Vom Denken der Natur zur Natur des Denkens. Ibn Bāǧǧas Theorie der Potenz als Grundlegung der Psychologie [INCOMPLETE]


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David Wirmer Vom Denken der Natur zur Natur des Denkens

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Scientia Graeco-Arabica herausgegeben von Marwan Rashed

Band 13

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Vom Denken der Natur zur Natur des Denkens Ibn Bāǧǧas Theorie der Potenz als Grundlegung der Psychologie

von

David Wirmer

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ISBN 978-3-11-027196-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-027203-1 e-ISBN (ePub) 978-3-11-038551-9 ISSN 1868-7172 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

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© 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und buchbinderische Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

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Vorwort Das vorliegende Buch ist die in Teilen leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Sommer 2010 an der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vorgelegt habe und die den Titel trug: »Ibn Bāǧǧas Buch der Seele. Aristotelische Psychologie als Naturwissenschaft und Fundamentalwissenschaft«. Der für den Druck veränderte Titel soll dem zentralen Anliegen dieser Untersuchung stärkeren Ausdruck verleihen. Zwar ist der Ausgangspunkt der Arbeit die Analyse des Buchs der Seele (Kitāb al-nafs) des andalusisch-arabischen Philosophen Ibn Bāǧǧa (gest. 1139), doch ziehlt sie auf mehr ab als auf die Erschließung dieses einen, wenn auch zentralen Textes. Im Zentrum des Interesses steht vielmehr die Rekonstruktion eines systematischen Entwurfs der Naturphilosophie, in dem die Psychologie im aristotelischen Sinne, also die Lehre von der Seele als Form belebter Körper, allererst ihren Platz findet. Die bisher gängige Trennung zwischen bloß kommentierenden naturphilosophischen und »originellen« intellekttheoretischen Schriften hat zu einem verzerrten Bild der Philosophie Ibn Bāǧǧas geführt, und sie hat das Buch der Seele, seine kommentierende, resümierende, erweiternde Aneignung und Ausarbeitung von Aristoteles’ De anima, zu einem Zwitter zwischen diesen Gattungen gestempelt. Denn, bekannt vielfach nur durch die Kritik seines berühmteren Landsmanns Ibn Rušd (Averroes), gilt das Buch der Seele auch als einer der Orte, an denen Ibn Bāǧǧa in »neuplatonischem« Geiste seine »originelle« Lehre von der Erkenntnis des aktiven Intellekts entwickelt. Die vorliegende Studie versucht nun mittels einer das gesamte Œuvre einbeziehenden Analyse des zentralen Begriffs der Potenz beziehungsweise des Vermögens zu zeigen, dass Ibn Bāǧǧa die Psychologie im Sinne des Aristoteles konsequent als Naturwissenschaft konzipiert und auch die Intellektlehre auf naturphilosophische Prinzipien aufbaut. Dabei soll deutlich werden, warum diese Grundlegung der Psychologie zugleich in eine intellekttheoretische Fundierung der Naturphilosophie münden muss. Denn Ibn Bāǧǧas Psychologie deckt auf, dass und wie die naturphilosophischen Prinzipien auf den Intellekt als auf ein übergeordnetes Prinzip bezogen sind. Indem er sie vollendet, begründet der reine Akt des Intellekts die natürlichen Prinzipien und Potenzen. So geht die Erkenntnis den Weg vom Denken der Natur zur Natur des Denkens. Den langen Weg der Entstehung dieses Buches haben viele Förderer, Kollegen und Freunde begleitet, denen ich an dieser Stelle von Herzen danken möchte. Erste Bekanntschaft mit Ibn Bāǧǧa konnte ich im Studienjahr 1998–99 in einem

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VI

Vorwort

Seminar bei Aryeh Leo Motzkin (sel. A.) an der Hebräischen Universität in Jerusalem schließen. Aryeh Motzkin vermittelte uns die aufregende Einsicht, dass wer einen Denker der Vergangenheit verstehen will, sich nicht begnügen darf zu fragen, was er über die philosophische Wahrheit gedacht hat, sondern nach der philosophischen Wahrheit selbst fragen muss. An der Universität Bonn habe ich vor allem bei Ludger Honnefelder gelernt, wie sich diese Idee in präzise Analysen umsetzen lässt, die bei der textimmanenten Durchdringung die übergeordneten systematischen Fragestellungen nicht aus dem Blick verlieren. Seine Seminare haben mich vollends für die Philosophie des Mittelalters begeistert, und ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich am Ende des Studiums mit meinem arabischen Thema zur Promotion angenommen hat. Sein unfehlbarer Überblick und sein zugleich methodisch anspruchsvoller und sachlich pragmatischer Rat haben an entscheidenden Stellen immer wieder dafür gesorgt, dass aus einem Projekt ein Produkt werden konnte. Insbesondere in den langen Monaten der Fertigstellung hat er mir geholfen, im gesammelten Material die Linien zu erkennen und sichtbar zu machen. Mein tief empfundener Dank dafür! Aufrichtig danken möchte ich sodann Gerhard Endreß für die Bereitschaft, meine Arbeit von der Seite der arabischen Philosophie zu betreuen, und für die Zeit, die intensive Aufmerksamkeit und den reichen Schatz an Hinweisen und Materialien, die er mir bei mehreren Besuchen in Bochum hat zukommen lassen. Gelernt habe ich von ihm, nicht zuletzt durch seine zahlreichen Schriften, das Handwerkszeug der philosophischen Arabistik zu gebrauchen. Sollte das auf den folgenden Seiten nicht immer uneingeschränkt geschehen sein, so liegt die Verantwortung selbstverständlich allein bei mir. Zu danken habe ich ferner der Studienstiftung des Deutschen Volkes, die mir mit einem Promotionsstipendium die Möglichkeit gewährt hat, tief in die Philosophie Ibn Bāǧǧas einzudringen. Für die Gelegenheit, auch wieder herauszufinden, gilt mein besonderer Dank Andreas Speer, der mir die Chance gegeben hat, als Assistent am Thomas-Institut in Köln meine Arbeit in Ruhe zu beenden. Seine bedingungslose Unterstützung und die vielfältigsten Anregungen, die ich der Arbeit mit ihm verdanke, bedeuten mir sehr viel. Die wunderbare Atmosphäre des gemeinsamen Lernens und Disputierens am Thomas-Institut ist ein Schatz, den ich nicht missen möchte. Mein Dank gilt auch den Kollegen am Institut, von denen ich besonders Guy Guldentops und Roland Hissette nennen möchte, die mir immer wieder geduldig mit wertvollem Rat zur Seite gestanden haben. Während der Schlussredaktion der Dissertation schließlich durfte ich drei Monate am Albertus-Magnus-Institut in Bonn verbringen. Den Kollegen dort danke ich sehr herzlich für die Gelegenheit, meine Ergebnisse mit ihnen zu diskutieren und für die liebevolle Anteilnahme am Fortgang der Arbeit. Hannes Möhle verdient meine Dankbarkeit nicht nur für die gastfreundliche Aufnahme am Albertus-Magnus-Institut, sondern auch für den wahren Freundesdienst,

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Vorwort

VII

mir den Weg zur Beendigung der Arbeit gewiesen zu haben. In diesen Dank ist ebenso Isabelle Mandrella eingeschlossen. Für weitere Hilfestellungen und Anregungen danke ich Gerrit Bos und Gad Freudenthal. Theo Kobusch und Stefan Wild gebührt mein Dank dafür, als Mitglieder der Promotionskomission aus einer Prüfung ein philosophisches Gespräch gemacht zu haben. Marwan Rashed danke ich ganz herzlich für die bereitwillige Aufnahme der Arbeit in die Reihe Scientia Graeco-Arabica. Die tiefste Dankesschuld ist am wenigsten in Worten abzutragen. Meiner Frau Line für ihren Beistand und ihre Geduld: Danke! Ich widme dieses Buch meinen Eltern, Rita und Thomas, denen ich als geringste Gaben das Interesse für die Natur und für die Geschichte verdanke, die am Ursprung dieser Untersuchung stehen. Köln, im Juni 2014 David Wirmer

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. ii.

