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German Pages 750 [752] Year 1988
Klaus Mainzer Symmetrien der Natur
Klaus Mainzer
Symmetrien der Natur Ein Handbuch zur Natur- und Wissenschaftsphilosophie
W G DE
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1988
Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — ph 7, neutral)
CIP-Titelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Mainzer, Klaus: Symmetrien der Natur : e. Handbuch zur Natur- u. Wiss.Philosophie / Klaus Mainzer. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1988 ISBN 3-11-011507-7
© 1988 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Arthur Collignon G m b H , Berlin 30 Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin 61
τό άντίξουν συμφέρον έκ των διαφερόντων καλλίστη άρμονία.* Heraklit
* „Das Gegensätzliche strebt zur Vereinigung, aus dem Unterschiedlichen entsteht die schönste Harmonie." (Diels-Kranz, Die Fragmente der Vörsokratiker Β 8)
Vorwort Am Leitfaden des Symmetriebegriffs untersucht das Buch historisch und systematisch Grundfragen der Natur- und Wissenschaftsphilosophie. Es hat den Charakter eines Handbuchs zu diesem Thema und wendet sich gleichermaßen an Philosophen, Mathematiker, Naturwissenschaftler und Wissenschaftshistoriker. Die Verbindung von aktueller mathematisch-naturwissenschaftlicher Forschung mit klassischer und moderner Naturphilosophie konnte ich in hohem Maße an der Universität Konstanz realisieren. Dafür danke ich zunächst dem Rektor der Universität, Horst Sund, der als Biochemiker wertvolle Hinweise geben konnte und in der Zeit meines Prorektorats die Arbeit mit Verständnis verfolgte. Dank auch an meinen Physikkollegen Klaus Dransfeld, der mich wiederholt zum Vortrag über das Buchthema in die Konstanzer Fakultät für Physik einlud. Das Studium Generale mit Konstanzer und auswärtigen Physikern, Chemikern, Biologen, Mathematikern und Philosophen war eine weitere wertvolle Anregung. In der Konstanzer Philosophie gilt der Dank für ihre Unterstützung den Freunden und Kollegen Jürgen Mittelstraß und Friedrich Kambartel. Große Teile des Buches sind bereits während meines Studienaufenthaltes am ,Center for Philosophy of Science' der Universität Pittsburgh 1985 entstanden. Nicholas Rescher und Adolf Grünbaum waren wichtige Gesprächspartner. Dank auch den Mathematikern der TH Darmstadt, besonders Rudolf Wille, der zur Mitarbeit am Darmstädter Symmetrie-Symposium 1986 einlud. Last not least geht der Dank an Hans Primas und seine Mitarbeiter vom Laboratorium für physikalische Chemie an der ΕΤΗ-Zürich für Einladungen, gemeinsame Diskussionen und wertvolle Hinweise. Besonders in Zürich ist das Symmetriethema mit der Erinnerung an Hermann Weyl verbunden. Für die mühevolle Herstellung des Manuskripts danke ich Frau Margit Güttier. Frau cand. phil. Cornelia Liesenfeld half beim Korrekturlesen und der Herstellung des Literatur-, Personen- und Sachverzeichnisses. Herrn Kollegen Heinz Wenzel und Frau Susanne Rade danke ich sehr herzlich für ihre verständnisvolle Unterstützung bei der Drucklegung. Konstanz, im Frühjahr 1987
Klaus Mainzer
Inhaltsverzeichnis Einleitung
1
1.
Frühgeschichte der Symmetrie
15
1.1
Symmetrien in frühen Kulturen
15
1.2 1.21 1.22 1.23
Symmetrien in der antiken-mittelalterlichen Mathematik Geometrie Arithmetik und Harmonielehre Astronomie
25 26 41 51
1.3
Symmetrien in der antiken-mittelalterlichen Naturphilosophie Vorsokratische Anfänge Mathematischer Atomismus Physik und Kosmologie Chemie und Alchemie
1.31 1.32 1.33 1.34
67 68 78 87 103
1.4 Symmetrien in früher Kunst und Technik 1.41 Technik 1.42 Kunst und Architektur
113 114 124
2.
Symmetrien in der neuzeitlichen Mathematik
141
2.1 2.11 2.12 2.13
Symmetrien der Ornamente und Kristalle Diskrete Gruppen der Ebene Diskrete Gruppen des Raumes Farbsymmetrien und Symmetrien der Musik
142 142 157 173
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie 2.21 Galoistheorie 2.22 Anwendungsbeispiele 2.3 2.31 2.32 2.33 2.34
185 185 191
Symmetrien und die Invarianz geometrischer Theorien . . 195 Kleins „Erlanger Programm" 196 Lies kontinuierliche Gruppen 211 Differentialgeometrie und symmetrische Räume 217 Darstellungstheorie und Hilberträume 229
X
Inhaltsverzeichnis
3.
Symmetrien in der klassischen Physik und Naturphilosophie
240
3.1 3.11 3.12 3.13 3.14
Symmetrien des Raumes und der Zeit Vorwissenschaftliche Raum-Zeit Raum-Zeit Symmetrie nach Newton und Kant Raum-Zeit Symmetrie nach Leibniz und Huygens Raum-Zeit Symmetrie der klassischen Mechanik
242 242 252 257 261
3.2 3.21 3.22 3.23 3.24 3.25 3.26
Symmetrie und klassische Physik der Kräfte Newtons Programm der Kräfte Gravitationstheorie Elektrostatik Magnetostatik Elektrodynamik Symmetrie und die Einheit der Kräfte
267 268 272 279 285 291 301
3.3 3.31 3.32 3.33
Symmetrie, Erhaltungssätze und die Prinzipien der Natur Lagrange- und Hamilton-Formalismus Erhaltungssätze und Symmetrie Extremalprinzipien und die prästabilierte Harmonie der Natur
308 309 315
....
3.4 Symmetrie und Thermodynamik 3.41 Invarianz der Zeit und irreversible Prozesse 3.42 Maxwells Dämonen und Darwins Evolution des Lebens 4.
324 340 342 358
Symmetrien in der modernen Physik und Naturwissenschaft 368
4.1 Symmetrien in der Relativitätstheorie 4.11 Spezielle Relativitätstheorie: Globale Symmetrie der RaumZeit 4.12 Allgemeine Relativitätstheorie: Lokale Symmetrie der Raum-Zeit 4.13 Symmetrie und die relativistische Kosmologie 4.14 Symmetrie und die Einheit von Gravitation und Elektrodynamik
371 371 379 388 395
4.2 4.21 4.22 4.23 4.24 4.25
Symmetrien in der Quantenmechanik Symmetrien früher Atommodelle Symmetrie von Quantensystemen Symmetrie und EPR-Holismus Symmetrie und Superauswahlregeln Symmetrie und Komplementarität
404 405 412 425 435 442
4.3
Symmetrien in der Elementarteilchenphysik
448
Inhaltsverzeichnis
XI
4.31 Quantenelektrodynamik: Symmetrie der elektromagnetischen Kräfte 448 4.32 Symmetrie und die Einheit von schwachen und elektromagnetischen Kräften 469 4.33 Quantenchromodynamik: Symmetrie der starken Kräfte 486 4.34 Supersymmetrie und die Einheit der Naturkräfte 503 4.4 4.41 4.42 4.43 4.44
Symmetrien in Chemie, Biologie und Evolutionstheorie Molekulare Symmetrie und Stereochemie Symmetrien der Biochemie .· Symmetrien der Organismen Symmetrie, Chaos und Evolution
518 520 544 560 573
5.
Symmetrie und Philosophie
608
5.1
Symmetrien in Anschauung und Wahrnehmung
609
5.2 Symmetrie als Kategorie der Erkenntnis 5.21 Symmetrie und die Kategorie der Substanz 5.22 Symmetrie und die Kategorien der Kausalität und Wechselwirkung
616 617 624
5.3 Symmetrie in Wissenschaftstheorie und Naturphilosophie 628 5.31 Symmetrie und die Methodologie wissenschaftlicher Forschung 629 5.32 Symmetrie und die Strukturen wissenschaftlicher Theorien 640 5.33 Symmetrie und die Dialektik der Natur 661 5.4 Symmetrie in der Kunst der Moderne und Postmoderne 676 5.41 Symmetrie in der Kunst und Architektur der Moderne . . 678 5.42 Symmetrie und Symmetriebrüche in der Postmoderne . . 689 Literaturverzeichnis Personenregister Sachregister
694 719 725
Einleitung Symmetrien sind ein aktuelles Thema in den Naturwissenschaften. In der Physik wurden in den letzten Jahren eine Reihe von Nobelpreisen für Forschungen vergeben, die sich mit der Symmetrie der Elementarteilchen und des Universums beschäftigen. Aber auch in Chemie und Biologie werden Symmetriefragen diskutiert. Es scheint sich eine von H. Weyl geäußerte Vermutung zu bestätigen, wonach die verschiedenen Grundgesetze der Physik auf einheitliche Symmetriestrukturen zurückgeführt werden können. 1 Das Thema der Symmetrie ist also eng mit der Forderung nach Einheit der Naturwissenschaften verbunden, die in der Neuzeit durch eine wachsende Spezialisierung verloren zu gehen droht. Symmetrien faszinierten die Menschen jedoch bereits vor jeder Naturwissenschaft. In Kunst und Architektur finden sich ebenso symmetrische Formen und Symbole wie in den Gebrauchsgegenständen des Alltags und den Mythologien der Religionen. Symmetrie ist also ein Thema, das humane Lebenswelt, Technik, Kultur und Natur umspannt und damit eine Einheit von Natur- und Humanwissenschaften untersucht, die seit C. P. Snows These der getrennten Kulturen von „Science" und „Humanities" längst aufgegeben zu sein scheint. 2 Wenn heute vom ökologischen Gleichgewicht der Natur gesprochen wird, so ist damit ebenfalls eine Symmetrie angesprochen, die durch einseitige Interessen gefährdet ist und mittlerweile humane Lebensgrundlagen
1
2
„Mit den antiken Pythagoräern teilen Kepler, Galilei, Bruno den Glauben an einen nach höchsten und vollkommensten vernunftmäßigen mathematischen Gesetzen geordneten Kosmos, und an die göttliche Vernunft als dem Ursprung des Vernunftmäßigen in der Natur, mit welchem zugleich die menschliche Vernunft verwandt ist. Auf dem langen Erfahrungsweg in den folgenden Jahrhunderten hat dieser Glaube je länger, je mehr immer wieder überraschende Teilerfüllungen in der Physik gefunden (die schönste vielleicht in Maxwells wundervoll harmonischer Theorie der elektromagnetischen Vorgänge im Äther); aber immer wieder erwies sich die Natur noch dem menschlichen Geiste überlegen und zwang ihn, einen voreiligen Abschluß zugunsten einer tieferen Harmonie wieder zu zerbrechen." H. Weyl, Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft, in: A. Baeumler/M. Schröter (Hrsg.), Handbuch der Philosophie Bd. 2, München 1927, 118. Weyls Handbuchartikel liegt als Monographie in der 5. Aufl. vor; München, Wien 1982. C. P. Snow, The Two Cultures: And A Second Look, London 1963.
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Einleitung
bedroht. Nur wer um diese Zusammenhänge weiß und Forschung als Teil der humanen Geschichte und Kultur begreift, vermag auch technisch verantwortungsvoll zu handeln, d.h. im Einklang mit einer Natur, die ihn evolutiv hervorgebracht hat. Damit ist die Notwendigkeit einer naturwissenschaftlichen Bildung aufgezeigt, die Spezialisierung und Einzelausbildung ergänzen muß. Unter dieser Perspektive soll im folgenden das Leitthema der Symmetrien in den Naturwissenschaften historisch und systematisch aufgearbeitet werden. Im 1. Kapitel geht es um die Frühgeschichte der Symmetrie bis zum Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaften in der Renaissance. Ein erster Abschnitt verweist auf die Verwendung von Symmetriemustern bei frühen, insbesondere außereuropäischen Kulturen. In den Mythologien der Naturreligionen dienen Symmetriesymbole noch der Beschwörung von Naturkräften. An ihre Stelle treten in der griechischen Naturphilosophie Symmetriemodelle zur rationalen Erklärung der Natur, um schließlich in der Neuzeit von Symmetriegesetzen zur technischen Beherrschung der Naturkräfte (z. B. Kernenergie) abgelöst zu werden. Eine entscheidende Voraussetzung war die Mathematisierung des Symmetriebegriffs. Im Quadrivium der Pythagoräer aus Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie wird Harmonie und Gleichmaß (συμμετρία) der Natur zum zentralen Anliegen einer mathematischen Philosophie. Angeregt durch technische, ästhetische oder religiöse Motive bleibt Symmetrie ein Lieblingsthema der antiken-mittelalterlichen Mathematik. In der Geometrie werden erste Sätze über reguläre Figuren der Ebene und reguläre Körper des euklidischen Raumes bewiesen. In Arithmetik und Musik werden Proportions- und Harmoniegesetze untersucht. In der Astronomie werden Sphärenmodelle zur Erklärung der Himmelserscheinungen angewendet. Aber was wäre Harmonie ohne Dissonanz und Symmetriebrüchel Vermutlich reizlos und langweilig, da sie das Alltägliche und Normale wäre. Tatsächlich werden wir jedoch mit einer Flut von Außenweltinformationen überschüttet, in der chaotische Vielfalt und Veränderung das Wahrscheinliche, aber Ordnung und bleibende Symmetrien das Unwahrscheinliche zu sein scheinen. So geraten die zentralsymmetrischen Sphärenmodelle des Eudoxos und Aristoteles auch bald schon in Konflikt mit abweichenden Himmelsbeobachtungen, die bis zu N. Kopernikus durch immer raffinierter werdende Annahmen der Geometrie und Kinematik erklärt werden müssen, um die Symmetrie des Modells zu retten. Am Ende bleiben artifizielle und komplizierte Planetenmodelle übrig, die deshalb an Überzeugungskraft verlieren, da — wie Kopernikus noch in platonischer Tradition glaubt — nur das Einfache das Reale sein kann, das hinter der Vielfalt der Erscheinungen
Einleitung
3
steht. Die Geschichte der antiken-mittelalterlichen Astronomie bietet eine überzeugende Fallstudie, um das Wechselspiel von ursprünglichen Symmetrieannahmen und Symmetriebrüchen aufgrund neuer Erkenntnisse als ein Grundmuster von Forschungsentwicklung zu untersuchen, das sich bis in die moderne Physik wiederholen wird. Mit J. Kepler treffen wir auf den eigentlichen Revolutionär dieser Entwicklung, der in der Jugend noch glühender Pia toniker ist („Mysterium cosmographicum"), in seinem Hauptwerk „Astronomia nova" mit dem Glauben an Sphärenharmonie und platonische Körper bricht und in seinem Spätwerk „Harmonice mundi" eine neue Symmetrie des Universums auf naturwissenschaftlicher Grundlage ahnt. Naturphilosophie und Mathematik bleiben in der Antike weitgehend getrennt, da es die Physik — wie Aristoteles sagt — mit der Bewegung und Veränderung, die Mathematik aber mit dem Unveränderlichen zu tun hat. Nur die ewig wiederkehrenden Kreisbewegungen des Himmels sind daher mathematisiert und gelten als göttlich. Die Vielfalt und Veränderung der Natur auf Erden wird gesammelt und geordnet und durch verschiedene qualitative Prinzipien der Naturphilosophie seit den Vor so kr atikern erklärt. Auffallend ist, daß die Kategorien der aristotelischen Naturphilosophie keineswegs abstrakt und künstlich wirken. Sie sind der vertrauten Lebenswelt der (damaligen) Menschen entnommen. Im Vordergrund stehen die organischen Entwicklungen der Natur wie das Leben der Menschen und Tiere von Geburt bis zum Tod oder das Werden und Vergehen der Pflanzen, die als zielgerichtete Abläufe aufgefaßt werden wie das planvolle Handeln der Menschen. Natur erscheint als großer Organismus, dessen Prozesse harmonisch aufeinander abgestimmt sind und in denen das Leben des Menschen nur ein Teil ist. Auch die unbelebte Natur der Stoffe und Mineralien wird in der antiken-mittelalterlichen Alchemie durch die vertrauten organischen Modelle erklärt. So spricht man vom „Wachsen", „Düngen" und „Züchten" der Mineralien. Erfolg in der frühen Alchemie und Medizin wird nur dem versprochen, der die natürlichen Kreisläufe der Natur beachtet. Einen Gegensatz zur organischen Naturauffassung bilden die griechischen Atomisten, die selbst das Leben nicht in seinen gegebenen Vollzügen begreifen, sondern alles Seiende auf das ziellose Zusammenstoßen kleinster unteilbarer Bausteine (ατομος) im leeren Raum zurückführen wollen. In Piatons Naturphilosophie wird erstmals ein mathematisches Modell des Mikrokosmos vorgestellt, in dem die Elemente durch die geometrische Symmetrie regulärer Körper erklärt werden. Wirkungsgeschichtlich wird W. Heisenberg die moderne Atomphysik in dieser platonischen Tradition begreifen, die jedoch in
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Einleitung
Antike und Mittelalter von der aristotelischen Naturphilosophie als spekulativ in den Hintergrund gedrängt wird. Das Kapitel schließt mit Symmetrieanwendungen in Kunst, Architektur und Technik, die in Antike und Mittelalter, besonders aber im Neuplatonismus der Renaissance auftreten. Symmetrie und die Einheit der Natur wird seit Beginn der Neuzeit in mathematischen Naturgesetzen gesucht und im Experiment geprüft, bestätigt oder verworfen. Die Symmetrieannahmen der antiken Astronomie und Naturphilosophie wurden mit Figuren- und Körpersymmetrien der euklidischen Geometrie begründet: Kreis, Kugel und reguläre Körper. Um jedoch die Naturgesetze der neuzeitlichen Physik als Symmetrieannahmen verstehen zu können, muß zunächst auf neuzeitliche Entwicklungen der Mathematik eingegangen werden. Erst Algebra und Gruppentheorie seit Ende des 18. Jhs. schafften die Voraussetzung zur allgemeinen mathematischen Präzisierung des Symmetriebegriffs („Automorphismusgruppe"), der zunächst Anwendung in der Kristallographie und Stereochemie des 19. Jhs. fand, schließlich in fast allen Teilen der modernen Naturwissenschaft. Im 2. Kapitel werden daher zunächst die diskreten Symmetrien der Ornamente und Kristalle (einschließlich der Farbsymmetrien und Symmetrien der Musik) unter gruppentheoretischem Gesichtspunkt behandelt. Historisch wurde der Gruppenbegriff jedoch zunächst in der algebraischen Gleichungstheorie („Galoistheorie") angewendet, mit der sich auch Konstruktionsprobleme antiker Symmetrien beantworten lassen. Für die moderne Physik wurden die stetigen Gruppen der Differentialgeometrie („Liesche Gruppen") wichtig. Abschließend werden im 2. Kapitel die mathematischen Voraussetzungen des Symmetriebegriffs sowohl der Relativitätstheorie als auch der Quantenmechanik untersucht. Im 3. Kapitel werden die Symmetrien der klassischen Physik untersucht. Symmetrie wird als Invarianz der Naturgesetze bzw. physikalischen Theorien gegen bestimmte stetige Transformationsgruppen verstanden. Erkenntnistheoretisch wird damit präzisiert, daß ein Naturgesetz objektiv gültig ist — unabhängig von Veränderungen des Standorts oder des Zeitpunkts seiner Überprüfung durch einen Experimentator oder Beobachter. Der Freiheit, das Koordinatensystem des Beobachters wählen zu können, entsprechen Symmetrien. Alle Naturgesetze sind invariant gegenüber Verschiebungen, Drehungen und Spiegelungen des Koordinatensystems. Die Symmetrien sind in dem Sinne global, daß die Naturgesetze gegenüber gleichen Transformationen für alle Punkte des Raumes invariant sind. Historisch findet sich dieses Relativitätsprinzip der klassischen Physik erstmals bei G. Galilei, I. Beeckman, R. Descartes, Ε. Torricelli und C. Huygens.
Einleitung
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Zunächst wird die Raum-Zeit-Symmetrie von Newtons absolutem Raum und absoluter Zeit untersucht, ebenso Kants Hinweis auf die Links-Rechts-Symmetrie in seinen vorkritischen Schriften. Davon ist die Raum-Zeit-Symmetrie nach Leibniz und Huygens abzugrenzen, die zwar die kinematische Gruppe der klassischen Physik festlegt, aber keine dynamischen Effekte wie Newtons Zentrifugalkräfte („absolute Bewegung") erklären kann. Aber auch Newtons Raum-Zeit-Symmetrie erweist sich mit ihren empirisch nicht nachvollziehbaren Annahmen z. B. der absoluten Ruhe als nicht adäquat. Erst L. Langes Begriff des Inertialsystems liefert die Definition des raum-zeitlichen Bezugssystems der klassischen Physik und machte die Präzisierung der klassischen Naturgesetze durch Galilei-Invarianz möglich. Im 18. Jh. greift I. Kant die Rechts-Links-Symmetrie {„Parität") in der Natur auf und entwirft eine Theorie der Materie, die durch die Polarität sich anziehender und abstoßender Kräfte bestimmt ist. Während jedoch Kant den mathematischen Prinzipien der Newtonschen Physik verpflichtet bleibt, bahnt sich Anfang des 19. Jhs. mit Hegel und Schelling eine Naturphilosophie an, die einen spekulativen Gesamtentwurf der Natur versucht, der jedoch in Gegensatz zur mathematisch-experimentellen Methode neuzeitlicher Naturwissenschaft gerät. Hegels und Schellings romantische Naturphilosophie, die eine überall waltende Polarität in einer Einheit von Geist und Natur aufheben will, entsteht auf dem Hintergrund der neuen Lehre von Elektrizität und Magnetismus und hat wenigstens heuristisch manchen der damaligen Naturforscher wie J. W. Ritter, H. C. Oersted und vielleicht sogar M. Faraday beeinflußt. Der Hang der romantischen Naturphilosophen zur Spekulation widerspricht jedoch einer positivistischen Grundstimmung vieler Naturwissenschaftler, und ihre mangelnde mathematische Präzision ruft nur den Spott eines Gauß hervor. Auch Goethes organische Naturauffassung mit ihren harmonischen Metamorphosen und ihrer ganzheitlichen Schau war in Gegensatz zur Naturwissenschaft geraten. Und so klaffte besonders in Deutschland die Kluft zwischen Naturphilosophie in aristotelischer Tradition und mathematischer Naturwissenschaft immer weiter auseinander. Mathematisch gelingt die Vereinigung von Elektrizität, Magnetismus und Optik in der Elektrodynamik, die sich invariant mit der LorentzGruppe formulieren läßt. Bereits J. C. Maxwell hatte vorausgesagt, daß Licht auf das elektromagnetische Feld reduziert werden könnte. In der Tat wurden die Wellengleichungen für die Phasengeschwindigkeit des Lichtes aus den Maxwellschen Gleichungen abgeleitet und von H. Hertz experimentell bestätigt. Damit vollzog sich erstmals eine Vereinheitlichung der Naturerscheinungen in der mathematischen Phy-
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Einleitung
sik, über die bisher in verschiedenen naturphilosophischen Ansätzen nur spekuliert worden war. Ferner lag mit Maxwells Elektrodynamik erstmals eine physikalische Theorie vor, für die das moderne physikalische Symmetriekonzept präzisiert werden konnte. Das elektromagnetische Feld besitzt sowohl „globale" Symmetrie im Sinne der Lorentz-Invarianz, wonach alle raum-zeitlichen Koordinaten geändert werden können, als auch „lokale" Symmetrie im Sinne eines Eichfeldes. H.Weyl wird noch 1923 die Theorie des elektromagnetischen Feldes als „das vollkommenste Stück Physik, das wir heute kennen ..." bezeichnen. Die Anwendung physikalischer Symmetriekonzepte hängt eng mit mathematischen Entwicklungen der Algebra und Geometrie im 19. Jh. zusammen. F. Klein hatte 1872 in seinem bekannten „Erlanger Programm" verschiedene geometrische Theorien durch stetige Transformationsgruppen charakterisiert und klassifiziert. Unter dem direkten Einfluß von Klein erweiterte E. Noether 1918 dieses Programm für die Physik und zeigte, wie physikalische Erhaltungssätze durch Transformationsgruppen charakterisiert und auf raum-zeitliche Symmetrien zurückgeführt werden können. Historisch finden sich allerdings bereits Ansätze in Vorlesungen des Mathematikers C. G. J. Jacobi von 1866. Von zentraler Bedeutung für den physikalischen Symmetriebegriff sind die mathematischen Variations- und Extremalprinzipien. Historisch entstehen sie auf dem Hintergrund von Leibnizens Naturphilosophie der prästabilierten Harmonie und sind durch die Suche nach einem einheitlichen Grundprinzip der Natur bestimmt. In der kritischen Auseinandersetzung mit der Leibnizschen Theodizee im 18. Jh. durch Voltaire kündigt sich — parallel zur neuzeitlichen Geistesgeschichte — eine Säkularisation des Naturgesetzes an, das nicht mehr ontologisch und theologisch fundiert verstanden wird. Abschließend wird im 3. Kapitel die Frage diskutiert, wie die Zeitsymmetrie der klassischen Physik mit der Thermodynamik zusammengeht. Wie ist die Invarianz der Naturgesetze gegen Zeittranslation mit den irreversiblen Naturprozessen der Thermodynamik und Darwins Evolutionstheorie des Lebens zu vereinbaren? Das Problem des asymmetrischen Zeitpfeils wird in den klassischen Diskussionen von L. Boltzmann, E. Zermelo u. a. bis zu den Arbeiten von J. Monod u. a. untersucht. Im 4. Kapitel geht es um die Symmetriekonzeptionen der modernen Physik und Naturwissenschaft. Zunächst wird die Lorentz-Invarianz des kräftefreien 4-dimensionalen Minkowski-Raumes der speziellen Relativitätstheorie besprochen, in dem zwei Beobachter relativ zueinander konstante Relativgeschwindigkeit haben. Es handelt sich um eine globale Symmetrie, da ihre Transformationen alle raum-zeitlichen Koor-
Einleitung
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dinaten betreffen. Viel strengere Bedingungen muß die lokale LorentzInvarianz der allgemeinen Relativitätstheorie erfüllen. Jetzt müssen die physikalischen Gesetze auch dann noch dieselbe Form behalten, wenn man jeden einzelnen Punkt unabhängig von allen anderen transformiert. Diese mathematische Verschärfung ist gleichbedeutend mit der physikalischen Forderung, daß sich zwei Beobachter relativ zueinander auch beschleunigen dürfen bzw. Gravitationskräfte auftreten. Es ist ein Schlüsselkonzept der modernen Physik, die Einführung von Grundkräften mathematisch durch den Übergang von einer globalen zu einer lokalen Symmetrie zu beschreiben. In der relativistischen Kosmologie kommt die differentialgeometrische Theorie der symmetrischen Räume zur Anwendung, die E. Cartan in den 20er Jahren aus der Theorie der Räume mit konstanter Krümmung (Riemann, Lie, Helmholtz u. a.) entwickelt hatte. Die Lösungen von Einsteins Gravitationsgleichung lassen verschiedene symmetrische Modelle zu, z. B. daß sich das räumlich homogene Universum isotrop entwickelt, kollabiert oder oszilliert. Die naturphilosophischen Diskussionen um die ewige Materie im Sinne des Materialismus, die Endlichkeit der Welt im Sinne des Christentums oder die ewige Wiederkehr des Gleichen im Sinne Nietzsches können als Heuristik für mathematische Theorien und prüfbare Hypothesen dienen. Der platonische Glaube an einen symmetrischen Kosmos im großen ist wieder akut, wenn auch mathematisch raffinierter und nicht mehr als antike Sphärenharmonie. In dem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß D. Hilbert die relativistischen Gravitationsgleichungen zusammen mit den (Mieschen) elektrodynamischen Gleichungen unabhängig von Einstein aus einem Variationsprinzip ableitete. Das war der erste Versuch einer Vereinigung der Grundkräfte in der modernen Physik, der jedoch erst unter den Bedingungen der Quantenmechanik gelingen sollte. Neben der Relativitätstheorie ist die Quantenmechanik die Rahmentheorie der modernen Physik. Zunächst ist an die kugelsymmetrischen Eigenschaften der frühen Atommodelle zu erinnern, mit denen N. Bohr die diskontinuierlichen Spektrallinien der chemischen Elemente erklärte. Die Elektronen bewegen sich danach wie die antiken Planeten auf festen Bahnen um den Kern. In Analogie zur Entwicklung des aristotelischen Planetenmodells muß auch das ursprünglich einfache Bohrsche Atommodell durch bestimmte Kunstgriffe (in diesem Fall die Quantenzahlen) an die komplizierten Verhältnisse, die sich im Labor für verschiedene Elemente zeigen, angeglichen werden. Die Grundgleichung der Quantenmechanik, die Schrödinger-Gleichung, weist dann zweifache Symmetrien auf. Wenigstens approximativ kann angenommen werden, daß die Elektronen eine kugelsymmetrische po-
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Einleitung
tentielle Energie haben, für die keine Richtung ausgezeichnet ist, so daß die entsprechende Hamilton-Funktion invariant ist gegen die Symmetrieoperationen der Kugel. Ferner sind Elektronen ununterscheidbar (Leibniz: „indiscernibiles") in dem Sinne, daß es für die HamiltonFunktion keinen Unterschied macht, ob die Positionen der Elektronen ausgetauscht und permutiert werden. Diese Permutationssymmetrie hängt eng mit Paulis Ausschließungsprinzip zusammen, wonach zwei Elektronen nicht dieselben Quantenzahlen haben können. Mit Anspielung auf Leibnizens Ununterscheidbarkeitsprinzip spricht H. Weyl auch vom Leibniz-Pauli-Prinzip. Mathematisch können die Zustände von Quantensystemen (Atome, Elektronen u. a.) durch Vektoren eines Hilbertraumes dargestellt werden. Die Symmetrie (Automorphismengruppe) des Hilbertraumformalismus der von Neumannschen Quantenmechanik wurde besonders von H. Weyl, E. P. Wigner u. a. seit Ende der 20er Jahre untersucht und in Beziehung zu den unitären Transformationen des Hilbertraumes gebracht. Die raum-zeitlichen Symmetrien sind durch eine Untergruppe bestimmt, die durch die Galilei-Gruppe der klassischen Physik dargestellt werden kann. Der entscheidende Unterschied zur klassischen Physik (und zur Relativitätstheorie) besteht jedoch darin, daß Größen der (von Neumannschen) Quantenmechanik, die als Meßgrößen („Observablen") in Frage kommen, nicht vertauschbar („kommutativ") sind. Meßtechnisch kommt diese gruppentheoretische Eigenschaft von Quantensystemen dadurch zum Ausdruck, daß es einen Unterschied macht, in welcher Reihenfolge Größen gemessen werden. Ein gravierender Nachteil der von Neumannschen Quantenmechanik besteht dann darin, daß hier keine klassischen („kommutativen") Observablen zugelassen sind. Wie soll aber die nachweisliche Existenz von vertauschbaren Größen im Quantenbereich wie z. B. Spin oder Ruhemasse verstanden werden (Problem der „Superauswahlregeln" bzw. „Verletzung des Superpositionsprinzips")? Wie soll der quantenmechanische Meßprozeß beschrieben werden, der eine Wechselwirkung zwischen einem klassischen makroskopischen Meßinstrument und einem Quantensystem darstellt? Wie kann die Quantentheorie als Rahmentheorie für den Chemiker verstanden werden, der es z. B. in seinen molekularen Untersuchungen mit nicht-klassischen Größen (z. B. „Ort" und „Impuls" eines Elektrons) und klassischen Größen (z.B. „Temperatur" oder „chemisches Potential" eines thermodynamischen Prozesses) zu tun hat? Daher wurden neuerdings verallgemeinerte Formalismen der Quantenmechanik (z. B. C*-Algebra, Quantenlogik) entwickelt, die auch klassische Observablen zulassen und durch entsprechende Symmetrie-
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gruppen bestimmt sind. Unter dem Gesichtspunkt der Vereinigung naturwissenschaftlicher Theorien ist damit ein Rahmen geschaffen, in dem sowohl klassische Systeme, Quantensysteme (im von Neumannschen Sinn), verallgemeinerte Quantensysteme und thermodynamische Systeme untersucht werden können. Philosophisch haben die nichtklassischen Größen zu erheblichen Interpretationsschwierigkeiten geführt, da — im Unterschied zur klassischen Physik — ihre Messung vom Meßkontext („Meßinstrument") abhängen soll bzw. ihre Werte durch die Schrödingergleichung nicht eindeutig bestimmt sind. Unterscheidet sich die Quantenwelt grundsätzlich von der makroskopischen Welt oder entwirft die klassische Physik bloß ein fiktives und grob idealisiertes Bild der Realität? Muß der Realismus im Sinne des Aristoteles und der klassischen Physik endgültig aufgegeben werden? Welche Symmetrien liegen dann der Wirklichkeit zugrunde? Schließlich geht es wieder um die Vereinheitlichung der Naturkräfte, soweit sie heute in der Elementarteilchenphysik bekannt sind. Die historische Entwicklung physikalischer Theorien ist durch eine schrittweise Vereinheitlichung bestimmt. Die erste große Vereinigung gelang Newton, als er die Flugbahnen freifallender oder geworfener Erdkörper auf dieselbe Gesetzmäßigkeit zurückführte wie die Bahnen der Himmelskörper. Es folgte Maxwell, der Elektrizität, Magnetismus und Optik mit der Elektrodynamik begründete. Newtons Gravitationstheorie mußte durch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie abgelöst werden, und Maxwells Elektrodynamik wurde mit spezieller Relativitätstheorie und Quantenmechanik zur Quantenfeldtheorie bzw. Quantenelektrodynamik erweitert. Den ersten Schritt dazu machte bereits 1928 P. A. M. Dirac, als er mit einer relativistisch-quantenmechanischen Wellengleichung ein Antiteilchen zum Elektron („Positron") voraussagte, das tatsächlich 1932 entdeckt wurde. Der Theorie der elektromagnetischen Wechselwirkung von Elektronen, Positronen und Photonen gelang seit Ende der 40er Jahre mit den Arbeiten von R. P. Feynman, J. S. Schwinger u. a. der Durchbruch. Die Gruppe der (unitären) Transformationen, die die Gesetze dieser Theorie invariant lassen, hat die sogenannte U(l)-Symmetrie. Physikalisch entsprechen diese Transformationen einem Prozeß, bei dem ein Teilchen von einem Zustand in einen anderen übergeht, ohne seine Identität dabei zu ändern. So kann ein Elektron in einen anderen Energiezustand übergehen, indem es ein Photon aussendet. Der Anfangszustand und der Endzustand unterscheiden sich nicht in der elektrischen Ladung, und die Übergänge zwischen beiden Zuständen durch Photonenemittierung lassen sich durch eine lxl-Matrix darstellen. Damit begegnen wir einer völlig neuen Art von Symmetrie, die nicht mehr „äußere" raum-zeitliche
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Symmetrien wie Spiegelungen, Drehungen, Verschiebungen etc. betrifft, sondern die „inneren" (intrinsischen) Symmetrien von Umwandlungsprozessen der Materie. Eine andere innere Symmetrie ist die Isospin-Symmetrie, die eine Beziehung zwischen den Kernteilchen Proton und Neutron und den Kernkräften herstellt. Beide Teilchen besitzen den gleichen Spin und fast dieselbe Masse, so daß sie — wie W. Heisenberg vorschlug — als zwei mögliche Zustände eines Teilchens, des Nukleons, aufgefaßt werden können. Die Übergänge von einem Zustand in einen anderen werden durch die sogenannte SU(2)-Gruppe beschrieben. Während Neutronen und Protonen die einzigen Partikel mit starker Wechselwirkung sind, die langfristig stabil sind, können mit der heutigen Hochenergietechnologie eine Vielzahl von sehr kurzlebigen Teilchen mit starker Wechselwirkung („Hadronen") produziert werden. Dieser „Zoo" der Hadronen, der in den 50er Jahren mehr oder weniger zufallig entdeckt wurde, konnte schließlich auf eine einheitliche Symmetriestruktur zurückgeführt werden. Danach werden alle Hadronen aus subelementaren (allerdings bis heute nur indirekt bestätigten) „Quarks" aufgebaut, deren starke Wechselwirkung durch eine SU (3)-Symmetrie beschrieben werden kann. Diese Theorie ist nach dem Vorbild der Quantenelektrodynamik aufgebaut und heißt Quantenchromodynamik, da die starke Kraft nicht zwischen elektrischen Ladungen sondern sogenannten Farbladungen der Quarks stattfindet. Neben Gravitationskraft, elektromagnetischen und starken Wechselwirkungen wird heute als vierte Grundkraft der Natur die schwache Wechselwirkung unterschieden. Während Gravitationskraft, elektrische und magnetische Erscheinungen aus der Alltagserfahrung bekannt sind, können Kernkräfte und schwache Wechselwirkungen nur durch die modernen Technologien beobachtet werden. So ist die schwache Wechselwirkung für den ß-Zerfall verantwortlich. Diese Kraft erweist sich als besonders kritisch für die auf Leibniz und Kant zurückgehende Diskussion der Links-Rechts-Symmetrie {„Parität") in der Natur. Experimente Ende der 50er Jahre bestätigen nämlich, daß für die schwache Wechselwirkung beim ß-Zerfall von Co 60 — im Unterschied zu den anderen drei Grundkräften — weder Parität (P) noch Ladungsumkehr (C = Charge) Symmetrieoperationen sind, sondern nur die Kombination PCT mit der Operation T(T = Time) für Zeitumkehr (PCT-Theorem). Nachdem H. Weyl bereits 1918 eine Vereinigung der elektromagnetischen Kräfte mit der Gravitation versucht hatte, gelang S. Weinberg, A. Salam, S. Glashow u. a. 1967 die Vereinigung der elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung. Beide Kräfte werden auf die sogenannte SU(2)xU(l)-Symmetrie zurückgeführt, die
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jedoch nur bei extrem kleinen räumlichen Abständen vorliegt und bereits bei Abständen in der Größenordnung der Kernradien gebrochen wird. Während die Wechselwirkungen der Gravitation und des Elektromagnetismus räumlich unbegrenzt sind und daher von masselosen Teilchen (Graviton, Photon) übertragen werden, reicht die schwache Wechselwirkung (wie die starke) nur für sehr kurze Distanzen. Daher wird die Brechung der SU(2)xU(l)-Symmetrie beobachtbar, wenn die intermediären Teilchen (außer dem Photon) plötzlich große Massen annehmen. Die Vereinigung aller vier Grundkräfte in einer Symmetriegruppe liegt bisher weitgehend nur ansatzweise in mathematischen Modellen vor. So erweist sich die SU (5)-Gruppe als die kleinste einfache Gruppe, die SU (3)-Symmetrie und SU(2)xU(l)-Symmetrie in sich vereinigt, als besonders interessant, um starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung zu beschreiben. Diese Theorie sagt eine winzige Ausdehnung voraus, in der es keine grundlegenden Unterschiede zwischen Quarks und Leptonen oder zwischen der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung gibt, sondern nur eine Art von Materie und nur eine Grundkraft. In der kosmischen Evolution hätte die SU (5)-Symmetrie für einen Bruchteil der ersten Sekunde nach dem Urknall bestanden. Die weitere räumlich-zeitliche Evolution der Materie besteht dann im Brechen der Grundsymmetrie und Auftreten von Teilsymmetrien mit unterschiedlichen Teilchen und Grundkräften — ein kosmisches Kaleidoskop, dessen Symmetrien von räumlichen Größenordnungen und zeitlichen Entwicklungsphasen abhängen. Zeitabhängig werden dann auch bestimmte Erhaltungssätze, so daß der Zerfall des Protons zu einer der spektakulärsten Prognosen dieser Theorie gehört, wonach in aufwendigen Experimenten gefahndet wird. Eine moderne Theorie der aristotelischen „materia prima" mit Supersymmetrie, in der alle vier Grundkräfte ununterscheidbar sind, wird schließlich in der Theorie der Supergravitation angestrebt. Schließlich wird die Evolution der Symmetrien unter chemischen und biologischen Gesichtspunkten weiterverfolgt. Betrachtet man z. B. einen Kristall im atomaren Größenbereich, wird nur die Symmetrie der einzelnen Atome deutlich. Im größeren Maßstab treten schließlich die Bindungskräfte auf, die die atomare Symmetrie brechen, aber die neue molekulare Symmetrie der Kristallgitter aufbauen. Das alte Problem der Links-Rechts-Symmetrie wurde bereits im letzten Jahrhundert für Kristalle im Zusammenhang mit polarisiertem Licht untersucht und führte zur Stereochemie. In der Biochemie ist die Auszeichnung einer Seitenrichtung häufig zentral, um z. B. für die DNS-Moleküle eine eindeutige Genkodierung zu erreichen. Die Symmetrieprinzipien und
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ihre Brechungen im makromolekularen Bereich sind heute ein weitverzweigtes Forschungsfeld. Es scheint bezeichnend zu sein, daß Organismen den mittleren Bereich des Übergangs von höchster Symmetrie (z. B. Kristalle) zu perfektem Chaos (z. B. Gase) bevorzugen. Pasteur hatte bereits im letzten Jahrhundert die These vertreten, daß Dissymmetrie typisch für das Leben wäre. Literarisch reflektiert finden wir diese Meinung im „Zauberberg" von Thomas Mann, der Hans Castorp bei der Betrachtung von Schneekristallen ahnen läßt: „Dem Leben schauderte vor der genauen Richtigkeit." Tatsächlich läßt sich die Dynamik der Lebensvorgänge durch Symmetriebrechungen beschreiben, die z. B. bei Zellteilungen auftreten. Andererseits weisen gerade Lebewesen als selbstreproduzierende Systeme besondere zeitliche Entwicklungssymmetrien auf, die sich in der Generationenfolge als periodische Wiederkehr zyklischer Wachstumsabläufe von Einzelindividuen zeigen. In der heutigen Biologie spricht man auch vom „Zellzyklus" und „Hyperzyklus". Zudem legt die mathematische Chaostheorie die Möglichkeit nahe, scheinbar,zufallige' (stochastische) Evolutionsentwicklungen (z. B. von Genen) auf einfache determinierende Regeln zurückzuführen, die durch das Symmetriegesetz der Selbstähnlichkeit {Automorphismus) bestimmt sind. Morphologische Symmetrien der Pflanzen und Tiere sind auffallig für jedermann. Die Zentralsymmetrie mancher Meeresorganismen ermöglicht Bewegung nach allen Richtungen im isotropen Medium des Wassers, während die Pfeilform des Fisches für eine zielorientierte Bewegung zweckmäßig ist. Unter jeweiligen Umweltbedingungen bieten symmetrische Formen Selektionsvorteile, die durch die moderne Technik (z. B. beim Bau von Autos, Flugzeugen und Raketen) imitiert und weiterentwickelt werden. Die Bilateralsymmetrie höherer Tiere scheint das Problem optimaler Bewegungsmöglichkeit bei gleichzeitigem Gleichgewicht der Kräfte zu lösen, während dieses Ordnungsprinzip bei der Anatomie der inneren Organe nur teilweise befolgt ist. So haben wir zwar zwei Lungenflügel, aber nur ein linkes Herz. Auch im makroskopischen Bereich kommt es also zu einer Überlagerung und Brechung verschiedener Symmetrien. Damit sind wir in der kosmischen Evolution der Symmetrien beim Menschen angelangt. Im 5. Kapitel geht es darum, wieweit sein Erkennen, Forschen und Handeln von Symmetrieprinzipien bestimmt ist. Symmetrien dienen der Wahrnehmungsorientierung und der Organisation unserer Vorstellungskraft. Hier ist der ästhetische Grund der Symmetrie in der darstellenden Kunst und Musik. Aber auch unserem Denken und Erkennen liegen Symmetriestrukturen zugrunde, wie sich an den er-
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kenntnistheoretischen Kategorien („Substanz", „Kausalität") nachweisen läßt. Damit hängt eng die Rolle von Symmetrien in der Psychologie der Forschung zusammen. Häufig wurden wichtige Entdeckungen gemacht, weil sie aufgrund von Symmetrieannahmen einer Theorie vorausgesagt wurden (z. B. die Prognose Diracs eines Antiteilchens zum Elektron) oder weil Symmetriebrüche (z. B. Planetentheorie) begründet werden mußten. Selbst die neuen Computergenerationen der Artificial Intelligence übernehmen Symmetrieannahmen als vereinfachte Lösungsstrategien für gestellte Aufgaben. In der Wissenschaftstheorie bemüht man sich, die Einfachheit eines Naturgesetzes durch Symmetrieeigenschaften zu begründen, eingedenk der alten wissenschaftshistorischen Überzeugung, wonach das Einfache auch das Wahre sei. Zentral sind die Berührungspunkte der Symmetriediskussion mit der wissenschaftstheoretischen Frage der Reduktion der Naturwissenschaften. Lassen sich Physik, Chemie und Biologie auf einen einheitlichen Theorierahmen mit gemeinsamen Grundprinzipien zurückführen? Die mathematische Strukturtheorie eröffnet dazu heute neue Möglichkeiten, aber auch vorsichtige Einschränkungen und Präzisierungen. Die Entstehung neuer chemischer und biologischer Strukturen ist mit Symmetriebrüchen verbunden. Die Komplexität makroskopischer dynamischer Systeme macht auch die Grenzen eines Reduktionismusprogramms auf atomare und molekulare Bausteine deutlich. Gegenüber dieser „Sicht von unten", deren Erfolg in Atomphysik und Molekularbiologie keineswegs bestritten wird, sollte die „Sicht von oben" auf makroskopische Ganzheiten nicht ausgegrenzt werden, die uns bereits aus dem Alltag bekannt ist. In der „Geometrie des Fraktalen" und der mathematischen Katastrophentheorie liegen zudem neue Theorierahmen vor, die in der scheinbar chaotischen Vielfalt makroskopischer Systeme überraschende Symmetrien erkennen lassen. Die „Sicht von unten" und die „Sicht von oben" erweisen sich als komplementäre Forschungsansätze, die sich nicht ausschließen, sondern ergänzen. Unter den Bedingungen der modernen Physik stellt sich dem Philosophen verschärft die Frage, ob die Symmetrien bloß erkenntnistheoretische Projektionen in die Natur sind und sich als heuristische Prinzipien zur naturwissenschaftlichen Theoriebildung zweckmäßig erweisen oder ob sie als Selbstorganisationsprinzipien der Natur verstanden werden können. In der Anwendung von Symmetrieprinzipien in Naturwissenschaft und Technik scheint sich die Evolution der Natur unter neuen Bedingungen fortzusetzen. Erstmals ist aber auch ein Teil dieser Natur in der Lage (nämlich wir Menschen), langfristig und zerstörerisch in die natürlichen Kreisläufe und Symmetrien einzugreifen. Am Ende steht
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daher die Forderung nach einer humanen Naturauffassung, die den Menschen gerade wegen seines naturwissenschaftlichen Wissens und seiner technologischen Möglichkeiten in Einklang mit der Natur handeln läßt. In diesem Sinn werden die tradierten Ansätze der Naturphilosophie für eine naturwissenschaftliche Bildung wieder bedeutsam, die Forschung als Teil der humanen Geschichte und Natur begreift. Es bleibt die Frage nach der Einheit von Natur und Wissenschaft mit der Kunst in der Gegenwart. Die Einheit von Naturerfahrung, Kunst und Religion im Mythos früher Völker ist sicher verloren. Auch die Einheit von mathematischer Harmonielehre, Naturphilosophie und Kunst der Antike hat sich nach der Renaissance aufgelöst. Zwar gab es in der Kunstgeschichte (z. B. im Klassizismus) immer wieder Anklänge an die antike Kunstauffassung. Aber es wirkt wie ein Zitieren alter Texte, entspricht einem partiellen Geschmack und spiegelt nicht mehr den Kosmos und seine Gesetze. Kunst und Wissenschaft haben sich in der Moderne zu unterschiedlichen Medien der Lebenserfahrung ausdifferenziert. Die unterschiedliche Vielheit der heutigen künstlerischen Versuche entspricht durchaus der Komplexität der modernen Lebenswelt. Im Unterschied zur antiken-mittelalterlichen Lebenswelt, deren ästhetische Formen von den Möglichkeiten des Handwerks abhingen, leben wir heute in einer durch Industrie, Technik und Wissenschaft bestimmten Zivilisation, die unser Handeln, Denken und Empfinden mitbestimmt. Eine künstlerische Bewegung der Moderne, die eine neue Formenwelt unter den Bedingungen von Technik und Industrie zu entwickeln versuchte, war das „Bauhaus" der 20er Jahre. Die Gemeinsamkeit von Handwerkern und Künstlern in den Dombauhütten des Mittelalters, die Künstler-Ingenieure der Renaissance brachten Gropius auf den Gedanken, unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft Kunst und Technik wieder zu vereinigen. Architekten, Maler, Graphiker, Bildhauer, Formdesigner etc. sollten in koordinierter und arbeitsteiliger Arbeit nach Formen suchen, die sachlichen und funktionalen Lösungen für die Bedürfnisse der Menschen entsprechen, ob es sich um Möbel, Geschirr, Wohnungen, Bürohäuser, Fabriken, Straßen oder Freizeitanlagen handelt. Der Maßstab, der „Logos" dieser Kunst ist der Mensch mit seinen Bedürfnissen in der technisch-industriellen Lebenswelt. In der Postmoderne zeichnet sich erneut ein ,Verlust der Mitte' ab, sind die Symmetriebrüche vordergründiger als die Einheit durch Symmetrie. So bleibt am Ende das Wort Heraklits von der verborgenen Harmonie der Gegensätze, das die Dialektik von Natur, Wissenschaft und Kunst bestimmt.
1. Frühgeschichte der Symmetrie Regelmäßige Muster und Symmetrien werden in allen uns bekannten Kulturen verwendet. Als Ornamente auf Schmuck, Kult- und Gebrauchsgegenständen kehren sie immer wieder. Regelmäßige Formen in Handwerk und Architektur erweisen sich als stabiler, sparsamer im Materialverbrauch, übersichtlicher, einfacher, leichter reproduzierbar und für nachfolgende Generationen tradier bar und nicht zuletzt von hohem ästhetischen Reiz. Offenbar ist seit frühester Zeit die Natur selber Vorbild, die sich durch die Regelmäßigkeit einiger Formen und Ereignisse auszeichnet — von den Mineralien und Pflanzen, über die Anatomie der Lebewesen bis hin zu den regelmäßig wiederkehrenden Konstellationen der Gestirne. Die alten Hochkulturen ebenso wie die noch heute bestehenden Kulturen verschiedener ethnischer Gruppen z. B. in Asien, Afrika, Nord- und Südamerika ordnen die Natur und ihre Lebenswelt nach bestimmten symmetrischen Mustern. Das ist nicht erst eine Errungenschaft moderner Naturwissenschaft und Technik. Daher soll im folgenden auch nicht von „vorwissenschaftlichen" Kulturen gesprochen werden, womöglich noch mit dem Hinweis, wie die „Primitiven" sich zu entwickeln haben. Die Weltbilder dieser Völker sind vielmehr nicht weniger funktionsfähig zur Orientierung ihres Lebens als die Vorstellungen heutiger Naturwissenschaft und Technik für uns. 1 In der griechischen Mathematik und Naturphilosophie nehmen Symmetrieprinzipien eine überragende Stellung ein. Sie werden zu einer entscheidenden historischen Voraussetzung neuzeitlicher Naturwissenschaft.
1.1 Symmetrien in frühen Kulturen Wer heute die Navajo-Indianer im Südwesten Nordamerikas aufsucht, ist überrascht von den Symmetrieformen, die ihre Kultur bestimmen. 2 ' Vgl. auch C. R. Hallpke, The Foundations of Primitive Thought, Oxford 1979, chapt. 3; zur Entstehung von Weltbildern vgl. P. Berger/T. Luckmann, The Social Construction of Reality, Garden City, New York 1966. 2 Vgl. G. Reichard, Navaho Religion. Α Study of Symbolism, 2 vols., New York 1950; dazu auch die klassische Untersuchung von W. Matthews, Navaho Legends. Memoirs of the American Folk-Lore Society 5, New York 1897.
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1. Frühgeschichte der Symmetrie
Abb. 1
Es sind nicht so sehr die regelmäßigen Muster und Ornamente ihrer kunstvollen Webarbeiten oder Töpfereien, die auffallen. Die Navajos benutzen vielmehr Symmetrien zur Ordnung ihrer Rituale und Mythen, also kurz ihres Weltbildes. Dabei ist „Weltbild" wörtlich zu verstehen, als bildhafte Darstellung ihrer Lebenswelt und Naturmythologien und nicht als philosophische Lehre, die aus bestimmten Prinzipien abgeleitet wurde. Gemeint sind die Sandgemälde der Navajos, die ein zu einem bestimmten zeremoniellen Zweck zugerichtetes Weltbild darstellen. Hergestellt werden sie aus dem Staub roten, gelben oder weißen Sandsteins, den Pigmenten von Maismehl, Pflanzenpollen oder Blumenblättern.
1.1 Symmetrien früher Kulturen
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Abbildung 1 zeigt das Sandgemälde der „Regenbogenleute", die als mythologische Darstellungen des Regens und des Lichtes gelten. Im zentralsymmetrischen Weltzentrum ist die Quelle des Lebens, das Wasser, begrenzt durch vier Regenbogenstreifen in den vier Himmels- oder Windrichtungen. 3 Vom Zentrum aus wachsen die vier heiligen Pflanzen, nämlich Mais, Bohnen, Kürbis und Tabak. Hinter jedem der vier Regenbogenstreifen sind zwei männliche (runde Köpfe) und zwei weibliche (eckige Köpfe) Regenbogenleute angeordnet. Der umschließende Kreis stellt die Regenbogengöttin dar, die die Lebenswelt der Navajos beschützt. Zwei Fliegen dienen als Boten oder Wachen. Dieses Sandgemälde weist eine Fülle sich überlagernder Symmetrien auf. Das zentralsymmetrische Quadrat hat alle Spiegelungssymmetrien der Diagonalen und Seitenhalbierenden. Das Zentrum mit dem Wasser als Lebensbasis wirkt daher statisch ruhend, was durch seine schwarze Farbe noch unterstrichen wird. Die Umgebung dieses Zentrums weist dagegen nur Drehungssymmetrien auf. So können die Vierergruppen der Regenbogenleute in den vier Himmelsrichtungen durch Viertelkreisdrehungen um das Zentrum ineinander überführt werden. Der Federschmuck und die ausgestreckten Arme wirken wie kleine Bewegungspfeile und verhindern eine Spiegelungssymmetrie an den Diagonalen und Seitenhalbierenden des Quadrats, was sonst den Eindruck von Ruhe und Statik vermitteln würde. Die Regenbogenleute wandern also in Sonnenrichtung um das Zentrum. Dieser dynamische Eindruck wird durch die Regenbogengöttin noch unterstrichen, deren Kreisbogen mit eingezeichnetem Kopf und Füßen wie ein Drehimpulsvektor wirkt. Die Aussage dieses Weltbildes ist also klar: in der Mitte das Element Wasser, um das sich alle Natur- und Lebensprozesse drehen. Neben den Spiegelungs- und Drehungssymmetrien spielen Farbsymmetrien in allen frühen Kulturen eine große Rolle. Die Navajos verwenden vier Grundfarben weiß, blau, gelb, schwarz (und manchmal auch rot), die für vier Himmels- oder Windrichtungen ausgetauscht werden können und dann in den verschiedenen Mythen und Erzählungen verschiedene Bedeutung haben. Die sich über Tage hinziehenden Rituale mit ihren vielen Sandgemälden, Gesängen und Tänzen werden vielfältig variiert und auf alle möglichen Einzelfalle angewendet. In der Welt der Navajos hat sich Symmetrie jedoch nicht als ästhetischer, religiöser oder technischer Zweck verselbständigt. Ihr zentraler Begriff heißt „hozho", was häufig mit Schönheit übersetzt wird, aber von Gesundheit, Glück und Harmonie nicht getrennt wer3
K. A. Nowotny, Beiträge zur Geschichte des Weltbildes. Farben und Weltrichtungen, Horn/Wien 1970, 195.
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1. Frühgeschichte der Symmetrie
Abb. 2
den kann. 4 Das Leben und die Kultur der Navajos ist begründet auf einer Einheit der Erfahrung, die im „hozho" zum Ausdruck kommt. „Hozho" ist das intellektuelle Konzept der Ordnung, der emotionale Zustand des Glücks, der moralische Wert des Guten, die biologische Bedingung der Gesundheit und des Wohlbefindens und der ästhetische Reiz des Gleichgewichts, der Harmonie und der Schönheit — eine 4
Vgl. G. Witherspoon, Language and Art in the Navajo Universe, Ann Arbor 1977, 154f.; Ε. P. Hatcher, Visual Metaphors: A Formal Analysis of Navajo Art. The American Ethnological Society Monograph 58. St. Paul 1974, 74 ff.; zur Philosophie der Navajos vgl. auch C. Κ. Kluckhohn, The Philosophy of the Navaho Indians, in: F. S. C. Northrop, Ideological Differences and World Order, New Haven 1949, 356-384.
1.1 Symmetrien früher Kulturen
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Projektion von Wünschen, Vorstellungen und Erfahrungen, die sich auch in anderen Kulturen findet. Der Kult im Südwesten Nordamerikas und in Mexiko geht auf gleiche historische Wurzeln zurück. Die formale Ähnlichkeit des Navajo-Sandgemäldes mit der aztekischen Weltkarte in Abbildung 2 (Codex—Fejerväry—Mayer) ist in der Tat auffallend. 5 Das Bild zeigt den Kosmos als ein blütenförmiges, nach den fünf Weltgegenden, zentralsymmetrisch angeordnetes Gebilde, in das die 4 Viertel des in 5 χ 52 Tagen angeordneten 260-Tage Zyklus des aztekischen Jahres eingetragen sind. Die Deutung der Karte ist jedoch weniger friedvoll als bei den Navajos. Im Mittelpunkt steht der Feuergott Xiuhtecutli, der von den vier Seiten her Ströme von Blut empfangt. Die Darstellung des zentralsymmetrischen Kosmos ist zugleich Abbild eines Kultplatzes, auf dem ein Menschenopfer zerstückelt und seine blutenden Leichenteile ausgebreitet wurden. Xiuhtecutli ist der erste der „Neun Herren der Nacht", die zu je zwei auf die einzelnen Windrichtungen verteilt sind und Repräsentanten der neun Nachtstunden darstellen, im oberen Trapez mit Iztli (dem Opfermessergott) und Piltzintecutli (einer Nebenform des Sonnengottes), rechts der Maisgott Cinteotl und der Totengott Mictlantecutli, unten die Wassergöttin Chalchiuhtlicue und die Erd- und Mondgöttin Tlazolteotl, links der Erdgott Tepeyollotli und der Regengott Tlaloc. Die Punkte auf den Trapezen und Schleifen symbolisieren die Tage der zwanzig 13-tägigen Wochen des 260-TageJahreszyklus. 6 Typische Pflanzen sind z.B. Blüten-, Dornen-, Kakaobäume und Feigenkaktus. Auch hier tritt wieder eine Fülle sich überlagernder Symmetrien auf. Würde man nur die geometrische Form des mittleren Quadrats, der vier Seitentrapeze und der Winkelhalbierenden Schleifen betrachten, läge volle Spiegelungs- und Drehungssymmetrie vor. Während die Pflanzen wenigstens teilweise Spiegelungssymmetrie besitzen, werden durch die individuellen Götterbilder Symmetriebrechungen und Dynamik vermittelt. Ähnliche Symmetrieformen finden sich in allen Darstellungen von Weltbildern früher Kulturen, obwohl sie oft inhaltlich völlig verschie5
6
E. Seier, Codex Fejerväry-Mayer, Eine altmexikanische Bilderhandschrift der Free Public Museums in Liverpool, Berlin 1901, 1—3; zur Interpretation vgl. auch Κ. A. Nowotny, Tlacuilolli. Die mexikanischen Bilderhandschriften, Stil und Inhalt. Mit einem Katalog der Codex-Borgia-Gruppe, Berlin 1961; auch H. Biedermann, Altmexikos heilige Bücher, Graz 1971. Dazu auch W. Cordan, Popol Vuh. Mythos und Geschichte der Maya, Düsseldorf/ Köln 1975, 183.
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1. Frühgeschichte der Symmetrie
den gedeutet werden. Als Beispiel sei hier das Weltbild der Jaina aus indischem Einflußgebiet erwähnt. Dazu gibt es Miniaturen zum Kälpasutra der Jaina, die, obwohl erst aus dem 15. und 16. Jahrhundert belegt, auf sehr alte Vorlagen zurückgehen. Dargestellt ist das Samavasarana, das die Götter jedem Jina errichten. 7 Es ist ein runder oder quadratischer Platz, von drei Ringmauern mit vier Toren nach den Weltgegenden umgeben. Der Jina sitzt im Zentrum und meditiert oder predigt magisch vervierfacht auf Löwenthronen unter einem Baum. Die Ruhe und Gelassenheit, die diese Bilder ausstrahlen, wird formal erreicht durch Zentral- und Spiegelungssymmetrie. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die vierfache Punktspiegelung des Jina im Mittelpunkt auf die vier Ecken der Miniatur. Die Werkstoffe der Mauern sind nach bestimmten Farbgesetzen verwendet. Der innere Wall besteht aus Juwelen und ist mit Zinnen aus Rubinen verziert, der mittlere aus Gold mit Zinnen aus Juwelen, der äußere aus Silber mit Zinnen aus Gold. In verschiedenen Kulturen werden Symmetrieeigenschaften kabbalistisch verwendet, d. h. mit Wörtern oder Buchstaben verbunden, um 7
Vgl. W. N. Brown, A Descriptive and Illustrated Catalogue of Miniature Paintings of the Jaina Kalpasutra. Smithson, Inst. Freer Gallery of Art. Oriental Studies, Washington 1934.
1.1 Symmetrien früher Kulturen
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durch geometrische Zuordnungen und Kombinationen Erkenntnisse zu gewinnen. Als Beispiel indischer Kabbalistik sei das Scricakra erwähnt. Es besteht aus einem Diagramm aus 43 Dreiecken, das Meru genannt wird (Abbildung 3).8 Es ist umgeben von einem 8- und einem 12-blättrigen Lotos, der wiederum von vier Kreisen eingeschlossen ist. Charakteristisch sind die vier T-förmigen Gebilde an den Seiten des äußeren quadratischen Rahmens. Zuordnungen werden angegeben für die beiden Lotosblüten, besonders aber zu den Kombinationsmöglichkeiten des Meru-Diagramms. Dort lassen sich von außen nach innen gehend ein 14-Spitz, ein äußeres und ein inneres 10-Spitz unterscheiden. Im Zentrum steht ein Dreieck, das auch das Bauprinzip des Diagramms ist. Es wird naturmythologisch gedeutet durch die drei vedischen Lichter von Mond, Sonne und Feuer, manchmal auch linguistisch durch die Laute verschiedener Silben oder anthropologisch durch die Dreiheit von Denken, Stimme und Körper. Ohne eine historische Erklärung angeben zu können, weisen die buddhistischen Diagramme aus Indien starke Ähnlichkeit mit chinesischen Spiegeln der Han-Zeit auf. 9 Diese Spiegel mit ihren charakteri8
9
T. A. Gopinatha Rao, Elements of Hindu Iconography, 1/2, Madras 1914, Inänärnavatantra X 39; vgl. auch K. A. Nowotny, s. Anm. 3, 100. Dazu O. Karlbeck, Notes on some Early Chinese Bronze Mirrors. China Journal of Sciences and Arts, 4, 1926; Β. Karlgreen, Huai and Han, The Museum of Far Eastern Antiquities. Bulletin. Stockholm, 13, 1941.
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1. Frühgeschichte der Symmetrie
stischen T-, L- und V-förmigen Ecken („TLV-Spiegel") sind eindeutig kosmologisch gedeutet. Die Tiere der Windrichtungen (Drache, Vogel, Tiger, von Schlangen umschlungene Schildkröte) sind häufig mit einem Gewimmel von Fabeltieren und Dämonen dargestellt. Später werden diese Spiegel zu Windrosen weiterentwickelt, die neben den vier kosmischen Tieren noch 12 zyklische Tiere (analog der 12tägigen Woche), 28 Sternbilder als Konstellationsfiguren etc. verwenden. Kabbalistische Spekulationen mit Symmetrien finden sich noch im späten europäischen Mittelalter, z. B. in der „Ars magna" des besonders von Leibniz geschätzten katalanischen Philosophen Raimundus Lullus (Abbildung 4), der nachweislich unter arabischem Einfluß stand. 10 Von besonderem Reiz ist die Verwendung von Symmetrien in China, die bereits sehr früh naturphilosophisch gedeutet wurden. Im „Buch der Wandlungen" (I Ching) aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. werden vier naturphilosophische Gegensatzpaare von Kräften und Elementen wie Himmel —Erde, Feuer —Wasser, See —Berg und Donner —Wind durch acht spiegelungssymmetrisch angeordnete Trigramme symbolisiert (Abbildung 5), die auch in Münzdarstellungen ihren Niederschlag fanden (Abbildung 6).11 10
11
R. Lullus, Opera ea, quae ad adinventam ab ipso artem universalem scientiarum artiumque omnium ... pertinent etc. Argentorati 1617; auch L'Ars compendiosa de R. Lulle. Avec une etude sur la Bibliographie et le fond Ambrosien de Lulle par C. Ottaviano, Paris 1930. I Ching — Das Buch der Wandlungen, dt. von R. Wilhelm, Jena 1924, repr. Düsseldorf/Köln 1973.
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1.1 Symmetrien früher Kulturen
Tabula fcxaginta quatuor Figurarum,
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1, so schneiden sich die Seiten in Schnittpunkten, die jedoch nicht als Ecken gelten. Polygone mit d > 1 sind daher die Sternpolygone. Verallgemeinerte reguläre Polygone werden dann durch rationale Zahlen p/d > 2 mit teilerfremden Zahlen ρ und d charakterisiert. 28 Reguläre Polygone und Sternpolygone können optisch durch die Spiegelungen eines Kaleidoskops realisiert werden. Historisch wurde ein solches Instrument vermutlich erstmals in der „Ars magna lucis et umbrae" (1646) des A. Kirchner beschrieben, der mit seinen philosophischen Spekulationen über mathematische Symmetrien in der Tradition von R. Lullus steht und als typischer Repräsentant seines barocken Zeitalters großen Einfluß auf Leibniz hatte. 29 Aber darüber wird noch zu berichten sein (vgl. Kap. 2). Neben den regulären Symmetriefiguren der Ebene faszinierten die Menschen seit altersher die symmetrischen Körper des Raumes. Schon in vorgriechischer Zeit hatten einige dieser Körper wegen ihres regel28 29
Vgl. dazu H. S. M. Coxeter, Regular Polytopes, New York 21963, 93 f. A. Kirchner, Ars magna lucis et umbrae, in decern libros digesta ..., Rom 1646, Amsterdam 1671.
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1. Frühgeschichte der Symmetrie
mäßigen Aufbaus und ihrer kristallenen Struktur kultischen und religiösen Symbolwert. Den Pythagoräern 30 waren das reguläre Tetraeder aus vier regulären Dreiecken, der Würfel aus sechs regulären Quadraten und das Dodekaeder aus zwölf regulären 5-Ecken bekannt (Abbildung 12). Ein Exemplar des Dodekaeders aus Speckstein liegt aus etruskischer Zeit (500 v. Chr.) vor. Eine vollständige Ableitung aller fünf möglichen regulären Körper ist jedoch erstmals im letzten (XIII.) Buch der euklidischen „Elemente" überliefert, das auf den griechischen Mathematiker Theaitetos (415 — 369 v. Chr.) zurückgeht. 31 Daher sind das Oktaeder mit acht regulären Dreiecken und das Ikosaeder mit zwanzig regulären Dreiecken auch wahrscheinlich von Theaitetos erstmals konstruiert worden (Abbildung 12). Der letzte Satz der „Elemente", es handele sich hier um die einzigen regulären Körper im euklidischen Raum, ist bereits eine bedeutende mathematische Einsicht. Die Begründung lautet so: Allgemein wird von einem regulären Polyeder gefordert, daß alle seine Ecken, Kanten und Flächen nicht unterscheidbar sind. Zudem sollen sämtliche Flächen reguläre Polygone sein. Aus dieser Definition 30
31
Zur Kenntnis der regulären Körper bei den Pythagoräern, vgl. B. L. van der Waerden, s. Anm. 15, 362 f.; vgl. auch E. Sachs, Platonische Körper. Zur Geschichte der Elementenlehre Piatons und der Pythagoreer, Berlin 1917. Euclid, s. Anm. 14; K. Mainzer, s. Anm. 16, 52 ff.
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1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
lassen sich bereits die erwähnten fünf Platonischen Körper als einzige reguläre Körper rechtfertigen. Zunächst wird ein reguläres Polyeder keine einspringenden Ecken und Kanten besitzen. Da nämlich nicht alle Ecken und Kanten einspringen können, so wären einige Ecken oder Kanten unterscheidbar — entgegen der Definition. Daher muß auch die Summe der Polygonenwinkel, die an einer Ecke zusammenstoßen, kleiner als 2π sein. Andernfalls lägen diese Polygone in einer Ebene, und es würden einspringende Kanten von dieser Ecke ausgehen. Zudem müssen mindestens drei Polygone in einer Ecke zusammenstoßen. Weiterhin müssen wegen der Regularität alle Polygonenwinkel gleich sein. Daher müssen sie alle kleiner als 2π/3 sein. Im regulären 6-Eck beträgt der Polygonwinkel gerade 2π/3. Da die Winkel für η > 3 im regulären η-Eck wachsen, können nur reguläre 3-, 4- und 5-Ecke als Flächen regulärer Polyeder gewählt werden. Beim regulären 4-Eck, dem Quadrat, mit nur rechten Winkeln können nicht mehr als drei Quadrate in einer Ecke zusammenstoßen, ohne die Winkelsumme von 2π zu übertreffen. Beim regulären 5-Eck können nicht mehr als drei 5-Ecke in einer Ecke zusammentreffen. Ein regulärer Körper ist nach Definition bereits vollständig bestimmt, wenn die Anzahl der in einer Ecke zusammenstoßenden Flächen und deren Eckenzahl bekannt ist. Daher kann es höchstens nur jeweils ein reguläres Polyeder geben, das von Quadraten oder von regulären 5-Ecken begrenzt wird. Demgegenüber können drei, vier oder fünf gleichseitige Dreiecke in einer Ecke zusammenstoßen, da erst sechs Dreiecke die Winkelsumme 2π ergeben. Das reguläre (gleichseitige) Dreieck kann daher bei drei verschiedenen Polyedern als Fläche auftreten. Insgesamt ergeben sich also fünf mögliche reguläre Polyeder: Anzahl der Polyeder
Tetraeder Oktaeder Ikosaeder Würfel Dodekaeder
Begrenzende Polygone
Ecken
Kanten
Flächen
Dreieck Dreieck Dreieck Viereck Fünfeck
4 6 12 8 20
6 12 30 12 30
4 8 20 6 12
zusammenstoßenden Flächen in einer Ecke 3 4 5 3 3
Euklid zeigt im Buch XIII, daß diese fünf Möglichkeiten auch konstruierbar sind. Dazu werden die regulären Körper Kugeln einbeschrieben, so wie in der Ebene Polygone Kreisen einbeschrieben werden.
