurchsuchung kann gegebenenfalls zwangsweise durchgeführt werden, wozu Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beigezogen werden können (vgl § 14). Mangelnde Kooperation kann dann in einem nachfolgenden kartellgerichtlichen Verfahren bei der Bemessung der Geldbuße als Erschwerungsgrund (§ 30 KartG) berücksichtigt werden. Das betroffene Unternehmen kann eine Vertrauensperson, etwa seinen 16 Rechtsvertreter, der Hausdurchsuchung zuzuziehen (§ 12 Abs 4). Eine Verpflichtung der BWB, mit dem Beginn der Durchsuchung auf das Eintreffen der Vertrauensperson zu warten, besteht aber nicht. Über die Vornahme der Hausdurchsuchung ist ein Protokoll anzufertigen. Das Gesetz sieht keinen Anspruch des betroffenen Unternehmens auf eine Kopie vor, untersagt aber eine Weitergabe auch nicht (§ 12 Abs 4). IT-Sicherungsmaßnahmen umfassen in der Regel das Kopieren von Da- 17 tenträgern, aber auch das Auffinden von Daten innerhalb des IT-Systems oder die Wiederherstellung gelöschter Daten. Unerheblich ist, ob die elektronischen Unterlagen auf der Festplatte eines in den erfassten Räumlichkeiten befindlichen Endgeräts oder auf externen Speicherplätzen (etwa einem externen Server) gespeichert sind. Dies erfordert entsprechend äquivalente Zugangsmethoden. Bei der Sicherstellung von IT-Daten darf auch forensische Software eingesetzt werden (VwGH vom 22.4.2015, Ra 2014/04/0046 bis 0051). Darunter versteht man ganz generell Programme und die dazugehörigen Daten zur Erfassung, Analyse und Auswertung digitaler Daten (EB KaWeRÄG 2017). Bezüglich des Einsatzes forensischer Software bestehen auch keine Warn- und Aufklärungspflichten der BWB (VwGH (22.4.2015, Ra 2014/04/0046 – 2014/04/0051). Das betroffene Unternehmen ist verpflichtet, Zugang zu auf Datenträ- 18 gern gespeicherten Informationen zu gewähren und auf Verlangen ei751
§ 12 WettbGGugerbauer nen elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder herstellen zu lassen (vgl § 111 StPO). Allerdings gilt analog der Regelung in der StPO (vgl § 121 Abs 1 Satz 1 StPO) das Prinzip der „Offenheit“. Der Inhaber der durchsuchten Räume hat ein Recht auf Anwesenheit (vgl § 12 Abs 4) und muss über den Gegenstand der Sicherstellung informiert werden.
VIII. Beschlagnahme von Gegenständen 19 Nach § 12 Abs 4 ist die BWB befugt, Beweismittel „in Beschlag“ zu nehmen, soweit dies zur Sicherung des Ermittlungserfolgs geboten ist. Erforderlichkeit der Beschlagnahme ist ungeschriebene Voraussetzung des § 12 Abs 4. An ihr fehlt es nicht schon dann, wenn das Beweismittel im Verfahren lediglich hilfreich, voraussichtlich aber nicht notwendig (unentbehrlich) ist. Andernfalls würde die weite Fassung des § 12 Abs 4 „in dem . . . erforderlichen Ausmaß . . ., soweit dies zur Sicherung des Ermittlungserfolges geboten ist“) unterlaufen (vgl Schmidt in Immenga/Mestmäcker, § 58 GWB Rn 4). 20 Außer der Erforderlichkeit ist auch die Verhältnismäßigkeit des Mittels zu beachten. Der Eingriff durch die BWB muss in einem ausgewogenen Verhältnis zum Verfahrensziel stehen. Er darf nicht weiterreichen als zur Verfolgung des Beweissicherungszwecks notwendig. ZB muss dem Betroffenen und seinem Anwalt, wenn sich die BWB nicht mit Kopien begnügt, auch nach erfolgter Beschlagnahme Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen gewährt werden (vgl Schmidt, § 58 GWB Rn 5). Das betroffene Unternehmen kann ein Sicherstellungsprotokoll verlangen, in dem die beschlagnahmten Gegenstände aufgelistet sind. Dem betroffenen Unternehmen ist auch zu gestatten, für seinen eigenen Betrieb Kopien wichtiger beschlagnahmter Geschäftsunterlagen anzufertigen (vgl Schneider, § 58 GWB Rn 2). 21 Innerbetriebliche Unterlagen (zB Aktenvermerke, Datenträger) kommen in Betracht, wenn sie Bedeutung als Beweismittel haben. Es gibt keinen Grundsatz, wonach von einer Beschlagnahme der Teil der Geschäftsunterlagen ausscheiden müsste, der sich nicht auf den Geschäftsverkehr mit Dritten bezieht. Abgesehen davon, dass die Frage, ob ein Gegenstand wettbewerbsrechtliche Bedeutung hat, häufig erst nach Überprüfung im Einzelfall beantwortet werden kann, können vor allem in der Missbrauchskontrolle scheinbare Interna sehr wohl von Bedeutung sein (vgl Schmidt, § 58 GWB Rn 3). 752
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Als Beweismittel und damit als Gegenstände der Beschlagnahme kom- 22 men auch Gegenstände in Betracht, die (zumindest gleichzeitig) privat genutzt werden, zB ein Taschenkalender. Auch auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird aber die BWB idR gehalten sein, sich mit Abschriften oder Fotokopien der möglicherweise verfahrensbedeutsamen Teile der Privatunterlagen zu begnügen (vgl Schmidt, § 58 GWB Rn 3). Die Mitnahme von Originaldokumenten ist etwa dann zulässig, wenn 23 in den Geschäftsräumen keine Möglichkeit zum Kopieren oder dem Fertigen von Auszügen besteht, etwa weil unternehmenseigene Geräte nicht zur Verfügung stehen (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003 Rn 18). Oder wenn die Kopien von schlechter Qualität sind oder ihnen aus anderen Gründen ein geringerer Beweiswert zukommt (vgl Schneider, § 58 GWB Rn 2). Damit nicht ein ganzer Datenträger der Beschlagnahme unterliegt, sind die relevanten Datensätze zu kopieren oder auszudrucken. Werden elektronische Daten auf einen von der Behörde mitgebrachten Datenträger kopiert, stellt dies keine Beschlagnahme dar (vgl 16 Ok 7-13/11). Unternehmen müssen damit rechnen, dass persönliche E-Mail-Ac- 24 counts zeitweise geblockt werden können und Computer vom Netzwerk entfernt werden müssen (vgl Sura, Art 20 VO 1/2003 Rn 18). Nicht zulässig wäre es aber, einfach ganze E-Mail-Accounts unbesehen auf CD-ROM zu brennen und diese anschließend zu beschlagnahmen (Schmidt, § 58 Rn 4). Art und Umfang des zu beschlagnahmenden Gegenstandes können es 25 auch erfordern, dass dieser an dem jeweiligen Ort belassen wird. In diesem Fall wird durch den Erlass eines Verfügungs- und Veränderungsverbots dem Gewahrsamsinhaber die Verfügung über den Gegenstand untersagt.
IX. Versiegelung durch die BWB Gem § 12 Abs 4 WettbG kann die BWB für die Dauer der Hausdurch- 26 suchung alle Räumlichkeiten im erforderlichen Ausmaß versiegeln. Dies ist insbesondere bei Hausdurchsuchungen, die länger als einen Tag dauern, Praxis. Grundsätzlich hat die BWB aber zunächst zu versuchen, die Hausdurchsuchung innerhalb eines möglichst kurzen Zeitraums und ohne Versiegelung von Räumlichkeiten durchzuführen. 753
§ 12 WettbGGugerbauer 27 Bei jeder Versiegelung ist genau zu prüfen, hinsichtlich welcher Objekte und auf welche Dauer sie erforderlich und angemessen ist. Der Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit muss nur insoweit im allgemeinen öffentlichen Interesse hingenommen werden, als er dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (vgl Sura, VO 1/2003 Art 20 Rn 20). 28 Die Beschädigung oder Ablösung einer Versiegelung ist gem § 272 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bedroht.
X. Verwertungsverbot 29 Auch die durch eine Hausdurchsuchung erlangten Kenntnisse dürfen gem § 11 Abs 1 nur zu dem mit der Hausdurchsuchung verfolgten Zweck, der sich aus deren richterlichen Anordnung ergibt, verwertet werden. Erlangte Informationen, die nicht vom Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt sind, unterliegen gem § 11 Abs 1 einem Beweisverwertungsverbot (16 Ok 5/13). 30 Beweisstücke betreffend nicht vom Zweck der Hausdurchsuchung umfasste Verstöße gegen das KartG oder die Art 101 f AEUV, sogenannte Zufallsfunde, können allerdings für die Einleitung eines neuen Verfahrens verwendet werden (vgl etwa 16 Ok 10/15d). Die gezielte Suche nach Zufallsfunden ist aber unstatthaft (vgl EuGH 18.6.2015, C-538/13, Deutsche Bahn).
XI. Widerspruch gegen Einsichtnahme 31 Widerspricht ein von einer Hausdurchsuchung Betroffener der Einsichtnahme (oder Beschlagnahme) bestimmter Unterlagen unter Berufung auf eine ihn treffende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit oder ein ihm zustehendes Recht zur Verweigerung der Aussage (vgl § 157 Abs 1 Z 2 bis 4 StPO), sind diese Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern (zu versiegeln, vgl 16 Ok 2/14) und dem KartGer vorzulegen (§ 12 Abs 5). In einer Rechtsanwaltskanzlei aufbewahrte Beweismittel sind von diesem Schutz nicht umfasst (vgl EB 2012, § 12). Diese Bestimmung bezieht sich nur auf den Fall, dass die Durchsuchung vom Adressaten des Hausdurchsuchungsbefehls nicht gestattet wird. Hat die BWB einmal Einsicht in die Unterlagen genommen, Kopien ange754
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fertigt und dgl und die Hausdurchsuchung beendet, kommt ein Antrag auf Versiegelung nicht mehr in Betracht dies unabhängig davon, ob tatsächlich jedes Dokument angesehen wurde (16 Ok 2/12). Das KartGer hat die Unterlagen zu sichten und mit Beschluss des Se- 32 natsvorsitzenden zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie von der BWB eingesehen und von dieser Abschriften und Auszüge angefertigt werden dürfen, oder ob sie dem Betroffenen zurückzustellen sind. Die Sichtung und Prüfung durch das KartGer beschränkt sich auf Unterlagen, für die einer der in Abs 5 angeführten Versiegelungsgründe vorliegt. Dagegen ist es nicht Aufgabe des KartGer, die Beweisrelevanz von Unterlagen oder Daten zu beurteilen. Selbst wenn die „Erforderlichkeit“ einzelner Maßnahmen iSv § 11a Abs 1 zweifelhaft ist, ergibt sich daraus kein Anspruch des Betroffenen auf Versiegelung (vgl 16 Ok 2/14). Gegen Beschluss der KartGer kann ein Rekurs eingebracht werden, dem keine aufschiebende Wirkung zukommt (16 Ok 2/12). Soweit eine Bezeichnung einzelner Unterlagen im Zuge der Haus- 33 durchsuchung nicht möglich ist, weil diese dadurch in unverhältnismäßiger Weise verzögert würde, sind gem Abs 6 auf Verlangen des Betroffenen Kategorien von Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme zu sichern und bei der BWB getrennt vom Ermittlungsakt zu hinterlegen. Ob die Bezeichnung einzelner Unterlagen sofort an Ort und Stelle oder später bei der BWB stattfinden soll entscheidet die BWB (vgl EB 2012). Diese Vorgangsweise kann vor allem bei elektronischen Datenträgern, auf denen eine Vielzahl unterschiedlicher Dokumente gespeichert ist, eine Rolle spielen (vgl EB 2012). Die vom Betroffenen fristgerecht einzeln bezeichneten Unterlagen sind iSv § 12 Abs 5 vom Senatsvorsitzenden zu sichten, der über deren Ausfolgung zu entscheiden hat. Dieser Beschluss ist mit Rekurs bekämpfbar.
XII. Beschwerde an das BVwG Wird der Hausdurchsuchungsbefehl überschritten, kann nur einge- 34 schränkt Beschwerde an das BVwG erhoben werden (vgl VfGH 1.12.2012, B 619/12). Der Auftragszusammenhang des Vollzugshandelns der BWB mit der Justiz wird nämlich nur durch solche Maßnahmen durchbrochen, die ihrem Inhalt und Umfang nach in der gerichtlichen Anordnung keine Deckung mehr finden. Eine Hausdurchsuchung 755
§ 12 WettbGGugerbauer aufgrund gerichtlicher Anordnung bleibt somit gleichwohl der Akt eines Gerichtes und ist deshalb der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung entzogen, wenn bei Durchführung der gerichtlichen Anordnung eine Gesetzwidrigkeit (zB die unterlassene Zustellung des Hausdurchsuchungsbefehls oder die unterlassene Befragung des Betroffenen vor Beginn der Hausdurchsuchung) unterläuft. Auch wenn Aufzeichnungen und Unterlagen beschlagnahmt werden, deren Zusammenhang mit dem erklärten Zweck der Hausdurchsuchung (lediglich) in Zweifel gezogen werden könnte, stellt sich die Beschlagnahme dennoch als Durchführung des kartellgerichtlichen Befehls dar (vgl VwGH 12.9.2013, 2013/04/0005; VfGH 27.11.1987, B 4/87, B 5/87). 35 Die Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen eine Hausdurchsuchung erfolgt, sind keine vor dem BVwG selbständig bekämpfbaren Maßnahmen. Bei einer auf Grund eines richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchung ist auch die Vorgangsweise bei Durchsetzung des Hausdurchsuchungsbefehls dem Gericht zuzurechnen. Diese Grundsätze gelten – wie der VwGH im Hinblick auf den Beschluss des OGH vom 6. Juni 2012, 16 Ok 2/12, ausdrücklich festgehalten hat – auch für Hausdurchsuchungen nach § 12 WettbG. Demnach kommt eine Überprüfung der Vorgangsweise der BWB anlässlich einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung durch das BVwG (nach Art 130 Abs 1 Z 2 iVm Art 131 Abs 2 B-VG), aufgrund einer Maßnahmenbeschwerde nur in Betracht, soweit es zu einer offenkundigen Überschreitung des richterlichen Befehls („Exzess“) gekommen ist (vgl VwGH, 12.9.2013, 2013/04/0005; VfGH vom 1.12.2012, B 619/12; VfGH vom 01.12.2012, B 619/12). der OGH hatte in 16 Ok 2/12 ausgeführt, dass eine gerichtliche Überprüfung der tatsächlichen Vorgangsweise der BWB bei der Durchführung einer Hausdurchsuchung als einer vewaltungspolizeilichen Maßnahme nicht in Betracht kommt). 36 Eine analoge Anwendung von § 106 StPO kommt nicht in Betracht (16 Ok 2/12). Es bestehen auch verfassungsrechtlich keine Bedenken dagegen, dass das WettbG keine dem § 106 StPO vergleichbare Regelung vorsieht (vgl VfGH 6.6.2014, B 1284/2013-8). 37 Von einem die Zurechnung zur Gerichtsbarkeit ausschließenden Exzess ist auszugehen, wenn die gesetzte Maßnahme offenkundig keine Deckung in dem Beschluss des KartGer findet (vgl VwGH Zl 2013/04/0005, 2013/04/0049 bis 0053). Etwa dann, wenn sich die Haus756
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durchsuchung auf nicht vom kartellgerichtlichen Beschluss erfasste Orte oder Sachen erstreckt oder wenn Räume oder Behältnisse gewaltsam geöffnet werden, ohne vorher zu klären, ob andere Möglichkeiten bestehen (vgl VwGH 6.7.1999, Zl 96/01/0061). Der BWB sind damit Schranken gesetzt, jene Ermittlungsmethode auszuwählen, die den Voraussetzungen des Hausdurchsuchungsbefehls entspricht (vgl EB KaWeRÄG 2017).
XIII. Nachprüfungen mit der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission kann gem Art 337 AEUV Nachprü- 38 fungen (die weitgehend einer Hausdurchsuchung nach § 12 entsprechen) vornehmen, ein richterlicher Beschluss ist dann einzuholen, wenn die Kommission auf die Unterstützung einer nationalen Behörde zurückgreift. Die Nachprüfung muss erforderlich sein, dies ist dann der Fall, wenn sie notwendig ist, um einen von der Europäischen Kommission vermuteten Wettbewerbsverstoß feststellen zu können. Die Erforderlichkeit kann gem Art 263 AEUV vom EuGH bzw EuG überprüft werden. Ermittlungsmaßnahmen der Europäischen Kommission müssen sich darüber hinaus streng am Zweck der Ermittlungen orientieren, müssen verhältnismäßig, dürfen nicht überschießend sein. Als in Österreich für die Durchführung der Wettbewerbsregeln der EU 39 zuständige Behörde ist die BWB von der Europäischen Kommission rechtzeitig vor deren Beginn über eine Nachprüfung zu unterrichten (Art 20 Abs 3 VO 1/2003). Die Europäische Kommission kann eine Nachprüfung nur mit Einwilligung des Unternehmens durchführen, sie darf sich nicht selbst (gewaltsam) Zugang zu den Räumlichkeiten verschaffen (EuGH 21.9.1989, C-46/87, Hoechst/Kommission, Rz 31). Die Befugnisse der Mitarbeiter von Kommission und BWB richten sich nach Art 20 Abs 5 iVm Abs 2 VO 1/2003. Bei Gefahr der Widersetzung des betroffenen Unternehmens gegen die 40 Nachprüfung erlässt die Europäische Kommission eine Nachprüfungsentscheidung (Art 20 Abs 4 VO 1/2003), zuvor hat sie die BWB zu hören. Die BWB hat eine Anordnung des KartGer zu beantragen (vgl § 12 Abs 2). Der zuständige Senatsvorsitzende hat zu überprüfen, ob die Entscheidung der Europäischen Kommission echt ist, ob die Anord757
§ 12 WettbGGugerbauer nung der Nachprüfung durch die Kommission nicht willkürlich erfolgt ist, bzw gemessen am Gegenstand der angeordneten Nachprüfung nicht unverhältnismäßig ist (§ 12 Abs 2 dritter Satz). Eine Überprüfung der Notwendigkeit der Nachprüfung und der Sach- und Rechtserwägungen der Europäischen Kommission bleibt dagegen dem EuGH vorbehalten (Art 20 Abs 8 VO 1/2003). 41 Hinsichtlich einer allfälligen Willkürlichkeit ist zu überprüfen, ob „ernsthafte Indizien vorliegen, die für den Verdacht eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln durch das betroffene Unternehmen ausreichen“ (vgl EuGH 7.12.2002, C-94/00, Roquette Frères/DGCCRF, Rn 54). Das KartGer kann bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit sowohl von der Europäischen Kommission direkt wie auch über die BWB ausführliche Informationen zu den Gründen für die Nachprüfungsentscheidung sowie zur Schwere der Zuwiderhandlung und zur Art der Beteiligung des betroffenen Unternehmens anfordern. Das KartGer kann jedoch nicht die Übermittlung der in Akten der Kommission enthaltenen Informationen verlangen (Art 20 Abs 8 VO 1/2003; vgl auch EuGH 7.12.2002, C-94/00, Roquette Frères/DGCCRF, Rn 81).
XIV. Nachprüfung außerhalb von Betriebs räumlichkeiten 42 Art 21 Abs 3 VO 1/2003 sieht explizit vor, dass nicht in Betriebsräumlichkeiten stattfindenden Nachprüfungen nur mit vorheriger gerichtlicher Genehmigung durchgeführt werden dürfen, eine solche ist von der BWB beim KartGer zu beantragen (§ 12 Abs 2). Zusätzlich zu den Voraussetzungen für eine Nachprüfung iSd Art 20 Abs 4 VO 1/2003 muss ein begründeter Verdacht bestehen, dass sich Unterlagen in anderen Räumlichkeiten (etwa in Wohnungen), auf anderen Grundstücken oder in Transportmitteln befinden. Zudem muss es sich um einen schweren Verstoß gegen Art 101 oder 102 AEUV handeln. 43 Auch bei Nachprüfungen nach Art 21 VO 1/2003 beschränken sich die Befugnisse der Mitarbeiter von Kommission und BWB auf das Betretungsrecht, die Prüfung der Bücher und Geschäftsunterlagen und das Anfertigen von Abschriften (Art 21 Abs 4 iVm Art 20 Abs 12 lit a, b und c VO 1/2003). Weder für das Nichtdulden noch für die Nichtmitwirkung sind Geldbußen vorgesehen (vgl Art 23 VO 1/2003). 758
Hausdurchsuchung
§ 12 WettbG
XV. Nachprüfungen im Auftrag der Europäischen Kommission Auf Ersuchen der Europäischen Kommission hat die BWB Nachprü- 44 fungen durchführen um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 101 oder 102 AEUV vorliegt (Art 22 Abs 2 VO 1/2003, § 12 Abs 2). Dazu muss entweder ein schriftlicher Auftrag der Europäischen Kommission iSd Art 20 Abs 3 VO 1/2003, oder eine Entscheidung der Europäischen Kommission iSd Art 20 Abs 4 VO 1/2003 vorliegen. Die Befugnisse der Mitarbeiter der BWB (und sie allenfalls begleitender Mitarbeiter der Europäischen Kommission) richten sich nach nationalem Recht (Art 22 Abs 2 VO 1/2003). Nachprüfungsentscheidungen der Europäischen Kommission sind 45 beim EuGH anzufechten, die Anfechtung von Verfahrensmängeln beim Durchführen der Nachprüfung richtet sich hingegen nach nationalem Recht.
XVI. Hausdurchsuchung für Wettbewerbsbehörden eines anderen EU-Mitgliedsstaates Wettbewerbsbehörden eines EU-Mitgliedstaates können auf Ersuchen 46 der Wettbewerbsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates Hausdurchsuchungen durchführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 101 oder 102 AEUV vorliegt (vgl Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl 2004 C 101, Rn 29). Derartige Hausdurchsuchungen sind von der BWB auf Basis von § 3 Abs 1, § 12 Abs 1 iVm der VO 1/2003 vorzunehmen. Die Befugnisse und Verfahrensregeln richten sich ausschließlich nach nationalem Recht (Art 22 Abs 1 VO 1/2003). Umgekehrt kann auch die BWB eine Wettbewerbsbehörde einer anderen EU-Mitgliedsstaates um die Durchführung von Hausdurchsuchungen ersuchen.
759
§ 13 WettbGGugerbauer
Rechtliches Gehör § 13. (1) Sind einem von der Bundeswettbewerbsbehörde beabsichtigten Antrag auf Einleitung eines kartellgerichtlichen Verfahrens nach §§ 26, 27 oder 28 KartG 2005 Ermittlungen nach §§ 11, 11a oder 12 WettbG vorausgegangen, so ist dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben, von den Ermittlungsergebnissen Kenntnis und in angemessener Frist Stellung dazu zu nehmen. (2) Geben die im Hinblick auf eine Antragstellung der Bundeswettbewerbsbehörde durchgeführten Ermittlungen im Sinne des Abs. 1 keinen Anlass zu einer Antragstellung der Bundeswettbewerbsbehörde nach Abs. 1, ist dies dem Antragsgegner innerhalb angemessener Frist mitzuteilen. Übersicht
Rn I. Rechtliches Gehör................................................................................ 1–2 II. Bestätigung nach § 13 Abs 2............................................................... 3 III. Unionsrecht........................................................................................... 4
I. Rechtliches Gehör 1 Die BWB hat möglichen Antragsgegnern vor Stellung eines Antrags, der ein kartellgerichtliches Verfahrens nach § 26, 27 oder 28 KartG einleitet, die Möglichkeit einzuräumen, zu Ermittlungsergebnissen nach §§ 11, 11a oder 12 Stellung zu nehmen. Dies dient nicht zuletzt der Verfahrensökonomie. 2 Kein Anspruch auf rechtliches Gehör besteht vor Stellung eines Antrags auf die Verhängung von Geldbußen (§ 29 KartG) oder Zwangsgeldern (§ 35 KartG). Ein Recht auf Akteneinsicht bei der BWB steht ausschließlich dem BKAnw zu (§ 81 Abs 2 Z 3 KartG).
II. Bestätigung nach § 13 Abs 2 3
Ergeben die Ermittlungen der BWB nach §§ 11, § 11a und/oder 12 keine Grundlage für eine Antragstellung nach §§ 26, 27 oder 28, ist dem Unternehmen, gegen das sich die Ermittlungen gerichtet haben, innerhalb angemessener Frist mitzuteilen, dass unter Berücksichtigung der 760
Offenlegung von Beweismitteln
§ 13a WettbG
bekannten Sachlage kein Antrag (auf Geldbuße) beim KartGer eingebracht wird. Im Zusammenhang mit einem von einem Unternehmen an die BWB in eigener Sache herangetragenen Ersuchen, einen bestimmten Vorgang oder ein bestimmtes Verhalten auf seine Wettbewerbsrechtskonformität zu überprüfen, besteht ein derartiger Anspruch aber nicht.
III. Unionsrecht Die Feststellung der Nichtanwendbarkeit der Art 101 und Art 102 4 AEUV steht ausschließlich der Europäischen Kommission, und dies nur aus Gründen des öffentlichen Interesses, zu (vgl Art 10 VO 1/2003). Eine Mitteilung nach § 13 Abs 2 stellt im Anwendungsbereich von Art 101 und 102 AEUV weder eine Bestätigung der Rechtsmäßigkeit des betreffenden Verhaltens dar, noch ist damit eine Bindungswirkung gegenüber anderen Rechtsanwendern geschaffen.
Offenlegung von Beweismitteln der Bundeswettbewerbsbehörde in Schadenersatz verfahren § 13a. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde darf nur auf Anordnung
der nationalen Gerichte und erst nach Beendigung eines Verfahrens wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen durch Erlass einer Entscheidung oder in anderer Weise folgende Kategorien von Beweismitteln offenlegen: 1. Informationen, die von einer natürlichen oder juristischen Person eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt wurden, 2. Informationen, die sie im Laufe ihrer Ermittlungen erstellt und den Parteien übermittelt hat sowie 3. Vergleichsausführungen, die zurückgezogen wurden. Mit der ersten nach außen tretenden Ermittlungshandlung der Bundeswettbewerbsbehörde gegenüber einem Unternehmer oder einer Unternehmervereinigung gilt ein Verfahren als eingeleitet. (2) Die Bundeswettbewerbsbehörde muss Beweismittel, die in den Akten der Bundeswettbewerbsbehörde enthalten sind, auf Anordnung eines nationalen Gerichts nur dann offenlegen, wenn die 761
§ 13b WettbGGugerbauer Beweismittel nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder von Dritten erlangt werden können. Interne Schriftstücke der Bundeswettbewerbsbehörde und der Schriftverkehr zwischen den Wettbewerbsbehörden sowie zwischen Wettbewerbsbehörden und Strafverfolgungsbehörden sind zu keinem Zeitpunkt offen zu legen. (3) Die Bundeswettbewerbsbehörde legt zu keinem Zeitpunkt Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen offen. 1 In Abs 1 sind jene Beweismittel aufgelistet, die von der BWB auf Ersuchen eines Gerichts erst nach Beendigung eines Verfahrens offengelegt werden dürfen. Daher ist auf das Anhörungsrecht nach § 37j Abs 2 zu achten. 2 In Abs 2 wird geregelt, dass die BWB Beweismittel, die in ihren Akten enthalten sind, nur dann offenlegen muss, wenn diese nicht mit zumutbarem Aufwand anders erlangt werden können. Außerdem wird klargestellt, dass interne Schriftstücke der BWB und der Schriftverkehr zwischen den Wettbewerbsbehörden sowie zwischen Wettbewerbsbehörden und Strafverfolgungsbehörden nicht offen zu legen sind. Damit wird eine effektive Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des ECN (Europäischen Netzes der Wettbewerbsbehörden) gewährleistet, um für eine wirksame Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen in der Europäischen Union zu sorgen (vgl EB RV KaWeRÄG 2017). 3 In Abs 3 sind jene Beweismittelarten als „schwarze Liste“ aufgelistet, die zu keinem Zeitpunkt offengelegt werden dürfen.
Kooperation der Bundeswettbewerbsbehörde in Schadenersatzverfahren § 13b. Die Bundeswettbewerbsbehörde kann auf Ersuchen eines
nationalen Gerichts eine Stellungnahme im Rahmen eines Schadenersatzverfahrens nach §§ 37a ff. KartG 2005 abgeben, wenn die Bundeswettbewerbsbehörde dies für angebracht hält.
1 Es liegt im Ermessen der BWB, ob sie einem Gericht auf dessen Ersuchen bei der Festlegung der Höhe eines Schadenersatzes im Zusammenhang mit einer Kartellrechtsverletzung behilflich ist. Der absolute 762
Heranziehung der Organe
§ 14 WettbG
Schutz von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen soll nicht umgangen werden können, indem zB Mitarbeiter der BWB vor Gericht als Zeugen geladen werden. Die BWB braucht nicht zu begründen, warum sie gegebenenfalls keine Stellungnahme abgibt (vgl EB RV KaWeRÄG 2017).
Heranziehung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes § 14. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben der Bundeswettbewerbsbehörde über deren Ersuchen zur Sicherung der Ermittlungen und Hausdurchsuchungen (§§ 11a und 12) im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten. (2) Im Rahmen einer Hausdurchsuchung der Bundeswettbewerbsbehörde sind die gemäß Abs. 1 hilfeleistenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch ermächtigt, die Bundeswettbewerbsbehörde durch die Sicherung von Unterlagen in elektronischer Form zu unterstützen. (3) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte sind berechtigt, der Bundeswettbewerbsbehörde über nach der Strafprozessordnung ermittelte personenbezogene Daten Auskünfte zu erteilen, die für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben, insbesondere die Durchsetzung des Kartellverbotes gemäß § 1 KartG 2005 und Art. 101 AEUV, relevant sind. Öffentliche Sicherheitsdienste assistieren vor allem bei Hausdurchsu- 1 chungen. Dazu gehört die Öffnung (notfalls das Aufbrechen) von vom Hausdurchsuchungsbefehl erfassten Räumen und Behältnissen und die Abnahme von Datenträgern (erforderlichenfalls mit Gewalt). Behindern anwesende Personen die Amtshandlung durch Gewalt oder 2 Drohung kann durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sogar eine Festnahme gem §§ 171 Abs 2 Z 1, 170 Abs 1 Z 1 StPO ausgesprochen werden. Etwa dann, wenn Mitarbeitern der BWB in Beschlag genommene Gegenstände (zB Datenträger) unter Anwendung von Körperkraft wieder aus der Hand gerissen werden.
763
§ 15 WettbGGugerbauer
Vertretung § 15. (1) In Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Bundesgesetz ist die Bundeswettbewerbsbehörde berechtigt, vor allen Behörden und Gerichten selbst aufzutreten, sofern nicht die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist. (2) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann mit ihrer Vertretung auch die Finanzprokuratur oder einen Rechtsanwalt betrauen.
Wettbewerbskommission § 16. (1) Bei der Bundeswettbewerbsbehörde ist eine Wettbewerbs-
kommission (Kommission) als beratendes Organ einzurichten. Diese erstattet im Auftrag der Bundeswettbewerbsbehörde oder des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit Gutachten über allgemeine wettbewerbspolitische Fragestellungen und kann Empfehlungen zu angemeldeten Zusammenschlüssen (§ 17) abgeben. Für die Erstattung von Gutachten ist von der beauftragenden Stelle eine angemessene Frist zu setzen. Des Weiteren legt die Kommission der Bundeswettbewerbsbehörde jährlich bis 1. Oktober Vorschläge für Schwerpunkte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im folgenden Kalenderjahr vor. (2) Die Kommission besteht aus acht Mitgliedern, die über besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müssen. Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen. Mitglied (Ersatzmitglied) der Kommission kann nicht sein, wer fachkundiger Laienrichter des Kartellgerichts oder des Kartellobergerichts ist. Die Kommission wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden. (3) Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Kommission werden vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit auf die Dauer von vier Jahren berufen. Scheidet ein Mitglied (Ersatzmitglied) vorzeitig aus, so ist für seine restliche Funktionsperiode ein neues Mitglied (Ersatzmitglied) zu bestellen. Je ein Mitglied (Ersatzmitglied) wird auf Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes sowie der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs ernannt. Wiederbestellungen sind zulässig. 764
Wettbewerbskommission
§ 16 WettbG
(4) Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) sind auf ihr Ersuchen durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ihres Amtes zu entheben, ebenso auch auf Antrag der Stelle, die sie vorgeschlagen hat. Im Übrigen ist für die Amtsenthebung der Mitglieder (Ersatzmitglieder) § 7 Abs. 5 sinngemäß anzuwenden. (5) Die Mitglieder der Kommission sind bei Ausübung ihrer Tätigkeit an keine Weisungen gebunden und zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. (6) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat nach Anhörung der Kommission durch Verordnung eine Geschäftsordnung zu erlassen, die insbesondere die Wahl des Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter, die Einberufung, die Meinungsbildung und die Arbeitsweise der Kommission in der Vollversammlung bzw. in Senaten regelt. Die Beschlüsse der Kommission werden mit Stimmenmehrheit gefasst, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden; die Einberufung hat durch den Vorsitzenden zu erfolgen. Dieser hat die Kommission einzuberufen, wenn dies zwei oder mehr Mitglieder verlangen. In Angelegenheiten der Zusammenschlusskontrolle (§ 17) kann jedes Mitglied die Einberufung der Wettbewerbskommission verlangen. Der Vorsitzende hat daraufhin binnen einer Woche eine Sitzung anzuberaumen. Auf Verlangen eines Kommissionsmitgliedes hat die Kommission eine schriftliche Empfehlung hinsichtlich der Stellung eines Antrages auf Prüfung eines angemeldeten Zusammenschlusses an die Bundeswettbewerbsbehörde abzugeben. Der Generaldirektor für Wettbewerb, sein Stellvertreter oder in Vertretung des Generaldirektors ein von ihm namhaft gemachter Mitarbeiter der Bundeswettbewerbsbehörde ist berechtigt, an den Sitzungen ohne Stimmrecht teilzunehmen. (7) Die Mitglieder der Kommission erhalten eine pauschale Entschädigung, bei deren Bemessung Anzahl und Dauer der Sitzungen, Anreisekosten sowie Zeitaufwand angemessen zu berücksichtigen sind. Diese wird vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit festgesetzt. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stellt der Kommission die notwendigen Mittel zur Verfügung. In den Erläuternden Bemerkungen zu der Regierungsvorlage der 1 KartG-Nov 2002 wurde ausgeführt, dass die organisationsrechtlichen Bestimmungen für die Wettbewerbskommission internationalen Vorbildern, zB dem der deutschen Monopolkommission, entsprechen würden. Um ein breites Spektrum von Experten sicherzustellen, sollten 765
§ 17 WettbGGugerbauer anerkannte, unabhängige Fachleute zu Mitgliedern der Wettbewerbskommission bestellt werden können (RV 1005 Blg NR 21. GP). 2 2) Mitglieder der deutschen Monopolkommission dürfen weder dem öffentlichen Dienst des Bundes, eines Landes oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts angehören, es sei denn als Hochschullehrer oder als Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Instituts, sie dürfen auch weder einen Wirtschaftsverband noch eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation repräsentieren oder zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. 3 Für die vom 1. Juli 2014 bis 30. Juni 2018 dauernde Funktionsperiode der Wettbewerbskommission wurde je eines der insgesamt acht Mitglieder auf Vorschlag der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Wirtschaftskammer Österreich, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes berufen, ein weiteres Mitglied ist Konsulent der Vereinigung der Österreichischen Industrie, eines wissenschaftlicher Mitarbeiter des Österreichischen Instituts für Wirtschafsforschung (das wesentlich von den Sozialpartnerorganisationen getragen und finanziert wird), eines Senior Lecturer (ein überwiegend in der Lehre eingesetzter wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität) und eines Universitätsprofessor.
Mitwirkung der Wettbewerbskommission in Angelegenheiten der Zusammenschluss kontrolle § 17. (1) Die Wettbewerbskommission ist berechtigt, gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde zu angemeldeten Zusammenschlüssen eine begründete schriftliche Empfehlung hinsichtlich der Stellung eines Antrages auf Prüfung eines angemeldeten Zusammenschlusses abzugeben. Diese muss bis spätestens eine Woche vor Ablauf der für die Stellung eines Prüfungsantrages vorgesehenen Frist bei der Bundeswettbewerbsbehörde einlangen. (2) Zur Erfüllung der Aufgaben im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle ist jedem Mitglied der Wettbewerbskommission auf Verlangen Einsicht in die Anmeldeunterlagen zu gewähren und auf Verlangen Abschriften davon zur Verfügung zu stellen. 766
Sprachliche Gleichbehandlung
§ 18 WettbG
(3) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist berechtigt, der Wettbewerbskommission die Gelegenheit zur Abgabe einer Empfehlung nach Abs. 1 zu geben. (4) Stellt die Bundeswettbewerbsbehörde entgegen einer rechtzeitig eingebrachten Empfehlung der Kommission nach Abs. 1 keinen Prüfungsantrag, sind der Kommission die dafür maßgeblichen Gründe ehestmöglich mitzuteilen. Diese sowie die Empfehlung der Wettbewerbskommission sind unter Wahrung gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten auf der Homepage der Bundeswettbewerbsbehörde umgehend nach Ablauf der Prüfungsfrist zu veröffentlichen. (5) Die Empfehlung der Kommission samt der Mitteilung der Gründe der Bundeswettbewerbsbehörde nach Abs. 4 sind im Bericht nach § 2 Abs. 4 unter Wahrung gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten aufzunehmen. (6) Unbeschadet anderer gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten dürfen in Anwendung des § 17 erlangte Kenntnisse ausschließlich zu dem Zweck der Abgabe einer Empfehlung im Sinne des Abs. 1 verwendet werden. Die Wettbewerbskommission ist berechtigt, gegenüber der BWB hin- 1 sichtlich eines angemeldeten Zusammenschlusses eine begründete schriftliche Empfehlung abzugeben, einen Antrag auf Prüfung dieses Zusammenschlusses zu stellen. In diesem Zusammenhang ist jedem Mitglied der Wettbewerbskommission Akteneinsicht zu gewähren. ISv Abs 2 endet das Recht auf Akteneinsicht mit Ablauf der Frist, innerhalb derer eine Empfehlung abgegeben werden kann, also eine Woche vor Ablauf der für die Stellung eines Prüfungsantrags vorgesehenen Frist. Eine Empfehlung der Wettbewerbskommission ist im Hinblick auf die 2 Unabhängigkeit der BWB nicht bindend. Wurde einer Empfehlung, einen Prüfungsantrag zu stellen, nicht gefolgt, sind der Kommission die Gründe ehestmöglich mitzuteilen.
Sprachliche Gleichbehandlung § 18. Soweit in diesem Bundesgesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden. 767
§ 19 WettbGGugerbauer
Verweisungen § 19. Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird und nichts abweichendes bestimmt ist, beziehen sich diese Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung.
Vollziehung § 20. (1) Mit der Vollziehung
1. des § 14 ist der Bundesminister für Inneres, 2. der §§ 11 und 12 je nach ihrem Zuständigkeitsbereich der Bundesminister für Justiz und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und 3. der übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit – und zwar hinsichtlich des § 3 Abs. 2 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie – betraut. (2) Sofern in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, entscheidet die Bundeswettbewerbsbehörde in den Fällen, in denen sie zur Bescheiderlassung zuständig ist, in oberster Instanz und unterliegen ihre Bescheide nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.
Inkrafttreten § 21. (1) Dieses Bundesgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2005 tritt am 1. Jänner 2006 in Kraft. (2) Dieses Bundesgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/2006 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. (3) § 11 Abs. 3 bis 5 ist auch auf Sachverhalte anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 2006 verwirklicht wurden und den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen § 18 KartG 1988, BGBl. Nr. 600/1988, begründen. (4) Die Anordnung einer Hausdurchsuchung gemäß § 12 Abs. 1 hat auch bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen §§ 18 und 35 KartG 1988, BGBl. Nr. 600/1988, der 768
Inkrafttreten
§ 21 WettbG
Sachverhalte betrifft, die vor dem 1. Jänner 2006 verwirklicht wurden, zu erfolgen. (5) § 1 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 lit. b, § 2 Abs. 1 Z 6 bis 8, § 2 Abs. 4, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Z 3, § 5, § 10 Abs. 1, § 10b Abs. 1 und 2, § 11 Abs. 3 bis 7, § 11a Abs. 1 Z 3, § 11a Abs. 3 bis 9 § 12 Abs. 1, § 12 Abs. 4 bis 6, § 14 Abs. 1 bis 3, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 20 Abs. 2, die Überschrift zu § 21 und § 21 Abs. 3 bis 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2013 treten mit 1. März 2013 in Kraft. (6) § 11a Abs. 3 und § 11a Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 129/2013 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft. § 11a Abs. 7 tritt mit 1.1.2014 außer Kraft. (7) Der § 13 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 56/2017 gilt für alle Verfahren, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes eingeleitet wurden. Mit Abs 7 wird klargestellt, dass die Änderung im § 13 Abs 2 nur für 1 Ermittlungen gilt, die nach Inkrafttreten des KaWeRÄG 2017 eingeleitet wurden. Die Änderungen im § 13a und § 13b gelten nicht für bereits anhängige Verfahren, sondern nur für Schadenersatz-Verfahren, die erst nach dem Inkrafttreten dieser Novelle eingebracht werden (s Art I §§ 37k und 37l iVm § 86 Abs 9 dritter Satz).