1

Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ibn Bāǧǧa: Leben und Werk im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontext und Bildungsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Abhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii. Das Buch der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung und Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iv. Leitlinien für eine neue Lektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Bild Ibn Bāǧǧas bei seinen andalusischen Nachfolgern . . . . . . . . . Die Fehlinterpretation Alexander Altmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Spaltung von Ibn Bāǧǧas Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsstand zum Buch der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textgattung und Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellung im Gesamtwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . v. Vorgehen ‒ Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 7 7 10 17 20 20 26 28 32 32 33 35 40 42 43 46 48

I.

Ibn Bāǧǧas Aristotelismus und der Status der Psychologie . . . .

59

1. Aristotelische Philosophie im Umfeld Ibn Bāǧǧas . . . . . . . . . . . .

61

1. 2.

3.

ʿAbd al-Raḥmān Ibn Sayyid: Die Rolle der mathematischen Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abū l-Faḍl Ḥasdai: Anfänge des Aristotelismus . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Abū l-Faḍl Ḥasdai als Schlüsselfigur in Ṣāʿid al-Andalusīs Wissenschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Ṣāʿids Aristotelesbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mālik Ibn Wuhaib: Die soziale Lage der Philosophie . . . . . . . . . . .

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62 64 64 70 77

Inhaltsverzeichnis

IX

2. Ibn Bāǧǧas Begriff der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4.

86 Das Verhältnis von Theorie und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Von Aristoteles’ »Vortrefflichem« zu Ibn Bāǧǧas »Einsamen« . . . 93 Philosophie als Naturanlage (fiṭra) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Göttlich oder menschlich? Das philosophische Ideal . . . . . . . . . . . 111

3. Aristotelische Psychologie als Fundamentalwissenschaft . . . . . 125 1.

2.

Der Status der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Von Aristoteles zu Themistios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Ibn Bāǧǧa über die Stellung der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Exkurs: Die Ordnung der Wissenschaften bei al-Fārābī . . . . . 1.4. Psychologie als Natur- und Fundamentalwissenschaft . . . . . . Der Gegenstand der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 130 134 138 145

II. Der Begriff der Potenz und die Methode der Psychologie . . . . . 151 4. Der Vermögensbegriff in der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. 2.

Aristoteles: Die Seele ist ihre Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Ibn Bāǧǧa: Die Psychologie untersucht in einer Vollkommenheitsordnung stehende Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

5. Die Definition der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. 2.

3.

Die Evidenz der Seele als Prinzip des Lebendigen . . . . . . . . . . . . . Im Gefolge Alexanders: Der Weg zur allgemeinen Seelendefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Potenzen als konstitutive Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Einteilung und Zusammensetzung: Die Physik als Richtschnur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Aristoteles’ Verbesserung Platons: Die Seele als Bewegungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Die zentrale Rolle der Potenz in drei Problemfeldern der Psychologie: Struktur, Konstitution, Bewegung . . . . . . . . Die Wissenschaftstheorie al-Fārābīs: Welches Wissen von der Seele? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Methodische Probleme der Seelendefinition . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Amphibolie und Gattungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. In seiner Stellung veränderter Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Die Methode der Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5. Die drei Definitionen der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 175 175 180 184 189 196 196 199 210 216 219

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X

Inhaltsverzeichnis

6. Allgemeine Seelendefinition und Bestimmung seelischer Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. 2.

Seele als Form eines organischen Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Seele als erste Entelechie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

III. Potenztheoretische Grundlagen der Psychologie Ibn Bāǧǧas . . 239 7. Bewegungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. 2.

3. 4.

Bewegung, Potenz und Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ortsbewegung der Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Ibn Bāǧǧas kontinuierliche Auslegung von Physik VIII. 4 . . . Exposition des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aristoteles’ Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ibn Bāǧǧas vorläufige Rekonstruktion der aristotelischen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Philoponos’ Kritik an der aristotelischen Bewegungslehre . . Philoponos’ Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . al-Fārābīs Antwort in seiner Schrift Die veränderlichen Seienden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ibn Bāǧǧas eigene Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Ibn Bāǧǧa und die Natur der Elemente als ihr Bewegungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lösung im Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweger und Bewegtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akzidentell und doch natürlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsbewegung und Potenz-Akt-Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . Interaktion und Erschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bewegung der Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 250 252 252 257 264 271 271 275 281 290 290 296 299 306 310 319

8. Aktive und passive Potenzen als universelle Erklärungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1.

2.

3. 4.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Kinetische und ontologische Bestimmung der Potenz . . . . . . 1.2. Typologie der Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Potenz und reiner Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Gegen Shlomo Pines’ »Dynamik« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstitution und Funktion der Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Primäre Potenzen in verschiedenen Perspektiven . . . . . . . . . . 2.2. Die primären Potenzen als solche – drei Aspekte . . . . . . . . . . Ortsbewegung und Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderung und Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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329 329 336 346 352 355 355 361 367 379

Inhaltsverzeichnis

4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5.

Eine Potenz zur Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Prozess der Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Eine zusammengesetzte mittlere Potenz« . . . . . . . . . . . . . . . . Die ausgewogene Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamisierung der Potenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 379 383 388 391 393

9. Seele als Form der Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 1. 2. 3. 4.

Alexanders Emergenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sine extrinseco motore? Seele als Ursache und Produkt der Mischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischung und die Aufnahme der Form: Integratives Modell materieller und formaler Genese . . . . . . . . . . Die Wesensform und die Ordnung der Potenzen . . . . . . . . . . . . . .

397 407 420 431

10. Der Organismus: Ein System von Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. 2. 3. 4.

Ontologie der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Die Organe folgen den Potenzen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ekstatische Ontologie der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Seele ist keine »ununterschiedene Gesamtheit« . . . . . . . . . . . .

441 452 456 459

11. »Träger der Seele«: Pneuma und angeborene Wärme als Bindeglied zwischen Physiologie und Psychologie . . . . . . . . . . . 465 1. 2.

3.

4.

Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die physiologische Funktion von angeborener Wärme und Pneuma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Wärme in der unbelebten Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Erzeugung und Erhalt des Organismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Ursprung der angeborenen Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Die Differenzierung von Organen und Spezies . . . . . . . . . . . . 2.5. Pneuma und Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Pneuma und Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pneuma und »Spiritualität«: Seele und Körper zwischen Distanz und Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Der Begriff des »Spirituellen« (rūḥānī) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Das Pneuma: Seelenwagen oder bewegliche Form? . . . . . . . . 3.3. Die angeborene Wärme als »erstes Organ« und die Einheit des Leibes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wirken der angeborenen Wärme: Physiologischer Prozess und psychischer Akt . . . . . . . . . . . . . . . . .

465 483 483 486 488 491 494 498 504 505 516 528 533

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XII

Inhaltsverzeichnis

12. Seelische Potenzen und ihre Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 1. 2. 3. 4.

Seelenvermögen als aktive und passive Potenzen . . . . . . . . . . . . . . Die Grenzstellung des Nährvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wirken passiver Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Potenz des Objekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

539 541 550 556

13. Die Notwendigkeit einer unendlichen Potenz: Der aktive Intellekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 1.

2.

Die unendliche Potenz als Ursache der Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . 1.1. Unendliche Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Unendliche Potenzen. Die Kosmologie als Vorbild . . . . . . . . . 1.3. Der aktive Intellekt: Separate Substanz und aktive Potenz . . Die unendliche Potenz als Gegenstand der Erkenntnis . . . . . . . . . 2.1. Der aktive Intellekt als Ursache und Vollendung . . . . . . . . . . 2.2. Der aktive Intellekt als Vollendung aller Potenzen . . . . . . . . . 2.3. Die Erkenntnis der unendlichen Potenz . . . . . . . . . . . . . . . . . .

565 565 571 579 585 585 588 595

14. Die Potenzstruktur der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 1. 2. 3.

4.

Die »Mischung« der Intelligibilia und die Rolle der Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intelligibilia als aktive und passive Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissenschaften als Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Wissenschaftlicher Habitus als »beweisende Potenz« . . . . . . 3.2. Der Aufbau der wissenschaftlichen Disziplinen . . . . . . . . . . . Die Potenz der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

607 613 621 621 626 634

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 i. ii.

Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 i. ii. iii. iv. v. vi.

