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German Pages 355 [356] Year 1993
Linguistische Arbeiten
297
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Studien zum romanisch-deutschen Sprachvergleich Herausgegeben von Giovanni Rovere und Gerd Wotjak
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Studien zum romanisch-deutschen Sprachvergleich / hrsg. von Giovanni Rovere und Gerd Wotjak. -Tübingen: Niemeyer, 1993 (Linguistische Arbeiten ; 297) NE: Rovere, Giovanni [Hrsg.]; GT ISBN 3-484-30297-6
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen. I.
Figge, Udo L. (Bochum) Zur kognitiven Grundlage von Wortarten mit besonderer Berücksichtigung von Emotions- und Motivationswörtern.. Henschelmann, Käthe (Heidelberg) Möglichkeiten und Grenzen von Übersetzungswörterbüchern am Beispiel französischer Abstrakta und ihres Entsprechungspotentials im Deutschen...
19
Schmitt, Christian (Bonn) Deutsch-französische und deutsch-spanische Translatanalyse als Beitrag zur Übersetzungstheorie
41
Wotjak, Gerd (Leipzig) Interkulturelles Wissen und Sprachvergleich
55
II.
Blumenthal, Peter (Stuttgart) / Rovere, Giovanni (Heidelberg) Fachsprachliche Valenzen im Italienischen und im Deutschen
69
Knauer, Gabriele (Berlin) Aspekte der Nähesprache im Vergleich: Katalanisch, Spanisch, Französisch und Deutsch
89
Wüest, Jakob (Zürich) Die Sprache der Gesetze. Ein Beitrag zu einer vergleichenden Pragmatik
103
Zimmermann, Klaus (Berlin) Einige Gemeinsamkeiten und Differenzen der spanischen, französischen und deutschen jugendsprachlichen Varietäten
121
VI III.
Haßler, Gerda (Halle) Lexikalische Bedeutung und Intertextualität - zwei widerspruchsvolle Voraussetzungen für textuelle Entsprechungen
131
Nord, Christiane (Heidelberg) Äpfel und Birnen? Überlegungen zur Methode eines funktionalen Textsortenvergleichs am Beispiel spanischer, französischer und deutscher Buchtitel
141
IV.
Dupuy-Engelhardt, Hiltraud (Reims) Zur Benennung von Schallereignissen im Deutschen und Französischen
149
Geckeier, Horst (Münster) Wortschatzstrukturen des Französischen und des Spanischen in kontrastiver Sicht
155
Hammer, Fran9oise (Karlsruhe) Feste Wortpaare im französisch-deutschen Sprachvergleich
167
Koch, Peter (Berlin) Haben und sein im romanisch-deutschen und im innerromanischen Sprachvergleich
177
Lavric, Eva (Wien) "Chaque langue est nocessaire pour la communication": Die Semantik der französischen Determinanten aus kontrastiv-fehlerlinguistischer Sicht
191
Pinel, Rosa Maria (Madrid) Die Identifizierung der Frau durch die Sprache in den Sprichwörtern (Deutsch-Spanisch)
205
Rösner, Jutta (Stuttgart) Kommen und Gehen im Deutschen und Französischen
215
Schweickard, Wolfgang (Saarbrücken) Eigennamen im Spanischen und im Deutschen aus sprachvergleichender Sicht
229
VII
Thielemann, Werner (Berlin) Aspekte in und außerhalb von Texten, Geschehensverinnerlichung und Geschehensvertextung
237
V.
Albrecht, Jörn (Heidelberg) Reflexivität, Medialität und Ergativität im Romanischen und Deutschen
259
Emsel, Martina (Leipzig) Pragmatische Differenzierung von Wortbildungsstrukturen und -modeilen zum Vergleich der Potenzen im Spanischen und Deutschen
277
Gärtner, Eberhard (Dresden) Das Passiv im Deutschen, Portugiesischen und Spanischen
285
Jäger, Sonja (Leipzig) Infinitiv oder Gerundium?
303
Kamm, Andrea (Leipzig) Determinanten des Substantivs im Übersetzungsvergleich Französisch-Deutsch. Eine Untersuchung anhand verschiedener Textsorten
311
Krenn, Herwig (Bochum) Die romanischen Super-Pro-Formen en (frz.) und ne (ital.) und ihre deutschen Entsprechungen
321
Laca, Brenda (Berlin) [PLURAL] und [STOFF] in generischer Verwendung in Deutsch, Englisch und Spanisch
331
Stein, Peter (Regensburg) Bemerkungen zur mittelbaren Redewiedergabe im Romanischen und im Deutschen
341
Vorbemerkungen Untersuchungen zum Sprachvergleich haben gegenwärtig wenn schon nicht gerade Hochkonjunktur, so doch wieder so an Prestige gewonnen, daß sich eine wachsende Zahl von Forschern sprachvergleichenden Fragestellungen zuwendet. Davon zeugen nicht nur im letzten Jahrfünft erschienene Publikationen*, sondern auch ausschließlich dem Sprachvergleich gewidmete Tagungen2 wie germanistische bzw. romanistische (andere Sprachen wurden von uns nicht systematisch verfolgt) Symposien/-Kolloquia, auf denen direkt oder indirekt Aspekte des Sprachvergleichs thematisiert wurden/ zuletzt auf zwei in kurzem Abstand aufeinander folgenden Tagungen: der Sektion Sprachvergleich, die im Rahmen des XXII. Romanistentages am 24. 9. und 25. 9. 1991 in Bamberg veranstaltet wurde und der II. Internationalen Tagung zum Romanisch-deutschen Sprachvergleich vom 14. - 16. 10. in Leipzig. Ausgewählte Beiträge dieser beiden letztgenannten Veranstaltungen sollen mit einem herzlichen Dankeschön an Verlag und
Vgl. dazu u.a. Peter Blumenthal: Sprachvergleich - Deutsch-Französisch. Tübingen 1987; Linguistische Studien, H.176. Berlin 1988; Gerd Wotjak/Antonio Regales (Hg.): Studien zum Sprachvergleich. Valladolid 1988; vgl. auch die relativ umfangreiche Bibliographie zum romanisch-deutschen Sprachvergleich in: Leipziger Romanistische Beiträge. KMU Leipzig 1988, 158-183; Nelson Cartagena/Hans-Maria Gauger: Vergleichende Grammatik Spanisch-Deutsch, Bd. l und 2. Mannheim 1989; U.Klenk/K.-H. Körner/W.Thümmel (Hgg.): Variatio linguarum - Beiträge zu Sprachvergleich und Sprachentwicklung. Festschrift zum 60. Geburtstag von Gustav Ineichen. Stuttgart 1989; J.Schmidt-Radefeld/H.Lüdtke (Hgg.): Linguistica contrastiva: Deutsch vs. Portugiesisch und Spanisch. Akten des 2, kontrastiven Kolloquiums an der Universität Kiel vom 15.-17.11.1990. Tübingen (=Acta Romanica 11) Vgl. u.a. K.Hansen (Hg.): Studien zur Sprachkonfrontation (Englisch-Deutsch). Humboldt-Universität Berlin 1983 (Akten einer Tagung an gleicher Stelle 1982); G Jäger als Veranstalter von Internationalen Tagungen zum west- und südslawisch-deutschen Sprachvergleich an der KMU Leipzig in den Jahren 1972, 1976, 1977, 1979, 1983, 1987 (vgl. die veröffentlichten Beiträge in Linguistische Arbeitsberichte LAB, H.20/21 (1978); 29; 48 sowie 66 und 67 (1989); außerdem Wissenschaftliche Zeitschrift der KMU Leipzig, GSR, 23Jg. (974), H.l; Linguistische Studien H.29/1/1. Berlin 1976 sowie Zeitschrift für Slawistik, Bd. 26 (1981), H.l; vgl. aber auch die Konferenz von 1984 "Universelles und Sprachspezifisches in der Textgestaltung" sowie die Konferenz 1989 "Funktionalistil und Tesxtsorten unter konfrontativem Aspekt", die von der Ostslawistik an der Universität Leipzig veranstaltet wurde - vgl. dazu LAB H.49 (1985) sowie H. 72 (1990) sowie die I. und die II. Internationale Tagung zum romanisch-deutschen Sprachvergleich 1987 und 1991 an der Universität Leipzig. Vgl. u.a. die I. Regionalkonferenz "Deutsch im nationalen und regionalen Kontext" vom Januar 1990 in Havanna (Konferenzakten zum Druck eingereicht), aber auch die Internationale Tagung der Germanisten und Deutschlehrer, veranstaltet von der SEPA im November 1991 in Valladolid, aber auch das VII. Romanistische Kolloquium im Januar 1992 in Saarbrücken und das VII. Germanistische Symposium der Universidad Complutense Ende März 1992 im Escorial/Madrid sowie die Jahrestagung des IDS ebenfalls von Ende März 1992 in Mannheim zum Thema "Deutsch als Verkehrssprache in Europa"; nicht einbezogen wurden u.a. Sektionsbeiträge auf GAL-Tagungen der vergangenen Jahre bzw. die Erörterung sprachvergleichender Aspekte auf übersetzungswissenschaftlichen Konferenzen bzw. in Festschriften; vgl. dazu u.a. Materialien der übersetzungswissenschaftlichen Konferenz der Humboldt-Universität Berlin vom Mai 1988. Humboldt-Universität Berlin 1990 - 2 Bd.; Materialien der übersetzungswissenschaftlichen Konferenz vom Juni 1991 in Leipzig (erscheint als Kent Studies on Translation Theory 1992); vgl. u.a. auch RAratz/G.Thome (Hgg.): Übersetzungswissenschaft. Festschrift für Wolfram Wilss zum 65. Geburtstag. Tübingen; W.Kühlwein/G.Thome/W.Wilss (Hgg.): Kontrastive Linguistik und Übersetzungswissenschaft. München 1981; JAlbrecht/H.W.Drecher/H.Göring/N.Salnikow (Hgg.) Translation und interkulturelle Kommunikation. Frankfurt/. 1987; Vermeer, HJ.: Kulturspezifik des translatorischen Handelns. Heidelberg: Institut für Übersetzen und Dolmetschen 1989 (= Translatorisches Handeln, 3).
Herausgeber der Reihe Linguistische Studien im folgenden in einem gemeinsamen Sammelband vorgestellt werden. Als Fazit dieser romanistischen Sprachvergleichskolloquien, an denen sich über 50 Romanisten und Germanisten romanischer Länder mit interessanten Beiträgen beteiligt haben, läßt sich festhalten: Der Sprachvergleich ist nach wie vor aktuell und fördert selbst in kontrastiv relativ gut beschriebenen Sprachenpaaren wie Deutsch und Französisch immer wieder neue Detailerkenntnisse zutage, gibt aber auch Anlaß zu allgemeinen theoretisch-methodologischen Überlegungen. War der Sprachvergleich als nach wie vor dominant systemlinguistische Domäne im Ergebnis eines vehementen Paradigmenwechsels von der System- zur Verwendungslinguistik zeitweilig in den Hintergrund gedrängt worden (wobei schon davor nichterfüllte überhöhte Erwartungen an den Sprachvergleich als Allheilmittel für eine höhere Effizienz des Fremdsprachenunterrichts, insbesondere aber als Geheimwaffe gegen Interferenzfehler, zu einer Abkehr von kontrastiven Analysen führten), so mehren sich gegenwärtig die Anzeichen für eine gewisse Renaissance konfrontativ-kontrastiver Beschreibungen romanischer Sprachen untereinander wie mit dem Deutschen. Dafür dürften verschiedene Ursachen in engem Zusammenwirken verantwortlich zu machen sein: (i) zum einen ist auch der Fremdsprachenunterricht, insbesondere unter dem Einfluß von Forschungen zur Fremdheitslehre und zur interkulturellen Kommunikation, sich der Zweckmäßigkeit, ja Unverzichtbarkeit, von sprach- wie kulturvergleichenden Untersuchungen erneut bewußt, wobei deren Leistungsfähigkeit nun nicht mehr überschätzt wird; (ii) zum anderen ist seitens der konfrontativen Linguistik versucht worden, den Gegenstandsbereich sprachvergleichender Untersuchungen über das System hinaus zunehmend auch auf den Verwendungs-, insbesondere den Textvergleich auszudehnen; (iii) schließlich dürften auch anwendungsorientierte Erfordernisse - etwa der automatischen Übersetzung (Parser, Morphemanalyse und -synthese, Lemmatisierung), der Schaffung zwei- und mehrsprachiger (Übersetzungs-/Computer-) Wörterbücher, multilingualer (wie multifunktionaler) Sprachdatenbanken - und sprachtheoretisch-methodologische Erkenntnisinteressen, etwa der Typologie und der kognitiven Linguistik (insbesondere der Überprüfung der Postulate einer Universalienlinguistik), zu einem renouveau der Beschäftigung mit dem Sprachvergleich beitragen. Dabei rücken vor allem mit der Einbeziehung von Textvergleichen (von Paralleltexten wie Original und Übersetzung) zunehmend bislang vernachlässigte Teilbereiche in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses, werden Vertreter unterschiedlicher linguistischer Teildisziplinen, aber auch von Grenzdisziplinen, zur Beschäftigung mit sprachvergleichenden Untersuchungen angeregt - so etwa die Soziolinguistik/Pragmalinguistik (Pragmatik), Text- wie Diskurslinguistik sowie u.a. unter dem Blickwinkel interkultureller Kommunikation auch Vertreter der Kulturkomparatistik/Fremdheitslehre, aber auch solche der Gesprächsanalyse, der kognitiven Linguistik und Übersetzungswissenschaft, der vergleichenden (Funktional)Stilistik und Rhetorik. Zunehmend wird neben sprachvergleichenden Zielstellungen auch sprachtypologischen Fragestellungen und dabei u.a. der immer wieder aktuellen Problematik der Existenz/Nichtexistenz von substantiellen wie formal-strukturellen Universalien nachgegangen. Während inzwischen nicht nur der Wert einer Translatanalyse für einen übersetzungsorientierten Sprach- wie interlingualen Textvergleich unbestritten und die Zusammenhänge zwischen systemorientiertem Sprachvergleich und übersetzungswissenschaftlichen Analysen allgemein klarer konturiert erscheinen, als sie A. Neubert noch
1983 vorzeichnete,4 bedürfen die Beziehungen zwischen Typologie der Sprache wie etwa zunehmend auch des Sprechens und Sprachvergleich/Übersetzungswissenschaft noch vertiefender Untersuchungen. Sprachvergleich als Systemvergleich wie aber auch als Textvergleich setzt Komparabilität, aber auch je einzelsprachliche Detailbeschreibungen, möglichst mit den gleichen Methoden und dem gleichen oder doch einem vergleichbaren Terminusinventar voraus, wobei in aller Regel - und dies gilt ganz besonders für die insgesamt weniger systematisch beschriebenen Sprachen Portugiesisch, Spanisch (z.T. auch Italienisch) - eigentlich vorgängige Detailanalysen in wenigstens einer der beiden Sprachen nicht oder nicht in der gewünschten Qualität (= gleiche Beschreibungsmethode) vorliegen. Sprachvergleiche erfordern eine hochentwickelte sprachlich-kommunikative (und soziokulturell-interaktionale) Kompetenz, die wohl noch am ehesten für die Muttersprache angenommen werden kann. Das aber heißt, daß es sich um eine Domäne handelt, bei der eine disziplinübergreifende Orientierung gefragt und zugleich virtuelle Chancengleichheit gegeben ist: Im allgemeinen kann der Vergleichende zwar auf seine muttersprachliche Kompetenz zurückgreifen, er muß zugleich aber auch auf eine möglichst gut ausgeprägte fremdsprachliche Kompetenz rekurrieren (bei nicht-muttersprachigen Hispanisten ergäbe sich gegenüber muttersprachigen eine Chancenungleichheit bei der Beschreibung komplexer Phänomene des Spanischen). Da sich der konfrontative Linguist nicht mit einer intuitiven Kenntnis seiner Muttersprache begnügen kann, sich aber auch nicht immer auf für seine Zwecke geeignete Beschreibungen stützen kann und nicht selten entsprechende Detailanalysen sogar selbst vornehmen muß, wird er nicht selten auf zwei Hochzeiten tanzen und sich damit der Gefahr aussetzen, zwischen mehreren Stühlen zu sitzen. Andererseits mag die Außensicht auf die eigene Muttersprache wie auch die Fremdsprache für die je einsprachige Beschreibung einen methodologischen Gewinn darstellen, sieht man im Lichte der fremden Sprache doch die eigene schärfer. Nicht zufällig dürfte sich der Sprachvergleich besonders für eine interdisziplinäre Kooperation, etwa von Germanisten romanischsprachiger Länder und deutschsprachigen Romanisten, anbieten, wobei zunächst meist nur ein konkretes Sprachenpaar verglichen und nicht gleich ein multilingualer Vergleich angestrebt wird. Methoden, Schwierigkeiten wie Ergebnisse des Sprachvergleichs werden nicht unerheblich dadurch bestimmt, - welche Ebenen der Sprache bei einem Systemvergleich miteinander verglichen werden; so weist die phonologische, aber auch die morphosyntaktische Systemebene einen im ersten Fall erheblich, im zweiten immerhin noch deutlich geringeren Komplexitätsgrad auf als etwa der Lexikvergleich oder gar ein Textvergleich, was nicht nur in der Zahl der zum Vergleich heranzuziehenden Gegenstände (Phoneme, syntaktisch-kombinatorische Regularitäten, Funktionen wie Kategorien), sondern auch im Charakter des dem Vergleich zugrunde gelegten Tertium comparationis begründet liegt; - mit welchem Ziel der Vergleich ausgeführt wird, ob etwa ein übersetzungsorientierter Vergleich, ein für typologische Untersuchungen bestimmter Vergleich übereinzelsprachiger Gemeinsamkeiten auf einer notwendig hohen Abstraktionsebene oder ein Vergleich mit dem Ziel durchgeführt wird, für den Fremdsprachenunterricht relevante Divergenzen im Bereich der Morphosyntax, Lexik oder Phonetik herauszuarbeiten. Vgl. A.Neubert: Methodologische Aspekte des Verhältnisses zwischen Konfrontations- und Translationslinguistik. In: K.Hansen (Hg.): Studien zum Sprachvergleich (Englisch-Deutsch). Humboldt-Universität. Berlin 1983,32-34.
In der Mehrzahl der Fälle dürfte der Sprachvergleich Mittel zum Zweck, eher eine heuristisch-diagnostische Methode der Beschreibung sein, denn eigentliches Ziel der Analyse. Dabei dominieren generell unidirektionale Vergleiche, die auch für einen bidirektionalen Vergleich die Grundlage darstellen. Beim Sprachvergleich sollte immer ein möglichst gleich hoher Explizitheitsgrad bei der Beschreibung beider Sprachen angestrebt werden. Dies könnte für die praktische Nutzanwendung u.U. bedeuten, daß auch bei einem Vergleich auf der morphosyntaktischen Ebene wie bei der Lexik letztlich vier komplementäre Einzelbeschreibungen vorgelegt werden sollten: eine italienisch-deutsche für italienische Nutzer und eine solche für deutsche Nutzer sowie eine deutsch-italienische Beschreibung für deutsche sowie eine weitere für italienische Nutzer. Immerhin kann bei der Beschreibung von Phänomenen der Muttersprache des Nutzers von einer geringeren Notwendigkeit zur Explizierung ausgegangen werden, da hier ein Rekurs auf die muttersprachige Kompetenz entsprechende Lücken in der Beschreibung (etwa Auslassungen aus Übersichtlichkeitserwägungen) zu kompensieren erlaubt. Die vorgelegten Arbeiten sind in gewissem Sinne als exemplarisch und symptomatisch anzusehen, haben deren Verfasser sich doch überwiegend Schwachstellen, bislang eher vernachlässigten Gegenständen wie Sprachen, zugewandt. Wohl nicht zufällig dominieren hier nicht die Vergleiche von Französisch und Deutsch, wiewohl Französisch naturgemäß in mehreren Untersuchungen mit als Vergleichsgröße neben anderen romanischen Sprachen herangezogen wurde. Es fällt auf, daß mehrere Untersuchungen typologische Zielstellungen zumindest auch, wenn nicht gar dominant im Auge haben, für die mehrere romanische Sprachen und Deutsch (kaum noch weitere Sprachen) herangezogen wurden; nur in einem Fall wurde ein rein innerromanischer Sprachvergleich angestrebt. Neben eher traditionellen Analysen als Systemvergleich, bei denen allerdings auch Frequenzuntersuchungen anhand umfangreicher Textkorpora mit einbezogen wurden, finden sich - sehr vereinzelt noch - auch vergleichende Untersuchungen der Sprachverwendung - i.d.R. von schriftlichen Texten, aber auch in ersten Ansätzen von gesprochener Sprache. Bei den systemorientierten Beiträgen finden sich - einem allgemeinlinguistischen Trend wie einem echten Nachholebedürfnis verpflichtet - zunehmend Betrachtungen zur Wortbildung wie auch zur Lexik. Hervorzuheben ist, daß mehrere Untersuchungen auf einer repräsentativen Datenbasis beruhen (auch dies dürfte ein Reflex einer Umorientierung in der gegenwärtigen Sprachwissenschaft fort von der beispielhaften Illustration deduktiver Hypothesen hin zu empirisch- induktiven Beschreibungen sein), daß Detailstudien am konkreten Beispielmaterial operieren, wobei theoretischmethodologische Verallgemeinerungen i.d.R. nicht vordergründig sind. Nur in sehr wenigen Beiträgen werden theoretisch-methodologische Grundfragen in den Vordergrund gestellt. Auffällig ist zudem die Unterrepräsentanz von Untersuchungen, die einer konfrontativen Pragma- wie Soziolinguistik zuzuordnen wären; auch die Untersuchungen zur Sprachverwendung sind generell noch zu wenig zahlreich, was mutatis mutandi auch für konfrontative Lexikbeschreibungen gilt. Bei den Textvergleichen sollte die Beschreibung gleicher bzw. vergleichbarer Textsorten Priorität haben. Die vorgelegten Arbeiten lassen ungeachtet wertvoller Detaileinsichten viele aktuelle Fragen des Sprachvergleichs unberührt noch können und wollen sie offene Fragen auch nur annähernd erschöpfend beantworten. Für den Sprachvergleich, der zunehmend auch die diachrone Dimension in seine Überlegungen einbeziehen sollte, bleibt noch viel zu tun. Die konfrontative Linguistik ist auch weiterhin aktuell und erkenntnisfördernd, kann sie doch u.a. Belege liefern für übereinzelsprachliche Gemeinsamkeiten/(kulturkreisspezifisiche bzw. -übergreifende) Uniyersalien sowie einen Beitrag lei-
sten zur Feststellung des Tertium comparationis und zur Schaffung einer Interlingua, in bezug auf die die je einzelsprachspezifischen Besonderheiten interlingual vergleichbar beschrieben werden können. Damit dient die konfrontative Linguistik vermittelt der Maschinenübersetzung, der zweisprachigen Lexikographie (Terminographie, einschließlich Computerlexikographie und Schaffung interlingualer Sprachdatenbanken) sowie ihrem klassischen Applikationsfeld, dem Fremdsprachenunterricht und hier besonders der Fehlerprophylaxe und -therapie. Wir haben die Beiträge thematisch zusammengeordnet und innerhalb der mehr oder weniger klar umrissenen Themenkreise in alphabetischer Abfolge der Autoren und nicht nach Sprachenpaaren sortiert aufgelistet. Dabei fiel von Fall zu Fall die Einordnung ausgewählter Beiträge nicht leicht. Abschließend ist es uns ein Bedürfnis, den Beiträgern wie auch A. Brandt, A.Massier, C.Limbeck aus Heidelberg und C.T. Wotjak aus Leipzig für die Unterstützung bei der Erstellung der Druckvorlage zu danken.
Sommer 1992
Die Herausgeber
Udo L. Figge (Bochum)
Zur kognitiven Grundlage von Wortarten mit besonderer Berücksichtigung von Emotions- und Motivationswörtern 1. Einleitung Die Einteilung von Wortschätzen in Wortarten gehorcht eng miteinander verknüpften syntaktischen und semantischen Kriterien. Die semantischen Kriterien fasse ich als kognitive auf, die mit dem menschlichen Gedächtnis und dessen Quellen, insbesondere der Wahrnehmung, zu tun haben. In diesem Beitrag will ich zeigen, daß bestimmten Quellen des Gedächtnisses in übereinzelsprachlich relativ stabiler Weise bestimmte Wortarten zugeordnet sind, daß aber die Zuordnung von Wortarten zu bestimmten anderen Quellen, nämlich den Emotionen und Motivationen (Stimmungen, Antrieben), übereinzelsprachlich und diachron recht uneinheitlich ist. Abgesehen von dieser Einleitung umfaßt der Beitrag vier Kapitel. Zunächst werden die Grundlagen skizziert, nämlich eine bestimmte Konzeption der menschlichen Sprache als eines Systems produktiver und rezeptiver Verfahren, das an das Gedächtnis gekoppelt ist (2.1), und eine bestimmte Konzeption des menschlichen Gedächtnisses als eines Gebildes aus Konzepten und Beziehungen zwischen diesen Konzepten (2.2.). Es sollte nicht verschwiegen werden, daß diese Skizze auch anderen Arbeiten als nur dieser zugrunde liegt. Ihr schließt sich ein kurzes Kapitel zur kontrastiven Linguistik an, in dem Struktur und Quellen des Gedächtnisses als geeignetes tertium cotnparationis für Sprachvergleiche dargestellt werden (3). Dies wird zu Beginn des Kapitels 4 näher ausgeführt. Es folgt eine Exemplifizierung an übereinzelsprachlich stabilen Beziehungen zwischen Gedächtnis-Quellen und Wortarten, etwa an der zwischen Farbwahrnehmung und Adjektiven oder der zwischen Bewegungswahrnehmung und Verben (4.1). Sodann kommt die Wortarten - Zugehörigkeit von Emotions- und Motivationswörtern zur Sprache (4.2). Gefühle und Stimmungen sind diffuser als Wahrnehmungen, so daß ihre einzelnen Konzeptualisierungen, wie diachrone und synchrone Vergleiche auf der Grundlage des Deutschen und des Lateinisch-Romanischen zeigen, je nach Sprache und Epoche durch Grundwörter sehr unterschiedlicher Wortarten manifestiert werden: Adjektive (z.B. ahdt. ger), Verben (z.B. rom. desiderare), Substantive (z.B. nhdt. Gier). Die Wahl einer Wortart für einen Gefühls- oder Stimmungsaussdruck scheint in metaphorischer Anlehnung an Beziehungen zwischen dieser Wortart und anderen Gedächtnisquellen zu geschehen. Das Schlußkapitel ist ein kurzes Rosumo der Thesen dieses Beitrags (5). 2. Grundlagen 2.1. Sprache In Anlehnung an eine Idee Saussures, die er selber als innovativ bezeichnet hat (1967:49), betrachte ich eine Sprache als ein spezielles semiotisches System. Ein semiotisches System im allgemeinen (cf. Abb. 1) ist - auch diese Bestimmung geht letztlich
Figge, U. L.
auf Saussure zurück - eine Fähigkeit von Organismen, zwei verschiedene, gegenläufige Prozesse zu vollziehen, nämlich 1. die Manifestation innerer Zustände, die für die Umwelt dieser Organismen nicht wahrnehmbar sind, durch die Produktion von Signalen, die an der Peripherie der Organismen in Erscheinung treten und deshalb wahrgenommen werden können, 2. die Modifikation solcher inneren Zustände als mögliche Folge einer spezifisch semiotischen ("obliquen") Verarbeitung der Wahrnehmung solcher Signale.
1
Manifestationen
t Perzepfionen obli que .
Innere Zustände
Abbildung 1: Semiotisches System
Es sind dreierlei verschiedene Arten von inneren Zuständen beobachtet worden, die mit einem semiotischen System verkoppelt sein können: motivationale (z.B. Fortpflanzungsstimmung), emotive und kognitive. Die Manifestationen solcher Zustände geschehen überwiegend durch Bewegungen. Soweit bekannt, gibt es nicht mehr als vier Arten von Sinnesmodalitäten, an die sich ein durch solche Bewegungen hervorgerufenes Signal richten kann: Semiotisch ansprechbar sind chemische, taktile, optische und akustische Modalitäten.
Zur kognitiven Grundlage von Wortarten...
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Eine Sprache ist in verschiedener Hinsicht ein Spezialfall eines semiotischen Systems (cf. Abb. 2). Die inneren Zustände, die sprachlich manifestiert oder modifiziert werden können, sind deutlich kognitiv. Es handelt sich um Wissenskomplexe oder, wie ich zu sagen vorziehe, Gedächtnisausschnitte. Die Manifestationen bestehen in Bewegungen im Gesichts-, Mund- und Rachenraum oder in Bewegungen des Oberkörpers und insbesondere seiner Extremitäten. Die sprachlichen Signale, die Texte, können je nach der Art dieser Bewegungen entweder akustisch oder optisch oder taktil (Braille) perzipiert werden. Artikulatorische / manuelle Manifestationen: Texte {
Akustische / optische Perzeptionen: Texte
Zwischenstrukturen
innere Zustande: Gedächtnis a usschnitte
Abbildung 2: Menschliche Sprache Die Verkopplung eines semiotischen mit einem kognitiven System ist ungewöhnlich, aber nicht auf Sprache beschränkt (cf. Figge 1986:54-64). Dagegen hat Sprache ein wesentliches Merkmal, das sie mit keinem anderen semiotischen System teilt, nämlich die spezifische syntaktische Strukturierung, die ihren Signalen zugrunde liegt und deren Hauptkennzeichen die von Hockett (1960:90) und Martinet (1960:17-19) so genannte doppelte Gliederung ist. Sprachliche Signalproduktion und - rezeption sind daher keine kontinuierlichen, sondern jeweils durch eine Phase syntaktischer Strukturierung abgestufte Prozesse ("Zwischenstrukturen"). 22. Gedächtnis Die Gedächtniskonzeption, auf die ich mich beziehe, habe ich in Figge 1989a detailliert dargestellt und begründet. Hier kann ich lediglich, gestützt auf Abb. 3, eine Skizze geben.
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Figge, U. L. 1IHIOTIK
in
GEDÄCHTNIS
Konieptutllct CtdUhtnlt
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UTOUMI
iTPonuoi 1
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KAHWtC
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z.B. Innere Landkarten, Gesichtergedächtnis
motives SYSTEM
' Innere Kalender
Abbildung 3: Gedächtnis
Das Gedächtnis eines Individuums unterteilt sich grundlegend in ein Könnens- und in ein Wissens-Gedächtnis. Das Könnens-Gedächtnis verwaltet Fähigkeiten des Individuums, Verfahren, die es beherrscht. An der Peripherie macht es sich mit Hilfe der Motorik bemerkbar (jedenfalls sofern es sich um efferente Verfahren handelt). Ein prominentes Beispiel ist die Sprache, die das Individuum kann. Das Wissens-Gedächtnis eines Individuums verwaltet dessen Welt- und Selbstbild. Es umfaßt verschiedene Komponenten: ein analoges Gedächtnis (z.B. innere Landkarten), ein Zeitgedächtnis (innere Kalender), ein numerisches Gedächtnis ("Zahlengedächtnis"), evaluative Systeme (z.B. moralische oder ästhetische Bewertung) und vor allem ein konzeptuelles Gedächtnis. Meine Konzeption des konzeptuellen Gedächtnisses knüpft einerseits an die seit mehr als zwanzig Jahren von der Sprachpsychologie betriebene Erforschung des semantischen Gedächtnisses (cf. Figge / Job 1987) und andererseits an seit noch längerer Zeit angestellte Untersuchungen tierischer Weltbildentstehung (cf. von Uexküll / Kriszat 1934) an. Das konzeptuelle Gedächtnis läßt sich insofern als "semantisches" Gedächtnis betrachten, als es diejenige Gedächtniskomponente ist, mit der Sprache unmittelbar verkoppelt ist. Andererseits ist es aber auch nur mit ihr verkoppelt und nicht ein Teil von ihr. Es ist wesentlich älter als die Sprache und daher auch unabhängig von ihr entstanden. Insofern ist das Epitheton "semantisch" äußerst mißverständlich und sollte deshalb vermieden werden.
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Zur kognitiven Grundlage von Wortarten...
Normalerweise werden zwei verschiedene Arten von Einheiten des konzeptuellen Gedächtnisses angenommen, die terminologisch häufig als Konzepte und Merkmale voneinander unterschieden werden. Über die Beziehungen zwischen Konzepten und Merkmalen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich gehe von dem sog. Merkmalmodell des semantischen Gedächtnisses aus, das Smith, Shoben und Rips 1974 erstmals vorgestellt haben und dem zufolge ein Konzept eine Menge von Merkmalen ist, etwa robin: 'biped', 'has wings', 'has distinctive colours', 'perches in trees', 'undomesticated' (1974:216). Merkmale sind demnach einfache, Konzepte zusammengesetzte Einheiten des konzeptuellen Gedächtnisses. Psychologie und Biologie haben Konzepte und Merkmale ähnlich wie die linguistische Semantik die von ihr angenommenen Bedeutungen bislang lediglich als allgemeine, abstrakte Einheiten, als eine Art von Begriffen behandelt. Tatsächlich verfügt jedes Gedächtnis aber auch über einen erheblichen Anteil an konkretem Weltwissen. Daher ist nicht nur zwischen einfachen und zusammengesetzten, sondern auch zwischen konkreten und allgemeinen Gedächtniseinheiten zu unterscheiden. Insgesamt nehme ich deshalb vier Arten solcher Einheiten an, und ich nenne sie durchweg Konzepte: Eigenschaftskonzepte - konkret und einfach -, individuelle Gegenstandskonzepte - konkret und zusammengesetzt -, Kategorienkonzepte - allgemein und einfach -, allgemeine Gegenstandskonzepte - allgemein und zusammengesetzt (cf. Abb. 4).
SCMIOTIK
KATEGORIEHKONZEPTE '
ALLGEMEINE GEGENSTANDSKONZEPTE
KATECCRIENKONZEPTE
ALLGEMEINE GEGENSTANDSKONZEPTE
EIGENSCHAFTSKONZEPTE
INDIVIDUELLE GEGENSTANDSKONZEPTE
ICMS001K t CM I O T I l
Abbildung 4: Konzeptuelles Gedächtnis
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Figge, U. L.
Ein Eigenschaftskonzept geht stets auf einen konkreten und individuellen Aspekt der Umwelt des Individuums zurück, zu dessen konzeptuellem Gedächtnis es gehört. Ein solcher Aspekt kann als statisch und dauerhaft (blond), als dynamisch (fließen) oder als mehr oder weniger momentan (geboren werden) gefaßt werden. Ein individuelles Gegenstandskonzept ist eine Menge von Eigenschaftskonzepten. Konzepte von Gegenständen (einschließlich Personen), die für ein Individuum in dessen Umwelt existieren, werden also in dessen Gedächtnis durch Zusammenfassung von Repräsentationen einzelner Umweltaspekte konstruiert. Die Kategorienkonzepte eines Gedächtnisses bilden Generalisierungs-Hierarchien über dessen Eigenschaftskonzepten. Ein allgemeines Gegenstandskonzept ist eine Menge von Kategorienkonzepten. Im Bereich der Eigenschafts- und Kategorienkonzepte - und somit indirekt auch in dem der individuellen bzw. allgemeinen Gegenstandskonzepte, zu denen sie jeweils gehören - bestehen Beziehungen unterschiedlicher Art, beispielsweise temporale oder kausale. Ein konzeptuelles Gedächtnis ist daher ein Gebilde aus einer Menge von Konzepten viererlei Art und einer Menge von Beziehungen. Das konzeptuelle Gedächtnis gewinnt seine Elemente in beträchtlichem Maße aus den Daten, die ihm die verschiedenen Sinnesmodalitäten liefern (Sensorik). Sodann speist es sich aus der Semiotik, die die verschiedenen sensorischen Modalitäten überlagert (z.B. Sprachrezeption). Weiterhin bildet es Einheiten durch Konzeptualisierung von Elementen anderer innerer Systeme, also des analogen Gedächtnisses, des ZeitGedächtnisses, des numerischen Gedächtnisses und der evaluativen Systeme, aber auch des emotiven und des motivationalen Systems, die keine Gedächtniskomponenten sind. Schließlich ist das konzeptuelle Gedächtnis ein dynamisches System, das intern Konzepte durch Inferenz, durch Bildung von Hypothesen oder durch Planung hervorbringt (cf. Abb. 3). 3. Kontrastive Linguistik Es wird zwar kaum zwei Menschen geben, die beide genau dasselbe Wissen haben, doch spricht andererseits alles dafür, daß die Art, wie Wissen organisiert ist, bei allen Menschen prinzipiell dieselbe ist. Anders formuliert: Jedes menschliche Gedächtnis hat dieselbe Grundstruktur. Da nun weiterhin Sprache in dem Sinne an das Gedächtnis angekoppelt ist, daß sie - wie in 2.1 ausgeführt - zu dessen Manifestation und semiotischer Modifikation dient, muß angenommen werden, daß die Art, wie das Gedächtnis strukturiert ist, eine massive Auswirkung auf die Strukturierung der sprachlichen Signale, also der Texte, hat. Es gibt sicherlich noch andere Einflußfaktoren. Zu ihnen gehört die Linearität des sprachlichen Manifestations- und Rezeptionsmodus. Zu ihnen gehören spezielle Wissensbestände, nämlich Kenntnisse der Situation, in der jeweils sprachlich manifestiert und rezipiert wird - Kenntnisse, die steuernd auf die Textproduktions- und -rezeptionsprozesse einwirken. Überaus prägend wirken sich jedoch eben die Gedächtnisstrukturen (cf. 2.2) auf die Textstrukturen aus. Sie müssen daher auch als ein überaus wichtiges tertium comparationis für kontrastive Sprachanalysen gelten. Im Folgenden will ich dies näher ausführen, und zwar zunächst in allgemeinerer Weise. Sodann gehe ich detaillierter auf kontrastive Aspekte der Einteilung des Wortschatzes in Wortarten ein. Als ein besonders interessantes Beispiel behandle ich schließlich die Eigenheiten der Wortartzugehörigkeit von Emotions- und Motivations-
Zur kognitiven Grundlage von Wortarten...
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Wörtern im Deutschen und im Lateinisch-Romanischen. Es wird sich zeigen, daß dabei die diachrone Perspektive eine Rolle spielt. 4. Kontrastive Linguistik und Gedächtnis Die sprachlich orientierte Gedächtnisforschung hat hinlänglich deutlich gemacht, daß den Konzepten des Gedächtnisses im Prinzip Wörter der Sprache entsprechen. Ich sage "im Prinzip", weil die Delimitation von Einheiten auf der Ebene der Wörter (und Morpheme) - wie man weiß - keineswegs unproblematisch ist. Das zeigt ja gerade die kontrastive Lexikologie, wenn sie Einheiten wie dt. Schimmel und fr. cheval blanc oder dt. Kleinhirn und fr. cervelet einander gegenüberstellt (cf. auch Figge 1989b:127s., 136s.). Die Entsprechung zwischen Konzepten und Wörtern ist also keineswegs eindeutig, aber sie besteht. Ich gehe sogar noch weiter und sage, daß es in der menschlichen Sprache nur deshalb wortartige Einheiten gibt, weil sie sich in deren Evolution als Manifestanten der Einheiten des menschlichen Gedächtnisses, also der Konzepte, etabliert haben. Für systematische kontrastive Untersuchungen im Bereich des Wortschatzes ist also die Systematik der Gedächtniskonzepte eine geeignete Vergleichsgrundlage. Als Kandidaten für mnemische Entsprechungen höherer sprachlicher Einheiten, also von Sätzen und Texten, hat die Sprachpsychologie vor allem Propositionen bzw. Mengen von Propositionen ins Auge gefaßt. Diese Sichtweise halte ich für verkürzt, für eine Anwendung linguistischer oder logischer Konzeptionen auf einen Bereich, für den sie nicht entwickelt worden sind (cf. Figge / Job 1987:25, Figge 1989a:33). Als grundlegend für die syntaktische Struktur von Sätzen und Texten betrachte ich vielmehr die Beziehungen, die zwischen den Einheiten des Gedächtnisses, zwischen den Konzepten bestehen (cf. 1.2). Unter ihnen sehe ich eine, die ausschließlich die Struktur von (einfachen) Sätzen bestimmt. Ich habe sie "konvers" genannt und anderenorts ein wenig ausführlicher behandelt (Figge 1989b:133s., 138s.). Sie kann eine Grundlage für die kontrastive Analyse elementarer satzsyntaktischer Verknüpfungen bilden. Alle anderen interkonzeptuellen Beziehungen (insbesondere beispielsweise die temporalen und die kausalen) wirken sich sowohl auf die Syntax von Sätzen, vor allem auf die Syntax komplexerer Sätze, als auch auf die Textsyntax aus (cf. Figge ersch. zur Manifestation von Kausalbeziehungen). Sie stellen also in dieser Hinsicht ein mögliches kontrastives tertium comparationis dar. 4.1. Wortarten Die Einteilung von Wortschätzen in Wortarten ist eines der ältesten und ein viel bearbeitetes Thema der abendländischen Sprachwissenschaft (einen systematischen Überblick gibt Kaltz 1983). Charakteristisch für diese Einteilung ist eine Verwebung von syntaktischen und semantischen Kriterien. Die Feststellung, daß Wortarten Klassen von Wörtern mit unterschiedlicher syntaktischer Funktion sind, .bedarf keiner weiteren Begründung. Die semantischen Kriterien verlangen dagegen nach einer näheren Erörterung. Ich behandele sie als kognitive Kriterien. Nun sind die meisten Wortklassen außerordentlich umfangreich; außerdem gestatten Wortbildungsverfahren vielfältige Übergänge von einer Wortart in die andere. Es empfiehlt sich daher, bei der kognitiven Betrachtung von Wortarten jeweils von den besonders typischen Elementen auszugehen. Als typische Elemente lassen sich wiederum vor allem diejenigen ansehen, deren Ge-
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Figge, U. L.
bräuchlichkeit sehr hoch ist. Für die Adjektive können auch die Beobachtungen herangezogen werden, die Dixon an Sprachen mit sehr kleinen Adjektivklassen gemacht hat (1982:7). Es ergibt sich dann, daß typische Adjektive vor allem Färb-, Dimensions-, Bewertungs- und Altersadjektive sind. Nunmehr sollen einzelne Quellen des konzeptuellen Gedächtnisses (cf. 2.2 und Abb. 3) mit einzelnen Wortarten in Beziehung gesetzt werden. Zwei wichtige optische Modalitäten, nämlich die Farbwahrnehmung und die Gestaltwahrnehmung, regen die Bildung von Konzepten an, die adjektivisch manifestiert werden: Farbadjektive und Dimensionsadjektive. Auf eine weitere optische Modalität, nämlich die Bewegungswahrnehmung, gehen Konzepte zurück, die durch die typischsten und wohl auch ältesten Verben menschlicher Sprachen, nämlich die Bewegungsverben (cf. Figge 1992), manifestiert werden, zu denen diachron auch eine ganze Reihe von Verben zu zählen ist, die synchron nicht mehr im engeren Sinne oder überhaupt nicht mehr als Bewegungsverben gelten können (z.B. dt. sagen und wohl auch sehen wie lt. sequi zu idg. *seku- 'folgen', Pokorny 1989:896-898). Weitere sensorische Quellen für adjektivisch manifestierte Konzepte sind Geschmack, Tastsinn und Temperatursinn, für verbal manifestierte Konzepte Geruch und Gehör. Die Konzeptualisierung von Raumvorstellungen und ähnlichen analogen Gedächtnisbildern liegt vor allem Adverbien und Präpositionen zugrunde. Von den 121 Adverbien des Frangais fundamental, 1er degre (cf. Gougenheim et al. 1967) sind 31 (ca. 25%) lokaler Natur. Konzeptualisierungen von Bewertungen (evaluative Systeme) bilden wiederum die Basis für Adjektive. Es gibt also offensichtlich recht eindeutige Beziehungen zwischen einzelnen Quellen des konzeptuellen Gedächtnisses und Wortarten. Ihnen stehen allerdings deutlich weniger eindeutige Beziehungen gegenüber. Bevor sie exemplifiziert werden, muß darauf hingewiesen werden, daß typische Substantive sich auf Gegenstandskonzepte beziehen, also auf Konzepte, die keinen Ursprung außerhalb des Gedächtnisses haben, vielmehr vom Gedächtnis selber aus elementaren Konzepten konstruiert werden (cf. 2.2). Ein Bereich uneindeutiger Zuordnung zu Wortarten ist die Helligkeitswahrnehmung. Helligkeitskonzepte treten im Deutschen sowohl adjektivisch (hell, dunkel) als auch verbal (leuchten) als auch substantivisch (Glanz, ursprünglich allerdings ein Adjektiv, Kluge 1989:268) in Erscheinung. Noch verwirrender ist die Lage bei Konzepten, die auf das Zeitgedächtnis zurückgehen. Sie manifestieren sich zunächst, ähnlich wie Konzepte, die aus dem analogen Gedächtnis stammen, und - wie man weiß - teilweise in metaphorischer Anlehnung an diese Konzepte, in Adverbien und Präpositionen. 22 (ca. 18%) der Adverbien des Francaiy fundamental, 1er degre sind temporaler Natur. Sie manifestieren sich aber auch durch Adjektive (insbesondere Altersadjektive), durch Substantive (Zeit, Jahr etc.) und auch noch durch Tempusmorpheme. Es ist hier nicht der Ort, die Beziehungen zwischen Quellen des konzeptuellen Gedächtnisses und Wortarten zu erklären. Da Wortarten syntaktische Klassen sind, handelt es sich um ein Problem, das die Beziehung zwischen der Syntax und diesen Quellen, insbesondere der Wahrnehmung, betrifft, und ein solches Problem ist letztlich nur im Zusammenhang mit dem Problem der Evolution von Sprache zu bearbeiten. Ich möchte vielmehr, der Zielsetzung dieses Beitrags entsprechend, hervorheben, daß die Einteilung von Wortschätzen ein sprachliches Phänomen ist, das auf kognitiven Strukturen beruht. Kontrastive Untersuchungen im Bereich der Wortarten müssen daher meiner Auffassung nach von Struktur und Quellen des konzeptuellen Gedächtnisses ausgehen. Für den deutsch-romanischen Sprachvergleich sind allerdings die bisher behandelten
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Beziehungen zwischen Wortarten und Gedächtnis insofern eher uninteressant, als sich wesentliche Unterschiede nicht aufweisen lassen. Das ist bei der Konzeptualisierung von Einheiten des emotiven und des motivationalen Systems nun allerdings ganz anders. 43, Emotions- und Motivationswörter Das Zeitgedächtnis ist zweifellos eine Gedächtniskomponente. Seine Strukturen scheinen aber von derjenigen Gedächtniskomponente, an der Sprache eigentlich ansetzt, der konzeptuellen, so verschieden zu sein, daß Einheiten, die aus dem Zeitgedächtnis stammen, nur in recht uneinheitlicher Weise Wortarten zugeordnet werden. Das emotive und das motivationale System liegen nun - da sie eben keine kognitiven Systeme sind gänzlich außerhalb des Gedächtnisses. Das heißt aber nicht, daß Regungen dieser Systeme nicht bewußt werden, nicht konzeptualisiert werden könnten. Das können sie durchaus. Nur geschieht dies nicht in der Weise, daß die so gewonnenen Konzepte in dem Sinne ein stabiles System bildeten, daß die Wörter, in denen sie sich manifestieren, in verschiedenen Sprachen oder in ein und derselben Sprache zu verschiedenen Epochen immer denselben Wortarten angehörten. Hier sind also deutlich andere Verhältnisse als bei den aufgrund von Wahrnehmung gebildeten Konzepten zu beobachten, bei denen es eine deutlich übereinzelsprachliche Konstanz in der Wortartenzuordnung gibt. Die Diffusität von Gefühlen und Stimmungen, die sich gegen die relative Klarheit von Sinnesdaten abhebt, macht sich offensichtlich bis in die Wortarteneinteilung hinein bemerkbar. Was die Emotionen betrifft, so beschränke ich mich auf die gängigen Wörter für das allgemein-positive Gefühl und auf die für das allgemein-negative Gefühl. Im heutigen Deutsch finden sich hier als zentrale Wörter das Substantiv Glück und das Adjektiv traurig. Das eine ist seit dem 12. Jh. belegt (mhdt. gelücke, mit der spätmhdt. Adjektiv-Ableitung glücklich, Duden 1963:227, Kluge 1989:270). Es ist allerdings kein ursprüngliches Emotionswort, bedeutet vielmehr zunächst nur '(günstiges) Geschick'. Als Emotionswort löst es ein Adjektiv ab, nämlich ahdt. salig, mhdt. scelig, das in nhdt. selig fortlebt (Kluge 1989:666). Das Adjektiv traurig ist von einem Verb abgeleitet, nämlich von trauern, das ursprünglich das allgemein-negative Gefühl bezeichnete, heute aber im wesentlichen ein durch einen Todesfall ausgelöstes negatives Gefühl meint (cf. Kluge 1989:737). Im Lateinischen findet man einerseits ein adjektivisch gebrauchtes Perfekt-Partizip, nämlich beatus, und andererseits sowohl ein Verb, nämlich maerere, dessen PerfektPartizip maestus ebenfalls adjektivisch gebraucht wurde, als auch ein echtes Adjektiv, nämlich tristis. Von diesen Wörtern ist nur tristis auch ein romanisches Wort geworden (REW 8918). Für das allgemein-positive Gefühl verwenden einige romanische Sprachen, darunter das Italienische, Spanische und Portugiesische, ein Wort, das aus einem lateinischen Adjektiv mit der Bedeutung Vom Geschick begünstigt' entlehnt wurde, nämlich aus/e/ix. Bodenständig erhalten ist dieses Adjektiv nur im Rumänischen (REW 3236). Den dort heute geläufigen Wörtern liegt allerdings ein von diesem Adjektiv abgeleitetes Verb zugrunde: fericire 'Glück' (Verbalsubstantiv), fericit 'glücklich* (Perfekt-Partizip). Das ursprüngliche französische Wort ist ein Substantiv, das allerdings zunächst nur 'günstiges Geschick' bedeutet: afr. eür (lt. AUGURIUM 'Vogelflug', REW 785). Motivationswörter sind häufig Substantive: lt. libido, dt. Lust und die romanischen Entsprechungen oder lt. fames, sitis, dt. Hunger, Durst. Einerseits sind darunter jedoch einige mehr oder weniger gut erkennbare Verbalableitungen: libido, fr. envie, it. voglia.
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Figge,U.L.
Andererseits kommen diese Substantive häufig in Funktionsverbgefügen vom Typ Lust, Hunger, Durst haben vor. Ein zentrales Wort in diesem Bereich ist das Substantiv Gier. Es ist allerdings aus einem Adjektiv hervorgegangen: ahdt. ger, gin. Eine verbale Ableitung ist begehren, neben der ein Verb gieren existiert, das jedoch anderer Herkunft zu sein scheint (Duden 1963:222). Im Lateinischen herrschen hier deutlich Verben vor: cupere, avere, desiderare, von denen das letzte auch in den romanischen Sprachen lebendig ist (REW 2593; cf. auch REW 2590). Das von avere abgeleitete Adjektiv avidus ist ein romanisches Lehnwort geworden. Emotive und motivationale Phänomene sind - wie gesagt - wegen ihrer Diffusität nicht leicht zu konzeptualisieren. Ich möchte daher vermuten, daß sich ihre Konzeptualisierung in metaphorischer Anlehnung an Konzeptualisierungen außenweltlicher Phänomene vollzieht (zu dem Begriff von Metapher, von dem ich dabei ausgehe, cf. etwa Lakoff 1987, passim). Für die Verwendung von Adjektiven zur Manifestation von Gefühls- oder Stimmungskonzepten (ahdt. salig, ahdt. ger, giri, rom. felix, lt. tristis) kann an die Verwendung von Adjektiven zur Manifestation von Bewertungskonzepten (gut, schlecht, schön, häßlich) als Vorbild gedacht werden. Möglicherweise ist übrigens die adjektivische Manifestation von Evaluationen (die ja zu den zentralen Funktionen der Klasse der Adjektive zählt, cf. 4.1) auch das Motiv für die adjektivische Manifestation von Wahrnehmungen bestimmter anderer Phänomene im Innern des Organismus. Jedenfalls wird die Beobachtung des guten oder des schlechten Zustands des Körpers durch Adjektive ausgedrückt: gesund, krank. Daß die verbale Manifestation von Konzepten emotiven und motivationalen Ursprungs (dt. trauern, lt. maerere, dt. gieren, lt. avere, cupere, desiderare) die Bewegungsverben zum Vorbild hat, darf mit größerer Sicherheit angenommen werden, weil 'innere Bewegung' auch eine Metapher im engeren Sinne ist (cf. dt. Gemütsbewegung, lt. motus u.a. 'Erregung, Leidenschaft, Antrieb, Trieb'). Die substantivische Manifestation solcher Konzepte (dt. Glück, afr. eür, dt. Gier, Lust, Hunger, Durst) mag mit der (sicherlich sehr vagen) Vorstellung zusammenhängen, daß Emotionen und Motivationen eine Art dinglicher Strukturen sind, die sich im Innern des Organismus aufbauen und wieder abbauen. Ähnlich könnten dann die substantivischen Manifestationen von Wahrnehmungen pathologischer Phänomene im Körper, also die normalerweise substantivischen Krankheitsnamen, erklärt werden.
5. Schluß Die Konstitution von Wortarten ist einerseits syntaktisch motiviert und unterliegt andererseits kognitiven Kriterien. Das Syntaktische war nicht Gegenstand dieses Beitrags. Was gezeigt werden sollte, ist, daß die kognitiven Kriterien sich aus den Quellen ergeben, aus denen das menschliche Gedächtnis sich speist, und auch, daß dabei zwischen primären und grammatisch-metaphorischen Beziehungen zu unterscheiden ist. Darüber hinaus sollte am Beispiel dieser kognitiven Kriterien plausibel gemacht werden, daß Struktur und Quellen des Gedächtnisses eine geeignete Grundlage für Sprachvergleiche sind.
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Käthe Henschelmann (Heidelberg) ··
Möglichkeiten und Grenzen von Ubersetzungswörterbüchern am Beispiel französischer Abstrakta und ihres Entsprechungspotentials im Deutschen 1. Übersetzungswörterbuch - Wörterbuch für den Übersetzer? 1.0. Der Begriff "Übersetzungswörterbuch" (ÜWb) kann konventionell oder programmatisch verstanden werden, je nachdem welche Bandbreite dem Übersetzungsbegriff gegeben wird (traduction pedagogique et/ou traduction professionnelle, vgl. Ladmiral 1977). 1.1. Konventionell betrachtet, ist mit "Üwb" der Status zweisprachiger Wbb unter dem Gesichtspunkt der Verwendung (Vorgang/Produkt des Übersetzens/Hin- und Herübersetzen im Unterricht) gemeint, während der von Hausmann geprägte Begriff "Äquivalenzwörterbuch" (1977:46ff.) den Akzent auf den kontrastiv-linguistischen Aspekt legt. Die Darstellung der "Möglichkeiten und Grenzen von Üwbb" würde, so betrachtet, auf eine zweisprachige Wb-kritik hinauslaufen (für das Sprachenpaar DeutschFranzösisch vgl. Rettig 1985, Albrecht 1991). Dabei würde der Negativkatalog der Experten aufgegriffen (vgl. Kromann 1984, Baunebjerg-Hansen 1990) und ihr Hauptvorwurf der mangelnden Bedeutungs- und Äquivalentdifferenzierung durch Beispiele aus Übersetzungspraxis und -Unterricht erhärtet werden. Anstatt dieser Art von Wb-kritik nachzugehen, mag hier ein Beispiel genügen, um die Lückenhaftigkeit und geringe Zweckdienlichkeit der konventionellen ÜWbb (Französisch-Deutsch) "für den Übersetzer" zu belegen. (1) Nombreux sont ceux qui, en Europe, ressentent la nocessito de protdger leur patrimoine national et le besoin de participer ainsi - du local ä Pochelle planotaire - ä Pamonagement et ä la gestion d'un environnement non-polluo et non-polluant. Certes les Francais sont de plus en plus sensibles ä cet enjeu, mais Us restent gonoralement moins concernds que leurs voisins, latins ou nordiques. (Le Monde diplomatique, VI-90) dt. Die Franzosen sind sich / dieses (brennenden) Problems / des Umweltproblems / dieser (Zukunfts-)Aufgabe / ?dieses Einsatzes (alle Wb) / ?dessen, worum gespielt wird (Bertaux-Lepointe 1966) / ?dessen, was auf dem Spiel steht (ibid., Weis 1979) / ?dessen, worum es geht, (Beispielteil Weis 1979) / ?dieses Streitobjekts (ibid.) immer mehr bewußt.