769
770
Nahversorgungsgesetz (Bundesgesetz vom 29. Juni 1977 zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. Nr. 392/1977 idF BGBl. I Nr. 56/2017)
Kaufmännisches Wohlverhalten § 1. (1) Verhaltensweisen von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr untereinander können untersagt werden, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. (2) Solche Verhaltensweisen sind insbesondere das Anbieten oder Fordern, Gewähren oder Annehmen von Geld oder sonstiger Leistungen, auch von Rabatten, Sonderkonditionen, besonderen Ausstattungen, Rücknahmeverpflichtungen oder Haftungsübernahmen, zwischen Lieferanten und Wiederverkäufern, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, vor allem, wenn zusätzlichen Leistungen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen. Übersicht
Rn I. Ungleichgewichte in der Lieferkette................................................. 1–4 II. Tatbestand............................................................................................. 5–8 III. Wohlverhaltenskatalog........................................................................ 9–10 IV. Keine entsprechende Gegenleistung................................................. 11–12 V. Rabatte, Sonderkonditionen, Verpflichtungen............................... 13–16 VI. Auswirkungsprinzip............................................................................ 17
I. Ungleichgewichte in der Lieferkette Zahlreiche Initiativen auf EU-Ebene betonen im Zusammenhang mit 1 Ungleichgewichten im Bereich der Lieferkette Handlungsbedarf (vgl etwa Mitteilung der Europäischen Kommission „Gegen unlautere Handelspraktiken zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette“, 15.7.2014, COM[2014] 472 final; Bericht der Europäischen Kommission über unlautere Handelspraktiken zwischen Unter771
§ 1 NVGGugerbauer nehmen in der Lebensmittelversorgungskette, 29.1.2016 COM[2016] 32 final; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2013 zu dem Europäischen Aktionsplan für den Einzelhandel zum Nutzen aller Beteiligten [2013/2093,INI]; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Januar 2014 zur Nahrungsmittelkrise, Betrug in der Nahrungskette und die entsprechende Kontrolle [2013/2091,INI]; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2016 zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette, 2015/2065[INI]). 2 In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2016 zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette (2015/2065[INI]) werden (ähnlich wie in den „Grundsätzen für vorbildliche Verfahren“ [Vertikale Beziehungen in der Lebensmittelversorgungskette] im Rahmen der Supply Chain Initiative der Europäischen Kommission) insbesondere folgende unlautere Handelspraktiken aufgelistet: verspätete Zahlungen; einseitige oder rückwirkende Änderungen von Vertragsbedingungen; die Bereitstellung unzureichender oder mehrdeutig formulierter Informationen über Vertragsbedingungen; die Verweigerung schriftlicher Verträge; die plötzliche und unbegründete Auflösung von Verträgen; die unlautere Übertragung des kommerziellen Risikos; Zahlungsforderungen für Güter oder Dienstleistungen, die für eine der Vertragsparteien wertlos sind; die Verrechnung von Kosten für fiktive Dienstleistungen; die Abwälzung der Transport- und Lagerhaltungskosten auf die Lieferanten; die erzwungene Teilnahme an Werbemaßnahmen; die Erhebung von Gebühren für die Platzierung von Waren an exponierten Stellen in Geschäften; die Abwälzung der Kosten für Produktwerbung in Verkaufsräumen auf die Lieferanten; die Verpflichtung zur bedingungslosen Rücknahme nicht verkaufter Waren. Darüber hinaus wurde in der zitierten Entschließung betont, dass die Eigenmarken des Handels mit Herstellermarken in einem horizontalen Wettbewerb stehen würden, eine Dimension, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. 3 Insbesondere KMUs sind häufig mit einem stärkeren Geschäftspartner konfrontiert und gezwungen, Konditionen zu akzeptieren, die einem leistungsgerechten Wettbewerb hinderlich sind. Oft können KMUs diesen Forderungen nicht standhalten und als Konsequenz werden einzelne Produkte oder ganze Produktgruppen aus dem Sortiment genommen oder die KMU scheiden überhaupt aus dem Markt aus. Dies 772
Kaufmännisches Wohlverhalten
§ 1 NVG
bedeutet aber auf ihrer Marktseite eine höhere Konzentration, welche langfristig für den Wettbewerb schädlich ist. Letztlich hat das Ausscheiden von KMUs auch negative Arbeitsplatzeffekte (vgl EB KaWeRÄG 2017). Der österreichische Gesetzgeber hat diese Probleme schon früh er- 4 kannt, durch das NVG wurde auch relative Marktmacht aufgegriffen. In § 1 ist im Sinne des kaufmännischen Wohlverhaltens normiert, dass Verhaltensweisen von Unternehmen untersagt werden können, die den leistungsgerechten Wettbewerb gefährden. Dass die Vollziehung dieser Bestimmungen oft schwierig ist, mag einerseits an mangelnder Klarstellung liegen, andererseits auch am in europäischen Initiativen beschriebenen Angstfaktor des wirtschaftlich unterlegenen Geschäftspartners (vgl EB KaWeRÄG 2017).
II. Tatbestand § 1 NVG erfasst (als Auffangtatbestand) alle Verhaltensweisen, die 5 geeignet sind, leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. Gem Abs 2 betrifft dies im Verhältnis zwischen Lieferanten und Wiederverkäufern insbesondere das Anbieten oder Gewähren, wie auch das Annehmen oder Fordern von zusätzlichen Leistungen, Rabatten oder Sonderkonditionen, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung geben würde. Nicht nur der Verursacher eines iSv § 1 NVG wettbewerbswidrigen Verhaltens, sondern auch das betroffene Unternehmen der Marktgegenseite ist Normadressat des Unterlassungsgebots. Erfasst werden alle Unternehmer iSd KartG. Geschäftsbeziehungen mit Endverbrauchern bleiben unberührt. Wie auch die Missbrauchskontrolle im KartG umfasst § 1 NVG Waren und Dienstleistungen gleichermaßen. Die Eignung einer Verhaltensweise, leistungsgerechten Wettbewerb zu 6 gefährden, muss zumindest abstrakt und objektiv – also nachprüfbar – gegeben sein (Rechtsfrage). Der Nachweis einer schädigenden Absicht ist nicht erforderlich. Wettbewerbswidrige Verhaltensweisen werden dann erfasst, wenn sie „im geschäftlichen Verkehr“ stattfinden. Dazu gehört jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit. Eine Gewinnabsicht ist nicht erforderlich. Es soll vor allem verhindert werden, dass (nachfragestarke) Wiederver- 7 käufer Druck auf ihre Lieferanten ausüben und dadurch den leistungs773
§ 1 NVGGugerbauer gerechten Wettbewerb zwischen Unternehmen verschiedener Größenordnung stören oder verzerren (4 Ob 361/79). Die Aufrechterhaltung leistungsgerechten Wettbewerbs wird durch ein Machtgefälle zwischen Lieferant und Wiederverkäufer gefährdet. Marktbeherrschung iSv § 4 KartG ist – anders als bei § 5 KartG – keine Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des NVG (16 Ok 3/08). Aber je stärker die Marktmacht im Einzelfall ist und je weniger Ausweichmöglichkeiten für die Marktgegenseite bestehen, desto eher wird das belangte Unternehmen zur Rücksichtnahme auf andere Marktteilnehmer verpflichtet sein (vgl 4 Ob 34/01f). 8 Eine Untersagung nach Abs 2 kann nur bei Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes erfolgen. Dazu ist eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Zielsetzung des NVG vorzunehmen. Der Schutz leistungsgerechten Wettbewerbs zielt auf die Erhaltung eines bestimmten Wettbewerbsbestands ab, der durch die Existenz zahlreicher mittlerer und kleinerer Unternehmen gekennzeichnet ist (vgl 4 Ob 210/02i; 16 Ok 3/08).
III. Wohlverhaltenskatalog 9 Zur Konkretisierung des kaufmännischen Wohlverhaltens gibt es eine Liste der WKÖ, die Verhaltensweisen enthält, welche nach der Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden (vgl ÖBl 1977, 150). Dazu zählen etwa Leistungen ohne Gegenleistung (Investitionszuschüsse, Einrichtungszuschüsse, Werbekostenzuschüsse etc), Funktionsrabatte, ohne dass der betreffende Abnehmer die Funktion tatsächlich erfüllt, die Vermietung von Verkaufsflächen und Regalen an den Lieferanten, die Forderung nach Nichtbelieferung von Mitbewerbern des Händlers unter Androhung des Geschäftsabbruchs, die Forderung nach ausschließlicher Belieferung über die Vertragstransportfirmen des Händlers oder der Verkauf unter dem Einstandspreis. 10 Der Wohlverhaltenskatalog kann lediglich als Auslegungshilfe für einen Verstoß nach § 1 NVG herangezogen werden (4 Ob 360/82). Für einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung (§ 7 Abs 4 NVG) ist der Nachweis einer Verletzung des Wohlverhaltenskatalogs zur Bescheinigung des Sachverhalts jedoch bis zur Gegenbescheinigung ausreichend (Okt 1/89). 774
Kaufmännisches Wohlverhalten
§ 1 NVG
IV. Keine entsprechende Gegenleistung Zusätzliche Leistungen des Lieferanten sind gem § 1 Abs 2 NVG insbe- 11 sondere dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn ihnen keine oder keine entsprechende Gegenleistung des Wiederverkäufers gegenübersteht. Die Angemessenheit einer Gegenleistung ist nach dem Marktwert der erbrachten Leistung und nicht nach den Selbstkosten des Leistungserbringers zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob die zusätzliche Leistung des Lieferanten aufgrund der Menge der abgenommenen Waren oder Leistungen, der übernommenen Funktionen oder Serviceleistungen des Wiederverkäufers oder anderer betriebswirtschaftlich kalkulierbarer Gegenleistungen des Wiederverkäufers gewährt wird. Fehlt für eine geleistete Zahlung jede Zweckbindung kann von einer entsprechenden Gegenleistung nicht die Rede sein (4 Ob 2365/96i). Die Aufnahme und Hervorhebung des Produkts eines Lieferanten in ei- 12 nem Werberundschreiben des Wiederverkäufers kann eine Beteiligung des Lieferanten an den Werbekosten rechtfertigt (4 Ob 360/82). Ein runder Geburtstag des Inhabers oder Geschäftsführers eines als Wiederverkäufer tätigen Unternehmens rechtfertigt dagegen keine Sonderzahlung. Im Einzelfall könnten Vereinbarungen über die Listung zusätzlicher Artikel, die Ausweitung bisheriger Aktionen oder die Eröffnung eines zusätzlichen Standorts eine Gegenleistung des Wiederverkäufers begründen (so etwa OLG Düsseldorf 18.11.2015, VI-Kart 6/14, EDEKA).
V. Rabatte, Sonderkonditionen, Verpflichtungen Das Fordern oder Gewähren von sachlich nicht gerechtfertigten Rabat- 13 ten oder Sonderkonditionen kann ebenfalls den Tatbestand des § 1 Abs 2 NVG erfüllen. Auf keine „echte“ Gegenleistung des Wiederverkäufers kommt es dabei nicht an, andernfalls könnte von einem Preisnachlass gar nicht gesprochen werden (4 Ob 104/90). Kostendeckende Konditionsunterschiede, etwa Mengen- oder Funktionsrabatte, sind grundsätzlich zulässig. Mit solchen Rabatten wird ja eine besondere wirtschaftliche Leistung vergütet, die der Abnehmer dem Lieferanten gegenüber erbringt (4 Ob 34/01f; 4 Ob 210/02i). Darüber hinaus sind die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung des Schutzes des leistungsgerechten Wettbewerbs abzuwägen. Beispielsweise kann ein Aktionsrabatt einem Wiederverkäufer ermöglichen, mit günstigen Preisangeboten besonders starker Konkurrenten mitzuhalten, dies 775
§ 1 NVGGugerbauer kann auch im Interesse des Lieferanten liegen, wenn er dadurch den Absatz seiner Produkte aufrechterhalten oder sogar erweitern kann (4 Ob 104/90). 14 Die durch das KaWeRÄG 2017 erfolgte Änderung bzw Ergänzung von Abs 2 stellt vor allem, auf aktuelle Handels-Praktiken ab. Der Wettbewerb in der Lieferkette hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend geändert. Händler wurden durch den stärkeren Einsatz von Eigen- bzw Händlermarken Wettbewerber des Produzenten. Dadurch werden die Ungleichgewichte in der Lieferkette weiter verschärft. Bei vertikalen Vereinbarungen ist fallspezifisch zu analysieren, zB welche Rolle die Vertragspartner ausüben, wie die Marktstruktur aussieht, ob Marktmacht vorliegt. Dies betrifft sowohl Kunden bzw Konsumenten, die einem marktmächtigen Verkäufer gegenüberstehen, wie auch Lieferanten – oftmals KMUs – die von einem starken Abnehmer abhängen. Das Verdrängen von kleinen Produzenten und Lieferanten führt zu wettbewerbspolitisch ungewollten Effekten, zB weniger Produktauswahl, weniger Innovation, Preissteigerungen aufgrund weiterer Konzentration im Zuliefermarkt und letztlich Arbeitsplatzverlusten (vgl EB KaWeRÄG 2017). 15 Die Ergänzung der Kriterien in Abs 2 durch das KaWeRÄG 2017 stellt klar, dass die Verpflichtung zu besonderer Ausstattung (zB im Bereich des KfZ-Handels), wie auch Rücknahmeverpflichtungen und Verpflichtungen zu Haftungsübernahmen in der Wertschöpfungskette untersagt werden können, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden (vgl EB KaWeRÄG 2017). 16 § 1 NVG soll einen fairen Ausgleich zwischen Leistung und Gegenleistung sichern. Dies dient dem Schutz von Lieferanten oder Abnehmern im Vertikalverhältnis. Bei dem Diskriminierungsverbot nach § 2 NVG steht neben dem Schutz von Lieferanten oder Abnehmern im Vertikalverhältnis der Schutz von Wettbewerbern eines Wiederverkäufers im Vordergrund.
VI. Auswirkungsprinzip 17 Analog zu dem Auswirkungsprinzip nach § 24 Abs. 2 KartG ist das NVG auf alle Sachverhalte anwendbar, die sich auf den österreichischen Markt auswirken, und zwar unabhängig davon, ob der Sachverhalt im In- oder Ausland verwirklicht wurde (vgl 16 Ok 3/08). 776
§ 2 NVG
§ 2. (1) Wer als Lieferant gewerberechtlich befugten Wiederverkäufern bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewährt oder anbietet, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (2) In gleicher Weise kann auch ein Wiederverkäufer in Anspruch genommen werden, der von Lieferanten sachlich nicht gerechtfertigte Bedingungen fordert oder annimmt. Das Diskriminierungsverbot nach § 2 NVG gilt grundsätzlich für jeden 1 Markteilnehmer (16 Ok 8/00). Gewerberechtlich befugte Wiederverkäufer werden auch dann erfasst, wenn sie die an sie gelieferten Waren in be- oder verarbeiteter Form weiterverkaufen (16 Ok 3/08). Aber auch Dienstleistungsbeziehungen sind von § 2 NVG erfasst (vgl 16 Ok 8/00). Marktbeherrschung des diskriminierenden Unternehmens wird (anders als nach § 5 KartG oder Art 102 AEUV) nicht vorausgesetzt (16 Ok 3/08). Dies ist aus Sicht des EU-Rechts nicht zu beanstanden. Gem Art 3 Abs 2 der VO (EG) 1/2003 steht es den EU-Mitgliedsstaaten frei, zur Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen strengere innerstaatliche Vorschriften zu erlassen. Das Diskriminierungsverbot zielt ausschließlich auf den Inhalt zu ver- 2 gleichender Verträge aber nicht darauf ab, ob ein Unternehmen bereit ist, mit allen Interessenten Lieferverträge abzuschließen (16 Ok 12/13). Aus § 2 NVG lässt sich kein Kontrahierungszwang ableiten. Aber auch das Gewähren gleicher Bedingungen bei unterschiedlichen Voraussetzungen kann einen Verstoß gegen § 2 NVG verwirklichen (16 Ok 1/10). Verpflichtet ein (nicht marktbeherrschender) Wiederverkäufer seinen 3 Lieferanten, dass dieser seine Waren oder Dienstleistungen an andere Abnehmer nicht zu günstigeren Preisen verkaufen darf (Bestpreisgarantie), wird auch von einer Meistbegünstigungsklausel gesprochen (vgl die Kommentierung zu § 1 KartG, Rn 98). Bestpreisgarantien sind nach § 2 NVG zulässig, wenn zwischen den Abnehmern gleiche Voraussetzungen vorliegen, sie können aber gegen § 1 KartG verstoßen (aaO). Ob gleiche Voraussetzungen iSv Abs 1 vorliegen, ist zunächst am Maß- 4 stab kostenrelevanter Unterschiede (etwa Abnahmemengen, Transportleistungen, Verpackung etc) zu beurteilen. Relevant kann auch die vom Abnehmer gebotene Abnahmesicherheit sein. Entscheidend für die Marktkonformität sind die Konditionen zum Zeitpunkt des Ver777
§ 3 NVGGugerbauer tragsabschlusses (16 Ok 1/10). Konditionen, die nicht gesetzt waren, sondern individuell ausverhandelt wurden, haben außer Acht zu bleiben (16 Ok 2/09 und 16 Ok 3/09). 5 Eine Begünstigung ist dann sachlich gerechtfertigt, wenn ihr eine wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Konditionsunterschiede gelten als sachlich gerechtfertigt, wenn sie Kostenvorteile widerspiegeln. Zudem können im Rahmen einer Interessenabwägung die Interessen des Lieferanten an einer betriebswirtschaftlichen Optimierung den Interessen des betroffenen Wiederverkäufers an einer Belieferung zu gleichen Konditionen zur Aufrechterhaltung seiner Konkurrenzfähigkeit gegenübergestellt werden (4 Ob 210/02i; 16 Ok 2/09 und 16 Ok 3/09). 6 So können etwa größere Abnahmemengen, Selbstabholung oder günstigere Zahlungsbedingungen günstigere Bedingungen rechtfertigen. Die Überlegung, eine Begünstigung eines Kunden sei notwendig, um ihn zu halten, begründet noch kein schutzwürdiges Interesse. Auch der Umstand, dass andere Lieferanten ähnlich diskriminierende Konditionen anbieten, ist bei der Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen (4 Ob 210/02i). 7 Schließlich muss die Begünstigung zur Erreichung des angestrebten Ziels sachgemäß und angemessen sein (Verhältnismäßigkeitsprüfung). Dh, dass sich jeder Marktteilnehmer auf das mildeste Mittel zu beschränken hat, das zur Erreichung des anstrebten Ziels noch geeignet ist (4 Ob 34/01f). In diesem Zusammenhang ist auch die konkrete Marktstärke des belangten Unternehmens zu würdigen. Mit zunehmender Marktmacht ist ein belangtes Unternehmen umso stärker zur Rücksichtnahme auf andere Marktteilnehmer verpflichtet (16 Ok 2/09 und 16 Ok 3/09).
§ 3. Verfahren nach §§ 1 und 2 dürfen vom Antragsgegner nicht zum Anlaß genommen werden, den von einer Verhaltensweise nach diesen Bestimmungen betroffenen Unternehmer von einer weiteren Belieferung oder Abnahme zu angemessenen Bedingungen auszuschließen. 1 Ein gegen §§ 1 oder 2 NVG verstoßender Vertragspartner darf die Einleitung eines kartellgerichtlichen Verfahrens nicht zum Anlass nehmen, 778
Sicherung der Nahversorgung und der Wettbewerbsfähigkeit
§ 4 NVG
die Vertragsbeziehungen zu einem Unternehmen, auf dessen Beschwerde das Verfahren (mit) zurückgeht, abzubrechen. Untersagt wird der Ausschluss einer „weiteren“ Belieferung oder Abnahme, mit anderen Worten wird eine bereits bestehende (unbefristete) Geschäftsbeziehung vorausgesetzt. Im Effekt führt dies zu einem eingeschränkten Kontrahierungszwang (vgl § 6 KartG). Auf potentielle Vertragspartner oder Vertragspartner nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer ist § 3 NVG nicht anwendbar. Untersagt ist aber nicht nur eine „Sperre“, sondern auch eine Beliefe- 2 rung oder Abnahme zu unangemessenen Bedingungen. Die Angemessenheit ist nach den marktüblichen oder ursprünglich vereinbarten Preisen und Konditionen zu beurteilen (beweispflichtig ist das betroffene Unternehmen). § 3 NVG setzt voraus, dass bereits ein Verfahren wegen eines Verstoßes 3 nach §§ 1 oder 2 NVG eingeleitet wurde. Entscheidend ist, ob das geschützte Unternehmen den Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben hat, nicht ob der Antrag an das KartGer von dem betroffenen Unternehmen selbst eingebracht wurde. Nach § 7 Abs 4 NVG kann die Erlassung einer Einstweiligen Verfü- 4 gung beantragt werden, wenn das betroffene Unternehmen mit einem unwiederbringlichen Schaden rechnen.
Sicherung der Nahversorgung und der Wettbewerbsfähigkeit § 4. (1) Unternehmer sind, soweit in anderen Rechtsvorschriften nichts Gegenteiliges bestimmt ist, insbesondere bei der Auswahl der Letztverkäufer frei. Unternehmer, die üblicherweise an Letztverkäufer liefern, können zum Vertragsabschluß verpflichtet werden, wenn durch die Nichtbelieferung eines Letztverkäufers die Nahversorgung gefährdet oder die Wettbewerbsfähigkeit des Letztverkäufers bei derjenigen Warengattung, zu der die nicht gelieferte Ware gehört, wesentlich beeinträchtigt wird. (2) Die Nahversorgung ist dann gefährdet, wenn es einer maßgeblichen Anzahl von Verbrauchern nicht möglich ist, die zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens dienenden Waren unter zumutbarem Zeit- und Kostenaufwand ohne 779
§ 4 NVGGugerbauer Benützung eines Kraftfahrzeuges oder öffentlichen Verkehrsmittels zu kaufen. (3) Die Lieferpflicht ist gegen Zahlung Zug um Zug und unter Bedachtnahme auf die Bedingungen, die vergleichbaren Letztverkäufern gewährt werden, sowie unter Berücksichtigung der Liefermöglichkeit des Lieferanten anzuordnen. (4) Eine solche Lieferpflicht darf insbesondere in jenen Fällen nicht angeordnet werden, in denen die Belieferung a) dem Lieferanten wirtschaftlich unzumutbar ist oder b) gegen ein Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßen würde. (5) Die Lieferpflicht ist auf Antrag zu widerrufen, wenn die für ihre Anordnung maßgebenden Gründe weggefallen sind. Wird die Existenz von Mitbewerbern durch die Lieferpflicht wesentlich beeinträchtigt, so ist diese auf Antrag einzuschränken oder zu widerrufen. 1 Der Schutzzweck des § 4 NVG ist auf Letztverkäufer (den Einzelhandel) beschränkt, Zwischenhändler können sich nicht auf § 4 NVG berufen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit eines Letztverkäufers iSv Abs 1 ist anzunehmen, wenn der Letztverkäufer – trotz Erfüllung aller vom Lieferanten geforderten fachlichen Voraussetzungen – nicht in der Lage ist, ein für die Verkaufsfähigkeit notwendiges Sortiment der betreffenden Waren anzulegen (vgl 565 BlgNR 14. GP). Stehen dem Letztverkäufer keine ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung, um in der jeweiligen Warengattung ein konkurrenzfähiges Angebot erstellen zu können, ist ein Kontrahierungszwang anzuordnen. Hat die nicht gelieferte Ware aber im Verhältnis zu den übrigen verkauften Waren nur einen geringen Anteil am Umsatz der betreffenden Warengattung des Letztverkäufers, liegt keine wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit vor (vgl 16 Ok 12/13). Ein Recht auf Vollsortimentierung kann aus § 4 Abs 1 NahVersG nicht hergeleitet werden (vgl 565 der BlgNR 14. GP). Erzeuger, Großhändler und Zwischenhändler sind daher in der Auswahl jener Vertriebswege und Vertriebsarten, die letztlich den Letztverbraucher erreichen, grundsätzlich frei. Der Kontrahierungszwang gemäß § 4 NahVersG soll erkennbar restriktiv geübt werden (16 Ok 12/13). Kurzfristige Lieferschwierigkeiten sind nicht tatbestandsmäßig. 2 Eine einen Kontrahierungszwang begründende Gefährdung der Nahversorgung liegt dann vor, wenn sich eine maßgebliche Anzahl von Ver780
Sicherung der Nahversorgung und der Wettbewerbsfähigkeit
§ 4 NVG
brauchern Bedarfsgüter nur unter unzumutbaren Zeit- und Kostenaufwand besorgen kann. Eine „maßgebliche Anzahl“ von Verbrauchern ist nicht nur ziffernmäßig zu verstehen, erfasst werden auch Gruppen bestimmter Verbraucher, etwa Personen mit unzulänglichen Fahrgelegenheiten, Pensionisten und Personen in entlegenen Gebieten (vgl 565 BlgNR 14. GP). Auch dabei gibt es jedoch ziffernmäßige Untergrenzen, nämlich im Verhältnis zum zumutbaren Zeit- und Kostenaufwand im Einzelfall. Erfasst werden nur Waren, die den notwendigen Bedürfnissen des täg- 3 lichen Lebens dienen. Warengattungen sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu definieren (Milchprodukte im Lebensmitteleinzelhandel usw). Eine bestimmte Marke begründet allenfalls dann eine eigene Warengattung, wenn es sich um ein Markenprodukt eines führenden Herstellers handelt, ohne das ein Letztverkäufer eines bestimmten Handelszweigs nicht wettbewerbsfähig ist. Dienstleitungen werden nicht erfasst. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kann der Lieferant 4 zu einer Belieferung mit gängiger Ware in dem Ausmaß verpflichtet werden, wie sie vergleichbaren Letztverkäufern gewährt wird (vgl 565 BlgNR 24. GP). Dabei sind einerseits die Eignung des Letztverkäufers (etwa seine Bonität), andererseits die vorhandenen Kapazitäten des Lieferanten zu berücksichtigen. Eine Lieferpflicht ist vor allem dann nicht anzuordnen, wenn sie wirtschaftlich unzumutbar ist. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Letztverkäufer die (zulässigen) Selektionskriterien innerhalb eines selektiven Vertriebssystems nicht erfüllt. Insoferne ist auch offenkundig, dass § 4 NVG keine Benachteiligung des Fachhandels bezweckt (vgl 565 BlgNR 14. GP). Die Lieferpflicht ist auf Antrag zu widerrufen, wenn die Gründe für die 5 Anordnung weggefallen sind oder durch die Lieferverpflichtung die Existenz von Mitbewerbern wesentlich beeinträchtigt wird. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn kleine Fachhändler durch eine aufgrund § 4 NVG erzwungene Belieferung eines Großmarktes in Existenznöte geraten. Allerdings muss ein direkter kausaler Zusammenhangs zwischen der angeordneten Lieferpflicht und der Existenzgefährdung gegeben sein (vgl 565 BlgNR 14. GP).
781
§ 5 NVGGugerbauer
Versorgungspflicht § 5. (1) Gewerbliche Letztverkäufer dürfen ihre Vorräte an Waren,
die den notwendigen Bedürfnissen des täglichen Lebens dienen, nicht verheimlichen. Sie sind verpflichtet, an Verbraucher von ihren Vorräten an diesen Waren eine Menge zu verkaufen, die Verbrauchern üblicherweise abgegeben wird. (2) Die im Abs 1 genannten Letztverkäufer haben den Organen der Bezirksverwaltungsbehörden das Betreten und das Besichtigen ihres Betriebes und der Lagerräume während der Betriebszeiten zum Zwecke der Kontrolle der im Abs 1 festgelegten Verpflichtung zu ermöglichen; sie haben diesen Organen außerdem die notwendigen Auskünfte zu geben, notwendige Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Einblick in die Aufzeichnungen über den Lagerbestand sowie über Warenein- und -ausgänge zu gewähren. (3) Die Organe der Bezirksverwaltungsbehörden haben bei den Amtshandlungen gemäß Abs 2 beim Betreten des Betriebes oder der Lagerräume den Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter zu verständigen und darauf Bedacht zu nehmen, daß jede nicht unbedingt erforderliche Störung oder Behinderung des Betriebes vermieden wird. Die bei den Kontrollen erhaltenen Angaben dürfen nur für die Vollziehung des Abs 1 verwendet werden.
1 Ziel von § 5 NVG ist es, die Befriedigung der Bedürfnisse des täglichen Lebens zu sichern. Gewerblichen Letztverkäufern ist es daher untersagt, Vorräte an – beispielsweise durch jahreszeitliche Umstände verknappten – lebensnotwendigen Waren zu verheimlichen, sie haben solche Waren auch in Zeiten von Güterverknappung an die Verbraucher in der üblicherweise abgegebenen Menge zu veräußern. Der Begriff der Lebensnotwendigkeit umfasst den dringendsten Bedarf, dazu gehören Lebensmitteln, aber auch Treibstoff, Strom, Heizmaterial, Waschmittel etc. Luxusgüter sind von § 5 NVG dagegen nicht erfasst. 2 Letztverkäufer sind verpflichtet, lebensnotwendige Waren aus ihren Vorräten in üblicher Menge an Verbraucher abzugeben. Die „Menge“ ist vom durchschnittlichen Konsumbedarf pro Tag abhängig. 3 Aus sachlichen Gründen kann der Verkauf aber verweigert werden. Etwa bei fehlender Zahlungsfähigkeit des Kunden, vom Kunden begehrter Teilung einer üblicherweise im Ganzen zu verkaufenden Ware, einem Kaufanbot außerhalb der Öffnungszeiten, etc. 782
§ 6 NVG
Die Vollziehung von § 5 NVG ist den Bezirksverwaltungsbehörden 4 übertragen. Eine Beschlagnahme von Unterlagen ist nicht vorgesehen. Ein Verstoß gegen § 5 Abs 1 NVG begründet eine Verwaltungsübertretung und wird gem § 8 NVG mit einer Geldstrafe bis zu EUR 2.180 sanktioniert.
§ 6. Zur Untersagung von Verhaltensweisen gemäß §§ 1 und 3, von
ungerechtfertigten Bedingungen gemäß § 2 sowie zur Anordnung, Beschränkung oder Aufhebung einer Lieferpflicht gemäß § 4 ist, sofern der Anspruch ausschließlich auf dieses Bundesgesetz gestützt wird, das Kartellgericht zuständig. Die Bestimmungen des Kartellgesetzes über die Gerichtsorganisation sind sinngemäß anzuwenden.
Durch die Verfahrenskonzentration beim KartGer (KOG) soll die ein- 1 heitliche Handhabung des Gesetzes sichergestellt werden. Die Vollziehung der Versorgungspflicht nach § 5 NVG liegt bei den Bezirksverwaltungsbehörden.
§ 7. (1) Für das Verfahren vor dem Kartellgericht und vor dem Kartellobergericht gelten die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen einschließlich des Grundsatzes, daß kein Kostenersatz stattfindet, mit den in §§ 47 und 49 KartG 2005 festgelegten Besonderheiten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird. (2) Zum Antrag nach den §§ 1 bis 4 sind berechtigt 1. die Bundeswettbewerbsbehörde, der Bundeskartellanwalt, die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs; auch wenn sie nicht Antragsteller sind, haben sie im Verfahren Parteistellung; 2. Vereinigungen, die wirtschaftliche Unternehmerinteressen vertreten, wenn diese Interessen durch den Gegenstand des Verfahrens berührt werden; 3. jeder Unternehmer, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Gegenstand des Verfahrens berührt werden. 783
§ 7 NVGGugerbauer (3) Alle Fristen, mit Ausnahme der vier Wochen betragenden Notfristen für die Erhebung des Rekurses gegen die Endentscheidung und für die Erstattung der Rekursgegenschrift, bestimmt der Senatsvorsitzende. Die Frist hat - ausgenommen im Verfahren nach Abs. 4 - mindestens acht Tage zu betragen. (4) Zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens kann das Kartellgericht auf Antrag eine vorläufige Untersagung oder eine vorläufige Anordnung erlassen. Der Antragsgegner ist vor der Entscheidung zu hören. Der Rekurs gegen eine solche Entscheidung des Kartellgerichtes hat keine aufschiebende Wirkung. (5) Tatsachen oder Beweismittel, die nach dem Inhalt der Akten vor dem Kartellgericht nicht vorgekommen sind, dürfen im Rechtsmittelverfahren nur vorgebracht werden, wenn glaubhaft gemacht wird (§ 274 ZPO), daß die Tatsachen erst nach Fällung der Entscheidung des Kartellgerichtes eingetreten oder daß sie, ebenso wie die neu beantragten Beweismittel, ohne Verschulden der Partei erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind, oder daß die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel rechtzeitig geltend zu machen. (6) Der Abschluß eines Vergleiches ist zulässig; er unterliegt keiner Gebühr. (7) Einstweilige Verfügungen des Kartellgerichts und rechtskräftige Beschlüsse des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts sowie die vor ihnen abgeschlossenen Vergleiche sind Exekutionstitel. Betreibender Gläubiger ist in den Fällen der §§ 1 bis 3 der von der Verhaltensweise betroffene Unternehmer, im Falle des § 4 der nicht belieferte Letztverkäufer. Ist ein auf solche Art Betroffener nicht vorhanden, kann Exekution vom Antragsteller geführt werden. Die Bewilligung und der Vollzug der Exekution ist auf Grund von Titeln nach den §§ 1 bis 3 bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat (§§ 66, 75 JN), sonst bei dem im § 18 EO bezeichneten Bezirksgericht zu beantragen. (8) Als Gerichtsgebühr ist eine Rahmengebühr zwischen 70 Euro und 3 500 Euro festzusetzen. Zahlungspflichtig ist der Belangte im Falle seines Unterliegens. Die §§ 51 bis 57 KartG 2005 sind anzuwenden. (9) Der Senatsvorsitzende kann einer Partei auf deren Antrag die Befugnis zusprechen, die rechtskräftige Entscheidung über eine 784
§ 7 NVG
Verhaltensweise gemäß §§ 1 und 2 binnen einer bestimmten Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen. Umfang und Art der Veröffentlichung sind im Beschluß zu bestimmen. Der Senatsvorsitzende hat auf Antrag mit Beschluß die Kosten der Veröffentlichung festzusetzen und dem Gegner den Ersatz aufzuerlegen. Übersicht
Rn I. Hauptverfahren.................................................................................... 2–4 II. Entscheidungsveröffentlichung......................................................... 6–8 III. Provisorialverfahren............................................................................ 9–10 IV. Exekution.............................................................................................. 11
Gem § 7 Abs 1 NVG sind für das Verfahren vor KartGer und KOG die 1 allgemeinen Bestimmungen des AußStrG anzuwenden. Es gilt daher der Untersuchungsgrundsatz gem § 16 AußStrG (vgl dazu § 38 KartG). Ergänzend verweist Abs 1 auf die Geltung der §§ 47 (Durchführen einer mündlicher Verhandlung), 49 (Rechtsmittelverfahren) und 51 bis 57 KartG (Festsetzung der Rahmengebühr).
I. Hauptverfahren Gem Abs 2 sind die Amtsparteien BWB und BKAnw; die Wirtschafts- 2 kammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreich, alle Unternehmervereinigungen sowie alle Unternehmen, deren rechtliche oder wirtschaftliche Interessen berührt sind, aktiv legitimiert. Der Beitritt eines Nebenintervenienten auf der Seite des Antragsgegners ist nicht zulässig (16 Ok 9/09). Mangels einer Sonderbestimmung gibt es im erstinstanzlichen Verfah- 3 ren vor dem KartGer gem § 6 AußStrG keine Anwaltspflicht (zum Rechtsmittelverfahren vor dem KOG vgl § 49 KartG). Jede Partei hat ihre Vertretungskosten selbst zu tragen, auch für eine obsiegende Partei gibt es keinen Kostenersatz. Die Fristen des Abs 3 sollen eine straffe Verfahrensführung sicherstel- 4 len. Im Rahmen einer Einstweiligen Verfügung ist sogar eine kürzere als die in Abs 3 erwähnte achttägige Frist zulässig. Die 4-wöchige Frist für die Bekämpfung von Hauptsachenentscheidungen sowie die Vorgaben des § 49 Abs 2 KartG bilden eine Obergrenze (vgl 16 Ok 3/08). Die 785
§ 7 NVGGugerbauer Rekursfristen gegen Einstweilige Verfügungen und Zwischenerledigungen betragen 2 Wochen. 5 Abs 5 sieht in Anlehnung an § 49 AußStrG für das Rechtsmittelverfahren ein Neuerungsverbot vor.
II. Entscheidungsveröffentlichung 6 Gem Abs 9 „kann“ der Senatsvorsitzende einer Partei auf deren Antrag die Befugnis zusprechen, die Entscheidung auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen (Ermessensentscheidung). Dies unter der Voraussetzung, dass ein schutzwürdiges Interesse an der Aufklärung des Publikums vorliegt (Okt 10/90). Die §§ 25 UWG und 85 UrhG können zur Auslegung herangezogen werden (Okt 17/90). Der Beschluss kann angefochten werden. 7 Eine Veröffentlichung ist aber grundsätzlich nur bei rechtskräftigen Entscheidungen über Verhaltensweisen nach §§ 1 und 2 NVG zulässig, bezüglich Entscheidungen über die Untersagung von Vergeltungsmaßnahmen (§ 3 NVG) und über die Auferlegung einer Lieferpflicht (§ 4 NVG) kann keine Veröffentlichung angeordnet werden. Im Provisorialverfahren fehlt schon aufgrund der Vorläufigkeit der Entscheidung ein Publizitätsinteresse. 8 Der Senatsvorsitzende entscheidet mit Beschluss, in welchem Medium und wie oft die Veröffentlichung zu erfolgen hat. Dafür kommen etwa Veröffentlichungen in der Tagespresse oder Verlautbarungen in Rundfunk und Fernsehen in Frage. Die Kosten der Veröffentlichung sind vom Unterlegenen in der Hauptsache zu tragen.
III. Provisorialverfahren 9 Nach Abs 4 kann (auf Antrag) zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens durch Einstweilige Verfügung iSv § 381 EO eine vorläufige Untersagung angeordnet werden. Die Bestimmungen der EO über Einstweiligen Verfügungen (§§ 378 bis 402 EO) kommen zur Anwendung (Okt 1/89). Der Antragsteller hat neben dem Anspruch auch eine entsprechende Gefahr zu bescheinigen. Bei offenkundig unwiederbringlichen Schäden, die der Höhe nach kaum abschätzbar sind und daher auch nicht nachträglich in Geld ausgeglichen 786
Strafbestimmungen
§ 8 NVG
werden können, ist aber auch bei Einstweiligen Verfügungen nach dem NVG keine besonderen Gefährdungsbescheinigung erforderlich (16 Ok 3/08). Der Antragsgegner ist vor Erlass einer Einstweiligen Verfügung zu hö- 10 ren. Der gefährdeten Partei ist zur Äußerung des Gegners eine Replik einzuräumen, wenn in der Äußerung neue erhebliche Tatsachen bescheinigt worden sind (vgl 16 Ok 12/13). Ein Rekurs gegen die Einstweilige Verfügung hat keine aufschiebende Wirkung, eine Rekursbeantwortung ist zulässig. Die Frist für die Erhebung von Rekurs und Rekursbeantwortung ist vom Senatsvorsitzenden festzulegen, dies (im Provisorialverfahren) ohne Bindung an die gesetzlich normierte Mindestfrist von 8 Tagen, die Höchstfrist sollte jedenfalls 2 Wochen nicht überschreiten.
IV. Exekution Einstweilige Verfügungen, rechtskräftige Beschlüsse des KartGer und 11 des KOG sowie vor ihnen abgeschlossene Vergleiche bilden einen Exekutionstitel. Ist kein betroffenes Unternehmen vorhanden, kann auch der (nicht betroffene) Antragsteller, etwa eine Amtspartei, Exekution beantragen. Im Falle eines Exekutionstitels nach §§ 1 bis 3 NVG ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat (§ 66, 75 JN), in allen übrigen Fällen das Bezirksgericht nach § 18 EO.
Strafbestimmungen § 8. (1) Wer den Bestimmungen des § 5 Abs. 1 oder 2 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 2 180 € zu bestrafen. Hiebei ist § 370 der Gewerbeordnung 1973 anzuwenden. (2) Wiederholte Zuwiderhandlungen gegen § 5 Abs. 1 und 2 sind Übertretungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 2 lit. a der Gewerbeordnung 1973. (3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Vollziehung des § 5 als Organe der Bezirksverwaltungsbehörde durch Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen nach § 8 Abs. 1 sowie durch Maßnahmen, die für die 787
§ 9 NVGGugerbauer Einleitung und Durchführung der betreffenden Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind, mitzuwirken. 1 Ein Verstoß gegen § 5 Abs 1 NVG sowie – in diesem Zusammenhang – eine Verweigerung der Kontrolle durch Organe der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde sind als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu EUR 2.180 zu ahnden. Wiederholte Verstöße gegen § 5 Abs 1 und 2 NVG können zum Entzug der Gewerbeberechtigung führen. 2 Gegen einen Strafbescheid kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht erhoben werden.
Schluß- und Übergangsbestimmungen § 9. Die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb bleiben unberührt.
§ 10. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind hinsichtlich
der §§ 5 und 8 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und im übrigen der Bundesminister für Justiz betraut.
§ 11. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Oktober 1977 in Kraft.
(2) § 8 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 136/2001 tritt mit 1. Jänner 2002 in Kraft. (3) § 8 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2012 treten mit 1. September 2012 in Kraft.
In-Kraft-Treten § 12. Dieses Bundesgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2005 tritt am 1. Jänner 2006 in Kraft.
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Strafgesetzbuch (Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen, BGBl. Nr. 60/1974 idF BGBl. I Nr. 154/2015)
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren § 168b. (1) Wer bei einem Vergabeverfahren einen Teilnahmeantrag stellt, ein Angebot legt oder Verhandlungen führt, die auf einer rechtswidrigen Absprache beruhen, die darauf abzielt, den Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Nach Abs. 1 ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig verhindert, dass der Auftraggeber das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt. Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Auftraggebers nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern. Literatur Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz – Kurzkommentar2 (2016); Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 (2014); Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch36 (2016); Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 (2013). Übersicht
Rn I. Tatbestand.......................................................................................... 1 II. Vergabeverfahren ............................................................................. 2–3 III. Teilnahmeantrag und Angebot ...................................................... 4–5 IV. Verhandlungsführung ..................................................................... 6–7 V. Auftraggeber ..................................................................................... 8 VI. Veranlassung zur Angebotsannahme ........................................... 9 VII. Kartellrechtliche Elemente.............................................................. 10–11 VIII. Tätige Reue ........................................................................................ 12–14 IX. Konkurrenz ....................................................................................... 15–16
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§ 168b StGBGugerbauer
I. Tatbestand 1 § 168b StGB ist ein schlichtes Tätigkeitsdelikt, zur Verwirklichung des Tatbestandes bedarf es beim ausschreibenden Rechtsträger oder bei einem Mitbieter weder des Eintritts eines Vermögensschadens noch auch nur einer Vermögensgefährdung. Bedingter Vorsatz eines Täters genügt, dieser muss aber alle Tatbestandsmerkmale, also auch die Rechtswidrigkeit der dem Verhalten zugrunde liegenden Absprache, umfassen.
II. Vergabeverfahren 2 Unter einem Vergabeverfahren werden nach dem BVergG Verfahren zur Beschaffung von Leistungen verstanden. Das betrifft die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen oder auch die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionsverträgen. Dabei werden offene Verfahren, nicht offene Verfahren, Verhandlungsverfahren, Rahmenvereinbarungen, ein dynamisches Beschaffungssystem, wettbewerblicher Dialog, eine Direktvergabe und eine Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung unterschieden (vgl § 25 BVergG). 3 Weder im Gesetzestext noch in den Materialien findet sich eine Einschränkung, dass § 168 b StGB nur auf Vergabeverfahren nach den Vorschriften des BVergG anwendbar wäre (vgl OLG Wien 30.3.2009, 23 Bs 177/08k). Eine Direktvergabe, also ein formfreier Bezug einer Leistung unmittelbar von einem ausgewählten Unternehmer gegen Entgelt, fällt aber selbst dann nicht unter § 168b StGB, wenn der Auftraggeber vor Auswahl eines bestimmten Unternehmens unverbindliche Preisauskünfte eingeholt hat.
III. Teilnahmeantrag und Angebot 4 Mit dem Stellen eines Teilnahmeantrags wird das Interesse bekundet, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen. Der Teilnahmeantrag gilt als zum Zeitpunkt der Absendung gestellt. „Angebot“ wird im BVergG als „die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung gegen Entgelt unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen“ definiert. Unternehmen, die einen Teilnahmeantrag gestellt haben, ist nach bestimmten Kriterien Gelegenheit zur Beteili790
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen
§ 168b StGB
gung an einem Vergabeverfahren, beispielweise einem nicht offenen Verfahren, zu geben. Auch Arbeitsgemeinschaften und Bietergemeinschaften können Ange- 5 bote einreichen. Das Angebot ist auf einen Vertragsabschluss mit dem Auftraggeber gerichtet. Zur Verwirklichung des Tatbestandes von § 168b StGB ist aber nicht erforderlich, dass die Erklärung des Bieters mit seinem tatsächlichen Willen übereinstimmt, dass sein Angebot tatsächlich mit dem Willen abgegeben wird, dieses solle vom Auftraggeber angenommen werden. Erfasst werden also auch Schutz- oder Scheinangebote. Dies unabhängig davon, ob der Leger eines Scheinangebots dafür eine wirtschaftliche Gegenleistung (etwa eine Abschlagszahlung) erhält. Ein Angebot gilt mit Absendung an den Auftraggeber als gelegt, da es sich bei § 168b StGB um ein Tätigkeitsdelikt handelt, ist der Zugang des Angebots für die Verwirklichung des Tatbestands nicht erforderlich.