Deutsche Übersetzung des Kitāb al-nafs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der zitierten Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der zitierten Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der arabischen Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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657 728 750 769 771 778

Schlussbetrachtung Abschließend möchte ich den Blick auf jene Ergebnisse der vorliegenden Studie lenken, die, über die naturphilosophischen Grundlagen von Ibn Bāǧǧas Psychologie und ihre potenztheoretische Ausgestaltung hinaus, die Beschäftigung mit dem nachgezeichneten Weg vom Denken der Natur zur Natur des Denkens lohnenswert machen. Außerdem möchte ich einige neue Perspektiven andeuten, die sich durch diese Ergebnisse eröffnen, und zwar sowohl in Bezug auf das weitere Studium von Ibn Bāǧǧas Seelen- und Intellektlehre, insbesondere ihre um den Begriff der Intention zentrierten erkenntnistheoretischen Aspekte, als auch für die Geschichte dieser Disziplinen insgesamt.

i. Ertrag (1) In Hinblick auf die Erforschung der Philosophie Ibn Bāǧǧas wurden neue Leitlinien gesetzt. Durch das Abrücken vom ungeeigneten Entwicklungsparadigma und von der damit verbundenen Zerspaltung von Ibn Bāǧǧas Werk in thematisch und methodisch separierte Blöcke wird nun eine andere Lektüre möglich, aus der dann ein neues, einheitlicheres und vollständigeres Bild hervorgeht, das diese hermeneutische Eingangshypothese gänzlich rechtfertigt. Hier durchgeführt für die Psychologie und insbesondere ihre naturphilosophischen Grundlagen, ist damit gezeigt, dass auch in anderen Bereichen künftig thematische Linien quer durch das gesamte Œuvre Ibn Bāǧǧas zu verfolgen sind, um angesichts Gestalt und Anlage der Texte zu adäquaten Resultaten zu kommen. (2) Die erstmalige gründliche Bearbeitung von Ibn Bāǧǧas Buch der Seele schließt eine Forschungslücke. Dies betrifft zuallererst den Text, der bisher nur in zwei aus unterschiedlichen Gründen mangelhaften Editionen greifbar war. Die in Vorbereitung befindliche kritische Edition, die Grundlage der im Anhang enthaltenen und in dieser Arbeit verwandten deutschen Übersetzung ist, stellt die Erforschung der Psychologie Ibn Bāǧǧas nun auf verlässlichen Boden. Dies gilt in beschränkterem Umfang auch für die übrigen Schriften Ibn Bāǧǧas, aus denen wichtige Passagen auf der Basis eines anhand von Handschriften revidierten Texts übersetzt sind. Damit ist gleichzeitig eine Aufgabe für die weitere Forschung bezeichnet. Auch systematisch wird mit dieser Arbeit eine Leerstelle ausgefüllt, da die längste und inhaltlich reichste Schrift Ibn Bāǧǧas zur Seelenlehre bei der Inter-

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Schlussbetrachtung

pretation seiner Psychologie zum ersten Mal nicht nur am Rande hinzugezogen, sondern ins Zentrum der Betrachtung gestellt wurde. Damit geht eine Akzentverschiebung von der Intellekttheorie zur Psychophysiologie einher, einem bisher nahezu unbeachteten Teil von Ibn Bāǧǧas Philosophie. Es wurde gezeigt, dass dieser Wissenschaftszweig bei Ibn Bāǧǧa strukturell eine entscheidende Stelle einnimmt und dass sich erst auf seiner Grundlage auch Erkenntnis- und Intellekttheorie wirklich angemessen verstehen lassen. Schließlich liegt hier die erste systematische Analyse eines Aristoteleskommentars von Ibn Bāǧǧa und damit der arabischen Aristoteleskommentierung im frühen 12. Jahrhundert in Andalusien überhaupt vor, bevor diese mit Ibn Rušd ihren Höhepunkt und ihr Ende erreichte. So ergibt sich ein genaueres Bild dieser Tradition als es bisherige Querschnittaufnahmen zeigen konnten. Verbunden mit der geleisteten Aufklärung des philosophischen und sozialen Kontextes, aus dem Ibn Bāǧǧas Werk erwachsen ist, erhält man damit eine verbesserte Grundlage für die philosophiehistorische Einordnung von Ibn Bāǧǧas Denken. (3) In bezug auf die Kommentierung der aristotelischen Schrift De anima stellt Ibn Bāǧǧas Buch der Seele einen wichtigen Schritt dar, dessen Besonderheit und Bedeutung die hier durchgeführte Analyse nun sichtbar macht. Nach den griechischen Autoren Alexander von Aphrodisias und (bereits weniger deutlich) Themistios, an die er anknüpft, ist Ibn Bāǧǧa der erste Philosoph, dessen Kommentierung uns erhalten ist, der nahezu unbeeinflusst von neuplatonisch und religiös inspirierten Traditionen die Seele konsequent und vollständig als Form des Körpers deutet und die Psychologie dementsprechend uneingeschränkt als Teil der Naturphilosophie behandelt. Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang, dass er die Reflexion auf die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Psychologie in dieser selbst durchführt. Dabei setzt er, statt bloß physiologische Informationen zu inkorporieren, orientiert an Begriff und Definition der Seele, auf die nähere Bestimmung der hylemorphischen Struktur, in die die Ergebnisse der »biologischen« und »chemischen« Untersuchungen zu integrieren sind. Im selben Sinne hört die Intellektlehre bei Ibn Bāǧǧa auf, ein heterogenes Moment in der Psychologie zu sein; sie wird allein aus den naturphilosophischen Prinzipien heraus entwickelt. Das führt in der Konsequenz dazu, dass es hier, anders als etwa bei Ibn Sīnā, nicht mehr möglich ist, selbst eine rationalisierte Form individueller Unsterblichkeit theoretisch zu begründen. In beiden erwähnten Hinsichten hat Ibn Bāǧǧa einen tiefgreifenden Einfluss auf Ibn Rušds Kommentierung von De anima ausgeübt, durch die er mittelbar auch auf die lateinische und hebräische Philosophie eingewirkt hat. Die Psychologie Ibn Rušds, die von ihr ausgehenden Wirkungen und die an sie anknüpfenden Debatten erschließen sich daher durch die vorliegende Arbeit besser und vollständiger.

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Ertrag

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(4) Ibn Bāǧǧas Psychologie entfaltet systematische Perspektiven, die in Aristoteles’ Seelenlehre nur keimhaft angelegt sind. Indem sie diese Entwicklungslinien freilegt, leistet diese Studie daher einen Beitrag zur Geschichte der theoretischen Psychologie und zur Interpretation der aristotelischen Naturphilosophie. Insbesondere wird mit der Potenztheorie Ibn Bāǧǧas ein Modell erschlossen, das nicht nur den in der aristotelischen Psychologie zentralen aber unterbestimmt bleibenden Begriff des Vermögens durch Einbindung in eine über die Psychologie hinausreichende Systematik anreichert, sondern diese Systematik durch Zusammenführung und Vereinheitlichung verschiedener aristotelischer Lehrstücke überhaupt erst schafft. Die Darstellung von Ibn Bāǧǧas Überlegungen zur Potenz von den logisch-ontologischen Grundlagen über die diversen naturphilosophischen und schließlich bis zu den spezifisch psychologischen Anwendungsbereichen gewährt darüber hinaus einen in dieser Breite seltenen Überblick über Kernbereiche der mit dem Potenzbegriff zusammenhängenden Fragen. Im Nachvollzug der genannten Perspektiven ergeben sich damit auch Lösungen von Schwierigkeiten innerhalb der aristotelischen Philosophie selbst, beziehungsweise lassen sich Debatten um die angemessene Deutung aristotelischer Theorien entscheiden. Herausragende Beispiele dafür sind die Frage nach dem »Beweger« bei der natürlichen Ortsbewegung unbelebter Körper (Kapitel 7, Abschnitt 2), die Anwendung der Materie-Form-Struktur auf die belebte Natur (Kapitel 10) und die Theorie des Pneumas, vor allem deren Vereinbarkeit mit dem hylemorphischen Seelenmodell (Kapitel 11). Einen besonderen Stellenwert hat schließlich die Auflösung der Spannung zwischen zwei verschiedenen aristotelischen Sichtweisen auf das Entstehen neuer Substanzen, mit der Ibn Bāǧǧa sich eine von Alexander aufgebrachte Systematisierung zu eigen macht, die das ebenfalls von Alexander übernommenen Modell der Emergenz neuer Formen und Potenzen organisch an aristotelische Grundlagen anschließt (Kapitel 9). Die Analyse von Ibn Bāǧǧas Position bringt hier auch die Aufklärung einiger bei Alexander noch unverstandener oder bisher nicht in Zusammenhang gebrachter Aspekte. Eingelöst wird von Ibn Bāǧǧa schließlich auch der Anspruch, der sich zumindest potentiell mit Aristoteles’ Konzeption der Wissenschaft von der Seele verbindet. Indem Ibn Bāǧǧa die Psychologie als Fundamentalwissenschaft entwirft, holt er den von Platon der Seele zugedachten ontologischen Status mit Aristoteles prinzipientheoretisch ein. Bereits in dieser auf die naturphilosophischen Grundlagen seiner Psychologie konzentrierten Untersuchung wird mit dem Aufweis des Intellekts als Potenz deutlich, dass Ibn Bāǧǧa damit einen systematisch fruchtbaren Ansatz verfolgt, in dem sich Naturwissenschaft und Fundamentalwissenschaft unauflöslich verschränken.