Der Wb-vergleich - hier in bezug auf die Übersetzung von enjeu (1) - wirft zahlreiche Fragen auf: Worin müßte das Mehr an Information im konventionellen zweisprachigen Wb-artikel (vgl. (2)) bestehen, damit der Benutzer/Übersetzer vor Mißerfolg bewahrt
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Henschelmann, K.
wird? Vereitelt etwa der Status des Lexems enjeu, aber auch amenagement, gestion als Textwort in (1) eine Lösung per Wb? Ist die kontextuelle Information, hier für enjeu die Verdrängung einer etymologisch vorgegebenen Metapher (vgl. (3)), überhaupt lexikographisch erfaßbar? Können sich Wb-autoren (vgl. insb. (4)) mit grobsemantischen Angaben zum Kommunikationsbereich und andeutenden Glossen vom Typ "fig." begnügen, weil sich der Benutzer/Übersetzer dank seiner MS-Kompetenz per definitionem kreativ verhält? (2)
enjeu n.m. (Langenscheidts Großwörterbuch Teil l, Weis 1979) 1. (beim Spiel) Einsatz; 2. fig. was auf dem Spiel steht. P- de cette competition, c'est l'obtention d'une commande importante bei diesem Wettbewerb geht es um einen wichtigen Auftrag, steht ein wichtiger Auftrag auf dem Spiel; cette invention est dfjä 1d'une bataille commerciale diese Erfindung ist bereits ein kommerzielles Streitobjekt geworden
(3)
enjeu n.m. (Petit Robert 1991) (v. 1370 pour en jeu) Argent que met en jeu en commen^ant la partie et qui doit revenir en gagnant (...) Par ext. Ce qu l'on peut gagner ou perdre, dans une competition, une entreprise. «Renoncer enfln sans combattre ä l'un des plus beaux enjeux de la guerre» (Tharaud).
(4)
enjeu n.m. (Handwb Schlegelmilch 1985) (Spiel) Einsatz; auch übertr,
1.2. Diese offenen Fragen machen hinreichend deutlich, daß der Begriff ÜWb eher programmatischen Charakter hat, wenn man einen weitergefaßten Wb-zweck (verschiedene Typen des Übersetzens, einschließlich Textübersetzen/professionelles Übersetzen, vgl. Neubert 1988, Schmidt 1989) und einen entsprechenden Benutzertyp (Übersetzer bzw. Ü-Lerner, nicht ausschließlich FS-Lerner) annimmt, Das "ÜWb" ist in diesem Sinne bereits in den 70er Jahren von Neubert (1973: 19ff.) gefordert worden, seinerzeit als neuer, pragmatisierter und textlinguistisch fundierter Wb-typ (mit begrifflichen Lemmata aus komplexen semantisch-pragmatischen "Werten"). Dieser frühe Appell an die Adresse der Lexikographen, den Vermeer ein Jahrzehnt später in Form einer Liste von Desiderata auf der Basis seiner Translationstheorie verstärkt hat (1984:171ff.), ist bis heute nicht in die lexikographische Praxis umgesetzt worden. Dies gilt im übrigen ebensowenig für empirische Materialien aus Wortkunde und Übersetzungsvergleich, die für künftige Übersetzergenerationen bei genügender Zugänglichkeit und Handhabbarkeit wertvolle Dienste leisten könnten (man denke für Englisch-Deutsch an das Arnold-Lissance-Archiv "The Translator's Dictionary", vgl. Bühler 1990; für FranzösischDeutsch an die unveröffentlichte Sammlung "Schlüsselwörter des Französischen", vgl. Paepcke 1961ff, jetzt Archiv Budapest, hier Anhang 1). Selbst die jüngsten, "für den Übersetzer" möglicherweise zukunftsweisenden Publikationen in Form zweisprachiger Konstruktions- und Kontext-Wbb Deutsch-Französisch (Langenscheidts Kontext-Wb 1989, Zimmer 1990) stellen wegen ihrer Corpusbeschränkung (Alltagskommunikation) keinen echten Durchbruch im Umfeld einer zählebigen Wb-Praxis dar. So bleibt das ÜWb ein Programm, und so bleibt der Übersetzer als Wb-Benutzer zur Befriedigung
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seiner lexikalischen Informationsbedürfnisse auf heuristisches Vorgehen angewiesen: Er behilft sich mit "Pendeln zwischen den Alphabeten" mehrerer Wbb und Wb-typen (Rettig 1985, auch Hausmann 1977:63ff.), er arbeitet ad hoc mit einem Verbundsystem aus sprachlichen und enzyklopädischen Hilfsmitteln, aus AS-Hintergund- bzw. Prätexten sowie ZS-Paralleltexten. Wie könnten solche wiederholten, langwierigen Operationen der Informationsverarbeitung durch effektivere Zugriffsmöglichkeiten, durch einen neuen, "übersetzungsorientierten" Wb-eintrag abgekürzt werden, auch ohne der Utopie einer lexikographischen Revolution nachzujagen? Wo liegen "die Möglichkeiten und Grenzen" von ÜWbb?
2. Makro- und MikroStruktur eines Wb für den Übersetzer 2.0. Angesichts der Vielfalt von Neuerungsvorschlägen für den lexikographischen Begriffsapparat, des hohen Entwicklungsstandes der einsprachigen Lexikographie, zumal des Französischen, der Materialfülle von vergleichenden Studien (vgl. Anhang 1) sowie der technologischen Lösbarkeit des Quantitätsproblems fordert die anhaltende Stagnation der zweisprachigen Wb-Praxis dazu heraus, aus der Not eine Tugend zu machen. So entstand (gestützt auf langjährige Erfahrung in der Übersetzungslehre) das Projekt "Kleines ÜWb Französisch-Deutsch" (KÜWb), das hier in seinen Grundlinien (Maicround MikroStruktur, Funktion als Identifikations-, Entscheidungs- und Lösungshilfe vgl. 2.1.- 2.4.) vorgestellt und durch neue Wbeinträge (vgl. 3.1. enjeu, 3.2. contrainte) illustriert werden soll. 2.1. Das "KÜWb" wird als allgemeinsprachliches, unidirektionales Ergänzungs-Wb (Klassifikationskriterien vgl. Tomasczcyk 1988) konzipiert. Es entspricht einem Wb-typ "mit armer Makrostruktur und reicher MikroStruktur", wie er seit langem (vgl. Hausmann 1977) als Lücke auf dem Gebiet der Laien-Wbb gilt. Es ist dazu bestimmt, im Hinblick auf die Produktherstellung "Übersetzung" eine Steuerungsfunktion zu übernehmen, sowohl in der semasiologischen Phase (Interpretation bzw. Problemerkennung in bezug auf lexematische Einheiten des Textoriginals, Französisch = Ausgangssprache (AS)) als auch in der onomasiologischen Phase (Re-Konzeptualisierung bzw. mehrstufige Problemlösung hinsichtlich der lexikalischen Komponente der Übersetzung, Deutsch = Zielsprache (ZS)) (vgl. Delisle 1984). Die im KÜWb erfaßten paarweisen Zuordnungen zwischen AS- und ZS-Lexemen/Lexemkombinationen sind ausschließlich solche, die nicht einmalig und einzeltextabhängig vorkommen, sondern verallgemeinerbar (letztlich unter Bezugsetzung auf eine noematische Grundlage) aus Übersetzungen und deren Original abgeleitet worden sind/werden können. Entsprechend dem anvisierten Benutzertyp und Verwendungszweck (verschiedene Typen der Übersetzung) werden die Corpora als Lieferanten von zu konstruierenden Beispielen oder Kontext-Belegmaterial (vgl. 3.0.) nicht aus dem lexikographischen Bestand kopiert, da dieser durch die Dominanz literarischer, teilweise veralteter oder alltagssprachlicher Beispielapparate mit fachsprachlichen Einsprengseln zur Erweiterung der (kommerziell relevanten Makrostruktur) (vgl. rechtssprachliche Äquivalente für contrainte in (5)) gekennzeichnet ist.
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Henschelmann, K. contrainte n.f. (Langenscheidts Großwörterbuch, Weis 1979) 1. ( d'Stre trap ä l'etroit) Engigkeit (d Kleides), Enge ; 2. (violence exercee contre qn) Zwang, (fig.) (gene) Be-, Einschränkung (...) [Beispiele]; 3. Fachsprache Recht (-s pl.) (gerichtliche) Zwangsmittel (...) [Beispiele] 4. fig. (retenue) Zurückhaltung, Gezwungenheit, Gebundenheit, poet. Bann
Das Material wird vielmehr aus AS-Texten der verschiedensten Textsorten nicht-fachgebundener Kommunikation (Pressetexte, populärwissenschaftliche Texte, Werbeprospekte usw.) gewonnen. In komplexen Fällen dienen AS-Hintergrundstexte sowie ZSParallelliteratur zur Ergänzung und Klärung. Soweit es der Zeitabstand erlaubt, konnten Corpora zu einzelnen Stichwörtern (equipement, choix, gestion, vgl. Anhang l, 2), die bereits datiert und geordnet in unveröffentlichten Sammlungen (vgl. Paepcke 196 Iff) vorliegen, übernommen werden. 2.2. Die Makrostruktur des KÜWb orientiert sich nur teilweise an der vorliegenden Stichwortliste der vergleichenden Studien zu den "Schlüsselwörtern des Französischen" (kulturwissenschaftlicher Sprachvergleich), da sich darin mindestens drei Kriterien überschneiden: a) kulturgeschichtliche Relevanz und politisch-gesellschaftliche Aktualität der Lexeme (60er/70er Jahre); b) linguistischer Aspekt der Mehrdeutigkeit bei verschiedenen Lexemtypen (Konkreta agent, cite, Abstrakta amenagement, generosite); c) schwer objektivierbarer, didaktischer Gesichtspunkt der "Übersetzungsschwierigkeit" oder der "schwierigen Wörter". Im Hinblick auf eine lexikographische Erfassung "für den Übersetzer" lassen sich daraus im wesentlichen drei Zonen von Erkennungs- und Lösungsproblematiken ableiten, die wiederum drei möglichen Wb-Projekten zugrunde gelegt werden könnten: - Typ I = Faux-amis-Wb (mytfie-Mythos, co//ecriv/fe-Kollektiv) mit dem Zweck: Erkennung von Interferenzgefahren, Vermeidung von "translatorischer Interferenz" (vgl. Schmidt 1989), Fehlerkontrolle; - Typ II = Realia-Wb "für Übersetzer" (cohabitation, Mate) mit enzyklopädischer Erklärung der kulturspezifischen Ausdrücke. Zweck: Wissensergänzung in kulturkundlicher und verfahrenstechnischer Hinsicht, u.a.durch Angabe von zitathaften und adaptierenden Äquivalenten ("Äquivalentsurrogate", vgl. Kromann 1984:191ff., Henschelmann 1988:126ff.) sowie Quellenhinweisen; - Typ III = ÜWb zu bestimmten Lexemklassen, u.a. Abstrakta (vgl. 2.3.) mit dem Zweck: Identifikationshilfe bei der Desambiguierung von Lexemen/Lexemkombinationen, Ausschließung von semantischen und stilistischen Inkompatibilitäten sowie Entscheidungshilfe bei der Äquivalentsuche, Annäherung an den jeweils auf Textebene erforderlichen Äquivalenzgrad. Zwar überschneiden sich die drei Zonen und Typen in bestimmten lexematischen Einheiten (civilisation, solidarite), jedoch wird aus Gründen der Arbeitsteilung von vornherein der Schwerpunkt in der Makrostruktur auf einen Typ - hier III - gelegt, wobei die Anschließbarkeit an andere Ergänzungsbände durch ein Querverweissystem offengehalten werden kann. 2.3. Im Interesse einer angemessenen Qualität der MikroStruktur (vgl. 2.4.) bleibt die Makrostruktur des geplanten KÜWb quantitativ stark eingeschränkt (vorläufig ca. 40 in Arbeit befindliche Stichwörter, vgl. Anhang 2). Die Makrostruktur wird gebildet aus
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Repräsentanten der Substantivklasse, darunter im besonderen den Abstrakta (contrainte, enjeu, solidarite), die vor allem wegen ihrer starken Kontextabhängigkeit (Desambiguierbarkeit auf höheren Zeichenrängen, im Extremfall Textebene) nur in einsprachigen syntagmatischen Spezial-Wbb, den Konstruktions- oder Valenz-Wbb , sowie den einschlägigen Definitions-Wbb zuverlässig erfaßt sind. Abstrakta werden als Bezeichnungen für Vorgangs-, Zustands-, Eigenschafts- und Kategorialbegriffe verstanden (zur Klassifizierung ausführlich vgl. Teubert 1979:Tabelle 86-87). Sie sind als Prädikat(ions)struktur ("prädikative Nominalisierungen") beschreibbar (Lüdtke 1978). Wegen ihres besonderen Status als "Satzwörter" (schon Porzig 1930, auch rangreduzierte Sätze, vgl. Heger 21976, Raible 1972) zeichnen sie sich durch einen hohen Implizitätsgrad aus, der sich an der Textoberfläche durch Neutralisation bzw. Anonymität von Aktanten (Abwesenheit von Komplementen für Mitspieler) manifestiert. Die ausgewählten Abstrakta sind einerseits infolge ihrer Ableitungs- und Lexikalisierungsgeschichte (Metaphorisierung, metonymische Verschiebungen als Klassen- bzw. Subklassenwechsel wie Konkretum/Abstraktum, Handlungs-/Eigenschaftsbegriff innerhalb der Abstraktklasse, Glosse "fig." vgl. DicoLarousse 1989:471, Ayto 1988) durch Polysemie gekennzeichnet. Sie sind gleichzeitig, durch ihren Gebrauch in der nicht-fachgebundenen Kommunikation zur Ambiguität oder "Polyvalenz" (vgl. Kocourek 21991:85ff.) prädestiniert. Da zudem System und Norm der AS Französisch die Pluralisierung der Abstrakta vorsehen (l'enjeu/les -x, la contrainte/les -s, l'equipement/les -s, vgl. (6)), die ZS Deutsch aber andere Wege bei der Quantifizierung und Partikularisierung solcher Begriffsklassen geht (u.a. Lexemäquivalent statt Grammem-Äquivalent, vgl. Henschelmann 1980: 163ff.), ist die zweisprachige lexikographische Erfassung von Abstrakt-Lexemen Französisch-Deutsch von besonderem Interesse für die Effektivität und Qualität der Äquivalenzherstellung. (6)
De plus en plus d'activitis de loisir s'inscrivent dans l'univers marchand, que ce soit sous forme d^quipements ou de formales de vacances "tout compris". (Sue 1988:18) dt. Freizeitaktivitäten werden immer mehr kommerzialisiert, sei es in Form von (Freizeit-) Einrichtungen, sei es in Form von Pauschalangeboten (für Urlauber).
2.4. Im Rahmen des KÜWb werden zur Gestaltung und Ausfüllung der MikroStruktur die Informationen der einschlägigen ein- und zweisprachigen Wbb (Bedeutungsbeschreibungen, Äquivalentangebote) herangezogen, andererseits werden neuere Ergebnisse der Wörterbuchkritik und Metalexikographie (Hausmann 1984:649ff.), der Lexikologie und Valenzforschung (vgl. Zöfgen 1984, 1985) sowie der Übersetzungstheorie aufgegriffen. In einem Laien-Wb können solche theoretischen Einsichten jedoch allenfalls in vereinfachter Darstellung Eingang finden. Die MikroStruktur des KÜWb umfaßt außer dem Lemma im einzelnen folgende Informationsteile: 2.4.1. Bedeutungsdifferenzierung. Einen ersten Rahmen für die Steuerung des Monosemierungsprozesses in der Phase der AS-Textrezeption (vgl. 2.1.) liefert die Beschreibung der "Vokabel" (I^mma in Großschreibung ENJEU, vgl. DEC 1984) nach Sememen (Sublemmata in Kleinschreibung, Semem l = Lexemvariante enjeu l, Semem 2 = Lexemvariante enjeu 2 usw.). Hinter der Vokabel erscheint eine knappe Übersicht über die Monosemierungsergebnisse, an die AS-Kompetenz und Intuition des Benutzers anknüpfend, so daß ein rascher Zugriff
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Henschelmann, K.
zu den in Frage kommenden Äquivalenten (vgl. 2.4.3.) möglich ist. Aus didaktischen Gründen (Benutzertyp Ü-Lerner) könnte zwar die Voranstellung eines umfassenden "Super-Äquivalents" als Lernhilfe erwogen werden, wie es Paepcke (1961ff.) für die "Schlüsselwörter des Französischen" (im "Vergleichslexikal") angeregt hatte. Es besteht jedoch hier die Gefahr, daß bei solchen Verallgemeinerungen doch nur mit der schillernden Bedeutung natürlichsprachlicher Ausdrücke (z.B. CONTRAINTE 'Beschränkung', vgl. 3.2.) gespielt wird, während m.E. klassematische Merkmale wie 'Vorgang', 'Eigenschaft', die vom Benutzer durchaus intuitiv aus dem AS-Text gewonnen werden können, ein hinreichendes, die analytische Arbeit förderndes Instrumentarium darstellen. Im Anschluß an die Übersicht wird jede monosemierte Einheit explizit definiert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und vor allem der Flexibilität für variable Benutzerinteressen wird (zumindest vorläufig) eine doppelte Darstellung (deffr def^t\ gewählt; a) eine Definition in AS-Metasprache (Prädikationsstruktur) für den mit AS-Definitions-Wbb vertrauten Wb-Benutzer, der das ZS-Äquivalent aus der Anwesenheit/Abwesenheit sowie Zahl der realisierten Komplemente (C) für Mitspieler/Aktanten (A) schrittweise "herauskonstruiert"; b) eine kurzgefaßte Definition in ZS-Metasprache mit Angabe der Abstrakta-Subklasse (Vorgang, Eigenschaft usw.); sie würde für den routinierten Wb-Benutzer/Übersetzer mit muttersprachlicher ZS-Kompetenz bereits ausreichen, um das ZS-Äquivalent zu erschließen, so daß er die Suchhilfe weglegen könnte. Die Reihenfolge der Sublemmata richtet sich im Gegensatz zum konventionellen zweisprachigen Wb nicht nach den Vorgaben des Definitions-Wb, also vor allem nicht nach der Lexikalisierungs- oder Ableitungsgeschichte, die häufig sogar als Definitionsersatz dient und hier allenfalls als erste Orientierungshilfe (vgl. 3.2. contrainte 1: ce qui est contraignant) genutzt wird. Damit werden auch Konventionen wie 'konkret' vor 'abstrakt', 'Person' vor 'Sachen' (vgl. (2), (4) analog zu (3)) aufgegeben. Als maßgeblich gilt das Kriterium der Frequenz. Ist dieses auf der Basis der Textcorpora nicht objektivierbar, entscheidet die "Aktualität". Sie hat Vorrang gegenüber der Abfolge 'alt' vor 'neu' angesichts des mit der sprachlichen Dynamik im besonderen konfrontierten Benutzertyps. Als Maßstab dafür wird die Pluralisierbarkeit gewählt, da der Pluralgebrauch gerade von Abstrakt-Lexemen als "Aufweichstelle" für einen neuen Lexikalisierungsschub gelten darf (Numerus und Lexikalisierung vgl. DL 1973:288). Bei defektivem Numerus-Gebrauch steht ein Sublemma entsprechend tiefer in der Rangliste (vgl. 3.2. Wbeintrag contrainte 3,4). 2.4.2. Repräsentation der Syntagmatik. Zwecks Steuerung des semasiologischen Prozesses in der Phase der AS-Textrezeption werden außerdem zu jeder Lexemvariante (Sublemma) syntaktisch-semantische Informationen in ZS-Metasprache angegeben. Syntagmatisch-syntaktische Merkmale können wegen ihrer oberflächenhaften Identifizierbarkeit als besonders "sichere" Steuerungsinformation für den Benutzer/Übersetzer gelten. Dennoch sind ausgerechnet solche Indikatoren in der zweisprachigen Lexikographie besonders schwach, im Substantivbereich sogar am schwächsten repräsentiert. Es handelt sich dabei (analog zur Verbklasse) um Eigenschaften der Rektion oder Valenz, die in bezug auf die Substantivklasse, zumindest für das Französische, noch kaum erforscht sind (zur Verbklasse vgl. Busse/Dubost 2 1983; dagegen für das Deutsche vgl. Teubert 1979, Sommerfeldt 31983). Die lexikographische Erfassung beschränkt sich auf den wissenschaftliche Wb-typ (schoma de rlgime = Aktantenstruktur/Rektionsschema für einige Substantivlexeme in DEC 1984). Im einzelnen gehören zu diesen Eigenschaften: der Hinweis auf a) Möglichkeiten des Arti-
Möglichkeiten und Grenzen von Übersetzungswörterbüchem
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kel-/Pluralgebrauchs, b) auf die Attributions- und Expansionsfähigkeit, darunter Zahl und Art der Komplemente (Ergänzungsklassen vgl. Teubert 1979) sowie der Adjektivtypen (Relations-/qualifizierendes Adjektiv). Was die lexikalisch-syntagmatischen Informationen angeht, also die Verbindbarkeit des jeweiligen Substantivlexems mit einer bestimmten Adjektivsemantik (Adjektive des lexikalischen Feldes 'groß' wie fondamental/historique/majeur bei enjeu) oder einer bestimmten Verbsemantik (Existenz-/Kausativ-/Partizipatiwerben wie etre/degager/comprendre un enjeu, vgl. 3.1.), so werden sie nicht gesondert aufgeführt und systematisch aufgeschlüsselt (wie in DEC 1984:49ff. nach 60 fonctions lexicales), sondern unmittelbar in das Äquivalentangebot integriert (vgl. 2.4.3.). Die Informationen zur Syntagmatik erscheinen im Beispielteil nicht kumulativ, sondern systematisch geordnet (soweit erforderlich, nach Syntagmen nominaler, verbaler, adverbialer Art (N, V, Adv, vgl. exemplarisch contrainte 2 in 3.2) und verallgemeinerbar illustriert. Dies gilt auch für Idiome (i), soweit solche bei den untersuchten Abstrakta anfallen. 2.4.3. Äquivalentdifferenzierung. Das Entsprechungspotential zu einer Vokabel wird nach Monosemierungsergebnissen (vgl. 2.4.1.) übersichtlich aufgeteilt (markiert durch =). Allerdings würde eine solche Grobdifferenzierung nicht ausreichen, um die ZS-Lösungsfindung unter Erhaltung der relevanten Informationsmenge zu steuern. Zur Feindifferenzierung des Äquivalentangebots (markiert durch < >) sind daher grundsätzlich folgende Informationen vorgesehen: a) Spezifikation der ZS-Äquivalente nach Textsorten wie , , soweit sie durch umfangreiche Corpora gewonnen werden können (diatextuelle Markierungen vgl. Hausmann 1984: 651); b) Hinweise auf den übergeordneten Kommunikationsbereich wie , (vgl. 3.2. contrainte 1), die möglicherweise an die Grenzen nicht-fachgebundenen Gebrauchs führen (diatechnische Markierungen, vgl. Kalverkämper 1984: 680ff.); da diese Grenzen jedoch nicht überschritten werden sollen, bleiben bestimmte ZS-Optionen von vornherein unberücksichtigt (u.a. , bei contrainte, vgl. dagegen (5)); c) spezifische Glossen, d.h. Informationen über Denotats-Klassen oder -Bereiche, auf die das AS-Lexem beziehbar ist, soweit sie aus "üblichen" Kontexten der Nicht-Fachkommunikation verallgemeinerbar abgeleitet werden können; sie sind besonders wichtig bei hoher Generizität des AS-Lexems im Verhältnis zu möglichen ZS-Äquivalenten, da eine bloße Synonymangabe (vgl. gene, retenue für contrainte in (5) im Unterschied zur Äquivalentdifferenzierung, z.B. < Verhalten > contrainte 3 in 3.2.) oder der grobsemantische Hinweis auf 'choses', 'personnes' und die andeutende Glosse "fig." keine hinreichende Suchhilfe bieten; d) Hinweis auf Merkmalsdominanzen, d.h. Hervorhebung eines einzelnen Merkmals (Noem bzw. Sem, auch konnotativer Art), das im Kontext aktualisiert wird, während es andere kopräsente Merkmale möglicherweise verdrängt oder substitutiert (vgl. 3.1. enjeu l [Risiko], [Rivalität]); e) Kennzeichnung von Synonymie-Relationen i.e.S. zwischen ZS-Äquivalenten, d.h. diasystematische und konnotative Markierungen, die, soweit sie ZS-seitig begründet sind (u.a. diaintegrativer Unterschied Fremdwort/einheimische Variante in Verbindung mit Wertungsunterschied in der ZS Deutsch, vgl. 3.2. contrainte l, Repression ), rechtsseitig angegeben werden. Synonyme i.e.S. machen nur einen Bruchteil des Äquivalentangebots aus, nicht nur aus Platzgründen, sondern weil das stilistische Markierungssystem bei allen Verfeinerungsversuchen (vgl. Hausmann 1984:649ff.) als nicht zu-
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Henschelmann, K.
verlässig für die Unterscheidung von ZS-Optionen angesehen werden muß (vgl. Corbin 1984); f) Feld-Spezifikationen, d.h. Angabe der sprachlich-logischen Relationen wie Hyperonymie-, Hyppnymie-, Gegensatzrelationen (, < ant >), soweit sie nachweisbar die kontextuelle Äquivalenzbeziehung zwischen dem AS-Abstraktum und den ZS-Entsprechungen bestimmen, ohne daß damit m.E. "unvollständige Äquivalente" (vgl. Kromann 1984:190) im Sinne von Informationsverlust vorliegen. Nicht nur die übersetzerische Erfahrung, auch die Übersetzungstheorie liefert eine Rechtfertigung für die lexikographische Ausweitung des Äquivalentangebots auf das zugehörige lexikalische Feld, spiegelt sich darin doch die Tatsache wider, daß Übersetzen auf der Ausschöpfung ganz unterschiedlicher Übersetzungsverfahren beruht. Soweit diese über den Rahmen funktionskonstanten Übersetzens (vgl. Neubert 1988) nicht hinausführen, umfassen sie genau jene strukturellen (formalen und/oder inhaltlichen) Variationsmöglichkeiten, die auf den sprachlich-logischen Relationen (u.a. Spezifizierung, Generalisierung, Konversenbildung) beruhen (vgl. Henschelmann 1988, Schmidt 1991). Es wäre mit Rücksicht auf den produktorientierten Wbbenutzer allerdings absurd, in allen Fällen eine präzise Information darüber zu liefern, auf welche "Technik" eine bestimmte ZS-Äquivalentwahl zurückgeht, zumal dann, wenn schon andere Kriterien (insb. syntagmatische) die Wahl einschränken. Dieses Verfahrenswissen ist nur unter heuristischem Gesichtspunkt für den Lexikographen von Bedeutung, nämlich im Hinblick auf die quantitative, vor allem aber qualitative Verfeinerung des ZS-Äquivalentangebots. Deuten sich in dieser (auf übersetzungsstrategischen Überlegungen beruhenden) Verfeinerung zugleich die Grenzen des lexikographischen Angebots - also des ÜWb überhaupt - an (vgl. 4.)?
3. Der neue übersetzungsorientierte Wb-eintrag im KUWb 3.0. Der in 2. vorgestellte Rahmen des KÜWb wird an Abstrakta mit unterschiedlicher Prädikationsstruktur (vgl. Anhang 2) erprobt und soll im folgenden exemplarisch an zwei Stichwörtern - enjeu (3.1.) und contrainte (3.2.) - illustriert werden. Ein ausführlicher Kommentar, der auf die Bedürfnisse des sprachlich und/oder übersetzerisch qualifizierten bzw. auszubildenden, aber nicht linguistisch vorgebildeten Laien-Benutzers zugeschnitten ist, muß dem Vorwort des KÜWb vorbehalten bleiben. Für den Fachleser mögen an dieser Stelle in Ergänzung zur Darstellung der MikroStruktur (2.4.) zwei Bemerkungen genügen, bevor die Wb-einträge als solche zur Diskussion gestellt werden. 3.0.1. Um dem Kriterium der "Übersetzungsorientiertheit" bei neuen Wb-einträgen zu genügen, reicht es nicht aus, ein ZS-Multiangebot mit sporadischen Kontexthinweisen aufzustellen und durch eine Kollokationenliste zu erweitern, wie dies zuletzt Stolze (1988:33ff.) mit ihrem "Informationsprogramm" zu equipement (vgl. (7)) vorgeschlagen hat. (7)
q ^ipement n.m. (Stolze 1988:34) Materielle Voraussetzungen: Ausrüstung, Anlagen, Einrichtung(en), Infrastruktur, Bestand, Gerät(e), Ausstattung, Kapazität, Material, (Sport)Stätte, (Straßen)Netz, (Maschinen)Park, (Hotel)Angebot.
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Technische Ausrüstung: Bau, Ausbau, Aufbau, Anlage, Erweiterung, Erschließung, Errichtung, Ausrüstung, Schaffung, Bereitstellung, Maßnahmen, Investition(en), Aufwand.
Solange die anschließend angeführten Kollokationen (vom Typ equipement + Adjektiv, - de/eri) entgegen der üblichen Konventionen zwar übersichtlich aufgelistet werden, aber mit Rücksicht auf den (linguistisch nicht vorgebildeten) Benutzer eben doch "an der Oberfläche", nämlich an traditionellen Kategorien wie Wortart, Satzglied, Links/Rechtsposition orientiert bleiben, entstehen Vermischtheiten und Widersprüche. Es kommt zu regelrechten Kollisionen bei der Desambiguierung, wenn solche Nominalgruppen (z.B. mit de wie in (7a) trotz abweichenden Artikelgebrauchs) als gleichartig zusammengefaßt werden, in Wirklichkeit aber unterschiedlichen Bedeutungsbeschreibungen entsprechen ("dynamischer vs statischer Schwerpunkt", ibid.:33). (7a)
Equipement des stations thermales
dt. Erschließung von Kur- und Badeorten ['Handlung: Ausstattung von etw mit etw'] Equipement de neige
dt. Wintersportausrüstung, -anlagen, -einrichtungen ['Handlungsergebnis: Ausgestattetsein + Konkretisierung als Produkt des Ausgestattetseins']
Ein Schritt in Richtung besserer zweisprachiger Wb "für den Übersetzer" ist nicht mit scheinbar wohlgeordneten Kollokationenlisten getan, sondern am ehesten durchsystematisierende, verallgemeinerbare Angaben (vgl. 2.4.3.), die dem Wb-Benutzer/Übersetzer einen "neuen" Schlüssel an die Hand geben, der es ihm erlaubt, auch bei anderen Stichwörtern analog zu verfahren, zumal eine einheitliche metasprachliche Benutzer-Kompetenz selbst hinsichtlich der traditionellen Kategorien nicht nachgewiesen werden kann. 3.0.2. Die Informationen, die das KÜWb liefert, werden so knapp wie möglich gehalten. Wiederholungen vermieden, erschließbare Details (hier vorläufig auch grammatische Informationen in der ZS, darunter Genusangaben) eingespart. Dennoch wird das Äquivalentangebot wenigstens so explizit und reichhaltig gestaltet, daß der Darstellungsteil mit Beispielen (Ex), sollte dies aus Platzgründen erforderlich sein, ganz entfallen kann, zumindest für den Benutzer mit weiter entwickelter MS-Kompetenz. Wenn für das KÜWb hingegen reichlicher Platz einkalkuliert werden kann, wäre es m.E. für Kontrollzwecke, aber auch für den lexikologisch interessierten Benutzer/Fachleser wünschenswert, den relativ knappen Darstellungsteil aus verallgemeinerbaren, stark komprimierten Kontextbeispielen mit Übersetzungsvarianten durch einen mehrseitigen, quellenmäßig rekonstruierbaren Illustrationsteil zu ergänzen. Dieser sollte in quantitativer Hinsicht die groben Lücken der konventionellen Wb-einträge (vgl. (2), (4), (5)) ausgleichen sowie (in syntagmatischer Hinsicht) unvollständige Angaben der Definitions-Wbb (vgl. Attributionen bei enjeu in (8)) ergänzen. (8)
enjeu (Robert mdthodique 1985) - politique, - militaire [ohne Beispiel]
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Henschelmann, K. enjeu (Grand Robert 1985)) - dconomique, - politique [ohne Beispiel] enjeu (Petit Robert 1991) un des plus beaux - de la guerre [zit. Beispiel mit nicht-ausreichendem Kontext, vgl. (3)]
In qualitativer Hinsicht wäre der Illustrationsteil dazu bestimmt, den Bestand zu aktualisieren und Belege mit einem ausreichendem Erklärungskontext zu liefern (vgl. (9), (10)), der die Lektüre metasprachlicher Beschreibungen ersetzen könnte. (9)
ad contrainte l in 3.2. II y a deux extremes dans notre perception de l'espace, celui de la surface plane et illimitoe du dosert, roelle ou imaginaire, oü l'homme va oü il veut sans frontieres, sans obstacles, sans contraintes, et qui est le sigle de "la liberto principale", celle qui a suggoro ä nos esprits le concept meme de liberto. Mais l'autre extreme (...) c'est une certaine forme de la liberto entre les blocs de la contrainte par exemple de la loi. ((Interview mit Abraham Moles: "Labyrinthes du quotidien", Le Monde 30/31-XII-84) dt. (...) ein Raum, in welchem sich der Mensch ohne Grenzen, ohne Hindernisse, ohne Schranken frei bewegen kann, Das andere Extrem (...) ist eine Art von Freiheit zwischen Räumen der Unfreiheit wie zum Beispiel dem Gesetz.
(10)
ad contrainte l in 3.2. Comment accepter les nouvelles inogalitos, les nouvelles contraintes qu'apporte une oconomie de marcho, comment supporter la perte des certitudes, modiocres mais rassurantes, qu'offre une oconomie planifife? Comment ne pas douter et se dire que le fruit des sacrifices sera encore reporto aux "lendemains qui chantent", que les espe~rances d'aujourd'hui sont aussi Ulusoires que celles d'hier (...)? (Ciosets 1990:462) dt. Wie kann man die neuen Formen sozialer Ungerechtigkeit, die neuen Einschränkungen/die Opfer, die eine Marktwirtschaft mit sich bringt, (...) so einfach hinnehmen? Der Illustrationsteil wäre auch der geeignete Ort, um unter Querverweis weitere Partner des morphologischen AS-Feldes (vgl.(ll) mit Verbaladjektiv zum Nomen contrainte) einzubeziehen.
(11)
Adj verbal contraint.e zu contrainte l in 3.2. Chez Marx, le loisir n'est jamais analyso en tant que tel, mais ä partir du travail, concept central dans son oeuvre. La conception de Palionation de l'homme par le travail chez Marx est teile que le temps de loisir ne peut ochapper ä cette alionation et reprosenter un domaine particulier de son existence. C'est en fin de compte dans ses ovocations d'une socidtd communiste que Marx donne place aux
Möglichkeiten und Grenzen von Übersetzungswörterbüchem
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loisirs. Une teile sociotd permettrait la suppression du travail contraint, c'est-ä-dire du travail exploitd. (Sue 1988:14) dt. Demnach würde eine solche kommunistische Gesellschaft die Abschaffung von fremdbestimmter Arbeit, d.h. von Arbeit als Ausbeutung, ermöglichen. [N.B. nicht: Zwangsarbeit frz. travaux forcts, sondern Arbeit unter Zwang/in Unfreiheit]
3.1. Für ENJEU wird im Rahmen des KÜWb folgender Wb-eintrag zur Diskussion gestellt: ENJEU, n.m. (pl. -x) 1. Eigenschaft (mit Konkretisierung) 'cequiestenjeu' 2. Konkretum enjeu l l'./unles-x N + (pour N qn) | (de N qch) | (Adj rel) | (Adj quäl) 'qch ( Aj/0) est souhaitable et docisif pour qn (A^/Cß) dans une entreprise ou Situation (A2/C2) et A^/C^ risque de gagner ou de perdre (roaliser ou non) Aj/0 ä l'occasion de 'Eigenschaft der Wichtigkeit ( + Maximum) von etw mit (Ungewisser) Wirkung für jmdn in Konkurrenzsituation' =
< Willenshandlung, Plan > Ziel, Anliegen (von jmdm), Anspruch, Herausforderung, Aufgabe (für jmdn), worum es geht/ging, [+ Risiko] was auf dem Spiel steht/stand
ExN l'- fondamental (central) pour la nation (est de + inf) wichtigstes Ziel, zentrales Anliegen der Nation (ist N) la qualite*: un - decisif (considerable, essentiel) pour Fentreprise Qualität, eine Herausforderung für das Unternehmen un des -x majeurs, un des principaux -x eine der wichtigsten Aufgaben V voilä (tel est) V- du conflit darum geht es bei dieser Auseinandersetzung le veritable - du cable est un pari £conomique im Gründe genommen geht es bei der Verkabelung um den kommerziellen Erfolg l*- &onomique d'une saison ne se joue pas sur un mois nach einem Monat läßt sich noch nicht absehen, wie die Bilanz ausfällt - de cette guerre, c'est notre independence letztlich steht bei diesem Krieg unsere Unabhängigkeit auf dem Spiel
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Henschelmann, K.
qch n'a pas d'- nichts auf dem Spiel stehen (bei etw), nichts mit Machtansprüchen zu tun haben Adv sans enjeu ohne (besonderes) Risiko, ohne (größere) Tragweite/Konsequenzen (für die Machtverteilung, die eigene Interessenlage) un match amical, done sans - ein reines Freundschaftsspiel pl
(insb. pl.) [ + quant] 'Fälle/Phänomene/Grade der Wichtigkeit' vgl. def N + (de + Art N) | (Adj rel) | (Adj quäl)
=
Aufgaben, Funktion, Aspekte, [Wirkung ungewiß] Chancen und Risiken, Möglichkeiten und Grenzen , [ + Risiko] was auf dem Spiel steht/stand, Risiken und Gefahren, [-Risiko] Chancen, Möglichkeiten und Perspektiven < slogan >
Ex
(prendre en charge) les formidables -x (du dgveloppement) große (Zukunfts-)Aufgaben, gewaltige Herausforderungen (im Bereich der Entwicklungspolitik) les -x militaires (les -x sont en ce moment d'ordre militaire) auf die militärische Karte setzen, alle suchen derzeit eine militärische Lösung les -x (&onomiques, sociaux) de l'informatique (ökonomische, soziale) Aspekte/Auswirkungen des Computers (de*gager lucidement) les dangers et les -x du futur Risiken und Gefahren der Zukunft (aufdecken) •x et perspectives < slogan > Möglichkeiten und Perspektiven (de N, ohne Art) -faktoren, -Interessen
Ex
reprisenter des -x de pouvoir Machtansprüche, -interessen darstellen de formidables -x de pouvoir se dissimulent sous I'apparence du de*sinte*ressement (starke, gewaltige) Machtinteressen verbergen sich hinter angeblicher Uneigennützigkeit
=
< Bewußtseins-, verbale Handlung, Diskussion > Gegenstand, Problem, Thema, Frage, Kernpunkt, worum es (hauptsächlich, eigentlich) geht/ging [ + Rivalität] Streitobjekt, kontroverses Thema, Zündstoff, Zankapfel < büdh >
Ex
(un theme qui fait) l'- d'un de*bat permanent Gegenstand der öffentlichen Diskussion sein, im Mittelpunkt der Diskussion stehen (l'immigration est devenue) un - majeur de la vie politique (depuis un si£cle) zu einem Leitmotiv/einer Kernfrage des politischen Lebens werden (le bicentenaire de la Revolution franchise est devenu) l'· de lüttes politiques et
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ideologiques zum Gegenstand politischer und ideologischer Auseinandersetzungen, zum Streitobjekt werden (un pays qui est) l'- des rivalitis (de plusieurs de ses puissants voisins) zur Streitfrage/zum Zankapfel (zwischen Nachbarstaaten) werden pl
(insb. pl.) [ + quant] 'Fälle/Phänomene/Grade der Wichtigkeit' vgl. def
=
Brennpunkte, (wichtige, zentrale, maßgebliche) Fragen, Probleme, Aspekte
Ex
montrer l'ampleur des -x qui sont en cause die Tragweite der anstehenden Fragen und Probleme deutlich machen comprendre, rendre intelligibles les -x, etre sensibles aux -x (majeurs) de l'heure/de la Periode que nous vivons die (brennenden) Probleme/Fragen der Zeit durchschauen /erfassen/um die Probleme/Fragen der Zeit wissen, Probleme umreißen/veranschaulichen, sich der Probleme bewußt sein affronter les -x internationaux die sich weltweit stellenden Probleme angehen/anpacken
enjeu 2 pl les -x
N + (de N qn/Adj poss) (Adj quäl) = Ex
< Spiel > Einsatz (von jmdm) les -x sont gros dans ce casino in diesem Casino wird um hohe Einsätze gespielt/werden hohe Einsätze riskiert däposer/mettre un - einen Einsatz einlegen, setzen (auf) retirer son -, augmenter les -x den Einsatz zurückziehen, die Einsätze erhöhen
3.2. Für CONTRAINTE wird im Rahmen des KÜWb folgender Wb-eintrag zur Diskussion gestellt: CONTRAINTE, n.f. 1 Eigenschaft (mit Konkretisierung) (Sache) 'fait d'etre contraignant/ce qui est contraignant' 2 Handlung (Person) 'action de contraindre qn ä (faire) qch'
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Henschelmann, K.
3 reflexive Handlung (Person) 'action de se contraindre ä (faire) qch' 4 Zustand (Person) '£tat de celui qui est contraint' contrainte l la/une les -s N + (de N qch.) | (Adj rel)
deffr 'qch (Aj/Cj) est obligatoire et penible ä accepter pour qn (A2/0)' def^t 'hemmende Eigenschaft von etw (+ /- bewußt herbeigeführte Beschränkung) mit Wirkung für jmdn' =
< Institutionen, Gruppen, Verhältnisse > Zwang (von etw), (normierender) Druck (von etw), Diktat [Wirkung] Bindung (an/durch etw), Abhängigkeit (von etw)
Ex
la - des institutions sociales Zwang/(normierender/Anpassungs-) Druck der sozialen Institutionen (vivre dans un monde) regi par la - du travail vom Gesetz/Diktat der Erwerbsarbeit beherrscht
pl
(insb. pl) [+quant] 'Fälle/Phänomene/Grade der hemmenden Eigenschaft' vgl. def
=
< Institutionen, Strukturen > (Struktur-)Zwänge,-zwänge , [ +bewußt] Repression , Disziplinierungen , Beschränkungen, Restriktionen, Engpässe , Hemmnisse, Schranken, Fesseln , [Wirkung] Opfer, Einschränkungen, -abhängigkeit < Verhaltensweisen > Regeln, -formen, -konventionen
=
ExN les - de la vie en societt Normen/Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens, les - sociales gesellschaftliche Zwänge, Repression les - de politesse fönt que die Regeln der Höflichkeit gebieten, die Etikette schreibt vor, daß V echapper aux -s, s'affranchir des -s (de la profession) die Belastungen des Erwerbsalltags hinter sich lassen, die Fesseln des Berufslebens abstreifen libe'rer l'homme des - physiques, des - physiologiques den Menschen aus seiner Abhängigkeit von der Natur, von (lebensbedrohenden) Krankheiten befreien
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desserrer les contraintes Engpässe/Defizit(e) abbauen, Lücke/Mangel (im Bereich von etw) ausgleichen N + de (Adj rel) |de N (ohne Art) =
[-bewußt] Sachzwänge, -zwänge, Beschränkungen, Grenzen, (feste, strukturelle) Gegebenheiten, Daten, (invariable) Größen/Faktoren, Randbedingungen, Parameter , , (stabile, konstante) Kräfte, Trends , -faktoren
Ex
qch. est une - (importante) dans wie situation de choix ein (wichtiges) Entscheidungskriterium, ein wichtiger Faktor im Entscheidungsprozeß sein les -s de localisation Standortfaktoren provoquer des -s Einschränkungen/Opfer mit sich bringen maintenir, r£duire, desserrer les -s (Adj rel/concernant qch/dictees par/relatives ä qch) Hemmnisse perpetuieren, abbauen, den restriktiven Kurs lockern/größeren Handlungsspielraum gewinnen (im Bereich von etw) etre soumis a des -s Sachzwängen ausgeliefert sein, Handlungszwängen unterliegen
contrainte 2
la/une plO N + (de N qn )
deffr'qn (Aj/Cj) exerce la violence physique ou morale centre qn (A2/0) pour le (A2/0) forcer ä (faire/ne pas faire) qch (Ag/O)' def^'Beschränkung des freien Willens als Handlung von jmdm (Hemmung von außen)' =
Zwang, Gewalt, Druck
ExN la - des parents Autorität/Druck der Eltern, elterliche Gewalt une mesure/des mesures de - Zwangsmaßnahme(n) V employer/exercer/user de (la) - contre qn /envers qn Zwang, Druck ausüben gegenüber jmdm, user d'une - physique mit Gewalt eingreifen/Gewalt anwenden Adv retenir qn par la - jmdn mit Gewalt zurückhalten agir, prendre une decision sous la - unter Druck handeln/eine Entscheidung treffen i (il le fera) librement ou par - aus freien Stücken oder notgedrungen/wohl oder übel/so oder so tun
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Henschelmann, K.
contrainte 3 la/une plO
NO deffr'qn (Aj/0) force qn (A2 = Aj/0) ä agir contre sä volonto/empeche qn (A2 = AI/O) d'agir' (vgl. def contrainte 2) def^t'Beschränkung des freien Willens als reflexive Handlung (Hemmung von innen) mit Ergebnis' =
< Verhalten, Aussehen > Zwang, Gezwungenheit
ExN (avoir) un air de -, une mine de verkrampft/steif/gekünstelt wirken V s'imposer une - sich Zwang antun, sich etw aufoktroyieren Adv agir avec -, dans la - sich unnatürlich/nicht spontan verhalten s'exprimer sans (aucune) - frei/ungeniert reden contrainte 4 la/une plO N 0 (Adj quäl) deffr'effet de l'action def contrainte 2' def(jt'resultierender Zustand einer Hemmung von außen mit Wirkung für jmdn' =
Bedrängnis, Knechtschaft , Joch , Drangsal , Ausgeliefertsein , Unfreiheit, Abhängigkeit , Fremdbestimmung
Ex
vivre dans la - in großer Bedrängnis/Not leben £tre sous une dure -, une penible - ein schweres Joch zu tragen haben, geknechtet/ausgeliefert sein tenir qn dans la - jmdn in Knechtschaft/Abhängigkeit halten, jmdn unterdrücken
Möglichkeiten und Grenzen von Übersetzungswörterbüchem
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4. Grenzen des Übersetzungswörterbuchs 4.0. Die Forderung nach einem besseren ÜWb (vgl. 1.) schließt die Erkenntnis ein, daß Wbb Entscheidungen nicht abnehmen, sondern bestenfalls steuern. Wegen der nichtisotopischen Verhältnisse der AS/ZS (einschließlich Norm-/Textnormbedingungen) liegt stets ein Multiangebot vor, wird lediglich ein Rahmen in Form potentiell (wieder)einsetzbarer ZS-Äquivalente gesetzt. Eine Einschränkung der ZS-Wahlmöglichkeiten erfolgt, prospektiv betrachtet, insoweit, als Kriterien für die Entscheidung mittels einer "reichen MikroStruktur" (vgl. 2.4.3.) explizit angegeben werden können. Die für die endgültige ZS-Produktherstellung maßgebliche Hierarchisierung der Kriterien wird stets außerhalb des Wbs, im (aktualen/virtuellen) Übersetzungsmodell festgelegt. Wie hilfreich einerseits in diesem Entscheidungsprozeß gesicherte Wb-informationen sind und wie problematisch andererseits, übersetzungstrategisch betrachtet, die konkrete Nutzung angebotener Variationsmöglichkeiten ist, soll abschließend an zwei Beispielen aufgezeigt werden. 4.1. Wenn enjeu in (1) eine Relevanzzuweisung in bezug auf eine < künftige Willenshandlung > (nämlich Teilhabe an der Gestaltung einer gesunden Umwelt, partidper a (...)) beinhaltet, so müßte gemäß Wb-eintrag 3.1. ein ZS-Äquivalent vom Typ "Aufgabe (für jmdn)" zum Zuge kommen. Andererseits läßt sich wegen der anaphorischen Funktion des Abstraktlexems (cet enjeu) auch die ZS-Option "Problem" in Betracht ziehen, denn der weitere Kontextthematisiert auch die < Bewußtseinsebene > (das Umweltbewußtsein der europäischen Öffentlichkeit, vgl. ressentent la necessite (...)), so daß im Ergebnis kein Unterschied im Äquivalenzgrad, wenn auch in der Art der ZS-Textbildung entsteht. Die endgültige Präferenzentscheidung kann durch das Wb nur vorbereitet werden, denn der Übersetzer kann sich, soweit es die Textklasse erlaubt, jederzeit über das Kriterium der formalen Struktur, hier Lexemgrenzen, hinwegsetzen (vgl. (1) Übersetzungsvarianten Aufgabe/Zukunftsaufgabe, Problem/Umweltproblem/brennendes Problem). 4.2. Noch komplexer wird die Entscheidungssituation, wenn der zu analysierende, hohe Implizitätsgrad des Abstraktums (insb. N + Relationsadjektiv, vgl. contrainte in (12)) mit der Überwindung von Wissensunterschieden (Rückstand auf Seiten der ZS-Adressaten bzw. -Kommunikationsgemeinschaft) einhergeht. (12) Le premier objectif de la modernisation industrielle doit etre de desserrer la contrainte extorieure teile est la Strategie du IXe Plan. (Faire gagner la France 1986:332) (a) (... sorgen für den) Abbau des Außenhandelsdefizits (b) / die Verbesserung der außenwirtschaftlichen Position (c) / die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit (Frankreichs) (d) / (dafür daß die) Importabhängigkeit (Frankreichs) abgebaut/reduziert wird (e) / das Außenhandelsproblem gelöst wird (f) / die Abhängigkeit vom Ausland reduziert wird (g) / ?das Problem mit dem Ausland gelöst wird
Der Wb-eintrag zu contrainte (vgl. 3.2.) kann die Äquivalentsuche vorbereiten, insb. durch den expliziten Hinweis auf die Aktualisierung einzelner Merkmale (hier zur Beschreibung eines Handikaps Frankreichs: [Wirkung] Abhängigkeit). Jedoch führt letzt-
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Henschelmann, K.
endlich nur die Hinzufögung enzyklopäidscher Wissenselemente auf ZS-Seite ("Expansionsverfahren", vgl. Henschelmann 1988) zu einer Annäherung an den erforderlichen Äquivalenzgrad, d.h. auch Präzisions- bzw. Vagheitsgrad der Mitteilung (vgl. (f), (g)). Im Vergleich zu "nur" strukturellen Variationen, wie sie bei der Überwindung von Sprachgrenzen, sei es auch von unterschiedlichen Textsortenkonventionen (vgl. Titelei (13)), notwendig werden, werfen die Entscheidungskonflikte bei der Überwindung von Wissensgrenzen die relativ größten Probleme auf. (13) (Sachbuch Gallouedec et al. 1980) Les enjeux culturels de l'informatisation dt. Die gesellschaftliche Herausforderung der modernen Technologie/Computer und Gesellschaft
Ein ÜWb allgemeinsprachlichen Typs erreicht hier seine Grenzen. Es kann nicht - wie es Aufgabe des Übersetzers ist - zwei Herren gleichzeitig dienen: der Sprache und der Sache.
Literatur (ohne einschlägige Wörterbücher) Albrecht, Jörn (1991): "Syntagmatik im Wörterbuch". - In: M.Forstner (Hg.): Festgabe für Hans-Rudolf Singer zum 65. Geburtstag am 6April 1990 (Frankfurt u.a.: Peter Lang), 305-323. Ayto, John (1988): "Fig. leaves. Metaphor in dictionaries". - In: ZüriLex'86,49-54. Baunebjerg-Hansen, Gitte (1990): Artikelstruktur im zweisprachigen Wörterbuch. Überlegungen zur Darbietung von Übersetzungsäquivalenten im Wörterbuchartikel. - Tübingen: Niemeyer. BudaLex'SS = Proceedings/BudaLex'88: papers from the 3rd International Euroalex Congress 1988 ed. by T.Magay, J.Zigäny. - Budapest: Akadomiai Kiado 1990. Bühler, Hildegard (1990): "Das Arnold-Lissance-Archiv an der Universität Wien. Gedanken zum Konzept eines Translator's Dictionary". - In: BudaLex'88,411-419. Busse/Dubost (1977, ^1983) = Winfried Busse, Jean-Pierre Dubost: Französisches Verblexikon. Die Konstruktion der Verben im Französischen. - Stuttgart: Klett. Corbin, Pierre (1984): "Les marques stylistiques/diastratiques dans le dictionnaire monoUngue". - In: IHL, 673-680. DEC (1984) = Dictionnaire explicatif et combinatoire du frangais contemporain. Recherches lexicosemantiques I ed. par LMel'cuk et al. - Montroal: Presses de FUniversitd de Montroal. Delisle, Jean (1984): L'analyse du discours comme mothode de traduction. TheOrie et pratique. - Ottawa: Editions de l'Universito d'Ottawa. DicoLarousse (1989) = Dico pratique: expression 6crite, correspondances, orthographe, grammaire ... 6d. par J.-C1. Corbeil - Paris: Larousse. DL (1973) = Dictionnaire de linguistique 6d. par J.Dubois et al. - Paris: Larousse. Hausmann, Franz Josef (1977): Einführung in die Benutzung der neufranzösischen Wörterbücher. Tübingen: Niemeyer. - (1984): "Die Markierung im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch: eine Übersicht". - In: IHL, 649-657. Heger, Klaus (1971, 1976): Monem, Wort, Satz und Text. - Tübingen: Niemeyer. Henschelmann, Käthe (1980): Technik des Übersetzens. Französisch-Deutsch. - Heidelberg: Quelle & Meyer. - (1988): "Überlegungen zur Klassifizierung von Übersetzungsfehlern". - In: FLuL 17,118-132. IHL = Wörterbücher - ein internationales Handbuch zur Lexikographie / Dictionaries hrsg. v. F J. Hausmann et al. - Berlin (u.a.): de Gruyter 1984.
Möglichkeiten und Grenzen von Übersetzungswörterbüchem
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Henschelmann, K.