IV. Verhandlungsführung Die Tatbestandsvariante „Verhandlungen führen“ betrifft vor allem 6 Verhandlungsverfahren iSd BVergG. Für die ihre Verwirklichung ist ausreichend, dass auf der Grundlage einer rechtswidrigen Absprache mit dem Ziel verhandelt wird, den ausschreibenden Rechtsträger zur Annahme eines bestimmten Angebots zu bewegen. Der Begriff „Verhandlungen“ erfasst keine bloßen Aufklärungsgesprä- 7 che und Auskünfte iSv § 127 Abs 1 BVergG oder Erörterungen bei Alternativ- und Abänderungsangeboten iSv § 127 Abs 2 BVergG. Preisverhandlungen sind gestattet, nur dann, wenn sie auf einer rechtswidrigen Absprache beruhen, die darauf abzielt, den ausschreibenden Rechtsträger zur Annahme eines bestimmten Angebotes zu veranlassen, fallen sie unter § 168b StGB.
V. Auftraggeber § 168b StGB erfasst öffentliche wie auch private Auftraggeber in einem 8 Vergabeverfahren. Auftraggeber ist jeder Rechtsträger, der einem Vertragspartner einen Auftrag zur Erbringung von Leistung gegen Entgelt zu erteilen beabsichtigt, oder erteilt. 791
§ 168b StGBGugerbauer
VI. Veranlassung zur Angebotsannahme 9 Unter „Veranlassung zur Annahme eines bestimmten Angebots“ ist das (zumindest) konkludente Verständnis der an der rechtswidrigen Absprache Beteiligten zu verstehen, die Auswahlentscheidung des ausschreibenden Rechtsträgers im Rahmen eines Vergabeverfahrens in eine bestimmte Richtung zu lenken ist irrelevant, ob das abgesprochene Angebot tatsächlich ausgewählt wird.
VII. Kartellrechtliche Elemente 10 Maßstab für die Rechtswidrigkeit einer Absprache ist das Kartellverbot gem § 1 KartG bzw Art 101 AEUV (vgl die Kommentierung zu § 1 KartG). 11 „Absprache“ ist als Verständigung über ein bestimmtes Verhalten – ob als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise – zu verstehen. Auf die Form der Absprache – schriftlich, mündlich oder schlüssig – kommt es nicht an. Auch nicht darauf, ob die Absprache freiwillig oder durch Zwang zustande gekommen ist, ob sie heimlich oder offen erfolgt. Es muss aber ein Kausalzusammenhang zwischen Absprache und Angebot vorliegen. Nicht jede in einem Vergabeverfahren abgestimmte Verhaltensweise ist ohne weiteres als strafrechtlich relevant zu qualifizieren. Es kommt auf die Beurteilung im Einzelfall an.
VIII. Tätige Reue 12 Wer freiwillig verhindert, dass der ausschreibende Rechtsträger das Angebot annimmt oder seine Leistung erbringt, wird, selbst wenn er zunächst den Tatbestand des § 168 b Abs 1 StGB verwirklicht hatte, straffrei. Alternativ schafft es einen Strafaufhebungsgrund, wenn das Angebot zwar bereits ohne das Zutun des Täters nicht angenommen oder die Leitung nicht erbracht wurde, er sich jedoch ernsthaft und freiwillig darum bemüht hat. 13 Zur Freiwilligkeit vgl § 16 StGB. Die Handlung, das Bemühen muss aus eigenem Antrieb erfolgen. Der Täter tritt freiwillig zurück, wenn er (auch seiner Auffassung nach) die Tat noch vollenden könnte, aber den ursprünglichen Tatentschluss wieder fallen lässt (ex-ante-Sicht). Die Art und Weise, in der der Täter die Annahme des Angebots oder die 792
Unzulässige Bieterabsprachen
§ 292c StGB
Erbringung der Leistung durch den ausschreibenden Rechtsträger verhindert, steht nicht im Vordergrund. Nicht einmal eine Offenlegung der Absprache gegenüber dem ausschreibenden Rechtsträger ist erforderlich. Ein ernsthaftes Bemühen des Täters ist anzuerkennen, wenn er alle An- 14 strengungen unternimmt, die einem Anbieter in einer vergleichbaren Situation zumutbar und möglich sind.
IX. Konkurrenz Bei einer Schädigung des Auftraggebers können Submissionsabspra- 15 chen den Tatbestand des Betrugs verwirklichen (14 Os 107/99). § 168b StGB erfasst jene Fälle, in denen es zu keiner Schädigung des ausschreibenden Rechtsträgers kommt. Ist sowohl der Tatbestand des Betrugs, wie auch jener des § 168b erfüllt, 16 geht aber § 168b StGB wegen der strengeren Strafdrohung gegenüber dem Grundstraftatbestand des Betrugs vor und verdrängt diesen. Bei schwerem oder gewerbsmäßigem Betrug iSd §§ 147, 148 StGB im Rahmen einer Submissionsabsprache ist § 168b StGB dagegen subsidiär anzuwenden.
Unzulässige Bieterabsprachen in exekutiven Versteigerungsverfahren § 292c. (1) Wer für sich oder einen Dritten für die Zusage, im Zuge
einer Versteigerung in einem Exekutionsverfahren als Mitbieter nicht zu erscheinen oder nur bis zu einem bestimmten Preis oder sonst nur nach einem gegebenen Maßstab oder gar nicht mitzubieten, einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einem Mitbieter ohne dessen Andringen für eine Zusage im Sinne des Abs. 1 für ihn oder einen Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt. § 292c ist Teil jenes Abschnitts des StGB, der primär auf den Schutz der 1 Rechtspflege abstellt. Geschützt sind nicht nur gerichtliche Versteigerungen, sondern auch Versteigerungen durch Finanz- oder Zollämter. 793
§ 292c StGBGugerbauer Die Bestimmung erfasst auch Absprachen zwischen Nicht-Unternehmern. Als Täter kommt jedermann in Betracht (Allgemeindelikt). 2 Für § 292c StGB ist jegliche Bieterabsprache in einem exekutiven Versteigerungsverfahren gegen Vorteilsgewährung tatbildmäßig. Der Begriff „Vorteil“ bezieht sich auf jede für den Täter nützliche, ihn besser stellende Leistung materieller und immaterieller Art, auf die er rechtlich keinen Anspruch hätte. 3 Auch Bieterabsprachen auf gegenseitiger Basis nach geographischen oder zeitlichen Gesichtspunkten (wenn etwa ein Bieter zusagt, bei der Versteigerung eines bestimmten Gegenstandes nicht mitzubieten und sich der dadurch Begünstigte im Gegenzug verpflichtet, bei einem anderen Gegenstand nicht mitzusteigern) werden von § 292c StGB erfasst.
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Stichwortverzeichnis A AAC § 5 KartG Rn 79 Abänderungsangebot § 168b StGB Rn 7 abgestimmte Statistiken § 3 KartG Rn 176 abgestimmte Verhaltensweise § 1 KartG Rn 47, 84 abgestimmte Verhaltensweisen § 1 KartG Rn 3 abgewälzter Preisaufschlag § 37f KartG Rn 7 Abhängigkeit, wirtschaftliche § 4 KartG Rn 67 Abhängigkeitsverhältnis § 4 KartG Rn 69, § 12 KartG Rn 90 Abklärung, frühzeitige § 28 KartG Rn 10 Abkühlungsphase § 3 KartG Rn 126 Ablaufhemmung § 37h KartG Rn 8 Ablehnung e Richters § 59 KartG Rn 5 Ablehnungsgrund § 66 KartG, § 67 KartG Rn 1, § 72 KartG Rn 1, 3 Ablehnungsrecht § 72 KartG Rn 3 Abnahmeboykott § 6 KartG Rn 2 Abnahmepotenzial, individuelles § 5 KartG Rn 24 Abnahmesicherheit § 2 NVG Rn 4 Abnehmer § 4 KartG Rn 65 Abnehmer, gewerblicher § 2 KartG Rn 33 Abnehmer, mittelbarer § 37b KartG Rn 9, § 37e KartG Rn 7, § 37f KartG Rn 10
Abnehmer, unmittelbarer § 37b KartG Rn 9, § 37e KartG Rn 7, § 37f KartG Rn 1 Abnehmerpräferenzen § 4 KartG Rn 31 Abrechnungsbetrug § 3 KartG Rn 98, 125, 145 Absatz § 1 KartG, § 5 KartG Rn 48 Absatzbeschränkung § 1 KartG Rn 74 Absatzeinschränkung § 5 KartG Rn 50 Absatzförderung § 1 KartG Rn 110 Absatzmarkt § 1 KartG Rn 73, § 4 KartG Rn 26, 30 Absatzmittler § 1 KartG Rn 12 Absatzmöglichkeiten, alternative § 4 KartG Rn 66 Absatzziel § 3 KartG Rn 97 Absatzzielvereinbarung § 3 KartG Rn 85 Abschlagszahlung § 168b StGB Rn 5 Abschlussautonomie § 1 KartG Rn 78 Abschmelzungseffekte § 12 KartG Rn 27 Abschöpfungsanteil § 30 KartG Rn 15 abschottende Wirkung § 3 KartG Rn 29 Abschottung § 1 KartG Rn 79 Abschottungseffekt § 3 KartG Rn 90 795
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Abschottungswirkung § 3 KartG Rn 35, § 5 KartG Rn 14 Abschreckungseffekt § 12 KartG Rn 30 Abschreckungsmechanismus § 4 KartG Rn 44 Abschreckungsmittel § 4 KartG Rn 36, 62 Abschreckungswirkung § 29 KartG Rn 8, § 30 KartG Rn 1, § 37a KartG Rn 1 Abschreibungsdauer § 5 KartG Rn 16 absolute Verjährung § 33 KartG Rn 9 absolute Verjährungsfrist § 37h KartG Rn 3 Absprache § 1 KartG Rn 31, § 168b StGB Rn 1, 11 Abstellung § 5 KartG Rn 2, § 26 KartG Rn 1 Abstellung, wirksame § 26 KartG Rn 8 Abstellungsantrag, vorbeugender § 26 KartG Rn 11 Abstellungsauftrag § 17 KartG Rn 13, § 19 KartG Rn 21, § 26 KartG Rn 2, 11 Abstellungsbeschluss § 26 KartG Rn 23 Abstellungsverfahren § 36 KartG Rn 10 Abstimmung § 63 KartG Rn 1 abstrakte Anfechtungsgründe § 49 KartG Rn 1 Abwälzung d Preisaufschlags § 37f KartG Rn 3 Abweichende Marktstrategie § 4 KartG Rn 54 Abwerbeverbote § 12 KartG Rn 72, 94 Abwicklungsprozess, formaler § 5 KartG Rn 46 Abzugsverbot § 30 KartG Rn 15 796
Adäquanzzusammenhang § 37c KartG Rn 2 administrative Hindernisse § 4 KartG Rn 31 Adressierung § 24 KartG Rn 19 AEUV § 1 KartG Rn 1 After-Sales Geschäft § 3 KartG Rn 110 After-Sales-Service § 1 KartG Rn 63 Agenturverhältnis § 3 KartG Rn 93 Agrarmärkte § 4 WettbG Rn 1 Agrarpolitik § 4 WettbG Rn 1 Agrarpolitik, gemeinsame § 2 KartG Rn 66, § 4 WettbG Rn 3 Akquisitionen § 4 KartG Rn 39 Akquisitionsmaßnahme § 3 KartG Rn 43 Akt, beigeschaffter § 39 KartG Rn 10 Aktenbeischaffung § 37k KartG Rn 1, § 62 KartG Rn 1 Akteneinsicht § 11 KartG Rn 7, § 37 KartG Rn 5, § 37k KartG Rn 2, § 38 KartG Rn 37, § 39 KartG Rn 1, 13, § 40 KartG Rn 3, § 10 WettbG Rn 8, § 13 WettbG Rn 2, § 17 WettbG Rn 1 Akteneinsicht, neuerliche § 39 KartG Rn 20 Akteneinsichtsantrag § 37k KartG Rn 17 Akteneinsichtsersuchen § 39 KartG Rn 22 aktenkundige Beweismittel § 37k KartG Rn 1 aktenkundige Verfahrensergebnisse § 49 KartG Rn 51 Aktenlage § 49 KartG Rn 52 Aktenübermittlung § 39 KartG Rn 23 Aktenübersendung § 39 KartG Rn 23
Aktenverfahren § 49 KartG Rn 16 Aktenvermerke § 1 KartG Rn 52, § 11a WettbG Rn 20 aktenwidrige Grundlage § 49 KartG Rn 54 Aktenwidrigkeit § 49 KartG Rn 19, 54 Aktionäre § 19 KartG Rn 6 Aktionsrabatt § 1 NVG Rn 13 aktiver Verkauf § 3 KartG Rn 43 aktives Tun § 26 KartG Rn 17 Aktivlegitimation § 28 KartG Rn 7, § 36 KartG Rn 19 Alleinbelieferungsbindung § 3 KartG Rn 131 Alleinbelieferungsverträge § 3 KartG Rn 21 Alleinbezugsverpflichtung § 1 KartG Rn 107 Alleinbezugsverträge § 3 KartG Rn 21 alleinige Belastung § 37e KartG Rn 12 alleinige Kontrolle § 7 KartG Rn 33 Alleinvertrieb § 3 KartG Rn 81 Alles-oder-Nichts-Prinzip § 3 KartG Rn 36, 47, 77, 86, 131 Allgemeindelikt § 292c StGB Rn 1 allgemeine Ausschließungsgründe § 72 KartG Rn 1 allgemeine Befangenheitsgründe § 72 KartG Rn 1 allgemeine Lebenserfahrung § 20 KartG Rn 6, § 49 KartG Rn 44 allgemeine Verjährungsfrist § 37h KartG Rn 1 Alternativangebot § 168b StGB Rn 7 alternative Absatzmöglichkeiten § 4 KartG Rn 66 alternative Bezugsmöglichkeiten § 4 KartG Rn 66 alternative Bezugsquelle § 3 KartG Rn 160
Stichwortverzeichnis
Alt-Gesellschafter § 7 KartG Rn 29 Amortisationszeiträume § 4 KartG Rn 31 Amtsenthebung § 64 KartG, § 67 KartG Rn 1, § 70 KartG, § 71 KartG Amtsgeheimnis § 39 KartG Rn 1 Amtsgelder § 41 KartG Rn 13, § 52 KartG Rn 18, § 55 KartG Rn 2 Amtshandlung § 54 KartG Rn 10, § 11 WettbG Rn 8 Amtshandlung, Veranlassung § 54 KartG Rn 17 Amtshilfe § 37j KartG Rn 3, § 39 KartG Rn 1, § 58 KartG Rn 14, § 62 KartG Rn 2, § 2 WettbG Rn 4, § 12 WettbG Rn 2 Amtshilfeverfahren § 39 KartG Rn 23 Amtspartei § 11 KartG Rn 1, § 52 KartG Rn 18 Amtsparteien § 29 KartG Rn 9, § 36 KartG Rn 3, § 40 KartG Rn 1, § 49 KartG Rn 3 Amtsverschwiegenheit § 39 KartG Rn 24, § 47 KartG Rn 7, § 11 WettbG Rn 16 amtswegige Prüfung § 38 KartG Rn 12 Amtswegigkeit § 2 WettbG Rn 16 Amtswegigkeitsprinzip § 11a WettbG Rn 45 Amtverschwiegenheit § 11a WettbG Rn 35 Analogieverbot § 29 KartG Rn 33 Analyse, dynamische § 12 KartG Rn 18 Anbieter, potenzieller § 1 KartG Rn 66 ancillary restraints § 1 KartG Rn 80, § 2 KartG Rn 64, § 12 KartG Rn 67, § 20 KartG Rn 3 797
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Anerkenntnis § 29 KartG Rn 36, § 37g KartG Rn 1 Anfangsinvestitionen § 4 KartG Rn 31, § 5 KartG Rn 44 Anfangsverdacht, konkreter § 11a WettbG Rn 2 Anfangsverluste § 4 KartG Rn 27 Anfechtung, selbständige § 38 KartG Rn 32 Anfechtungsgründe, abstrakte § 49 KartG Rn 1 Anfechtungsinteresse § 49 KartG Rn 4 Anführerschaft § 30 KartG Rn 24 Angaben, erschöpfende § 10 KartG Rn 3 Angaben, irreführende § 27 KartG Rn 15 Angaben, unrichtige § 16 KartG Rn 1, § 27 KartG Rn 15, § 11 WettbG Rn 8 Angaben, unvollständige § 16 KartG Rn 1, § 27 KartG Rn 15 Angebot § 168b StGB Rn 1, 4 Angebot, konkurrenzfähiges § 4 NVG Rn 1 Angebotselastizität § 4 KartG Rn 4 Angebotsmarkt § 1 KartG Rn 63 Angebotssubstituierbarkeit § 23 KartG Rn 8 Angebotsüberhang § 4 KartG Rn 30 Angebotsumstellungsflexibilität § 23 KartG Rn 2, 11 Angebotsverknappung § 5 KartG Rn 50 angemessene Eigenkapitalverzinsung § 5 KartG Rn 42 angemessener Aufschub § 32 KartG Rn 2 angemessener Gewinn § 5 KartG Rn 19 Angstfaktor § 1 NVG Rn 4 798
Anhörung § 16 KartG Rn 11 Anhörung, mündliche § 11a WettbG Rn 28 Anhörungsrecht § 13a WettbG Rn 1 Ankaufspreise § 1 KartG, § 1 KartG Rn 92 Ankermarken § 1 KartG Rn 79 Ankermieter § 1 KartG Rn 79 Anlagen § 5 KartG Rn 58 Anleitungspflicht § 38 KartG Rn 8, § 47 KartG Rn 3 Anmeldebedürftigkeit § 9 KartG Rn 6 Anmeldeberechtigung § 10 KartG Rn 1 Anmeldegebühr § 10a WettbG Rn 1 Anmeldepflicht § 9 KartG Rn 2 Anmelder § 43 KartG Rn 2 Anmeldeunterlagen § 17 WettbG Anmeldung § 10 KartG Rn 1, § 12 KartG Rn 1, § 16 KartG Rn 2, § 10a WettbG Rn 1 Anmeldung, gemeinsame § 10 KartG Rn 1 Anmeldung, verbesserte § 43 KartG Rn 4 Annahme, Veranlassung z § 168b StGB Rn 9 anonyme Anzeige § 12 WettbG Rn 6 anonymer Hinweis § 11b WettbG Rn 4 Anonymität § 11b WettbG Rn 4 Anordnung, richterliche § 12 WettbG Rn 1 Anpassungsklausel § 12 KartG Rn 91 Anreizfunktion § 2 KartG Rn 45 Anschlussinnovationen § 3 KartG Rn 149 Ansprüche, zivilrechtliche § 58 KartG Rn 5
Anspruchsverzicht § 36 KartG Rn 27 Anstifter § 30 KartG Rn 24 Anteilserwerb § 7 KartG Rn 22, § 19 KartG Rn 2, 14 Anteilserwerb, derivativer § 7 KartG Rn 28 Anteilserwerb, mittelbarer § 7 KartG Rn 26 Anteilserwerb, originärer § 7 KartG Rn 28 anteilsindizierte Marktbeherrschungsvermutung § 4 KartG Rn 56 Antrag § 36 KartG Rn 1, § 42 KartG Rn 2 Antrag, verfahrenseinleitender § 26 KartG Rn 7 Antragsänderung § 36 KartG Rn 14 Antragsbefugnis § 36 KartG Rn 3 Antragsbehauptungen § 28 KartG Rn 15 Antragsberechtigte § 36 KartG Rn 2 Antragsberechtigung § 34 KartG Rn 6 Antragsberichtigung § 36 KartG Rn 15 Antragsgegner § 36 KartG Rn 8 Antragshäufung § 50 KartG Rn 6 Antragslegitimation § 16 KartG Rn 13, § 75 KartG Rn 3 Antragsmodifikation § 36 KartG Rn 15 Antragsmonopol § 40 KartG Rn 5, § 75 KartG Rn 4 Antragsprinzip § 26 KartG Rn 6, § 28 KartG Rn 15, § 29 KartG Rn 9, § 30 KartG Rn 30, § 36 KartG Rn 1, § 38 KartG Rn 7 Antragsrechte § 40 KartG Rn 2 Antragsrechte, konkurrierende § 36 KartG Rn 4 Antragsteller § 36 KartG Rn 8
Stichwortverzeichnis
Antragsverbesserung § 36 KartG Rn 14, § 38 KartG Rn 8 Antragszurücknahme § 36 KartG Rn 27, § 38 KartG Rn 9, § 52 KartG Rn 11 Antragszurückziehung § 36 KartG Rn 29 Anwalt § 2 KartG Rn 2 anwaltliche Auskunft § 29 KartG Rn 22 Anwaltspflicht § 38 KartG Rn 11, § 7 NVG Rn 3 Anwaltsprivileg § 11a WettbG Rn 25 Anwendungsbereich § 24 KartG Rn 1 Anzeige, anonyme § 12 WettbG Rn 6 Anzeigen § 11 WettbG Rn 7 Anzeigenaufkommen § 2 KartG Rn 53 Anzeigenblätter § 13 KartG Rn 6, 13 Anzeigengeschäft § 13 KartG Rn 8 Anzeigenkampagnen, nationale § 13 KartG Rn 13 Anzeigenkunden § 13 KartG Rn 39 Anzeigenmarkt § 13 KartG Rn 3, 9 Anzeigenmarkt, regionaler § 13 KartG Rn 15 Anzeigenplätze § 8 KartG Rn 6 Anzeigenverbund, nationaler § 13 KartG Rn 13 App § 9 KartG Rn 18, § 13 KartG Rn 30, § 23 KartG Rn 25 Äquivalenzzusammenhang § 37c KartG Rn 2 Arbeitgeberorganisation § 16 WettbG Rn 2 Arbeitnehmerorganisation § 16 WettbG Rn 2 Arbeitsgemeinschaft § 1 KartG Rn 72, § 3 KartG Rn 4, § 22 KartG Rn 3, § 168b StGB Rn 5 799
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Arbeitsplätze § 12 KartG Rn 54 Arbeitsplatzeffekte, negative § 1 NVG Rn 3 Arbeitsplatzrisiken § 12 KartG Rn 54 Arbeitsplatzverluste § 1 NVG Rn 14 Arge § 1 KartG Rn 72 Arzneimittel § 5 KartG Rn 56, § 3 KartG Rn 150 Arzneimittelzulassung § 9 KartG Rn 11 as-efficient-competitor-test § 5 KartG Rn 9 Aspekte, kooperative § 7 KartG Rn 54 asset deal § 7 KartG Rn 7, § 9 KartG Rn 14 atypische Satzungsgestaltung § 7 KartG Rn 25 atypische Umsatzerlöse § 22 KartG Rn 2 Audit § 3 KartG Rn 143 Auditierung § 3 KartG Rn 143 aufeinanderfolgende Auskunftsverlangen § 11a WettbG Rn 9 Aufenthaltskosten § 64 KartG Aufgriffsbehörde § 75 KartG Rn 3 Aufgriffsermessen § 75 KartG Rn 3 Aufgriffsschwellen § 9 KartG Rn 1, § 18 KartG Rn 1 Aufklärung § 30 KartG Rn 26, § 11a WettbG Rn 28, § 7 NVG Rn 6 Aufklärung, vollständige § 11b WettbG Rn 13 Aufklärungsbeitrag § 30 KartG Rn 28, § 11b WettbG Rn 34 Aufklärungsinteresse § 37 KartG Rn 11 Auflage § 16 KartG Rn 1 Auflage, verkaufte § 13 KartG Rn 8 800
Auflage, Zuwiderhandlung § 16 KartG Rn 6 Auflagen § 12 KartG Rn 46, 56, § 15 KartG Rn 1, § 17 KartG Rn 18 Auflagen, Änderung § 12 KartG Rn 62 Auflagen, Aufhebung § 12 KartG Rn 62 Auflagen, strukturelle § 12 KartG Rn 59 Aufrechnungseinrede § 5 KartG Rn 45 aufschiebende Bedingung § 17 KartG Rn 2 Aufschub, angemessener § 32 KartG Rn 2 Aufsichtsrat § 7 KartG Rn 30 Aufstockung § 7 KartG Rn 23 Aufträge, erforderliche § 26 KartG Rn 8 Auftraggeber § 168b StGB Rn 1 Auftraggeber, privater § 168b StGB Rn 8 Auftragsentwicklung § 3 KartG Rn 171 Auftragsforschung § 3 KartG Rn 171 Auftragsvergabe § 5 KartG Rn 83 Auftragsvorprüfung § 2 WettbG Rn 10 Aufwandsersatz § 3 KartG Rn 143 Aufwendungen, frustrierte § 55 KartG Rn 8 Augenscheinsbeweis § 38 KartG Rn 20 Augenscheinsgegenstände § 37j KartG Rn 6 Ausbeutung § 5 KartG Rn 1, 11 Ausbeutungselemente § 5 KartG Rn 23 Ausbeutungsmissbrauch § 5 KartG Rn 1, 19, 61 Ausforschung § 37j KartG Rn 5
Ausforschungsbeweis § 39 KartG Rn 17 Ausforschungsinteresse § 39 KartG Rn 17 Ausforschungsnachprüfung § 12 WettbG Rn 5 Ausführungsverträge § 1 KartG Rn 117 Ausfuhrverbot § 5 KartG Rn 50 Ausgleichsanspruch § 3 KartG Rn 95, 102, 105 Ausgleichsbetrag § 37e KartG Rn 10, 11 Ausgleichszahlung § 1 KartG Rn 104 Ausgliederung § 7 KartG Rn 51 Auskunft § 11a WettbG Rn 16 Auskunft, anwaltliche § 29 KartG Rn 22 Auskünfte § 11a WettbG Rn 32 Auskünfte, irreführende § 11a WettbG Rn 43 Auskünfte, unrichtige § 11a WettbG Rn 43 Auskünfte, unvollständige § 11a WettbG Rn 43 Auskunftsbescheid § 10 KartG Rn 6, § 11a WettbG Rn 36 Auskunftserteilung § 37k KartG Rn 7 Auskunftspflicht § 11a WettbG Rn 18 Auskunftsverlangen § 10 KartG Rn 6, § 39 KartG Rn 1, § 11 WettbG Rn 1, § 11a WettbG Rn 1, 16 Auskunftsverlangen, aufeinanderfolgende § 11a WettbG Rn 9 ausländische Konkurrenten § 12 KartG Rn 49 Auslandsumsätze § 22 KartG Rn 14 Auslegung, teleologische § 20 KartG Rn 4
Stichwortverzeichnis
Ausnahmen v Kartellverbot § 2 KartG Ausnahmetatbestände § 2 KartG Rn 1, § 19 KartG Rn 1 Ausreifungsphase § 4 KartG Rn 38 Ausrüstungsgegenstände § 3 KartG Rn 131 Aussage, falsche § 11 WettbG Rn 12 Aussageverweigerung § 11 WettbG Rn 4, 15 Aussageverweigerungsrecht § 39 KartG Rn 1, § 11 WettbG Rn 4, § 11a WettbG Rn 32 ausschließliche Lieferpflichten § 5 KartG Rn 11 Ausschließlichkeitsbindung § 1 KartG Rn 74, 79, § 3 KartG Rn 31 Ausschließlichkeitsbindungen § 5 KartG Rn 11 Ausschließlichkeitsrecht § 3 KartG Rn 147 Ausschließlichkeitsrecht, immaterielles § 3 KartG Rn 147 Ausschließungsgründe, allgemeine § 72 KartG Rn 1 Ausschluss d Öffentlichkeit § 39 KartG Rn 27 Ausschluss v Belieferung § 3 NVG Rn 1 Ausschlussfrist § 14 KartG Rn 4 ausschreibender Rechtsträger § 168b StGB Rn 1 Ausschreibung § 4 KartG Rn 41, 48, § 7 KartG Rn 52 Ausschreibung, öffentliche § 76 KartG Außenpluralität § 13 KartG Rn 43 Außenseiter § 4 KartG Rn 35, 53, 61, § 5 KartG Rn 35 Außenverhältnis § 4 KartG Rn 54, 63 801
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Außenwerbung § 13 KartG Rn 9, 37 Außenwettbewerb § 4 KartG Rn 53, 61 außenwirtschaftliches Gleichgewicht § 12 KartG Rn 52 außergerichtliche Streitbeilegung § 37g KartG Rn 9 außerordentliche Geschäftstätigkeit § 22 KartG Rn 2 Außerstreitstellung § 38 KartG Rn 14 Außerstreitverfahren § 38 KartG Rn 12 Äußerung, schriftliche § 11 KartG Rn 6 Äußerungsfrist § 48 KartG Rn 2 Äußerungsmöglichkeit, zusätzliche § 49 KartG Rn 28 Äußerungsrecht § 10 KartG Rn 13, § 11 KartG Rn 7 Ausstrahlungswirkung § 3 KartG Rn 28 Austauschbarkeit § 23 KartG Rn 1 Austauschbarkeit, funktionale § 23 KartG Rn 4 Austauschbarkeit, funktionelle § 23 KartG Rn 3 Austauschbedingungen § 5 KartG Rn 20 Austauschbeziehung, mittelbare § 37e KartG Rn 6 Austauschbeziehung, unentgeltliche § 23 KartG Rn 24 Austauschbeziehung, unmittelbare § 37e KartG Rn 6 Austauschmöglichkeiten § 23 KartG Rn 8 Ausverkauf § 23 KartG Rn 19 Ausweichmöglichkeit § 4 KartG Rn 66, 69, § 5 KartG Rn 52, § 23 KartG Rn 8, § 1 NVG Rn 7 Auswirkungen, negative § 5 KartG Rn 1 802
Auswirkungen, spürbare § 2 KartG Rn 46 Auswirkungsprinzip § 4 KartG Rn 7, § 5 KartG Rn 4, § 17 KartG Rn 10, § 24 KartG Rn 2, § 27 KartG Rn 10, § 58 KartG Rn 6, § 1 NVG Rn 17 autorisierte Werkstätten § 3 KartG Rn 70, 139 autorisiertes Werkstattnetz § 3 KartG Rn 124 Autovermieter § 3 KartG Rn 75, 136 B Backoffice-Leistungen § 7 KartG Rn 51 Bagatellgrenze § 24 KartG Rn 6 Bagatellinformationen § 3 KartG Rn 138 Bagatellkartell § 1 KartG Rn 5, § 2 KartG, § 2 KartG Rn 46 Bagatellschwelle § 9 KartG Rn 6 Bagatellverstoß § 27 KartG Rn 18 Bankenklausel § 19 KartG Rn 3 Bankgarantie § 5 KartG Rn 44, 67 Bankgeheimnis § 11 WettbG Rn 17 Bankgeschäfte § 19 KartG Rn 3, § 22 KartG Rn 16 Barauslagen § 41 KartG Rn 12 Barrieren § 4 KartG Rn 4 Bausparkassen § 4 KartG Rn 3, § 24 KartG Rn 11 Bauteile § 3 KartG Rn 132 Bauvereinigungen, gemeinnützige § 24 KartG Rn 12 beantragte Geldbuße § 30 KartG Rn 30 beauftragter Richter § 61 KartG Rn 2 Bedarfsdeckung § 23 KartG Rn 3 Bedarfsgüter § 4 NVG Rn 2
Bedarfsmarktkonzept § 1 KartG Rn 66, § 3 KartG Rn 66, § 23 KartG Rn 3, 8 Bedenken, erhebliche § 49 KartG Rn 50 bedeutender Vermögensnachteil § 11 WettbG Rn 4, 15 Bedeutung, gemeinschaftsweite § 9 KartG Rn 2, § 24 KartG Rn 10 Bedeutung, wirtschaftspolitische § 54 KartG Rn 5 bedingte Garantie § 3 KartG Rn 141 bedingter Vorsatz § 168b StGB Rn 1 Bedingung, aufschiebende § 17 KartG Rn 2 Bedingungen, unterschiedliche § 1 KartG, § 5 KartG, § 5 KartG Rn 61 beendeter Kartellrechtsverstoß § 28 KartG Rn 4 Beendigung, freiwillige § 30 KartG Rn 26 Beendigung, vergleichsweise § 38 KartG Rn 43 Befangenheit § 72 KartG Rn 2 Befangenheitsgrund § 72 KartG Rn 3 Befragung, unterlassene § 12 WettbG Rn 34 Befristung, zeitliche § 27 KartG Rn 9 Befundaufnahme § 38 KartG Rn 24, § 73 KartG Rn 4 Begangenheitsgründe, allgemeine § 72 KartG Rn 1 Begriffsbestimmungen § 37b KartG Rn 1 Begriffsdefinitionen, zentrale § 37b KartG Rn 1 begründeter Verdacht § 12 WettbG Rn 4
Stichwortverzeichnis
Begründung, unzureichende § 49 KartG Rn 23 Begründungsmangel § 49 KartG Rn 23, 50 Begünstigung § 2 NVG Rn 5 Behauptungspflicht, qualifizierte § 38 KartG Rn 12 beherrschender Einfluss § 7 KartG Rn 33 Beherrschungsmöglichkeit § 7 KartG Rn 1 Behinderung § 5 KartG Rn 1, 11 Behinderungselemente § 5 KartG Rn 23 Behinderungsmissbrauch § 3 KartG Rn 31, § 5 KartG Rn 1, 48, 61 beigeschaffter Akt § 39 KartG Rn 10 Beihilfen § 22 KartG Rn 5 Beilagen § 13 KartG Rn 13, § 43 KartG Rn 4 Beirat § 7 KartG Rn 27, 32 Beischaffung v Akten § 39 KartG Rn 10 beizuschaffender Vorakt § 39 KartG Rn 10 Bekanntmachung § 10 KartG Rn 11, § 15 KartG Rn 1, § 10b WettbG Rn 1 Bekanntmachung, öffentliche § 11 KartG Rn 5 Bekanntmachungspflichten § 10b WettbG Rn 1 Belastung, alleinige § 37e KartG Rn 12 Belehrungspflicht § 47 KartG Rn 4 beleidigende Schreibweise § 11 WettbG Rn 8 Belieferungspflicht § 3 KartG Rn 130 Bemessungsfaktoren § 30 KartG Rn 1 803
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Bemessungsgrundlage § 29 KartG Rn 10 Bemessungskriterium, gesetzliches § 50 KartG Rn 12 benachbarter Markt § 5 KartG Rn 4 Benachteiligung § 5 KartG Beratender Ausschuss § 3 WettbG Rn 5 Beratungsgeheimnis § 63 KartG Rn 3 Beratungsprotokoll § 63 KartG Rn 3 Berechnung, mengenmäßige § 21 KartG Rn 5 Berechnungsgröße § 29 KartG Rn 31 berechtigte Partei § 36 KartG Rn 1 berechtigtes Interesse § 28 KartG Rn 2 Bereicherung § 30 KartG Rn 1, 13 Bereicherungsansprüche § 1 KartG Rn 120 Bereichsausnahmen § 5 KartG Rn 4 Bereitschaftsdienst § 3 KartG Rn 137 Berichterstatter § 61 KartG Rn 1, § 63 KartG Rn 1 Berichterstattung § 13 KartG Rn 4 Berichtigungsbeschluss § 49 KartG Rn 56 berufliche Kontakte § 72 KartG Rn 6 Berufsgeheimnis § 37k KartG Rn 15, § 11a WettbG Rn 35 berufsmäßige Parteienvertreter § 11 WettbG Rn 8 Berufsrichter § 59 KartG Rn 1 Beschaffungsmärkte § 4 KartG Rn 26, 30, § 24 KartG Rn 18 Beschaffungspflicht § 11a WettbG Rn 18 Beschäftigungslage § 12 KartG Rn 52 804
Bescheid § 11a WettbG Rn 36 Bescheinigung § 48 KartG Rn 3 Bescheinigungsmittel § 48 KartG Rn 3, 9 Bescheinigungsmittel, parates § 48 KartG Rn 3 Bescheinigungsnotstand § 38 KartG Rn 17, § 48 KartG Rn 6 Beschlagnahme § 12 WettbG Rn 19 beschlagnahmte Gegenstände § 12 WettbG Rn 20 Beschleunigungsgebot § 14 KartG Rn 3 Beschluss, angefochtener § 49 KartG Rn 12 Beschluss, kartellgerichtlicher § 38 KartG Rn 34 Beschluss, rechtskräftiger § 34 KartG Rn 1, § 38 KartG Rn 40 Beschluss, verfahrenseinleitender § 62 KartG Rn 1 Beschlussbegründung § 38 KartG Rn 36 Beschlüsse § 1 KartG Rn 3, 45 Beschlüsse, anfechtbare § 49 KartG Rn 17 Beschlüsse, verfahrenseinleitende § 38 KartG Rn 32 Beschlussentwurf § 38 KartG Rn 37 Beschränkung § 12 KartG Rn 56, § 15 KartG Rn 1, § 16 KartG Rn 8, § 17 KartG Rn 18 Beschränkung, spürbare § 1 KartG Rn 5 Beschränkungen, Abänderung § 12 KartG Rn 62 Beschränkungen, Aufhebung § 12 KartG Rn 62 Beschwer § 49 KartG Rn 4 Beschwer, formelle § 49 KartG Rn 5
Beschwer, materielle § 49 KartG Rn 6 Beschwerde § 11 WettbG Rn 7, § 11a WettbG Rn 39, 45, § 12 WettbG Rn 34 Beschwerdevorentscheidung § 11a WettbG Rn 39 Besetzungsfehler § 62 KartG Rn 6 Besetzungsmangel § 59 KartG Rn 3 bestimmender Einfluss § 7 KartG Rn 35 Bestimmtheit § 36 KartG Rn 9 Bestimmtheitsgebot § 34 KartG Rn 3 Bestimmungsort § 24 KartG Rn 19 Bestpreisgarantie § 2 NVG Rn 3 Bestpreisklausel, enge § 1 KartG Rn 99 beteiligte Unternehmen § 9 KartG Rn 19 Beteiligte § 11 WettbG Rn 3 Beteiligungen § 4 KartG Rn 37 Beteiligungsgrad § 7 KartG Rn 22 Beteiligungsschwellen § 7 KartG Rn 26 Beteiligungsverbote § 12 KartG Rn 79 Beteiligungsverschiebung § 7 KartG Rn 23 Beteiligungsvorgänge § 5 KartG Rn 18 beträchtliche Marktmacht § 4 KartG Rn 4 Betrachtungsweise, wirtschaftliche § 5 KartG Rn 9 Betragsfestsetzung § 41 KartG Rn 10 Betretungsrecht § 12 WettbG Rn 43 Betriebsausgaben § 30 KartG Rn 15 Betriebsfortführung § 37e KartG Rn 3
Stichwortverzeichnis
Betriebsführungsvertrag § 7 KartG Rn 14 Betriebsgeheimnis § 39 KartG Rn 2, § 2 WettbG Rn 17, § 10b WettbG Rn 2, § 11 WettbG Rn 17 Betriebsräumlichkeiten § 12 WettbG Rn 42 Betriebssystem § 4 KartG Rn 12, 17, § 5 KartG Rn 72, § 23 KartG Rn 25 Betriebstätte § 1 KartG Rn 77, § 7 KartG Rn 10 Betriebsüberlassung § 7 KartG Rn 14 Betriebsüberlassungsvertrag § 7 KartG Rn 14 betriebswirtschaftliche Nachteile § 4 KartG, § 4 KartG Rn 66, 68, § 5 KartG Rn 53 betroffener Markt § 54 KartG Rn 5 Betrug § 168b StGB Rn 15 betrügerisches Verhalten § 3 KartG Rn 125 Beugecharakter § 35 KartG Rn 17 Beugemittel § 35 KartG Rn 1 Beugestrafen § 37m KartG Rn 1 Beurteilung, gründliche § 49 KartG Rn 26 Beurteilung, unrichtige rechtliche § 49 KartG Rn 42 Bevollmächtigter § 72 KartG Rn 8 Bevollmächtigung § 38 KartG Rn 10 Beweisantrag § 38 KartG Rn 12 Beweisaufnahme § 38 KartG Rn 12, § 47 KartG Rn 1, § 61 KartG Rn 2 Beweisbeschluss § 38 KartG Rn 12, § 49 KartG Rn 17 Beweisergebnisse, widersprechende § 49 KartG Rn 23 Beweiserleichterung § 38 KartG Rn 17, § 48 KartG Rn 6 805
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Beweisferne § 38 KartG Rn 17 Beweisferne, typische § 48 KartG Rn 6 Beweisführer § 37j KartG Rn 8 Beweiskraft § 11 WettbG Rn 9 Beweislage § 11a WettbG Rn 7 Beweislast § 5 KartG, § 37f KartG Rn 3, § 38 KartG Rn 15 Beweislast, objektive § 38 KartG Rn 17 Beweislast, subjektive § 38 KartG Rn 15 Beweislastregeln § 38 KartG Rn 17 Beweislastumkehr § 1 KartG Rn 119, § 29 KartG Rn 3, § 38 KartG Rn 16 Beweismittel § 38 KartG Rn 19, § 11 WettbG Rn 9, § 13a WettbG Rn 1 Beweismittel, aktenkundige § 37k KartG Rn 1 Beweismittel, Gemeinschaftlichkeit § 38 KartG Rn 19 Beweismittel, offengelegte § 37j KartG Rn 9 Beweismittel, Offenlegung § 37j KartG Rn 1 Beweismittel, offenzulegende § 37j KartG Rn 5 Beweisnähe § 38 KartG Rn 17, § 48 KartG Rn 6 Beweisnotstand § 38 KartG Rn 17 Beweisrelevanz § 12 WettbG Rn 32 Beweisrüge, unzulässige § 49 KartG Rn 57 Beweissicherungszweck § 12 WettbG Rn 20 Beweisurkunden § 16 KartG Rn 2 Beweisverwertungsverbot § 11 WettbG Rn 5, § 11a WettbG Rn 25, § 12 WettbG Rn 29 806