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Schlussbetrachtung

ii. Ausblick Die Bedeutung der hier aufgearbeiteten naturphilosophischen Grundlagen der Psychologie Ibn Bāǧǧas zeigt sich schließlich auch in Bezug auf die folgenden vier Aspekte, die einen Ausblick auf weiterführende Fragestellungen eröffnen. (1) Seit den Arbeiten Franz Brentanos im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ist der Begriff des Intentionalen zum Synonym des Mentalen geworden, Kennzeichen des spezifisch Geistigen im Unterschied zum Körperlichen, das nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaft, sondern nur mit Hilfe der Psychologie, der Phänomenologie oder anderer »Geisteswissenschaften« erforscht werden kann.1 Ausgehend von diesem Gesichtspunkt sind auch die Intentionalitätstheorien vor allem des lateinischen Mittelalters in den Fokus des Interesses gelangt, wobei zwar deutlich wird, dass deren Fragestellungen teils anders gelagert sind als die modernen, übereinstimmend jedoch mit diesen die Intention als Moment der Differenz zwischen Natur und Geist angesehen wird. Insbesondere anknüpfend an die aristotelische Bestimmung der Wahrnehmung (und der folgenden Erkenntnisstufen) als »Aufnahme der Form ohne die Materie« und an die Auslegung dieser Formel in der späteren griechischen und arabischen Philosophie soll das Erkannte dem Geist in einer »immateriellen« Weise präsent sein, die als »intentional« gekennzeichnet wird.2 Das Ausmaß und die Weise, in welcher der zumeist als intentio übersetzte arabische Term maʿnā (Plural: maʿānī) und dessen Gebrauch bei verschiedenen arabischen Denkern bei der Herausbildung dieser Tradition eine Rolle gespielt hat, ist noch nicht ausreichend aufgeklärt, vor allem weil die Intentionstheorien der arabischen Philosophen selbst nur ungenügend studiert sind. Ein Blick in Ibn Bāǧǧas Buch der Seele scheint jedoch zunächst die skizzierte Grundkonstellation zu bestätigen, denn er erklärt dort im Rahmen seiner Analyse von Wahrnehmung und Abstraktion eindeutig: »Die Intention ist die Form getrennt von der Materie« (N III. 43). Bei genauerem Hinsehen steht dem jedoch entgegen, dass Ibn Bāǧǧa den Begriff der Intention bereits in seinem Kommentar zur Physik einsetzt, um den Wechsel von Formen in der Materie zu erklären.3 Dies geschieht in Übereinstimmung mit dem sehr weiten Gebrauch von maʿnā, wie er – mitgeprägt durch die arabische Grammatik und den Kalām – in der ara-

1Vgl. hierzu und zum Folgenden Dominik Perler, Theorien der Intentionalität (Philosophische Abhandlungen 82), Frankfurt a. M. 2002, mit umfangreicher weiterer Literatur. 2Perler, Theorien der Intentionalität, 12–14; Richard Sorabji, From Aristotle to Brentano: The Development of the Concept of Intentionality, in: H. Blumenthal (Hg.), Aristotle and the Later Tradition (Oxford Studies in Ancient Philosophy, Supplement), Oxford 1991, 227–259. 3Vgl. Ibn Bāǧǧa, Šurūḥāt al-samāʿ al-ṭabīʿī, ed. Ziyāda, 17–21.

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Ausblick

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bischen Philosophie üblich ist. Als allgemeine Charakteristika von maʿnā lassen sich zwar Immaterialität, Abstraktheit, Verweisungscharakter, Ursächlichkeit und Formalität ausmachen, aber so verstanden, dass diesen auch die formalen Momente von materiellen Gegenständen genügen.4 Dieser Gebrauch setzt sich auch im Buch der Seele fort (vgl. etwa N II. 11, 18, 19). Bei einer genaueren Analyse kann man nun feststellen, dass Ibn Bāǧǧa ganz bewusst eine Kontinuität zwischen der physikalischen und der psychologischen Bedeutung der Intention herstellt. Er stellt nämlich die Überlegung an, dass in Prozessen materieller Veränderung beziehungsweise Einwirkung eine »Intention« hervorgerufen wird, die nicht individuell, sondern allgemein ist, da etwa ein Feuer nicht brennt und entzündet, weil es dieses Feuer ist, sondern weil es überhaupt Feuer ist; es wirkt also qua seiner Artform (vgl. N III. 27). Ohne dass hier irgendeine Ablösung von der Materie stattfände, verweist mithin jede körperliche Veränderung bereits auf eine das Veränderte übersteigende Allgemeinheit. So erklärt sich auch, dass Ibn Bāǧǧa in einer Abhandlung die hier referierte Überlegung als Beleg für die Existenz des aktiven Intellekts (die Quelle der Allgemeinheit) anführt.5 Der Anknüpfungspunkt für die mit dem Begriff der Intention verbundene Theorie der Abstraktion und der Erkenntnis ist daher für Ibn Bāǧǧa im dritten Kapitel seines Buchs der Seele folgerichtig die Analyse von natürlichen Veränderungsprozessen, wie sie in der vorliegenden Arbeit studiert wurden. Der enge Zusammenhang zeigt sich schon darin, dass Ibn Bāǧǧa diese Untersuchung parallel führt mit der Frage, wie ein beseelter Körper entstehen kann, und zwar ein Körper, der die Potenz der Wahrnehmung besitzt.6 Ibn Bāǧǧa geht es nun nicht darum, die Realität von Abstraktion und Erkenntnis zu beweisen, sondern vielmehr darum, eine Erklärung zu liefern, die den Eigenschaften gerecht wird, welche dieses durch Erfahrung evidente Geschehen auszeichnen. Zu diesen Eigenschaften gehört ganz wesentlich die Kontingenz von Erkenntnis, das heißt, dass ein durch den Erkenntnisgegenstand verursachter Übergang von der Potenz zum Akt stattfindet (N III. 24).7 Dabei darf jedoch die die Einwirkung aufnehmende »Materie«, die Seele, gerade nicht wie ein Körper in etwas von der Art des Einwirkenden umgeformt werden, sondern muss lediglich zwischen verschiedenen Zuständen hin und her wechseln (N III. 28). Die Weise, in der die erkannte Form aufgenommen wird, muss sich also mit 4Siehe dazu Wirmer, Der Begriff der Intention, insbesondere 39–44; eine knappe Analyse von Ibn Bāǧǧas Intentionstheorie findet sich dort, 49–53. 5Ibn Bāǧǧa, al-Umūr allatī yumkin bihā l-wuqūf ʿalā l-ʿaql al-faʿʿāl, in: Rasāʾil Ibn Bāǧǧa, ed. Faḫrī, 107–109, hier 108, 1–6. 6Vgl. dazu Kapitel 9. 7An der betreffenden Stelle ist zwar nur von der Wahrnehmung die Rede; dass Ibn Bāǧǧa aber auch die intellektuelle Erkenntnis als »neu entstehend« (ḥādiṯ) betrachtet, sagt er ausdrücklich in N XI. 1.