Anhang l Stichwortliste "Schlüsselwörter des Französischen" (Diplomarbeiten am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität Heidelberg, Archiv IÜD Heidelberg, Paepcke 1961ff.)
accueil action activite" actualite1 adaptation affectation affranchissement affrontement agent allegation ambiguüto amenagement armature attribution audience autorito cadre carence centre cito civisme climat coherence cohosion collectivite competence complexite complicito conclusion condition conditionnement contestation convergence curiosite decalage domarche domarrage domission
destin destinee developpement dialogue diffusion
dimension disponibilite dispositif disposition doctrine efficacite encadrement engagement ensemble equipement evasion ovolution exigence expansion exploitation fonction fonctionnement generosit6 g6nie gestion gratuite hierarchic immobilisme imperatif inadaptation initiative intransigeance laicite lucidite magistrature mocanisme milieu militantisme
modele moeurs mystique mythe operation orientation participation patrimoine performance personnalite perspective pouvoir prooccupation prosence prise en charge procede procodure promotion realisation recrutement rocuperation regime ressource revendication rovision service servitude spiritualite surenchere tomoignage vocation
Möglichkeiten und Grenzen von Übersetzungswörteibüchem
Anhang 2 Stichwortliste Abstrakta zum Projekt KÜWb (Kleines Übersetzungswörterbuch Französisch-Deutsch) accueil action activito actualio adaptation alionation am6nagement animation choix civilisation civisme contestation contrainte doveloppement diffusion disponibilite dynamique dynamisme efficacito encombrement engagement enjeu equipement ovolution expansion fonctionnement gestion laicito mecanisme militantisme oporation orientation preoccupation prosence proliforation promotion realisation
recrutement rocuperation revendication solidarito
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Christian Schmitt (Bonn)
Deutsch-französische und deutsch-spanische Translatanalyse als Beitrag zur Übersetzungsdidaktik 1. Einführende Bemerkungen Seit die Übersetzungswissenschaft auf universitärer Ebene etabliert ist, leidet sie evident an einer Art Legitimationskrise (vgl. auch Koller 21983:192ff.)· Zum einen ist es ihr bisher nicht gelungen, ihren Forschungsbereich klar abzustecken, zum ändern verfügt sie über keine Basisforschung, aus der hervorginge, mit Hilfe welcher Verfahren der Lernprozeß optimiert werden kann. Ja, es scheint trotz des alltäglich in allen Übersetzungsinstituten praktizierten Lehr- und Lernbetriebs noch immer nicht geklärt, ob, wie und in welchem Maße die Entscheidungsfähigkeit des Übersetzers trainierbar ist. In vielen Handbüchern sucht man vergeblich nach einem Stichwort "Übersetzungsdidaktik", wohl vor allem deshalb, weil die wenigen übersetzungsdidaktischen Erkenntnisse, die bisher vorliegen, nur bedingt nachvollziehbar scheinen und daher eher zur Vorsicht mahnen. Da die von der Angewandten Linguistik seit langem postulierten "longitudinal studies" (Corder 1973) immer noch ausstehen, kann kaum eine verläßliche Aussage über die Progression der Entscheidungskompetenz gemacht werden, und so bleibt weiterhin die Übersetzerausbildung vielfach ein Bereich, auf dem vom Theoretiker über den erprobten Praktiker bis hin zum Dilettanten die unterschiedlichsten Lehrer anzutreffen sind, denn "offenbar kann ein auch noch so entscheidungsorientierter Übersetzungsunterricht nicht das Entscheiden schlechthin vermitteln, sondern muß sich darauf beschränken, das objektive Sich-Entscheiden-Müssen zu problematisieren und das subjektive Sich-Entscheiden-Können in bestimmten sprachlichen und außersprachlichen Zusammenhängen zu üben" (Wilß 1988:99).
Ein solcher Zustand scheint unhaltbar, denn über eins sind sich, wie ich meine, alle Übersetzungslehrer heute ohne Einschränkung im klaren: Man kann nur lehren, was systematisierbar ist, und die Lehre systematisierbarer Regeln setzt nun einmal a priori voraus, daß, was systematisierbar ist, vorher auch systematisch, d.h. in unserem Fall umfassend für ein Sprachenpaar erfaßt und dargestellt wurde. Der Beitrag der Didaktik stellt dabei nicht mehr und auch nicht weniger dar als die überlegte Auswahl aus der Vielzahl der Regeln bzw. die begründete Reduktion des Regelwerks auf das unter den je gegebenen Umständen vernünftig erscheinende Maß, mit dem Ziel, den Unterricht zu optimieren. Bei so viel Divergenz bleibt es erstaunlich, daß wenigstens Einhelligkeit bei der Zielbestimmung des Ubersetzungsprozesses besteht, denn hier wird stets die Äquivalenz eines äs und zs Textes als Hauptzielsetzung angesehen, wobei im einzelnen denotative, formale, expressive, inhaltliche, kommunikative und pragmatische Aspekte zu beachten sind (Koller 21983; Wilß 1977) und außer Frage steht, daß die Äquivalenz jeweils bis zu einem gewissen Grad im Ermessen des Übersetzers liegt, da sie davon abhängt, "was beim Übersetzen invariant gehalten werden soll" (Albrecht 1990:75). Sicher hängt damit die Übersetzung von den jeweils vom Übersetzer gewählten Vorgaben ab; diese sollte der Übersetzungswissenschaftler, falls sie nicht explizit etwa in einem Vorwort dargelegt
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Schmitt, Ch.
wort dargelegt wurden, aus dem Text rekonstruieren, wenn er eine weiterführende Aussage über Art und Umfang der Äquivalenz treffen möchte. Eine solche Analyse erlaubt eine Aussage darüber, ob zwei Texte inhaltlich, stilistisch oder in bezug auf die Rezeptionswirkung äquivalent sind und damit das ausmachen, was ich Paralleltexte nennen möchte (Schmitt 1991:49-83). 2. Von der "stylistique comparee" zur "kontrastiven Linguistik" Bereits im Rahmen der von Malblanc (21963; *1944) auf der Grundlage von Ballys 4 1 Handbuch ( 1965; 1932; vgl. auch Malblanc 1944:113) begründeten stylistique comparee, die den Übersetzungswissenschaftlern u.a. durch die Weiterentwicklung von Vinay und Darbelnet (41968) vertraut ist, wird die Forderung erhoben, äquivalente, formal jedoch unterschiedliche Textstücke für Sprachenpaare systematisch zu erfassen, um auf diese Weise das Übersetzen wie das Handeln in der jeweiligen Zielsprache zu erleichtern. Inzwischen wurde ihr Ansatz weiterentwickelt und von Wandruszka im Rahmen der von ihm begründeten Interlinguistik für den multilateralen Übersetzungsvergleich nutzbar gemacht (Wandruszka 1971). Die geringe Systemhaftigkeit und der meist fehlende Anwendungsbezug führten zu berechtigter Kritik (vgl. Schmitt 1991:58f.), und so darf man rückblickend betonen, daß die von Wandruszka initiierte Interlinguistik bisher ihre Feuerprobe im Rahmen der Übersetzungswissenschaft nicht bestanden hat, während die in mehreren Teilbereichen ähnliche Zielsetzungen verfolgende Kontrastive Linguistik (vgl. z.B. Cartagena 1990) nicht nur ein besseres Verständnis für den Texttransfer geschaffen hat, sondern auch durch die auf der Analyse von parole-Akten gewonnenen Einsichten in die Äquivalenz von Paralleltextsegmenten und textuell gleichwertige Grammatikregeln zu einem wesentlich besseren Verständnis des Übersetzungsprozesses beigetragen hat. Dabei machte sich die Kontrastive Linguistik die Erkenntnisse der Schulgrammatik zunutze, indem sie von der Annahme ausging, daß analog zur auf parole-Akten basierenden Lernergrammatik eine auf äquivalenten poro/e-Akten für ein Sprachenpaar basierende Übersetzergrammatik zu schreiben sei. Wie wir an anderer Stelle gezeigt haben (Schmitt 199la), eignen sich für eine solche Grammatik sowohl inhaltlich wie pragmatisch gleichwertige Primärtexte wie auch professionelle Translate, wenn sich der analysierende Sprachwissenschaftler bemüht, durch die Ausgliederung idiolektaler Eigenheiten (wie natürlich auch evidenter Übersetzungsfehler) eine gewisse Objektivierung zu erreichen. Dann sind auch Übersetzungen wichtige Texte und Paralleltexte, und der Übersetzungsvergleich wird dann grundsätzlich geeignet, die Übersetzung systematisch lehrbar zu machen. So darf man wohl auch eine Aussage interpretieren, in der Hatim und Mason die besondere Position der Kontrastiven Linguistik neben anderen linguistischen Disziplinen definieren: "(...) the field of contrastive linguistics inevitably involves consideration of correspondences and noncorrespondences between languages and, therefore, of translation" (1990:31).
In welcher Weise diese Gedanken in die Praxis umgesetzt werden können - es darf nämlich nicht vergessen werden, daß die Übersetzungswissenschaft eine Performanzwissenschaft ist -, soll in der Folge auf der Grundlage ausgewählter Beispiele aus der deutschen, französischen und spanischen Wortbildungslehre dargestellt werden.
Translatanafyse und Übersetzungsdidaktik
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3. Eine paradigmatische Lehreinheit Alle drei hier in Frage kommenden Sprachen kennen Formantien, mit deren Hilfe Adjektive gebildet werden, die eine materielle oder immaterielle Eigenschaft zum Ausdruck bringen, die das Bezugswort näher charakterisiert und/oder gegenüber anderen abgrenzt; diese Morpheme drücken in der Regel eine Besitzrelation aus und lassen sich auf den Basissatz 'ist versehen mit' zurückfuhren. Diese Eigenschaft soll anhand eines Beispiels aus dem Werk Grass' verdeutlicht werden. In den Hundejahren und in der französischen und spanischen Übersetzung lesen wir: Schräg und bissig bringt die Fähre zwei Güterwagen (GH 1985:13) Oblique et mordant, le bac apporte deux wagons (GAC 1965:14) Oblicua y encarnizadamente lleva la balsa dos vagones de mercancias (GAP 1982:15)
In diesem Fall tritt das sowohl mit Substantiven wie auch mit Verben, Adverbien und Adjektiven kombinierbare Affix -ig, eines der häufigsten Adjektivsuffixe der deutschen Gegenwartssprache (Fleischer 1969:236), an die Basis Biß; ihm entsprechen formal wie inhaltlich frz. -ant und sp. -ado la, doch gibt es hier keine Erwartungsnorm, wie sich anhand eines anderen Beispiels leicht zeigen läßt, das sich nur einige Abschnitte weiter im selben Werk findet: "(...); vielmehr gelingt es der Faust über dem Messer, noch eine Spur kreidiger zu werden" (GH 1985:14) "(...); il roussirait plutöt ä blanchir d'un ton supplomentaire la teinte crayeuse du poing qu'il tient ferm6 sur le couteau" (GAL 1965:15) "(...); antes bien, el puno con el cartaplumas logra ponerse algo mäs cretäceo todavia" (GAP 1982:16)
Gleiches gilt natürlich auch für die semantisch nahestehenden Derivationssuffixe -lieh und -e(r)n; ersteres dient bekanntlich zur Bildung von Relationsadjektiven und drückt dabei die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Typus oder Phänomen aus, wobei das nominale Bezugswort determiniert und nicht charakterisiert wird (vgl. Fleischer 1969:224), während letzteres sich ausschließlich mit Substantiven verbindet, die einen Stoff bezeichnen und dabei angibt, daß der durch das substantivische Bezugswort bezeichnete Gegenstand aus dem betreffenden Stoff besteht (Fleischer 1969:232). Auch gilt unterschiedslos für alle drei Derivationssuffixe, daß in den Zielsprachen nicht immer adjektivische Entsprechungen vorliegen, sondern vielfach nicht derivierte Adjektive oder Adverbialbildungen als Äquivalente angesehen werden, wie dies z.B. eine Stelle aus Bölls Der Zug war pünktlich dokumentiert: (...) wo ihr Blick ganz nah und zärtlich, (...) in meiner Seele geruht hat, eine Viertelsekunde lang (...) (BZP 1977:47) (...), a l'endroit oü la roalito de son regard si proche et si tendre a un quart de seconde au plus profond de mon äme (...) (BTH 1987:63) (...) en el mismo lugar en que su mirada estuvo posada en mi durante un cuarto de segundo? Aquella mirada llena de ternura que me llego tan adentro (...) (BTP 1982:63)
Das System aller drei Sprachen verfügt grundsätzlich über jeweils entsprechende Bildungen, doch hat die Norm die Distribution der Formantien jeweils anders geregelt.
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Schmitt, Ch.
Die morphologischen Entsprechungen in den beiden romanischen Sprachen lassen sich problemlos, geordnet nach ihrer Häufigkeit, erfassen; für das von uns ausgewertete literarische Korpus liegen bei etwas mehr als 500 deutschen Derivationsadjektiven 117 französische und 104 spanische Entsprechungen vor, die dem Typ Basis + Derivationssuffix entsprechen. Dabei wurde eine Mehrfachzählung ausgeschlossen. Diese Derivate wurden mit folgenden Formantien gebildet: Deutsch
Französisch
Spanisch
-ig
-eux
25
-OSO
22
-lieh
-el/al
22
-ado/'ido (PPP)
20
-e(r)n
-e, -i (PPP)
18
-al
19
-ant (PPA)
11
-able/-ible
12
-able/'ible
16
-ivo
8
-if
6
-ico
6
-ätre
5
-ado/-udo
4
-ique
5
-ante/-ente (PPA)
3
-e/-u
4
-ento
3
-care
2
-ano
2
•elet
2
•ario
2
-ain
1
-esco
1
-aud
1
-ete
1
-ent
1
-ista
1
-ois
1
Eine solche statistische Erfassung entspricht im wesentlichen den frühen Studien zur Kontrastiven Linguistik; ihr Aussagewert ist begrenzt, ihre Verwertbarkeit im Training von Übersetzern bleibt fraglich, da hier keine grundsätzlichen Entscheidungshilfen geboten werden. Die Tabelle bleibt systemorientiert, läßt sich daher auch leicht struktural auswerten, bietet jedoch keine Hinweise für die beim Übersetzen im Vordergrund stehende Sprachperformanz. Eine Übersetzergrammatik auf solchen Korrespondenzstrukturen aufzubauen hieße, Systemelementen ohne Bezug auf Text und Funktion, wie ohne Berücksichtigung der Bedingungen des kommunikativen Hintergrunds und des Empfängerbezugs einen Platz im Transfertraining einzuräumen. Mit Recht betont Koller (21983:176-183), daß die Verwertbarkeit derartiger Studien für die Übersetzungswissenschaft recht begrenzt bleibt.
45
Translatanafyse und Übersetzungsdidaktik
Doch scheint es uns sinnvoll, eine kontrastive Studie der Lehre zugrundezulegen, in der die verschiedenen syntaktischen und textuellen Leistungen der -ig-Derivate mit den jeweiligen Äquivalenzen im Französischen einer morphologischen Beschreibung folgen und so die Stellung von Morphemen-im-Text mit dem Ziel der Performanzverbesserung im Sprachenpaar beschreiben. Das Suffix -ig wird desubstantivisch, deverbal, deadverbial und (seltener) deadjektivisch gebraucht. Unter den desubstantivischen Bildungen finden sich verschiedene Untertypen wie: SN + -ig, vgl. dreckig, dunstig, kitschig 2° SN (Adjektiv + Nomen) + -ig, vgl. doppelschomsteinig, flachdachig, steifbeinig 3° SN (Nomen + Nomen) + -ig, vgl. schnauzbärtig, sommersprossig, specknackig Derivate mit nicht substantivischer Basis sind seltener, am häufigsten sind hier noch die (1°) Deverbativa, während (2°) Deadverbativa und (3°) Deadjektiva, bei denen das Suffix nur syntaktische und keine semantischen Veränderungen bewirkt, eher die Ausnahme bilden: V + -ig, vgl. bissig, brüchig, strittig, schläfrig 2° AV + -ig, vgl. ehemalig, auswärtig, jeweilig, bisherig 3° ADJ + -ig, vgl. völlig, lebendig, niedrig. Als Hintergrundwissen scheint dabei natürlich auch die quantitative Distribution von Bedeutung, da erwartungsgemäß die Haupttypen bei der Lehre im Vordergrund stehen dürften:
Typ
Belege
Prozentwert
Einzelzählung
Prozentzahl
Substantiv. + -ig
191
76,4%
121
75,2%
[Wortgruppen
46
24,1%
28
23,1%
Komposita
40
20,9%
37
30,6%]
Verb + -ig
33
13,2%
26
16,1%
Adjektiv + -ig
6
2,4%
3
1,9%
Adverb + -ig
20
8,0%
11
6,8%
Summe
250
100,0%
161
100,0%
Diesen quantitativen wie qualitativen rypologischen Befunden muß eine Untersuchung folgen, in der zumindest exemplarisch die Äquivalenzen In den beiden ZS entsprechend der syntaktischen Funktion im äs Text analysiert werden. Dabei ist von Belang, daß von den 250 Derivaten 144 (57,6%) attributiv, 51 (20,4%) prädikativ und 50 (20%) adverbial gebraucht werden, während 5 Bildungen (2%) graduierende Funktion besitzen. Wie wichtig diese Untersuchung ist, soll anhand ausgewählter Beispiele zur adverbialen Verwendung gezeigt werden.
46
Schnitt, CA.
Bei diesen Textsegmenten besteht grundsätzlich eine Bestimmung der Art und Weise, der als Basissubstantiv (a) ein Simplex oder (b) ein Kompositum zugrundeliegen kann: Er lehnt zum Fenster hinaus, ißt und kaut ruhig (...) (BZP 1977:14) II se penche par la fenetre, il mastique calmement (...) (BTP 1987:20) Se asoma al exterior mientras sigue masticando lentamente (...) (BTP 1982:19) (...), und er entdeckte in diesem letzten Schein, (...), einen kleinen freien Platz, dem er nun vorsichtig zustrebte (BZP 1977:6) (...) qui lui fit docouvrir, (...), une petite place libre qu'il gagna avec procaution (BTP 1987:11) Se desplazo hacia 6l con precaucion, (...) (BTP 1982:9).
Beide Äquivalenztypen- das vom Adjektiv abgeleitete Adverb wie das Adverbialgefüge - halten sich in etwa die Waage und sollten daher als Möglichkeiten gelehrt werden, wobei die im Exzerpt belegten Beispiele DEUTSCH
FRANZÖSISCH
eindeutig (GH 1985:27) sans ambages (GAC 1965:30) ruhig (BAC 1963:35) calmement (BG 1964:35) zufällig (BAC 1963:52) par Hasard (BG 1964:51) vorsichtig (BZP 1977:7) delicatement (BTP 1987:11) vorsichtig (BZP 1977:7) doucement (BTP 1987:12) hastig (BZP 1977:13) fievreusement (BTP 1987:20) ruhig (BZP 1977:14) calmement (BTP 1987:20) ruhig (BZP 1977:14) calmement (BTP 1987:20) ruhig (BZP 1977:28) tranquillement (BTP 1987: 39) sorgfältig (BZP 1977:8) avec soin (BTP 1987:11) zufällig (BZP 1977:8) par hasard (BTP 1987:12) ruhig (BZP 1977:15) avec calme (BTP 1987:18) sorgfältig (BZP 1977:17) avec soin (BTP 1987:20) eifrig (BEP 1977:20) impetueusement (BTP 1987:24) gleichmäßig (BZP 1977:22) ugalement (BTP 1987,25) anständig (BZP 1977:24) convenablement (BTP 1987:27)
SPANISCH categoricamente (GAP 1982:32) tranquilamente (BOP 1984:30) casualmente (BOP 1984:44) con cuidado (BTP 1982:9) lentamente (BTP 1982:10) febrilmente (BTP 1982:18) calmosamente (BTP 1982:18) lentamente (BTP 1982:19) limpiamente (BTP 1982:38) cuiaadosamente (BTP 1982:11) por casualidad (BTP 1982:13) con toda calma (BTP 1982:18) cuidadosamente (BTP 1982:19) violentamente (BTP 1982:22) por igual (BTP 1982:23) - (BTP 1982:24)
am besten jeweils mit genügend Kontext zur Einübung verwendet werden sollten. Auch die Fälle, bei denen Komposita bzw. eine Wortgruppe im Deutschen der Ableitung zugrunde liegen, sollte man möglichst mit Paralleltextsegmenten einüben: Im Stadion wurden oft und wechselseitig Handballtore geworfen (GKM 1986:5) Sur le stade, on se marquait des buts au handball pour les deux camps (GCS 1962:7) En el estadio menudeaban los disparos contra una y otra meta (GGR 1980:7) (...) denn während Walter Matern einbeinig wippt (...) (GH 1985:15) (...) car Walter Matern oscille sur une seule Jambe (...) (GAC 1965:17) (...) porque mientras Walter Matern se balancea sobre una pierna (GAP 1982:17) (...) der junge Mann hatte eigenhändig ein Ende gesetzt (...) (GH 1985:30) (...) car le jeune homme s'etait lui-meme achevo de sä propre main (GAC 1965:33) (...) el joven se habia quitado la vida con su propia mano (...) (GAP 1982:35)
Wenig Schwierigkeiten bereiten dürfte die Behandlung der Grundfunktion von -ig und ihrer Äquivalente, da hier weitgehende strukturelle und funktionale Korrespondenz besteht, denn in der Regel tritt -ig wie auch die spanischen und französischen Ent-
Translatanafyse und Übersetzungsdidaktik
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sprechungen als Affix an einfache Stämme zur Bezeichnung einer materiellen Eigenschaft; dabei bilden Konkreta die Basis: (...) an einem Tag, heiß und dunstig (...) (GKM 1986:24) (...) un jour de chaleur moite (...) (GCS 1962:22) (...) un dia nublado muy caluroso (...) (GGR 1980:25) (...) Links sandig magere Schrebergärten der Eisenbahner (...) (GKM 1986:12) (...) A gauche dans le sable, maigres jar dins des cheminots (...) (GCS 1962:19) (...) A la izquierda, los raquiticos huertos arenosos de los ferroviarios (...) (GGR 1980:22)
Das Morphem -ig drückt hier eine Besitzrelation aus, das gemeinsame semantische Merkmal dieser Gruppe entspricht also einer Haben-Relation im weitesten Sinne. Die hier gewonnenen Einsichten lassen sich weitgehend unverändert auf die desubstantivischen -ig-Derivate übertragen, die zur Bezeichnung einer immateriellen Eigenschaft gebraucht werden und deren Basis ein Abstraktum bildet: Groß war die polnische Flotte nicht, aber ehrgeizig. (GKM 1986:22) Elle n'itait pas grande la flotte polonaise, mais eile avait des ambitions. (GCS 1962:36) La flota polaca no era grande, pero si ambiciosa. (GGR 1980:42) Es gab nicht einmal Pfiffe, nur mitleidiges Geraune (...) (BAC 1963:12) Je n'ai meme pas sifflo, seuls se sont levos quelques murmur es de compassion. (BG 1964:12) No se oyeron ni siquiera silbidos, tan solo un murmullo compasivo (...) (BOP 1984:10).
Diese Funktionsklasse kann mit der vorangehenden eingeübt werden, wobei die nachfolgenden analogen Beispiele eine brauchbare Grundlage bieten können, wenn sie mit dem entsprechenden Kontext verwendet werden: DEUTSCH
FRANZÖSISCH
neugierig (GKM 1986:10) humorig (GH 1985:9) kräftig (GH 1985:26) vernünftig (BAC 1963:30) freudig (BZP 1977:5) vernünftig (BZP 1987:19) geduldig (BZP 1977:20) kräftig (BZP 1977:20) vorsichtig (BZP 1977:21) unruhig (BAC 1963:67) freudig (BZP 1977:5) traurig (BZP 1977:12) prächtig (BZP 1977:20) schwermütig (BZP 1977:23) traurig (BZP 1977:24).
curieux (GCS 1962:17) Präp.+Subst.(GAC 1965:10) robuste (GAC 1965:30) [Paraphrase] (BG 1964:31) joyeux (BTP 1987:9) raisonnable (BTP 1987:22) patient (BTP 1987:23) puissant (BTP 1987:23) prudent (BTP 1987:24) [Paraphrase] (BG 1964:64) joyeux (BTP 1987:9) triste (BTP 1987:19) fameux (BTP 1987:28) molancolique (BTP 1987:33) disoli (BTP 1987:34)
niederträchtig (BZP 1977:10) würdig (BZP 1977:12) traurig (BZP 1977:12) neugierig (BZP 1977:23) anständig (BZP 1977:28)
vil (BTP 1987:12) digne (BTP 1987:14) ennuyeux (BTP 1987:15) curieux (BTP 1987:27) convenable (BTP 1987:33)
SPANISCH [Paraphrase] (GGR 1980:19) festivo (GAP 1982:10) robusto (GAP 1982:27) razonable (BOP 1984:26) - (BTP 1982:7) razonable (BTP 1982:20) [Adverb] (BTP 1982:21) fuerte (BTP 1982:21) cauto (BTP 1982:22) inquieto (BOP 1984:56) sonriente (BTP 1982:7) triste (BTP 1982:17) excelente (BTP 1982:27) melancolico (BTP 1982:31) [Präp.+Adj.+Subst.] (BTP 1982:32) infame (BTP 1982:13) digno (BTP 1982:14) triste (BTP 1982:15) curioso (BTP 1982,24) decente (BTP 1982:28)
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Schnitt, Ch.
Auf diesen mußte hier aus Raum- und Zeitgründen verzichtet werden. Keine großen Probleme schaffen dürfte auch die Behandlung derjenigen Beispiele, bei denen die semantische Relation zwischen nominalem Bezugswort und -ig auf einem Vergleich beruht, im Sinne von 'sein wie'; hier ist tertium comparationis entweder (1) die Konsistenz eines Gegenstandes oder (2) die äußere Form eines Gegenstandes. (1) (...); nach einigem Reiben mit Sand und pulvrigem Mövenmist (...) (GKM 1986:14) (...); une fois frottoe avec du säble et du guano granuleux (...) (GCS 1962:23) Despuos de frotar un poco con arena y con excrementos de gaviota reducidos a polvo (...) (GGR 1980:26)
Weitere Belege, deren semantische Relation zwischen Basislexem und Morphem auf einem Vergleich beruht, enthalten die folgenden Stellen: schleimig (GKM 1986:6) kalkig (GKM 1986:6) schaumig (GKM 1986:6) kömig (GKM 1986:8) pulvrig (GKM 1986:14) mehlig (GH 1985:9)
glairewc (GCS 1962:9) crayeux (GCS 1962:9) visqueux (GCS 1962:10) grenu (GCS 1962:13) granuleux (GCS 1962:23) farineux (GAC 1965:10)
mucoso (GGR 1980:10) calcarea (GGR 1980:10) espumoso (GGR 1980:10) [Paraphrase] (GGR 1980:14) [Paraphrase] (GGR 1980:26) harinoso (GA 1982:10)
(2) Zwischen Kapitän Bronsard und Pastor Blech, (...), stürmt, (...) die riesige Majorin voran und reißt alle mit (...) (GH 1985:28) Entre le capitaine Bronsard et le pasteur Blech, (...), la colossale majoresse s'elance au pas de charge et donne la cadence ä tous! (GA 1965:32) Entre el capitän Bronsard y el pastor Blech, (...), se precipita al fronte la gjgantesca comandante, (...), y arrastra a todos los demäs. (GAP 1982:33).
Auch bei den nachfolgenden Beispielen bezieht sich der Vergleich auf die äußere Form eines Gegenstandes oder einer Person: käsig (GKM 1986:8) riesig (BAC 1963:49) riesig (BZP 1977:24) riesig (BZP 1977:7) massig (BZP 1977:28)
tfant
[Parenthese] (GCS 1962:13) (BG 1964:48) immense (BTP 1987:31) (BTP 1987:9) lourd (BTP 1987:39)
caseoso (GGR 1980:14) gigantesco (BOP 1984:42) immenso (BTP 1982:32) enorme (BTP 1982:11) macizo (BTP 1982:38)
Wichtiger als all diese Formen und Typen scheinen mir jedoch diejenigen Ableitungen zu sein, die aus Wortgruppen und/oder Komposita gewonnen wurden (vgl. Kempter 1985) und zur Bezeichnung einer materiellen Eigenschaft dienen. Die Bedeutung dieser Derivate erklärt sich nicht aus einer speziellen Funktion von -ig (das auch hier zur Bildung desubstantivischer Derivate in Funktion qualifizierender Adjektive dient), sondern aus der Tatsache, daß die Wortkombination im Deutschen besonders produktiv ist und sich synchroniser! aus Komposita in den romanischen Sprachen nur selten Ableitungen aus Komposita oder Wortgruppen bilden lassen. Die Derivate geben ein Vorhandensein der durch die Basis ausgedrückten Eigenschaft oder des Merkmals an, im Sinne von 'haben, versehen sein mit, oder voll von': flachdachig, doppelschomsteinig drücken eine Haben-Relation aus wie auch
Translatanafyse und Übersetzungsdidaktik
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(...), und schleppte zum Beweis die fünfbändige Christliche Mystik von Görres an. (BAC 1963:39) II en voyait la preuve dans la Mystique chrdtienne de Görres, en cinq volumes. (BG 1964:39) (...), y aporto como prueba la Mistica Cristiana en cinco tomos de Görres (BOP 1984:33),
während bei grünglasig oder dickglasig auch ein nachgestelltes präpositionelles Attribut, das ein adjektivisches Attribut einschließt, denkbar ist. (...), gebe der Ostsee die Farbe dickglasiger Seltersflaschen, (...) (GKM 1986:6) (...), je donne ä la Baltique la nuance de ce verre dpais dont on fait les siphons (GCS 1962:8) (...), confiero al Bdltico el color de vidrio grueso de las botellas de sifon (GGR 1980:9) (...); ein Kornschnaps (...), wurde aus beleibter grünglasiger Korbflasche abgefüllt (GH 1985:25) (...); on tirait d'une dame-jeanne ventrue une eau-de-vie de grain (GAC 1965:27) (...); un aguardiente de grano, (...), se llenaba a partir de una ventruda damajuana de vidrio verde (GAP 1982:29)
Die fehlende Strukturäquivalenz in den romanischen Sprachen läßt hier die Übersetzer meist zur Übersetzung mit Präpositionalgefüge für das deutsche Adjektiv greifen; für den Übersetzer weniger problematische Konvergenzen sind selten und betreffen fast immer den fachsprachlichen Bereich: Über den Himmel kroch langsam und laut ein dreimotoriges Flugzeug (GKM 1986:5) Devant le ciel, un trimoteur bruyant rampait avec lenteur (GCS 1962:7) Lento y sonoro cruzaba el cielo un trimotor, (...) (GGR 1980:7).
Hier ist leicht eine lehr- und lernbare Liste erstellt, die auch die übrigen strukturäquivalenten Einheiten erfaßt und sowohl die Fälle auflisten sollte, bei denen in beiden Sprachen adjektivische Ergänzungen auszumachen sind, wie z.B. schnauzbärtig (GKM 1986:14) viereckig (GKM 1986:10) pausbackig (GKM 1986:17) einarmig (GH 1985:11)
moustachu (GCS 1986:23) carre (GCS 1986:25) joufflu (GCS 1986:27) manchot (GAC 1965:12)
bigotudo (GGR 1980:26) cuadrangular (GGR 1980:29) mofletudo (GGR 1980:31) manco (GAP 1982:12),
wie auch diejenigen, bei denen Einwortentsprechungen nur in einer Sprache, in unserem Falle im Spanischen, vorliegen, wie z.B. breitschultrig (GH 1985:27) breitbeinig (GH 1985:12) weißhaarig (BAC 1963:27) sommersprossig (BAC 1963:34)
espaldudo (GAP 1982:30) esparrancado (GAP 1982:13) canoso (BOP 1984:23) pecoso (BOP 1984:29),
wo im Französischen mit aux larges epaules (GAC 1965:29), jambes ecartees (GAC 1965:13), ä cheveux blancs (BG 1964:28) und avec son visage de taches de rousseur (BG 1964:34) jeweils präpositionale Ergänzungen vorliegen. Auf diejenigen Fälle, bei denen die -ig-Derivate mit Hilfe von Präpositionalgefügen wiedergegeben werden, wird eine didaktische Übersetzergrammatik den Hauptakzent legen müssen, und dies aus zwei Gründen: zum einen finden sich solche Äquivalente nur ausnahmsweise im Wörterbuch, zum anderen weisen solche Lösungen dem Übersetzer vielfach bei der Suche nach Äquivalenten für Neologismen den Weg und erleichtern dadurch enorm die Entscheidung. In unserem Korpus kommen folgende Äquivalente vor:
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Schtnitt, Ch.
dickglasig (GKM 1986:6) gleichatmig (GKM 1986:8)
de ce verre Ipais (GCS 1962:8) au souffle egal (GCS 1962:12)
grünglasig (GH 1985:25) sechsstellig (BAC 1963:37) ßnfbändig (BAC 1963:39) schwanhaarig (BAC 1963:65)
- (GAC 1965:27) de six chiffres (BG 1964:37) en cinq volumes (BG 1964:39) aux cheveux noirs (BG 1964:64)
dreißigbändig (BAC 1%3:68) rotgesichtig (BZP 1977:21) flachdachig (BZP 1977:23)
en trente volumes (BG 1964:65) «M visage rouge (BTP 1987:29) «* toits plats (BTP 1987:33)
de vidrio grueso (GGR 1980,9) en el oleaje regular (GGR 1980, 13) de vidrio verde (GAP 1982, 29) de seis cifras (BOP 1984,31) en cinco tomos (BOP 1984, 33) de cabellos negros (BOP 1984, 54) en treinta tomos (BOP 1984, 57) de/ sonrosada (BTP 1982,27) de tejado piano (BTP 1982, 31),
zu denen noch eine Reihe von Adjektiven zu stellen ist, die Angaben über das Alter oder die Dauer ausdrücken: dreijährig (GKM 1986:14) neunjährig (GH 1985:10)
de trois ans (GCS 1962:22) - (GAC 1965:11)
neunjährig (GH 1985:10) achtjährig (BAC 1963:29) zehnjährig (BAC 1963:35) vierzigjährig (BZP 1977:23)
ä neufans (GAC 1965:11) (agt) de huit ans (BG 1964:30) de dix ans (BG 1964:35) d'wne quarantaine d'annies (BTP 1987:10) de deux anneej (BTP 1987:21)
zweijährig (BZP 1977:18)
de tres anos (GGR 1980:25) de nueve anos (de edad) (GAP 1982:11) de nueve anos (GAP 1982:11) de ocho anos (BOP 1984:25) de diez anos (BOP 1984:29) de cuarenta anos (BTP 1982:13) de dos anos (BTP 1982:20).
Es ist selbstverständlich, daß hier keine Äquivalenzlisten durch Patterndrill vermittelt werden sollen und daß die verschiedenen Entscheidungen professioneller Übersetzer stets mit genügend Kontext, d.h. mit ausreichendem äs Text und entsprechenden Paralleltextsegmenten vorgestellt, diskutiert und eingeübt werden sollten. In gleicher Weise vorzugehen ist auch bei den mit ähnlichem Bedeutungsprofil ausgestatteten Morphemen -lieh und -e(r)n, die aus semantischen Gründen zusammen mit -ig behandelt werden müßten.
4. Ergebnisse und Perspektiven Eine Übersetzungsdidaktik hat m.E. nur dann einen Sinn, wenn es gelingt, aus einer Summe partikulärer Erscheinungen operationalisierbare Erkenntnisse abzuleiten und durch die Vermittlung systematisierten Wissens die Übersetzerkompetenz zu erweitern und/oder zu verbessern. Es ist sicher ein Vorurteil, der Kontrastiven Linguistik nur beim Fremdsprachenerwerb eine zentrale Rolle konzedieren zu wollen und ihre Effizienz bei einer performanzorientierten Wissenschaft und Tätigkeit wie der des Übersetzens in Frage zu stellen, bevor ihre Tauglichkeit überhaupt systematisch überprüft worden wäre. Angesichts des gegebenen praktischen Anforderungsprofils für Übersetzer läßt sich - dies dürfte aus den obigen Ausführungen deutlich geworden sein - nicht mehr von der Hand weisen, daß die sprachenpaarbezogene Erfassung von minimalen Bedeutungseinheiten im Text bzw. im Paralleltext gute, brauchbare und damit lehrbare Äquivalenzen ermitteln läßt, mit deren Hilfe das Resultat des Übersetzungsprozesses optimiert werden kann. Was Cartagena/Gauger paradigmatisch und damit natürlich in noch unvollständiger Darstellung für das Spanische und das Deutsche mit ihrer Vergleichenden Grammatik geleistet haben (1989), muß für die übrigen deutsch-romanischen Sprachenpaare noch ausgeführt werden; dabei muß eine solche Übersetzergrammatik natürlich auch systematisch den gesamten Bereich der phrastischen und
Translatanalyse und Übersetzungsdidaktik
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transphrastischen Syntax und die Textlinguistik mit einbeziehen, da die dem Übersetzer sich stellenden Aufgaben nicht auf die Morpheme begrenzt bleiben. Natürlich stellen echte Paralleltexte weiterhin so etwas wie das absolute Ideal dar: Wer ein Gerichtsurteil ins Französische oder Spanische übersetzen will, muß auch bei bester Sprachkompetenz scheitern, wenn er nicht vorher Originaltexte in der jeweiligen Zielsprache gelesen hat. Für andere Bereiche gilt ähnliches, ohne Texterfahrung kann keine Textkompetenz entstehen; wie die Pragmatik zumindest ab einem bestimmten Niveau in den Fremdsprachenunterricht eingeführt werden muß, muß auch der Übersetzer mit den Gesetzen sprachlichen Handelns vertraut gemacht werden, die sich auf die Aktualisierung der kleinsten bedeutungstragenden Einheiten ebenso wie auf die Produktion von (Aquivalenz)Texten beziehen. Natürlich erfordert ein solches Prozedere von seilen des Wissenschaftlers einen hohen Einsatz, denn die Analyse von Paralleltexten wie den, wie sich hier einmal mehr gezeigt hat, äs und zs Texten ist in der Regel mit hohem Aufwand verbunden. Dem von mancher Seite gemachten Vorwurf, der akademische Übersetzerunterricht sei vielfach wirkungslos, könnte auf diese Weise entgegnet werden, hier sind in erster Linie Übersetzungswissenschaftler gefordert, endlich die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und der professionellen Übersetzung den ihr gebührenden Platz in der Lehre durch eine bessere Analyse und kritische Beschreibung einzuräumen. Nur durch die kontrastive Analyse auch der Sprachverwendung kann die übersetzerische Erfahrung des Fachmannes umgesetzt und für die Optimierung des Lehr- und Lernerfolgs aktiviert werden.
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Gerd Wotjak (Leipzig)
Interkulturelles Wissen und Sprachvergleich 0.1. Gegenwärtig ist nicht nur in der kognitiven Linguistik ein verstärktes Interesse an Fragen der Wissensrepräsentation wie der Klassifikation von Teilwissensmengen zu verzeichnen, scheint die Beschreibung der Beziehungen von (inter)kulturellem Wissen (O'kult), kommunikativem Wissen (O'komm) und sprachlichem Wissen (O'ling = Sprachbesitz / Systemkenntnis und Sprachverwendungswissen) aktueller denn je (dazu Techtmeier 1990, Wotjak 1991). O'ling erscheint dabei je nach zugrunde gelegtem restriktiven oder ausgeweiteten Gegenstandsverständnis von Linguistik als parente pauvre oder sdence-pilote der Sciences de l'homme (Greimas 1966) durchaus unterschiedlich umfassend bestimmbar. Dabei haben insbesondere durch die Einbeziehung der Sprachverwendungsdimension im Sinne einer Auffassung von Sprache als Handlung bislang seitens der Systemlinguistik unbeachtet gebliebene Handlungs- wie Vollzugs- / Glückensbedingungen, prozedurale Aspekte wie aber auch situative Voraussetzungen kommunikativ-sprachlicher Akte / Äußerungen und Aspekte der Handlungspartizipanten (Sender- wie Empfängerwissen und -einstellungen) in die sprachwissenschaftliche Beschreibung Eingang gefunden. 0.2. Die bedeutsame wie folgenreiche Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes linguistischer Beschreibung auf die Sprachverwendung hat ungeachtet einer zunehmenden Zahl von konfrontativ-, pragma- wie ethnolinguistischen / soziolinguistischen sowie auf einen Textvergleich orientierenden Untersuchungen (dazu u.a. House (1977), Janicki (1985), Paepcke (1986), Rauch/Rothkegel (1985), Thiel/Thome (1987), Stedje (1989), Schmitt (1991), Vermeer (1986, 1989), Wüest (1988 -vgl. weitere Beiträge in Linguistische Studien 176)) noch nicht generell und vollständig auf den in letzter Zeit weniger beachteten (weil systemorientierten?!) Sprachvergleich durchgeschlagen in dem Sinne, daß die konfrontative Linguistik (KL) in einem allgemeinen Konsens bereits ihren Gegenstandsbereich über den traditionellen Kernbereich, den Systemvergleich, hinaus auf einen Vergleich von Sprachverwendung, also bspw. von Texten, ausgeweitet hätte (vgl. dazu u.a. Wotjak 1987,1988,1988a, 1992). 0.3. Auch die kognitive Orientierung in der Linguistik ist noch relativ neu. So verwundert es auch nicht, daß im einzelnen durchaus noch Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, was alles an überindividuell vergesellschafteten Wissensbeständen einer Sprach- wie Kommunikationsgemeinschaft (und dementsprechend auch einer Kulturgemeinschaft, die wohl zugleich i.d.R. immer als Kommunikationsgemeinschaft in Erscheinung tritt) zu O'ling, was darüber hinaus zu O'komm und/oder zu O'kult gerechnet werden sollte. Immerhin besteht zumindest dahingehend Konsens, daß O'ling der bedeutsamste Teil von O'komm, also von letzterem inkludiert ist, wobei in das O'komm noch weitere Teilbereiche (bspw. alle paralinguistischen Mittel, aber auch Interaktionswissenskomponenten) eingehen, die der Wahl von Kommunikations- wie Diskursstrategien unter Berücksichtigung situativen wie partnerspezifischen Wissens vorgeschaltet sind (dazu Wotjak 1991). 0.4. Trotz des gerade in den letzten fünf Jahren enorm gestiegenen Interesses an Fragen des kulturellen Wissens im Umfeld multikultureller Gesellschaften wie von Akkulturationsproblemen und der Fremdheitslehre allgemein sowie kulturell bedingter Kommunikationsstörungen und deren Überwindung / Vorbeuge (es gibt beinahe keine sprachwissenschaftliche Tagung mehr, auf der nicht auch Aspekte der interkulturellen
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Kommunikation / Germanistik besprochen würden), ist sowohl die Gegenstandsbestimmung von Kultur - und damit die Bestimmung von Extension und Intension kulturellen Wissens - noch nicht einheitlich als auch die Beschreibung der Beziehungen dieser Teilwissensmenge in bezug auf O'komm wie O'ling noch unzureichend, was nachstehende Überlegungen noch weiter problematisiert. 1. O'kult als mehr oder minder vergesellschaftete Erfahrung, als kognitive Designatsklassen- / Prototypenbildung über ausgewählte Teilbereiche der sozialen Interaktion, macht als sogenanntes soziokulturelles Hintergrundswissen, als Kenntnis des social cultured background von Sprach- wie Kommunikationsgemeinschaften, einen gewichtigen Teil des sogenannten enzyklopädischen Wissens (Denotatswissens allgemein, vom - geteilten - Alltagswissen, über Sachwissen bis zum Fachwissen als Expertenwissen), aber auch des kommunikativ-prozeduralen Interaktionswissens aus. Da es sich beim O'kult auch in einem von uns nicht propagierten engeren Sinne - um einen mit sozialem Alltagserleben allen Interaktanten unmittelbar vertrauten und zudem kommunikativ-interaktional vergesellschafteten, geteilten und in hohem Maße disponiblen Wissensbesitz handelt, erfährt soziokulturelles Wissen gegenüber anderen Teilbereichen des enzyklopädischen Wissens in der Alltagskommunikation eine besondere Auszeichnung als allpräsentes Korrelativ, ja Normativ, sozialer Interaktion und Kommunikation. 1.1. Dabei ist es einer Erörterung der Wechselbeziehungen von sprachlichem und kulturellem Wissen nicht sonderlich förderlich, daß noch kein Konsens hergestellt wurde hinsichtlich dessen, was alles der "Kultur" zuzurechnen ist. So will uns scheinen, daß neben dem Bereich der Arbeitskultur als Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen, aber auch als Materialisierungen dieser Bestrebungen, letztlich alle Bereiche der sozialen Interaktion: Lebens- wie Wohnbedingungen bis hin zu weltanschaulich wie geschichtlich geprägten Sitten, Gebräuchen wie Wertevorstellungen und der Bereich der Kultur i.e.S. (= Sphäre wie Produkte des künstlerischen Schaffensprozesses) involviert sind, aber auch solche irgendwie "vage" Konzepte wie "Lebensart / savoir vivre, laissez-faire-Mentalität, Zeitgeist, Volkscharakter, aber auch Moralkodex etc., kurzum, alle Formen sozialer Interaktion wie die kognitiven und materialisierten Resultate derselben. Kulturelles Wissen partizipiert damit - wenn auch in unterschiedlichem Maße - an allen Teilkomponenten des Alltagswissens wie aber auch des kommunikativ-prozeduralen Wissens. 1.2. Wiewohl Kulturelles in einem weiten Verständnis faktisch alle Lebensbereiche sozialer Interaktion prägend wie normierend durchdringt und dabei Richtlinien für partner- wie situationsangemessenes Verhalten und Handeln, Leitbilder des Individualverhaltens wie Wertevorstellungen bereit hält, reduzieren sich Interaktionswissen wie vor allem enzyklopädisches Wissen nicht auf soziokulturelles Wissen allein. Dies gilt in bestimmtem Umfang selbst für solche Denotatsdomänen der Alltagswelt, in denen sich Kulturelles als Formen des Umgangs, des Lebens miteinander, besonders deutlich niederschlägt, wie bei Wohnen, Essen / Trinken; Freizeitgestaltung, Familienleben, Partnerbeziehungen, aber auch in Sitten und Gebräuchen. Andererseits gibt es innerhalb des (sozio)kulturellen Wissens als Kenntnis von a) Einrichtungen / Institutionalisierungen / Materialisierungen von kulturellen Aktivitäten und b) gesellschaftlich geprägten, normativen Formen sozialer Interaktion in den verschiedensten Denotatsdomänen / Bereichen der Alltagswelt (darunter bspw. als Spezialfall auch der Wissenschaftler- bzw. Politiker-Kommunikation; vgl. die sogenannte Kultur des politischen Meinungsstreites) auch anteilig Spezialwissen, so etwa aus der bildenden wie darstellenden Kunst, das im
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Unterschied zum sonstigen (sozio)kulturellen Wissen nicht nur weniger stark verbreitet und disponibel ist, sondern im Unterschied zum dominanten WIE-WANN-WOWOZU/WARUM-WER-WEM als den normativen Interaktions- wie Kommunikationsvorgaben für Alltagsverhalten und normgemäßes soziales Handeln auch fachwissenschaftliches (und nicht nur Alltags-)Wissen über das WAS beinhaltet. U. Kulturelles Wissen, sowohl als Wissen über kulturgeprägte Sachverhalte / Denotatsdomänen wie auch als kulturkreisgeprägte Wertungen / Einstellungen zu diesen Sachverhalten, zum WAS, sowie als kulturgeprägtes Handlungswissen (= soziales Interaktionswissen), findet seinen Niederschlag zum einen in Gestalt von sozio-kulturell prädeterminierten Wissensrepräsentationen (vgl. etwa das Restaurantszenarium, das Zahnarztskript der Künstlichen Intelligenzforschung). Zum anderen aber finden sich kulturkreisspezifische Wissenskomponenten auch sememisiert wieder als Bestandteil von vergesellschafteten und usualisierten Bedeutungen von Einzellexemen, Komposita wie auch von phraseologischen Mehrwortlexemen. 1.4. Kulturelles wird aber nicht nur direkt - bspw. sprachlich-lexematisch in Gestalt von Sememen und Konzeptualisierungen des WAS - kommunikativ-textuell relevant, sondern auch indirekt, auf vielfältig vermittelte Art (vgl. besonders unter 5.). Dabei dürfte sich der Einfluß von O'kult auf Sememe (und Lexeme) leichter nachweisen lassen als auf die Syntax oder gar noch auf weitere Ebenen des Sprachsystems. Außerdem scheint es auf der Hand zu liegen, daß Kulturelles auch nicht allein verantwortlich gemacht werden sollte für sprachliche Divergenzen (und Kongruenzen) im System und in der Sprachverwendung. 2. Interkulturelles Wissen setzt den kompletten oder zumindest anteiligen Besitz an je kulturgemeinschafts- bzw. kulturkreisspezifischem (sozio)kulturellem Hintergrundswissen voraus, impliziert also die Existenz unterschiedlicher, wenn auch möglicherweise nicht völlig disjunkter, sondern zumindest partiell überlappender Teilwissensuntermengen des enzyklopädischen Wissens wie aber auch einen über Vergleich angeeigneten Teilbestand des punktuell kontrastierenden sozialen Interaktionsverhaltens wie der (abweichenden) Wertevorstellungen und materialisierten Produkte kultureller Aktivitäten zwischen der eigenen Kulturgemeinschaft Kl und der fremden, anderen Kulturgemeinschaft K2. Dabei setzt Kenntnisnahme fremden Kulturbesitzes (insbesondere der Normative / Regulative sozialen Interaktionsverhaltens = Sitten, Gebräuche, educacion formal etc.) die grundsätzliche Bereitschaft zum Vertrautmachen mit z.T. stark abweichenden und eher unbewußt und unreflektiert wegen seiner Fremdheit abgelehnten Sitten und Gebräuchen, des Moralkodex etc. sowie ein hohes Maß an Toleranz voraus, nicht aber - selbst bei selbstverständlicher Befolgung der Landessitten - eine prinzipielle Akzeptanz, ein Sichzueigenmachen als künftig gültige Richtschnur für das eigene Interaktionsverhalten. Immerhin würde ein für die bestehende Sozialisation unproblematischer individueller Interaktionsverhaltenswechsel vom im gesellschaftlichen Interaktionsrahmen der Kl dominanten Kl-Regulativ zum abweichenden K2-Regulativ, falls er sich in sozial überprüfbaren Verstößen gegen das Kl-Verhalten manifestiert, nur zu unangenehmen Ablehnungsreaktionen der K l-Gemeinschaft führen. Dabei erschiene ein prinzipieller gesamtgesellschaftlicher bzw. Kl-gemeinschaftlicher Wandel der Sozialisierungsnormative sicher langwierig und schwierig, aber durchaus auf längere Sicht bei entsprechender zunehmender sozialer Akzeptanz möglich. Prinzipiell kann eine KZBeeinflußung der Kl-Gemeinschaft ähnlich einer LZ-Interferenz in der Muttersprache (vgl. die gegenwärtig zu beobachtenden Übernahmen von Englisch in 1992 für 7992 im Deutschen oder auch die Akzeptanz der Bedeutung verstehen, begreifen für realisieren
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über das Englische - dazu M.Wandruszka 1979) nicht ausgeschlossen werden. Sie ist jedoch bei kulturell geprägten Sozialisationsnormen, die zu einer noch tieferen, unbewußteren und einstellungsprägenden Schicht des Wissens gehören als das Sprachwissen, noch weniger wahrscheinlich als bei sprachlichen Fakten. So stößt auch eine Kl-Normenübertragung auf einen L2-, seltener Ll-Kommunikationsakt in einer K2- Gemeinschaft (es gibt auch kulturelle Normabweichungen innerhalb einer Sprachgemeinschaft, insofern man bspw. die Jugendsprache im Deutschen oder Spanischen nicht als eigene funktionale Sprache betrachtet - dazu Wotjak 1992a) auf stärkere Zurückweisung als ein interferenzbedingter Verstoß (= Übertragung der Ll-Sprachnormen) gegen die L2Normen. 2.1. Die Analogie zwischen Kulturkomparatistik als einer sich gegenwärtig verstärkt entwickelnden Disziplin (etwa als Teil einer vergleichenden Völkerkunde, wie sie im Hinblick auf gut bekannte und nicht eben neu entdeckte, exotische Völkerschaften bislang noch kaum praktiziert wurde) und KL als einer alles in allem besser entwickelten Disziplin könnte als Voraussetzung für eine Beschreibung interkulturellen Wissens zu spezifizierten Problemstellungen für eine Kulturanthropologie führen wie auch durch den Vergleich von Kl- und K2-Wissensbeständen wichtige Teileinsichten für sozialpsychologische Untersuchungen (vgl. die Völkerpsychologie) liefern. Bei vorsichtigem Rekurs auf Methoden wie Grundprämissen des Sprachvergleichs könnte u.a. als überdenkenswert herausgestellt werden: a) neben K2-Interferenzphänomenen und deren Langzeitwirkung auf das Kl-Wissen sollten auch einzelkulturkreisübersteigende Kl- wie K2-Gemeinsamkeiten / Kongruenzen als möglich erachtet werden und dies nicht nur im Sinne sehr generischer biologischer Regulative (Notwendigkeit der Ernährung, Fortbewegung, Fortpflanzung etc.), sondern auch in Gestalt gesellschaftsformationsunspezifischen, allgemeinmenschlichen Sozialverhaltens wie von Übereinstimmungen in Grundnormativen des kulturell geprägten (bspw. durch die Moralprinzipien von Weltreligionen) sozialen Interaktionsverhaltens, also als eine Art Universalien menschlicher Zivilisation und zwischenmenschlichen Interaktionsverhaltens; b) die Frage nach dem Tertium comparationis (Tc) beim Kulturvergleich sowie c) die Notwendigkeit einer vorgängigen detaillierten Beschreibung des je kulturkreissp'ezifischen Wissens (von Kl, K2 bis zu Kn) mit einem gleichen, zumindest aber vergleichbaren Methoden- wie Terminusinventar unabhängig voneinander und seine nachfolgende Abbildung aufeinander, wobei sinnvollerweise immer zunächst ausgewählte Teilbereiche / Designatsdomänen, Wissen über spezifische Denotatsdomänen (Wohnung, Ernährung, etc.), miteinander verglichen werden sollten. 2.2. Dabei gehört - wie auch beim Sprachvergleich zum interlingualen Wissen (bspw. zum Gegenstand einer konfrontativen Lexikologie) - zum interkulturellen Wissen nicht nur das Wissen um abweichende K2-Regulative gegenüber den dominanten Kl-Regulativen (dem dominanten Ll-muttersprachigen Wissen vergleichbar), nicht nur die sicher besonders relevante Kenntnis der starken oder auch schwachen Kontraste, sondern auch das Wissen darum, daß in Teilaspekten die sozialen Interaktionsregulative von Kl- und K2-Gemeinschaft übereinstimmen, also hier keine Gefahr eines partner- wie situationsunangemessenen Sozial- wie Kommunikationsverhaltens eines Kl-Angehörigen in einer KZ-Gemeinschaft bzw. umgekehrt zu befürchten ist. In diesem Kontext wären bspw. die virtuell als universell betrachteten kommunikativen Maximen und konversationellen Implikaturen von Grice auf ihre Allgemeingültigkeit bzw. etwaige kulturkreisspezifische Präferenzen zu überprüfen. Für die Herausstellung von starken wie schwachen Kontrasten dürfte sich u.a. die sogenannte Linguolandeskunde besonders eignen; hier könnte
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etwa besonders an die Herausarbeitung eines linguolandeskundlichen Netzwerks von Kernkonzepten (= Schlüsselbegriffen, keywords etc.) für den Sprachvergleich gedacht werden, das Leerstellen ebenso deutlich macht wie konzeptuell-sememische Divergenzen ausgewählter Konzepte/ Schlüsseltermini und der sich darum anordnenden Wissensrepräsentationen im Sinne von Szenarien, Szenen bzw. Frames / Skripts. 2.3. Zwar scheint kulturkreisspezifisches Wissen (Kl- bzw. K2-O'kult) wie die Ausbildung der dafür typischen Interaktionsverhaltensregulative ebenso wie soziale Interaktion prinzipiell ohne O'komm und letztlich ohne O'ling nicht denkbar und ist eine weitgehende Deckungsgleichheit von Kulturgemeinschaft und Kommunikationsgemeinschaft anzunehmen. Doch gibt es durchaus auch Formen des Kennenlernens, des Erwerbs von K2-Interaktionswissen, einschließlich bestimmter Regulative / Normierungen, allein über die - visuelle - Beobachtung des Normvollzugs, etwa von Eßgewohnheiten bei Europäern und Japanern, d.h. ohne direkte Beteiligung kommunikativer und sprachlicher Faktoren. Umgekehrt muß eine bestimmte Kommunikations- wie Sprachgemeinschaft nicht automatisch zugleich auch eine bestimmte Kulturgemeinschaft sein. Das kulturelle Wissen, soziokulturelle Verhaltensweisen wie kulturgeprägte Wertevorstellungen können sich durchaus auch bei mehreren unterschiedlichen Sprachgemeinschaften weitgehend decken, bzw. es kann innerhalb einer Sprachgemeinschaft unterschiedliche Kommunikations- wie Kulturgemeinschaften geben. Rezeption fremder Kultur, Erwerb interkulturellen Wissens setzt also nicht per definitionem auch voraus, daß die KZ-Gemeinschaft einer anderen Sprachgemeinschaft angehört wie die Kl-Gemeinschaft, wiewohl dies häufig genug selbst innerhalb genetisch verwandter und benachbarter Sprachen und einer (west)europäischen, abendländischen (vorrangig christlich geprägten) Kulturgemeinschaft, wie Spanien, Frankreich, Italien, aber auch Deutschland, der Fall ist. 2.4. Eine Beschreibung interkulturellen Wissens involviert nur insoweit auch interlinguales Wissen und ist damit für einen Sprachvergleich relevant, wie Beziehungen direkter und vermittelter Art zwischen Kulturellem und Sprachlichem bestehen. Ganz in diesem Sinne ist bei der je einsprachigen Beschreibung von Ll- wie LZ-Phänomenen als Vorleistung für den Sprachvergleich zu ermitteln, welche sprachlichen Phänomene total bzw. partiell anteilig als kulturell (kulturkreisspezifisch) geprägt betrachtet werden müssen. Für den Sprachvergleich bzw. die Erlernung der L2-Fremdsprache sind Kl- wie K2gemeinsame kulturelle Prägungen letzlich weniger von Belang, kulturkreisgeprägte Abweichungen dagegen sehr wohl von Bedeutung. Dabei können sich solche Abweichungen ergeben, daß in der Ll vorhandene Kl-spezifisch geprägte LE für die LZ-KZ-Gemeinschaft nicht gegeben sind (Fehlstellen bzw. soziokulturelle Ll-Kl-Realien mit Nulläquivalenz auf der lexikalischen LZ-Systemebene) bzw. auch umgekehrt oder aber daß sie in unterschiedlicher Relevanz wie Intensität gegeben sind, daß sie sich in abweichendem Sprach- wie Kommunikationsverhalten (Vermeiden von direkter Bezeichnung spezifischer Sachverhalte / Denotatsdomänen bzw. Kommunikationsintentionen, bspw. des ABLEHNENS wie des AUFFORDERNs) bzw. bevorzugt übertragener Verwendung von Bezeichnungen ausgewählter Denotatsdomänen in der Alltagskommunikation (bspw. von maritimem Vokabular bei Inselvölkern) manifestieren. 3. Noch sind die Beziehungen zwischen sprachlichem und kulturellem Wissen nicht hinlänglich genug beschrieben, ist speziell noch nicht hinreichend geklärt, inwiefern sich kulturell geprägte Aspekte auf allen Ebenen der Sprache, sowohl in system- wie verwendungsorientierter Sicht, gleichermaßen nachweisen lassen. Besonders problematisch erscheint die Frage, ob nicht letzlich alle sprachspezifischen Abweichungen von