Beweiswürdigung § 49 KartG Rn 58, § 73 KartG Rn 6 Beweiswürdigung, freie § 11 WettbG Rn 9 bewirken § 1 KartG Rn 84, § 3 KartG Rn 37 bewirkte Wettbewerbsbeschränkung § 1 KartG Rn 90 Bezeichnungen, personenbezogene § 18 WettbG Beziehungen, bilaterale § 4 KartG Rn 65 Bezirksverwaltungsbehörde § 5 NVG Rn 4, § 8 NVG Rn 1 Bezugsbindung § 3 KartG Rn 32, § 5 KartG Rn 11 Bezugsmöglichkeiten, alternative § 4 KartG Rn 66 Bezugspflicht § 1 KartG Rn 102 Bezugsquelle, alternative § 3 KartG Rn 160 Bezugsvereinbarung § 12 KartG Rn 89 Bezugsverpflichtung § 12 KartG Rn 89 bezwecken § 1 KartG Rn 84, § 3 KartG Rn 36 B-Händler § 3 KartG Rn 56 Bierlieferverträge § 3 KartG Rn 52 Bieterabsprachen § 292c StGB Rn 1 Bietergemeinschaft § 3 KartG Rn 4, § 168b StGB Rn 5 bilaterale Beziehungen § 4 KartG Rn 65 bilaterale Verhandlungen § 5 KartG Rn 20 Bildagentur § 8 KartG Rn 5 billboards § 13 KartG Rn 37 bindender Schuldauspruch § 29 KartG Rn 43 bindend-Erklärung § 27 KartG Rn 6
Bindungswirkung § 1 KartG Rn 115, § 28 KartG Rn 8, § 37i KartG Rn 1, 5 Binnenwettbewerb § 4 KartG Rn 33, 40, 42 BKAnw § 40 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 1, § 84 KartG Rn 1, § 3 WettbG Rn 10, § 10 WettbG Rn 8, § 11b WettbG Rn 32, § 7 NVG Rn 2 BKAnw, Besoldungsrecht § 79 KartG BKAnw, Bestellungsvoraussetzungen § 77 KartG BKAnw, BWB § 81 KartG BKAnw, Dienstrecht § 79 KartG BKAnw, Enthebung § 78 KartG BKAnw, Funktionsdauer § 78 KartG BKAnw, Kanzleigeschäfte § 80 KartG BKAnw, Prüfungsantrag § 81 KartG Rn 2 Blockbuster § 13 KartG Rn 36 bloße Hilfsfunktionen § 7 KartG Rn 44 BMJ § 18 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 7 Boni § 3 KartG Rn 32, § 5 KartG Rn 17, 23 Bonität § 3 KartG Rn 71 Bonus § 5 KartG Rn 25 Bonussystem § 3 KartG Rn 81 Börse § 17 KartG Rn 9 Börsenpreise § 4 KartG Rn 48 Boulevardzeitungen § 13 KartG Rn 4 Boykott, kollektiver § 3 KartG Rn 53 Branchenmix § 1 KartG Rn 79 Branchenuntersuchung § 2 WettbG Rn 4, § 11a WettbG Rn 46 Briefzentren § 24 KartG Rn 21 Bruttoprämien § 3 KartG Rn 178
Stichwortverzeichnis
Bücher § 2 KartG, § 2 KartG Rn 48, § 13 KartG Rn 3 Buchhandelskette § 2 KartG Rn 51 Buchmarkt § 13 KartG Rn 3, 20 Buchpreisbindung § 2 KartG Rn 48 budgetwirksame Maßnahmen § 17 KartG Rn 3 Bugeldverfahren § 17 KartG Rn 12 Bundesarbeiterkammer § 45 KartG Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte § 36 KartG Rn 5, § 45 KartG, § 68 KartG, § 16 WettbG Rn 3, § 7 NVG Rn 2 Bundeskartellanwalt § 40 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 1, § 76 KartG, § 84 KartG Rn 1, § 3 WettbG Rn 10, § 10 WettbG Rn 8, § 11b WettbG Rn 32, § 7 NVG Rn 2 Bundeskartellanwalt-Stellvertreter § 76 KartG Bundesländerzeitungen § 13 KartG Rn 4 Bundeswettbewerbsbehörde § 40 KartG Rn 1, § 1 WettbG Rn 1, § 2 WettbG Rn 1, § 10 WettbG Rn 1, § 11 WettbG Rn 1, § 7 NVG Rn 2 bürgerlicher Gewinn § 3 KartG Rn 143 Bußgeldantrag § 36 KartG Rn 16, § 41 KartG Rn 9, § 50 KartG Rn 15 Bußgeldbegründung § 37 KartG Rn 4 Bußgeld-Leitlinie § 30 KartG Rn 7 Bußgeldrahmen § 29 KartG Rn 5 Busunternehmen § 3 KartG Rn 136 BVergG § 168b StGB Rn 2 807
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
BVwG § 11a WettbG Rn 39, § 12 WettbG Rn 34 BWB § 40 KartG Rn 1, § 43 KartG Rn 1, § 1 WettbG Rn 1, § 2 WettbG Rn 1, § 10 WettbG Rn 1, § 11 WettbG Rn 1, § 7 NVG Rn 2 BWB, Antragstellerin § 2 WettbG Rn 2 BWB, Aufgaben § 2 WettbG Rn 1 BWB, Befugnisse § 2 WettbG Rn 1 BWB, BKAnw § 81 KartG BWB, Ermittlungen § 11 WettbG Rn 1 BWB, Ermittlungsbefugnisse § 11a WettbG Rn 1 BWB, Generaldirektor § 6 W ettbG, § 7 WettbG, § 8 WettbG BWB, Geschäftseinteilung § 9 WettbG BWB, Geschäftsstelle § 9 WettbG BWB, Handbuch § 11b WettbG Rn 3, 21 BWB, Kooperation § 13b WettbG BWB, Parteistellung § 2 WettbG Rn 2 BWB, Personaleinteilung § 9 WettbG BWB, Prüfungsantrag § 2 WettbG Rn 2 BWB, Zusammenarbeit § 10 WettbG Rn 1 C Cashflow § 4 KartG Rn 27 Category Captain § 2 KartG Rn 17 Category Management § 2 KartG Rn 17 cellophane fallacy § 23 KartG Rn 13 clausula rebus sic stantibus § 27 KartG Rn 15 Client-Produkt § 5 KartG Rn 72 Clouds § 11a WettbG Rn 22 808
Code of good practice § 3 KartG Rn 111 consumer loss § 5 KartG Rn 9 Content-Anbieter § 13 KartG Rn 33 Corporate Design § 3 KartG Rn 68, 107 Corporate Identity § 1 KartG Rn 78, § 3 KartG Rn 67, 107 cross-mediale Effekte § 13 KartG Rn 41 D Dachgenossenschaft § 2 KartG Rn 59 Darlegungslast § 37f KartG Rn 3 Daseinsvorsorge § 5 KartG Rn 69 Daten, personenbezogene § 10 WettbG Rn 6, § 14 WettbG Daten, sensible § 1 KartG Rn 55 Datenaustausch § 1 KartG Rn 70 Datenauswertung § 4 KartG Rn 21 datenbasierte Angebote § 4 KartG Rn 21 Datenerhebung § 3 KartG Rn 178 Datengewinnung § 4 KartG Rn 21 Datenpool § 4 KartG Rn 21 Datenschutz § 39 KartG Rn 1, § 10 WettbG Rn 5 datenschutzrechtliche Standards § 10 WettbG Rn 6 Datenträger, elektronische § 11a WettbG Rn 23 Datenträger, externe § 11a WettbG Rn 23 Datenverarbeitungsnetz § 5 KartG Rn 58 Dauerdelikt § 1 KartG Rn 83, § 33 KartG Rn 3 Dauerhaftigkeit § 7 KartG Rn 52 Dauerschuldverhältnis § 5 KartG Rn 51 Dauersubventionen § 12 KartG Rn 55
Deckelung § 35 KartG Rn 6 Decodertechnik § 13 KartG Rn 33 deep pockets § 4 KartG Rn 27 deliktische Natur § 37d KartG Rn 4 De-minimis-Ausnahme § 2 KartG Rn 46 Denkgesetze § 49 KartG Rn 44 derivativer Anteilserwerb § 7 KartG Rn 28 deutsche Klausel § 9 KartG Rn 3 Diagnosegeräte § 3 KartG Rn 111, 131 Dialog, wettbewerblicher § 168b StGB Rn 2 Diebstahlschutzvorrichtung § 3 KartG Rn 136 Dienst, innerer § 9 WettbG dienstgerichtliches Verfahren § 70 KartG Dienstleistungen § 1 KartG Rn 71, § 2 KartG Rn 5, § 3 KartG Rn 24, § 1 NVG Rn 5 Dienstleistungen, innovative § 2 KartG Rn 13 Dienstleistungsbetriebe § 3 KartG Rn 47 Dienstleistungsmarkt, einheitlicher § 23 KartG Rn 4 Dienstleistungswettbewerb, normaler § 5 KartG Rn 1 differenzierte Produkte § 4 KartG Rn 41 Differenzmethode § 37d KartG Rn 1 digitale Unterlagen § 11a WettbG Rn 22 digitaler Wirtschaftsbereich § 9 KartG Rn 10 Digitalisierung § 4 KartG Rn 21, § 13 KartG Rn 30 Direktmarketing-Aussendungen § 24 KartG Rn 24 Direktvergabe § 168b StGB Rn 2
Stichwortverzeichnis
Direktwerbung § 13 KartG Rn 14 Direktzahlung § 41 KartG Rn 13 Dirimierungsrecht § 59 KartG Rn 1 diskriminierende Konditionen § 2 NVG Rn 6 diskriminierendes Unternehmen § 2 NVG Rn 1 Diskriminierung § 1 KartG Rn 109, § 3 KartG Rn 139, § 5 KartG Rn 22, 61, § 6 KartG Rn 2 Diskriminierungsverbot § 1 KartG Rn 110, § 5 KartG Rn 81, § 2 NVG Rn 1 Dispositionsbefugnis § 54 KartG Rn 21 Dispositionsfreiheit § 26 KartG Rn 9 Dispositionsgrundsatz § 38 KartG Rn 9 disruptive Veränderungen § 4 KartG Rn 22 Distributionskosten § 2 KartG Rn 16 Distributionstätigkeit § 3 KartG Rn 23 Disziplinargericht § 59 KartG Rn 4 disziplinargerichtliches Verfahren § 70 KartG diversifizierte Informationsquellen § 13 KartG Rn 43 Diversifizierungsgrad § 4 KartG Rn 27 Dolmetschergebühren § 55 KartG Rn 15 Domain-Namen § 3 KartG Rn 125 Doppelbestrafung § 29 KartG Rn 33 Doppelhaftung § 31 KartG Rn 3 Doppelkennzeichnung § 3 KartG Rn 132 809
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Doppelmitgliedschaft § 2 KartG Rn 65 Doppelpreissystem § 3 KartG Rn 40 Dreiersenat § 59 KartG Rn 1, § 62 KartG Rn 2 dringender Tatverdacht § 12 WettbG Rn 5 Dringlichkeit § 55 KartG Rn 10 Drittgeschädigter § 37e KartG Rn 10 Drittkundengeschäft § 7 KartG Rn 50 Druck, gesellschaftlicher § 1 KartG Druck, wirtschaftlicher § 1 KartG, § 2 KartG Rn 128 Druckerei § 8 KartG Rn 6 Druckmittel § 1 KartG Rn 127 dual distribution § 3 KartG Rn 27 Duldungsverpflichtung § 35 KartG Rn 3, § 11a WettbG Rn 23 Düngemittel § 2 KartG Rn 65, 78 Duopol § 4 KartG Rn 48, § 12 KartG Rn 21 Duopolmitglied § 4 KartG Rn 48 Durchführung § 17 KartG Rn 1, § 26 KartG Rn 13 Durchführung, vorläufige § 17 KartG Rn 3 Durchführungshandlung, verbotene § 16 KartG Rn 7 Durchführungshandlungen § 17 KartG Rn 1 Durchführungsverbot § 11 KartG Rn 1, § 14 KartG Rn 3, § 17 KartG Rn 1, § 26 KartG Rn 1 durchschnittliche Gesamtkosten § 5 KartG Rn 77 durchschnittliche Grenzkosten § 5 KartG Rn 79 durchschnittlicher Konsumbedarf § 5 NVG Rn 2 810
Durchschnittspreis § 5 KartG Rn 35 dynamische Analyse § 12 KartG Rn 18 dynamische Effizienzsteigerungen § 2 KartG Rn 12 dynamische Märkte § 9 KartG Rn 13 dynamische Zielwerte § 5 KartG Rn 17 dynamisches Beschaffungssystem § 168b StGB Rn 2 E ECN § 84 KartG Rn 1, § 3 WettbG Rn 4, § 10 WettbG Rn 1 e-commerce Plattformen § 23 KartG Rn 25 economies of scale § 2 KartG Rn 11, § 4 KartG Rn 18, § 5 KartG Rn 33 Ediktsdatei § 15 KartG Rn 2, § 37 KartG Rn 1, § 10b WettbG Rn 3 Effekte, cross-mediale § 13 KartG Rn 41 Effekte, konglomerate § 12 KartG Rn 9, 30 Effekte, kooperative § 12 KartG Rn 35 effektive Sachherrschaft § 7 KartG Rn 16 effizienter Wettbewerber § 5 KartG Rn 9 Effizienzbeweis § 3 KartG Rn 38 Effizienzgewinne § 2 KartG Rn 5, 40, § 5 KartG Rn 57, § 12 KartG Rn 27, 50, § 13 KartG Rn 48 Effizienzgewinne, potenzielle § 1 KartG Rn 90 Effizienzgewinne, qualitative § 2 KartG Rn 6, 12
Effizienzgewinne, quantitative § 2 KartG Rn 6, 10 Effizienzmaßstab § 5 KartG Rn 38 Effizienzsteigerungen, dynamische § 2 KartG Rn 12 Effizienzverbesserung § 2 KartG Rn 6 Effizienzvorteile § 2 KartG Rn 22, § 3 KartG Rn 169, § 5 KartG Rn 57 eidliche Vernehmung § 38 KartG Rn 19 Eigenbedarf § 3 KartG Rn 160 Eigenbeförderung § 24 KartG Rn 20 eigene Ressourcen § 7 KartG Rn 46 Eigenkapital § 4 KartG Rn 27 Eigenkapitalverzinsung, angemessene § 5 KartG Rn 42 Eigenkapitalverzinsung, gerechte § 5 KartG Rn 42 Eigenmarken § 21 KartG Rn 7, § 1 NVG Rn 2, 14 Eigenmittelquote § 19 KartG Rn 9 Eigenproduktion § 21 KartG Rn 7 Eigenschaften, spezifische § 23 KartG Rn 4 eigenständige Gebührenpflicht § 50 KartG Rn 8 eigenständiger Unternehmensbegriff § 20 KartG Rn 8 Eigenständigkeitsmerkmale § 4 KartG Rn 15 Eigentum, geistiges § 3 KartG Rn 162, 171, § 12 KartG Rn 86 Eigentumsrechte, geistige § 3 KartG Rn 25 Eilverfahren § 48 KartG Rn 8 Einbringung per ERV § 44 KartG Rn 4 Einbringung § 32 KartG Rn 1, § 35 KartG Rn 5, § 57 KartG Rn 1
Stichwortverzeichnis
Einbringungsstelle § 32 KartG Rn 1, § 57 KartG Rn 4 einfacher Senat § 59 KartG Rn 1 einfaches Wettbewerbsverbot § 3 KartG Rn 86 Einfluss, beherrschender § 7 KartG Rn 33 Einfluss, bestimmender § 7 KartG Rn 35 Einflussnahme, externe § 7 KartG Rn 34 Einflussrechte § 17 KartG Rn 3 Einflussrechte, vorübergehende § 7 KartG Rn 15 Einführungsangebote § 5 KartG Rn 67 einheitliche Streitpartei § 36 KartG Rn 24 einheitliche Zuwiderhandlung § 29 KartG Rn 25 einheitlicher Dienstleistungsmarkt § 23 KartG Rn 4 einheitlicher Produktmarkt § 23 KartG Rn 4 Einkauf, gemeinschaftlicher § 1 KartG Rn 107 Einkaufsbedingungen § 5 KartG Rn 43 Einkaufsgemeinschaften § 1 KartG Rn 73 Einkaufsgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 Einkaufsmacht § 4 KartG Rn 71 Einkaufsmarkt § 1 KartG Rn 73 Einkaufsverbände § 22 KartG Rn 4 Einkaufsvolumen § 12 KartG Rn 27 Einkaufszentren § 23 KartG Rn 25 Einlangen, fristgerechtes § 43 KartG Rn 4 Einmischungsverbot § 24 KartG Rn 3 Einrichtungen § 5 KartG Rn 58 811
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Einrichtungszuschüsse § 1 NVG Rn 9 Einschaltquoten § 13 KartG Rn 25 einschneidende Ermittlungen § 11a WettbG Rn 15 Einschränkung auf Kosten § 52 KartG Rn 11, 17 Einschränkung des Wettbewerbs § 1 KartG Rn 3 einseitige Spezialisierung § 3 KartG Rn 168 Einsichtnahme § 39 KartG Rn 18, § 11a WettbG Rn 21 Einsichtnahme, unbefugte § 39 KartG Rn 1 Einsichtnahme, Widerspruch § 12 WettbG Rn 31 Einsichtsberechtigter § 39 KartG Rn 20 Einstandspreis § 5 KartG, § 5 KartG Rn 74, § 1 NVG Rn 9 Einstellung d Zuwiderhandlung § 11b WettbG Rn 12 Einstellungsbeschluss § 14 KartG Rn 3 einstufige Konkurrenten § 4 KartG Rn 30 Einstweilige Verfügung § 26 KartG Rn 28, § 34 KartG Rn 1, § 48 KartG Rn 1, § 50 KartG Rn 13, § 7 NVG Rn 4, 9 Einstweiligen Verfügung § 38 KartG Rn 31 Eintreibung § 32 KartG Rn 1 Eintrittsrecht § 3 KartG Rn 50 einvernehmliche Streitbeilegung § 37g KartG Rn 1, § 37h KartG Rn 7 einvernehmliche Verfahrensbeendigung § 29 KartG Rn 36 Einzelhandel § 1 NVG Rn 1, § 4 NVG Rn 1 Einzelhandelsketten § 3 KartG Rn 29, § 4 KartG Rn 71 812
Einzelhandelsmarkt § 3 KartG Rn 66 Einzelkaufmann § 7 KartG Rn 31 Einzelrechtsnachfolge § 7 KartG Rn 7 Einzelverbote § 26 KartG Rn 11 elektronische Anlagen § 3 KartG Rn 136 elektronische Datenträger § 11a WettbG Rn 23 elektronische Kopien § 37j KartG Rn 7 elektronische Unterlagen § 35 KartG Rn 1 elektronischer Verkehr § 11 WettbG Rn 7 E-Mail-Account § 12 WettbG Rn 24 E-Mails § 1 KartG Rn 52 Emissionen § 3 KartG Rn 133, § 3 KartG Rn 146 Emissionsgeschäft § 19 KartG Rn 5 Empfehlung § 1 KartG, § 1 KartG Rn 122, § 17 WettbG Rn 1 Empfehlungskartell § 1 KartG Rn 122 Empfehlungskartelle § 1 KartG EMRK § 29 KartG Rn 33, § 37i KartG Rn 9, § 38 KartG Rn 23, § 49 KartG Rn 28, 63 Endkundenentgelt § 24 KartG Rn 22 Endverbraucher § 2 KartG Rn 33, § 1 NVG Rn 5 Energie-Control Austria § 4 WettbG Rn 12 Energie-Control GmbH § 36 KartG Rn 5 Energie-Control-Kommission § 36 KartG Rn 5 enge Bestpreisklausel § 1 KartG Rn 99
enge Reaktionsverbundenheit § 4 KartG Rn 36 englische Klausel § 1 KartG Rn 108, § 3 KartG Rn 34 englische Klauseln § 5 KartG Rn 12 Entdeckungsverfahren § 1 WettbG Rn 2 Entflechtung § 16 KartG Rn 7, § 17 KartG Rn 1, § 26 KartG Rn 10 Entgeltbestandteile § 5 KartG Rn 21 Enthebungsgrund § 66 KartG entscheidende Tatsachen § 49 KartG Rn 50 Entscheidung, präjudizielle § 37h KartG Rn 2 Entscheidung, rechtskräftige § 37 KartG Rn 1 Entscheidung, verkürzte § 38 KartG Rn 36 Entscheidungen, strategische § 7 KartG Rn 20 Entscheidungsausfertigung, verkürzte § 38 KartG Rn 36 Entscheidungsdokumentation Justiz § 37 KartG Rn 1 Entscheidungsentwurf § 38 KartG Rn 37 Entscheidungsfrist § 14 KartG Rn 1, 6, § 43 KartG Rn 4 entscheidungsrelevante Sachverhaltsfeststellungen § 49 KartG Rn 51 Entscheidungsveröffentlichung § 37 KartG Rn 1, § 39 KartG Rn 28, § 62 KartG Rn 3, § 7 NVG Rn 6 entsprechende Gegenleistung § 1 NVG Rn 11 Entwicklung § 1 KartG Rn 82, § 2 KartG Rn 20, § 3 KartG Rn 171
Stichwortverzeichnis
Entwicklung, technische § 1 KartG, § 5 KartG Rn 48 Entwicklungsarbeiten § 3 KartG Rn 149 Entwicklungsaufwand, paralleler § 3 KartG Rn 149 Entwicklungstätigkeit § 9 KartG Rn 16 Entwicklungsvereinbarung § 3 KartG Rn 171 Entwicklungsvorhaben § 2 KartG Rn 8 Entzug d Rechtsvorteils § 3 KartG Rn 12, 165 Entzug d Vorteils § 3 KartG Rn 182 E-Reader § 13 KartG Rn 30 Erfahrungssätze, wirtschaftliche § 20 KartG Rn 5 Erfolgshaftung § 52 KartG Rn 18 Erfolgsprinzip § 52 KartG Rn 17 Erfolgsprinzip, kartellgerichtliches § 41 KartG Rn 5 Erfolgsquote § 52 KartG Rn 5, 9 erforderliche Aufträge § 26 KartG Rn 8 Erforderlichkeit § 11a WettbG Rn 3, § 12 WettbG Rn 8 Erfüllungsgehilfe § 37c KartG Rn 4 Ergänzungsempfehlung § 43 KartG Rn 2 Erhaltungszustand § 5 KartG Rn 33 erhebliche Bedenken § 49 KartG Rn 50 Erheblichkeit § 49 KartG Rn 26 Erhebungspflicht § 28 KartG Rn 15, § 38 KartG Rn 12 erhöhte Transparenz § 15 KartG Rn 1 Erkenntnisverfahren, gerichtliches § 58 KartG Rn 4 813
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Erkundungsbeweis § 38 KartG Rn 12 Erläuterungen § 11a WettbG Rn 28 Erledigungsentwurf § 61 KartG Rn 1 Erlösschmälerungen § 22 KartG Rn 6 Ermäßigung § 30 KartG Rn 20 Ermessensentscheidung § 16 KartG Rn 11, § 54 KartG Rn 1 Ermessensnachprüfung § 30 KartG Rn 4 Ermittlungen vor Ort § 11a WettbG Rn 27 Ermittlungen § 11 WettbG Rn 1 Ermittlungen, einschneidende § 11a WettbG Rn 15 Ermittlungen, kostspielige § 11a WettbG Rn 15 Ermittlungsakt § 12 WettbG Rn 33 Ermittlungsbefugnisse, BWB § 11a WettbG Rn 1 Ermittlungsbehörde § 3 WettbG Rn 2 Ermittlungsergebnisse § 13 WettbG Rn 1 Ermittlungsgrundsätze § 73 KartG Rn 6 Ermittlungsverfahren, staatsanwaltschaftliches § 39 KartG Rn 24 Ernennungserfordernisse § 72 KartG Rn 1 Ernennungsvoraussetzungen § 66 KartG, § 70 KartG ernsthafte Indizien § 12 WettbG Rn 5 Erörterung, erschöpfende § 49 KartG Rn 26 Erörterungspflicht § 47 KartG Rn 1 814
Ersatzanspruch, subsidiärer § 37e KartG Rn 11 Ersatzansprüche § 37j KartG Rn 1 Ersatzpflicht § 55 KartG Rn 1 Ersatzprodukte § 3 KartG Rn 155 Ersatzquoten § 52 KartG Rn 9 Ersatztechnologien § 3 KartG Rn 155 Ersatzteile § 3 KartG Rn 56, 111, 130, 146 Ersatzteile, minderwertige § 3 KartG Rn 140 Ersatzteilhändler § 3 KartG Rn 113 Ersatzteilhersteller § 3 KartG Rn 113 Ersatzteilmarken § 3 KartG Rn 113 Ersatzteilmarkt § 3 KartG Rn 131 Ersatzteilnummer § 3 KartG Rn 134 Ersatzteilvertrieb § 3 KartG Rn 110, 113 Erscheinungsweise § 13 KartG Rn 3 Erscheinungsweise, periodische § 13 KartG Rn 3 erschöpfende Angaben § 10 KartG Rn 3 erschöpfende Erörterung § 49 KartG Rn 26 erschwerende Umstände § 30 KartG Rn 24 Erschwerungsgrund § 30 KartG Rn 5, 24, § 12 WettbG Rn 15 Erstabnehmerstufe § 37f KartG Rn 1 Erstausrüster § 3 KartG Rn 115 Erstausstattung § 3 KartG Rn 117 Erstinvestitionen § 2 KartG Rn 7 Erstzulassung § 3 KartG Rn 141 ersuchtes Gericht § 58 KartG Rn 14 Ertragschancen § 5 KartG Rn 16
Ertragssituation § 30 KartG Rn 21 Erwerb, treuhändiger § 7 KartG Rn 8 Erwerbsgenossenschaften § 2 KartG Erzeugnisse, geschützte § 3 KartG Rn 147 Erzeugnisse, spezialisierte § 3 KartG Rn 167 Erzeugung § 1 KartG, § 5 KartG Rn 48 Erzeugung, Einschränkung § 5 KartG Rn 49 essential facility § 4 KartG Rn 73, § 5 KartG Rn 58, 69 Etikettierung § 24 KartG Rn 19 EuGH § 49 KartG Rn 76, § 1 WettbG Rn 7 EU-Import § 3 KartG Rn 68, 72 EU-Mitgliedstaaten § 83 KartG Rn 1 EU-Neufahrzeuge § 3 KartG Rn 145 EU-Recht § 1 WettbG Rn 5 Europäische Kommission § 58 KartG Rn 8, § 83 KartG Rn 1, § 85 KartG Rn 1, § 12 WettbG Rn 38 Europäische Wettbewerbsregeln § 3 WettbG Rn 1, § 4 WettbG Europäische Zentralbank § 22 KartG Rn 14 Europäisches Wettbewerbsnetz § 84 KartG Rn 1 EU-Wettbewerbsregeln § 3 WettbG Rn 1, § 4 WettbG EU-Zusammenarbeit § 84 KartG Rn 1 Eventualanmeldungen § 10 KartG Rn 2 Eventualantrag § 10 KartG Rn 2, § 28 KartG Rn 1, § 52 KartG Rn 6
Stichwortverzeichnis
Evergreen-Klausel § 3 KartG Rn 50 Evokationsrecht § 27 KartG Rn 10 ex-ante-Prüfung § 28 KartG Rn 11 Exekution § 35 KartG Rn 5 Exekutionsbewilligung § 34 KartG Rn 8 Exekutionsführung § 34 KartG Rn 6 Exekutionsgericht § 34 KartG Rn 4 exekutionsrechtliche Klage § 34 KartG Rn 9 Exekutionstitel § 26 KartG Rn 24, § 32 KartG Rn 1, § 34 KartG Rn 1, § 38 KartG Rn 40, § 7 NVG Rn 11 Exekutionsverfahren § 292c StGB Rn 1 exekutives Versteigerungsverfahren § 292c StGB Rn 2 Existenzgefährdung § 4 NVG Rn 5 Exklusivbindung § 3 KartG Rn 35 exklusives Vertragsgebiet § 3 KartG Rn 81 Exklusivgebiet § 3 KartG Rn 159, 160 Exklusivkundengruppe § 3 KartG Rn 159, 160 Exklusivlizenz § 3 KartG Rn 151, 157 Exklusivverträge § 4 KartG Rn 26 exorbitante Preiserhöhungen § 5 KartG Rn 29 Expertenwissen § 73 KartG Rn 5 Exportverbot § 1 KartG Rn 41, 106 externe Berater § 2 KartG Rn 2 externe Datenträger § 11a WettbG Rn 23 externe Einflussnahme § 7 KartG Rn 34 815
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
externe Marktumsätze § 22 KartG Rn 11 externe Speicherplätze § 12 WettbG Rn 17 externer Server § 11a WettbG Rn 22, § 12 WettbG Rn 17 externer Speicherplatz § 35 KartG Rn 1 externes Unternehmenswachstum § 4 KartG Rn 1, § 7 KartG Rn 9, § 12 KartG Rn 4 externes Wachstum § 12 KartG Rn 6 extraterritoriale Jurisdiktionsbefugnis § 37i KartG Rn 8 Exzess § 12 WettbG Rn 35 F F&E-GU § 7 KartG Rn 51 F&E-GVO § 3 KartG Rn 171 Fachbücher § 13 KartG Rn 20 Fachhandel § 4 NVG Rn 4 fachkundiger Laienrichter § 58 KartG Rn 1, § 59 KartG Rn 1, § 64 KartG, § 65 KartG, § 66 KartG, § 67 KartG Rn 2, § 68 KartG, § 69 KartG, § 70 KartG, § 71 KartG, § 72 KartG Rn 1 Fachliteratur § 13 KartG Rn 20 Fachpublikationen § 13 KartG Rn 20 Fachzeitschriften § 13 KartG Rn 4 Fahrgelegenheiten, unzulängliche § 4 NVG Rn 2 Fahrlässigkeit § 29 KartG Rn 15, § 30 KartG Rn 16, § 37c KartG Rn 3 Fahrlässigkeitsbegriff § 29 KartG Rn 16 Fahrrad § 3 KartG Rn 61 Fahrzeugflotte § 7 KartG Rn 12 failing company defence § 2 KartG Rn 19, § 12 KartG Rn 16 816
fair trial § 29 KartG Rn 33, § 37i KartG Rn 9 faires Verfahren § 49 KartG Rn 28, § 2 WettbG Rn 17 fair-trial-Prinzip § 11a WettbG Rn 33 falsche Aussage § 11 WettbG Rn 12 fehlende Gegenleistung § 1 NVG Rn 11 fehlende Transparenz § 29 KartG Rn 42 fehlende Zahlungsfähigkeit § 5 NVG Rn 3 fehlendes Zugeständnis § 38 KartG Rn 18 Fehlercode § 3 KartG Rn 134 Fernsehanstalten § 13 KartG Rn 5 Fernsehen § 13 KartG Rn 2, 21 Fernsehen, frei empfangbares § 13 KartG Rn 24 Fernsehen, werbefinanziertes § 13 KartG Rn 24 Fernsehmarkt § 13 KartG Rn 23 Fernsehprogramme § 13 KartG Rn 23 Fernsehrechte § 13 KartG Rn 27 Fernsehwerbemarkt § 13 KartG Rn 23 Fernsehwerbung § 13 KartG Rn 9 Fernsehzuschauermarkt § 13 KartG Rn 24 Fertigungsbetriebe § 7 KartG Rn 10 Festnahme § 14 WettbG Rn 2 Festsetzungsbeschluss § 35 KartG Rn 10 Feststellung § 5 KartG Rn 2, § 28 KartG Rn 1 Feststellungsantrag § 28 KartG Rn 4 Feststellungsbefugnis § 28 KartG Rn 12 Feststellungsbegehren § 28 KartG Rn 1
Feststellungsentscheidung § 28 KartG Rn 7 Feststellungsinteresse § 28 KartG Rn 4 Feststellungsklage, negative § 37j KartG Rn 13 Feststellungskompetenz § 28 KartG Rn 6 Feststellungsmangel, sekundärer § 49 KartG Rn 49 Feststellungspflicht § 28 KartG Rn 12 Festverkaufspreise § 3 KartG Rn 160 fette Katze § 4 KartG Rn 28 fiktive Schuldentilgungsdauer § 19 KartG Rn 9 Filmmarkt § 13 KartG Rn 36 Filmverleiher § 13 KartG Rn 36 Filmverleihunternehmen § 8 KartG Rn 6 Finanzämter § 292c StGB Rn 1 Finanzdienstleistung § 3 KartG Rn 92 finanzielle Verhältnisse § 54 KartG Rn 15 Finanzinstitute § 22 KartG Rn 16 Finanzinstitute, sonstige § 19 KartG Rn 3 Finanzkraft § 4 KartG, § 4 KartG Rn 27, § 9 KartG Rn 21, § 54 KartG Rn 15 Finanzkraft, überlegene § 5 KartG Rn 76 Finanzlage, schlechte § 29 KartG Rn 12 Finanzmarktbehörde § 4 KartG Rn 3, § 24 KartG Rn 11 Finanzprokurator § 15 WettbG Firmenbuch § 17 KartG Rn 8 Firmenzeichen § 3 KartG Rn 132 first mover advantage § 4 KartG Rn 29
Stichwortverzeichnis
fishing expeditions § 12 WettbG Rn 5 fiskalische Interessen § 12 KartG Rn 55 Fixkosten § 5 KartG Rn 77 Flächenwidmung § 4 KartG Rn 31 Flottengeschäft § 3 KartG Rn 82 Flottenkunden § 3 KartG Rn 136 Flugblätter § 13 KartG Rn 14 Flüssiggas § 5 KartG Rn 73 Flyer § 13 KartG Rn 15 Folgen, zivilrechtliche § 58 KartG Rn 5 Folgeverträge § 1 KartG Rn 117 Folgewirkungen § 26 KartG Rn 4 Follow-on-Klage § 26 KartG Rn 26, § 37 KartG Rn 5, § 37h KartG Rn 2, § 37i KartG Rn 1 Forderungssicherung § 19 KartG Rn 3 forensische Software § 12 WettbG Rn 17 Formalentscheidung § 62 KartG Rn 5 formaler Abwicklungsprozess § 5 KartG Rn 46 Formblatt BWB § 10 KartG Rn 4 formelle Beschwer § 49 KartG Rn 5 Formerfordernisse § 36 KartG Rn 8 Formmangel § 38 KartG Rn 8, § 42 KartG Rn 3 Formmängel § 48 KartG Rn 2 Forschung § 1 KartG Rn 82, § 2 KartG Rn 20, § 3 KartG Rn 171 Forschungsaktivitäten § 2 KartG Rn 8, § 4 KartG Rn 29 Forschungsaktivitäten, individuelle § 2 KartG Rn 8 Forschungsarbeiten § 3 KartG Rn 149 Forschungsaufwand, paralleler § 3 KartG Rn 149 817
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Forschungsschwerpunkt § 12 KartG Rn 55 Forschungstätigkeit § 9 KartG Rn 16 Forschungsvereinbarung § 3 KartG Rn 171 Forschungsvorhaben § 2 KartG Rn 8 fortgesetzte Geschäftspraxis § 26 KartG Rn 3 fortgesetzte Zuwiderhandlung § 33 KartG Rn 4 Fortschritt, technischer § 2 KartG, § 2 KartG Rn 5, 20, § 3 KartG Rn 13 Fortschritt, wirtschaftlicher § 2 KartG, § 2 KartG Rn 5, 23, § 3 KartG Rn 13 Fortsetzungsantrag § 11 KartG Rn 8, § 26 KartG Rn 8, § 28 KartG Rn 16, § 36 KartG Rn 28, § 38 KartG Rn 9, § 40 KartG Rn 4 Frachtkostenintensität § 23 KartG Rn 16 Fragen, strategische § 7 KartG Rn 21 Fragerecht § 47 KartG Rn 1 Franchisegeber § 1 KartG Rn 123 Franchise-Konzept § 1 KartG Rn 80 Franchisenehmer § 1 KartG Rn 123 Franchisevereinbarung § 3 KartG Rn 51 Franchiseverträge § 3 KartG Rn 21, 25 Frankierung § 24 KartG Rn 19 Free-TV § 13 KartG Rn 24, § 23 KartG Rn 22 frei empfangbares Fernsehen § 13 KartG Rn 24 freiberufliche Tätigkeit § 1 KartG Rn 8 freie Berufe § 4 KartG Rn 5 818
freie Beweiswürdigung § 11 WettbG Rn 9 freie Überzeugung § 37d KartG Rn 2 freie Werkstätten § 3 KartG Rn 131, 135 Freigabeentscheidung § 82 KartG Rn 1 Freiheitsstrafe § 168b StGB Rn 1 Freistellungstatbestände § 3 KartG Rn 2 freiwillige Beendigung § 30 KartG Rn 26 freiwillige Herausgabe § 12 WettbG Rn 8 freiwillige Nachschau § 11a WettbG Rn 27 Freiwilligkeit § 168b StGB Rn 13 Fremdwährungsumsätze § 22 KartG Rn 14 Fristauslösung § 37h KartG Rn 2 Fristen § 44 KartG Rn 1, § 62 KartG Rn 3 Fristenlauf § 44 KartG Rn 5 Fristerstreckung § 38 KartG Rn 33 fristgerechtes Einlangen § 43 KartG Rn 4 Fristsetzung § 38 KartG Rn 33 Fristsetzungsbeschlüsse § 38 KartG Rn 33 Fristverlängerung § 14 KartG Rn 2 Fruchtgenuss § 7 KartG Rn 19 Fruchtnießer § 7 KartG Rn 19 frühe Marktphase § 4 KartG Rn 38 frühzeitige Abklärung § 28 KartG Rn 10 frustrierte Aufwendungen § 55 KartG Rn 8 Fünfjahresfrist § 3 KartG Rn 87 Fünf-Jahres-Zeitraum § 3 KartG Rn 50 Funktion, generalpräventive § 37 KartG Rn 3
funktionale Austauschbarkeit § 23 KartG Rn 4 funktionaler Unternehmensbegriff § 7 KartG Rn 4 funktionierender Wettbewerb § 40 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 1, § 1 WettbG Rn 1 Funktionsperiode § 69 KartG Funktionsrabatte § 5 KartG Rn 23, § 1 NVG Rn 9, 13 Fusionskontrolle, präventive § 17 KartG Rn 1 G G&V § 4 KartG Rn 28, § 22 KartG Rn 9 Gabelstapler § 3 KartG Rn 61 Garantie § 3 KartG Rn 118, 139 Garantie, bedingte § 3 KartG Rn 141 Garantieansprüche § 5 KartG Rn 47 Garantiearbeiten § 3 KartG Rn 125, § 5 KartG Rn 46 Garantiebedingungen § 1 KartG Rn 101 Garantiedauer § 3 KartG Rn 69 Garantiefristen § 3 KartG Rn 143 Garantiereparaturen § 5 KartG Rn 46 Gastank § 5 KartG Rn 73 Gebietsaufteilung § 1 KartG Rn 104 Gebietsbeschränkung § 1 KartG Rn 102, § 3 KartG Rn 47 Gebietskörperschaft § 1 KartG Rn 20 Gebietskrankenkassen § 1 KartG Rn 21 Gebietsschutz § 2 KartG Rn 63, § 3 KartG Rn 36, 41, § 5 KartG Rn 70 Gebrauchsmuster § 3 KartG Rn 150
Stichwortverzeichnis
Gebrauchtfahrzeug § 3 KartG Rn 75, 141 Gebrauchtwagenhandel § 3 KartG Rn 62 Gebrechlichkeit § 11 WettbG Rn 11 Gebühren, weitere § 51 KartG Gebührenanspruch § 55 KartG Rn 3 Gebührenanspruch, Sachverständiger § 55 KartG Rn 3 Gebührenbemessungsverfahren § 55 KartG Rn 12 Gebührenbestimmung § 50 KartG Rn 4, § 62 KartG Rn 4 Gebührenbestimmungsbeschluss § 73 KartG Rn 7 Gebührenbestimmungsverfahren § 55 KartG Rn 13 Gebührenfestsetzung, gerichtliche § 52 KartG Rn 13 Gebührenfreiheit § 56 KartG Gebührenpflicht § 50 KartG Rn 4 Gebührenpflicht, eigenständige § 50 KartG Rn 8 gebührenpflichtig § 50 KartG Rn 4 Gebührenrahmen § 50 KartG Rn 1 Gebührenstaffel § 50 KartG Rn 1 Gebührentatbestand § 50 KartG Rn 6 Gefahr im Verzug § 12 WettbG Rn 14 Gefährdung § 48 KartG Rn 3 Gefährdung, unwiderbringliche § 37e KartG Rn 3 Gefährdungsbescheinigung § 36 KartG Rn 9, § 7 NVG Rn 9 Gefährdungslage, relevante § 7 KartG Rn 22 Gefährdungstatbestand § 7 KartG Rn 1, § 12 KartG Rn 18 819
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Gegenäußerung § 48 KartG Rn 2, § 49 KartG Rn 11 Gegenbescheinigung § 48 KartG Rn 6 Gegenforderung, konnexe § 5 KartG Rn 45 Gegenleistung, entsprechende § 1 NVG Rn 11 Gegenleistung, fehlende § 1 NVG Rn 11 Gegenmacht, nachfrageseitige § 4 KartG Rn 4 gegenseitige Spezialisierung § 3 KartG Rn 168 Gegenstände, beschlagnahmte § 12 WettbG Rn 20 Geheimhaltung § 39 KartG Rn 2, § 11 WettbG Rn 16 Geheimhaltungsinteresse § 37 KartG Rn 15, § 39 KartG Rn 5 Geheimhaltungsinteressen, schutzwürdige § 39 KartG Rn 1, 11 Geheimhaltungspflicht, gesetzliche § 39 KartG Rn 1 Geheimhaltungspflichten § 1 KartG Rn 71 Gehör, rechtliches § 38 KartG Rn 22, § 13 WettbG Rn 1 geistige Eigentumsrechte § 3 KartG Rn 25 geistige Schutzrechte § 7 KartG Rn 10 geistiges Eigentum § 3 KartG Rn 162, 171, § 12 KartG Rn 86 gekoppeltes Produkt § 5 KartG Rn 71 Geländewagen § 3 KartG Rn 66 Gelbe Seiten § 13 KartG Rn 15, 16 Geldbuße § 2 KartG Rn 2, § 5 KartG Rn 2, § 10 KartG Rn 8, § 16 KartG Rn 12, § 27 KartG Rn 18, § 29 KartG Rn 1, § 30 KartG Rn 1, § 49 KartG Rn 60, § 75 KartG Rn 4 820
Geldbuße, Ausgangswert § 11b WettbG Rn 17 Geldbuße, beantragte § 30 KartG Rn 30 Geldbuße, Grundbetrag § 30 KartG Rn 5 Geldbuße, Herabsetzung § 49 KartG Rn 62 Geldbuße, Minderung § 11b WettbG Rn 17 Geldbuße, Reduktion § 11b WettbG Rn 16 Geldbußenantrag § 11b WettbG Rn 7 Geldbußenerlass § 37e KartG Rn 4, § 11b WettbG Rn 10 Geldbußensystem § 30 KartG Rn 7 Geldstrafe § 8 NVG Rn 1 Geldwert § 12 KartG Rn 52 Gemeinde § 1 KartG Rn 20 Gemeinhaltungspflicht § 39 KartG Rn 2 Gemeinkosten § 5 KartG Rn 46 gemeinnützige Bauvereinigungen § 24 KartG Rn 12 gemeinsame Agrarpolitik § 2 KartG Rn 66, § 4 WettbG Rn 3 gemeinsame Anmeldung § 10 KartG Rn 1 gemeinsame Geschäftspolitik § 7 KartG Rn 40 gemeinsame Kontrolle § 7 KartG Rn 16, 39 gemeinsame Produktion § 3 KartG Rn 168 gemeinsame Unternehmenspolitik § 7 KartG Rn 39 gemeinsame Vermarktung § 1 KartG Rn 73 Gemeinschaftsunternehmen § 1 KartG Rn 27, § 3 KartG Rn 168, § 4 KartG Rn 37, 51, § 7 KartG Rn 40, 43, § 9 KartG Rn 22, § 12