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Schlussbetrachtung

der Tatsache vereinbaren lassen, dass die seelische Potenz selbst nicht formlose Materie sondern bereits Form ist (vgl. N III. 29). Beim erkennenden Erfassen (idrāk) ist die aufgenommene Form daher immer von der Materie »entfernt« (vgl. N III. 22, 43), ohne dass man annehmen dürfte, dass sie als abgetrennte Form vorkommt (vgl. N III. 28, 45 u.Ðö.). Deshalb muss es einen Vorgang der Veränderung geben, der die Form von der Materie »verschieden« macht. Da sich die Form als Form jedoch nicht verändern kann – denn nur Körper unterliegen der Veränderung – (N III. 39), ist es vielmehr die aufnehmende seelische Potenz als »Materie«, die sich verändert. Es war aber bereits gesagt, dass diese Veränderung keine materielle Veränderung darstellt, sondern: »Unser Ausdruck ›Materie‹ meint hier aber nur das Aufnehmen der Intention; diese ist es, wodurch der Körper, der solch eine Potenz wie diese besitzt, wahrnehmend wird« (N III. 41). Ibn Bāǧǧa löst nun dieses Dilemma auf, indem er Abstraktion und Aufnahme der Form nach dem naturphilosophischen Modell denkt, das er auch auf die Emergenz von Formen und Potenzen anwendet (vgl. Kapitel 9): Die Abstraktion der Form ist ein zeitloses und unteilbares Ereignis, das sich als Resultat qualitativer Veränderungen einstellt. So wie neue Relationen dadurch eintreten können, dass sich nur einer ihrer beiden Termini verändert, so kann auch die Abstraktion der Form auf die einseitige Veränderung der erkennenden Potenz zurückgeführt werden, der sie folgt (tābiʿ), ohne dass die Form selbst sich verändert (N III. 39–40, X. 10). Die hier entstehende Intention ist daher die erkannte Sache selbst. Erkenntnis besteht im Herstellen einer Beziehung (nisba) zwischen der erkennenden Potenz und der erkannten Sache, wie sie bei materiellen Veränderungen nicht zustande kommt, weil hier die »Intention« des Wirkenden beim Leidenden dieselbe »Intention« hervorruft und es wesentlich zu einem solchen macht, so dass beide unabhängig von einander existieren können und gerade nicht in Beziehung stehen (N III. 44).8 Das verbleibende Problem der »Aufnahme« der Intention durch die seelische Potenz, die ebenfalls keine körperliche Veränderung sein darf, behebt Ibn Bāǧǧa durch eine nochmalige Anwendung derselben Argumentationsfigur, also desselben naturphilosophischen Modells: Denn zwar ist das erkennende Erfassen kein körperliches Erleiden, es kommt jedoch auf Grund eines körperlichen Erleidens zustande (N III. 43). Es »folgt« als sich einstellende Form einer Veränderung. Ibn Bāǧǧa erläutert, dass es der wahrnehmungsfähige Körper ist, der sich verändert, das Wahrnehmungsorgan also, während das seelische Wahrnehmungsvermögen, das dessen Form ist, lediglich vollendet wird, ebenso wie beim Entstehen sich die vollendende Form auf Grund einer Eigenschaftsveränderung einstellt 8Den grundsätzlich relationalen Charakter aller Erkenntnis begründet Ibn Bāǧǧa auch in seinem Kommentar zur Physik mit dem Modell der Relation, die »einer Veränderung folgt« (tābiʿ li-taġayyur), vgl. Ibn Bāǧǧa, Šurūḥāt al-samāʿ al-ṭabīʿī, ed. Ziyāda, 126, 1–9.

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Ausblick

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und nicht selbst prozesshaft ist. »Der Wahrnehmungssinn [ḥiss] in Potenz im allgemeinen ist Potenz eines Körpers, der vom Wahrnehmbaren etwas erleidet [und] mit dessen Vollendung die Vollendung der seelischen Potenz, die in ihm ist, verbunden ist« (N III. 49). Die Erklärung der verschiedenen Ebenen der Abstraktion bis hinauf zur intellektuellen Erkenntnis setzt weitere Überlegungen und Unterscheidungen voraus (vgl. etwa N X. 10–11), aber bereits anhand des vorstehend gegebenen Abrisses wird deutlich, dass Ibn Bāǧǧa die Erkenntnis mit ihrem Kernbegriff der Intention nahtlos aus der Naturphilosophie und der Physiologie entwickelt. Das Intentionale erweist sich damit als etwas zwar spezifisch Seelisches, aber aus naturphilosophischen Prinzipien Erklärbares. Seine Emergenz unterscheidet sich nicht Grundsätzlich von der Emergenz natürlicher und seelischer Potenzen und Formen, ja sie verhält sich zu letzteren wie der zweite zum ersten Akt, denn die Erkenntnis ist eben die Vollendung von Potenzen, die wesentlich »erste Entelechie« sind. Von dieser fruchtbaren Interpretation der aristotelischen Abstraktionstheorie aus ergibt sich nicht nur eine mögliche Entscheidung der in der Forschung bestehenden Kontroverse um die materielle oder immaterielle Rezeption der Form,9 sondern ein neuer Blick auf die Möglichkeiten der Intentionstheorie überhaupt. Insofern etwa bereits deutlich ist, dass Ibn Rušd mit seiner großen Wirkung auf das lateinische Mittelalter zumindest einige von Ibn Bāǧǧas Gedanken übernommen hat,10 dürfte ein neues Licht auch auf spätere Theorien der Intentionalität fallen. (2) Die geschilderte Entwicklung der Erkenntnistheorie aus naturphilosophischen Prinzipien hat Folgen für Ibn Bāǧǧas Verständnis der begrifflichen, der intellektuellen Erkenntnis. Der fortgesetzte Abstraktionsprozess führt nämlich nicht etwa zu einer endgültigen Ablösung vom Materiellen und damit Individuellen, sondern ist sowohl in Hinsicht auf das Erkenntnisvermögen wie in Hinsicht auf den Erkenntnisgegenstand auf dieses zurückverwiesen. So formuliert Ibn Bāǧǧa als allgemeinen Grundsatz: »Es ist nicht möglich, dass sich das, was Materie besitzt, von der Materie abtrennt, es sei denn auf diese Weise, dadurch dass es eine andere Potenz bewegt, die dadurch zur Materie für es wird« (N X. 4). Erkenntnis muss deshalb als Interaktion natürlicher Körper und ihrer Vermögen begriffen werden. Weder die durch Wahrnehmung noch die durch intellektuelle Erkenntnis erfassten Formen können unabhängig von den materiellen Dingen, von denen sie abstrahiert wurden, bestehen (N III. 21). Ibn Bāǧǧa geht daher mit großer Konsequenz davon aus, dass auch die begriffliche Erkenntnis ein 9Zum Stand der Diskussion siehe Victor Caston, The Spirit and the Letter: Aristotle on Perception, in: Ricardo Salles (Hg.), Metaphysics, Soul, and Ethics in Ancient Thought. Themes from the work of Richard Sorabji, Oxford 2005, 245–320. 10Vgl. erneut Wirmer, Der Begriff der Intention.