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Einzelsprachen, zumindest aber das Idiosynkratische an der Bedeutung lexikalischer Einheiten, sowie hinsichtlich der präferenten Verwendung bestimmter morphosyntaktischer Mittel (z.B. von Passiversatzformen im Spanischen und häufiger Personalisierung dazu W. Friedrich 1977), auf kulturelle Faktoren in einem weiten Sinne zurückgeführt werden können und ob sich darin bspw. u.a. Völkerpsychologisches manifestiert. Solche Annahmen, so anregend sie für die Forschung zur Interrelation von O'kult und O'ling auch sein mögen, sind allerdings gerade in dem zuletzt skizzierten Sinne als völkerpsychologische Charakterologie in besonderem Maße mit Vorsicht zu handhaben. Zumindest dürfte daraus nicht selbstverständlich geschlußfolgert werden, daß das interlingual Übereinstimmende, das Übereinzelsprachliche an der Bedeutung von LE (dazu Wotjak 1987a), dann automatisch zum Kl- / K2- geteilten O'kult gehört, kann es sich dabei doch um geteiltes vergesellschaftetes Bedeutungswissen zwischen Ll- und L2-Gemeinschaft handeln, das auf Übereinstimmungen hinsichtlich der Konzeptualisierung von "nichtkulturellen" Denotaten bzw. auf nichtkulturell geprägte Konzeptualisierungen zurückgeht. 3.1. Wenn wir die Interrelationen von Sprachlichem und Kulturellem betrachten, so genügt es nicht, der anteiligen Repräsentation von O'kult in O'ling (auf verschiedenen Ebenen) nachzuspüren, was im folgenden unter interlingual kontrastivem Blickwinkel geschehen soll, sondern es müssen auch der Anteil von Sprache beim Auf- wie Ausbau interkulturellen Wissens, das Phänomen der Sprachkultur, aber eben auch des kulturkreisspezifischen Umgangs mit Sprache betrachtet werden. 32. O'kult liegen dabei im wesentlichen die nachstehenden zwei Phänomene zugrunde: (i) Es handelt sich um kulturkreisspezifisch (abweichend) geprägte Sachverhalte, unterschiedlich differenzierte und normierte soziale Interaktionshandlungen, d.h. es geht um soziokulturelle Denotatsdomänen des Alltagslebens, deren kulturkreisspezifische Abweichungen sich in den Bedeutungen von LE (3.4.1. - 3.4.3.) bzw. in entsprechenden Wissensrepräsentationen, also etwa in divergierenden Szenarien / Skripts des Restaurantbesuchs, des Zahnarztbesuchs etc. (vgl. auch 3.4.5.), reflektieren. (ii) Es handelt sich um Denotatsphänomene, nicht nur aus dem soziokulturellen Bereich, die eine kulturkreisspezifisch abweichende Bewertung als pejorativ / positiv, angemessen bzw. unangemessen, erfahren (Kl- bzw. K2-Wertevorstellungen, abweichende Leitbilder für Sozialverhalten), wobei diese Einstellungsmarkierungen (vgl. 3.4.4. und Beispiel 5) entweder in die Bedeutung der LE eingehen oder aber das kommunikative Potential der betreffenden LE (dazu G.Wotjak 1991a) nicht unwesentlich beeinflußen. Außerdem können solche ausgewählte Denotatsphänomene hinsichtlich der Relevanz und dem Vertrautheitsgrad von Kl- zu K2-Gemeinschaft unterschiedlich beurteilt werden. So können bspw. abweichende Sportarten als Lieblings-/ Volkssportarten markiert sein - in Kuba bspw. Baseball, woraus sich u.a. auch eine sprachliche Bevorzugung von sportsprachlichen Wendungen aus diesem Bereich in der Alltagskommunikation, aber auch eine abweichende funktionale Heraushebung (Lieblingssportart, Vertrautheitsgrad - vgl. in Spanien die corridas und die Bevorzugung taurinen Vokabulars auch für andere Designatsdomänen) der LE beisbol, Kricket für Großbritannien, etc. ergibt. Ähnlich ist die K l-spezifische konnotative Information "Volksnahrungsmittel", Beliebtheit als Grundnahrungsmittel für Kartoffel in Deutschland (schon in Österreich dürften ihr bspw. die Knödel den Rang streitig machen), durchaus nicht in gleichem Maße mit aktualisiert bei papa in Kuba (wo die Kartoffel nach wie vor eher als Gemüsebeilage, als "Ersatz" für Reis, betrachtet wird). 33. Kulturelles manifestiert sich im Umfeld des Sprachlichen im wesentlichen auf folgenden Ebenen und in folgenden Erscheinungsformen :
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I. auf der Ebene der Lexik (insbesondere der Inhaltsebene - 3.4.-3.S.); II. auf der Ebene der Syntax (4.) sowie III. auf der Ebene der Sprachverwendung (5.). 3.4. O'kult als Wissen über soziokulturelle Denotatsdomänen bzw. kulturell spezifisch geprägte, normierte Teilaspekte solcher Denotatsdomänen aus dem Alltagsleben, aber auch als kulturell geprägte Bewertungen / Einstellungen zum entsprechenden sozialen Interaktionsverhalten (Osoz - dazu G. Wotj'ak 1986), findet auf der lexikalischen Ebene seinen Niederschlag zum einen in den Bedeutungen der LE, und zwar: 3.4.1. in den Bedeutungen der LE als Ganzes, d.h. in den denotativen Bedeutungskernen, den Basispropositionen der Sememe (dazu Wotjak 1987c, 1989), in die sozialisiertes, usualisiertes geteiltes Wissen soziokultureller Sachverhalte synchron relativ invariant eingefroren ist; hier können soziokulturelle Realienlexeme vorliegen, wobei die K2/ LZ-Leerstellen u.a. durch Entlehnung des Ll-"Kulturems" ausgefüllt werden können; vgl. Samowar, Sputnik; Gemütlichkeit; Esprit etc. Hierher gehören aber auch solche - internationalisierten - Fachtermini wie Rezitativ und Arie, Scherzo etc.; 3.4.2. in den Bedeutungen, den Sememen, aber nunmehr als Teil der denotativen Basisproposition im Sinne einer spezifizierenden, konkretisierenden Denotatsbestimmung (vgl. l, aber auch 3.6.); (1) Schwedisch farmor / marmor - Deutsch Großmutter väterlicherseits / mütterlicherseits; Spanisch hijos / ninos - Deutsch Kinder (eigene /fremde), wobei im Kontext / Text im Deutschen die in der L2 lexematisch relevanten, durch abweichende LE signalisierten Spezifizierungen entweder mitgeliefert oder aber nur einmal mittels spezifizierender LE signalisiert, nicht etwa aber an jeder Stelle wiederholt werden können / müssen; 3.4.3. in den Bedeutungen, den Sememen der LE, allerdings nunmehr nicht mehr als Teil des denotativen Kernes, sondern als denotativ-klassematische Bestimmungen des Argumentenpotentials der Basisproposition (2), als kulturspezifische Spezifikation von Argumentvariablen (3) oder aber als kulturspezifisch geprägte Modifikatorseme, die das jeweils Idiosynkratische der Bedeutung der betreffenden LE konstituieren (vgl. 4); (2) Vgl. die klassematischen Unterschiede - < Animate > als Hyperonymsem / Seinachse zur Semalternation bzw. -beider semantisch-denotativen Charakterisierung des AGENS-Arguments von manger / comer sowie boire / beber gegenüber dem Deutschen essen /fressen sowie trinken /saufen; in diachroner Sicht dürften kaufen, verkaufen, schenken etc. wie auch seine romanischen Entsprechungen als semantisch-denotative / klassematische Spezifikation zusätzlich zur gegenwärtig eingeschränkten Bestimmung des z-PATIENS-Arguments als vs. < Animate/Hum > auch die klassematische Charakteristik als zugelassen haben (bspw. als gesellschaftlich wie juristisch sanktionierter Besitz an Menschen in der SklavenhalterOrdnung). (3) Wird in die Basispropositionsbeschreibung von essen das z-Argument als INSTRUMENT als konsumtiv für den Sachverhalt des Essens betrachtet, so scheint dieses je nach Kulturgemeinschaft, bspw. Japan im Kontrast zu Europa / Amerika, in einem Fall als < Messer und Gabel >, im anderen Fall als < Stäbchen > spezifiziert. (4) Vgl. Schwedisch drinkä pe bit / pe bat, wobei in diese lexematisch signalisierte Differenzierung eine solche des für den Deutschen exotisch anmutenden Alltagsverhaltens beim Kaffeetrinken eingefroren erscheint: wird doch der Kaffee auf die Untertasse gegossen und von dieser durch ein Stück Würfelzucker, das zwischen die Zähne geklemmt wird, geschlürft (vgl. ähnliches Vorgehen beim Teetrinken im Kaukasus); 3.4.4. in den Bedeutungen als wertende, konnotative Seme bzw. als konnotative Angaben im Rahmen des kommunikativen Potentials der LE, wobei bspw. kulturkreisabhän-
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gig Schweine als unrein, Kühe als heilig, Alkoholika als sündhaft gewertet werden (vgl.auch 5) (5) Bier, papas; Tequila; Wermut (-trinker); die Grünen etc. oder zum anderen 3.4.5. in dem durch die LE über ihre Bedeutungen evozierten enzyklopädischen Sachwissen. Dabei fällt eine Grenzziehung zwischen noch zum Semem gehörendem vergesellschaftet eingefrorenem Denotatswissen und bereits darüber hinausweisendem zusätzlichen und dabei oft nicht weniger vergesellschaftet geteiltem enzyklopädischen Sachwissen nicht leicht, ja ist eine solche Unterscheidungsmöglichkeit / -notwendigkeit auch prinzipiell in Frage gestellt worden (dazu Bierwisch 1983, Viehweger 1987, Wotjak 1987b). Als ein Beispiel möge Abendessen, cena dienen; beide LE weisen neben semantisch-denotativen Gemeinsamkeiten u.a. die kulturbedingt abweichende Sachinformation auf, daß in spanischsprachigen Ländern abends i.d.R. ein warmes Essen, in Deutschland dagegen überwiegend ein kaltes Essen angeboten wird; vgl. u.a. auch die zwischen K l-und K2-Gemeinschaften nicht deckungsgleichen Wissensrepräsentationen Szenarien, Skripts wie Szenen - hinsichtlich Stierkampf. Baseball. El Rocio etc., aber auch hinsichtlich dessen, was man in Frankreich oder Spanien unter "Brot" pain, pan versteht, d.h. auf welche wie geformte und zusammengesetzte Gegenstände referiert wird. Im Unterschied zur Kl-Deutschland (Brot aus Roggen, eher dunkel, nicht in Baguetteform) wird im K2-Wissen romanischer Völker "Brot" stets automatisch als Beigabe zu jedem Essen auf den Tisch gestellt. Dennoch weisen Kl- und K2-Wissensrepräsentationen für "Brot" Übereinstimmung in folgenden Bedeutungsmerkmalen < Lebensmittel >, < Grundnahrungsmittel >, auf; vgl. aber auch welche spezifische Rolle der Wein in diesen Ländern spielt und welche Rituale bspw. bei der Wahl eines angemessenen Weins für eine Speise in Frankreich "zelebriert" werden; 3.4.6. in Gestalt sogenannter Symbolbedeutungen, d.h. bspw. der vergesellschafteten Umdeutung des Farbwertes als kulturkreisspezifisches Kennzeichen für Trauer bei schwarz (im christlich-abendländischen Kulturkreis) gegenüber weiß (als Kennzeichnung für Trauer in anderen Kulturkreisen). 3.5. Inwiefern diatopisch relevante Veränderungen hinsichtlich der Präferenz einer ausgewählten semantischen MikroStruktur (der acepcion 16 des Diccionario de la Real Academia) aus der semantischen Mediostruktur der polysemen spanischen LE coger und die damit einhergehende Blockierung / Tabuisierung der Verwendung dieser LE im mexikanischen Spanischen (dafür übernehmen andere LE die bspw. in Spanien wie aber auch in Kuba dominanten Bedeutungen von coger, so agarrar) auf Kulturspezifisches zurückgeführt werden können, erscheint beim gegenwärtigen Kenntnisstand zwar nicht wahrscheinlich, kann aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Deutlich aber wird an diesem Beispiel die "Macht" kulturgeprägten Tabus für Sexuelles, das zu einer ganzen lexikalisch semantischen Kettenreaktion zu führen vermag (vgl. zum Tabu auch den Ersatz von huevos durch blanquillos im lateinamerikanischen Spanisch sowie von papaya in den westlichen Dialekten Kubas durch fruta bomba , während papaya durchaus in Oriente verwendet werden kann). 3.6. Kulturelles spiegelt sich auf lexikalischer Ebene aber auch in unterschiedlicher Dichte der lexikalischen Besetzung von ausgewählten Denotatsbereichen, im abweichenden LE-Bestand lexikalisch-semantischer Felder (paradigmatischer semantischer Makrostrukturen), die ihrerseits Konsequenzen haben für die semantischen Mikrostrukturen der Feldbestandteile (- vgl. Verben der Fortbewegung im Deutschen und in den romanischen Sprachen und die konkretere bzw. abstraktere Bedeutung \ongehen und ir,
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aller, andare, a merge; Englisch to go). Hierher gehört bspw., daß die Gauchos über 200 unterschiedliche LE für Pferde verwenden (wie Mounin 1963 zeigte, tun dies französische Pferdezüchter auch, während der "Normalsprecher" mit weitaus weniger LE auskommt); besonders aufschlußreich für kulturgeprägte lexikalische Differenzierung ist die im Englischen übliche, sich im Rückgriff auf unterschiedliche Sprach- wie Kulturgemeinschaften manifestierende Differenzierung in Tierbezeichnung und Bezeichnung für eine Speise aus dem Fleisch dieses Tieres: sheep /mouton. 3.7. Kulturelles widerspiegelt sich desweiteren im Vorhandensein von Entlehnungen, wobei deren Frequenz und Denotatsdomänenbezogenheit ein Indiz für empfundene LE-Defizite in der entlehnenden Sprachgemeinschaft wie auch ein Zeichen für die zeitweilige, partielle kulturelle (wissenschaftlich-technologische) Überlegenheit der Sprach/ Kulturgemeinschaft ist, aus der die Entlehnungen vorgenommen wurden; z.B. zahlreiche Entlehnungen aus dem Englischen, insbesondere aus dem Bereich der Elektronik / Informatik, nicht nur ins Spanische, sondern auch ins Deutsche, ja selbst ins Französische, wo bewußt gegenzusteuern versucht wird (bspw. statt software - logiciel). Dabei ist eine präferente Entlehnung aus einer bestimmten Sprach- wie Kulturgemeinschaft nicht nur Indikator für ein entsprechendes "kulturelles" Defizit, sondern auch ein Zeichen für besonders enge kommunikative wie ökonomische und politische Kontakte. 3.8. Nicht selten verbinden sich spezifische kulturelle Bewertungen / Assoziationen im Sinne von das kommunikative Potential von LE mitprägenden Konnotationen auch mit diatopischen (aber wohl auch diastratischen und diaphasischen) Markierungen von LE (etwa die Sprechercharakterisierung der Berliner als "schnoddrig, schnurzig, direkt, leicht großspurig, wenn auch mit Herz", was erst der Eliza Doolittle in My fair Lady das richtige sprachliche Gewand gegeben hat; die ursprüngliche Wiedergabe des englischen Slang durch das Wienerische brachte mit der Personencharakteristik unvereinbare Bewertungen wie "gemütlich, gesellig, konziliant" etc.; vgl. auch die Konnotation bäurischer Redeweisen als "linkisch, unbeholfen"; vgl. die Bewertung des Bayerischen als "urig, kernig, erdverbunden und temperamentvoll"). 4. Auf der Ebene der Syntax wird eine Einwirkung kultureller Faktoren wesentlich schwieriger nachweisbar; immerhin könnten sich theoretisch u.a. dann kulturgeprägte Abweichungen syntaktischer Aspekte ergeben, wenn in Kl- wie K2-Gemeinschaft jeweils kulturell unterschiedliche Argumentspezifikationen vorliegen oder sich andere Präferenzen hinsichtlich der üblichen Belegung der Argumentvariablen der im übrigen weitgehend identischen Sememe von Ll- und L2-LE ergeben; kann daraus doch eine Abweichung hinsichtlich der Aktantifizierungsnotwendigkeit entstehen. Große Vorsicht ist aber am Platze, damit nicht vorschnell syntaktische Abweichungen auf kulturelle, gar völkerpsychologische Divergenzen zurückgeführt werden, damit nicht etwa aus dem Vorhandensein generischerer Verben zum Ausdruck der Fortbewegung in den romanischen Sprachen, aber auch im Englischen, gegenüber spezielleren Verben im Deutschen, aber auch im Russischen / Slawischen, vorschnell auf eine Charaktereigenschaft wie "kühler Rechner" geschlußfolgert wird. Während kulturelle Faktoren bei der in diachroner Sicht erst relativ späten Entstehung von hypotaktischen Konjunktionen (etwa als Reflex der zunehmenden Komplexität des Wissens) direkter dingfest gemacht werden können, ist ihre Wirkung auf die Syntax im allgemeinen - falls überhaupt nachweisbar - wesentlich stärker vermittelt; so u.a. beim faktischen Ausfall der spanischen Anredeform vosotros und ihrem Ersatz durch Uds. (bzw. teilweise vos) im lateinamerikanischen Spanisch.
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5. Relativ deutlich wird der Einfluß von O'kult auf O'ling (wie O'komm) auf der Ebene der Sprachverwendung. Dabei zeigen sich kulturelle Normierungen zum einen bereits präkommunikativ, d.h. noch im Vorfeld einer kommunikativen Handlung, zu der es bspw. dann nicht kommen muß (5.1.); zum anderen kommunikativ beim Produzieren von partner- wie situations- wie textsortenangemessenen Äußerungen (5.2.). Für ein Gelingen der Kommunikation wie für das Aufzeigen von Glückensbedingungen kommunikativer (sprachlicher) Handlungen letztlich gleichermaßen relevant wie die unter 5.1., 5.2. ff. aufgezeigten sprachlichen (und kulturgeprägten) Phänomene wäre in kommunikativer sowie postkommunikativ-perlokutiver Sicht gewiß auch die Rezeptionsperspektive sprachlich-kommunikativer Äußerungen sowie die Herausstellung von kulturgeleiteten Reaktionen verbaler oder extraverbaler Art, auf die wir an dieser Stelle jedoch nicht näher eingehen wollen. 5.1. Kl- wie K2-Sprecher können präkommunikativ 5.1.1, die Notwendigkeit / Angemessenheit, eine kommunikative Handlung unter den gegebenen Bedingungen (spezifischer psychologischer wie physiologischer Zustand des Kommunikationspartners/intendierten Empfängers / Adressaten bzw. die von diesem vollzogeneHandlung) zu beginnen, unterschiedlich beurteilen, d.h. es vorziehen zu schweigen oder aber im kulturellen K2-Verständnis (etwa der Schweden) unangemessen über das Verhalten, die Handlung vom K2-Adressaten zu richten (Deutschen wird eine Neigung zum Sicheinmischen mit erzieherischer Absicht nachgesagt - dazu Stedje 1989). Kulturgeprägte Divergenzen zwischen K2- /L2- und Kl- / Ll-Gemeinschaft würden sich hier manifestieren im Reden, wo Schweigen aus K2-Sicht situationsangemessener wäre. 5.12. Aber auch ein umgekehrtes kulturmustergeprägtes Kommunikations(Rede)verhalten kann als situations- bzw. genauer partnerunangemessen, dem dominanten K2Sprecherrollenverhalten nicht angemessen, betrachtet werden: Schweigen, wo Reden aus K2- / L2-Sicht angebracht erscheint: so etwa der Gebrauch von piropos im Spanischen, besonders im kubanischen Spanisch. Hier wäre der Verzicht auf ein mehr oder minder originelles bzw. auch stereotypisiertes piropo durch Männer, die sich damit an vorbeigehende Mädchen wie Frauen wenden, gleichbedeutend mit einer Geringschätzung von deren Persönlichkeit / Attraktivität. Dabei kann sich im kulturell geprägten Phänomen des piropo als Spezialfall von Anredeverhalten gewissermaßen doppelt, potenziert Kulturelles niederschlagen, spiegelt sich doch bspw. bei einem piropo wie Esias por la libre o estaspor libreta? die Spezifik der kubanischen sozioökonomischen Situation / Lebensweise wider. 5.13. Andererseits können seitens Kl- wie K2-Gemeinschaft jeweils abweichende Kommunikationsgegenstände/Themen - zumeist noch alters- wie geschlechtsmäßig differenziert (bspw. unter Männern, eventuell sogar unter Frauen, aber nicht zwischen Männern und Frauen; nicht in Präsenz von Minderjährigen etc.) - bevorzugt oder auch tabuisiert sein, was zum Vermeiden von Gesprächen über solche Themen führt. 5.1.4. Kulturelles beeinflußt präkommunikativ schließlich auch, wer nach dem normierten Sozialverhalten von Kl bzw. K2 in einer gegebenen sozialen (hierarchischen) Rollenbeziehung zuerst spricht (vgl. das soziale Regulativ: Kinder beteiligen sich an Gesprächen von Erwachsenen nur, wenn sie dazu aufgefordert werden), daß überhaupt ein Gespräch aufgenommen wird (als lastend, unhöflich empfundenes Schweigen zwischen einander bekannten Personen in Deutschland, Spanien etc., das bspw. in Finnland weitaus weniger unangebracht erscheinen dürfte) und worüber im small talk geredet wird (vgl. die phatische Kommunikation) bzw. ob die gegebene Situation bspw. für ein unangenehmes Geständnis angemessen und der Adressat hinreichend dafür prädestiniert erscheint.
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5.2. Der situations- wie partner- und textsortenangemessenen Wahl von LE wie von syntaktischen Mitteln liegt senderseitig immer eine letztlich präkommunikative Kenntnis von Normativen des sozialen Interaktions- wie Kommunikationsverhaltens zugrunde. Der Sender muß dabei gemäß den in der Kl- bzw. KZ-Gemeinschaft herrschenden sozialen Interaktionsregulativen bestimmen, ob er zur Durchsetzung seiner Kommunikationsintention unter Beachtung der gegebenen situativen Handlungsvoraussetzungen (bspw. Kopräsenz von Sender, Adressat und denotiertem Sachverhalt, Kenntnis des Empfängervorwissens und von dessen Erwartungen) und der vergesellschafteten (funktionalstilistischen) Textsortengestaltungsprinzipien bei besonders sensiblen interaktionalen kommunikativen Handlungen, so z.B. beim AUFFORDERN, KRITISIEREN, ABLEHNEN, also kommunikativ-situativ-prozedural 5.2.1. zu einer direkten Versprachlichung dieses Kommunikationsanliegens oder aber 5.2.2. zu indirekten Versprachlichungsstrategien greift. Dabei kann die Sensibilität hinsichtlich obiger Kommunikationsakte, die als in hohem Maße kooperations- wie sozialprestige(face)beeinträchtigend anzusehen sind, kulturkreisgemeinschaftlich durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein. Besonders stark scheint bspw. die Möglichkeit der Ablehnung und damit die Verwendung von Verneinungspartikeln im Japanischen tabuisiert zu sein; aber auch im Spanischen scheint eine Präferenz für indirekte Formen der Zurückweisung von Sprecheransinnen zu bestehen. So sind Äußerungen wie unter (6) weitgehend kontextunabhängig als höfliche, definitive Ablehnung von Vorschlägen zu betrachten. (6) Voy a pensarlo. Ya hablaremos.
5.2 J. Kulturelles dürfte sich kommunikativ aber auch (a) in Unterschieden hinsichtlich der Explizitheit und Implizitheit in (Fach)Texten, (b) der Präferenz für den Gebrauch ausgewählter sprachlich-lexikalischer wie syntaktischer Mittel in ausgewählten Textsorten (vgl. z.B. die Zulässigkeit des Sprichwortgebrauches in chinesischen wissenschaftlichen Texten und deren Nichtzulässigkeit im Deutschen) und (c) in Abweichungen niederschlagen, die sich hinsichtlich von die Kooperationsbereitschaft fördernden LZ-Textpassagen ergeben, die aus der Sicht der Kl-Gemeinschaft als unnötige Umschweife / Redundanz betrachtet werden könnten. Als signifikant abweichend hinsichtlich der Vertextungsnotwendigkeit von textuell wie extratextuell als vorgegeben zu bezeichnendem Vorwissen kann (a) bspw. die in russischen Fachtexten übliche Vertextungspraxis im Vergleich zum Deutschen betrachtet werden (vgl. dazu Schmidt 1977). Offenbar divergierend sind aber auch (b) Vertextungsgepflogenheiten, etwa zum Ausdruck von ZUSTIMMUNG im Spanischen und Deutschen; so finden sich in spanischen Texten in Repliken wohl häufiger wörtliche (Teil-)Wiederholungen von vorgängigen Sprecheräußerungen als im Deutschen (vgl. auch im Englischen Yes, he did. im Vergleich zu deutsch ja.\ dienen aus der Sicht des Deutschen u.U. als redundant betrachtete Wiederholungen der Intensivierung (z.B. bueno, bueno, bueno). Kulturgeprägte Abweichungen hinsichtlich der Kommunikationsstrategien zur Förderung der Kooperativität (c) dürften letztlich dafür verantwortlich gemacht werden, daß ein spanischer Sprecher bspw. beim Telefonieren aus der Sicht des Deutschen i.d.R. erst nach Umwegungen (detaillierte Fragen nach dem Befinden, nach Familie und gemeinsamen Bekannten; Förderung der Kooperativitätsbereitschaft durch Rekurrieren auf gemeinsame Erlebnisse) zur Sache kommt.
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53, Kulturspezifisches manifestiert sich kommunikativ in der Sprachverwendung 5.3.1.in einem unterschiedlichen Grad an Usualität / Verbindlichkeit von Textformulierungsregeln, wie etwa der in deutschen Zeitungstexten (wir beziehen uns auf solche der ehemaligen DDR) im Unterschied zu spanischsprachigen Paralleltexten (hier auf Kuba bezogen, wo immerhin ähnliche soziopolitische und sozioökonomische Verhältnisse herrschten) deutlich werdenden geringeren Neigung zur synonymischen Variation: so findet sich bspw. wiederholt im Text (der) Außenminister Oskar Fischer, während in kubanischen Texten variiert wird zwischen el ministro de relaciones exteriores (mit Bezug auf DDR) bzw. ministro de Asuntos exteriores (mit Bezug auf BRD) sowie homologo, canciller, ja sogar secretario de Estado (mit Bezug auf USA); ähnlich finden sich im gleichen Text neben las autoridades de la India - autoridades locales; elgobiemo brasileno - carioca etc. 5.32. möglicherweise aber auch in Abweichungen hinsichtlich der textsortenangemessenen Gestaltung etwa von Zeitungsüberschriften (im Spanischen mit konjugierter Verbform, zumeist im Futur im Unterschied zum Deutschen -dort, wenn überhaupt verbal, überwiegend mittels Perfektpartizip), der abweichenden Anordnung von Informationsblöcken (Temporal-,Lokal- und Modalangaben - dazu Schmidt 1977) wie aber auch hinsichtlich solcher signifikanter Abweichungen beim Titelgebrauch und der Verwendung von Namen politischer Persönlichkeiten, wie sie sich bspw. in kubanischen Zeitungstexten, einerseits im Gebrauch des Vornamens allein (nur bei Fidel und Raul, dem Brüderpaar Castro; der dritte Bruder Ramon würde immer als Ramon Castro erscheinen)- was in deutschen Zeitungstexten unangemessen erscheint, andererseits in der Benutzung des Familiennamens allein - z.B. Fischer dijo...zeigt, was zumindest in Paralleltexten der damaligen DDR als unangemessen erschien (hier war zumindest der Vorname abgekürzt hinzuzufügen, hätte der Nachnamengebrauch allein eine pejorative oder zumindest eine Distanzmarkierung signalisiert). Leider liefern vergleichende Paralleltextanalyse wie aber auch die Übersetzungskritik bislang noch zu wenige Fakten für weitere Abweichungen, deren Kulturspezifik wie kulturelle Prägung allerdings noch einer detaillierteren Untersuchung bedarf (vgl. u.a. Koller 1973, Vermeer 1986, 1989, Schmitt 1987,1990). 5.3.3. Kulturelles Wissen findet - vertextet oder inferenziell erschlossen - Eingang in die Textgestaltung aber auch im Hinblick auf den Interpretationsspielraum, den bspw. phraseologische Einheiten wie Le abrieron el corazon hinsichtlich wörtlicher und idiomatischer Sinnzuweisung eröffnen (Chirurgen bspw.) oder aber auch hinsichtlich der Evozierung abweichender Instanziierungen/ Referenten für textuelle Nominationen wie bspw. die heilige Stadt: Rom, Mekka ... bzw. die heilige Schrift: Bibel, Koran, Talmud... 5.3.4. Inwiefern sich Kulturelles bspw. auch in der feststellbaren Präferenz für Passiversatzformen im Spanischen gegenüber dem Passiv im Deutschen oder Englischen oder aber auch in der Bevorzugung des style verbal im Französischen und Spanischen gegenüber dominanten Substantivkonstruktionen im Deutschen niederschlägt, muß dagegen wohl erst noch näher untersucht werden. Dabei bestehen zwischen den Kulturgemeinschaften Kl-Deutsch und K2-Spanisch bspw. durchaus auch Übereinstimmungen - so ist bspw. die Wahl von umgangssprachlichen wie gar vulgären LE, etwa bei der Beileidsbekundung, aber auch in Festreden, unangemessen. Andererseits bevorzugen das Französische, aber auch das Spanische im allgemeinen verbale Ausdrucksweisen, wo im Deutschen Substantivierungen bevorzugt werden (style verbal - Zur Begrüßung der Gäste Para recibir a los huespedes; une nouvelle entreprise vient d'etre installee - Ein neuer Betrieb ist gerade eingerichtet worden - vgl. die Übersetzungstechniken der Verbalisierung / Substantivierung / Adverbialisierung in Wotjak 1981,1985);
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6. Völkerpsychologisch-Kulturelles dürfte sich kommunikativ u.a. aber auch im normalen Abstand niederschlagen, den Sender und Sprecher - nicht nur in der Alltagskommunikation - einhalten, wobei signifikant größere Abstände für angelsächsische Sprecher nachgewiesen wurden als für Sprecher romanischer Sprachen. 7. Schließlich kann sich auch in der Wahl einer Sprache selbst Kulturelles niederschlagen; so bspw. im Gebrauch des Französischen durch russische Adlige, wie dies in den Romanen von Tolstoi dokumentarisch festgehalten ist, oder aber am Hofe Friedrich des Großen und selbst in gutbürgerlichen Häusern in Deutschland noch im vergangenen Jahrhundert; eine ganz besonders komplexe Interrelation von politisch-ökonomischen, kulturellen, sprachpolitischen und weiteren Faktoren findet sich im Sprachgebrauch von bilingualen Sprechergruppen, insbesondere beim sogenannten Codeswitching.
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Peter Blumenthal/Giovanni Rovere (Stuttgart/Heidelberg)
Fachsprachliche Valenzen im Italienischen und im Deutschen 1. Die Arbeit mit Textkorpora, aus denen authentische Beispiele exzerpiert werden, ist in der Valenzlexikographie nicht unumstritten. Heibig beispielsweise meint, daß - wie schon in Schumacher (1986:60) vermerkt - prototypische Verwendungen in den Korpora nicht selten schlecht belegt seien und die Satzlänge die Durchsichtigkeit der Struktur mindere (1987:308). Schumacher (1990:135, mit Literaturangaben zum Thema) fügt als drittes Argument hinzu, daß Korpusbelege ohne weiteren Kontext oft schwer verständlich seien. Nun mögen für den Fremdsprachenunterricht gedachte zweisprachige Valenzwörterbücher mit dem ausschließlichen Rückgriff auf die Kompetenz des Autors und den daraus abgeleiteten Sätzen auskommen (z.B. Bianco/Di Maio 1991). Problematischer erscheint das Vorgehen bei sprachtheoretischen, deskriptiv ausgerichteten und für die Bereitstellung differenzierter Informationen konzipierten Ansätzen zu sein. Zunächst soll dieser methodologische Aspekt anhand von Forschungsarbeiten zum Verbvergleich Italienisch-Deutsch erörtert werden. Wir wollen uns hier aus drei Gründen auf das dichte, innovative und sehr nützliche Kapitel zur Valenz im Italienischen in Schwarzes Grammatik der italienischen Sprache (1988:101-169) konzentrieren1: Erstens ist die Darstellung zwar nicht systematisch kontrastiv angelegt, enthält aber verstreut viele kontrastive Beobachtungen und ist vom theoretischen Ansatz her für den Sprachvergleich besonders geeignet; zweitens wird in der Einleitung (S.2) versprochen, den typischen schriftlichen Sprachgebrauch von Recht und Verwaltung zu berücksichtigen; Schwarze arbeitet drittens zum größten Teil mit erfundenen Beispielen, die von Informanten überprüft wurden. Zu diesem letzten Punkt ergeben sich aus der Sicht des an der Beschreibung sprachlicher Daten interessierten Benutzers u.E. folgende Kritikpunkte. a) Beispielsätze präsupponieren einen spezifischen pragmatischen Kontext: Questa potato pesa 200grammi 'diese Kartoffel wiegt 200 Gramm'(S.112), während der deutsche Satz auch mit der Bedeutung 'ungefähr 200 Gramm' verwendbar ist, setzt der italienische eine Situation voraus, in der es darauf ankommt, daß die Kartoffel genau 200 Gramm wiegt. b) Beispielsätze reflektieren eine regionale Sprachnorm: // cappotto sta nelVarmadio 'der Mantel ist im Schrank' (S. 122). Von der standardsprachlichen Norm her wäre der Satz eher zu übersetzen mit 'der Mantel gehört in den Schrank' oder 'hat im Schrank Platz'; ohne semantische Markierung ist stare für essere süditalienisch (vgl. De Mauro 1983:400, Devoto/Oli, und besonders Serianni 1988:367f.). Dies gilt auch für Giovanni sta seduto (S. 127), häufiger zu übersetzen mit 'G. bleibt sitzen' als mit 'G. sitzt' (ib.), so daß die Beobachtung, "die dt. Positionsverben stehen und sitzen werden mit stare und einem -Komplement wiedergegeben" (S. 127) 1
Vgl. Koch 1991
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wohl zu kategorisch ausfällt. Anhand der folgenden Kontextualisierungen läßt sich zeigen, daß star fermo durativ ist, esser fermo hingegen Stativ und deswegen nicht kompatibel ist mit den Zeitadverbien per X tempo2: Non si affretti, Signora, U treno sta fermo ancora died minuti (*~e fermo), U treno e fermo per un guasto alia locomotrice (*~sta fermo). c) Beispielsätze sind unidiomatisch: La signora si trova un po' stanca (S. 129); Penso a partire domani 'ich denke daran, morgen abzureisen' (S. 135), das Adverb, bzw. seine nicht fokussierte Position, lassen den Satz ungewöhnlich erscheinen (vgl. "domani penso a partire, oggi voglio divertirmi"), im übrigen ist die Übersetzung nicht besonders geeignet, die Bedeutung von pensare a + Inf. zu klären. d) Unzutreffende Äquivalenzangaben: umkehren/'andare indietro (S.106); eine Kontextualisierung von andare indietro macht die Bedeutung von 'rückwärts fahren', 'sich rückwärts bewegen', 'zurücktreten' klar. Eine Kontextualisierung von disperare di + Inf. (S. 138) läßt erkennen, daß Verzweifeln' nur als semantische Paraphrase, nicht als Übersetzung denkbar ist. e) Unzutreffende semantische Restriktionen: Zu Questi capellifanno un po' punk (S. 126) wird behauptet, in dieser Konstruktion sei das Komplement auf menschliche Typen eingeschränkt, vgl. jedoch: Questi fiori fanno tanto primavera, un unico cinema fa molto dtta diprovinda. f) Nicht belegte Konstruktionen: unificare qc. con qc. (S. 116); diese Valenz ist in den Wörterbüchern nicht belegt und klingt eher ungebräuchlich. Üblicher sind unificare qc. (unificare U paese), unificare qc. e qc. (unificare il nord e H sud). g) Unpassendes Beispiel für einen Funktionsrahmen: Schwarze schreibt, daß im Funktionsrahmen < Subjekt, a-Obliquus, Infinitivkomplement mit a > nur accennare 'andeuten' auftritt: (ha accennato a accettare 'er hat mir zu verstehen gegeben, daß er annehmen wird', S. 148). Es ist wohl kein Zufall, daß im deutschen Satz mir steht, im italienischen aber der a-Obliquus abhanden gekommen ist. Die Valenzverhältnisse von accennare mit Infinitivkomplement scheinen jedoch komplizierter Bei den Stativen Verben führt bekanntlich die Anwendung des Imperativtests zu Problemen. Laut Bertinetto ist sii bellal ungrammatisch (1986:95), essere bella kann jedoch auch einen agentivischen Wert haben: sä bella con Camay! Vgl. dazu auch das resultative farsi bella. Interessant ist in Schwarze die Feststellung, stare werde als Kopulaverb bei Aufforderungen gegenüber essere vorgezogen, weil es eine Befindlichkeit oder einen Zustand als veränderbar bezeichne (S. 127). Didaktisch deutlicher als die Beispiele stai buono! 'sei brav1 und stia tranquillo! 'seien Sie unbesorgt' (S. 128) wäre die Gegenüberstellung von Sätzen, in denen das Adjektiv seine Bedeutung je nach Kopulaverb verändert, und Sätzen, in denen nur stare oder nur essere möglich sind: stai buono, non correre sempre su e giü! / sii buono: mandami due righe!; sii cortese con ilposüno (*stai) / stai coricato, chiamo subito un medico! (*sii).
Fachsprachliche Valenzen im Italienischen und im Deutschen
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zu sein als in Lepschy/Lepschy (1981:173) und in Skytte (1983:134f.) angedeutet. 1. Bei accennare + a-Obliquus ist di obligatorisch: "accennö a Russo di sedere", (Lampedusa, zit. in Skytte 1983:135), die Bedeutung ist in diesem Fall 'auffordern'. 2. accennare in der Bedeutung von 'beginnen' verlangt a: la discussione accennava a trasformarsi in Ute. 3. accennare in der Bedeutung 'zu verstehen geben, andeuten' konstruiert sich mit a oder di: "Blister accennö a parlare" (Fenoglio, zit. in Skytte 1983:134), accennö di voler uscire. Tritt ein a-Obliquus hinzu, ist nur Obliquuskontrolle üblich, was eine Veränderung der Bedeutung nach sich zieht (vgl.l.). Allerdings braucht nun nicht deswegen der Funktionsrahmen aufgegeben zu werden, vgl. insegnare: ho insegnato a Lucia a servirsi del dizionano. h) Beim Funktionsrahmen < Subjekt, a-Obliquus, Infinitivkomplement mit da> (S. 148) wird der Eindruck erweckt, mit dare, pagare, offrire sei die Liste der dazu passenden Verben abgeschlossen - anzufügen wären mindestens portare und servire. i) Reduktion der Valenzmöglichkeiten eines Verbs 1. ringraziare 'danken' (S.109) wird als Beispiel eines Verbs angegeben, das die Wahl der Präposition eindeutig festlegt (per). Dies ist gerade nicht der Fall, da es mit gleicher Bedeutung ringraziare di gibt. 2. Als Kontrast zur Entsprechung 'it. Objekt - dt. Akkusativobjekt' wird interessare a - 'jd interessieren' angeführt (S. 107). Der Kontrast fällt weg, wenn man berücksichtigt, daß es auch interessare qn. gibt.^ 3. Zur Entsprechung 'dt. Genitivobjekt - it. di-Obliquus' (S. 110) ist anzumerken, daß //'berare v.a. mit da konstruiert wird. Liberare di ist in keinem Wörterbuch belegt (außer in Battaglia, mit einem Beispiel von Guicciardini), taucht zwar in Rezepten auf, bezeichnenderweise aber in übertragener Verwendung: "liberare i filoni della pelle evitando di sciuparli" (Carnacina/Veronelli, La cucina rustica regionale. 1.Italia settentrionale. Milano 1974, S. 124). 4. Neben scusarsi con (S.116) 'sich entschuldigen bei' existiert auchpresso (+ Institutionen, Persönlichkeiten,...). Der presso-Obliquus ist obligatorisch zumindest mit intervenire, intercedere und accreditare, verbindet sich aber z.B. auch mit depositare, insistere, notificare und mit Wendungen wie godere stima (oblig.), assumere informazioni. Vgl. auch lavorare in un'agenzia /presso un'agenzia (+ formales Register). 5. "Manche Verben können verschiedene Untertypen regieren" (S. 135). Diesem allgemeinen Hinweis folgt die Darstellung von pensare a/di, convincere a/di (S. 135) und aspettare a/di (S. 141) mit semantischer Unterscheidung (vgl. auch 2. N.B. auf S. 120), von soffrire a/di (S.135), impegnarsi a/di (S.141), dispiacere (di), rincrescere (di), toccare (di) (S. 146) ohne semantische Differenzierung, wobei zu den letzten drei Verben die interessante Bemerkung gemacht wird, daß je nach Kontext Präferenzen existieren, deren Bedingungen ungeklärt seien. Wird zur Illustration eines Funktionsrahmens ein Verb angeführt, ohne Erwähnung weiterer Valenztypen, die es regiert, ist dies sicher ausreichend, da es jeweils nicht um das Verb selbst geht (vgl. auch S. 105). Problematisch ist in Zwischen (a) non gli interessa Studiare U latino "es interessiert ihn nicht, Latein zu lernen' (Schwarze, S.145) und (b) non lo interessa Studiare il latino könnte ein semantischer Unterschied darin bestehen, daß (a) vorzugsweise zum Ausdruck bringen soll 'er zeigt kein Interesse, Latein zu studieren' (z.B. als Fach an der Uni), während (b) eher aussagt '(das obligatorische Schulfach) Latein stößt nicht aufsein Interesse".
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diesem Zusammenhang der Umstand, daß in der Liste der Verben mit di (S. 138) meravigliarsi, sforzarsi, vergognarsi stehen, in der Liste der Verben mit a aber fehlen, obwohl Verben mit mehreren Valenzrahmen unter den jeweiligen Rubriken angeführt werden sollten (vgl. S. 137). Durch diese Auslassungen und Reduktionen wird jedoch die Bandbreite der Variation im Bereich der Valenzen eines Verbs als nicht sonderlich auffällig dargestellt, als wäre sie durchaus vergleichbar mit der Situation im Spanischen oder im Französischen. Gerade die übersetzerische Perspektive, die von der Realität der Texte ausgeht, deckt eine hohe Komplexität der Valenzen im Italienischen auf. Erste Hinweise finden sich schon in Lepschy/Lepschy 1981 und dann wesentlich detaillierter in Skytte 1983. Anhand von einigen in Schwarze aufgeführten Verben sollen Facetten dieser Komplexität exemplarisch dargestellt werden. - meravigliarsi di (S. 139) Die Konstruktion mit a ist in mehreren Wörterbüchern belegt, vgl. auch Serianni/Castelvecchi 1988:467. (a) Tutti lo credevano ormai spacciato e si meravigliarono a vederlo in giro vivo e vegeto (De Felice/Duro), (b) Non vi meravigliate a rivederlo cosi allegro (Dardano). Lepschy/Lepschy (1981:176) geben an (c) Si meraviglia di essere capace / (d) Si e meravigliato a vederlo, (e) S/' e meravigliato a auello spettacolo, (f) Si meraviglia di te, und unterscheiden (e) und (f) folgendermaßen: bei a ist das Ereignis unerwartet, bei di widerspricht es den Erwartungen. Die Unterscheidung läßt sich auf die Infinitivsätze (c), (d) anwenden, nicht aber auf (a), (b). Man wäre geneigt, die beiden Konstruktionen (a + Inf, di + Inf) als freie Varianten anzusehen, doch läßt sich zwar di in (a), (b) und (d) ersetzen, nicht aber in (c). Eine Hypothese könnte sein, daß a die Gleichzeitigkeit der beiden Handlungen voraussetzt und eine unmittelbar erlittene Emotionalität zum Ausdruck bringt. - sforzarsi di (S.139) sforzarsi a wird von Devoto/Oli und Lepschy/Lepschy als weniger gebräuchlich eingestuft. In den Wörterbüchern finden sich die Beispiele sforzarsi a stare tranquillo (Zing.) / mi sforzo a camminare (Gabr.) / non sforzatevi a convincermi (Gabr.), sforzati di rimanere calmo (Dard.), sforzarsi di capire (Devoto/Oli, Gabr.), mi sforzavo di non ridere (Devoto/Oli, Gabr.), sforzarsi di Studiare (Zing.), aus denen kein semantischer oder stilistischer Unterschied zu erkennen ist. Für Skytte (1983:155) handelt es sich um fakultative Alternativen. Allerdings führen Devoto/Oli eine ironische Verwendung von sforzarsi an si e sforzato afarmi quel regalo!, in der offenkundig nicht durch di ersetzbar ist. Berücksichtigt man, daß si sforza sempre difarmi tanti bei regali hingegen die Bedeutung hat 'er bemüht sich, mir immer schöne Geschenke zu machen', ergibt sich die Hypothese einer semantischen Differenzierung: sforzarsi a 'sich dazu zwingen, sich überwinden', sforzarsi di 'sich sehr bemühen, sich anstrengen': mi sforzo a mangiare questa minestra, mi sforzo di servire U vino piu adatto.4 Mit der Bedeutung von sforzarsi di geben drei Wörterbücher auch sforzarsi per an: si sforzava in tutti i modi per nascondere la sua tristezza (Gabr.), si sforzava per non piangere (Devoto/Oli), sforzarsi per vincere la paura (Zing.).
Deutlich in diesem Sinne interpretierbar die vier literarischen Beispiele mit erweitertem Kontext in Skytte 1983:155.
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- vergognarsi di (S. 139) Nur mit di in Elia (1981:349), die Konstruktion mit a ist jedoch in mehreren Wörterbüchern belegt: mi vergogno a parlare in pubblico (Zing.), sono calunnie ehe mi vergogno a raccontare (Dard.). Lepschy/Lepschy (1981:179) führen an si vergogna di non saper nuotare, mi vergogno a ripeterlo, und schreiben, a zeige eine tatsächliche Betroffenheit an. Skytte (1983:161) sieht in vergognarsi di einen Ausdruck der Reue, während vergognarsi a 'etw. nicht sagen oder tun wollen* bedeute. Vgl. "si vergogna quando siamo in tanti e con un po' di gazzarra. Si vergogna di stare nel gruppo e di passare davanti alia gente." Gli altri non capivano, ma Gualtiero, ehe aveva sentito il suo amico pur essendo arrivato dalPaltra parte della strada disse: "Si, mi vergogno a fare il fanfarone e a infastidire la gente", P. Volponi, La strada per Roma. Torino 1991, S. 114. - impegnarsi a/di (S. 139) Skytte (1983:153) hat nur Belege mit a, Lepschy/Lepschy (1981:176) nennen, ohne Hinweise auf mögliche Unterschiede, beide Konstruktionen: si e impegnato a ottenerlo / si e impegnato di partire. Vergleicht man si e ufficialmente impegnato a terminare il lavoro entro sabato (~di) mit 5i impegna con tutte le sue forze a capire ilproblema ma non ce la fa (*~di\ kommt man zum Ergebnis, daß in der Bedeutung 'sich verpflichten' a/di gesetzt werden können (wobei a häufiger zu sein scheint), in der Bedeutung 'sich einsetzen' a stehen muß. Darüber hinaus findet in letzter Zeit das explizitere per in zunehmendem Maße Verbreitung: "il governo di cui fa parte, si impegnato e si sta impegnando a fondo per risanare i conti pubblici" (Rep. 17.7.1991, S.5). Der Fall, daß nur eine Verbbedeutung verschiedene Varianten zuläßt, ist nicht selten. - fernere di (S. 139) Alle Wörterbücher geben in der Tat ausschließlich temere di an. Nur Lepschy/Lepschy (1981:179) führen ohne Kommentar neben feme di aver lafebbre auch non teme a (o di) dire quello ehe pensa. Daraus ergibt sich die Hypothese, daß temere in der Bedeutung 'zögern, Angst haben, etw. zu tun' sowohl di als auch a regiert, in den Bedeutungen 'befürchten', 'bezweifeln' nur di: temo di non farcela (* - a), teme a farsi visitare (~di). - consigliare di (S. 147) Skytte (1983:168) wertet gli consiglio difarlo und lo consiglio afarlo als freie Varianten und meint, aus der Ähnlichkeit der beiden Konstruktionen sei lo consiglio di farlo entstanden. Das folgende Beispiel legt aber die Vermutung nahe, daß die Veränderung der Valenz mit einer Akzentuierung der illokutionären Kraft einhergeht, der Valenztyp also auch ein illokutiver Indikator sein kann: "II capo dello Stato non invita piü il vicepresidente a dimettersi ma non si riconcilia con lui e lo consiglia di astenersi dall'esercitare funzioni vicarie" (Rep. 10.6.1991, S. 10). Daraus ergäbe sich folgendes Schema: consigliare + a Obl + di consigliare + Obj + a
'empfehlen'
-»-Reg
consigliare + a Obl -t- di consigliare + Obj + di
'anraten'
+Reg
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Die aus dem Blickwinkel des Deutschen auffälligen stilistischen Differenzierungsmöglichkeiten des Italienischen im Bereich des oberen Registerspektrums legen nahe, auch dem stilistischen Stellenwert von Valenzen besondere Beachtung zu schenken. So sind deddere 'beschließen', decidersi + a-Inf 'sich entschließen', decidere + Obj + a-Inf 'dazu bewegen' (S. 138, 144) in der Registerhöhe unterschiedlich zu bewerten. Decidere qn. ist heute selten und stilistisch markiert, vgl. "Un'indolenza mai provata lo decideva ormai a rinunciare alia partenza" (Pavese, zit. in Battaglia), "Che cosa, in particolare, vi ha deciso ad agire", Rep. 27.11.1991, S.2 (formelles Interview). Was dispiacere (di) (S.145), piacere (ohne di, S.146), rincrescere (di) (116), toccare (di) (146) angeht, scheint es tatsächlich schwierig zu sein, die Kontextbedingungen aufzuzählen, in denen die eine oder die andere Form überwiegt. In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, daß sich jeweils Registerunterschiede ergeben können: gli displace di non sapere U tedesco / gli displace non sapere U tedesco (+ Reg), a chi non displace rinunciare / a chi non displace di rinunciare (+ Reg), ti displace passarmi la boltiglia? / Le displace di passarmi la bottiglia? ( + Reg), ml displace dl doverpartlre / ml displace dover partlre ( + Reg). Bei piacere ist die Konstruktion mit dl deutlich markiert; das Beispiel aus Lepschy/Lepschy (1981:177) gli piacque di ricordare ist wohl gar dem feierlichen Register zuzuordnen. Rincrescere di scheint heute die normale Konstruktion zu sein. In manchen Kontexten ist rincrescere + 0 Inf stilistisch markiert: gli rincresce di essere partito senza salutare / gli rincresce essere partlto senza salutare (+ Reg), mi rincresce di non poterti accontentare / mi rincresce non poterLa accontentare (+Reg). Bei toccare geben alle Wörterbücher nur die Konstruktion 0 Inf an. Grüner (1987:58) geht soweit zu sagen, daß a me tocca di dover dire (das Beispiel stammt von Fornaciari, der die Konstruktion mit di noch als vorherrschend beschrieb) ungrammatisch sei. Für Lepschy/Lepschy (1981:179) sind cosa gli tocca fare / cosa gli tocca difare offenbar freie Varianten. Trotz der heute festzustellenden Tendenz, die Konstruktion 0 Inf zu bevorzugen, ist die Form mit di nicht deutlich stilistisch markiert. Dies gilt wahrscheinlich auch für desiderare (S. 137 nur 0 Inf), desidero di partlre (Lepschy/Lepschy 1981:174) wäre dann einfach die als älter empfundene Variante. Aus Gründen, die in der Sprachgeschichte zu suchen sind, weisen gemeinsprachliche Verben des Italienischen oft eine Varianz der Valenzmöglichkeiten auf. Wie Untersuchungen zur Zeitungssprache des letzten Jahrhunderts zeigen, ist die freie Kombinierbarkeit mancher Verben mit unterschiedlichen Präpositionen hoch (Bisceglia Bonomi 1974:216ff., Masini 1977:82f.). Die im Zusammenhang mit der sozialen Verbreitung des Italienischen als Nationalsprache sich verstärkende Tendenz, unter alternativen Valenzen eine Konstruktion zu bevorzugen, die traditionelle Polymorphic also abzubauen, führt häufig zu einer semantischen und/oder stilistischen Spezifizierung der seltener werdenden Form. Sieht man von deutlichen Oppositionen ab, kann sich die Differenzierung im semantischen Bereich auf minimale Unterscheidungen beschränken, die in individuelle Präferenzen münden; im stilistischen Bereich geht das Spektrum von der grundsätzlichen zur kontextabhängigen Markierung. Die Komplexität erhöht sich durch eine wechselseitige Beeinflussung der semantischen und der stilistischen Ebene. Wenn wir mit diesen Befunden zur methodologischen Ausgangsfrage zurückkehren, ist klar, daß im Fall des Italienischen das Problem der Korpusbelege nicht bloß unter dem Blickwinkel der Illustration, des mehr oder minder adäquaten Beispiels gesehen werden kann. Geht es um die Bedürfnisse von Sprachbenutzern wie z.B. Übersetzer, die weniger daran interessiert sind zu erfahren, was und weshalb vielleicht noch grammatisch ist, sondern wissen wollen, welche Implikationen mit der Wahl einer Variante einhergehen und welche Option die Norm darstellt, ist die Selbstbeschränkung auf das ei-
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gene Wissen und auf zufällige Einzelbelege unbefriedigend. Völlig unzureichend ist der Rückgriff auf die Valenzangaben der italienischen Wörterbücher, aber auch die Analyse eines literarischen Korpus, wie sie von Skytte - oft mit viel sprachlichem Feingefühl - vorgenommen wird, hat ihre methodologischen Grenzen. Die Möglichkeit, auch seltene Konstruktionen in semantisch sehr differenzierten Kontexten zu finden, wird manchmal mit dem Preis des Verdachts bezahlt, sie stellten idiosynkratische Lösungen dar. Die Bearbeitung maschinenlesbarer Korpora, die ganze Textsorten abzudecken vermögen, ist dann, wenn die aktuelle Valenz und ihre Funktionen erfaßt werden sollen, zwar nicht a priori ausreichend, aber unverzichtbar.