KartG Rn 33, 34, 93, § 13 KartG Rn 34, § 22 KartG Rn 12, § 26 KartG Rn 10 gemeinschaftsweite Bedeutung § 9 KartG Rn 2, § 24 KartG Rn 10 genehmigte Kartelle § 89 KartG Genehmigungsverfahren § 4 KartG Rn 31 Generaldirektor BWB § 6 WettbG Generaldirektor Wettbewerb § 1 WettbG Rn 13, § 6 WettbG Generalimporteure § 3 KartG Rn 130 generalpräventive Funktion § 37 KartG Rn 3 generalpräventive Gründe § 30 KartG Rn 18 Generika § 5 KartG Rn 56 Genossenschaft § 1 KartG Rn 28, § 2 KartG, § 2 KartG Rn 54, § 31 KartG Rn 1, § 4 WettbG Rn 4 Genossenschaftsmitglieder § 2 KartG, § 2 KartG Rn 55 Genossenschaftsregister § 17 KartG Rn 8 Genossenschaftsrevision § 2 KartG Rn 58 Genossenschaftswesen § 2 KartG Rn 59 geografischer Markt § 4 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2, § 23 KartG Rn 15 geprüfter Jahresabschluss § 22 KartG Rn 7 gerechte Eigenkapitalverzinsung § 5 KartG Rn 42 Gericht, ersuchtes § 58 KartG Rn 14 gerichtliche Gebührenfestsetzung § 52 KartG Rn 13 gerichtliche Kosten § 41 KartG Rn 12, § 55 KartG Rn 1
Stichwortverzeichnis
gerichtliche Versteigerung § 292c StGB Rn 1 gerichtliches Erkenntnisverfahren § 58 KartG Rn 4 Gerichtsabteilungen § 60 KartG Rn 3 Gerichtsbarkeit, inländische § 49 KartG Rn 20 gerichtsbekannte Tatsachen § 49 KartG Rn 43 Gerichtsgebühren § 41 KartG Rn 12, § 50 KartG Rn 1 Gerichtsgebühren, weitere § 51 KartG Gerichtshof § 1 WettbG Rn 7 Gerichtsorganisation § 58 KartG Rn 1 geringe Preiselastizität § 4 KartG Rn 38 Gesamtentgelt § 5 KartG Rn 21 Gesamtgebühr § 55 KartG Rn 4 Gesamtkosten, durchschnittliche § 5 KartG Rn 77 Gesamtmarktvolumen § 21 KartG Rn 7 Gesamtnachfrage § 5 KartG Rn 12 Gesamtnichtigkeit § 1 KartG Rn 116 Gesamtrechtsnachfolge § 7 KartG Rn 7 Gesamtschuldner § 37g KartG Rn 4 gesamtschuldnerische Haftung § 29 KartG Rn 24 Gesamtstreitgegenstand § 52 KartG Rn 6 Gesamtumsatz § 29 KartG Rn 5 Gesamtumsatzrabatt § 1 KartG Rn 93, 107 Gesamtvolumen § 21 KartG Rn 3 Gesamtwürdigung § 30 KartG Rn 1 Geschädigter, mittelbarer § 37f KartG Rn 7 821
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Geschädigter, vergleichender § 37g KartG Rn 2 geschäftliche Unterlagen § 11a WettbG Rn 20 Geschäftsanteile § 7 KartG Rn 22 Geschäftsbedingungen § 1 KartG, § 1 KartG Rn 101, § 5 KartG Rn 43 Geschäftsbereiche § 60 KartG Rn 2 Geschäftsbezeichnung § 12 KartG Rn 85 Geschäftsflächen § 1 KartG Rn 79 geschäftsführender Gesellschafter § 7 KartG Rn 31 Geschäftsführung § 7 KartG Rn 30 Geschäftsgeheimnis § 15 KartG Rn 3, § 37 KartG Rn 1, 14, § 37k KartG Rn 15, § 39 KartG Rn 1, 2, § 2 WettbG Rn 17, § 10b WettbG Rn 2, § 11 WettbG Rn 17, § 11a WettbG Rn 35 Geschäftsidee § 9 KartG Rn 8 Geschäftsjahr § 9 KartG Rn 25, § 22 KartG Rn 7 Geschäftsjahr, vorangegangenes § 29 KartG Rn 10 Geschäftskunden § 23 KartG Rn 5, § 24 KartG Rn 21 Geschäftsmodelle, internetbasierte § 4 KartG Rn 8 Geschäftspartner, unterlegener § 1 NVG Rn 4 Geschäftspolitik, gemeinsame § 7 KartG Rn 40 Geschäftspraktiken, unlautere § 2 WettbG Rn 8 Geschäftspraxis § 26 KartG Rn 3 Geschäftsstelle § 1 WettbG Rn 13 Geschäftsstelle, Leiter § 1 WettbG Rn 13, § 9 WettbG Geschäftstätigkeit, außerordentliche § 22 KartG Rn 2 822
Geschäftstätigkeit, gewöhnliche § 22 KartG Rn 2 Geschäftsunterlagen § 11a WettbG Rn 24 Geschäftsverteilung § 59 KartG Rn 3, § 60 KartG Rn 1 Geschmacksmuster § 3 KartG Rn 150 geschützte Erzeugnisse § 3 KartG Rn 147 geschützte Rechtssphäre § 49 KartG Rn 1 geschützte Verfahren § 3 KartG Rn 147 Gesellschaft, notleidende § 19 KartG Rn 9 Gesellschafter § 7 KartG Rn 5 Gesellschafter, geschäftsführender § 7 KartG Rn 31 Gesellschafterbeschlüsse § 7 KartG Rn 25 gesellschaftlicher Druck § 1 KartG Gesellschaftsversammlung § 7 KartG Rn 24 gesetzliche Geheimhaltungspflicht § 39 KartG Rn 1 gesetzliche Mitgliedschaft § 31 KartG Rn 5 gesetzliche Verschwiegenheitspflicht § 39 KartG Rn 1 gesetzlicher Richter § 60 KartG Rn 1 gesetzliches Bemessungskriterium § 50 KartG Rn 12 Gesprächsprotokolle § 11a WettbG Rn 20 Geständnis § 11a WettbG Rn 33 Gestehungskosten § 5 KartG Rn 19 getrennter Schauraum § 3 KartG Rn 90 Gewährleistung § 3 KartG Rn 118, 139, § 5 KartG Rn 46
Gewährleistungsarbeiten § 3 KartG Rn 112, 139, § 5 KartG Rn 46 Gewährleistungsfrist § 3 KartG Rn 140 Gewährleistungsreparaturen § 5 KartG Rn 46 gewerbliche Schutzrechte § 1 KartG Rn 105, § 2 KartG Rn 21, § 12 KartG Rn 85 gewerblicher Abnehmer § 2 KartG Rn 33 Gewerkschaftsbund, Österreichischer § 16 WettbG Rn 3 Gewinn- und Verlustrechnung § 22 KartG Rn 9 Gewinn, angemessener § 5 KartG Rn 19 Gewinn, bürgerlicher § 3 KartG Rn 143 Gewinnabschöpfungsteil § 30 KartG Rn 15 Gewinnabsicht § 1 NVG Rn 6 Gewinnbegrenzung § 5 KartG Rn 27, 41 Gewinne, überhöhte § 5 KartG Rn 21 Gewinnerzielungsabsicht § 1 KartG Rn 9, § 4 KartG Rn 5 Gewinnspanne § 5 KartG Rn 20, 41 gewöhnliche Geschäftstätigkeit § 22 KartG Rn 2 Gleichbehandlung, sprachliche § 93 KartG, § 18 WettbG Gleichbehandlungsgrundsatz § 29 KartG Rn 35 Gleichbehandlungspflicht § 5 KartG Rn 62 Gleichgewicht, außenwirtschaftliches § 12 KartG Rn 52 Gleichschrift § 42 KartG Rn 6 gleichwertige Leistungen § 1 KartG
Stichwortverzeichnis
Glücksspielmarkt § 7 KartG Rn 67 Goodwill § 1 KartG Rn 80, § 3 KartG Rn 126, § 12 KartG Rn 73 Gratiswochenzeitung § 13 KartG Rn 13 Gratiszeitung § 13 KartG Rn 13, § 23 KartG Rn 22 Gratiszeitungen, unadressierte § 24 KartG Rn 26 graue Klauseln § 3 KartG Rn 36 graue Liste § 37k KartG Rn 3 Graumarkt § 3 KartG Rn 58, 68 Grenzkosten, durchschnittliche § 5 KartG Rn 79 Großaufträge § 4 KartG Rn 50 Größenvorteile § 2 KartG Rn 6, 11, § 4 KartG Rn 18, § 23 KartG Rn 26 Großhandelsmarkt § 3 KartG Rn 66 Großhändler § 1 KartG Rn 77, § 3 KartG Rn 22 Grundauskunft § 37j KartG Rn 5 Grundbuch § 17 KartG Rn 8 Gründe, generalpräventive § 30 KartG Rn 18 Gründe, spezialpräventive § 30 KartG Rn 18 Gründe, wissenschaftspolitische § 12 KartG Rn 55 Gründerunternehmen § 7 KartG Rn 46, § 12 KartG Rn 34 Grundlage, aktenwidrige § 49 KartG Rn 54 gründliche Beurteilung § 49 KartG Rn 26 Grundrechte § 12 WettbG Rn 1 Gruppeneffekt § 7 KartG Rn 47, § 12 KartG Rn 35 Gruppenfreistellungsverordnungen § 3 KartG Rn 1 GU § 1 KartG Rn 27 823
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
GU, kooperatives § 12 KartG Rn 93 Gutachten § 38 KartG Rn 21, § 11 WettbG Rn 2, § 16 WettbG Güter, homogene § 4 KartG Rn 45 Güterverknappung § 5 NVG Rn 1 GVO § 3 KartG Rn 1 GVO, Rechtsvorteil § 83 KartG Rn 6 H Haftung § 37c KartG Rn 1 Haftung, gesamtschuldnerische § 29 KartG Rn 24 Haftung, nachrangige § 37e KartG Rn 8, § 37g KartG Rn 5 Haftung, verschuldensunabhängige § 48 KartG Rn 19 Haftungsbegrenzung § 37e KartG Rn 7 haftungsbeschränkende Regelung § 37e KartG Rn 11 Haftungsquote § 37e KartG Rn 11 Haftungsübernahme § 1 NVG Rn 15 Halbleiterprodukte § 3 KartG Rn 150 Handbuch d BWB § 11b WettbG Rn 3, 21 Handelsbrauch § 1 KartG, § 1 KartG Rn 112, § 5 KartG, § 5 KartG Rn 71 Handelsmarke § 1 KartG Rn 79, § 21 KartG Rn 7 Handelsmärkte § 21 KartG Rn 5 Handelsortiment § 1 KartG Rn 79 Handelspraktiken, unlautere § 1 NVG Rn 2 Handelsspannen § 1 KartG Handelsvertreter § 1 KartG Rn 8, 12, § 22 KartG Rn 4 Handelsvertreterprivileg § 3 KartG Rn 93 824
Handelsvertreter-Vertrag § 3 KartG Rn 93 Händlereinstandspreis § 1 KartG Rn 92, 98 Händlermarge § 3 KartG Rn 73 Händlermarken § 1 NVG Rn 14 Händlerschutzbestimmungen § 3 KartG Rn 63, 100 Händlervertrag § 1 KartG Rn 41 Handlung, unvertretbare § 35 KartG Rn 17 Handlungsauftrag § 26 KartG Rn 9 Handlungsbeschränkungen § 5 KartG Rn 11 Handlungsfreiheit § 1 KartG Rn 68 Handlungsfreiheit, wirtschaftliche § 5 KartG Rn 5 Handlungsgebot § 34 KartG Rn 2 Handlungsspielraum, wirtschaftlicher § 4 KartG Rn 1 Handlungsverpflichtung § 35 KartG Rn 3 hardcore-Beschränkungen § 3 KartG Rn 36 Hauptbegehren § 52 KartG Rn 6 Hauptleistung § 5 KartG Rn 72 Hauptversammlungsmehrheit § 7 KartG Rn 36 Hausdurchsuchung § 35 KartG Rn 1, § 37k KartG Rn 3, § 39 KartG Rn 1, § 50 KartG Rn 16, § 62 KartG Rn 4, § 11 WettbG Rn 1, § 11b WettbG Rn 7, § 12 WettbG Rn 1, § 14 WettbG Rn 1 Hausdurchsuchung, Eignung § 12 WettbG Rn 9 Hausdurchsuchung, Rekurs § 12 WettbG Rn 13 Hausdurchsuchungsbefehl § 12 WettbG Rn 2, 34 Haushaltsrisiko § 12 KartG Rn 55 Hauszustellung § 13 KartG Rn 18
Hebebühnen § 3 KartG Rn 137 Hemmung § 37h KartG Rn 4 Hemmungsgrund § 37h KartG Rn 7 Herausgabe, freiwillige § 12 WettbG Rn 8 Herausgabeanspruch § 37j KartG Rn 7 Herstellergarantie § 5 KartG Rn 46 Herstellermarken § 1 NVG Rn 2 Hilfsfunktionen, bloße § 7 KartG Rn 44 Hintergrundberichterstattung § 13 KartG Rn 5 Hinweis, anonymer § 11b WettbG Rn 4 Hinweisgebersystem, standardisiertes § 11b WettbG Rn 4 Höchstbetrag, zulässiger § 54 KartG Rn 3 Höchstlaufzeit § 3 KartG Rn 50 Höchstmengen § 1 KartG Rn 102 Höchstpreise § 1 KartG Rn 96 Höchstrabatte § 1 KartG Rn 93 Höchstverkaufspreise § 3 KartG Rn 160 hohe Preisnachlässe § 5 KartG Rn 19 Höhe, symbolische § 30 KartG Rn 18 Hoheitsgebiet, gesamtes § 1 KartG Rn 4 Hoheitsträge § 4 KartG Rn 6 hoher Marktanteil § 4 KartG Rn 25 hoher Spezialisierungsgrad § 4 KartG Rn 67 hohes Innovationspotenzial § 9 KartG Rn 12 hohes Marktpotenzial § 9 KartG Rn 8 Holding § 7 KartG Rn 26
Stichwortverzeichnis
holländische Klausel § 9 KartG Rn 4 homogene Güter § 4 KartG Rn 45 homogene Produkte § 4 KartG Rn 41 homogene Produktmärkte § 21 KartG Rn 5 homogene Wettbewerbsbedingungen § 23 KartG Rn 15 Homogenität § 4 KartG Rn 37, § 23 KartG Rn 15 Hörer § 2 WettbG Rn 11 Hörfunk § 13 KartG Rn 2, 21 Hörfunkwerbung § 13 KartG Rn 9 horizontale Kollusion § 1 KartG Rn 95 horizontale Vereinbarung § 1 KartG Rn 39 Horizontalverhältnis § 1 KartG Rn 70 Hotelbuchungsportal § 1 KartG Rn 99 Hotellerie § 3 KartG Rn 24 hypothetischer Monopolistentest § 23 KartG Rn 11, § 49 KartG Rn 47 hypothetischer Wettbewerbspreis § 5 KartG Rn 27 I Identteile § 3 KartG Rn 115 immaterielles Ausschließlichkeitsrecht § 3 KartG Rn 147 Immobilienvermittlung § 3 KartG Rn 24 Immunität § 11b WettbG Rn 3 implizite Kollusion § 4 KartG Rn 36 implizite Koordinierung § 4 KartG Rn 37 Importeur § 1 KartG Rn 77 Impugnationsklage § 34 KartG Rn 9 825
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
in dubio pro reo § 29 KartG Rn 2, § 37i KartG Rn 9 Inanspruchnahme, mehrfache § 37f KartG Rn 9 Individualschutz § 36 KartG Rn 7 individuelle Forschungsaktivitäten § 2 KartG Rn 8 individuelle Verantwortung § 37e KartG Rn 10 individuelles Abnahmepotenzial § 5 KartG Rn 24 Indizien, ernsthafte § 12 WettbG Rn 5 Industriellenvereinigung § 16 WettbG Rn 3 Ineffizienzen § 5 KartG Rn 21, 31 Ineffizienzen, interne § 4 KartG Rn 28 Informant § 11b WettbG Rn 1 Informantenschutz § 6 KartG Rn 1 Informationen, sicherheitsrelevante § 3 KartG Rn 136 Informationen, technische § 3 KartG Rn 111, 133 Informationen, vertrauliche § 37j KartG Rn 6 Informationsaustausch § 1 KartG Rn 47, 50 Informationsinteressen § 37 KartG Rn 15 Informationsquellen, diversifizierte § 13 KartG Rn 43 Informationsübermittlung § 10 WettbG Rn 1 Infrastruktur § 4 KartG Rn 4, 7 Infrastrukturleistung § 5 KartG Rn 55 Inhaltserfordernisse § 36 KartG Rn 8, § 42 KartG Rn 2, § 43 KartG Rn 2 Inhaltsmangel § 38 KartG Rn 8, § 42 KartG Rn 3, § 48 KartG Rn 2 826
inhomogene Produkte § 21 KartG Rn 5 Inkrafttreten, KartG § 86 KartG inkrementelle Kosten § 5 KartG Rn 79 inländische Gerichtsbarkeit § 49 KartG Rn 20 inländischer Markt § 4 KartG Rn 7 inländisches Sanktionensystem § 30 KartG Rn 7 Inlandsauswirkung § 24 KartG Rn 1, 5, § 9 KartG Rn 16 Inlandsauswirkungen, spürbare § 9 KartG Rn 20 Inlandsmarkt § 24 KartG Rn 2 Inlandsumsätze § 22 KartG Rn 15 Innehalten d Gerichtes § 37g KartG Rn 8 Innenpacht § 7 KartG Rn 17 Innenregress § 37e KartG Rn 10 Innen-Stream-Videowerbung § 13 KartG Rn 35 Innenumatzerlöse § 22 KartG Rn 10 Innenverhältnis § 4 KartG Rn 35, § 37e KartG Rn 7 innerer Dienst § 9 WettbG innerstaatliche Vorschriften § 24 KartG Rn 9 Innovation, technische § 2 KartG Rn 20 Innovationsanreize § 3 KartG Rn 162, 165 Innovationskraft § 4 KartG Rn 22 Innovationspotenzial, hohes § 9 KartG Rn 12 innovative Dienstleistungen § 2 KartG Rn 13 innovative Produkte § 3 KartG Rn 30 innovative Unternehmen § 9 KartG Rn 8 Inseratenblätter § 13 KartG Rn 15 Insider-Wissen § 11b WettbG Rn 1
insolventes Unternehmen § 37e KartG Rn 3 Insolvenz § 3 KartG Rn 124, 145, § 37e KartG Rn 3 Insolvenzforderung § 32 KartG Rn 5 Insolvenzverfahren § 1 KartG Rn 11, § 4 KartG Rn 5 Instandsetzung § 3 KartG Rn 133 Instandsetzungsarbeiten § 3 KartG Rn 121, 131 Instandsetzungsdienstleistungen § 3 KartG Rn 56, 110 Instandsetzungsgeräte § 3 KartG Rn 131 Integration, vertikale § 4 KartG Rn 30 inter-brand-Wettbewerb § 1 KartG Rn 64, 70, § 3 KartG Rn 39 Interesse, berechtigtes § 28 KartG Rn 2 Interesse, öffentliches § 15 KartG Rn 1, § 40 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 1, 12 WettbG Rn 1 Interesse, rechtliches § 36 KartG Rn 6 Interesse, wirtschaftliches § 28 KartG Rn 7, § 36 KartG Rn 6, § 39 KartG Rn 2 Interessen, fiskalische § 12 KartG Rn 55 Interessenabwägung § 5 KartG Rn 37, § 2 NVG Rn 5 Interessenausgleich § 4 KartG Rn 39 Interessengemeinschaften § 1 KartG Rn 28 Interessensabwägung § 24 KartG Rn 3, § 37j KartG Rn 10 Interessenwahrungspflicht § 3 KartG Rn 145
Stichwortverzeichnis
intermediale Verflechtungen § 13 KartG Rn 41 internationale Unzuständigkeit § 49 KartG Rn 21 internationale Wettbewerbsfähigkeit § 12 KartG Rn 37, 48, § 13 KartG Rn 48 internationaler Markt § 12 KartG Rn 50 interne Ineffizienzen § 4 KartG Rn 28 interne Schriftstücke § 13a WettbG interne Umsätze § 21 KartG Rn 9 internes Unternehmenswachstum § 4 KartG Rn 1, § 7 KartG Rn 12 Internet § 4 KartG Rn 21, § 13 KartG Rn 30 internetbasierte Dienstleistung § 4 KartG Rn 19 internetbasierte Geschäftsmodelle § 4 KartG Rn 8 Internetplattformen § 4 KartG Rn 18 Internet-Portal § 1 KartG Rn 99, § 13 KartG Rn 2, 8, 30 Internetprovider § 13 KartG Rn 33 Internetvertrieb § 3 KartG Rn 46 intra-brand-Wettbewerb § 1 KartG Rn 64, 70, 76, 95, § 3 KartG Rn 122 Invalidität § 3 KartG Rn 178 Investigationsjournalismus § 13 KartG Rn 5 Investitionen § 1 KartG Investitionen, markengebundene § 3 KartG Rn 107 Investitionen, markenspezifische § 3 KartG Rn 67 Investitionen, unvertretbare § 5 KartG Rn 16 827
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Investitionsentscheidung § 2 KartG Rn 7 Investitionskostenersatz § 3 KartG Rn 102, 107 Investitionspotenziale § 2 KartG Rn 6 Investitionsschutz § 19 KartG Rn 16 Investitionsschutzgedanken § 19 KartG Rn 13 Investitionsschutzrechte § 7 KartG Rn 35 Investitionszuschüsse § 1 NVG Rn 9 Investitionszyklus § 5 KartG Rn 16 Investmentbanken § 19 KartG Rn 6 irreführende Angaben § 27 KartG Rn 15 irreführende Auskünfte § 11a WettbG Rn 43 Irrtumsproblematik § 29 KartG Rn 18 IT-Ausstattung § 3 KartG Rn 137 IT-Sicherungsmaßnahmen § 12 WettbG Rn 17 J Jahresabschluss § 9 KartG Rn 26 Jahresabschluss, geprüfter § 22 KartG Rn 7 Jahresmittelkurs § 22 KartG Rn 14 Jahresumsatzrabatt § 1 KartG Rn 107 Journale, wissenschaftliche § 13 KartG Rn 4 Jurisdiktionsbefugnis, extraterritoriale § 37i KartG Rn 8 K Kabelnetz § 13 KartG Rn 21 Kabelnetzbetreiber § 13 KartG Rn 29 828
Kabelzugang § 13 KartG Rn 33 Kalkulationselemente § 5 KartG Rn 42 Kalkulationsfaktoren § 1 KartG Rn 94 Kalkulationsrichtlinien § 1 KartG, § 25 KartG Kalkulationsschema § 1 KartG Rn 94 Kammer § 1 KartG Rn 28, § 31 KartG Rn 1, § 45 KartG Kampfpreisunterbietung § 5 KartG Rn 76 Kapazitäten, unausgelastete § 1 KartG Rn 102 Kapazitätsabbau § 2 KartG Rn 19 Kapazitätsauslastung § 2 KartG Rn 11 Kapitalerhöhung § 7 KartG Rn 35 Kapitalfinanzierungsgeschäft § 19 KartG Rn 12 Kapitalmarkt § 4 KartG Rn 27 Kapitalmarkttransaktionen § 19 KartG Rn 6 Kapitalverzinsung § 5 KartG Rn 34 Kappungsgrenze § 29 KartG Rn 10 Kartell § 1 KartG, § 7 KartG Rn 57 Kartell, klassisches § 1 KartG Rn 92 Kartelle, genehmigte § 86 KartG Kartelle, komplexe § 1 KartG Rn 48 Kartellgericht § 58 KartG Rn 1, § 6 NVG kartellgerichtlicher Beschluss § 38 KartG Rn 34 kartellgerichtlicher Senat § 59 KartG Rn 1 kartellgerichtlicher Verbesserungsauftrag § 43 KartG Rn 4 kartellgerichtliches Erfolgsprinzip § 41 KartG Rn 5
kartellgerichtliches Prüfungsverfahren § 58 KartG Rn 4 kartellgerichtliches Verfahren § 38 KartG Rn 1, § 54 KartG Rn 10, § 58 KartG Rn 1, § 7 NVG Rn 1 Kartellgerichtsbarkeit § 58 KartG Rn 1 kartellgesetzwidriges Verhalten § 26 KartG Rn 1 Kartellobergericht § 58 KartG Rn 1 kartellrechtliches Schutzgesetz § 37b KartG Rn 3 Kartellrechtsverstoß, beendeter § 28 KartG Rn 4 Kartellrechtsverstöße § 30 KartG Rn 9 Kartellregister § 88 KartG Kartellrendite § 20 KartG Rn 6, § 28 KartG Rn 7 Kartellsenate § 60 KartG Rn 2 Kartellverbot § 1 KartG, § 2 KartG Rn 1, § 7 KartG Rn 47, § 17 KartG Rn 14, § 24 KartG Rn 14, § 26 KartG Rn 1 Kartellverbot, Ausnahmen § 2 KartG KartG, Inkrafttreten § 86 KartG KartGer § 58 KartG Rn 1, § 6 NVG Rn 1 Kataloge § 13 KartG Rn 3 kaufmännisches Wohlverhalten § 1 NVG Rn 4 Kaufpreis-Aufgriffsschwelle § 9 KartG Rn 9 Kaufpreisschwelle § 9 KartG Rn 14 Kauftageszeitung § 13 KartG Rn 13 Kaufzeitschriften § 13 KartG Rn 14 kein Wettbewerb § 4 KartG, § 4 KartG Rn 23
Stichwortverzeichnis
Kernbeschränkung § 1 KartG Rn 74, 88, 100, § 2 KartG Rn 5, 46, § 3 KartG Rn 6, 36, 40, 48, 61, 77, 85, 132, 141, 158, 159, 169, § 29 KartG Rn 22 Kernkompetenzen § 7 KartG Rn 35 Kfz-Anhänger § 3 KartG Rn 61 Kfz-Anschlussmärkte § 3 KartG Rn 56, 110 Kfz-Auflieger § 3 KartG Rn 61 Kfz-Ersatzteile § 3 KartG Rn 55 Kfz-Generalimporteur § 4 KartG Rn 70 Kfz-GVO § 3 KartG Rn 55 Kfz-Haftpflichtversicherung § 4 KartG Rn 3 Kfz-Hersteller § 3 KartG Rn 130 Kfz-Käufer § 3 KartG Rn 67 Kfz-Sektor § 3 KartG Rn 55 Kfz-Vertragshändler § 4 KartG Rn 69 Kfz-Vertragswerkstätten § 5 KartG Rn 46 Kfz-Werkstätten § 3 KartG Rn 57 Kfz-Werkstattgeschäft § 3 KartG Rn 139 Kinobesucher § 13 KartG Rn 36 Kinobetreiber § 13 KartG Rn 36 Kinofilme § 13 KartG Rn 36 Kino-Markt § 13 KartG Rn 36 Kinounternehmen § 13 KartG Rn 36 Klage, exekutionsrechtliche § 34 KartG Rn 9 klassisches Kartell § 1 KartG Rn 92 Klausel, deutsche § 9 KartG Rn 3 Klausel, holländische § 9 KartG Rn 4 Klauseln, graue § 3 KartG Rn 36 Klauseln, schwarze § 3 KartG Rn 36 Kleinaktionäre § 7 KartG Rn 36 829
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
kleinere und mittlere Unternehmen § 37e KartG Rn 2 Kleinwagen § 3 KartG Rn 66 KMU § 37e KartG Rn 2, § 1 NVG Rn 3 Know-how § 1 KartG Rn 71, 80, § 2 KartG Rn 21, § 3 KartG Rn 25, 54, 150, 172, § 4 KartG Rn 29, 31, § 12 KartG Rn 85, § 39 KartG Rn 3 KOG § 58 KartG Rn 1 KOG, Tätigkeitsbericht § 74 KartG kollektive Marktbeherrschung § 4 KartG Rn 33, 58, 59, 62 kollektiver Boykott § 3 KartG Rn 53 Kollusion § 1 KartG Rn 29 Kollusion, horizontale § 1 KartG Rn 95 Kollusionsergebnis § 1 KartG Rn 71, 98 kollusive Marktstrategie § 4 KartG Rn 34 Kolporteure § 13 KartG Rn 4 KommAustria § 10 WettbG Kommerzialrat § 64 KartG kommerzielle Schutzrechte § 12 KartG Rn 85 Kommissionär § 22 KartG Rn 4 Kommissionsagent § 1 KartG Rn 12 Kommissionsakte § 37k KartG Rn 11 Kommunikationsbehörde Austria § 36 KartG Rn 5, § 4 WettbG Rn 12 Kompatibilität § 5 KartG Rn 55 Kompensationsverbot § 5 KartG Rn 45 Kompetenzkonflikte § 24 KartG Rn 4 Komplementärmarkt § 5 KartG Rn 72 830
komplexe Kartelle § 1 KartG Rn 48 komplexe Organisation § 29 KartG Rn 25 Komponenten § 1 KartG Rn 71 Konditionen, diskriminierende § 2 NVG Rn 6 Konditionen, unterschiedliche § 5 KartG Rn 61 Konditionsunterschiede, kostendeckende § 1 NVG Rn 13 konglomerate Effekte § 12 KartG Rn 9, 30 konglomerater Zusammenschluss § 12 KartG Rn 29, § 13 KartG Rn 41 konkreter Anfangsverdacht § 11a WettbG Rn 2 Konkurrenten, ausländische § 12 KartG Rn 49 Konkurrenten, einstufige § 4 KartG Rn 30 konkurrenzfähiges Angebot § 4 NVG Rn 1 Konkurrenzverbot § 1 KartG Rn 80 konkurrierende Antragsrechte § 36 KartG Rn 4 konkurrierende Technologierechte § 3 KartG Rn 161 Konkurseröffnung § 38 KartG Rn 27 Konkursverfahren § 54 KartG Rn 16 konnexe Gegenforderung § 5 KartG Rn 45 konsensuale Lösung § 27 KartG Rn 2 konsensualer Verfahrensabschluss § 27 KartG Rn 1 Konsolidierer § 24 KartG Rn 20 Konsolidierungstätigkeit § 24 KartG Rn 23 Konsumbedarf, durchschnittlicher § 5 NVG Rn 2
Konsumbedürfnisse § 23 KartG Rn 5 Konsument § 2 KartG Rn 26 Konsumentenrente § 2 KartG Rn 26 Konsumgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 Kontakte, berufliche § 72 KartG Rn 6 Kontingente § 1 KartG Rn 104 kontradiktorisches Verfahren § 36 KartG Rn 3, § 38 KartG Rn 1 Kontrahierungspflicht § 4 KartG Rn 73, § 5 KartG Rn 69 Kontrahierungszwang § 4 KartG Rn 73, § 5 KartG Rn 69, § 2 NVG Rn 1, § 3 NVG Rn 1, § 4 NVG Rn 1, 2 Kontrolle, alleinige § 7 KartG Rn 33 Kontrolle, gemeinsame § 7 KartG Rn 16, 39 Kontrolle, negative alleinige § 7 KartG Rn 36, 41 kontrollierte Vertriebsstufe § 4 KartG Rn 30 Kontrollmaßnahmen § 17 KartG Rn 6 Kontrollrechte § 17 KartG Rn 3 Kontrollwechsel § 7 KartG Rn 41, § 9 KartG Rn 23 Konzentration § 1 NVG Rn 3, 14 Konzentrationstendenzen § 4 KartG Rn 9 Konzern § 1 KartG Rn 22, § 7 KartG Rn 34, 60 konzerninterne Umstrukturierung § 7 KartG Rn 23 Konzernmutter § 1 KartG Rn 22 Konzernprivileg § 1 KartG Rn 23, § 7 KartG Rn 60 Konzernunternehmen § 29 KartG Rn 23 Kooperation § 11b WettbG Rn 13
Stichwortverzeichnis
kooperative Aspekte § 7 KartG Rn 54 kooperative Effekte § 12 KartG Rn 35 kooperatives GU § 12 KartG Rn 93 koordiniertes Preisniveau § 4 KartG Rn 42 Koordinierung § 1 KartG Rn 90, § 4 KartG Rn 35 Koordinierung, implizite § 4 KartG Rn 37 Koordinierungsfunktion § 2 KartG Rn 45 Kopfblätter § 13 KartG Rn 7 Koppelung § 1 KartG Rn 113 Koppelungsangebot § 5 KartG Rn 71 Koppelungsgeschäft § 1 KartG Rn 112, § 5 KartG Rn 71 Korrekturabschläge § 5 KartG Rn 30 Korrekturaufschläge § 5 KartG Rn 30 Korrekturfaktoren § 5 KartG Rn 32, 36 Korrekturzuschläge § 5 KartG Rn 37 Korrespondenz § 11a WettbG Rn 20 Kosten, gerichtliche § 41 KartG Rn 12 Kosten, nachträgliche § 41 KartG Rn 4 Kosten, sonstige § 51 KartG, § 55 KartG Rn 1, 15 Kosten, unternehmensunabhängige § 5 KartG Rn 32 Kosten, variable § 5 KartG Rn 76 Kosten, vermeidbare § 5 KartG Rn 79 Kostenaufwand § 5 KartG Rn 44 Kostenbeamter § 57 KartG Rn 1 831
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
kostendeckende Konditionsunterschiede § 1 NVG Rn 13 Kosteneinsparungen § 2 KartG Rn 35, § 12 KartG Rn 50 Kostenentscheidung § 41 KartG Rn 5, 11 Kostenersatz § 41 KartG Rn 1, § 48 KartG Rn 12, § 7 NVG Rn 3 Kostenersatzanspruch § 41 KartG Rn 2, 14, § 48 KartG Rn 14 Kostenersatzbestimmungen § 41 KartG Rn 14 Kostenersatzpflicht § 48 KartG Rn 14 Kostenersatzregelung § 41 KartG Rn 14 Kostenkontrolle § 5 KartG Rn 27, 42 Kostenpositionen § 5 KartG Rn 42 Kosten-Preis-Schere § 5 KartG Rn 65, 79 Kostenrechnung § 5 KartG Rn 42 kostenrelevante Unterschiede § 2 NVG Rn 4 Kostenschätzung § 55 KartG Rn 9, § 73 KartG Rn 7 Kostenstruktur § 4 KartG Rn 54 Kostentragung § 41 KartG Rn 12 Kostenvereinbarung § 52 KartG Rn 13 Kostenverzeichnis § 41 KartG Rn 2 Kostenvorbehalt § 48 KartG Rn 13 Kostenvorschuss § 41 KartG Rn 13, § 55 KartG Rn 7 Kostenvorteile § 13 KartG Rn 40, § 2 NVG Rn 5 kostspielige Ermittlungen § 11a WettbG Rn 15 Kräfteungleichgewicht § 4 KartG Rn 71 832
Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz § 3 KartG Rn 95, 133, 143, § 5 KartG Rn 46 Krankenhausbereich § 7 KartG Rn 66 Krankenkassen § 1 KartG Rn 21 Krankheit § 11 WettbG Rn 11 KraSchG § 3 KartG Rn 133, 143, § 5 KartG Rn 46 Kreditbedingungen § 1 KartG Rn 93 Kreditengagement § 19 KartG Rn 3 Kreditgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 Kreditinstitute § 4 KartG Rn 3, § 19 KartG Rn 3, § 22 KartG Rn 16, § 24 KartG Rn 11, § 29 KartG Rn 10 Kreditkarten § 4 KartG Rn 17 Kreditkartensysteme § 23 KartG Rn 25 Kreditlinien § 4 KartG Rn 27 Kreuzpreiselastizität § 23 KartG Rn 11 Kriminalpolizei § 14 WettbG Krisenmodus § 19 KartG Rn 9 Kriterien § 3 KartG Rn 107, 122, 145 Kronzeugen § 28 KartG Rn 4, § 37b KartG Rn 7, § 37e KartG Rn 4, § 10b WettbG Rn 4, § 11b WettbG Rn 1 Kronzeugenantrag § 84 KartG Rn 6 Kronzeugen-Antragsteller § 10 WettbG Rn 7 Kronzeugenerklärung § 37b KartG Rn 5, § 37k KartG Rn 6 Kronzeugenprogramm § 37b KartG Rn 5, § 11b WettbG Rn 1 Kronzeugenregelung § 6 KartG Rn 1, § 30 KartG Rn 26, § 10 WettbG Rn 7
Kronzeugenstatus § 84 KartG Rn 5 Kronzeugen-Verfahren § 11 WettbG Rn 1 Kühlhaus § 2 KartG Rn 80 Kulanzaktionen § 3 KartG Rn 118 Kundenannahme § 3 KartG Rn 137 Kundenaufteilung § 1 KartG Rn 104 Kundenberatung § 3 KartG Rn 40 Kundenbeschränkung § 1 KartG Rn 102, § 3 KartG Rn 47 Kundenbindungswirkung § 4 KartG Rn 19 Kundendienst § 2 KartG Rn 27 Kundendienstleistungen § 3 KartG Rn 60 Kundendienstleistungen, unentgeltliche § 3 KartG Rn 142 Kundenrabatte § 3 KartG Rn 73 Kundenschutz § 3 KartG Rn 41 Kundenstamm § 7 KartG Rn 10, § 12 KartG Rn 73 Kundenstock § 3 KartG Rn 102 Kundenverzeichnis § 7 KartG Rn 10 Kundenwechselquote § 4 KartG Rn 42 Kundenzeitschriften § 13 KartG Rn 14 Kundenzufriedenheit § 5 KartG Rn 17 Kundenzufriedenheitsziele § 3 KartG Rn 145 Kündigung § 3 KartG Rn 94, 145, § 5 KartG Rn 51 Kündigungsfrist § 3 KartG Rn 35, 95, § 5 KartG Rn 14 Kunstdrucke § 2 KartG, § 2 KartG Rn 48 Kunstfilme § 13 KartG Rn 36 künstlerische Schöpfungen § 3 KartG Rn 147
Stichwortverzeichnis
künstliche Verknappung § 5 KartG Rn 49 Kurator § 38 KartG Rn 20 Kurzantrag § 11b WettbG Rn 29 kurze Verstoßdauer § 30 KartG Rn 11 kurzfristige Lieferschwierigkeiten § 4 NVG Rn 1 Kuvertierung § 24 KartG Rn 19 L Ladungsbescheid § 11 WettbG Rn 10 Lagerhaltungskosten § 1 NVG Rn 2 Laienrichter, fachkundige § 58 KartG Rn 1, § 59 KartG Rn 1, § 64 KartG, § 65 KartG, § 66 KartG, § 67 KartG Rn 2, § 68 KartG, § 69 KartG, § 70 KartG, § 71 KartG, § 72 KartG Rn 1 Laienrichter, Vergütung § 55 KartG Rn 14 Landwirtschaft § 4 WettbG Rn 1 landwirtschaftliche Betriebe § 2 KartG, § 2 KartG Rn 66 landwirtschaftliche Erzeugnisse § 2 KartG, § 2 KartG Rn 69 Lastschriftanzeige § 57 KartG Rn 1 Lauterkeitsrecht § 26 KartG Rn 15 Leasing § 3 KartG Rn 144 Leasinggesellschaft § 3 KartG Rn 92 Leasingnehmer § 3 KartG Rn 74 Leasingunternehmen § 3 KartG Rn 74 Lebenserfahrung, allgemeine § 20 KartG Rn 6, § 49 KartG Rn 44 Lebensfähigkeit, wirtschaftliche § 37e KartG Rn 3 Lebensmittel § 5 NVG Rn 1 Lebensmittelversorgungskette § 1 NVG Rn 1 833
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Lebensnotwendigkeit § 5 NVG Rn 1 Lebensversicherungen § 3 KartG Rn 178 Legalausnahmen § 2 KartG Rn 1, § 29 KartG Rn 18 Legaldefinition § 20 KartG Rn 1 Leistungen, gleichwertige § 1 KartG Leistungen, zusätzliche § 1 NVG Rn 5 Leistungsaustausch § 22 KartG Rn 10 Leistungsbeschreibungen § 4 KartG Rn 41 Leistungsbeziehung, unentgeltliche § 23 KartG Rn 20 Leistungsfähigkeit § 29 KartG Rn 12 Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche § 30 KartG Rn 1, 20 leistungsgerechter Wettbewerb § 1 NVG Rn 3 Leiter d Geschäftsstelle § 1 WettbG Rn 13, § 9 WettbG Leitung, wirtschaftliche § 7 KartG Rn 1 Leitungsmacht, unternehmerische § 7 KartG Rn 5 Leniency-Fälle § 10 WettbG Rn 7 Leniencyprogramm § 11b WettbG Rn 1 Leser-Anzeigen-Spirale § 13 KartG Rn 11 Lesermarkt § 13 KartG Rn 3, 46 Letztverkäufer § 4 NVG Rn 1, 4 Lexika § 13 KartG Rn 3 Lieferant § 4 KartG Rn 65, § 1 NVG Rn 5 Lieferantenbindung § 1 KartG Rn 76 Lieferbedingungen § 5 KartG Rn 43 Lieferboykott § 6 KartG Rn 2 834
Lieferkapazität § 4 KartG Rn 29 Lieferkette § 1 NVG Rn 1 Lieferpflicht § 4 NVG Rn 4, § 6 NVG Rn 1 Lieferpflichten, ausschließliche § 5 KartG Rn 11 Lieferquoten § 1 KartG Rn 104 Lieferschwierigkeiten, kurzfristige § 4 NVG Rn 1 Lieferverbote § 1 KartG Rn 71, § 2 KartG Rn 37 Liefervereinbarung § 12 KartG Rn 89 Lieferverpflichtung § 12 KartG Rn 88, § 4 NVG Rn 5 Lieferverweigerung § 4 KartG Rn 73, § 5 KartG Rn 52 Liquiditätsverlust § 5 KartG Rn 45 Liste, graue § 37k KartG Rn 3 Liste, schwarze § 37k KartG Rn 8, § 13a WettbG Rn 3 literarische Schöpfungen § 3 KartG Rn 147 Lizenzen § 3 KartG Rn 25, 149, 171, § 4 KartG Rn 31, § 5 KartG Rn 60, § 7 KartG Rn 10, § 12 KartG Rn 85 Lizenzgeber § 1 KartG Rn 82, § 3 KartG Rn 151 lizenzierter Gegenstand § 1 KartG Rn 82 Lizenznehmer § 1 KartG Rn 82, § 3 KartG Rn 151, § 5 KartG Rn 55 Lizenzrechte § 1 KartG Rn 80 Lizenzvereinbarung § 12 KartG Rn 85 Lizenzvergabe § 3 KartG Rn 153 Lizenzvertrag § 1 KartG Rn 82, 113, § 7 KartG Rn 53 Lizenzverweigerung § 5 KartG Rn 60 Logistik § 3 KartG Rn 65
lokale Präsenz § 23 KartG Rn 16 lokale Teilmärkte § 4 KartG Rn 7 lokaler Markt § 23 KartG Rn 17 Loro-Emissionsgeschäfte § 19 KartG Rn 6 Lösung, konsensuale § 27 KartG Rn 2 LRAIC § 5 KartG Rn 79 Luftverkehrssektor § 10 WettbG M Machtgefälle § 1 NVG Rn 7 Magazine § 13 KartG Rn 3 magisches Viereck § 12 KartG Rn 52 Management buy-out § 9 KartG Rn 24 Mandatsbescheid § 57 KartG Rn 1 Mangelhaftigkeit § 49 KartG Rn 28 Manuduktionspflicht § 47 KartG Rn 4 Margen § 1 KartG Rn 93 Margenbeschneidung § 5 KartG Rn 64 Margenneutralität § 1 KartG Rn 98 margin squeeze § 5 KartG Rn 64 Marke § 1 KartG Rn 105, § 12 KartG Rn 85 Marke, starke § 4 KartG Rn 67 Markenartikel § 21 KartG Rn 5 Markenexklusivität § 3 KartG Rn 67, 88 markengebundene Investitionen § 3 KartG Rn 107 markengebundener Vertragshändler § 4 KartG Rn 69 Markenlizenzen § 3 KartG Rn 150 Markenlogo § 3 KartG Rn 125 Markenprestige § 3 KartG Rn 40 Markenrechte § 3 KartG Rn 25, 102, 125 markenspezifische Investitionen § 3 KartG Rn 67