38
1. Frühgeschichte der Symmetrie
Eine große Rolle spielen bei diesen Konstruktionen die irrationalen Proportionsverhältnisse aus Buch X, die noch im Zusammenhang mit der Proportionenlehre angesprochen werden (vgl. 2.22). Während es jedoch unendlich viele reguläre Polygone in der Ebene gibt (was auch Euklid durch Anwendung seines Exhaustionsverfahrens der Kreisfläche durch Polygone wachsender Eckenzahl bestätigt), ist die Polyederanzahl beschränkt. Die Symmetrien der regulären Körper gewinnen in Antike und Mittelalter große Bedeutung in der Naturphilosophie, Alchemie und Astronomie (vgl. Kap. 1.3). Das verstärkte Interesse zeigt sich mathematikhistorisch darin, daß die später hinzugefügten beiden Bücher der euklidischen Elemente sich ausführlich mit Eigenschaften der „Platonischen" Körper beschäftigen. Analog den ebenen Sternfiguren werden auch räumliche Sterne untersucht. Zu jedem regulären Körper läßt sich nämlich ein reziproker angeben, der von den Ebenen der Eckfigur an jeder der Ecken des ursprünglichen Polyeders eingeschlossen wird. 32 Daher sind die Kanten des reziproken Polyeders Mittelsenkrechte zu denen des ursprünglichen. Abbildung 13 zeigt das Oktaeder als reziprokes Polyeder zum Würfel und umgekehrt und das reziproke Polyeder des regelmäßigen Tetraeders als ein gleiches Tetraeder. Die Verbindung zweier reziproker Tetraeder tritt in der Natur als Zwillingskristall auf. L. Pacioli bezeichnet in seinem Buch „De divina proportione" (1509) die Verbindung zweier Tetraeder als „octaedron elevatum". 33 Sie wird 100 Jahre später von J. Kepler wiederentdeckt und „Stella octangula" genannt. 34 In platonischer Tradition werden reguläre Körper als Elemente der Materie und des Universums betrachtet (vgl. Kap. 3.1). Pappos berichtet im 5. Buch seiner „Collectio", daß sich Archimedes auch mit halbregulären Polyedern beschäftigt habe. 35 Nach Heron von Alexandria wurden einige dieser halbregulären Polyeder sogar von Piaton entdeckt. Es mag hier das Interesse platonischer Naturphilosophie zum Ausdruck kommen, die Vielfalt der Erscheinungen auf geometrische Formen zurückzuführen. In der Tat weisen die halbregulären Polyeder Körperformen auf, die bereits im Alltag als Kristall, Edelsteine oder Bausteine bekannt waren. 32 33
34 35
L. Schläfli, Gesammelte mathematische Abhandlungen Bd. 1, Basel 1950, 215. L. Pacioli, De divina proportione, Venezia 1509/Milano 1956, Tafeln XIX, XX; vgl. auch H. S. M. Coxeter, Unvergängliche Geometrie, Basel/Stuttgart 1963, 197 f. J. Kepler, s. Anm. 27, Bd. 6, Buch II. Pappos, Collectiones, 3 Bde. (Hrsg. F. Hultsch), Berlin 1876/1878, 5. Buch, 3 5 2 358; vgl. auch die Darstellung von T. Heath, A History of Greek Mathematics II, Oxford I960, 98 ff.
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
39
Diese Polygone heißen halbregulär, da sie jeweils durch verschiedene reguläre Polygone begrenzt werden. Nach Pappos hat Archimedes 13 halbreguläre Polyeder mit folgenden regulären Grenzflächen angegeben: 4 Dreiecke, 4 Sechsecke Pi 8 Dreiecke, 6 Vierecke P2 p3 6 Vierecke, 8 Sechsecke p4 8 Dreiecke, 6 Achtecke p5 8 Dreiecke, 18 Vierecke p6 12 Vierecke, 8 Sechsecke, 6 Achtecke p7 20 Dreiecke, 12 Fünfecke p8 12 Fünfecke, 20 Sechsecke p9 20 Dreiecke, 12 Zehnecke P,C: 32 Dreiecke, 6 Vierecke P|1 : 20 Dreiecke, 30 Vierecke, 12 Fünfecke Pl3 : 30 Vierecke, 20 Sechsecke, 12 Zehnecke P,3 : 80 Dreiecke, 12 Fünfecke P] besitzt also 8 Flächen. P2, P 3 und P4 besitzen 14 Flächen, P 5 und P6 26 Flächen, P 7 , P 8 und P9 32 Flächen. P10 hat 38 Flächen. P „ und P,2 haben 62 Flächen. P13 besitzt 92 Flächen. Daß die halbregulären Körper von technisch-praktischem Interesse waren, belegt das schon erwähnte Werk über praktische Geometrie des arabischen Mathematikers Abü-al-Wafa aus dem 1. nachchristlichen Jahrtausend. 36 Im 12. Kapitel gibt er einfache Konstruktionen von P 2 und P7 an. Die Konstruktionen von drei weiteren halbregulären Körpern sind allerdings fehlerhaft. Systematische Konstruktionen der Körper werden von 36
S. Anm. 20; vgl. auch J. P. Juschkewitsch, s. Anm. 12, 276.
J. Kepler in seinem Werk „Harmonice mundi" angegeben. 37 Hier sollen nur einige Beispiele erwähnt sein: Die Verfahren erinnern manchmal an die Herstellung von regulären Vielecken in der Ebene. So kann man ein Oktaeder aus einem Quadrat herstellen, indem man passende Teile von den Ecken des Quadrates symmetrisch abschneidet. So entsteht P t aus einem Tetraeder, indem Winkel derart abgeschnitten werden, daß Sechsecke als Flächen des Tetraeders übrig bleiben (Abbildung 14). P10 ist der sogenannte Stumpfwürfel mit 6 Quadraten als Grenzflächen (wie der Würfel), dessen Ecken aber jeweils aus 4 regulären Dreiecken (also insgesamt 8 · 4 = 32 Dreiecke) gebildet werden. P13 ist das Stumpfdodekaeder mit 12 Fünfecken als Grenzflächen (wie das Dodekaeder), dessen Ecken aber jeweils aus 4 regulären Dreiecken (also insgesamt 20 · 4 = 80 Dreiecke) gebildet werden (Abbildung 14). 37
J. Kepler, s. Anm. 27.
41
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
1.22 Arithmetik und Harmonielehre In vielen frühen Kulturen werden Proportionsverhältnisse durch Zahlen beschrieben. Die Pythagoräer sind jedoch, so weit wir wissen, die ersten, die Harmonie- und Symmetrieeigenschaften durch bestimmte Zahlverhältnisse festlegen wollen. Populär wurden ihre figuralen Zahlendarstellungen mit Spielsteinen und die daran anknüpfende Zahlenmystik. So werden die Dreieckszahlen 1 + 2 + 3 + . . . + n , Quadratzahlen n2, Rechteckszahlen η (n + 1), Fünfeckszahlen etc. unterschieden: 38
• · ·
· · ·
· · · ·
· · · · ·
Das Spielen mit figuralen Zahlendarstellungen führte bereits in altpythagoräischer Zeit zur Entdeckung einiger bemerkenswerter Zahlengesetze, ζ. B. daß sich Dreieckszahlen als halbe Rechteckszahlen dar1
stellen lassen, also 1 + 2 + 3 + .. , + n = — n(n + 1) ist. Die wissenschaftliche Zahlentheorie der Pythagoräer ist in den Büchern VII, VIII und IX der euklidischen „Elemente" niedergelegt. Einige Abschnitte, wie die Lehre von den vollkommenen Zahlen, sind durchaus nicht elementar, sondern führen sehr schnell zu tiefliegenden zahlentheoretischen Problemen. Bei den Pythagoräern nimmt die Tetraktys („Vierheit") der Zahlen 1, 2, 3, 4 eine Sonderstellung ein, da sie arithmetisch „die Zehnzahl erzeugt" ( 1 + 2 + 3 + 4 = 10), geometrisch ein reguläres Dreieck bildet, musikalisch den vier Seiten der Lyra, nämlich Hypate, Mese, Paramese und Nete zugeordnet wird und ihre Proportionen den harmonischen Klängen der Quarte (4 : 3) der Quinte (3 : 2) und der Oktave (2:1) entsprechen. 39 38
39
Nicomachus of Gerasa, Introduction to Arithmetic (übers. Μ. Luther d'Ooge, mit Kommentar von F. E. Robbins und L. C. Karpinski, New York 1926, repr. New York 1972; vgl. auch Theon von Smyrna, Expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium (ed. Hiller), Leipzig 1878. Zur Harmonielehre der Pythagoräer vgl. auch B. L. van der Waerden, Die Harmonielehre der Pythagoreer, in: Hermes 78, 1943, 163 — 199.
42
1. Frühgeschichte der Symmetrie
Die Harmonie der Natur drückt sich nach pythagoräischer Auffassung in der Einheit von arithmetischen, geometrischen und musikalischen Proportionen aus. Euklid nennt solche Verhältnisse „Logos" (λόγος). In diesem Sinn ist der Logos der Maßstab alles Seienden. Pythagoras demonstriert in seiner Musiktheorie, warum die Zahlen 12, 9, 8, 6 ausgezeichnet sind. Er verwendet dazu das Monochord, ein Instrument mit nur einer Saite, die in zwölf gleich große Intervalle geteilt ist. Von der Zahl 12 können nämlich in ganzen Zahlen die Hälfte, Zweidrittel und Dreiviertel gebildet werden, also die verkürzten Längen 6, 8, 9 der ganzen Saite 12, die der Oktave, Quinte und Quarte entsprechen (Abbildung 1). I O
1
1
1
1
l
1
1 6
1
1
1
8
9
1
1
1 12
Abb. 1
Ferner bilden diese Zahlen die Proportionen 12 : 9 = 8 : 6 . Dabei ist 9 das „arithmetische Mittel" zwischen 12 und 6, d. h. die Differenzen 12 — 9 und 9 — 6 sind gleich. Die Zahl 8 ist das „harmonische Mittel" zwischen 12 und 6, d. h. die Differenzen 12 — 8 und 8 — 6 verhalten sich wie 12 zu 6. Allgemein wird das arithmetische Mittel m zwischen zwei Zahlen a und b pythagoräisch durch a — m = m — b und modern durch m = -γ- (a + b) definiert, das harmonische Mittel h durch 2ab (a — h) : (h — b) = a : b bzw. modern h = —. Entsprechend der a+ b pythagoräischen Einheit von Arithmetik, Musik und Geometrie wird als drittes Verhältnis das „geometrische Mittel" g unterschieden, klassisch durch a : g = g : b, modern durch ab = g 2 bzw. g = |/äb definiert. Die Bezeichnung „geometrisch" ergibt sich daher, daß g die Seite eines mit dem Rechteck ab flächengleichen Quadrates ist.40 Das arithmetische, geometrische und harmonische Mittel bilden die drei pythagoräischen Medietäten (μεσάτης), d. h. Proportionsverhältnisse aus drei Größen, von denen die mittlere aufgrund der Proportion durch die beiden anderen bestimmt ist. In späterer Zeit werden durch äquivalente Formulierungen der pythagoräischen Medietäten und Vertauschen der Glieder weitere Medietäten hinzugefügt. Ihre Ableitung und Begründung erfordert jedoch streng genommen eine allgemeine Proportionenlehre, über die noch zu berichten ist. Als vollkommenstes 40
Nicomachus, s. Anm. 38, 134.
43
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
A
Ε
Β
C
D Abb. 2
Verhältnis galt dasjenige, das aus zwei Zahlen a, b sowie ihrem arithmetischen und harmonischen Mittel besteht, also a : m = h : b, ζ. B. 1 2 : 9 = 8 : 6.41 Dem berühmten Goldenen Schnitt, den Pythagoras von den Babyloniern oder Zarathustra übernommen haben soll und der über Jahrhunderte als ästhetischer Maßstab schlechthin galt, begegneten wir bereits am Pentagramm der Pythagoräer. Die in 1.21 (Abbildung 3) verwendete Produktgleichung x2 = a (a — χ) ist äquivalent der Proportionsgleichung a : χ = χ : (a — χ). Man sagt auch, daß sich die Diagonalen im regulären 5-Eck „nach dem Extremen und dem Mittleren" teilen (Abbildung 2), d. h. das Verhältnis der ganzen Diagonale a zum größeren Teil χ ist gleich dem Verhältnis des größeren Teils χ zum kleineren Teil a — χ. Dazu betrachte man das reguläre Pentagon ABCDE in Abbildung 2, in das sämtliche Diagonalen eingezeichnet sind. Die Diagonalen erzeugen in der Mitte ein kleineres reguläres 5-Eck A'B'C'D'E'. Je eine Seite und eine Diagonale am regulären 5-Eck sind aus Symmetriegründen parallel. Die Dreiecke AED und BE'C haben daher parallele Seiten, sind also ähnlich. Somit ist AD : AE = BC : BE'. Es gilt BE' = B D - B C , denn BC = AE = DE', da EA und DB bzw. DE und AC parallel sind. Am Pentagon gilt also: Diagonale : Seite = Seite : (Diagonale — Seite). 41
Nicomachus, s. Anm. 38, 118.
44
1. Frühgeschichte der Symmetrie
Vieles spricht dafür, daß ausgerechnet an diesem Ordenssymbol der Pythagoräer ihre Philosophie grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Gemeint ist die Entdeckung inkommensurabler
Streckenverhältnisse
ver-
mutlich durch den Pythagoräer Hippasus von Metapont im 5. vorchristlichen Jahrhundert, die in pythagoräischen Kreisen einen Schock ausgelöst haben soll.42 Schließlich stellte diese Entdeckung die Annahme in Frage, auf der die Philosophie der Pythagoräer zunächst beruht hatte, nämlich daß alle Größenverhältnisse durch Verhältnisse ganzer Zahlen ausgedrückt werden könnten — wie die Harmonien auf dem Monochord. In diesem Sinn fallen Harmonie und ganzzahlige Rationalität im Weltbild der Pythagoräer zusammen. Daher wurde die Entdeckung nicht ganzzahliger Größenverhältnisse auch als Einbruch des Irrationalen empfunden, die seinem Entdecker der Sage nach die Strafe der Götter einbrachte. Im Beispiel der Geometrie ging die Untersuchung von Streckenverhältnissen in einer seit altersher geübten Meßpraxis aus. Danach wurde eine Strecke a gemessen, indem eine Maßeinheit e auf der Strecke mmal hintereinander angelegt wurde: a = e+ ...+e = m e . γ
m-mal
Zwei Strecken a 0 und a t heißen kommensurabel, wenn sie in diesem Sinne mit derselben Maßeinheit e gemessen werden können: a 0 = m · e und ai = η · e für zwei natürliche Zahlen m und n. In diesem Fall ist das Streckenverhältnis a 0 : a, ein Verhältnis m : η natürlicher Zahlen. Die Methode, ein gemeinsames Maß zweier Strecken a 0 und ai zu bestimmen, wurde bereits vor aller griechischen Philosophie und Wissenschaft von den Handwerkern als Verfahren der Wechselwegnahme ausgeübt. Euklid hat es in den „Elementen" durch den heute nach ihm benannten Algorithmus beschrieben: Man trage die kleinere Strecke a, auf der größeren a0 so oft wie möglich ab. Der Rest sei a2, d. h. a 0 = njai + a2
mit
a 2 < a. t .
Dann fahre man entsprechend fort: a t = n2a2 + a 3 a 2 = n3a3 + a4
42
mit mit
a3 < a 2 , a4 < a 3 ,
K. von Fritz, The Discovery of Incommensurability by Hippasus of Metapontum, in: Annals of Mathematics XXXVI 1954, 242 — 264; zur folgenden Darstellung vgl. K. Mainzer, Reelle Zahlen, in: H.-D. Ebbinghaus u. a. (Hrsg.), Grundwissen der
45
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
Wenn a 0 und a t ein gemeinsames Maß besitzen, bricht dieses Verfahren nach endlich vielen Schritten ab, d.h. es gibt ein k mit a k _ , = n k a k , und a k ist ein gemeinsames Maß von a 0 und a^ Anschaulich war man zunächst davon überzeugt, daß das Verfahren der „Wechselwegnahme" immer abbricht und daher ein gemeinsames Maß immer vorhanden ist. Modern gesprochen zeigt dieses Verfahren allerdings nur, daß sich jedes Streckenverhältnis in einem Kettenbruch a 0 : a t = nt + a 2 : a t 1 1 = η, Η = η, + a t '.3.2 n2 + a 3 : a 2 1 = η, Η = ... = η, + 1 n2 -\ n2 -I a2:a3
1 n3+...
entwickeln läßt, j a endlich ist, wenn a 0 und ai kommensurabel sind. Bezeichnet man im Beispiel des Pentagons die Diagonale mit a 0 , die Seite mit a u n d ihre Differenz mit a 2 = a 0 — a u so ist a 0 : a t = a t : a 2 , insbesondere a 2 < Ά\. Bildet man wieder die Differenz a 3 = ai — a 2 , so erhält man dieselbe Verhältnisgleichung a i : a 2 = a 2 : a 3 , insbesondere a 3 < a 2 . Man kann das Verfahren unendlich fortsetzen. a 2 = a a gilt. Ganzzahlige Vielfache werden durch wiederholte Addition definiert: m · a = a + ... + a (m Summanden). Das heute meist nach Archimedes benannte Axiom wird vorausgesetzt: Zu jedem a und b gibt es eine natürliche Zahl η mit a < η · b. Damit sind unendlich kleine Größen ausgeschlossen. Es werden Verhältnisse gleichartiger Größen (Streckenverhältnisse, Flächenverhältnisse usw.) betrachtet, die nicht kommensurabel sein müssen. Um solche Verhältnisse miteinander zu vergleichen, wird definiert (Euklids „Elemente" V, Definition 5): „Man sagt, daß Größen in demselben Verhältnis stehen, die erste zur zweiten wie die dritte zur vierten, wenn bei beliebiger Vervielfältigung die Gleichvielfachen der ersten und dritten den Gleichvielfachen der zweiten und vierten gegenüber, paarweise entsprechend genommen, entweder zugleich größer oder zugleich gleich oder zugleich kleiner sind." Modern ausgedrückt bedeutet dies: Man definiert a : b = A : B, wenn für alle natürlichen Zahlen η und m gilt: n a < m · b genau dann, wenn η · A < m · Β, η · a = m · b genau dann, wenn η • A = m · Β, η · a > m · b genau dann, wenn η · A > m • Β. Zahlreiche Sätze der Proportionenlehre können wir heute als Rechengesetze für reelle Zahlen deuten. Man muß allerdings beachten, daß die Griechen nicht einmal rationale, geschweige denn irrationale Verhältnisse als Erweiterungen des Bereichs der natürlichen Zahlen 47
Euklid, s. Anm. 14; Eudoxos, Die Fragmente des Eudoxos von Knidos (Hrsg., Übers., Komm. F. Lasserre), Berlin 1966, D 30—57 (Allgemeine Proportionenlehre); für die folgende Darstellung vgl. K. Mainzer, s. Anm. 42.
50
1. Frühgeschichte der Symmetrie
auffaßten, sondern als Begriffe eigener Art ansahen. Das Ziel der Proportionenlehre sind geometrische Ergebnisse, wie beispielsweise die exakte Begründung zahlreicher Formeln zur Flächen- und Inhaltsberechnung. Die geometrischen Beweise dafür, die meist durch Widerspruch geführt werden, mögen uns, die wir elegante Differential- und Integralkalküle kennen, umständlich erscheinen. Aber erst im 19. Jahrhundert gelang es, erfolgreiche Kalküle, die vor allem seit Beginn der Neuzeit entwickelt wurden, mit der in der griechischen Mathematik üblichen Strenge zu begründen. Während jedoch in der griechischen Mathematik das Interesse am Rechnen mit Zahlen zugunsten von logischer Beweisführung und geometrischer Konstruktion im Hintergrund stand, erhält die Entwicklung des Zahlbegriffs erst durch den Einfluß indisch-arabischer Algebra und die Lösungsformeln mit Wurzeln für Gleichungen 3. und 4. Grades im 16. Jahrhundert entscheidenden Auftrieb. Rückblickend ist es bemerkenswert, daß die antike Proportionenlehre nicht nur die Grundlagen für Harmoniegesetze der Natur und Ästhetik liefert, sondern auch für die Rechtsgesetze menschlichen Zusammenlebens. In der Nikomachischen Ethik des Aristoteles heißt es: „Das also ist das Gerechte: das Proportionale. Und das Ungerechte ist der Verstoß gegen das Proportionale. Das Proportionale aber ist ein Mittleres." 48 Aristoteles unterscheidet auf der mathematischen Grundlage der Proportionenlehre juristisch durchaus modern zwischen der verteilenden Gerechtigkeit im Sinne des öffentlichen Rechts und der ausgleichenden Gerechtigkeit im Sinne des Privatrechts. Wenn es um die Verteilung eines gemeinsamen Guts, von Ehrungen, Ämtern, Geldbeträgen etc. (aber auch — so würde man heute hinzufügen — um die Zuteilung von Steuerlasten) geht, so wird die „Angemessenheit" der Verteilungen und Zuteilungen durch die Proportionen der Leistungen, der Verdienste, der Tüchtigkeit etc. der einzelnen Personen untereinander festgelegt. Geht es jedoch darum, einen Schaden in den vertraglichen Beziehungen von Menschen auszugleichen, so „schaut das Gesetz nur auf den Unterschied zwischen der Höhe des Schadens, (aber) es betrachtet die Partner als gleich": 49 Person a und Person b gelten also als gleich, d.h. a = b. Durch das Unrecht, das b an a verübt, z. B. durch Wegnahme des Guts c, ist die Gleichheit verletzt, d. h. a —c
48
Aristoteles, Nikomachische Ethik (Übers. F. Dirlmeier, Anmerkungen E. A. Schmidt), Stuttgart 1969, 1131 b 9 - 3 2 . 4 » Aristoteles, s. Anm. 48, 1131 b 3 2 - 1 1 3 2 a 19.
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
51
< b + c. Der Ausgleich besteht in der Rückgabe von c, also (a — c) + c = (b + c) — c. Das ist aber nichts anderes als eine arithmetische Medietät, die generell für das Privatrecht vorgesehen ist. Auf der Grundlage der Proportionenlehre entsteht also das einheitliche Bild einer proportional wohlgeordneten Welt der Zahlen, der geometrischen Größen, der musikalischen Harmonien und des Rechts. Es stellt sich die Frage, wie dieses Weltbild mathematischer Harmonien mit der Wirklichkeit der Natur zusammengeht. Dazu betrachten wir zunächst die antike-mittelalterliche Astronomie, die historisch als erste Disziplin der Realwissenschaften mathematisiert wurde und neben Arithmetik, Geometrie und Musik (Harmonielehre) die vierte mathematische Disziplin des pythagoräischen Quadriviums bildete. 1.23 Astronomie In allen frühen Kulturen finden wir astronomisches Wissen, das der zeitlichen und räumlichen Orientierung dient, aber auch astrologische und religiöse Deutungen der Welt stützen soll. Technisch werden Methoden entwickelt, um gewisse Himmelserscheinungen relativ zum Standort des Beobachters beschreiben zu können. 50 Dazu gehören das Auf- und Untergehen von Sonne, Mond und Sternen. Seit ca. zwei Jahrtausenden v. Chr. wird z. B. in den ägyptischen Sternkalendern der heliakische Aufgang des Sirius notiert. 51 Die periodischen Abläufe am Himmel dienen der Kalenderbestimmung und werden in Zusammenhang gebracht mit jährlichen Naturereignissen wie z. B. der Nilüberflutung, mit der die Fruchtbarkeit der Felder und damit die Lebensgrundlage der Menschen gesichert ist. Der orientalische Kult der Auferstehung und Wiedergeburt hat im Auf- und Untergehen der Sterne und den damit verbundenen fruchtbaren Perioden auf Erden ihren Ursprung, ebenso die Sternenmythologie von Liebe und Tod der Götter Osiris (Orion) und Isis (Sirius). Von bewunderungswürdiger Genauigkeit sind die babylonischen Mondtafeln, aus denen periodische Ver-
50
51
Neben den klassischen Hochkulturen in Mittelamerika, Asien, Südeuropa und im Nahen Osten finden sich dafür auch Zeugnisse in prähistorischen Dokumenten Westeuropas: vgl. A. Thom, Astronomical Significance of Prehistoric Monuments in Western Europe, in: Phil. Trans. R. Soc. Lond. A 276 1974, 1 4 9 - 1 5 6 . Den mathematischen Hintergrund diskutiert Β. L. van der Waerden, s. Anm. 13, 16 ff. R. A. Parker, Ancient Egyptian Astronomy, in: Phil. Trans. R. Soc. Lond. A 276 1974, 51—65; Originaltexte in O. Neugebauer/R. A. Parker, Egyptian astronomical texts I —III, Providence 1960/64/69; vgl. auch Β. L. van der Waerden, Die Anfänge der Astronomie (Erwachende Wissenschaft II), Basel 1968.
52
1. Frühgeschichte der Symmetrie
laufsgesetze abgelesen werden. 52 Neben der Zeitbestimmung in Kalendern sind die babylonischen Herrscher an Horoskopen interessiert, die den Lebensweg ihrer Seele im Zodiak der Tierzeichen bestimmen sollen. Es ist nicht mit privatistischer Neugierde und Horoskopgläubigkeit heutiger Zeitgenossen zu verwechseln. Das Horoskop des Herrschers war Staatsinteresse: Stabilität und Krisen des den Staat repräsentierenden Herrschers sollten vorausschaubar und berechenbar werden. Auch in der Astronomie der Maya stehen genaue Beobachtungstafeln im Vordergrund, z. B. Beobachtungen der Venus, aber auch die Voraussagen von Sonnenfinsternissen. In der chinesischen Astronomie werden sehr früh sphärische Modelle der Himmelskugeln entwickelt, die noch vor den abendländischen Himmelsgloben in mechanischen Modellen nachgebaut werden. Auch hier ist Astronomie Staatsinteresse, was die kunstvollen Sonnenuhren und Himmelsgloben im kaiserlichen Palast zu Peking oder anderenorts belegen. Nicht Priester oder selbständige Wissenschaftler, sondern hohe Staatsbeamte der kaiserlichen Bürokratie registrieren über Jahrhunderte peinlich genau alle Himmelsbewegungen.53 Der Sternenhimmel als Abbild der Hierarchie des Kaiserreiches: in der Mitte der Himmelspol wie der Kaiser, um den sich alles dreht. Die Chinesen besitzen jedoch keine mathematische Theorie wie die beweisende Geometrie Euklids, um die Beobachtungen in einem geometrischen Modell mathematisch exakt erklären und ableiten zu können. Das gelingt erst in der griechischen Astronomie. Die Planetenbewegungen werden dort in Sphärenbewegungen rekonstruiert, die in kunstvollen Proportionen aufeinander abgestimmt sind. Bei den Pythagoräern wird die Himmelsharmonie zum zentralen Thema ihrer Astronomie. 54 Sie lehrten nämlich, daß jeder Planet bei seiner Kreisbewegung einen Klang erzeugt und daß diese Klänge eine Harmonie der Sphären ausdrücken. Später werden den sieben Saiten der Lyra die sieben damals angenommenen Planeten zugeordnet: „Der Himmel ist Harmonie und Zahl."
52
53
54
A. Sachs, Babylonian observational astronomy, in: Phil. Trans. R. Soc. Lond. A 276 1974, 43 — 50; vgl. auch B. L. van der Waerden, s. Anm. 50, 34—49; O. Neugebauer, The Exact Sciences in Antiquity, Providence 1968. Vgl. auch J. Needham, Astronomy in ancient and medieval China, in: Phil. Trans. R. Soc. Lond. A 2 7 6 1974, 6 7 - 8 2 . Die Astronomie der Pythagoräer läßt sich aus verschiedenen Werken Piatons rekonstruieren. Besonders der Dialog ,Timaios' greift nach antiken Kommentatoren auf pythagoräische Quellen zurück. Vgl. dazu auch A. E. Taylor, A Commentary on Plato's Timaeus, Oxford 1928; ebenso Β. L. van der Waerden, s. Anm. 15, 424 ff.
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
53
In der Zeit Piatons hat sich die Überzeugung durchgesetzt, daß der Kosmos zentralsymmetrisch mit der Erde als Kugel in der Mitte geordnet ist. Bemerkenswert ist Piatons Argumentation im „Phaidon" (108 c): „Ich bin also erstens überzeugt, daß die Erde, wenn sie rund ist und sich in der Mitte des Himmelsraumes befindet, weder der Luft noch einer anderen Stütze bedarf, um nicht zu fallen, sondern daß die allseitige Gleichheit des Himmels mit sich selbst und das eigene Gleichgewicht der Erde genügen, um sie zu halten."
Platon begründet diese Auffassung mit der Isotropie des Raumes und einem Prinzip des zureichenden Grundes, das fast wörtlich von Leibniz benutzt wird, um die Isotropie und die Homogenität des Raumes in der neuzeitlichen Mechanik zu begründen: „Denn ein Körper, der sich im Gleichgewicht befindet und in der Mitte eines gleichmäßigen Raumes gesetzt ist, hat keinen Anlaß, sich nach irgendeiner Richtung mehr oder weniger zu neigen, sondern er bleibt, ohne sich zu neigen, in der gleichen Lage. Dies ist das erste, wovon ich überzeugt bin." Im „Staat" stellt Platon ein wahres Planetarium der Himmelskörper vor, deren Sphärenbewegungen von außen durch die Hände der Moiren ausgelöst werden. Der Kosmos ist danach ein zentralsymmetrisch geordnetes System mit der kugelförmigen Erde in der Mitte, um die sich der ganze Himmel nach rechts um die Himmelsachse, die durch die Erde hindurchgeht, dreht. Sonne, Mond und Planeten drehen sich nach links auf Sphären, die von der Erde verschiedene Abstände in der Reihenfolge Mond, Sonne, Venus, Merkur, Jupiter und Saturn haben. Die äußerste Schale trägt die Fixsternsphäre. Nach platonischpythagoräischer Auffassung verhalten sich die Umlaufzeiten wie ganze Zahlen. Es gibt ein gemeinsames Vielfaches aller Umlaufzeiten, nach dessen Ablauf alle Planeten wieder genau an derselben Stelle stehen. Jeder von ihnen erzeugt bei der Bewegung einen Ton, so daß die Töne der Sphärenbewegungen insgesamt eine Sphärenharmonie im Sinne einer wohlgeordneten Tonleiter bilden. Geometrische, arithmetische und ästhetische Symmetrien des Kosmos klingen in einer harmonischen Sphärenmusik durch das All. Dieses emphatische Symmetriemodell des Kosmos wurde bald schon durch genaue Beobachtungen in Frage gestellt. Ein schwieriges Problem stellten nämlich die unregelmäßigen Planetenbahnen, insbesondere ihre rückläufigen Bewegungen dar. Beunruhigend waren die Unregelmäßigkeiten am Himmel besonders für Philosophen, die in pythagoräischer Tradition gewohnt waren, den Himmel im Unterschied zur Erde als den Bereich ewiger Symmetrie und Harmonie zu verstehen. An dieser Stelle tritt wieder der Mathematiker Eudoxos von Knidos auf (vgl. 1.22). Nach Eudemos stellte nämlich Platon dem Eudoxos
54
1. Frühgeschichte der Symmetrie
die Frage, durch welche gleichmäßigen, geordneten Kreisbewegungen die Erscheinungen der Planeten „gerettet", d. h. kinematisch erklärt werden können. 55 Ob Piaton wirklich diese Aufgabe dem Eudoxos gestellt hat, darüber streiten noch die Gelehrten. Jedenfalls formuliert dieser Bericht ein neues astronomisches Forschungsprogramm mit dem Ziel einer kinematischen Erklärung empirischer Daten in einem apriorisch vorausgesetzten zentralsymmetrischen Sphärenmodell. Eudoxos war auf diese Aufgabe bestens vorbereitet. Er hatte u. a. Mathematik bei Archytas in Tarent und Philosophie und Rhetorik bei Piaton in Athen studiert, bevor er — in dieser Weise theoretisch ausgewiesen — nach Ägypten ging, um an den dortigen Observatorien empirische Astronomie zu betreiben. 56 Empirische Astronomie heißt hier in der ägyptischen und babylonischen Tradition genaue Beobachtung der Himmelsphänomene, die in Tabellen gesammelt wurden. Neben die Empirie der Meßdaten tritt nun eine davon unabhängige Erkenntnisquelle, d. h. eine apriorische geometrische Theorie zur kinematischen Erzeugung von komplizierten Kurvenschleifen durch einfachere gleichförmige Kreisbewegungen. Die pathetische Symmetrieschwärmerei der Pythagoräer wird also von Eudoxos durch ein nüchternes mathematisch-astronomisches Programm ersetzt, in dem Symmetrieannahmen wegen ihrer mathematischen Einfachheit und Eleganz gemacht werden. Die Lösung des Eudoxos fasziniert Astronomie- und Mathematikhistoriker bis heute, und da von Eudoxos bis Kepler in dieser oder ähnlicher Weise theoretische Astronomie auf Symmetrieannahmen gegründet wurde, soll eine kurze Lösungsskizze angegeben werden. 57 In Abbildung 1 sieht man die geozentrische Bewegung der Planeten Merkur (volle Linie), Venus (gebrochene Linie) und Mars (Punkt-Bindestrich Linie) entlang der Ekliptik (jährliche Sonnenbahn) von der Erde aus beobachtet. 58 Betrachtet man die Fixsterne auf eine Kugel projiziert, die täglich um die Nord-Süd-Achse durch die feststehende Erde rotiert, so bewegt sich die Sonne auf einem schrägen Großkreis in entgegengesetzter Richtung langsam jährlich einmal um die Erde (Abbildung 2). Setzt man die Zeiten zwischen Frühling, Sommer, 55
56
57
58
Dazu auch J. Mittelstraß, Die Rettung der Phänomene. Ursprung und Geschichte eines antiken Forschungsprinzips, Berlin 1962; ebenso K. von Fritz, Grundprobleme der Geschichte der antiken Wissenschaft, Berlin/New York 1971, 176 ff. Vgl. auch P. Merlan, The Life of Eudoxos, in: ders., Studies in Epicurus and Aristotle, Wiesbaden 1960, 9 8 - 1 0 4 . Für die folgende Darstellung vgl. K. Mainzer, Grundlagenprobleme in der Geschichte der exakten Wissenschaften, Konstanz 1981, 8 ff. E. Maula, Studies in Eudoxos' Homocentric Spheres', Helsinki 1974, 83.
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
55
Herbst und Winter vereinfachend als gleich voraus, so genügen zur kinematischen Rekonstruktion der Ekliptik zwei zentrisch gelagerte Kugeln: Die äußere Fixsternsphäre rotiert einmal täglich mit der Periode T0; die Achse der inneren Sphäre ist entsprechend der Ekliptikschräge geneigt und führt auf ihrem Äquator die Sonne in entgegengesetzter Richtung mit einer Periode ca. Ti : T 0 = 365 : 1 mit. Es kommt nun darauf an, die Planetenschleifen entlang der Ekliptik durch zwei zusätzlich zentrisch eingelagerte Sphären zu rekonstruieren. Die Drehungen der dritten und vierten Kugel dienen dazu, die abwechselnd vorwärts- und zurücklaufende
Bewegung der Planeten
zu
erklären. Ihre Umlaufgeschwindigkeiten sind gleich, aber entgegengesetzt. Ihre Umlaufzeit entspricht der Schleifenperiode des Planeten, also Jupiter z.B. T 2 : T 0 = 399:1. Die Pole, um welche die dritte Kugel sich bezüglich der zweiten Kugel dreht, liegen auf der Ekliptik.
56
1. Frühgeschichte der Symmetrie
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
-20 -40
-60
Abb. 4
Die beiden Drehungsachsen sind schief gestellt, sonst würden die 3. und 4. Bewegung zusammenfallen und sich gegenseitig aufheben. Dadurch kommt es zu einer periodischen Wackelbewegung in der Form einer liegenden 8 („Hippopede"), deren Mittelpunkt die Ekliptik in der siderischen Umlaufzeit durchläuft und deren Schleifengröße vom Neigungswinkel der Achse abhängt. Das Schleifenphänomen kommt zustande, wenn sich der Planet in einer zur Ekliptikbewegung entgegengesetzten Bewegung auf der Hippopede in der Nähe ihres Mittelpunktes befindet (Abbildung 3).59 In Abbildung 4 sind die Kurven gezeichnet, die durch die Bewegung der Hippopede erzeugt werden und die man vom gemeinsamen Zentrum der Sphären bei verschiedenen Geschwindigkeiten sieht. Oben ist die Hippopede selber gezeichnet. Bei wachsender Vorwärtsbewegung entsteht eine Kurve, die tatsächlich approximativ die rückläufige Bewegung des betreffenden Planeten imitiert. Wird die Vorwärtsbewegung zu schnell, können die rückläufigen Effekte nicht erreicht werden und die Kurve verflacht. 59
Vgl. Eudoxos von Knidos, s. Anm. 47, 67 ff.; Simplicius, In Aristt. De caelo comm., p. 492 (Heiberg); Aristoteles, Metaphysik A 8.1073 b 17 ff.
57
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
iL)
Abb. 5
Abb. 6
Mathematisch scharfsinnig ist dabei Eudoxos Erzeugung der Hippopede durch zwei zentrisch gelagerte Kugelbewegungen. Diese Kurve ist in der analytischen Geometrie der Ebene als Lemniskate bekannt. Auf der gekrümmten Kugeloberfläche kann sie als Durchschnitt der Kugel mit einem die Kugel von innen in einem Punkt berührenden Zylinder beschrieben werden (Abbildung 5). Einen entsprechenden Beweis führte Schiaparelli 1877 mit analytischen und trigonometrischen Methoden. 60 Dieser Beweis ist aber historisch sicher nicht adäquat, wenn man bedenkt, daß die Lemniskate analytisch erst von Jakob Bernoulli (1654 — 1705) untersucht wurde und trigonometrische Begriffe in der Antike erst (in Form der Sehnentafel) bei Ptolemaios in Gebrauch kamen. Eine rein geometrische Rekonstruktion schlägt Neugebauer vor.61 Sie ist trickreich, aber anschaulich und setzt nur dem Eudoxos bekannte Methoden voraus (Abbildung 5). In Abbildung 5 entspricht lx Durchlaufen der Hippopede 2x Durchlaufen des projizierten kleineren Kreises (Epizykel) auf der Äquatorebene der Sphäre um C. Es genügt daher, folgende Behauptung zu beweisen: 2x Durchlaufen des Epizykels bei Α wird durch lx Drehung der Sphären um D und C mit gleicher Geschwindigkeit, aber entge60
61
G. Schiaparelli, Le sfere omocentriche di Eudosso, di Callippo e di Aristotele, in: Mem. R. Ist. Lomb. Sei. Lett., Mat e Nat., vol. XIII (Ser. II, vol. III) 1877, 1 Π Ι 79, dt. Die homozentrischen Sphären des Eudoxos, des Kallippus und des Aristoteles, Abh. Gesch. Math. Heft 1, Leipzig 1877; ders., Scritti sulla storia della astronomia antica Bd. 2, Bologna 1926. O. Neugebauer, On the ,Hippopede' of Eudoxos, in: Scripta Mathematica 19 1953, 225 — 229; R. C. Riddell, Eudoxan Mathematics and the Eudoxan Spheres, in: Archive for History of Exact Sciences 20 1979, 1 - 1 9 .
58
1. Frühgeschichte der Symmetrie
Ο Ο
Abb. 7
F
L Β;
Β
Β
Abb. 8
gengesetzter Richtung erzeugt. Damit wäre bewiesen, daß die Hippopede durch zwei zentralsymmetrische Kugelbewegungen erzeugt wird. Zum Beweis betrachte man die Äquatorebene von D in Abbildung 6, die durch Kippen der Äquatorebene der Sphäre von C um die Achse AO entsteht. In Abbildung 7 wird Ρ durch 1/4 Sphärendrehung von Α nach Bi bewegt. Das entspricht einer projizierten Bewegung von P' auf dem Ellipsenbogen ABi bzw. auf dem 1/2 Epizykelkreis GQ. Dazu ist zu zeigen: GQ bleibt konstant bzw. GQ = Β',Β, d. h. OG = OB',. Dazu genügt zu zeigen: OG : OF = OBJ : OF. Diese Proportion gilt, da nach den Ähnlichkeitssätzen OG : OF = OQ : OL, OQ - OB = OB, und OL = OE ist. 1 Sphärendrehung um D entspricht 1 Sphärendrehung um C mit gleicher Geschwindigkeit, aber entgegengesetzt. Der kleine Epizykelkreis, auf dem sich P' bewegt (Abbildung 8), wird daher bei Α festgehalten. Bemerkenswert an diesem Beweis ist die Erzeugung eines Ellipsenbogens mit Hilfe eines Epizykels. In der Astronomie kommen ja Epizykel erst viel später z. B. bei Apollonius und Ptolemaios in Gebrauch, Ellipsen als Planetenbahnen sogar erst bei Kepler. Aber in der Geometrie werden kombinierte Kreisbewegungen mit Epizykeln zur Kurvenerzeugung schon seit Archytas, dem Lehrer des Eudoxos, verwendet und können daher für eine Beweisrekonstruktion vorausgesetzt werden. Das eudoxische Planetenmodell mit seinen zentrisch um die Erde gelagerten Sphären ist von bestechender mathematischer Einfachheit und Symmetrie. Es wurde von Kallippos und Aristoteles mit einigen Verbesserungen übernommen. Und obwohl es sich empirisch nicht als adäquat erwies (— die wechselnde Helligkeit der Planeten konnte wegen des konstanten Abstandes auf den Sphären nicht erklärt werden —), übte es auf Zeitgenossen und Nachfolger bis zu Kepler eine
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
59
paradigmatische Wirkung aus, die durch zusätzliche Hilfsmittel und ad-hoc Hypothesen (Epizykel, Deferenten u. ä.) nur bestrebt waren, den harten Kern des eudoxischen Programms, nämlich Rekonstruktion der Planetenbahnen mit gleichförmigen Kreisbewegungen, zu bestätigen. 62 Größere Genauigkeit in der Rekonstruktion von beobachteten Kurven wurde durch den Vorschlag des Apollonios von Perga (ca. 210 v. Chr.) erreicht, das gemeinsame Zentrum der Sphären aufzugeben. Festgehalten werden sollte jedoch an der Sphärenform der Planetenbewegung und der Gleichförmigkeit der Geschwindigkeit der Sphären. Nach diesem Vorschlag kreisen die Planeten gleichförmig auf Sphären (Epizykeln), deren gedachte Zentren sich gleichförmig auf Großkreisen (Deferenten) um den Mittelpunkt (Erde) bewegen.63 Durch geeignete Proportionen der Geschwindigkeiten und Durchmesser der beiden Kreisbewegungen und Variation ihrer Bewegungsrichtungen läßt sich eine ungeahnte Möglichkeit von Kurven produzieren, die teilweise auch von Ptolemaios bis Kepler Anwendung in der Astronomie fanden. Die stetige Sphärensymmetrie der Modelle bleibt also gewahrt, wenn sie auch kein gemeinsames Zentrum mehr besitzen, sondern auf verschiedene Kreiszentren verteilt sind. Die folgenden Beispiele aus der Epizykel-Deferenten-Technik zeigen, welche Vielfalt von augenscheinlichen Bewegungsformen durch geeignete Kombination gleichförmiger Kreisbewegungen erzeugt werden kann. 64 Damit wird die platonische Philosophie verständlich, wonach hinter den Veränderungen der „Erscheinungen" die ewigen und unveränderlichen Formen stehen. In Abbildung 9 wird eine elliptische Umlaufbahn durch die Kombination einer Deferenten- und Epizykelbewegung erzeugt. Abbildung 10 zeigt eine geschlossene Zykloide. So lassen sich auch wechselnde Abstände zwischen Planeten und Erde darstellen. Prinzipiell können sogar eckige Figuren produziert werden. 62
63
64
Zur wissenschaftstheoretischen Diskussion dieser Entwicklung T. S. Kuhn, The Copernican Revolution. Planetary Astronomy in the Development of Western Thought, Cambridge 21966. Die mathematisch ausgearbeitete Epizykeltheorie wird Apollonios durch Ptolemaios (Syntaxis XII.1) zugewiesen. Vermutlich ist er aber nicht der Erfinder dieser Theorie, da sie implizit bereits vorher verwendet wurde. Vgl. dazu T. Heath, s. Anm. 35, 195 f. Nach B. L. van der Waerden kannten bereits die Pythagoräer eine primitive Epizykeltheorie der Astronomie, die auch Piaton bekannt war (vgl. ders., Die Pythagoreer [s. Anm. 15], 441). Diese These wird bestritten von O. Neugebauer, A History of Ancient Mathematical Astronomy II, Berlin 1975, 696. Daß Epizykel zur kinematischen Erzeugung von Kurven wenigstens in der Mathematik vor Apollonios verwendet wurden, wird nicht bestritten. Vgl. dazu auch N. R. Hanson, Constellations and Conjectures, Boston 1973, 101 ff.
60
1. Frühgeschichte der Symmetrie
Abb. 9
Abb. 10
Abb. 11
Abb. 12
Abb. 13
Abb. 14
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
61
Wenn sich in Abbildung 11 der Epizykeldurchmesser dem Deferentendurchmesser nähert, entsteht exakt eine Strecke. Diese Konstruktion hat Kopernicus in „De revolutionibus" erwähnt. 65 Selbst reguläre Dreiund Vierecke (Abbildung 12 und 13) können durch geeignete Kombination einer Epizykel- und Deferentenbewegung erzeugt werden, indem man die Geschwindigkeit der Ost-Westbewegung eines Planeten ändert, der sich auf einem Epizykel mit West-Ostbewegung bewegt. Läßt man den Himmelskörper auf einem zweiten Epizykel kreisen, dessen Mittelpunkt sich auf dem 1. Epizykel bewegt, so kann man eine komplexe Vielfalt von elliptischen Umläufen, von spiegelsymmetrischen Kurven, periodischen Kurven (Abbildung 14), aber auch nichtperiodischen und asymmetrischen Kurven (Abbildung 15) erzeugen. Von einem rein mathematischen und kinetischen Standpunkt ist Piatons Problem der „Rettung der Phänomene" vollständig gelöst. Es gibt keine Kurve der beobachtenden Astronomie, die nicht annähernd mit beliebiger Genauigkeit als Resultante einer Epizykel-DeferentenKombinationsbewegung erzeugt werden kann. Ja, bei Betrachtung asymmetrischer Kurven wie in Abbildung 15 möchte man hinzufügen: Selbst die Bahnen von Elementarteilchen, die auf den Fotoplatten 65
N. Kopernikus, De revolutionibus orbium coelestium, III, 4. Dazu auch C. B. Boyer, Note on Epicycles and the Ellipse from Copernicus to Lahire, Isis 1947, 38, 54— 56.
62
1. Frühgeschichte der Symmetrie
heutiger Hochenergiephysiker festgehalten werden, könnten weitgehend durch die Epizykel-Deferenten-Technik rekonstrukiert werden. Prinzipiell könnte also Piatons Paradigma der Symmetrie im Sinne gleichförmiger Kreisbewegung (modifiziert durch Apollonios und Ptolemaios) bis heute die Wissenschaften bestimmen. Durch die phänomenologische Beschreibung von Kurvenbahnen kann es jedenfalls nicht widerlegt werden. Insbesondere scheint von diesem Standpunkt aus der Austausch von Erde und Sonne in der sogenannten Kopernikanischen Wende, aber auch Keplers Wechsel von Kreis- zu Ellipsenbahnen sekundär, da beide Ansätze auf die Kombination von Kreisbewegungen im Sinne der Epizykel-Deferenten-Technik zurückgeführt werden können. 66 Zwei Fragen stellen sich jetzt: 1.) Wie ist die Behauptung mathematisch begründet? 2.) Wenn sie begründet ist, warum spielt sie in modernen naturwissenschaftlichen Anwendungen der Kurventheorie keine Rolle? Um die erste Frage exakt und allgemein zu beantworten, muß auf den modernen Apparat der analytischen Geometrie zurückgegriffen werden. Historisch wußten aber auch Kopernikus und Kepler,67 wie die von ihnen verwendeten Kurven (z. B. Ellipse) durch die EpizykelDeferenten-Technik rekonstruiert werden können. Zunächst ist daran zu erinnern, daß Punkte in der Ebene durch komplexe Zahlen ζ = χ + iy = reie repräsentiert werden können mit den entsprechenden cartesischen Koordinaten (x, y) oder Polarkoordinaten (r, Θ). Die Addition komplexer Zahlen entspricht dann der Vektoraddition. 68 Eine gleichförmige Kreisbewegung mit Zentrum c, Radius ρ und Periode Τ kann dargestellt werden durch z
_
c
ρ 6 ί ( ( 2 π t/T) + α) _
c
ρ £ ( 2 π it/T) + ia
mit Zeit t und Anfangsphase α des Punktes. Man nehme nun einen Punkt Α an, der sich nach der Gleichung ζ = f (t) bewegt. Ein Punkt Β bewege sich relativ zu Α auf einem Kreis mit dem Radius ρ mit Periode Τ und Anfangsphase α. Die Bewegung von Β ist dann durch die Gleichung ζ = f(t) + ρε(2πί*/Τ) + ια 66
67 68
Κ. Mainzer/J. Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie Bd. 2, Mannheim/Wien/Zürich 1984, 3 8 3 - 3 9 0 . Vgl. Keplers Brief vom 1. 8. 1607 an D. Fabricius, Ges. Werke XVI, 1 4 - 3 0 . Entsprechende Berechnungen führte N. R. Hanson, s. Anm. 64, 113 ff., durch. Die allgemeine mathematische Theorie ist dargestellt in H. Bohr, Fastperiodische Funktionen, Berlin 1932.
1.2 Symmetrien der antiken-mittelalterlichen Mathematik
63
beschrieben. Dann kann die Bewegung eines Punktes Β auf einem Epizykel beschrieben werden, dessen Mittelpunkt sich um Α bewegt. Die Hinzufügung eines neuen Epizykels wird mathematisch durch die Addition eines neuen Terms ρε(2π lt/T) + ict zum Ausdruck von ζ beschrieben. Es gilt offenbar + * = ee ict e (2nit/T) = aeikt mit einer komplexen Zahl a / 0 und k reell. Im Falle einer rückläufigen Bewegung wird Τ bzw. k negativ angenommen. Einer Bewegung, die sich aus der Superposition von η Epizykeln ergibt, entspricht dann die Gleichung ζ = a!e ik,t + a2eik2t + ... + a n e iknt . Wir gehen nun zunächst von einer periodischen Bewegung in der Ebene ζ = f(t) (ζ. B. mit Periode 2π) aus. Mathematisch setzen wir dazu f als stetig und von begrenzter Variation aus. Dann existiert für f eine Darstellung mit einer gleichförmig konvergenten Reihe 00 f(t) Σ cneint. η = — oo
Mathematisch läßt sich daher leicht beweisen, daß f(t) durch Funktionen Ν
S N (t) =
Σ
η = -N
cneint
mit beliebiger Genauigkeit für wachsendes Ν approximiert werden kann. f ist ja gleichförmig konvergent. Daher läßt sich für beliebig kleines ε > 0 ein Index N 0 angeben, so daß für alle Ν > N 0 und alle t gilt |f(t)-SN(t)| 90° möglich, im zweiten Fall (gleichseitiges Dreieck) eine Drehung von 60°, d. h. η < 4 oder η = 6. Gruppe C] enthält nur die Identität, C 2 zusätzlich die Drehung um 180°. Gegen C, und C 2 ist also jedes Gitter invariant. Für C 4 kommen wegen der Drehung um 2π/4 quadratische Gitter in Frage, für C 3 und C 6 wegen der Drehungen um 2π/3 und 2π/6 hexagonale Gitter. Läßt man Spiegelungssymmetrie zu, erhält man wegen C n c= D n noch die fünf Diedergruppen D,, D 2 , D 3 , D 4 , D 6 . Damit haben wir insgesamt 10 mögliche Punktgruppen von Ornamentsymmetrien, die jeweils einen Punkt festhalten. Es besteht Di aus der Identität und der Spiegelung an einer Achse durch den Ursprung eines Gitters. Es kommen daher für D, zwei Gitterarten in Frage, nämlich die Rechtecks- und Karogitter (Abb. 5). Im ersten Fall sind die Ecken der Rechtecke die Gitterpunkte. Im zweiten Fall besteht das Gitter aus den Rhomben, die durch die Diagonalgeraden des Rechteckgitters entstehen. Gitterpunkte sind hier 17
W. Barlow, Philosophical Magazine (6), 1 1901, 17.
151
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
- - - - - - • - - -
/ / / / / / / / / / Ζ Ζ Ζ Ζ Ζ ' ' / / / - - - - -
- - (1)
(2)
r- -^r- -^r« « « « «
S %
S , S ι s
r-
(3)
(4)
> > > > > • > > > > > > > > > (5)
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(11)
(12)
«S ^ -
(14)
(8)
(15)
k » ι
k k
ι k
(13)
» ir
(16)
Τ 'k (17)
Abb. 7
die Ecken und die Mittelpunkte der Rechtecke. Diese beiden Gitterarten lassen auch D 2 invariant. Für D 4 kommen wieder quadratische Gitter in Frage, während D 3 und D 6 hexagonale Gitter invariant lassen. Insgesamt erhalten wir also fünf Gittertypen der Ebene (Abb. 5). Berücksichtigt man noch zusätzlich die Translationsmöglichkeiten, erhält man insgesamt genau 17 ebene Ornamentgruppen. Sie lassen sich durch folgende Transformationen erzeugen (Abb. 7)18: (1) Translationen; (2) Translationen und Inversionen; (3) Kombination aus (8), (11), (12); (4) Kombination aus (2), (6); (5) Translationen und Spiegelungen an zueinander parallelen Achsen; (6) Translationen und Gleitspiegelungen an zueinander parallelen Achsen; (7) Kombination aus (2), (5), (6); (8) Kombination aus (2), (9); (9) Translationen, Spiegelungen und Gleitspiegelungen an zueinander parallelen Achsen; (10) Kombination aus (4), (8), (12); (11) Kombination aus (2), (5); (12) Translationen und Drehungen um 90°; (13) Translationen und Drehungen um 120°; (14) Kombination aus (9), (15), (17); (15) Kombination aus (9), (13), bei der nicht alle Drehpunkte auf Spiegelungsachsen liegen; (16) Kom18
Α. V. Shubnikov/V. A. Koptsik, s. Anm. 9, 157; vgl. auch K. L. Wolf/R. Wolf, s. Anm. 9, 142 ff.
152
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
(12) Ägypten
(17) Persien Abb. 8
bination aus (9), (13), bei der alle Drehpunkte auf Spiegelungsachsen liegen; (17) Kombination aus (2), (13). Man sieht leicht, welche Ornamente durch die Drehungs- und Diedergruppen invariant gelassen werden. Es gelten die Zuordnungen Q für Ornament (1); C2 für (2); C 3 für (13); C 4 für (12); C 6 für (17); D, für (5), (6), (9); D 2 für (4), (7), (8), (11); D 3 für (15), (16); D 4 für (3), (10); D 6 für (14). In Abb. 8 sind Beispiele von Ornamenten aus verschiedenen Kulturen dargestellt. 19 Im Barock-Zeitalter wurden reguläre Figuren und Ornamente im Zusammenhang mit illusionistischen Spiegeleffekten 19
O. Jones, The Grammar of Ornament, London 1856.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
153
untersucht. In Abschn. 1.21 haben wir bereits das Kaleidoskop des A. Kirchner von 1646 erwähnt. Im Grunde handelt es sich um ein Modell für die Diedergruppe D n . Dazu werden zwei Spiegel mit einem Scharnier verbunden, so daß sie einen Winkel von π/η bilden. Ein Objekt zwischen den Spiegeln gibt zusammen mit dem Urbild 2n sichtbare Bilder. Ist das Objekt ζ. B. die rechte Hand, so haben η der Bilder die Gestalt der linken Hand. Einige Figuren, die häufig durch Falten und Ausschneiden hergestellt werden, können auch durch Kaleidoskope realisiert werden. 20 Es handelt sich um Ornamente vom Typ (3), (11), (14), (15) (Abb. 9).
Abb. 9
Spiegel, die auf einem gleichschenklig-rechtwinkligen Dreieck aufgestellt sind, ergeben Ornamente vom Typ (3). Eine prismatische Anordnung von Spiegeln auf den Seiten eines Rechtecks mit Innenspiegeln und mit dem Urbild im Prisma liefert Ornamente vom Typ (11). Ein Kaleidoskop mit drei Spiegeln auf den Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks mit Winkeln 30° und 60° erzeugt Ornamente vom Typ (14), während ein Kaleidoskop mit Spiegeln auf den Seiten eines gleichseitigen Dreiecks Ornamente vom Typ (15) gibt. Für die naturwissenschaftliche Anwendung sind die Gittermuster interessant, die durch Überlagerung („Superposition") von (eventuell gedrehten) Gittermustern entstehen. Solche Interferenzmuster werden ζ. B. in der Spektroskopie oder Kristallographie untersucht. Analog zu den Bandornamenten lassen sich neben den 1-seitigen Flächenornamenten auch 2-seitige Flächenornamente betrachten. Dabei werden die reliefartigen Rankenornamente berücksichtigt und die Ebene selber als Spiegelebene hinzugenommen. Wie erst 1929 bewiesen wurde, gibt es genau 80 Symmetriegruppen, die in Abb. 10 zusammengestellt sind (vgl. dazu auch Abb. 4). 21 20 21
Vgl. auch Α. V. Shubnikov/V. A. Koptsik, s. Anm. 9, 169 ff. L. Weber, Die Symmetrie homogener ebener Punktsysteme, in: Z. Kristallogr. 70 1929, 309-327; ebenso A.V. Schubnikov/V. A. Koptsik, s. Anm. 9, 1 9 1 - 1 9 4 .
154
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
/[P.1)
Μ
(2)
(3)
(4)
(5)
(7)
(8)
(9)
(10)
A
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(12)
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L·^
b,
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(17)
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(21)
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(23) "=31
^si Bf ^a.
Λ
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(26) w
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(29) Ρ»" •»» cf
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(30) "vi
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(35)
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(45)
tv^ "vi
ψ-
"vi (36)
(37) **
2
e: ε
^
(43)
(42)
(41)
^ 3 -λ
e 3
ε 2 (46)
• 3
S 3
1 (47) Abb. 10
(48)
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
1 w k
c="
JE•2 F
\L· Γ J 1 ^ F"
Λ λ Λ
J
J (54) 1
ΛJ
V C * V i (70)
w y j
M
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\ Za
I
(57)
(56) J &
(58)
J 1 •J J
J
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(60)
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\U
Ρ
(55)
(59)
\
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(53)
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(51)
cj «7!
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1
(50)
J
J
J\L· J Ρ 1
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1 •Ί 1 (49)
155
i v * A
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A Ä Ay& A) \ A / \ A Ay (72) L γ
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4 y
A
V ^ V V Y w (73) A T ΎΑ A. jWa k y y m
(77) jy m A .VfA A y Ψ m Ar (80) Abb. 10
7
Ar (78)
(63)
156
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Abschließend soll ein tiefliegender Zusammenhang der diskreten Gruppen in der Ebene mit der Zahlentheorie wenigstens angedeutet werden. Gemeint ist die arithmetische
Theorie der quadratischen
For-
men, die auf Gauß zurückgeht und über Dirichlet, Hermite, Minkowski u. a. ein zentrales Forschungsgebiet der Zahlentheorie und Algebra wurde. 22 Wir haben bereits erwähnt, daß die Drehungs- und Diedergruppen verschiedene Gittertypen invariant lassen. Für D, und D2 kamen je zwei verschiedene Gittertypen in Frage, nämlich Rechtecks- und Karogitter. Wählt man diese Gitter als Koordinatensysteme (mit ganzzahligen Koeffizienten), so entsprechen z. B. der Spiegelung aus D t für verschiedene Gitter verschiedene Koordinatentransformationen. In einem Rechteckgitter (Abb. 5 (4)) wird der Punkt (x,, x2) an der Längsachse im Ursprung 0 durch xi = x, und x'2 = — x2, im Karogitter (Abb. 5 (5)) durch x', = x2 und x2 = χι gespiegelt. Ebenso lassen sich für die Gitter verschiedene metrische Formen angeben. Im Fall eines rechtwinkligen Gitters hat man rechtwinklige kartesische Koordinaten, also nach dem pythagoräischen Lehrsatz eine positive metrische Form s2 = a,x, 2 + a2x22. Bei einem Karogitter kann die positive metrische Form jede Gestalt s2 = a (xj2 + x22) + 2bx,x2 haben. Berücksichtigen wir also das Gitter und seine Metrik, so treten an die Stelle der Diedergruppe D, zwei verschiedene Transformationsgruppen Di und D 2 . Allgemein haben Gitter nach dem verallgemeinerten pythagoräischen Lehrsatz positiv quadratische metrische Formen der Gestalt s2 = gux 2 + 2g12XjX2 + g22x2 mit konstanten Koeffizienten g n , g12, g22 und Koordinaten x, und x2. Wieviele verschiedene endliche Gruppen linear homogener Transformationen xi = a n X! + a12x2, x2 = a21x( + a22x2 mit Inversen derselben Art und ganzzahligen Koeffizienten a,j gibt es, die positiv quadratische Formen invariant lassen? Gehen wir von den 10 Drehungs- und Diedergruppen aus, so müssen wir aus den genannten Gründen für D, und D 2 jeweils die Transformationsgruppen Di und Di' bzw. D 2 und D 2 ersetzen. Im Fall von D 3 müssen die hexagonalen Gitter gegen 3 Drehungen um 2π/3 und 3 Spiegelungen an Spiegelungsachsen mit π/3 unverändert bleiben. Für die Spiegelungen ergeben sich wieder zwei Fälle. Im ersten Fall sind die Spiegelungsachsen die Verlängerungen der Drehungsseiten und erzeugen da22
G. P. Dirichlet, Über die Reduktion der positiv quadratischen Formen mit drei unbestimmten ganzen Zahlen (1848), in: Werke Bd. 2, Berlin 1897, 2 9 - 4 8 ; H. Minkowski, Zur Theorie der positiven quadratischen Formen (1887), in: Ges. Abhandlungen Bd. 1, Leipzig 1911, 2 0 3 - 2 1 8 .
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
157
her das ganze Gitter wie in Ornament (15), im zweiten Fall wie in Ornament (16) gilt das nicht. Daher muß auch D 3 durch zwei Transformationsgruppen D'3 und D'3' ersetzt werden. Insgesamt gibt es also 10 + 3 = 13 sogenannte arithmetische Gruppen der Ebene.23 Die Kombination von Metrik und Gitter, die hier zum Ausdruck kommt, ist der zentrale Grundgedanke der Theorie quadratischer Formen, die später auch für höhere Dimensionen untersucht wurden.
2.12 Diskrete Gruppen des Raumes Analog zu 2-dimensionalen Gittern lassen sich auch 3-dimensionale Raumgitter untersuchen. Im 2-dimensionalen Fall ergaben sich 5 Gittertypen von parallelogrammatischen Punktsystemen (Abb. 5). Im 3-dimensionalen Fall ergeben sich die 14 Gittertypen, die 1850 von dem französischen Chemiker E. Bravais beschrieben wurden, um die bekannten Mineralien zu klassifizieren. Aufgrund eines anwachsenden naturkundlichen Interesses des 18. Jhs. nicht nur an den Fürstenhöfen, sondern auch in bürgerlichen Kreisen, waren die faszinierenden Formen der Mineralien in eigens dafür eingerichteten Schaukabinetten gesammelt und ausgestellt worden. Bravais gab erstmals ein systematisches Ordnungsprinzip für diese eher zufalligen Sammlungen an, das mathematisch den räumlichen Gittertypen entspricht (Abb. II). 2 4 Er unterschied die einzelnen regulären parallelogrammatischen Gitterzellen nach metrischen Eigenschaften, nämlich den drei elementaren Translationen a, b, c entlang den entsprechenden Raumkoordinaten und den drei Winkeln α, β, γ, die die drei Koordinatenachsen miteinander bilden. Dann gilt für (1) a ^ b ^ c , α ^ β τ ^ γ (triklines System); für (2) und (3) a φ b φ c, α = γ = 90° φ β φ 60° (monoklines System); für (4) — (7) a φ b φ c, α = β = γ = 90° (orthorhombisch); für (8) a = b φ c, α = β = 90°, γ = 120° (hexagonal); (9) a = b = c, α = β = γ ψ 90° (trigonal); für (10) und (11) a = b φ c, α = β = γ = 90° (tetragonal); für (12) und (14) a = b = c, α = β = γ = 90° (kubisch). Durch Paralleltranslation dieser Zahlen in den drei Koordinatenrichtungen lassen sich beliebig große Gitter konstruieren. Bravaisgitter berücksichtigen auch die verschiedenen Lagen von Gitterpunkten. Dabei beachte man, daß ζ. B. im Fall (13) nicht der Würfel die Einheitszelle ist, sondern eine schräg eingelagerte pyramidale Zelle (Oktaeder), die aufgrund der Würfelzentren entsteht. In den Fällen (3), (5) —(8), (11), 23 24
Vgl. auch H. Weyl, Symmetrie (s. Anm. 5), 110; M. Klemm, s. Anm. 8, 91 ff. Μ. A. Bravais, Etudes cristallographiques, Paris 1866.
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
A
/
Jjoc c
Q -γ
V
\ ^
m v -
/
b 6
S3—ρη
\ χ a 11
13 Abb. 11
14
/
Pf
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
159
(14) kann ebenfalls das Translationsverfahren leicht eingesehen werden. 25 Die Bravaisgitter spielen in der Kristallographie eine große Rolle. Die Gitterpunkte sind dort durch Atome, Ionen, Moleküle besetzt. Tatsächlich finden sich die verschiedenen Einlagerungsmöglichkeiten der Bravaisgitterzellen auch in der Natur vor. So läßt sich z. B. Kochsalz teilweise als Würfel und teilweise als Oktaeder auskristallisieren. Auch gibt es völlig schiefe und krumme Kristalle in der Natur wie in Fall (1), nämlich z. B. das Kupfersulfat (Kupfervitriol). Wir unterscheiden nun die diskreten Punktgruppen im Raum. 26 Die Gruppe Cn der eigentlichen Drehungen um einen Mittelpunkt in der horizontalen Ebene kann aufgefaßt werden als Gruppe der Drehungen im Raum um eine vertikale Achse durch den Mittelpunkt. Die Spiegelung an einer Geraden der Ebene wird durch eine Drehung von 180° um diese Gerade („Umklappung") im Raum herbeigeführt. So entsteht aus der Gruppe D n in der Ebene eine Gruppe D'n eigentlicher Drehungen im Raum. Sie umfaßt die Drehungen von 2π/η um eine zur Ebene vertikale Achse durch den Mittelpunkt und die Umklappungen um η horizontale Achsen durch den Mittelpunkt, die gleiche Winkel von π/η miteinander haben. Dabei sind D', und C 2 identisch, da beide aus der Identität und der Umklappung um eine Gerade bestehen. D'2 umfaßt die Identität und die Umklappungen um drei zueinander senkrechte Achsen („Vierergruppe"). Damit erhalten wir auf jeden Fall die folgenden unendlich vielen eigentlichen Drehungsgruppen im Raum: Q , C 2 , C3, ... D'2, Ό'3, ... . Während in der Ebene für jedes η > 2 ein reguläres n-seitiges Polygon angegeben werden kann, existieren im 3-dimensionalen Raum nur fünf reguläre („Platonische") Polyeder (vgl. Abschn. 1.21, 1.32). Dieses Ergebnis hatte bereits Theaitetos bewiesen. Betrachtet man dazu die endlichen eigentlichen Drehungsgruppen um ein Zentrum im Raum, so findet man allerdings nur drei neue Gruppen, die das reguläre Tetraeder, den Würfel oder das Oktaeder, das Dodekaeder oder das Ikosaeder unverändert bzw. invariant lassen. Dazu beschreibe man einem Würfel ein Oktaeder ein derart, daß die Ecken des Oktaeders entsprechende Seitenflächen des Würfels in den Mittelpunkten der sechs Quadratflächen treffen. Umgekehrt kann auch ein Würfel einem 25
26
Vgl. auch Α. V. Shubnikov/V. A. Koptsik, S. Anm. 9, 203 ff.; M. Klemm, s. Anm. 8, 154. Für die folgenden Ableitungen vgl. auch H. S. M. Coxeter, Unvergängliche Geometrie, Basel/Stuttgart 1963, 338 ff.; H. Weyl, Symmetrie (s. Anm. 5), 120 ff.