2. Fachsprachliche Valenzen im Italienischen Von den Bedürfnissen der Fachkommunikation her wäre anzunehmen, daß zum einen die fachtypische Standardisierung das im Gemeinsprachlichen feststellbare Variationsspektrum der Valenzen erheblich reduziert, zum anderen die Bedeutung technischer Verwendungen von Verben von vornherein eingeschränkt ist. Gleichzeitig ist aber zu fragen, ob diese allgemeine Charakterisierung der Fachsprache für alle Fachbereiche und alle Textsorten im gleichen Maße gilt. So schreibt Fiorelli (1947: 103), daß die juristische Terminologie zahlreiche "Anomalien" im Gebrauch der Verben aufweise und gibt als Beispiele convenire qualcuno Vorladen', conoscere di qualcosa 'erkennen' an. Die eingesehenen Fachwörterbücher (Ferraretti 1986, Menghi 1983, Pajardi et al. 1990, Palmieri 1987, Parisi/Rinoldi 1985, Smuraglia 1977) führen nun allerdings überhaupt keine Verben als Lemmata an.6 Es ist kein Zufall, daß nur zweisprachige Wörterbücher, die "aus der Praxis für die Praxis" (Troike Strambaci 1985: V) geschrieben sind, implizit also übersetzungsbezogenen Sprachvergleich leisten, den Stellenwert des Verbs im Text berücksichtigen und zumindest rudimentäre Informationen zur Valenz geben.7 Die umfangreiche Literatur zur juristischen Fachsprache im Italienischen schenkt dem Thema trotz des frühen Hinweises von Fiorelli keine Beachtung. Schon eine rasche Durchsicht von Texten, hier vor allem Gerichtsurteile und Urteilsbegründungen zum Ehe- und Familienrecht, zeigt hingegen, daß auch aus lexikographischer Sicht breite Informationslücken zu füllen wären. 2.1. Ausgeklammert bleiben hier fachsprachliche Verben und Valenzen, die in Troike Strambaci angegeben sind, wie agire per 'klagen auf, avocare qc. a qc. 'zuweisen', azionare (il diritto) 'das Recht einklagen, klagen', cessare da (una carica) 'ein Geschäft, ein Amt aufgeben' usw., wobei anzumerken ist, daß selbst die großen Wörterbücher i.a. diese Konstruktionen nicht aufführen (so wird z.B. zu avocare nur avocare a se 'an sich ziehen' aufgenommen, vgl. dagegen z.B. "Perö la scelta, fatta da Andreotti, di avocare i l problema alia decisione collegiale del governo e (...)" Rep. 21.8.91, S.15, "gli strapparono i'indagine avocandola a Roma" Rep. 5.11.91, S.13). Vgl. dagegen die idealisierende und vereinfachende Ansicht von Muljacic (1971:175): "uno straniero ehe non conosce le reggenze dei verbi italiani deve cercarle nei dizionari ehe le contengono esemplificate", anders Jernej 1983:70. Auch Creifelds (1985) enthält im übrigen nur ein Verb als Stichwort (akkreditieren), ohne morphosyntaktische Angaben. Vgl. Troike Strambaci 1985, in geringerem Umfang Conte/Boss 1983, aber auch schon Lanzara 1900 und Lombarde 1955.
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22. Lexikographisch nicht dokumentierte Verben Weder in den grossen Wörterbüchern noch in den fachspezifischen noch in den Sammlungen von Neologismen sind angegeben: - detipizzare 'einer Klassifizierung entziehen'; "Fintollerabilitä della convivenza (...) ha unificato in una clausola generale il fondamento della separazione detipizzandolo rispetto alle circoscritte fattispecie di colpa previste", Barbiera, // divorzio dopo la seconda riforma, Bologna 1988, S.50. - parametrare 'angleichen'; "assegno (...) parametrato sul pregresso tenore di vita", Foro it. 1991, S.899. Belegt ist hingegen das Substantiv parametrazione*. - autonomizzare 'ausgliedern'; "Con la piü dettagliata disciplina della legge sul divorzio il legislature si e limitato ad autonomizzare...il prowedimento giudiziario riguardante l'uso della casa familiäre", Barbiera, S. 119. 2.3. Lexikographisch nicht dokumentierte fachsprachliche Valenzen - contrastare qc. Svidersprechen'; "in questa ipotesi il legislature contrasta proprio l'esistenza del rapporto matrimoniale in so", Foro it. 1988, S.487. Die Wörterbücher geben diese Konstruktion mit anderer Bedeutung an: -unprogetto 'entgegenwirken'. - depone per 'sprechen für'; "il principle ehe depone per l'autonomia dei due assegni", Foro it. 1991, S.899. Die Wörterbücher geben nur die entsprechende Konstruktion mit a favore di an. - investire qc. 'betreffen'; "le uniche innovazioni apportate dal testo legislative cennato al previgente regime delle impugnazioni investono lo sviluppo del giudizio di gravame successivamente alia proposizione di questo", Foro it. 1989, S.532. Häufig erfolgt Passivierung: "la considerata situazione non stata investita dal gravame proposto dalla L'Abbate awerso altro capo della pronuncia", Foro it. 1989, S. 530. Die Valenz findet zunehmend Anwendung auch in nichtfachsprachlichen Kontexten (allerdings mit Registermarkierung), vgl. z.B. "mentre condizioni economiche ed ansietä ehe vanno oltre il momento congiunturale negative investendo il senso di direzione complessivo del Paese...", Corsera 3.11.91, S.U. - owiare qc. 'abhelfen'; "il tribunale ha ritenuto ehe la mancata statuizione (...) possa essere owiata con l'ordinanza di correzione di omissione della sentenza", Foro it. 1989, S.876. Die Wörterbücher verzeichnen nur die Konstruktion owiare a. Battaglia gibt für owiare + Obj zwei Belege von Autoren des 18. Jahrhunderts. - ricorrere 'gegeben sein'; "stabilire se ricorrono gli estremi per (...)", Foro it. 1991, S.84. Die Wörterbücher kennen diese verbreitete Konstruktion nur in der Bedeutung von Sviederkehren'. o
Zu Verben, die später belegt sind als von ihnen virtuell abgeleitete Substantive, vgl. Malusä 1981:78, Cortelazzo 1990:14.
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- soccorrere 'angebracht sein'; "per i fatti soprawenuti soccorrerebbe il normale giudizio di revisione", Foro it. 1991, S.905. - rispondere a + Obj (-menschl.) 'haften für'; "il mittente risponde a tutte le spese e danni sopportati dal vettore", Legge 6 die., N. 1621, art. 7.1 (Gazzetta Ufficiale 7.1.1961 N.5). Die Wörterbücher kennen in dieser Bedeutung nur rispondere di, das allerdings die normale Valenz zu sein scheint. - rispondere per + Obj ( + menschl.) 'haften für'; "persone per le quali il rettore risponde", Legge 6 die. 1960, N. 1621, cap II (G.U. 7.1.1961 N.5) 2.4. Auffällig ist die Verbindung fachsprachlicher Verben mit der Präposition su, die vor allem in neueren Texten anzutreffen ist und die bislang in der Lexikographie nicht beachtet wurde: articolarsi 'sich gliedern' ("anche questa prova dovrä articolarsi su una pluralitä di circostanze", Barbiera, S.66), attivare 'in Gang setzen' ("una procedura disciplinare attivata sulla contestazione di addebiti relativi allo stesso fatto", Foro it., 1989, S. 114), concludere 'zum Schluss kommen, folgern' ("dalle quali il giudice possa trarre element! adeguati a concludere positivamente sulla rottura della convivenza", Barbiera, S.54), decidere 'entscheiden' ("questo giudice si trova (...) a decidere sull'assegno di divorzio", Foro it. 1991, S. 908), von den aufgeführten Verben ist dies das einzige, das in Troike Strambaci in dieser Valenz mit einem Beispiel belegt ist (-sulla costituzionalita delle leggi), ansonsten wird nur di angegeben; disporre Verfügen' ("non si vede infatti (...) come un terzo possa disporre non su affari patrimonial!, ma su un rapporto personalissimo", Barbiera, S.69), disporre su hat hier nicht die Bedeutung, die es in der Fachsprache des Bank- und Handelswesen hat: ~ su di un conto 'trarre su di esso, prelevare' (Z); giudicare 'urteilen' ("il disagio di chi chiamato a giudicare sull'assegno in una fattispecie come quella in esame", Foro it. 1991, S.905), ebenso pronunciare su\ motivare 'begründen' ("il giudice dovrä adeguatamente motivare sulFirreperibilitä e sul carattere non temporaneo deH'impedimento", Barbiera, S.40), prowedere ("il tribunale (...) cosi prowedeva sulla domanda congiunta proposta dai coniugi", Foro it. 1987, S.2495), vgl. auch sul rilievo (ehe/per cui) 'mit dem Hinweis, Einwand', z.B. nach prospettare 'darlegen' ("l'incidente di costituzionalita prospettato sul rilievo per cui nessuno puö essere punito se non in forza di una legge", Foro it. 1989, S. 115). Das Phänomen ist nicht auf die Verbvalenz beschränkt (vgl. z.B. il problema sulla legittimita, imperfetta aderenza sulle norme) und auch nicht auf die juristische Fachsprache. In technischen Texten findet man aderire su in der konkreten Bedeutung 'haften': "la miscela aderisce sulla superficie del modello" (aus: Tecnologia. Manuale di tecnologia meccanica e laboratono tecnologico. Milano-Firenze 1983-84, vol.1, S.226, Auszug wiedergegeben in Cortelazzo 1990:53), alle Wörterbücher geben nur aderire a an. In Wirtschaftstexten taucht neben investire in auch investire su auf: "Per chi investe sui non ferrosi" (II Sole 24 Ore, 20.07.90)9. n
Von 50 Okkurrenzen, die der Wirtschaftszeitung "II Sole 24 Ore" entnommen wurden, entfallen 45 auf investire in der Bedeutung 'Geld investieren' (a). In 3 Fällen hat investire die Bedeutung 'mit einer Aufgabe betrauen' (b), in 2 Fällen die Bedeutung 'betreffen' (c). In der Bedeutung (a) sind 24 Okkurrenzen zweiwertig (nur AkkE), 21 sind dreiwertig (AkkE + PräpE). Bei den 21 dreiwertigen Okkurrenzen taucht 16 mal die Präposition in, 5 mal die Präposition su auf. Eine Analyse der Valenzschemata von investire (mit Ausnahme von investire su) findet sich in Elia 1984.
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Grundsätzlich ist die Bedeutung von su vom einzelnen Verb abhängig, in manchen Fällen hat aber su im Vergleich zur jeweiligen Alternative (di, in, dir. Objekt) eine mehr auf das Verbalgeschehen abhebende, und in diesen Fällen die Technizität betonende Funktion. Dieser intensivierende Aspekt ist auch in nichtfachsprachlichen Beispielen zu erkennen: "Su Gladio parlino i Capi di governo", Rep. 19.6.1991, S.2, "il generale Ferrara, ehe abbiamo visto rinunciare al servizio di sicurezza interna per scarsa fiducia sulla struttura organizzativa interna" (Rep. 19.10.1990, S.2). 2.5. Eine dritte Gruppe von fachsprachlichen Valenzen bilden jene verbale Konstruktionen, die technische Bedeutungen haben, in der Lexikographie aber nur mit literarischen Beispielen belegt sind. - avere diritto di 'Anspruch haben auf; "la divorziata ha diritto di ricevere (...) im assegno", Foro it.1989, S. 532. Die Wörterbücher unterscheiden (mehr oder weniger explizit) zwischen avere il diritto di + Inf/Obj 'das Recht haben' und avere diritto a + Inf/Obj 'berechtigt sein'. Nur Battaglia belegt die fachsprachliche Valenz, allerdings mit zwei literarischen Beispielen (Magalotti, Pasolini), vgl. auch Skytte 1983:164. - facultare qn. a 'berechtigen';"(...) se invece sia sufficiente la mera domanda di assegno a facultare il giudice a fissarne la decorrenza", Foro it. 1991, S. 148. Das Verb fehlt in den Wörterbüchern; Battaglia führt zwei Beispiele an, eines von Croce mit der hier vorliegenden latinisierenden Form. - pretermettere 'auslassen'; "all'esito del resoconto cui sono pervenuti i due c.t.v. non puö pretermettersi ehe tali risultati sono stati contestati", Foro it. 1991, S.903. Die Wörterbücher stufen das Verb als literarisch ein und führen ausschließlich literarische Belege an (vorzugsweise Guicciardini). 2.6. Juristische Fachtexte weisen im Italienischen, je nach Textsorte in höherem oder geringerem Maße, stilistische Merkmale auf, die über das formale Register hinausgehen. Dazu gehören nicht fachsprachlich verwendete Verben und Valenzen. - appalesarsi 'sich erweisen'; "il prowedimento si appalesa sostanzialmente come un prowedimento amministrativo", Foro it. 1989, S.877. Schon die transitive Form ist literarisch, die reflexive, die in juristischen Texten häufig vorkommt10, fehlt i.a. in den Wörterbüchern (vgl. die literarischen Belege in Battaglia). - atteggiare + Obj 'ausrichten'; "le giovani coppie atteggiano le loro aspettative nell'ambito di una reciproca autonomia economica", Foro it. 1991, S.90. Diese Bedeutung fehlt in den Wörterbüchern. - configurarsi in + Obj 'Gestalt annehmen'; "l'onere del patrocinio non si configuri, in via di massima, nel procedimento (...)", Foro it. 1989, S.2140. Die Valenz ist nur in Battaglia
Über die Verwaltungssprache kann der Ausdruck in die (heterogene) gesprochene Sprache von Politikern einfließen: "No guardi, io non concordo con chi spara cifre necessariamente empiriche e lancia grida manzoniane. Cosi si fa solo terrorismo sociale, e si appalesano inefficienze deU'Amministrazione finanziaria non sempre corrispondenti alia realtä" (De Luca, Interview in Rep. 8.8.1991, S.42).
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(Croce) belegt. Voc. Enc. It. weist auf die bevorzugte Verwendung in der Literatur- und Kunstkritik hin. - confliggere con qc. 'in Widerspruch treten'; "la negazione di rilevanza alia volontä delle parti nella trascrizione tardiva confliggerebbe con il diritto di libertä religiosa", Foro it. 1991, S. 158. Das Verb ist hochliterarisch, fehlt aber in den modernen Wörterbüchern. Battaglia gibt es nur mit seiner konkreten Bedeutung 'kämpfen' 'zum Kampf kommen' an, mit einem Beispiel von Varchi. - inverarsi in 'sich verwirklichen'; "quanto alia convivenza, poicho la comunione di vita si invera in essa in ogni normativa matrimoniale europea (...)", Barbiera, S.37. Das Verb wird in den Wörterbüchern als literarischer und philosophischer Ausdruck beschrieben. - involgere 'einschließen'; "l'eccezione involge una questione preliminare di vita ehe va affrontata e risolta e non esclusa con l'applicazione dell'art. 156 c.p.c.", Foro it. 1989, S.874. In der übertragenen Verwendung geben die Wörterbücher die Konstruktion involgere qn. in qc. als selten an; die obige Bedeutung wird als literarisch ausgewiesen, es fehlt der Hinweis auf den Gebrauch in philosophischen Texten. - obnubilare 'trüben'; "questo problema e stato obnubilate da quello, ben diverso, sulla legittimitä dell'assegnazione della casa familiäre a coniuge diverso da quello al quäle sono affidati i figli", Barbiera, S. 118. Das Verb wird in den Wörterbüchern als literarisch eingestuft. - ricomprendere 'enthalten'; "le norme sostanziali fra le quali sono indubbiamente ricomprese quelle in tema di riconoscimento", Foro it. 1988, S.2577. Das häufige comprendere wird durch das sehr seltene ricomprendere (es fehlt in den Wörterbüchern, obwohl es in philosophischen Texten anzutreffen ist) ersetzt. Die gleiche Registerfunktion übernehmen importare für comportare und riprovare für disapprovare. - sottendere 'zugrunde liegen'; "A livello di legislazione ordinaria questi principi ehe sottendono le limitazioni e le controlimitazioni del sistema (...)" Foro it. 1988, S.495, vgl. auch "il problema sta a monte, nella filosofia ehe sottende la legge", Rep. 16.10.1991, S.3. Die Wörterbücher geben nur die geographische Fachverwendung des Wortes und die übertragene Bedeutung des literarischen Partizips sotteso an; Durante (1981:267) zählt essere sotteso a zu den Anglizismen (to underlie). - vulnerare + abstr. Obj Verletzen'; "l'operazione ermeneutica qui condotta non vulnerata in radice da un'indebita confusione di istituti diversi", Foro it. 1991, S. 90. In diesem und in ähnlichen Kontexten hat das Verb als philosophischer und literarischer Ausdruck eindeutig Registerfunktionen. In anderen weisen wiederkehrende, typische Kollokationen auf eine eher fachsprachliche Verwendung hin: vulnerare + Obj (juristische Institution) "costituisce espressione di un principle fundamentale del nostro ordinamento tale da non poter essere vulnerato", Foro it. 1988, S.487. Das Beispiel ist nicht nur wegen der Verknüpfung der stilistischen und der technischen Dimension interessant, es zeigt auch, zusammen mit bereits erwähnten Verben, daß eine wichtige Quelle des literarischen Registers die neoscholastische Terminologie darstellt, die durch die traditionelle und kulturspezifische Bedeutung der Rechtsphilosophie in der juristischen Ausbildung in Italien vermittelt wird.
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2.7. Fachsprachliche Wendungen Die Tilgung des Artikels, die in der juristischen Fachsprache in bestimmten Kontexten zu beobachten ist, übernimmt prioritär die Funktion, das Individuum als solches zurücktreten zu lassen und die Kategorie, zu der es gehört, oder die soziale Rolle, in der es tätig ist, in den Vordergrund zu rücken (parte attnce ha replicato; U procedimento disciplinare nei confronti di militare iscritto alia loggia massonica). Der Nullartikel entspricht damit dem grundsätzlichen Bestreben nach Unpersönlichkeit. Seine häufige Anwendung wird sekundär zu einem stilistischen Merkmal juristischer und administrativer Textsorten, das zu auffälligen Abweichungen von der standardsprachlichen Norm führen kann (vgl. z.B. "far valere sue ragioni", Barbiera, S. 105). Schließlich kann der Nullartikel auch eine Lexikalisierung anzeigen oder eine Tendenz, häufige Kollokationen zu lexikalisieren. Neben propone una domanda existiert proporre domanda; auf der gleichen Seite liest man denunciare la violazione und denunciare violazione (Foro it. 1988, S.494). Während die Wörterbücher pronundare una sentenza mit obligatorischer Artikelsetzung angeben, findet man in den Texten z.B. pronundare condanna (Foro it. 1988, S.3533). Deshalb ist die lexikologische Erfassung juristischer Wendungen ein methodologisch schwieriges Unterfangen, solange nicht ein umfangreiches Korpus für die Analyse zahlreicher relevanter Kontexte bearbeitet werden kann. Grundsätzlich sind wir der Auffassung, daß die Fähigkeit des Verbs, sich mit artikellosen Ergänzungen zu verbinden, ein Charakteristikum seiner Valenz darstellt.11 Folgende feste Syntagmen, die vermutlich zu den fachsprachlichen Wendungen gehören, sind in den Wörterbüchern nicht verzeichnet: - cadere in comunione 'unter die Gütergemeinschaft fallen'; "con la conseguenza ehe la piü cospicua fönte di disponibilitä patrimoniale delPimprenditore e destinata a cadere in comunione solo "de residuo", A. Fusaro, Igrandi orientamenti della giurisprudenza dvile e commerdale: il regime patrimoniale della famiglia, Padova 1990, S.494. - configurare baluardo generate (auch configurarsi ~ ) 'als Generalklausel gelten'; "il limite in questione non e dato (...) dallo stesso ordine pubblico ehe configura baluardo generale ad ogni rapporto con altri ordinamenti", Foro it. 1988, S.491 - porre deroga a, comportare deroga a 'eine Ausnahme bilden'; "Tale conclusione comporta deroga alia presunzione di trasferimento", Foro it. 1967, S. 1602. - porre nel nulla 'für ungültig erklären'; " logico ehe la ripresa della convivenza ponga nel nulla la causa di divorzio verificatasi", Barbiera, S.38. - prestare adesione 'übereinstimmen'; "i citati nuovi accordi con la Santa Sede sembrano prestare adesione alia pronuncia della Corte costituzionale", Foro it. 1988, S.491. Lexikographisch nicht in dieser Form erfaßt sind: - avere disponibilitä di 'verfügen'; "l'Alberti non aveva contestato di avere disponibilitä dei suddetti mezzi", Foro it. 1991, S.82. Die Wörterbücher verzeichnen die Wendung mit dem bestimmten Artikel. 11
Vgl. dazu Grimm 1989.
Fachsprachliche Valenzen im Italienischen und im Deutschen
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- avere ad oggetto 'zum Gegenstand haben'; "le convenzioni matrimoniali possono avere ad oggetto il regolamento patrimoniale", Barbiera S.86. Obwohl die Wendung auch in philosophischen Texten üblich ist, geben die Wörterbücher nur avere per oggetto an.
3. Fachsprachliche Valenzen im Deutschen Im Kontrast zur offenkundigen Bedeutung fachsprachlicher Verbalkonstruktionen im Italienischen bestätigt die Lektüre deutscher Texte der Textsorte 'Urteilsbegründungen zum Familienrecht' zunächst einmal die Dominanz des Nominalstils, der in der Literatur zur juristischen Fachkommunikation immer wieder als ein Hauptmerkmal der Rechtssprache bezeichnet wird (vgl. Fuchs-Khakhar 1987:30, Oksaar 1988:193). Er äußert sich v.a. im häufigen Auftreten von Nominalisierungsverbgefügen, bei denen mit Hilfe einer Verb + Substantiv-Verbindung ein Verb oder Adjektiv durch Nominalisierung in substantivischer Form als Prädikatsausdruck verwendet wird (von Polenz 1987:170): die Beweisaufnahme durchführen (FamRZ 1989, S. 1190), eine Gesamtwürdigung anstellen (FamRZ 1989, S.600), die Umstellung in eine Abänderungsklage vornehmen (FamRZ 1989, S.284). Viel häufiger als im Italienischen sind Verben so eng an bestimmte Nominalisierungen gebunden, daß sie als feste Verbindung einzustufen sind, die nicht durch Vollverben ersetzt werden können (vgl. schon Wagner 1970:24f.). Substantive, die mit Bestimmungswörtern zu Komposita zusammengesetzt werden, tragen in hohem Maße zur Fachlichkeit der Texte bei: Klage erheben - > eine Leistungsstufenklage erheben (FamRZ 1989, S.284), ein Abkommen ratifizieren — > das Minderjährigenschutzabkommen ratifizieren (NJW 1989, S.672). Die Funktionsverbgefüge, bei denen das Substantiv nicht mehr referenzfähig ist, dienen als "fachtexttypische Invarianten" (Köhler 1984:126) der semantischen Nuancierung, da sie bestimmte Aktionsarten zum Ausdruck bringen. Manche Funktionsverbgefüge haben passivische Bedeutung und führen somit zur textsortentypischen Deagentivierung: Anwendung finden (FamRZ 1989, S.623), in Betracht kommen (FamRZ 1989, S.1188), usw. Interessanter ist im Rahmen unserer Untersuchung die Beobachtung, daß der Entverbalisierung in Fachtexten in der technischen Fachsprache die Bildung neuer Präfixund Partikelverben zur präzisen Bezeichnung von Vorgängen gegenübersteht.12 Die sich daraus ergebende semantische Auffächerung veranschaulicht Pelka (1971:53f.) an den Ableitungen des Verbs schleifen (abschleifen, anschleifen, aufschleifen, ausschleifen, einschleifen etc.). Wagner weist darauf hin, daß die Koppelung mit Präfixen und Partikeln auch in der Verwaltungssprache produktiv ist, da die vielfach gegliederten Abläufe einen differenzierten Begriffsapparat erfordern; hierbei besteht die Möglichkeit, von demselben Verb mehrere inhaltlich abgestufte und sogar entgegengesetzte Ableitungen zu bilden, z.B. anmelden-abmelden, anerkennen-aberkennen-zuerkennen, voriegen-ablegen-weglegen (1970:81). Schon früher hatte Müller-Tochtermann (1959:85) darauf hingewiesen, daß die vielfältigen Präfix- und Partikelbildungen das im Rechtsleben entscheidende rechtserhebliche Handeln ausdrücken. Es zeigt sich nun, daß einer Erweiterung des Valenzrahmens im Italienischen im Deutschen häufig Wortbildungsverfahren der eben genannten Art entsprechen. Man vergleiche z.B. caricare qc. (merce) - etw. laden, verladen, caricare qc. (il camion) - etw. Ganz allgemein: "Das heutige Deutsch macht produktiven Gebrauch von den Verbalpräfixen als Wortbildungsmitteln zur Ableitung nicht nur neuer deverbativer, sondern auch denominaler und deadjektivischer Verben" (Olsen 1986:102).
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beladen, caricare U camion di qc. (oder qc. sul camion) - etw. auf den Lastwagen aufladen, caricare di qc. (compiti) - überladen. Dies gilt natürlich auch für Verben mit fachsprachlicher Bedeutung, z.B. mescolare qc. - etw. mischen, mescolare qc. e qc. (auch: qc. con qc.) etw. mit etw. vermischen, mescolare qc. a qc. - beimischen, untermischen; vgl. auch die unterschiedlichen Valenzrahmen von trattare und die jeweiligen Entsprechungen im Deutschen (handeln, behandeln, abhandeln, verhandeln, unterhandeln). Da der Wortschatz der deutschen Rechtssprache sich in hohem Maße aus der Gemeinsprache ableitet (Daum 1981:86, Radtke 1981:74f.), fällt es zunächst nicht immer leicht, zwischen echten Fachtermini, gemeinsprachlichen Verben mit spezialisierter Bedeutung und fachsprachlichen Valenzen zu unterscheiden. Dies läßt sich beispielsweise am Verb klagen und seiner Ableitung verklagen aufzeigen. Während klagen auf und klagen gegen als eindeutig fachsprachliche Valenzen klassifiziert werden können, neigt man bei verklagen dazu, das Verb als ein Fachwort einzustufen, das außerhalb der Rechtssprache keine Verwendung findet. Neben der geläufigen Bedeutung 'jmdn. (bei Gericht) verklagen' existiert jedoch auch die vom Duden als "gehoben" markierte gemeinsprachliche Bedeutung 'sich über jmdn. bei jmdm. beschweren', die heute nahezu ungebräuchlich sein dürfte. Rein fachsprachlich ist jedoch die Valenz verklagen auf (Schadenersatz, Schmerzensgeld). Im folgenden sollen zur Kontrastierung mit den vorwiegend valenzbestimmten Verfahren in den untersuchten italienischen Fachtexten auch vergleichbare Erscheinungen im Deutschen erwähnt werden, bei denen die Relevanz der Valenz jedoch gegenüber anderen Charakteristika zurücktritt. 3.1. Gemeinsprachliche Verben mit spezialisierter Bedeutung Eine Gruppe von Verben entstammt der Gemeinsprache und wird in genau festgelegter Bedeutung verwendet. Diese Festlegung wird u.a. an den für die Ausfüllung der Leerstellen geltenden Selektionsrestriktionen deutlich. Anzumerken ist, daß die großen deutschen Wörterbücher (Duden, Klappenbach und Brockhaus/Wahrig) diese Verben überwiegend verzeichnen, was einen hohen Standardisierungsgrad der deutschen Rechtssprache nahelegt. - beiordnen 'zum Pflichtverteidiger bestellen'; "Als Pfleger (...) wurde ihm Rechtsanwalt Dr. U. beigeordnet", FamRZ 1989, S.479. - erfüllen 'gegeben sein'; "Da der Tatbestand des Art.56 § 2 polnisches Recht nicht erfüllt ist", FamRZ 1989, S.625. - anhören 'jmdm. in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren Gehör gewähren'; "Deshalb hat der Senat auch keine Veranlassung, die AGg. im Wege der Rechtshilfe gemäß § 613 ZPO anzuhören", FamRZ 1989, S.624. - herbeiführen 'erwirken'; "Das Gericht soll dem Scheidungsantrag erst stattgeben, wenn die Ehegatten über diese Gegenstände einen vollstreckbaren Schuldtitel herbeigeführt haben", NJW 1989, S.551. Diese Bedeutung ist nur in Troike Strambaci angegeben. - aussetzen 'zum Stillstand bringen, aufschieben, hinausschieben';"(...) hat es das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorentscheidung vorgelegt", NJW 1989, S.663. Die nachfolgenden drei Verben sind in dieser fachsprachlichen Bedeutung nicht in den
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Wörterbüchern verzeichnet: - ergreifen 'betreffen, berühren'; "so kann dennoch über den Auskunftsanspruch sachlich entschieden werden. Die (einstweilige) Unzulässigkeit der Leistungsstufe (unrichtige Klagestufe) ergreift nicht die Auskunftsstufe", FamRZ 1989, S.284. - hervortreten 'Anspruch geltend machen'; "wenn ein Ehegatte (...) erstmals mit einem weiteren Ausgleichsanspruch wegen einer anderen Zuwendung hervortritt", FamRZ 1989, S.601. - auf sich beruhen Offen bleiben'; "Mit dieser Auslegung hat der Senat sich (...) nicht zu befassen; daher kann hier auf sich beruhen, ob die Ehefrau (...)", FamRZ 1989, S.479. 3.2. Verben der gehobenen Stilebene Bei einigen Verben findet sich in den großen Wörterbüchern der Gegenwartssprache die stilistische Bewertung "gehoben". Da aber jeweils mehrere Okkurrenzen beobachtet wurden und z.T. auch in Troike Strambaci Belege angeführt werden, ist anzunehmen, daß die Verben zum festen Wortbestand der Fachsprache gehören und somit in Fachtexten stilistisch nicht markiert sind. - dartun 'darlegen'; "Andere Tatsachen, die für ein Verschulden sprechen könnten, sind von der AGg. nicht dargetan", FamRZ 1989, S.624. - versagen Verweigern', 'nicht gewähren'; "diese Zulassung kann überdies nur aus den in den Art. 27 und 28 abschließend aufgezählten Gründen versagt werden", NJW 1989, S.665, "das Recht (...) kann nicht mit bloßen Billigkeitserwägungen (...) durch Richterspruch versagt werden", FamRZ 1989, S.980. Hier liegt eine fachsprachliche Valenzreduktion vor: die in der Gemeinsprache obligatorische Dativergänzung entfällt (vgl. "jmdm. seine Hilfe, Unterstützung, Anerkennung versagen; er hat diesem Plan seine Zustimmung versagt", Duden). - begehren Verlangen'; "Der ASt. hat die Scheidung der Ehe begehrt", FamRZ 1989, S.623, "Auch die AGg. will geschieden werden, begehrt aber den Ausspruch der Alleinschuld des ASt.", FamRZ 1989, S.625. In Troike Strambaci sind nur das Substantiv und seine verschiedenen Komposita angegeben. 3.3. Veraltete Verben Das Auftreten veralteter Verben erklärt sich dadurch, daß der Wortbestand der heutigen Rechtssprache auf die Gemeinsprache des 19. Jh. zurückgeht, in der die heute noch gültigen Gesetzestexte verfaßt wurden (Stickel 1984:49). Auch lexikalische Elemente, die schon im 19. Jh. als Archaismen in die Rechtssprache eingeführt wurden, verlieren in der Fachkommunikation diese stilistische Markierung, wenn sie zum standardisierten Fachwortschatz gehören und im Text nicht mit anderen stilistisch markierten, nicht fachsprachlichen Elementen zusammen vorkommen. - obsiegen 'siegen'; "Er obsiegte in der ersten Instanz", NJW d!989, S.664. Obsiegen wird von Duden und Klappenbach als "veraltet" markiert. Duden gibt dazu einen Beleg aus
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der Rechtssprache an. Die Feststellung, daß in Brockhaus/Wahrig der entsprechende Beleg nicht als veraltet hervorgehoben ist und auch in Troike Strambaci das Verb angeführt ist, läßt darauf schließen, das die fachsprachliche Verwendung nach wie vor geläufig ist. - beilegen 'jmdm. einer Sache etw. zuschreiben'; "jmdm. die Schuld beilegen" (Troike Strambaci), das Verb wird in dieser Bedeutung bei Klappenbach als veraltet eingestuft. Es tritt jedoch, wie das folgende Beispiel zeigt, in Fachtexten auch in der zuerst genannten Bedeutung auf: "Durch die Anerkennung sollen also den Entscheidungen die Wirkungen beigelegt werden, die ihnen in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind", NJW 1989, S.664. 3.4. Fachsprachliche Verben In den untersuchten Texten konnte lediglich ein Verb festgestellt werden, das überhaupt nicht lexikographisch dokumentiert ist. - ausurteilen + AkkE 'durch Urteil festlegen'; "Zieht man von diesen Beiträgen jeweils den notwendigen Selbstbehalt des Kl. (...) ab, verbleiben gerundet die im Tenor ab 1.1.1988 ausgeurteilten Beträge", FamRZ 1989, S.982. Die Präfigierung mit aus- bewirkt in diesem Fall eine Valenzänderung des Basisverbs urteilen. - herausverlangen 'die Herausgabe verlangen'; "denn wie es ihm freisteht, ob er eine unbenannte Zuwendung nach dem Scheitern der Ehe überhaupt herausverlangt", FamRZ 1989, S.601. Daß es sich um ein Fachwort handelt, zeigt sich auch daran, daß es nur in Troike Strambaci aufgeführt ist. Die adverbiale Partikel heraus- dient der semantischen Präzisierung. - verbringen 'an einen bestimmten Ort bringen'; "Der Begründung (...) steht nicht entgegen, daß die Kinder gegen den Willen des ursprünglich mitsorgeberechtigten Ag. in die Bundesrepublik verbracht worden sind", NJW 1989, S.672. Das Präfix ver-, das bei vielen Verben mit lokaler Bedeutung das im Basisverb bereits enthaltene Sem "von einer Stelle weg" präzisiert (Kim 1983:175), wird in diesem Fall pleonastisch verwendet, da der semantische Gehalt des Basisverbs nicht modifiziert wird. 3.5. Fachsprachliche Valenzen 3.5.1. Bei einer ersten Gruppe von Verben verändert sich die Belegung der Subjektstelle. An die Stelle des normalerweise belebten Subjekts tritt ein Abstraktum. Dieser Fall ist auch in technischen Texten beobachtet worden (vgl. Möhn/Pelka 1984:19). - eingreifen "Es wäre mit der Grundentscheidung (...) nicht vereinbar, die Härteklausel zur Verhütung seelischer Reaktionen eingreifen zu lassen", FamRZ 1989, S.1189; "Gehört er (...) zu den Folgesachen, so greift wiederum der Einwand nach § 623 II ZPO ein", FamRZ 1989, S. 1192. Die vorliegende Valenz ist in keinem Wörterbuch verzeichnet. Duden und Brockhaus/Wahrig geben lediglich eine fachsprachliche Valenz aus dem technischen Bereich an (das Zahnrad greift ins Getriebe ein). Das Präfix ein- bedingt keine semantische Präzisierung des Verbs greifen, das eher in einem solchen Kontext zu erwarten wäre, da es häufig mit unbelebtem Subjekt verwendet wird. Es wäre
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folglich anhand von Okkurrenzen der beiden Verben zu untersuchen, ob eingreifen eine stilistische Variante ist. - durchgreifen "Der Einwand fehlender Bestimmtheit des Gebührentatbestandes (...) greift ebenfalls nicht durch", FamRZ 1989, S.945. Auch in diesem Fall könnte es sich um eine stilistische Variante handeln. Die Wörterbücher verzeichnen die Valenz nicht; in Brockhaus/Wahrig wird eine fachsprachliche Valenz aus der Physik angegeben (ein physikalisch-chemischer Vorgang greift durch Virkt über eine Energieschwelle hinweg'). - begründen 'zur Entstehung bringen'; "falls nicht besondere Umstände im Einzelfall eine Obliegenheit zu einer Teilzeitarbeit begründen", FamRZ 1989, S.627. Ähnliche Wendungen wie einen Anspruch begründen, eine Verpflichtung begründen finden sich in Troike Strambaci. Da auch im Korpus mehrere Okkurrenzen festgestellt wurden, kann die Valenz als standardisiert gelten. Die Beispiele in dieser Gruppe sind Ausdruck eines Stilzugs, der von Polenz (1988:187) als "Subjektschub" bezeichnet wird: an die Subjektstelle eines Handlungsverbs tritt ein Objekt, ein Instrument oder, wie im vorliegenden Fall, ein Abstraktum. Im Unterschied zum Passiv ist aber für den eigentlichen Agens der Handlung keine syntaktische Position mehr vorgesehen. 3.5J. Beim Verb behaupten, das laut Wörterbücher nur mit einer satzförmigen Ergänzung vorkommt, konnte als obligatorischer Aktant eine Akkusativergänzug beobachtet werden. - behaupten + AkkE ; "Darüber hinaus sind die Trennungsdaten behauptet, woraus sich ergibt, daß die Parteien bereits mehr als ein Jahr voneinander getrennt leben", FamRZ 1989, S.982;"(...) von demjenigen, der den Rückübertragungsanspruch behauptet, erwartet werden kann, (...)", FamRZ 1989, S.284. 3.5.3. Bei zwei Verben ließ sich eine Erweiterung des Satzbauplanes feststellen. - aussprechen + SE; "Gemäß Art. 57 § l polnisches FVG war auszusprechen, daß der ASt. schuldig an der Scheidung ist", FamRZ 1989, S.625. Die satzförmige Ergänzung in Form eines daß-Satzes ist in keinem Wörterbuch verzeichnet. Lexikographisch dokumentiert ist hingegen die Akkusativergänzug (ein Urteil aussprechen). - abstellen + PräpSE; "Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, ob durch eine Wiederherstellung der ehel. Gemeinschaft das Wohl des Kindes gefördert würde", FamRZ 1989, S.624. In den Wörterbüchern findet sich nur die Präpositionalergänzung mit auf, die auch im Korpus mehrfach vertreten war ("Da im übrigen das griechische Güterrecht allein auf den Zeitpunkt der Auflösung der Ehe abstellt", FamRZ 1989, S.623). 3.5.4. Eine Anfälligkeit bestimmter Verben aus dem juristischen Bereich, die auch im vorliegenden Korpus zutage tritt, besteht in der Genitivergänzung, bei der die Person im Akkusativ und die Sache im Genitiv bezeichnet wird. Von einigen Ausnahmen abgesehen (z.B. sich einer Sache begeben) ist der Genitivanschluß im allgemeinen Sprachge-
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brauch rückläufig (Schumacher 1986:27). Vgl.jmdn. einer Sache anklagen, beschuldigen, verdächtigen, zeihen, bezichtigen. 3.5.5. Als Fazit scheint die Vermutung angebracht zu sein, daß auch für den Bereich der deutschen Rechtssprache fachsprachliche Valenzen als noch offenes Forschungsgebiet nicht zu unterschätzen sind. Jedenfalls treffen verallgemeinende Aussagen, die das Hauptmerkmal fachsprachlicher Verben in ihrer Valenzbeschränkung sehen, nicht zu. 4. Der hohen Valenzdichte im Italienischen, die die komplexe Syntax in der untersuchten Fachtextsorte mitprägt, steht im Deutschen eine sehr entwickelte und facettenreiche Tendenz zur Nominalisierung und zur valentiell bedeutsamen Verwendung von präfigierten Verben gegenüber.13 Ein zweiter wesentlicher Unterschied manifestiert sich im relativ niedrigen Standardisierungsgrad der juristischen Fachsprache im Italienischen, der auch für Valenzen relevant zu sein scheint.14 Er schafft andererseits, zusammen mit einer literarisch-rhetorischen Tradition der Sprachverwendung, die Grundvoraussetzung für einen breiten Spielraum zu stilistischer Variation. Diese kategorialen Dissymetrien zwischen den beiden Sprachen sind offenkundig nicht absoluter Natur (auch im Italienischen gibt es Präfixbildungen bei fachsprachlichen Verben, auch das Deutsche verfügt über fachsprachliche Valenzen), ihre quantitative Dimension ist aber so ausgeprägt, daß die eine Sprache als effektvolles Kontrastmittel die Charakteristika der anderen besonders deutlich zum Ausdruck bringt. Literatur Bertinetto, Pier Marco (1986): Tempo, Aspetto e Azione nel verbo italiano. - Firenze: Accademia della Crusca. Bianco, Maria Teresa /Di Mario, Francesco (1991): "DELIT: Dizionario elettronico italiano-tedesco". In: SILTA 20,103-133. Bisceglia Bonomi, Ilaria (1974): "Note sulla lingua di alcuni quotidiani milanesi". In: ACME 27, 207-251. Conte, Giuseppe / Boss, Hans (1983): Dizionario giuridico ed economico, italiano-tedesco, tedesco-italiano, 2 voll. - Milano/München: A. Giuffro / C.H. Beck. Creifelds, Carl (Hg.) (1985), Rechtswörterbuch. - München: C.H. Beck. Cortelazzo, Michele A. (1990): Lingue speciali. La dimensione verticale. - Padova: Unipress. Daum, Ulrich (1981): Rechtsprache - Eine genormte Fachsprache? - In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Der öffentliche Sprachgebrauch, Bd. II. Die Sprache des Rechts und der Verwaltung, bearbeitet von Ingolf Radtke. Stuttgart: Klett-Cotta, 83-99. De Mauro, Tullio (1%3;1983): Storia linguistica dell'Italia unita. - Bari: Laterza. Durante, Marcello (1981): Dal latino all'italiano moderno. - Bologna: Zanichelli. Elia, Annibale et al. (1981): Lessico e strutture sintattiche. - Napoli: Liguori.
Das Deutsche verfügt über eine höhere Zahl von Verbalpräfixen als das Italienische (Soffritti 1990:125). Was allgemein für das Fachvokabular zu beobachten ist - dem dt. Fachwort Auszug (aus einem Register), zum Beispiel, stehen im Italienischen 9 Varianten gegenüber, vgl. Ernst 1983:53 -, scheint auch für Valenzen zu gelten: vor (Gericht/ dem Richter) erscheinen - comparire avanti/ avanti a/ dinanzi a / davanti a (tribunale/giudice), ~ in tribunale.
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Gabriele Knauer (Berlin)
Aspekte der Nähesprache im Vergleich: Katalanisch, Spanisch, Französisch und Deutsch Auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Perspektive einer Forschung, die sich einerseits wenig um eine geschlossene, konsistente theoretische Fundierung bemüht, die sich andererseits durch stets weitere Verästelungen in angrenzende Bereiche zu einer unüberschaubaren Hyperdisziplin menschlicher Interaktion auszuweiten droht1, nicht ganz klar ist, so scheint es doch, als böte gerade dieses Gebiet wesentliche Perspektiven für vergleichende Untersuchungen, und zwar sowohl für den romanisch-deutschen als auch für den innerromanischen Sprachvergleich. Damit greife ich einen Gedanken auf, den Peter Koch und Wulf Oesterreicher (1990) folgendermaßen formulierten: "Für alle Sprachen wäre es reizvoll, über die allgemeine Modellierung des Varietätenraums hinaus die universalen Merkmale der Nähesprache ... im Detail vergleichend zu erforschen."2 Um Sprachen zu vergleichen, bedarf es eines gewissen Systems von Zeichen und Regeln in jeder der zu vergleichenden Sprache. Aber eben darin besteht die Schwierigkeit bezüglich der gesprochenen Sprache, denn sie erweist sich doch eher als ein "Chaos mit gewissen Tendenzen zur Regulärität".3 Während traditionelle Grammatiken lediglich zum Ziel haben, diese Tendenzen in Regeln zu fassen, besteht das wesentliche Problem grammatisch-theoretischer Ansätze mit Anspruch auf Exhaustivität im Sprachgebrauch oftmals in der Erfassung und Darstellung individueller und gruppen-spezifischer Abweichungen von der Norm. Es scheint, daß gerade die Bemühungen um eine Grammatik der gesprochenen Sprache der Komplexität der Sprachverwendung entsprechen könnten, doch dieser Schein trügt, denn die Stimmen mehren sich, die die Leistungsfähigkeit einer Sprechsprachengrammatik anzweifeln, da sie kaum alle Elemente einer situativen Kommunikation erfasse.4 Während Sprache als System noch stabile Größen aufweist, gibt es in der Dynamik der Situation kaum etwas, woran man sich orientieren kann. Es sind wohl eher die historisch-sozialen Bedingungen im weitesten Sinne (Bierbach 1991:141) und interaktioneile Strategien, die die Struktur der Sprachbeiträge einzelsprachlich bestimmen.5 Die theoretisch und methodologisch kohärenteste Untersuchung gesprochener Sprache am Beispiel mehrerer romanischer Einzelsprachen ist zweifelsohne die bereits erwähnte Monographie von Peter Koch und Wulf Oesterreicher (1990). Entgegen üblichen Meinungen ist das von ihnen vorgestellte Konzept der Nähe- und Distanzsprache darauf ausgerichtet, gesprochene Sprache als Varietät zu betrachten und ihr sogar innerhalb der Varietätenproblematik, d. h. im Ensemble der diatopischen, diaphasischen und diastratischen Varietäten, die zentrale Stellung einzuräumen. Sie stellt sozusagen die 4. Dimension des Varietätenraums dar, charakterisiert durch ihre 1
Vgl. Rath (1989:23) Vgl. Koch/Österreicher (1990:239) 3 Vgl. Scherer (1989:60) 4 Vgl. u.a. Baum (1978) Scherer (1989:78) plädiert daher für eine integrative "Situationsgrammatik", die diesen Anspruch schon eher erfüllen könnte. Als semantisch-syntaktischer Rahmen ist seiner Meinung nach Fdlmore's Tiefenkasus geeignet, dessen funktionalen Elementen "Prädikator", Tiefenkasus" und "Argument" die jeweiligen semiotischen Erscheinungen (Sprachzeichen, Gesteme, Deikteme...) zugeordnet sind. 2
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als typisch 'gesprochen' qualifizierten Erscheinungen. Alle vier Dimensionen stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Wenn wir also die genannten vier Sprachen unter dem Aspekt der Nähesprache vergleichend betrachten, so betrachten wir jede von ihnen als ein komplexes vierdimensionales, historisch variables Gefüge von Normen mit begrenzter Gültigkeit.6 Der wesentliche Vorteil einer solchen Betrachtungsweise liegt darin, daß bei der Unterscheidung Schriftlichkeit/Mündlichkeit nicht das Medium die entscheidende Rolle spielt, sondern eben ein komplexes Gefüge verschiedener Aspekte des Zusammenhangs von Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien, die trotz des chaotischen Anscheins, den Kommunikation auf den ersten Blick erweckt, gewissen Normen unterliegen. Das Ergebnis ist ein Kontinuum zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, wie es sich in der realen Kommunikation tatsächlich dartut, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise in den einzelnen Sprachen. Die folgenden Überlegungen zum Katalanischen im Vergleich zum Spanischen, Französischen und Deutschen basieren im wesentlichen auf ihrem Modell der Beschreibung und Erklärung von Merkmalen der Nähesprache, wobei in diesem Beitrag nur auf die universalen Merkmale von Nähesprache und dabei wiederum nur auf die Funktionsbereiche Gliederung und Abtönung eingegangen wird. Abtönungserscheinungen treten bekanntlich auch in der Distanzsprache auf, sind aber m. E. im Kontinuum zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit in stärkerem Maße der Nähesprache zuzuordnen. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist das Katalanische. Es nimmt im Vergleich zum Deutschen, Spanischen und Französischen eine gewisse Sonderstellung ein, und zwar nicht nur in bezug auf seinen Charakter als "Brückensprache", sondern vor allem hinsichtlich seiner historisch-sozialen Situation als Minderheitensprache innerhalb Spaniens (Frankreich und Sardinien seien zunächst nicht berücksichtigt). Was nun das gesprochene Katalanisch betrifft, so finden sich Besonderheiten seiner "geordneten" Heterogenität einerseits vor allem im Einfluß der historisch dominanten Kontaktsprache Spanisch in allen Lebensbereichen und andererseits in der Tatsache, daß es besonders bei Sprechern mit geringerer Schulbildung und wenig Kontakt zur Schriftsprachlichkeit eine ausschließlich orale, nicht durch institutionelle Normen kontrollierte Sprachverwendung für das Katalanische gibt, die "lebendig" und funktional leistungsfähig ist (vgl. Bierbach 1991). Aus dieser besonderen Situation ergibt sich u. a., daß viel häufiger als in den anderen genannten Sprachen das sogenannte code-switching praktiziert wird, das als ein diastratisch und diaphasisch einzelsprachliches Merkmal der katalanischen Nähesprache angesehen werden kann. Trotz der typologisch nahen Verwandtschaft zum Spanischen werden zu bestimmten kommunikativen Zwecken (Selbstkorrektur, metasprachliche Kommentare, Teilnehmerbezogenheit u. ä.) die in beiden Codes dennoch vorhandenen Gegensätzlichkeiten in ihrer gesamten Breite ausgenutzt.7 Im Bereich der universalen Merkmale der Nähesprache, die sich von den universalen Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien her begründen lassen, zeigen sich generell große Ähnlichkeiten sowohl zwischen den genannten romanischen Sprachen als auch im Vergleich zum Deutschen. Dennoch sind diese universalen Merkmale einzelsprachlich z. T. unterschiedlich realisiert und strukturiert. Dazu gehört die allgemein bekannte und vielfach nachgewiesene Tatsache, daß das Deutsche eine Vorliebe für Abtönungspartikeln hat, die romanischen Sprachen sich dagegen hinsichtlich ihrer Segmentierungsmöglichkeiten unterscheiden. Was nun die Funktionsbereiche Vgl. Koch/Österreicher (1990:15f.) Bierbach (1991) verweist u.a. auf die Verwendung des Lexems tomillu (Schraube) für kat. cargol (1. Schnecke, 2. Schraube), um mehr Explizitheit in semantischer Hinsicht zu erreichen.
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'Gliederung' und 'Abtönung' anbelangt, so haben zahlreiche Untersuchungen ergeben, daß auch die romanischen Sprachen über einen gewissen, wenn auch im Vergleich zum Deutschen sehr eingeschränkten Bestand an Gliederungs- und Abtönungspartikeln verfügen.8 Gliederungspartikeln zur Markierung des Aufbaus mündlicher Diskurse (Anfang/Ende eines Diskursabschnitts) sind im Katalanischen: Spanischen: Französischen: Deutschen:
i, perö, (aixi) doncs/pues/pus, puix (wenig im Gebrauch, archaisch), bo/buenu, £s clar/claru, desde luegu, vaja/vaia, vamus usw. y, pero, pues, si (pero) (y), bueno (pues) (si) (y), claro; no, verdad, eh; entonces, (desde) luego, usw. et, mais, alors, oi/ouais, eh bien, non, hein, quoi, puis usw. ja, hm, eben, genau, gut/schön, doch, nein, naja, tja, also, na, ach, ah, oh, au, äh, ne, gell, oder usw.
Abtönungspartikeln zum Ausdruck von Sprechereinstellungen zu dem in der Äußerung enthaltenen Sachverhalt oder gegenüber dem Gesprächspartner bzw. dessen Äußerung sind im Katalanischen: Spanischen: Französischen: Deutschen:
i, pues, doncs, perö, buenu, ja, prou, rai; y, pues, ya, bien, conque, pero, si; quand meme, done, alors, mais; aber, auch, bloß, denn, doch, eben, eigentlich, etwa, halt, ja, mal, nur, schon, vielleicht, wohl usw.
Auch im Katalanischen finden sich demnach eine ganze Reihe solcher Partikeln. Sie stellen im nähesprachlichen Bereich typische Interferenzerscheinungen zwischen dem Spanischen und Katalanischen dar, und zwar sowohl im Hinblick auf ihre Form und Funktion als auch auf ihre Frequenz. Das hat u. a. damit zu tun, daß freie Morpheme oder, wie in diesem Fall, die Partikeln als die syntaktisch "unabhängigsten" Elemente, sehr leicht transferierbar sind.9 Wenn man davon ausgeht, daß im Spanischen bien, conque, pero, pues, si, y und ya Gesprächswörter und Abtönungspartikeln bzw. Wörter mit partikeltypischen Merkmalen sind, so stimmen im Katalanischen lediglich perö, si und i sowohl in formaler als auch funktionaler Hinsicht mit ihnen weitestgehend überein.10 Auch das katalanische be weist eine fast völlige Analogie zum spanischen bien auf. In seiner Funktion als Gliederungspartikel wird be oft mit ara oder doncs kombiniert. Das katalanische ara be scheint dabei geläufiger zu sein als das spanische ahora bien, welches vermutlich ein Katalanismus ist.11 Doncs be entspricht dagegen fast vollständig pues bien. Ein "castellanisme" wiederum ist die typische Erscheinung, daß im mündlio 9
Koch/Österreicher (1990) beziehen des weiteren noch die Funktionsberieche Turn-taking', 'Kontakt', 'Überbrückung", 'Korrektur* und 'Emotionalität' ein. Vgl. Bierbach (1991:134) Moliner (1966/67) bezeichnet sie als Adverbien, obwohl sie in den angegebenen Beispielen eindeutig Partikelfunktion erfüllen. Meier (1988) verweist auf die Notwendigkeit der Untersuchung phonetischer Variationen von span. ahora, die vermutlich auch zu interessanten Ergebnissen hinsichtlich seiner syntaktischen, sprachgeographischen und sprachsoziologischen Bedingungen führen würden.