Stichwortverzeichnis
markenspezifische Standards § 3 KartG Rn 90 Markenunterdrückung § 3 KartG Rn 132 Markenwerkstätte § 3 KartG Rn 70 Markenwettbewerb § 4 KartG Rn 45 Markenzwang § 3 KartG Rn 67 Marker § 11b WettbG Rn 25 Marketingkosten § 5 KartG Rn 23 Markt f Neufahrzeuge § 4 KartG Rn 7 Markt, benachbarter § 5 KartG Rn 4 Markt, betroffener § 54 KartG Rn 5 Markt, geografischer § 4 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2, § 23 KartG Rn 15 Markt, inländischer § 4 KartG Rn 7 Markt, internationaler § 12 KartG Rn 50 Markt, lokaler § 23 KartG Rn 17 Markt, nationaler § 21 KartG Rn 7, § 23 KartG Rn 17 Markt, räumlicher § 4 KartG Rn 7, § 23 KartG Rn 15 Markt, regionaler § 23 KartG Rn 17 Markt, relevanter § 1 KartG Rn 66, § 4 KartG Rn 7, § 12 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2, § 23 KartG Rn 1 Markt, sachlicher § 4 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2 Markt, verbundener § 5 KartG Rn 4 Markt, zeitlicher § 4 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2 Marktabgrenzung § 21 KartG Rn 1, § 37i KartG Rn 5 835
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Marktabgrenzung, zeitliche § 23 KartG Rn 19 Marktabschottung § 1 KartG Rn 4, § 2 KartG Rn 37, 46 Marktanalyseverfahren § 58 KartG Rn 10 Marktanteil § 4 KartG Rn 26, 56, 57, § 21 KartG Rn 1 Marktanteil, hoher § 4 KartG Rn 25 Marktanteile, Größe § 54 KartG Rn 6 Marktanteilsgrenzen § 4 KartG Rn 60 Marktanteilsschwelle § 2 KartG Rn 46, § 3 KartG Rn 28, § 4 KartG Rn 57, 58 Marktanteilsübertragung § 4 KartG Rn 39 Marktaufteilung § 1 KartG Rn 102, 104 Marktaufteilungsabsprache § 1 KartG Rn 74 Marktbedingungen, stabile § 4 KartG Rn 47 marktbeherrschende Position § 4 KartG Rn 1 marktbeherrschende Stellung § 4 KartG Rn 1, § 5 KartG, § 10 KartG Rn 3, § 13 KartG Rn 1, § 16 KartG Rn 10 Marktbeherrscher § 3 KartG Rn 31 Marktbeherrschung § 4 KartG, § 4 KartG Rn 23, 58, 59, § 12 KartG Rn 6, § 13 KartG Rn 39, § 2 NVG Rn 1 Marktbeherrschung, Entstehen § 12 KartG Rn 2 Marktbeherrschung, kollektive § 4 KartG Rn 33, 58, 59, Rn 62 Marktbeherrschung, oligopolistische § 12 KartG Rn 32 Marktbeherrschung, Verstärkung § 12 KartG Rn 2 836
Marktbeherrschungsschwelle § 4 KartG Rn 59 Marktbeherrschungstest § 12 KartG Rn 34 Marktbeherrschungsvermutung § 4 KartG Rn 2 Marktbeherrschungsvermutung, anteilsindizierte § 4 KartG Rn 56 Marktdefinition § 4 KartG Rn 7 Märkte, dynamische § 9 KartG Rn 13 Märkte, mehrseitige § 4 KartG Rn 8, § 9 KartG Rn 10, § 23 KartG Rn 20 Märkte, zweiseitige § 4 KartG Rn 8, § 23 KartG Rn 20 Markteinführungsrabatte § 5 KartG Rn 23 Markteintritt § 4 KartG Rn 23 Markteintrittsschranken § 4 KartG Rn 4 Marktführer § 3 KartG Rn 30 Marktgängigkeit § 3 KartG Rn 99 Marktgegenseite § 4 KartG Rn 7, 65 marktgleichwertig § 23 KartG Rn 4 Marktinformationssystem § 2 KartG Rn 38 Marktinformationsverfahren § 1 KartG Rn 70 Marktmacht § 1 KartG Rn 71, § 4 KartG Rn 1, 20, § 5 KartG Rn 1, § 1 NVG Rn 7 Marktmacht, relative § 4 KartG Rn 65, § 1 NVG Rn 4 marktmächtiger Verkäufer § 1 NVG Rn 14 Marktphase, frühe § 4 KartG Rn 38 Marktpotenzial, hohes § 9 KartG Rn 8 Marktstatistiken § 1 KartG Rn 70, § 4 KartG Rn 48
Marktstellung § 4 KartG Rn 23, § 21 KartG Rn 1 Marktstellung, relevante § 7 KartG Rn 9 Marktstellung, überragende § 4 KartG, § 4 KartG Rn 26, 65 Marktstrategie § 4 KartG Rn 54 Marktstrategien, verlustreiche § 4 KartG Rn 27 Marktstruktur § 5 KartG Rn 1, § 26 KartG Rn 4 Marktstrukturveränderung § 7 KartG Rn 15 Marktstufe, vorgelagerte § 37f KartG Rn 6 Marktteilnehmer § 23 KartG Rn 1 Marktteilnehmer, Anzahl der § 54 KartG Rn 6 Markttransparenz § 4 KartG Rn 36, 46, 62 Marktumsätze, externe § 22 KartG Rn 11 Marktumsätze, Internalisierung § 22 KartG Rn 11 Marktverschließung § 5 KartG Rn 14 Marktverschließungseffekt § 9 KartG Rn 13 Marktvolumen § 21 KartG Rn 4 Marktzugang § 3 KartG Rn 165 Marktzutritt § 1 KartG Rn 4, 66, 107, § 4 KartG, § 4 KartG Rn 19, 30, § 24 KartG Rn 18 Marktzutrittbarrieren § 9 KartG Rn 13 Marktzutrittsschranken § 4 KartG Rn 31, 54, 62, § 12 KartG Rn 23, § 23 KartG Rn 16 Markverantwortungsgebiet § 1 KartG Rn 54 Masseverwalter § 38 KartG Rn 27 Maßnahmen, budgetwirksame § 17 KartG Rn 3
Stichwortverzeichnis
Maßnahmen, nachträgliche § 10 KartG Rn 9, § 16 KartG Rn 9 Maßnahmen, personelle § 17 KartG Rn 3 Maßnahmen, regulatorische § 1 WettbG Rn 11 Maßnahmen, strukturelle § 26 KartG Rn 9, 21, § 27 KartG Rn 3 Maßnahmen, verhaltensorientierte § 26 KartG Rn 9, § 27 KartG Rn 3 materielle Beschwer § 49 KartG Rn 6 Mediaagentur § 8 KartG Rn 6, § 13 KartG Rn 23 Media-Planer § 13 KartG Rn 31 Mediator § 3 KartG Rn 101 Medien § 13 KartG Rn 2 Medien, werbefinanzierte § 23 KartG Rn 25 Medienbereich § 10 WettbG Medienbranche § 9 KartG Rn 28 Mediendienst § 8 KartG Rn 2, § 13 KartG Rn 33, 49 Mediendienstleister § 13 KartG Rn 27 Mediendienstleistungen § 13 KartG Rn 2 Medienhilfsunternehmen § 8 KartG Rn 2, § 13 KartG Rn 49 Medienkonsument § 13 KartG Rn 3 Mediennutzungsverhalten § 13 KartG Rn 42 Medienprodukte § 13 KartG Rn 2 Mediensektor § 8 KartG Rn 1 Medienunternehmen § 8 KartG Rn 2, § 9 KartG Rn 28, § 13 KartG Rn 2, 39, 43, § 2 WettbG Rn 11 Medienvielfalt § 2 KartG Rn 53, § 7 KartG Rn 56, § 8 KartG Rn 1, § 9 KartG Rn 29, § 10 837
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
KartG Rn 3, § 13 KartG Rn 1, 43, 46 Medienzusammenschluss § 8 KartG Rn 1, § 9 KartG Rn 28, § 10 KartG Rn 3, § 13 KartG Rn 1 Meditation § 37g KartG Rn 9 Meditationsverfahren § 37g KartG Rn 9 meeting competition defense § 5 KartG Rn 22 Mehrerlös § 37d KartG Rn 3 Mehrfachanmeldungen § 9 KartG Rn 4 mehrfache Inanspruchnahme § 37f KartG Rn 9 Mehrfachsanktionen § 29 KartG Rn 34 Mehrheit, qualifizierte § 7 KartG Rn 25, 42 Mehrheiten, wechselnde § 7 KartG Rn 49 Mehrmarkenvertrieb § 3 KartG Rn 67, 88 Mehrmütterklausel § 22 KartG Rn 10 mehrseitige Märkte § 4 KartG Rn 8, § 9 KartG Rn 10, § 23 KartG Rn 20 Meinungspluralismus § 13 KartG Rn 45 Meinungsvielfalt § 13 KartG Rn 43 Meistbegünstigungsklausel § 1 KartG Rn 98, § 2 NVG Rn 3 Meldepflichten § 71 KartG Mengenbeschränkungen § 2 KartG Rn 37 mengenmäßige Berechnung § 21 KartG Rn 5 Mengenrabatte § 1 KartG Rn 93, § 5 KartG Rn 23, § 1 NVG Rn 13 Methodenwahl § 73 KartG Rn 5 Mietinteressent § 1 KartG Rn 79 Milchbauern § 4 WettbG Rn 2 838
Milchgeld § 2 KartG Rn 81 Milchproduzenten § 4 WettbG Rn 1 mildernde Umstände § 30 KartG Rn 26 Milderungsgrund § 29 KartG Rn 22, § 30 KartG Rn 5, § 11b WettbG Rn 34 Minderheitsbeteiligung § 7 KartG Rn 22 Minderheitsgesellschafter § 7 KartG Rn 25 minderwertige Ersatzteile § 3 KartG Rn 140 Mindestbezugspflicht § 3 KartG Rn 85 Mindestintensität § 24 KartG Rn 3, 6 Mindestpreisbindung § 3 KartG Rn 40 Mindestpreise § 1 KartG Rn 95 Mindestumsatz § 3 KartG Rn 97 Mindestverkaufspreise § 3 KartG Rn 160 Mineralölgesellschaften § 4 KartG Rn 37 Minimalvorbringen § 38 KartG Rn 7 Missbrauch § 5 KartG, § 5 KartG Rn 1 Missbrauch, Generalklausel § 5 KartG Rn 11 missbräuchliche Selbstanzeige § 72 KartG Rn 9 Missbrauchstatbestände § 5 KartG Rn 1 Missbrauchsverbot § 5 KartG, § 26 KartG Rn 1 Missbrauchsverfahren § 5 KartG Rn 5 Mitbestimmungsrechte § 7 KartG Rn 24 Mitbewerber § 4 KartG Rn 26
Mitbieter § 168b StGB Rn 1, § 292c StGB Rn 1 Mitgliedschaft, gesetzliche § 31 KartG Rn 5 Mitläufertum § 30 KartG Rn 26 Mitlesefaktor § 13 KartG Rn 8 Mit-Rückversicherungsgemeinschaften § 3 KartG Rn 181 Mittäter § 1 KartG Rn 44 mittelbar Geschädigter § 37f KartG Rn 7 mittelbare Austauschbeziehung § 37e KartG Rn 6 mittelbarer Abnehmer § 37b KartG Rn 9, § 37e KartG Rn 7, § 37f KartG Rn 10 mittelbarer Anteilserwerb § 7 KartG Rn 26 Mittelklassefahrzeuge § 3 KartG Rn 66 Mitversicherungsgemeinschaften § 3 KartG Rn 181 Mitwirkung, passive § 30 KartG Rn 26 Modellpolitik § 3 KartG Rn 106 Molkereien § 2 KartG Rn 81 monetäre Vorteile § 2 KartG Rn 32 Monitoring § 15 KartG Rn 1 Monopol § 4 KartG Rn 24, § 24 KartG Rn 29 monopolartige Strukturen § 4 KartG Rn 24 Monopolbildung § 4 KartG Rn 13 Monopole, staatliche § 5 WettbG Rn 1 Monopolisierungstendenzen § 4 KartG Rn 13 Monopolist § 4 KartG Rn 24 Monopolistentest, hypothetischer § 23 KartG Rn 11, § 49 KartG Rn 47 Monopolkommission § 16 WettbG Rn 1
Stichwortverzeichnis
Monopolsockel § 5 KartG Rn 31, 42 Monopolunternehmen § 24 KartG Rn 29 more economic approach § 5 KartG Rn 9, § 20 KartG Rn 2 Motorräder § 3 KartG Rn 61 MRK § 29 KartG Rn 33 Mühewaltung § 55 KartG Rn 9 Multi-Homing § 4 KartG Rn 15, 17 Multiplikator § 18 KartG Rn 1 Multiplikatorregel § 9 KartG Rn 28 mündliche Anhörung § 11a WettbG Rn 28 mündliche Verhandlung § 38 KartG Rn 22, 24, § 47 KartG Rn 1, § 49 KartG Rn 36, § 7 NVG Rn 1 Musikalien § 2 KartG, § 2 KartG Rn 48 Muster § 12 KartG Rn 85 mutmaßlicher Schädiger § 37j KartG Rn 13 Muttergesellschaften § 7 KartG Rn 45 Mutwillensstrafe § 11 WettbG Rn 8 mutwillige Prozessführung § 37j KartG Rn 12 mutwillige Rechtsverfolgung § 41 KartG Rn 6, § 48 KartG Rn 12 mutwillige Rechtsverteidigung § 48 KartG Rn 12 Mutwilligkeit § 41 KartG Rn 2 N Nachahmung § 3 KartG Rn 147 Nachfrageelastizität § 2 KartG Rn 30, § 4 KartG Rn 4 Nachfragemacht § 1 KartG Rn 63, 73, § 4 KartG Rn 23, 62, § 23 KartG Rn 2, 8, § 2 WettbG Rn 7 839
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Nachfrageseite § 23 KartG Rn 2 nachfrageseitige Gegenmacht § 4 KartG Rn 4 nachfragestarke Wiederverkäufer § 1 NVG Rn 7 Nachfragesubstituierbarkeit § 23 KartG Rn 11 Nachfragewettbewerb § 1 KartG Rn 107 nachgelagerte Wirtschaftsstufe § 37f KartG Rn 2 Nachlassantrag § 57 KartG Rn 3 Nachlassersuchen § 57 KartG Rn 3 Nachprüfung § 73 KartG Rn 4, § 12 WettbG Rn 38 Nachprüfungsentscheidung § 12 WettbG Rn 40 nachrangige Haftung § 37e KartG Rn 8, § 37g KartG Rn 5 Nachrichtenagentur § 8 KartG Rn 5, § 13 KartG Rn 7 Nachrichtenmagazine § 13 KartG Rn 5 Nachschau, freiwillige § 11a WettbG Rn 27 Nachteile, betriebswirtschaftliche § 4 KartG, § 4 KartG Rn 66, 68, § 5 KartG Rn 53 nachträgliche Kosten § 41 KartG Rn 4 nachträgliche Maßnahmen § 10 KartG Rn 9, § 16 KartG Rn 1, 9 nachvertragliche Wettbewerbsverbote § 3 KartG Rn 54 Nahversorgung § 4 NVG Nahversorgung, Gefährdung § 4 NVG Rn 2 namentliche Nennung § 37 KartG Rn 17 nationale Anzeigenkampagnen § 13 KartG Rn 13 nationaler Anzeigenverbund § 13 KartG Rn 13 840
nationaler Markt § 1 KartG Rn 4, § 21 KartG Rn 7, § 23 KartG Rn 17 ne bis in idem § 29 KartG Rn 33, § 38 KartG Rn 6 Nebenabreden § 1 KartG Rn 80, § 2 KartG Rn 64, § 12 KartG Rn 65, 89 Nebenanspruch, unselbständiger § 52 KartG Rn 15 Nebenerlöse § 22 KartG Rn 2 Nebenintervenient § 37f KartG Rn 8, § 7 NVG Rn 2 Nebenintervention § 36 KartG Rn 19, § 49 KartG Rn 65 Nebensanktion § 37 KartG Rn 10 negative alleinige Kontrolle § 7 KartG Rn 36, 41 negative Arbeitsplatzeffekte § 1 NVG Rn 3 negative Auswirkungen § 5 KartG Rn 1 negative Feststellungsklage § 37j KartG Rn 13 nemo-tenetur-Prinzip § 11a WettbG Rn 33 Nennung, namentliche § 37 KartG Rn 17 Nettoumsatz § 22 KartG Rn 18 Netzabdeckung § 3 KartG Rn 65 Netzwerk d Wettbewerbsbehörden § 3 WettbG Rn 4, § 10 WettbG Rn 1, § 11b WettbG Rn 29, 36, § 13a WettbG Rn 2 Netzwerkbetreiber § 13 KartG Rn 33 Netzwerkeffekte § 4 KartG Rn 9, § 9 KartG Rn 10, § 23 KartG Rn 21, 26 Netzwerkexternalitäten § 4 KartG Rn 10 Neuanmeldung § 14 KartG Rn 4 Neueichung § 3 KartG Rn 136
neuerliche Akteneinsicht § 39 KartG Rn 20 neuerlicher Provisorialantrag § 48 KartG Rn 7 Neuerungen, technische § 5 KartG Rn 54 Neuerungsverbot § 38 KartG Rn 9, § 49 KartG Rn 66, § 7 NVG Rn 5 Neufahrzeuge § 3 KartG Rn 56 Nichtangriffsklausel § 3 KartG Rn 162 nichtautorisierter Verkauf § 3 KartG Rn 145 Nichtdiskriminierung § 24 KartG Rn 23 Nichterledigung v Sachanträgen § 49 KartG Rn 30 Nichtigkeit § 1 KartG, § 1 KartG Rn 114, § 3 KartG Rn 10, § 5 KartG Rn 3, § 49 KartG Rn 20 Nichtigkeitsgrund § 49 KartG Rn 20 Nichtigkeitssanktion § 1 KartG Rn 116 nicht-monetäre Vorteile § 2 KartG Rn 35 Nichtuntersagung § 12 KartG Rn 37, § 17 KartG Rn 1, 16 Niederlassungen § 7 KartG Rn 10 Niederschrift § 11 WettbG Rn 13 Nischenfilme § 13 KartG Rn 36 Nischenmärkte § 3 KartG Rn 30 Nominierungsrecht § 1 KartG Rn 71 non liquet § 37f KartG Rn 8 non liquet-Fall § 38 KartG Rn 17 non liquet-Situation § 37f KartG Rn 10 normaler Dienstleistungswettbewerb § 5 KartG Rn 1 normaler Produktwettbewerb § 5 KartG Rn 1
Stichwortverzeichnis
notleidende Gesellschaft § 19 KartG Rn 9 notwendiges Sortiment § 4 NVG Rn 1 notwendiges Tatbestandsmerkmal § 11a WettbG Rn 6 nulla poena sine legem § 29 KartG Rn 33 Nutzergruppen, unterschiedliche § 4 KartG Rn 8 Nutzerzahlen § 9 KartG Rn 16 Nutzungsbeschränkungen § 1 KartG Rn 71 O Obergrenze, vorgegebene § 50 KartG Rn 7 Oberlandesgericht Wien § 58 KartG Rn 1 objektive Beweislast § 38 KartG Rn 17 objektive Verjährungsfrist § 37h KartG Rn 5 Objektivität § 72 KartG Rn 4 obligatorische Verhandlung § 47 KartG Rn 1 OEM-Teile § 3 KartG Rn 114 OES-Teile § 3 KartG Rn 115 OES-Teilehersteller § 3 KartG Rn 130 offenbare Unrichtigkeit § 49 KartG Rn 56 offenes Verfahren § 168b StGB Rn 2 offengelegte Beweismittel § 37j KartG Rn 9 offenkundige Tatsachen § 48 KartG Rn 5, § 49 KartG Rn 52 Offenlegung v Beweismitteln § 37j KartG Rn 1 Offenlegung § 37 KartG Rn 10, § 39 KartG Rn 1, § 11b WettbG Rn 1, § 13a WettbG 841
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Offenlegungsanordnung § 37j KartG Rn 3, § 37k KartG Rn 1 Offenlegungsantrag § 37j KartG Rn 4 Offenlegungsfrist § 37j KartG Rn 17 Offenlegungskosten § 37j KartG Rn 12 Offenlegungspflicht § 37j KartG Rn 6 öffentliche Ausschreibung § 76 KartG öffentliche Bekanntmachung § 11 KartG Rn 5 Öffentliche Hand § 1 KartG Rn 18, § 4 KartG Rn 6, § 5 KartG Rn 69, § 7 KartG Rn 64 öffentliche Interessen § 40 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 1 öffentliche Postunternehmen § 24 KartG Rn 19 öffentliche Preisangaben § 4 KartG Rn 48 öffentliche Sicherheitsdienst § 12 WettbG Rn 15, § 14 WettbG Rn 1 öffentliche Unternehmen § 1 KartG Rn 18, § 4 KartG Rn 6, § 5 WettbG Rn 1 öffentliches Interesse § 12 WettbG Rn 1 Öffentlichkeit § 37 KartG Rn 15, § 47 KartG Rn 5 Öffentlichkeit, Ausschließung § 47 KartG Rn 5 Öffentlichkeit, Ausschluss d § 39 KartG Rn 1, 27 öffentlich-rechtliche Sendeanstalt § 13 KartG Rn 23 öffentlich-rechtlicher Rundfunk § 1 KartG Rn 20, § 13 KartG Rn 22, § 2 WettbG Rn 10 offenzulegende Beweismittel § 37j KartG Rn 5 842
ökonomischer Schaden § 5 KartG Rn 9 OLG Wien § 58 KartG Rn 1 Oligopol § 4 KartG Rn 33, § 12 KartG Rn 13 Oligopolisten § 4 KartG Rn 34, 60 oligopolistische Marktbeherrschung § 12 KartG Rn 32 Oligopolmitglied § 4 KartG Rn 61, § 12 KartG Rn 14 Oligopolverdacht § 4 KartG Rn 35, 60, § 12 KartG Rn 32 Oligopolvermutung § 4 KartG Rn 60 One-Stop-Shop-Prinzip § 9 KartG Rn 2 Online-Portale § 13 KartG Rn 30 Online-Vertriebskanäle § 1 KartG Rn 99 Online-Video-Werbemarkt § 13 KartG Rn 35 Online-Zeitungen § 13 KartG Rn 30 Optionen § 7 KartG Rn 27 ordnungsgemäße Vergebührung § 10a WettbG Rn 2 Ordnungsstrafe § 37m KartG Rn 1, § 11 WettbG Rn 8 ORF § 2 WettbG Rn 10 Organisation, komplexe § 29 KartG Rn 25 Original Equipment Manufacturer § 3 KartG Rn 114 Original Equipment Supplier § 3 KartG Rn 115 Originaldokumente § 12 WettbG Rn 23 Originalersatzteile § 3 KartG Rn 132, 139, 144 Originalteile § 3 KartG Rn 114 Originalurkunden § 37j KartG Rn 7 originärer Anteilserwerb § 7 KartG Rn 28
Österreichische Post § 24 KartG Rn 15 Österreichischer Gewerkschaftsbund § 16 WettbG Rn 3 Output-Beschränkungen § 3 KartG Rn 159 Outsourcing § 7 KartG Rn 13, 51, § 22 KartG Rn 11 P Pächter § 7 KartG Rn 17 Parallelausfuhren § 1 KartG Rn 42 parallele Preisankündigung § 1 KartG Rn 58 parallele Preisentwicklung § 4 KartG Rn 39 parallele Prüfung § 7 KartG Rn 57 paralleler Entwicklungsaufwand § 3 KartG Rn 149 paralleler Forschungsaufwand § 3 KartG Rn 149 Parallelhandel § 2 KartG Rn 38 Parallelnutzung § 4 KartG Rn 15 Parallelverhalten § 1 KartG Rn 57, § 4 KartG Rn 34 parates Bescheinigungsmittel § 48 KartG Rn 3 paritätische Verteilung § 7 KartG Rn 49 Partei, berechtigte § 36 KartG Rn 1 Parteienvertreter, berufsmäßige § 11 WettbG Rn 8 Parteirechte § 38 KartG Rn 26 Parteistellung § 36 KartG Rn 3, 19, § 40 KartG Rn 1 Partnerschaftsvermittlung § 3 KartG Rn 24 Passing-on-Einwand § 37f KartG Rn 1 passive Mitwirkung § 30 KartG Rn 26 passiver Verkauf § 3 KartG Rn 44
Stichwortverzeichnis
Passivlegitimation § 36 KartG Rn 19 Passivverkauf § 3 KartG Rn 46 Patent § 1 KartG Rn 71, § 12 KartG Rn 85, § 3 KartG Rn 150 Patentablauf § 5 KartG Rn 56 Pauschalgebühr § 10 KartG Rn 1, § 10a WettbG Rn 1 Pauschalreisen § 2 WettbG Rn 13 Pauschalsätze § 5 KartG Rn 46 Pay-TV-Sender § 13 KartG Rn 23 Pensionisten § 4 NVG Rn 2 performance approach § 20 KartG Rn 2 periodische Erscheinungsweise § 13 KartG Rn 3 Person, zahlungspflichtige § 52 KartG Rn 1 Personalsenat § 60 KartG Rn 2 personenbezogene Bezeichnungen § 18 WettbG personenbezogene Daten § 10 WettbG Rn 6, § 14 WettbG Personengesellschaft § 7 KartG Rn 31 Personengleichheit § 7 KartG Rn 30 Persönlichkeitsrechte § 37 KartG Rn 10, § 2 WettbG Rn 17, § 12 WettbG Rn 12 Pfandrechte § 7 KartG Rn 27 Pflanzenschutzmittel § 2 KartG Rn 65, 78 Pflichtmitgliedschaft § 31 KartG Rn 5, § 45 KartG Pharmasektor § 9 KartG Rn 11 Phasenbildung § 52 KartG Rn 9 physischer Zwang § 11b WettbG Rn 14 Plakate § 13 KartG Rn 37 Planierraupe § 3 KartG Rn 61 Planrechnungen § 11a WettbG Rn 20 843
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Plattform § 4 KartG Rn 9, § 13 KartG Rn 34, § 23 KartG Rn 21 Plattformanbieter § 4 KartG Rn 13 Plausibilitätskontrolle § 11a WettbG Rn 16 Plausibilitätsüberlegungen § 5 KartG Rn 39 plea bargaining § 38 KartG Rn 43 Pleonasmus § 1 KartG Rn 126 Pönalcharakter § 30 KartG Rn 15 Portfolioeffekte § 12 KartG Rn 9, 31 Post § 24 KartG Rn 15 postalischer Universaldienst § 24 KartG Rn 19 Postämter § 24 KartG Rn 19 Postaufgabe § 44 KartG Rn 4 Post-Control-Kommission § 24 KartG Rn 16, § 4 WettbG Rn 12 Postdienste § 24 KartG Rn 16 Postmarkt § 24 KartG Rn 15 Postmarktgesetz § 24 KartG Rn 15 Postrichtlinie § 24 KartG Rn 15 Postsäcke § 24 KartG Rn 19 Postsektor § 24 KartG Rn 18 Postsendungen § 24 KartG Rn 19 Postunternehmen, öffentliche § 24 KartG Rn 19 Postvorbereitungsdienste § 24 KartG Rn 19, 20 potenzielle Effizienzgewinne § 1 KartG Rn 90 potenzielle Wettbewerber § 4 KartG Rn 23, § 5 KartG Rn 11 potenzieller Anbieter § 1 KartG Rn 66 potenzieller Unternehmer § 1 KartG Rn 10, § 7 KartG Rn 4 potenzieller Wettbewerb § 4 KartG Rn 4 potenzieller Wettbewerber § 1 KartG Rn 76 844
potenzielles Unternehmen § 4 KartG Rn 5 präjudizielle Entscheidung § 37h KartG Rn 2 präjudizielles Verfahren § 37i KartG Rn 2 Präklusivfrist § 33 KartG Rn 1 Prämieneinnahmen § 22 KartG Rn 19 Pränotifikationsgespräch § 11 KartG Rn 10, § 82 KartG Rn 1 präsentes Wissen § 11a WettbG Rn 18 Präsenz, lokale § 23 KartG Rn 16 Präsident des HG Wien § 73 KartG Rn 1 Sachverständigenbeweis § 73 KartG Rn 3 Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern § 36 KartG Rn 5, § 45 KartG, § 68 KartG, § 16 WettbG Rn 3, § 7 NVG Rn 2 Prävention § 29 KartG Rn 1 Präventionswirkung § 2 WettbG Rn 17 präventive Fusionskontrolle § 10 KartG Rn 2, § 17 KartG Rn 1 predatory pricing § 5 KartG Rn 76 pre-existing informations § 37k KartG Rn 3 Preis, wettbewerbsanaloger § 5 KartG Rn 20 Preisabsprache, vertikale § 1 KartG Rn 76 Preisabsprachen § 1 KartG Rn 74, 92 Preisangaben, öffentliche § 4 KartG Rn 48 Preisankündigung, parallele § 1 KartG Rn 58 Preisaufschlag, abgewälzter § 37f KartG Rn 7
Preisaufschlag, weitergegebener § 37f KartG Rn 4 Preisaufschläge § 1 KartG Rn 93 Preisauskünfte, unverbindliche § 168b StGB Rn 3 Preisbestandteile § 1 KartG Rn 93 Preisbildungsfaktoren § 5 KartG Rn 21 Preisbildungsfreiheit § 3 KartG Rn 36 Preisbindung § 1 KartG Rn 76, 92, 100, § 3 KartG Rn 36, 40, 78 Preisdifferenzen § 37d KartG Rn 1 Preisdifferenzierung § 5 KartG Rn 67 Preisdiskriminierung § 5 KartG Rn 26 Preisdisziplin § 1 KartG Rn 123 Preise, überhöhte § 5 KartG Rn 19 Preiselastizität § 4 KartG Rn 62 Preiselastizität, geringe § 4 KartG Rn 38 Preisempfehlung § 1 KartG Rn 100, 122, § 3 KartG Rn 160 Preisentwicklung, parallele § 4 KartG Rn 39 Preiserhöhung, relative § 23 KartG Rn 12 Preiserhöhung, signifikante § 23 KartG Rn 12 Preiserhöhungen, exorbitante § 5 KartG Rn 29 Preiserhöhungen, sprunghafte § 5 KartG Rn 29 Preisführerschaft § 1 KartG Rn 97 Preisgrenzen § 1 KartG, § 25 KartG Preishöhenkontrolle § 5 KartG Rn 38 Preis-Kosten-Schere § 24 KartG Rn 21, 22 Preismeldestelle § 1 KartG Rn 97 Preismissbrauch § 5 KartG Rn 19, 74
Stichwortverzeichnis
Preisnachlässe, hohe § 5 KartG Rn 19 Preisniveau, koordiniertes § 4 KartG Rn 42 preisrechtliche Vorschriften § 25 KartG Rn 1 Preisschirmeffekt § 37c KartG Rn 8, § 37e KartG Rn 10 Preissensitivität § 23 KartG Rn 22 Preissetzungsspielraum § 4 KartG Rn 43 Preissetzungsspielräume § 4 KartG Rn 20 Preissockel § 5 KartG Rn 29 Preisstatistiken § 4 KartG Rn 48 Preisunterbietung § 3 KartG Rn 40 Preisunterschiede § 5 KartG Rn 20 Preisverhandlungen § 168b StGB Rn 7 Preiswettbewerb § 1 KartG Rn 71, § 4 KartG Rn 27 Preiszuschläge § 22 KartG Rn 5 Pressedienst § 8 KartG Rn 5 Presseerklärungen § 1 KartG Rn 52 Presseerzeugnisse § 13 KartG Rn 3 Pressegrossisten § 2 KartG, § 2 KartG Rn 53, § 8 KartG Rn 6 Pressegrosso § 2 KartG Rn 48 Pressegrosso-System § 2 KartG Rn 53 Pressegroßvertrieb § 13 KartG Rn 17, 49 Presseumsätze § 13 KartG Rn 8 Presseverlage § 2 KartG Rn 53 Pressevertrieb § 13 KartG Rn 17 Pressevielfalt § 13 KartG Rn 42 Prestigecharakter § 3 KartG Rn 46 Prima-facie-Bescheinigung § 48 KartG Rn 6 Prima-facie-Beweis § 48 KartG Rn 6, § 49 KartG Rn 48 845
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
prima-facie-Nachweis § 29 KartG Rn 6 Primärmarkt § 3 KartG Rn 111, § 5 KartG Rn 64 Printmedien § 13 KartG Rn 2, 9 private enforcement § 37a KartG Rn 1, § 58 KartG Rn 5 Private Equity-Ausnahme § 19 KartG Rn 12 private Radioprogramme § 23 KartG Rn 22 private Sendeanstalten § 13 KartG Rn 23 privater Auftraggeber § 168b StGB Rn 8 Privatgutachten § 11 WettbG Rn 9, § 38 KartG Rn 21 Privatkunde § 23 KartG Rn 5 Privatstiftung § 7 KartG Rn 6, 26, 27 Privatunterlagen § 12 WettbG Rn 22 Privaturkunde § 38 KartG Rn 21 Produkt, gekoppeltes § 5 KartG Rn 71 Produktdiversifikation, rechtzeitige § 4 KartG Rn 72 Produkte, differenzierte § 4 KartG Rn 41 Produkte, homogene § 4 KartG Rn 41 Produkte, inhomogene § 21 KartG Rn 5 Produkte, werbefinanzierte § 23 KartG Rn 22 Produktgruppenmanagement § 2 KartG Rn 17 Produktion, gemeinsame § 3 KartG Rn 168 Produktionsanlage § 7 KartG Rn 12 Produktionsbeschränkung § 1 KartG Rn 74, 102 846
Produktionserfahrungen § 1 KartG Rn 82 Produktionsgeheimnisse § 39 KartG Rn 3 Produktions-GU § 7 KartG Rn 51 Produktionskapazität § 4 KartG Rn 29 Produktionskenntnisse § 1 KartG Rn 82 Produktionsquotenvereinbarung § 1 KartG Rn 102 Produktionsstandorte § 1 KartG Rn 102 Produktionsvereinbarungen § 1 KartG Rn 71 Produktionszweige § 7 KartG Rn 10 Produktmarkt § 4 KartG Rn 7, § 23 KartG Rn 3 Produktmarkt, einheitlicher § 23 KartG Rn 4 Produktmärkte, homogene § 21 KartG Rn 5 Produktplatzierung § 2 KartG Rn 17 Produktsicherheit § 1 KartG Rn 113 Produktwettbewerb, normaler § 5 KartG Rn 1 Produktzyklen § 21 KartG Rn 8 Produzentenrente § 2 KartG Rn 26 Prognoseentscheidung § 12 KartG Rn 17 Programmbeschaffung § 13 KartG Rn 27 Programmbeschaffungsmarkt § 13 KartG Rn 27 Programme § 4 KartG Rn 12 Programmverwertung § 13 KartG Rn 27 Programmverwertungsmarkt § 13 KartG Rn 27
Projektgemeinschaften § 4 KartG Rn 5 Projektgesellschaft § 7 KartG Rn 52 Prospekte § 13 KartG Rn 15 Protokollarantrag § 36 KartG Rn 13 Protokollergänzung § 49 KartG Rn 15 Provisio § 3 KartG Rn 105, § 22 KartG Rn 4 Provisorialantrag, neuerlicher § 48 KartG Rn 7 Provisorialmaßnahme § 41 KartG Rn 14, § 48 KartG Rn 2, 10 Provisorialverfahren § 38 KartG Rn 31, § 41 KartG Rn 41, § 48 KartG Rn 2, § 7 NVG Rn 9 Prozessbevollmächtigter § 38 KartG Rn 8 Prozessführung, mutwillige § 37j KartG Rn 12 Prozessökonomie § 36 KartG Rn 22 Prozessvollmacht § 38 KartG Rn 10 Prüfung vor Ort § 11a WettbG Rn 14 Prüfung § 12 KartG Rn 1 Prüfung, amtswegige § 38 KartG Rn 12 Prüfungsantrag § 11 KartG Rn 1, § 12 KartG Rn 1, § 14 KartG Rn 1, § 36 KartG Rn 3, § 43 KartG Rn 2, § 75 KartG Rn 4 Prüfungsantrag, verbesserungsbedürftiger § 43 KartG Rn 6 Prüfungsantrag, Verzicht § 82 KartG Prüfungsantrag, Zurückweisung § 11 KartG Rn 8, § 12 KartG Rn 1 Prüfungsfrist § 10 KartG Rn 4, § 17 KartG Rn 17
Stichwortverzeichnis
Prüfungsverfahren § 16 KartG Rn 2 Prüfungsverfahren, kartellgerichtliches § 58 KartG Rn 4 Prüfungsverzicht § 11 KartG Rn 9, § 82 KartG Rn 1 psychischer Zwang § 11b WettbG Rn 14 Publikumszeitschriften § 13 KartG Rn 4 publizistische Vielfalt § 13 KartG Rn 43 Publizität § 15 KartG Rn 1, § 37 KartG Rn 1 Publizitätsinteresse § 7 NVG Rn 7 punktuelle Verlustverkäufe § 5 KartG Rn 74 qualifizierte Behauptungspflicht § 38 KartG Rn 12 qualifizierte Mehrheit § 7 KartG Rn 25, 42 qualitativ selektive Vertriebssysteme § 3 KartG Rn 121 qualitative Effizienzgewinne § 2 KartG Rn 6, 12 qualitativer Selektivvertrieb § 3 KartG Rn 43, 111, 139, 145, § 5 KartG Rn 68 qualitatives Selektivvertriebsnetz § 3 KartG Rn 128 Q Qualitätssicherung § 1 KartG Rn 113 Qualitätsstandards § 1 KartG Rn 103, § 3 KartG Rn 128 quantitative Effizienzgewinne § 2 KartG Rn 6, 10 quantitativer Selektivvertrieb § 3 KartG Rn 43, 64 Querlieferung § 3 KartG Rn 45, 84 Quersubventionierung § 3 KartG Rn 143, § 4 KartG Rn 27 847
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Quorum § 7 KartG Rn 42 Quotenabsprache § 1 KartG Rn 102 Quotenregelung § 1 KartG Rn 102 Quotierung § 37e KartG Rn 12 R Rabatt, rückwirkender § 5 KartG Rn 25 Rabatte § 1 KartG, § 1 KartG Rn 93, § 5 KartG Rn 23, § 1 NVG Rn 5 Rabattschleuderei § 3 KartG Rn 80 Rabattsysteme § 5 KartG Rn 23 Rabattwettbewerb § 4 KartG Rn 27 Radioprogramme, private § 23 KartG Rn 22 Radiusklausel § 1 KartG Rn 79 Raffinerien § 4 KartG Rn 37 Rahmengebühr § 10 KartG Rn 1, § 41 KartG Rn 4, § 50 KartG Rn 1, § 54 KartG Rn 1, § 52 KartG Rn 1, § 55 KartG Rn 1, § 62 KartG Rn 3, § 10a WettbG Rn 1, § 7 NVG Rn 1 Rahmenvereinbarung § 1 KartG Rn 42, 123 rascher Rechtsschutz § 48 KartG Rn 8 Ratenzahlung § 32 KartG Rn 2 Rationalisierungseffekte § 12 KartG Rn 40 räumlicher Markt § 4 KartG Rn 7, § 23 KartG Rn 15 Reaktionsgeschwindigkeit § 4 KartG Rn 50 Reaktionsverbundenheit § 4 KartG Rn 62 Reaktionsverbundenheit, enge § 4 KartG Rn 36 Rechenfehler § 49 KartG Rn 62 Recherche § 13 KartG Rn 41 848
Rechnungsjahr § 9 KartG Rn 26 Recht, subjektives § 49 KartG Rn 6 Rechteinhaber § 13 KartG Rn 27 Rechtfertigungsdruck § 26 KartG Rn 10 Rechtfertigungsgründe § 12 KartG Rn 37, 57 rechtliche Beurteilung § 49 KartG Rn 48 rechtliche Schranken § 4 KartG Rn 31 rechtliches Gehör § 37i KartG Rn 9, § 38 KartG Rn 22, 23, § 48 KartG Rn 8, § 49 KartG Rn 24, 27, § 54 KartG Rn 21, § 13 WettbG Rn 1 rechtliches Interesse § 36 KartG Rn 6 Rechtsanwalt § 1 KartG Rn 8, § 29 KartG Rn 21, § 37j KartG Rn 16, § 38 KartG Rn 10, § 11a WettbG Rn 25, § 15 WettbG Rechtsbeistand § 11 WettbG Rn 4 Rechtsformwechsel § 1 KartG Rn 11 Rechtsfrage, strittige § 28 KartG Rn 4 Rechtsgestaltung § 38 KartG Rn 38 Rechtshilfe § 37j KartG Rn 3, § 58 KartG Rn 14, § 62 KartG Rn 2 Rechtsirrtum § 2 KartG Rn 2, § 29 KartG Rn 18, § 37c KartG Rn 4 Rechtskraft § 38 KartG Rn 38 rechtskräftige Entscheidung § 37 KartG Rn 1 rechtskräftiger Beschluss § 34 KartG Rn 1, § 38 KartG Rn 40 Rechtsmeinung, vertretbare § 41 KartG Rn 8 Rechtsmittel § 49 KartG Rn 1 Rechtsmittelerfordernisse § 49 KartG Rn 12
Rechtsmittelfrist § 49 KartG Rn 73 Rechtsmittellegitimation § 49 KartG Rn 1 Rechtsmittelschrift § 42 KartG Rn 6 Rechtsmittelverfahren § 38 KartG Rn 9, § 48 KartG Rn 15, § 49 KartG Rn 1 Rechtsmittelverzicht § 49 KartG Rn 6 Rechtsmittelwerber § 49 KartG Rn 5 Rechtsrüge § 49 KartG Rn 42 Rechtsschutz § 49 KartG Rn 1 Rechtsschutz, rascher § 48 KartG Rn 8 Rechtsschutzbedürfnis § 49 KartG Rn 3 Rechtsschutzstandards § 36 KartG Rn 17 Rechtsträger, ausschreibender § 168b StGB Rn 1 Rechtsunkenntnis § 29 KartG Rn 20 Rechtsverfolgung, mutwillige § 41 KartG Rn 6, § 48 KartG Rn 12 Rechtsverletzer, vergleichender § 37g KartG Rn 5 Rechtsverteidigung, mutwillige § 48 KartG Rn 12 Rechtsvertreter § 12 WettbG Rn 16 Rechtsvorteil einer GVO § 83 KartG Rn 6 Rechtsweg, Unzulässigkeit § 58 KartG Rn 3 Rechtsweg, Zulässigkeit § 38 KartG Rn 5 Rechtswidrigkeit § 30 KartG Rn 24 rechtzeitige Produktdiversifikation § 4 KartG Rn 72 redaktionelle Selbständigkeit § 13 KartG Rn 43
Stichwortverzeichnis