160
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Oktaeder einbeschrieben werden (Abb. 12). Dazu vergleiche man auch die Analyse der Ecken, Kanten und Flächen der Platonischen Körper in der Tabelle in 1.21. Jede Drehung, die den Würfel in sich überführt, läßt auch das Oktaeder invariant und umgekehrt. Daher ist die Gruppe für das Oktaeder dieselbe wir für den Würfel. Analog läßt sich zeigen, daß Dodekaeder und Ikosaeder durch dieselbe Gruppe beschrieben werden. Der dem regulären Tetraeder entsprechende reguläre Körper ist das Tetraeder selber. Wir erhalten somit drei neue Gruppen von eigentlichen Drehungen, nämlich die Gruppe Τ des Tetraeders, die Gruppe W des Würfels bzw. Oktaeders und die Gruppe D des Dodekaeders bzw. Ikosaeders mit jeweils 12, 24 und 60 Operationen. Entsprechend zu dem Ergebnis des Theaitetos über die Einzigkeit der Platonischen Körper im Raum läßt sich zeigen, daß die Gruppen C n (n = 1, 2, ...), D'n (n = 2, 3, ...), T, W, Ρ die einzigen eigentlichen Drehungsgruppen im Raum sind. Analog zu den Drehungsgruppen der Ebene muß diese Liste noch um die uneigentlichen Drehungen im Raum ergänzt werden. Eine uneigentliche Drehung im Raum ist nichts anderes als eine Drehspiegelung, d. h. die Kombination einer Spiegelung und einer Drehung um eine Achse senkrecht zum Spiegel. Eine Drehspiegelung kann auch als eine Drehinversion aufgefaßt werden, d.h. als Kombination einer Punktspiegelung bzw. Inversion am Zentrum Ο (die jeden Punkt Ρ in P' auf der Verlängerung OP' der Strecke PO mit PO = OP' überführt) und einer Drehung um eine Achse durch den Spiegelungspunkt. Eine endliche Gruppe von Bewegungen, die nicht nur eigentliche Drehungen enthält, hat eine solche eigentliche Drehungsgruppe als Untergruppe vom Index 2. Eine einfache Überlegung zeigt, daß eine endliche Bewegungsgruppe mit η eigentlichen Drehungen noch genau η uneigentliche Drehungen enthalten muß. Denn besteht die Gruppe aus η Drehungen Si und m Drehspiegelungen T b dann können die
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
161
η + m Bewegungen durch die Kombinationen S,T, und Τ ; Τ] dargestellt werden: Die η Bewegungen SjT, stellen die Drehspiegelungen T, dar und die m Bewegungen TjTt die Drehungen Sj. Also ist m = n. Wir unterscheiden nun die Fälle, ob die Punktspiegelung Ζ zur Bewegungsgruppe gehört oder nicht. Im ersten Fall sind die η Drehspiegelungen einfach S ; Z = ZSi. Als Gruppe ergibt sich das direkte Produkt Γ = Γ χ ΖΓ aus der Gruppe Γ der eigentlichen Drehungen und der durch Ζ erzeugten Gruppe ΖΓ, die nichts anderes als C 2 oder D] ist. Die Liste der eigentlichen_Drehungsgruppen ist daher noch um die endlichen Gruppen C n , D„, T, W, Ρ zu ergänzen. Im zweiten Fall gehört die Punktspiegelung Ζ nicht zur Gruppe. Eine aus η Drehungen und η Drehspiegelungen bestehende Gruppe, die Ζ nicht enthält, ist isomorph zu einer Drehgruppe Γ' der Ordnung 2n (d.h. mit 2n Elementen), die eine Untergruppe Γ der Ordnung η enthält. Die 2n Transformationen S, und TtZ einer Drehgruppe der Ordnung 2n haben nämlich dieselbe Multiplikationstafel wie die aus Sj und Tj bestehende Gruppe: Aus SjTj = T k folgt SjTjZ = T k Z, und wenn TYTj = Sk ist, dann ist TjZTjZ = ΊιΖ2Ύ} = TiTj = S k . Daher sind unsere endlichen Gruppen noch durch entsprechende Paare von Drehgruppen zu ergänzen. Jedes Paar ist eine gemischte Gruppe Γ'Γ, die aus allen Drehungen der (kleineren) Gruppe Γ mit den mit Ζ multiplizierten Drehungen aus Γ' besteht. Aus der Liste der eigentlichen Drehungsgruppen ergeben sich die Paare C2„Cn, D„Cn, D 2 n D; (n = 2, 3, ...) und WT. Die Gruppe WT ergibt sich, da die Tetraedergruppe Τ eine Untergruppe vom Index 2 der Oktaedergruppe W ist. Analog zur Ebene können wir nun fragen, welche der endlichen Punktgruppen von Bewegungen räumliche Gitter invariant lassen. Im 2-dimensionalen Fall stießen wir so auf 10 Punktgruppen. Im 3dimensionalen Fall erhalten wir die 32 Kristallklassen21. Analog zum 2-dimensionalen Fall entsteht die Einschränkung der endlichen Gruppen durch die Beschränkung auf nur 2-, 3-, 4- und 6-zählige Drehachsen. Dadurch erhalten wir die Drehgruppen C ls C2, C 3 , C 4 , C 6 , D'2, D 3 , Di, De, T, W. Die Dodekaedergruppe Ρ fällt aus, da Ρ mehr als 6 Achsen besitzt. Zu ergänzen sind die direkten Produkte dieser J.1 Gruppenjnit derjiurch Ζ erzeugten Gruppe, also C t , C 2 , C 3 , C 4 , C6, D 2 , D 3 , D4, DJ,, T, W. Ferner die gemischten Gruppen C 2 C,, C 4 C 2 , C6C3, D;DL D^C2, D^Ca, D;C 4 , D;C 6 , WT. Dabei ist C, = Ci χ CjZ — CjZ. 27
Vgl. auch M. Klemm, s. Anm. 8, § 10; A. Speiser, s. Anm. 6, § 33.
162
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Die 32 Kristallklassen sind von erheblicher Bedeutung für die Kristallographie. In der Tat entspricht fast jeder Klasse (bis auf C 6 C 3 ) mindestens ein Kristall in der Natur. Üblicherweise ordnet sie der Kristallograph nach folgenden 7 Kristallsystemen. Die Einteilung entspricht den metrischen Gesichtspunkten, nach denen auch die 14 Bravaisgitter zusammengefaßt wurden. a) b) c) d) e) f) g)
Triklines System: Cu C, Monoklines System: C2, Q , C 2 C, Orthorhombisches System: D'2, D2, D^C^ Rhomboedrisches System: C3, C 3 , D'3, D 3 , D 3 C 3 Tetragonales System: C4, C 4 , C 4 C 2 , D4, D;, D'4C4, Ό'4Ό'2 Hexagonales System: C6,_C6, C6C3, D'6, Ό'6, O'6C6, Ό'6Ό'3 Kubisches System: Τ, T, W, W, WT
In der Ebene wurden die 10 Punktgruppen um die Möglichkeiten zweier unabhängiger Translationen ergänzt, um so die 17 Ornamentgruppen zu behalten. Die entsprechenden Gruppen in drei Dimensionen sind die 230 diskreten Bewegungsgruppen mit drei unabhängigen Translationen. Sie sind das zentrale Forschungsthema der mathematischen Kristallographie. Die ersten 65 bestehen aus eigentlichen Bewegungen. Erstmals wurden sie von dem Mathematiker C. Jordan 1869 aufgezählt, allerdings erst 1879 für die Anwendung in der Kristallographie beschrieben.28 Die einfachste Gruppe enthält nur Translationen. Die restlichen 64 enthalten zudem noch Drehungen und Schraubung, d. h. Kombinationen aus Translationen und Drehungen. Davon treten 22 in sogenannten 11 enantiomorphen Paaren auf und sind spiegelbildlich zueinander, d. h. das eine Exemplar enthält eine links-, das andere eine rechtsdrehende Schraube. 29 Beispiele aus der Natur sind der links- und rechtsdrehende Quarz, der mineralogisch früh bekannt war. Die tiefere molekulare Bedeutung von links- und rechtsdrehenden Schrauben wurde allerdings erst seit Pasteur bekannt, der auch den Zusammenhang mit der optischen Aktivität mancher Stoffe (ζ. B. links- und rechtsdrehende Weinsäure) nachwies. Diese Analysen sind grundlegend für die Symmetrieanwendungen in der Stereochemie, die 1874 mit J. van't Hoffs Molekularhypothese einsetzt, und werden daher noch ausführlich in Kap. 4.41 behandelt. 28
29
Vgl. dazu H. Hilton, Mathematical Cristallography and the Theory of Groups of Movements, Oxford 1903, 258. Vgl. auch C. J. Bradley/A. P. Cracknell, The mathematical Theory of Symmetry in Solids, Oxford 1972.
163
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
Läßt man diese praktisch wichtigen Unterscheidungen unter gruppentheoretischem Gesichtspunkt fallen, erhält man nur 54 Exemplare, also insgesamt nur 219 Gruppen. 30 Die übrigen 165 Gruppen enthalten neben eigentlichen auch uneigentliche Bewegungen wie Spiegelungen, Dreh- und Gleitspiegelungen. Diese 230 Gruppen lassen sich ebenfalls unter metrischen Gesichtspunkten den 7 Klassen zuordnen, in die bereits die 14 Bravaisgitter und 32 Kristallklassen eingeteilt wurden. Insgesamt wurden alle Gruppen erstmals von dem russischen Kristallographen Fedorov (1890) beschrieben, unabhängig aber auch von dem Deutschen Schoenflies (1891) und dem Engländer Barlow (1894).31 Wissenschaftshistorisch ist bemerkenswert, daß die Entdekkung in diesem Zeitraum gewissermaßen in der Luft lag und Fedorov, Schoenflies und Barlow unabhängig und von teilweise unterschiedlichen Überlegungen ausgehend zum selben Ergebnis kamen. Eine analoge Situation ergab sich übrigens einige Jahre vorher bei der Entdekkung des Periodensystems der Elemente. Jedenfalls ist die mathematische Kristallographie ein Beispiel dafür, wie mathematische (hier gruppentheoretische) Analysen durch naturwissenschaftliche Entdekkungen motiviert werden. Als Beispiel der 230 Raumgruppen soll hier das Natriumchloridkristall NaCl („Kochsalz") behandelt werden, da es historisch auch bei den Röntgenstr ahlunter suchungen M. von Laues eine zentrale Rolle
spielte.32 1912 war weder die Natur der Röntgenstrahlen noch der atomare Aufbau der Kristalle sicher bekannt. Beide Probleme lösten M. von Laue und seine Mitarbeiter Friedrich und Knipping durch folgendes Experiment. Ein eng ausgeblendetes Röntgenstrahlbündel tritt durch einen Kristallwürfel (Abb. 13). Bei von Laues Versuch handelt es sich um ein NaCl-Kristall mit Würfelfläche parallel zur
Abb. 13
Ρ 30
Vgl. auch J. J. Burckhardt, Die Bewegungsgruppen der Kristallographie, Basel 1947,
31
E. S. Fedorov, Symmetry of Crystals (originals 1888 —1896), American Cryst. Assoc. 1971; A. Schoenflies, Kristallsysteme und Kristallstruktur, Leipzig 1891. Μ. von Laue, Zur Geschichte der Röntgenstrahlinterferenzen, in: ders., Aufsätze und Vorträge, Braunschweig 21962, 110 — 117.
161.
32
164
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Ο Abb. 14
ffifffffl 'τΦϊΤ Abb. 15
Blende. Auf einer dahinter aufgestellten fotografischen Platte Ρ bildet sich um den Durchstoßungspunkt des direkten Bündels ein System von schwarzen Flecken mit der Symmetriegruppe D 4 (Abb. 14). Von Laue konnte nun den atomaren Aufbau der Kristalle ebenso nachweisen wie die Wellennatur der Röntgenstrahlen aufgrund der Beugungsbilder. Der NaCl-Kristall ist aus Natrium"1"-Ionen und Chlor~-Ionen abwechselnd aufgebaut. Schwarze Punkte stehen für Natrium-Ionen, weiße Punkte für Chlor-Ionen (Abb. 15). Ein N a + Gitter ist in ein Cl~-Gitter gestellt. Äquivalente Partikel von Chlorund Natrium-Ionen tauschen die Plätze bei Translationen a = b = c entlang den Ecken des Würfels oder mit (a + b) /2, (a + c) /2 und (b + c) /2 entlang den Diagonalen der Flächen. Daher ist die Translationsgruppe dieser Struktur das Bravaisgitter (14) in Abb. 11. Die Struktur von NaCl bleibt aber nicht nur bei diesen Translationen unverändert, _sondern auch bei Operationen der Punktgruppe (Kristallgruppe) W. Bisher haben wir die endlichen Bewegungsgruppen unter verschiedenen kristallographischen Gesichtspunkten eingeschränkt. Analog zur Ebene fragen wir nun, welche räumlichen Punktgruppen durch Kaleidoskope realisiert werden. Dieser Aspekt ist auch kulturhistorisch von außerordentlichem Reiz, da — wie bereits erwähnt — die Spiegelungseffekte der Kaleidoskope zum Symbol einer ganzen Epoche wurden und in der Philosophie und Kunst des Barock ihren Niederschlag fanden. Für Leibniz besteht die Welt aus solchen kristallinen Spiegelungseinheiten, den sogenannten Monaden, in denen alle übrigen Gestalten und Figuren in typischer Weise reflektiert werden. 33 Dieser metaphysische 33
„Or cette liaison ou cet accommodement de toutes les choses creees ä chacune et de chacune ä toutes les autres, fait que chaque substance simple a des rapports qui expriment toutes les autres, et qu'elle est par consequent un miroir vivant perpetuel de l'univers." (G.W. Leibniz, Monadologie §56), in: ders., Vernunftprinzipien der
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
165
Gesichtspunkt der Leibnizschen Naturphilosophie erweist sich in der modernen Elementarteilchenphysik von großer Aktualität, und es soll darauf in Kap. 4.3 besonders eingegangen werden. Im folgenden wird zunächst der mathematisch-gruppentheoretische Hintergrund erläutert. Von den ebenen Punktgruppen können die Diedergruppen D n aufgrund ihrer Spiegelungseigenschaften durch Kaleidoskope realisiert werden (vgl. 2.11). Welche räumlichen Punktgruppen können durch Kaleidoskope hergestellt werden? Natürlich diejenigen, die durch Spiegelungen erzeugt werden, jiämlich Di,Cn (n > 1), D ^ D ; (n ungerade), D ; (n gerade), WT, W, P. Dabei ist D i Q die Gruppe, die durch eine einzige Spiegelung erzeugt wird. D2C2 ist die Gruppe der Ordnung 4, die durch zwei zueinander senkrechte Spiegelungen erzeugt wird. Die restlichen Gruppen D„Cn entsprechen den Gruppen n-eckiger Pyramiden. D 2 ist eine Gruppe der Ordnung 8, die durch drei zueinander senkrechte Spiegelungen erzeugt wird. Die restlichen Gruppen D^nDn und D„ entsprechen den Gruppen der n-fachen Prismen oder den Doppelpyramiden (als ihren Reziproken). WT beschreibt die vollständige Symmetrie des Tetraeders und entsteht aus der Drehgruppe Τ durch Hinzunahme der Spiegelungen. Dazu vergleiche man auch die Spiegelungsmöglichkeiten des Zwillingskristalls zweier reziproker Tetraeder in Abb. 13 (Kap. 1.21), die schon Pacioli und Kepler untersuchten. Die vollständigen Symmetrieeigenschaften der übrigen Platonischen Körper sind durch W und Ρ beschrieben, die im Unterschied zum Tetraeder einen Mittelpunkt besitzen. In der Ebene konnten einige der 17 Ornamentgruppen, die üblicherweise auch durch Falten und Ausschneiden („Scherenschnitte") herstellbar sind, durch Kaleidoskope realisiert werden. Analog können wir Raumgruppen untersuchen, die durch Kaleidoskope realisierbar sind.34 Man stelle sich dazu wie in den barocken Schlössern beleuchtete Räume mit Wänden, Decken und Böden vor, die vollständig mit Spiegeln ausgekleidet sind. In Abb. 16 (1) ist ein Kaleidoskop für ein orthorhombisches System angegeben, das dem Bravaisgitter (4) entspricht. Ein Kaleidoskop für ein tetragonales System, in dem zwei von drei gegenseitig senkrechten Richtungen gleich sind, besteht aus einem Prisma mit einem gleichschenkligen Dreieck als Basis (Abb. 16 (2)). Das entspricht einem Bravaisgitter vom Typ (10). Für eine hexagonale
34
Natur und der Gnade. Monadologie (franz./dt.), Hrsg. H. Herring, Übers. A. Buchenau, Hamburg 21960, 50. Α. V. Shubnikov/V. A. Koptsik, s. Anm. 9, 201.
55
(6)
(7)
Abb. 16
Struktur mit drei gleichen Richtungen in einer Ebene, die durch Rotation ineinander überführt werden, gibt es zwei Kaleidoskope. Ein Prisma mit einem gleichseitigen Dreieck als Basis (Abb. 16 (3)) und ein Prisma mit einem rechtwinkligen Dreieck mit Winkeln von 30° und 60° (Abb. 16 (4)). Diese vier Typen entsprechen den vier ebenen Figuren, die durch Kaleidoskope herstellbar sind (vgl. Abb. 9). Für kubische Strukturen mit drei gegenseitig senkrechten Richtungen ergeben sich drei weitere Kaleidoskope. Jedes dieser sieben Kaleidoskope erzeugt eine der sieben Symmetrieklassen der 230 diskreten Raumgruppen. Es liegt nahe, Leibnizens Monadenlehre mit diesem mathematischen Resultat zu interpretieren. Im euklidischen Raum werden die kristallinen Symmetriestrukturen durch 230 Raumgruppen beschrieben. Sie lassen sich unter metrischen Gesichtspunkten in 7 Klassen einteilen, die durch Kaleidoskope erzeugt werden, d. h. durch bestimmte Spiegelungseinheiten („Monaden"). Man könnte also kurz sagen, daß die kristalline Symmetrie des (euklidischen) Raumes durch diese mathematisch präzisierten Monaden erzeugt wird bzw. in diesen Spiegelungszentren reflektiert ist. Für die Ebenen hatten wir auf den zahlentheoretischen Zusammenhang der diskreten Gruppen mit der Theorie der quadratischen Formen
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
167
hingewiesen. Diese Fragestellung kann auch auf die drei Dimensionen des Raumes ausgeweitet werden. Analog der Frage, wie die 10 ornamentalen Punktgruppen auf ebenen Gittern operieren, geht es jetzt um das Problem, wie die 32 kristallographischen Punktgruppen auf räumlichen Gittern operieren. Den 13 arithmetischen Gruppen der Ebene entsprechen jetzt 73 des Raumes. 35 Wir stellen abschließend die Frage, welche diskreten Symmetrien in n-dimensionalen euklidischen Räumen mit höheren Dimensionen η > 3 als der euklidische Anschauungsraum vorliegen. Welche regulären („Platonischen") Körper gibt es ζ. B. im 4-dimensionalen Raum? Diese Überlegungen sind keinesfalls bloße Gedankenspielereien über mögliche Welten, sondern können mathematisch-physikalisch und psychologisch motiviert werden. Mathematikhistorisch wurden n-dimensionale Räume seit etwa Mitte des 19. Jhs. unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht, obwohl ihre Möglichkeit philosophisch schon vorher ζ. B. von Kant und Herbart erörtert wurden. Physikalisch erwiesen sie sich durch die Anwendung von Konfigurations-, Phasenund später Hilberträumen ζ. B. in der kinetischen Gastheorie und Quantenmechanik als äußerst fruchtbar. Psychologisch stellt sich die Frage, ob unsere Anschauung tatsächlich wie Kant behauptet, auf drei Dimensionen eingeschränkt ist und höher dimensionale Räume nur als Rechenkalküle auftreten können. 36 In drei Dimensionen ist uns das Bild des Würfels als Analogon zum 2-dimensionalen Quadrat vertraut. Können wir ebenso anschaulich vom 4-dimensionalen Würfel als Analogon zum 3-dimensionalen Würfel sprechen?37 Begrifflich läßt sich der 4-dimensionale Hyperwürfel in vier Schritten erzeugen: Im 1. Schritt werden 2 (0-dimensionale) Punkte zu einer 1-dimensionalen Strecke verbunden, im 2. Schritt die Ecken zweier solcher paralleler Strecken im gleichen Streckenabstand zu einem 2-dimensionalen Quadrat, im 3. Schritt die Ecken zweier solcher paralleler Quadrate im gleichen Streckenabstand zu einem 3-dimensionalen Würfel, im 4. Schritt die Ecken zweier solcher paralleler Würfel im gleichen Streckenabstand zu einem 4-dimensionalen Hyperwürfel. Die ersten drei Schritte sind anschaulich vertraut, der 4. Schritt ist nur begrifflich nachvollziehbar. 35 36
37
Vgl. auch M. Klemm, s. Anm. 8, § 12. Vgl. auch K. Mainzer, Geschichte der Geometrie, Mannheim/Wien/Zürich 1980, 126 ff., 150 f. Dazu auch K. Mainzer, Philosophische Grundlagenprobleme und die Entwicklung der Mathematik, in: Grazer Philosophische Studien. Intern. Z. Analyt. Philosophie 20 1983, 184 ff.
168
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Die Eigenschaften des Hyperwürfels können begrifflich exakt bestimmt werden: Da ein Würfel 8 Ecken besitzt und der Hyperwürfel durch Verbindung der Ecken zweier Würfel entsteht, besitzt er 16 Ecken. Ferner hat der Hyperwürfel alle 12 Kanten der beiden Würfel, aus denen er entsteht, zusätzlich die Kanten, die durch Verbindung der 8 Punktpaare aus 16 Ecken entstehen, also 2 · 12 + 8 = 32. Analoge Überlegungen zeigen, daß der Hyperwürfel 24 Flächen (Quadrate) und 8 Würfel als begrenzende 3-dimensionale „Flächen" besitzt. Ein Gedankenexperiment in der Nachfolge von Helmholtz zeigt, wie man anschauliche Eindrücke solcher Körper gewinnen kann. Ein 2dimensionales Wesen, dem nur Wahrnehmungen in Länge und Breite auf der Oberfläche einer Ebene möglich sind, wäre durchaus in der Lage, sich ein Bild von einem 3-dimensionalen Würfel zu machen: Falls der Würfel durch die Luft in eine ebene Wasseroberfläche eintaucht, könnte dieses Wesen nämlich die 2-dimensionalen Schnittflächen wahrnehmen. Taucht der Würfel wiederholt unter unterschiedlichen Winkeln und Richtungen ins Wasser ein, gewinnt der 2-dimensionale Beobachter zunehmend Information, um sich ein Bild machen zu können und mit dem höher dimensionalen Objekt vertraut zu werden. Solche anschaulichen Lernprozesse sind heute computergraphisch objektivierbar und nicht mehr nur einer unkontrollierbaren Introspektion überlassen. So erzeugt ein Computerfilm von T. Banchoff und C. M. Strauss exakt die 3-dimensionalen Figuren, die bei Rotation des Hyperwürfels im 4-dimensionalen Raum als „Schnitte" unseres 3-dimensionalen Anschauungsraumes erscheinen. Der Beobachter kann durch Manipulation von Knöpfen alle diese Eindrücke auf einem Bildschirm sukzessiv erzeugen und gewinnt so in einem Lernprozeß visuelle und kinästhetische Vertrautheit mit dem zunächst unanschaulichen Hyperwürfel. 38 So wie im 3-dimensionalen euklidischen Raum neben dem Würfel noch vier weitere reguläre („Platonische") Körper existieren, konnte A. Schläfli 1855 für die 4-dimensionale euklidische Geometrie neben dem Hyperwürfel noch genau fünf weitere reguläre Körper nachweisen.39 An diesen Körpern treten außer den Ecken, Kanten und Flächen auch noch Raumstücke als Begrenzungsstücke auf. Analog den regu38
39
Der Film von T. Banchoff und C. M. Strauss gewann 1979 ,Le Prix de la Recherche Fondamentale au Festival de Bruxelles'. Zum Modellbegriff vgl. auch H. Freudenthal, The Concept and Role of the Model in Mathematics and Social Sciences, Dordrecht 1961. L. Schläfli, Ges. mathem. Abhandlungen Bd. 1, Basel 1950; vgl. auch H. de Vries, Die vierte Dimension, Leipzig/Berlin 1926.
169
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
lären Polygonen als Begrenzungsflächen der 3-dimensionalen Platonischen Körper gibt es reguläre Polyeder als „Begrenzungsräume" der 4-dimensionalen Platonischen Körper. Man spricht von einem n-Zell, wenn es von η Polyedern begrenzt wird. Im 3-dimensionalen Fall war das Oktaeder zum Würfel, das Dodekaeder zum Ikosaeder dual, während das Tetraeder zu sich selbst dual war. Im 4-dimensionalen Raum sind die Punkte zu den Räumen und die Geraden zu den Ebenen dual. Daher ergeben sich die folgenden Dualitätsverhältnisse: 4-dimensionaler Raum
1. 5-Zell 2. 8-Zell 3. 16-Zell 4. 24-Zell 5. 120-Zell 6. 600-Zell
Zahl und Art der begrenzenden Polyeder
Zahl der Ecken
5 8 16 24 120 600
5 16 8 24 600 120
Tetraeder Würfel Tetraeder Oktaeder Dodekaeder Tetraeder
Dualität
sich selbst dual I
einander dual sich selbst dual
I
einander dual
Nach dieser Tabelle entspricht das Tetraeder dem 5-Zell, der Würfel dem 8-Zell („Hyperwürfel"), das Oktaeder dem 16-Zell, das Dodekaeder dem 120-Zell und das Ikosaeder dem 600-Zell. Das 24-Zell ist im 4-dimensionalen Raum ein weiterer Körper, der zu sich selbst dual ist. Im Unterschied zum Tetraeder ist es aber auch noch zentrisch symmetrisch mit einem Mittelpunkt. Gibt es Modelle der 4-dimensionalen Platonischen Körper im 3dimensionalen Anschauungsraum? Dazu stellen wir uns zunächst 2dimensionale Wesen („Bewohner des Flachlandes") vor, die sich anschauliche Modelle der begrifflich definierten 3-dimensionalen Platonischen Körper machen wollen. Mathematisch handelt es sich um Projektionen der regulären Polyeder des 3-dimensionalen Raumes auf eine Ebene. Diese Projektionen hängen ab von der Wahl des Projektionszentrums und der Bildebene. In Abb. 12 (Kap. 1.21) wurde parallele Projektion angewendet, wobei das Projektionszentrum ins Unendliche gerückt ist. Dabei bleiben zwar parallele Kanten des 3-dimensionalen Raumes auch in der Ebene parallel. Allerdings kommt es zu teilweisen Überschneidungen der Flächen. Rückt man das Projektionszentrum sehr nahe an eine der Seitenflächen, ist dieser Nachteil beseitigt. In Abb. 17 sind solche Projektionen für das Tetraeder (1),
170
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
A (1)
Abb. 17
den Würfel (2), das Oktaeder (3), das Dodekaeder (4) und das Ikosaeder (5) dargestellt.40 Das Projektionszentrum befindet sich bei diesen Abbildungen senkrecht direkt über einer Seitenfläche. Man erhält denselben Eindruck, wenn eine Fläche des Platonischen Körpers entfernt wird und man durch dieses Loch ins Innere schaut. Analog sollen nun die 4-dimensionalen Platonischen Körper im 3dimensionalen Anschauungsraum dargestellt werden. Parallele Projektionen erweisen sich als ungeeignet, da die „Begrenzungskörper" durch Polyeder dargestellt werden, die sich einander überdecken und durch40
D. Hilbert/S. Cohn-Vossen, Anschauliche Geometrie, Darmstadt 1973, 129.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
Abb. 18
172
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
dringen müßten. Allerdings liefert das Projektionsverfahren der Abb. 17 im 3-dimensionalen Raum wenigstens für das 5-Zell (1), 8Zell (2), 16-Zell (3) und 24-Zell (4) anschauliche Modelle (Abb. 18).41 Die „Begrenzungskörper" werden durch Polyeder dargestellt, von denen eines ausgezeichnet ist und durch die anderen ausgefüllt wird. Im Modell (4) des 24-Zells erkennt man noch, wie das große Oktaeder von 23 kleineren Oktaedern ausgefüllt ist, also insgesamt 24 Oktaeder auftreten. Beim 120- und 600-Zell werden jedoch selbst diese Projektionen unübersichtlich. Mathematisch sind die Projektionen im 3-dimensionalen Raum hoch interessant. In der 2-dimensionalen Ebene liefern die Projektionen nämlich Graphen, d. h. Systeme von Punkten und Strecken, die sich in einer höheren Dimension als Symmetriestruktur erweisen. Analog erhält man Körper des 3-dimensionalen Raumes, die sich in einer höheren Dimension als Symmetriestruktur herausstellen. In jüngster Vergangenheit wurden auch die analogen 4-dimensionalen Gruppen berechnet, die wir bereits im 2- und 3-dimensionalen Fall untersucht haben. So gibt es analog zu den 10 ornamentalen Punktgruppen und 17 Ornamentgruppen der 2-dimensionalen Ebene und den 32 kristallographischen Gruppen und 230 Bewegungsgruppen im 3-dimensionalen Raum 271 Punktgruppen und 4895 Raumgruppen im 4-dimensionalen Raum. 42 Wie steht es nun um die Symmetrien in beliebigen n-dimensionalen (euklidischen) Räumen mit η > 4? Was die Platonischen Körper betrifft, so vereinfacht sich die Situation. Für η > 4 sind nämlich nur noch drei reguläre Körper möglich:43 n-dimensionaler Raum,
1. («+1)2. Zell 3. 2n-Zell 2n-Zell
41 42
43
η ^ 5.
Zahl und Art der begrenzenden Zelle von 71—1 Dimensionen
Zahl der Ecken
η +1 In 2n
n +1 2" ~ 2rt
η-Zelle (2n — 2)-Zelle r, „ η-Zelle
Dualität
sich selbst dual 1 . . . } einander dual i
S. Anm. 40, 133 ff. H. Brown/R. Biilow/J. Neubüser/H. Wondratscheck/H. Zassenhaus, Crystallographic Groups of fourdimensional Space, New York 1978. Vgl. D. Hilbert/S. Cohn-Vossen, s. Anm. 40, 128.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
173
Im 3-dimensionalen Raum entspricht dem (n + 1)-Zell, dem 2n-Zell und 2n-Zell wegen η + 1 = 4, 2n = 6 und 2n = 8 das Tetraeder, der Würfel und das Oktaeder, im 4-dimensionalen Raum das 5-, 8- und 16-Zell. Im 3-dimensionalen Fall sind also Dodekaeder und Ikosaeder, im 4-dimensionalen Fall das 24-, 120- und 600-Zell Sonderfalle Platonischer Körper, die kein Analogon in höheren Dimensionen haben. 2.13 Farbsymmetrien und Symmetrien der Musik Zum Abschluß unserer Diskussion diskreter Symmetrien in der Ebene und des Raumes beschäftigen wir uns mit Symmetrien der Farben und der Musik. Das sieht zunächst nach einem rein ästhetischen Interesse aus, erweist sich jedoch wenigstens im Fall der Farben von großer Zweckmäßigkeit in der Physik (vgl. Kap. 4.3). Damit wird erneut der alte pythagoräische Gedanke einheitlicher Symmetriestrukturen in Mathematik, Kunst und Natur beschworen, der wie ein roter Faden diese Abhandlung durchläuft. Die große Bedeutung von Farbsymmetrien für die naturwissenschaftliche Anwendung wird sofort klar, wenn wir uns den folgenden Grundgedanken vor Augen führen. Es geht nämlich allgemein darum, den Punkten einer geometrischen Symmetriestruktur, die also durch eine der bekannten diskreten Gruppen bestimmt ist, zusätzlich nicht-geometrische Eigenschaften zuzuordnen, die durch eine zusätzliche Symmetriestruktur bestimmt sind. Diese nicht-geometrischen Eigenschaften können Farben sein, ζ. B. in Wandund Flächenornamenten, es können aber auch physikalische Eigenschaften ζ. B. der Punkte, Atome, Ionen etc. einer Kristallstruktur sein. Historisch ist die symmetrische Anwendung von Farben ζ. B. in Ornamenten natürlich uralt. Die systematische gruppentheoretische Analyse von Farbsymmetrien ist allerdings erst jüngeren Datums und geht vor allem auf Untersuchungen russischer Mathematiker und Kristallographen wie Ν. V. Belov, Α. V. Shubnikov u. a. zurück, wie überhaupt die Anwendung gruppentheoretischer Methoden in der Kristallographie ein fast schon nationales Anliegen russischer Mathematiker und Naturwissenschaftler seit dem großen Erfolg von Fedorov Ende des 19. Jhs. war. 44 Einen entscheidenden Auftrieb erhielt die mathematische Analyse von Farbsymmetrien seit den sechziger Jahren, als in der Elementarteilchenphysik den Quarks als elementaren Bausteinen der Materie drei Freiheitsgrade („Farben") zugeordnet wurden und so die starken Wechselwirkungen auf eine einheitliche Symmetriestruktur 44
Α. V. Shubnikov/N. V. Belov, Colored Symmetry, Oxford/London/New York/Paris 1964; vgl. auch A. L. Loeb, Color and symmetry, New York 1978.
174
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
zurückgeführt werden konnten. Darauf wird noch ausführlich in Kap. 4.3 eingegangen. Allgemein können Farbgruppen als Bewegungsgruppen verstanden werden, bei denen nicht eine geometrische Abbildung, sondern zugleich ein Farbwechsel erfolgt. Der einfachste Fall der 2-farbigen oder Schwarz-Weiß Gruppen berücksichtigt nur zwei Farben bzw. Eigenschaften. Ein Beispiel ist die Schwarz-Weiß-Symmetrie des Schachbretts, das bei einer Drehung um 90° um den Mittelpunkt in sich selber übergeht, wenn gleichzeitig Schwarz und Weiß vertauscht werden. Statt Schwarz und Weiß können natürlich auch andere Eigenschaftspaare betrachtet werden, z. B. der Wechsel von positivem ( + ) zu negativem ( —) Magnetismus oder der Wechsel von Formen in Ornamenten wie rund und eckig usw. Im Fall des Schachbretts wird die Bewegungsgruppe C 4 , die das farblose Schachbrett bei Drehungen um 90° unverändert läßt, um die Operation ε des Farbwechsels erweitert, d. h. gs = sg bedeutet die Hintereinanderausführung einer Drehung und eines Farbwechsels bzw. umgekehrt. Wenn 1 die Gruppeneinheit bzw. Identität ist, so können wir den Farbwechsel mit ε = 2 1/1 bezeichnen, da die zweifache Hintereinanderausführung eines Farbwechsels die Farbe unverändert läßt, d. h. ε 2 = 1. In unserem Beispiel wird also C 4 um die Permutationsgruppe {1, ε} erweitert. Wir bezeichnen daher auch diese 2-farbige Drehungsgruppe mit C^2). Die 2-seitigen reliefartigen Bandornamente in Abschn. 2.11, die aus den 1-seitigen Bandornamenten der Ebene durch zusätzliche räumliche Bewegungen („Klappungen") entstanden waren, lassen sich jetzt auch durch 2-farbige Translationsgruppen in der Ebene beschreiben. Allgemein sei eine Raumgruppe des n-dimensionalen Raumes (mit einem n-dimensionalen Translationsgitter) gegeben. Ist diese Raumgruppe im (n + l)-dimensionalen Raum eingebettet (ζ. B. eine Liniengruppe in der Ebene oder eine Ebenengruppe im Raum), so kann mit den Symmetrieoperationen im n-dimensionalen Raum ein Eigenschaftswechsel (Vorzeichenwechsel, Wechsel von oben und unten, von hinten und vorn etc.) in der (n + l)-Dimension verbunden sein. Dieser Wechsel läßt sich im n-dimensionalen Raum auch als Farbwechsel interpretieren. In der Kunst der arabischen Ornamentik findet man 2-seitige und 2-farbige Streifenmuster. 45 In der modernen Elementarteilchenphysik wird die Operation häufig auch Antisymmetrie genannt, die den Wechsel eines Teilchens zu einem anderen Teilchen beschreibt. Als Beispiel 45
Vgl. E. Müller, s. Anm. 11.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
175
für höhere Farbsymmetrien betrachten wir die 17 Ornamentgruppen aus Abschn. 2.11 (Abb. 7). Einen modernen Nachfolger haben die islamischen Ornamentkünstler in dem niederländischen Graphiker M. C. Escher (1898 — 1971) gefunden. Escher ist einer der Künstler dieses Jahrhunderts, der wie kein anderer die Vielfalt mathematischer Strukturen in der darstellenden Kunst zum Ausdruck brachte. Die Bedeutung der Ornamentik für die Kunst Eschers kann kaum überschätzt werden. Es handelt sich dabei weder um eine Imitation historischer Vorlagen, z. B. der islamischen Kunst, noch um die künstlerische Umsetzung mathematisch vorher definierter und untersuchter Strukturen. Escher bekennt zum Thema Ornamentik: „Ich wandere mutterseelenallein in dem Garten der regelmäßigen Flächenfüllung herum. Wie befriedigend es auch immer sein mag, eine eigene Domäne zu besitzen — Einsamkeit ist nicht so erfreulich; sie erscheint nur in diesem Falle eigentlich auch unmöglich. Jeder Künstler, oder besser jeder Mensch — um das Wort Kunst in diesem Zusammenhang möglichst zu vermeiden —, besitzt höchstpersönliche Eigenschaften und Unarten. Aber regelmäßige Flächenaufteilung ist kein Tick, eine Unart oder ein Hobby. Sie ist nicht Subjektivität, sondern Objektivität. Ich kann beim besten Willen nicht annehmen, daß etwas so Naheliegendes wie das Erkennbarmachen von Figuren, die einander ergänzen, so wie deren Bedeutung, Funktion und Absicht nie jemand eingefallen sein soll. Denn wenn wir die Schwelle des Urstadiums überschreiten, bekommt das Spiel mehr Wert als nur einen dekorativen. Lange bevor ich in der Alhambra bei den maurischen Künstlern eine Verwandtschaft mit den regelmäßigen Flächenaufteilungen entdeckte, hatte ich sie bei mir selbst entdeckt. Am Anfang hatte ich keine Vorstellung, wie ich meine Figuren systematisch aufbauen könne. Ich kannte keine einzige Spielregel und versuchte — beinahe ohne zu wissen, was ich tat — kongruente Flächen, denen ich Tierformen zu geben versuchte, aneinander zu passen ... später gelang das Entwerfen von neuen Motiven allmählich mit weniger Mühe als am Anfang und doch blieb es eine stets spannende Beschäftigung, eine wahre „Manie", von welcher ich besessen war und von der ich mich nur mit großer Mühe freimachen konnte." 44
Die Faszination, die von Eschers Kunst ausgeht, beruht hauptsächlich darin, daß hier intuitiv in der Kunst ein Stück höhere Mathematik zum Ausdruck kommt, ohne vorherige mathematisch-theoretische Analyse — und zwar historisch parallel zu einer Zeitepoche, in der abstrakte algebraisch-geometrische Strukturen in den Mittelpunkt mathematischen Interesses rückten. Als weiteres Beispiel der Kunstgeschichte ist an die geometrische Figuren- und Farbanalyse des Kubismus zu erinnern. Hier werden kulturhistorische Zusammenhänge von Mathematik und Kunst sichtbar, die die Situation nicht so hoffnungslos erscheinen lassen, wie in Snow's These von den „Two-Cultures". 46
M. C. Escher, Regelmatige vlakverdeling, Utrecht 1958, dt. in: B. Ernst, Der Zauberspiegel des M. C. Escher, München 1978, 41.
176
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Abb. 19
Die pythagoräische Einheit von Mathematik, Kunst und Natur scheint unter neuen historischen Bedingungen immer wieder aufzuleben. Als künstlerisches Beispiel betrachten wir Eschers 3-farbiges Netzwerkmuster „Eidechsen" (Abb. 19).47 Sieht man von den Farben ab, handelt es sich um ein Beispiel für ein Ornament (17) (Abb. 7). Sieht man von den Translationen ab, erhält man die Drehungssymmetrie C6. Jede Drehung um 60° ist mit einem Farbwechsel schwarz-rot-weißschwarz usw. verbunden. Mathematisch ist also die Gruppe C 6 und die zyklische Gruppe {1, ε, ε2} erweitert, wobei ε = ]/Γ, ε2 = (1/T)2, 47
Μ. C. Escher, Eidechsen, Abb. in: Α. V. Shubnikov/V. A. Koptsik, s. Anm. 9, Fig. 228; vgl. auch C. H. Macgillavry, Symmetry Aspects of Μ. C. Escher's Periodic Drawings, Utrecht 1965.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
177
ε3 = fl/T) = 1 und 1 die Einheit bzw. Identität ist. Die 3-farbige Drehungsgruppe um 60° wird daher auch mit C^3) bezeichnet. Eine physikalische Anwendung farbiger C 6 -Gruppen liefert die Festkörperphysik. Hier werden Atome zur Beschreibung magnetischer Konfigurationen mit magnetischen Momenten versehen. Häufig kommt es zu Wechselwirkungen zwischen benachbarten magnetischen Atomen (ζ. B. in einem Kristall von Eisenatomen), so daß eine parallele Ausrichtung aller magnetischen Dipole im makroskopischen Bereich selbst ohne ein äußeres Feld erzwungen wird. Die Ausrichtung und Kopplung aller magnetischen Dipole bricht erst bei einer charakteristischen Temperatur des Stoffes, der sogenannten Curie-Temperatur. Stoffe, die diese Eigenschaft wie ζ. B. Eisen besitzen, heißen daher ferromagnetisch (ζ. B. Kobald, Nickel). 48 Wir betrachten Kristalle der Gruppe C 6 . Magnetische Momente von Atomen werden durch Pfeile interpretiert, die sich im Uhrzeigersinn um den Winkel ε oder in entgegengesetzter Richtung drehen. Die klassischen Operationen dieser Gruppe reichen nicht aus, um alle magnetischen Konfigurationen zu beschreiben. Im Fall von C 6 bleiben nämlich die magnetischen Momente unverändert (Abb. 20).49 Interpretiert man das magnetische Moment durch die Operation der AntiSymmetrie, d.h. also als Drehwinkel ε = 180°, erhält man die Konfiguration der 2-farbigen Gruppe C^2). Hier bleibt das magnetische Moment in jeder 2. Stellung unverändert. Im Fall der 3-farbigen C 6 -Gruppen werden die magnetischen Momente durch Drehungswinkel um ε = 120° gedeutet, um die die Drehungen g der Kristallsymmetrie C 6 zu εg ergänzt werden. Im Ausgangspunkt zeigt der Pfeil des magnetischen Moments vertikal nach oben. Nach einer C 6 -Drehung zeigt der Pfeil diagonal nach außen (gestrichelte Linie). Nach einer Drehung des Pfeils um ε = 120° entgegen dem Uhrzeigersinn (d.h. in +-Richtung) zeigt der Pfeil vertikal nach unten. Wir führen so nacheinander die zusammengesetzten Operationen εg aus, also insgesamt eg, e2g2, ε ^ 3 = 1 · g3 = g3, eg4, ε ^ 5 , 6 e6g6 _ ι · g = u n ( i erhalten eine zwar kollineare, aber antiferromagnetische Konfiguration als Modell einer Q, 3)+ -Gruppe. Hier bleibt das magnetische Moment in jeder 3. Stellung unverändert. Im Fall einer Drehung der Pfeile im Uhrzeigersinn (d. h. in — -Richtung) er48
49
Vgl. R. P. Feynman, Vorlesungen über Physik Bd. II/2, München/Wien 1974, Kap. 36: Ferromagnetismus; C. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, München/ Wien 1973, Kap. 16: Ferromagnetismus und Antiferromagnetismus. Vgl. Α. V. Shubnikov/V. A. Koptsik, s. Anm. 9, 283.
178
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
(2)
C
(3)-
Abb. 20
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
179
halten wir eine weder kollineare noch ferromagnetische Konfiguration der Gruppe Ck3)~. Im Fall der 6-farbigen C 6 -Gruppen werden die magnetischen Momente durch Drehungswinkel um ε = 60° gedeutet, um die die Drehungen g der Kristallsymmetrie C 6 zu eg ergänzt werden. Hier bleibt das magnetische Moment nur in jeder 6. Stellung unverändert, fallt also mit der Kristallsymmetrie C 6 zusammen. Dreht ε in + -Richtung, erhalten wir eine weder kollineare noch ferromagnetische Konfiguration als Beispiel der Gruppe C^6)+. Dreht ε in --Richtung, erhalten wir die ferromagnetische Konfiguration der Gruppe Ck6)~. Allgemein können für eine zyklische Gruppe {ε, ε 2 ,..., ερ} die Farben in der Folge der Spektralfarben gewählt werden, also ζ. B. in C^6)+ für die Punkte 1, 2, 3, 4, 5, 6 die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett. Der Farbkreis wird also in sechs verschiedenfarbige Abschnitte geteilt, im Fall von Q 3 ) + in sechs 3-farbige Abschnitte usw. Allgemein heißt die zyklische Gruppe C(np) p-farbig, falls ε ρ = 1. Die mathematische Theorie der Farbsymmetrie besteht nun darin, systematisch die bekannten diskreten Gruppen der Ebene und des Raumes durch Umfarbungsoperationen zu erweitern. Allgemein werden diese Operationen durch Permutation ausgedrückt, wobei Farben 1, 2, ..., ρ in Farben m,, m2, ..., m p aus {1, 2, ..., p} überführt werden. Diese Untersuchungen eröffnen einen weiten Anwendungsbereich für Kunst und Naturwissenschaften. 50 Es war der alte pythagoräische Gedanke, die Musik als Harmonielehre neben Geometrie, Arithmetik und Astronomie im Quadrivium der exakten Wissenschaften aufzunehmen. Für die Pythagoräer hatten musikalische Harmonien naturgesetzlichen Charakter, d. h. sie brachten Symmetriegesetze der Natur wie die Sphärenharmonie zum Ausdruck. Diese Identität von musikalischer Harmonie, Natur- und Lebensauffassung fanden wir auch in anderen frühen Kulturen. In der abendländischen Tradition ist diese Einheit spätestens nach der Renaissance zerbrochen. Ästhetische Auffassungen und naturwissenschaftliche Forschung entwickelten unübersehbar eigene Kategorien und Gesetzmäßigkeiten, ja antike Kunstmaßstäbe wurden von späteren Epochen ausdrücklich kritisiert und ihre ontologische Fundierung im Sinne der pythagoräischen Tradition in Frage gestellt. Andererseits haben wir bereits für die darstellende Kunst unterschwellige Gemeinsamkeiten mit der Mathematik bemerkt. In der
50
Vgl. auch V. A. Koptsik, Advances in Theoretical Crystallography. Color Symmetry of Defect Crystals, in: Kristall and Technik 10 1975, 231 - 2 4 5 .
180
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Musik fallt natürlich sofort der Barock und besonders Bach z. B. mit seinen kunstvollen Fugen ein.51 So lange aber der Symmetriebegriff auf antike Proportionsvorstellungen oder gar — wie in der neuzeitlichen Kunsttheorie häufig — auf Spiegelungssymmetrie beschränkt bleibt, müssen Symmetrien in der Musik eher zufallig und sporadisch erscheinen. Tatsächlich waren es die revolutionierenden neuen Aufbrüche der Musik dieses Jahrhunderts wie die 12-Ton Musik und die elektronische Musik, die Gemeinsamkeiten mit dem umfassenden mathematischen Symmetriebegriff deutlich machten. Es geht jedoch nicht darum, der Musik einen neuen „Proportionskanon" aufzuzwingen. Es zeigt sich vielmehr, daß alle Grundbegriffe der Musiktheorie in die gruppentheoretische Sprache der modernen mathematischen Symmetrietheorie übersetzbar sind und damit Musikbeispiele von den mittelalterlichen Kirchentonarten über Bach, Beethoven, Schönberg bis zu Stockhausen analysierbar werden. Eine solche gemeinsame Sprache mathematischer, naturwissenschaftlicher und künstlerischer Probleme fördert nicht nur die verloren geglaubte Einheit der „Two Cultures". So erlaubt die Gruppentheorie neue Untersuchungsmethoden der Musik wie die Computeranalyse, da die gruppentheoretische Sprache sehr einfach in Computersprachen übersetzbar ist. Allerdings ist diese neue Einheit von Methoden in Mathematik, Kunst und Naturwissenschaft von grundsätzlich anderen Absichten getragen, als im pythagoräischen Quadrivium. Es kann nicht mehr darum gehen, Tonskalen und Harmonien als Ausdruck bestimmter Naturgesetze zu verstehen. Philosophisch gesprochen handelt es sich also heute um eine Einheit der Methoden und keine ontologisch begründete Einheit wie bei den Pythagoräern. Dieser zunächst reduziert erscheinende Anspruch des modernen Symmetriebegriffs eröffnet jedoch neue Chancen und Anwendungsmöglichkeiten. Die Geschichte zeigt uns nämlich nicht nur verschiedene Epochen einer (z. B. abendländischen) Kulturentwicklung, sondern eine Vielzahl verschiedener kultureller Traditionen und Ansätze mit verschiedenen ästhetischen Maßstäben, die sich häufig gegenseitig als „fremdartig" empfinden. Hier ermöglichen die neuen Methoden den interkulturellen Vergleich, um gemeinsame Struktur und Unterschiede herauszuarbeiten, analog den linguistischen Untersuchungen verschiedener natürlicher Sprachen. Das sei abschließend an einigen Beispielen der Musiktheorie erläutert.
51
Vgl. W. Werker, Studien über Symmetrie im Bau der Fugen und die motivische Zusammengehörigkeit der Präludien und Fugen des Wohltemperierten Klaviers von J. S. Bach, Leipzig 1922.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
1=3= ΙΞ^ΞΞ Abb. 21
181
182
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Seit den Pythagoräern wird auf Symmetriegesetze der Tonskalen und Harmonik hingewiesen.52 In der Neuzeit begründet J. P. Rameau in seinem „Traite de Pharmonie" (1722) die Melodie auf Harmoniegesetze, die bis in die Spätromantik eine Rolle spielen.53 Der Enzyklopädist, Mathematiker und Philosoph J. 1. R. d'Alembert versucht, den ästhetischen Geschmack im Rameauschen Sinn zu objektivieren. Erst A. Schönberg bricht mit dem klassischen Harmoniekanon total, um in der 12-Ton-Technik größere Formmöglichkeiten zuzulassen.54 Die Symmetrien von Tonskalen und Harmonik lassen sich durch zyklische Gruppen beschreiben, also auf Rotationssymmetrien zurückführen. So bildet z. B. die 12-stufige Halbtonskala eine Gruppe Ci2 mit den Halbtönen C, Cis, D, Dis, E, ... etc. als Drehungen 0 · π/6, 1 · π/6, 2 · π/6, 3 · π/6, ... (Abb. 21, (l)). 55 Die beiden möglichen Ganztonskalen werden durch zwei zyklische Untergruppen von C12 bestimmt, nämlich diejenigen, die durch Drehungen um Winkel η · 2π/6 entstehen (2). Drehungen mit η · 2π/4 ergeben drei zyklische Untergruppen für die drei Typen verminderter Septakkorde (3), während Drehungen um η · 2π/3 analog vier zyklische Untergruppen für die vier verschiedenen Dreiklänge ergeben (4). Bemerkenswert ist, daß Drehungen um η · 5π/6 = 150° ausgehend von C im Uhrzeigersinn den Halbtonzirkel in den Quartenzirkel überführen, im Gegenuhrzeigersinn in den Quintenzirkel. In der Harmonik können Dreiklänge durch (nicht-gleichseitige) Dreiecke im Halbtonkreis dargestellt werden. Dabei ist interessant, daß Dur- und Molldreiklänge kongruente, aber spiegelungssymmetrische Dreiecke bilden (5). Weitere Untersuchungen zyklischer Gruppen in der Harmonik lassen sich auf andere Tonskalen übertragen und erlauben interkulturelle Vergleiche verschiedener Harmonieauffassungen. Von zentralem Interesse sind mögliche Symmetrieeigenschaften konkreter Kompositionsbeispiele.56 Um Symmetrieoperationen kompositorisch deuten zu können, sei analog zur geometrischen Ornamentik 52
53 54
55
56
Vgl. auch E. Werner, Grundsätzliche Betrachtungen über Symmetrie in der Musik des Westens, in: Studia Musicologica 11 1969, 486; K. Mehner, Beiträge zum Symmetriebegriff in der Musik, in: Beiträge zur Musikwissenschaft 13, 1971, 11. J. P. Rameau, Traite de l'harmonie, Paris 1722, engl. New York 1971. Vgl. für die folgenden Ausführungen H. Eimert, Lehrbuch der Zwölftontechnik, Wiesbaden 1966. Vgl. F. J. Budden, The Fascination of Groups, Cambridge 1972; R. Claus, Symmetrie in der Musik. Zur Anwendung gruppentheoretischer Methoden, in: A. Preisinger (Hrsg.), Symmetrie, Wien/New York 1980, 70, 76. Vgl. auch L. J. Solomon, Symmetry as a Determinant of Musical Composition, Diss. West Virginia University, Morgantown West Virginia 1973.
2.1 Symmetrien der Ornamente und Kristalle
183
und Kristallographie zunächst der Begriff des musikalischen Raumes erläutert. Es wurde bereits erwähnt, wie seit dem 19. Jh. die Dimensionen n-dimensionaler Räume musikalisch unterschiedlich interpretiert und angewendet wurden. Daher scheint es sinnvoll, z. B. den zeitlichen Ablauf einer Komposition (im Notenbild von links nach rechts) mit der Takteinteilung als Metrik als eine Dimension bzw. Koordinatenachse zu deuten. Die Tonhöhe (Frequenz), meßbar durch die Notenlinien, bietet sich als 2. Dimension an, als 3. Dimension z. B. die Lautstärke (Dynamik). Für genauere Analysen könnte die Klangfarbe als 4. Dimension hinzugezogen werden. Entscheidend für den Raumbegriff ist nur, daß man sich jeweils auf eine entsprechende Metrik einigt.57 Nun können einzelne Symmetrieoperationen wie Translation, Spiegelung oder Rotation in dem musikalischen Raum untersucht werden, der von den Dimensionen Zeit, Frequenz und Dynamik aufgespannt wird. So werden Translationen in der Zeitrichtung als Tonwiederholungen, in der Frequenzrichtung als Parallelführung von Stimmen, in der Dynamik als Crescendo bzw. Diminuendo gedeutet. Rotationen wie C 2 können um die Dynamikachse, also in der Notenebene von Zeit und Frequenz untersucht werden. Spiegelungen in der Zeit — Frequenzebene entsprechen einem An- und Abschwellen der Lautstärke bzw. umgekehrt. Spiegelung an der Dynamik — Zeitebene, also an der Horizontalen des Notenbildes sind möglich. Bekannter sind die Spiegelungen an der Vertikalen, also an der Frequenz — Dynamikebene. Hier handelt es sich um den sogenannten Krebs, der im 15. und 16. Jh. häufig auftritt, in klassischen Beispielen von Bach („Musikalisches Opfer"), systematisch aber in der seriellen Musik der Schönbergschen 12-Ton-Technik verwendet wird. In Abb. 22 sieht man die vier Prototypen der Schönbergschen Serie aus seinem Walzer Nr. 5 („Fünf Klavierstücke" op. 23), die aus der Normalform durch Spiegelung an der Horizontalen, Vertikalen ( = Krebs) und der Kombination beider Spiegelungen entsteht. Die Symmetrien sind im Notenbild wegen uneinheitlicher Schreibweise der Halbtonintervalle nicht einheitlich wiedergegeben.58 Ein Höhepunkt einer solchen gruppentheoretischen Analyse besteht in der Frage, ob die Kombination von Symmetrieoperationen in musikalischen „Ornamenten" anwendbar ist. Für die sieben einseitigen Streifenornamente in der Notenebene lassen sich systematisch Noten57 58
Dazu auch R. Claus, s. Anm. 55, 31 ff. Vgl. auch die Diskussion von M. Eigen in: ders./R. Winkler, Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall, München/Zürich 1975, 357.
184
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Normalform
«u-
e-
~
"
A
Spiegelung an der Vertikalen ( = Krebs)
\m
·
-
,
"
"
Spiegelung an der Horizontalen
φ
- ,
M· 0
bc
.
?· __ "
•
tj·——
• ·
=
bn
^
. tp.
:· -h.-uTT7-
^
ίί·
bo
•
Spiegelung an der Vertikalen und Horizontalen
Abb. 22
beispiele aus dem Werk von Bach angeben.59 Als Beispiel für eine Abfolge von Ornamentsymmetrien seien die Takte 27 — 29 des 1. Satzes aus der Klaviersonate op. 53 („Waldsteinsonate") von L. v. Beethoven erwähnt (Abb. 23).60 Es handelt sich um die Streifenornamente der Friesschen Gruppen (5), (2), (1) in Abb. 23. Offenbar liegt in dieser Abfolge an Ornamenten eine Reduktion von Symmetriekomplexität vor, wenn man bedenkt, daß Gruppe (1) nur aus der Translation, (2) aus Translation und Spiegelung, (5) jedoch aus einer Kombination der Symmetrieoperationen der Friesschen Gruppen (1), (2), (3), (4) besteht. Reduktionen von Symmetriekomplexität lassen sich psychologisch als Spannungslösung deuten, die im Zuhörer beim Abspielen des Musikbeispiels entsteht. Damit werden Ansätze deutlich, um auch subjektive Effekte der Musik durch Symmetrieanalysen objektivierbar zu machen. Auch Symmetriebrechungen, die psychologisch ebenfalls 59 60
Vgl. auch R. Claus, s. Anm. 55, 101 ff. L. v. Beethoven, Klaviersonate op. 53, 1. Satz, Takt 27 — 29; dazu auch R. Claus, s. Anm. 55, 109.
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie
185
starken Reiz in der Musik auslösen, sind natürlich nur dann als solche empfindbar, wenn die Symmetriestrukturen, von denen abgewichen wird, bekannt sind. „Herz und Hirn in der Musik" (A. Schönberg) 61 sind also keine Gegensätze, sondern verschiedene Aspekte eines Kunstwerks entsprechend den verschiedenen Fähigkeiten des Menschen.
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie Die gruppentheoretischen Methoden in der Geometrie der Ornamente und Kristalle waren eine erste naturwissenschaftliche Anwendung des modernen mathematischen Symmetriebegriffs. Sie greifen auch frühe intuitive Symmetrievorstellungen der Menschen in der Kunst auf. Mathematikhistorisch jedoch sind die algebraischen und zahlentheoretischen Anfange des gruppentheoretischen Symmetriebegriffs älter als die geometrischen Ansätze. Sie reichen ins 18. Jh. zurück und sind mit den Gleichungstheorien besonders von Lagrange, Gauß, Abel und Galois verbunden. Bei der Anwendung der Gruppentheorie in der Geometrie geht es darum, Symmetrieeigenschaften von Figuren und Körpern durch Unveränderlichkeit („Invarianz") gegenüber Gruppen von Transformationen wie z. B. Drehungen, Translationen oder Spiegelungen auszuzeichnen. Es war der geniale Einfall von E. Galois, auch die Lösungen von Gleichungen durch Symmetrieeigenschaften zu charakterisieren, die gegenüber bestimmten Transformationen („Permutationsgruppe") unverändert bleiben, um dadurch Information über Lösungen und Lösbarkeit von Gleichungen zu gewinnen. Galois beantwortet mit dieser Theorie grundlegende Probleme der Gleichungstheorie und steht somit am Ende einer Entwicklung, die weit in die Antike zurückgreift. Andererseits sind seine gruppentheoretischen Methoden auch unabhängig von der Gleichungstheorie revolutionär und stehen am Anfang der modernen Strukturmathematik, die auch für die Physik grundlegend wurde. 2.21 Galoistheorie Die Lösung linearer und quadratischer Gleichungen ist seit der Antike bekannt. Während die Griechen sie als geometrische Probleme interpretierten, gehen die uns heute geläufigen Rechenalgorithmen auf babylonische, chinesische und indisch-arabische Traditionen zurück. 61
A. Schönberg, Herz und Hirn in der Musik, in: ders., Ges. Schriften, Bd. 1, Frankfurt 1976, 104-122.
186
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Das Operieren mit Symbolen auf dem Papier, das heute als typisch für Mathematik gilt, findet hier seine erste Ausprägung. Zur Lösung quadratischer Gleichungen wurden neben Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren neue Operationen wie das Quadratwurzelziehen eingeführt. 62 Auf diesem kalkulatorischen Weg gelang der neuzeitlichen Mathematik auch erstmals die Lösung kubischer Gleichungen, an der die Antike weitgehend gescheitert war. Sie ist das Werk der italienischen Renaissance-Mathematiker wie Del Ferro (1465-1526), Tartaglia (1500-1557) und Cardano („Cardanosche Formeln") und setzt das kubische Wurzelzeichen voraus. Cardanos Schüler Ferrari (1522 — 1565) löst auch die Gleichung 4. Grades, wofür Descartes später einen einfacheren Ansatz fand. Hier wird das Ziehen von Wurzeln 4. Grades vorausgesetzt. Aber trotz jahrhundertelanger Versuche konnten entsprechende Lösungsformeln mit Wurzeln nicht für Gleichungen 5. Grades gefunden werden. 63 Erst die Anwendung gruppentheoretischer Methoden durch den jungen französischen Mathematiker E. Galois (1811 — 1832) konnte alle diese Fragen endgültig klären. Obwohl Galois in der algebraischen Tradition von Lagrange, Gauß, Abel u. a. steht, hat seine strukturelle Betrachtungsweise, mit der viele mathematische Probleme auf einen Schlag („d'un seul coup") gelöst werden, revolutionäre Züge. Zudem eignet sich die Person Galois' durchaus zur Mythenbildung. Seine berühmte und geniale Theorie ist nämlich der „coup" eines 20jährigen. Galois, politisch engagierter Student, arrogant und überlegen, selbstsicher und voller Sendungsbewußtsein, stirbt im Alter von 20 Jahren in einem Duell. Am Abend vor seinem Tod hinterläßt er sein mathematisches Testament in einem Brief an seinen Freund Auguste Chevalier. Jacobi und Gauß erscheinen ihm gerade gut genug, nicht etwa um die Wahrheit seiner Theorie zu prüfen, sondern ihre Bedeutung. 64 Galois' Theorie läuft darauf hinaus, polynominale Gleichungen durch Gruppen von Permutationen zu charakterisieren, die die Eigenschaften und Relationen der Gleichungslösungen („Wurzeln") untereinander unverändert lassen.65 Das sei an einem Beispiel erläutert. 62
63
64
65
Vgl. auch K. Mainzer, Natürliche, ganze und rationale Zahlen (Kap. 1), Reelle Zahlen (Kap. 2), in: H.-D. Ebbinghaus u. a., Grundwissen Mathematik Bd. 1 (Zahlen), Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1983, 7 - 2 2 , 2 3 - 4 4 . Vgl. auch J. Tropfke, Geschichte der Elementarmathematik Bd. 1 (Arithmetik und Algebra), Berlin/New York 1980, 474 ff. Vgl. auch G. Sarton, Evariste Galois, in: Osiris 3 1937, 2 4 1 - 2 5 9 ; G. Birkhoff, Galois and Group Theory, in: Osiris 3 1937, 2 6 0 - 2 6 8 . Eine ausgezeichnete Darstellung der Galoisschen Theorie liefert E. Artin, Galoissche Theorie, Leipzig 1965; vgl. auch A. Speiser, s. Anm. 6, 243 ff.
187
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie
Dazu zunächst einige Erinnerungen an die Terminologie der modernen Algebra. Eine Menge, für deren Elemente die Rechenregeln der Addition und Multiplikation mit den Umkehrungen der Subtraktion und Division ebenso erklärt sind wie für die rationalen Zahlen, heißt Körper. Mit Q wird der Körper der rationalen Zahlen bezeichnet. Wir betrachten die Gleichungen 5. Grades x5 — 1 = 0 mit den 5 Lösungen α, = ( - 1 + ] / 5 " + J / - 1 0 - 2 1 / 5 )/4 a 2 = ( - 1 — |/5~ + | / — 1 0 —
2]/5)/4
a 3 = ( - 1 - Ϋ 5 - ] / - 1 0 + 2 J/5 )/4 a
4
=
( - 1
+
J/5~ — J / — 1 0
—
2 | / J ) / 4
a 5 = 1. Die Koeffizienten des Polynoms χ 5 — 1 sind ganze Zahlen. Also handelt es sich um ein Polynom über dem Körper Q. Aber nur die Lösung a 5 ist eine wohldefinierte Größe in Q. Dagegen können die Wurzelausdrücke αϊ, a 2 , oc3, oc4 im Körper Q der rationalen Zahlen nicht unterschieden werden. Es folgt daher, daß alle Relationen in Q unverändert bleiben, wenn diese vier (in Q) ununterscheidbaren Größen in bestimmter Weise vertauscht eingesetzt („permutiert") werden. Eine solche Relation in Q ist (1) af = 1, da eine Wurzel des Polynoms ist. Ferner gilt (α,)5 = aj° = (αϊ)2 = 1. Also ist a? ebenfalls eine Wurzel des Polynoms, nämlich a 2 . Also gilt (2) α2 = α?, ferner (3) α3 = α? und (4) a 4 = af. Die möglichen Vertauschungen in diesen Relationen sind nun keinesfalls beliebig. Wenn ζ. Β. α] durch a 3 ersetzt wird, dann sind die restlichen Vertauschungen festgelegt. So ist wegen (2) in diesem Fall a 2 = a 3 . Wegen (3) folgt also α3 = α?, wegen (1) ist af = a,. Wenn also α] durch a 3 ersetzt wird, dann muß a 2 durch α] ersetzt werden. Ferner muß a 3 mit a 4 vertauscht werden. Vertauscht man nämlich α, mit a 3 , so gilt α 3 = α 3 = (α?)3 = a? = af = a 4 wegen (3), (5) und (4). Analog überzeugt man sich, daß in diesem Fall a 4 mit a 2 vertauscht werden muß, während a 5 als in Q wohlbestimmte Größe bei der Vertauschung erhalten bleibt. Neben der Identität 1 erhält man folgende Permutationen, die Relationen in Q unverändert {„invariant") lassen:
188
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
Permutationen sind ein Beispiel für Automorphismen (vgl. 2.11). Sie bilden nämlich eine endliche Menge (hier von Gleichungslösungen) umkehrbar eindeutig auf sich selber ab und lassen dabei die algebraischen Eigenschaften dieser Menge (hier die Relationen zwischen den Gleichungslösungen) unverändert, so wie z. B. die Drehungen eines regulären Vielecks seine geometrischen Eigenschaften unverändert lassen. In unserem Beispiel erfüllen nur 4 der insgesamt 5! = 1 · 2 • 3 • 4 • 5 = 120 Möglichkeiten diese Bedingungen. Die 4 Permutationen erfüllen auch insgesamt die Axiome einer Gruppe. Die Identität gehört ja dazu. Ebenso ergibt die Verknüpfung zweier Automorphismen, d.h. die Hintereinanderausführung zweier Permutationen, wieder eine der 4 Permutationen, ζ. Β. σ, · σ 3 = σ 2 . Ferner läßt sich zu jeder Permutation σ eine inverse Permutation σ _ 1 angeben, ζ. Β. σ, · σ 2 = σ 2 · σι = 1 mit a f 1 = σ 2 und σ^ 1 = σ^ Man sagt daher: Die Wurzeln des Polynoms χ 5 — 1 sind über Q durch die Galoisgruppe G = {1, a t , σ 2 , σ3} bestimmt. Philosophisch geht die Galoistheorie auf das Leibnizsche Grundprinzip des modernen Symmetriebegriffs zurück (vgl. auch 2.11): Symmetrieeigenschaften von Mengen (geometrische Konfigurationen, Zahlenmengen etc.) zeichnen sich dadurch aus, daß sie bei bestimmten Selbstabbildungen („Automorphismen") unverändert („invariant") bleiben. Andersherum ausgedrückt: Elemente dieser Menge können mit diesen Eigenschaften nicht unterschieden werden. Sie sind — wie Leibniz sagt — relativ zu diesen Relationen „ununterscheidbar" (indiscernibiles). Der Grundgedanke des modernen Symmetriebegriffs ist das Leibnizsche Prinzip der UnUnterscheidbarkeit, das von Galois gruppentheoretisch präzisiert wird. 66 Im folgenden Beispiel läßt sich auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem algebraischen und geometrischen Symmetriebegriff aufzeigen. Wir betrachten das Polynom x4 — 2 mit den Nullstellen 4
4
4
4
oti = y2 , a 2 = iy2, α3 = — ]/2, a 4 = —i]/2~. Es ist ein Polynom über Q, dessen Lösungswurzeln jedoch in Q ununterscheidbar sind. 4
4
Nennen wir σ den Automorphismus, der J/2~ in i y2 überführt und i 4 unverändert läßt, und τ den Automorphismus, der |/2 unverändert läßt, aber i in — i überführt, dann läßt sich unter den 4! = 1 · 2 · 3 · 4 = 24 Permutationsmöglichkeiten der Lösungen die folgende Galoisgruppe G von x4 — 2 über Q auszeichnen: 66
Vgl. auch J. Vuillemin, La Philosophie de L'Algebre I. Recherches sur quelques concepts et methodes de l'Algebre moderne, Paris 1962, § 28.