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eben Sprachgebrauch bo bzw. ara be bzw. doncs be am Wortende meist zu einem katalanisch ausgesprochenen bueno (unbetontes [o] wird zu [u], gedehnte Aussprache des Wortes) werden. Ähnliches trifft für luego und claro zu. Für conque gibt es im Katalanischen keine Entsprechung derselben lexikalischen Wurzel, sondern als funktionale Äquivalente stehen de manera que bzw. aixi doncs und per tant. Die redeverknüpfende Funktion von pues bzw. entonces wird im Katalanischen meist von der Partikel doncs übernommen. Weit weniger häufig tritt das lexikalisch verwandte puix auf, das inzwischen als archaisch angesehen wird. Die wohl interessantesten Unterschiede können wir bei ja feststellen, denn im Gegensatz zum spanischen .ya kann dessen temporale Bedeutung im Katalanischen fast völlig verschwinden. Doch verfügt das Katalanische über die Partikel prou, deren spanische Entsprechungen bien, si, cierto und ciertamente sind, um bestimmte Aspekte der deutschen Abtönungspartikel schon mit großer funktionaler Äquivalenz wiederzugeben, z. B. den Ausdruck von Zuversicht (vgl. Beispiel 3 weiter unten).12 Während prou aber im allgemeinen als Adverb oder Adjektiv oder Interjektion klassifiziert wird, trägt das katalanische rai eindeutig Partikelcharakter. Einschlägige lexikographische Werke des Katalanischen stimmen darin überein, daß diese Partikel in Verbindung mit anderen Satzbestandteilen (aber nicht notwendigerweise mit einem Verb) Satzcharakter hat (meist elliptischer exklamativer Satz; anaphorische Funktion bei Espinal (1980, 1986)) und die Sprechereinstellungen 'Beruhigung, Erleichterung, Zuversicht, Trost' ausdrückt. In zweisprachigen Wörterbüchern wird sie zuweilen als intradwble charakterisiert. Nach Corominas (1987) ist sie jedoch keine rein katalanische Partikel, sondern in einem großen Gebiet der langue d'oc und im Piemontesischen, Aragonesischen und Sardischen zu finden. Ihr Ursprung ist nicht geklärt, was sich in sehr verschiedenen ethymologischen Erklärungsversuchen widerspiegelt.13 Kat. Diuen que apujaran eis apostos. Tu rai que no has de declarar, perö a mi em costarä un grapat de diners. Sp. Diccn que van a subir los impuestos. Tu aun, que no tienes que declarar, pero a mi me va a costar un monton de dinero. Dt. Es heißt, die Steuern erhöhen sich. Du bast's ja gut, du hast ja nichts zu versteuern, aber mich wird's 'ne Menge Geld kosten./Ein Glück, daß du nichts zu versteuern hast,...
Universale nähesprachliche Merkmale schlagen sich also nicht nur in einzelsprachlich ähnlichen, sondern auch unterschiedlichen formalen Strukturen nieder, auch wenn es sich um Sprachen einer Sprachfamilie handelt. Diese Erkenntnis bestätigt sich des weiteren in der Tatsache, daß die einzelsprachliche formale Strukturierung des Funktionsbereichs 'Abtönung' an sich, also nicht nur bezogen auf die Partikeln, bei einer zugrundegelegten gleichen kommunikativ-funktionalen Struktur sehr unterschiedlich ausfällt. Am deutlichsten wird dies wohl anhand eines Übersetzungsvergleichs. Die sprachmaterielle Grundlage bildet die Übersetzung des Fallada'schen Romans Kleiner Mann - was nun? ins Spanische (a=spanische und b = kubanische Variante) und teilweise auch ins Katalanische (c).14 12
Vgl. Alberti (1961) Vgl. Zusammenfassung in Corominas (1987) Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurden einzelne Beispiele aus dem Roman mit katalanischen Muttersprachlern ausschließlich unter dem Aspekt der Partikelbedeutungen diskutiert. Die Testpersonen verfügten über sehr unterschiedliche Deutschkenntnisse, weshalb dann auch die einzelnen Partikelbedeutungen im Gespräch erläutert wurden und im folgenden der Versuch unternommen wurde,
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Ausgehend von den bei der Funktionsbeschreibung deutscher Abtönungspartikeln im "Lexikon deutscher Partikeln" von Heibig (1988) verwendeten Kriterien, kann der Funktionsbereich 'Abtönung' anhand der konkreten kommunikativen Leistungen dieser Partikeln als Ausdrucksmittel für Sprechereinstellungen relativ detailliert festgemacht werden. So geben Abtönungspartikel Aussagesätzen eine Nuance von Exklamation, Beruhigung, Zuversicht, Bedenken, Widerspruch, kategorischer Feststellung, Wunsch, Hoffnung, Rechtfertigung; Fragesätzen eine Nuance von Interesse, Besorgnis, Ratlosigkeit, Vorwurf, Kritik; Aufforderungssätzen eine Nuance von Rat, Empfehlung, Bitte, Ungeduld, Befehl, Warnung, Mahnung, Vorwurf, Kritik. Modifizierung von Aussagesätzen - Exklamation 1 la Ib Ic
O Mensch! O Manning! Dich haben sie aber in der Mache gehabt. /79/ iPero hombre! iComo te han puesto! /93/ iPero hombre ...! iTe han puesto bueno! /72/ Mira, home/Doncs, mira, com t'han deixat. I, com t'han deixat. Märe de deu ...Desgraciat!...
Eine wörtliche Übersetzung der durch die Partikel aber ausgedrückten Nuance Erstaunen, Erschrecken und menschliche Anteilnahme ist in diesem Falle, wie in den meisten anderen, nicht möglich. Sie wird im wesentlichen durch die Semantik lexikalischer Mittel wie märe de deu! und desgraciat! im Katalanischen ausgedrückt. Eine Exklamation in Form einer mit Interrogativpronomen eingeleiteten Frage Com t'han devxatl stellt in den iberoromanischen Sprachen eine sehr häufige Form der Emphatisienmg eines Satzes dar. Mira hat auch im Katalanischen oft seine Funktion als Imperativ von mirar eingebüßt und erfüllt vielmehr die Funktion eines Anfangssignals im Dialog. Durch home wird dieser Aspekt vor allem in der Umgangssprache noch verstärkt, während doncs und auch stärker sprechrhythmische Funktionen zu erfüllen haben. - Beruhigung, Erleichterung 2
"... Es sind mindestens dreißig Leute reingegangen, seit ich warte." "Sie werden ja nicht alle zum Doktor gegangen sein. Und dann sind wir;e angemeldet." /6/ 2a -... Lo menos han subido treinta personas en el tiempo que llevo esperando. - No todas vendrän a la consulta. Ademäs, nosotros nos hemos anunciado. 2b -... Han entrado lo menos treinta personas desde que stoy aqui. - No todos habrän ido a ver al modico. Y, ademäs, estamos anunciados. 2c - Vols dir que tots han anat al metge,... Segur que no han anat tots al metge,... No pot ser que tots hagin anat al metge, i, al damunt/de fet, nosaltres tenim hora. No pot ser que tota aquesta gent vaigi al metge, i, a mos a mos, nosaltres tenim hora.
Mit der im Katalanischen häufigen Wendung vols dir que werden in der Regel starke Einwände bis hin zu Widerspruch ausgedrückt. Die funktionalen Äquivalente der mit die entsprechenden funktionalen und kommunikativen Äquivalente im Katalanischen zu ermitteln. Die interviewten Personen sind Philologen der katalanischen Spache.
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der deutschen Abtönungspartikel ja ausgedrückten Sprechereinstellung Beruhigung und Erleichterung sind lexikalisch-semantischer Art. - Zuversicht 3
3a
3b
3c
"Aber wohin?" "Ist ja ganz egal. Nur weg von hier. Wir finden schon was." Und sie finden was. /74/ - Pero, ihacia donde? - Es enteramente igual. Se trata solo de alejarnos de aqui. Ya encontraremos algun sitio. encontraron algo. /87/ - 6 Pero adonde? - Da lo misrno, con tal de alejarnos de aqui. Ya encontraremos algo. encuentran. /68/ - Pero on? - Es ben igual, perö lluny. Trobarem prou alguna cosa.
Das spanische ya und das katalanische prou entsprechen hier, wie bereits erwähnt, voll und ganz der deutschen Partikel schon, und zwar in ihrer Funktion als Sprechereinstellungsausdruck von Zuversicht. - Einwand, Bedenken, Widerspruch 4
"Junge, du brauchst es aber nicht. Ich komme auch so zurecht. Nur, da hast du recht, besser ist es schon, wenn der Murkel einen Vater hat. /12/ 4a - Junge, si no quieres, no necesitas hacerlo. Yo me las arreglaro. Pero, tienes razon, es mejor que lo que va a venir tenga un padre. /12/ 4b Pero, chiquillo, no es preciso que lo hagas. Yo lo arreglaro de un modo o de otro. Claro que, en cuanto al pequeno, seria mejor que tuviese padre. /12/ 4c - Home, aixö no cal/no cal que ens casern. No passa res. Aixö si, 6s millor que la criatura tingui un pare.
Den Einwand, der durch die deutschen Partikel nur und schon ausgedrückt wird, finden wir in aixö si wieder. Die Affirmation bezieht sich auf den letzten Teil der Äußerung, die damit zum Inhalt des ersten Teils in Widerspruch gerät. - Kategorische Feststellung 5
"Weißt du, ein komisches Gefühl ist es doch mit dem Ring, ich fühl ihn immerzu und muß ihn ewig ansehen." "Bist ihn eben noch nicht gewöhnt. Alte Eheleute spüren ihn überhaupt nicht." /27/ 5a - Hombre, me pasa una cosa curiosa con el anillo: lo siento continuamente en el dedo y no dejo de mirarlo. - Hasta que te acostumbres. Los que ya llevan mucho tiempo casados no lo sienten,... /3l/ 5b - Es curiosos lo que me ocurre con la mia; ni um momento dejo de darme cuenta de que la llevo, y siempre la estoy mirando, - Es la falta de costumbre. Matrimonies viejos la llevan sin darse cuenta... /25/ 5c El que passa 6s que no hi estäs avesada.
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Ähnlich wie die spanische lo que pasa es que kommt diese Wendung häufig in der Umgangssprache vor. Bei sehr kurzen Äußerungen können auch sprechrhythmische Gründe für ihre Verwendung vorliegen. Die Semantik der Verben passar bzw. pasar läßt sie zu den sogenannten 'passe-partout-Wörtern' gehören, die in der Nähesprache oft verwendet werden. - Wunsch, Hoffnung 6
6a
6b
6c
"... Wir sollen uns immer langsam auf das Sofa setzen, weil das noch die gute alte Federung hat, verträgt keine plötzliche Belastung." "Wenn ich da man nur immer dran denke", sagt Lämmchen bedenklich. /29/ -... y me ha recomendado que no nos sentemos de golpe en el sofä a causa de que conserva sus antiguos muelles, y ostos no soportan una carga repetina. - Como que vamos a estar pensando siempre en eso - dice Lämmchen, reflexiva. /33/ - ...Me ha recomendado que nos sentemos siempre con suavidad en el sofa, pues tiene todavia los muelles primitivos y no soporta violencias. - Procurar6 no olvidarlo - dice Cordillera, un tanto preocupada. /27/ -... Esperem que hi pensi/me'n recordi.
Der Form nach haben wir es im Deutschen mit einem Konditionalsatz zu tun, der u. a. durch die Partikel nur zum Wunschsatz wird. Die Sprechereinstellung Wunsch, Hoffnung wird im Katalanischen eher direkt durch das Verb esperar (im Spanischen ebenfalls mit esperar, aber auch ojala + Subjuntivo möglich) ausgedrückt. - Rechtfertigung 7
7a
Tb
7c
Sie schluchzte sehr. "Und ich gebe mir ja solche Mühe, mein Junge! Nur wenn ich solche Angst um dich habe, kann ich doch nicht an das Essen denken"... /7l/ Sollozo ella ruidosamente. - iY yo que pasd tan mal rato pensando en ti, Junge! Mi angustia no me permitio pensar en la comida ... /83/ Ella sigue sollozando. - iY tanto como me esmero yo, amor mio! Pero cuando tengo tanto miedo por ti, no puedo pensar en la comida ... /65/ I jo que em passo el dia treballant!/m'hi esmergo tant! Si no he pogut fixar-me tant en el menjar, 6s perquö passava ansia.
Die versichernde Wirkung der deutschen Partikel ja wird durch die Hervorhebung des Personalpronomens im Katalanischen erreicht. Die Rechtfertigung im zweiten Satz erfolgt nach der Begründung und ist im Deutschen durch die Partikel doch gekennzeichnet (ohne diese Partikel handelte es sich um eine simple Bedingung-FolgeRelation ohne den kontextspezifischen Wert der Rechtfertigung). Im Katalanischen hingegen bleibt der Konditionalsatz, er erhält aber die Struktur si..., esperque.... wobei die Grund-Folge-Relation aus Gründen der Thema-Rhema-Gliederung umgekehrt wird.
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Modifizierung von Fragesätzen - Interesse, Neugier 8 "Wohin gehen wir eigentlich!", fragte er plötzlich, /ll/ 8a iBueno! ÖY adonde vamos? - pregunta 61 de pronto, /ll/ 8b OAdonde varnos? - pregunta 61, de pronto, /ll/ 8c (Molt b6), i ara, on anem/qu6 fern? Molt b6. Perö ara, qu6 em?
Die Partikel eigentlich modifiziert Fragen in bezug auf das abgeschwächte oder intensivierte Interesse, das der Fragende bekunden will, auch, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, im Spanischen und Katalanischen ebenfalls ausgedrückt durch Äquivalente derselben Wortklasse bueno, y bzw. molt be und i ara/pero ara. - Besorgnis, Ratlosigkeit 9 "Aber was soll ich denn tun? Ich muß ihm doch was sagen!" /65/ 9a - Entonces, 6qu6 voy a hacer? Tengo que decirle algo. /76/ 9b - Pues, 6qu6 quieres que haga? Algo he de decirle. /59/ 9c - Perö que hi puc fer? Perö que vols que hi faci? Li he de dir alguna cosai/Alguna cosa li he de dir!
Die Partikel aber bleibt sowohl in den spanischen als auch den katalanischen Varianten alspues und entonces bzw.perö erhalten. Letztere Partikel erhält in zahlreichen Kontexten in beiden Sprachen noch viel von ihrer adversativen Bedeutung. Besorgnis und Ratlosigkeit in der Frage zeigen sich im Spanischen und Katalanischen vor allem im direkten Ansprechen des Kommunikationspartners mit Hilfe der Verben querer bzw. voler in der zweiten Person Singular. Im zweiten Satz wird im Katalanischen durch die Linksverschiebung des Objekts eine ähnliche Wirkung erreicht wie durch die deutsche Partikel doch. - Vorwurf, Kritik 10 "Ich habe ein Auto bestellt"... "Aber wieso dennt Wo wir sparen wollen! In Platz sind wir doch erst vorigen Sonntag zwei Stunden gelaufen!" /3l/ lOa - He alquilado un auto - ... - i Pues si que vamos a ahorrar! iEn Platz estuvimos andando mäs de dos horas el domingo pasado! /36/ lOb - Encarguo un auto -... - iPor quo? iHemos acordado ahorrar, y ahora hacer este gasto inutil! Ademis, el domingo pasado hemos andado en Platz durante dos horas. /29/
- Rhetorische Fragen 11 Wenn wir mal zum Tanz gegangen sind, immer bin ich sitzengeblieben. Und wenn Mutter zum Karl gesagt hat, er solle seine Freunde schicken, hat er gesagt: "Wer will denn mit so 'ner Ziege Tanzen?" /2l/
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lla - Cuando hemos ido alguna vez a bailar, siempre me he quedado sentada. si mi madre le decia a Karl que me presentara a sus amigos, contestaba 6ste: ' quion va a querer bailar con una cabra?' /22/ lib - Cuando iba al baile, nadie me sacaba ... si madre le decfa a Carlos que mandara hacerlo a sus amigos, contestaba 61: 'iQuidn quieres que baile con una fea como 6sta?' /20/ llc -1 qui vols que balli... I qui ballarä... I qui voldrä bailar amb una lletja com aquesta?
Im Spanischen und Katalanischen wird der Kommunikationspartner häufiger direkt angesprochen als im Deutschen, weshalb dann auch rhetorische Fragen ein wichtiges Ausdrucksmittel solcher Sprecherkonstellationen sind. Die Partikeln y bzw. bringen dabei einen gewissen Widerspruch zur vorangegangenen Äußerung zum Ausdruck. Modifizierung von Aufforderungen - Freundliche, ermunternde Aufforderung 12 12a 12b 12c
"Machen Sie sich immer schon ein bißchen frei", sagt der Arzt zu Lämmchen ... /8/ - Vaya desnudändose - dijo el modico a Lämmchen ... /?/ - Ya puede usted empezar a aligerarse de ropa - dijo el modico... /8/ Au/Apa/Vinga, ja es pot despullar.
Au und apa werden im Katalanischen als diejenigen Interjektionen angesehen, die 'encouragement' und 'incitement to action" (Yates 1975:97) zum Ausdruck bringen. Die spanischen funktionalen Äquivalente sind hala und ve/iga, die in beiden Sprachen bereits in diesem Sinne idiomatisiert sind.15 Der Aspekt des (allmählichen) Beginnens kann im Spanischen durch die Verbalperiphrasen empezar + infaütivo bzw. ir + gerundio im Subjuntivo ausgedrückt werden. Es kommt zur Inversion von Subjekt und Prädikat, wodurch die Partikel ya wiederum an den Satzanfang gelangt (im Spanischen stehen alle Abtönungspartikel im Unterschied zum Deutschen am Satzanfang). Dies scheint ein generelles Phänomen der spanischen Umgangssprache, speziell in Aufforderungssätzen zu sein. - Rat, Empfehlung, Bitte 13 "... ich bitte Sie, Kube, machen Sie doch keine Geschichten, wo es Herr Kleinholz ausdrücklich verboten hat!" /68/ 13a -... le ruego, Kube, que no arme camorra, como lo ha mandado expresamente el sefior Kleinholz. /80/ 13b -... No busque usted complicaciones; ya que sabe que el senor Kleinholz lo ha prohibido expresamente. /62/ 13c Li prego, Kube, no s'hi entesti pas/no s'en faci pas cap problema, ja que/si el senyor Kleinholz ho ha prohibit expressament.
15
Vgl. Gorgas (1969:274-278)
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Von Interesse ist in diesem Fall die Negationspartikel pas, die sowohl einen Unterschied zum Spanischen als auch zum Französischen deutlich macht: einerseits gibt es diese Negationspartikel nicht im Spanischen und andererseits hat pas im Katalanischen nicht dieselbe Funktion wie im Französischen, d. h. es bildet nicht den Rahmen für jede Verneinung. Es kommt vielmehr recht selten vor und dient zur Bekräftigung der Verneinung. - Ungeduldige Aufforderung 14 "Ach, Junge, nun erzähl' doch endlich. Wann kommt denn nun das Mädchen, das nicht so ist, wie ich denke? ..." /46/ 14a - iPor Dios, Junge! iCuontamelo todo de una vez! oCuändo lega lo de la muchacha, que no es tal, como yo pienso?... /54/ 14b - Pero cuontame por fin lo de la muchacha que no es como yo me lo figuro.... 14c - Ai/Perö/Vinga, home, explica m'ho d'una vegada.
Die Interjektion ai steht meist für den Ausdruck eines Schmerzes oder einer Erregung und entspricht somit dem deutschen au und ach. Gleichzeitig beinhaltet sie aber auch Ungeduld in der Aufforderung, etwa ähnlich der deutschen Partikel doch (schon/mal) und ist damit das funktional adäquateste Äquivalent derselben. - Kategorische Aufforderung 15 "Vielleicht rückst du endlich mit der Sprache heraus, was die von uns wollen!", sagt Lehmann. /Noll, 40/ 15a/b - Quizä me digas de una vez por todas ... Quizä te de al fin por decirme ... Quizä me digas de una punetada vez... Quizä me digas de una puta vez ... A lo mejor te da por acabar de decirme ... 15c A veure si/A veiam si en treus Pentrallat del que volen dir-nos.
In den beiden einleitenden Wendungen a veure si -und a veiam si steckt die drohende, sehr kategorische Komponente der deutschen Partikel vielleicht, etwa wiederzugeben mit Wenn wir es nicht sehen/Wenn du das nicht machst, dann ...! - Warnende, mahnende (indirekte) Aufforderung 16 "... Na, Sie sind noch jung, Sie haben was vor sich, Sie werden;« auch noch erleben, wie weit Sie mit der Kriecherei kommen." /69/ 16a - ... Nada, es usted muy joven, tiene mucho que aprender todavia, no sabe donde se va a parar con tanto servilismo. /80/ 16b - ... Usted es todavia joven. Ya veremos hasta donde llega con la adulacion. /63/ 16c Ja ho veurä prou que lluny va/anirä a parar amb No arribarä gaire lluny amb aquest servilisme.
Hier trägt prou nicht die zuversichtliche Nuance wie in (3c), sondern es steht in einer warnenden (indirekten) Aufforderung. Diese katalanische Partikel drückt immer eine
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große Sicherheit des Sprechers in bezug auf den geäußerten Sachverhalt aus. Sie hat deshalb auch immer etwas von ihrer ursprünglichen quantitativen Bedeutung, die sie als Gradpartikel besitzt. Sie werden ganz gewiß noch erleben, daß ... (vgl. Beispiel 16) bzw. Wir finden auf jeden Fall was... (vgl. Beispiel 3) wären die jeweiligen Rückübersetzungen. - Vorwurf, Kritik 17 "... Machen Sie's rückgängig, Pinneberg", hat er immer wieder zu mir gesagt. "Sie werden doch nicht und mit sehenden Augen rennen in Ihr Verderben?! Was wollen Sie die Schickse heiraten,..." /47/ 17a -... Rescinda usted el contrato, Pinneberg. Esto me lo volvio a decir muchas veces: iUsted no puede correr con los ojos abiertos a su perdicion! Como va a casarse con la hija,... /55/ 17b -... Se empeno en que anulara lo de Kleinholz. Me dijo: Va usted a su perdicion con los ojos abiertos. cSerä usted capaz de casarse con la ternera ...? /43/ 17c -... vols dir que no corre cap a la seva perdicio.... vostd 6s el primer de saber que corre cap a la seva perdicio.
Die deutsche Partikel doch bringt in diese Äußerung eine Nuance von Ungläubigkeit, Warnung, gutgemeintem Rat, gepaart mit dem Vorwurf, trotz besseren Wissens eine Handlung mit negativen Folgen zu vollführen. Das katalanische funktionale Äquivalent ist die bereits unter (vgl. Beispiel 2c) erwähnte Wendung vols dir que, mit der der Sprecher starke Einwände gegenüber einem Sachverhalt der objektiven Realität ausdrücken kann. Fassen wir dieses Potential an Ausdrucksmitteln für die Funktionsbereiche 'Gliederung' und 'Abtönung' einmal zusammen, so ergibt sich im Hinblick auf die untersuchten Sprachen vorläufig das folgende Bild: 1. Werden im Deutschen diese Bereiche in erster Linie durch die Gliederungs- und Abtönungspartikeln abgedeckt, so finden sich direkte Äquivalente, d. h. mit ausgesprochenem Partikelcharakter in den romanischen Sprachen nicht nur in weitaus geringerer Zahl; sie decken darüberhinaus auch nicht den gesamten Funktionsbereich 'Abtönung' inhaltlich ab. Dies übernehmen formal und inhaltlich anders geartete Gliederungssignale und Abtönungsphänomene bzw. -verfahren, die auf Grund ihrer kontextuell bedingten Heterogenität sehr schwer zu systematisieren sind, wie z. B. die Übersetzungsvergleiche von Weydt (1969), Gülich (1970), Zierer (1978) und Schemann (1982) ergaben. Es sind u. a. Imperativformen (im Unterschied zu dt. schau/hör mal ohne Partikel) wie frz. ecoute, span, oye, mira, kat. oi; finite Verbformen wie dt. weißte, horste, siehste, frz. tu sais/tu vois, span, sabes, te das cuenta, ves, kat. oi, saps; nachgesetzte Elemente wie dt. nein, nicht wahr, ja, was; frz. hein, quoi, non, n'est-ce pas, span, no, eh, verdad; Modalverben frz. devoir, span, deber (de); idiomatisierte lexikalische Wendungen wie dt. Du läßt aber lange/ja eine halbe Ewigkeit auf dich warten!, frz. Tu en mets/il t'en faut du temps ... (Schemann 1982); Intonation: Segmentierung wie dt. Das ist sie eben nicht., span. Precisamente un buen partido no lo es., kat. Aixö justament/precisament no ho es.; Tempusformen in den romanischen Sprachen: Satztypenänderung. Für die Ermittlung einer einzelsprachlich exakteren Strukturierung bedarf es noch weiterer Untersuchungen. 2. Grundsätzlich ist also davon auszugehen, daß es in allen Sprachen Funktionsbereiche wie Abtönung und Gliederung gibt, deren inhaltliche Merkmale im großen und ganzen
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ebenfalls universal sind, nur mit unterschiedlichen Mitteln ausgedrückt werden. Eine wesentliche Zielstellung der vorliegenden Studie war die systematische Erfassung dieser Mittel für das Katalanische im Vergleich zum Spanischen, Französischen und Deutschen. Besonders deutlich werden dabei die Auswirkungen des engen Sprachkontaktes zwischen dem Katalanischen und Spanischen, aber auch die einzelsprachlichen Besonderheiten des Katalanischen in Gestalt solcher Partikeln wie 'rai' und 'prou'. 3. Eine Schwierigkeit, auf die Schemann (1982) hinweist, ist dabei natürlich auch mit dem der Arbeit zugrundeliegenden Konzept nur schwer aus der Welt zu räumen: die Berücksichtigung des Vorwissens, der Präsuppositionen, aus dem außersprachlichen Kontext, bei der Interpretation sprachlicher Mittel. Dazu bedarf es eigentlich sehr detaillierter Situationsdefinitionen. Ist am Ende eine Situationsgrammatik, wie sie Scherer (1989) vorschlägt, der Schlüssel für dieses Problem? 4. Das komplexe Vergleichsobjekt Nähesprache bietet die Möglichkeit, eine ungeheure Fülle verschiedener Theorien und Methoden der sprachwissenschaftlichen Forschung miteinander zu verbinden, u. a. funktional-kommunikative und komparative Herangehensweisen, wenn als Vergleichsgrößen inhaltliche t. c. wie die sogenannten Funktionsbereiche fungieren. Damit wäre zugleich die Grundlage für eine stärker funktional orientierte Sprachtypologie gelegt. Das von Koch/Oesterreicher (1990) vorgestellte Konzept bietet dafür eine gute Ausgangsbasis.
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Jakob Wüest (Zürich)
Die Sprache der Gesetze. Ein Beitrag zu einer * vergleichenden Pragmatik* 1. Problemstellung Eines der Hauptprobleme einer pragmatischen Sprachbetrachtung besteht bekanntlich darin, daß einer gegebenen Sprecherintention immer eine Vielzahl von grammatikalischen Ausdrucksmitteln gegenübersteht. Gewiss besteht auch auf anderen Gebieten der Grammatik zumeist kein 1:1-Verhältnis zwischen Inhalt und Ausdruck, doch ist das Problem auf dem Gebiete der illokutiven Sprechhandlungen besonders auffällig. Einem 1:1-Verhältnis zwischen Inhalt und Ausdruck steht vor allem die (stilistische) Suche nach Abwechslung entgegen. Dieser Suche kommt im illokutiven Bereich besondere Bedeutung zu, denn in einer gegebenen Textsorte gelangen immer nur ganz wenige Sprechakte zur Darstellung, diese aber mit umso größerer Häufigkeit. Eine Gesetzesregel baut sich so üblicherweise aus nicht mehr als zwei verschiedenen Sprechakten auf, welche dem entsprechen, was die Rechtswissenschaftler als die Voraussetzung und die Rechtsfolge bezeichnen. Im Beispiel (1) Sind die Eltern miteinander verheiratet, so erhält das Kind ihren Familiennamen. (Schweizer Zivilgesetzbuch, Art. 270)
drückt so der erste Satz die Voraussetzung, der zweite die Rechtsfolge aus. Die Voraussetzung ist dabei ein Sprechakt untergeordneter Natur, der meist auch grammatikalisch durch einen untergeordneten Satz, üblicherweise einen Bedingungs- oder Relativsatz, ausgedrückt wird. Nicht selten wird die Voraussetzung auch gar nicht verbal realisiert, sondern lediglich durch das Nominalsyntagma, welches das Thema des Satzes bildet, präsupponiert. Das ist beispielsweise in der französischen Fassung des in (1) zitierten Artikels der Fall: (2) L'enfant de conjoints porte leur nom de Familie. (Code civil suisse, art. 270)
Voraussetzung ist, daß es sich um das Kind von verehelichten Eltern handelt, im Gegensatz zu Tenfant dont la mere n'est pas mariee avec le pere", von dem im folgenden Abschnitt die Rede ist. Wir wollen uns hier auf den Ausdruck der Rechtsfolge konzentrieren. Diese entspricht einem Sprechakt des ANORDNENS, welcher für unsere Textsorte als konstitutiv gelten darf. Die vorherrschende Meinung ist dabei die, daß dieser Akt als Sonderfall einer direktiven Sprechhandlung gelten darf (cf. Viehweger/Spies 1987:82 ss.). Dieter Wunderlich (1976:165s.) behandelt so die "institutionell eingeführten Normen" als "stehenbleibende Aufforderungen". Götz Hindelang gesteht demgegenüber zu, man könnte "einwenden, daß Gesetze, Regeln, Verordnungen und Richtlinien nicht mehr als 'Aufforderungen' bezeichnet werden sollten, da sich eine solche Verwendungsweise des Für Teile dieses Artikels konnte ich mich auf Vorarbeiten meiner Student(inn)en Dorothea Hugentobler, Ute Riebold, Ursula Macher und Mathias Näf stützen. Ihnen sei an dieser Stelle gedankt. Ebenso möchte ich mich bei meinem Assistenten Giuseppe Manno für seine Mitarbeit bedanken.
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Wortes von seinem Gebrauch in der Alltagssprache entfernt" (1978:11). Er entschließt sich dann aber zur Lösung, zwischen Aufforderungen im weitern Sinne (AUFF), zu denen auch Anordnungstexte gehören, und Aufforderungen im engern Sinne zu unterscheiden (AUF), welche notwendigerweise in einer direkten Interaktion zwischen Sprecher und Adressaten vollzogen werden (1978:52ss.). Auch in ihrem Artikel von 1987 bringen Dieter Vieweger und Gottfried Spies erhebliche Einwände dagegen vor, daß das ANORDNEN zu den direktiven Sprechakten gehöre. Sie zeigen, daß sich die in Gesetzestexten gebrauchten sprachlichen Ausdrucksmittel erheblich von denjenigen unterscheiden, welche bei Aufforderungshandlungen üblich sind. Anordnungstexte setzen in erster Linie deontische Normen fest. Tatsächlich möchte ich in der Folge zeigen, daß das Verständnis des ANORDNENS als Aufforderungshandlung dem heutigen juristischen Gebrauch kaum mehr entspricht. Sie trifft aber sehr wohl auf die Gesetze einer Monarchie von Gottes Gnaden zu, die auf dem persönlichen Untertanenverhältnis zwischen dem Volk und seinem Monarchen beruhte. Nach dem Selbstverständnis der französischen Könige war denn auch ein königliches Gesetz ein Willensakt des Königs.1 Ludwig XVI. brachte diese Auffassung noch 1787 zum Ausdruck, als ihn der Herzog von Orloans darauf aufmerksam machte, daß ein Erlaß infolge eines Formfehlers nicht legal sei, und er darauf ungehalten erwiderte: "Si! c'est 16gal parce que je veux."2
2. Die vorrevolutionäre Gesetzessprache 2.1. Die Sprache der königlichen Dekrete in Frankreich An erster Stelle wollen wir uns dehalb mit den königlichen Dekreten im Frankreich des ancien regimes beschäftigen. In Beispiel (3) geben wir Auszüge aus dem Arret du conseil sur la gravure de la musique vom 15. September 1786 wieder: (3) Le roi s'etant fait rendre compte, en son conseil, des momoires prosentos par les auteurs, compositeurs et marchands de musique, ä l'effet d'arreter le cours des contrefa;ons qui nuisent aux droits des artistes et aux progres de l'art, surtout depuis que les ouvrages de ce genre sont assez recherchos pour rdveiller la cupiditö et animer ä la fraude; S. M. ayant reconnu que par ces abus les droits de la proprioti sont de jour en jour moins respected, et que les talents sont depouillös de leurs productions: a quoi voulant pourvoir; le roi etant en son conseil, de l'avis de M. le garde des sceaux, a ordonnd et ordonne ce qui suit: 1. Les auteurs et 6diteurs qui dosireront faire graver des ouvrages de musique, avec paroles ou sans paroles, ne pourront le faire sans avoir obtenu de M. le garde des sceaux la permission ou le privilege du sceau, conformoment aux ordonnances et roglements otablis pour la librairie; et il ne sera accordo, pour lesdits ouvrages, aucun privilege du sceau ou aucune permission aux marchands 6diteurs, qu'en justifiant par eux de la cession qui leur en aura faite par les auteurs ou propridtaires, ou qu'autant qu'ils se prosenteront les premiers, lorsqu'il s'agjra de faire imprimer ou graver dans le royaume la musique qui, sans etre une , aura gravoe ou imprimoe en pays otrangers. 2. Tous ceux qui auront obtenu des privileges ou permissions pour imprimer, graver et vendre ou faire vendre de la musique nationale ou otrangere, seront tenus d'en fournir pour les bibliotheques publiques, neuf exemplaires ä la chambre syndicate des libraires et imprimeurs, ou de les envoyer Cf. Boucher 1989:4-7 (Jean Bart/Jean-Jacques Clere) und 129 (Jean-Pierre Royer). Unberücksichtigt bleibt hier der Fall des Gewohnheitsrechts, wo nicht neue Rechtsnormen aufgestellt, sondern bestehende rapportiert werden, und wo es sich demnach um assertive Sprachhandlungen handelt.
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francs de port, et ce avant d'en vendre ou distribuer aucun autre exemplaire. 3. Nul graveur ne gravera de la musique qu'il ne se soil fait reprdsenter la permission ou le privilege du sceau, qu'il sera tenu de graver en tete de l'oeuvre, en y ajoutant sä marque distinctive et son nom ä la fin de l'oeuvre. [.,.] 12. II y aura ä l'dcole royale de ddclamation et de chant ä Paris, un bureau dtabli pour timbrer toute piece de musique gravde ou imprimde que voudra mettre en vente; ä ce bureau assistera toujours un professeur de ladite dcole royale, qui sera tenu d'y faire le service tous les jours ouvrables, depuis dix heures du matin jusqu'ä deux heures apres midi.[..·] 24. Ddfend S. M. de contrefaire les timbres, la marque du graveur ou les signatures, ä peine de faux, de 3,000 liv. d'amende, de confiscation, et d'etre poursuivi extraordinairement, et puni suivant ('exigence des cas. 25. Veut S. M. que le produit du timbre, ainsi que celui des amendes et confiscations ci-dessus ordonndes au profit du bureau du timbre, soient employds ä l'entretien de l'dcole royale de ddclamation et de chant dtablie dans la ville de Paris. Enjoint S. M. au sieur lieutenant-gdndral de police de Paris, et aux sieurs intendants et commissaires ddpartis dans les diffdrentes gdndralitds du royaume, de tenir la main, chacun en ce qui le concerne, ä l'exdcution du prdsent arret, qui sera imprimd, publid et affichd partout ou besoin sera, et transcrit sur les registres de toutes les chambres syndicales du royaume. (Recueil gdndral des lois, ne 2277)
Sehr deutlich ist die Präsenz des Königs als Urheber des Gesetzgebungsaktes, und zwar nicht nur in der Präambel, sondern häufig auch im Gesetzestext selber. Meist tritt er in der dritten Person als 5 Majeste (S. M.) auf, gelegentlich auch impluralis majestatis der ersten Person. Mit ganz auffälliger Häufigkeit ist der König das grammatikalische Subjekt explizit performativer Verben und auch solcher der Meinungs- und Gefühlsäußerung, denen zumindest ein indirekt performativer Charakter zukommt.3 Es dominieren dabei die direktiven Verben: der König verbietet (defend ou fait defenses), er ordnet an (ordonne, donne des ordres ou enjoint), er erlaubt (aulorise) oder er will ganz einfach (veut ou entend), daß etwas geschieht. Gelegentlich behält er sich auch weitere Beschlüsse vor (se reserve de faire qc.). Deklarative Verben kommen ebenfalls vor, aber kaum als Ausdruck eigentlicher Gesetzgebungsakte: der König ernennt Amtsträger, er erteilt oder bestätigt Privilegien, er gründet Institutionen usw.. Schließlich findet man auch einzelne kommissive Sprechakte, allerdings nur dort, wo die Krone finanzielle Verpflichtungen übernimmt. Ausgesprochen häufig sind dagegen die Verben des Glaubens und Meinem mit dem König als grammatikalischem Subjekt: S. M. juge ä propos, est persuade, croit, reconnait, considere, juge que... Dies mag heute befremdlich erscheinen, doch erteilt der König nicht nur Befehle, er teilt auch seinen Untertanen mit, was er für gut befunden hat. Solche Meinungsäußerungen finden sich insbesondere in der Präambel, in welcher Zweck und Anlaß des Gesetzgebungsaktes mitgeteilt wird. Die Präambel unseres Beispiels ist dabei noch recht lapidar; sie enthält aber alle wichtigen Elemente, außer dem, daß auf bestehende Gesetze Bezug genommen würde, was sehr häufig ist. In unserm Fall verweist der König auf Beschwerden, die an ihn herangetragen wurden, und gibt dann seine Meinung dazu kund (5. M. ayant reconnu que...). In den arrets du conseil schließt die Präambel mit einer Formel, die immer ungefähr Es sei hier daran erinnert, daß in der Theorie von Searle dem assertiven und dem direktiven Sprechakt die Glückensbedingungen eigen sind, daß der Sprecher glaubt, was er erklärt, bzw. daß er will, was er verlangt. Glauben und Wollen sind somit Handlungen, welche durch die entsprechenden performativcn Verben impliziert werden.
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gleich lautet, nämlich: a quoi voulant pourvoir, le roi en son conseil a ordonne et ordonne ce qui suit... Diese Formel enthält nochmals alles Wesentliche, was diese Art der Gesetzgebung in sprechakttheoretischer Hinsicht auszeichnet. Der grundlegende Sprechakt ist ein solcher des ANORDNENS, der hier als eine Aufforderungshandlung vollzogen wird (a ordonne et ordonne*). Daneben kommt allerdings noch als weiterer Sprechakt ein solcher der ZWECKBESTIMMUNG vor (ä quoi voulant pourvoir). Eine ZWECKBESTIMMUNG findet sich in jeder Präambel, und sie kommt, was in heutigen Gesetzen völlig undenkbar wäre, gelegentlich sogar in einzelnen Artikeln vor (cf. Beispiel (5)). Auch in den einzelnen Gesetzesregeln wird teilweise die illokutive Rolle explizit performativ ausgedrückt. In unserm Beispiel ist dies in den letzten beiden Artikeln der Fall. In den übrigen Artikeln dominiert dagegen der Gebrauch des Futurs. Dieses Futur kann mit Bestimmtheit nicht rein zeitlich verstanden werden, sondern es handelt sich um ein modales Futur, das eigentlich einem Imperativ gleichkommt. Searle (1979:chap. 2) rechnet dieses Futur zu den indirekten Sprechakten und leitet es aus der Regel des propositionalen Gehalts ab, nach welcher ein direktiver Sprechakt eine zukünftige Handlung des Adressaten bezweckt.5 Ein letzter Hinweis sei mir noch auf die Anfänge einzelner Artikel gestattet: Tous ceux qui... (art. 2), Nul graveur... (art. 3), ferner in den hier nicht wiedergegebenen Artikeln Nul imprimeur en taille-douce (art. 4), Aucun auteur (art. 5), Aucun marchand (art. 6) oder Tout marchand de musique non libraire (art. 9) und Toute piece de musique gravee ou imprimee (art. 13) usw.. Diese Satzanfänge sind für den legislativen Stil als solchen charakteristisch. Gesetze sind allgemeinverbindlich, und diese Allgemeinverbindlichkeit kann ihren expliziten grammatikalischen Ausdruck darin finden, daß das Subjekt (oder, richtiger, das Thema) des Satzes von einem Indefinitium begleitet wird, das einem logischen Allquantor entspricht.6 2.2. Gesetzgebung deutscher und italienischer Sprache Die wesentlichen Merkmale dieses Gesetzesstils findet man auch im deutschen Sprachraum wieder, zumindest dort, wo es sich um monarchische Erlasse handelt. Erlasse nicht monarchischen Ursprungs unterscheiden sich im wesentlichen aber nur durch die Präambel. Das folgende zugerische Beispiel zeigt dabei, daß sich die Schweizer schon damals von den Ausländern unterwandert fühlten: (4) Sontag, den 10. May a. 1744. An gewohnter Mayen gmeint ist folgentes einhellig erkänt. Die m.g.h. haben aus sonderer Sorgfalt, weilen die einzügling in unser burgerrecht, so das burgerrecht zu kaufen gewald haben, bis dahin in starker zahl in unser burgerrecht zwar mit erlegung der 200 gl. gezogen, hierbey aber allerhandt gefährliche einschlich wegen erkaufung bürgerlicher höfen und anderem zu höchstem nachteil der burgerschaft verspüret worden, eine Verordnung gemacht, so heut dato einer lobl. burgerschaft zur ratification vorgebracht und einhellig bestetet worden, wie folget: (Die Rechtsquellen des Kantons Zug II, p. 595) Merkwürdig ist der doppelte Tempusgebrauch. Soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß der König sowohl der Urheber der Gesetzgebung wie auch derjenige ist, welcher sie in Kraft setzt? Hindelang (1978) spricht in diesem Zusammenhang von einer Befolgungsfestlegung. - Das Futur kommt in den alten französischen Gesetzen allerdings nicht nur als Ausdruck des ANORDNENS vor, sondern auch in den Vorbedingungen, wo es sich allein durch die consecutio temporum erklärt. Cornu (1990:276-283) rechnet zu diesen marque de % auch die in den Gesetzestexten besonders häufigen passiven und unpersönlichen Konstruktionen, die auch in unserem Beispiel nicht fehlen: z.B. et U ne sera accorde, pour lesdits ouvrages, aucun privilege du sceau... (art.l).
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Was an älteren deutschen Gesetzen uns heute oft befremdet, ist das damalige mit vielen Latinismen durchsetzte Juristendeutsch, das noch sehr ungelenk wirkt. Das folgende Beispiel stammt aus einem Reglement für die Universität zu Franckfurth an der Oder, das Friedrich II. 1751 erließ: (5) Da Sr. Königl. Majestät ernstlicher Wille ist, daß gute Ordnung unter den Studenten gehalten, und ihnen so viel als möglich alle Gelegenheit zu Ausschweifungen benommen werde, die Erfahrung aber gezeigt hat, daß dieselben an denen Tagen, wo das Rectorat gewechselt worden, sich öfters ungebührliche Licentz angemaßet haben, wozu insonderheit die zu solcher Zeit gewöhnliche Aufzüge öffentliche und denen eine Music bringenden Studiosis davor von denen Rectoribus geschehene Bewirthung Anlaß gegeben, so soll hinführo bey dem Wechsel des Rectorats keine öffentliche Aufzüge derer Professorum durch die Stadt geschehen, noch von dem neuen oder abgehenden Rectore denen Studenten, die ihnen etwa eine Music bringen, die bishero übliche Collation gegeben werden, sondern die gantze Solennität dieses Tages soll darinnen bestehen, daß ein Concilium Professorum gehalten, und in demselben dem neuen Rectori von dem abgehenden die Insignia übergeben, und hiernächst die geschehene Verwechslung durch einen Aushang am schwartzen Brette bekannt gemacht werde. (Novum Corpus Consitutionum, vol. I, coll. 59)
Wir wollen hier nicht versuchen, einen eingehenden Strukturvergleich zwischen der damaligen deutschen und französischen Rechtssprache anzustellen. Ein Unterschied fällt jedoch sofort auf. Das für die französischen Gesetzestexte so charakteristische Futur kommt in deutschen Gesetzestexten nicht vor. An seine Stelle tritt zumeist, so auch im Beispiel (5), eine Konstruktion mit dem Modalverb sollen als Ausdruck des ANORDNENS. Neben dem französischen und deutschen Sprachgebiet habe ich mich auch auf dem italienischen umgesehen. Dabei muß ich allerdings gestehen, daß ich gewisse Probleme hatte, mich für die ältere Zeit zu dokumentieren. Das hängt damit zusammen, daß das 16. bis 18. Jahrhundert in Italien durch keine besonderen gesetzgeberischen Leistungen hervorgetreten zu sein scheint, und daß außerdem in Italien bis in die Moderne hinein das Latein als Gesetzessprache im Gebrauch blieb. Die Beispiele, die ich einsehen konnte, gehören alle zur Textsorte der statuti. Diese zeichnet sich durch eine starke Formelhaftigkeit aus. Der Sprechakt des ANORDNENS wird darin immer explizit vollzogen, und zwar, soweit ich sehen konnte, ausschließlich durch die beiden Verben statuere und ordinäre. So findet man immer wieder die gleichen beiden Formeln, oft auch reduziert auf eines der beiden Verben: statuerunt et ordinaverunt quod und statutum et ordinatum est quod, immer gefolgt vom Konjunktiv. Auch die italienisch verfaßten statuti brechen kaum aus dieser Tradition aus. Die Statuti senesi des 13. und 14. Jahrhunderts verwenden so durchgehend die Formel statuimo et ordinamo ehe, ebenfalls gefolgt vom Konjunktiv.7 Zu beachten ist dabei, daß in ihrer etymologischen Bedeutung eigentlich weder statuere noch ordinäre direktive Verben sind; einzig ordinäre ist es in einer seiner (italienischen) Bedeutungen geworden. Italien mit seiner archaischen Gesetzessprache stellt einen Sonderfall dar. Was das französische und deutsche Sprachgebiet betrifft, so darf man jedoch eindeutig aus den verwendeten Ausdrucksmitteln schließen, daß der Akt des ANORDNENS in vorrevolutionärer Zeit als direktiver Sprechakt, als ein Befehl, welcher der Monarch seinen Untertanen Diese Formel ist auch nördlich der Alpen nicht unbekannt. Noch in der frederizianischen Gesetzgebung findet man so setzen und ordnen neben befehlen und wollen als diejenigen Verben, durch die der König einen Erlaß in Kraft setzt.
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gibt, verstanden wurde. Daß dabei das Französische das Imperativische Futur bevorzugt, das Deutsche aber das Modalverb sollen, mag mit den Besonderheiten des deutschen Futurs zusammenhängen. Zwar gebraucht auch das Französische gelegentlich das Präsens für Handlungen, welche in der Zukunft liegen; im Deutschen ist das Konkurrenzverhältnis zwischen Präsens und Futur jedoch viel ausgeprägter (cf. Confais 1990:266ss.). Auch die modalen Verwendungen des Futurs sind im Deutschen seltener. Daß die imperativische Verwendung dabei nicht ganz unmöglich ist, belegt ein Beispiel wie Sie werden mir drei Kopien dieses Briefs machen. Es gibt aber viele Einschränkungen. So wird man schwerlich ein Bier bestellen, indem man sagt: ?? Sie werden mir noch ein Bier bringen. Dieser Unterschied kommt auch im wohl berühmtesten Gesetzestext überhaupt zum Ausdruck, im Dekalog. Das Französische gebraucht da in Übereinstimmung mit seiner gesetzgeberischen Tradition das Imperativische Futur (Tu ne tueras point.) und das Deutsche seine so/fen-Formen (Du sollst nicht töten.), während das Italienische vorwiegend auf den Imperativ zurückgreift (Non uccidere.), obwohl es auch das Futur kennt (Non avrai altro Diofuori di me.).
3. Die heutige Gesetzessprache 3.1. Der Ausdruck der illokutiven Rolle Solch klare Unterschiede findet man in der heutigen Gesetzessprache nicht mehr. Die Gesetzessprache hat sich in den letzten beiden Jahrhunderten über die Sprachgrenzen hinaus so stark angeglichen, daß es für die Gegenwart nicht mehr sinnvoll erscheint, die drei Sprachgebiete getrennt zu behandeln. Gegenüber dem ancien regime haben sich dabei auf illokutivem Gebiete vor allem zwei Dinge geändert. Erstens sind jene sprachlichen Zeichen, welche früher den Akt des ANORDNENS als direktiven Sprechakt auswiesen, so gut wie verschwunden. Zweitens erscheint kein Akt der ZWECKBEOTMMUNG mehr. Eine Ausnahme macht in unserm Untersuchungsgebiet einzig die (ehemalige) DDR, in deren Gesetzgebung man noch Präambeln mit einer (marxistisch fundierten) ZWECKBESTIMMUNG finden kann (cf. etwa den von Viehweger/Spies 1987:85ss. analysierten Beispielstext). Sonst trifft man höchstens ab und zu auf einen allgemein gefaßten Zweckparagraphen zu Beginn eines Gesetzes. Die grundsätzliche Meinung ist jedoch die, daß Begründungen nicht ins Gesetz selber gehören, sondern vielmehr in ein begleitendes expose des motifs. Im gleichen Zuge sind auch die barocken Präambeln verschwunden. An ihre Stelle sind weitgehend standardisierte Formeln getreten: (6) L'Assemblde nationale et le Sonat ont adoptd, le Präsident de la Rdpublique promulgue la loi dont la teneur suit: oder: (7) Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: oder: (8) L'Assemblea federate della Confederazione svizzera [...] decreta:
Diese Formeln sind die einzige Stelle in der heutigen Form der Gesetze, an welcher sich der Gesetzgeber noch selber nennt. Sie sind auch die einzige Stelle, wo der legislatori-
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sehe Akt als solcher bezeichnet wird, d.h. wo dasjenige Prädikat steht, von welchem der ganze Gesetzestext gleichsam abhängt. Als Folge davon sind in den einzelnen Gesetzesregeln die sprachlichen Merkmale, welche in den alten Gesetzen jede Regel als Akt des ANORDNENS charakterisierte, so gut wie verschwunden. Freilich stellt man dabei Inkonsequenzen fest, denn sowohl in der französischen wie in der deutschen Gesetzessprache findet man bis heute gelegentlich Reminiszenzen des traditionellen Stils. Aber das Modalverb sollen in deutschsprachigen Gesetzen und das Futur in französischsprachigen Gesetzen ist sehr selten geworden. Im Textausschnitt, welchen wir in der Folge untersuchen wollen, findet man so in der deutschen Fassung auf hundert Anordnungen noch zwei Belege von sollen, während in der französischen Fassung gerade noch ein Futur vorkommt. Insgesamt herrscht jedoch ein ausgesprochen neutraler, unpersönlicher Stil in den Gesetzesregeln vor, und in allen drei untersuchten Sprachen hat sich der Indikativ Präsens als das dominierende Tempus der Gesetzessprache durchgesetzt. Dieser Indikativ Präsens tritt hier offensichtlich nicht in seiner üblichen, assertiven Funktion auf. Tatsächlich ist es so, daß ein moderner Rechtstext erst dadurch seine illokutive Rolle zugewiesen bekommt, daß er von der vom Gesetz vorgesehen Instanz beschlossen wird. Der Text selber, der zunächst beraten und gegebenfalls noch geändert wird, besteht jedoch lange bevor es zu diesem Akt kommt. Solange der Text noch in Beratung ist, haben wir es somit mit dem seltenen Fall eines Textes ohne illokutive Rolle zu tun. Der Akt des ANORDNENS wird deshalb nicht mehr in der einzelnen Gesetzesregel zum Ausdruck gebracht, welche ihrerseits eine möglichst neutrale Form erhält, sondern einzig durch den Ingreß, der den Akt, durch welchen das Gesetz in Kraft gesetzt wurde, explizit festhält.8 Dabei fällt aber auch auf, daß im Ingreß die in den alten Gesetzen üblichen Verben, die zumeist zum direktiven Typus gehörten, durchgehend ersetzt worden sind. In der heutigen Gesetzgebung Frankreichs kommen so nur noch die Verben adopter, promulguer, decreter und arreter9 vor, wozu in der Westschweiz noch decider kommt, das dem im deutschen Sprachgebiet beliebten beschließen entspricht. Streng genommen sind dies alles überhaupt keine explizit performativen Verben. Man wird sie deshalb in den Listen von Searle und Vanderveken (cf. Searle/Vanderveken 1985, Vanderveken 1988) vergeblich suchen. Das hängt damit zusammen, daß in der Sprechakttheorie die sprechaktbezeichnenden Verben überaus restriktiv definiert werden. Der Gesetzgebungsakt ist insofern keine Sprechhandlung, als er kein Akt ist, durch welchen jemand etwas tut, indem er etwas sagt. Seinem Wesen nach ist er jedoch unbestreitbar ein sprachlicher Akt, allerdings keiner der direktiven Art, sondern weit eher eine Deklaration im Sinne von Searles Klassifikation. Deklarationen sind Sprechhandlungen, welche die Besonderheit aufweisen, daß die Handlung genau dadurch vollzogen wird, daß man etwas Bestimmtes sagt. So wird man dadurch zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, daß der Richter sagt: «Ich verurteile Sie zu 20 Jahren Gefängnis.» Oder man verliert seine Anstellung dadurch, daß man vom zuständigen Vorgesetzten die (schriftliche oder mündliche) Mitteilung bekommt: «Sie sind entlassen.» Nun kann jedoch nicht irgendwer irgendwen verurteilen oder entlassen. Die entsprechende Sprechhandlung kann nur von einer Instanz vollzogen werden, welche von Rechts wegen dazu berechtigt ist. In gleicher Weise kann ein Gesetz, ein Erlaß oder 8
Ich schließe mich damit einer Auffassung an, welche in der Diskussion in Bamberg von Herrn Kollegen Albrecht vorgetragen wurde. Die in Frankreich üblichen Formeln des Ingresses findet man bei Cornu (1990:274s.).