Redaktionsstatut § 13 KartG Rn 43 Reflexwirkungen § 24 KartG Rn 6 reformatio in peius § 57 KartG Rn 2 Regale § 1 NVG Rn 9 Regelung, haftungsbeschränkende § 37e KartG Rn 11 regionale Teilmärkte § 4 KartG Rn 7 regionale Wochenzeitungen § 13 KartG Rn 15 regionale Zeitungen § 13 KartG Rn 4 regionaler Anzeigenmarkt § 13 KartG Rn 15 regionaler Markt § 23 KartG Rn 17 Regionalmutation § 13 KartG Rn 15 Regress § 37e KartG Rn 8 Regressansprüche § 37g KartG Rn 4 Regresspflicht § 37f KartG Rn 8 Regulatoren § 36 KartG Rn 5, § 46 KartG, § 47 KartG Rn 7, § 52 KartG Rn 20, § 73 KartG Rn 3, § 1 WettbG Rn 10 regulatorische Maßnahmen § 1 WettbG Rn 11 regulatorische Schranken § 23 KartG Rn 16 regulatorische Verfahren § 5 KartG Rn 56 regulierter Wirtschaftszweig § 46 KartG Regulierung § 7 KartG Rn 65, § 46 KartG Regulierungsbehörde § 5 KartG Rn 82, § 24 KartG Rn 20, § 58 KartG Rn 10, 12, § 1 WettbG Rn 11, § 4 WettbG Rn 12 Reichweite § 13 KartG Rn 8 849
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Reisekosten § 55 KartG Rn 9, § 64 KartG Reisekostenabrechnungen § 11a WettbG Rn 20 Rekapitalisierung § 37e KartG Rn 3 Rekurs § 14 KartG Rn 6, § 17 KartG Rn 11, § 49 KartG Rn 2 Rekurs, aufschiebender § 49 KartG Rn 15 Rekurs, aufsteigender § 49 KartG Rn 15 Rekurs, Ergänzungen § 49 KartG Rn 11 Rekurs, Nachträge § 49 KartG Rn 11 Rekursantrag § 49 KartG Rn 12 Rekursbeantwortung § 49 KartG Rn 11, 74 Rekursentscheidung § 49 KartG Rn 15, 79 Rekurserklärung § 49 KartG Rn 12 Rekursfrist § 49 KartG Rn 11, 70, § 7 NVG Rn 4 Rekursgründe § 49 KartG Rn 12, 19 Rekurslegitimation § 75 KartG Rn 5 Rekursverfahren § 38 KartG Rn 28 Rekurswerber § 49 KartG Rn 1, 5 relative Marktmacht § 4 KartG Rn 65, § 1 NVG Rn 4 relative Preiserhöhung § 23 KartG Rn 12 relative Verantwortung § 37e KartG Rn 10 relevante Gefährdungslage § 7 KartG Rn 22 relevante Marktstellung § 7 KartG Rn 9 relevanter Markt § 1 KartG Rn 66, § 4 KartG Rn 7, § 12 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2, § 23 KartG Rn 1 850
Remissionsrechte § 13 KartG Rn 49 Reorganisation § 19 KartG Rn 9 Reparatur § 3 KartG Rn 133 Reparaturinformationen § 3 KartG Rn 133, 146 Reparaturwerkstätten § 3 KartG Rn 47 Replik § 49 KartG Rn 11 Repressalien § 39 KartG Rn 29 Repression § 29 KartG Rn 1 Reproanstalt § 8 KartG Rn 6 Reservierungssystem § 5 KartG Rn 58 Ressourcen § 4 KartG Rn 27 Ressourcen, eigene § 7 KartG Rn 46 Ressourcenzuwachs § 9 KartG Rn 20 Restwert § 3 KartG Rn 144 Restwettbewerb § 5 KartG Rn 12, § 12 KartG Rn 31 Revisionsrekurs § 49 KartG Rn 80 Revisionssicherheit § 3 KartG Rn 118 Revisionsverbände § 2 KartG Rn 58 Revisor § 41 KartG Rn 13 Richter, beauftragter § 61 KartG Rn 2 Richter, gesetzlicher § 60 KartG Rn 1 Richteramt § 72 KartG Rn 6 richterliche Anordnung § 12 WettbG Rn 1 richterliche Unabhängigkeit § 59 KartG Rn 4 Richtpreis § 1 KartG Rn 125 Richtpreise § 1 KartG Rn 97 Richtzeiten § 5 KartG Rn 46 RIS § 15 KartG Rn 2, § 37 KartG Rn 1, 19 Risikodeckung § 3 KartG Rn 176 Risikokosten § 3 KartG Rn 179
Risikoprämientarife § 3 KartG Rn 176 Risikoträger § 7 KartG Rn 20 Rohmilch § 2 KartG Rn 80, § 4 WettbG Rn 2 Rohstofflieferant § 1 KartG Rn 40, § 3 KartG Rn 22 Rohstoffquellen § 4 KartG Rn 30 Rohstoffvorrat § 7 KartG Rn 12 RTR GmbH § 36 KartG Rn 5 Rubrik-Anzeigen § 13 KartG Rn 31 Rückbildungsphase § 4 KartG Rn 38 Rückersatz § 37g KartG Rn 7 Rückersatzanspruch § 37e KartG Rn 6, 12, § 37g KartG Rn 7 Rückerstattung § 26 KartG Rn 20 Rückkaufpreis § 3 KartG Rn 99 Rücklagenbildung § 22 KartG Rn 20 Rücklizenz § 12 KartG Rn 95 Rücklizenzierung § 3 KartG Rn 131, § 12 KartG Rn 86 Rücklizenz-Verpflichtung § 3 KartG Rn 162 Rücknahmeverpflichtungen § 1 NVG Rn 15 Rückrufaktionen § 3 KartG Rn 118, 142, § 5 KartG Rn 46 Rückrufe § 3 KartG Rn 125 Rücksichtnahme § 2 NVG Rn 7 Rückstellungen § 22 KartG Rn 6 Rückversicherung § 3 KartG Rn 181 Rückversicherungsprämien § 22 KartG Rn 19 rückwirkender Rabatt § 5 KartG Rn 25 Rückwirkungsverbot § 29 KartG Rn 33 Ruhen § 37g KartG Rn 9, § 38 KartG Rn 32
Stichwortverzeichnis
ruhende Verträge § 1 KartG Rn 38 Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH § 4 WettbG Rn 12 Rundfunk, öffentlich-rechtlicher § 2 WettbG Rn 10 Rundfunkmarkt § 13 KartG Rn 21 Rundfunkwerbezeiten § 13 KartG Rn 22 Rundfunkwerbung § 13 KartG Rn 22 S Sachantrag § 38 KartG Rn 7 Sachantrag, verfahrenseinleitender § 36 KartG Rn 8, § 37i KartG Rn 2 Sachanträge, Nichterledigung § 49 KartG Rn 30 Sachentscheidung, Verkündung § 47 KartG Rn 6 Sachherrschaft, effektive § 7 KartG Rn 16 sachlicher Markt § 4 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2, § 23 KartG Rn 3 Sachverhalt, unbedeutender § 30 KartG Rn 18 Sachverhaltsfeststellungen, entscheidungsrelevante § 49 KartG Rn 51 Sachverständigengebühren § 41 KartG Rn 12, § 55 KartG Rn 3 Sachverständiger § 38 KartG Rn 21, § 73 KartG Rn 1, § 11 WettbG Rn 2 Sachverständiger, Gebührenanspruch § 55 KartG Rn 3 Sachverständiger, Warnpflicht § 55 KartG Rn 7 Sachvorbringen, schlüssiges § 36 KartG Rn 8 851
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
saisonale Schwankungen § 4 KartG Rn 38 Saisonwaren § 23 KartG Rn 19 salvatorische Klausel § 1 KartG Rn 119, § 3 KartG Rn 39, 86 Salzmonopol § 4 KartG Rn 24 Sammelrevers § 2 KartG Rn 49 Sammelwerke § 13 KartG Rn 3 Sanierung § 19 KartG Rn 9 sanierungsbedürftiges Unternehmen § 12 KartG Rn 16 Sanierungserwerb § 19 KartG Rn 9 Sanierungsfälle § 19 KartG Rn 9 Sanierungsfusion § 2 KartG Rn 19, § 12 KartG Rn 47 Sanierungszweck § 19 KartG Rn 19 Sanktionensystem, inländisches § 30 KartG Rn 7 Sanktionierung § 30 KartG Rn 3 Sanktionierungsmechanismus § 4 KartG Rn 49 Sanktionsmechanismus § 4 KartG Rn 44 Sanktionsmitteln § 4 KartG Rn 36 Satellitenfernsehen § 13 KartG Rn 26 Satzanstalt § 8 KartG Rn 6 Satzungsänderungen § 7 KartG Rn 35 Satzungsgestaltung, atypische § 7 KartG Rn 25 säumiges Unternehmen § 35 KartG Rn 10 Säumnistage § 35 KartG Rn 17 save harbours § 3 KartG Rn 2 Schaden, ökonomischer § 5 KartG Rn 9 Schaden, unwiederbringlicher § 36 KartG Rn 9, § 48 KartG Rn 10, § 7 NVG Rn 9 Schadenersatz § 5 KartG Rn 2, § 28 KartG Rn 7, § 37a KartG 852
Rn 1, § 37i KartG Rn 1, § 37k KartG Rn 1 Schadenersatz, Amtshilfe § 37l KartG Rn 1 Schadenersatz, vollständiger § 37e KartG Rn 9 Schadenersatzanspruch, verschuldensunabhängiger § 48 KartG Rn 19 Schadenersatzansprüche § 1 KartG Rn 120, § 3 KartG Rn 11, § 3 KartG Rn 102, § 5 KartG Rn 2, § 37b KartG Rn 3, § 58 KartG Rn 5 Schadenersatzklage § 37 KartG Rn 5, § 37d KartG Rn 1, § 37j KartG Rn 1 Schadenersatzprozess § 37i KartG Rn 2 Schadenersatzprozess, unterbrochener § 37i KartG Rn 4 Schadenersatzverfahren § 28 KartG Rn 7, § 37g KartG Rn 9, § 13a WettbG, § 13b WettbG Schadensberechnung § 37d KartG Rn 1 Schadensermittlung § 37d KartG Rn 1 Schadenshöhe § 37c KartG Rn 7 Schadensüberwälzung § 37f KartG Rn 1 Schadensumfang § 37d KartG Rn 1 Schadensverlagerung § 37f KartG Rn 2 Schadensverlauf § 3 KartG Rn 176 Schadensvermutung § 37c KartG Rn 6 Schadensweitergabe § 37f KartG Rn 6 Schädiger, mutmaßlicher § 37j KartG Rn 13 Schädiger, vergleichender § 37g KartG Rn 5
Schädigung § 168b StGB Rn 15 Schande § 11 WettbG Rn 15 Schauraum, getrennter § 3 KartG Rn 90 Schauräume § 3 KartG Rn 68 Scheinangebot § 168b StGB Rn 5 Schiedsgericht § 3 KartG Rn 101 Schiedssachverständiger § 3 KartG Rn 101 Schiedsverfahren § 37g KartG Rn 9 Schienen-Control GmbH § 36 KartG Rn 5, § 4 WettbG Rn 12 Schienen-Control-Kommission § 36 KartG Rn 5 Schirm-GVO § 3 KartG Rn 21 schlechte Finanzlage § 29 KartG Rn 12 Schlichtungsstelle § 3 KartG Rn 101 Schlichtungsvarianten § 3 KartG Rn 102 Schlichtungsversuch § 3 KartG Rn 101 Schlüsselarbeitskräfte § 7 KartG Rn 53 Schlüsselpatent § 5 KartG Rn 58 Schlüsseltechnologien § 13 KartG Rn 33 Schlussfolgerung § 49 KartG Rn 44, § 73 KartG Rn 4 schlüssiges Sachvorbringen § 36 KartG Rn 8 Schlüssigkeit § 29 KartG Rn 36, § 38 KartG Rn 8 Schlüssigkeitserfordernis § 43 KartG Rn 3 Schlüssigkeitsprüfung § 11a WettbG Rn 5 Schnittstellen § 13 KartG Rn 33 Schranken, rechtliche § 4 KartG Rn 31 Schranken, regulatorische § 23 KartG Rn 16
Stichwortverzeichnis
Schreibweise, beleidigende § 11 WettbG Rn 8 schriftliche Äußerung § 11 KartG Rn 6 Schriftsatz, verfahrenseinleitender § 42 KartG Rn 6 Schriftsätze § 42 KartG Rn 1 Schriftstücke, interne § 13a WettbG Schuldauspruch, bindender § 29 KartG Rn 43 Schuldausschließungsgrund § 37c KartG Rn 4 Schuldentilgungsdauer, fiktive § 19 KartG Rn 9 Schulungen § 3 KartG Rn 136 Schutzangebot § 168b StGB Rn 5 Schutzbedürftigkeit § 37e KartG Rn 2, § 39 KartG Rn 2 Schutzgesetz, kartellrechtliches § 37b KartG Rn 3 schutzgesetzbezogenes Verhaltens unrecht § 37c KartG Rn 3 Schutzgesetzcharakter § 37c KartG Rn 2 Schutzrechte § 1 KartG Rn 82, § 3 KartG Rn 131 Schutzrechte, geistige § 7 KartG Rn 10 Schutzrechte, gewerbliche § 2 KartG Rn 21, § 12 KartG Rn 85 Schutzrechte, kommerzielle § 12 KartG Rn 85 schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen § 39 KartG Rn 1, 11 Schutzwürdigkeit § 39 KartG Rn 2 Schutzzertifikate § 3 KartG Rn 150, § 5 KartG Rn 56 Schutzzweck § 1 KartG Rn 116l, § 3 KartG Rn 147 schwarze Klauseln § 3 KartG Rn 36 853
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
schwarze Liste § 13a WettbG Rn 3l, § 37k KartG Rn 8 schwebende Unwirksamkeit § 17 KartG Rn 5 Schwere § 30 KartG Rn 1 Schwerpunkte § 16 WettbG schwerste Verstöße § 30 KartG Rn 9 Schwesterunternehmen § 1 KartG Rn 23 Seher § 2 WettbG Rn 11 Sektorengesetzgebung § 4 KartG Rn 3 sekundärer Feststellungsmangel § 49 KartG Rn 49 Sekundärgenossenschaft § 2 KartG Rn 59 Sekundärmarkt § 3 KartG Rn 111, § 5 KartG Rn 64 Selbstabholung § 5 KartG Rn 23 selbständig anfechtbar § 49 KartG Rn 18 selbständige Anfechtung § 38 KartG Rn 32 Selbständigkeit, redaktionelle § 13 KartG Rn 43 Selbständigkeitspostulat § 1 KartG Rn 47, 57 Selbstanzeige, missbräuchliche § 72 KartG Rn 9 Selbstbelastungsverbot § 11a WettbG Rn 33 Selbstbestimmung, wirtschaftliche § 7 KartG Rn 47 Selbstkosten § 1 KartG Rn 94 Selbstmeldung § 72 KartG Rn 9 Selbstständigkeitspostulat § 1 KartG Rn 65 Selbstverstärkungsmechanismus § 4 KartG Rn 14 Selektionskriterien § 3 KartG Rn 121 selektiver Vertrieb § 3 KartG Rn 43 854
selektives Vertriebssystem § 1 KartG Rn 111, § 3 KartG Rn 16, 21, 42, § 4 NVG Rn 4 Selektivvertrieb, qualitativer § 3 KartG Rn 43, 111, 139, 145, § 5 KartG Rn 68 Selektivvertrieb, quantitativer § 3 KartG Rn 43, 64 Selektivvertriebsnetz, qualitatives § 3 KartG Rn 128 Senat, einfacher § 59 KartG Rn 1 Senat, kartellgerichtlicher § 59 KartG Rn 1 Senat, verstärkter § 59 KartG Rn 1 Senatsabteilung § 60 KartG Rn 2 Senatsbesetzung § 47 KartG Rn 2 Senatsmitglieder § 63 KartG Rn 2 Senatsvorsitzender § 54 KartG Rn 2, § 59 KartG Rn 1, § 62 KartG Rn 2 Sendeanstalten, private § 13 KartG Rn 23 Sendezeiten § 8 KartG Rn 6 sensible Daten § 1 KartG Rn 55 Server, externer § 11a WettbG Rn 22, § 12 WettbG Rn 17 Server, zentraler § 35 KartG Rn 1 Settlement § 29 KartG Rn 36, § 38 KartG Rn 43 Settlement-Verfahren § 29 KartG Rn 36, § 30 KartG Rn 6 sichere Häfen § 3 KartG Rn 2 Sicherheitsdienst, öffentlicher § 12 WettbG Rn 15, § 14 WettbG Rn 1 Sicherheitsleistung § 48 KartG Rn 18 sicherheitsrelevante Informationen § 3 KartG Rn 136 Sicherheitsstandard § 1 KartG Rn 103 Sicherheitszuschlag § 5 KartG Rn 39
Sicherheitszuschläge § 5 KartG Rn 37 Sicherstellungen § 5 KartG Rn 44 Sicherstellungsprotokoll § 12 WettbG Rn 20 Sicherungsantrag § 49 KartG Rn 10 Sicherungsübereignung § 19 KartG Rn 9 Sicherungsverfahren § 48 KartG Rn 9 Siedlungsgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 signifikante Preiserhöhung § 23 KartG Rn 12 Single-Homing § 4 KartG Rn 17 Skaleneffekte § 4 KartG Rn 10 Skalenerträge § 4 KartG Rn 4, 18 Sockeltheorie § 5 KartG Rn 29 Software § 3 KartG Rn 131, 134 Software, forensische § 12 WettbG Rn 17 Softwareprodukte § 3 KartG Rn 153 Software-Urheberrechte § 3 KartG Rn 150 Sogwirkung § 3 KartG Rn 106 Solidarhaftung § 37e KartG Rn 1, § 50 KartG Rn 7, § 53 KartG Rn 1 Solidarschuldner § 53 KartG Rn 1 Sonderkonditionen § 1 NVG Rn 5 Sondertarife § 24 KartG Rn 21 sonstige Finanzinstitute § 19 KartG Rn 3 sonstige Kosten § 51 KartG, § 55 KartG Rn 1, 15 Sorgfaltsmaßstab § 29 KartG Rn 15 Sorgfaltswidrigkeit § 29 KartG Rn 16 Sortenschutzrechte § 3 KartG Rn 150 Sortiment § 1 NVG Rn 3
Stichwortverzeichnis
Sortiment, notwendiges § 4 NVG Rn 1 Sortimentserweiterung § 12 KartG Rn 9 Sortimentsvervollständigung § 12 KartG Rn 9 Sozialpartnerorganisationen § 16 WettbG Rn 3 Sozialpartnerschaft § 45 KartG Spannen § 1 KartG Rn 93 Speditionen § 3 KartG Rn 136 Speichermedium § 11a WettbG Rn 22 Speicherplatz, externer § 12 WettbG Rn 17, § 35 KartG Rn 1 Sperre § 3 NVG Rn 2 Sperrminorität § 7 KartG Rn 22 Sperrpatent § 5 KartG Rn 56 spezialisierte Erzeugnisse § 3 KartG Rn 167 Spezialisierung, einseitige § 3 KartG Rn 168 Spezialisierung, gegenseitige § 3 KartG Rn 168 Spezialisierung, wechselseitige § 2 KartG Rn 10 Spezialisierungs-GVO § 3 KartG Rn 166 Spezialisierungsrad, hoher § 4 KartG Rn 67 Spezialisierungsvereinbarung § 1 KartG Rn 102, § 3 KartG Rn 4, 153, 166 Spezialkooperationen § 3 KartG Rn 169 spezialpräventive Gründe § 30 KartG Rn 18 Spezialwerkzeuge § 3 KartG Rn 67, 111, 131 spezifische Eigenschaften § 23 KartG Rn 4 Spill-over-Effekt § 12 KartG Rn 9, 30, 35 § 12 KartG Rn Sponsoring § 13 KartG Rn 16 855
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Sponsoringverträge § 1 KartG Rn 9 Sportveranstaltung § 1 KartG Rn 9 Sportvereine § 1 KartG Rn 8 Sportwagen § 3 KartG Rn 66 sprachliche Gleichbehandlung § 93 KartG, § 18 WettbG Sprachschulen § 3 KartG Rn 24 sprunghafte Preiserhöhungen § 5 KartG Rn 29 Sprunglieferungsverbot § 3 KartG Rn 42 spürbare Auswirkungen § 2 KartG Rn 46 spürbare Beschränkung § 1 KartG Rn 5 spürbare Inlandsauswirkungen § 9 KartG Rn 20 Spürbarkeit § 1 KartG Rn 5, 83, § 5 KartG Rn 7, § 9 KartG Rn 16, § 24 KartG Rn 6 SSNIP-Test § 4 KartG Rn 20, § 13 KartG Rn 16, § 23 KartG Rn 11 staatliche Monopole § 5 WettbG Rn 1 staatlicher Zwang § 29 KartG Rn 1 Staatsanwaltschaft § 58 KartG Rn 14, § 62 KartG Rn 2, § 11b WettbG Rn 23, § 14 WettbG staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren § 39 KartG Rn 24 Staatsmonopol § 4 KartG Rn 24 Staatsunternehmen § 7 KartG Rn 64 stabile Marktbedingungen § 4 KartG Rn 47 Stagnationsphase § 4 KartG Rn 38 standardisiertes Hinweisgebersystem § 11b WettbG Rn 4 Standard-Leasingvertrag § 3 KartG Rn 74 Standards § 3 KartG Rn 107, 122, 145, § 5 KartG Rn 55, 65 856
Standardverträge § 1 KartG Rn 101, § 5 KartG Rn 43 Standort, zusätzlicher § 1 NVG Rn 12 Standortbindung § 3 KartG Rn 83 Standorte § 4 KartG Rn 26 Standortklausel § 3 KartG Rn 65, 83 starke Marke § 4 KartG Rn 67 Startkopien § 13 KartG Rn 36 Startups § 9 KartG Rn 8 Statistiken, abgestimmte § 3 KartG Rn 176 Stellenanzeigenkombination § 13 KartG Rn 42 Stellung, marktbeherrschende § 4 KartG Rn 1, § 10 KartG Rn 3 Stellungnahme § 45 KartG, § 46 KartG §, 13 WettbG Rn 1 Sterbetafeln § 3 KartG Rn 178 Sternverträge § 1 KartG Rn 43 Steuerberater § 37j KartG Rn 16 Steuerungsfunktion § 2 KartG Rn 45 Steuerungsgeräte § 3 KartG Rn 131 Stifter § 7 KartG Rn 6 Stiftungserklärung § 7 KartG Rn 6 Stiftungsvorstand § 7 KartG Rn 6 stillgelegte Unternehmen § 4 KartG Rn 5 stillgelegtes Unternehmen § 7 KartG Rn 11 Stimmabgabe § 63 KartG Rn 1 Stimmenmehrheit § 63 KartG Rn 2 Stimmenthaltung § 63 KartG Rn 2 Stimmrechte § 7 KartG Rn 24, 49, § 19 KartG Rn 13 Stimmrechtsausübung § 17 KartG Rn 4, § 19 KartG Rn 15 Stimmrechtsmehrheit § 7 KartG Rn 36 Stimmrechtsverteilung § 7 KartG Rn 49
Stoffsammlung § 38 KartG Rn 12, § 49 KartG Rn 17, § 62 KartG Rn 1 Stop-the-clock-Verfahren § 11 KartG Rn 3 Strafaufhebungsgrund § 168b StGB Rn 12 Strafbescheid § 8 NVG Rn 2 Strafbestimmungen § 8 NVG Rn 1 Straffreiheit § 11b WettbG Rn 1 strafgerichtliche Verfolgung § 11 WettbG Rn 15 strafgerichtliche Verurteilung § 11 WettbG Rn 15 strafrechtliche Verfolgung § 11b WettbG Rn 33 strafrechtsähnlicher Charakter § 29 KartG Rn 1 strategische Allianzen § 4 KartG Rn 37 strategische Angelegenheiten § 7 KartG Rn 35 strategische Entscheidungen § 7 KartG Rn 20 strategische Fragen § 7 KartG Rn 21 strategische Unternehmensbeteiligungen § 19 KartG Rn 7 strategische Vetorechte § 7 KartG Rn 16 strategisches Wettbewerbsverhalten § 7 KartG Rn 33 Streitanhängigkeit § 37i KartG Rn 2, § 37j KartG Rn 13 Streitbeilegung, außergerichtliche § 37g KartG Rn 9 Streitbeilegung, einvernehmliche § 37g KartG Rn 1, § 37h KartG Rn 7 Streitgenossen § 36 KartG Rn 26 Streitgenossenschaft § 36 KartG Rn 25 Streithelfer § 36 KartG Rn 3
Stichwortverzeichnis
Streitpartei, einheitliche § 36 KartG Rn 24 Streitverkündung § 37f KartG Rn 8 strittige Rechtsfrage § 28 KartG Rn 4 strukturelle Abhilfemaßnahmen § 26 KartG Rn 10 strukturelle Auflagen § 12 KartG Rn 59 strukturelle Maßnahmen § 26 KartG Rn 9, 21, § 27 KartG Rn 3 strukturelle Verbesserungen § 12 KartG Rn 43 Strukturkündigung § 3 KartG Rn 96 Strukturverbesserung § 12 KartG Rn 23 Strukturverschlechterung § 12 KartG Rn 4, § 12 KartG Rn 44 Stückzahlen § 21 KartG Rn 4 Stundengebühr § 55 KartG Rn 4 Stundensätze § 3 KartG Rn 134, § 3 KartG Rn 143 Stundung § 32 KartG Rn 2 Stundungsantrag § 57 KartG Rn 3 Subhändlerverträge § 3 KartG Rn 56 subjektive Beweislast § 38 KartG Rn 15 subjektives Recht § 49 KartG Rn 6 Submissionsabsprachen § 168b StGB Rn 15 Submissionskartelle § 1 KartG Rn 104 subsidiärer Ersatzanspruch § 37e KartG Rn 11 substantiierte Vorwürfe § 11a WettbG Rn 2 Substanziierung § 37j KartG Rn 2 Substituierbarkeit § 23 KartG Rn 3, 9 857
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Substitutionselastizität § 23 KartG Rn 19 Substitutionsgut § 2 KartG Rn 43, § 23 KartG Rn 13 Subsumtionsrisiko § 2 KartG Rn 2 Subunternehmen § 22 KartG Rn 3 Subvention § 22 KartG Rn 5 Summary Application § 11b WettbG Rn 29 sunk costs § 4 KartG Rn 68 sunk-investments § 2 KartG Rn 7 Supplement § 13 KartG Rn 7, 15 symbolische Höhe § 30 KartG Rn 18 Symmetrie § 4 KartG Rn 37 Syndikatsvertrag § 7 KartG Rn 40 Synergieeffekte § 2 KartG Rn 6, § 13 KartG Rn 40, 48 T Tablets § 13 KartG Rn 30 Tagessatz, Höhe § 35 KartG Rn 6 Tagesumsatz § 35 KartG Rn 11 Tageszeitungen § 13 KartG Rn 3, 10 Tageszulassungen § 3 KartG Rn 145 Tagsatzung § 47 KartG Rn 1 Tanklager § 4 KartG Rn 37 Tankmiete § 5 KartG Rn 73 Tankstellenverträge § 3 KartG Rn 52 Tatbestandsmerkmal, notwendiges § 11a WettbG Rn 6 Tatbestandsmerkmale § 37i KartG Rn 5 tatbezogener Umsatz § 29 KartG Rn 10 Tatbildirrtum § 29 KartG Rn 19 tätige Reue § 168b StGB Rn 12 Tätigkeitsbericht § 74 KartG Tätigkeitsdelikt § 168b StGB Rn 1 Tatsachen, entscheidende § 49 KartG Rn 50 858
Tatsachen, gerichtbekannte § 49 KartG Rn 43 Tatsachen, offenkundige § 48 KartG Rn 5, § 49 KartG Rn 52 Tatsachenerhebungen § 38 KartG Rn 12 Tatsachenirrtum, § 2 KartG Rn 2, § 29 KartG Rn 18 tatsächliche Verhältnisse § 27 KartG Rn 16 Tatverdacht, dringender § 12 WettbG Rn 5 Tausender-Kontakt-Preis § 23 KartG Rn 22 technische Entwicklung § 1 KartG, § 5 KartG Rn 48 technische Informationen § 3 KartG Rn 111, 133 technische Innovation § 2 KartG Rn 20 technische Neuerungen § 5 KartG Rn 54 technischer Fortschritt § 2 KartG, § 2 KartG Rn 5, 20, § 3 KartG Rn 13 technisches Wissen § 39 KartG Rn 2 Technologiekenntnisse § 1 KartG Rn 82 Technologielizenzen § 3 KartG Rn 153 Technologiemärkte § 3 KartG Rn 155, § 3 KartG Rn 173 Technologiepool § 3 KartG Rn 153 Technologierechte § 3 KartG Rn 149 Technologierechte, konkurrierende § 3 KartG Rn 161 Technologietransfer § 2 KartG Rn 21, § 3 KartG Rn 147 Technologietransfer-GVO § 3 KartG Rn 147
Technologietransfer-Vereinbarungen § 3 KartG Rn 148 technologische Schöpfungen § 3 KartG Rn 147 technologischer Vorsprung § 4 KartG Rn 29 Teilbeschluss § 38 KartG Rn 35 Teilehändler § 3 KartG Rn 113 Teilekatalog § 3 KartG Rn 134 Teile-Margen § 3 KartG Rn 143 Teilentscheidung § 62 KartG Rn 5 Teillieferant § 3 KartG Rn 132 Teilmärkte, regionale § 4 KartG Rn 7 Teilnahmeantrag § 168b StGB Rn 1, 4 Teilnehmerlisten § 1 KartG Rn 52 Telefonmarketing § 3 KartG Rn 43 Telekom Control-Kommission § 36 KartG Rn 5, § 4 WettbG Rn 12 Telekommunikation § 4 KartG Rn 33 Telekommunikationsrecht § 4 KartG Rn 3, § 5 KartG Rn 82 teleologische Auslegung § 3 KartG Rn 8, § 20 KartG Rn 4 Territorialitätsprinzip § 24 KartG Rn 1 Tertiärgenossenschaft § 2 KartG Rn 59 Tipping § 4 KartG Rn 13 TKP § 23 KartG Rn 22 Tonnage § 21 KartG Rn 4 Tonträger § 13 KartG Rn 2 Topografien § 3 KartG Rn 150 topografische Gegebenheiten § 5 KartG Rn 32 Traktor § 3 KartG Rn 61 Transaktionskosten § 2 KartG Rn 16 Transaktionswert § 9 KartG Rn 14 Transparenz § 4 KartG Rn 46, § 24 KartG Rn 23, § 37 KartG Rn 1, § 10b WettbG Rn 5
Stichwortverzeichnis
Transparenz, erhöhte § 15 KartG Rn 1 Transparenz, fehlende § 29 KartG Rn 42 Transportfähigkeit § 23 KartG Rn 1 Transportkosten § 4 KartG Rn 31, § 5 KartG Rn 23, 66, § 23 KartG Rn 16, § 1 NVG Rn 2 Transportleistungen § 22 KartG Rn 4 Transportunternehmen § 3 KartG Rn 136 Treffen § 1 KartG Rn 37 Treibstoff § 4 KartG Rn 41 Treuerabatt § 1 KartG Rn 93, 107, § 3 KartG Rn 32, § 5 KartG Rn 24 Treuhänder § 7 KartG Rn 27, § 19 KartG Rn 5 treuhändiger Erwerb § 7 KartG Rn 8 Treuhandschaft § 7 KartG Rn 8 Trittbrettfahrereffekt § 3 KartG Rn 125 Trittbrettfahrerproblem § 3 KartG Rn 40 TT-GVO § 3 KartG Rn 147 TV-Übertragungen § 13 KartG Rn 27 Twitter § 13 KartG Rn 30 Typengenehmigung § 3 KartG Rn 133, 146 typische Beweisferne § 48 KartG Rn 6 typische Umsatzerlöse § 22 KartG Rn 2 U überhöhte Gewinne § 5 KartG Rn 21 überhöhte Preise § 5 KartG Rn 19 859
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Überkapazitäten § 2 KartG Rn 18, § 12 KartG Rn 54 Überkompensation § 37d KartG Rn 2 Überlebensfähigkeit, wirtschaftliche § 30 KartG Rn 20 überlegene Finanzkraft § 5 KartG Rn 76 Übermittlung v Urteilen § 85 KartG Rn 1 Übernahmeangebot § 17 KartG Rn 9 übernommene Verpflichtungen § 27 KartG Rn 11 überragende Marktstellung § 4 KartG, § 4 KartG Rn 26, 65 Überraschungsentscheidung § 36 KartG Rn 18, § 47 KartG Rn 3, § 49 KartG Rn 40 Überraschungsverbot § 47 KartG Rn 3 überregionale Zeitungen § 13 KartG Rn 4 überschuldet § 19 KartG Rn 9 Übersetzergebühren § 55 KartG Rn 15 Übervorteilung § 5 KartG Rn 1 Überwälzung § 37f KartG Rn 2 Überwälzungsvermutung § 37f KartG Rn 10 Überzeugung, freie § 37d KartG Rn 2 umbrella pricing § 37c KartG Rn 8 Umsatz § 22 KartG Rn 1 Umsatz, tatbezogener § 29 KartG Rn 10 Umsatz, weltweiter § 29 KartG Rn 10 Umsatzberechnung § 7 KartG Rn 8, § 9 KartG Rn 25 § 22 KartG Rn 1 Umsatzchancen § 5 KartG Rn 16 Umsätze, interne § 21 KartG Rn 9 860
Umsatzerlöse § 9 KartG Rn 1, 25, § 18 KartG Rn 1, § 22 KartG Rn 2 Umsatzerlöse, atypische § 22 KartG Rn 2 Umsatzerlöse, typische § 22 KartG Rn 2 Umsatzerlöse, volatile § 9 KartG Rn 25 Umsatzgrenzen § 1 KartG Rn 102 Umsatzmultiplikation § 9 KartG Rn 29 Umsatzrendite § 4 KartG Rn 27 Umsatzschwellen § 4 KartG Rn 1, § 9 KartG Rn 1 Umstände, erschwerende § 30 KartG Rn 24 Umstände, mildernde § 30 KartG Rn 26 Umstellungsbereitschaft § 23 KartG Rn 9 Umstellungsflexibilität § 4 KartG Rn 67, 69 Umstrukturierung § 1 KartG Rn 11, § 3 KartG Rn 95 Umstrukturierung, konzerninterne § 7 KartG Rn 23 Umwandlung § 7 KartG Rn 7 Umweltschutzauflagen § 4 KartG Rn 31 unabhängige Werkstätten § 3 KartG Rn 135 Unabhängigkeit § 1 WettbG Rn 14 Unabhängigkeit, richterliche § 59 KartG Rn 4 unadressierte Gratiszeitungen § 24 KartG Rn 26 unadressierte Werbung § 24 KartG Rn 26 unausgelastete Kapazitäten § 1 KartG Rn 102 unbedeutender Sachverhalt § 30 KartG Rn 18
Unbefangenheit § 11 WettbG Rn 6, § 72 KartG Rn 2 unbefugte Einsichtnahme § 39 KartG Rn 1 Underwriting § 19 KartG Rn 6 unentgeltliche Austauschbeziehung § 23 KartG Rn 24 unentgeltliche Kundendienstleistungen § 3 KartG Rn 142 unentgeltliche Leistungsbeziehung § 23 KartG Rn 20 unentgeltliche Zugaben § 5 KartG Rn 75 Unerlässlichkeit § 2 KartG Rn 5, 39, § 3 KartG Rn 13, 40 Unfälle § 3 KartG Rn 178 Ungehorsamsfolgen § 35 KartG Rn 8 ungeteilte Hand § 53 KartG Rn 1 Ungleichartigkeit § 4 KartG Rn 15 Ungleichbehandlung § 1 KartG Rn 109, § 5 KartG Rn 22 Ungleichgewichte § 1 NVG Rn 14 Ungleichverteilung § 5 KartG Rn 16 Ungleichwertigkeit § 1 KartG Rn 110 Unionsrecht § 49 KartG Rn 76, § 83 KartG Rn 1, § 1 WettbG Rn 5, § 13 WettbG Rn 4 uniqe visits § 9 KartG Rn 16 Universaldienst, postalischer § 24 KartG Rn 19 Universaldienstbetreiber § 24 KartG Rn 18 Universalpostdienstleistungen § 24 KartG Rn 21 unlautere Geschäftspraktik § 1 KartG Rn 121, § 2 WettbG Rn 8 unlautere Handelspraktiken § 1 NVG Rn 2 unmittelbare Abnehmer § 37b KartG Rn 9, § 37e KartG Rn 7, § 37f KartG Rn 1
Stichwortverzeichnis
unmittelbare Austauschbeziehung § 37e KartG Rn 6 unmittelbare Wirkung § 24 KartG Rn 4 Unmittelbarkeit § 24 KartG Rn 3 Unmittelbarkeitsgrundsatz § 38 KartG Rn 22 unrichtige Angaben § 16 KartG Rn 1, § 27 KartG Rn 15, § 11 WettbG Rn 8 unrichtige Auskünfte § 11a WettbG Rn 43 unrichtige rechtliche Beurteilung § 49 KartG Rn 19, 42 Unrichtigkeit § 16 KartG Rn 3 Unrichtigkeit, offenbare § 49 KartG Rn 56 Unschlüssigkeit § 38 KartG Rn 8 Unschuldsvermutung § 29 KartG Rn 2, § 29 KartG Rn 33, § 37 KartG Rn 11, § 37i KartG Rn 9, § 2 WettbG Rn 17 unselbständiger Nebenanspruch § 52 KartG Rn 15 Unteilbarkeiten § 2 KartG Rn 11 Unterbrechung § 38 KartG Rn 32 unterbrochener Schadenersatzprozess § 37i KartG Rn 4 Unterkostenpreise § 5 KartG Rn 74 Unterlagen, digitale § 11a WettbG Rn 22 Unterlagen, elektronische § 35 KartG Rn 1 Unterlagen, geschäftliche § 11a WettbG Rn 20 Unterlagen-Kategorien § 12 WettbG Rn 33 Unterlagenvorlage § 11 WettbG Rn 1 unterlassene Befragung § 12 WettbG Rn 34 unterlassene Zustellung § 12 WettbG Rn 34 861
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Unterlassungsansprüche § 1 KartG Rn 120 Unterlassungsauftrag § 26 KartG Rn 9, 11 Unterlassungsgebot § 26 KartG Rn 11, § 34 KartG Rn 2, § 48 KartG Rn 10 Unterlassungspflicht § 34 KartG Rn 4 Unterlassungsverfahren, zivilrechtliches § 28 KartG Rn 7 Unterlassungsverpflichtung § 35 KartG Rn 3 unterlegener Geschäftspartner § 1 NVG Rn 4 Unternehmen § 1 KartG Rn 7, § 4 KartG Rn 5, § 7 KartG Rn 4, § 36 KartG Rn 6 Unternehmen, beteiligte § 9 KartG Rn 19 Unternehmen, diskriminierendes § 2 NVG Rn 1 Unternehmen, innovative § 9 KartG Rn 8 Unternehmen, insolventes § 37e KartG Rn 3 Unternehmen, öffentliche § 1 KartG Rn 18, § 4 KartG Rn 6, § 5 WettbG Rn 1 Unternehmen, potenzielles § 4 KartG Rn 5 Unternehmen, sanierungsbedürftiges § 12 KartG Rn 16 Unternehmen, säumiges § 35 KartG Rn 10 Unternehmen, stillgelegte § 4 KartG Rn 5, § 7 KartG Rn 11 Unternehmen, verbundene § 22 KartG Rn 9, § 29 KartG Rn 11 Unternehmen, verpflichtetes § 27 KartG Rn 11 Unternehmensbegriff, eigenständiger § 20 KartG Rn 8 862
Unternehmensbegriff, funktionaler § 7 KartG Rn 4 Unternehmensberatung § 1 KartG Rn 44 Unternehmensbeteiligungen, strategische § 19 KartG Rn 7 Unternehmensgröße § 1 KartG Rn 8 Unternehmensgruppe § 29 KartG Rn 11 Unternehmenspächter § 7 KartG Rn 19 Unternehmenspolitik, gemeinsame § 7 KartG Rn 39 Unternehmenssanierung § 19 KartG Rn 3 unternehmensunabhängige Kosten § 5 KartG Rn 32 Unternehmensveräußerungsvertrag § 1 KartG Rn 80 Unternehmensvereinigung § 1 KartG Rn 28, 45 Unternehmenswachstum § 7 KartG Rn 9 Unternehmenswachstum, externes § 4 KartG Rn 1, § 12 KartG Rn 4 Unternehmenswachstum, internes § 4 KartG Rn 1, § 7 KartG Rn 12 Unternehmenszusammenschluss § 7 KartG Rn 1, § 18 KartG Rn 1, § 19 KartG Rn 1 Unternehmer § 1 KartG Rn 7, § 4 KartG Rn 5, § 7 KartG Rn 4, § 36 KartG Rn 6 Unternehmer, potenzieller § 1 KartG Rn 10, § 7 KartG Rn 4 Unternehmerfunktion § 1 KartG Rn 8 unternehmerische Leitungsmacht § 7 KartG Rn 5 Unternehmerrente § 5 KartG Rn 41
Unternehmervereinigung § 1 KartG Rn 7, 28, 124, § 31 KartG Rn 1, § 36 KartG Rn 6 Untersagung, vorläufige § 48 KartG Rn 11 Unterschiede, kostenrelevante § 2 NVG Rn 4 unterschiedliche Bedingungen § 1 KartG, § 5 KartG, § 5 KartG Rn 61 unterschiedliche Konditionen § 5 KartG Rn 61 unterschiedliche Nutzergruppen § 4 KartG Rn 8 unterschiedliche Verbrauchergruppen § 23 KartG Rn 14 Untersuchungsgrundsatz § 2 KartG Rn 4, § 26 KartG Rn 7, § 28 KartG Rn 15, § 36 KartG Rn 1, § 38 KartG Rn 12, § 7 NVG Rn 1 unverbindliche Preisauskünfte § 168b StGB Rn 3 Unvereinbarkeit § 67 KartG Rn 1, § 71 KartG Unvereinbarkeitsgrund § 67 KartG Rn 1 unverfälschter Wettbewerb § 3 KartG Rn 7 unvertretbare Handlung § 35 KartG Rn 17 unvertretbare Investitionen § 5 KartG Rn 16 unvollständige Angaben § 16 KartG Rn 1, § 27 KartG Rn 15 unvollständige Auskünfte § 11a WettbG Rn 43 Unvollständigkeit § 16 KartG Rn 3 unwesentlicher Wettbewerb § 4 KartG, § 4 KartG Rn 23 unwiederbringliche Gefährdung § 37e KartG Rn 3
Stichwortverzeichnis
unwiederbringlicher Schaden § 36 KartG Rn 9, § 48 KartG Rn 10, § 7 NVG Rn 9 Unwirksamkeit § 1 KartG Rn 116 Unwirksamkeit, unwirksame § 17 KartG Rn 5 unzulängliche Fahrgelegenheiten § 4 NVG Rn 2 unzulässige Beweisrüge § 49 KartG Rn 57 unzulässige Verweisung § 49 KartG Rn 13 unzureichende Begründung § 49 KartG Rn 23 Unzuständigkeit § 49 KartG Rn 20 Unzuständigkeit, internationale § 49 KartG Rn 21 upfront acces payments § 3 KartG Rn 29 Urheber § 30 KartG Rn 24 Urheberrecht § 12 KartG Rn 85 Urheberrechte § 1 KartG Rn 105 Urkunden § 37j KartG Rn 6, § 11 WettbG Rn 9 Urkundenvorlage § 11a WettbG Rn 20 Urteile, Übermittlung § 85 KartG Rn 1 V variable Kosten § 5 KartG Rn 76 Veränderungen, disruptive § 4 KartG Rn 22 Veränderungsverbot § 12 WettbG Rn 25 Veranlassung z Annahme § 168b StGB Rn 9 Veranlassung § 54 KartG Rn 17 Verantwortung, individuelle § 37e KartG Rn 10 Verantwortung, relative § 37e KartG Rn 10 Verband § 31 KartG Rn 1 863