189
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie
_ 'α, α2 α 3 α 4 \ _ 1 α J α2 α3 α 4 / σ = ι
α2 α 3 α 4 \ α2 α 3 α4 αϊ/
τ τ
_ / αϊ α2 α 3 α4 ~ \
στ =
/αϊ α2 α 3 α4 \α 4 α 3 α2 a t
σ2 — /α, ία,χ αα22 αα33 αΛ α4\ \α 3 α 4 α! α 2 /
σ 2 τ = /α, α2 α 3 α4 α 3 α2 αϊ α4
σ 3 = /αϊ α2 α 3 α 4 \ α4 αϊ α2 a 3 /
σ 3 τ = / aj α2 α 3 α4 \α 2 a t «χ» α 3
Es gilt σ 4 = 1, τ2 = 1 und τστ~ 1 = σ _ 1 . Man macht sich leicht klar, daß G zur Drehgruppe eines Quadrats im 3-dimensionalen Raum isomorph ist. Dazu wird σ als Drehung um 90° in derselben Ebene und τ als Spiegelung bzw. als Umklappung an der horizontalen Achse interpretiert. Offenbar ist die Galoisgruppe einer Gleichung abhängig von dem zugrundegelegten Körper. Im Fall von χ 5 — 1 sind unter den 5 Lösungen nur die 4 Wurzelausdrücke im Körper Q der rationalen Zahlen ununterscheidbar und ergeben daher die genannte Permutationsgruppe, während für x4 — 2 alle Lösungen in Q ununterscheidbar sind. Würde man also den Körper Q der rationalen Zahlen schrittweise um jeweils eine der Lösungswurzeln erweitern, müßte sich die Permutationsgruppe verkleinern, da nun weniger Lösungen in dem jeweiligen Erweiterungskörper ununterscheidbar werden. Der Grundgedanke der Galoisschen Theorie ist nun, den Grundkörper Κ einer Gleichung schrittweise bis zu dem (kleinsten) Körper zu erweitern, der alle Lösungswurzeln der Gleichung umfaßt. Bei η wohlunterschiedenen Wurzeln αϊ, ..., a n erhält man dann eine aufsteigende Folge von Inklusionen Κ c K t c K 2 ... c K„ = K ( a t , ..., a„). Da im Fall von K n alle Lösungswurzeln unterscheidbar werden, kann die entsprechende Permutationsgruppe nur noch die Identität umfassen. Der aufsteigenden Kette von (normalen) Körpererweiterungen durch Lösungswurzeln entspricht daher eine absteigende Kette von Permutationsgruppen G = G 0 D Gi 3 G 2 ... => G n = {1}. Unter bestimmten Bedingungen sagt man in diesem Fall auch, daß die Gruppe G auflösbar sei.67 Im Sinne von Leibniz führt Galois ein Maß der UnUnterscheidbarkeit der Gleichungslösungen bzw. ein Maß für ihre Symmetrieeigenschaften 67
Vgl. E. Artin, s. Anm. 65, 70.
190
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
relativ zu bestimmten Bezugskörpern ein. Tatsächlich sagte er auch: „Ce groupe est la mesure exacte de l'incapacite relative ού nous sommes de discerner les racines. Nous disons incapacite relative, car cette incapacite n'est pas totale puisque toutes les substitutions ne sont pas permises." 68 Mathematisch war es eine zentrale Leistung Galois', die algebraischen Kriterien für die Auflösbarkeit der Permutationsgruppe bei entsprechenden (normalen) Körpererweiterungen herauszustellen. Ohne hier weiter auf technische Einzelheiten einzugehen, handelt es sich darum, daß in der absteigenden Inklusionskette G; Normalteiler von Gj_i ist und die Faktorgruppen kommutativ („abelsch") sind. 69 Es läßt sich beweisen, daß ein Polynom f (x) dann und nur dann durch Wurzeln lösbar ist, wenn die Gruppe G auflösbar ist. Für eine allgemeine Gleichung n-ten Grades f(x) = xn + a,x n _ 1 + ... + a„ = 0 über Körper Κ umfaßt die Galoissche Gruppe die gesamte Gruppe aller n! möglichen Permutationen der η Lösungen, die sogenannte symmetrische Gruppe Sn. Man kann beweisen, daß für η > 5 die symmetrische Gruppe S„ nicht auflösbar ist. Damit ist der Grund angegeben, warum die jahrhundertelange Jagd nach Lösungsformeln für Gleichungen 5. Grades ergebnislos bleiben mußte: Für η > 5 ist die allgemeine Gleichung n-ten Grades nicht durch Wurzeln lösbar (Satz von Abel).70 Der auffallendste Unterschied Galois' gegenüber seinen Vorgängern besteht darin, daß er nicht auf Rechnen abzielt, sondern auf Einsicht in algebraische Prinzipien.71 Die Struktur der Lösungen einer Gleichung wird ablesbar aus der Struktur einer der Gleichung eindeutig zugeordneten Permutationsgruppe. Galois spricht von einer „simplification intellectuelle", mit der „l'esprit saisit promptement et d'un seul coup un grand nombre d'operations". 72 Diese Einschätzung ist typisch für das Auftreten von Symmetriebetrachtungen in der Wissenschaftsgeschichte. Häufig werden nämlich Symmetrieanalysen angestellt, wenn es darum geht, in einer Vielfalt von scheinbar unübersehbaren und nicht-zusammenhängenden Einzelergebnissen eine gemein68
69
70 71
72
G. Verriest, Lego η s sur la Theorie des Equations selon Galois, Paris 1939, 34; ders., Oeuvres mathematiques d'E. Galois, publiees en 1897, Paris 1961, 327. Eine Untergruppe U heißt Normalteiler der Gruppe G genau dann, wenn sie mit allen ihren konjugierten Untergruppen identisch ist, d. h. für σ e G ist a U a - 1 = U. Galois nennt die Schlüsselbedingung „la decomposition propre", ζ. B. in: Oeuvres mathematiques d'E. Galois, Paris 1897, 25, 26. Vgl. E. Artin, s. Anm. 65, 78. Vgl. auch die Analyse von H. Wussing, Die Genesis des abstrakten Gruppenbegriffs, Berlin 1969, 74 f. E. Galois, Manuscrits de Evariste Galois (publies par J. Tannery), Paris 1908, 25.
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie
191
same Struktur herauszustellen. Das gilt für die Entwicklung der Gleichungstheorie mit ihren vielen Einzelergebnissen und Rechenverfahren ebenso wie für die Entwicklung der Elementarteilchenphysik in unserem Jahrhundert. Wenn daher Galois beklagt, daß in den Lehrbüchern und Abhandlungen seiner Zeit die Angabe der großen Leitideen fehle, was dazu führe, daß unter einem Wust von Einzelergebnissen der eigentliche Kern erstickt werde, so ist diese Kritik auch historisch zu relativieren. Eine gemeinsame Grundstruktur oder die Einheit in der Vielfalt (Leibniz) kann nur sinnvoll herausgearbeitet werden, wenn eine möglichst große Vielfalt vorher bekannt ist. Es besteht zwar die Gefahr, daß man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, ebenso besteht aber auch die Gefahr, daß man nicht wissen kann, was ein Wald ist, da man keine Bäume kennt. 2.22 Anwendungsbeispiele Im folgenden soll gezeigt werden, wie die Galoissche Theorie mit einem Schlag („d'un seul coup") eine Reihe klassischer Probleme aus Arithmetik und Geometrie beantwortet, die bis in die Antike zurückreichen. Zunächst zeigen wir, daß die Inkommensurabilität von Diagonale und Seite eines Quadrats, also die Irrationalität von | / T durch die Galoisgruppe der Gleichung x2 — 2 = 0 bestimmt ist73, x2 — 2 ist ein Polynom über Q mit den Wurzeln αϊ = ]/2~ und α 2 = — αϊ = —1/2~. Der kleinste Körper, der alle Lösungswurzeln umfaßt, ist also Q(±]/2). Über diesem Erweiterungskörper von Q läßt sich das Polynom auch als Produkt von Linearfaktoren darstellen, nämlich x2 — 2 = ( x - l / 2 ) (x + Ϋ2). Man spricht daher auch vom Zerfallungskörper des Polynoms. Wir behaupten: Die Galoisgruppe von x2 — 2 umfaßt die Permutationen und Dazu ist zu beweisen, daß jede algebraische Relation der Wurzeln, d. h. jedes Polynom R(xi, Χ2) in zwei Unbekannten x, und x2 mit rationalen Koeffizienten und R(ai, a 2 ) = 0 invariant ist gegen beide Permutationen. Das ist trivial im Fall der Identität. Es bleibt zu zeigen: Wenn R(ai, a 2 ) = 0, dann ist auch R(a 2 , αϊ) = 0. Aufgrund der Definition von R ist R(ai, — ai) = R(ai, a 2 ) = 0, d. h. das Polynom 73
Vgl. auch H. Weyl, Symmetrie (s. Anm. 5), 137 f.
192
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
R(x, — x) einer Unbekannten χ verschwindet für χ = α,. Teilt man dieses Polynom durch x2 — 2, ergibt sich der Ausdruck R(x, — x) = (x2 — 2) · S (x) + (ax + b) mit einem linearen Rest ax + b und rationalen Koeffizienten a und b. Da a t eine Lösung von x2 — 2 ist, ergibt sich 0 = R(ot,, — OC)) = 0 · S(oci) + (ao^ + b), also 0 = aa t + b. Wären a und b von 0 verschieden, dann ließe sich ocj als rationale b Zahl α( = darstellen. Das ist aber im Widerspruch zur Irraa tionalität von |/2~. Also sind a und b Null, d.h. R(x, — x) = (x2 — 2) · S (x). Da x2 — 2 für α, und a 2 verschwindet, gilt das auch für R(x, — x), d.h. R(oc2, αϊ) = R(a 2 , — a 2 ) = 0. Das Ergebnis, das die Galoisgruppe von x2 — 2 die Permutationen 1 und σ umfaßt, ist daher gleichbedeutend mit der Irrationalität von j/T. Wir zeigen nun, wie die Galoistheorie antike Konstruktionsprobleme mit Zirkel und Lineal „d'un seul coup" beantwortet. Zunächst ist festzuhalten, daß eine Konstruktion mit Zirkel und Lineal aus einer endlichen Folge von Konstruktionsschritten in einer Ebene besteht:74 1) Wahl eines beliebigen Punktes auf der Ebene, 2) Konstruktion der Verbindungsgeraden zweier bereits konstruierter Punkte, 3) Konstruktion eines Kreises aus vorher konstruiertem Mittel- und Peripheriepunkt, 4) Konstruktion des Schnittpunktes zweier konstruierter Geraden oder einer bereits konstruierten Geraden mit einem bereits konstruierten Kreis oder zweier bereits konstruierter Kreise. Eine Lösung mit Zirkel und Lineal besteht dann darin, zu einem vorgegebenen Objekt mit vorgegebenen Streckenangaben a,, ..., a r ein gesuchtes Objekt mit Strecken \ u ..., x, in endlich vielen Schritten zu konstruieren. Führt man in der Ebene ein cartesisches Koordinatensystem ein, so lassen sich die vorausgesetzten Strecken ZLU ..., a r als Zahlenkoordinaten der positiven x-Achse interpretieren. Da Strecken mit rationalen Koordinaten als konstruierbar vorausgesetzt werden können, entspricht der geometrischen Voraussetzung algebraisch ein Zahlenkörper K 0 = Q(a l 5 ..., ar), dessen Elemente sich als Quotienten von Polynomen in a 1; ..., a r mit rationalen Koeffizienten aus Q ausdrücken lassen. Konstruierten Geraden und Kreisen über der vorausgesetzten Punktmenge entsprechen lineare und quadratische Polynome mit Koeffizienten in K0. Einer geometrischen Konstruktion der gesuchten Strekken x,, ..., xt aus au ..., a r in η Schritten entspricht dann algebraisch eine schrittweise Körpererweiterung K 0 c ... c Kj c Ki + 1 c ... c K n mit x,, ..., x, e K n . Die Konstruktion gilt als ausgeführt, wenn 74
Vgl. K. Mainzer, s. Anm. 36, 40 f.
2.2 Symmetrie und Gleichungstheorie
193
die Strecken x l5 ..., xt mit der positiven x-Achse abgetragen werden können. Bei der Körpererweiterung ist K; = K i + 1 für die Konstruktionsschritte 2), 3) und auch 1), da bei der Punktwahl nach 1) rationale Koordinaten eingeführt werden können. Für Konstruktionsschritt 4) über Kj können bei der Berechnung von Schnittkoordinaten mit Kreisen Quadratwurzeln von Elementen aus K ; auftreten, so daß für den Grad (K i + i/Ki) der Körpererweiterung Kj c K i + 1, d. h. für die Dimension des Vektorraums Kj + , über Körper Kj gilt: (Kj + ι/Κ ; ) = 2. Daher ist der Grad (K n /K 0 ) der Körpererweiterung K 0 0
f ' d x n , falls Κ < 0. 1 + χ2
Für Κ = 0 wird für Ομν die Einheitsmatrix gesetzt, so daß ds2 = dx 2 . Für Κ > 0 ist also eine Kugel mit x 2 + z2 = 1 in den flachen Raum mit ds2 = K _ 1 ( d x 2 + dz2) eingebettet. Für die Koordinaten ist im allgemeinen x 2 < 1. Da jedem χ zwei Punkte entsprechen gemäß den beiden Wurzeln für ζ in x 2 + z2 = 1, beträgt das n-dimensionale Kugelvolumen V, = 2
1 j/g dxj ... dx„. χ ί£ 1 2
Danach ist ζ. B. V, = 2 π Κ ~ * 120
Unter diesen Voraussetzungen ist die Metrik .räumlich', daher ds2.
228
2. Symmetrien der neuzeitlichen Mathematik
der Umfang eines Kreises mit Radius Κ V2
= 4π K~
\
1
die Fläche einer Kugel mit Radius __ 3
2
V3 = 2π Κ 2 ist das Volumen eines 3-dimensionalen Raumes von positiver Krümmung. Um den Umfang solcher Räume zu bestimmen, sind die Geodätischen gemäß der Differentialgleichung d2x - j - zy + Kx = 0 ds zu berechnen. Für den Abstand L n eines geodätischen Umfangs (ζ. B. Großkreis auf einer Kugel) ist allgemein Ln = 2 π Κ ~ * . Bei positiver Krümmung sind die betrachteten Räume also immer endlich (wegen Vn), aber unbegrenzt (wegen Ln). Für Κ < 0 ergibt sich im 2-dimensionalen Fall die hyperbolische Flächengeometrie. Es lassen sich auch isotrope Unterräume von Riemannschen Mannigfaltigkeiten studieren, wie ζ. B. die Schar der Kugeloberflächen um ein gemeinsames Zentrum im 3-dimensionalen sphärischen Raum. Das Studium isotroper Unterräume ist — wie wir sehen werden — physikalisch von besonderem Interesse, da in physikalischen Mannigfaltigkeiten im allgemeinen nicht von der vollen Isotropie ausgegangen werden kann. Ein m-dimensionaler Unterraum mit Koordinaten in einem n-dimensionalen Raum mit zusätzlich (n — m) Koordinaten ve heißt isotrop, wenn die Metrik des ganzen Raumes invariant ist gegen eine Gruppe infinitesimaler Isometrien u11 —* ύμ, v e —> v e = ve, wobei ΰμ die Punkte im Sinne der Isotropie festläßt und keine Richtungen auszeichnet. Es läßt sich unter Voraussetzung dieser Isometriegruppe die Metrik des ganzen Raumes bestimmen als ds2 = g oa (ν) dv°dv t (e) trennt. Die parallele Schichtung der Raum-Zeit durch (maximale) Untermengen gleichzeitiger Ereignisse definiert auch die Kausalstruktur bzw. den Wirkungszusammenhang der Welt. Schießt man nämlich von einem Weltpunkt 0 in alle Richtungen Kugeln mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ab, so erreichen sie nur Weltpunkte, die später als 0 sind. Ein in 0 stattfindendes Ereignis hat also nur auf Ereignisse
256
3. Symmetrien der klassischen Physik und Naturphilosophie
Einfluß, die in der Zukunft stattfinden. Die Vergangenheit gehört nicht mehr zu meinem Einflußbereich. Leibniz stellt dazu in den „Initia rerum Mathematicarum metaphysica" fest: „Wenn von zwei Elementen, die nicht zugleich sind, das eine den Grund des anderen einschließt, so wird jenes als vorangehend, dieses als folgend angesehen." 32 Die Eigenschaft der Raum-Zeit, daß Zukunft und Vergangenheit eines Ereignisses e eine gemeinsame Grenze, nämlich die Gegenwart haben, bringt die Newtonsche Annahme zum Ausdruck, daß es beliebig schnelle Zeitübertragungen gibt. Eine (wenn auch nur begrenzt realisierbare) Methode momentaner Zeitübertragung von einem Ort Α zu einem Ort Β besteht darin, daß man einer Stange von Α nach Β in A einen Ruck erteilt, der unmittelbar nach Β übertragen wird. Der psychologische Grund für den Glauben an diese Art von Gleichzeitigkeit hängt wohl damit zusammen, daß man in der Alltagswelt ganz selbstverständlich die Dinge, die man sieht, in den Mittelpunkt ihrer Wahrnehmung setzt. Der Beobachter weitet seine Zeit so auf die ganze Welt aus, die in seinen Wahrnehmungsbereich tritt. Eine weitere wichtige Annahme Newtons ist der Glaube an einen absoluten Ruhepunkt. In Abb. 2 ist er durch eine Vertikale Pi dargestellt, da die Raumkoordinaten die gleichen bleiben und nur die Zeit fort32
G. W. Leibniz, Initia rerum Mathematicarum metaphysica, in: ders., Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie Bd. 1, ed. E. Cassirer, übers. A. Buchenau, Leipzig 1904, 53 (Mathem. Sehr. VII, 18). Zur Geschichte des Raumbegriffs bei Leibniz vgl. auch W. Gent, Leibnizens Philosophie der Zeit und des Raumes, in: Kant-Studien 31 1926, 6 1 - 8 8 ; M. Jammer, s. Anm. 26, 126 ff.; F. Kaulbach, Die Metaphysik des Raumes bei Leibniz und Kant, Köln 1960.
3.1 Symmetrien des Raumes und der Zeit
257
schreitet. Psychologisch ist dieser Glaube besonders stark in der Alltagswelt verwurzelt, die seit vorgeschichtlicher Zeit von einer dauernden und wohlgegründeten Erde ausgeht, um die sich „alles dreht". In Abb. 2 stellt die schräge Gerade P2 eine gleichförmige Bewegung und die Kurve P 3 eine beschleunigte Bewegung dar. Die Bewegungen in Α und Β sind parallel. Die parallele Schichtung des Raum-Zeit Modells bringt genau die Newtonsche Auffassung einer Außenwelt zum Ausdruck, in der die Zeit unabhängig vom Beobachter (absolut) abläuft, deren momentaner Zustand durch die momentane Materieverteilung in einer Schicht mit t = t (e) und deren kausale Geschichte durch die Nachfolge der Raumschichten bestimmt ist. Die Transformationsgruppe, die diese Struktur der Newtonschen Raum-Zeit invariant läßt, besteht aus dem direkten Produkt der Gruppe der Dilatationen, Rotationen und Translationen auf dem euklidischen Raum R3 und der affinen Gruppe der Zeit Τ. H. Weyl nannte diese Lie-Gruppe die „elementare" Symmetriegruppe der Raum-Zeit. 33 Wir nennen sie im folgenden die Newtonsche Gruppe G new . 3.13 Raum-Zeit-Symmetrie nach Leibniz und Huygens Während man die Metrik und entsprechende Kausalstruktur der Newtonschen Raum-Zeit im 18. und 19. Jh. allgemein akzeptierte, wurde Newtons Annahme der absoluten Ruhe und Bewegung bald schon in Frage gestellt. Eine bemerkenswerte Kritik kommt ausgerechnet von einem Theologen. Das überrascht um so mehr, als englische Theologen im 17. und 18. Jh. den großen Newton als „Defensor fidei" gegen einen naturwissenschaftlich motivierten Atheismus anriefen, der in der beginnenden Aufklärung erstarkte. Gemeint ist die Kritik von Bischof Berkeley, der hinter Newtons Fiktion des absoluten Raumes die theologische Gefahr des Pantheismus wittert, in der Gott mit der Natur identifiziert wird. Nach Berkeley darf man den Raum nur als relativ fassen, „oder es gäbe andernfalls etwas von Gott Verschiedenes, das ewig, ungeschaffen, unendlich, unteilbar und unveränderlich sei." 34 Berkeley erweist sich zwar als überaus scharfsinniger Kritiker der naturwissenschaftlichen Grundlagen, jedoch nicht als ihr Gegner im Sinne von Nachhutgefechten im Anschluß an die Inquisition gegen 33
34
Dazu H. Weyl, Raum, Zeit, Materie. Vorlesungen über allgemeine Relativitätstheorie, Berlin 1923, repr. Darmstadt 1961,142; vgl. auch J. Ehlers, The Nature and Structure of Spacetime, in: J. Mehra (ed.), The Physicist's Conception of Nature, Dordrecht/ Boston 1973, 73. G. Berkeley, dt. Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, übers. F. Überweg, ed. A. Klemmt, Hamburg 1979, 92.
258
3. Symmetrien der klassischen Physik und Naturphilosophie
Galilei. Er wendet sich vielmehr gegen diejenigen, die ihren neuzeitlichen Fortschrittsglauben als Aufklärung über Theologie verstehen und Religion durch einen naiven Glauben an die Naturwissenschaften ersetzen.35 Berkeley ist also heute nach wie vor aktuell. Fiktionen wie Newtons absoluter Raum, die auf keinen Erfahrungstatsachen beruhen, boten eine gute Gelegenheit, diejenigen ad absurdum zu führen, die ihr naturwissenschaftliches Glaubensbekenntnis in Sätze zusammenzufassen pflegen wie „Ich glaube nur das, was ich sehen, fühlen, schmecken und riechen kann." Auch Berkeleys Theologie ist — nebenbei bemerkt — durchaus modern, da er Gott aus der unerquicklichen Lage eines Lückenbüßers für naturwissenschaftliche Unkenntnis befreit und ihn als den im Glauben geoffenbarten Schöpfer ausweisen will. Ebenso kritisiert Leibniz die Newtonsche Verquickung von Theologie und Naturwissenschaft und weist in seiner berühmten Kontroverse mit Clarke die Schwierigkeiten auf, die eine Gleichsetzung der Allgegenwart des unendlichen Raumes mit der Allgegenwart des unendlichen Gottes erzeugt. Für Leibniz ist der Raum nur ein System von Relationen zwischen Körpern, dem keine metaphysische oder ontologische Existenz zukommt. Die Lagebeziehung reicht nach Leibniz zur Definition des Raumes aus: „Zur Bildung der Raumvorstellung gelangt man etwa in folgender Weise. Man beobachtet, daß verschiedene Dinge gleichzeitig existieren und findet in ihnen eine bestimmte Ordnung des Beisammens, der gemäß ihre Beziehung mehr oder weniger einfach ist. Es ist dies ihre wechselseitige Lage oder Entfernung. Ändert nun eins der Elemente seine Beziehung zu einer Mehrheit anderer Glieder, ohne daß unter diesen selbst eine Veränderung vor sich geht, und nimmt ein neu Hinzukommendes eben die Beziehung zu den anderen ein, die das erste hatte, so sagt man, es sei an seine Stelle getreten und nennt diese Veränderung eine Bewegung, die man demjenigen Element zuschreibt, in dem die unmittelbare Ursache der Veränderung liegt. Wenn nun mehrere oder selbst alle Glieder nach gegebenen Regeln der Richtungs- und Geschwindigkeitsänderung fortschreiten, so kann man stets die Lagebeziehung bestimmen, die jedes Glied mit Bezug auf jedes andere erwirbt; man könnte selbst von jedem Element, unter der Voraussetzung, daß es sich gar nicht oder in anderer Weise als tatsächlich geschah, bewegt hätte,'Sein Lageverhältnis zu allen anderen angeben. Nimmt man nun an, oder macht man die Fiktion, daß es unter diesen koexistierenden Körpern eine genügende Anzahl von solchen gibt, die untereinander keine Verän35
Vgl. das Titelblatt zu G. Berkeley, The Analyst, Dublin/London 1734: „The Analyst, or, a Discourse addressed to an infidel Mathematician, wherein it is examined wether The Object, Principles, and Inferences of the modern Analysis are more distinctly conceived, or more evidently deduced, than Religious Mysteries and Points of Faith." Den naturwissenschaftlichen Kritikern der Religion rät er mit Hinweis auf .Matthäus VII, 5': „First cast out the beam out of thine own Eye; and then shalt thou see clearly to cast out the mote out of they brother's eye."
3.1 Symmetrien des Raumes und der Zeit
259
derung erleiden, so wird man von Gliedern, die zu diesen festen Elementen in eine Beziehung getreten sind, wie sie früher anderen Körpern zukam, sagen, daß sie sich jetzt an der „Stelle" dieser anderen befinden. Der Inbegriff aller dieser Stellen aber wird Raum genannt." 36
Mit Newtons Worten betrachtet Leibniz also nur relative Bezugssysteme. In seinem dritten Schreiben gegen Clarke hebt er hervor, daß keine räumliche Position und kein Zeitpunkt absolut ausgezeichnet werden kann: „Folglich läßt sich, unter der Voraussetzung, daß der Raum etwas an sich selbst, daß er also mehr als die bloße Ordnung der Körper untereinander ist, unmöglich ein Grund dafür angeben, weshalb Gott die Körper — die Beibehaltung ihrer Abstände und gegenseitigen Lagebeziehungen vorausgesetzt — gerade an diese bestimmte Raumstelle und nicht an eine andere gesetzt hat; warum etwa nicht alles durch einen Umtausch von Osten und Westen umgekehrt angeordnet worden ist." 37
Für die Zeit heißt es entsprechend: „... Denn dann wäre es freilich unmöglich, einen Grund zu finden, weshalb die Dinge — unter Annahme ihrer festen identischen Reihenfolge — eher in solche als in andere Augenblicke hätten hineingesetzt werden sollen."38
Leibniz begründet also die Relativität aller Raum- und Zeitpunkte durch sein metaphysisches Prinzip des zureichenden Grundes („principium rationis sufficientis"), wonach nichts ist oder geschieht in der Welt ohne zureichenden Grund. Auch Gott hat sich an dieses Vernunftgebot zu halten, um nicht mit der eigenen Schöpfung in Widerspruch zu geraten. Dieses berühmte Lehrstück neuzeitlicher Naturphilosophie, in dem es scheinbar nur um die Relativität und Homogenität, von Raum und Zeit geht, hat nicht nur metaphysische, sondern für das 17. und 18. Jh. durchaus brisante theologische und politische Hintergründe. Ein Gott, der sich an die Gesetze der Vernunft halten soll, ist politisch der Monarch, der sich an die Gesetze der Verfassung halten muß und nicht nach despotischem Gutdünken in das Leben der Menschen eingreifen darf. Clarke scheint diese Konsequenz zu wittern, wenn er gegen Leibniz durchaus inquisitorische Töne anschlägt: „Gegen alle die, die behaupten, daß in einer irdischen Regierung die Dinge ohne Einmischung des Königs vollkommen ihren Gang gehen könnten, ist der Verdacht gerechtfertigt, daß sie am liebsten den König ganz beiseite schieben möchten: So zielt denn auch in der Tat die Lehre, daß der Lauf der Welt die stete Leitung Gottes, des höchsten Herrschers, nicht nötig hat, darauf ab, Gott aus der Welt zu verbannen.4'39
36 37 38 39
G. G. G. G.
W. W. W. W.
Leibniz, Leibniz, Leibniz, Leibniz,
Hauptschr. s. Anm. 32, 182. s. Anm. 32, 135. s. Anm. 32, 136. s. Anm. 32, 123.
260
3. Symmetrien der klassischen Physik und Naturphilosophie
Abb. 1
Der mathematische Kern der Leibnizschen Argumentation führt zu einer neuen, von Newton verschiedenen Raum-Zeit-Symmetrie. Dazu muß man den Begriff der absoluten Ruhe und Bewegung (Rotation) fallen lassen. Für das Raum-Zeit-Modell in Abb. 1 bedeutet das, daß es keine bevorzugten Bewegungen („gerade Linien") oder Achsen und keinen Parallelismus (außer in der Schicht der Gleichzeitigkeit zu einem festen Zeitpunkt) gibt. Im Unterschied zur Newtonschen Raum-Zeit ist also die Leibnizsche nicht affin. Sie hat insgesamt weniger Struktur. Ihre Symmetrie ist durch eine Transformationsgruppe festgelegt, die nicht nur 3 Parameter benötigt, sondern 6 beliebige reelle Zeitfunktionen für die Winkel- und Translationsgeschwindigkeit. Sie ist also keine endliche kontinuierliche Gruppe im Lieschen Sinn. Da sie beliebige stetige Bewegungen invariant läßt, wird sie im Anschluß an H. Weyl die kinematische Gruppe der Raum-Zeit genannt. 40 Wir sprechen im folgenden von der Leibnizschen Symmetriegruppe G kin . Offenbar gilt für die Newtonsche Symmetrie: G new c= G kin . Da der Begriff der Gleichzeitigkeit unverändert ist, trägt die Leibnizsche Raum-Zeit dieselbe Kausalstruktur wie die Newtonsche. Methodologisch folgt nun: Wenn in der Leibnizschen Raum-Zeit keine Bewegungsform ausgezeichnet ist, dann kann es bei der Untersuchung konkreter Systeme wie z. B. der Planeten nur darum gehen, das Koordinatensystem so zu wählen, daß die Zeitfunktionen der Massepunkte möglichst einfachen Gesetzen genügen. In diesem Leibnizschen Kontext besteht also z. B. das entscheidende Verdienst von Kopernikus in dem Hinweis, daß ein Koordinatensystem existiert, für 40
H. Weyl, s. Anm. 33, 146; vgl. auch J. Ehlers, s. Anm. 33, 74.
3.1 Symmetrien des Raumes und der Zeit
261
das die Gesetze der Planetenbewegung eine wesentlich einfachere Form einnehmen als wenn sie — wie bei Aristoteles und Ptolemaios — auf die ruhende Erde bezogen werden. Das war in der Tat nur eine kinematische Frage. Erst Newton (nach Vorbereitung durch Kepler) gibt dynamische Gründe an, warum sich die Planten „wirklich" um die Sonne und nicht um die Erde bewegen. So lange es sich nur um kinematische Fragen handelt, beschreibt die Leibnizsche Symmetrie exakt die Raum-Zeit der (klassischen) Physik. Leibniz gibt also nur ein kinematisches Relativitätsprinzip an. Wie erklärt er aber dann dynamische Effekte wie das Auftreten zentrifugaler Kräfte bei der Kreisbewegung? In der Tat haben Leibniz und besonders sein physikalischer Lehrer Huygens dieses Problem gesehen. So versuchte Huygens die zentrifugalen Kräfte bei einer sich drehenden Scheibe durch die relative Bewegung verschiedener Teile der Scheibe zu erklären. 41 Die relative Bewegung dieser Teile könnte aber — gruppentheoretisch gesprochen — wegtransformiert werden, wenn als Bezugssystem dasjenige System gewählt wird, das denselben Ursprung und dieselbe Winkelgeschwindigkeit wie die rotierende Scheibe hat. Relativ zu diesem rotierenden Koordinatensystem sind die Teile der Scheibe in Ruhe. Bekanntlich wird der Druck, den die Zentrifugalkräfte ausüben, dadurch nicht aufgehoben. Nach einem geometrischen und einem kinematischen Symmetrieprinzip steht also ein dynamisches noch aus. 3.14 Raum-Zeit-Symmetrie der klassischen Mechanik Newton und Leibniz haben beide recht in ihrer gegenseitigen Kritik. Newtons Fiktion eines absoluten Ruhepols im Universum läßt sich durch keine Beobachtung und durch kein Experiment entscheiden. Newtons Raum-Zeit hat also „zuviel Struktur". Leibnizens Raum-Zeit hat aber „zuwenig", da die von Newton ausgezeichneten absoluten Rotationsbewegungen durchaus einer dynamischen Erklärung bedürfen. Aber muß dazu auf das Monstrum des absoluten Raumes zurückgegriffen werden? Den ersten Schritt zu seiner Elimination tat L. Euler, indem er auf die enge Verbindung des absoluten Raumes mit Newtons Trägheitsgesetz „lex inertiae" aufmerksam machte. Bereits C. MacLaurin hatte 1748 betont: „Dieses Beharren eines Körpers in einem Zustand der 41
Vgl. die im Nachlaß von C. Huygens gefundene Arbeit, die D. J. Korteweg und J, A. Schouten publiziert haben in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung XXIX 1920, 136; M. Jammer, s. Anm. 26, 132 ff.
262
3. Symmetrien der klassischen Physik und Naturphilosophie
Ruhe oder gleichförmiger Bewegung kann es nur in Bezug zum absoluten Raum geben und wird nur verständlich, wenn man ihn annimmt." 42 Euler versucht daher analog wie D'Alembert in seinem „Traite de Dynamique" und Kant in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaften", die Notwendigkeit des Trägheitsgesetzes durch das Prinzip vom zureichenden Grund a priori zu beweisen, um so die Existenz des absoluten Raumes indirekt zu begründen. 43 Da Euler im Unterschied zu Newton auf eine analytische Formulierung der Mechanik mit Bewegungsgleichungen zurückgreifen kann, hat bei ihm auch die Invarianz einer Theorie gegenüber Transformationen eine algebraisch präzise Bedeutung. Historisch sollte man allerdings berücksichtigen, daß sich erste Formulierungen eines Trägheits- und Relativitätsprinzips bereits bei G. Galilei, I. Beeckman und R. Descartes findet.44 Den entscheidenden Schritt machte L. Lange 1885 mit seiner Einführung von Trägheits- oder Inertialsystemen.AS Relativ zu solchen „Trägheitssystemen" behält nach Lange das Trägheitsgesetz auch ohne die Annahme eines absoluten Raumes seine physikalische Bedeutung. Nimmt man nämlich an, daß drei Massepunkte vom gleichen Ursprung aus geschleudert werden und frei sich selbst überlassen bleiben, d. h. keiner Krafteinwirkung ausgesetzt sind, so ist das entsprechende Koordinatensystem, relativ zu dem die drei Punkte drei verschiedene gerade Linien beschreiben, nach Lange als „Trägheitssystem" definiert. Dann ist nach Lange das Trägheitsgesetz äquivalent zu der Behauptung, daß jeder vierte Massepunkt frei sich selbst überlassen ebenso entlang einer Geraden relativ zu diesem System sich bewegt. Man definiert meistens kurz: Das Trägheitssystem ist ein Koordinatensystem, in dem Newtons Trägheitsgesetz gültig ist. Ob technisch-empirisch solche Trägheitssysteme ausgewiesen werden können, ist eine andere Frage. Historisch haben die Astronomen des 42
43
44
45
C. Maclaurin, Account of Sir Isaac Newton's philosophical discoveries, London 1748, Buch 2, Kap. 1 Sect. 9. L. Euler, Theoria motus corporum solidorum seu rigidorum, Rostock/Greifswald 1765, 32. Zu Eulers Einfluß auf Kant vgl. auch H. E. Timerding, Kant und Gauß, in: Kant-Studien 28 1923, 1 6 - 4 0 . Beeckmans Trägheitsprinzip für Translations- und Rotationsbewegungen von 1613 findet sich in: Journal tenu par I. Beekman de 1604 ä 1634 I —IV, ed. C. de Waard, La Haye 1939 — 1953, I, 24, 256; vgl. auch E. J. Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1956, 3 6 6 - 3 7 0 ; J. Mittelstraß, s. Anm. 26, 330 ff. L. Lange, Über die wissenschaftliche Fassung des Galileischen Beharrungsgesetzes, in: Ber. kgl. Ges. Wiss., Math.-phys. Kl. 1885, 3 3 3 - 3 5 1 .
3.1 Symmetrien des Raumes und der Zeit
263
19. Jhs. bereits auf das astronomische Fundamentalsystem als empirisch gute Realisationen eines Inertialsystems hingewiesen.46 Das ist dadurch definiert, daß die durchschnittliche Drehbewegung der Galaxien relativ zu diesem System Null ist. Inertialsysteme werden auch „Laborsysteme" genannt, um deutlich zu machen, daß die experimentell beobachtbaren Effekte im Labor erst in Bezug auf diese Systeme beschrieben werden können. Häufig wurde gegen die Newtonsche Formulierung des Trägheitsgesetzes der Vorwurf erhoben, daß es im Aufbau der Mechanik zirkulär sei, von „kräftefreien" Bewegungen zu sprechen, solange noch keine Kräfte definiert seien. Es wurde daher vorgeschlagen, das Inertialsystem und die Masse als Trägheitswiderstand gegen Beschleunigungen über die Stoßkinematik einzuführen. 47 Geht man von inelastischen Stoßvorgängen aus, so hat man es bezogen auf die Erde mit Geschwindigkeiten ui, u2 vor dem Stoß und ihrer gemeinsamen Geschwindigkeit ν nach dem Stoß zu tun. Für ein Inertialsystem wird dann gefordert, daß das Verhältnis der Geschwindigkeitsänderungen U] — ν und u2 — ν bei Wiederholungen für alle u l5 u 2 eine Konstante ist, d. h. daß der Impulssatz für Stoßvorgänge definiert ist. Denn ist das Verhältnis der Geschwindigkeitsänderung konstant, so läßt sich ein Massenverhältnis der zusammenstoßenden Körper durch das umgekehrte Verhältnis der Geschwindigkeitsänderungen definieren. Beobachtbare Abweichungen von der Konstanz des Verhältnisses der Geschwindigkeitsänderungen bei Stoßvorgängen können durch Störungen erklärt werden. Mathematisch ist jedenfalls entscheidend, daß die 4-dimensionale Raum-Zeit neben Kausalstruktur und Metrik eine affine Geometrie hat, deren („zeitartige") gerade Linien (d. h. solche, die nicht in den Schichten der Gleichzeitigkeit liegen) freie Bewegungen darstellen (Abb. 1). Diese Forderung bringt in der Sprache der Geometrie exakt das Trägheitsgesetz zum Ausdruck: Ein Massepunkt, der sich frei ohne Einwirkungen von außen bewegt, führt eine gleichförmige Translation aus. Im Raum-Zeit-Modell von Abb. 1 ist seine „Weltlinie" (Weyl) eine Gerade mit linearen Zeitfunktionen X; = Xi(t) als Raumkoordinaten. Die Inertialsysteme mit rechtwinkligen Koordinatensystemen, einem Anfangsmoment und einer Längen- und Zeiteinheit sind durch Transformationen der Newtonschen Gruppe G new verbunden. 46
47
H. Seeliger, Über die sogenannte absolute Bewegung, in: Sitzber. Münchener Akad. Wiss. 1906, 85. Dazu auch P. Lorenzen, Zur Definition der vier fundamentalen Meßgrößen, in: J. Pfarr (ed.), Protophysik und Relativitätstheorie, Mannheim/Wien/Zürich 1981, 30.
264
3. Symmetrien der klassischen Physik und Naturphilosophie
Abb. 1
Allerdings brauchen zwei Inertialsysteme keineswegs relativ zueinander zu ruhen, sondern das eine wird in Bezug auf das andere eine gleichförmige Translation ausführen. Die Raumkoordinaten x, und x| zweier Inertialsysteme I und I' sind also durch eine Transformation der „Leibnizschen" Gruppe Gkj„ verbunden. Dabei ist zu beachten, daß die x,; in lineare Zeitfunktionen übergehen, wenn für Xi lineare Funktionen der Zeit eingesetzt werden. Zu den Transformationen der Newtonschen Gruppe G new treten also neu nur Transformationen xj = X; + V;t und t' = t hinzu, wobei die Konstanten v, die Komponenten der Translationsgeschwindigkeit des Inertialsystems I in Bezug auf I' sind. Im Modell Abb. 1 sind die gleichförmigen Bewegungen (z.B. P,, P3) ausgezeichnet gegenüber beschleunigten Bewegungen P2. Aber keine absolute Ruhe, also Vertikalen sind definiert. Allerdings ist die Parallelität der 4-dimensionalen Vektoren des 4-dimensionalen Raum-Zeit Modells definiert (d. h. Α || Β und C || D). Was die Metrik dieser Raum-Zeit betrifft, so ist für jede Schicht der Gleichzeitigkeit, d. h. für jeden 3-dimensionalen euklidischen Raum gleichzeitiger Ereignisse die euklidische Metrik zuständig. Die euklidische Metrik ist also nur für die 4-dimensionalen Vektoren der RaumZeit definiert, die in einer Gleichzeitigkeitsschicht liegen. Liegen zwei 4-dimensionale Weltpunkte Α und Β nicht in einer Schicht der Gleichzeitigkeit, so kommt ihnen ein bestimmter Zeitunterschied zu, nämlich die Zeitkomponente des 4-dimensionalen Vektors AB. Sie ist durch die Wahl der Maßeinheit für die Zeit bestimmt und ist eine lineare Form t (AB) des Vektors AB. Α ist früher, gleichzeitig j>der später als Β genau dann, wenn t(AB) > 0, t(AB) = 0 oder t(AB) < 0 ist. Im Anschluß an H. Weyl sprechen wir auch von der Galilei-Metrik der
3.1 Symmetrien des Raumes und der Zeit
265
Raum-Zeit in Abb. 1, die 1.) durch die Linearform t (?) der Zeitdauer der Verschiebung r und 2.) für t (?) = 0 durch die euklidische Metrik bestimmt ist.48 Man erkennt sofort, daß neben dem Trägheitsgesetz auch Newtons berühmtes 2. Gesetz („Masse mal Beschleunigung = Kraft") invariant ist gegen die genannten Transformationen. Die Masse ist nämlich ein vom Inertialsystem unabhängiger Skalar (vgl. Abschn. 3.21). Differenziert man die Transformation x· = Xj + Vjt nach der Zeit, so ist zwar dxi dxj nicht die Geschwindigkeit = — — h v„ wohl aber die Beschleud 2 xj
d2Xi
1 nigung = ein vom Inertialsystem unabhängiger Raumvektor. Insgesamt ändern sich also die Kräfte, mit denen Körper aufeinander einwirken, nicht, wenn man den Körpern eine gemeinsame gleichförmige Translation erteilt. Es ist richtig, daß Newtons 2. Gesetz das Trägheitsgesetz impliziert. Es ist jedoch bemerkenswert, daß das Trägheitsgesetz allein die affine Raum-Zeit-Struktur der Newtonschen Mechanik definiert. Die übrigen Mechanikgesetze beschränken oder erweitern diese Raum-Zeit-Geometrie nicht. Wir können nun präzisieren, was es heißt, daß die Mechanikgesetze „objektive Naturgesetze" sind, „immer und überall" oder — wie man im 17. und 18. Jh. meinte — „ewig" gelten. Sie sind objektiv im Sinne der Invarianz gegen eine Transformationsgruppe, die im folgenden die Galilei-Gruppe Ggai genannt wird. 49 Jedes Inertialsystem repräsentiert ein mögliches Labor, in dem die Gesetze überprüft werden können. Ihre Form ändert sich nicht, wenn man die Testergebnisse eines Labors auf das Inertialsystem eines anderen Labors gemäß den Transformationen aus Ggai umrechnet. Offenbar ist ihre Symmetriestruktur spezieller als die „Leibnizsche" Gruppe G kin , jedoch allgemeiner als die „Newtonsche" Gruppe G new , d. h. G new RS + SQ ist Zwilling 1 merklich gealtert, d. h. die Zeitdistanz RQ ist größer als RS 4- SQ bzw. die Uhren gehen auf dem Weg RQ schneller als auf dem Weg RS + SQ. Hier handelt es sich keineswegs um Science-Fiction, da die Wegabhängigkeit der Zeit spätestens seit den Messungen mit Atomuhren in Flugzeugen (Hafele/Keating 1972) experimentell bestätigt ist. 5 Die Menge aller Punkte Q, die vom Ursprung Ο den Einheitsabstand OQ = 1 haben, bilden die Einheitskugel in der Minkowski-Welt M 4 . Es handelt sich um einen Lobatschewski-Raum L3, für den in Abb. 5 5
J. Hafele/R. Keating, Science 177 1972, 166, 168.
376
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
=0
Abb. 5
zwei 2-dimensionale Kopien im Zukunfts- und Vergangenheitskegel des 3-dimensionalen Modells eingetragen sind. Wie in Kap. 2.31 können wir konforme und projektive Modelle von L3 studieren. Eine stereographische Projektion von O' = ( — 1, 0, 0, 0) auf die euklidische Hyperebene („Raumschicht") t = 0 ist konform, während dieselbe Projektion von Ο = (0, 0, 0, 0) auf die Hyperebene t = 1 projektiv ist. Physikalische Bedeutung erhält die Einheitskugel L3 dadurch, daß sie alle Einheitsvektoren in M 4 repräsentiert, d.h. der Geschwindigkeitsraum der speziellen Relativitätstheorie ist ein nicht-euklidischer Lobatschewski-Raum L3. Das ist der geometrische Ausdruck der physikalischen Konsequenz, daß das galileische Additionstheorem für Geschwindigkeiten in M 4 nicht gilt. Für unsere Symmetriebetrachtungen in der Minkowski-Welt M 4 ist es zweckmäßig, die Galilei-Koordinaten durch die Bezeichnungen x° = t, x1 = x, x2 = y, χ 3 = ζ zu ersetzen. Um sowohl für die Bewegungsgleichungen der Newtonschen Mechanik als auch die der Maxwellschen Elektrodynamik die Invarianz bei Koordinatentransformationen zu garantieren, hatte Einstein die Galilei-Transformationen durch die Lorentz-Transformationen ersetzt (vgl. Abschn. 3.26). Mathematisch 6 handelt es sich um Transformationen (1)
x' a = agx° + a?x' 4- a£x2 + a?x 3 + a a
für Koordinaten xß, deren Indizes α, β, γ wie üblich die Werte 0, 1,2, 3 haben können. Damit sind a a und ajj Konstanten mit der Bedingung a? af η αβ = η γδ , wobei 6
Vgl. auch ζ. B. J. D. Jackson, Classical Electrodynamics, New York etc. 1975, 515 ff.; S. Weinberg, Gravitation and Cosmology: Principles and Applications of the General Theory of Relativity, New York etc. 1972, 25 ff.
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
(2)
377
f - 1 , falls α = β = 0 ηαβ = < + 1 , falls α = β = 1, 2 oder 3 ί 0, falls α φ β.
Gemäß der Einsteinschen Abkürzung für Summationen schreibt man auch x'a = ap xß + a a . Diese Transformationen bilden die sogenannte inhomogene Lorentz-Gruppe oder Poincare-Gruppe Gpoi· Für a a = 0 erhält man die homogene Lorentz-Gruppe. Für c = 1 ist die Eigenzeit dt = ds (vgl. (18) in Abschn. 3.26). Die (inhomogenen) Lorentz-Transformationen lassen die Eigenzeit (3)
di 2 = dt 2 - dx2 - dy2 - dz2 = - η ^ χ Μ χ Ρ
invariant. In einem neuen Koordinatensystem x'a ist nämlich wegen (1) dx'« = a" dxY. Also gilt dx'2 = — ηαρ dx' a dx'ß = — η αβ a" a | dxT dx8 - — η γδ dx7 dx5 = dx 2 . Es läßt sich sogar beweisen, daß G poi die einzigen (nicht-singulären) Transformationen sind, die dx2 invariant lassen. Die Invarianz dx'2 = dx2 entspricht physikalisch der Unveränderlichkeit der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen. Wegen a" af ηαρ = η γ8 ist η αβ ein kovarianter Tensor, während η αγ das kontravariante Gegenstück mit ηαγηγρ = δβ bezeichnet. Numerisch ist η αβ mit η αβ identisch. Sowohl die homogene als auch die inhomogene Lorentz-Gruppe haben Untergruppen, die eigentliche homogene bzw. inhomogene Lorentz-Gruppe genannt werden. Dazu wird die allgemeine Determinantengleichung |ajj| = ± 1 für Lorentz-Transformationen ergänzt durch die beiden Forderungen a° > 1 und |a| = + 1 . Während die erste Forderung dafür sorgt, daß die Zeitrichtung beibehalten wird, sondert die zweite Bedingung die kontinuierlichen Transformationen aus. Es ist nämlich unmöglich, durch einen stetigen Parameterwechsel von ao < — 1 nach ao > + 1 oder von |a| = — 1 nach |a| = + 1 zu springen. Für die Identität ist aß = + 1 und |a| = + 1 . Die eigentlichen homogenen Lorentz-Transformationen haben als weitere Untergruppe die Rotationen mit a® = 1, a§ = a2 = 0 und ajj = R aP , wobei α, β für 1, 2, 3 steht und R aP eine unimodulare orthogonale Matrix (mit | R | = 1 und R'R = 1 ) ist. Die Tatsache, daß der metrische Minkowski-Tensor ηαβ gegenüber räumlich-zeitlichen Drehungen invariant ist, bringt die Isotropie der Minkowski-Welt zum Ausdruck, die Tatsache, daß er gegenüber räumlich-zeitlichen Trans-
378
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
lationen xa —> xa + a" invariant ist, die Homogenität der MinkowskiWelt. Die uneigentlichen (diskreten) Lorentz-Transformationen enthalten die Raumspiegelungen mit ag > 1 und |a| = — 1 und die Zeitumkehr mit a" < — 1 und |a| = — 1. Anschaulich bedeutet die Invarianz eines physikalischen Naturablaufs gegenüber Raumspiegelung, daß zwei Physiker, von denen der eine von einem Linkssystem aus und der andere von einem Rechtssystem aus diesen Ablauf beschreibt, dieselbe Form des entsprechenden Naturgesetzes erhalten. Die Invarianz gegenüber Zeitumkehr meint anschaulich, daß ein gefilmtes Naturgeschehen beim Rückwärtsablauf des Films einem Prozeß entspricht, der physikalisch möglich ist. In Abschn. 4.3 wird noch gezeigt, warum gegenüber der Raumspiegelung und Zeitumkehr im Rahmen der Elementarteilchenphysik allgemein schwerwiegende Einwände bestehen. Die diskreten Lorentz-Transformationen gewinnen erst im Rahmen der Quantenfeldtheorie ihre eigentlich physikalische Bedeutung. Die kontinuierlichen Lorentz-Transformationen sind in der speziellen Relativitätstheorie auch deshalb von besonderer Bedeutung, da sie die Voraussetzungen für E. Noethers Theorie der Erhaltungssätze erfüllen. Die Erhaltungssätze sind Folgen der raum-zeitlichen Symmetrien der Minkowski-Welt. 7 Dazu wird wieder die Invarianz eines entsprechend relativistisch formulierten Wirkungsintegrals („Hamilton-Prinzip") gegen raum-zeitliche Symmetrieoperationen definiert. Im einzelnen folgt wieder die Impuls-Erhaltung aus der Invarianz gegenüber räumlichen Translationen, die Energie-Erhaltung aus der Invarianz gegenüber zeitlichen Translationen, die Drehimpuls-Erhaltung aus der Invarianz gegenüber räumlichen Drehungen, die Schwerpunkt-Erhaltung aus der Invarianz gegenüber gleichförmigen Bewegungen. Diese Symmetrien sind global, d.h. die Naturgesetze sind ihnen gegenüber nur dann invariant, wenn die gleiche Transformation für alle Punkte des 4-dimensionalen Raumes angewendet wird. Die Lorentz-Invarianz beinhaltet also die allgemeine Annahme, daß überall die gleichen Naturgesetze gelten wie in unseren Forschungslabors, d. h. die physikalischen Gesetze haben in beliebigen Koordinatensystemen stets dieselbe Form, unabhängig davon, wie diese Systeme verschoben oder gedreht werden, so lange sie sich relativ zueinander mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen. Den globalen Symmetrien des Minkowski-Raumes entspricht also die Freiheit, das Koordinatensystem unserer Laborsysteme im Rahmen der genannten Bedingungen 7
E. Schmutzer, Symmetrien und Erhaltungssätze der Physik, Berlin etc. 1972, 73 ff.
379
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
frei wählen zu können. Philosophisch kommt hier die veränderte Haltung des Menschen gegenüber der Natur in der Neuzeit zum Ausdruck, die Kant als „Kopernikanische Wende" und Leibniz als den wechselnden „point de vue" in der prästabilierten Harmonie der Natur bezeichnet hatten. Daran hat auch die spezielle Relativitätstheorie Einsteins nichts geändert. 4.12 Allgemeine Relativitätstheorie: Lokale Symmetrie der RaumZeit Es gibt heute viele Beobachtungen und Experimente, die Abweichungen von der flachen Minkowski-Metrik unter der Einwirkung von starken Gravitationsfeldern bestätigen. Historisch ist zunächst A. Eddingtons Beobachtung von 1919 zu erwähnen, wonach Lichtstrahlen von fernen Sternen im Gravitationsfeld der Sonne abgelenkt werden, obwohl sie nach der speziellen Relativitätstheorie dem Minkowski-Kegel folgen müßten. In Abb. 1 ist die Beugung („Krümmung") eines Lichtstrahls, der von einem fernen Stern einen Beobachter auf der Erde trifft, in der Nähe der Sonne dargestellt. Ferner wurde . Weltlinie der Sonne
Weltlinie der Erde
\ \
Gekrümmter Lichtstrahl eines fernen Sterns
Abb. 1
380
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
in einem 1960 von Prund und Rebka ausgeführten Experiment das Verhältnis von Uhren am Fuß und auf der Spitze eines (22,6 m hohen) Turmes gemessen und mit großer Genauigkeit als der Wert gefunden, der von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vorausgesagt wird und der Abweichung von der Minkowski-Eigenzeit entspricht. 8 Als Einstein seine Untersuchung zur Raum-Zeit 1907 auf beschleunigte Bezugssysteme ausweitete, standen ihm diese Ergebnisse jedoch nicht zur Verfügung. 9 Er setzte voraus, daß die Beschleunigungswirkung eines Bezugssystems nicht von der Wirkung eines Gravitationsfeldes unterschieden werden kann. Bekannt ist sein Gedankenexperiment eines Beobachters, der in einem frei fallenden und abgeschlossenen Aufzug die Wirkungen eines statischen homogenen Gravitationsfeldes nicht bemerken kann. Das Einsteinsche Äquivalenzprinzip besagt daher, daß wenigstens „lokal", d. h. in sehr kleinen Raum-Zeit-Abschnitten, in denen sich das Gravitationsfeld nicht ändert, ein Inertialsystem gewählt werden kann, wobei die Gravitationswirkung aufgehoben wird. Historisch geht diesem Prinzip Galileis Beobachtung voraus, daß alle Körper unabhängig von ihrer Beschaffenheit mit der gleichen Geschwindigkeit zur Erde fallen (wenn man vom Luftwiderstand absieht). Die Äquivalenz von schwerer und träger Masse wurde seit Eötvös, Dicke u. a. experimentell gut bestätigt. Einsteins Gedankenexperiment ist heute durch die Astronauten im Orbit realisiert, die während des freien Falls im Gravitationsfeld der Erde Schwerelosigkeit registrieren. Unter Voraussetzung von Einsteins Äquivalenzprinzip waren die Bewegungsgleichungen neu zu formulieren. 10 Angenommen, ein Körper bewegt sich unter der Einwirkung von Gravitationskräften. Nach dem Äquivalenzprinzip läßt sich ein Inertialsystem mit Koordinaten xa wählen, so daß sich der Körper auf einer geraden Linie nach der Bewegungsgleichung d2xa mit der Eigenzeit dx2 bewegt. 8
9
10
Für weitere Experimente vgl. H. Dehnen, Experimentelle Bestätigungen der allgemeinen Relativitätstheorie, in: J. Audretsch/K. Mainzer (Hrsg.), s. Anm. 1. A. Einstein, Grundzüge der Relativitätstheorie, Braunschweig 51963 (1. Aufl. 1922 der Princeton-Vorträge 1921). Die Entwicklung von 1907 bis 1915 rekonstruiert J. Mehra, Einstein, Hilbert, and the Theory of Gravitation, in: J. Mehra (Hrsg.), The Physicist's Conception of Nature, Dordrecht/Boston 1973, 94 ff. Vgl. auch Κ. Mainzer, Geschichte der Geometrie, Mannheim/Wien/Zürich 1980, 165 ff.
381
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
Von einem beliebigen Bezugssystem aus mit evtl. krummlinigen Koordinaten u" gilt wegen der funktionalen Abhängigkeit χ α (ημ) die Bewegungsgleichung Q
d / dx" \ _ _d_ / 0 x a du" dx V dx / dx \ 0 υ μ dx _ θχ α d 2 u" ö2xa du" μ 2 + ~ δυ dx O u ^ u * dx
Multipliziert man die Gleichung mit
\ / du v dx 0UX
und beachtet die Regel
θ χ* θ ux d μ Q g = δμ , so erhält man die Bewegungsgleichung (2)
~ dV _ du» du v o - ^ + ri, — —
, ._ 0u x 02 x" . w o b c r - . — ^ ^
definiert ist. Ebenso läßt sich die Eigenzeit in den Koordinaten u" angeben. Es ist nämlich (3)
dx2 = - η αΡ dx« dxß = - ηαρ = -
, ,v . g(lv du" du mit
δμν
du" ~
du v
θ χ α θχ ρ = — — η,ß.
Seit 1912 versuchte Einstein, die physikalischen Prinzipien der allgemeinen Relativitätstheorie in einer passenden mathematischen Theorie zu formulieren. Zusammen mit dem Mathematiker M. Großmann beschäftigte er sich dazu mit der Invariantentheorie und dem absoluten Differentialkalkül von Christoffel, Ricci, Levi-Civita u.a., der in der Sprache der Tensoranalysis verfaßt ist. Mathematisch kommt die Wirkung des Gravitationsfeldes in dem Christoffeischen Symbol Γμν zum Ausdruck, denn für Γμν = 0 und g ^ = η μν erhalten wir aus (3) die Bewegungsgleichung (1) in einem Inertialsystem der speziellen Relativitätstheorie. Die gMV lassen sich auch als Gravitationspotentiale nachweisen, da ihre Ableitungen das Feld Γμν bestimmen. Wegen der Transformationsmöglichkeit 0ÜÄ 0Ü" Εμν - £«ß J^T -Q^r handelt es sich um einen kovarianten Tensor („metrischer Tensor") mit g ^ gμV = δν für sein kontravariantes Gegenstück gx".
382
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
An die Stelle des Äquivalenzprinzips tritt nun in der Sprache der Tensoranalysis Einsteins Prinzip der allgemeinen Kovarianz.11 Danach gilt eine physikalische Gleichung in einem allgemeinen Gravitationsfeld, falls folgende beiden Bedingungen erfüllt sind: (1) Die Gleichung gilt ohne Einwirkung von Gravitation, d.h. sie entspricht den Gesetzen der speziellen Relativitätstheorie, wenn der metrische Tensor g aß dem Minkowski-Tensor η αβ gleich ist und das Christoffelsche Symbol („affiner Zusammenhang") Γργ verschwindet. (2) Die Gleichung ist allgemein kovariant, d. h. sie behält ihre Form („Forminvarianz") bei allgemeinen Koordinatentransformationen χ —* x'. Ein allgemeines Gravitationsfeld wird danach in der Sprache der Tensoranalysis durch eine Pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit Μ mit lokaler Minkowski-Metrik beschrieben, die an die Stelle der lokalen euklidischen Metrik in einer Riemannschen Mannigfaltigkeit tritt (vgl. Abschn. 2.33) und im jeweiligen Tangentialraum T P eines Punktes Ρ aus Μ dargestellt werden kann (Abb. 2).
Einstein suchte mit Unterstützung von Großmann nach den allgemeinen Feldgleichungen, in denen die Gravitationspotentiale g ^ mit den bis dahin unberücksichtigten Ursachen des Gravitationsfeldes, den gravitierenden Massen, verknüpft werden sollten. Da diese Feldgleichungen als objektives physikalisches Gesetz invariant gegen beliebige Transformationen υμ —» ύμ sein mußten, waren sie mathematisch mit kovarianten Tensoren zu formulieren. Ableitungen von Tensoren wie ζ. B. gMV führen aber im allgemeinen nicht wieder zu Tensoren. Bereits 1869 hatte Christoffel den Ausdruck 11
Vgl. auch J. Ehlers, The Nature and Structure of Spacetime, in: J. Mehra (Hrsg.), s. Anm. 9, 82 ff.; J. Audretsch, Ist die Raum-Zeit gekrümmt?, in: ders./K. Mainzer (Hrsg.), s. Anm. 1.
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
383
Γμν verwendet, um das „kovariante Differenzieren" so zu definieren, daß die Ableitung wieder ein Tensor ist. Einstein versuchte daher, die Feldgleichungen mit den g ^ und ihren kovarianten Ableitungen zu formulieren, um so ihre Kovarianz zu garantieren. In der Tat läßt sich nach Christoffel und Riemann aus dem metrischen Tensor g ^ und seinen ersten und zweiten Ableitungen genau ein neuer Tensor R£VK („Riemann-Christoffel-Tensor") einführen. Dabei ist RMV : = R^K die Ricci-Form des Riemann-Christoffel-Tensors, Κλμνκ : = g^o^-^vK und R : = g*"^* ein Skalar. R£VK bringt in charakteristischer Weise die Wirkung des Gravitationsfeldes zum Ausdruck: Damit nämlich g>iv mit der Minkowski-Metrik η αβ der speziellen Relativitätstheorie äquivalent ist, muß R£VK = 0 sein (und an einem Punkt die Matrix g ^ drei positive und einen negativen Eigenwert haben). Mathematisch charakterisiert R£VK die 4-dimensionale Pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit mit dem metrischen Tensor g ^ in der gleichen Weise wie die Krümmung Κ die 2-dimensionalen Gaußschen Flächen. So ist die Metrik ds2 bei n-dimensionalen Mannigfaltigkeiten invariant gegen R£V1C wie bei 2-dimensionalen Flächen gegen K. Ferner ergibt sich für R£VK im 2-dimensionalen Fall „ R-μν = βμν Mit Κ =
R
R1212 J Η » Rl212 Τ- U n d R = 2 r- . gllg22-gl2 gl 1 g22 gl 2
—=
R^212
ist die Gaußsche Krümmung Κ durch
den Riemann-Christoffel-Tensor eindeutig bestimmt. Auf diesen Spezialfall geht die Bezeichnung „Krümmungstensor" für R£VK zurück. Geometrisch-anschaulich ist diese Bezeichnung für den Riemann-Christoffel-Tensor also nur im 2-dimensionalen Fall gerechtfertigt. 12 Variable Krümmungstensoren, die sich von Punkt zu Punkt einer Mannigfaltigkeit ändern, deuten auf inhomogene Gravitationsfelder, die sich in bestimmten Raum-Zeit-Abständen ändern (vgl. ζ. B. die Schwankungen im Gravitationsfeld der Sonne). Charakteristisch für das Verhältnis von Gauß-Riemannscher Differentialgeometrie und Einsteins Gravitationstheorie ist folgende Analogie: So wie es für ein Gaußsches Koordinatensystem mit der Metrik g ^ lokal (d. h. im „un12
Zum philosophischen Problem der .Krümmung' vgl. auch H. Reichenbach, Philosophie der Raum-Zeit-Lehre, Berlin/Leipzig 1928, Braunschweig 1977, § 8, § 34—42; ebenso A. Grünbaum, Philosophical Problems of Space and Time, Dordrecht/Boston 1973; M. Jammer, Das Problem des Raumes, Die Entwicklung der Raumtheorien, Darmstadt 1960, 176 ff.; B. Kanitscheider, Vom absoluten Raum zur dynamischen Geometrie, Mannheim/Wien/Zürich 1976, Kap. VI, X.
384
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
endlich Kleinen") ein cartesisches Koordinatensystem mit pythagoräischer Metrik gibt, so läßt sich für alle Koordinatenpunkte eines Gravitationsfeldes lokal ein Inertialsystem angeben, in dem die Gesetze der speziellen Relativitätstheorie gelten. Im folgenden sei ein heuristischer Weg skizziert, wie die kovarianten Gravitationsgleichungen mit Hilfe des allgemeinen Kovarianzprinzips aufgestellt werden können. 13 Das Prinzip der allgemeinen Kovarianz besagt ja, daß an jedem Punkt Ρ in einem beliebig starken Gravitationsfeld (d. h. mathematisch in einer Pseudo-Riemannschen Mannigfaltigkeit) mit Gravitationspotential gap (d.h. mathematisch mit dem entsprechenden metrischen Tensor) ein lokales Inertialsystem mit Minkowski-Tensor η οβ gefunden werden kann, so daß (4)
&ρ(Ρ)
= η„, und ( - ^ 1 ^ ) ^ = 0 .
Die partiellen Ableitungen des metrischen Tensors verschwinden an der Stelle P, da der affine Zusammenhang Null ist. Man erinnere sich noch einmal daran, daß die Indizes α, β, γ für die Koordinatenindizes 0 , 1 , 2 , 3 des Inertialsystems stehen. In der Nähe von Ρ ist das Gravitationsfeld sehr schwach. Im nichtrelativistischen Fall bestimmt die Poisson-Gleichung (vgl. (8) in Abschn. 3.22) (5)
Δφ = 4πγρ
ein schwaches statisches Gravitationsfeld. In diesem Fall kann gezeigt werden, daß das Newtonsche Potential φ und die Massendichte ρ approximativ durch die Zeit-Zeit-Komponente goo des metrischen Tensors und die Energiedichte T00 für nicht-relativistische Materie gegeben ist, d. h. goo — (1 + 2φ) und Tqo ρ. Dann erhält man die Gleichung (6)
Aga, = - 8πγΤοο,
die jedoch nicht lorentz-invariant ist. Sie legt aber heuristisch nahe, daß den Gleichungen für ein schwaches Gravitationsfeld mit einer allgemeinen Verteilung T aß von Masse und Impuls die Form (7)
G„p = - 8πγΤαβ
zu geben ist, wobei G a ß eine Linearkombination der Metrik und ihrer ersten und zweiten Ableitung ist. 13
Vgl. auch S. Weinberg, s. Anm. 6, 151 ff.
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
385
Nach dem allgemeinen Kovarianzprinzip müssen dann die Gleichungen für ein beliebig starkes Gravitationsfeld die Form (8)
Gmv = - 8πγΤμν
annehmen, wobei μ, ν für die Indizes allgemeiner Koordinaten stehen. Dabei ist ϋ μ ν ein Tensor, der sich nach dem Kovarianzprinzip für schwache Felder auf G aP reduzieren lassen muß. Die Aufgabe besteht nun darin, einen entsprechenden kovarianten Tensor ΰ μ ν zu bestimmen. Ohne hier weiter auf mathematische Einzelheiten einzugehen, erweist sich dazu der reduzierte Krümmungstensor Κ.μν als zweckmäßig, so daß man schließlich Einsteins berühmte Gravitationsgleichungen von 1915 in der kovarianten Form (9)
R,v-yg,vR=
-8πγΤμν
erhält. Damit ist der gesuchte Zusammenhang des Gravitationsfeldes mit dem Energie-Impulstensor Τ μν der Materie hergestellt. Vom Standpunkt der Symmetrie fällt auf, daß Einsteins Kovarianzprinzip zwar ein Invarianzprinzip ist, das jedoch — im Unterschied zu Galileis und Lorentz' Invarianzprinzip — an die Wechselwirkung von Gravitationsfeldern gebunden ist. Allgemein* nannte daher Ε. P. Wigner solche Invarianzprinzipien, die an Kraftfelder gebunden sind, „dynamische" Symmetrien, die er analog wie R. Utiyama (1956) und V. Fock (1959) von den „geometrischen" Symmetrien unterschied. 14 Da die Rede von „Geometrie" in der Physik nicht einheitlich ist (schließlich können auch alle Gravitationsphänomene in einer geometrischen Sprache beschrieben werden), ziehen wir im folgenden die Bezeichnung „globale Symmetrie" vor und unterscheiden sie von „lokalen" (statt „dynamischen") Symmetrien. So hatten wir die Lorentz-Invarianz als eine globale Symmetrie herausgestellt, da die Lorentz-Transformationen alle Punkte der Minkowski-Raum-Zeit in der gleichen Weise verändern und daher die Gesetze der speziellen Relativitätstheorie ohne das Auftreten von Kräften unverändert lassen. Bewegen sich ζ. B. zwei Astronauten mit konstanter Relativbewegung zueinander, so ist die Transformation, die ihre beiden Koordinatensysteme ineinander überführt, für alle Punkte die gleiche. 14
Ε. P. Wigner, Symmetry and Conservation Laws, in: ders., Symmetries and Reflections. Scientific Essays of Eugene R Wigner, Bloomington/London 1967, 22 ff.; R. Utiyama, Phys. Rev. 101 1956, 1597; V. Fock, The Theory of Space, Time and Gravitation, New York 1959.
386
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Eine Verschärfung tritt dann ein, wenn sich beide Beobachter relativ zueinander auch beschleunigen dürfen, also „lokal" unterschiedlich bewegen bzw. von der „global" konstanten Relativbewegung zueinander abweichen. Unter diesen Umständen wird man zunächst vermuten, daß die beiden Beobachter nicht dieselben („invarianten") Gesetzmäßigkeiten ableiten, denn ein beschleunigter Beobachter scheint Kräften wie z. B. der Zentrifugalkraft bei Drehbewegungen ausgesetzt zu sein. Einstein formulierte in seinem Äquivalenzprinzip einen Zusammenhang zwischen diesen Beschleunigungen und den Gravitationskräften von Massen. Tatsächlich bleiben die physikalischen Gesetze invariant, wenn man das Gravitationsfeld in die entsprechenden Gleichungen einbezieht. Genau das geschieht in den relativistischen Bewegungs- und Gravitationsgleichungen. Die „lokalen" Abweichungen von der globalen Symmetrie werden also durch die Annahme von zusätzlichen Kraftfeldern behoben. Statt von dynamischer Symmetrie spricht man daher auch von lokalen Symmetrien. In diesem Sinn entsteht die relativistische Gravitationstheorie durch den Übergang von der globalen Lorentz-Invarianz der MinkowskiRaum-Zeit zur lokalen Lorentz-Invarianz. Auch die elektromagnetischen Wechselwirkungen hatten wir durch den Übergang von einer globalen Raum-Zeit-Symmetrie zu einer lokalen Eichsymmetrie beschrieben. Allgemein zeichnet sich hier bereits ein Schema ab, das sich in der Elementarteilchenphysik als grundlegend erweisen wird. Wenn bestimmte physikalische Gesetze invariant gegenüber Transformationen mit globaler Symmetrie sind, so läßt sich Invarianz unter lokaler Symmetrie dadurch erreichen, daß man neue Kraftfelder einführt. Philosophisch ist die lokale Lorentz-Invarianz auch deshalb bedeutsam, da sie die Kausalitätsverhältnisse in Gravitationsfeldern bestimmt. 15 Falls ein Punkt Ρ mit einem Punkt P' durch eine zeitartige Kurve verbunden werden kann, dann kann ein Signal von Ρ nach P' gesendet werden, aber nicht umgekehrt. Kovariante Theorien implizieren jedoch nicht a priori lokale Lorentz-Invarianz. So lassen sich mathematisch Mannigfaltigkeiten angeben, in denen zeitartige Kurven geschlossene Bögen beschreiben (Abb. 3). In einer solchen Welt würde die physikalische Paradoxie auftreten, daß ein Astronaut in seine eigene Vergangenheit fahrt.