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Schlussbetrachtung

unaufhebbares Moment von Individualität enthält und nicht vollständig universal ist.11 Erkenntnisgegenstand auch der theoretischen, wissenschaftlichen Erkenntnis kann daher niemals eine intelligible Welt sein, sondern sie bezieht sich immer auf die natürliche Welt: »Der theoretische Intellekt betrachtet nur die Formen der Seienden, nämlich das was sie sind, und folglich betrachtet er die Washeit [māhīya] nicht absolut, sondern insofern ihr diese Beziehung zukommt« (N XI. 11). Dennoch kann die Wissenschaft laut Ibn Bāǧǧa eine besondere Perspektive einnehmen. Denn während die Alltagserkenntnis auf die materiellen Gegenstände zielt und sich dabei der Intelligibilia nur als Mittel bedient, richtet sich die theoretische Erkenntnis primär auf die intelligible Struktur und nur in zweiter Linie auf die Dinge.12 Ibn Bāǧǧa spricht davon, dass der theoretische Intellekt die Dinge betrachtet, insofern sie eine Existenz besitzen, »die ihnen eigentümlich ist«, und er identifiziert das mit der Erkenntnis ihrer Ursachen (N XI. 10). Dieser Ebene der Wesenheiten und wesentlichen Zusammenhänge schreibt Ibn Bāǧǧa somit durchaus auch einen besonderen ontologischen Status zu. Er steht nicht an, die abstrahierte intelligible Form, insofern sie intelligibel und universal ist, für »besser« zu erklären als die Form des konkreten Einzeldings (N III. 15–16; X. 16). Gleichzeitig jedoch betont er immer, dass es den Dingen nur akzidentell zukommt, begrifflich erfasst zu werden. Es ist allein die Leistung der menschlichen Erkenntnis, durch die die intelligiblen Begriffe »eines der Seienden der Welt« werden (III. 18). Der ontologische Status geht der Erkenntnis somit nicht vorher, sondern wird durch sie erst begründet. Die Wissenschaft ist damit klar als Sphäre des Menschen und als vom Menschen geschaffene Sphäre gekennzeichnet; sie erhält eine Zwischenstellung (vgl. N X. 16; XI. 15) zwischen den intellektuell undurchdringlichen Dingen der Natur einerseits und der reinen Selbstpräsenz der Vernunft andererseits.13 Die Wissenschaft teilt somit die spezifische Seinsweise des Menschen, bestimmt durch dessen höchstes Vermögen, 11Vgl. insbesondere Ibn Bāǧǧa, Ittiṣāl al-ʿaql bi-l-insān, ed. Genequand, 191, 20–192, 8; Faḫrī, 163, 5–14: »Es ist klar geworden, dass die Intelligibilia der existierenden Dinge – und das sind die Kategorien und ihre [Unter]arten – aus etwas Bleibendem und etwas Vergänglichem zusammengesetzt sind. Das liegt daran, dass ihre Erfassung, insofern sie Perzeptionen ihrer Subjekte sind und Intelligibilia von ihnen, eine Relation zu jenen Subjekten erhalten, sodass sie durch jene Relation bestehen. […] Insofern sie diese Beziehung zu ihren Subjekten haben, von denen sie verursacht werden und durch die sie in den Verstand kommen, sind sie notwendig etwas Relatives zu gewissen Subjekten. Und jene Subjekte sind andere als die Subjekte, durch die sie in den Verstand von Zaid gelangen. Ein Beispiel dafür: Die universale Intention, die wir bezeichnen, wenn wir ›Pferd‹ sagen, ist eine intelligible Intention, wie an vielen Stellen erklärt worden ist. Sie wird intellektuell erkannt nur auf Grund von Individuen, die von den Individuen verschieden sind, auf Grund derer das Pferd für Zaid etwa intellektuell erkannt wird.« 12Vgl. Ibn Bāǧǧa, Ittiṣāl al-ʿaql bi-l-insān, ed. Genequand, 196, 8–16; Faḫrī, 167, 4–11. 13Zum Zusammenhang von Intellekt und Präsenz vgl. Rémi Brague, Aristote et la question du monde, 2e éd. Paris 2001, 349–357, besonders 355.

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Ausblick

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das rationale: fähig zur Allgemeingültigkeit und damit über die Diskontinuität des Einzelnen und bloß dinglich Vorhandene hinaus, aber an dieses sowohl seinem Gegenstand als auch seiner Existenz nach zurückgebunden. Nun zeigt bereits die vorliegende Studie, dass die Erreichung dieser intelligiblen Ebene nur durch ein rein intellektuelles Prinzip, den aktiven Intellekt, möglich ist und dass dieser in die von ihm mitverursachten intelligiblen Formen eingeht.14 Ibn Bāǧǧa sagt daher sowohl von den Intelligibilia wie vom Menschen, dass sie aus etwas Vergänglichem (fānin) und etwas ewig Bleibendem (bāqin) zusammengesetzt sind;15 und dieses Bleibende ist in beiden Fällen der aktive Intellekt. Eine grundsätzlich andere und von den naturphilosophischen Bedingungen abgelöste Erkenntnisweise nimmt Ibn Bāǧǧa daher nur für das Erfassen des aktiven Intellekts an, denn in der Einheit mit ihm wird der Mensch, wie er sagt, »der Erzeuger aller Dinge« (muqawwim al-umūr kullihā).16 Dies hat zwar im Rahmen der von Ibn Bāǧǧa übernommenen Zeugungstheorie einen durchaus konkreten »physischen« Hintergrund, muss aber eben auch als prinzipientheoretische Aussage gelesen werden: Der »transzendentale« Standpunkt des aktiven Intellekts ist der einzige, von dem aus eine vollständige intellektuelle Durchsichtigkeit der Wirklichkeit gegeben ist, weil er konstitutives Prinzip dieser Wirklichkeit ist. An diesem erkenntnistheoretischen Entwurf Ibn Bāǧǧas hat sich Ibn Rušd in immer neuen Ansätzen abgearbeitet. Während er in seinem frühen Kompendium zu De anima der Einsicht Ibn Bāǧǧas in die beschränkte Universalität begrifflicher Erkenntnis folgt, bemüht er sich insbesondere in seinem Großen Kommentar, bereits die wissenschaftliche Erkenntnis als notwendig und ewig zu fassen, was ihn, da er andererseits mit Ibn Bāǧǧa an der Anwendung naturphilosophischer Grundsätze auf die Erkenntnis festhält, direkt zu seiner anthropologisch zweifelhaften These der Einheit und Ewigkeit des materiellen Intellekts führt.17 Außerdem bringt es ihn folgerichtig dazu, den von Ibn Bāǧǧa gemachten Unterschied aufzuheben zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis einerseits und dem in die sogenannte »Konjunktion« führenden Erfassen des Prinzips jeder Erkenntnis andererseits; die Konjunktion erscheint als Begleitphänomen der Wissenschaft. Die von Ibn Bāǧǧas Psychologie ausgehende Beschäftigung mit diesen Fragen wirft damit nicht nur ein neues Licht auf eine philosophiehistorisch äußerst einflussreiche Debatte, sondern trägt auch dazu bei, die hinter dieser stehenden erkenntnistheoretischen Fragen besser sichtbar zu machen,

14Siehe Kapitel 13, insbesondere Abschnitt 2.3. 15Siehe Anm. 11 und ganz ähnlich in Bezug auf den Menschen in: Ibn Bāǧǧa, Tadbīr almutawaḥḥīd, ed. Genequand, 181, 12–182, 3; Faḫrī, 95, 9–18. 16Ibn Bāǧǧa, Risālat al-wadāʿ, ed. Genequand, 117, 13; Faḫrī, 141, 11. 17Diese Zusammenhänge habe ich dargestellt in: Wirmer, Averroes. Über den Intellekt, insbesondere 395–409.

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Schlussbetrachtung

welche eine unabhängig von den historischen Bedingungen formulierbare Bedeutung besitzen. (3) Ibn Bāǧǧa zeigt, wie die vorliegende Arbeit beweist, den aktiven Intellekt als aktive Potenz und reinen Akt durch die Analyse natürlicher Veränderungen und natürlicher Seiender auf, zu denen ihm (mit den soeben nochmals verdeutlichten Einschränkungen) eben auch die Intelligibilia zählen, die allgemeingültigen Formen und Strukturen, die der Mensch auf dem Wege der Abstraktion erkennt. Mit diesem Nachweis des aktiven Intellekts hängen auch die Überlegungen zu seiner Erkenntnis, die in der »Konjunktion« (ittiṣāl) mit ihm und im Erreichen des »erworbenen Intellekts« (ʿaql mustafād) resultiert, von den erörterten naturphilosophischen Grundlagen der Psychologie ab. Dazu will nun schlecht passen, dass diese Konjunktion häufig als Inbegriff der neuplatonischen Überformung der aristotelischen Erkenntnistheorie gilt. So schreibt Altmann Ibn Bāǧǧa (und zugleich al-Fārābī und Ibn Rušd) die These zu, in der Konjunktion erkenne der Mensch »reine Intelligibilia« (»pure intelligibles«). Der aktive Intellekt enthalte diese Intelligibilia, und den Denkern der aristotelischen Schule sei es damit gelungen, die als selbständig existierende Formen abgelehnten Platonischen Ideen wieder einzuholen in den aristotelischen Kontext.18 Obgleich M. Blaustein bemerkt hat, dass die Annahme solcher reinen Intelligibilia Ibn Bāǧǧa in Widersprüche mit seiner Intentionstheorie führt, die den Gehalt von Intelligibilia von deren Beziehung zu materiellen Formen abhängig macht, hat weder er noch sonst ein Interpret Ibn Bāǧǧas Altmanns Analyse in Zweifel gezogen.19 Tatsächlich jedoch steht Ibn Bāǧǧas erkenntnistheoretische Perspektive in vollkommener Übereinstimmung mit der hier näher untersuchten potenztheoretischen Perspektive und den naturphilosophischen Voraussetzungen, die sie diktieren. Seine Überlegungen zur Erkenntnis des aktiven Intellekts lassen sich am treffendsten als passage à la limite, als »Grenzspekulation«, charakterisieren. Und zwar betrifft das sowohl den Begriff vom aktiven Intellekt, den Ibn Bāǧǧa sich macht, wie seine Methode. Diese Methode reflektiert er ausdrücklich am Ende des Buchs der Seele, wo er die Erkenntnis des »ersten Intellekts« (al-ʿaql al-awwal) mit der Erkenntnis der ersten Materie sowohl vergleicht wie auch von ihr unterscheidet (N XI. 23–25). Beide Erkenntnisse realisieren das Ziel der Erkenntnis der ersten Ursachen – hier im Bereich der Materie, dort im Bereich der Form – und stellen damit notwendige Abschlussfiguren wissenschaftlicher Erkenntnis dar, wie sie