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ein Reglement nur von einer hierzu berechtigten Instanz erlassen werden. Der einzige wesentliche Unterschied besteht dabei darin, daß es sich hierbei um einen kollektiven und nicht um einen individuellen Akt handelt. Gegenüber der alten Gesetzgebung besteht der Unterschied also nicht nur darin, daß der Akt des ANORDNENS nur noch im Ingreß explizit vollzogen wird, sondern daß dieser Akt selber nicht mehr als Willens- und damit letztlich als Willkürakt verstanden wird, was natürlich noch nicht heißt, daß er es in Wirklichkeit auch nicht mehr ist.10 32. Der Ausdruck der deontischen Norm Wird die Natur des Sprechaktes in den einzelnen Gesetzesregeln nicht mehr explizit ausgedrückt, so findet man doch darin, wie schon Viehweger/Spies (1987:90ss.) unterstrichen haben, häufig modale Ausdrücke der deontischen Norm, welche die Gesetzesregeln als Rechte oder Pflichten kennzeichnen.11 Dies ist an und für sich nichts Neues in der Rechtssprache. In unserm Text (3) findet man so an Ausdrücken der deontischen Norm in Art. l ne (pas) pouvoir, sowie in den Art. 2,3 und 12 je einmal etre tenu (de faire qc.). Der Unterschied zu heutigen Gesetzen besteht im wesentlichen nur darin, daß in vorrevolutionären Erlassen diese Verben allesamt im Futur stehen, während man heute das Präsens gebrauchen würde. Im Deutschen stellt sich das Problem anders, weil sollen ebenfalls als deontisches Modalverb gebraucht werden kann. Es kommt aber in älteren Gesetzen gelegentlich vor, daß andere Modalverben wie müssen, dürfen, können usw. anstelle des dominierenden sollen treten. Dem Problem des Ausdrucks der deontischen Norm wollen wir anhand eines Ausschnitts aus dem schweizerischen Zivilgesetzbuch in der französischen, italienischen und deutschen Fassung nachgehen. Gewählt wurde dabei ein Ausschnitt von genau hundert Anordnungen, wobei die Vorbedingungen immer außer Betracht gelassen wurden.12 Der Ausschnitt besteht aus vierzig Artikeln (290-309) des Familienrechts in der revidierten Fassung von 1976. Die Abgrenzung der Fälle, wo ein «deontisches Prädikat» vorliegt, erwies sich dabei als nicht besonders einfach. Es gibt auf der einen Seite explizit deontische Verben. Es sind dies meist Modalverben, bei denen das eigentliche Prädikat als Infinitiv erscheint. Andere Verben implizieren dagegen nur, daß es sich um ein Recht oder eine Pflicht handelt. So impliziert beispielsweise das Verb haften (etre tenu sur; rispondere di), daß die Person in Subjektsstellung eine Verpflichtung eingegangen ist, oder das Verb zustehen (appartenir; spettare, competere), daß die Person im Dativ ein Recht auf die Sache hat, welche als Subjekt erscheint. Probleme ergeben sich allerdings bereits bei der Einordnung eines Prädikats wie zuständig sein (etre competent; essere competente). Ein zuständiges Gericht ist ein Gericht, welches das Recht - in einer gewissen Weise aber auch die Pflicht - hat, sich mit einer Sache zu befassen.13 Cornu (1990:271) sieht so im Gebrauch des Indikativs einzig ein Mittel, den direktiven Akt zu verschleiern: "Psychologiquement, l'indicatif präsent offre [...] des avantages. II occulte celui qui donne l'ordre et ne brandit pas le pouvoir d'ordonner. C'est une facon plus discrete, plus douce et plus diplomatique de commander." In der deontischen Logik verwendet man dafür die Operatoren O (= obligatorisch) und P (= erlaubt). Genau genommen gilt diese Zahl nur für die deutsche und die italienische Fassung. In der französischen Fassung umfaßt der gleiche Textabschnitt wegen abweichenden syntaktischen Konstruktionen in den Artikeln 302 und 306 insgesamt 102 Anordnungen. Nicht berücksichtigt wurden selbstverständlich deontische Ausdrücke, welche nicht verbal, sondern nominal realisiert werden, z.B. Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert bis zur Mündigkeit des Kindes.
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Vergleicht man die in der französischen und italienischen Fassung gebrauchten deontischen Ausdrücke (cf. Anhang 1), so ergibt sich insgesamt eine recht gute Übereinstimmung. Auffällig ist vor allem das vierfache Vorkommen von etre tenu (de faire qc., ä qc.) in der französischen Fassung, dem nur ein einziges essere tenuto a im italienischen Text gegenübersteht. Alle anderen Abweichungen betreffen Einzelfälle. Deutlicher ist demgegenüber der Unterschied zwischen der deutschen und den beiden romanischen Fassungen. Das Deutsche kann dabei seinen Reichtum an modalen Ausdrücken ausspielen: pouvoir beziehungsweise potere stehen können und dürfen, devoir beziehungsweise dovere stehen (zu tun) haben und sollen gegenüber, wobei in diesem letzteren Fall aber vor allem das völlige Fehlen von müssen auffällt. Müssen, das weniger polysem ist als devoir und dovere, würde wohl als zu schroff empfunden. Insgesamt enthalten ziemlich genau die Hälfte aller Sprechakte des ANORDNENS eine deontische Angabe.14 Dabei gibt es bemerkenswerterweise Abweichungen zwischen den einzelnen Fassungen (cf. Anhang 2). Wenn man davon ausgeht, daß die Urfassung die deutsche ist, so wie das in der Bundesverwaltung weitgehend üblich ist, so muß man fast vermuten, daß hier Übersetzungsschwierigkeiten mit im Spiele sind. Unübersetzt bleiben nämlich nur zwei deutsche Konstruktionen: (zu tun) haben und (zu tun) sein. Letzteres wird überhaupt nie in den beiden romanischen Sprachen gleichzeitig deontisch wiedergegeben. Dabei gibt es eigentlich in beiden Sprachen äquivalente Wendungen. Nur scheinen sie nicht zum juristischen Stil zu gehören; einzig in der italienischen Fassung findet man einmal essere da mit Infinitiv. Zweimal steht einzig in der französischen Fassung ein deontischer Ausdruck. In Artikel 302 ist diese Besonderheit ausschließlich der Wahl einer ändern Konstruktion zuzuschreiben. Bemerkenswert ist dagegen Artikel 303, weil er der einzige ist, wo nicht der Ausdruck einer Verpflichtung fakultativ ist, sondern derjenige einer Berechtigung. Es stellt sich nämlich die Frage, wieso überhaupt in der Hälfte der Fälle ein Ausdruck der deontischen Modalität fehlt. Die Unterschiede zwischen unseren drei Fassungen deuten darauf hin, daß es keinen eindeutigen Gegensatz zwischen den Sätzen mit und ohne deontische Modalität geben kann. Tatsächlich schafft jede gesetzliche Anordnung Rechte und/oder Pflichten. Warum wird dies dann aber im einen Fall explizit markiert und im anderen nicht? Schauen wir uns einmal ein typisches Beispiel eines nicht markierten Satzes an: (9) Die Eltern geben dem Kind den Vornamen.
Ist dies nun ein Recht oder eine Pflicht? Die richtige Antwort lautet ohne Zweifel: Sowohl das eine wie das andere. Tatsächlich ist der Unterschied zwischen Recht und Pflicht gar nicht immer so eindeutig. Der nicht modalisierte Indikativ Präsens tritt in diesen Fällen gleichsam als neutralisierte deontische Ausdrucksweise auf. Dies scheint seine allgemeine Funktion in der heutigen Gesetzessprache zu sein. Fassen wir zusammen. Jedes Gesetz stellt deontische Normen auf, d.h. es schafft Pflichten und Rechte. Es gibt dabei sprachliche Mittel, welche die Pflichten und Rechte als solche kennzeichnen. Vielfach ist eine solche Präzisierung aber nicht nötig oder gar nicht erwünscht. Dann tritt in den modernen Gesetzen der nicht modalisierte Indikativ Präsens als neutralisierte Form ein. Der wesentlichste Unterschied gegenüber den alten Gesetzen betrifft jedoch den Ausdruck der illokutive Rolle des ANORDNENS. Diese wird In der französischen Fassung sind es 53 auf 102, in der italienischen 49 auf 100 und in der deutschen 53 auf 100.
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heute einzig im Ingreß als solche gekennzeichnet. Zudem wird sie nicht mehr als direktive Sprechhandlung, sondern als Art Deklaration (im Sinne der Sprechakttheorie) verstanden. Somit stellt sich nun die Frage, wann und unter welchen Umständen es zu diesem Bruch in der Tradition gekommen ist. 4. Der Übergang 4.1. Die konstitutionellen Monarchien des 19. Jahrhunderts Da dieser Bruch etwas mit dem Übergang von der monarchischen zur republikanischen Regierungsform zu tun haben könnte, wenden wir uns zunächst den Monarchien des 19. Jahrhunderts zu. Diese waren allerdings zumeist bereits konstitutionelle Monarchien, und entsprechend zwitterhaft war ihr Gesetzgebungsstil. Vor allem die Präambeln blieben häufig dem traditionellen Stil verhaftet. 5 Die Präambel des Statute fundamentale del Regno di Sardegna von 1848 beginnt etwa mit der Aufzählung sämtlicher Titel des Königs Carlo Alberto. Ihr folgt eine weitschweifige Zweckbestimmung und zum Schluß die folgende Promulgationsformel: (10) Perciö, di Nostra certa scienza, Regia autoritä, avuto il parere del Nostro Consiglio, abbiamo ordinato et ordiniamo in forza di Statuto e Legge Fondamentale, perpetua et irrevocabile della Monarchie, quanto segue:
Hier könnte man meinen, es sei noch alles beim alten geblieben. Betrachtet man freilich das, was folgt, so herrscht bereits der neutrale, unpersönliche Stil heutiger Gesetze vor. Es ist vor allem der verhältnismäßig häufige Gebrauch des Futurs, welcher trotzdem das Alter dieses Verfassungstextes verrät. 4.2. Die ältesten Verfassungen der französischen Republik Der eigentliche Bruch muß also weiter zurückliegen, und es ist naheliegend, daß die Französische Revolution hier eine Rolle gespielt hat. Ihr erster großer gesetzgeberischer Akt war bekanntlich die Declaration des droits de l'homme et du citoyen vom 26. August 1789. Daß diese durchgehend im Präsens verfaßt ist, liegt auf der Hand, handelt es sich doch um angeborene und unveräußerliche Rechte. Nichts wäre hier weniger angemessen als der Gebrauch des Futurs. In der Verfassung von 1791, in welche die Menschenrechtserklärung eingebaut wurde, alterniert dann aber wiederum das Präsens mit dem insgesamt vorherrschenden Futur. Es ist dabei nicht leicht, einen Unterschied im Gebrauch der beiden Tempora festzustellen; es fällt aber auf, daß häufig der erste Satz zu Beginn eines Artikels im Präsens und die folgenden Sätze im Futur stehen: (11) 7. La Loi ne considere le manage que comme contrat civil. - Le Pouvoir logislatif otablira pour tous les habitants, sans distinction, le mode par lesquel les naissances, manages et doces seront constatos; et il ddsignera les Officiers publics qui en recevront et conserveront les actes. (Constitution du 3 septembre 1791, litre II) Aufgrund der Sammlung von Stober (1986) läßt sich sehr gut verfolgen, wie die Präambeln im Deutschland des 19. Jahrhunderts immer kürzer wurden.
Die Sprache der Gesetze
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Man könnte versucht sein, den Unterschied in diesem Fall zeitlich zu erklären. Die im Futur stehenden Sätze verweisen auf einen Gesetzgebungsakt, welcher im Zeitpunkt, wo die Verfassung in Kraft tritt, noch nicht vollzogen ist. Diese Erklärung bereitet aber im folgenden Fall Schwierigkeiten: (12) Art. 1er. - Les functions des assembles primaires et 61ectorales se bornent ä olire; elles se sopareront aussitöt apres les elections faites, et ne pourront se former de nouveau que lorsqu'elles seront convoquoes [...] (Constitution du 3 septembre 1791, chap, ler, section IV)
Offensichtlich ist die Struktur dieser Artikel immer so, daß die wichtigste, allgemeinste Bestimmung am Anfang steht und durch die folgenden Bestimmungen präzisiert wird. Dabei ist die Tendenz offenbar die, den Gebrauch des Präsens Bestimmungen vorzubehalten, welche einen möglichst allgemeingültigen Charakter haben, während für Anordnungen, die sich daraus ableiten, das Futur zur Anwendung kommt. Die drei französischen Verfassungen der Revolutionszeit waren äußerst kurzlebig. Diejenige von 1793 trat sogar überhaupt nie in Kraft. Vom linguistischen Standpunkt aus am bemerkenswertesten ist jedoch die Verfassung von 1795. Sie ist erstmals durchgehend im Präsens verfaßt, und leitet damit eine Tradition ein, von der zumindest die französischen Verfassungstexte seither nicht mehr abgewichen sind. 4.3. Der Code Napoleon und seine Übersetzungen Dasjenige gesetzgeberische Werk des Revolutionszeitalters, das für die weitere Entwicklung des Rechts und der Rechtssprache wohl die größte Bedeutung erlangt hat, ist jedoch der Code Napoleon, das französische Zivilgesetzbuch aus dem Jahre 1804. Dieses fand im Zuge der napoleonischen Eroberungen sehr bald auch außerhalb des französischen Sprachgebietes Anwendung, so in großen Teilen Deutschlands, selbst solchen, die nicht unter französischer Besetzung standen, und in fast ganz Italien, mit Ausnahme Sardiniens, Siziliens und der Republik von San Marino (cf. Hecker 1980). Formal zeigt sich der Code Napoleon als ein durchaus modernes Gesetzbuch. In einer Hinsicht erweist er sich aber noch als ein Werk des Übergangs. Zumindest im ersten Drittel der Kodifikation schwankt der Tempusgebrauch auffällig zwischen dem heute allgemein üblichen Präsens und dem überlieferten Futur. Betrachten wir beispielsweise den Beginn des ersten Buchs, wo die Staatszugehörigkeit geregelt wird, ein besonders wichtiger Teil, gab es doch diesen Begriff in vorrevolutionärer Zeit noch nicht. Der Gebrauch des Futurs ist in diesem Teil vorherrschend, doch taucht auch das Präsens auf. Offenbar wird das Präsens vor allem dann gebraucht, wenn es sich um eine besonders allgemeingültige Bestimmung handelt, z.B. (13) Tout enfant no d'un Francais en pays otranger, est Francais (Code Napoleon, art. 10).
Dem widerspricht aber die Tatsache, daß man ganz am Anfang eine noch weit allgemeingültigere Bestimmung im Futur findet: (14) Tout Francais jouira des droits civils (Code Napoloon, art. 8). Die von mir konsultierte italienische Fassung, die im allgemeinen den Tempusgebrauch des französischen Originals respektiert, gebraucht an dieser Stelle bezeichnenderweise das Präsens: (14') Oualunque Italiano gode dei diritti civili. (Codice di Napoleone, art. 8)
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Wahrscheinlich sollte man aber ohnehin nicht allzu viel Sinn hinter diesem Tempusgebrauch vermuten, wie ein Blick auf die Vorarbeiten des Code Napoleon zeigt (cf. Fenet 1827, vol. VII). Der ursprüngliche Entwurf des betreffenden Kapitels zeichnet sich durch ein schwer entwirrbares Durcheinander von Präsens und Futur aus. Dann muß jedoch zwischen der Sitzung vom 2. und 4. August 1801 (14 et 16 thermidor an IX) jemand den Text umgeschrieben haben, wobei er bis auf wenige Ausnahmen den Gebrauch des Futurs durchsetzte. Obwohl der Tempusgebrauch im Code Napoleon also von zweifelhafter Kohärenz ist, wird er von den italienischen Übersetzungen im großen und ganzen übernommen.17 In Italien scheint dieser Gebrauch sogar Schule gemacht zu haben, denn das gleiche Hinund Herpendeln zwischen Präsens und Futur findet man auch im erwähnten Statute fundamentale von 1848. Wie wenig dabei die beiden Tempora sich letztlich in ihrer Verwendung unterscheiden, zeigt das folgende Beispiel: (15) La dotazione della Corona t conservata durante il Regno attuale quäle risultera dalla media degli Ultimi dieci anni. Il Re continuera ad avere l'uso dei Reali palazzi... (art. 19; Hervorhebungen von mir.)
Auch hier besteht offensichtlich die Tendenz, das Präsens der wichtigsten Bestimmung, die am Anfang steht, vorzubehalten. Allerdings stehen daneben auch ganze Abschnitte entweder im Präsens oder im Futur. Ganz anders verhält es sich jedoch mit der Rezeption des Code Napoleon in Deutschland.18 Daß die deutschen Übersetzer das Futur meiden, ist angesichts der deutschsprachigen Tradition nicht verwunderlich. Zum Teil ersetzen sie dabei das Futur durch einen zusätzlichen Modalausdruck, vor allem durch das traditionelle sollen. Allerdings ist dessen Gebrauch je nach Fassung schon mehr oder weniger selten geworden. Häufig wird nämlich das Futur auch ganz einfach durch ein nicht modalisiertes Präsens ersetzt. In illokutiver Hinsicht nähert man sich also bereits dem modernen Gebrauch. Daß die deutschen Fassungen hier im Gegensatz zur italienischen einen vom Original abweichenden Sprachgebrauch entwickeln, hängt nun allerdings auch damit zusammen, daß es im deutschen Sprachraum hierfür bereits Vorbilder gab. 4.4. Die deutschsprachigen Vorläufer Den deutschen Fassungen des Code Napoleon ist insbesondere das noch von Friedrich II. in Auftrag gegebene, aber erst 1794 in Kraft gesetzte Allgemeine Landrecht für die Preussischen Staaten vorausgegangen. Durch Publikationspatent in Kraft gesetzt, weicht dieses schon insofern von der Tradition ab, als daß der preussische König darin selber nicht als Urheber der Gesetzgebung in Erscheinung tritt. Im gleichen Zuge sind auch die Akte des ZWECKBESTTMMENS verschwunden. In formaler Hinsicht fällt besonders auf, daß die traditionellen 5o//en-Konstruktionen nur noch selten gebraucht werden. Sie sind vielfach durch andere (explizit oder implizit) deontische Konstruktionen ersetzt. Recht häufig findet man aber auch Gesetzesregeln im Präsens ohne jegliche modale Angabe, z.B.: 17
Es gibt mehrere italienische Übersetzungen aus napoleonischer Zeit, wobei aber die offizielle Mailänder Ausgabe von 1806 den anderen Ausgaben als Modell diente (cf. Zuliani 1985:32). Ich stütze mich an dieser Stelle auf Hecker (1980:117-125), der die Bestimmungen über die Staatsangehörigkeit aus den ältesten acht Übersetzungen und Adaptationen des Code aus den Jahren 1807 bis 1814 reproduziert.
Die Sprache der Gesetze
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(16) Der Mann ist das Haupt der ehelichen Gesellschaft; und sein Entschluß giebt in gemeinschaftlichen Angelegenheiten den Ausschlag. (Allg. Landrecht, II l, 184)
Sicherlich ist das Inventar der deontischen Ausdrücke noch einigermaßen verschieden von demjenigen moderner Gesetze (cf. Anhang 3). Das hängt zum Teil mit der Entwicklung der Sprache zusammen, zum Teil aber auch damit, daß trotz seiner relativen Modernität das obrigkeitlich-autoritäre Denken im Allgemeinen Landrecht noch sehr präsent ist. Vergleicht man das Inventar der Modalausdrücke mit demjenigen, das wir für das schweizerische Zivilgesetzbuch aufgestellt haben, so fällt einerseits die massive Präsenz von müssen auf, andererseits die sehr große Zahl von Gesetzesregeln, welche als Verbote formuliert sind, z.B.: (17) [Eheleute] müssen vereint mit einander leben, und dürfen ihre Verbindung eigenmächtig nicht aufheben. (Allg. Landrecht, II l, § 175)
Auch die Constitutio criminalis Theresiana von 1769 darf als weiterer Versuch einer spätaufklärerischen Rechtskodifikation hier genannt werden. In ihr übersteigt der Anteil der nicht modalisierten Sätze im Präsens noch deutlich denjenigen im Allgemeinen Landrecht. Nur handelt es sich dort häufig gar nicht um Akte des ANORDNENS, sondern vielmehr um solche des DEFINIERENS: (18) Ein Verbrechen ist, wenn von Jemandem wissentlich, und freywillig entweder, was durch die Gesetze verboten, unternommen, oder was durch die Gesetze geboten ist, unterlassen wird. Es ist demnach ein Verbrechen nichts anderes, als ein gesetzwidriges Thun, oder Lassen, so folgsam durch Thathandlung, oder Unterlassung begangen wird. (Constitutio criminalis Theresiana, I, § 1)
Auf weite Strecken liest sich die Constitutio fast wie ein juristisches Lehrbuch, und es ist durchaus denkbar, daß sich die Verfasser der spätaufklärerischen Gesetzeskodifikationen vom akademischen Stil inspirieren ließen. Sicher ist, daß der Paradigmawandel, den wir festgestellt haben, von hier seinen Ausgangspunkt nahm.
5. Abschließende Bemerkungen Unsere diachrone Untersuchung über den Sprechakt des ANORDNENS in Gesetzestexten hat also gezeigt, daß sich zwei verschiedene Auffassungen aufeinander gefolgt sind. Die ältere Auffassung ist diejenige einer stehenbleibenden Aufforderung, welche eine zumeist monarchische Instanz kraft Ihrer Autorität über ihre Untertanen ausspricht. Nach neuerer Auffassung stellt sich der Sprechakt des ANORDNENS dagegen nicht mehr als direktiver, sondern als deklarativer Sprechakt dar, durch den eine hierfür kompetente Instanz gesetzliche Normen festlegt, welche auch auf die Mitglieder der gesetzgebenden Instanz selber anwendbar sind. Der Übergang von der älteren zur neueren Auffassung bahnt sich dabei schon in der Aufklärung an. Seither hat sich der juristische Stil zwar nur noch wenig in illokutiver Hinsicht, jedoch sehr stark auf anderen Gebieten gewandelt. Seit den Tagen der französischen Revolution hat in Gesetzestexten insbesondere jener komprimierende Nominalstil Überhand genommen hat, der als allgemeines Charakteristikum der heutigen Fächsprachen gelten darf (cf. insbesondere von Polenz 1985:24ss.). Hans Hattenhauer (1970:35) stellt in dieser Hinsicht den «dem modernen Juristen selbstverständliche hohe Abstraktionsgrad
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der Rechtssprache» im Bürgerlichen Gesetzbuch der «Volkstümlichkeit» des Preussischen Allgemeinen Landrechts gegenüber, dessen Ausdrucksform umgangssprachlicher, «beinahe Sprechstil» sei. Dies macht noch einmal deutlich, in welchem Maße im Laufe der Zeit die Wahl der sprachlichen Ausdrucksmittel innerhalb ein und derselben Textsorte sich verändern kann. Im Vergleich mehrerer europäischer Sprachen zeichnet sich jedoch in unserem Fall ein gleichgerichteter Entwicklungsprozeß ab, der auf eine zunehmende Vereinheitlichung der textsortenspezifischen Merkmale hinausläuft. Dies zeigt, daß textsortenspezifische Normen über die jeweiligen Sprachgrenzen hinaus Gültigkeit haben können. Daß dem so ist, kommt letztlich daher, daß Europa längst ein weit einheitlicherer Kulturraum ist, als dies seine sprachliche Vielfalt vermuten läßt.
Literatur a) Primärquellen Allgemeines Landrecht für die Preussischen Staaten von 1794. - Textausgabe mit einer Einfuhrung von Hans Hattenhauer und einer Bibliographie von Günther Bernert. - Frankfurt/M.: Alfred Metzner, 1970. Codice civile di Napoleone il Grande pel regno d'Italia, 2 vol. - Milano 41806. Code civil des Francais. - Roimpression de l'odition originale Paris 1804. - Glashütten im Taunus: Auvermann, 1974. Code civil suisse du 10 docembre 1907 (Etat le ler octobre 1989). -Berne: Chancellerie fodorale, 1989. Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 (Stato il 1° luglio 1990). - Berna: Cancelleria föderale, 1990. Constitutio criminalis Theresiana. Maria Theresias Peinliche Gerichtsordnung. - Faksimiledruck der Ausgabe Wien 1763. Osnabrück: Biblio, 1975. Les Constitutions de la France, 6d. par Charles Debbasch/Jean-Maire Pontier. - Paris: Dalloz, 1983. Cosütuzione italiana, Introduzione di Giangiulio Ambrosini. - In Appendice: Stato fundamentale del Regno di Sardegna (1848), ecc. - Torino: Einaudi, 41975. Die Rechtsquellen des Kantons Zug, bearbeitet von Eugen Gruber, vol. 1-2. - Aarau: Sauerländer, 19711972 (= Sammlung schweizerischer Rechtsquellen 8). Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchicarum, vol. I (1751-1760). Berlin s.d. Recueil gonoral des anciennes lois franchises depuis l'an 420 jusqu'ä la Resolution de 1789, par MM. Jourdan, Decrusy, Isambert, 29 vol. - Paris: Plon, f 1822]. Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Zürich: Orell Füssli, 1990. Statut! Senesi, scritti in volgare nei secoh' XIII e XIV, per cura di Filippo-Luigj Polidori, vol. I. Bologna: Gaetano Romagnoli, 1863 (= Collezione di Opere inedite o rare).
b) Sekundärliteratur Boucher, Philippe (1989, 6d.): La rovolution de la justice: Des lois du roi au droit moderne. - Paris: de Monza. Confais, Jean-Paul (1990): Temps, mode, aspect. Les approches des morphemes verbaux et leurs problemes ä l'exemple du francos et de 1'allemand. - Toulouse: Presses universitaires du Mirail. Cornu. G6rard (1990): Linguistique juridique. - Paris: Montchrestien. Fenet, P. A. (1827), Recueil complet des travaux proparatoires du Code civil, 15 vol. - Paris (rdimpression Osnabrück: Zeller, 1968).
Die Sprache der Gesetze
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Hattenhauer, Hans (1970), cf. Allgemeines Landrecht. - (1987), «Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache». - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (=Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius Gesellschaft der Wissenschaften e.V. 5/2). Hecker, Hellmuth (1980): Staatsangehörigkeit im Code Napoleon als europäisches Recht. Die Rezeption des französischen Code Civil von 1804 in Deutschland und Italien in Beziehung zum Staatsangehörigkeitsrecht. - Hamburg: Metzner. Hindelang, Götz (1978): Auffordern. Die Untertypen des Aufforderns und ihre sprachlichen Realisierungsformen. - Göppingen: Alfred Kümmerle. Polenz, Peter von (1985): Deutsche Satzsemantik. Grundbegriffe des Zwischen-den-Zeilen-Lesens. - Berlin: de Gruyter ( = Sammlung Goeschen 2226). Searle,John R./Daniel Vanderveken (1985): Foundations of Illocutionary Logic. - London: Cambridge U.P. Stober, Rolf (1986): Quellen zur Geschichte des Wirtschaftsverwaltungsrechts. - Göttingen: MusterSchmidt. Vanderveken, Daniel (1988): Les actes de discours. Essai de philosophic du langage et de Pesprit sur la signification des 6nonciations. - Bruxelles: Mardaga. Viehweger, Dieter/Gottfried Spies (1987): «Struktur illokutiver Handlungen in Anordnungstexten». - In: Wolfgang Motsch (Hg.), Satz, Text, sprachliche Handlung (Berlin: Akademie-Verlag) 81-113 ( = Studia Grammatica 25). Wunderlich, Dieter (1976): Studien zur Sprechakttheorie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Zulliani, Dario (1985): «Per una concordanza del Codice Napoleone». - In: Lingua degli uffici e lingua di popolo nella Toscana napoleonica. - Firenze: Accademia della Crusca.
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Wiest, J.
Anhang 1. Die deontischen Prädikate in der französischen, italienischen und deutschen Fassung des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Artikel 270-309). Übereinstimmende Fälle. O (Verpflichtung) (Futur) devoir
dovere
sollen (zu tun) haben
etre tenu (de faire qc.)
se devoir devoir oboissance obliger lier etre tenu sur
300 285 274, 276, 277, 282, 302 (2x)
299,302 essere tenuto a doversi dovere obbedienza vincolare
verpflichtet sein (zu tun) haben schuldig sein Gehorsam schulden verbindlich werden
307 278 272 301 287 287 305 306
rispondere obbligarsi
haften sich verpflichten
pouvoir
potere
können
avoir (le) droit ä etre du ä appartenir
avere (il) diritto a spettare a
dürfen Anspruch haben auf zustehen
competere a essere competente
zuständig sein
non potere
nicht können
275
nicht dürfen
301 (2x)
(von einer Pflicht) befreit sein
276
^tre tenu/obliger
P (Berechtigung)
etre compotent
274, 274a, 279, 280, 281, 286, 287, 288, 291, 292, 295 (2x), 297, 306, 307, 308 (2x) 304 272, 294 289 297 298 275, 287
~ P (Verbot) ne (pas) pouvoir
~ O (Entpflichtung) etre dolio (d'une obligation
essere liberate (da un obbligo)
19 Der französische Text verwendet an dieser Stelle zwei Verben, wo die anderen beiden Fassungen nur eines verwenden.
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Die Sprache der Gesetze
Anhang 2. Die deontischen Prädikate in der französischen, italienischen und deutschen Fassung des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Artikel 270-309). Nicht übereinstimmende Fälle. Deontischer Ausdruck fehlt im Italienischen Art. 280: Les cantons sont tenus de soumettre ä une proc6dure simple et rapide...
I Cantoni provedono una procedure semplice e rapida..
Die Kantone haben ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen
Art. 285:... les allocations pour enfants... doivent etre versdes en sus de la contribution d'entretien.
... gli assenti per i figli... sonopagate in aggiunta al contribute.
Kinderzulagen... sind zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu bezahlen.
-: La contribution d'entretien doit etre versoe ä Pavance
II contributo b pagato anticipatamente
Der Unterhaltsbeitrag ist zum voraus... zu entrichten...
Deontischer Ausdruck fehlt im Französischen Art. 290:... Pautorito tutelaire... aide de maniere adoquate...
l'autoritä tutoria... deve... prestare un aiuto appropriate...
... so hat die Vormundschaftsbehörde ... zu helfen
Art. 295:... les prestations de tiers... sont imputees sur ces indemnitds
Prestazioni di terzi... sono da imputare...
Leistungen Dritter... sind anzurechnen...
... l'autoritä tutoria... decide se si debba...
... so hat die Vormundschaftsbehörde ...zu entscheiden, ob...
Deontischer Ausdruck nur im Deutschen
Art. 309: ... Fautoritd tutolaire docide ... s'il y a lieu de...
Deontischer Ausdruck nur im Französischen Art. 302: Les pere et mere sont tenus d'dlever l'enfant... e ils ont le devoir de favoriser et de protdger son doveloppement.
I genitori devono educare il figlio..., promuovendone et proteggendone lo sviluppo...
Die Eltern haben das Kind... zu erziehen und seine... Entfaltung zu fördern und zu schützen
Art. 303: L'enfant ago de 16 ans revolus a le droit de choisir lui-meme sä confession.
II figlio ehe ha compiuto il sedicesimo anno di etä decide liberamente circa la propria confessione religiosa
Hat ein Kind das sechzehnte Altersjahr zurückgelegt, so entscheidet es selbständig über sein religiöses Bekenntnis
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Anhang 3. Die deontischen Prädikate im Allgemeinen Landrecht für die Preussischen Staaten von 1794, Zweyter Theil, Erster Titel, § 173-272. O (Verpflichtung) müssen (zu tun) sein schuldig sein
28 17 3 3
verbunden sein verpflichtet sein
P (Berechtigung) können gebühren befugt sein berechtigt sein
24 12 3 3 2
ein Recht haben ein Vorrecht gemessen freie Verfügung haben
O & P (Verpflichtung und Berechtigung) Rechte und Pflichten haben
l
2 l l 2
schuldig und befugt sein
- P (Verbot) nicht können nicht dürfen nicht sollen
3 2
l 14
7 4 l
nicht berechtigen nicht berechtigt sein
l l
- O (Entpflichtung)
l
(von einer Verpflichtung) befreit sein
l
Nicht deontische Prädikate (int Indikativ Präsens)
31
N.B. Um die Vergleichbarkeit mit der vorangehenden Untersuchung zu gewährleisten, wurde ein Ausschnitt aus dem Familienrecht gewählt, welcher ebenfalls hundert Anordnungen umfaßt.
Klaus Zimmermann (Berlin)
Einige Gemeinsamkeiten und Differenzen der spanischen, französischen und deutschen jugendsprachlichen Varietäten 1. Vorbemerkung Die Differenzierung der Sprache in sozial und stilistisch unterschiedliche Varietäten ist eine Entwicklung, die mit der sozialen und funktionalen Differenzierung der Gesellschaft einhergeht, und diese Entwicklung ist keineswegs neu. Darüberhinaus ist die soziale Sprachdifferenzierung nicht als Verwahrlosung einer Standardsprache zu verstehen. Die Bewegung der Absonderung und vor allem Bewertung der eigenen Varietät als höfisch adäquat (und als 'bon usage') und umgekehrt der anderen Varietäten einer bestimmten Gruppe als grob und rustikal war vielmehr ein sozialer Akt der von Pierre Bourdieu sogenannten "distinction", den der Hofadel initiiert und später das Bürgertum in seinem Sinne aufrechterhalten hat (vgl. Settekorn 1988). Daran zu erinnern ist angezeigt, weil heutzutage durch das inzwischen gegebene Vorliegen einer Standardsprache (die das Ergebnis des Erfolges der sozialen Bewertung von Varietäten durch die sozialen Machthaber ist) oft der Eindruck erweckt wird, daß die nun von vielen als Substandard bezeichneten Varietäten (verwahrloste) Absonderungen einer historisch primären Standardsprache seien. Nicht nur die dialektale, sondern auch die soziale Variation waren der Standardsprache vorgängig. Trotzdem - und theoretisch damit keineswegs obsolet - kann man wohl sagen, daß sich durch eine in den letzten Jahrzehnten gegebene soziale Entwicklung die Gruppe der Jugend und besonders der sozial marginalisierten Jugend in den großen Städten soziokulturell stärker entfaltet hat und daß in dieser Entwicklung auch sprachliche Besonderheiten entstanden sind. Diese Entwicklung ist in vielen Ländern zu beobachten, in der Romania sowohl in Paris, wie in Madrid und Barcelona, in Mexiko-Stadt ebenso wie in San Juan de Puerto Rico, Buenos Aires, Los Angeles und Montroal. Eine solche Situation lädt zum Vergleich geradezu ein. Als bescheidenen Beitrag dazu wollen wir im folgenden einige Aspekte der europäischen Varianten, d.h. Frankreichs, der iberischen Halbinsel und Deutschlands vergleichen1.
2. Theoretische Aspekte des interlingualen Vergleichs diastratischer und diaphasischer Varietäten Sprachvarietäten zu vergleichen erfordert eine vorgängige Klärung und Begründung dessen, was an Sprachvarietäten und im besonderen jugendsprachlichen Varietäten sinnvollerweise verglichen werden kann. Zunächst bietet sich, wie bei jedem Sprachver-
Theoretische Aspekte und Anwendungsfragen bei Übersetzungen und in der Behandlung im Fremsprachenunterricht können hier ebenfalls nicht erörtert werden. Zu ersterem vgl. Zimmermann (1991), zu letzterem Zimmermann (1992).
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Zimmermann, K.
gleich, die Alternative des Vergleichs auf onomasiologischer oder semasiologischer Basis an. Der onomasiologische Vergleich könnte davon ausgehen, daß die Lexik der Jugendsprachen ein dem Vergleich zugängliches gemeinsames Welt- bzw. Kultursegment betrifft. Man könnte versuchen, diese Sachbereiche, wie Drogen, Polizei, Kleidung, Gruppenbenennungen usw. zu erfassen und sich fragen, wie diese identisch postulierten "Inhalte" in den verschiedenen Sprachen ausgedrückt werden, bzw. auch wie diese Inhalte sich sprachspezifisch unterschiedlich konnotativ "anreichern" (wenn man annimmt, daß sich die Jugendkulturen in den einzelnen Ländern doch historisch bedingt auch unterscheiden). Der semasiologische Zugang würde die manifesten sprachlichen "Merkmale" der jugendsprachlichen Varietäten vergleichen, davon ausgehend, daß ein hinreichend gemeinsames formales Repertoire vorhanden ist, auf dessen Folie ein semasiologischer Vergleich zu relevanten Vergleichsergebnissen kommen kann. Beide Vergleichsmöglichkeiten sind theoretisch einem Ansatz, der bei den Varietäten die "Langue-Einheiten" zu erfassen versucht, verpflichtet. Sie sind legitim, solange der Konstrukt-Charakter der Varietät als "Langue-Einheit" im Auge behalten wird. Die jugendsprachlichen Varietäten leben jedoch weitgehend von einem spielerischen Umgang mit Sprache: "Hingegen ist Jugendsprache ein fortwährendes Ausweich- und Überholmanöver. Sie setzt die Standardsprache voraus, wandelt sie schöpferisch ab, stereotypisiert sie zugleich und pflegt spezifische Formen ihres sprachlichen Spiels. Zwar wandelt sie systematisch ab; aber sie ist nichts weniger als systematisch. 'Jugendsprache', nunmehr in Anführungsstnchen [...], ist also ein spielerisches Sekundärgefüge...". (Henne 1986:208).
Sie leben von der Einbettung in ihren jugendkulturellen Zusammenhang, ihrem Gebrauch in der Gruppe in mündlicher Kommunikation, dem Bewußtsein ihres spielerischen Charakters und der Abweichung von der Norm. Ein Sprachvergleich könnte auch diesen zentralen diskursiven2 Aspekt (der wohl Coseriu (1988:280) dazu brachte, die Jugendsprache in die Klasse der diaphosischen Varietäten einzureihen) als Vergleichsbasis nehmen, und sich fragen, ob dies so für die jugendsprachlichen Varietäten in allen Ländern gilt und wie diese kommunikative und Gruppenidentität schaffende Funktion erfüllt wird. Die Berücksichtigung aller drei Aspekte und möglicherweise anderer (wie z.B. die Attitüden der Erwachsenengesellschaft in den einzelnen Ländern zu den Varietäten, ob ablehnend, indifferent oder gar positiv) würde allein ein dem Phänomen angemessenes Vergleichsresultate bieten. In dem begrenzten Rahmen, der hier zur Verfügung steht, habe ich mich für den semasiologischen Aspekt entschieden, weil er kurzfristig gesehen der einfachste und gewinnbringendste ist, da die bisherigen Studien zur Jugendsprache im wesentlichen auf diesem Aspekt beruhen. Zur In-Angriff-Nahme der anderen Aspekte müßten erst umfangreiche empirische Forschungen erfolgen.
2
vgl. auch Januschek (1989)
Spanische, französische und deutsche jugendsprachliche Varietäten
123
3. Gemeinsamkeiten 3.1. Allgemeine Charakteristika In den meisten Veröffentlichungen sowohl zur deutschen als auch französischen und spanischen Jugendsprache wird hervorgehoben, daß die jugendsprachlichen Besonderheiten hauptsächlich im lexikalischen Bereich zu situieren sind, daß hingegen die Phonetik und die Syntax nicht oder nur peripher von den sprachlichen Innovationen bzw. Abweichungen betroffen sind. Ebenfalls einig ist man sich offenbar über die funktionalpragmatischen Aspekte der jugendsprachlichen Varietäten in den verschieden Sprachen: Die spezifischen jugendsprachlichen Elemente wirken auf Erwachsene provozierend und sind für Kinder wiederum attraktiv. Aber die Haltung der Erwachsenen ist nicht eindeutig; zumindest für einen noch näher zu definierenden Erwachsenensektor kann eine gewisse Attraktivität nicht negiert werden, denn eine Reihe von jugendsprachlichen Elementen ist durchaus auch in diesen Kreisen erfolgreich und findet in deren Sprachgebrauch Eingang (z.B. im sogenannten franqais branche). Dies mag auch mit der sozialen Funktion der Jugendsprache zusammenhängen, d.h. sich als Angehöriger einer jugendlichen, modernen und z.T. einer besonderen jugendkulturellen Gruppe zu identifizieren. Die Nachahmung durch Erwachsene hat die Funktion, sich Jugendhaftigkeit (eine heute offenbar sehr geschätzte Eigenschaft) symbolisch anzueignen und zum Ausdruck zu bringen. 3.2. Einzelne Gemeinsamkeiten 3.2.1. Eine durchgehende Charakteristik der jugendsprachlichen Varietäten kann man darin erblicken, daß die Innovationen und Aktionsfelder sprachlicher Sonderung sich auf einige, ganz bestimmte semantische Felder konzentrieren. Es sind dies die Felder, in denen sich eine eigene jugendkulturelle Lebenswelt entwickelt hat. Diese Jugendkultur "erfindet" neue soziale Phänomene, die benannt werden müssen. Sie differenziert durch neue Worte das kulturelle Mikrouniversum nach in der Jugendkultur als relevant erachteten "Weltansichten". Der Rekurs auf diesen von Wilhelm von Humboldt geprägten Begriff3 scheint mir die theoretisch adäquate Einordnung dieser Erscheinung zu erlauben und den Semiose-Vorgang in das richtige Licht zu stellen4. Die hier entstandenen und entstehenden Neologismen beziehen sich vorzugsweise auf bestimmte Attitüden gegenüber anderen Menschen im Ausdruck von positiven oder Humboldt (IV:29 und VI:119 und passim. Zitierweise nach der Akademie-Ausgabe). Empfehlenswert ist die Interpretation von Humboldts Theorie durch Trabant (1986). Ohne einen theoretischen semiotischen Hintergrund, sondern voluntaristisch und selektiv-normativistisch und von Unverständnis geprägt sind die auch 1980 noch vorfindliche Äußerung des hochrangigen spanischen Sprachwissenschaftlers Fernando Läzaro Carreter (1980), der in der Vielfalt der neuen Begriffe von ihm als negativ eingeschätzte Erscheinungen sehen will wie Toco se enriquece con esto el caudal de contenidos especificos" (S. 245), "se trata de un codigo restringido, en el sentido que a este tormino de Basil Berstein (sie!)." (S. 244) (was theoretisch sicher falsch ist), "frena la expresion individual (...), estä al servicio del grupo y no del individuo" (S. 244). Schon Humboldt (VI:203) hat den sozialen und generationalen Varietäten mehr Verständnis entgegengebracht und eine Skizze der Sprachvariation erstellt. Auch Läzaro Carreters Prognose der "nula influencia" auf die "lengua comun y eständar" wird sich wohl nicht bewahrheiten und wird von anderen Sprachwissenschaftlern auch nicht geteilt (vgl. Walter 1988:286ff. und Henne 1986).
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negativen Bewertungen, sozialen Klassifizierungen, Lebensstilen, Freizeitbeschäftigungen (z.B. Motorrad, Musik), jugendkulturellen Objekten (z.B. Kleidung, Frisuren) u.a. Eine Auflistung kann hier unterbleiben, zumal einige der hier angesprochenen Phänomene innerhalb der im folgenden thematisierten Aspekte genannt werden. 322. Ein gemeinsamer Zug ist auch eine gewisse Affinität zum Umgang mit Sprache in der Werbung. Davon zeugen die im Französischen und Deutschen ersichtlichen Vorlieben für übertreibende Ausdrücke: frz. einerseits hypergenial und hyperbranche und andererseits Hypermarche; dtsch.: super (Adj.), Horror (als negative Wertung), absolute Spitze, total schwer, Wahnsinn. Die Affinität geht so weit, daß Werbetexter auf Jugendsprache zurückgreifen: frz. bonjour la galette als Werbespruch und Jugendliche Sprachspiele der Werbung vereinnahmen bzw. Markennamen übergeneralisieren: frz. Zip 'Reißverschluß'. 32.3. Jugendliche bedienen sich zur Bereicherung ihres Wortschatzes - wie andere Gesellschaftssektoren auch - des Verfahrens der Entlehnung aus anderen Sprachen. In unserer heutigen Zeit ist eine beliebte (oder übermächtige) Gebersprache aus bekannten Gründen das vor allem nordamerikanische Englisch. Dies gilt auch für die Jugendsprache. Das Wort cool, zum Ausdruck einer Attitüde und als wertendes Adjektiv, hat eine beispiellose Weltkarriere gemacht. Andere sind z.B. frz. se shooter, dtsch. einen Schuß geben, span, shootear; dtsch.: Rocker, span, rockero; span, tripi, frz./engl./dtsch. trip oder als Lehnübersetzung span, viaje; dtsch. Sound, losjumpen, powern, Action und frz. Iqft "Fabrikwohnung', look 'Aussehen', frz./dtsch. feeling. 3.2.4. Einen massiven Eindruck auf den Außenstehenden hinterläßt der hohe Anteil an Wortmaterial in der Jugendsprache, den man gemeinhin mit der Sprache von Delinquenten, dem Argot bzw. dem Calo in Verbindung bringt. Auch die Übernahme dieser sprachlichen Elemente kann als Entlehnung (Rodriguez Gonzalez 1989:152) bzw. genauer Intervarietätenentlehnung (Zimmermann 1991:916) bezeichnet werden. Sowohl das Spanische wie das Französische und Deutsche machen davon ausgiebig Gebrauch, wenngleich sich die Jugendlichen gerade im Gebrauch dieser Elemente je nach Zugehörigkeit zu sozialer Schicht binnendifferenzieren lassen (Zimmermann 1991:917). Beispiele: Span.: Frz.: Dtsch.:
bofia 'Polizei', carroza 'Erwachsener', guita 'Geld'(vgl. weitere Beispiele bei Casado Velarde 1989:174 f.). nana 'Mädchen', gueule 'Gesicht', 'keuf < flic 'Polizist', mec 'Junge', frime 'Kleidung', taxer 'klauen'. pofen 'schlafen', Knete 'Geld', Kneipe 'Gasthaus', Bock 'Lust'.
32.5. Ein auffallendes Element der Jugendsprache sind Wörter und Ausdrücke aus der Drogenszene. Zwar ist der Drogenkonsum keineswegs ein auf die Jugend beschränktes Phänomen, wie man oft glauben machen will, aber einige Jugendbewegungen der sechziger und siebziger Jahre hatten ein ideologisch positives Verhältnis zu den geächteten Drogen. Daraus erklärt sich die Prominenz dieses Vokabulars in der Jugend-
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spräche. Diese Elemente sind zudem gleichzeitig Entlehnungen oder Lehnübersetzungen aus dem Englischen. Span.: Frz.: Dtsch.:
Yoin 'Joint', estar alto < 'to be high', viaje < 'trip', hierba < 'grass', esnifar 'Drogen schnüffeln'. se shooter, sniffer 'Drogen schuffeln'jM/iAy 'Heroinabhängiger', herbe < 'grass'. high sein, Schnee 'Heroin', Dope 'Droge'.
32.6. Die Wiederbelebung von aus dem Gebrauch gekommenen Wörtern oder Bedeutungen oder Wortbildungsverfahren (Archaismen). Im Deutschen ist die Wiederbelebung der nicht-sexuellen Bedeutung von geil ein prominentes Beispiel. Es drückt in der Jugendsprache eine sehr positive Wertschätzung aus, die auch noch im Mittelhochdeutschen belegt ist, während es in der heutigen Standardsprache 'wollüstig' bedeutet. Daraus erklärt sich der stark-provozierende Charakter, den der jugendsprachliche Gebrauch dieses Wortes auf Erwachsene hat. Ein anderes Beispiel ist Grimm haben 'sich ärgern'. Im Französischen kann die Wiederproduktivmachung des Suffixes -erie angeführt werden. Von Lüdtke (1978:207) als kaum noch produktives, ja sogar regressives Wortbildungsmittel klassifiziert, hat es sowohl in der Jugendsprache: (micketterie 'so dumm wie die Mickeys' und new waverie 'negativ bewerteter Ausdruck für die New~ Wave-Szene') als auch in der Werbesprache (Croissanterie) wieder an Vitalität gewonnen. 3.2.7. Ein gerne gebrauchtes Ausdrucksmittel, das selbstverständlich nicht nur in der Jugendsprache, sondern wegen seines sprachökonomischen Charakters ebenfalls in Fachsprachen und der Standardsprache vorkommt, sind Abkürzungen. Jugendliche haben allerdings eine starke Vorliebe für den Typ der Apokopierung einer bis mehrerer Silben, und die von ihnen affizierten Wörter haben einen jugendkulturellen Hintergrund. Man kürzt beileibe nicht alle Wörter ab. Frz.: Span.: Dtsch.:
ado < adolescent 'Jugendlicher', hub < Subst.) chauffe terrible (Adj. - > Adv.) il est ires, ce mec (Adv. -> Adj.)
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Dtsch.:
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null Bock, die Platte ist träum (Subst. - > Adj.)
das kannste glatt vergessen (Adj. -> Adv.) Im Spanischen sind mir bis jetzt keine Belege für diesen Fall bekanntgeworden. 3.2.9. Metaphorische Phraseologismen Poetische und im besonderen metaphorische Verfahren spielen in der Jugendsprache eine ganz zentrale Rolle bei der Bildung von semantischen Neologismen. Dies gilt für das Spanische und Französische ebenso wie das Deutsche. Eine besondere Vorliebe scheint der Typ der metaphorischen Phraseologie zu spielen: Dtsch.:
die Flatter machen, die Flocke machen, 'nen Abflug machen 'weggehen', einen weichen Keks im Schuh haben 'herabsetzende Charakterisierung einer Person', echt sein 'falsche Vorstellungen haben', einen Riß in der Schüssel haben 'verrückt sein', 'ne Biege machen 'eine Motorradfahrt machen', die Kuh fliegen lassen 'sich amüsieren', den Löffel abgeben 'sterben', Bock auf etwas haben 'Lust haben'; dazu kommen Strukturen wie ich denk, mich knutscht ein Elch, mein Schwein pfeift, usw.
Diese Formen sind auch im Spanischen vorhanden: Span.:
Sentir las vibraciones de alguien 'sich mit jemanden gut verstehen', ir la priva cantida 'am Alkohol Gefallen finden', tomarse unos pelotazos 'einige Gläser trinken', jalarse una rosca 'sich küssen'.
Im Französischen können folgende Fälle dazugerechnet werden: Frz.:
etre dans le nre 'einen Witz machen' (als Zurückweisung eines Wahrheits anspruches), faire la jaunisse 'neidisch werden', se faire un plan eine 'ins Kino gehen', caver la tete a quelqu'un avec... 'jemanden mit etwas langweilen, auf die Nerven gehen'.
Trotz des Vorkommens in allen drei Sprachen, scheint dieses Verfahren im Deutschen produktiver zu sein als in den beiden romanischen Sprachen. 3.2.10. Ein weiteres gemeinsames Phänomen betrifft die graphische Realisierung der Sprache. Hierbei sind als erstes die - genauso wie die Plakatierung von Werbung und die auswuchernde Anbringung von Firmenlogos - kalligraphischen Grafitti zu nennen, die inzwischen in vielen Städten wie Berlin, Paris, New York, London und Madrid zum Bild von U-Bahnen, Universitätsgebäuden und Straßen gehören. Des weiteren können hierzu spielerische Abweichungen von etablierten Orthographien gezählt werden: frz. elpe < LP 'Langspielplatte', span.: communiceichon < engl communication, plis < please, dtsch.: lonli harz < lonely hearts, Säzzer < Setzer. Interessant ist, daß sich dieses Phänomen häufig an Anglizismen festmacht.
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4. Differenzen Obwohl die Gemeinsamkeiten in der hier gezeigten Auswahl beträchtlich sind, kann nicht übersehen werden, daß es eine ganze Reihe von sprachspezifischen Verfahren der Jugendsprache gibt. Das Phänomen des Vorhandenseins in der einen, aber nicht in der anderen Sprache zu erörtern, erforderte - systematisch durchgeführt - eine sehr komplexe Darstellung, die hier aus Raummangel nicht möglich ist. Ich beschränke mich deshalb auf einige exemplarische Fälle. 4.1. Der französische Vertan Das Verfahren des Vertan (< ä l'envers) spielt im Französischen heute eine so prominente Rolle in der Jugendsprache, daß man ihn oft sogar mit der jugendsprachlichen Varietät schlechthin identifiziert (z.B. bei Bachmann/Basier 1984). Im 19. Jahrhundert in Frankreich ursprünglich der Gaunersprache zuzuordnen, ist diese Technik der Silbenvertauschung in den letzten Jahren in der Jugendkultur revitalisiert und zu einem prominenten Jugendsymbol gemacht worden (Beispiele: keutn < mec, kole < ecole, meuf < femme, beur < arabe). Vor allem bei Einsilbern ergeben sich komplexe Verlanisierungsregeln durch vorherige Expandierung zu Zweisilbern mittels Epenthese des Schwa-Lautes mit anschließender Silbenvertauschung und erneuter Abkürzung. Ein solches Verfahren ist im Deutschen nicht belegt, jedoch ist ein vesrre (< revos) sowohl im argentinischen Lunfardo (Cammarota 1970:12) als auch - wie mir berichtet wurde - in Mexiko bekannt. Aber es ist im hispanischen Raum nicht spezifisch jugendsprachlich, sondern gehört dem Substandard allgemein an. 42. Neuerungen in der Wortbildung Im Wortbildungsbereich haben sowohl die französische wie die spanische Jugendsprache von der Möglichkeit der Kreation neuer Suffixe Gebrauch gemacht. Im Französischen ist es das Suffix -os, das auf Adjektive und Substantive angewandt werden kann, es ergibt Elemente wie nullos, musicos, coolos, craignos, chicos, matos etc. Das Suffix -os konstituiert nicht immer einen Wortklassenwechsel, und der semantische Beitrag ist geringfügig. Neben der Form mit -os gibt es häufig eine andere, ebenfalls spezifisch jugendkulturelle Form: null, cool. Musicien, materiel und chic werden durch -os "verjugendlicht". Bei dem Subst. craignos scheint eine echte Derivation aus dem Verb craindre vorzuliegen. Im Spanischen haben Jugendliche die Suffixe -ata, -ota und -eta zu einem jugendsprachlichen Charakteristikum gemacht. Es gibt zwar gleichlautende, aber nicht gleichfunktionale Suffixe in der spanischen Standardsprache (historieta). In ihrer jugendsprachlichen Funktion und Bedeutung sind sie aus dem Jargon der Delinquenten, der Germania, entnommen (Casado Velarde 1989:168ff.). Beispiel: bocata < bocadillo, cubata < cuba libre, porrata < porrero 'Raucher des porro, des Joint', pasota < pasar 'Null-BockPerson', drogata < drogadicto, fumeta < fumador '(de droga), chuleta < chulo 'Wichtigtuer'. In der deutschen Jugendsprache macht man nicht von Suffixen, sondern besonders von Präfixen Gebrauch. Besonders geschätzt sind rum-, an-, ab- (anmachen, anmotzen, anstinken, antömen; abfahren auf etwas, ablochen 'sehr lachen', abzischen 'weggehen', abgehen 'stark wirken'; rumlabern, rumhängen, rummotzen, rumstinken.
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Diese Präfixe sind rein formal keine Neuschöpfungen, aber ihre Anwendung auf die entsprechenden Verben entspricht nicht der des Standarddeutschen. Im Deutschen wird dagegen - entsprechend den sprachimmanenten Anlagen - das Mittel der Komposition für ungewöhnliche Ausdrücke, vor allem Substantive der negativen Personenbenennung benutzt: Gesichtseimer, Waffelhals, Hohlroller, Himbeergenick. Adjektivische Komposita wie affengeil, astrein, affenstark folgen dem standardsprachlichen Typ nagelneu zum Ausdruck eines extremen Elatives. 4.3. Reflexiva Zunächst als Gemeinsamkeit in allen drei Sprachen erscheint der Gebrauch von Reflexivpronomen bei Verben, die bis dahin in der Standardsprache nicht reflexiv konstruiert wurden. Eine genauere Analyse zeigt jedoch erhebliche strukturelle Unterschiede. In der französischen Jugendsprache bewirken die neuen Reflexivstrukturen wie se planter 'einen Fehler machen', s'edate? sich freuen' und se viander 'einen Unfall haben' eine klare syntaktische Innovation, indem bisher nicht-reflexive zu reflexiven Verben mit der einhergehenden neuen Bedeutung werden. Die spanischen jugendsprachlichen Ausdrücke mit Reflexiva wie irse a criar hierba 'sterben', comerse el coco 'denken', picarse, davarse oder tabicarse una chica weichen in ihrem syntaktischen Verhalten nicht von schon im Standardspanischen gegebenen Möglichkeiten ab. Sie sind in anderer Bedeutung schon als Reflexiva belegt. Ähnlich verhält es sich mit deutschen jugendsprachlichen Reflexiva: sich eine (Zigarette) reinziehen, sich einen (Schnaps) hinter die Binde gießen sind keine syntaktischen Innovationen, sondern als Ellipsen zu klassifizieren. 4.4. Intransitivierung In der französischen Jugendsprache hat sich bei bestimmten, in der Standardsprache transitiven Verben ein intransitiver Gebrauch mit gleichzeitiger neuer Bedeutung herausgebildet: craint 'das ist schlecht', // assure 'er ist kompetent', degage 'das ist schön', baigne 'alles geht gut'. Eine solche syntaktische Neuerung ist bisher weder in der deutschen noch in der spanischen Jugendsprache beschrieben worden.