15
Zum mathematischen Hintergrund vgl. auch R. Penrose, The Geometry of the Universe, in: L. A. Steep (Hrsg.), Mathematics Today, New York/Heidelberg/Berlin 1978, 83 — 125; W.J. Kaufmann, Cosmic Frontiers of General Relativity, Boston 1977.
387
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
a b s o l u t e r Ereignishorizont R a u m - Z e i t Singularität V
Beobachter
Photon
einfallendes Teilchen
Materiekoliaps im Stern Abb.
Andere Raum-Zeit-Modelle mit ungewöhnlichen kausalen Verhältnissen erweisen sich demgegenüber astrophysikalisch von größerem Anwendungsinteresse. Gemeint sind Mannigfaltigkeiten mit „schwarzen Löchern", die den Tod eines Sterns in einem Gravitationskollaps beschreiben. Dazu wird eine 3-dimensionale raum-zeitliche Oberfläche („absoluter Ereignishorizont") angenommen, der alle von außen eintretenden Signale „verschluckt" und keine Signale oder Partikel nach außen läßt (Abb. 4). Im Zentrum dieses absoluten Ereignishorizontes
388
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
wird also eine raum-zeitliche Singularität angenommen, in der die Krümmung der Raum-Zeit unendlich wird. Philosophisch beschreiben solche Singularitäten absolute Endpunkte für kausale Ereignisketten. 4.13 Symmetrie und die relativistische Kosmologie 16 Von den Symmetrieeigenschaften des Universums im kosmischen Maßstab kann sich jedermann auf der Erde wenigstens ausschnittweise überzeugen. Wenn wir von der Erde aus den „bestirnten Himmel über uns" betrachten, so bieten sich dem bloßen Auge wie den stärksten Fernrohren immer die gleichen Verhältnisse, eine durchschnittlich gleiche Verteilung von Materie, die sichtbar in Himmelskörpern kondensiert ist. Diese Beobachtungen führten zu einem allgemeinen kosmologischen Postulat, wonach die Materie im Mittel über das gesamte Universum gleichmäßig verteilt sei (Homogenität) und seine Eigenschaften unverändert bleiben, unabhängig von der Blickrichtung des Beobachters (Isotropie). Dabei ist Homogenität so zu verstehen, wie man z. B. auch Gase homogen nennen kann: Homogenität bezieht sich nicht auf das Universum im Detail, sondern auf Zellen mit einem Durchmesser von 108 bis 109 Lichtjahren, in denen es im einzelnen zu unregelmäßigen Materiekondensationen in Form von Galaxien kommen kann. Historisch entspricht das kosmologische Postulat einer neuzeitlichen Erfahrung, die mit der kopernikanischen Wende einsetzte. 17 Der Mensch mit seiner Erde nimmt keine ausgezeichnete Stellung im Universum ein. Die grandiose Vision von Giordano Bruno wird im kosmologischen Postulat heutiger Astronomen zu einer nüchternen Arbeitshypothese. Es bleibt die Frage, ob das Universum zu allen Zeiten regelmäßig beschaffen war oder ob sich seine Symmetrie nur auf einen bestimmten Zeitraum bezieht. Auch hier geben astronomische Beobachtungen erste Hinweise. Alle bisher bekannten Galaxienhaufen entfernen sich voneinander, was zu der Annahme geführt hat, daß sich das Universum gleichmäßig ausdehnt. Nachdem der Optiker J. Fraunhofer bereits 1814/15 dunkle Spektrallinien im Spektrum der helleren Sterne entdeckt hatte, wies W. Huggins 1868 auf ihre Verschiebung ins Rote bzw. 16
17
Vgl. auch S. W. Hawking/G. F. R. Ellis, The Large Scale Structure of Space-Time, New York 1973. Vgl. K. Mainzer, s. Anm. 10, 196 ff.; ders./J. Mittelstraß, Kosmogonie, Kosmologie, in: J. Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie Bd. 2, Mannheim/Wien/Zürich 1984, 481 —487; B. Kanitscheider, Philosophisch-historische Grundlagen der physikalischen Kosmologie, Stuttgart etc. 1974, 161, 166.
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
389
Blaue gegenüber ihrer normalen Lage im Spektrum der Sonne hin — eine Beobachtung, die er zutreffend im Sinne des Doppler-Effekts als Bewegung der Sterne von der Erde fort bzw. zu ihr hin deutete. Da die Wellenlängen der Spektrallinien sehr genau meßbar sind, wurden neue Meßverfahren für die Geschwindigkeit und Entfernung von Sternen möglich. 1929 entdeckte E. P. Hubble, daß die Geschwindigkeit der Fluchtbewegung der Galaxien mit dem Abstand zwischen einem Galaxienhaufen und seinem Beobachter wächst. So deutete er nämlich die Beobachtung, daß das Licht sehr weit entfernter Galaxien sich zum roten Bereich des Spektrums, also zu größeren Wellenlängen verschiebt. Grundlage dieser Erklärung ist der Doppler-Effekt, wonach die Wellenlängen des von einer bewegten Lichtquelle ausgesandten Lichtes einem ruhenden Beobachter größer erscheinen, wenn sich die Lichtquelle entfernt, und kleiner, wenn sie sich nähert. Die Rotverschiebung läßt sich also als Maß für die Geschwindigkeit auffassen, mit der sich Galaxien entfernen. Der Betrag Ζ der Rotverschiebung ist gleich dem relativen Zuwachs Δλ der registrierten Wellenlänge λ, d. h. Ζ = Δλ/λ. Aus der Rotverschiebung konnte Hubble die Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien und damit die Gesamtgeschwindigkeit berechnen, mit der sich das Universum ausdehnt. Um die Symmetrieannahmen des kosmologischen Prinzips mathematisch zu präzisieren, bietet sich E. Cartans Differentialgeometrie der symmetrischen Räume an (vgl. Kap. 2.33). Dabei sollten alle Raumpunkte physikalisch die gleiche Entwicklung durchlaufen, und zwar zeitlich so korreliert, daß für einen Beobachter alle Punkte in einem festen Abstand von ihm gerade im gleichen Entwicklungsstadium erscheinen. In diesem Sinne muß dem Beobachter Ρ der räumliche Zustand des Universums zu jedem Zeitpunkt in der Zukunft ( + ) und Vergangenheit ( —) homogen und isotrop erscheinen (Abb. 1). Geo-
390
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
metrisch ist dazu unser Beobachter z. B. mit Standort in der Mitte der Milchstraße mit einem Standard-Koordinatensystem auszustatten. Die Richtung von drei räumlichen Koordinaten χμ kann ζ. B. durch die Sichtlinien vom Standort zu typischen Galaxien bestimmt werden. Für die Zeitkoordinate t kann als „kosmische Uhr" ζ. B. die Strahlentemperatur eines schwarzen Körpers gewählt werden, die überall monoton abnimmt. Deshalb wird das „kosmische Standardkoordinatensystem" eines Beobachters durch Transformationen χμ —• χ μ , t —• t = t bestimmt, bei denen der physikalische Zustand unverändert bleibt, d. h. ζ. B. für das Gravitationspotential g ^ und den Energie-Impulstensor Τμν der Materie gilt Forminvarianz, also g ^ = £μν und Τμν = Τμν. Mathematisch wird also das Universum als eine 4-dimensionale Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit aufgefaßt, deren 3-dimensionale „räumliche" Unterräume isotrop und homogen sind. Dies war die Annahme des sogenannten „kosmologischen Prinzips". Differentialgeometrisch handelt es sich also um die Annahme einer Isometriegruppe, die uns — rein mathematisch — die Angabe der „kosmischen" Metrik des 4-dimensionalen Universums erlaubt. H. R Robertson und H. G. Walker haben 1935/36 die übliche Standardform dieser Metrik angegeben. Sie ergibt sich aus der Metrik in Kap. 2.33 für Mannigfaltigkeiten mit isotropen Unterräumen durch geeignete Wahl neuer Koordinaten und zwar durch J (— g (v))T dv = t und die üblichen räumlichen Polarkoordinaten u1 = r sin θ cos φ, u 2 = r sin θ sin φ und u3 = r cos Θ. Damit folgt aus der Metrik auf S. 229 für die Eigenzeit dx2 = dt 2 - R 2 (t)
i
^ k r 2 + r2 d02 + r2 sin2 θ do =
r 2 Si 2 θ R 2 ( t )
"
und \
v
= 0
für μ Φ ν. Wegen R(t) = [/f(v) und f(v) = | K(t) beträgt der 3dimensionale Krümmungsskalar 3 K(t) = k R _ 2 (t). Für k = — 1 oder k = 0 ist der Raum unendlich. Für k = + 1 ergibt sich für das 3-dimensionale räumliche Volumen des Universums
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
391
Y3 = 2π2 R 3 (t) und für den geodätischen Umfang U 3 = 2π R(t). Für k = + 1 läßt sich also das 3-dimensionale räumliche Universum als die Oberfläche einer Kugel vom Radius R(t) im 4-dimensionalen euklidischen Raum auffassen. Dabei wächst der Weltradius R(t) im expandierenden Universum mit der Zeit t. Zu jedem Zeitpunkt ist das Universum also endlich (wegen V3) aber unbegrenzt (wegen U 3 ). Diese anschauliche Interpretation von R(t) als expandierender Weltradius ist zwar nur für k = + 1 möglich. Dennoch legt R (t) in jedem Fall die Skala der Raumgeometrie fest und wird daher allgemein der kosmische Skalenfaktor genannt. Die bisherige geometrische Beschreibung des Universums folgte allein aus dem kosmologischen Prinzip. Dabei blieb R(t) eine unbekannte zeitabhängige Funktion. Um die Symmetrieeigenschaften des Universums physikalisch überprüfen zu können, muß der „Radius" R(t) berechnet werden. Dazu sind Annahmen über die materielle Beschaffenheit des Universums erforderlich, wie sie in Einsteins Gravitationsgleichungen (vgl. (9) in Abschn. 4.12) zum Ausdruck kommen. Daher muß die Robertson- Walker-Metrik als Lösung der Gravitationsgleichungen bestimmt werden, wie das A. Friedmann 1922 erstmals tat. Unter Voraussetzung des kosmologischen Prinzips, d. h. also der Annahme eines homogenen und isotropen Universums ergeben sich Friedmanns Standardmodelle für die drei möglichen Größen k = + 1 oder 0, mit denen die räumliche Krümmung festgelegt wird. Mathematisch werden diese Standardmodelle mit der Entwicklung R (t) des Universums durch eine Differentialgleichung erster Ordnung
beschrieben, die aus Einsteins Gravitationsgleichungen ableitbar ist, wobei die Funktion ρ der Energiedichte von der Zeit abhängt. In jedem Fall handelt es sich um eine 4-dimensionale Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit, deren 3-dimensionale homogene „räumliche" Unterräume zeitlich isotrop expandieren. In Abb. 2 sind diese in der Zeit expandierenden Unterräume als „räumliche Schnitte" für die drei möglichen Fälle von k dargestellt. Im Fall k = — 1 ist jeder räumliche Schnitt eine 3-dimensionale Lobatschewski Geometrie L 3 mit negativer Krümmung. Für k = 0 sind die räumlichen Schnitte 3-dimensionale euklidische Räume E3. Für k = 1 sind es sphärische oder elliptische Räume S3 bzw. P3. In jedem Fall liegt eine Anfangssingularität vor, in der die raumzeitliche Krümmung unendlich wird. Kosmologisch wird sie als der Urknall („big bang") des Universums gedeutet. Danach expandiert das
392
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft t
Universum zunächst sehr schnell, um dann etwas langsamer zu werden. Im Fall k = 1 kehrt sich die Expansion zu einem Kollaps um, der eine neue Singularität darstellt. Man spricht dann von einem geschlossenen Universum. Für k = 0 oder k = — 1 setzt sich die Expansion fort, allerdings schneller im Falle k = — 1. Einmal entstanden, bleibt das Universum in diesen beiden Fällen unbegrenzt bestehen. Man spricht daher auch von einem offenen Universum. Historisch wird diese Annahme in der griechischen Naturphilosophie vertreten, dort allerdings für ein statisches endliches Universum. Die Vorstellung eines symmetrisch räumlich und zeitlich unbegenzten Universums propagierte im Abendland besonders Giordano Bruno. Für k = 1 liegt ein Anfang und ein Ende vor, eine Vorstellung, die in der christlichen Tradition als Schöpfung und Endzeit gedeutet wurde. In Abb. 2 ist die Kurve für k = 1 eine Zykloide. Sie wird von einem festen Punkt auf einem Rad erzeugt, das in diesem Fall auf einer Geraden, der Zeitachse nämlich, abrollt. Tatsächlich handelt es sich also dann um eine periodische Kurve, die dasselbe Bogenmuster unbegrenzt reproduziert. Kosmologisch haben wir das Modell eines Universums, das immer wieder neu entsteht und kollabiert. Philosophisch wird so Nietzsches Lehre von der „ewigen Wiederkehr des Gleichen" suggeriert.
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
393
In Abb. 2 sind Zahlen entlang den Kurven für k = + 1 notiert. Es handelt sich um Werte für den Parameter („deacceleration parameter") R (to) q0 = — R(t 0 ) zur Gegenwartszeit t0, der aus dem „Radius" R (to)
R (t), d. h. also aus den Lösungen der Einsteinschen Gravitationsgleichungen berechnet werden kann. Damit erhalten wir eine erste Größe, die für die empirisch-physikalische Überprüfung der kosmologischen Symmetrieannahmen eine wichtige Rolle spielt.18 Die Krümmung hängt wesentlich von der gegenwärtigen Energiedichte ab. Das Universum ist nämlich offen oder geschlossen, je nachdem, ob ρ 0 kleiner oder größer ist als ein bestimmter kritischer Wert Qk. So ist das Universum offen und ρ 0 ist kleiner als Qk, falls der Parameter q 0 kleiner als 0,5 ist. Es ist geschlossen und ρ 0 ist größer als Qk, falls q 0 größer als 0,5 ist. Damit wird die empirische Bedeutung von q 0 deutlich. Leider sind die aufgrund von Beobachtungen bekannten Bereiche der Kurven in Abb. 2 bisher zu klein, um zu entscheiden, ob das Universum offen oder geschlossen ist. Wäre das Universum offen, so wäre sein Alter gleich dem Kehrwert der sogenannten Hubble-Konstanten H. Dieser Kehrwert 1/H wird auch als Hubble-Zeit bezeichnet. Ist das Universum dagegen geschlossen, so beträgt sein Alter nur zwei Drittel der Hubble-Zeit. Zum Zeitpunkt der Anfangssingularität muß die Dichte unendlich gewesen sein. Ein Relikt aus dieser heißen Frühphase des Universums ist die 2,7° Κ Mikrowellenhintergrundstrahlung, die 1950 bereits prognostiziert und 1965 entdeckt wurde. Sie hat das Spektrum eines Planckschen schwarzen Körpers und ist völlig isotrop. Die Mikrowellenhintergrundstrahlung gilt daher auch als prominente Bestätigung der Friedmannschen Standardmodelle mit ihren Symmetrieannahmen. Schließlich wurden auch andere kosmologische Prinzipien vorgeschlagen, die zu Metriken anderer kosmologischer Modelle führten. Erinnert sei an H. Bondis „Steady-State" Modell von 1948 und der verschärften Annahme eines räumlich und zeitlich homogenen und isotropen Universums. Erinnert sei ferner an K. Gödels Annahme von 1949 eines homogenen, nicht isotropen Universums. 19 Wenn aber das kosmologische Prinzip der Friedmann Modelle zutreffen sollte, dann stellt sich die Frage, 1) ob die Symmetrie des Universums seit dem Urknall vorliegt und 2) wie sie physikalisch zu erklären ist. Das Problem der ersten Frage ist in Abb. 3 dargestellt. Dort ist der „Horizont" eines Beobachters als derjenige Teil des Universums ge18 19
S. Weinberg, s. Anm. 6, 481 ff. S. Weinberg, s. Anm. 6, Chapter 16.
394
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft Gegenwart
Abb. 3
zeichnet, der den Beobachter beeinflussen kann. Da Signale nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit sind, kann ein Beobachter Ο der Gegenwart nur von Ereignissen wissen, die in einer Entfernung stattfinden, die seit dem „big bang" vom Licht zurückgelegt werden konnte. In Abb. 3 sind Α und Β zwei Ereignisse, zwischen denen kein Kausalzusammenhang bestehen kann, da sich die „Horizonte" dieser Ereignisse nicht überlappen. Es wäre also möglich, daß das Universum im Anfang ungleichförmig war (vgl. Wellenlinie in Abb. 3), so daß eine Ausdehnung in B' eher begann als in A'. Dennoch hat die von Α und Β zum Beobachter Ο gelangende kosmische Hintergrundstrahlung die gleiche Intensität, und das Universum dehnt sich an beiden Stellen mit der gleichen Geschwindigkeit aus. Um diese Regelmäßigkeit und Symmetrie des Universums zu erklären, reichen kosmologisches Prinzip und Relativitätstheorie nicht mehr aus. Die moderne Kosmogonie verschmilzt vielmehr mit Quantenmechanik und Elementarteilchenphysik zu einer physikalischen Theorie, in der die Evolution des Universums mit der schrittweisen Entstehung der Elementarteilchen, Atome, Moleküle etc. erklärt wird. Auf diesem
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
395
Hintergrund läßt sich dann zeigen, wie in den einzelnen Entwicklungsphasen zunächst einige der heute bekannten physikalischen Grundkräfte der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung vorgeherrscht haben, bis die heutige Struktur des Universums mit der makroskopisch vorherrschenden Gravitationskraft entstand. Die moderne Kosmologie betrachtet also das Universum als ein gigantisches Laboratorium der Hochenergiephysik, das zur vollständigen Erklärung eine vereinheitlichte Theorie der Naturkräfte erfordert. Diese Diskussion werden wir im Anschluß an die Abschnitte über Quantenmechanik und Elementarteilchenphysik wieder aufnehmen. 4.14 Symmetrie und die Einheit von Gravitation und Elektrodynamik Bisher wurden die globalen und lokalen Symmetrien der Relativitätstheorie als Eigenschaften einer eigenständigen physikalischen Theorie herausgestellt. Historisch regte die Relativitätstheorie aber auch neue Ideen zu einer Vereinheitlichung verschiedener physikalischer Theorien an. Gemeint sind hier die Versuche von G. Mie, D. Hilbert, H. Weyl u. a., eine einheitliche Theorie der Gravitationskraft und elektromagnetischen Kraft zu entwickeln, die noch bis in die 20er Jahre dieses Jhs. als die beiden einzigen Grundkräfte der Natur galten. Diese Versuche haben sich zwar schon bald als physikalische Fehlschläge erwiesen. Dennoch kommt ihnen vom Standpunkt der Symmetrie historische und heuristische Bedeutung zu. So zeigte sich noch in den Arbeiten von D. Hilbert seit 1915, wie die Idee einer einheitlichen Theorie der Materie eng mit dem Hamiltonschen Prinzip verbunden wurde. Damit wird eine historische Entwicklungslinie bei der Suche nach einer „Weltformel" deutlich, die in der Neuzeit von Leibniz über Euler, Hamilton u. a. bis ins 20. Jh. reicht. H. Weyl benutzte bei seinem Vorschlag bereits die mathematische Technik der Eichsymmetrien, die zwar im konkreten Fall der Gravitation und des Elektromagnetismus versagte, aber später auf der Grundlage der Quantenmechanik zu erfolgreichen Vereinigungen der neu entdeckten physikalischen Kräfte führte. Der erste Ansatz einer einheitlichen Theorie der Materie im 20. Jh. geht auf G. Mie zurück. In seiner Arbeit über die „Grundlagen einer Theorie der Materie" 20 von 1912 — 1913 versuchte er, die Existenz des Elektrons mit der Gravitation in Verbindung zu bringen. Atome bestehen nach Mie aus Elektronen, die durch eine schwache positive 20
G. Mie, Grundlagen einer Theorie der Materie (I), in: Ann. Phys. Leipzig 37 1912, 511-534; (II) 39 1912, 1 - 4 0 ; (111) 40 1913, 1 - 6 6 .
396
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Ladung zusammengehalten werden. Mie stellt sich die Atome umgeben von „Atmosphären" vor, die wegen der elektrischen Neutralität der Atome nicht auf elektrische, aber auf Gravitationsfelder wirken. Die stetigen Übergänge, die Mie zwischen der elektrischen Wirkung und der Gravitationswirkung annimmt, erinnern teilweise an das Materiemodell von Boscovich. Es war D. Hilbert, der in seinen Arbeiten über „Die Grundlagen der Physik" 21 von 1915 und 1917 eine einheitliche mathematische Materietheorie aufstellte, in der die Ansätze von Mie und Einstein berücksichtigt sind. Hilberts Vorschlag ist auch wissenschaftstheoretisch von großem Interesse, da hier die axiomatische Methode in der Physik angewendet wird, die Hilbert bereits in der Mathematik erprobt hatte. Hilbert geht von einem 4-dimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum aus, dessen Punkte durch 4 „Weltparameter" χ μ (μ = 0, 1, 2, 3) charakterisiert sind. An physikalischen Größen, die χμ bestimmen, sind zugelassen: 1) Einsteins 10 Gravitationspotentiale gnV, die einen (symmetrischen) Tensor bei allgemeinen Transformationen von χμ bilden, 2) Maxwells 4 elektromagnetische Potentiale Αμ, die einen Vektor bei allgemeinen Transformationen von χμ bilden. Die physikalischen Prozesse in einer Welt mit diesen Größen sind nach Hilbert durch zwei Axiome bestimmt: Das erste Axiom {„Mies Axiom der Weltfunktion") formuliert ein allgemeines Hamilton-Prinzip, aus dem die physikalischen Gesetze abzuleiten sind. Die Hamilton-Funktion Η („Weltfunktion") hängt ab von den Gravitationspotentialen mit ihren ersten und zweiten Ableitungen und den elektromagnetischen Potentialen mit ihren ersten Ableitungen. Dann fordert Hilberts Axiom I (1)
δ J Η ]/g d 4 x, g = I g„v I, d4x = d x W d x M x 3 ,
d. h. die Variation des Hamilton-Integrals verschwindet für jedes der 14 Potentiale g ^ und Αμ. Das Axiom II {„Einsteins Axiom der allgemeinen Invarianz") fordert, daß die Hamilton-Funktion Η bei beliebigen Transformationen der Koordinaten χμ invariant bleibt. Wie üblich können aus dem Hamilton-Prinzip Lagrange-Gleichungen abgeleitet werden. Nach Definition von Η leitete Hilbert 14 Lagrange-Gleichungen für die 14 Potentiale ab und zwar 10 Gravitationsgleichungen für die 10 Gravitationspotentiale gMV und 4 elektromagnetische Gleichungen für die 4 elektromagnetischen Potentiale Αμ. 21
D. Hilbert, Die Grundlagen der Physik, in: Nachr. Kgl. Ges. Wiss. Gött. 1915, 3 9 5 407; 1917, 201; Mathem. Ann. 92 1 1924.
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
397
Nachdem die Einsteinschen Gravitationsgleichungen bestimmt sind, erhält Hilbert die Maxwellschen Gleichungen der Elektrodynamik in der Mieschen Version aufgrund eines allgemeinen mathematischen Theorems der Variationstheorie. Danach gilt allgemein für die η Lagrange-Gleichungen, die sich aus einem Variationsprinzip der Form (1) mit η Größen einer Invarianten Η über einem 4-dimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum ableiten lassen, daß 4 dieser Größen immer eine Konsequenz der verbleibenden n-4 Größen sind. In diesem Sinne wird also die Elektrodynamik aus Einsteins Gravitationstheorie ableitbar. Wissenschaftstheoretisch gesprochen wäre also die Gravitationstheorie die fundamentalere physikalische Theorie, auf die die Elektrodynamik reduzierbar ist. Voraussetzung ist allerdings die Annahme, daß die Welt tatsächlich durch Hilberts Axiome, insbesondere sein allgemeines Variationsprinzip bestimmt ist. Dieses Hamilton-Prinzip spielt wieder die Rolle einer „Weltformel" wie in der Diskussion nach Leibniz, so daß wir im folgenden auch vom Leibniz-Hamilton-HilbertPrinzip sprechen könnten. Allerdings besteht ein wesentlicher methodischer Unterschied zwischen den Variationsprinzipien des 17. und 18. Jhs. und der Hilbertschen Version. In der Tradition von Leibniz wurde die Annahme von „Weltformeln" als Variationsprinzipien mit ontologischen Voraussetzungen über Naturprozesse verbunden. Bei Hilbert wird stattdessen eine formale Axiomatik vorausgesetzt, d.h. von den ausgewählten physikalischen Größen werden nur diejenigen Eigenschaften benutzt, die formal durch die Axiome festgelegt sind. Analog hatte Hilbert in seinen „Grundlagen der Geometrie" auf jede Ontologie geometrischer Gegenstände (ζ. B. Punkt, Gerade, Kreis) im Sinne Euklids verzichtet. Dieser Verzicht auf Ontologie wird in Hilberts berühmter Formulierung deutlich, wonach wir uns unter den Grundbegriffen eines Axiomensystems vorstellen können, was wir wollen, vorausgesetzt nur, daß unsere Vorstellungen die formalen Bedingungen der Axiome erfüllen. Das alte Kriterium der Evidenz, wonach sich Axiome durch die unmittelbare Einsichtigkeit ihrer Wahrheit auszeichnen, kann in der formalen Axiomatik nicht akzeptiert werden. Wie sollte das auch von einem so allgemeinen Prinzip wie (1) erwartet werden können? Stattdessen fordert Hilbert für ein formales Axiomensystem neben der Widerspruchsfreiheit noch Zulässigkeit und Vollständigkeit der Theorie, d. h. jedes aus den Axiomen logisch ableitbare Theorem ist wahr („Zulässigkeit") und umgekehrt ist jedes wahre Theorem aus den Axiomen der Theorie ableitbar („Vollständigkeit"). Im Unterschied zur Mathematik setzt „physikalische Wahrheit" noch Experiment und Messung voraus.
398
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Hilbert feierte seine Ableitung der Einsteinschen Gravitationsgleichungen und der Maxwellschen-Mieschen Gleichungen der Elektrodynamik als größten Triumph der axiomatischen Methode. 22 Mathematische Eleganz, methodische Einfachheit und Schönheit waren für ihn Motivation für eine einheitliche Theorie der Materie. Das ist die säkularisierte Version eines naturphilosophischen Ideals, das seit den Tagen der Pythagoräer Harmonie und Schönheit mit mathematischen Gesetzmäßigkeiten verbunden hatte. Einstein akzeptierte zwar, daß Hilbert unabhängig von ihm die Gravitationsgleichungen aus dem Hamiltonschen Variationsprinzip gewonnen hatte. Er kritisierte jedoch Hilberts formalen Ansatz. In einem Brief an Weyl (vom 23. Nov. 1916)23 nennt er Hilberts Ansatz „kindisch", da Hilbert geradezu wie ein Kind sich nicht der Fallgruben der realen Welt bewußt sei. Es handle sich um eine Mischung aus physikalisch begründeten Betrachtungen (wie Einsteins allgemeinem Relativitätsprinzip) und riskanten Hypothesen über die Struktur der Materie (im Sinne von G. Mie), die er, Einstein, nicht akzeptieren könne. In Einsteins Kritik an Hilbert glaubt man geradezu das Newtonsche Diktum „Hypotheses non fingo" zu vernehmen, das dieser gegen die naturphilosophischen Hypothesen über den Aufbau der Materie nach Descartes, Huygens und Leibniz eingewendet hatte. An die Stelle der Naturontologie der Cartesianer und Leibnizianer tritt nun die formale Axiomatik mathematisch-physikalischer Theorien. Auch W. Pauli würdigt Hilberts Ableitung der Gravitationsgleichungen als unabhängige Leistung, kritisiert aber gleichzeitig Hilberts Darstellung, die für einen Physiker aus zwei Gründen nicht akzeptabel sei.24 Einmal werde das Variationsprinzip als Axiom eingeführt, zum anderen seien die Feldgleichungen bei Hilbert nicht für ein beliebiges Materiesystem abgeleitet, sondern unter der speziellen Voraussetzung von Mies Theorie. Pauli schrieb seine Kritik 1921 bereits unter dem Eindruck der Quantentheorie. Das Hamilton-Prinzip schien in der Mikrophysik nicht in der gleichen Weise erfolgreich anwendbar, wie die Physiker das aus der Makrophysik gewohnt waren. Daher schien der Glaube daran, daß eine universelle „Weltformel" von der Form des Hamilton-Prinzips sei, in der Relativitätstheorie an sein natürliches 22 23
24
D. Hilbert, s. Anm. 21 (I), 407. „To me Hilbert's Ansatz about matter appears to be childish, just like an infant who is unaware of the pitfalls of the real world ..." A. Einstein, Brief an H. Weyl vom 23. Nov. 1916, zitiert von C. Seelig, Albert Einstein, Zürich 1954, 200. W. Pauli, Theory of Relativity, Oxford 1958, 145 (Fußnote 277).
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
399
Ende gekommen zu sein. Hilberts Beitrag wäre der Abschluß einer neuzeitlichen Entwicklung, die bei Leibniz eingesetzt hatte. 25 Zudem erwies sich Mies Materietheorie nach der Quantenmechanik in den 20er Jahren als völlig obsolet. In der Göttinger mathematischen Schule von D. Hilbert, F. Klein, E. Noether u. a. wurden Invarianzprinzipien in engem Zusammenhang mit physikalischen Erhaltungssätzen gesehen. Erinnert sei an die Noetherschen Ergebnisse für die klassische Mechanik und spezielle Relativitätstheorie. 26 In der Elektrodynamik läßt sich die Erhaltung der elektrischen Ladung auf die Eichsymmetrie zurückführen. Demgegenüber entstehen Probleme, wenn man Erhaltungssätze der Energie und des Impulses als Folgen des allgemeinen relativistischen Kovarianzprinzips verstehen will. Es ist daher nicht verwunderlich, daß diese Fragen der Erhaltungssätze
in der allgemeinen Relativitätstheorie
gerade
von den Göttinger Mathematikern erkannt wurden. 27 In der vorrelativistischen Physik wird die Erhaltung einer Größe (Masse, Energie, Ladung etc.) immer mit ihrer Lokalisierung verbunden, d. h. man geht von der eindeutigen Zuordnung einer Dichte der entsprechenden Größe zu einem bestimmten Raumpunkt für eine bestimmte Zeit aus. Man kann auch sagen, daß in einem festen Raumvolumen eine ganz bestimmte Menge der jeweiligen physikalischen Größe vorhanden ist. Unsere anschaulichen Vorstellungen von Substanz, die sich auch bei den verschiedenen Philosophen niedergeschlagen haben, sind von der Lokalisierung physikalischer Größen bestimmt. Es zeigt sich nun, daß die mathematischen Terme für Impuls- und Energiedichte der allgemeinen Relativitätstheorie nicht dieser Lokalisierbarkeitsforderung entsprechen. Untersucht man nämlich diese sogenannte Energiedichte bei räumlichen Transformationen, so zeigt sich, daß sich diese Größe nicht wie eine Invariante transformiert. Man 25
26
27
In modernen Lehrbüchern ist die axiomatische Anwendung eines Hamiltonprinzips jedoch wohl etabliert. Vgl. Kap. 3.32; E. Bessel-Hagen, Über die Erhaltungssätze der Elektrodynamik, in: Math. Ann. 84 1921. Eine Verallgemeinerung der Noetherschen Arbeiten für die Elektrodynamik liefert E. P. Wigner, Über die Erhaltungssätze in der Quantenmechanik, in: Nachr. Ges. Wiss. Gött. 1927, 375; zur Einschätzung der Noetherschen Arbeiten vgl. auch H. Weyl, Emmy Noether, in: Scripta Mathematica 3 1935, 201 — 220; B. L. van der Waerden, Nachruf auf Emmy Noether, in: Math. Ann. 1935, 469-476; A. Dieck, Emmy Noether, Basel 1970. Vgl. F. Klein, Nachr. Ges. Wiss. Gött., Math. Phys. Kl. 1918, 171-189; H. Bauer, Phys. Zeitschr. 19 1918, 163; D. Hilbert, Nachr. Gött. 1917, 4 7 7 - 4 8 0 ; vgl. auch die Darstellung von J. Mehra, Einstein, Hilbert, and the Theory of Gravitation, in: ders., s. Anm. 9, 137 ff.; E. P. Wigner, Symmetry and Conservation Laws, in: ders., s. Anm. 14, 25.
400
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
erhält nämlich in einem Raumpunkt Zahlenwerte für diese Größen, die vom zufallig gewählten Koordinatensystem abhängen. Damit ist aber die Definition eines objektiven physikalischen Grundbegriffs in Frage gestellt. Mit der Eigenschaft der Lokalisierbarkeit hat der Energieerhaltungssatz wenigstens im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie seinen absoluten Charakter verloren. Wie in Abschnitt 4.13 gezeigt wurde, ist für das Universum insgesamt eine gekrümmte Mannigfaltigkeit anzunehmen. Daher erscheinen auch Aussagen über die Erhaltung der Energie des Universums insgesamt vom Standpunkt der Relativitätstheorie problematisch. Allerdings werden auf der Grundlage der Quantenmechanik neue Erhaltungssätze der Elementarteilchenphysik möglich, die neue Perspektiven über die Struktur der Materie eröffnen. 28 Abschließend besprechen wir H. Weyls Vorschlag von 1918 für eine Vereinigung von Gravitationstheorie und Elektrodynamik, der zwar physikalisch widerlegt wurde, aber von der mathematisch grundlegenden Technik der Eichsymmetrien Gebrauch machte. 29 Dabei orientierte sich Weyl an Einsteins Vorbild, der in der allgemeinen Relativitätstheorie die Gravitationspotentiale geometrisch als Maßtensor verstanden hatte. Analog glaubte Weyl, auch elektromagnetische Felder geometrisch interpretieren zu können, wenn man den Transport von Maßstäben genau analysierte. Nach Weyl läßt sich nicht von vornherein ausschließen, daß ein Maßstab der Länge 1 in einem Raum-Zeitpunkt Ρ nach einem Transport zum Punkt P' seine Länge auf Γ geändert hat, ζ. B. dadurch, daß in Ρ und P' verschiedene Einheitsmaßstäbe verwendet werden. Allgemein kann man erwarten, daß 1) die relative Änderung V dl ™ -1 (2)
—
=
τ
= φ
vom speziellen Maßstab unabhängig ist, und daß 2) bei genügend nahe benachbarten Punkten die Eichung so gewählt werden kann, daß 1 = Γ, also φ = 0 ist.30 In diesem Fall erhält man in Raum-Zeit-Koordinaten (3) 28
29
30
φ =
Φμ
(Ρ) dx" = φ«, (Ρ) dx° - φ (Ρ) dx,
Vgl. auch Ε. Schmutzer, Symmetrien und Erhaltungssätze der Physik, Berlin 1972, 45 ff. H. Weyl, Sitz. Ber. d. preuß. Akad. d. Wissensch. 1918, 465; Mathem. Zeitschr. 2 1918, 384; Ann. d. Physik 59 1919, 101. Vgl. auch H. Rollnik, Ideen und Experimente für eine einheitliche Theorie der Materie, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vortrag Ν 2 8 6 , 1 3 ff.
401
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie
wobei μ = 0, 1, 2, 3 mit der Zeitkoordinate x° und den Raumkoordinaten x1, x2, x3 des Punktes Ρ sind. In Abb. 1 ist der Maßstabtransport differentialgeometrisch dargestellt. Die Ebene symbolisiert die Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit. Die Achsen senkrecht dazu („Fasern") werden benutzt, um die Längen der Maßstäbe abzutragen. Sie heißen daher auch Eichachsen. Dabei ist dx der infinitesimale Differenzvektor der Raum-Zeit-Punkte Ρ und P', in denen die Eichachsen senkrecht stehen. Eine Veränderung der Maßstäbe („Umeichung") wird durch die Transformation (4)
1 - J = λ(Ρ)1
beschrieben, wobei λ eine Raum-Zeit-Funktion ist. Dabei wird φ gemäß (5)
-
=
d
T
+
ά
λ
—
geändert. Die Eichtransformationen
(4) definieren ein Gruppe.
402
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Weyls entscheidender physikalischer Vorschlag bestand darin, durch geeignete Interpretation von φ einen Zusammenhang zwischen Differentialgeometrie und Elektrodynamik herzustellen. Er bemerkte nämlich, daß die Koeffizienten φ μ dieselben mathematischen Eigenschaften haben wie die elektromagnetischen Potentiale (Αμ) = (φ, Ä) der Maxwellschen Elektrodynamik (vgl. (11) in Abschn. 3.26). Weyl machte dazu den Ansatz (6)
φ μ = βΑμ,
wobei β ein universeller Faktor sei, der u. a. von den gewählten Einheiten abhängt. Dazu betrachte man die Veränderungen eines Maßstabes, der auf verschiedenen Wegen von Ρ nach P' transportiert wird. In Abb. 2 wird der Maßstab entlang den Strecken PQP' und PRP' bewegt. Der Unterschied Δ der beiden Änderungen von 1 ist wegen (2) und (3) durch (7) w
A = l - d ψ9 =
l ( ^ - - ! ^μ V d v v V 9x v 0χ /
gegeben. Differentialgeometrisch gesprochen bestimmt der Tensor 3 φμ 0 φν φμν = -g-f Krümmung der „Faserbündel". Wegen (6) ist dieser 9 Aν ^ μ
Tensor den elektromagnetischen Feldstärken Ρ μν = 0 Aμ d ν proportional (vgl. auch (15) in Abschn. 3.26). Weyls
Vorschlag läuft also darauf hinaus, die Krümmung im Eichbündel als elektromagnetische Feldstärke zu deuten. So suggestiv diese Deutung (6) auch aufgrund der formal mathematischen Analogie sein mag, so schnell wurde sie physikalisch von Einstein widerlegt.31 Läßt man nämlich vom Punkt Ρ Lichtstrahlen einer festen Wellenlänge nach allen Seiten ausstrahlen, so könnten sie auch auf den beiden Wegen von Abb. 2 nach P' gelangen. Dabei könnten sie eine jeweils verschiedene Wellenlängenänderung erfahren. Eine Spektrallinie, die in Ρ noch scharf war, würde also in P' als breites Wellenlängenband eintreffen. Die Breite wäre durch (7) bestimmt. Dieser Prognose widerspricht aber die astronomische Beobachtung. So enthält das Sternenlicht scharfe Spektrallinien, obwohl es auf seinem Weg im Weltraum viele elektromagnetische Felder angetroffen hat. Weyl wendete zunächst ein, daß seine Potentiale φ μ analog den elektromagnetischen Potentialen Αμ nicht meßbar bzw. direkt be31
A. Einstein, Sitz. Ber. d. preuß. Akad. d. Wissensch. 1918, 478.
403
4.1 Symmetrien der Relativitätstheorie Eichachsen
obachtbar seien. Daher handele es sich um die Verknüpfung von idealen mathematischen („theoretischen") Begriffen. Nachdem die Quantenmechanik jedoch eingeführt war, gestand auch Weyl ein, daß seinem differentialgeometrischen Ansatz jede physikalische Grundlage fehlt. 32 Nach Weyl wurden noch verschiedene Verallgemeinerungen der Differentialgeometrie auf ihre physikalische Tauglichkeit untersucht (z. B. Eddington, Kaluza, Klein, Vehlen, Hoffmann u. a.). 33 Auch Einstein gab später in seiner Feldtheorie den ursprünglichen Widerstand gegen Vereinheitlichungsbestrebungen mit der Gravitationstheorie auf. Von zentraler Bedeutung wurde Weyls Technik der Eichgruppen erst, als es darum ging, auf der Grundlage der Quantenmechanik neu entdeckte physikalische Kräfte des Mikrokosmos zu vereinigen. 32 33
Vgl. auch J. Mehra, s. Anm. 9, 144. A. S. Eddington, Proc. Roy. Soc. (London) A99 1921, 104; T. Kaluza, Sitz. Ber. d. preuß. Akad. d. Wissensch. 1921, 27; O. Klein, Z. Phys. 37 1926, 895; Z. Phys. 36 1927, 188; J. Phys. Rad. 8 1927, 242. Für eine Verallgemeinerung vgl. O. Veblen/D. Hoffmann, Projective Relativity, in: Phys. Rev. 36 1930, 810.
404
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
4.2 Symmetrien in der Quantenmechanik Die ersten Atommodelle gingen von anschaulichen Symmetrieeigenschaften aus, die an die antiken Planetenmodelle erinnern. Sie reichten jedoch nicht aus, um z. B. die Regelmäßigkeiten der Atomspektren zu erklären. Das gelingt erst mit Schrödingers Wellengleichung bzw. (mathematisch äquivalent) mit Heisenbergs Matrizenmechanik. Die Berechnung der Atome und Moleküle mit den quantenmechanischen Gleichungen ist jedoch im einzelnen sehr kompliziert, so daß meistens nur approximative Lösungen möglich sind. Hier erweisen sich die fundamentalen Symmetrien der quantenmechanischen Gleichungen, nämlich ihre Invarianz gegenüber Drehungen, Spiegelungen und Permutationen der Elektronen bzw. Atomkerne, als sehr nützlich, da viele allgemeine Ergebnisse daraus abgeleitet werden können. Die mathematischen Hilfsmittel zur Begründung dieser Symmetrien liefert die Gruppentheorie, besonders die Darstellungstheorie der endlichen und kontinuierlichen Gruppen, die seit der Jahrhundertwende mathematisch von G. Frobenius, I. Schur, H. Weyl u. a. untersucht und seit Ende der 20er Jahre von H. Weyl, B. L. van der Waerden, E. P. Wigner u. a. in der Quantenmechanik angewendet wurde. Mit diesen Methoden gelingt auch die Erklärung des sog. „Korrespondenzprinzips", mit dem N. Bohr, W. Heisenberg u. a. Grundbegriffe und Regeln der Quantenmechanik zunächst heuristisch durch Analogien mit der klassischen Mechanik gefunden hatten. Diese Grundbegriffe und Regeln können nämlich mathematisch aus der (unitären) Darstellungstheorie der Galilei-Gruppe abgeleitet werden. Klassische Mechanik und (nicht-relativistische) Quantenmechanik haben also dieselbe Raum-Zeit-Symmetrie. Im Unterschied zur klassischen (und relativistischen) Mechanik treten jedoch in der Quantenmechanik Meßgrößen („Observablen") auf, die gruppentheoretisch nicht vertauschbar („nicht-kommutativ") sind, für die es also meßtechnisch einen Unterschied macht, in welcher Reihenfolge sie gemessen werden. In der von Neumannschen Fassung der Quantenmechanik sind sogar nur solche nicht-klassischen Meßgrößen möglich. Demgegenüber hat der Chemiker sowohl mit klassischen Größen (z. B. Temperatur) als auch mit nicht-klassischen Größen (z. B. Ort und Spin eines Elektrons) zu tun. Zur Vereinheitlichung von Quantenphysik und Quantenchemie wird daher abschließend eine verallgemeinerte Quantenmechanik eingeführt, die durch die Symmetrie der sog. C*-Algebra bestimmt ist. Philosophisch führt die Quantenmechanik zu grundlegenden Revisionen klassischer Realitäts- und
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
405
Kausalitätsauffassungen. Auch diese veränderten philosophischen Konzeptionen beruhen auf fundamentalen Symmetrien der Quantenmechanik. 4.21 Symmetrien früher Atommodelle Seit der Antike wurden atomare Modelle der Materie diskutiert. Obwohl auch in der Neuzeit viele Philosophen und Physiker (z. B. Gassendi und Newton) von der heuristischen Vorstellung kleinster unteilbarer Teilchen ausgingen, so fehlte jedoch jede mathematisch physikalische Legitimation. Die Differentialgleichungen der klassischen Physik stützten vielmehr die Vorstellung einer kontinuierlichen Natur, in der im Sinne von Leibniz keine atomaren Sprünge möglich sind. Im Unterschied zur Physik des 19. Jhs. arbeiteten die Chemiker seit J. Dalton (1766 — 1844) erfolgreich mit der Hypothese kleinster atomarer Teilchen, mit der zunächst die Bestimmung relativer Atomgesetze, schließlich sogar die Aufstellung des Periodensystems der Elemente gelang. Noch Dalton stellt sich Atome wie kleine Billardkugeln vor, die im Fall einer chemischen Verbindung durch eine starke Affinität in Berührung gehalten werden und von einer gemeinsamen Wärmesphäre umgeben sind. 34 Ein wichtiger Schritt zum Verständnis der atomaren Struktur war die Untersuchung der Linienspektren chemischer Elemente. Erhitzt man nämlich Gase oder Dämpfe chemischer Elemente in der Flamme eines Bunsenbrenners, so strahlen sie Licht aus. Wird dieses Licht durch ein Prisma oder Gitter zerlegt, erhält man ein diskontinuierliches Linienspektrum. Wie Bunsen und Kirchhoff 1860 nachweisen, hat jedes Element trotz einiger Ähnlichkeiten ein charakteristisches Linienspektrum. Die Existenz solcher Linien macht deutlich, daß Lichtenergie nur in ganz bestimmten Beträgen emittiert oder absorbiert werden kann. Andernfalls würde man nämlich ein kontinuierliches Spektrum beobachten. Um 1900 hatte M. Planck die Strahlung glühender Körper durch das elementare Wirkungsquantum h erklärt. 1905 führt A. Einstein den photoelektrischen Effekt auf diskontinuierliche Lichtquanten zurück. Aus einer mit ultraviolettem oder Röntgenlicht bestrahlten Metallplatte treten nämlich Elektronen aus, deren Energie gleich oder 34
Vgl. auch F. Greenaway, John Dalton and the Atom, London 1966; H. A. Roscoe/ A. Harten, Entstehung der Daltonschen Atomtheorie in neuer Beleuchtung, Leipzig 1898; E. C. Patterson, John Dalton and the Atomic Theory. The Biography of a Natural Philosopher, New York 1970.
406
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Abb. 1
weniger als h mal der Strahlungsfrequenz ν ist. Nach Einsteins Lichtquantenhypothese lassen sich also die diskreten Linien im Spektrum als Folge eines Austausches gequantelter Energie verstehen. Ein Atom kann nur ganz bestimmte Ubergänge von einem Energieniveau zu einem anderen ausführen, wobei eine bestimmte Energiemenge emittiert oder absorbiert wird, die derjenigen der emittierten oder absorbierten Strahlung entspricht. 35 Erste Informationen über den Aufttau der Atome lieferten Rutherfords Experimente mit α-Teilchen, die er auf eine hauchdünne Goldfolie aufprallen ließ. Würde Materie aus massiven Kugeln bestehen, so hätten alle α-Teilchen an den dichtgepackten Atomen abprallen müssen. Tatsächlich wurden aber nur wenige abgelenkt bzw. zurückgeworfen (Abb. 1). Diese Beobachtung und weitere Versuche führten zu der Vorstellung, daß das Atom aus einem Kern dichter Materie mit positiver elektrischer Ladung und einer aus negativ geladenen Elektronen gebildeten Hülle besteht, die zum größten Teil leeren Raum umfaßt. Wie Elektronen um den Kern herum auf der Hülle verteilt sind, darüber gab jedoch erst Bohrs Atommodell von 1913 Auskunft. 36 Das 35
36
Zur Entstehung des Wirkungsquantums vgl. auch F. Hund, Geschichte der Quantentheorie, Mannheim/Wien/Zürich 21975, 22 ff. N. Bohr, Abhandlungen über Atombau aus den Jahren 1913 — 1916, Braunschweig 1921; ders., Bohrsche Atommodelle, Stuttgart 1964 (Dokumente der Naturwissenschaft, Abt. Physik V). Vgl. auch F. Hund s. Anm. 35,65 ff.; U. Hoyer, Die Geschichte
Wasserstoffatom besteht nach Bohr aus einem Proton und einem Elektron. Das negative Elektron bewegt sich zentralsymmetrisch wie ein Planet im aristotelischen Planetenmodell auf einer Kreisbahn vom Radius r ohne Energieverlust (d. h. strahlungsfrei) mit Lineargeschwindigkeit ν um den positiven Kern. Die Umlaufbahn ist stabil, weil die Zentrifugalkraft, die auf das Elektron wirkt, gleich ist der Coulombschen Anziehungskraft zwischen Elektron und Kern. Die Energie Ε des Elektrons auf seiner Umlaufbahn setzt sich zusammen aus potentieller und kinetischer Energie. Nach der Energiegleichung sind für das Elektron in Abhängigkeit vom Radius r alle Werte erlaubt von 0 (für r = oo) bis oo (für r = 0). Damit das Modell mit den Atomspektren vereinbar ist, nahm Bohr eine Quantisierungsbedingung an. Er verknüpfte den Bahndrehimpuls mvr des Elektrons der Masse m mit dem Planckschen Wirkungsquantum h in der Gleichung mvr = η · h/2. Für die „Hauptquantenzahl" η dürfen nur ganze Zahlen 1,2, ... eingesetzt werden. Zu jedem Wert von η gehört eine zentralsymmetrische Umlaufbahn mit einer bestimmten Energie E, die einem diskreten Energieniveau des Atoms entspricht (Abb. 2). Der stabilste Zustand eines Atoms ist der Zustand niedrigster Energie. Höhere Bahnen bzw. Zustände heißen angeregt. Nach Bohr sind Übergänge zwischen verschiedenen Bahnen möglich, wenn die Energiemenge, die der Energiedifferenz zwischen den betreffenden Zuständen entspricht, entweder zugeführt (absorbiert) oder in Form von elektromagnetischer Strahlung (Photonen) ausgestrahlt wird. Bohr berechnete nach diesem Modell ein theoretisches Spektrum von Wasserstoff, das in guter Übereinstimmung mit dem gemessenen Spektrum steht. der Bohrschen Atomtheorie, Weingarten 1974; A. Hermann, Frühgeschichte der Quantentheorie, Mosbach 1969.
408
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Die weitere Entwicklung des Bohrschen Atommodells erinnert an die Geschichte des eudoxisch-aristotelischen Planetenmodells. Auch damals mußte die ursprüngliche Sphärensymmetrie aufgrund genauerer Beobachtungen durch zusätzliche ad-hoc-Hypothesen eingeschränkt und so an die Wirklichkeit angepaßt werden. Als man nämlich die Übergänge in schwereren Atomen untersuchte und die Wirkungen magnetischer Fehler erklären wollte, reichte Bohrs Modell nicht aus. Sommerfeld und Wilson erweiterten das Bohrsche Atommodell, indem sie es auf Ellipsenbahnen ausdehnten. Ellipsenbahnen haben im Unterschied zum Kreis zwei Freiheitsgrade, da sie durch zwei Halbachsen bestimmt sind. Um die Atomspektren durch Übergänge zwischen Ellipsenbahnen zu beschreiben, sind daher auch zwei Quantenbedingungen notwendig. Dazu dient neben der Hauptquantenzahl η die sog. azimutale Quantenzahl k. Um Spektren von Atomen mit mehreren Elektronen erklären zu können, wurde k durch die Nebenquantenzahl 1 (mit k = 1 — 1) ersetzt. Die Nebenquantenzahl 1 bestimmt den Bahndrehimpuls des Elektrons. Als dritte Quantenzahl wurde die magnetische Quantenzahl m eingeführt, um die Neigung der Ebene einer Ellipsenbahn gegen ein äußeres magnetisches Feld zu bestimmen. In Abb. 3 ist als Beispiel das Atommodell von Radium (Ra) dargestellt, das sich durch anschaulich-geometrische Symmetrien auszeichnet.37 Trotz dieser und anderer Verbesserungen (ζ. B. Einführung der Spinquantenzahl als vierter Quantenbedingung) versagten die Atommodelle aus demselben Grund, aus dem bereits die Symmetriemodelle der antiken Planetentheorie aufgegeben werden mußten. Es fehlte eine physikalische Theorie zur Erklärung dieser Modelle. Im Bohrschen Atommodell werden Elektronen als Teilchen vorgestellt, die sich wie Massepunkte auf fixierten Bahnen bewegen. Je nach Versuchsanordnung können sich Elektronen aber auch wie Wellen verhalten. So läßt sich das Elektron des Wasserstoffatoms als eine kugelförmige, stehende Welle im Raum um den Atomkern auffassen, deren maximale Amplitude durch eine entsprechende Wellengleichung beschrieben wird. Das Elektron wird dabei durch eine Wellenfunktion \j/ (x, y, z) in den Ortskoordinaten x, y, ζ beschrieben. Diese von de Broglie angeregte Interpretation führte zu E. Schrödingers Quantenmechanik, die vom Wellenmodell ausging. Ohne hier bereits auf den Welle-Teilchen-Dualismus und die mathematischen Grundlagen der Schrödingerschen Wellengleichung einzugehen, soll in diesem Abschnitt abschließend gezeigt 37
Vgl. auch F. Hund, s. Anm. 35, 89 ff.
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
410
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
werden, daß auch die Wellenvorstellung zu anschaulichen Symmetriemodellen führt. Bereits die Pythagoräer hatten den akustischen Klang durch Symmetrie, nämlich Tonproportionen zu erklären versucht. Heute wird der Klang z. B. einer Violinsaite auf sinusförmige Schwingungen zurückgeführt. Dabei handelt es sich um eine Kombination der Schwingung des Grundtons mit den Schwingungen seiner harmonischen Obertöne, deren Frequenzen genau ganzzahlige Vielfache derjenigen des Grundtons sind (Abb. 4). Mathematisch läßt sie sich als Lösung einer 1dimensionalen Wellengleichung beschreiben. Betrachtet man statt einer Saite die Schwingungen einer 2-dimensionalen Membran (z. B. Fell einer Trommel), so muß eine 2-dimensionale Wellengleichung untersucht werden. Ihre Lösungen stellen 2-dimensionale stehende akustische Wellen dar, die auf Membranen verschiedene Symmetriemuster (Chladnische Figuren) zeigen können (Abb. 5). Formal entspricht die Schrödinger-Gleichung, mit der die Bewegung des Elektrons im Wasserstoffatom beschrieben wird, einer akustischen Wellengleichung. Jede Lösung der Schrödinger-Gleichung ist durch die drei Quantenzahlen η, 1 und m definiert und wird Orbital genannt. Das Kunstwort „Orbital" deutet die Beziehung zur Bohrschen Umlaufbahn an. So erhält man für η = 1,1 = 0 und m = 0 das stabilste Orbital des Wasserstoffatoms. Im Unterschied zu den Bohrschen Elektronenbahnen kann die Lage der Elektronen im Schrödingerschen Orbital nicht genau angegeben werden, sondern nur deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit. So stellt man sich s-Orbitale (mit 1 = 0) als kugelsymmetrische Elektronenwolken vor, die 90 bis 95% der gesamten Ladung einschließen (Abb. 6 a). Die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron zu finden, nimmt mit zunehmendem Abstand vom Kern ab. Auch ζ. B. p-Orbitale (für 1 = 1) weisen Symmetriefiguren auf, die sich mit den 2-dimensionalen Chladnischen Figuren vergleichen lassen (Abb. 6 b). Diese anschauli-
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
412
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
chen Symmetriemodelle geben jedoch nur zu einem Bruchteil die mathematisch-physikalischen Symmetriestrukturen wieder, die der Quantenmechanik zugrundeliegen. 4.22 Symmetrie von Quantensystemen Bevor wir die Symmetrien der Quantenmechanik systematisch behandeln, sollen einige Grundbegriffe, Regeln und Postulate der frühen Quantenmechanik zusammengestellt werden. Diese Einführung ist zunächst heuristisch und bedient sich — wie in der Frühphase der Quantenmechanik — der Analogiebildung mit Begriffen der klassischen Mechanik („Korrespondenzprinzip"). 38 Im Rahmen des Hilbertraumformalismus kann dann der Zusammenhang der klassischen Mechanik mit der Quantenmechanik in der Darstellungstheorie der gemeinsamen raum-zeitlichen Galilei-Gruppe präzisiert werden. In der Newtonschen Mechanik beschreibt man einen Massepunkt durch die Angabe seines Ortes und seiner Geschwindigkeit im 3dimensionalen physikalischen Anschauungsraum. Für die Formulierung der Quantenmechanik muß man auf die Hamiltonsche Version der klassischen Mechanik übergehen, die Teilchen mit den Größen Ort und Impuls beschreibt. Allerdings können „Ort" und „Impuls" z. B. eines Elektrons im Bohrschen Planetenmodell nicht mehr wie in der klassischen Hamiltonschen Mechanik durch Zahlen q l s q2, q 3 für die drei Ortskoordinaten und p,, p2, p3 fur die drei Impulskoordinaten bestimmt werden, sondern durch Operatoren q l5 q 2 , q 3 und pi,p 2 , p3 mit nicht-kommutativen Vertauschungsregeln (1)
4νΡμ - M v = ifi 3 νμ mit ν, μ = 1, 2, 3,
die als Heisenbergsche Vertauschungsrelationen bekannt wurden. Wäre die Plancksche Konstante h Null, so wären „Ort" und „Impuls" vertauschbare mathematische Größen wie in der klassischen Mechanik, d. h. es spielte physikalisch keine Rolle, in welcher Reihenfolge sie gemessen werden. Das war historisch der Kern des Bohrschen Korrespondenzprinzips, das nämlich für h —• 0 die Quantenmechanik „irgendwie" in die klassische Hamiltonsche Mechanik übergeht. Umgekehrt läßt sich das Korrespondenzprinzip als eine heuristische Vorschrift auffassen, um ausgehend vom klassischen Fall eine entsprechende quantenmechanische Formulierung zu finden. Für ein physikalisches System ermittele 38
Vgl. auch W. Heisenberg, Physikalische Prinzipien der Quantentheorie, Mannheim 1958, 78 ff.; ebenso N. Bohr, Z. f. Phys. 13 1923, 117.
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
413
man dazu zunächst die klassische Hamilton-Funktion Η (ρ, q). Die Orts- und Impulsvektoren q = (q 1; q 2 , q3) bzw. ρ = (pi, p2, P3) werden dann analog durch entsprechende Orts-Vektoroperatoren q = (q,, q 2 , q3) und Impuls-Vektoroperatoren ρ = (pi, p2, P3) ersetzt, die die Heisenbergschen Vertauschungsrelationen erfüllen. Die HamiltonFunktion wird dann analog durch den Hamilton-Operator Η = Η (ρ, q) ersetzt. Nach dem Korrespondenzprinzip entspricht allgemein einer physikalischen Größe G (ß, q) im klassischen Phasenraum ein Operator ö = G (p, q) der Quantenphysik. Die umgekehrte Forderung trifft jedoch nicht zu. So ist etwa der Spin eines quantenmechanischen Systems eine Form des Drehimpulses, für den es in der klassischen Mechanik der Massepunkte kein Analogon gibt. Man kann zwar für den klassischen Drehimpuls 1 = ! und φ 2 für Photon 2. Der Gesamtzustand φ der auseinanderfliegenden Systeme 1 und 2 ist durch Gleichung (4) gegeben. Eine einfache Rechnung zeigt nun, daß der Gesamtzustand φ nicht auf zwei Einzelzustände φι und φ 2 der Teilsysteme Ji^ und reduziert werden kann, d. h. es gibt kein φ! aus und φ 2 aus ffii mit (5)
φ = φ! (g) φ2.
Man sagt auch, der Zustand φ ist nicht faktorisierbar. Es folgt, daß die Observablen Ä und Β der Teilsysteme 1 und 2 im Gesamtzustand φ nur Potentialitäten sind, die allerdings in folgender Weise verbunden sind: Ä und Β können mit den Werten a, und bj oder a 2 und b 2 aktualisiert sein, wobei die Wahrscheinlichkeit von 1 jedem dieser verbundenen Ergebnisse — ist. Sie können aber weder mit Werten aj und b2 noch mit a 2 und bi aktualisiert sein. Philosophisch prägnant läßt sich (5) auch so ausdrücken: Das Ganze ist nicht einfach die Summe seiner Teile.54 Wir stoßen damit auf eine 54
Historisch kommt dieser Grundsatz schon in der taoistischen Naturphilosophie zum Ausdruck, wonach die beiden Grundkräfte Yang und Yin keine getrennten Teile sind, sondern ineinander übergehen. Diese Vorstellung steht im Gegensatz zum Demokritschen Atomismus, der die Vielfalt der Erscheinungen aus der Summe atomarer Aggregate ableitet. In der modernen Naturphilosophie hat D. Böhm von der unteilbaren Ganzheit korrelierter Quantensysteme gesprochen, die durch die EPR-Experimente gestützt wird. Vgl. besonders D. Böhm, Wholeness and the Implicate Order, London 1980, chap. 1.
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
429
Dialektik von Ganzem und Teil in der Quantenwelt, die von der klassischen Physik verschieden ist. Quantensysteme, die einmal in Wechselwirkung standen, bleiben für alle Zukunft korreliert, selbst wenn sie wie im Fall der auseinanderfliegenden Photonenpaare räumlich getrennt und ohne physikalische Wechselwirkung sind. E. Schrödinger nannte wechselwirkungsfreie Systeme in Korrelationszuständen „verschränkt".55 Dieser Holismus verschränkter Quantensysteme ist die Folge des Superpositionsprinzips, das in der von Neumannschen Quantenmechanik als universell gültig angenommen wird. Im Jahr 1935 hat Schrödinger die naturphilosophischen Konsequenzen des Superpositionsprinzips durch ein grotesk anmutendes Gedankenexperiment (Abb. 3) dramatisiert. Eine Katze (System 1) wird in eine Stahlkammer gesperrt, in der sich ein Radiumpräparat (System 2) befindet, das mit einer Wahrscheinlichkeit 1 : 2 zerfallt. Ein Geigerzähler, der diesen Zerfall registriert, löst einen Hammermechanismus aus, der eine Blausäureflasche zertrümmert. Der Zerfall des Radiumpräparats verursacht also den Tod der Katze. Überläßt man die beiden Systeme 1 und 2 sich selber, so würde man vom klassischen Standpunkt aus nach Ablauf eines bestimmten Zeitintervalls erwarten, daß die Katze entweder tot oder lebendig ist. Quantenmechanisch würde aber die φ-Funktion des Gesamtsystems 1 + 2 „zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert ist." Erst ein Öffnen der Stahlkammer, also eine konkrete Beobachtung würde die Superposition der Zustände „tot" 55
E. Schrödinger, Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik, in: Naturwissenschaften 23 1935, 8 0 7 - 8 1 2 , 8 2 3 - 8 2 8 , 8 4 4 - 8 4 9 .
430
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
und „lebendig" „kollabieren" lassen bzw. — mathematisch gesprochen — die Interferenzterme der Superposition eliminieren.56 Es ist klar, daß diese neue Naturphilosophie der Quantenmechanik, die von indefiniten Eigenschaften, Potentialitäten und verschränkten Systemen ausgeht, historisch nicht sofort akzeptiert wurde. Sie widersprach doch in eklatanter Weise klassischen naturphilosophischen Vorstellungen.57 Für den Laplaceschen Weltgeist der klassischen Mechanik sind alle Zustände des Universums prinzipiell eindeutig vorbestimmt. Ferner lassen sich Systeme in Untersysteme zerlegen, die wenigstens prinzipiell genau bestimmbar und voneinander unabhängig sind. Das Baukastenprinzip des klassischen Atomismus, wonach Materie aus voneinander unabhängigen Teilchen zusammengesetzt wird, ist aber in der Quantenwelt verschränkter Systeme nicht länger haltbar. A. Einstein 58 kritisierte daher die indefiniten Eigenschaften der Quantenmechanik als Zeichen der Unvollständigkeit dieser Theorie: „Gott würfelt nicht." Die Interpretation, daß Eigenschaften eines Systems wie in Schrödingers Katzenexperiment erst durch Beobachtung „geschaffen" werden und nicht unabhängig vom Beobachter realisiert sind, widersprach nämlich dem realistischen Standpunkt. Seinen Realismus kombinierte Einstein mit dem schon erwähnten Baukastenprinzip, wonach es immer möglich ist, zwei Objekte oder Systeme derart zu trennen, daß eine Messung des einen Systems eine Messung des anderen Systems nicht beeinflußt („Separabilität der Teilsysteme"). Mit den beiden Hypothesen des Realismus und der Separabilität arbeiten wir auch im Alltag, in dem sie uns wohl vertraut sind. Wir nehmen an, daß die Sonne auch dann existiert und ziemlich heiß ist, wenn wir sie (z. B. nachts) nicht wahrnehmen. In der Psychologie beispielsweise wird beim Test zweier Personen angenommen, daß sie derart isoliert werden können, um eine gegenseitige Beeinflußung beim Test auszuschließen. 56
57
58
Schrödingers Katze kann heute nur noch als historisches Gedankenexperiment bewertet werden, um die Anschauungs- und Interpretationsprobleme der Quantenmechanik um 1935 zu dokumentieren. Ein makroskopisches System wie eine Katze kann physikalisch nicht als isoliertes System mit ca. 1026 mechanischen Freiheitsgraden und einer Hamiltonschen Dynamik beschrieben werden, da dann die Wechselwirkungen mit dem elektromagnetischen Strahlungsfeld und der übrigen Umwelt unberücksichtigt bleiben. Die unterschiedlichen naturphilosophischen Positionen beschreibt A. Shimony, Reflections on the Philosophy of Bohr, Heisenberg, and Schrödinger, in: R. S. Cohen/ L. Laudan (Hrsg.), Physics, Philosophy, and Psychoanalysis, Dordrecht/Boston 1983, 2 0 9 - 2 2 1 . A. Einstein/B. Podolsky/N. Rosen, Can Quantum-Mechanical Description of Physical Reality be considered complete?, in: Phys. Rev. 47 1935, 777 — 780.
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
431
Eine strengere Form der Separabilitätsbedingung ist heute als Einsteins Lokalitätsbedingung bekannt. Danach wird eine Beeinflußung nur geleugnet, wenn die beiden Messungen in so naher Gleichzeitigkeit stattfinden, daß die Beeinflußung schneller als Licht wirken müßte. Zusammen mit der Realismusannahme liefert die Lokalitätsbedingung die Grundlage der sogenannten lokal-realistischen Theorien.59 Sie sollten alternativ zum Formalismus der Quantenmechanik bestimmte Experimente erklären, ohne auf die Annahme indefiniter Eigenschaften und verschränkter Systeme zurückgreifen zu müssen. Entscheidend ist dabei, daß Quantenmechanik und lokal-realistische Theorien für die betrachteten Experimente mit Elementarteilchen unterschiedliche Voraussagen machen. Damit schält sich eine naturphilosophische Alternative heraus, die experimentell zu überprüfen war: Entweder ist die Quantenwelt durch indefinite Eigenschaften (Potentialitäten) und holistische Verschränkungen ihrer Teilsysteme bestimmt oder sie kann durch lokal-realistische Theorien beschrieben werden und unterscheidet sich damit nicht prinzipiell von der klassischen Physik. 1935 wurde diese Alternative in einem berühmten Gedankenexperiment von Einstein, Podolsky und Rosen ( = EPR) aufgezeigt. Wir erläutern das historische EPR-Argument an einem Vorgang von der Art des Partikelexperiments in Abbildung 2. Ein Physiker schieße subatomare Partikel (z. B. Protonen) auf einen Detektor, der nur zwei Anzeigen „ + " und „ — " kennt. Für einige Protonen zeigt der Detektor „ + ", für andere „ — " an. Aber der Physiker kann nicht feststellen, ob das Instrument reale Eigenschaften der Protonen oder bloß Zufallsschwankungen registriert. Er stellt dann zwei gleiche Detektoren mit einer Protonenquelle auf, die jeweils zwei Protonen gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung abfeuert. Der Physiker beobachte eine strikt negative Korrelation: Immer wenn das eine Instrument „ + " zeigt, liefert das andere „ —". Aus der Basis dieser Korrelation schließt er, daß eine reale Eigenschaft der Protonen für die Anzeigen verantwortlich ist, daß ihre Werte bestimmt sind, bevor die Protonen die Quelle verlassen. Diese Schlüsse sind vernünftig, wenn folgende Prämissen vorausgesetzt werden: 1. Wenigstens einige Eigenschaften der Welt haben eine Existenz unabhängig vom menschlichen Beobachter („Realismus"). 2. Es ist möglich, zwei Meßinstrumente derart zu separieren, daß eine Messung mit dem einen Instrument eine Messung mit dem 59
Für diese Bezeichnung vgl. auch J. F. Clauser/M. A. Hörne, Experimental Consequences of Objective Local Theories, in: Phys. Rev. D10 1974, 526—535; J. F. Clauser/A. Shimony, s. Anm. 53.