18Altmann, Ibn Bajja on Man’s Ultimate Felicity, insbesondere 73f, 87f, 95. 19Blaustein, Aspects of Ibn Bajja’s Theory of Apprehension, 210f. Eine Ausnahme bildet nur Charles Genequand, dessen Interpretation jedoch mit den in Abschnitt iv der Einleitung dargestellten Problemen behaftet ist.

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Ausblick

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Aristoteles etwa in Metaphysik II. 2 vorführt.20 Ibn Bāǧǧa erläutert nun, dass man, um einen infiniten Regress zu vermeiden, ebenso zu einer Form gelangen müsse, die nicht nochmals eine Form hat (ṣūra laisat bi-ḏāt ṣūra), wie man die erste Materie als eine Form erschließe, die sich nicht wiederum in Materie und Form zerlegen lässt. Der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht nur darin, dass sich die erste Materie allein durch ihre Beziehung (nisba) zu den einfachsten Körpern erkennen lässt, also per Analogie,21 weil sie als formlose nicht direkt erkennbar ist, während der erste Intellekt als reine Form direkt erkennbar sein muss.22 Dementsprechend hat Ibn Bāǧǧa im Buch der Seele die Möglichkeit der Erkenntnis des aktiven Intellekts zuvor bereits durch Analyse der abstraktiven Erkenntnis begründet (N XI. 11–13), indem er auf der Grundlage seiner allgemeinen Intentionstheorie die Intelligibilia ebenso als aus Materie und Form zusammengesetzte Seiende begreift wie die Intentionen der sinnlichen Vermögen und die durch diese Vermögen beseelten Wesen selbst.23 Erkenntnis besteht in 20Aristoteles erklärt dort ausdrücklich für alle vier Ursachentypen, dass die Rückführung auf die Ursachen der Seienden nicht ins Unendliche fortschreiten könne. Indessen spricht er dabei für das »Sosein«, also die Form, gerade nicht von einer ersten Form, sondern vielmehr davon, dass es sinnlos ist, über die unmittelbare Definition hinauszugehen. Vgl. zu dieser Lesart auch Alexandri Aphrodisiensis in Aristotelis Metaphysica commentaria, ed. Hayduck, 160, 30–162, 16. Allerdings sind Aristoteles’ Formulierungen hinreichend undeutlich, um etwa die Interpretation Ibn Rušds, Šarḥ mā baʿd al-ṭabīʿa, ed. Bouyges, 34, 22–35, 17 (II c. 10), gleichfalls plausibel erscheinen zu lassen. Ibn Rušd nimmt nicht an, dass Aristoteles eine weitere Definition der Teile der unmittelbaren Definition ausschließt, sondern nur, dass dies nicht unendlich fortgesetzt wird. Dementsprechend redet auch er von einer »letzten Form«; er macht jedoch keinen Versuch, diese Form genauer zu bestimmen oder weiterreichende metaphysische Folgerungen aus der Stelle zu ziehen. 21Vgl. Aristoteles, Physik, I. 7, 191a7–12. 22Alle möglichen Hindernisse liegen hier auf Seiten des Erkennenden, nicht des Intellekts, wie Ibn Bāǧǧa am Ende von N XI. 25 andeutet. 23Ibn Rušd (Averrois Cordubensis Commentarium Magnum, ed. Crawford, 490, 329–491, 332) wird wohl recht darin haben, dass Ibn Bāǧǧa den Gedanken, die Intelligibilia als Intelligibilia nochmals zum Gegenstand der Erkenntnis zu machen, aus al-Fārābīs Abhandlung De intellectu entlehnt hat; vgl. al-Fārābī, Risāla fī l-ʿaql, ed. Bouyges, 17, 9–18, 4; siehe auch Wirmer, Averroes. Über den Intellekt, 254–257. Der alles entscheidende Unterschied liegt jedoch darin, dass al-Fārābī tatsächlich meint (wie es Altmann, Ibn Bajja on Man’s Ultimate Felicity, Ibn Bāǧǧa zuschreibt), dass dadurch eine Pluralität »zweiter«, reiner Intelligibilia entsteht, in deren Denken der »erworbene Intellekt« besteht (19, 8–20, 3), und dass der aktive Intellekt, der die Form dieses erworbenen Intellekts ist (vgl. 21, 8–22, 2 und 23, 8–24, 5), ebenso die reinen Urbilder der Formen enthält, die wir durch Abstraktion aus der Materie erkennen, nur dass sie in ihm »ungeteilt« vorliegen (28, 9–30, 2). Diese Art der Existenz der Formen im aktiven Intellekt, von der etwa auch Themistios ausgeht (vgl. Themistii in libros Aristotelis de anima paraphrasis, ed. Heinze, 100, 4–15), entspricht in der Tat der platonischen Konzeption des Ideenkosmos. Damit ergeben sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Modelle, die sich insbesondere an der Interpretation der aristotelischen Noesis noeseos (Metaphysik, XII. 9) festmachen lassen: Für Themistios etwa ist diese inhaltlich gefüllt und umfasst die Gesamtheit des Intelligiblen, während sie für eine andere Tradition, der man nun auch Ibn Bāǧǧa zurechnen muss, als reiner