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Verbandsempfehlung § 1 KartG Rn 124 verbesserte Anmeldung § 43 KartG Rn 4 Verbesserung § 42 KartG Rn 3, § 62 KartG Rn 3 Verbesserungen, strukturelle § 12 KartG Rn 43 Verbesserungsantrag § 43 KartG Rn 2 Verbesserungsauftrag § 14 KartG Rn 1, § 42 KartG Rn 4, § 43 KartG Rn 2, § 62 KartG Rn 1 Verbesserungsauftrag, kartellgerichtlicher § 43 KartG Rn 4 verbesserungsbedürftiger Prüfungsantrag § 43 KartG Rn 6 Verbesserungsempfehlung § 43 KartG Rn 2 Verbesserungsverfahren § 38 KartG Rn 8, § 49 KartG Rn 14 Verbindlicherklärung § 27 KartG Rn 1 Verbindlichkeit § 38 KartG Rn 38 Verbindlichkeit, vorläufige § 38 KartG Rn 39 Verbindung § 39 KartG Rn 6 Verbindung v Verfahren § 39 KartG Rn 6 verbotene Durchführungshandlung § 16 KartG Rn 7 Verbotsirrtum § 29 KartG Rn 20 Verbotsnormen § 29 KartG Rn 1 Verbraucher § 2 KartG, § 2 KartG Rn 26, § 3 KartG Rn 13, § 23 KartG Rn 2, § 4 NVG Rn 2, § 5 NVG Rn 1 Verbraucherbegriff § 2 KartG Rn 33 Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz § 2 WettbG Rn 12 Verbrauchergewinn § 2 KartG Rn 38 864
Verbrauchergewohnheiten § 23 KartG Rn 17 Verbrauchergruppen, unterschiedliche § 23 KartG Rn 14 Verbraucherinteressen § 1 KartG Rn 63 Verbraucherkredit § 2 WettbG Rn 13 Verbraucherpräferenzen § 23 KartG Rn 5, 16, § 23 KartG Rn Verbraucherpreise § 1 KartG Rn 92, § 2 KartG Rn 27 Verbraucherrecht § 2 KartG Rn 26 Verbraucherverträge § 2 WettbG Rn 13 Verbraucherwohl § 5 KartG Rn 57 Verbrauchsgüter § 2 WettbG Rn 13 Verbrauchsteuern § 22 KartG Rn 8 verbundene Unternehmen § 22 KartG Rn 9, § 29 KartG Rn 11 verbundener Markt § 5 KartG Rn 4 Verbundvorteile § 2 KartG Rn 6, § 4 KartG Rn 4 Verdacht, begründeter § 12 WettbG Rn 4 verderbliche Ware § 5 KartG Rn 74 Verderblichkeit § 23 KartG Rn 16 Verdrängung § 5 KartG Rn 1 Verdrängungsabsicht § 5 KartG Rn 77 Verdrängungsmechanismus § 5 KartG Rn 25 Verdrängungswirkung § 5 KartG Rn 22, 64 Verdunkelungsgefahr § 12 WettbG Rn 8 Verein § 31 KartG Rn 1 Vereinbarung § 1 KartG Rn 3, 31, 84
Vereinbarung, horizontale § 1 KartG Rn 39 Vereinbarung, vertikale § 1 KartG Rn 40, § 3 KartG Rn 21 Vereine § 1 KartG Rn 28, § 4 KartG Rn 5 Vereinigung § 31 KartG Rn 1 Verfahren, dienstgerichtliches § 70 KartG Verfahren, disziplinargerichtliches § 70 KartG Verfahren, faires § 49 KartG Rn 28, § 2 WettbG Rn 17 Verfahren, geschütztes § 3 KartG Rn 147 Verfahren, kartellgerichtliches § 38 KartG Rn 1, § 54 KartG Rn 10, § 58 KartG Rn 1, § 7 NVG Rn 1 Verfahren, kontradiktorisches § 36 KartG Rn 3, § 38 KartG Rn 1 Verfahren, offenes § 168b StGB Rn 2 Verfahren, präjudizielles § 37i KartG Rn 2 Verfahren, zivilgerichtliches § 37i KartG Rn 4 Verfahrensabschluss, konsensualer § 27 KartG Rn 1 Verfahrensabschnitte § 52 KartG Rn 9 Verfahrensart § 38 KartG Rn 1 Verfahrensaufwand § 52 KartG Rn 10, § 54 KartG Rn 10 Verfahrensbeendigung, einvernehmliche § 29 KartG Rn 36 Verfahrensdauer § 38 KartG Rn 12 verfahrenseinleitender Antrag § 26 KartG Rn 7 verfahrenseinleitender Beschluss § 38 KartG Rn 32, § 62 KartG Rn 1 verfahrenseinleitender Sachantrag § 36 KartG Rn 8, § 37i KartG Rn 2
Stichwortverzeichnis
verfahrenseinleitender Schriftsatz § 42 KartG Rn 6 Verfahrenseinleitung § 13a WettbG Verfahrensergebnisse, aktenkundige § 49 KartG Rn 51 Verfahrensgeldbußen § 29 KartG Rn 7 Verfahrensgestaltung § 49 KartG Rn 17 Verfahrenshilfe § 62 KartG Rn 1 Verfahrensmangel § 49 KartG Rn 19, 26 Verfahrensökonomie § 38 KartG Rn 35, § 13 WettbG Rn 1 Verfahrensverbindung § 39 KartG Rn 6 Verfahrensverletzung § 38 KartG Rn 28, § 49 KartG Rn 19 Verfahrensverzögerung § 38 KartG Rn 22 Verfahrensvoraussetzung § 38 KartG Rn 8, § 58 KartG Rn 3 Verfahrensziel, zentrales § 52 KartG Rn 15 Verfälschung des Wettbewerbs § 1 KartG Rn 3 Verfassungsmäßigkeit § 49 KartG Rn 78 Verflechtung § 4 KartG Rn 27, 37, 51 Verflechtungen, intermediale § 13 KartG Rn 41 Verfolgung, strafgerichtliche § 11 WettbG Rn 15 Verfolgung, strafrechtliche § 11b WettbG Rn 33 Verfolgungshandlung § 11a WettbG Rn 39 Verfolgungshindernis § 38 KartG Rn 6 Verfolgungsverjährung § 33 KartG Rn 10, § 37h KartG Rn 5 865
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Verfügungsverbot § 12 WettbG Rn 25 Vergabegesetz § 5 KartG Rn 83 Vergaberecht § 58 KartG Rn 11 Vergabeverfahren § 168b StGB Rn 1, 2, § 3 KartG Rn 4 vergebühren § 50 KartG Rn 13 Vergebührung § 10 KartG Rn 5, § 11 KartG Rn 4 Vergebührung, ordnungsgemäße § 10a WettbG Rn 2 Vergeltung § 6 KartG Rn 2 Vergeltungsmaßnahme § 4 KartG Rn 49, § 6 KartG Rn 1, § 26 KartG Rn 1, § 30 KartG Rn 24 Vergeltungsverbot § 6 KartG Rn 1 Vergleich § 29 KartG Rn 36, § 34 KartG Rn 1, § 37g KartG Rn 1, § 38 KartG Rn 9, § 38 KartG Rn 41, § 52 KartG Rn 14, § 56 KartG Vergleich, Unwirksamkeit § 38 KartG Rn 46 vergleichender Geschädigter § 37g KartG Rn 2 vergleichender Rechtsverletzer § 37g KartG Rn 5 vergleichender Schädiger § 37g KartG Rn 5 Vergleichsabschluss § 38 KartG Rn 44, § 52 KartG Rn 14 Vergleichsausführung § 13a WettbG, § 37b KartG Rn 8 Vergleichsbetrag § 37g KartG Rn 4 Vergleichsfaktoren § 5 KartG Rn 36 Vergleichsmarktanalyse, zeitliche § 37d KartG Rn 1 Vergleichsmärkte § 5 KartG Rn 20 Vergleichsmarktkonzept § 5 KartG Rn 27 Vergleichsmarktmethode § 5 KartG Rn 27 866
Vergleichsverhandlung § 37h KartG Rn 7 Vergleichsvorschlag § 38 KartG Rn 42 vergleichsweise Beendigung § 38 KartG Rn 43 Vergütung § 55 KartG Rn 2, 14 Verhalten, kartellgesetzwidriges § 26 KartG Rn 1 Verhalten, vorsätzliches § 30 KartG Rn 16 Verhaltensauflagen § 12 KartG Rn 59 Verhaltenskodex § 3 KartG Rn 111 verhaltensorientierte Maßnahmen § 26 KartG Rn 9, § 27 KartG Rn 3 Verhaltenspflichten § 29 KartG Rn 1 Verhaltensspielraum § 12 KartG Rn 3, 27 Verhaltensunrecht, schutzgeldbezogenes § 37c KartG Rn 3 Verhaltensweise, abgestimmte § 1 KartG Rn 47, 84 Verhaltensweisen, abgestimmte § 1 KartG, § 1 KartG Rn 3 Verhältnismäßigkeit § 2 KartG Rn 39, § 5 KartG Rn 5, § 26 KartG Rn 9, § 37j KartG Rn 10§ 11a WettbG Rn 13, § 12 WettbG Rn 10 Verhältnismäßigkeitsprinzip § 5 KartG Rn 15, § 16 KartG Rn 11, § 26 KartG Rn 15 Verhältnismäßigkeitsprüfung § 3 KartG Rn 138, § 2 NVG Rn 7 Verhältnisse, finanzielle § 54 KartG Rn 15 Verhältnisse, tatsächliche § 27 KartG Rn 16 Verhältnisse, wirtschaftliche § 54 KartG Rn 15
Verhandlung § 47 KartG Rn 1, § 168b StGB Rn 7 Verhandlung, mündliche § 38 KartG Rn 22, 24, § 47 KartG Rn 1, § 49 KartG Rn 36 Verhandlung, obligatorische § 47 KartG Rn 1 Verhandlungen, bilaterale § 5 KartG Rn 20 verhandlungsfreie Zeit § 47 KartG Rn 1 Verhandlungsführung § 168b StGB Rn 6 Verhandlungsstadium § 1 KartG Rn 38 Verhandlungsstärke § 4 KartG Rn 23 Verhandlungstaktik § 1 KartG Rn 34 Verhandlungsverfahren § 168b StGB Rn 2 Verhängungsbeschluss § 35 KartG Rn 14 Verhinderung des Wettbewerbs § 1 KartG Rn 3 Verjährung § 29 KartG Rn 27, § 33 KartG Rn 1, § 37h KartG Rn 1 Verjährung, absolute § 33 KartG Rn 9 Verjährung, Hemmung § 37h KartG Rn 4 Verjährungsfrist § 1 KartG Rn 61, § 33 KartG Rn 1, § 37e KartG Rn 9 Verjährungsfrist, absolute § 37h KartG Rn 3 Verjährungsfrist, allgemeine § 37h KartG Rn 1 Verjährungsfrist, objektive § 37h KartG Rn 5 Verkauf, aktiver § 3 KartG Rn 43 Verkauf, nichtautorisierter § 3 KartG Rn 145 Verkauf, passiver § 3 KartG Rn 44
Stichwortverzeichnis
Verkaufberatung § 3 KartG Rn 40 Verkäufer, marktmächtiger § 1 NVG Rn 14 Verkaufsbedingungen § 5 KartG Rn 43 Verkaufsflächen § 1 NVG Rn 9 Verkaufsförderung § 2 KartG Rn 17 Verkaufsförderungsmaßnahme § 3 KartG Rn 43 Verkaufsgebiet § 1 KartG Rn 77 Verkaufsgemeinschaften § 1 KartG Rn 102 Verkaufsgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 Verkaufspreise § 1 KartG, § 1 KartG Rn 92 Verkaufsregale § 3 KartG Rn 29 Verkaufsstelle, zugelassene § 3 KartG Rn 45 Verkaufsziel § 3 KartG Rn 81 verkaufte Auflage § 13 KartG Rn 8 Verkehrsminister § 24 KartG Rn 11 Verkehrsunternehmen § 24 KartG Rn 11 Verkehrswert § 3 KartG Rn 135 Verknappung, künstliche § 5 KartG Rn 49 Verkündung d Sachentscheidung § 47 KartG Rn 6 verkürzte Entscheidung § 38 KartG Rn 36 verkürzte Entscheidungsausfertigung § 38 KartG Rn 36 Verlag § 8 KartG Rn 6 verlängerte Werkbank § 1 KartG Rn 71 Verlustgeschäfte § 5 KartG Rn 22 Verlustphasen § 4 KartG Rn 28 verlustreiche Marktstrategien § 4 KartG Rn 27 867
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Verlustverkäufe, punktuelle § 5 KartG Rn 74 Vermarktung, gemeinsame § 1 KartG Rn 73 Vermarktungsgewohnheiten § 5 KartG Rn 29 Vermarktungsvereinbarung § 1 KartG Rn 73 vermeidbare Kosten § 5 KartG Rn 79 Vermittler § 3 KartG Rn 72, § 22 KartG Rn 4 Vermittlerstatus § 3 KartG Rn 72 Vermittlungsauftrag § 3 KartG Rn 72 Vermittlungsgeschäfte § 3 KartG Rn 145 Vermögensnachteil, bedeutender § 11 WettbG Rn 4, 15 Vermögensnachteile § 48 KartG Rn 19 Vermögenswerte § 37e KartG Rn 3 Vermutungstatbestand § 4 KartG Rn 72 Vernehmung, eidliche § 38 KartG Rn 19 Veröffentlichung § 15 KartG Rn 1, § 37 KartG Rn 1, § 39 KartG Rn 1, § 10b WettbG Rn 1, § 7 NVG Rn 7 Veröffentlichungsentscheidung § 37 KartG Rn 10 Verordnungsermächtigung § 18 KartG Rn 1 Verpachtung § 7 KartG Rn 17 Verpackungskosten § 22 KartG Rn 5 Verpfändung § 19 KartG Rn 11 Verpflichtete § 11a WettbG Rn 31 verpflichtetes Unternehmen § 27 KartG Rn 11 Verpflichtungen, übernommene § 27 KartG Rn 11 868
Verpflichtungszusage § 1 KartG Rn 6, § 12 KartG Rn 46, § 27 KartG Rn 1, § 29 KartG Rn 6 Verrechnungsmöglichkeit § 5 KartG Rn 45 Versandkosten § 22 KartG Rn 5 Verschleppung § 11 WettbG Rn 8 Verschmelzung § 7 KartG Rn 7 Verschulden § 5 KartG Rn 6, § 29 KartG Rn 18, § 30 KartG Rn 1, 16, § 37c KartG Rn 3, § 37e KartG Rn 12 Verschuldensgrad § 29 KartG Rn 14 Verschuldensprinzip § 29 KartG Rn 14 verschuldensunabhängige Haftung § 48 KartG Rn 19 verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch § 48 KartG Rn 19 Verschwiegenheit § 12 WettbG Rn 31 Verschwiegenheitspflicht § 37j KartG Rn 16 Verschwiegenheitspflicht, gesetzliche § 39 KartG Rn 1 Versicherung § 3 KartG Rn 140 Versicherungsbedingungen § 1 KartG Rn 101, § 3 KartG Rn 176 Versicherungsdeckung § 3 KartG Rn 181 Versicherungsdienstleistung § 3 KartG Rn 92 Versicherungsgesellschaften § 19 KartG Rn 3 Versicherungsprämien § 22 KartG Rn 5 Versicherungssektor § 3 KartG Rn 176 Versicherungssektor-GVO § 3 KartG Rn 176
Versicherungsunternehmen § 3 KartG Rn 176, § 22 KartG Rn 19, § 29 KartG Rn 10 Versicherungsunternehmungen § 4 KartG Rn 3, § 24 KartG Rn 11 Versicherungsverband § 3 KartG Rn 180 Versicherungsverträge § 1 KartG Rn 9 Versicherungswirtschaft § 3 KartG Rn 176 Versiegelung § 12 WettbG Rn 26, 31 Versorgungsnetz-Monopol § 5 KartG Rn 58 Versorgungspflicht § 5 NVG Rn 1, § 6 NVG Rn 1 Versorgungsquellen § 1 KartG, § 1 KartG Rn 107 Versorgungssicherheit § 12 KartG Rn 52 verstärkter Senat § 59 KartG Rn 1 Versteigerung, gerichtliche § 292c StGB Rn 1 Versteigerungsverfahren § 292c StGB Rn 1 Versteigerungsverfahren, exekutives § 292c StGB Rn 2 Verstoßdauer, kurze § 30 KartG Rn 11 Verstöße, schwerste § 30 KartG Rn 9 Verteidigungsrechte § 29 KartG Rn 26, § 35 KartG Rn 18, § 36 KartG Rn 17, § 37 KartG Rn 13 Verteilung, paritätische § 7 KartG Rn 49 vertikale Integration § 4 KartG Rn 30 vertikale Preisabsprache § 1 KartG Rn 76 vertikale Vereinbarung § 1 KartG Rn 40, § 3 KartG Rn 21
Stichwortverzeichnis
vertikale Vertriebsbindung § 1 KartG Rn 75 vertikale Zusammenschlüsse § 12 KartG Rn 29 Vertikal-GVO § 3 KartG Rn 21 Vertikalverhältnis § 1 KartG Rn 70, § 4 KartG Rn 65 Verträge § 11a WettbG Rn 20 Verträge, ruhende § 1 KartG Rn 38 Vertragsbestandteile § 5 KartG Rn 43 Vertragsgebiet, exklusives § 3 KartG Rn 81 Vertragshändler § 5 KartG Rn 65 Vertragshändler, markengebundener § 4 KartG Rn 69 Vertragstechnologien § 3 KartG Rn 172 Vertragswerkstätten § 3 KartG Rn 133, 146 Vertrauensperson § 12 WettbG Rn 16 Vertrauensverhältnis § 3 KartG Rn 125 vertrauliche Informationen § 37j KartG Rn 6 Vertraulichkeitsvereinbarung § 12 KartG Rn 74, 94 vertretbare Rechtsmeinung § 41 KartG Rn 8 Vertretung § 15 WettbG Vertretungsfall § 60 KartG Rn 3 Vertrieb, selektiver § 3 KartG Rn 43 Vertriebsbeschränkungen § 5 KartG Rn 15 Vertriebsbindung, vertikale § 1 KartG Rn 75 Vertriebs-GU § 7 KartG Rn 51 Vertriebshändler § 1 KartG Rn 76 Vertriebsnetz § 4 KartG Rn 30 Vertriebsstrukturen § 3 KartG Rn 96 869
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Vertriebsstufe, kontrollierte § 4 KartG Rn 30 Vertriebssystem, selektives § 1 KartG Rn 111, § 3 KartG Rn 16, 21, 42, § 4 NVG Rn 4 Vertriebssysteme, qualitativ selektive § 3 KartG Rn 121 Vertriebsteams § 7 KartG Rn 10 Verursachungsbeitrag § 37e KartG Rn 12 Verurteilung, strafgerichtliche § 11 WettbG Rn 15 Verwaltungsstraftatbestände § 11a WettbG Rn 1, 41 Verwaltungsübertretung § 11a WettbG Rn 43, § 5 NVG Rn 4, § 8 NVG Rn 1 Verweisung, unzulässige § 49 KartG Rn 13 Verweisungsentscheidung § 14 KartG Rn 5 Verwendungsbeschränkung § 5 KartG Rn 15, § 5 KartG Rn 49 Verwertung § 3 KartG Rn 147 Verwertungsgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 Verwertungsverbot § 1 KartG Rn 71, § 11a WettbG Rn 35, § 12 WettbG Rn 13, 29, § 37k KartG Rn 9 Verzug § 35 KartG Rn 16 Verzugszinsen § 37d KartG Rn 4 Vetorechte § 7 KartG Rn 21, § 7 KartG Rn 35, 40 Vetorechte, strategische § 7 KartG Rn 16 Video on demand § 13 KartG Rn 34 Videos § 13 KartG Rn 34 Vielfalt, publizistische § 13 KartG Rn 43 Viereck, magisches § 12 KartG Rn 52 Vierersenat § 59 KartG Rn 1 870
volatile Umsatzerlöse § 9 KartG Rn 25 Volfunktions-GU § 9 KartG Rn 24 Völkerrecht § 24 KartG Rn 1 volkswirtschaftliche Aspekte § 12 KartG Rn 37 Vollbeschäftigung § 12 KartG Rn 52 Vollfunktions-GU § 1 KartG Rn 27, § 7 KartG Rn 43, § 12 KartG Rn 35 Vollfunktionsunternehmen § 7 KartG Rn 44 Vollfunktionsvertrag § 3 KartG Rn 60, 98, 129 Vollkosten § 3 KartG Rn 143 Vollkostendeckung § 5 KartG Rn 77 Vollmachtskündigung § 38 KartG Rn 10 Vollsortimentierung § 4 NVG Rn 1 vollständige Aufklärung § 11b WettbG Rn 13 vollständiger Schadenersatz § 37e KartG Rn 9 Vollstreckbarkeit § 35 KartG Rn 5, § 38 KartG Rn 38 Vollstreckbarkeit, vorläufige § 49 KartG Rn 15 Volltextveröffentlichung § 37 KartG Rn 11, § 39 KartG Rn 29 Vollziehung § 95 KartG, § 20 WettbG, § 10 NVG Volumen § 21 KartG Rn 4 Volumensrabatte § 5 KartG Rn 24 Vorabentscheidung § 49 KartG Rn 76, § 1 WettbG Rn 7 Vorabentscheidungsverfahren § 49 KartG Rn 76 Vorabprüfung § 37k KartG Rn 10 Vorakt, beizuschaffender § 39 KartG Rn 10
vorangegangenes Geschäftsjahr § 29 KartG Rn 10 Vorbereitungshandlungen § 17 KartG Rn 6 vorbeugender Abstellungsantrag § 26 KartG Rn 11 Vorbringen § 42 KartG Rn 2, § 47 KartG Rn 3 Voreingenommenheit § 72 KartG Rn 2 Vorführfahrzeuge § 3 KartG Rn 73 Vorführung, Androhung § 11 WettbG Rn 10 vorgegebene Obergrenze § 50 KartG Rn 7 vorgelagerte Marktstufe § 37f KartG Rn 6 Vorhersehbarkeit § 15 KartG Rn 1, § 24 KartG Rn 3 Vorkaufsrechte § 7 KartG Rn 27 Vorlagebeschluss § 37j KartG Rn 17 Vorlagepflichtige § 37j KartG Rn 15 vorläufige Durchführung § 17 KartG Rn 3 vorläufige Untersagung § 48 KartG Rn 11 vorläufige Verbindlichkeit § 38 KartG Rn 39 vorläufige Vollstreckbarkeit § 49 KartG Rn 15 Vorleistungen § 5 KartG Rn 64 Vorleistungsentgelt § 24 KartG Rn 22 Vorleistungspreise § 5 KartG Rn 64 Vor-Ort-Ermittlungen § 11a WettbG Rn 14, 27 Vorprodukte § 1 KartG Rn 71, § 37f KartG Rn 2 Vorprüfung § 11 KartG Rn 3 Vorprüfungsverfahren § 10 KartG Rn 13
Stichwortverzeichnis
Vorrangregel § 7 KartG Rn 55 Vorsatz § 29 KartG Rn 15, § 37c KartG Rn 3 Vorsatz, bedingter § 168b StGB Rn 1 vorsätzliches Verhalten § 30 KartG Rn 16 Vorschriften, innerstaatliche § 24 KartG Rn 9 Vorschriften, preisrechtliche § 25 KartG Rn 1 Vorsprung, technologischer § 4 KartG Rn 29 Vorstellung § 57 KartG Rn 2 Vorstrafenregister § 3 KartG Rn 136 Vorteile, monetäre § 2 KartG Rn 32 Vorteile, nicht-monetäre § 2 KartG Rn 35 Vorteilsausgleich § 37d KartG Rn 3 Vorteilsgewährung § 292c StGB Rn 2 vorübergehende Einflussrechte § 7 KartG Rn 15 Vorwürfe, substantiierte § 11a WettbG Rn 2 Vorzugsabnehmer § 12 KartG Rn 91 Vorzugskonditionen § 5 KartG Rn 44 Vorzugslieferant § 12 KartG Rn 91 W Wachstum § 12 KartG Rn 52 Wachstum, externes § 12 KartG Rn 6 Wachstumschancen § 4 KartG Rn 38 Ware, verderbliche § 5 KartG Rn 74 871
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Warenerzeugung § 2 KartG, § 2 KartG Rn 5, § 3 KartG Rn 13 Warenlager § 7 KartG Rn 12 Warenrücknahme § 1 NVG Rn 2 Warenverteilung § 2 KartG, § 2 KartG Rn 5, § 3 KartG Rn 13 Warenvorräte § 5 NVG Rn 1 Warenzeichen § 3 KartG Rn 131, § 12 KartG Rn 85 Warenzeichenübertragung § 1 KartG Rn 105 Warnpflicht d Sachverständigen § 55 KartG Rn 7 Warnpflicht § 73 KartG Rn 7 Wartungsarbeiten § 3 KartG Rn 121, 131 Wartungsdienstleistungen § 3 KartG Rn 56, 110 Wartungsheft § 3 KartG Rn 139 Wartungsinformationen § 3 KartG Rn 133, 146 Wartungsplan § 3 KartG Rn 135 Wartungsverfahren § 3 KartG Rn 134 Web-Ads § 3 KartG Rn 46 Web-Applikationen § 13 KartG Rn 2, § 13 KartG Rn 30 Web-Shop § 3 KartG Rn 46 Website d BWB § 15 KartG Rn 2 Wechselgebühren § 4 KartG Rn 16 Wechselkosten § 4 KartG Rn 15, § 4 KartG Rn 19 wechselnde Mehrheiten § 7 KartG Rn 49 wechselseitige Spezialisierung § 2 KartG Rn 10 Weisungsbefugnis § 75 KartG Rn 7 Weisungsfreiheit § 1 WettbG Rn 14, § 2 WettbG Rn 6 Weisungsgebundenheit § 1 KartG Rn 13 Weisungsrecht § 7 KartG Rn 20, § 75 KartG Rn 7 weitere Gebühren § 51 KartG 872
weitere Gerichtsgebühren § 51 KartG weitergegebener Preisaufschlag § 37f KartG Rn 4 Weiterveräußerung § 19 KartG Rn 4 Weltmarkt § 12 KartG Rn 50 weltweiter Umsatz § 29 KartG Rn 10 Werbeanzeigen § 13 KartG Rn 9 Werbeaufträge § 8 KartG Rn 6 werbefinanzierte Medien § 23 KartG Rn 25 werbefinanzierte Produkte § 23 KartG Rn 22 werbefinanziertes Fernsehen § 13 KartG Rn 24 Werbekostenzuschüsse § 1 NVG Rn 9 Werbe-Mails § 3 KartG Rn 43 Werbemedien § 13 KartG Rn 9 Werbemix § 4 KartG Rn 17 Werbeprospekt § 24 KartG Rn 27 Werberundschreiben § 1 NVG Rn 12 Werbeverträge § 1 KartG Rn 9 Werbeverweigerer § 24 KartG Rn 27 Werbewettbewerb § 4 KartG Rn 45 Werbewirtschaft § 13 KartG Rn 3 Werbezeiten § 13 KartG Rn 23 Werbung § 13 KartG Rn 8, § 13 KartG Rn 9, § 3 KartG Rn 43 Werkbank, verlängerte § 1 KartG Rn 71 Werkstattausrüstung § 3 KartG Rn 130 Werkstätten § 3 KartG Rn 110 Werkstätten, autorisierte § 3 KartG Rn 139, § 3 KartG Rn 70 Werkstätten, freie § 3 KartG Rn 131, § 3 KartG Rn 135
Werkstätten, unabhängige § 3 KartG Rn 135 Werkstattgeräte § 3 KartG Rn 131 Werkstattgeschäft § 3 KartG Rn 70 Werkstattketten § 3 KartG Rn 110 Werkstattnetz, autorisiertes § 3 KartG Rn 124 Werkstattnetze § 3 KartG Rn 122 Werkstattvertrag § 3 KartG Rn 145 Wertpapierhandel § 19 KartG Rn 3 Wertrelationen § 5 KartG Rn 29 Wertschöpfungskette § 1 NVG Rn 15 wesentlicher Wettbewerb § 4 KartG Rn 43 Wesentlichkeit § 7 KartG Rn 9 Wettbewerb § 1 KartG Wettbewerb, funktionierender § 40 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 1, § 1 WettbG Rn 1 Wettbewerb, leistungsgerechter § 1 NVG Rn 3 Wettbewerb, potenzieller § 4 KartG Rn 4 Wettbewerb, unverfälschter § 3 KartG Rn 7 Wettbewerb, unwesentlicher § 4 KartG, § 4 KartG Rn 23 Wettbewerb, wesentlicher § 4 KartG Rn 43 Wettbewerb, wirksamer § 5 KartG Wettbewerber § 4 KartG Rn 26 Wettbewerber, effizienter § 5 KartG Rn 9 Wettbewerber, potenzielle § 4 KartG Rn 23, § 5 KartG Rn 11 Wettbewerber, potenzieller § 1 KartG Rn 76 wettbewerbliche Aktionsparameter § 1 KartG Rn 92
Stichwortverzeichnis
wettbewerblicher Dialog § 168b StGB Rn 2 wettbewerbsanaloger Preis § 5 KartG Rn 20 Wettbewerbsbedingungen, homogene § 23 KartG Rn 15 Wettbewerbsbedingungen, Verbesserung § 12 KartG Rn 39 Wettbewerbsbeschränkung § 1 WettbG Rn 2 Wettbewerbsbeschränkungen § 2 KartG Rn 45 Wettbewerbsbestand § 1 NVG Rn 8 Wettbewerbschancen § 5 KartG Rn 1 Wettbewerbsdruck § 1 KartG Rn 87, § 4 KartG Rn 23, 53, § 12 KartG Rn 19 Wettbewerbsfähigkeit § 4 NVG Rn 1 Wettbewerbsfähigkeit, internationale § 12 KartG Rn 37, 48, § 13 KartG Rn 48 Wettbewerbsfaktoren § 4 KartG Rn 45 Wettbewerbsintensität § 2 KartG Rn 43 Wettbewerbskommission § 10 KartG Rn 15, § 11 KartG Rn 9, § 2 WettbG Rn 15, § 16 WettbG Rn 1, § 17 WettbG Rn 1 Wettbewerbsmonitoring § 2 WettbG Rn 9, § 11a WettbG Rn 47 Wettbewerbsnetz, Europäisches § 84 KartG Rn 1 Wettbewerbsökonomie § 73 KartG Rn 1 wettbewerbsökonomische Konzepte § 4 KartG Rn 20 Wettbewerbsparameter § 1 KartG Rn 63, 71, § 4 KartG Rn 35, 43, § 12 KartG Rn 4 873
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Wettbewerbspolitik § 75 KartG Rn 7 wettbewerbspolitische Fragestellungen § 16 WettbG Wettbewerbspreise § 4 KartG Rn 23 Wettbewerbsrechtskonformität § 13 WettbG Rn 3 Wettbewerbsrechtsverletzung § 37b KartG Rn 2, § 37c KartG Rn 2 wettbewerbsrelevante Daten § 4 KartG Rn 21 Wettbewerbsstruktur § 4 KartG Rn 23 Wettbewerbsverbot, einfaches § 3 KartG Rn 86 Wettbewerbsverbote § 5 KartG Rn 49, § 12 KartG Rn 72 Wettbewerbsverbote, einfache § 3 KartG Rn 48 Wettbewerbsverbote, nachvertragliche § 3 KartG Rn 54 Wettbewerbsverhalten, strategisches § 7 KartG Rn 33 Wettbewerbsverzerrung § 1 WettbG Rn 3 Wettbewerbsvorstöße § 4 KartG Rn 44 wettbewerbswidrige Wirkung § 1 KartG Rn 86 wettbewerbswidriger Zweck § 1 KartG Rn 85 widersprechende Beweisergebnisse § 49 KartG Rn 23 Widerspruch § 12 WettbG Rn 31 Widerspruchsverfahren § 48 KartG Rn 8 Wiederaufnahme § 27 KartG Rn 14 Wiederaufnahmegrund § 27 KartG Rn 15 Wiedereinsetzung § 38 KartG Rn 8, § 44 KartG Rn 3, § 62 KartG Rn 1 874
Wiederholungsgefahr § 26 KartG Rn 2, § 28 KartG Rn 4, § 38 KartG Rn 18 Wiederholungstat § 30 KartG Rn 24 Wiederholungstäteraufschlag § 30 KartG Rn 24 Wiederholungstäterschaft § 30 KartG Rn 24 Wiederkäuferquote § 3 KartG Rn 106 Wiederveräußerungsauftrag § 19 KartG Rn 8, 18 Wiederverkäufer § 1 NVG Rn 5 Wiederverkäufer, nachfragestarke § 1 NVG Rn 7 Willensübereinstimmung § 1 KartG Rn 31 Winner-takes-it-all-Märkte § 4 KartG Rn 13 wirksame Abstellung § 26 KartG Rn 8 wirksamer Wettbewerb § 5 KartG Wirkung, unmittelbare § 24 KartG Rn 4 Wirkungsprinzip § 23 KartG Rn 17 wirtschaftliche Abhängigkeit § 4 KartG Rn 67 wirtschaftliche Angelegenheiten § 3 WettbG Rn 12 wirtschaftliche Betrachtungsweise § 5 KartG Rn 9, § 20 KartG Rn 2 wirtschaftliche Erfahrungssätze § 20 KartG Rn 5 wirtschaftliche Handlungsfreiheit § 5 KartG Rn 5 wirtschaftliche Interessen § 28 KartG Rn 7, § 36 KartG Rn 6, § 39 KartG Rn 2 wirtschaftliche Lebensfähigkeit § 37e KartG Rn 3
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit § 30 KartG Rn 1, 20 wirtschaftliche Leitung § 7 KartG Rn 1 wirtschaftliche Selbstbestimmung § 7 KartG Rn 47 wirtschaftliche Überlebensfähigkeit § 30 KartG Rn 20 wirtschaftliche Verhältnisse § 54 KartG Rn 15 wirtschaftlicher Druck § 1 KartG, § 1 KartG Rn 128 wirtschaftlicher Fortschritt § 2 KartG, § 2 KartG Rn 5, 23, § 3 KartG Rn 13 wirtschaftlicher Handlungsspielraum § 4 KartG Rn 1 Wirtschaftsbereich, digitaler § 9 KartG Rn 10 Wirtschaftsgenossenschaften § 2 KartG Wirtschaftskammer Österreich § 31 KartG Rn 5, § 36 KartG Rn 5, § 45 KartG, § 68 KartG, § 16 WettbG Rn 3, § 7 NVG Rn 2 Wirtschaftsmagazine § 13 KartG Rn 4 Wirtschaftsminister § 3 WettbG Rn 14 Wirtschaftspolitik § 2 WettbG Rn 6 wirtschaftspolitische Bedeutung § 54 KartG Rn 5 Wirtschaftsprüfer § 37j KartG Rn 16 Wirtschaftsstufe, nachgelagerte § 37f KartG Rn 2 Wirtschaftstreuhänder § 1 KartG Rn 8 Wirtschaftszweig, regulierter § 46 KartG Wissen, präsentes § 11a WettbG Rn 18
Stichwortverzeichnis
Wissen, technisches § 39 KartG Rn 2 wissenschaftliche Journale § 13 KartG Rn 4 wissenschaftspolitische Gründe § 12 KartG Rn 55 WKÖ § 1 NVG Rn 9 Wochenzeitungen, regionale § 13 KartG Rn 15 Wohlverhalten § 5 KartG Rn 26 Wohlverhalten, kaufmännisches § 1 NVG Rn 4 Wohlverhaltenskatalog § 1 NVG Rn 9 Wohnungen § 12 WettbG Rn 42 Wohnungsgenossenschaften § 2 KartG Rn 56 Z Zahlungsauftrag § 32 KartG Rn 1, § 57 KartG Rn 1 Zahlungsausfall § 37e KartG Rn 11 Zahlungsbedingungen § 1 KartG Rn 101, § 5 KartG Rn 43 Zahlungsfähigkeit, fehlende § 5 NVG Rn 3 Zahlungsfrist § 1 KartG Rn 93, § 57 KartG Rn 2 Zahlungspflicht § 52 KartG Rn 1, § 55 KartG Rn 1 Zahlungspflicht, Verfahrenserfolg § 52 KartG Rn 3 zahlungspflichtige Person § 52 KartG Rn 1 Zahlungspflichtiger § 54 KartG Rn 15, § 57 KartG Rn 1 Zahlungsschwierigkeiten § 54 KartG Rn 15 zahlungsunfähig § 19 KartG Rn 9 Zahlungsziele § 3 KartG Rn 145 Zeit, verhandlungsfreie § 47 KartG Rn 1 875
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
zeitliche Befristung § 27 KartG Rn 9 zeitliche Marktabgrenzung § 23 KartG Rn 19 zeitliche Vergleichsmarktanalyse § 37d KartG Rn 1 zeitlicher Markt § 4 KartG Rn 7, § 21 KartG Rn 2 Zeitraum, zwangsgeldrelevanter § 35 KartG Rn 14 Zeitschriften § 13 KartG Rn 3, § 2 KartG, § 2 KartG Rn 48 Zeitschriftenhandel § 13 KartG Rn 4 Zeitschriften-Märkte § 13 KartG Rn 4 Zeitschriftensortiment § 2 KartG Rn 53 Zeitschriftenverlage § 2 KartG, § 2 KartG Rn 53 Zeitungen § 2 KartG, § 2 KartG Rn 48, § 13 KartG Rn 3 Zeitungen, regionale § 13 KartG Rn 4 Zeitungen, überregionale § 13 KartG Rn 4 Zeitungssortiment § 2 KartG Rn 53 Zeitungsverlage § 2 KartG, § 2 KartG Rn 53, § 13 KartG Rn 40 Zeitversäumnis § 64 KartG zentrale Begriffsdefinitionen § 37b KartG Rn 1 zentraler Server § 35 KartG Rn 1 zentrales Verfahrensziel § 52 KartG Rn 15 Zentralredaktion § 13 KartG Rn 7 Zeugen § 11 WettbG Rn 3, § 38 KartG Rn 19, § 47 KartG Rn 1 Zeugenbelehrung § 11 WettbG Rn 13 Zeugengebühren § 55 KartG Rn 15 Zeugnisverweigerungsrecht § 37j KartG Rn 16 876
Zielgesellschaft § 17 KartG Rn 3 Zielrabatte § 5 KartG Rn 24 Zielunternehmen § 9 KartG Rn 19, § 11 KartG Rn 7 Zielwerte, dynamische § 5 KartG Rn 17 Zinserträge § 22 KartG Rn 18 Zinsschaden § 37d KartG Rn 4 Zivilgericht § 37i KartG Rn 1, § 37k KartG Rn 1, § 58 KartG Rn 5, § 3 WettbG Rn 3 zivilgerichtliches Verfahren § 37i KartG Rn 4, § 37j KartG Rn 1 Zivilprozess § 37i KartG Rn 2 zivilrechtliche Ansprüche § 58 KartG Rn 5 zivilrechtliche Folgen § 58 KartG Rn 5 zivilrechtliches Unterlassungsverfahren § 28 KartG Rn 7 Zollämter § 292c StGB Rn 1 Zubehör § 3 KartG Rn 117 Zuckerrüben § 2 KartG Rn 80 Zufallsfunde § 12 WettbG Rn 30 Zugaben, unentgeltliche § 5 KartG Rn 75 zugelassene Verkaufsstelle § 3 KartG Rn 45 Zugeständnis, fehlendes § 38 KartG Rn 18 Zugriffshäufigkeit § 9 KartG Rn 16 Zugriffsprinzip § 11a WettbG Rn 22 zulässiger Höchstbetrag § 54 KartG Rn 3 Zulässigkeit d Rechtswegs § 38 KartG Rn 5 Zulieferbekanntmachung § 3 KartG Rn 131 Zulieferer § 3 KartG Rn 115, 131 Zurückweisung d Anmeldung § 43 KartG Rn 5 Zurückweisung § 49 KartG Rn 4
Zusage § 27 KartG Rn 18 Zusammenarbeit, EU § 84 KartG Rn 1 Zusammenrechnungsregel § 29 KartG Rn 17 Zusammenschluss § 7 KartG Rn 1, § 10 KartG Rn 1, § 52 KartG Rn 1 Zusammenschlussanmeldung § 43 KartG Rn 1, § 10a WettbG Rn 1 Zusammenschlüsse, konglomerate § 13 KartG Rn 41 Zusammenschlüsse, vertikale § 12 KartG Rn 29 Zusammenschlusskontrolle § 5 KartG Rn 18, § 7 KartG Rn 3, § 82 KartG Rn 1, § 17 WettbG Rn 1 Zusammenschlusstatbestände § 7 KartG Rn 7 Zusammenschlussvorhaben § 43 KartG Rn 2 Zusatzleistung § 5 KartG Rn 72 zusätzliche Äußerungsmöglichkeit § 49 KartG Rn 28 zusätzliche Leistungen § 1 NVG Rn 5 zusätzlicher Standort § 1 NVG Rn 12 Zustandsdelikt § 33 KartG Rn 3 Zustellsystem § 24 KartG Rn 18 Zustellung § 24 KartG Rn 19, § 42 KartG Rn 5, § 11 WettbG Rn 7 Zustellung, unterlassene § 12 WettbG Rn 34 Zustellungsmarkt § 24 KartG Rn 27 Zutrittsmöglichkeiten § 4 KartG Rn 26 Zuwiderhandlung § 28 KartG Rn 1, § 29 KartG Rn 1 Zuwiderhandlung, Dauer § 30 KartG Rn 9 Zuwiderhandlung, einheitliche § 29 KartG Rn 25
Stichwortverzeichnis
Zuwiderhandlung, Einstellung § 11b WettbG Rn 12 Zuwiderhandlung, fortgesetzte § 33 KartG Rn 4 Zuwiderhandlung, schwere § 30 KartG Rn 9 Zwang, physischer § 11b WettbG Rn 14 Zwang, psychischer § 11b WettbG Rn 14 Zwang, staatlicher § 29 KartG Rn 1 Zwangsbefugnisse § 35 KartG Rn 1 Zwangsgeld § 27 KartG Rn 18, § 34 KartG Rn 6, § 35 KartG Rn 1, § 75 KartG Rn 4, § 11a WettbG Rn 40 Zwangsgeldantrag § 35 KartG Rn 7 zwangsgeldrelevanter Zeitraum § 35 KartG Rn 14 Zwangsgeldtatbestände § 35 KartG Rn 4 Zwangsgeldverhängung § 35 KartG Rn 4 Zwangsmaßnahmen § 37j KartG Rn 18 Zwangsmittel § 38 KartG Rn 20 Zwangsvollstreckung § 32 KartG Rn 1, § 57 KartG Rn 4 Zweckbindungsvereinbarung § 5 KartG Rn 49 zweigleisiger Vertrieb § 3 KartG Rn 27 zweiseitige Märkte § 4 KartG Rn 8, § 23 KartG Rn 20 Zwischenbeschluss § 38 KartG Rn 35 Zwischenerledigung § 49 KartG Rn 17, § 62 KartG Rn 1 zwischenstaatlicher Handel § 1 KartG Rn 3 877
Stichwortverzeichnis
Gugerbauer
Zwischenstaatlichkeit § 24 KartG Rn 8 Zwischenstaatlichkeitsbezug § 2 KartG Rn 2, § 24 KartG Rn 14, § 24 KartG Rn 8
878
Zwischenstaatlichkeitsklausel § 4 KartG Rn 2, § 1 WettbG Rn 6 Zwischenstaatlichkeitskriterium § 2 KartG Rn 53, § 5 KartG Rn 7, § 25 KartG Rn 2, § 26 KartG Rn 23