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4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
anderen Instrument nicht beeinflußt. Andernfalls müßte die Beeinflußung schneller als Licht wirken {„Lokalität"). 3. Eine allgemeine Hypothese kann auf der Grundlage einer einzelnen endlichen Stichprobe angenommen werden {„Induktion").60 Unter diesen Voraussetzungen läßt sich mit den Mitteln der Wahrscheinlichkeitstheorie eine bestimmte Ungleichung {„Bell's Ungleichung") ableiten, die den Voraussagen der Quantenmechanik widerspricht. Wenn die Quantenmechanik als empirisch ausgezeichnet bestätigte Theorie akzeptiert wird, bleibt logisch nur die Möglichkeit, daß eine der drei Prämissen der lokal-realistischen Theorie falsch ist. Philosophisch haben die Prämissen offenbar einen verschiedenen Status, so daß man sich genau überlegen muß, welche Prämissen man eher bereit ist aufzugeben oder nicht. „Induktion" ist ein allgemeines methodologisches Verfahren, das auch in den Sozialwissenschaften Anwendung findet. „Realismus" ist eine allgemeine erkenntnistheoretische, ja metaphysische Position. „Lokalität" ist demgegenüber eine physikalische Forderung im engeren Sinne aus Einsteins spezieller Relativitätstheorie. Diese letzte Bedingung wurde neuerdings scharfen Testverfahren unterworfen (A. Aspect 1982). Frühere Experimente hatten nur eine weniger restriktive Separabilitätsbedingung getestet. Die Stellung der Analysatoren, die vor den Detektoren standen, waren im voraus bestimmt, so daß eine Beeinflußung mit der 1. Messung auf die 2. Messung durch einen unbekannten Mechanismus mit einer kleineren Übertragungsgeschwindigkeit als der Lichtgeschwindigkeit c möglich war. Diese Möglichkeit wurde in Aspects Photonenexperimenten durch einen schnellen Wechsel der Analysatorenstellungen ausgeschlossen. Einen versteckten Mechanismus, der die Korrelationen verschränkter Systeme determiniert, kann es demnach nicht geben.61 Mit Blick auf das historische Gedankenexperiment von Einstein, Rosen und Podolsky nennt man Korrelationen in verschränkten Systemen, die nicht durch direkte physikalische Wechselwirkungen bestimmt sind, EPR-Korrelationen. Aspects Experimente sind eine ausgezeichnete Bestätigung für die Existenz von EPR-Korrelationen und 60
61
Dazu auch B. d'Espagnat, Quantentheorie und Realität, in: Spektrum der Wissenschaft, Heft 1, 1980, 6 9 - 8 1 . A. Aspect, Experiences basees sur les inegalites de Bell, in: J. Physique 42 1981, C2 — 63 ... C2 —80; ders./P. Grangier/G. Roger, Experimental Realization of Einstein-Podolsky-Rosen-Bohm Gedankenexperiment: A New Violation of Bell's Inequalities, in: Phys. Rev. Lett. 49 1982, 9 1 - 9 4 ; ders./J. Dalibard/G. Roger, Experimental Test of Bell's Inequalities using Time — Varying Analyzers, in: Phys. Rev. Lett. 49 1982, 1 8 0 4 - 1 8 0 7 .
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
433
damit für den Holismus verschränkter Quantensysteme. Die alternative Möglichkeit versteckter Größen {„hidden variables"), die unbeobachtet die Quantenwelt im Sinne des klassischen Determinismus bestimmen, ist damit ausgeschlossen.62 Indefinite Eigenschaften, Potentialitäten und verschränkte Systeme erweisen sich damit als Strukturen der Quantenwelt, die durch die Quantenmechanik festgelegt sind. Sie lassen sich keineswegs als bloß epistemische Eigenschaften verstehen, die bei Verbesserung experimenteller Verfahren aufgehoben werden könnten. Eine Einschätzung wie in der klassischen statistischen Mechanik, die von einer Determinierung der unübersehbar vielen Moleküle z. B. eines Gases wenigstens prinzipiell ausgeht, ist also in der Quantenmechanik nicht möglich. Philosophisch ist damit die klassische Kategorie der Kausalität in Frage gestellt. Dazu sei die Schrödinger-Gleichung als quantenmechanisches Schema dynamischer Entwicklung näher untersucht. Es ist zwar richtig, daß die Schrödinger-Gleichung (vgl. (3), (4) in 4.22) eindeutige Lösungen, also eindeutige Zustände eines Systems bestimmt. Insbesondere sind die Gesamtzustände eines verschränkten Systems eindeutig bestimmt. Die Teilzustände seiner Teilsysteme sind aber aus den genannten Gründen nicht separierbar und determinierbar. Observablen der Teilsysteme bleiben im allgemeinen Potentialitäten, die prinzipiell indefinite Eigenschaften von Quantensystemen repräsentieren. Neben der Kausalität ist die klassische Kategorie der Substanz betroffen. Wegen der Existenz der EPR-Korrelationen können Systeme trotz räumlicher und dynamischer Trennung miteinander korreliert („verschränkt") sein. Wenn man davon ausgeht, daß alle Quantensysteme einmal in einer gewissen Wechselwirkung gestanden haben, dann folgt, daß alle Quantensysteme miteinander EPR-korreliert sind. Die Quantenwelt, die durch die Quantenmechanik beschrieben wird, stellt damit ein unteilbares Ganzes dar. Alles ist mit allem verbunden. Es verwundert daher nicht, daß einige Autoren die Nähe dieser Physik 62
Vgl. auch A. Shimony, Contextual Hidden Variables Theories and Bell's Inequalities, in: Br. J. f. Philosophy of Science 35 1984, 2 5 - 4 5 ; S. Kochen/E. P. Specker, The Problem of Hidden Variables in Quantum Mechanics, in: Journal of Mathematics and Mechanics 17 1967, 5 9 - 8 8 ; P. Heywood/M. Redhead, Nonlocality and the Kochen-Specker Paradox, in: Foundations of Physics 13 1983, 481 —499; D. Böhm, A suggested Interpretation of the Quantum Theory in Terms of „Hidden" Variables, in: Phys. Rev. 85 1952, 166-179; J. S. Bell, On the Problem of Hidden Variables in Quantum Mechanics, in: Rev. Mod. Phys. 38 1966, 447 — 452. Einen ersten Überblick liefert auch F. Selleri, Die Debatte um die Quantentheorie, Braunschweig/Wiesbaden 1984.
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4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
zu fernöstlichen Naturphilosophien betont haben, widerspricht sie doch in auffälliger Weise der abendländischen Substanzvorstellung in atomistischer Tradition. Es sei jedoch daran erinnert, daß sich auch in der Stoa Ansätze zu einer universellen Verbundenheit der Materie finden.63 Der Holismus der Quantenwelt ist letztlich durch die Annahme einer unbeschränkten Gültigkeit des Superpositionsprinzips begründet. Die folgenden Überlegungen zeigen, daß dieser Annahme eine universelle Symmetriestruktur der Quantenwelt zugrundeliegt. Das Superpositionsprinzip setzt nämlich voraus, daß jeder Zustandsvektor aus dem Hilbertraum eines Quantensystems einen reinen Zustand, also eine maximale Spezifikation des Systems beschreibt. Mathematisch sind die reinen Zustände \|/ des Hilbertraums J f in umkehrbar eindeutiger Zuordnung mit den 1-dimensionalen Unterräumen („Strahlen") ψ von Die Menge aller Strahlen \|/ von bildet selber einen („projektiven") Hilbertraum J f . Die Automorphismengruppe AUT ( J f ) bestimmt genau die Selbstabbildungen von , bei denen die mathematische Struktur von J f unverändert bleibt. Daher können wir sagen, daß AUT (J^) die Symmetriestruktur der reinen Zustände des Quantensystems präzisiert. Nach einem berühmten Theorem von Ε. P. Wigner (1931) kann die Automorphismengruppe AUT ( J f ) durch die Gruppe der unitären Operatoren dargestellt werden, die auf dem Hilbertraum J f operieren. 64 Beispiele sind die unitären Operatoren, mit denen in Abschnitt 4.22 die Galilei-Transformationen der quantenmechanischen Raum-Zeit dargestellt wurden. Sie repräsentieren die kinematische Gruppe der Raum-Zeit, die eine Untergruppe der allgemeinen unitären Symmetriegruppe der Theorie ist. Historisch wurde das Ergebnis, daß Symmetrien der Quantenmechanik durch („projektive") unitäre Darstellungen beschrieben werden, bereits 1927 von H. Weyl in seinem Buch „Gruppentheorie und Quantenmechanik" herausgestellt. Dort heißt es: „In der Quantentheorie finden die Darstellungen im Systemraum statt, dieser ist aber nicht als 63
64
Ein Vergleich traditionell philosophischer Substanzbegriffe mit dem Begriff eines Quantensystems findet sich in K. Mainzer, Metaphysics of Nature and Mathematics in the Philosophy of Leibniz, in: N. Rescher (Hrsg.), Science and Metaphysics in the Philosophy of Leibniz, Pittsburgh 1988. Vgl. auch Kap. 5.21. Ε. P. Wigner, s. Anm. 44. Für einen Beweis vgl. auch V. Bargmann, s. Anm. 49; ders., Note on Wigner's Theorem on Symmetry Operations, in: J. Math. Phys. 5 1964, 8 6 2 - 8 6 8 .
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4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
Vektor-, sondern als Strahlenkörper zu verstehen, weil der einzelne reine Fall nicht durch den Vektor, sondern durch den Strahl repräsentiert ist." 65 4.24 Symmetrie und Superauswahlregeln Die traditionelle Quantenmechanik mit unbeschränkter Geltung des Superpositionsprinzips beschreibt die Quantenwelt als eine unteilbare Ganzheit, in der einzelne Quantensysteme miteinander verschränkt sind. Ihre potentiellen Eigenschaften können im allgemeinen nicht gleichzeitig aktualisiert werden. Sie werden daher durch Observablen beschrieben, bei denen die Reihenfolge der Messung nicht beliebig bzw. kommutativ ist. Mathematisch gesprochen bilden die Observablen eine nicht-kommutative Algebra. Demgegenüber ist die Observablenalgebra einer klassischen Theorie kommutativ. Ihre Observablen sind alle paarweise vertauschbar und besitzen in jedem Zustand einen scharfen Wert. Eine Theorie, die eine unbeschränkte Gültigkeit des Superpositionsprinzips fordert, schließt klassische Observablen aus. 66 Das läßt sich mathematisch auch so ausdrücken: Das Zentrum Ζ (si) einer Algebra s4 ist definiert als die Menge derjenigen Elemente von «s/, die mit allen Elementen von s i vertauschen: (1)
Z{sf)
= {Z| für jedes Ä e si gilt ZÄ =
Al}.
Das Zentrum einer Algebra ist also selber eine Algebra mit kommutativer Multiplikation. Es enthält die klassischen Observablen der Theorie. Im Fall der klassischen Physik ist daher die kommutative Observablenalgebra mit ihrem Zentrum identisch, d. h. Ζ = . Im Fall der Quantenmechanik mit Superpositionsprinzip besitzt die nicht-kommutative Observablenalgebra ein triviales Zentrum, das nur Vielfache des Einheitsoperators enthält. In den Naturwissenschaften werden aber sowohl klassische als auch nicht-klassische Eigenschaften untersucht. Während für den Quantenphysiker Ort und Impuls eines Elektrons inkompatible Eigenschaften sind, mißt der Chemiker die Masse eines Moleküls oder die Temperatur eines makroskopischen Stoffsystems als klassische Größe. Zudem können Wechselwirkungen von klassischen und nicht-klassischen Systemen wie ζ. B. quantenmechanische Messungen (als Wechselwirkung des 65 66
H. Weyl, s. Anm. 42, 147. Für einen historischen Überblick über die logisch-algebraische Charakterisierung der Quantenmechanik vgl. C. A. Hooker, The Logico-Algebraic Approach to Quantum Mechanics, Vol. I: Historical Evolution, Dordrecht 1974.
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4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
klassischen makroskopischen Meßgeräts mit einem Quantensystem) durch die traditionelle Quantenmechanik nicht erfaßt werden. Philosophisch läge damit auch keine Grundlage vor, um den quantenmechanischen Erkenntnisprozeß als eine Wechselwirkung von (klassischem) Erkenntnissubjekt und Quantensystem zu untersuchen. Wenn die Quantenmechanik die allgemeine Grundlagentheorie der Materie sein soll, dann muß also das Superpositionsprinzip eingeschränkt werden und klassische und nicht-klassische Observablen nebeneinander zugelassen werden. Mathematisch gesprochen muß dazu eine Observablenalgebra mit nicht-trivialem Zentrum vorgesehen werden. In der verallgemeinerten algebraischen Quantenmechanik ist diese Forderung auch im Unterschied zur traditionellen von Neumannschen Quantenmechanik erfüllt. 67 Nach dem Superpositionsprinzip ist jede Linearkombination zweier Zustandsvektoren ψ und φ wieder ein reiner Zustand (vgl. (1) in 4.23). Bei der Berechnung der Erwartungswerte einer entsprechenden Observablen Ä ist das Auftreten von Null verschiedener Interferenzterme (ψ, Αφ) und (φ, Ä\|/) kennzeichnend (vgl. (2) in 4.23). Eine Einschränkung des Superpositionsprinzips liegt offenbar dann vor, wenn die Interferenzterme von ψ und φ für alle Observablen Ä verschwinden, d.h. (2)
(ψ,
Αφ) = (φ, Αψ) = 0.
Man sagt dann, es liegt eine Superauswahlregel zwischen ψ und φ vor. Historisch kommt diese Redeweise aus der Spektroskopie. Verschwindet dort der Ausdruck (ψ, Αφ) für einen Operator Ä, so spricht man von einer Auswahlregel zwischen den Zuständen ψ und φ und meint damit, daß (in erster Annäherung) der Störoperator Α das System nicht aus dem Zustand ψ in den Zustand φ überführen kann. 67
Als Einführung in die moderne algebraische Formulierung der verallgemeinernden Quantenmechanik vgl. auch H. Primas, Chemistry, Quantum Mechanics and Reductionism. Perspectives in Theoretical Chemistry, Berlin/Heidelberg/New York 1983, chap. 4; G. G. Emch, Mathematical and Conceptual Foundations of 20thcentury Physics, Dordrecht 1984. Primas unterscheidet neben der algebraischen Quantenmechanik noch die Quantenlogik und den .convex state approach'. Als Einführung in die mathematischen Methoden des .algebraic approach' vgl. J. Diximier, Les C*-algebres et leurs representations, Paris, engl. Amsterdam 1977. Einen Überblick zur Quantenlogik liefert B. C. van Fraasen, The Labyrinth of Quantum Logic, in: R. S. Cohen/M. W.Wartofsky (Hrsg.), Logical and Epistemical Studies in Contemporary Physics, Dordrecht 1974, 224 — 254. Als Einführung in die Quantenlogik vgl. auch P. Mittelstaedt, Quantum Logic, Dordrecht/Boston/London 1978. Die logisch-axiomatischen Grundlagen untersucht E. Scheibe, The Logical Analysis of Quantum Mechanics, Oxford etc. 1973.
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
437
Bei einer Superauswahlregel ist diese Forderung für alle Observablen Ä erfüllt. Die Menge aller Vektoren aus einem Hilbertraum die durch eine Superauswahlregel von einem Vektor ψ aus J f getrennt sind, bildet einen Unter-Hilbertraum von .W. Ebenso ist die Menge aller Vektoren, die mit ψ Superpositionen bilden, ein Unter-Hilbertraum von J ^ der Sektor genannt wird. Die Gültigkeit des Superpositionsprinzips ist also auf die Sektoren eines Hilbertraumes eingeschränkt. In Systemen ohne Superauswahlregeln ist der gesamte Hilbertraum ein Sektor. Dann gilt das Superpositionsprinzip uneingeschränkt. In Systemen mit Superauswahlregeln gilt das Superpositionsprinzip nicht mehr allgemein. Es läßt sich nun allgemein beweisen, daß die Existenz von Superauswahlregeln äquivalent ist mit der Existenz klassischer Observablen, d.h. der Existenz eines nicht-trivialen Zentrums der Observablenalgebra. 68 In diesem Fall ist die holistische Symmetrie der Quantenwelt gewissermaßen in Sektoren aufgebrochen. Die EPR-Korrelationen bestehen nicht mehr universell in der Quantenwelt, sondern sind auf die verschränkten Systeme in diesen Sektoren reduziert. 69 Als Beispiel betrachte man wie in Abschnitt 4.22 ein 2-Teilchensystem unter der speziellen Annahme der experimentellen UnUnterscheidbarkeit beider Teilchen. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Symmetrieannahme, nämlich die Invarianz des Hamilton-Operators des Systems gegenüber der Permutationsgruppe mit dem geraden Permutationsoperator σ 12 (Identität) und dem ungeraden Permutationsoperator σ 2 \. Damit läßt sich mathematisch ein Projektionsoperator definieren, der den Hilbertraum der 2-Teilchen Zustandsfunktionen in genau 2 Sektoren mit jeweils den Bosonen („symmetrische") bzw. Fermionen („antisymmetrische") Zustandsfunktionen einteilt. Zwischen Bosonen- und Fermionen-Zustandsfunktionen gibt es eine Superauswahlregel im Sinne von (2). Es wäre wenigstens denkbar, daß zwei identische Teilchen in einem Bosonen- und einem Fermionenzustand existieren, d.h. in einem + 1und einem — 1-Eigenzustand des Permutationsoperators σ 21 analog 1 1 1 wie ein Spin-—Teilchen sich im + — - und — — -Eigenzustand des Spinoperators befinden kann. Im Unterschied zum Spinbeispiel sind die Linearkombinationen der Bosonen- und Fermionen-Zustandsvektoren, aber keine Superpositionen bzw. reine Zustände. Das würde 68 69
Für einen Beweis vgl. H. Primas/U. Müller-Herold, s. Anm. 48, 128 ff. Vgl. auch A. Amann, Broken Symmetries and the Generation of Classical Observables in Large Systems, in: Helv. Phys. Acta 1987.
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4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
nämlich im Widerspruch zur Permutationssymmetrie stehen, also zur speziellen Annahme der experimentellen Ununterscheidbarkeit beider Teilchen. Kurz: Zwei als identisch angenommene Teilchen sind entweder Bosonen oder Fermionen. Als weiteres Beispiel betrachten wir die Masse, die unter Voraussetzung der galileischen Raum-Zeit-Struktur der Quantenwelt eine klassische Observable ist, bei einer lorentz-invarianten Theorie jedoch nicht. Die entsprechende Superauswahlregel wird also in diesem Fall wieder durch eine zusätzliche spezielle Symmetrieannahme in die Quantenwelt eingeführt, hier durch die Annahme der Galilei-Invarianz. Der Beweis ergibt sich sofort aus der Darstellungstheorie der Galilei-Gruppe.70 In Abschnitt 4.22 (20) wurde bereits^ gezeigt, daß sich bei der physikalischen Einheitstransformation Τ (0,1, 0, 0) der Galilei-Gruppe zwei Zustände nur um einen Phasenfaktor unterscheiden. Daher liefern beide Zustandsfunktionen gleiche Erwartungswerte für alle Observablen, so daß also die Einheitstransformation den physikalischen Zustand eines Systems nicht ändert. Wir betrachten nun zwei Teilchen mit Massen m, und m 2 und Zustandsfunktionen ψ] und \J/2. Eine Linearkombination ψ = ψ, + \|/2 wird durch die Einheitstransformation zu (3)
ψ' = e~ im,ä ? ψ, + e - i m 2 ä v \|/2
transformiert. Sind die Parameter ν und a von Ö verschieden, so unterscheiden sich die Zustände ψ und ψ' nur um einen Phasenfaktor, falls die Massen m t und m 2 identisch sind. Im anderen Fall kann man eine Superauswahlregel für Zustände verschiedener Massep ableiten. Da die Einheitstransformation für alle Werte von a und ν den physikalischen Zustand eines Systems nicht verändert, müssen die Interferenzterme zwischen ψ, und ψ 2 verschwinden. Die Masse ist daher eine klassische Observable in der galilei-inVarianten Quantenmechanik. Historisch wurde die Existenz von Superauswahlregeln erst ziemlich spät, nämlich 1952 in einer Arbeit von Wiek, Wightman und Wigner erkannt. 71 Bis heute ist jedoch noch nicht die Frage endgültig geklärt, ob es überhaupt universell gültige Superauswahlregeln gibt oder ob vielmehr Superauswahlregeln nur unter zusätzlichen speziellen Betrachtungsweisen und Annahmen in der holistischen Symmetrie der Quantenwelt auftreten. So wird die Masse erst dann eine klassische Observable, wenn die Lichtgeschwindigkeit in einem Grenzprozeß c —• oo 70 71
Vgl. V. Bargmann, s. Anm. 49. G. C. Wick/A. S. Wightman/E. P. Wigner, The Intrinsic Parity of Elementary Particles, in: Phys. Rev. 88 1952, 1 0 1 - 1 0 5 .
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
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als beliebig groß angenommen wird, d. h. wenn von der Lorentz-Gruppe zur Galilei-Gruppe der Raum-Zeit übergegangen wird. Die GalileiRaum-Zeit ist aber hier eine approximative Betrachtungsweise der Quantenwelt, die sich z. B. für den Chemiker als ausreichend erweisen mag. Temperatur und chemisches Potential werden dann zu klassischen Observablen, wenn zu thermodynamischen Systemen mit unendlich vielen Freiheitsgraden übergegangen wird. 72 Unter diesen zusätzlichen Annahmen, die aus verschiedenen Gründen für eine wissenschaftliche Untersuchung sinnvoll sein mögen, wird also von den ursprünglich bestehenden EPR-Korrelationen eines Systems mit der holistischen Quantenwelt abstrahiert. Das jeweilige Teilsystem wird gewissermaßen unter bestimmten Erkenntnisinteressen in der Quanten weit isoliert. Untersucht der Chemiker die Masse eines Moleküls unter der Annahme galilei-invarianter Raum-Zeit, so abstrahiert er von den faktisch bestehenden EPR-Korrelationen zwischen Elektronen und Positronen. Teilsystem und Rest der Quantenwelt sind ursprünglich ein verschränktes Gesamtsystem, von dessen EPR-Korrelationen abstrahiert wird. Das bedeutet jedoch nicht, daß auch von physikalischen Wechselwirkungen zwischen Objekt und seiner Umgebung abgesehen wird. So unterdrückt der Chemiker bei der Untersuchung eines Moleküls in einem elektromagnetischen Strahlungsfeld nur die EPR-Korrelationen zwischen Objekt (Molekül) und Umgebung (Feld), aber keineswegs die elektromagnetischen Wechselwirkungen zwischen beiden. 73 Zusammenfassend bietet also die verallgemeinerte algebraische Quantenmechanik einen Theorierahmen, in dem sich klassische und nichtklassische Theorien konsistent untersuchen lassen. So ist die traditionelle Thermodynamik eine klassische Theorie. Temperatur und chemisches Potential beziehen sich nämlich auf makroskopische Systeme mit sehr vielen Freiheitsgraden und sind klassische Makroobservablen, die definite (dispersionsfreie) Werte liefern. Mathematisch ergeben sich 72
73
In der galilei-invarianten Quantenmechanik ist neben der Masse (s. Anm. 70) auch die Zeit eine klassische Observable. Vgl. dazu A. Amann, Observables in W*Algebraic Quantum Mechanics, in: Fortschritte der Physik 34 1986, 167 — 215. In der molekularen Quantenmechanik ist die Chiralität eine klassische Observable. Dazu auch H. Pfeifer, Chiral Molecules — a Superselection Rule induced by the Radiation Field. Thesis ΕΤΗ Zürich No. 6551; ok Gotthard S + D AG Zürich 1980. In der quantenstatistischen Beschreibung thermischer Systeme sind die Temperatur und das chemische Potential klassische Potentiale. Dazu U. Müller-Herold, Chemisches Potential, Reaktionssysteme und algebraische Quantenchemie, in: Fortschritte der Physik 30 1982, 1 - 7 3 . Vgl. dazu Abb. 5 in Abschn. 4.41.
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4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
makroskopische Systeme, indem durch einen idealisierenden Grenzprozeß Systeme mit unendlich vielen Freiheitsgraden eingeführt werden. Dieser thermodynamische Grenzwert ergibt sich, wenn die Zahl η der Teilchen eines Systems und sein Volumen V beliebig groß werden (n —> oo und V —> oo), wobei die Dichte n/V endlich bleibt. Diese Idealisierung ermöglicht ein mathematisches Verfahren, um die ungeheure Komplexität solcher Systeme rechnerisch in den Griff zu bekommen. Ein Beispiel sind die bereits erwähnten freien Moleküle, die unvermeidlich mit der übrigen Welt durch ein elektromagnetisches Strahlungsfeld wechselwirken. Mathematisch kann dieses Strahlungsfeld mit seinen unübersichtlich vielen Photonen versteckter Freiheitsgrade im Modell eines unendlichen Quantenfeldes berücksichtigt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Symmetrie weisen unendliche thermodynamische Systeme neue Eigenschaften auf, die sie von endlichen Systemen unterscheiden. Wird nämlich die Gesamtenergie Ε und die Gesamtanzahl η der Teilchen unendlich, so gehören zu dem entsprechenden Hamilton- und Anzahloperator keine tatsächlich meßbaren Observablen mehr. Ein unendliches thermodynamisches System ist daher — im Unterschied zu einem endlichen System — invariant gegenüber einer endlichen Veränderung der Energie oder Teilchenanzahl. Mit diesen neuen Symmetrien treten neue physikalische Größen wie Temperatur und chemisches Potential auf, die definite Werte im Sinne von klassischen Observablen besitzen. Im thermodynamischen Grenzwert treten auch die Phasenübergänge auf, die für die moderne Materietheorie von grundlegender Bedeutung sind und in den folgenden Abschnitten noch behandelt werden. Gemeint ist ζ. B. die Bildung von Kristallen oder die Magnetisierung eines Ferromagneten, die durch Veränderung geeigneter Parameter (ζ. B. Temperatur) entstehen. Diese Phasenübergänge sind mit spontanen Symmetriebrüchen verbunden, in dem der symmetrische Zustand labil und ein asymmetrischer, aber energetisch stabiler Zustand eingenommen wird. Die Symmetrien, die gebrochen werden, sind ζ. B. räumliche Translationssymmetrien bei Kristallen, die Spin-Rotationssymmetrie bei Ferromagneten oder Eichsymmetrien bei Supraleitern. Die neue Größe im Fall des Ferromagneten ist die spontane Magnetisierung, im Fall des Supraleiters die Phase, wie sie ζ. B. im Josephsoneffekt meßbar ist. Auch die Symmetriebrüche, die bei Phasenübergängen fernab des thermischen Gleichgewichts auftreten (ζ. B. Laser und dissipative Strukturen) gehören hierher (vgl. Kap. 4.4).
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
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Da charakteristische Eigenschaften lebender Systeme (z. B. Gestaltbildung und Metabolismus) ebenfalls durch Phasenübergänge fernab des thermischen Gleichgewichts und damit verbundene Symmetriebrechungen beschreibbar sind (vgl. Kap. 4.44), ergeben sich hier neue Möglichkeiten einer einheitlichen Theorie der Naturwissenschaften im Rahmen einer verallgemeinerten Quantenmechanik. Viele der alten Paradoxien (z. B. Maxwells Dämonen und das Verständnis irreversibler Prozesse) werden sich damit auflösen. Die Entropie als thermodynamische Größe irreversibler Prozesse ist mit einer zeitlichen Symmetriebrechung verbunden, die sie von den zeitlich reversiblen klassischen und quantenmechanischen Systemen unterscheidet. In einer verallgemeinerten Quantenmechanik wird daher ein mikroskopischer Entropie-Operator Μ eingeführt, der sich nicht mehr auf einzelne Teilchenbahnen bzw. Trajektorien (wie eine Observable der klassischen Mechanik) oder Wellenfunktionen (wie eine Observable der traditionellen Quantenmechanik) bezieht, sondern auf Verteilungsfunktionen bzw. Bündel von Trajektorien. Physikalisch bedeutet die Beschreibung mit Operatoren, daß die klassische Beschreibung mit Trajektorien aufgrund von Instabilität und Zufälligkeit auf dem mikroskopischen Niveau komplexer thermodynamischer Systeme oder aufgrund von Quantenkorrelationen von Quantensystemen aufgegeben werden muß. Analog zur Schrödinger-Gleichung, mit der die zeitliche Entwicklung einer Wellenfunktion durch den Hamilton-Operator beschrieben wird, schlagen B. Misra und I. Prigogine einen verallgemeinerten Operator L („Liouville-Operator") vor, der die zeitliche Entwicklung von Verteilungsfunktionen als den Zuständen komplexer thermodynamischer Systeme darstellt. Bemerkenswert für diesen Ansatz ist, daß die zeitliche Entwicklung komplexer instabiler Systeme mit einem neuen Operator Τ verbunden wird, der der Zeit eine neue Bedeutung gibt. Angenommen, man kennt das augenblickliche, durch Τ gegebene Alter des Systems, dann weiß man nicht, wie es sich in Zukunft ändern wird. Wenn man umgekehrt annimmt, daß die Änderungsgeschwindigkeit der Verteilungsfunktionen (also der Zustände) des Systems mit der Zeit bekannt ist, wird das Alter unbestimmt. Die beiden Operatoren L und Τ vertauschen also nicht miteinander, so wie Ort und Impuls in der Quantenmechanik nicht miteinander vertauschen. Diese neue Unschärferelation von zeitlicher Änderung und augenblicklichem Alter ist charakteristisch für alle Nichtgleichgewichts-Situationen komplexer Systeme und bringt das chaotische Verhalten ihrer Verteilungsfunktionen bzw. Zustände zum Ausdruck.
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4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Unendliche quantenmechanische Systeme können also einen Pfeil der Zeit aufweisen, da der Entropie-Operator Μ (Τ) im Durchschnitt mit der Zeit zunimmt und damit irreversibel in die Zukunft verweist. Demgegenüber haben alle endlichen quantenmechanischen Systeme ein periodisches Zeitverhalten. Sie können daher niemals ein Gleichgewicht anstreben, sondern lassen ihre Wellen- bzw. Zustandsfunktion nach einer gewissen Zeit wieder zu ihrem Anfangswert zurückkehren. Die Behandlung klassischer endlicher Systeme (wie ζ. B. in der klassischen Mechanik), klassischer unendlicher Systeme (wie in der Thermodynamik) und nicht-klassischer Quantensysteme (wie in der von Neumannschen Theorie) im gemeinsamen Theorierahmen einer verallgemeinerten Quantenmechanik bietet auch neue Möglichkeiten, um das Meßproblem der Quantenmechanik zu klären. So betrachten ζ. B. C. M. Lockhart und B. Misra (vgl. Anm. 84) den Meßapparat in diesem Theorierahmen als ein irreversibles dynamisches System, das die Zeitinversionssymmetrie im Sinne eines kausalen Systems bricht. Diese Möglichkeit besteht nur, wenn der Apparat als makroskopisches System mit unendlich vielen Freiheitsgraden beschrieben wird. Das Meßproblem reduziert sich dann auf einen Wechselwirkungsprozeß zwischen einem nicht-klassischen System (quantenmechanisches Meßobjekt) und einem klassischen System (Meßapparat). Für den so beschriebenen Meßapparat ist der Nachweis entscheidend, daß er unverbundene Endzustände liefert, die vom Meßobjekt unabhängig sind. So schwierig und komplex solche Analysen auch vom mathematischen Standpunkt sein mögen: Spekulative Gespenster wie ,Schrödingers Katze' oder Mysterien wie der ,Kollaps des Wellenpakets' würden sich in der dünnen Höhenluft mathematischer Abstraktion auflösen. Wissenschaftstheoretisch wäre damit noch einmal gezeigt, daß die modernen naturphilosophischen Interpretationen immer auf konkrete mathematische Formalismen bezogen werden müssen und dann obsolet werden können, wenn man zu einem anderen Formalismus überwechselt. Naturphilosophische Diskussionen, die frei schwebend diesen wissenschaftstheoretischen Bezug auf einen mathematischen Formalismus vernachlässigen, in denen sich also solche Fiktionen wie Maxwells Dämonen oder Schrödingers Katze gewissermaßen verselbständigen und in den Köpfen einnisten, führen in die Irre. 4.25 Symmetrie und Komplementarität Jedes System ist nach dem Superpositionsprinzip unlösbar mit seiner Umgebung, dem Rest der Quantenwelt, verschränkt. Es wird zum Erkenntnisobjekt, in dem unter bestimmten Erkenntnisbedingungen
4.2 Symmetrien der Quantenmechanik
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von der Verschränkung abgesehen wird. Nur so wird das System als Individualität erkennbar und bestimmbar. Damit wird aber jede physikalische Erkenntnis kontextabhängig, abhängig nämlich vom Standort und den Erkenntnisbedingungen des Forschers. Philosophisch hatte bereits Leibniz die Kontextabhängigkeit der Erkenntnis betont. Er sprach vom unterschiedlichen „point de vue", von dem aus der Erkennende mit unterschiedlichem Blickwinkel die Wirklichkeit betrachte. Nach Leibniz gibt es geradezu eine Skala von mehr oder weniger klarer Erkenntnis, die von den unterschiedlichen Gesichtspunkten der Lebewesen abhängt. Nur Gott ist nach Leibniz von dieser Art der Kontextabhängigkeit befreit. Im Zusammenhang mit dem Doppelspaltexperiment (vgl. 4.23) hatte schließlich N. Bohr kontextabhängige Beschreibungsmittel der Quantenwelt wie Welle und Teilchen als „komplementär" bezeichnet.74 Zwar führt in der Bohrschen Interpretation eine Bahnbestimmung der Teilchen (Elektronen) zur Zerstörung der Wellensuperposition. Dennoch schließen sich beide Aspekte nicht aus, sondern ergänzen sich je nach Informationsinteresse. Die Verhältnisse, die Bohr komplementär nannte, sind physikalisch durch das Superpositionsprinzip begründet, d. h. durch die — wie wir heute wissen — faktisch vorhandenen EPRKorrelationen verschränkter Systeme. Grundlegend für die Bohrsche Komplementarität ist daher die Symmetriestruktur der Quantenwelt, die durch das Superpositionsprinzip festgelegt ist. Ein weiteres Beispiel für kontextabhängige Erkenntnis: Im Alltag halten wir den Mond für ein individuell existierendes System. Andererseits besteht der Mond aus Elementarteilchen, die untrennbar durch ein elektromagnetisches Strahlungsfeld verbunden sind. Dabei läßt sich das Strahlungsfeld nicht in Bereiche trennen, die zur Erde, zum Beobachter usw. gehören. Für den antiken Astronomen war der Mond eine ideale Kugel, für den modernen Astronauten ist er ein zerklüfteter Erdtrabant, für den Geophysiker ein Reservoir bestimmter Bodenschätze, für den Chemiker ein kompliziertes System aus Kristallen, Mineralien, Molekülen etc., für den Dichter ein romantisches Licht. Der Mond wird also erst unter den Rastern dieser Erkenntniskontexte zum jeweiligen individuellen Erkenntnisobjekt. Auch der Physiker mit seinen Meßinstrumenten, allgemein der Erkennende, ist mit seiner physikalischen Umwelt zu einer untrennbaren Ganzheit verschränkt. Erst durch bewußte Erkenntnisakte können Erkenntnisobjekt, Umweltbedingungen, Meßinstrument, Erkennender 74
Vgl. auch C. F. von Weizsäcker, Komplementarität und Logik. Niels Bohr zum 70. Geburtstag am 7. 10. 1955 gewidmet, in: Naturwiss. 42 1955, 5 2 1 - 5 2 9 , 5 4 5 - 5 5 5 .
444
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
usw. unterschieden werden. Demgegenüber liegt der klassischen Physik eine apriorische Trennung in Objektwelt und Erkennendem zugrunde. Den Planeten läßt es gewissermaßen kalt, ob er von Galilei durch ein Fernrohr beobachtet wird oder nicht. Der Zustand des klassischen Systems „Planet" wird durch diesen Meßvorgang nicht verändert. Der Zustand des physikalischen Systems während und nach der Messung ist eindeutig bestimmt. Beide Systeme sind während und nach der Messung in getrennten Zuständen. Im Sinne der cartesischen Ontologie zerfallt also die Welt der klassischen Physik in zwei unabhängige Systeme, dem Erkenntnisobjekt („res externa") und dem Erkenntnissubjekt („res cogitans"). Der Meß- bzw. — im weiteren Sinne — Erkenntnisprozeß der Quantenmechanik wirft demgegenüber neuartige Probleme auf. Es war N. Bohr, der, die cartesische Trennung von Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt in der Quantenmechanik kritisierte.75 Bohr sprach von einem komplementären Verhältnis beider Systeme, das wir heute als EPR-Verschränkung präzisieren können. Man betrachte ein Quantensystem (z. B. Atom), dessen Zustände durch die Zustandsvektoren des Hilbertraums repräsentiert werden. Die Observable Ä des Systems sei mit einem diskreten und nichtdegenerierenden Spektrum a,, a2, ... verbunden, d.h. Ä\|/n = an\|/n mit (\J/n, \|/m) = 5 nm . Der Meßapparat sei ein Digitalanzeiger, dessen Zustände durch den Hilbertraum beschrieben werden, d.h. die Observable Β des Apparats habe Digitalwerte b 1; b2, ... mit Bcpn = bn(pn und (φη, c|t' — t| gilt. Ereignisse, die durch solche „raumartigen" Differenzen getrennt sind, können nicht miteinander durch Kräfte wechselwirken. Für sie kann prinzipiell kein Kausalitätsverhältnis angegeben werden. Nach der erfolgreichen Vereinigung von spezieller Relativitätstheorie und Quantenmechanik in der QED liegt es nahe, den Formalismus der Quantenfeldtheorie auch auf die übrigen physikalischen Grundkräfte anzuwenden.
469
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
4.32 Symmetrie und die Einheit von schwachen und elektromagnetischen Kräften Elektromagnetische Wechselwirkungen sind uns bereits aus dem Alltag wohlbekannt. Die Ausstrahlung von elektromagnetischen Wellen durch ein beschleunigtes Atom kennt man z. B. von Radioantennen oder Röntgenröhren. Demgegenüber wurden die schwachen Wechselwirkungen in den Atomen viel seltener beobachtet, z. B. beim ß-Zerfall des Neutrons, das sich unter gleichzeitiger Emission eines ElektronAntineutrino-Paares in ein Proton umwandelt. Zunächst scheint es, daß schwache und elektromagnetische Wechselwirkungen wenig Gemeinsamkeiten haben. Die schwache Kraft ist ca. tausendmal schwächer als die elektromagnetische. Während die elektromagnetische Wechselwirkung langreichweitig ist, wirkt die schwache Kraft nur in Abständen, die wesentlich kleiner sind als z. B. der Radius des Neutrons. Die radioaktiven Zerfalle sind viel langsamer als die elektromagnetischen. Bei den elektromagnetischen Wechselwirkungen (z. B. Streuung von einem Elektron an einem Proton) werden im Unterschied zum ß-Zerfall keine Elementarteilchen in andere umgewandelt. Die Teilchen, die an der schwachen Wechselwirkung teilhaben, heißen Leptonen (gr. λεπτός —zart): z.B. Neutrinos (v), Elektronen (e+) und Myonen (μ + ). Sie besitzen keine oder nur geringe Massen. Leptonen und Myonen haben positive oder negative Ladung. Von den leichtesten Leptonen, den Neutrinos (v) und Antineutrinos (v), gibt es zwei Sorten: Elektron-Neutrinos (ve) und Myon-Neutrinos (νμ). In Abb. 1 ist das Feynman-Diagramm für den ß-Zerfall des Neutrons (n) als Grundprozeß der schwachen Wechselwirkung dargestellt. 104 Einer der aufregendsten Unterschiede wurde in den 50er Jahren entdeckt: Während die elektromagnetische Wechselwirkung räumlich spiegelungsinvariant ist, verletzt die schwache Wechselwirkung die Ρ
ν
Ν 104
e"
Abb. 1
Vgl. auch R. E. Marshak/Riazudin/C. R Ryan, Theory of Weak Interaction in Particle Physics, New York 1969; S. Weinberg, A Model of Leptons, in: Phys. Rev. Lett. 19 1967, 1264-1266.
470
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Parität maximal. Damit ist ein grundlegendes Symmetrieproblem der neuzeitlichen Naturphilosophie angesprochen, das seit Leibniz und Kant diskutiert wurde. Im Unterschied zu den anderen physikalischen Grundkräften spielt der Spin der Elementarteilchen für die schwache Wechselwirkung eine große Rolle. Es wurde bereits erwähnt, daß man sich den Spin eines Teilchens grob als seinen Eigendrehimpuls vorstellen kann, obwohl es nach dem Korrespondenzprinzip kein klassisches Analogon gibt (vgl. 4.22). Der Spin eines Teilchens wird durch einen Vektor dargestellt, der parallel zur Drehachse ist. Er kann weder vergrößert noch verkleinert werden und beträgt im Fall der Leptonen 1 . 1 . 1ι/2π (kurz —). Spin-—-Teilchen können nur zwei quantenmechanisch erlaubte Richtungen im Raum einnehmen, d. h. der Spin zeigt entweder in die Geschwindigkeitsrichtung des Teilchens oder entgegengesetzt. Man spricht in dem Zusammenhang auch von der Rechts- und Linkshändigkeit (Chiralität) des Teilchens. Hält man nämlich die rechte Hand so, daß die vier Finger in die Drehrichtung des rotierenden Teilchens zeigen, so weist der rechte Daumen in die Geschwindigkeitsrichtung. Im anderen Fall weist nur der Daumen der linken Hand in die Geschwindigkeitsrichtung. Das naturphilosophische Problem läßt sich im Sinne von Kant jetzt so formulieren (vgl. 3.12): Zeichnet die schwache Wechselwirkung eine Rechts- oder eine Linksschraube im Raum aus? Die Händigkeit ζ. B. eines Elektrons läßt sich im Experiment umdrehen, indem man es abbremst und in umgekehrter Richtung beschleunigt, ohne allerdings den Spin zu verändern. Da masselose Teilchen (wie die Neutrinos und ihre Antiteilchen) sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, ist eine solche Abbremsung und eine damit verbundene Orientierungsänderung nicht möglich. Sie behalten also immer ihre Chiralität bzw. ihren Schraubensinn. Die theoretischen Physiker T. D. Lee und C. N. Yang gaben 1956 Hinweise auf Experimente, in denen die Leptonen einen bestimmten Schraubensinn bevorzugen könnten. Tatsächlich zeigten die Experimente (ζ. B. der Experimentalphysikerin C. S. Wu), daß bei den schwachen Zerfällen Teilchen nur linskhändig und Antiteilchen nur rechtshändig emittiert werden. 105 Konkret treten die Neutrinos, die ausschließlich 105
T. D. Lee/C. N. Yang, Questions of Parity Conservation in Weak Interactions, in: Phys. Rev. 104 1956, 254; C. S. Wu/E. Amber/R.W. Heyward/D. D. Hoppes/R. P. Hudson, Experimental Test of Parity Conservation in Beta-Decay, in: Phys. Rev. 105 1957, 1413 — 1415. Zur Geschichte und Prüfung der Lee/Yang-Arbeit vgl. auch C. N. Yang, Some Concepts in Current Elementary Particle Physics, in: J. Mehra
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4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
schwache Wechselwirkung zu besitzen scheinen, nur als Linksschraube (vL) auf, die Antineutrinos nur als Rechtsschraube (vR). Beim ß-Zerfall des Neutrons (analog für das Myon) ist nur der Linksschraubenanteil (ef) beteiligt (Abb. 2). Demgegenüber zeichnet die elektromagnetische Wechselwirkung keine Schraubenrichtung aus. Beide Schraubenanteile des Elektrons sind gleichberechtigt beteiligt. Die Neutrinos sind nicht beteiligt. Setzt man nun voraus, daß die schwache Wechselwirkung mit einer schwachen Ladung verbunden ist, so haben also nur die linskhändigen Teilchen und rechtshändigen Antiteilchen eine schwache Ladung, während rechtshändige Teilchen und linkshändige Antiteilchen für die schwache Wechselwirkung neutral sind. Die schwache Ladung bleibt dann nicht erhalten, wenn ein Elektron während seiner Bewegung seine Händigkeit ändert. Nur wenn die Leptonen keine Masse hätten, also nicht ihre Bewegungsrichtung und Händigkeit ändern könnten, würde für die schwache Ladung ein Erhaltungssatz ebenso gelten wie für die elektrische. vL: ^
Impuls
Linksschraube, negative Helizität }
Neutrino
Spin
ef :
Linksschraubenanteil Rechtsschraubenanteil
> des Elektrons ^
Abb. 2
Insgesamt zeigt sich, daß die räumliche Spiegelungssymmetrie (Parität) bei der schwachen Wechselwirkung verletzt wird. Mathematisch transformiert die Parität Ρ die räumlichen Komponenten der Viererkoordinaten Ρ ( χ μ ) = (et, —x, — y, — z). Die Paritätssymmetrie
eines Quan-
tensystems bedeutet dann nach (8) in Abschn. 4.22, daß der Hamilton-Operator Η des Systems invariant ist gegen die induzierte Operatortransformation Τ (Ρ), d. h. (1)
T(P) Η Τ (Ρ)" 1 = Η.
Analog bedeutet auch die Zeitumkehr Symmetrie, daß der HamiltonOperator des Quantensystems gegen den Zeitumkehr-Operator Τ invariant ist (vgl. (16) in 4.22). Wie bereits erwähnt wurde, ist jedoch Τ keine unitäre Darstellung der zeitlichen Koordinateninversion. Als weitere Symmetrietransformation wurde im letzten Abschnitt die unitäre Ladungskonjugation C diskutiert (C für engl. ,charge'). (Hrsg.), s. Anm. 9, 447—453; V. L. Telegdi, Crucial Experiments on Discrete Symmetries, in: e. d., 454 — 480.
472
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Die Hintereinanderausführung aller drei Symmetrieoperationen T(P)CY führt auf eine berühmte Symmetrie, die unter dem Namen PCT-Theorem (mit Ρ für Parität und Τ für Zeitumkehr) bekannt und u.a. von W.Pauli zwischen 1952 und 1957 allmählich bewiesen wurde. 106 Danach ist der Hamiltonoperator eines (lorentz-invarianten) Quantensystems gegen die Kombination von Paritäts-, Ladungs- und Zeitumkehrtransformation invariant. Für klassische Systeme der Physik ist dieses Ergebnis trivial, da sie sowieso gegen jede einzelne Transformation dieser Art invariant sind. Das trifft auch für die elektromagnetische (und starke) Wechselwirkung zu, aber eben nicht für die schwache. Die Paritätstransformation T(P) produziert nämlich aus einem linkshändigen ein rechtshändiges Teilchen, das es in der Natur nicht gibt. Allerdings macht die Hintereinanderausführung von Τ (Ρ) und C aus einem linkshändigen Neutrino ein rechtshändiges Antineutrino, das sehr wohl in der Natur vorkommt. Für die schwache Wechselwirkung ist also beim ß-Zerfall das Produkt Τ (Ρ) C ebenso erhalten wie T, aber eben nicht T(P). Am Rande sei erwähnt, daß einige Experimente beim Zerfall der K°-Mesonen auch auf eine Verletzung von Τ (Ρ) C und Τ bei Erhaltung der Gesamtsymmetrie Τ (Ρ) CT hinweisen. In dem Zusammenhang wird auch von „superschwachen" Wechselwirkungen gesprochen. Historisch hatte E. Fermi bereits 1934 versucht, die Energie bei schwachen Wechselwirkungen analog zur Elektrodynamik zu beschreiben. 107 Bringt man eine zweite Ladungsverteilung in das Feld der ersten, so entstehen Kräfte und Wechselwirkungsenergien. Bei ruhenden Ladungsverteilungen ρ (r) und Q(r') läßt sich in der Elektrostatik (vgl. 3.23) die entsprechende Coulomb-Energie ableiten. Bei einer Bewegung der Ladung muß die Ladungsdichte ρ (r) in der Elektrodynamik durch den jeweiligen Viererstrom (χμ) ersetzt werden. Für die schwache Wechselwirkung ist die unbegrenzte weite Wirkung der Coulombkraft zu beschneiden. Der dazu eingeführte schwache Strom verwandelt beim Zerfallsprozeß das Neutron in ein Proton und erzeugt ein Leptonenpaar. Er muß im Unterschied zur elektromagnetischen Wechselwirkung Ladungen ändern. Bei der Emission eines Photons durch ein Elektron bewirkt der elektromagnetische Strom 106 w. Pauli, Niels Bohr and the Development of Physics, London 1957; vgl. auch L. C. Biedenharn/M. E. Rose, Phys. Rev. 83 1951, 459; Η. A. Tolhock/S. R. De Groot, Phys. Rev. 84 1951, 151; G. Lüders, Z. f. Phys. 133 1952, 325; J. S. Bell, Proc. Roy. Soc. London A231 1955, 479; R. Jost, Helv. Phys. Acta 30 1957, 409; vgl. auch die Lehrbuchdarstellung von J. P. Elliott/P. G. Dawber, s. Anm. 89, 411 ff. 107 E. Fermi, Nuovo Cimento 11 1934, 1; Z. f. Phys. 88 1934, 161.
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4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
keine Änderung der Ladung des Elektrons. Der elektromagnetische Strom ist also neutral, während der schwache geladen ist. Entscheidend für Fermis Ansatz war folgender Aspekt: Im Unterschied zur Quantenelektrodynamik warf Fermis Quantenfeldtheorie der schwachen Wechselwirkungen erhebliche formale Schwierigkeiten auf. Sie besaß nämlich unendlich viele Divergenzen, die auch beobachtbare Größen unendlich machen — im Unterschied zur Quantenelektrodynamik, in der nur endlich viele renormierbare Unendlichkeiten auftraten. Damit war das Schicksal von Fermis Ansatz vorläufig besiegelt: Seine Theorie der schwachen Wechselwirkung erweist sich als nicht renormierbar. 108 Um weiterzukommen, bedurfte es eines genialen neuen Einfalls — der Idee nämlich, die schwache Wechselwirkung ebenso wie den Elektromagnetismus und die Gravitation auf eine lokale Symmetrie im Sinne der Eichtheorie zurückzuführen. Die zugrundeliegende globale Symmetrie („Isospinsymmetrie") wurde von W. Heisenberg zunächst an einem Spezialfall der starken Wechselwirkung untersucht. 109 Heisenberg war nämlich aufgefallen, daß die beiden Kernteilchen Proton ρ und Neutron η nahezu ununterscheidbar sind, da sie fast gleiche Masse und gleichen Spin besitzen. Sieht man von den elektromagnetischen Wechselwirkungen ab, unterscheiden sich die starken Kernkräfte zwischen pp, nn und np kaum. Wir könnten also Protonen und Neutronen in der Welt austauschen, ohne die Kernkräfte wesentlich zu ändern. Heisenberg schlug daher vor, die Wellenfunktionen \J/P und v|/„ von Proton und Neutron in einer zweikomponentigen Wellenfunktion ψ =
des Nukleons zusammenzufassen. Proton und Neutron
bezeichnen jetzt zwei mögliche Zustände des Nukleons.
Proton
Neutron Abb. 3
108
109
Vgl. auch C. Itzykson/J.-B. Zuber, s. Anm. 89, 606 ff.; H. Rollnik, Ideen und Experimente für eine einheitliche Theorie der Materie, in: Phys. Bl. 32 1976, 706 ff. W. Heisenberg, Z. f. Phys. 77 1932, 1.
474
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Geometrisch läßt sich das Nukleon durch zwei gekreuzte Doppelpfeile darstellen, die jeweils für die Proton- bzw. Neutronkomponente stehen (in Abb. 3 durchgezogene bzw. gestrichelte Linie). Die senkrechte Stellung eines Doppelpfeils gibt den jeweiligen Zustand des Nukleons an. Die globale Symmetrieoperation, wonach alle Protonen eines Systems in Neutronen und alle Neutronen in Protonen übergehen, wird im geometrischen Modell durch eine globale Drehung des gesamten Isospinraums um 90° gewirkt. Algebraisch können diese Transformationen der 2-komponentigen Wellenfunktion ψ durch unitäre 2x2-Matrizen U dargestellt werden, die eine sog. SU (2)-Gruppe bilden: (2)
ψ =
Mathematisch wird die Gruppe U (2) der unitären Transformationen in zwei Dimensionen von den sog. vier Pauli-Matrizen vollständig erzeugt:
Physikalisch entspricht das den vier Fällen, in denen die beiden Komponenten der Wellenfunktion entweder mit gleichem Phasenfaktor eict oder mit entgegengesetzten Faktoren eia und e~iot verschoben werden oder das Neutron in ein Proton verwandelt wird oder das Proton in ein Neutron. Läßt man den ersten Fall fort, ergibt sich die sog. „spezielle" Gruppe SU (2) der unitären Transformationen in zwei Dimensionen. Allgemein wird häufig für spezielle unitäre Gruppen SU (n) mathematisch gefordert, daß die Spur der darstellenden Matrizen Null ist. Der erste Fall entspricht der Einheitsmatrix 1 und hat daher die 1 Spur SP(1) φ 0. Für Teilchen mit Spin — entsprechen die drei PauliMatrizen , σ 2 , σ 3 den Matrizen, mit denen die Rotationsoperatoren ihrer Spin-Zustände vollständig erzeugt werden können. 110 Bei der globalen Isospinsymmetrie werden die Zustände der Nukleonen überall und zur gleichen Zeit in gleicher Weise verändert, d.h. geometrisch die Doppelpfeile um den gleichen Winkel gedreht. In 110
Vgl. auch J. P. Elliott/P. G. Dawber, s. Anm. 89, 214 ff.
475
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
TRANSFORMATIONEN (3)
EICHFELD
WECHSELWIRKUNG
Entgegengesetzter Phasenfaktor V — ^n
« Ή
Ρ
η
p;
»-e^n
φ
Neutron wird in Proton verwandelt
(D
Proton wird in Neutron verwandelt
η
< Abb. 4
diesem Fall sind also die Phasenfaktoren der SU (2)-Transformationen lokal unabhängig von Raum-Zeit-Punkten χ μ , d. h. SU (2) beschreibt die globale Isospinsymmetrie. Lokale Isospinsymmetrie würde bedeuten, daß man Phasen lokal unterschiedlich fixieren bzw. — im geometrischen Bild — die Doppelpfeile der Nukleonen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten um verschiedene Winkel drehen kann. Im Sinne der lokalen Eichtheorie müssen dazu jedoch entsprechende Eichfelder eingeführt werden, um die Gesamtsymmetrie des Systems bei lokalen Veränderungen zu retten. Nachdem lokale U(l)-Symmetrie am Beispiel der Elektrodynamik diskutiert worden war, untersuchten 1954 erstmals C. N. Yang und R. L. Mills eine lokale SU(2)-Symmetrie.Ui Entsprechend den drei erzeugenden Transformationen der SU (2)-Gruppe müssen bei lokaler Symmetrie drei Eichfelder eingeführt werden (Abb. 4). Bei Transformation 1) ist das Eichfeld ρ° ungeladen, da die Ladungen von Proton und Neutron nicht verändert werden. Im Fall 2) muß das Eichfeld aus einem Neutron ein Proton machen. Damit bei diesem Ladungswechsel die Ladung erhalten bleibt, wird dem Feld ρ+ eine positive Ladung zugeordnet. Entsprechend erhält das Eichfeld ρμ" im Fall 3) eine negative Ladung. 111
C. N . Yang/R. L. Mills, Phys. Rev. 96 1954, 191; vgl. auch H. Rollnik, s. A n m . 108, 713 f.
476
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Die lokale Eichgruppe der Yang-Mills SU (2)-Theorie weisen einen grundlegenden Unterschied gegenüber der lokalen U(l)-Gruppe der Quantenelektrodynamik auf: Sie ist nicht-kommutativ („nichtabelsch"), d.h. die Hintereinanderausführung der Transformationen ist im allgemeinen nicht vertauschbar. In der QED entspricht eine lokale Symmetrietransformation der Phasenverschiebung eines Materiefeldes (z. B. Elektronenstrahl), die eine Folge der Wechselwirkung des Materiefeldes mit einem elektromagnetischen Feld ist (vgl. 4.33). Die Phasenverschiebung eines Elektronenfeldes zweimal hintereinander ausgeführt kann in der QED bedeuten, daß zunächst ein Photon emittiert und wieder absorbiert wird. Die Phasenverschiebung, die sich insgesamt ergibt, ist ebenso groß wie bei der zweifachen Phasenverschiebung, bei der das Elektron zuerst ein Photon absorbiert und danach emittiert. Für die Größe der gesamten Phasenverschiebung spielt die Reihenfolge keine Rolle, d. h. die U (l)-Gruppe ist abelsch. Demgegenüber ist die Multiplikation der 2x2-Matrizen der SU (2)Gruppe im allgemeinen nicht-abelsch: Der Isospinvektor hat nach unterschiedlicher Reihenfolge der Transformationen im allgemeinen nicht die gleiche Orientierung, so daß ein Nukleon statt in ein Neutron auch in ein Proton verwandelt werden könnte. 112 Die Yang-Mills-Theorie ist insgesamt eine nicht-abelsche lokale SU (2)-Eichtheorie. Sie zeichnet sich analog der U(l)-Theorie durch hohe Symmetrie aus. Kräfte können durch den Übergang von globaler zu lokaler Symmetrie erklärt werden: Die „Rettung der Symmetrie" bei lokalen Änderungen war also auch für die Isospinsymmetrie durchführbar. Dennoch weist die Yang-Mills-Theorie gegenüber der U ( l ) Eichtheorie der QED einen erheblichen Mangel auf. Sie war nämlich trotz ihrer hohen mathematischen Symmetrie, Einfachheit, Eleganz und Schönheit nachweislich ohne jede physikalische Anwendung: Die SU (2)-Theorie sagt vollkommene Isospinsymmetrie voraus, wonach keine Unterschiede zwischen Neutron und Proton bestehen dürfen. Das trifft, wie eingangs erwähnt wurde, für die Massen nicht absolut zu. Allerdings konnte man sich hier noch mit dem Hinweis trösten, daß auch andere physikalische Theorien nur approximative Geltung haben, aber dennoch neue Entdeckungen, Erklärungen usw. geliefert haben und daher physikalisch interessant waren.
112
Eine Verallgemeinerung des Yang-Mills Ansatzes lieferte R. Utiyama, Invariant Theoretical Interpretation of Interaction, in: Phys. Rev. 101 1956, 1597—1607. Für eine allgemeine Darstellung nicht-abelscher Eichtheorien vgl. auch C. Itzykson/J.B. Zuber, s. Anm. 89, chap. 12.
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
477
Entscheidend ist vielmehr der folgende Mangel: Die Yang-MillsTheorie geht von einer unbegrenzten Reichweite aller durch sie beschriebenen Kräfte aus. Analog zum Photon der elektromagnetischen Wechselwirkung müssen den drei Eichfeldern daher Wechselwirkungsteilchen entsprechen, die masselos sind. Die Masselosigkeit dieser drei Teilchen läßt sich mathematisch zwingend beweisen, wenn der Hamilton-Operator und die physikalischen Zustände des Systems unter den Eichtransformationen invariant sind. Zudem unterscheiden sich zwei dieser masselosen Wechselwirkungsteilchen vom Photon dadurch, daß sie geladen sind. Außer den Photonen der elektromagnetischen Kraft (und den Gravitonen der Gravitation) kommen aber keine masselosen Teilchen in der Natur vor, mit denen Wechselwirkungen über unbegrenzte Reichweiten übertragen werden könnten. Die Yang-MillsTheorie sagt also mathematisch zwingend die Existenz von Teilchen voraus, mit denen die uns bekannte Natur verändert würde. Wissenschaftstheoretisch kann eine naturwissenschaftliche Theorie nicht besser widerlegt bzw. „falsifiziert" werden. Und trotzdem übte die Yang-Mills-Theorie eine unglaubliche Faszination auf die Forschung aus. Sie wurde in diesem Entwicklungsstadium mit Sicherheit nicht studiert, weil sie in irgendeinem positivistischen Sinn „den Meßdaten besser entspricht". Ihr Reiz bestand zunächst allein in ihrer hohen mathematischen Symmetrie und Einfachheit, wie sie analog im einfacheren Fall der Elektrodynamik erkannt worden war. 113 Wissenschaftstheoretisch pointiert ist festzuhalten: Der Forschungsanstoß kommt in diesem Stadium aus einem geradezu platonischen Glauben an Einfachheit und Symmetrie in der Natur. Das Keplersche Bekenntnis „Credo spatioso numen in orbe", der Glaube an eine „Harmonia mundi" ließ offenbar die maßgebenden Physiker an der Yang-MillsTheorie festhalten. Das ist natürlich nicht philologisch-wirkungsgeschichtlich zu verstehen, als hätten die Physiker Piaton und Kepler gelesen und versuchten, dieses Forschungsprogramm nun — koste es was es wolle — zu realisieren. Die Kenntnis der Schriften Piatons war wie im Fall von W. Heisenberg eher die Ausnahme. Damit zeigt sich aber erneut, daß die Orientierung an Symmetrie in den Naturwissenschaften nicht von bestimmten kulturellen Bildungstraditionen (z. B. griechisch-abendländisch) abhängig ist, obwohl sie dort philosophisch reflektiert auftrat. Dahinter steht vielmehr die allgemeine erkenntnis113
Vgl. auch die Einschätzung von S. Weinberg. Vereinheitlichte Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung, in H. G. Dosch (Hrsg.). s. Anm. 92, 6—15; J. Iliopoulos, An Introduction to Gauge Theories. Lectures given in the Academy Training Programme of CERN 1975-1976, Genf 1976, 2,4.
478
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
leitende Einsicht, daß die Stabilität der Natur trotz ihrer permanenten prozessualen Veränderungen und Kraftwirkungen nur durch invariante Strukturen erklärt werden kann, wie sie in den Eichtheorien erstmals mathematisch präzisiert wurden. Um die Yang-Mills-Theorie physikalisch anwendbar zu machen und auf beobachtbare Prognosen zu bringen, mußte die Reichweite ihrer Wechselwirkungsteilchen im Unterschied zum Photon eingeschränkt werden. Ordnet man ihnen genügend große Massen zu, so kann die Reichweite der Eichfelder beliebig klein gemacht werden. Die Lösung dieses Problems, nämlich die Feldquanten der Yang-Mills-Eichfelder mit Massen zu versehen, gelang schließlich durch eine tiefsinnige Analyse der spontanen Symmetriebrechung, auf deren allgemeine Bedeutung in der Physik Heisenberg aufmerksam machte. 114 Dieses Konzept sei zunächst an einigen Beispielen erläutert. Ein (vollkommenes mathematisches) Ei besitzt in Bezug auf seine Längsachse Rotations- und Spiegelungssymmetrie. Stellt man es senkrecht auf eine Tischplatte und überläßt es sich selber, so rollt es auf die Seite und bleibt in irgendeiner Richtung liegen: Die Symmetrie des Eis relativ zur senkrechten Achse auf dem Tisch ist gebrochen, wobei die Symmetrie der Eischale erhalten bleibt. Die Symmetriebrechung ist spontan, da die Orientierungsrichtung, in der das Ei schließlich liegen bleibt, nicht voraussagbar war. Die Ursache ist in diesem Fall die Gravitation der Erde, die das Ei einen energetisch günstigeren Zustand einnehmen läßt: Der symmetrische Zustand relativ zur senkrechten Achse der Tischplatte war energetisch nicht stabil. Ein weiteres Beispiel, bei der die Symmetrie eines Systems spontan verloren geht, ist der Übergang eines Ferromagneten in den magnetisierten Zustand. Solange das Material nicht magnetisiert ist, wird keine Raumachse ausgezeichnet. Magnetisiert man aber das Material, so läßt sich eine Raumachse von den anderen durch die Lage der magnetisierten Pole unterscheiden, und die Symmetrie ist gebrochen. Die Elektronen und die Eisenkerne in einem Eisenstab werden durch Gleichungen beschrieben, die rotationssymmetrisch sind. Die (freie) Energie des magnetisierten Stabes ist dabei invariant gegenüber der Festlegung von Nord- bzw. Südpol. In Abb. 5 ist die Energie V als Funktion der Magnetisierung φ aufgetragen, wobei im Fall von Abb. 5 a eine hohe und in Abb. 5 b eine niedrige Temperatur vorliegt. In beiden Fällen wird der Magnet veranlaßt, einen Gleichgewichtszustand möglichst niedriger Energie 114
W. Heisenberg, Einführung in die einheitliche Feldtheorie der Elementarteilchen, Stuttgart 1967.
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
479
V
Abb. 5
anzustreben. In Abb. 5 a wird der Gleichgewichtszustand bei hoher Temperatur erreicht, wenn die Magnetisierung den niedrigsten Wert 0 erreicht. In diesem Fall ist die Symmetrie erhalten. In Abb. 5 b bei sinkender Temperatur steigt der Scheitelpunkt der Kurve V (φ) an. Die Lagen des Gleichgewichtszustandes liegen links und rechts von der Symmetrieachse der Kurve mit einer nicht-verschwindenden Magnetisierung vor. Das System wird also eine der möglichen Gleichgewichtslagen spontan annehmen und die Symmetrie seiner Gleichungen damit brechen. Kennzeichnend für die spontane Symmetriebrechung eines Systems ist offenbar eine kritische Größe, die eine physikalische Randbedingung (im Beispiel die Temperatur) einnehmen kann, so daß jenseits dieses Punktes die symmetrische Lösung der Gleichung nicht mehr stabil ist bzw. dem Gleichgewichtszustand entspricht und deshalb die Symmetrie gebrochen wird. Solche Symmetriebrechungen durch Abkühlung des Systems sind besonders von chemischen Kristallisationsvorgängen bekannt, die aus völlig homogenen Lösungen mit perfekter Symmetrie entstehen (vgl. 4.41). Naturphilosophisch wird sich uns später das Konzept der Symmetriebrechung anbieten, um die Vielfalt der Natur zu erklären. In der Quantenfeldtheorie wird die spontane Brechung einer globalen von einer lokalen Symmetrie unterschieden. 115 Der stabilste Grundzustand eines Quantenfeldes ist das Vakuum: So hat ζ. B. ein Elektronenfeld die kleinstmögliche Energie, wenn keine Elektronen vorhanden sind, was in 4.31 als Vakuumszustand bezeichnet wurde. 115
Vgl. auch J. Bernstein, Spontaneous Symmetry Breaking, Gauge Theories, the Higgs Mechanism and all that, in: Revise Reports of Modern Physics 46 1974, 7 — 48; C. Itzykson/J.-B. Zuber, s. Anm. 89, 519ff., 612ff.; J. Iliopoulos, s. Anm. 113, chap. 4.
480
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Der Lagrange-Operator des Quantenfeldes ist in diesem Fall invariant gegenüber globaler Phasenverschiebung im Sinne der U (l)-Symmetrie. Analog kann, wie wir gesehen haben, von der globalen Symmetrie einer SU (2)-Theorie gesprochen werden. Im Fall einer Symmetriebrechung ist der Vakuumszustand nicht invariant gegenüber den globalen Symmetrietransformationen. Man sagt daher auch, daß im Fall der Symmetriebrechung das Vakuum unsymmetrisch sei, während die globale Symmetrie des Systems (d.h. seines Lagrange-Operators) erhalten bleibt. Bei einer spontanen Symmetriebrechung treten immer Terme auf, die von Goldstone als masselose skalare Feldquanten („GoldstonePartikel") interpretiert wurden. Mit dieser Erkenntnis sind wir aber bei unserem eigentlichen Problem noch nicht weiter: Wie können nämlich die Wechselwirkungspartikel bei lokaler SU (2)-Symmetrie mit Massen versehen werden? Das Problem wird vollkommen gelöst, wenn wir entsprechend die spontane Symmetriebrechung bei lokaler Symmetrie untersuchen. 116 In diesem Fall ist wieder der Vakuumszustand unsymmetrisch, während die lokale Eichinvarianz des Systems (d. h. seines Lagrange-Operators) gewahrt bleibt. Man würde daher besser von einer „verborgenen" Symmetrie sprechen, die durch die Asymmetrie des Vakuumszustandes verdeckt wird. Entscheidend ist dabei, daß die Wechselwirkungsteilchen („Vektorbosonen") der Eichfelder eine Masse erhalten, während die masselosen Goldstone-Partikel der globalen Symmetrie wegtransformiert werden. Dieser Vorgang wird als Higgs-Mechanismus bezeichnet und ist wie folgt zu verstehen:117 Die Eichfelder der Yang-Mills-Theorie sind wie das elektromagnetische Feld vektoriell. Ihre Feldquanten haben den Spin s = 1, so daß also theoretisch drei Spinzustände zu unterscheiden sind: Parallel, antiparallel und senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Da ihre Wirkung vor der Symmetriebrechung als unbegrenzt und mit Lichtgeschwindigkeit angenommen wird, ist der 3. Spinzustand senkrecht zur Ausbreitungsrichtung nicht realisierbar. Würde man ihn einführen, könnten sich die Feldquanten der Eichfelder nicht länger mit Lichtgeschwindigkeit unbegrenzt bewegen und würden entsprechend Masse erhalten. Diesen fehlenden Spinzustand liefern gerade die skalaren masselosen Goldstone-Bosonen mit Spin s = 0, also mit nur einem Spinzustand. Anschaulich werden die Goldstone-Partikel von den Wechselwirkungs116
117
Experimentell war dieses Phänomen schon in der Plasmaphysik und für die Supraleitung bekannt. Die Masse der Plasmonen und der Meißner-Effekt kommen so zustande. P. W. Higgs, Phys. Rev. Lett. 12 1964, 132; 13 1964, 321.
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
481
teilchen der Eichfelder „geschluckt", wodurch die gewünschten massiven Wechselwirkungsteilchen entstehen. Ohne hier näher auf mathematische Einzelheiten einzugehen, sei darauf hingewiesen, daß die um den Higgs-Mechanismus erweiterte Yang-Mills-Theorie nachweislich renormierbar ist. 118 Das gab erneuten Auftrieb für die Suche nach passenden Anwendungen. Obwohl die Yang-Mills-Theorie ursprünglich für die Isospinsymmetrie der starken Wechselwirkung entwickelt worden war, sollte sie zunächst erfolgreich auf die schwache Wechselwirkung angewendet werden. Wie bereits erwähnt wurde, sind beim ß-Zerfall des Neutrons und Myons nur der Linksschraubenanteil ef; und μ£7 des Elektrons und Myons beteiligt. Ferner treten nur die Linksschraubenanteile v L der entsprechenden Neutrinos in der Natur auf. Es liegt daher nahe, die beim ß-Zerfall des Neutrinos (analog für das Myon) beteiligten Linksschraubenanteile analog dem Heisenbergschen Nukleon in einer 2komponentigen Wellenfunktion zusammenzufassen und als Linksdublette zu notieren:
Bei globaler SU (2)-Symmetrie werden die Zustände der 2-komponentigen Wellenfunktionen L überall und zur gleichen Zeit in gleicher Weise verändert. Für eine lokale SU (2)-Symmetrie müssen entsprechend den drei erzeugenden Gruppentransformationen drei Eichfelder eingeführt werden. In Analogie zur lokalen Isospinsymmetrie in Abb. 4 bezeichnen wir das neutrale Eichfeld mit W° und die beiden geladenen Eichfelder mit W^. Mathematisch ist die SU (2)-Kombination der drei Eichfelder in der folgenden Matrixdarstellung notiert: 119 er
1,8 119
vL
eL
w« w-
vL
w+
Vgl. auch E. S. Abers/B. W. Lee, Gauge Theories, in: Physics Reports 9 C 1973,1. Vgl. auch H. Rollnik, s. Anm. 108, 717 ff.; ders., Ideen und Experimente für eine einheitliche Theorie der Materie, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften Vortrag Ν 286, Opladen 1979, 18 ff.; H. Georgi, Vereinheitlichung der Kräfte zwischen den Elementarteilchen, in: H. G. Dosch (Hrsg.), s. Anm. 92, 144 ff.