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Schlussbetrachtung

der Abstraktion der Washeit (māhīya) und jede Washeit muss wieder erkennbar sein, also eine Washeit haben; da dies sich nicht unendlich fortsetzen kann, muss man letztlich zu einer Washeit gelangen, die nicht ihrerseits noch einmal eine Washeit besitzt, einer reinen, selbst schon abstrakten Washeit oder Form. Auf diese Weise kann der reine Intellekt, der als solcher auch reine Intelligibilität ist, durch Abstraktion aus jeder intelligiblen Form erkannt werden. Dabei macht Ibn Bāǧǧa ganz klar, dass der Sachgehalt dieser Formen belanglos ist, da sie nur insofern betrachtet werden, als sie Intelligibilia sind (N XI. 18),24 das heißt, nur insofern an ihnen der aktive Intellekt als ihre Ursache aufscheint. Diese Grenzspekulation führt Ibn Bāǧǧa mit großer sachlicher Kohärenz in seinen verschiedenen Schriften in jeweils unterschiedlicher Perspektive durch. Die Abhandlung Über die Verbindung des Intellekts mit dem Menschen betrachtet den aktiven Intellekt ähnlich wie das Buch der Seele als »Intention, die keine Intention hat« (maʿnā wa-lā maʿnā la-hū),25 sondern die letzte Intention aller materiellen oder auf die Materie bezogenen Intentionen ist; die Abhandlung Über die Dinge, mittels derer man den aktiven Intellekt erkennen kann, fasst ihn als das Erkennende (mudrik), das mit dem Erkenntnisgegenstand (mudrak) identisch ist und sich also selbst erkennt, statt jeweils wieder von einem übergeordneten Vermögen erfasst zu werden;26 und der erkenntnistheoretische Exkurs im Kommentar zu De generatione et corruptione sucht in einer Perspektive, die auch der Abschiedsbrief teilt, im aktiven Intellekt einen in allen Begriffen stets angezielten Begriff (taṣawwur), der nicht mehr durch einen anderen Begriff zu klären ist, sondern seinem Sein nach Begriff ist (taṣawwuruhū huwa wuǧūduhū).27 Für Ibn Bāǧǧa erschließt sich also mit dem aktiven Intellekt kein Reservoir reiner Sachgehalte, die als ewige Wahrheiten die Blaupause des Universums und der gewöhnlichen menschlichen Erkenntnis sind, sondern vielmehr ein Moment reiner Einheit und Aktualität, das sich als notwendiger Bezugspunkt und Ermöglichungsgrund aller Formhaftigkeit in den Naturdingen und im Erkennen erweist. Wenn er – ähnlich wie Hegel – es für möglich hält, den Standpunkt dieses Intellekts selbst einzunehmen,28 dann entwertet dieser diskussionswürdige »Überschwang« seine Grenzspekulation noch lange nicht. selbstbezüglicher Erkenntnisakt erscheint, der als solcher weniger Erkenntnis von als vielmehr Prinzip (=Bedingung der Möglichkeit) von Erkenntnis überhaupt ist. 24Vgl. auch Ibn Bāǧǧa, Fī l-wāḥda wa-l-wāḥid, ed. al-ʿAlawī, 147, 8–12; dort sind laut MS B, f. 183rv in Zeile 147, 10 die Ausdrücke ǧasadihī und hāḏihī jeweils in ḥaddihī zu verbessern. 25Ibn Bāǧǧa, Ittiṣāl al-ʿaql bi-l-insān, ed. Genequand, 195, 17f; Faḫrī, 166, 14. 26Ibn Bāǧǧa, al-Umūr allatī yumkin bihā l-wuqūf ʿalā l-ʿaql al-faʿʿāl, ed. Faḫrī, 108, 14–109, 12. 27Vgl. Ibn Bāǧǧa, Kitāb al-kaun wa-l-fasād, ed. Puig, 34, 8–11; Risālat al-wadāʿ, ed. Genequand, 114, 9–115, 4 (= T 81); Faḫrī, 138, 10–139, 7. 28Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Hauptwerke in sechs Bänden 6, Hamburg 1999, § 381 (S. 381): »Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren

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Diesen Charakter behalten seine Überlegungen schon deshalb, weil er niemals auf metaphysischer Ebene ansetzt. In seinem Kommentar zur Physik nimmt er bemerkenswerterweise Aristoteles’ etwas rätselhafte Bemerkung, im Unterschied zur ersten Materie werde das Prinzip hinsichtlich der Form in der »Ersten Philosophie« und nicht in der Naturphilosophie untersucht,29 zunächst zwar beinahe unverändert auf,30 um an späterer Stelle aber die Betrachtung der »ersten Form« wenn nicht in die Physik, so doch in die Naturphilosophie zurückzuholen.31 Er erklärt nämlich, die Physik weise zwar die erste Materie und den ersten Beweger hinsichtlich der »ersten Vollendung«, der Erzeugung, auf, nicht jedoch die ersten Ursachen der »zweiten Vollendung«, in der man sicherlich die der jeweiligen Form entsprechende wirkliche Tätigkeit (ἐνέργεια) zu erkennen hat.32 »Am Ende dieser Wissenschaft werden wir diese Ursache klären und in welchem Zustand sie ist, wobei wir erklären werden, dass sie die Form der Formen [ṣūrat al-ṣuwar] und ihr Ziel ist.« Wie die obigen Ausführungen klargemacht haben, steht am Ende der Naturwissenschaft die Psychologie, die den aktiven Intellekt als reine und letzte (oder erste) Form aufdeckt.33 Die hier umrissene, sich aus der naturphilosophisch zentrierten Analyse der Psychologie Ibn Bāǧǧas ergebende neue Interpretation seines Modells der »Konjunktion« öffnet damit einen weiten Horizont. Wir haben es nicht mehr mit der nur philosophiehistorisch zu würdigenden Verschmelzung neuplatonischer und aristotelischer Momente zu tun, sondern in der Tat mit einem Geist, der »für uns die Natur zu seiner Voraussetzung« hat, »deren absolut Erstes er ist«. Wahrheit, und damit deren absolut Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden, und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichseyn gelangte Idee ergeben, deren Object eben sowohl als das Subject der Begriff ist.« 29Aristoteles, Physik, I. 9, 192a34–192b2. 30Ibn Bāǧǧa, Šurūḥāt al-samāʿ al-ṭabīʿī, ed. Ziyāda, 16, 2–7. 31Ibn Bāǧǧa, Šurūḥāt al-samāʿ al-ṭabīʿī, ed. Ziyāda, 28, 4–18; in Zeile 11 ist mit MS B, f. 4v [arab.] al-ṣūra statt li-l-ṣūra zu lesen. Vgl. auch 232, 13–15: »Es ist also notwendig die Ursache zu erkennen und wie viele Typen es davon gibt. Als er [=Aristoteles] das erforschte, fand er die letzte Ursache hinsichtlich der Materie und hinsichtlich des Wirkenden, aber er fand das weder bei der Form noch beim Zweck.« Vgl. zu dieser Thematik auch Wirmer, Das natürliche Begehren des einsamen Philosophen, 231–237. 32Siehe zu diesen Begriffen auch die Analyse von Lettinck, Aristotle’s Physics, 167–172, die den Sprachgebrauch von Ibn Sīnā, Ibn Bāǧǧa und Ibn Rušd vergleicht. Ich teile Lettincks »conclusion« (170) und halte sie, anders als er selbst, für eindeutig: »The second perfection is the purpose (end) of the existence of a thing; this may be interpreted as its use (τὸ ᾧ), as the ultimate perfection consisting in the realization of the non-essential attributes and actions, or as the exercising of a disposition.« 33Vgl. als Beleg für diese Identifizierung auch Ibn Bāǧǧa, Kitāb al-ḥayawān, ed. al-ʿAmmāratī, 85, 9–86, 3; nach MS B, f. 135r [lat.] ist in der Edition Zeile 85, 9f zu verbessern: bi-mā naʿṭīhu statt mā yaʿṭīhu ʿilm al-ḥayawān; baʿḍuhā statt wa-naʿṭīha. Schließlich ist die in al-ʿAmmāratī, Anm. 11 genannte Lesart von MS B als die bessere in den Haupttext zu übernehmen.

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Schlussbetrachtung

(4) Die in den beiden vorstehenden Punkten gegebenen Ausblicke vertiefen die in Bezug auf Ibn Bāǧǧas Bestimmung der wissenschaftstheoretischen Stellung der Psychologie herausgearbeitete Einsicht, dass sich mit ihr eine Spannung zwischen Intellektlehre und Metaphysik, zwischen Erkenntnis des Erkenntnisprinzips einerseits und Erkenntnis des Seinsprinzips andererseits auftut. »Konjunktion« und »Wissenschaft vom ersten Prinzip« konkurrieren um den Rang des die wissenschaftliche Erkenntnis vollendenden Wissens. Ich habe an anderer Stelle dargelegt, dass sich Ibn Rušd in mehreren Schriften mit dieser von Ibn Bāǧǧa nicht thematisierten Schwierigkeit auseinandergesetzt hat, wobei die Lösung, zu der er schließlich kommt, nur im Kontext seiner eigenen ontologischen Höherstufung der Wissenschaft insgesamt sinnvoll erscheint.34 Bei Ibn Bāǧǧa selbst dagegen hat die Psychologie die Metaphysik stillschweigend verdrängt. Die Beobachtung, dass im Laufe des »Mittelalters« und der Neuzeit bis hin zu Kant die Erkenntnistheorie über die Rolle von Vorstudien zur Metaphysik hinauswächst, um diese als Fundamental- und Prinzipienwissenschaft zu ersetzen, ist bereits in Bezug auf andere Traditionslinien als die hier studierte gemacht worden. Ob Ibn Bāǧǧa in dieser Hinsicht ebenfalls eine Wirkung entfaltet hat, bleibt noch zu untersuchen. Dass er ein systematisch hoch spannendes Modell dafür bietet, wie sich diese Bedeutungsverschiebung aus einer konsequent naturphilosophischen Lektüre der aristotelischen Psychologie entwickeln kann, steht bereits fest.

34Vgl. Wirmer, Averroes. Über den Intellekt, 333–337; und siehe oben, Anm. 17.

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