482
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Physikalische Beispiele zeigen die folgenden Feynman-Diagramme:
a
b
So wird z. B. in Abb. 6 a einem linkshändigen Neutrino vL durch W~ eine negative Ladung zugeordnet und ein linkshändiges Elektron ef erzeugt. Allgemein übertragen die W + -Felder schwache und elektrische Ladungen von + 1 , die W~-Felder von —1, während die W°-Felder ähnlich wie das Photon neutral sind. Die gleichen Eichfelder bewirken den ß-Zerfall des Neutrons und Myons. In Abb. 7 wird in einem Feynman-Diagramm der ß-Zerfall des Neutrons festgehalten. Bei der Umwandlung des Neutrons in ein Proton wird ein W~-Feldquant emittiert, das in einem Elektron-Antineutrinopaar materialisiert wird. (Wegen der PC-Parität wird dem rechtshändigen Antineutrino ein linkshändiges Neutrino mit umgekehrter Pfeilrichtung zugeordnet, für das die Verknüpfung mit dem W~-Eichfeld erklärt ist). Die drei Eichfelder der lokalen SU (2)-Symmetrie vermitteln also die paritätsverletzende schwache Wechselwirkung. Wie bereits erwähnt wurde, sind die drei SU (2)-Eichfelder physikalisch nur sinnvoll, wenn sie über kurze Distanzen wirken und ihre Feldquanten entsprechend mit großen Massen versehen sind. Physikalisch kann man sich diesen Vorgang analog der lokalen Isospinsymmetrie durch einen Higgs-Mechanismus bei einer spontanen Symmetriebrechung realisiert vorstellen. Für eine Vereinigung der schwachen mit der elektromagnetischen Wechselwirkung scheinen jetzt aber unüberwindliche Hindernisse aufgetürmt. Wie läßt sich eine SU ^ - S y m metrie mit massiven Feldquanten und kurzer Reichweite und eine U(l)-Symmetrie mit einem masselosen Feldquant (nämlich dem Photon) und unbegrenzter Reichweite auf eine gemeinsame Symmetrie zurückführen? 1967 schlugen S. Weinberg, A. Salam und C. Ward eine solche Vereinigung vor und gingen dabei wieder von einer genialen Symmetriehypothese aus. 120 Sie nahmen an, daß in einem hypothetischen 120
A. Salam (1967), in: Elementary Particle Theory: Relativistic Groups and Analyticity (Nobel Symposium No 8), Hrsg. Ν. Svartholm, Stockholm 1968; S. Weinberg, Phys.
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
483
Anfangszustand die schwache und elektromagnetische Wechselwirkung ununterscheidbar sind und in diesem Sinne eine gemeinsame Kraft bilden, die durch eine SU (2) xU (l)-Symmetrie beschrieben wird. Dieser Symmetrie entsprechen drei Eichfelder der SU (2)-Symmetrie der schwachen Wechselwirkung und ein Eichfeld der U(l)-Symmetrie der elektromagnetischen Wechselwirkung. Im hypothetischen Anfangszustand seien die Feldquanten der vier Eichfelder masselos und von unbegrenzter Reichweite. Dem U (1)-Anteil entspricht ein ungeladenes Eichfeld B°, das nur Übergänge zwischen gleichartigen Zuständen vermittelt. Entsprechend zur Matrixdarstellung in (5) wird es daher nur in der Diagonalen notiert:
(6)
e e VL
vL
B° B°
Das neutrale B°-Eichfeld ist also sowohl mit den Linksdubletten (4) als auch dem rechtsdrehenden Elektron e£ verknüpft. Physikalische Beispiele für die Wechselwirkungen der neutralen B°-Feldquanten mit Neutrinos und Elektronen zeigen die Feynman-Diagramme:
In der kombinierten SU(2)xU(l)-Symmetrie werden die neutralen Eichfelder B° und W° aus den Matrizen (5) und (6) zu neutralen Eichfeldern A° und Z° kombiniert: Rev. Lett. 19 1967, 1264; vgl. auch J. Iliopoulos, s. Anm. 113, 18 ff.; C. Itzykson/J.B. Zuber, s. Anm. 89, 620 ff.
484
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
ef
(7)
vL
ef
A° w-
vL
W+ z°
Im ersten Fall entspricht das Eichfeld A° der Eichtransformation, die nur geladene Teilchen e f und eä mit dem gleichen Phasenfaktor multipliziert. Das ist die Eichtransformation der Elektronenwellenfunktion, deren zugeordnetes Eichfeld das elektromagnetische Viererpotential A° ist (vgl. (2), (3) in 4.31): Da dieses Eichfeld keine Ladung trägt, ist es zusätzlich mit dem Hochindex 0 versehen und kann als Linearkombination der neutralen Felder B° und W° aufgefaßt werden: (8)
A° = cos ©w B° + sin © w WJ>.
Dabei ist der reelle sog. „Weinberg-Winkel" © w so gewählt, daß die mit B® und W" verbundenen Paritätsverletzungen sich kompensieren. In der zu (8) orthogonalen Kombination (9)
Z° = - sin 0 w Κ + cos 0 W W°
heben sich die Paritätsverletzungen von B° und W° nicht mehr auf. Das Eichfeld Z° vermittelt daher eine neutrale, paritätsverletzende Wechselwirkung zwischen schwachen Ladungen, wie sie Neutrinos tragen. S. Glashow gab erstmals die SU(2)xU(l)-Symmetrie an. Er hatte aber keine Lösung, um den Feldquanten der W — und Z°-Eichfelder Massen zuzuordnen, während das Photon als Feldquant des A°-Eichfeldes masselos bleiben sollte. Das war aber aus den schon genannten Gründen notwendig, um die Theorie physikalisch anwendbar zu machen. Dazu benutzten S. Weinberg und A. Salam das Konzept der spontanen Symmetriebrechung. Im hypothetischen Anfangszustand der SU(2)xU(l)-Symmetrie sind die Feldquanten der Eichfelder zunächst masselos und von unbegrenzter Reichweite. Eine spontane Symmetriebrechung liegt dann vor, wenn das Vakuum, in dem sich die Eichfelder ausbreiten, nicht symmetrisch ist. In diesem Fall treten skalare Feldquanten („Goldstone-Partikel") auf, die nach dem Higgs-Mechanismus von den Eichfeldern „geschluckt" werden und so für massive Eichbosonen sorgen. Für eine spontane Brechung der SU(2)xU(l)-Symmetrie sind entsprechend den vier Eichfeldern vier skalare Feldquanten („Higgs-Felder") erforderlich. Nach
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
485
dem Higgs-Mechanismus werden drei skalare Feldquanten benötigt, um die geladenen W ± -Vektorbosonen und das neutrale Z°-Vektorboson massiv zu machen. Das vierte Eichboson ist das Photon der elektromagnetischen Wechselwirkung, das masselos ist. Daher bleibt das vierte skalare Higgs-Feldquant nach der Symmetriebrechung übrig und müßte beobachtbar sein. Aus der Symmetrieannahme der schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung ist schrittweise eine prüfbare physikalische Theorie geworden. So wurden Z°-Teilchen vorausgesagt, die neutrale schwache Ströme bewirken. Durch den Austausch solcher Teilchen treten zwei Teilchen in Wechselwirkung, ohne ihre Ladung zu ändern. Tatsächlich konnten die neutralen schwachen Ströme 1973 erstmals in CERN beobachtet werden. Mit der Weinberg-Salam-Theorie können ferner die Massen der Vektorbosonen W* und Z° berechnet werden. Sie wurden 1983 mit großer Genauigkeit experimentell bestätigt. 121 Um die W*- und Z°-Bosonen frei erzeugen zu können, sind Energien von ca. 100 Gigaelektronenvolt notwendig. Unter dieser Voraussetzung lassen sich Teilchen mit einem Durchmesser von ca. 10~ 16 cm untersuchen. Nach der Heisenbergschen Unschärferelation ist die Energie umgekehrt proportional zum Durchmesser. Bei Energien von mehr als 100 Gigaelektronenvolt und geringeren Entfernungen als 10~16 cm läge eine vollkommene SU(2)xU(l)-Symmetrie vor, bei der die W 1 - und Z°-Feldquanten ebenso schnell ausgetauscht würden wie das Photon. Bei niedrigeren Energien kommt es zur Symmetriebrechung. Die Energien reichen dann nicht mehr aus, um Feldquanten frei zu erzeugen. Dann können die Teilchen nicht mehr frei und direkt beobachtet werden, sondern nur noch durch die Auswirkungen virtueller Teilchen. Dafür ist der ß-Zerfall instabiler Atomkerne ein Beispiel. Das war auch der Ausgangspunkt für die Theorie der schwachen Wechselwirkung. Die SU(2)xU(l)-Symmetriezustände, die unter aufwendigen Laborbedingungen hergestellt wurden, erscheinen demgegenüber eher künstlich. Allerdings handelt es sich dabei nicht um menschliche „Erfindungen", um Produkte von Teilchenbeschleunigermaschinen, die gewissermaßen erst durch den Ideenreichtum des Menschen in die Natur gekommen sind (wie z. B. das Auto oder das Flugzeug). Im Rahmen der physikalischen Kosmologie erweist sich die S U ( 2 ) x U ( l ) Symmetrie vielmehr als ein realer Zustand des Universums, der in 121
D. B. Cline/A. K. Mann/C. Rubbia, The Detection of Neutral Weak Current, in: Scientific American 231 (Heft 6) 1974, 108-119; M. Böhm, Zur Entdeckung des W-Bosons, in: Physik in unserer Zeit. Mai 1983, 92.
486
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
einem bestimmten Entwicklungsstadium unter bestimmten Temperatur- und Energiebedingungen des Universums geherrscht haben muß und keineswegs bloß hypothetisch ist. Vom kosmologischen Standpunkt aus wird sich die SU(2)xU(l)-Symmetrie keineswegs als eine bloß technische Projektion des Menschen in der Natur erweisen. Die Natur selber ist vielmehr das gewaltige Hochenergielaboratorium, dessen Symmetriezustände in unserem menschlichen Laboratorium teilweise „nachgemacht" werden können. Über die naturphilosophische Bewertung der Elementarteilchensymmetrien aber später noch mehr. Für die mathematisch-physikalische Bewertung der SU(2)xU(l)Eichtheorie war sicher entscheidend, daß sie ebenso wie die U ( l ) Theorie der Quantenelektrodynamik renormierbar ist. Sie beinhaltet jedoch keine vollständige Vereinigung der schwachen und elektromagnetischen Kräfte, da sie jeweils für beide Kräfte eine eigene Symmetriegruppe vorsieht. Jeder dieser beiden Symmetriegruppen entspricht eine eigene Kopplungskonstante, deren Verhältnis durch den Tangens des schon erwähnten Weinberg-Winkels definiert ist. Um die Einbettung der schwachen und der elektromagnetischen Kräfte in eine höhere Symmetriegruppe studieren zu können (4.34), muß zunächst die Symmetrie der starken Kräfte bestimmt werden. 4.33 Quantenchromodynamik: Symmetrie der starken Kräfte Die starke Kraft war zunächst als Kernkraft bekannt, die Proton und Neutron im Atomkern zusammenhält. In den 50er und 60er Jahren entdeckte man eine Fülle von neuen Teilchen, die mit der starken Kraft in Wechselwirkung standen, erzeugt und vernichtet wurden und deshalb Hadronen (gr. άδρός — stark) hießen. Mit stärkeren Teilchenbeschleunigern und Energien ließen sich immer weitere Hadronen erzeugen, d. h. die Entdeckung und Untersuchung dieser Teilchen erwies sich als abhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand der Hochenergietechnologie. In den 50er Jahren wurden die Teilchenumwandlungen bereits als charakteristische Eigenschaft der Hochenergiephysik herausgestellt. Aus der Häufigkeit der Umwandlungen schloß man auf die Stärke der Kräfte, die bei den Reaktionen der Teilchen auftreten. Dabei wurde zwischen den starken, elektromagnetischen, schwachen und gravitierenden Wechselwirkungen unterschieden, deren Verhältnis in dieser Reihenfolge etwa mit 1 : 10~ 2 : 10~ 14 : 10~39 eingeschätzt wurde. Von einer Quantenfeldtheorie der starken Kraft war man jedoch in dieser Zeit weit entfernt. Wissenschaftshistorisch zeigt die Physik der starken Kräfte vielmehr ein Entwicklungsschema, das mit einer un-
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
487
übersehbaren empirischen Mannigfaltigkeit von ungeordneten Meßdaten und Teilchenentdeckungen (Zoo der Hadronen) beginnt. In einer zweiten Phase werden erste Gemeinsamkeiten und Analogien bemerkt, die zu ersten Ordnungsschemata führen, allerdings weitgehend approximativ bleiben, als ad-hoc-Hypothesen empfunden werden und keinesfalls eine physikalische Begründung liefern. Erst in der letzten Phase werden diese Schemata auf die grundlegende Symmetrie einer Quantenfeldtheorie zurückgeführt, deren Erklärungen und Prognosen mit großer Genauigkeit bestätigt werden. 122 Man unterscheidet Hadronen nach ihrem Spin in zwei Klassen — die Baryonen wie z. B. Proton und Neutron, deren Spin ein ganzzahliges 1 1 3 Vielfaches von — ist (also —, —, ...) und die Mesonen wie z. B. das Pion mit ganzzahligem Spin 0,1, .... Baryonen und Mesonen können auch durch die sog. Baryonenzahl Β unterschieden werden, indem man einem Baryon Β = + 1 , einem Antibaryon Β = — 1 und einem Meson Β = 0 zuordnet. Es war eine merkwürdige experimentelle Tatsache, daß die Baryonenzahl bei einer Wechselwirkung, d. h. die Summe der Baryonenzahl aller an einer starken Wechselwirkung beteiligten Baryonen erhalten bleibt. Weitere Klassifizierungen wurden durch sog. Ladungsmultipletts erreicht, in denen man Hadronen mit bestimmten gemeinsamen Eigenschaften (Quantenzahlen) zusammenfaßte und von kleinen Massendifferenzen und elektromagnetischen Unterschieden (ζ. B. Ladung, magnetisches Moment) absah. 123 Das geschah nach dem Muster von Heisenbergs Zweier-Multiplett (Dublett) aus Proton und Neutron. Weitere Beispiele sind das Ladungstriplett der Pionen π + , π°, π~, das Hyperonentriplett Σ~, Σ°, Σ + oder das Ladungsquartett der Δ-Resonanzen Δ", Δ°, Δ+, Δ + + . Diese Ordnungsschemata setzen die empirische Tatsache voraus, daß innerhalb eines Ladungsmultipletts alle ganzzahligen Vielfachen der Elementarladung e zwischen einem minimalen Wert Q min und einem maximalen Wert Q max liegen. Jede Ladung innerhalb eines Multipletts läßt sich danach durch (1)
Q =
Qmin +
Qmax
+ η
122 Vgl. auch H. Rollnik, Teilchenphysik I. Grundlegende Eigenschaften der Teilchen, Mannheim 1971, Kap. I; D. H. Perkins, Introduction to High Energy Physics, Reading Mass. 1972; Particle Data Group, in: Phys. Lett. 50 Β 1974,1. 123 Vgl. auch Η. Rollnik, Teilchenphysik II. Innere Symmetrien der Teilchen, Mannheim 1971, Kap. III; J. P. Elliott/P. G. Dawber, s. Anm. 42, chap. 11.
488
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
ausdrücken, wobei η den Abstand vom Ladungsschwerpunkt (Qmin + 1 Qmax)/2 bezeichnet und die Werte 0, ± 1, ± 2, ..., ± — (Qmax - Qmin) annehmen kann. Der Ladungsschwerpunkt wird (in Analogie zu den Spin-Quantenzahlen) als neue Isospinquantenzahl Τ eingeführt, der Abstand η als Isospin-Quantenzahl T 3 mit den Werten — Τ, — Τ + 1, ... Τ — 1, Τ. Die Summe Qmin + Q max bzw. das Doppelte des Ladungsschwerpunktes wird als Hyperiadung Y definiert. Insgesamt ergibt sich für die Hadronen die Gell-Mann/Nishijima Formel (2)
Q = i - Y + T3.
Für eine äquivalente Beschreibung der Hyperiadung wird häufig die Eigenschaft „Seltsamkeit" (strangeness) S eingeführt, wobei S = Y für Mesonen und S = Y — 1 für Baryonen gilt, also allgemein S = Y — B. Der Vorteil von S ist, daß die historisch zunächst bekannten Partikel wie das π-Meson und Nukleon den Wert S = 0 haben, während den neueren Teilchen wie das K-Meson „seltsame" Eigenschaften zugeschrieben wurden und sie daher eine „Seltsamkeit" S φ 0 erhielten. _ι 2
t
r
-Κ
Μ
Μ
*-
Δ"
Δ°
Δ+
Δ+
Abb. 1
Die Ladungsmultipletts können geometrisch-anschaulich in Diagrammen dargestellt werden. 124 In Abb. 1 sind das Nukleondublett Ν (Baryon), das Pionentriplett π (Meson) und das Δ-Resonanzenquartett auf der Isospinachse abgetragen. In 2-dimensionalen T3-Y Diagrammen können folgende Multipletts graphisch dargestellt werden. In 1 Abb. 2 a bilden die Baryonen mit Spin — ein Oktett. Im Punkt Y = 0 und T 3 = 0 liegen zwei Teilchen Σ 0 und A°. In Abb. 2 b ist das entsprechende Antibaryonen-Oktett gezeichnet. Abb. 2 c zeigt das Baryo3 nen-Resonanzen-Dekuplett mit zehn Teilchen mit Isospin —. Bemer124
Vgl. auch C. Itzykson/J.-B. Zuber, s. Anm. 89, 513 ff.
489
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
w
Abb. 2a
Abb. 2b
Abb. 2c
kenswert ist, daß das Dekuplett in Abb. 2c zur Entdeckung des Ω~3 Teilchens (1964) mit T 3 = Ο, Y = - 2 und Spin — führte. Trotz dieses heuristischen Erfolges wirkten die Teilchenmultipletts auf viele Physiker zunächst wie die mystischen Symmetrien kabbalistischer Diagramme, deren einfache Kombinationsregeln zwar gelernt werden können, deren Begründung aber im Dunkeln bleibt. Den mathematisch entscheidenden Schritt taten 1962 M. Gell-Mann und Y. Ne'emann, als sie die Symmetrien in der T 3 -Y-Ebene als (irreduzible) Darstellungen einer gemeinsamen unitären Gruppe erkannten. 125 Ge125
Vgl. auch W. Greiner/B. Müller, s. Anm. 42, Kap. 7.
490
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
meint ist die spezielle unitäre Gruppe in 3 Dimensionen SU (3), deren Transformationen durch unitäre 3x3 Matrizen dargestellt werden. Sie können durch 32 — 1 = 8 hermetische Matrizen (analog zu den 22 — 1 = 3 Matrizen von SU (2)) vollständig erzeugt werden. Da SU (2) eine Untergruppe von SU (3) ist, werden drei Erzeugende von SU (3) aus den drei Pauli-Matrizen von SU (2) (vgl. (3) in 4.32) für drei Dimensionen konstruiert:
Die Spur dieser Erzeugenden ist wieder Null. Sie erfüllen als Operatoren wieder bestimmte Vertauschungsrelationen und definieren damit die Lie-Algebra der Gruppe SU (3). Die mathematische Theorie dieser Lie-Algebren ist seit 1894 bekannt, als E. Cartan eine Klassifikation sämtlicher (halb-einfacher) Lie-Algebren angeben konnte. Physikalisch entscheidend ist nun, daß damit acht Operatoren definiert werden können, mit deren Eigenwerten sich die Hadronenmultipletts in der Ebene konstruieren lassen. Neben den beiden Operatoren Ϋ und T 3 für Hyperiadung und Isospin handelt es sich um die sechs sog. Schiebeoperatoren T ± , V+, Üj., deren Eigenwerte als Quantenzahl aufgefaßt werden. Der Operator V ± erhöht bzw. erniedrigt die Quan1 tenzahl T 3 von T 3 um —, die Quantenzahl Y von Y um 1. Der Operator Ü+ erhöht bzw. erniedrigt T 3 um —, Y um 1. Der Operator T+ erhöht bzw. erniedrigt T 3 um 1 und Y überhaupt nicht. In Abb. 3 ist die Wirkung der Schiebeoperatoren dargestellt. Dabei sind die Einheiten der Y-Achse
χ Einheiten der T3-Achse, so daß die Schiebeope-
ratoren gleichseitige Dreiecke bilden. Die Multiplettdarstellungen in der T3-Y Ebene sind durch diese acht Quantenzahlen bestimmt. Mit Anspielung auf die buddhistische Weis-
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
491
Abb. 3
heitslehre sprach man auch vom „achtfachen Weg", der notwendig ist, um hinter der Teilchenvielfalt die zugrundeliegende Symmetrie zu erkennen. 126 Naturphilosophisch muß man sich jedoch darüber klar sein, daß der „achtfache Weg" in diesem Forschungsstadium keineswegs das platonische Programm einlöst und die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen auf eine Symmetrie vollständig zurückführt. Bei den einzelnen Multipletts wird ja angenommen, daß ihre Teilchen exakt dieselbe Masse besitzen, was keineswegs der Fall ist. Daher bleibt die SU (3)-Symmetrie der Hadronenmultipletts vorläufig nur eine approximative Beschreibung. Im einzelnen ist ein SU (3)-Multiplett aus T-Multipletts parallel zur Y-Achse, V-Multipletts entlang den V-Linien und U-Multipletts entlang den U-Linien aufgebaut. Aus der Algebra der acht Operatoren läßt sich ableiten, daß die SU (3)-Multipletts regelmäßige, aber nicht notwendig gleichseitige Sechsecke von der Form in Abb. 4 sind. Ein Teilchen kann als Zustand des Multipletts aufgefaßt werden. In endlichen Multipletts gibt es immer einen maximalen Zustand \J/max mit maximalem T3-Wert (in Abb. 4 rechts außen), aus dem sich durch pfache Anwendung des V_- und q-facher Anwendung des T_-Operators der Rand des Multipletts erzeugen läßt. Ein SU (3)-Multiplett wird daher auch durch die Formel D (p, q) = [m] mit der Zustandszahl m charakterisiert. In Abb. 4 sind mathematische Beispiele aufgeführt. 126
M. Gell-Mann/J. Ne'eman, The Eightfold Way, New York 1964.
492
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft j SlnguMt WOPMll
I*
DII.IMfl]
Ddfll-Ol·^ ^ Λ » *
λ Λ Νk7 / λ
DI2JM15]
D(2J0M6J\
M5J
/
%
J
\
1
'
"
1
\
/ A
'
DQJDMK)] \
Dt2,2W27]
-1 Ι (-1 2
DIOpMCl
/ 1 \» γ
-y μι
\
0(7,3)· [192] Abb. 4
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
493
Wissenschaftstheoretisch ist die SU (3)-Symmetrie in diesem Stadium bestenfalls eine denkökonomische, ästhetische und mehr oder weniger genaue (approximative) Beschreibung der Hadronenvielfalt, aber keine physikalische Begründung. Es bleibt vor allem folgende Frage offen: Während Mesonen nur in Singuletts und Oktetts mit jeweils 1 bzw. 8 Zuständen („Teilchen") auftreten, werden bei Baryonen nur Singuletts, Oktetts und Dekupletts gefunden (vgl. Abb. 2). In der Natur treten also offenbar nur diese drei Darstellungen der SU (3)-Symmetrie auf, während mathematisch auch Multipletts mit 3, 6, 15 etc. Mitgliedern (vgl. Abb. 4) möglich sind. Die Erklärung gaben Gell-Mann und G. Zweig 1963 mit dem Vorschlag, alle Hadronen auf wenige elementare Bausteine zu reduzieren.127 Diese sollten die beiden Multipletts [3] und [3] mit 3 Teilchen {„Quarks") bzw. Antiteilchen („Antiquarks") realisieren. Mathematisch handelt es sich um die beiden einfachsten nicht-trivialen SU (3)Darstellungen, wenn man das Singulett [1] als triviale Darstellung bezeichnet. Wenn man mit Gell-Mann annimmt, daß jedes Meson sich aus einem Quark und einem Antiquark und jedes Baryon aus 3 Quarks zusammensetzt, dann ist bei 3 möglichen Bausteinen von Quarks die Auszeichnung der in der Natur beobachteten Multipletts verständlich. Dann gibt es nämlich genau 32 = 9 Möglichkeiten für ein Meson und 33 = 27 Möglichkeiten für ein Baryon, aus Quarks zusammengesetzt zu werden. Es gelten die Zerlegungen 9 = 1 + 8 und 27 = 1 + 2 · 8 + 10, die genau den in der Natur nachgewiesenen Singuletts, Oktetts und Dekupletts entsprechen. Mathematisch können nämlich die SU (3)-Multipletts aus (Tensor-) Produkten der Triplettdarstellung gebildet werden und umgekehrt. 128 Für den Mesonenaufbau sei hier die Ausreduktion des Produktes (4)
[3] ® [3] = [8] φ [1]
anschaulich-graphisch erläutert. An jedem Endpunkt eines Vektors des ersten Multipletts [3] werden alle Vektoren des zweiten Multipletts [3] angetragen. Die Endpunkte ergeben die möglichen Endzustände im T3-Y-System. Es entsteht dann ein Diagramm mit einem mehrfach besetzten Mittelpunkt, das in ein Oktett und ein Singulett zerlegt werden kann. Entsprechend kann die Zerlegung (5) 127
128
[3] ® [3] ® [3] = [1] ® [8] φ [8] φ [10] Zur Geschichte vgl. auch S. L. Glashow, Quarks mit Farbe und Flavor, in: H. G. Dosch (Hrsg.), s. Anm. 92, 16 — 30; H. Fritzsch, Quarks. Urstoff unserer Welt, München 1981. Dazu auch W. Greiner/B. Müller, s. Anm. 42, Kap. 8.
494
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft Vi
[β]
©[1]
Abb. 5
für den Baryonenaufbau bewiesen werden. Allgemein lassen sich alle bekannten Hadronenmultipletts auf die Tripletten der Quarks zurückführen. Wenn Gell-Manns Erklärungen nicht bloße mathematische Spielereien sein sollten, dann mußte die Existenz der Teilchen, die den beiden Tripletts genügen, nachgewiesen werden. Als Singulett mit 1 Y = T 3 = 0 wurde das Λ-Hyperon mit Spin — interpretiert. Für die Quarks der beiden Tripletts ergaben sich aber physikalisch merkwürdige Eigenschaften aus der mathematischen Darstellung, die zunächst an ihrer Existenz zweifeln ließen. Die Darstellungen [3] und [3] ent1 1 halten jeweils ein Isodublett mit T, = + — und T2 = —— und ein Isosingulett mit T 3 = 0 (Abb. 4). Interpretiert man ein Teilchen als Zustand ψν mit ν = 1, 2, 3 des Tripletts [3] und entsprechend ein Antiteilchen als Zustand ψν von [3], dann gelten die Eigenwertgleichungen (6)
T 3 Ψν = Τψ ν .
1 1 2 Die Hyperladungen Y( = —, Y2 = — und Y3 = — ergeben sich als Eigenwerte des Y-Operators (7)
Ϋ ψ ν = Yv ψν ·
Für die Antiteilchen ij/v erhält man die jeweils entgegengesetzten Hy1 1 2 perladungen — — , —— und — . Wegen (2) folgt dann für die Ladungen
495
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
(8)
0 Ψ , = ( y Y + ί 3 ) ψ ι = ( y y + y ) ψ, = y ψ, QV|/2 = ( y Ϋ + T 3 ) v|/2 - ( y y - y ) ψ 2 = - y v|/2
0ψ3 = Entsprechend 2 1
[y
Ϋ + T 3 ) ψ3 = ( y ( - y
lauten f ü r die Antiteilchen 1 J
+ 0 v|/3 = - y ψ 3 · \J/V die Ladungswerte
- y , + y u n d + y .
Für die Quarks ψ], \|/2 und ψ 3 haben sich die Bezeichnungen „up" (u), „down" (d) und „strange" (s) eingebürgert. Antiquarks werden entsprechend mit ü, 3, s bezeichnet. Die Bezeichnung „Quark" geht auf ein Wortspiel in James Joyce „Finnegans Wake" zurück. Dort ist in verschlüsselter Form von einem Herrn Finn die Rede, der manchmal mit seinen drei Kindern („quarks") identifiziert wird. Gell-Mann mit seinem Sinn für sprachliche Finessen hat diese Anspielung auf Hadronen (Baryonen) und ihre Zusammensetzung aus drei Quarks gewählt. Es ist bemerkenswert, daß die mathematische Theorie der starken Kräfte mit ihren kunstvollen Diagrammen und literarischen Wortspielen gewisse Ähnlichkeiten mit kabbalistischen Traditionen aufweist. Gell-Mann, der maßgeblich an der Entwicklung dieser Theorie beteiligt war, scheint für diese Aspekte besonders sensibel. Der Verfasser erinnert sich an einen Besuch in Gerona (Spanien), als Gell-Mann dort anläßlich einer Symmetriekonferenz mit tiefer Bewunderung über dieses mittelalterliche Gelehrtenzentrum spanischer Juden sprach, in dem auch die jüdische Kabbalistik in Blüte war. Kulturelle Traditionen und ästhetische Neigungen mögen zwar methodisch für die Theorieentwicklung keine Rolle spielen. Im psychologischen Hintergrund des Forschungsprozesses wirken sie jedoch häufig in unbewußter Weise und dürfen daher nicht ausgeblendet werden, wenn man den gesamten Forschungsprozeß als kulturelle Leistung des Menschen in den Blick nimmt. Analog zu Isospin, Hyperiadung und Ladung lassen sich auch die übrigen Größen der Quarks wie z. B. Baryonenzahl B, Seltsamkeit S bestimmen. Dabei muß darauf geachtet werden, daß die jeweilige Quarkeigenschaft zu den entsprechenden Größen der Hadronen paßt. 1 1 So erhält ein Quark die Baryonenzahl + y , ein Antiquark — — , so
496
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
daß sich für ein Baryon wieder insgesamt die Baryonenzahl 3 · — = 1 + 1 und für ein Meson —
1 — = 0 ergibt. Entsprechend werden den
Quarks halbzahlige Spins zugeordnet, damit ein Baryon aus einer ungeraden Anzahl von Quarks wieder einen halbzahligen Spin, ein Meson aus einer geraden Anzahl von Quarks einen ganzzahligen Spin erhält. Da u und d fast dieselbe Masse haben und in ihren übrigen Eigenschaften mit Ausnahme der Ladung übereinstimmen, werden sie analog zu Proton und Neutron oder Neutrino und Elektron zu einem Isospin-Dublett zusammengefaßt, während das s-Quark ein IsospinSingulett ist. Für die bekannten Hadronen reichten die drei Quarks und die drei Antiquarks zunächst aus. Beispiele solcher Kombinationen sind Baryonen wie das Proton ρ = uud, das Neutron η = ddu usw. und die Mesonen π + = du, π~ = üd etc. Mittlerweile wurden Hadronen entdeckt, deren Eigenschaften nicht mehr mit diesen drei Quarktypen allein erklärt werden können. Es wird daher von der Existenz weiterer Quarks ausgegangen, die „Charm" (c) und „Bottom" (b) genannt werden. Einem sechsten Quark „top" (t) ist man auf der Spur. Für unsere Symmetriebetrachtung bedeuten diese Entdeckungen, daß der „achtfache Weg" der SU(3)-Gruppe nicht ausreicht. Die zusätzliche Berücksichtigung des c-Quarks, das zur Erklärung des 1974 entdeckten Mesons J/ψ herangezogen wurde, sei abschließend angedeutet. 129 Dazu wird eine weitere Quantenzahl C eingeführt, die für das Charm-Quark C = 1 ist, für die bereits bekannten Quarks u, d, s aber C = 0 annimmt. Für das Antiquark c gilt entsprechend C = — 1. Für c ist ferner T 3 = Y = 0. Wie T 3 und Y ist C eine dritte additive ladungsartige Quantenzahl. Die graphischen Darstellungen der Multipletts sind daher 3-dimensional in einem T 3 -Y-C Diagramm. An die Stelle des Tripletts [3] und Antitripletts [3] in SU (3) (vgl. Abb. 4) müssen nun ein Quartett [4] und ein Antiquartett [4] als kleinste nichttriviale Darstellung der neuen Symmetriegruppe treten (Abb. 6). Diese Voraussetzungen erfüllt die spezielle unitäre Gruppe in 4 Dimensionen SU (4). Sie besitzt 42 — 1 = 15 erzeugende Transformationen, die durch entsprechende 4x4-Matrizen dargestellt werden. Die ersten acht Matrizen entstehen durch Verallgemeinerung der acht Matrizen (3) von SU (3) für 4 Dimensionen. Der Aufbau der Hadronen129
Vgl. auch W. Greiner/B. Müller, s. Anm. 42, Kap. 11; J. P. Elliott/P. G. Dawber, s. Anm. 42, chap. 12.4.
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
497
Abb. 6
multipletts muß analog zu (4) und (5) für die SU (3)-Darstellungen auf die Mesonenkombination [4] (g) [4] und die Baryonendarstellung [4] (x) [4] (x) [4] zurückgeführt werden. Für die Mesonenkombination ergeben sich mathematisch nach Reduktion des Tensorprodukts das Singulett [1] und eine Darstellung [15], für die Baryonenkombination Darstellungen [4], [20] und [20]'. Dabei haben die Multipletts [20] und [20]' beide zwanzig Zustände, aber unterschiedliche T 3 Y-Kombinationen. Damit sind wieder Mesonen- und Baryonenmultipletts in der Natur erklärt. Naturphilosophisch erinnern die symmetrischen Figuren und Körper der SU (3)- und SU (4)-Darstellungen an das platonische Programm, wonach hinter der Mannigfaltigkeit der Materie die unveränderlichen Formen der Geometrie liegen. Allerdings muß auch hier darauf hingewiesen werden, daß diese Multipletts wegen des minimalen, aber faktischen Unterschieds ihrer Teilchenmassen nur approximativen Wert besitzen. Bei dem Versuch, das Quantenmodell der Hadronen im Rahmen einer Quantenfeldtheorie zu verstehen, zeigt sich bald eine grundlegende Schwierigkeit. Wie erwähnt wurde, müssen Quarks einen halbzahligen Spin haben. Sie sind damit im Rahmen der Quantentheorie Fermionen und genügen der Fermi-Dirac-Statistik. Insbesondere unterliegen sie aber dann dem Pauli-Prinzip, wonach in einem System keine Teilchen mit identischen Quantenzahlen auftreten dürfen. Das ist aber bei den Quarks in den Hadronen der Fall, obwohl es quantentheoretisch nur für Bosonen erlaubt ist. Der entscheidende Vor-
498
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
schlag zur Lösung dieses Widerspruchs wurde 1964 von O. W. Greenberg gemacht. Er schlug nämlich vor, für Quarks zusätzlich drei neue Freiheitsgrade zu unterscheiden. Danach stimmen Quarks in Masse, Ladung, Spin etc. völlig überein, aber nicht in der zusätzlich eingeführten Eigenschaft. In Kap. 2.13 wurde gezeigt, wie in Symmetriegruppen der Mathematik zusätzliche Symmetrieeigenschaften berücksichtigt werden können, wenn man die ursprüngliche Gruppe um die sog. Farbsymmetrie erweitert. In Analogie zu diesem Vorgehen bei diskreten Gruppen soll nun bei den SU-Symmetrien der Quarks vorgegangen werden. Wir interpretieren die drei neuen Freiheitsgrade nämlich anschaulich als Farben, z. B. Rot (R), Grün (G), Blau (B). Dann dürfen nach dem Pauli-Prinzip die drei Quarks eines Baryons in allen Eigenschaften übereinstimmen (z. B. sss), wenn sie nur unterschiedliche Quarkfarben tragen. Da diese Freiheitsgrade nach außen nicht wirken dürfen, muß das Hadron insgesamt farbneutral („weiß") bleiben. Entsprechend wird für die Antiquarks die jeweilige Antifarbe (Komplementärfarbe) des Quarks angenommen, so daß auch die Mesonen nach außen „weiß" bleiben. Man spricht auch häufig von Farbladungen, da die Hadronen analog zur elektrischen Neutralität des Atoms nach außen neutral sind. Diese und weitere Regeln zur Zusammensetzung und zum Austausch von Farbladungen sind keinesfalls bloße ad-hoc Hypothesen. Mathematisch können diese Regeln mit der Symmetriegruppe SU (3) abgeleitet werden. Physikalisch erklärt der Wechsel der Farbladungen in den Hadronen exakt die starke Wechselwirkung. Das ist das Thema der Quantenchromodynamik (QCD), die analog zur Quantenelektrodynamik die starken Kräfte durch eine lokale Eichtheorie einführt. 130 Die Farbsymmetrie der Quarks ist im Unterschied zur Hadronenklassifikation in Multipletts exakt. Quarks desselben Typs haben unabhängig von ihrer Farbladung immer exakt dieselbe Masse. Wenn der Anspruch der QCD als lokaler Eichtheorie eingelöst werden kann, kommt dieser SU (3)-Symmetrie eine wesentlich größere Bedeutung zu als den bloß approximativen Klassifikationssymmetrien der Hadronen. Ein Quark kann also drei Farbladungen R, Β oder G besitzen, deren Wechsel durch SU (3)-Transformationen beschrieben wird. Die Dimension 3 ist dabei durch die Anzahl der Farbladungen festgelegt, während die Einschränkung der unitären Gruppe auf die „spezielle" 130
W. Greiner, Theoretische Physik. Bd. 8. Quantenchromodynamik, Thun/Frankfurt 1987; vgl. auch G. 't Hooft, s. Anm. 92; H. Georgi, s. Anm. 119; H. Fritzsch, s. Anm. 127.
499
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
Gruppe SU (3) festhält, daß die Summe der Farbladungen in jedem SU (3)-System gleich Null ist. Anschaulich läßt sich das Quark als ein Ring darstellen, der mit den Farben R, Β und G dreigeteilt ist. Ein Baryon besteht aus drei Quarks mit unterschiedlichen Farbladungen, um nach außen farblos zu sein (vgl. Abb. 7). Wird auf alle Quarks dieses Systems dieselbe Transformation (ζ. B. Drehung des Pfeils um 120°) ausgeführt, so ändert zwar jedes einzelne Quark seinen Farbzustand. Insgesamt entstehen aber wieder drei unterschiedliche Farben, so daß der Farbzustand des Baryons insgesamt unverändert bzw. invariant („farbneutral") bleibt. Damit ist also die globale Symmetrie des Baryons beschrieben. Bei einem Meson, das aus einem Quark und aus einem Antiquark besteht, dürfen die Farben wechseln, so lange das Antiquark die Antifarbe des Quarks trägt. farbloses Hadron
ooo R
G
R
B (j
R
Β
Ci
farbloses Hadron
globale FarbTransformation
OOO R
G
^B
R
B
CJ
R
Β
CJ
Β
Abb. 7
Eine lokale Veränderung einer Farbladung in einem Hadron würde diese Invarianz verletzen. Wird in Abb. 7 nur die Farbladung des dritten Quarks von ζ. B. grün und blau verändert, so sind zwei Quarks im Baryon blau, d. h. das System insgesamt ist nicht mehr weiß. Nach dem Schema der lokalen Eichtheorie müssen also Felder eingeführt werden, um die lokalen Veränderungen zu kompensieren und damit die Symmetrie des Systems zu retten. Da die Farbtransformationen der SU (3)-Gruppe durch 32 — 1 = 8 erzeugende Transformationen vollständig bestimmt sind, müssen acht Farbfelder angenommen werden, deren Feldquanten in der Matrix von Abb. 8 eingezeichnet sind. Der Austausch dieser masselosen elektrisch neutralen Feldquanten mit Lichtgeschwindigkeit und Spin 1 beschreibt die starke Wechselwirkung zwischen Quarks analog zum Photonenaustausch bei der elektromagnetischen Wechselwirkung. Mit Anspielung auf ihre „bindende" Funktion zwischen den Quarks heißen die Feldquanten auch Gluonen (engl, glue — Leim). Im einzelnen sind sechs Gluonen aufgeführt, die einen Farbwechsel bewirken: ζ. B. G r _ g bewirkt den Wechsel von Rot R in Grün G. An
500
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Rot
Grün
Blau
Rot
G, + G 2
GR—.G
GK-B
Grün
GG_R
G, + G 2
GG-B
Blau
Gß—»R
G
B
-G
G, + G 2
Abb. 8
die Stelle dreier Gluonen, die jeweils eine Farbe unverändert lassen, sind zwei farbneutrale Gluonen Gi und G 2 berücksichtigt. Schließlich genügen zwei unabhängige Quarkfarben, um alle drei Quarkfarben zu bestimmen. Im Unterschied zum Photon sind die Gluonen aber (Färb-) Ladungsträger. Um ihre Kompensation bei lokalen Farbtransformationen zu erklären, ordnet man ihnen jeweils eine Farbe und eine Antifarbe zu. Geht in dem Baryon von Abb. 9 z. B. das grüne Quark G in ein blaues Β über, so wird angenommen, daß es gleichzeitig ein Gluon mit der Farbe Grün G und Antiblau Β (Gelb) aussendet. Das blaue Quark Β nimmt dieses Gluon auf und wechselt die Farbe nach Grün G, denn Β + (B + G) = G wegen Β + Β = 0. Im Endzustand sind daher die Farben des zweiten und dritten Quarks nur vertauscht. Das Hadron bleibt insgesamt „weiß". farbloses Hadron
farbloses Hadron lokale FarbTransformation mit Farbfeldern •
ο Oxj R Gluon R
G
Β
Cj
Β
G
B
Abb. 9
Die lokale Farbtransformation am dritten Quark wurde durch ein Farbfeld kompensiert und die Farbsymmetrie insgesamt gerettet. In einem Meson kann ein rotes Quark R ein Gluon G r _ g m i t den Farben Rot R und Antigrün G aussenden und selber Grün G werden, da das zugehörige Antiquark mit der Farbe Antirot R bei der Absorption des Gluons seine Farbe wegen R + (R + G) = G nach Antigrün G wechselt. Das Meson bleibt also farbneutral. In Abb. 10 ist diese starke
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
501
starke Wechselwirkung
Wechselwirkung am Beispiel des Mesons π + = u3 in einem Feynman Diagramm für Farbwechsel dargestellt. Die Richtung eines Farbpfeils nach oben steht für die Farbe, nach unten für die entsprechende Antifarbe. Die Eichtheorie für die Farbwechselwirkungen geht also davon aus, daß die starken Wechselwirkungen durch Farbkräfte bestimmt werden, die die Quarks aneinander binden. Die Wechselwirkungen zwischen Hadronen wie ζ. B. Proton und Neutron im Atomkern sind danach nur Folgen ein- und derselben grundlegenden Kraft, die durch die lokale SU (3)-Eichtheorie der Farbladungen eingeführt werden. Auffallend ist die Ähnlichkeit der mit dem Gluonentausch vermittelten Wechselwirkung mit der durch Photonenaustausch übertragenen elektromagnetischen Wechselwirkung. Elektronen sind in Atomen gebunden und Quarks in Hadronen. Ein Unterschied ist die Reichweite. Die elektromagnetische Wechselwirkung hat unbegrenzte Reichweite, während die starke Wechselwirkung bei Quarkabständen, die größer als 10" 13 cm sind, ganz schnell abnimmt. Im Unterschied zum Elektron ist es jedoch bisher noch nie gelungen, ein Quark aus seinem Hadronenverband zu befreien und einzeln zu beobachten. Andererseits wird in Experimenten deutlich, daß sich die Quarks innerhalb des Hadrons frei bewegen können. Sie sind allerdings nur asymptotisch frei, also in kleinen Entfernungen voneinander. Diese merkwürdigen Eigenschaften des Quarkeinschlusses werden analog zur sog. Vakuumpolarisation erklärt, die wir bereits bei der Diskussion der Renormierungsprobleme der QED angesprochen hatten (4.31).
502
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Man geht in der QED und QCD davon aus, daß eine elektrische Ladung oder eine Farbladung nicht in einem „leeren" Vakuum wirkt, sondern von einer Wolke aus virtuellen Teilchen umgeben ist. Während jedoch in der QED die Wolke der virtuellen Elektronen und Positronen die Ladung des nackten Elektrons teilweise abschirmt, wird in der QCD eine Wolke von virtuellen Quark-Antiquark-Paaren und Gluonen mit verschiedener Wirkung angenommen. Zwar schirmen die QuarkAntiquark-Paare das nackte Quark ab, die Gluonen aber mit ihren eigenen Farbladungen erhöhen sie jedoch. Die Farbladung des nackten Quarks wird bei kleinen Abständen stark abgeschrimt, bei größeren Abständen im Umfang des Einschlußradius jedoch durch die wachsende Anzahl der Gluonen so hoch, daß die Kräfte unendlich stark werden. Dieser Hinweis soll hier genügen, da die Quarkeinschließung bis heute ein offenes physikalisches Problem ist. Zur Symmetrie der starken Kraft lassen sich abschließend zwei Aspekte festhalten. Der historsich ältere Zugang zielte auf Klassifikationssymmetrien der Hadronen, schließlich der Quarks ab. Dieser Zugang hat, wie bereits erwähnt wurde, nur approximativen Wert, da eine Massengleichheit der Multipletteilchen vorausgesetzt wird, die faktisch nicht vorhanden ist. Historisch stehen diese Ansätze in der Tradition von Heisenbergs approximativer Isospinsymmetrie der Atomkerne. Erkenntnistheoretisch werden also Symmetriemodelle als denkökonomische Ordnungsschemata in die Natur projiziert. Man benutzt approximative Symmetriemuster, um sich eine Orientierung in der Vielfalt der Hadronen zu verschaffen, wohlwissend, daß es tatsächlich so nicht ist. Zudem hängen diese Symmetrieordnungen von den Möglichkeiten der Hochenergietechnologie ab. Für das 3-QuarkModell mit u, d, s reichten die Multipletts der SU (3)-Gruppe aus. Nachdem das Quark Charm c bestätigt war, mußte man die Untersuchungen auf die Gruppe SU (4) ausweiten usw. Anders ist die Situation bei der SU (3)-Symmetrie der Farbladungen. Hier liegt, wie bereits erwähnt wurde, eine exakte Symmetrie vor, da in dieser Theorie die Elemente bis auf ihre Farbladungen jeweils exakt dieselben Eigenschaften (z. B. Masse) besitzen: Konkret hat ein Quark u der Farbe Rot bis auf die Farbladung dieselben Eigenschaften wie ein Quark u der Farbe Grün. Die starken Kräfte werden durch die lokale (nicht-abelsche) SU (3)-Eichtheorie der QCD eingeführt, so wie die elektromagnetische Kraft durch die lokale (abelsche) U(l)-Eichtheorie der QED. Diese Symmetrie klassifiziert also nicht nur eine Mannigfaltigkeit, so wie man eine Blumenwiese oder einen Zoo („Zoo der Hadronen") nach gewissen Gemeinsamkeiten gruppiert. Sie liefert eine physikalische Erklärung für eine physikalische Grundkraft. Sie ist
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
503
also eine dynamische Grundsymmetrie der Physik. Der Physiker kann sich zwar nicht mehr mit dem intuitiven Glauben an eine platonische Ontologie zufriedengeben. Auch die Quantenchromodynamik unterliegt wie die Quantenelektrodynamik und alle physikalischen Theorien strengen experimentellen Prüfungen. Erkenntnistheoretisch wird jedoch der Natur hier eine exakte Symmetrie unterstellt, im Fall der Hadronen- und Quarkklassifikationen nur eine approximative. Terminologisch faßt man heute die Eigenschaften der Quarks ohne Farbladungen mit dem Wort „Flavour" zusammen. So beschreibt SU (4)η3νοι1Γ die approximativen Symmetrien der Hadronenwelt, die aus den Quarks u, d und ihren Antiquarks aufgebaut ist. SU (3)coiour beschreibt die exakte Symmetrie der Farbladungen und der darauf gründenden starken Wechselwirkung. Geht man also von der Existenz der vier Quarks u, d, s, c aus, so beschreibt die Produktgruppe (9)
S U (4) n avour X S U (3) co i our
von Flavour und Colour die Symmetrie der Hadronenwelt mit ihren starken Wechselwirkungen. 4.34 Supersymmetrie und die Einheit der Naturkräfte Für die starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkungen ist es also gelungen, sie im Rahmen renormierbarer Quantenfeldtheorie auf fundamentale Symmetriestrukturen zurückzuführen. Der Trend der neuzeitlichen Physik, ihre verschiedenen Theorien am Leitfaden der Symmetrie schrittweise zu vereinigen, wird damit erneut bestätigt. In Abb. 1 ist diese Entwicklung festgehalten: Newtons Vereinigung der Keplerschen Himmels- und Galileis Erdmechanik in der Gravitationstheorie, schließlich Einsteins relativistische Version, Maxwells Vereinigung der Elektrizität und des Magnetismus in der Elektrodynamik, die relativistische Version der Quantenelektrodynamik, ihre Vereinigung mit der Theorie der schwachen Wechselwirkung und die Theorie der starken Wechselwirkung.131 Den methodischen Rahmen dieser Vereinigungen bilden Eichtheorien, in denen die physikalischen Kräfte durch den Übergang von globalen zu lokalen Symmetrien eingeführt werden. Als experimentell bestätigte und physikalisch akzeptierte Fälle liegen zur Zeit die nichtabelsche lokale Eichtheorie der relativistischen Gravitation (4.12), die 131
Zum Programm vgl. auch D. Z. Freedman/P. van Nieuwenhuizen, Supergravitation und die Einheit der Naturgesetze, in: H. G. Dosch (Hrsg.), s. Anm. 92, 170—185.
504
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Gesetze für die Planetenbewegung Gravitationstheorien von Newton und Einstein Fallgesetze, Wurfparabeln auf der Erde -
Elektrizität
Maxwellsche Theorie
Theorie der
Quantenelektrodynamik
Supergravitation
Magnetismus
Schwache Wechselwirkung Große Vereinigung Starke Wechselwirkung Abb. 1
abelsche lokale Eichtheorie U ( l ) der QED (4.21), die nicht-abelsche lokale Eichtheorie der schwachen und elektrodynamischen Kräfte SU(2)xU(l) und die nicht-abelsche lokale Eichtheorie SU (3) der starken Wechselwirkung vor. Ziele sind die sog. Große Vereinigung der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung, schließlich die Vereinigung aller Grundkräfte in einer Quantenfeldtheorie der Supergravitation. In diesem letzten Abschnitt wollen wir uns mit dem Programm der großen Vereinigung und der Supergravitation beschäftigen, dessen physikalische Theorien immer noch in statu nascendi sind, aber methodisch und naturphilosophisch zentrale Aspekte des physikalischen Symmetriebegriffs verdeutlichen. Für die Große
Vereinigung der starken,
schwachen
und
elektromagnetischen
Kräfte liegt es mathematisch nahe, die kleinste Gruppe zu wählen, in die sich SU (3) und SU(2)xU(l) einbetten lassen. Die folgende Skizze
505
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik elektrische Ladung
schwache Ladung
R-G Ladung
G-B Ladung
- V i
0
+V4
0
( f j Q rechts
- V i
0
-Vi
+V4
d
- V i
0
0
- V i
dlwNi
rechts
^
e
wchts
+1
+Vi
0
0
^
^rechts
0
- V i
0
0
=0
=0
=0
=0
Abb. 2
legt daher die spezielle unitäre Gruppe SU (5) in 5 Dimensionen zugrunde, obwohl heute größere Gruppen empirisch wahrscheinlicher sind.132 Als Elementarteilchen sind an der schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung die Leptonen, an der starken Wechselwirkung die Hadronen bzw. ihre Grundbausteine, die Quarks, beteiligt. Bei der Klassifikation der Leptonen und Quarks unterscheidet die moderne Hochenergiephysik aus pragmatischen Gründen drei Generationen: In der ersten Generation sind die beiden Quarks u, d, das Elektron e~ und das Elektron-Neutrino ve zusammengefaßt. Diese Bausteine reichen, um ζ. B. die Atomkerne mit Proton und Neutron zu bilden. Die Quarks und Leptonen der zweiten Generation (c, s, νμ, μ~) und der dritten Generation (t, b, ντ, τ~) treten im allgemeinen nur in den Prozessen der Hochenergielaboratorien auf. Für die Quarks, Leptonen und die Antiteilchen einer Generation lassen sich jeweils drei Farben und die Chiralität „links" und „rechts" unterscheiden. Die einfachste nicht-triviale Multiplettdarstellung von SU (5) umfaßt fünf Elemente. So können in der ersten Teilchengeneration drei rechtshändige Quarks (da', d^rän, dRlau) und zwei rechtshändige Antileptonen 132
Für die folgende Darstellung vgl. auch H. Georgi, Why Unify? in: Nature 288 Dez. 1980, 649—651; ders./S. L. Glashow, Unity of all Elementary-Particle Forces, in: Phys. Rev. Lett. 32 (Heft 8) 1974, 4 3 8 - 4 4 1 ; ders., s. Anm. 119.
506
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
A cp
A cp U
r 1 ! G, + G, A rot d recht» 1 + γ +
4 α
I
recht» 1
G
o-«
rechts
^ rechts
Φ 1
π G
FV-C
Gi * G2 +y+ f
1 steigt die Anzahl der Supersymmetrietransformationen ST entsprechend auf n. Zu einem Graviton und η Gravitinos 1 kommen — η (n — 1) Spin-1-Teilchen und weitere Teilchen mit niedrigerem Spin hinzu. Die erste erweiterte Theorie der Supergravitation mit η = 2 berücksichtigt also neben zwei (reellen) Gravitinos und einem Graviton noch Spin-1-Teilchen (Photon). Damit wird der alte Traum von Mie, Hilbert, Weyl und Einstein realisierbar, nämlich Elektromagnetismus und Gravitation zu vereinigen (vgl. 4.14). Die divergenten „unendlichen" Größen, die bei früheren Ansätzen zur Vereinigung dieser Grundkräfte auftraten, heben sich in diesem Theorierahmen auf. Die Vereinigung von Elektromagnetismus und Gravitation wird also durch eine renormierbare Quantenfeldtheorie beschreibbar. Dieser theoretische Erfolg war eine Ermutigung, um die Theorie der n-erweiterten Supergravitation auszubauen. Solche Erweiterungen sind allerdings physikalisch nur für η = 8 5 und höherem sinnvoll, da für η > 8 nicht nur Teilchen mit Spin — Spin erforderlich wären, sondern neben dem Graviton noch weitere Spin-2-Teilchen auftreten, was zu Widersprüchen bei der Kopplung der entsprechenden Felder führt. Eine Theorie mit einem Graviton, 8 Gravitinos, 28 Spin-1-Teilchen und anderen Teilchen mit niedrigerem Spin erweist sich bisher als der erfolgreichste Ansatz im Forschungsprogramm der erweiterten Supergravitation, da hier bisher viele von den bereits bekannten Teilchen identifiziert werden konnten. 135 Bei globaler Supersymmetrie sind das Graviton, die Eichfelder und 1 sogar die Spin-1- und Spin- —-Teilchen masselos. Es kommt also notwendig darauf an, eine spontane Brechung der Supersymmetrie vorzusehen, bei der die Gravitinos und gewisse andere Teilchen wie ζ. B. Quarks, Elektronen etc. Masse erhalten, während andere wie ζ. B. Graviton, Photon usw. masselos bleiben. Analog zum Higgs-Mechanismus (vgl. 4.32) leistet das im Fall der Supersymmetrie ein SuperHiggs-Mechanismus. Dazu müssen für die globale Supersymmetrie wieder masselose Goldstone-Partikel („Goldstinos") angenommen werden, die nach dem Super-Ηiggs-Mechanismus von den Gravitinos und entsprechenden anderen Partikeln „geschluckt" werden, um so Masse anzunehmen. 135
P. van Nieuwenhuizen, Supergravity, in: Physics Reports 68 No. 4 1981, 189 — 398.
4.3 Symmetrien der Elementarteilchenphysik
513
Für η = 8 verfügt das Forschungsprogramm der erweiterten Supergravitation über wohldefinierte Prognosen. So lassen sich ζ. B. die elektrischen Ladungszahlen der Quarks
und Leptonen
(1, 0) exakt ableiten. Mathematisch kann für η = 8 eine lokale SU (8)Symmetrie nachgewiesen werden. Die Dimensionen 1, 8, 28, 56, 70 der (antisymmetrischen Tensor-) Darstellungen von SU (8) entsprechen 3 1 genau den Teilchenanzahlen für Spin 2, Spin — , Spin 1, Spin — und Spin 0. Das Forschungsprogramm der Supergravitation kann jedoch erst dann als physikalisch abgesichert gelten, wenn alle divergenten Größen beseitigt und eine renormierbare Quantenfeldtheorie formuliert ist.136 Akzeptiert man das Prinzip der lokalen Supersymmetrie von Bosonen und Fermionen, ergibt sich das Forschungsprogramm der erweiterten Supergravitation folgerichtig. Allerdings kann noch nicht ausgeschlossen werden, daß dieser Ansatz versagt und eine andere Symmetrie gesucht werden muß. Immerhin liegen methodische Kriterien wie das lokale Eichkonzept und die Renormierbarkeitsforderung vor, die das Forschungsprogramm kritisierbar und beurteilbar machen und damit die platonische Idee einer gemeinsamen Ursymmetrie aller physikalischen Grundkräfte in eine physikalisch vernünftige Fragestellung umsetzen. Neuerdings wird neben der Supergravitation auch das Konzept der „Superstrings" diskutiert, auf das hier aber nicht mehr eingegangen wird (vgl. Green/Schwartz/Witten, Superstrings I — II, Cambridge 1987). Historisch hat es an Versuchen in der Neuzeit nicht gefehlt. In dem Zusammenhang sei noch einmal an die bemerkenswerte Materietheorie von I. Kant und R. Boscovich erinnert, die Mitte des 18. Jhs. im Anschluß an Newtons Gravitationstheorie alle Vorgänge des Mikround Makrokosmos auf eine einheitliche Grundkraft zurückführen wollten. In Abb. 1 von Abschn. 3.22 ist die stetige Kurve dieser Grundkraft aufgezeichnet, die bei sehr kleinen Abständen im Mikrokosmos abwechselnd von einem abstoßenden in ein anziehendes Potential übergeht, um sich schließlich bei den großen Abständen des Makrokosmos
136
Vgl. auch Μ. T. Grisaru/P. van Nieuwenhuizen/J. Α. M. Vermaseren, One-Loop Renormalizability of Pure Supergravity and of Maxwell-Einstein Theory in extended Supergravity, in: Phys. Rev. Lett. 37 No. 25 1976, 1662-1666; S. Ferrara/J. Ellis/P. van Nieuwenhuizen, Unification of the Fundamental Particle Interactions, New York/London 1980.
514
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
cφn
•ο _ φ— (0 ~ ca ο £ Ο> rr Φ £ α(Β αρ α. £g Ρ ο ιυ
2χ10" 1 3
C φ
Abstand in Zentimeter
Σ c
03 Φ
ηc — c φ 1 gegen Unendlich, mit x0 = 1 gegen Eins. Man nennt Null und das Unendliche anschaulich auch „Attraktoren", von denen die Folgen mit den jeweiligen Anfangswerten „angezogen" werden. Trägt man die Werte auf eine Ebene mit dem Nullpunkt in der Mitte auf (Abb. 10 a), so sieht man die beiden Einflußzonen dieser Attraktoren, die durch den Einheitskreis mit Abstand 1 um den Nullpunkt scharf getrennt sind. Die Folgen mit χ < 1 liegen innerhalb des Einheitskreises und werden vom Nullpunkt angezogen. Die Folgen mit χ > 1 liegen außerhalb des Einheitskreises und werden vom Unendlichen angezogen. Die Situation ändert sich drastisch, wenn für c eine komplexe Zahl gewählt wird, ζ. B. c = -0,12375 -I- 0,56508i. Der Realteil und der Imaginärteil einer komplexen Zahl dienen als die beiden Koordinaten der Punkte in der Gaußschen Ebene. In Abb. 10 b teilen wieder zwei Zonen wie im Fall a die Ebene. Allerdings ist der innere Attraktor nicht die Null. Ferner ist die Grenze keineswegs glatt wie beim Kreis, sondern völlig zerklüftet. Würde man ein Stück der Grenze weiter vergrößern, so bleibt die Grenze exakt so zerklüftet, wie sie auf der größeren Abbildung erscheint. Die Abb. 10 b erinnert an eine zerklüftete Küste, und tatsächlich machte Mandelbrot 1967 erstmals eine breitere Öffentlichkeit auf solche Figuren aufmerksam, als er einen Artikel mit dem Titel „Wie lang ist die Britische Küste?" veröffentlichte. 237 Mathematikhistorisch waren solche Figuren erstmals von den französischen Mathematikern G. Julia und P. Fatou untersucht worden, die sich während des Ersten 236
237
Β. B. Mandelbrot, Fractal Aspects of the Iteration of ζ —• λ (1 — ζ) for Complex λ,ζ, in: Annals N.Y. Acad. Sciences 357 1980, 2 4 9 - 2 5 9 ; vgl. auch H.-O. Peitgen/ P. H. Richter, The Beauty of Fractals. Images of Complex Dynamical Systems, Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1986, 8 ff. Β. B. Mandelbrot, How long is the Coast of Britain? Statistical Self-Similarity and Fractional Dimension, in: Science 156 1967, 636.
4.4 Symmetrien in Chemie, Biologie und Evolutionstheorie
Abb. 10
602
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
Weltkrieges für exakte Kartenzeichnungen interessierten.238 Mandelbrot nannte solche geometrischen Objekte mit extrem zerklüfteten Grenzflächen „Fraktale". Kennzeichnend ist wieder der völlig irregulär, zufällig und chaotisch wirkende Grenzverlauf der Fraktale, obwohl er durch eine einfach quadratische Gleichung vollständig determiniert ist.239 Ferner ist wieder die Symmetrieeigenschaft der Selbstähnlichkeit hervorzuheben, da bei beliebiger Vergrößerung dieselbe Struktur erhalten bleibt. Man fühlt sich unmittelbar an Küstenaufnahmen erinnert, die zunächst von einem Flugzeug aufgenommen, dann Schritt für Schritt an bestimmten Stellen vergrößert werden und immer wieder eine zerklüftete Struktur zeigen. Auch läßt sich relativ zum Beobachter nicht genau bestimmen, wo zwischen den Riffen, Felsvorsprüngen und Wasserlachen auf der Sandküste die exakte Grenze zwischen Meer und Land verläuft. Abb. 10 c zeigt die berühmte Mandelbrotmenge. Wenn man mit x0 = 0 beginnt und (23) auf komplexe Parameter c anwendet, dann liegen in der schwarz gezeichneten Figur von Abb. 10 c diejenigen Punkte, die im Verlauf ihrer Iteration nicht ins Unendliche gezogen werden. Auch hier fällt der extrem zerklüftete Rand, aber auch Spiegelungssymmetrie der Figur auf. Vergrößert man den Rand, so stößt man auf eine unglaubliche Formenvielfalt, die an Morphologie der Meeresflora und Fauna, an Oberflächenvergrößerungen von Stoffen, an Turbulenzen von Flüssigkeiten oder einfach an ungemein raffinierte Kunstwerke erinnert. In den chaotisch wirkenden Rand- und Hintergrundzonen der Bilder treten bei Vergrößerung immer wieder neue Strukturen hervor. Und irgendwo entdeckt man dabei immer wieder als Keim die Mandelbrotmenge, die in einer unendlichen Präformation mit sich selbst ähnlich bleibt.240 Diese Symmetrie im Chaos der Formenvielfalt ist typisch für die Geometrie nicht-linearer dynamischer Systeme. Man denkt sofort an die genetische Organisation höherer Organismen, bei denen jede Zelle bereits das invariante Erbgut und das komplette Möglichkeitspektrum ihrer Entwicklung in sich trägt, aber nur ein kleiner Ausschnitt tatsächlich realisiert wird. Sicher handelt es sich bei der Mandelbrotmenge nur um ein mathematisches Modell. Der Mikrokosmos eines wirk238
239 240
P. Faton, Sur les equations fonctionelles, in: Bull. Soc. Math. (Fr.) 47 1919, 161 — 271; 48 1920, 3 3 - 9 4 , 208-314; G. Julia, Sur l'iteration des fonctions rationelles, in: Journal de Math. Pure et Appl. 8 1918, 4 7 - 2 4 5 . Vgl. B. B. Mandelbrot, The Fractal Geometry of Nature, San Francisco 1982. Vgl. dazu die Computerbilder von H.-O. Peitgen/P. H. Richter, s. Anm. 236, 9 ff.
4.4 Symmetrien in Chemie, Biologie und Evolutionstheorie
603
liehen Organismus läßt sich schließlich nicht bis in beliebige Tiefen aufschlüsseln. Aber am mathematischen Modell lassen sich bereits die entscheidenden Eigenschaften nicht-linearer dynamischer Systeme studieren, nämlich Symmetrie, Chaos und Evolution. Die Geometrie der Fraktale eröffnet eine Formenvielfalt, die uns an die komplexen Gestalten der Natur erinnert. Dort finden wir ja in der Regel keine idealen Kugeln, Drei- und Rechtecke, sondern — plötzlich fallt es uns wie Schuppen von den Augen — überall Fraktale: Wolken, Horizonte, Dunst, eine sich brechende Welle am Strand, komplexe Grasfasern, rauhe Hautoberfläche usw. An die Stelle der euklidischen Geometrie mit ihren rechten Winkeln und glatten Kreisen tritt mit dem Studium dynamischer Systeme ein neues geometrisches Paradigma, dessen Formenvielfalt Goethes Metamorphosen und D'Arcy Thompsons platonische Morphogenese der Natur weiterführt. Dabei scheint alles mit allem zusammenzuhängen. Es ist nur eine Frage des Standortes, welche Formen aus der Totalität des Ganzen klar heraustreten und welche unklar zu verschwimmen scheinen. Das Studium der nicht-linearen dynamischen Systeme erlaubt daher eine neue Sicht „von oben" auf die Totalität der Wirklichkeit, wie wir sie in der ungeheuer komplexen Vernetzung ihrer Teile auch tatsächlich tagtäglich erleben. Man wird nun die Wirklichkeit nicht als eine Ansammlung isolierter Bausteine aus Organismen, Zellen, Molekülen, Atomen und Elementarteilchen betrachten, sondern eher als eine hierarchisch geordnete Struktur. R. Thom, einer der Begründer der modernen Geometrie des Chaos und der Fraktale, meint dazu: „Und schließlich ist die Auswahl derjenigen Phänomene, die man als wissenschaftlich interessant betrachtet, ohne Zweifel weithin willkürlich. Die gegenwärtige Physik konstruiert riesige Apparate, um Zustände zu veranschaulichen, deren Lebensdauer nicht mehr als 10 23 Sekunden beträgt. Man hat zweifellos nicht Unrecht, wenn man unter Einsatz aller technisch verfügbaren Mittel eine Bestandsaufnahme sämtlicher experimentell zugänglichen Zustände vornehmen möchte. Dennoch kann man legitimerweise eine Frage stellen: Eine Menge von vertrauten Erscheinungen (so vertraut, daß sie gar nicht mehr beachtet werden) haben gleichwohl eine schwierige Theorie: Die Eidechsen auf einer alten Mauer, die Form einer Wolke, das Trudeln eines abgestorbenen Blattes, die Schaumkrone auf einem Glas Bier ... Wer weiß, ob eine etwas gründlichere mathematische Reflexion über derartige kleine Erscheinungen sich letztlich nicht als profitabler für die Wissenschaft erweisen würde?"241
Im Fraktalen, im Gebrochenen, im Grau der Zukunft, im Chaos und in den kleinen Dingen des Alltags ist noch Symmetrie, wenn wir die geeignete Geometrie zugrunde legen. Diese Sicht der Dinge wirkt 241
R. Thom, Stabilite structurelle et morphogenese, Paris 1972, 26. Vgl. auch R. Thom, Paraboles et Catastrophes, Paris 1984.
604
4. Symmetrien der modernen Physik und Naturwissenschaft
modern in einer Zeit, in der viele gegenüber technischem Aufwand skeptisch geworden sind und der Glaube an Vollkommenheit abhanden gekommen ist. Thoms Eintreten für eine neue mathematische Phänomenologie der natürlichen Formen sollte uns jedoch nicht dazu führen, die Natur quasi nur noch an ihrer unberührten Oberfläche und in ihrer ökologisch vernetzten Totalität betrachten zu wollen und erneut mit Goethe gegen die molekulare und atomare Sicht der Natur als einer „düstern empirisch-mechanisch-dogmatischen Marterkammer" ins Feld zu ziehen. Gerade die moderne Quantenmechanik lehrt uns die komplexe Vernetzung der Natur auch auf subatomarem Niveau. Die Formen der Natur wie Elementarteilchen, Atome, Moleküle, Zellen, Organismen, Populationen, Sterne, Sternensysteme und Galaxien treten ja erst aus der komplexen Vielfalt der Erscheinungen hervor, wenn wir als Betrachter einen bestimmten Standort, bestimmte Meß- und Beobachtungsmittel, Maßstäbe und begriffliche Abstraktionen einsetzen. Zwar hat die Wirklichkeit keine beliebige makroskopische Tiefe wie die Selbstähnlichkeit der geometrischen Fraktale. Aber die mathematischen Modelle der fraktalen Geometrie erinnern uns daran, daß im Chaos noch Symmetrie verborgen ist, die sich uns bei entsprechender Verfeinerung der Beobachtungsmittel zeigt. Trotz allen Formenreichtums liegt den nicht-linearen Gleichungen dynamischer Systeme eine einschneidende Vereinfachung zugrunde: Das Chaos der Fraktale ist wenigstens prinzipiell deterministisch. Die Harmonie im Chaos ist also in der Sprache von Leibniz prästabiliert. Diese Einschränkung ist jedoch für dynamische Systeme nicht zwingend. Für physikalische, chemische oder biologische Anwendungen können stochastische Gleichungen geeigneter erscheinen, insbesondere wenn makroskopische Erscheinungen durch molekulare Vorgänge erklärt werden sollen. Wissenschaftstheoretisch werden die hierarchisch geordneten Strukturen der Natur in folgenden Stufen naturwissenschaftlicher Theorien erfaßt (Abb. 11). Man beginnt mit einer umfassenden Quantenfeldtheorie der Elementarteilchen und gelangt über die Quantenchemie der Atome und Moleküle zur Biochemie der Makromoleküle und schließlich zur Biologie der Organismen und ihrer Populationen. Jede dieser Stufen setzt einschneidende Abstraktionen und Symmetriebrüche voraus, die zu neuen Theoriekonzeptionen führen. Das zeigt sich schon bei der Konstituierung der einzelnen Elementarteilchen aufgrund von Symmetriebrüchen der gemeinsamen angenommenen Ursymmetrie. Um die chemische Gestalt der Atome und Moleküle zu erhalten, wurde von bestimmten quantenmechanischen
4.4 Symmetrien in Chemie, Biologie und Evolutionstheorie
THEORIE
OBJEKTE
SYMMETRIEN
Quantenfeldtheorien
Elementarteilchen, Grundkräfte etc.
Logische Symmetrien von Quantensystemen: ζ. B. A u t p O
ζ ο Η
u
D Q ω öS ω
Quantenchemie
Atome, Moleküle, Bindungen
Kinematische RaumZeit-Symmetrien: ζ. B. Galilei-, Lorentz-Gruppe
c/o •
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Personenregister (ohne Namen, die nur im Literaturverzeichnis stehen)
Abel, N. H. 185 f., 193 Adorno, T. 690 Al-HäzinI 111 Alberti, L. B. 136 Alembert, J. 1. R. d' 182, 211, 262, 276, 309 Ampere, A. M. 289, 294 Anaxagoras 77 f. Anaximander 69 - 72, 75, 121, 127 Anaximenes 72 Antisthenes 72 Aphrodite von Kyrene 128 Apollonios von Perga 58, 62 Archimedes 29, 31, 81, 114f., 633 Archytas von Tarent 54, 58 Aristophanes 127 Aristoteles 2, 3, 30, 50, 67, 69, 75, 80, 87 f., 90 f., 93 f., 105 f., 113,124,143,251,261, 272, 315, 370, 407, 408, 415, 609, 6 1 6 618, 623 f., 630, 639, 655 f., 664 f., 667 f. Artin, E. 323 Aspect, Α. 432 Augustinus 132, 324 f., 342, 344, 371, 632, 669
Bernoulli, D. 276, 333 Bernoulli, J. 213, 326 f., 333, 357 Berzelius, J. J. 518 Biot, J. B. 287 Böhm, D. 428 Bohr, H. 63 Bohr, N. 7 , 4 0 4 , 4 0 6 - 4 0 8 , 410,412,425 f., 443 f., 447, 607, 635, 651, 675 Boltzmann, L. 6, 297, 341, 3 4 7 - 3 5 2 , 355, 3 5 9 - 3 6 2 , 365 Bondi, H. 393 Bonnet, C. 48, 566 Bonnet, O. 221 Born, M. 413, 524, 526 Boscovich, R. 274 f., 287, 307, 396, 512 Bourbaki, N. 641, 645 Bradley, J. 371 Bradwardine, T. 34 Brahe, T. 94 f., 612, 630 Braque, G. 677 Bravais, E. 157, 165, 520 Broglie, L. de 408 Bruno, G. 103, 388, 392 Bunsen, R. W. 405
Bach, J. S. 180, 183 f. Bär, R. 96 Bargmann, V. 424 Barlow, P. 163 Bayer, Α. von 524 Becker, O. 246 Beeckman, I. 4, 262 Beethoven, L. van 180, 184 Behne, A. 684 Bellemans, A. 356 Belov, Ν. V. 173 Beltrami, Ε. 223 Bergson, Η. L. 344 Berkeley, G. 244, 257 f., 609
Campanus, J. 34 Cardano, G. 186 Carnap, R. 628, 642 f., 689 Cartan, E. 7, 216 f., 225, 367, 389, 490 Cayley, A. 211, 229, 322 Cezannes, P. 677 Chhang-Fang, Ch. 93 Chhung-Chih, Tsu 118 Chhung, W. 93 Christoffel, Ε. B. 381 f. Chün, M. 118 Clarke, S. 258 f. Clausius, R. 346 Comte, A. 672 f.
720 Coulomb, C. A. 280 f. Crick, F. C. 551 Curie, P. 536, 554f., 573 Dalton, J. 405, 520 Darwin, Ch. 6, 71, 241, 342, 358-360, 362, 556, 587, 668 Del Ferro, S. 186 Demokrit 67, 79, 80, 108, 371, 428, 520, 587, 617, 663 Desargues, G. 200 Descartes, R. 4, 32, 211, 213, 262, 315, 398, 616, 618, 665 Dirac, P. A. M. 9, 13, 368, 448 f., 451 f., 459, 463, 608 Dirichlet, G. P. 156 Doesburg, Th. van 685 Duhem, P. 349, 636 f. Dürer, A. 139 f., 200, 682 f. Dyson, F. 594
Personenregister Fibonacci 47 Fichte, J. G. 666, 685, 692 f. Field, H. 659 Fischer, E. 524, 556 Fleck, L. 637 Fludd, R. 140 Fock, V. 385 Fraenkel A. A. 641 Francesca, P. della 46 Franck, F. C. 559 Fraunhofer, J. 388 Fredholm, I. 231 Frege, G. 628 Fricke, R. 147 Friedmann, A. 391, 393 Friedrich der Große 241, 330, 334, 336 f. Frobenius, G. 235, 404 Fu Hsüan 118
Eddington, A. S. 379, 403 Eesteren, C. 685 Ehrenfest, P. 353 Ehrenfest, T. 353 Eigen, M. 353, 587 f., 590, 592-594 Einstein, A. 7, 279, 302 f., 308, 349, 371 f., 379-383, 385, 391, 393, 396-398,402, 405f., 426,430 - 432,460, 512, 626, 647, 649 f., 660 f., 677 Empedokles 7 5 - 7 7 , 82, 92 Engels, F. 662 Eötvös, L. 380 Escher, M. C. 175 f., 207, 209 Eudemos 53 Eudoxos von Knidos 2, 49, 53, 54, 57 f., 408 Euklid 26, 49, 52, 143, 193, 199 f. Euler, L. 200, 240, 261 f., 276, 279, 309, 334 f., 337-339, 370, 395 Eupalinos 116 Everett, Η. 446 f.
Galen 128 Galilei, G. 1, 4, 80, 240, 258, 262, 316f., 380, 385, 503, 630, 639, 655 Galois, Ε. 185f., 189-191, 193, 195, 211 Gassendi, P. 405 Gauß, C. F. 5, 33 f., 156, 185 f., 193, 217, 219-222, 267, 276, 281 f., 284f, 289, 294, 367, 383, 629 Gell-Mann, M. 489, 493-495 Gerisch, G. 583 Gilbert, W. 100, 279, 285 Glashow, S. 10, 369, 484 Gmelin, L. 520 Gödel, K. 393 Goethe, J. W. von 5, 48, 135, 214, 566, 603 f., 654, 665, 668, 681 Gordan, P. 323 Gordon, W. 449 Graßmann, H. 229 Greenberg, O. W. 498 Gropius, W. 14, 684 Großmann, M. 381 f. Grünbaum, A. 352
Faraday, Μ. 291-293, 554, 634 Fatou, P. 600 Fay, C. F. du 279 Fedorov, Ε. S. 147, 163, 173 Fermat, P. de 325 Fermi, E. 472 f. Feyerabend, P. K. 445, 640 Feynman, R. P. 9, 465 f.
Habermas, J. 689 Haeckel, E. 571 Haitam, ibn al-32 Haken, H. 574, 578 Haller, A. v. 358 Hamilton, W. R. 308, 312 f., 339 f., 395 Hanson, Ν. 612 Hay, R.-J. 522
Personenregister Hayyän, G.ibn 109 Hegel, G. W. F. 5, 73, 573, 662, 666, 673, 676 Heidegger, M. 73 Heisenberg, W. 3,10, 73, 86, 404,413,415, 460, 462, 465, 473, 477 f., 481, 487, 502, 545, 656, 661 Heitier, W. 524 Hekataois von Milet 72 Helmholtz, H. von 7, 143, 168, 2 2 2 224 f., 367, 609 Hepp, K. 447 Heraklit 14, 67, 7 2 - 7 5 , 79f., 87f., 315, 573, 662 f., 678, 687, 693 Herbart, J. F. 167, 229 Hermann, J. 327, 333 f. Hermes, J. 34 Hermite, Ch. 156 Heron von Alexandrien 115 f. Herschel, J. 520 Hertz, H. 5, 221, 296, 300, 635 Hilbert, D. 7, 231, 322, 334, 370 f., 3 9 5 399, 512 Hipparch 64 Hippasus von Metapont 44 Hippodamos 127 Hoffmann, D. 403 Hogarth, W. 140 Homer 74 Honnecourt, V. de 123, 135 f. Hörz, H. 651 Hubble, Ε. P. 389 Huggins, W. 388 Hui, L. 25 Hume, D. 140, 244, 315, 618 f., 624 Husserl, E. 246 Huxley, Α. 678 Huygens, C. 4 f., 257, 273, 316, 345, 398, 651 I-Hsing 123 Jacobi, C. G. J. 6, 320 Jordan, C. 147, 162 Jordan, P. 462 Joyce, J. 495 Julia, G. 600 Jung, C. G. 113 Kallippos 58 Kaluza, T. 403
721 Kandinsky, W. 680 Kant, I. 5,10, 78,167, 229,242, 247,253 f., 262, 275, 284, 287, 307, 309, 315, 321 323, 338 f., 358, 362, 368, 379, 470, 512, 554, 566, 609, 616, 619 f., 624 f., 635, 656, 660, 685 Kekule, A. 522, 524, 540, 629 Kepler, J. 1, 3, 34, 40, 48, 58, 62, 96 f , 99 f., 147, 165, 240, 261, 273, 285, 336, 370, 477, 503, 612, 630, 632, 655, 746 Kirchhoff, R. 405 Kirchner, A. 35, 153 Klee, P. 679 f. Klein, F. 6,195 f., 1 9 8 - 2 0 0 , 205,240, 320, 322 f., 399, 403, 449, 645 Koenig, S. 327, 333 f., 336 KofFka, K. 610 Köhler, W. 610 Kolbe, G. 679 Kopernikus, N. 2, 61 f., 30, 65 f., 94 f., 99, 630 Kossei, W. 524 Krüger, L. 352 Kuhn, T. S. 612, 639, 670, 674 Kuhn, W. 555 Lagrange, J. L. 185 f., 211, 229, 241, 267, 276, 284, 308 f., 339 Lakatos, I. 639, 674 Lange, L. 5, 240 f., 262 Laplace, P. S. Μ. de 78, 241, 278, 283 f., 290, 305, 358, 376 Larmore, J. 340 Laue, M. von 163 f. Lavoisier, A. L. 112, 316 Le Bel, J. A. 520 Le Corbusier 687, 688 Le Verrier, U. J. J. 278 Lee, T. D. 470 Legendre, Α. M. 522 Leibniz, G. W. 5 f., 8, 10, 22, 35, 53, 142, 144, 1 6 4 - 1 6 6 , 188f., 191, 240f„ 256f., 2 5 9 - 2 6 1 , 264f., 270f„ 274f., 281, 307, 309f., 3 1 5 - 3 1 8 , 3 2 4 - 3 3 6 , 340, 345, 368, 370, 379, 395, 398 f., 405, 443, 446, 470, 555, 563, 592f„ 596, 604, 618f., 623 f., 632, 634, 656, 665, 669, 670, 676 Leonardo da Vinci 4 6 , 1 3 7 - 1 3 9 , 1 4 5 , 200, 683 Leonardo von Pisa 47
722 Levi-Civita, Τ. 381 Lewis, G. Ν. 524 Lie, S. 7, 196, 212, 214-216, 224, 240, 323, 367 Locke, J. 80, 143, 315, 616 Lockhart, C. M. 442, 447 Loinger, A. 425 London, F. 460, 524 Lorentz, H. A. 286, 297-299, 304f., 385 Lorenz, Ε. Ν. 595 Loschmidt, J. 349, 364 Lotka, A. J. 580 Ludwig, G. 643 Luhmann, N. 654 Lukrez 81 Lullus, R. 22 Lyell, C. 359 Mach, Ε. 240, 243, 245, 349, 556, 609, 631-633 MacLaurin, C. 261 Maillol, A. 679 Mandelbrot, Β. B. 600, 602 Mann, Th. 12 Maricourt, P. de 285 Marquard, O. 675 Maupertius, P. M. de 241, 330 f., 333 f., 337-339, 362, 370 Maxwell, J. C. 1, 5 f., 9, 240, 268, 276, 280. 286, 292, 294 - 296, 299 - 301, 306, 358, 363-367, 376, 503, 635 Mayer, J. R. 360 Meixner, J. 354 Mendelsohn, E. 687 Mersenne, M. 213 Michelson, A. 303, 372 Mie, G. 395 f., 398, 512 Mills, R. L. 475 Minkowski, H. 156, 304, 308, 372 Misra, B. 441 f., 447 Mondrian, P. 684 Monod, J. 6, 364, 553, 592 Morley, E. W. 303, 372 Musschenbroek, P. van 279 Ne'emann, Y. 489 Neumann, J. von 8, 366, 424, 445, 661 Neurath, Ο. 689 Newton, I. 5, 9, 96, 99, 143, 240 f., 252 f., 256, 258-261, 263, 265, 267-270, 272-274, 276-279, 281, 285, 297,
Personenregister 308 f., 313, 318, 334, 341, 345, 358, 375 f., 384, 405, 412, 512 f., 631, 639, 643, 645, 649, 651, 653, 665, 668 Nietzsche, F. W. 7, 73, 370 f., 392, 670 Nikolaus von Kues 111 Noether, E. 6, 320 f., 366, 378 Noether, M. 323 Ockham, W. 447, 657 Oerstedt, H. C. 5, 284, 287, 291 Olbers, W. 629 Oppenheimer, R. 524, 526 Orban, J. 356 Oresme, N. 124 Oslander, A. 631 Ostwald, W. 360 Pacioli, L. 38, 46, 138, 165 Pappos 38, 200 Parier, H. 133 Parmenides 74 f., 79, 87, 315 Pascal, B. 200, 634 Pasteur, L. 162, 370, 520, 536, 538, 554, 560 Paterno, E. 522 Pauli, W. 398, 462, 472 Pauling, L. 548 Peregrinus, P. 100, 123, 124 Perikles 127 Perutz, M. 550 Picasso, P. 677 Pines, Α. 356 Planck, Μ. 340, 405, 407, 639, 677 Piaton 3, 26, 30, 53 f., 59, 62, 66, 75, 83, 8 5 - 8 7 , 315, 324 f., 367, 370, 448, 477, 517, 524, 573, 584, 609, 617, 629, 632, 655, 657, 669 Plücker, J. 204 Podolsky, B. 431 f., 660 Poincare, H. 206, 216, 350, 596 f. Poisson, D. 267, 276, 278 f., 281, 283 f., 290 Polya, G. 149 Polyklet 127 f., 683 Poncelet, J. V. 200 Popper, K. R. 352, 509, 628, 638 f. Prigogine, I. 356, 365, 441 Primas, H. 436, 524 Proklos 29 Protagoras 128
723
Personenregister Ptolemaios 33, 58 f., 62, 64, 91, 94, 210, 261 Pythagoras 43, 72, 75, 250 Quarles, F. 342 Quine, W. V. O. 637 f., 659 Qurra, T. ibn 30 Rameau, J. P. 182 Reichenbach, H. 352, 628 Rhim, W. K. 356 Ricci, G. 381 Riccioli, G. G. 96 Richelot, F. J. 34 Riemann, B. 7, 217, 221 f., 367 Ritter, J. W. 5, 284 Robertson, H. P. 390 Robinson, A. 216 Rodin, A. 679 Roemer, O. 371 Rosen, N. 431 f., 660 Rousseau, J. J. 668, 693 Russell, B. 73 Rutherford, Ε. 406, 635 Salam, Α. 10, 369, 482, 484 Savart, F. 287 Scheibe, E. 642, 645 Schelling, F. W. 5, 275, 279, 291, 573, 666, 668-670, 677 Schiller, F. von 665 Schläfli, L. 34, 168 Schlemmer, O. 680-684 Schmidt, E. 231 Schönberg, A. 180, 182, 183, 185 Schrödinger, E. 352, 365 f., 404, 408, 413, 429 f., 433, 445, 460, 528, 653, 661 Schumacher, F. 688 Schur, I. 235, 404 Schuster, P. 588 Schwarzschild, K. 334 Schwinger, J. S. 9, 466 Seeliger, Η. H. von 279 Shubnikov, Α. V. 173 Simon, R. 48 Snow, C. P. 1, 175 Sohncke, L. 147 Sokrates 73 Sommerfeld, A. 408 Speiser, A. 145, 149 Spencer, H. 359, 362
Spengler, O. 344 Spinoza, B. de 616 Ssu-Hsün, Ch. 123 Staudinger, H. 544, 557 Staudt, V. G. C. von 200 Steiner, J. 200 Stockhausen, K. 180 Stokes, G. 283, 293 Ströker, E. 247 Su Sung 121 Sund, H. 548 Sylvester, J. J. 322 Tartaglia, N. 186 Te-Yen, Wu 118, 121 Thaies von Milet 27, 69, 71 Theaitetos 36, 82, 159 Theon von Alexandrien 121 Thom, R. 579, 603 f. Thomas von Aquin 88, 664, 668 Thompson, D'Arcy 571, 584, 603 Thompson, W. 296, 349, 363 Torricelli, E. 4 Turing, Α. Μ. 583 Utiyama, R. 385, 476 van't Hoff, J. H. 162, 520, 524 Vasari, G. 137 Veblen, O. 403 Verhulst, P. F. 579 Vitruv, 115, 127 f., 130, 137 Voigt, W. 302 Voltaire, F.-M. 6, 337 Volterra, V. 580 Waerden, B. L. van der 239, 323, 404 Wafä, Abü-al- 32, 39 Walker, Η. G. 390 Wallis, J. 250 Ward, C. 482 Watson, J. D. 551 Waugh, J. S. 356 Weber, Ε. H. 245 Weber, M. 674 Weinberg, S. 10, 369, 482, 484 Weizsäcker, C. F. von 416, 619, 651 Wertheimer, M. 610 Weyl, Η. 1, 6, 8, 10, 224, 239, 257, 260, 263 f., 283, 297 f., 368, 370, 395, 398,
724 400, 4 0 2 - 4 0 4 , 420, 434, 458, 460, 466, 512, 633, 656 Whitehead, Α. Ν. 573, 669 f. Wick, G. C. 438 Wightman, A. S. 438 Wigner, E. P. 8, 239, 298, 368, 370, 404, 408, 419, 421, 434, 438, 623, 652 Wilson, Ch. Th. R. 408 Wittgenstein, L. 689
Personenregister Wolff, C. 333, 335 f. Wright, S. 589 Wu, C. S. 470 Yang, C. N. 470, 475 Zarathustra 43 Zermelo, E. 6, 350, 641 Zweig, G. 493
Sachregister Abbildungsprinzip 642, 646 Achtfacher Weg 491 actus 272, 415 ad-hoc-Hypothese 59, 660 Additionstheorem klassisch 301, 376 relativistisch 376 Ähnlichkeit 142 f., 219 Aktualisierung 415, 446 f., 617, 656, 661 Aktualität s. Potentialität Akzeptanz 675 Alchemie 3, 38, 67, 75, 103 f., 106, 109, 112 f. Algebra 4, 6, 156, 187 C*- 404 Lie- 216 f., 490 Observablen- 423, 425, 435 algebraische Quantenmechanik s. Quantenmechanik Allgemeine Relativitätstheorie s. Relativitätstheorie Alltag 682 alpha-Helix 546 Aminosäure 553 Amperesches Gesetz 294 Analogie 296, 6 3 3 - 6 3 5 Analytische Geometrie s. Geometrie Anisotropie 114 Anschauung 609, 635 Formen der 321 Anschauungsraum 168 f. Antimaterie 516, 553 Antinomie 658 Antiquark 493, 496, 502 Antisymmetrie 279, 546, 551 Antiteilchen 452 Äquivalenzprinzip 279, 380, 386 Arbeit 270 Architektur 1, 4, 124, 677 f., 684, 688 f., 691 buddhistische 131 der Renaissance 135
griechische 127 islamische 131 f. s. Moderne s. Postmoderne Arithmetik 2, 26, 41, 179 Artificial Intelligence 13, 608, 636 Ästhetik 640 Astrolabium 121 Astronomia nova 96 f. Astronomie 2 - 4 , 24, 26, 38, 59, 179 ägyptisch 51, 54 antike-mittelalterlich 64 babylonisch 51, 54 chinesisch 52 griechisch 52 der Maya 52 s. Kosmogonie s. Kosmologie Asymmetrie 340, 516, 519, 536, 544 der Zeit s. Zeitpfeil zerebrale 615 Äther 302 Atom 7 9 - 8 2 , 86, 405 f., 617, 677 Atomismus 67, 78, 80, 86, 76, 90,108, 276, 430, 607, 618, 663, 668 Atommodell 7, 405 f., 408 Atomphysik 3, 405 f. Attraktor 600 Ausdehnung 618 Ausgleichspunkt 64 Auswahlaxiom 659 Auswahlregel 436, 542, 543 Autokatalyse 586, 588, 592 Automorphismus 12, 143, 188 Automorphismengruppe s. Gruppe Autonomie 656, 685 Autopoiesis 669 Axiomatik 3 9 6 - 3 9 8 Azteken 19 Baryon 487 f., 495 Basismenge 644 f.
726 Bauhaus 14, 680 f., 685 Bellsche Ungleichung 432 Benard-Effekt 575 Benzol 540 Beta-Zerfall 10, 369, 469, 471 Bewegung (κίνησις) 88 Bewegung, absolute 257, 260 Bewegungsgleichung 262, 308 Diracsche s. Dirac-Gleichung Hamiltonsche 314 klassische 269 Lagrangesche 310 f., 314, 320, 345 mechanische 341 Newtonsche 309 relativistische 380 f. Schrödingersche s. Schrödinger-Gleichung big bang s. Urknall Bilateralia 568 Bilder, physikalische 647, 652 Biochemie 11, 544, 550, 556, 6 0 5 - 6 0 7 homochirale 556 f. Biologie 1, 12 f., 142, 355, 359, 370, ,518, 573, 605 f. Biomolekül 558, 560, 587 Biot-Savartsches Gesetz 287, 289 Biotechnologie 590 Bohm-Aharanow-Effekt 460 Born-Oppenheimer-Verfahren 527 Bose-Einstein-Statistik 420 Boson 437, 509 Bosonen-Fermionenfeld 511 Botanik 664 Bravaisgitter 157, 1 6 2 - 1 6 5 Brownsche Bewegung 349, 360 Buch der Natur 324 Buddhismus 21 C*-Algebra s. Algebra causa efficiens 624 causa finalis 624 causa formalis 624 causa materialis 624 Chaostheorie 12, 573, 5 9 8 - 6 0 0 , 6 0 2 - 6 0 4 Charge s. Ladung Chemie 1, 13, 75, 83, 103, 142, 291, 316, 366, 435, 439, 518, 573, 585, 605 f. makromolekulare 544 racemische 556 f. chemischer Verbindungsbegriff 108, 518 f., 524, 541 f.
Sachregister Chiralität 470 f., 536, 538, 544, 556, 558, 560 Chladnische Figur 410 Computerprogramm 615 context of discovery 628, 632, 636 context of justification 628, 632 Coulomb-Kraft 281 Coulombs Konvention 290 Coulombsches Gesetz 287, 289, 294 Curiesches Symmetrieprinzip 554 D-Weinsäure 521 Dadaismus 690 Dämon, Laplacescher 241, 430, 596 f. Loschmidtscher 356, 358 Maxwellscher 363 f., 366, 441 f., 578, 358 Darstellung s. Mechanik Darstellungstheorie 229 f., 404, 423 f., 434, 438, 533, 621 f., 652 Delisches Problem 29, 195 Determinismus 433, 622 Dialektik 14, 662, 666, 675 der Aufklärung 690 der Natur 661 Dialektischer Materialismus 651 Differentialgeometrie s. Geometrie Differentialgleichung 216, 269, 276 f., 282 f , 644 s. Laplace-Gleichung s. Nicht-Linearität s. Poisson-Gleichung s. Bewegungsgleichung Diopter 116 Dirac-Feld 462, 464 Dirac-Gleichung 450, 454, 459 Dirac-See 451 f. dissipative Strukturen 365 f., 586, 606 Dissymmetrie 12, 519, 536, 544, 553, 555 DNS-Molekül 11, 553 DNS-Spirale 551 Dodekaeder 36, 82 f., 159 f., 169 f., 173, 571 Doppelhelix 551 Doppelverhältnis 202, 211 Doppler-Effekt 389 Drehinversion 532 Drehung 4, 10, 266 f. Drei-Körper-Problem 596 Dualitätsprinzip 204 Duhem-Quine-These 637
Sachregister Dynamik peripatetische 91 f. nicht-lineare 595 Eichfeld 6, 458, 478, 481 - 4 8 4 , 627 Eichgruppe s. Gruppe Eichinvarianz 369, 459 f. Eichsymmetrie s. Symmetrie Eichtheorie 240, 448, 476, 498 f., 503 der Supersymmetrie 511 SU(3)- 501 f. 504 SU(5)- 506 U(l)- 502, 504 Eichtransformation 311, 320, 401, 455, 4 5 8 - 4 6 0 , 627 Eigenschaften, akzidentielle 620 f. essentielle 621 f. Eigenwertproblem 232, 415 Eigenzeit 307, 380 Eimerexperiment 253 Einbettung 653 Einfachheit 13, 54, 58, 66, 261, 297, 370, 398, 477, 630 f., 635, 682 Einheit 14, 135, 140, 176, 287, 292, 300 f., 307, 368, 370, 395, 441, 469, 503, 654, 676, 680, 686, 690, 693 Einheit in der Vielheit 676 Einschränkung 653 Einstein-Minkowski-Programm 308 Ekliptik 55, 72, 78 Eleatismus 74, 663 Elektrizität 5, 9, 274, 279, 284, 287, 291 f. Elektrochemie 284 Elektrodynamik 5 f., 9, 240, 268, 291, 307, 309, 340, 344, 368, 371 f., 395, 402, 448, 455, 460, 643 Elektromagnetisches Feld s. Feld Elektromagnetismus 287 Elektronenfeld, lokale Symmetrie des 458 Elektronenwelle 457 Elektrostatik 67, 240, 276, 279, 2 8 1 - 2 8 3 , 290 f., 297, 307 Elementarteilchenphysik s. Physik Elemente (naturphilosophisch) 89 Empirismus 619, 637, 642 Enantiomeric 536, 538, 560 s. Chiralität s. Dissymmetrie s. Parität
111 Energie 73 kinetische 271, 310, 317 potentielle 271 f., 277, 310, 317 Energiedifferenz, paritätsverletzende 557-560 Energieerhaltung s. Erhaltung Entelechie 415, 581 Entropie 341, 344, 3 4 6 - 3 4 8 , 351, 353, 356, 364, 441 Entropie-Operator s. Operator Entwicklungspfeil s. Zeitpfeil Epigenese 359 Epizykel-Deferenten-Technik 58 f., 61 f., 64 EPR-Experiment 428, 431 EPR-Holismus s. Holismus, quantenmechanisch s. Superpositionsprinzip EPR-Korrelation 432 f., 437, 439, 443, 447, 525 f., 528, 637 Erde 75, 82, 89, 106 Ereignis 251, 255 f., 374 Erhaltungsgröße 318, 320 f. Erhaltungssatz 6, 11, 69, 75, 293, 308 f., 315f., 3 2 1 - 3 2 4 , 378, 399, 417f., 450, 462, 619 des Drehimpulses 319 f. der Energie 320 f. des linearen Impulses 319 f. des Schwerpunktes 321 Erkenntnisfortschritt 638 f. Erkenntnistheorie 80, 315, 321, 624, 656 Erlanger Programm 6, 196, 240, 265, 320, 322 Erwartungswert, statistischer 416, 421 Ethik 50 f., 675 f. Euklidische Geometrie s. Geometrie euklidischer Algorithmus 45 Everett-Interpretation 446 f., 659 Evolution 11, 13, 358 f., 364, 366, 369, 573, 594, 600, 606 biologische 341, 370, 654, 673 chemische 370 kosmische s. Kosmogonie präbiotische 623 Evolutionsgleichung 587 — 589 s. Nicht-Linearität s. Phasenübergang Evolutionsrate 588 Evolutionsreaktor 587 f. Evolutionstheorie 6, 71, 76, 518, 587, 593
728 Extremalprinzip 6, 241, 309, 3 2 4 - 3 2 6 , 330 f., 592 f. exzentrische Kreise 64 Faktorisierbarkeit 428 s. Separabilität Fallgesetz (aristotelisch) 90 Fallibilität 616 f. Falsifikation 477, 617, 636 Farbsymmetrie s. Symmetrie Feld 67, 93 f., 97, 124, 131, 267 f., 275, 294, 306, 455 elektrisches 297, 311 elektromagnetisches 6, 459, 464 Färb- 500 magnetisches 292, 297, 311 Materie- 464 Feldgleichung 291, 297 f., 306, 382, 398, 461 f. Feldoperator 463 Feldtensor 307 Feldtheorie 276, 279, 296 f., 461 f. Feldvektor 281, 285 Feld Vorstellung (naturphilosophisch) 100 Fermatsche Primzahlen 33 Fermatsches Prinzip 325 Fermi-Dirac-Statistik 420, 498 Fermion 437 Fernwirkung 267, 289, 300 Ferromagnet 177, 179, 478, 574 Festkörperphysik s. Physik Feuer 73, 75, 82, 84 f., 88 f., 106 Feynman-Diagramm 482 f. Fibonacci-Folge 48, 131, 565 Finalität 328, 331 Flächenmetrik 218 Flächenornamente 147, 153 Flächen treue 219 Flavour 504 Fluktuation 611, 629 Fluktuationshypothese 351 f., 365 Form/Formen (μορφή) 87, 108 geometrische 142 quadratische 156 f. substantiate 617, 655 f. Formenhierarchie 623 Fonninvarianz 382, 390 Forschungsprogramm 639 Fortschritt, technisch-wissenschaftlicher 675 Fraktal 13, 6 0 2 - 6 0 4 , 606
Sachregister Frank-Mechanismus 559 freie Beweglichkeit 223 f. Fulguration 612 Funktionalanalysis 231 Funktionalismus 678, 681, 691 f. Funktionalraum s. Raum Galilei-Gruppe s. Gruppe Galilei-Invarianz 5, 268, 270, 301, 309, 368, 422 Galilei-Metrik 264 Galilei-Transformation 267, 376, 424, 434 Galoisgruppe s. Gruppe Galoistheorie 4, 185, 188, 191, 194, 216 Galvanismus 287 Ganzheit 105, 428, 433, 528, 561, 607, 613 f., 654, 671 f., 674, 682, 688 s. Holismus Gaußens Theorem (Elektrostatik) 282, 289, 294 Gaußsche Krümmung 220 Gaußsche Kurve 354 Gedankenexperiment 429, 445 Gegenwart 255 Gehirn 615 f., 635 Geist 666 Geisteswissenschaft 676 Gell-Mann/Nishijima-Formel 488 Genkodierung 11 Geometrie 2, 6, 26, 39, 179, 249, 645 absolute 199 affine 200, 263 algebraische 323 analytische 62, 196 Differential- 210 f., 217, 383, 389, 402 elliptische 208 euklidische 199, 219 hyperbolische 205—207 Minkowski- 626, 649 nicht-euklidische 609 projektive 139, 200, 376, 609 sphärische 208 Geozentrismus 53 f., 91, 95 Geschwindigkeitsraum s. Raum Gestalt 530, 610 Gestaltbildung s. Morphogenese Gestaltpsychologie 612, 614 Gleichgewicht 109, 111, 241, 346, 353 f., 583, 633, 667, 678, 684 f. ökologisches 1, 579, 692 f.
Sachregister soziologisches 687 thermodynamisches s. Thermodynamik Gleichung, nicht-lineare s. Nicht-Linearität Gleichungstheorie 185 f. Gleichzeitigkeit 255 f., 260, 626 Glucose 553 Gluon 499 Goldene Spirale 47, 214 Goldener Schnitt 27 f., 43, 46, 48 f., 125 f., 128, 131, 135, 565, 568, 682f. Goldenes Rechteck 46 f. Gotik 133 Gott 325, 3 2 9 - 3 3 2 , 335, 345, 596, 656 Gravitationsfeld 277, 3 7 9 - 3 8 4 , 386, 511 Gravitationsgleichung 7, 393, 398, 644, 646 klassisch 272, 277, 644, 646 relativistisch 7, 384 f., 393 Gravitationskraft 7, 10, 100, 274, 280 f., 308, 311, 395, 514 Gravitationspotential 381 f., 396 Gravitationstheorie klassisch 99, 240, 272 f., 2 7 6 - 2 7 9 , 283 f., 290, 297, 643 f. relativistisch 371, 397, 460 Super- s. Supergravitation Grenzwert, thermodynamischer 440 Große Vereinigung s. Vereinigung Grundlagendiskussion, mathematische 658 f. Grundsatz (Kant) s. Kategorie der Beharrlichkeit 321 f., 315, 619 f. s. Erhaltungssatz s. Substanz der Zeitfolge 625 f. s. Kausalität des Zugleichseins 625 f. s. Wechselwirkung Gruppe(n) 141, 143, 145, 188, 642 affine 645 Ähnlichkeits- 199, 249 arithmetische 167 Automorphismen- 4, 8, 144, 434, 637, 652, 657 Bewegungs- 172, 163 Charaktertafel von 539 Darstellungs- 534, 652 s. Darstellungstheorie Dieder- 145, 567 diskrete 144, 149, 156 f., 162, 234
729 Drehungs- 160 Eich- 299, 312, 323, 403, 476, 608, 627, 653, 668, 670 elementare 372 Färb- s. Farbsymmetrie Friessche 145, 546 Galilei- 8, 265, 320, 4 2 2 - 4 2 5 , 548f., 525, 620, 622, 626, 645, 652 Galois- 1 8 8 - 1 9 0 Haupt- 199 kinematische 5, 260, 372, 645 kontinuierliche 212, 214, 224, 234, 237, 240, 404 kristallographische 172 Leibnizsche 260, 265, 372 Liesche 4, 211, 214 f., 217, 257, 266, 323 Lorentz- 5, 377, 439, 461, 525, 622 Newtonsche 257, 263, 265, 372, 645 Ornamentgruppe 149, 151, 165, 172 Permutations- 185, 189 f., 420, 437 Poincare- 377, 645 Punkt- 145, 150, 159, 164, 172 Raum- 166, 172 Raum-, biologische 550 ' der Rotationen 213, 237, 251 SU(2) 10, 474, 476 SU(3) 490, 502 SU(4) 502 SU(5) 11, 369, 505 Symmetrie- 8, 241, 250, 417, 6 2 0 - 6 2 2 , 668 s. Symmetrie symmetrische 190 topologische 645 Translations- 174, 251 U(l) 466, 476 unitäre 434, 489, 605 zyklische 145 H-Theorem 349, 352 Hadron 10, 369, 4 8 6 - 4 8 8 , 502 Hamilton-Funktion 8, 314, 319, 321, 340, 413, 462 Hamilton-Operator 413f., 4 1 6 - 4 1 8 , 437, 441, 450, 472, 542 Hamilton-Prinzip 312, 339 f., 371, 3 9 5 399 Hamiltonsche Darstellung s. Mechanik Hämoglobin 550 Händigkeit s. Chiralität Handlungstheorie 674
730 Harmonice mundi 147, 40 Harmonie 1 f., 7, 18, 26, 41 f , 44, 48 f., 5 0 - 5 3 , 67, 70, 73f., 103, 109f., 124, 127f., 135, 140, 179f„ 241, 283, 398, 584, 667f., 676f., 684, 686-688, 690 Hartree-Fock-Verfahren 528, 560 Hebelgesetz 91, 632, 634 Heisenbergsche Unschärferelation 465 Heisenbergsche Vertauschungsrelationen 412 f., 463 Heliozentrismus 66 Heuristik 630, 632 f., 636, 639, 652 hidden variables 433, 660 Hierarchie 653 ontologische 652, 655 strukturtheoretische 652, 662 wissenschaftstheoretische 672 Higgs-Feld 484 Higgs-Mechanismus 480—482 Hilbertraum s. Raum Hinduismus 123, 131 Hintergrundstrahlung 393 f. Hippopede 56, 57, 58 Holismus ökologisch 604 quantenmechanisch 343, 425 f., 653, 668 wissenschaftstheoretisch 637 Homogenität 53, 70, 116, 222, 225, 242, 248 f., 259, 320, 378, 388 Homöostase 594, 690 Hörfeld 245 hözhö 18 Hubble-Konstante 393 Hückelmodell 542 Hydra 583 Hydrodynamik 276 Hyperiadung 490, 494 Hyperwürfel 167-169 Hyperzykel 588 I Ching 22 Idealismus 685 Idee, regulative (Kant) 635 Identität 532 Ikosaeder 36, 46, 82 f., 85,159 f., 170,173, 571 Impetustheorie 91 Impulserhaltung s. Erhaltung Indefinitheit 427, 433 Individuationsprinzip 621—623, 626 Induktion 432
Sachregister Induktionsgesetz (elektrodynamisches) 291, 293 Industriegesellschaft 14, 675, 680, 689 Inertialsystem 262 f., 265, 269, 380, 649 Infinitesimalrechnung 634, 316 s. Non-standard Analysis Ingenieur-Ästhetik 687 Inkommensurabilität 44, 49, 191 inkompatibel 415 f. inneres Produkt 230 Innovation 630, 640, 652 Instrumentalismus 657 Integralgleichung 282 f. s. Differentialgleichung Interferenzterm 427 Invariantentheorie 322 f., 381 Invarianz 4, 6, 141, 185, 187, 195, 201, 211, 218, 262, 265, 298, 301, 311, 318, 321, 377, 399, 417, 421, 618, 657 kanonische 645 f., 652 s. Gruppe s. Symmetrie Inversion 197 f., 532 Irreversibilität 341, 348, 350, 352, 342,365, 441, 654 Islam 109 Isometrie 144 Isomorphic 644 Isospin-Symmetrie s. Symmetrie Isospinquantenzahl 488 Isotropie 7, 12, 53, 74, 79, 115 f., 132, 222, 226, 228, 242, 249, 303, 377, 388-390 Jina 20 Kabbalistik 20 f. Kaleidoskop 35, 153, 164-166, 369 Kanon s. ProportionsKatalysator 107 s. Autokatalyse Katastrophentheorie 13, 579 s. Chaostheorie Kategorie 13, 321 f., 361, 433, 608, 616 f., 619, 624 Katzenexperiment s. Schrödingers Katze Kausalität 13, 255, 257, 260, 263, 313 f., 322, 328, 331, 338 f., 374, 386, 433, 468, 555, 608, 616f., 623-625 Kegelschnitt 30, 32 Kerngerüst 519, 527 Klein-Gordon-Gleichung 449 f.
Sachregister Kohlenstoffatom 522 Kollaps des Wellenpakets 442, 445 kommensurabel 44, 46, 49 kommutativ 8, 423, 435 Kompaß 101 kompatibel 415 Kompensation 675 Komplementarität 13, 442, 444, 447, 607, 651, 661, 670, 675 f. Komplexe dynamische Systeme s. Systeme Komplexität 13 f., 341, 359, 573, 606, 658, 673 -sreduktion 653 -ssteigerung 654 Konfiguration, molekulare 545 ferromagnetische 179 Konfigurationsraum 313 Konformation, molekulare 546 Kongruenz 143, 224 Konstanz s. Lichtgeschwindigkeit Konstruierbarkeit 37, 141 Konstruktion regulärer n-Ecke 193 Konstruktionsmittel 30 Konstruktionsproblem 33, 192 Konstruktivismus 658 Kontext 443, 612, 629, 631, 6 3 6 - 6 3 8 , 643, 650, 661, 670, 675, 693 Konventionalismus 631 Kopernikanische Wende 379 Kopernikanisches Modell 94 Koppelungskonstante 516 Körper (algebraisch) 187 reguläre s. Platonische Körper Platonische s. dies. Korrespondenzprinzip 404, 412, 422, 425, 449, 460 f. kosmische Metrik s. Robertson-WalkerMetrik Kosmogonie 70 f., 75, 77, 394, 514, 519 Kosmologie chinesisch 24, 102 griechisch 87 f. Newtonsch 278 relativistisch 388 f., 292 f., 395, 485, 517, 640 Kosmologisches Prinzip 388 — 391, 640 Kovarianz 268, 306, 307, 382 f., 455 Kovarianzprinzip 382, 384 f., 399 Kraft (Newton) 316 (Leibniz) s. vis viva Kraftfeld s. Feld
731 Kraftfunktion 267, 269 f. 274 s. Wechselwirkung Kraftgesetz (Newtons) 2 6 5 - 2 6 8 Kreativität 635, 639 Kreisbewegung 90, 94, 124 Kreisquadratur 29 Kristallklassen 1 6 1 - 1 6 3 Kristallographie 4, 141 f., 149, 159, 162, 183, 520, 522, 550 Krümmung 2 2 1 - 2 2 3 , 383, 385, 402 s. Tensoranalysis Kubismus 175, 677 Kugelsymmetrisch s. Symmetrie Kunst 1, 4, 12, 14, 124, 179f„ 6 7 6 - 6 7 8 , 680 abstrakte 679 der Architektur s. dies, der Moderne s. dies, der Postmoderne s. dies, der Renaissance 140 Künstliche Intelligenz s. Artificial Intelligence L-Weinsäure 521 Ladung 280, 284, 286, 294, 300, 472 Ladungserhaltung 294 f. Ladungsgesetz, Coulombs 280 f. Ladungskonjugation 452, 471 Ladungsmultipletts s. Teilchenmultipletts Lagebeziehung 258 Lagrange-Dichte 461 Lagrange-Funktion 310 f., 3 1 2 - 3 1 4 , 320, 339 f., 461 Lagrange-Gleichung 313, 396 f., 461 Lagrange-Operator 480 Längentreue 219 Laplace-Gleichung 278, 283, 290 Laplace-Operator 283, 290, 305 Laplacescher Dämon s. Dämon Laser 5 7 7 - 5 7 9 , 587, 595, 606 LCAO-Methode 540, 542 Leben 351 s. Biologie s. Evolution Lebendige Kraft s. vis viva Lebenswelt 681 f. technisch-industrielle 678 Lebenszyklus 87 f., 89, 664 f. Leitermenge 644 f. Lemniskate 57 Lepton 11, 469 f., 507
732 Licht 292 f., 325 Lichtgeschwindigkeit 300, 303 f., 371, 626 Lichtkegel 373 s. Minkowski-Raum Lie-Algebra s. Algebra Lineal 26, 29 f., 33 f. Linearität 606, 632 s. Nicht-Linearität Links-Rechts-Unterscheidung 162, 254 s. Chiralität s. Dissymmetrie s. Enantiomerie s. Parität Liouville-Operator 441 Lobatschewski-Raum s. Raum Logizismus 642 Logos 14, 42, 74, 128, 663, 689, 690 Logozentrismus 687, 689 lokal-realistische Theorie 431 f., 660 Lorentz-Funktion 297, 300 -Gruppe s. Gruppe -Invarianz 6, 268, 304-308, 368, 371, 385 f., 422, 455, 462, 468, 472, 637 -Konvention 299, 305 -Kraft 286, 298, 307, 311 -Transformation 304, 376 f. Loschmidtscher Dämon s. Dämon Lotka-Volterra-Gleichung 581 Luft 72, 75, 82, 84 f., 89, 106 Magnetfeld 285 f., 288 f., 296 Magnetismus 5, 9, 67, 100, 124, 274, 285, 287, 292 Magnetostatik 102, 240, 276, 285, 289, 291, 294, 297, 307 Makrokosmos 513, 599 Makromolekül 546, 550, 604 f. Malerei 138, 677 f. Mandelbrotmenge 602 Mannigfaltigkeit 233 homogene 225 Pseudo-Riemannsche 382 f. Riemannsche 221 f. many world view 446 Maschinen, einfache 115 Masse 263, 265, 268 f., 272 f., 284 -Verteilung 277 Ruh- 308 materia prima (πρώτη ϋλη) 11, 105, 370 Materie (ϋλη) 87
Sachregister Materie 399, 516, 553 s. Feld Mathematik 113, 179 f., 655 ägyptische 25 griechische 25, 50 indische 25 chinesische 25 moderne s. Grundlagendiskussion s. Konstruktivismus s. Mengenlehre s. Struktur Matrixdarstellung 237 f. Maxwell-Feld 462, 464 Maxwell-Gleichung 5, 295 f., 300 f., 3 0 6 398 Maya 52 Mechanik 643 Hamiltonsche 308, 313, 412, 620, 651 klassische 261, 404, 650 Lagrangesche 308, 340, 651 Newtonsche 308, 412, 651 Quanten- s. Quantenmechanik Mechanismus 668 Medizin 67, 75 f., 665 Megalith 124 Mengenlehre 641, 643, 658 Menschenbild 681 Meßinstrument 8 f. Meso-Weinsäure 521, 524 Meson 487 f. Meßprozeß 444, 446, 647, 650, 669 quantenmechanischer 435, 442, 627 Metabolismus 441, 519, 561, 574, 588, 594 f. Metamorphose 5, 566 Metaphysik 620, 624, 660, 668, 670, 673 Metatheorie 642 Meterologie 575 Methodologie 629, 631, 639 Michelson-Morley-Versuch 372 Mikrokosmos 403, 513, 599, 602 Minkowski-Kegel 379, 468 Minkowski-Metrik 304, 375, 379, 382 f. Minkowski-Raum s. Raum Mittel, arithmetisches 42 f., 51 geometrisches 42 harmonisches 42 Modell, konformes 206-209, 219, 376 projektives 206-209, 219, 376 Modellbegriff 635 Moderne 14, 676, 678, 681 f., 684 f., 688
733
Sachregister Möglichkeit (δύναμις) 87 Moleküle, nicht-stationär 538 stationär 538 Molekülstruktur 536 Monadologie 164, 166, 274, 335 Morphogenese 441, 583 f., 606, 615 Morphologie 593, 599 Multipletts s. Teilchenmultipletts Musik 2, 12, 26, 42, 142, 179 Musterentstehung 614, 629, 653 Mustererkennung 612, 614, 653 Mutation 561, 589 mysterium cosmographicum 96 Mythologie 1 f., 21 Mythos 16 f. Nahwirkung 283, 289, 292 f. Natur (φύσις) 88, 666 poietische 664, 667 natura naturans 664, 666, 669, 693 natura naturata 664, 666 Naturalismus 332, 362 Naturgesetz 241, 265, 324, 618, 656, 669, 670 Naturphilosophie 3 - 6 , 14, 22, 38, 6 4 66, 71, 75, 77 f , 85, 240, 272, 275, 310, 479, 504, 573, 584, 586, 592, 628, 692, 693. antike-mittelalterliche 67 aristotelische 87 f., 94, 102, 664 f., 669 chinesische 93, 279, 434 griichische 279 moderne 368 f., 430 f., 628 f., 661 f., 668 f. neuzeitliche 240 f. platonische 82 f. romantische 287, 291 f., 666 stoische 94, 102, 112, 131, 297 taoistische 92, 102, 112, 131, 285, 297, 428 vorsokratische 68 f., 315, 663 Naturwissenschaft 477, 666, 676, 680 Navajo-Indianer 15 — 18 Neuplatonismus 4 Neurologie 362 Nicht-Dissymmetrie 555 nicht-kommutativ 404, 415, 435, 476 Nicht-Linearität 579, 595 f., 603, 606, 632, 671 Nicht-Gleichgewicht 606 s. Thermodynamik
Noethers Theorem 320, 322 Nominalismus 655, 657 — 659 Non-standard Analysis 216 Norm 638, 640, 668 Nukleinsäure 551, 587, 595 Nukleon 473 Observable 8, 369, 404, 415, 421, 423,426, 622 f., 657 klassische 8, 415, 423, 435, 437, 527 nicht-klassische 423 inkompatible 366 Observablenalgebra s. Algebra Occasionalismus 332 Ökologie 582, 666 f. Ökonomie 631 Oktaeder 36, 40, 46, 82 f., 85,159 f., 169 f., 571 Ontologie 397 f., 447 f., 624, 630, 655, 659, 660 Operator 657 Hamilton- 646 selbstadjungierter linearer 646 adjungierter 232 Entropie- 441, 605 hermitscher (selbstadjungierter) 233 linearer 231 selbstadjungierter 415 unitärer 232, 424, 434 Zeitumkehr- 421 f. Optik 5, 9, 240, 300, 325, 339, 372, 520 Optimierung 328, 332, 589 optische Aktivität 162, 520 f., 538, 554 Orbital 410, 528, 540 Ordnung 362 Organismus 92 f., 560, 665, 668, 680, 684, 688 Organismusmodell 67 Ornamentgruppe s. Gruppe Ornamentik 142, 175 Ornamentsymmetrie s. Symmetrie Paarerzeugung 464 Paarvernichtung 464 Paläontologie 593 Pantheismus 257 Paradigma 639, 664 Paradoxien, kosmologische 278 f. Parallelitätsaxiom 205, 249 f. Parität 10, 240, 254, 369, 470 f., 472, 550, 554
734 Paritätsverletzung 551, 557, 560 Partikel 67 Pauli-Prinzip 420, 451, 498, 509 f., 528 PC-Parität 482 PCT-Theorem 472 Pentagramm 43 Permutation 254, 404 Permutationssymmetrie s. Symmetrie Perpetuum mobile 123 f., 135, 316, 364 Perspektive 138, 675 s. Kontext Perspektivenwechsel 674 Pflanze 564 Pharmakologie 544 Phasenraum 314 Phasenübergang 440, 578, 671 s. Nicht-Linearität Phasenverschiebung 460 philosophia perennis 240, 338, 671, 693 Philosophiegeschichte 662 Photochemie 555 Photonenexperiment 427 Photosynthese 360 f. Phyllotaxis 566 Physik 1, 5, 13, 64, 87, 113, 142, 359, 366, 573 aristotelische 95 f. chinesische 67 Elementarteilchen- 9, 85, 141, 165, 191, 386, 626, 448 Festkörper- 177 klassische 240, 267, 619, 626, 656, 661 platonische 8 5 f. Quanten- s. Quantenmechanik Physikalismus 332 Physiologie 362, 635, 665, 683 Plancksches Wirkungsquantum 405 Platonische Körper 37, 38,133,159 f., 167, 170, 172 f., 211, 571, 632 Piatonismus, mathematisch 658 Pluralismus 676 Pneuma 307, 586 Poincare-Transformation 511 point de vue 443, 527, 670 Pointiiiismus 610, 691 Poisson-Gleichung 278, 283, 290, 384 Polyeder, reguläre 36 halbreguläre 38 Polygon, reguläre 2 6 - 2 8 , 30, 3 2 - 3 4 , 46, 152 halbreguläre 39
Sachregister Polymerisation 545, 559, 579, 580 Population 595 Populationsgleichung 580 f., 587, 671 s. Nicht-Linearität Positivismus 477, 637, 655, 659, 660, 672 Positron 9, 452 f. Postmoderne 14, 676, 679, 689, 691, 693 potentia 272 Potential 278, 298, 306, 311 f., 439, 455, 513 elektromagnetisches 396, 402 Gravitations- 396 Potentialität415, 428,430 f., 433,446, 617, 647, 655, 668 Potentialtheorie 267, 270, 276, 278, 281, 284, 290, 297 PradigmenWechsel 686 Präformationstheorie 358 prästabilierte Harmonie 6, 309, 324, 337, 340, 345, 379, 555, 665 Prinzip, chemisch 112 der allgemeinen Kovarianz s. Kovarianzprinzip der kleinsten Aktion s. Prinzip der kleinsten Wirkung der kleinsten Wirkung 324, 326, 330, 332 des zureichenden Grundes 53, 259, 262, 328, 632 Projektion Parallel- 201 Zentral- 201 Proportion 25 f., 32, 41 f., 48, 59, 85, 124, 128-130 Proportionenlehre 4 9 - 5 1 , 127, 141, 683 Proportionskanon 127, 130 f., 180, 568, 676 Protein 546, 550 Protonenzerfall 508 Psychologie 362, 674 Pythagoräer 1 f., 25 f., 36, 41 f., 44, 52, 179 f., 398 Quadrivium 2, 51, 179 Qualitäten 109 primäre 80 sekundäre 80 Quantenchemie 519, 524, 526, 606 f., 653 Quantenchromodynamik 10,486,498, 503 Quantenelektrodynamik 9 f., 448, 466, 486, 503, 640
Sachregister Quantenfeldtheorie 9, 448, 461, 468, 473, 486, 606, 627, 640 Quantenlogik 8, 436 Quantenmechanik 4, 7 f., 234, 241, 309, 322 f., 368, 400, 403 f., 425, 616, 621, 626, 646, 650, 656 f., 659 C*- 8 galilei-invariante 438, 448 lorentz-invariante 448 molekulare 526 verallgemeinerte algebraische 8, 367, 436, 439, 447, 525, 650, 661 von Neumannsche 8, 366 — 368, 404, 661 Quantenoptik 606 Quantensystem s. Systeme Quantisierung, erste 462 zweite 460, 462 Quark 10 f., 173, 493, 495 f., 499, 502, 507 Quark-Antiquark-Paar 502 Quasi-Elektron 528 Radiolarien 571 Rationalismus 443, 693 Raum 258, 339, 616 absoluter 5, 252, 254 f., 258 Funktional- 238 Geschwindigkeits- 376 Hilbert- 8, 2 2 9 - 2 3 1 , 234, 369, 414, 424, 434, 652, 657 Lobatschewski- 206, 375 f. maximal symmetrischer 226 Minkowski- 6, 371, 3 7 3 - 3 7 8 , 455, 627 musikalischer 183 orientierter 247 relativer 25 f., 259 Riemannscher 226 s. Mannigfaltigkeit Sequenzen- 590, 592 symmetrischer 217, 222, 225, 389 f. Vektor- 229, 233, 235 Raum-Zeit 242, 251 f., 265, 299, 303, 434, 649 Galileische 322 Leibnizsche 257 f. Minkowski- 372 f. Newtonsche 252 Raum-Zeit-Symmetrie s. Symmetrie Realismus 9, 404f„ 430f., 517, 651, 655, 657, 659, 660 Reduktionismus 13, 525, 528
735 Reflexion 197 f. s. Spiegelung regulae philosophandi 634, 639 reguläres Polygon s. Polygon Relativitätsprinzip 4, 372, 398 Galileisches 320 Einsteinsches (speziell) 302 f., 372 (allgemein) s. Äquivalenzprinzip s. Kovarianzprinzip kinematisches 261 Relativitätstheorie 4, 8, 241, 322, 371, 400, 468, 616, 650 allgemeine 7, 9, 368 spezielle 6k 368, 371, 379, 626 Religion 1, 132, 252, 258, 335, 640 Renormierbarkeit 467 f., 503, 640 Reproduktion 551 res cogitans 444 extensa 444 Rettung der Phänomene 54, 61 Reversibilität 345, 350, 365 Ricci-Kalkül 218 Richtungsanzeige 116 Riemann-Christoffel-Tensor 383 Riemannsche Mannigfaltigkeit s. Mannigfaltigkeit Ringstruktur 540 Robertson-Walker-Metrik 390 f. Rotation 183, 197, 212 Rotationssymmetrie s. Symmetrie Rotverschiebung 388 f. Ruhe, absolute 264, 252, 256 f., 260 Ruhmasse s. Masse Sandgemälde (Navajo) 16 f. Schleimpilz 582 Schlüssel-Schloß-Hypothese 556 Schneekristall 574 Scholastik 133 Schrödinger-Gleichung 7, 9,410, 414,417, 421, 441, 444 f., 450, 605, 622, 646 Schrödingers Katze 366, 429 f., 442, 445, 650 schwarzes Loch 387 scientific community 639 Sehfeld 2 4 3 - 2 4 5 Selbstähnlichkeit 599 f., 602 Selbstoptimierung 592 Selbstorganisation 13, 587, 592, 608, 669 Selbstreplikation 594 f.
736 Selbstreproduktion 12, 561, 563, 589 s. Autopoiesis Selektion 370, 556, 561, 568, 587, 594 Selektionsprozeß 589 Selektionswert 592 Seltsamkeit 495 sensorium Dei 253, 273, 358 Separabilität 430, 432 Sequenzenraum s. Raum Skalarprodukt 230 Slater-Determinante 528 Sozialwissenschaft 676 Soziologie 674 Spektroskopie 141, 149, 405, 407, 436 Spezielle Relativitätstheorie s. Relativitätstheorie Sphären 29, 52 f. Sphärenharmonie 53 Spiegelung 4, 10, 378 Spin 413 f. Spirale 213 f., 566 Standardlogik 642 f. Standardmodell (kosmologisch) 391 Steady-State-Modell 393 Stereochemie 4, 11, 519f., 524, 544, 556 Sternpolygon 34, 38 Stoa 268, 275, 307, 586 Stokes Theorem 271 f., 283, 293 Stoßgesetze 316 Streifenornamente 145 — 147, 183 Strom 287 Struktur 640 f. reichhaltige 648 umfangreiche 648, 652 uniforme 647 Strukturart 6 4 2 - 6 4 4 , 646, 6 5 2 - 6 5 4 , 659, 661, 667, 670 Strukturbegriff 635 Struktureinbettung 649, 653 Struktureinschränkung 649, 653 Strukturelement 644, 658 Strukturformel 527 Strukturtyp 644, 646 Substanz 13, 309, 322 f., 339,399,433,468, 608, 6 1 6 - 6 1 8 , 620f., 6 2 5 - 6 2 7 Super-Higgs-Mechanismus 512 Superauswahlregel 8, 435—437, 623 Supergravitation 11, 370, 504, 5 1 1 - 5 1 3 , '516 Superpositionsprinzip 8,442,444, 525, 623 klassisch 270, 281 f.
Sachregister quantenmechanisch 425 — 427, 434-437 Superstrings 513 Supersymmetrie 11, 350, 503, 509 Eichtheorie der 511 globale 511 lokale 511 spontane Brechung der 440, 512, 578 -transformation 510 Symmetrie algebraische 188 äußere 10, 12, 299 Bilateral- 12 Brechung s. Symmetriebrechung Drehspiegelung 532 Drehung 17, 115, 144f., 176, 321, 564 dynamische 299, 385 Eich- 323, 395, 440, 309, 386, 400 Färb- 173, 498, 509, 572 funktionale 563 geometrische 188, 385 Gestalt- 563, 568, 572 globale 6 f., 368, 371, 378, 385, 4 5 4 - 4 5 7 , 480, 499, 627 innere 10, 299, 312 Isospin- 10, 473, 482, 490, 509 globale 474 lokale 475 -klasse 539, 543 Links-Rechts- 5, 10 f., 143 logische 623 lokale 6 f., 368, 371, 379, 385 f., 4 5 4 - 4 5 6 , 458, 503, 627 SU(2)- 475 molekulare 530 morphologische 12 der Musik 173 Orbital- 540 Ornament- 150 Permutations- 8 Raum-Zeit- 5 f., 8, 10, 260 f., 302, 309, 318, 404, 425, 511, 608 Räume, symmetrische s. Raum Rotations- 150, 418 f., 567, 568, 418 f. Schrauben- 565 Spiegel- 17, 91, 114, 136f., 144f., 183, 341, 404, 419, 471, 521, 532, 567 f., 602, 610
429,
559,
404,
395,
395,
306,
571,
180, 564,
737
Sachregister Spin-Rotations- 440 Spiral- 572 statistische 563 SU(2)- 476, 480, 482 f., 516 SU(2)xU(l)- 10f., 4 8 3 - 4 8 6 , 504, 516f. SU(3)- 10f., 369, 491, 493, 498, 516 SU(4)- 496 f. SU(5)- 369, 505, 507, 509, 516 Supersymmetrie s. dies. Teilchen-Antiteilchen- 453 -transformation 532 Translations- 145, 183, 321, 440, 564 U(l)- 9, 482 f., 515 Zeit- 6, 346, 421, 471 f. Zentral- 1 3 5 - 1 3 8 Symmetriebrechung 2, 3 , 1 2 , 1 9 , 1 2 8 - 1 3 0 , 132, 184, 366, 485, 514, 518 f., 538, 562, 566, 5 7 3 - 5 7 6 , 582 f., 587, 594, 604f., 607 f., 611, 613, 623, 629, 637, 639, 651, 654, 669, 689, 693 spontane 478 f., 484 spontane der Supersymmetrie s. Supersymmetrie SU(2)xU(l)- 560 SU(5)- 517 zeitliche 242, 441, 605 Symmetriebruch/briiche s. Symmetriebrechung Symmetrieoperation 233, 565, 8 Symmetrieprinzip s. Curiesches Symmetriegruppe s. Gruppe Symmetrische Gruppe s. Gruppe Synergetik 578 Systeme, klassische 9, 442, 447, 651 Quanten- (nicht-klassische) 9, 416, 442, 447, 623, 651 komplexe dynamische 573, 600, 603, 605 f., 671 f. offene 575, 577, 595 unendliche thermodynamische 440 f., 654 Systemtheorie 612, 671 f.
Tensoranalysis 381 Tensorprodukt-Hilbertraum 427 Tetraeder 36, 40, 82 f., 85, 159, 169, 522 Theodizee 6, 241, 329, 332, 337 f. Theologie 258f., 324, 3 3 1 - 3 3 3 , 673 Theorie lokal-realistische s. dies, strukturreichere 649 umfangreichere 649 f. Theorieäquivalenz 651 Theoriegeladenheit 670 Theorien, mathematische 641 -fortschritt 649 -Pluralismus 640 Theoriereduktion schwache 527, 653 starke 527 Thermodynamik 6, 241, 340 f., 353, 360, 362, 367, 573, 605, 654 des Gleichgewichts 353 — 355, 365 des Nicht-Gleichgewichts 355, 365 f., 441, 574, 669 2. Hauptsatz der 341, 344f., 3 6 0 - 3 6 5 , 574 statistische 347 phänomenologische 347 Topologie 211 Trägheitsgesetz 221, 261, 263, 265 Transformation Ähnlichkeits- s. Ähnlichkeit s. Eichs. Galileis. Gruppe Ladungs- s. Ladungskonjugation s. LorentzParitäts- s. Parität s. Poincares. Symmetrie Zeitumkehr- s. Symmetrie Translationsgeschwindigkeit 264, 321 Translationssymmetrie s. Symmetrie Transmutation 103, 106 f. Typisierung 642
Taoismus 67, 92 f., 100,102, 113,123,131, 268, 275 Tastfeld 245 Tatsache 637, 670 Technik 4, 14, 114, 668 Teilchenmultipletts 4 8 7 - 4 9 7 Teleologie 326, 338, 607, 638
Umkehreinwand 349 unendlich ferne Gerade 204 unendlich ferner Punkt 203, 209 unitär s. Gruppe Universalienstreit 655 Universum endlich 392
738 geschlossen 392 offen 392 unbegrenzt 392 s. Kosmogonie s. Kosmologie s. Standardmodell Unschärfe 647 s. Struktur, uniforme Unschärferelation 441, 606 Ununterscheidbarkeitsprinzip 188 f., 420 Unvollständigkeit 430 Urknall 391, 394, 515 Ursache s. Causa s. Kausalität Ursprung des Lebens 594 Urteilskraft 675
Sachregister
8,
143,
Vakuum 90, 464, 479 Vakuumpolarisation 501 Variationstheorie 312, 3 2 4 - 3 2 8 , 397, 462, 636 Vektorraum s. Raum Veränderung (μεταβολή) 88 Vereinheitlichung s. Vereinigung Vereinigung 5, 7,9 - 1 1 , 1 9 6 , 240,274, 306, 369, 395, 400, 448, 503, 509 große 504 f. s. Supergravitation s. Supersymmetrie Vergangenheit 255 f., 654 Verhulstsche Populationsgleichung 595 Verschiebungsstrom 295 f. verschränkte Systeme 429, 433 s. EPR. Vertauschungsrelation s. Heisenbergsche Vielheit 693 s. Einheit Viererimpuls 308 Viererkoordinaten 303, 462 Viererpotential 305 f., 464 Viererstrom 305, 450 Vierervektoren 304 Viren 561 vis viva 270, 316 Vollkommenheit 632, 635, 677 Vollständigkeit 397 Vorsokratiker 3, 67, 82, 663 Vortheorie 643
Waage 111, 679 Wahrheitsähnlichkeit 638 Wahrnehmung 12, 242, 609, 614 Wahrscheinlichkeit 349, 413 Wallis' Kriterium 250 Wasser 69, 75, 82, 84f., 89, 106 Wechselwirkung 85, 274, 617, 624 elektromagnetische s. elektrodynamische elektrodynamische 10 f., 299, 395, 439, 448, 469, 482, 504, 514, 518 gravitative s. Gravitation schwache 10 f., 395,448, 469, 472 f., 504, 507, 514 starke 10f„ 395, 448, 486, 504, 507, 514 superschwache 472 Weinberg-Salam-Theorie 485 Weinberg-Winkel 484 Welle-Teilchen-Dualismus 413, 454, 462, 464 f. Wellen (naturphilosophisch) 93 Wellenfunktion, Schrödingersche 408, 413 Wellengleichung 2 9 9 - 3 0 1 , 305f., 410 s. Dirac-Gleichung s. Schrödinger-Gleichung Weltlinie 263 Weltradius 391 Wert (s. Ethik) 675 Wiederkehreinwand 350 Winkeldreiteilung 29, 194 Winkelsummensatz 210 Wirbeltheorie (naturphilosophisch) 78 Wirklichkeit (ενέργεια) 87 s. Hierarchie, ontologische s. Ontologie s. Realismus Wirklichkeitsbereich (wissenschaftstheoretisch) 643 Wirkungsquantum s. Plancksches Wirkungsquantum Wissenschaftstheorie 13, 493, 527 f., 628, 636, 682, 693 postmoderne 689 Woodward-Hoffmann-Regel 542 Wurfgesetz (aristotelisch) 90 s. Impetustheorie Würfel 36, 82 f., 159 f., 169 f. Würfelverdoppelung s. Delisches Problem Yang-Mills-SU(2)-Theorie 480 f.
476 - 478,
739
Sachregister Yang-Yin-Dualismus 23 f., 76, 92 f., 100, 279, 284, 428, 554 Zahlentheorie 34, 49, 156 Zeit 259, 339, 616 absolute 5, 252, 375 Asymmetrie der 342 -pfeil 241, 341, 342, 352, 442, 654 -richtung 344 relative 252 -Symmetrie s. Symmetrie metrische 250 topologische 250 -Translation 267 -umkehr 10, 345, 356, 358, 378 -umkehroperator s. Operator
s. Raum-Zeit s. Umkehreinwand s. Wiederkehreinwand Zelldifferenzierung 582, 523 Zentralsymmetrie s. Symmetrie Zentrum (algebraisch) 435 Zhabotinsky-Reaktion 585 Zirkel 26, 29 f., 33 f. Zoologie 664 Zukunft 255 f., 654 Zulässigkeit 397 Zustand (quantenmechanisch) 414 f. reiner- 425, 434 s. System Zwillingsparadoxon 375
D. F0LLESDAL/ L. WALL0E / J. ELSTER
Rationale Argumentation Ein Grundkurs in Argumentations- und Wissenschaftstheorie Nach der zweiten Auflage aus dem Norwegischen übersetzt von Matthias Kaiser und Georg Meggle Oktav. IX, 371 Seiten. 1986. Gebunden DM 9 8 , ISBN 3 11 011075 X (Grundlagen der Kommunikation) Kartoniert DM 4 8 , - ISBN 3 11 008274 8 (de Gruyter Studienbuch) Das Buch analysiert und vergleicht die wichtigsten Argumentationsformen in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Besonders ausführlich wird die hypothetisch-deduktive Methode und deren Anwendung bei der Formulierung und Überprüfung von Hypothesen sowie bei der Erklärung und Prognose von Ereignissen dargestellt. Als Hilfsmittel zur Analyse der Wissenschaftssprache werden die Grundlagen von Definitionslehre, Logik, Beweistheorie, Entscheidungs- und Spieltheorie eingeführt und diskutiert. Das Buch schließt mit Überlegungen zum Verhältnis zwischen rationaler Argumentation und praktischem (insbesondere moralischem) Handeln.
GEREON WOLTERS
Mach I, Mach II, Einstein und die Relativitätstheorie Eine Fälschung und ihre Folgen Groß-Oktav. XV, 474 Seiten. 1987. Ganzleinen DM 188,ISBN 3 11 010825 9 Einstein betrachtete Ernst Mach als einen der wichtigsten Wegbereiter der Relativitätstheorie. Deshalb überraschte es allgemein, als in posthumen Werken Machs barsche Ablehnungen der Relativitätstheorie auftauchten. Das Buch weist diese Texte anhand neu aufgefundener Dokumente als Fälschungen nach. Es liefert ferner eine Darstellung der Machschen Wissenschaftstheorie nebst einer Kritik von Machinterpretationen, die auf Machs angebliche Ablehnung der Relativitätstheorie aufbauen. Preisänderungen vorbehalten
Walter de Gruyter
W G DE
Berlin · New York