5. Schluß Der Vergleich der beiden romanischen jugendsprachlichen Varietäten mit der deutschen hat auf der hier gewählten semasiologischen Kontrastierungsebene einen hohen Grad an Gemeinsamkeiten gezeigt. Z.T. ergeben sich sogar frappierende Übereinstimmungen. Obwohl kein Anspruch auf Exhaustivität bei den verglichenen jugendsprachlichen Erscheinungen erhoben werden soll, erlauben doch summa summarum die eruierten Gemeinsamkeiten, ja sogar die Art der Differenzen, die Hypothese, daß die heutigen Jugendsprachen (zumindest in den hier analysierten westeuropäischen Sprachen) in ihrem Varietäten-Charakter wesenhaft gleichartig sind, d.h. daß sie unabhängig von ihrer Realisierung in einer historischen Sprache (um mit dem bekannten Begriff von Coseriu zu sprechen) mit gleichartigen Mitteln zur Erreichung gleichartiger Funktionen
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(die hier nicht analysiert worden sind) arbeiten. Es mag sehr wohl sein, daß auf anderen Kontrastierungsebenen stärkere Differenzen herauskristallisiert werden können. Es mag auch sein, daß die gewählten Analysekategorien, der gewählte Abstraktionsgrad und unübersehbare gemeinsame theoretische Vorgaben bei den zu Rate gezogenen Autoren (viele lehnen sich an Coserius und/oder Hallidays Theorien an) dieses Ergebnis partiell präfigurieren. Doch erlauben auch Beobachtungen auf soziologischer Ebene und der Rolle der Massenmedien den Schluß, daß es eine deutliche Tendenz zur Herausbildung von Jugendkulturen weltweit gibt, und daß sich diese Jugendkulturen supranational eine ähnliche Lebenswelt schaffen, wobei es aber offenbar auch Zentren der Innovation gibt, deren Stile in anderen Ländern assimiliert werden. Der Charakter der jugendsprachlichen Elemente als der eines Jargons, der auf der Basis der Struktur der jeweiligen historischen Sprache funktioniert und bei dem vor allem der lexikalische Bereich zur jugendkulturellen Ausformung benützt wird und das auf recht sparsame und zielgerichtete Art und Weise, läßt allerdings eine Kommunikation zwischensprachlicher Art nicht leichter werden, jedoch ist ein Verständnis des betreffenden Vokabulars auf wortsemantischer Ebene und ein Einverständnis in lebensweltliche Präsuppositionen zwischensprachlich und übereinzelsprachlich unter gleichen jugendkulturellen Gruppen des heterogenen Gesamtphänomens Jugendkultur gegeben.
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Gerda Haßler (Halle)
Lexikalische Bedeutung und Intertextualität zwei widerspruchsvolle Voraussetzungen für textuelle Entsprechungen Die folgenden Überlegungen gehen von einem Forschungsprojekt aus, mit dem sich eine Arbeitsgruppe der Europäischen Forschungsstätte für Aufklärungs- und Pietismusforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg das Ziel gestellt hat, die sprachliche Ausprägung zentraler Begriffe der Aufklärung und ihre Rezeption im 19. Jahrhundert zu untersuchen. Im Zusammenhang damit ergab sich die Absicht, ideengeschichtliche Prozesse nicht als punktuelle Begriffsgeschichte, sondern in ihrer Ausprägung in Texten zu untersuchen. Daß in diesem Zusammenhang der Bezug eines Textes auf die vorangegangene Textproduktion von besonderem Gewicht für seinen Sinn sein kann, erwies sich als eine Erkenntnis, die über unser ursprüngliches Anliegen, die Untersuchung der Rezeption von Aufklärungstexten, hinaus zu vielversprechenden Ansätzen fuhren und auch für den Sprachvergleich relevant werden kann. Beim gegenwärtigen Stand möchte ich mich darauf beschränken, einige Grundzüge des verfolgten Anliegens darzustellen, ohne in den Fragen der praktischen Textanalyse über wenige Beispiele hinauszugehen. Bei den betrachteten Texten geht es nicht in jedem Fall um die Untersuchung textueller Entsprechung von Übersetzungen, obwohl auch diese eine Rolle spielen können. So ist es durchaus interessant, die Übersetzung zentraler Werke der französischen Aufklärung in andere romanische Sprachen oder ins Deutsche zu betrachten. Grundsätzlich geht es jedoch eher um die Kenntnisnahme und Verarbeitung von Diskursen, die schließlich auch beim Vergleich von Übersetzungen beachtet werden muß. Übersetzer oder Propagatoren von Texten treffen auf diskursive Instanzen, die sich im Rahmen eines vorgegebenen Kodes bereits für bestimmte semantische Gegensätze und Unterschiede entschieden haben und die durch ein lexikalisches Repertoire, einen Kode und diskursive Strukturen charakterisiert sind. Daß in diesem Zusammenhang der Verarbeitung von Wissensbeständen und Sichtweisen lexikalischen Bedeutungen eine wichtige Rolle als Voraussetzung zukommt, verdeutlicht die bereits von mehreren Autoren diskutierte Bezeichnungsunterschiedlichkeit für den Aufklärungsbegriff selbst.1 Säkularisierte Vorstellungen vom Erleuchten, vom klaren Denken, vom Licht-in-die-Finsternis-Tragen usw. sind nicht nur in französisch lumieres, sondern auch in seinen Entsprechungen in mehreren anderen europäischen Sprachen zu finden, ohne daß in jedem Fall von einer Lehnprägung nach französischem Vorbild ausgegangen werden könnte. Vielfach handelt es sich bei den heute gebräuchlichen Bezeichnungen für die Aufklärung als Epoche und die zugehörigen geistigen Bewegungen um Nominationen, die mit retrospektiven Begriffsbildungen zusammenhängen. So ist illuminismo zwar heute als italienische Bezeichnung für die Aufklärungsbewegung üblich, in den Texten des 18. Jahrhunderts und des vorrangig von uns betrachteten Zeitraums im 19. Jahrhundert finden sich für aufklärerische Bestrebungen jedoch eher die Wörter luce oder / lutni. In Spanien ist das Wort ilustracion zunächst viel verbreiteter im Diskurs der Gegner der Aufklärung und verliert auch im 19. Jahrhundert 1
Vgl. z. B. Bahner 1985, S. 27 ff.
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seine negative Konnotation nicht. Neutraler erscheinen die dem gleichen Wortfeld angehörenden Lexeme luz, luces, ilustrar, ilustrado, obwohl selbstverständlich auch hier eine große Variationsbreite der Bedeutungen möglich ist, die distanzierende Verwendungen oder auch den bewußten Bezug zur Lichtmetaphorik in religiösen Texten einschließt. In portugiesischen Texten erscheinen luzes und ilustrar als häufigste authentische Bezeichnungen, von denen auch retrospektiv seculo das luzes abgeleitet ist, dem allerdings ilustraqäo an Häufigkeit nicht nachsteht. Während sich im deutschen Sprachgebrauch das Wort aufklären bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Bedeutung 'zu geistiger Klarheit erziehen' finden läßt, erscheint Aufklärung erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer häufiger als Synonym zu 'Kultur', 'Bildung' und wird allmählich auch zur Bezeichnung des moralisch-kulturellen Zustands eines Volkes. In einer bestimmten Situation kann ein neues Wort oder eine unter dem rezipierten Diskurs bewußt gesetzte neue Wortbedeutung zugleich einen Bruch bedeuten. Es wäre jedoch verfehlt, das Problem der Diskursanalyse auf die lexikalische Dimension einzuengen. Bereits die Unmöglichkeit, die sprachliche Situation durch einfache Neologismen zu revolutionieren, verweist darauf, daß die Komplexität einer diskursiven Struktur nicht auf ihre lexikalische Grundlage reduzierbar ist. Bei allen Unterschieden in der Bezeichnungspraxis, die hier nur angedeutet werden konnten, kann festgehalten werden, daß im Deutschen wie in den romanischen Sprachen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine Bezeichnung der Aufklärung, die sowohl als Selbstbezeichnung als auch als Ansatz kritischer Distanzierung dienen konnte, zum lexikalischen Repertoire gehörte. Damit wäre anzunehmen, daß diese Bezeichnungen bei Übersetzungen oder gedanklichen Übernahmen von Texten zwischen diesen Sprachen problemlos zur Verfügung standen. Wir werden im folgenden am Beispiel von spanischen Texten, die Übersetzungen aus dem Französischen sind oder sich unmittelbar mit bestimmten Werken der französischen Aufklärung auseinandersetzen, zeigen, daß diese lexikalischen Bedingungen jedoch nur ein Teil der Voraussetzungen sind, die für eine Entsprechung von Sinnzusammenhängen zu berücksichtigen sind. Rezipiert oder im Extremfall übersetzt werden Diskurse, nicht einzelne sprachliche Elemente, deren Ähnlichkeit zu vorhandenen Lexemen zufällig sein kann. Als transphrastische syntaktische Einheit weist ein Diskurs eine semantische Tiefenstruktur auf, die von Gegensätzen zwischen Semen und ganzen Isotopien gebildet wird.2 Im Prozeß fortschreitender Diskursifizierung wurden mit Hilfe des lexikalischen Repertoires bestimmte Sememe untergeordnet und auf den semantischen Gegensätzen, die die Tiefenstruktur des Diskurses bilden, ein aktantielles Modell errichtet. Andere Diskurse führen neue semantische Gegensätze und Relevanzbeziehungen ein. Vielen christlichen Diskursen sind zum Beispiel Gegensätze wie Diesseits/Jenseits, Körper/Seele, Zeit/Ewigkeit gemeinsam. In anderen Soziolekten, etwa den radikal weltlichen, werden diese bei verändertem lexikalischem Repertoire durch andere Gegensätze ersetzt. Die Vorstellung von einer autonomen, als Voraussetzung für den Sprachgebrauch und unabhängig von Beziehungen zu paradigmatisch und syntagmatisch benachbarten Lexemen beschreibbaren lexikalischen Bedeutung der Wörter ist in der Geschichte der Sprachwissenschaft auf vielfältige Weise relativiert worden. Man denke etwa an die 2
Vgl.Zimal980,S.77f.
Lexikalische Bedeutung und Intertextualität
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Identifizierung der Bedeutung eines Wortes mit seinen Gebrauchsregeln3, an die weitgehende Ausklarnmerung einer selbständigen semantischen Qualität der Lexeme in einigen Richtungen der kommunikativ-funktionalen Sprachbetrachtung oder in paradigmatischer Richtung an die Triersche Feldtheorie. Die Annahme, daß die Bedeutung der Wörter auf Abgrenzung zu benachbarten Lexemen beruht, ergab sich im Verlauf der Entwicklung wiederholt aus der Kritik an der Vorstellung, eine vorgeformte Wirklichkeit determiniere die Sprache.4 Eine in unserem Zusammenhang besonders interessante Richtung der Problematisierung der Selbständigkeit lexikalischer Bedeutungen verbindet sich mit dem Begriff der Intertextualität. Jeder Text ist nach dieser Betrachtungsweise in einer horizontalen Dimension auf das Subjekt der Schreibweise und den Adressaten bezogen und orientiert sich in einer vertikalen Dimension am vorangegangenen oder synchronen literarischen Korpus.5 Ein Text ist unter diesem Gesichtspunkt nicht bloß kommunikativ betrachtete sprachliche Tätigkeit, die sich darauf beschränken würde, die Wirklichkeit darzustellen oder zu bezeichnen. Gleichzeitig mit der Bezeichnung findet vielmehr eine Transformation der Wirklichkeit statt, die in einem Moment ihres Fließens erfaßt wird, ebenso wie sich in diesem Prozeß die Sprache selbst verändert. Betrachten wir als Beispiel eine spanische Übersetzung eines Textes des Abbä Barruel, der den Diskurs der Aufklärung von einem gegenaufklärerischen Standpunkt verarbeitet: Barruel, Memorias para servir a la Historia delJacobinismot escritas en francos por el Abate Barruel; traducidas al Castellano por F.R.S.V. Observante de la Provincia de Mallorca, Palma: En la Imprenta Felipe Guasp, 1813-1814, 4 Bände.
p. V, Discurso preliminar del autor: Desde los primeros dias de la revolucion francesa se manifesto, con el nombre fatal de Jacobinos. una secta, que ensena y sostiene, que todos los hombres son iguales y libres. En nombre de esta igualdad y Lb bertad asoladoras los Jacobinos derribaron los altares y los tronos; y proclamando igualdad y libertad excitaron la rebelion y precipitaron los pueblos en la mas horrorosa anarquia. (Hervorhebungen im Text)
So etwa in der Sprachphilosophie Wittgensteins, vgl. Price 1973, Stenius 1960. Nach der Feststellung einer konstitutiven Rolle der Sprache für das Denken in sensualistischen Sprachtheorien des 18. Jahrhunderts hatte Wilhelm von Humboldt einen für spätere Theorien zum Ausgangspunkt werdenden Schritt von der abbildenden Funktion der Sprache zu der Auffassung vollzogen, daß Sprache das bildende Organ des Gedankens sei. Die Feststellung eines Anteils der Sprache an der Erfahrung und ihrer Verarbeitung findet sich im 20. Jahrhundert neben Saussures Vorstellung von der gemeinsamen Gliederung von Sprache und Denken als zweier vorher amorpher Massen auch in den verschiedenen Ausprägungen des sprachlichen Relativitätsprinzips wieder. Kristeva 1978: 11/12: "En transformant la matiere de la langue (son organisation logiqite et grammatical), et en y transportant le rapport des forces sociales de la scene historique (dans ses signifies roglos par le site du sujet de I'6nonc6 communiqud), le texte se lie - se lit - doublement par rapport au rdel: ä la langue (docalie et transformoe), ä la sociitd (ä la transformation de laquellc il s'accorde)." "Nous appellerons INTERTEXTUALITE cette inter-action textuelle qui se reproduit ä l'intdrteur d'un seul texte. Pour le sujet connaissant, l'intertextualito est une notion qui sera l'indice de la facon dont un texte lit l'histoire et s'insere en eile." (Kristeva 1%9: 443)
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Neben den lexikalischen Voraussetzungen, die bei den Schlüsselwörtern auf relativ einfache Entsprechungen zwischen dem Spanischen und dem Französischen hinauslaufen würden, ist dabei jedoch die unterschiedliche Art zu berücksichtigen, in der gegenaufklärerische Positionen bereits vorher in Spanien sprachlich verarbeitet waren. In der spanischen Übersetzung des Vorworts werden die hervorgehobenen Lexeme jacobinos, iguales, libres, igualdad, Ubertad in den gleichen Relationen ablehnend verwendet wie die entsprechenden französischen Wörter im Ausgangstext. Die Aufhebung des Gegensatzes Ubertad / anarquia beim Wechsel des Diskurses ist im Spanischen jedoch weniger selbstverständlich als bei den französischen Entsprechungen. Auf welche lexikalischen Paradigmen des gegenaufklärerischen Diskurses der Übersetzer trifft, wird in der Einleitung zum Ziel der Übersetzung deutlich: El primero: para que los catolicos y patriotas espanoles tengan conocimiento de la impiedad, espiritu de rebelion y de anarquia, barbaric y fiereza de los pretendidos fdosofos Voltaire, sus complices y secuaces. El segundo: para que los que solamcntc estan iniciados en los primeros misterios de esta desoladora, sepan los proyectos y fines que se destinan. El tercero: para que los corifeos de la impiedad, rebelion y anarquia vean que estän descubiertos los arcanos de su iniquidad. Es decir, que el fin, que me he propuesto es, que todos los espanoles sepan lo que es, lo que contiene, y el fin a que se ordena la decantada filosofia de estos sabios del siglo ilustrado, enemigos de la religion, de los reyes y de las sociedades.
Zunächst erfolgt eine für Texte ideologischen Charakters typische ausgeprägte Gegensatzbildung zwischen los catolicos y patriotas espanoles und den dazu in Isosemiebeziehung stehenden Bezeichnungen la naturaleza, la religion y la nation auf der einen Seite, und mit distanzierenden Elementen verbundenen Bezeichnungen für die Aufklärer: los pretendidos filosofos, Voltaire, sus complices y secuaces; la decantada filosofia de estos sabios. In Isosemie zu dieser Negativseite werden die Bezeichnungen impiedad, rebelion, anarquia gesetzt. Anarquia wird somit als Element eines intertextuellen Paradigmas explizit eingeführt, um dann auf dieses gestützt auch in Zusammenhängen verwendet zu werden, die eine genauere Kenntnis des in Frankreich im Gefolge der Revolution entstandenen gegenaufklärerischen Diskurses voraussetzen würden. Der Kode des rezipierten Diskurses erscheint somit als System von semantischen Differenzen, Gegensätzen und Isosemien, die eine neue Relevanz begründen. Durch sie setzt sich der Kode von anderen konkurrierenden Kodes ab. Jeder Gegensatz begründet in einem bestimmten Kode einen Gegensatz von Isotopien, die zu semantisch logischen Mechanismen der Klassifizierung werden. Wie bereits festgestellt verbindet sich im Rahmen einer sprachwissenschaftlichen Analyse mit dem Begriff der Intertextualität zunächst eine besonders interessante Richtung der Problematisierung der Selbständigkeit lexikalischer Bedeutungen, die über Beschreibungen paradigmatischer Einbindungen von Lexemen hinausgeht. Auch ohne weiter auf die damit verbundene Problematik einzugehen, kann sicher festgehalten werden, daß folgende Richtungen der Relativierung einer semantischen Selbstständigkeit einzelner Lexeme für textlinguistische Untersuchungen relevant sind: a) Die einzelnen Lexeme und letzlich auch die Wortbedeutung sind in sprachsystematische Paradigmen eingebunden, die bei der Konstituierung des Textsinns mehr oder we-
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handeln kann, die sich aus einer Reihe vorangegangener Texte aufbaut, befinden wir uns hier bereits an der Grenze zur Intertextualität. Es erscheint jedoch zweckmäßig, die bloße Verwendung von Textkonstituenten, die auch in anderen Texten auftreten, nicht mit diesem Begriff zu belegen. b) Die Bedeutungsleistung der Lexeme wird durch den Kontext beeinflußt. Auch hier stehen wir bereits wieder an einer Schwelle zur Intertextualität, sobald unter Kontext nicht nur die sprachliche Umgebung im gleichen Text verstanden wird. Es erscheint zweckmäßig, sprachliche Ausprägungen der Intertextualität als eine dritte Form der Relativierung von lexikalischen Bedeutungen von den bereits genannten zu unterscheiden. In ähnlicher Weise, wenn auch auf den literarischen Text beschränkt, wird dieses Problem von Kloepfer gesehen, wenn er feststellt, daß sich die "Intertextualität" nicht mit "Kodes" überschneiden sollte, den virtuellen semiotischen Systemen, aus denen sich jede Textrealisation speist und deren Lebensform die vielfältige Textpraxis ist. Sodann sei "Intertext" von "Kontext" zu trennen, womit die kommunikative Situation bezeichnet werden soll, soweit sie sich textuell darbietet. "Intertext" wäre dann eine spezifische und engere Form des syntaktischen Bezugs im Ko- und Kontext, sei es nun explizit, wie bei Zitat, Anspielung, Stilisierung oder Parodie, sei es eher implizit, wie bei den vielen eine Vorlage variierenden, verarbeitenden und verbrauchenden Verfahren, die die Literaturgeschichte kennt.6 Sprachliche Formen der Relationen zur früheren Textproduktion können relativ allgemeingültigen Charakter haben, was allerdings den Bezug auf einen allgemein bekannten und mit weitgehender Invarianz akzeptierten und interpretierten Intertext voraussetzt. Wenn etwa die Wortfolge liberte, egalite, fiscalite 1989 als Überschrift eines Artikels in der Zeitung Le Monde auftritt, trägt der gewollte Bezug zur Losung der Französischen Revolution zu einem Sinn des Textes bei, den die lexikalische Bedeutung von fiscalite nur insofern zu vermitteln vermag, als durch bewußte Modifikation des übernommenen Intertexts eine Relation zwischen fiscalite undfratemite hergestellt wird. Gerade auf dem Hintergrund des Bicentenaire erscheint die Herstellung dieses Bezugs weitgehend allgemein gesichert. Wie das Beispiel bereits andeutet, steht hinter dieser Betrachtungsweise nicht das globale Modell des Poststrukturalismus, in dem jeder Text als Teil eines universalen Intertexts erscheint, durch den er in allen seinen Aspekten bedingt wird, sondern prägnantere strukturelle und hermeneutische Modelle, in denen der Begriff der Intertextualität auf bewußte, intendierte und markierte Bezüge zwischen einem Text und vorliegenden Texten oder Textgruppen eingeengt wird. Beide Modelle haben ihr jeweils eigenes Erkenntnispotential. Für die Textanalyse und Interpretation ist sicher das engere, leichter in Analysekategorien überführbare Modell das fruchtbarere. Anders als Kristeva, die den Subjektbegriff als ideologisch verwirft, gehen wir davon aus, daß die Textstrukturen einer Gesellschaft die Interessen sozio-semiotischer Gruppen ausdrücken. Ansonsten wäre der Text nicht mehr nur Aktualisierung eines Zeichensystems, sondern dieses selbst und darüber hinaus auch nicht mehr an das Zeichensystem der Sprache gebunden. Bei einer solchen Ausweitung des Textbegriffs ist kein Text mehr nicht intertextuell, ist Intertextualität kein besonderes Merkmal bestimmter Texte. Der Autor eines Textes würde damit zum Projektionsraum des intertextuellen Spiels, während die Produktivität auf den Text überginge.7 Rolf Kloepfer, Grundlagen des dialogischen Prinzips in der Literatur, in: Dialogizität, S. 85-106. Vgl. Broich / Pfister 1985: 18. 7 Broich / Pfister 1985:8/9.
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Als einen Arbeitsbegriff zur Erfassung der Relationen zur vorangegangenen Textproduktion, die sich an die semantische Potenz der Lexeme anlagern und in einigen Fällen in Form regelrechter Stereotype der Lexemverwendung wirksam werden, schlagen wir das intertextuelle Paradigma vor. Ein intertextuelles Paradigma wird durch Relationen zwischen sprachlichen Mitteln konstituiert, die für eine bestimmte Textsorte, Thematik, Standpunktbildung diastratische, diatopische oder andere Variante einer Sprache zur Norm geworden sind. Durch Gebrauchsrekurrenz wird ein sozial normiertes Erwartungsschema aufgebaut, das bei bestimmten Lexemen Invarianz- oder auch Gegensatzrelationen zu einem sinnkonstitutiven Faktor werden läßt, den die Lexeme bereits mit in den Text einbringen. Hierzu gehören auch ein für das intertextuelle Paradigma einer bestimmten, etwa durch eine philosophische Position geprägten Textgruppe tyischer Aufbau von semantischer Kompatibilität und Inkompatibilität sowie charakteristische Metaphorik. Intertextuelle Paradigmen ergeben sich aus einer komplexen Voraussetzungssituation, zu der wissenschaftliche Theorien, Ideologien, Geschichten oder Texte gehören. Insbesondere bei Abstrakte bezieht sich die semantische Instruktion auf Merkmalbündel in bestimmten Teilen dieser komplexen Voraussetzungssituation, die in Gestalt intertextueller Paradigmen wirksam werden. In den untersuchten Texten konnten vier unterschiedliche Funktionen der Verwendung intertextueller Paradigmen festgestellt werden: 1. die Übernahme eines intertextuellen Paradigmas im Sinne der Interiorisierung einer sprachlichen Norm, die unreflektiert sein kann, in jedem Fall aber durch die Anlehnung an ein Relationsgefüge, das Präsuppositionen und konnotative Potenzen einbringt, zum Sinn des Textes beiträgt. 2. das sprachliche Herstellen eines Identifikationsrahmens, gegebenenfalls auch eines "Identifikationsetiketts", das bewußt die Verbindlichkeit des entsprechenden intertextuellen Paradigmas voraussetzt. 3. die Verwendung als Kontrastparadigma, die sich zusätzlich mit Klischeebildung über den intertextuell zu kontrastierenden Sprachgebrauch verbinden kann. 4. eine argumentative Verarbeitung des intertextuellen Paradigmas, die häufig auf eine Veränderung des Sprachverhaltens gemeinsam mit dem zugrunde liegenden Denken gerichtet ist. Daß intertextuelle Paradigmen bei der Übersetzung und Rezeption von Texten eine wichtige Rolle spielen können, wird vor allem dort deutlich, wo in der Zielsprache stabil ausgebildete Isosemie- oder Gegensatzbeziehungen genutzt werden können. So stellt die Übersetzung der Passage von Barruel, in der auf die Schuldigen der französischen Revolution hingewiesen wird, im Spanischen keinerlei Problem dar: Es sind die filosofos, die franc-mazoneria und die iluminados (mit gleicher Referenz werden auch die Bezeichnungen sofistas impios, sofistas de rebelion, sofistas de impiedad y anarquia verwendet). Spanische antiaufklärerische Texte wiesen bereits häufig eine syntagmatische Invarianzbildung bei Bezeichnungen der Gegenseite auf, die sprachlicher Ausdruck des Klischees von der Schuld der Philosophen, Freimaurer und Jansenisten an der Französischen Revolution und ihren Folgen sein könnte. In diesem Sinne proklamiert Capmany einen heiligen Krieg gegen die Aufklärung, dessen Ziel er mit folgenden Aufzählungen seiner Gegener bestimmt:
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Con esta guerra nos libraremos de la molestia y asco de dar oidos a la fastidiosa turba de sabihondos, ideologps, filosofos, humanistas ypolitocnicos.
Auch der Angriff auf die Berechtigung der Bezeichnung ilustradon war bereits von Fernando Ceballos in seinem Werk La falsa filosofia (1774-76) geführt worden, der die perfecta ilustracion ausdrücklich zur Aufgabe eines Denkens erklärt, das sich gegen die Aufklärungsphilosohie richtet: Dixe perfecta ilustracion, porque no hablo de aquella que tanto se vulgarize, y es mas bien una ilusion, que deslumbra ä infinitos espiritus ligeros, y deslustrarä ä qualquiera gente. La falsa Filosofia ha querido tomar este nombre de ilustracion, para hacerlo infame y de mal agüero.
Bei Ceballos findet sich die Zuweisung der Toleranz zu einer pseudo-filosofia, die als aprendizage de todos los errores y vicios gekennzeichnet und der filosofia sana, expliziert als el amory estudio de toda virtudy verdad, gegenübergestellt wird.10 Eine ähnliche Position, bei deren Formulierung aufklärerische Kontrastparadigmen verarbeitet werden, findet sich in Bonaids im Juni 1806 entstandenen Reflexions philosophiques sur la tolerance des opinions.11 Nachdem Bonald festgestellt hat, daß aller bisherige Gebrauch des Wortes tolerance Mißbrauch, abus, gewesen sei, erklärt er seine Absicht, ihm den sens vrai et raisonnable zurückzugeben. Zu diesem Zweck beginnt er mit einer Bedeutungsanalyse von tolerance, die zunächst zur Feststellung einer Polysemie führt. Der tolerance absolue, gegen die allein sich seine Kritik richte, entspreche als Synonym indifference, während sich die tolerance conditionnelle durch support ersetzen lasse. Zwischen absoluter Toleranz und wirklicher Aufklärung müsse zwangsläufig immer ein Gegensatz bestehen, da jeder, der sich im Besitz der Wahrheit befinde, zu deren Verbreitung auch intolerant sein müsse. Die Kritik an der Aufklärung und der Toleranz als einer ihrer Grundbedingungen schließt dabei ein Infragestellen der Selbstbezeichnung lumieres durch die Aufklärer ein, die Bonald für eine absoluten Wahrheitsbesitz verkörpernde Lehre vorbehalten sehen will. Lexikalisch drückt sich dies vor allem in einer Erweiterung des Bildfeldes aus, dessen Kern die lumieres zugrunde liegende Lichtmetapher bildet. So bezeichnet er Eigenschaften aufklärerischer Werke mit dem Wort obscurite, das bereits in seiner lexikalischen Bedeutung in Gegensatz zu lumieres steht, und verwendet zur Benennung von Intentionen der Aufklärer und der Revolutionäre Verben wie eclairer und enflammer.12 Für die von Javier Herrero formulierte These, daß es eine europäische oposicion a las Luces gab, spricht, wie wir anhand vergleichender Untersuchungen zeigen konnten, auch eine Reihe lexikalischer Charakteristika. In diesen Kontext gehören auch die bereits erwähnte Diskussion von Selbstbezeichnungen der Aufklärung und die Verwendung von Schlagwörtern der Französichen Revolution als Kontrastparadigma.13 J Capmany 1808:1,27. 9 Ceballos 1774-76:1, Widmung. 10 Ceballos 1774-76: IV, 229. 11 Oeuvres completes de M. de Bonald, publides par M. Abbe Migne, Paris 1859, Bd. 3, 485-470. 12 Bonald 1859, III, 487/488. Fray Diego de Cadiz, El soldado catolico en la guerra de religion, Madrid 1814: "Y quo otra cosa es la pretendida independencia de esta imaginada libertad tan aclamada, y tan sangriamente sostenida por las desgraciadas gentes de Francia, sino una injustisima iniquidad, igualmente que su pretendida igualdad, con que trastornan todo el buen orden en que se halla el mundo establecido y con que su Criador lo tiene todo dispuesto?"
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Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den zugrundeliegenden Diskurstraditionen, die zu entsprechenden intertextuellen Paradigmen führen, erweisen sich für die Konstituierung des Textsinns als Voraussetzungen, die ebenso wichtig werden können, wie die Verarbeitung von Bedeutungen in einem lexikalischen Repertoire. Für eine kontrastive Textbetrachtung muß das Zusammenwirken beider berücksichtigt werden. Literatur Antal, Laszlo (1972): Aspekte der Semantik. Zu ihrer Theorie und Geschichte 1662-1970. - Frankfurt/M. Bachtin, Michail M. (1986): Untersuchungen zur Poetik und Theorie des Romans. Herausgegeben von Edward Kowalski und Michael Wegner. - Berlin und Weimar. Bahner, Werner (1985): Aufklärung als europäisches Phänomen. - Leipzig. Barruel (Abate) (1813-1814): Memorias para servir d la Historia del Jacobinismo, escritas en francos por el Abate Barruel, Traducidas al Castellano por F.R.S.V. Observante de la Provincia de Mallorca. Pahna, 4 Bände. Barthes, Roland (1975): Roland Barthes par Roland Barthes. - Paris. Bloom, Harold (1975): A Map of Misreading. - New York. Bonald, Louis de (1859): Oeuvres completes de M. de Bonald, publides par M. l'Abbe Migne. - Paris. Broich, Ulrich / Manfred Pfister (Hrsg.) (1985): Intertextualität, Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. - Tübingen. Capmany, Antonio de (1808): Centinela contra los franceses. - Madrid. Ceballos, Fernando (1974-76): La falsa filosofia o el ateismo, deismo, materialismo, y demäs nuevas sectas convencidas de crimen de estado contra los soberanos, y sus Regalias, contra los Magistrados, y Potestades legftimas. - Madrid, 6 Bände. Coseriu, Eugenio (1973): Probleme der strukturellen Semantik. - Tübingen. Delon, Michel (1988): 1789, Les Revolutions du Texte. Einleitung zu: Intertextualito et Rovolution, = Littorature, N° 69, fevrier 1988. Eco, Umberto / Patrizia Magli (1985): Somantique greimassienne et encyclopedic. In: Parrel, Herman / Hans Georg Ruprecht (6ds.) (1985): Exigences et perspectives de la semiotique. Recueil d'hommages pour Algirdas Julien Greimas. - Amsterdam, Bd.l, 161-177. Geier, Manfred (1985): Die Schrift und die Tradition. - München. Genette, Gerard (1982): Palimpsestes: La litterature au second degr6. - Paris. Greimas, Algirdas Julien (1983): Du sens II. Essais sdmiotiques. - Paris. Herrero, Javier (1973): Los origenes del pensamiento reaccionario espafiol. - Madrid ( 1971). Herväs y Panduro, Lorenzo (1789-1799): Historia de la vida del hombre. - Madrid. - (1807): Causas de la revolucion de Francia en el ano de 1789, y medios de que se han valido para efectuarla los enemigos de la religion y del estado. - Madrid. Hoesterey, Ingeborg (1988): Verschlungene Schriftzeichen. Intertextualität von Literatur und Kunst in der Moderne, Postmoderne. - Frankfurt/Main. Klare, Johannes (1974): L'olaboration du vocabulaire politico-social en France dans la premiere moitio du XIXe siocle. In: Beiträge zur romanischen Philologie 13,1/2, 259-269. Kristeva, Julia (1978): Semeiotike. Recherches pour une somanalyse. - Paris (1969). Kühn, Thomas S. (1973): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Zweite revidierte und um das Postskriptum von 1969 ergänzte Auflage. - Frankfurt/M. Literature in literature (1988): Literature in literature: the uses of quotation. = Romance Studies, No. 12, Summer 1988.
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Christiane Nord (Heidelberg/Wien)
Äpfel und Birnen? Überlegungen zur Methode eines funktionalen Textsortenvergleichs am Beispiel spanischer, französischer und deutscher Buchtitel 1. Der Titel als Text-in-Situation Im gemeinsprachlichen Gebrauch des Wortes ist ein 'Titel" ein "kennzeichnender Name eines Buches, einer Schrift, eines Kunstwerks o.a." (DUW 1983), der (in Deutschland) durch Titelschutz gegen unerlaubte Verwendung, Mißbrauch, Nachahmung oder verwechselbare Bezeichnungen gesichert ist (vgl. Hiller 1980:296) und zur Identifizierung eines Textes dient (zur Geschichte des Titels vgl. vor allem Rothe 1986: l Iff.), indem er explizit oder implizit Informationen über den betitelten Text (im folgenden Ko-Text) liefert. Bei bestimmten Textsorten (z.B. Zeitungsartikeln, Gedichten) wird in gleicher Bedeutung der Terminus "Überschrift" verwendet, so daß hier kein funktionaler oder formaler Unterschied zu machen ist. Titel können auch unabhängig vom Ko-Text auftreten: in Inhaltsverzeichnissen, Bibliographien, Katalogen und Verlagsprospekten, auf Plakaten, über Kino- oder Theatereingängen. Trotzdem ist den Rezipienten meist ohne weiteres klar, daß sie einen Titel vor sich haben. Das liegt zum einen an bestimmten sprachlichen Signalen, die nur oder bevorzugt in Titeln auftreten, zum anderen aber vor allem an der "Situation", in der ein Titel seinen Rezipient(inn)en gegenübertritt - in der Leuchtreklame über dem Kino erwartet man aus Erfahrung einen Filmtitel und wird die Form Wilde Erdbeeren nicht als Ankündigung eines preiswerten Sonderangebots interpretieren, auch wenn im Supermarkt nebenan Frische Erdbeeren angepriesen werden. Wie ist nun diese "Situation" zu charakterisieren? Stellen wir uns folgendes vor: Ein Sender (ein Autor/eine Autorin, ein Verlag, eine Zeitungsredaktion, ein Herausgeber/eine Herausgeberin etc.) will einem Empfänger (einem individuellen Leser, einem größeren oder kleineren Leserkreis, möglichst vielen Leserinnen und Lesern) ein Informationsangebot machen (zum Terminus vgl. Reiss/Vermeer 1984:72ff.) und hat zu diesem Zweck einen Text produziert oder produzieren lassen und publiziert (Anlaß). Um den Text eindeutig zu kennzeichnen (Intention 1) gibt er ihm einen Titel. Diesen druckt er hervorgehoben über den Text (Medium A), auf das Titelblatt (Medium B) oder den Buchumschlag (Medium C) und/oder veröffentlicht ihn unabhängig vom Text in einem Katalog, auf einem Plakat, in einer Anzeige etc. (Medium D, E, F...), um potentielle Empfänger auf die Existenz des Textes hinzuweisen (Intention 2) und gegebenenfalls über den Text, seinen Inhalt oder sein Thema etc., zu informieren (Intention 3) oder seine Einstellung dazu kundzutun (Intention 4) und einen ersten Kontakt herzustellen (Intention 5), der, wenn das Interesse des Empfängers an einer weitergehenden, über den Text realisierten Kommunikation groß genug ist,'zur Annahme des Informationsangebotes des Textes führen soll (Intention 6). Aus den sechs Intentionen lassen sich die sechs Funktionen des Titels ableiten: die distinktive oder Namensfunktion (Intention 1), die metatextuelle Funktion (Intention 2), die referentielle oder Darstellungsfunktion (Intention 3), die expressive oder Aus-
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drucksfunktion (Intention 4), die phatische Funktion (Intention 5) und die Appellfunktion (Intention 6). Die Analyse der Korpora hat ergeben, daß distinktive, metatextuelle und phatische Funktion Grundfunktionen jedes Titels sind, während Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion Zusatzfunktionen sind, die in verschiedenen Titelsorten (also etwa Buchtitel vs. Aufsatztitel) in unterschiedlicher Gewichtung auftreten können, aber nicht müssen. Wie jede Kommunikationshandlung ist auch diese im Raum einer bestimmten Kultur ("Ort") situiert und findet zu einem bestimmten Zeitpunkt ("Zeit") statt. Ort und Zeit entscheiden jedoch nicht über die Funktionen des Titels als solche, sondern determinieren - als Kulturfaktoren - die Art ihrer Versprachlichung.
2. Der Titel als sprachliche Äußerung Als sprachliche Äußerung (in Situation) weist der Titel bestimmte lexikalische und syntaktische Merkmale auf, die mit den Situationsbedingungen in Zusammenhang stehen oder möglicherweise durch diese bedingt sind. Wir gehen die Faktoren der Reihe nach kurz durch: a) Der Sender (als Individuum) bringt individuelle Vorlieben in den Titel ein - daher ist z.B. festzustellen, daß verschiedene Titel eines Autors oder einer Autorin oftmals Ähnlichkeiten aufweisen (beispielsweise eine Vorliebe für einsilbige oder Einwort-Titel oder intertextuelle Bezüge, die den Zusammenhang Autor-Titel hervorheben). Beispiele la: Enid Blyton: Geheimnis um einen nächtlichen Brand /... einen unsichtbaren Dieb/ ...eine verschwundene Halskette etc. (K/D, Ü);1 Rainald Goetz: Irre / Krieg / Hirn (B/D). b) Die Intention, die der Verfasser/die Verfasserin mit dem Titel verfolgt, schlägt sich ebenfalls in der Formulierung nieder. Soll der Titel hauptsächlich informieren, so ist ein konventionelles Muster zweckmäßiger als ein originelles, weil hier die Form nicht vom Inhalt ablenkt - soll er aber hauptsächlich leseanreizend oder provozierend wirken, so ist ein originelles Muster (oder auch die Anlehnung an ein vorhandenes originelles Muster), eine rhetorisch wirksame Formulierung oder ein Titelzitat vermutlich effektiver. Soll eine Wertung vorgenommen werden, so muß diese mit dem kulturellen Wertesystem der Empfänger(innen) in Einklang stehen, damit die Wertung auch richtig "ankommt". Beispiele Ib: HgU Berlin im Gedicht (B/D); Dieter Hildebrandt: Die Leute vom Kurfürstendamm. Roman einer Straße (dtv); Roger Garaudy: Das schwache Geschlecht ist unsere Stärke. Für die Feminisierung der Gesellschaft (dtv). K = Kinderbuch, B = Belletristik, S = Sachbuch, F = Fachartikel; die Buchstaben hinter dem Schrägstrich bezeichnen die Sprache: D = Deutsch, F = Französisch, S = Spanisch; Übersetzungen werden mit Ü gekennzeichnet.
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c) Der Empfängerkreis spielt insofern eine wichtige Rolle, als sein Vorwissen, seine Erwartungen, sein soziokultureller Hintergrund, seine Ansprechbarkeit etc. für die Formulierung des Titels von großer Bedeutung sind. Titel von Kleinkinderbüchern wenden sich z.B. (zumindest auch) an erwachsene Adressaten (Eltern, Großeltern), während Titel von Büchern für größere Kinder stärker auf die Interessen und Bedürfnisse der Kinder oder Jugendlichen selbst hin orientiert sind. Beispiele Ic: Dorothoe Kreusch-Jakob: Weihnachtsnüsse eß ich gem. Geschichten, Gedichte und Lieder zur Winters- und Weihnachtszeit (Bilderbuch zum Vorlesen)', Eveline Hasler: Der Buchstabenvogel (für Leseanfänger); Sybil Gräfin Schö'nfeldt: Sonderappell 1945 - Ein Mädchen berichtet (für Jugendliche, besonders Mädchen). d) Das Medium spielt ebenfalls eine Rolle: Auf einen Buchumschlag paßt nur ein Titel von einer bestimmten Länge, während die Überschrift über einem wissenschaftlichen Fachartikel durchaus mehrere Zeilen lang sein kann. Beispiele Id: Friedrich Thiemann: Schulszenen. Vom Herrschen und vom Leiden (S/D); F. E. Weinert: Lernen durch Denken. Warum verbessern sich im Verlauf der Kindheit die Gedächtnisleistungen? (F/D). e) Der Ort der Titelproduktion bzw. -rezeption bestimmt die Anpassung an bestimmte kulturspezifische Erwartungen und Konventionen. Wenn in einer Kultur Doppeltitel mit oder nicht bekannt oder für bestimmte Titelsorten nicht üblich sind, muß entweder ein anderer Titeltyp gewählt oder aber mit einer besonderen Wirkung oder mit Mißverständnissen gerechnet werden (daher werden Doppeltitel über Fachartikeln oft "Verdeutlichend" mit einem Doppelpunkt geschrieben!). Beispiele le: Georges Duby: Guillaume le Marechal ou le meilleur chevalier du monde (B/F) span.: Guillermo el mariscal (B/S); Sigrid Kupsch-Losereit: Scheint eine schöne Sonne? oder: Was ist ein Übersetzungsfehler? (F/D). f) Die Zeit der Titelproduktion oder -rezeption äußert sich in der Frequenz und Distribution bestimmter Titelformen oder -muster. So stehen manche Titel, die auf die Wirkung des Ko-Textes Bezug nehmen, in der Tradition des "sprechenden" Barocktitels, während andere Titel durch Neologismen oder Wortschöpfungen als "modern" markiert sind. Beispiele If: Hans J. Chr. von Grimmeishausen: Trutz-Simplex oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung der Ertzbetrügenn und Landsstörtzerin Courasche (B/D); Hermine Beig: Hochzeitslose (B/D). g) Der Anlaß der Titelproduktion bzw. -rezeption ist ebenfalls von Bedeutung: Wenn der Titel eines Fachartikels rezipiert wird, weil der (potentielle) Leser nach Informationen zu einem ganz bestimmten Thema sucht, ist die detaillierte Information über das
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Textreferens, also Thema und Inhalt, von größerer Bedeutung als bei einem Buch, das sich jemand als Ferienlektüre oder als Reiseinformation aussucht. Beispiele Ig: H. Bannwarth: Wechselwirkungen zwischen Zellkern und Zelle in Acetabularia (F/D); H. J. Schneider (Hg.^: Der Rhein (S/D); Johannes Mario Simmel: Doch mit den Clowns kamen die Tränen (B/D). h) Die Textfunktion bzw. Textfunktionen ergeben sich nun jeweils aus der spezifischen Charakteristik der bisher genannten Faktoren, wobei die Intention des Senders zwar wohl eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle spielt. Die Funktion ist nicht eine a priori-Eigenschaft des Textes, sondern sie wird dem Text im Akt der Rezeption durch den Empfänger/die Empfängerin zugeschrieben (vgl. Nord demn.). Der (methodologische) Unterschied zwischen Senderintention und Textfunktion läßt sich an der Formulierung einiger Sachbuchtitel recht gut erkennen. Bei einem Titel nach dem Muster Einführung in die Übersetzungswissenschaft macht der Verfasser durch das Lexem Einführung explizit, für welche Funktion er den Text intendiert. Daher ist anzunehmen, daß die Leser einen Text mit einem solchen Titel auch in dieser Funktion rezipieren werden. Bei einem Titel wie Kritik der Konsumgesellschaft ist dagegen nicht die Funktion, die der Text für einen Leser/eine Leserin haben kann, explizit gemacht, sondern die Illokutionsintention des Verfassers: Er will im Text oder durch den Text Kritik üben. Ob die Leserinnen und Leser diesen Text nun in informativer Funktion rezipieren (mit der Haltung: Aha, so ist das also mit der Konsumgesellschaft) oder in expressiver Funktion (etwa: So, das ist also die Meinung des Autors zur Konsumgesellschaft) oder in appellativer Funktion (etwa: Ja wirklich, wir müssen unbedingt etwas dagegen tun!), ist ihnen überlassen und im Titel nicht "vorgegeben", wenn auch bestimmte Titelformulierungen wieder konventionell mit bestimmten Textfunktionen verbunden sind.
3. Die Kulturspezifik des Titels a) Die Realisierung der distinktiven Funktion Die distinktive Funktion ist zwar eine (universelle) Grundfunktion aller Titel, aber ihre Bedeutung wird durch die Gegebenheiten der betreffenden Kultur bestimmt, wenn es in der Zielkultur (wie z.B. in Deutschland) einen gesetzlichen Titelschutz gibt. Dieser gilt nur für Buchtitel, und auch hier nur für die sogenannten "starken" Titel, die eine charakterisierende, aus dem alltäglichen Rahmen herausfallende Bezeichnung des Ko-Texts darstellen (vgl. Hiller 1980:296), nicht dagegen für "schwache" Titel, die lediglich die Textsorte oder Gattung angeben oder die Zuordnung zum Autor kennzeichnen (Typ Gesammelte Werke). Neben Doubletten bei Erzählungen, Gedichten und "schwachen" Titeln finden sich einige Überschneidungen im spanischen und französischen Korpus, keine im deutschen Korpus. Beispiele 2a: Alejo Carpentier: Lospasosperdidos (B/S); Andr6 Breton: Los pasos perdidos (B/S, Ü);
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Johannes Hemleben: Darwin (S/S, Ü); Jonathan Howard: Darwin (S/S, Ü); Julio Cortäzar: Bestiario (B/S); Henri de Montherlant: Los bestiarios (B/S, Ü); Franyoise Mallet-Joris: Le rire de Laura (B/F); Renoe Massip: Le rire de Sara (B/F). b) Die Realisierung der phatischen Funktion Die phatische Funktion findet ihre kulturspezifische Realisierung u.a. in der formalen Gestaltung des Titelblattes eines Buches oder der Überschrift über einem unselbständigen Text, also in der nonverbalen Kennzeichnung, die eine Äußerung als 'Titel" ausweist. Wenn Titel und Text nicht im Verbund auftreten, muß die phatische Funktion gewissermaßen "dilatorisch" wirken, damit der gestiftete Kontakt zumindest so lange anhält, bis der Rezipient in der Lage ist, das Informationsangebot des Textes anzunehmen. Diese "dilatorische" Komponente läßt sich vor allem an der durchschnittlichen Länge der Titel und an den Titeltypen ablesen. Kriterien wie "Kürze" und "Einprägsamkeit" sind zwar einerseits relativ zu dem jeweils kulturspezifisch Üblichen und Erwarteten zu beurteilen, andererseits aber auch abhängig von der physischen Merkfähigkeit. Darüber hinaus hängen sie mit den lexikalischen Möglichkeiten der Wortbildung oder den syntaktischen Strukturen der Einzelsprachen zusammen. Die Möglichkeit eines vorangestellten sächsischen Genitivs (z.B. Dantons Tod) oder der Zusammenziehung von Präposition und Artikel (zum, vom) erlaubt einfach kürzere Titel als die Konstruktionen der romanischen Sprachen (La muerte de Artemio Cruz, De la subjectivite dans le langage). Dieser lexikalisch-grammatische Aspekt dürfte für das leichte Gefalle von den romanischen zu den deutschen Titeln verantwortlich sein. Allerdings ist der Abstand zwischen spanischen (4,3 Wörter) und französischen (3,9 Wörter) Einfachtiteln (ET) nicht geringer als der zwischen französischen und deutschen (3,5 Wörter). Und bei den aus einem Haupt- und einem Untertitel bestehenden Titelgefügen (TG) sind die französischen insgesamt erheblich kürzer als die spanischen und deutschen. Die Verteilung der Titeltypen ist jedoch nicht sprach-, sondern kulturbedingt. Der Doppeltitel mit oder (DT) ist "typisch" französisch - die spanischen DT sind fast durchweg Übersetzungen (meist aus dem Französischen). c) Die Realisierung der metatextuellen Funktion Diese Funktion wird in manchen Titeln dadurch explizit gemacht, daß der Ko-Text mit Textsorten oder Sammelbezeichnungen benannt wird (z.B. Roman oder Antologia). Die Frequenz und Distribution dieser Textbezeichnungen ist nicht sprachbedingt, sondern konventionell. Das zeigt sich daran, daß hier das deutsche und das spanische Korpus gegenüber dem französischen zusammengehen: Mit je ca. 15% der ET und ca. 35 % der TG-Untertitel weisen sie mehr als doppelt so hohe Werte auf wie das französische (ca. 6 % der ET und 16,7 % der TG-Untertitel). d) Die Realisierung der Darstellungsfunktion Die Darstellungsfunktion bezieht sich auf die Darstellung der Kommunikationssituation (metakommunikative Titel), die Darstellung des Textreferens (Objekttitel) und die Darstellung der Textform (metasprachliche Titel).
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Metakommunikative Titel nennen einen oder mehrere Situationsfaktoren (einschließlich der Kommunikationspartner), Objekttitel nennen das Thema oder ein Inhaltselement des Ko-Texts, und metasprachliche Titel verweisen durch Textsortenbezeichnungen oder sprachliche Markierungen (Umgangssprache, Epochensprache, Regionalismen etc.) auf sprachliche Merkmale des Ko-Texts. Beispiele 2b: Dorothy Henderson Pinch: Fröhlicher Reitkurs fiir Kinder (Empfänger, Textfunktion); Henri Vincenot: Les voyages du Professeur Lorgnon (Handlung, Aktant); Nicolas Guillon: Songoro Cosongo y otros poemas (poetische Sprache, Gattung). Hier ist zu fragen, welche (sprachspezifischen) Mittel zur Darstellung einzelner Elemente eingesetzt werden (z.B. Einführung /Einleitung vs. introduction /initiation und introduction) und welche (kulturspezifische) Distribution und Frequenz diese Mittel haben. e) Realisierung der Ausdrucksfunktion Die Ausdrucksfunktion manifestiert sich in der Äußerung der Sendereinstellung zur Textsituation, zum Textreferens und zum Text selbst (Form und erwartete Wirkung). Die Sendereinstellung kann z.B. eine Identifizierung mit oder Distanzierung vom Textreferens implizieren, eine persönliche Bindung, (positive oder negative) Bewertung, Gefühle oder die Kennzeichnung des Textes als persönliches Erlebnis ("Memoiren"), 'Traum", "Mutmaßungen" etc. (= "Rahmung", vgl. Rothe 1986). Beispiele 2c: Janosch: Ach, du liebes Hasenbüchlein; Blaise Cendrars: Tu es plus belle que le del et la mer; Horacio Ouiroga: Pasado amor. Hier ist zu fragen, welche (sprachspezifischen) Mittel zum Ausdruck von Sprechereinstellungen verwendet werden (z.B. Diminutiva im Deutschen vs. Stellung des Adjektivs im Spanischen) und in welcher (kulturspezifischen) Frequenz und Distribution sie in den verschiedenen Titelsorten vorkommen.
f) Realisierung der Appellfunktion Die Appellfunktion kann direkt oder indirekt realisiert werden. Ein indirekter Appell kann durch die Darstellungsfunktion bewirkt werden, wenn das Dargestellte auf die Empfänger/innen leseanreizend wirkt: durch Verwendung von Reizwörtern, Exotismen, Dichotomien, Oxymora, Anspielungen etc. Diese Elemente sind in ihrer Wirkung kulturgebunden: Wenn für deutsche Leser - um nur ein Beispiel zu nennen - ein Verweis auf Lateinamerika "exotisch" wirkt, so vermittelt der gleiche Verweis für lateinamerikanische Leser gerade keine kulturelle Distanz. Ein indirekter Appell kann aber auch durch die Ausdrucksfunktion realisiert werden, indem den Leser(inne)n gewissermaßen suggeriert wird, die Einstellung (z.B. Sympathie, Kritik, Bewertung etc.) des Autors/der Autorin zu teilen. Ein direkter Appell wird dagegen durch poetische Mittel wie Klangformen, rhythmische Titelmuster, lexikalische Stilmittel (z.B. Wortspiele), Eigenwilligkeiten der Schreibweise oder der Interpunktion etc. bewirkt. Hier schöpft der Titelgeber aus dem
Methode eines funktionalen Textsortenvergleichs...
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poetischen Kode der betreffenden Kultur. Die Wirkungsweise und der Wirkungsgrad eines poetischen Mittels hängen ganz entscheidend von seinem Stellenwert innerhalb des poetischen Kodes der betreffenden Kultur ab. Um wieder nur ein Beispiel zu nennen: Bei deutschen Titeln spielen rhythmische Titelmuster (z.B. vierfüßige Jamben oder Trochäen) eine wesentlich größere Rolle als im Spanischen, wo Assonanzen und Wortspiele häufiger zur Realisierung der Appellfunktion eingesetzt werden. Beispiele 2d: Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän (Jamben); Pulverdampfund heiße Lieder (Filmtitel; Trochäen); Ignacia Aldecoa: Baiada del Manzanares (E/S; Assonanz); Rübe" n Dario: Sinfonia en gris mayor (Wortspiel).
4. Der Titelvergleich als Modell des Textsortenvergleichs Bei diesem funktionalen Analyseansatz kommen pragmatische und kulturelle Aspekte stärker in den Blick als sprachliche. Aber auch der Vergleich der sprachlichen Merkmale (Titelformen und Titelmuster, aber auch die Setzung des bestimmten, unbestimmten oder Null-Artikels, vgl. Nord 1992) zeigt, daß die "romanischen" gegenüber den "germanischen" Titeln keineswegs eine homogene Gruppe bilden, sondern sehr häufig deutsche und spanische oder auch deutsche und französische Titel gemeinsame Merkmale der Distribution und Frequenz aufweisen. Daraus wird deutlich, daß es sich hier bei den Textsortenmerkmalen nicht um sprachbedingte Charakteristika, sondern um Konventionen handelt. Sowohl die funktionalen als auch die sprachlichen Merkmale sind das Ergebnis einer stereotypen Kommunikationshandlung, in der sie sich zunächst aufgrund situativer Notwendigkeiten herausgebildet und dann als Signale für die Sprachbenutzer verfestigt haben. Titel sind eine besondere Sorte von Äußerungen, die sich zwar durch bestimmte formale Merkmale, nicht aber in bezug auf ihre funktionalen Merkmale von anderen Texten unterscheiden. Die vorgestellte Methode des Titelvergleichs könnte daher meines Erachtens als ein Modell für einen funktionalen Textsortenvergleich dienen.
Literatur DUW (1983): Duden - Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim-Wien-Zürich: Bibliographisches Institut. Hiller, Helmut (1980): Wörterbuch des Buches. - Frankfurt/M. Nord, Christiane (1989): "Der Titel - ein Mittel zum Text". - In: Norbert Reiter (Hg.): Sprechen und Hören. Akten des 23. Linguistischen Kolloquiums Berlin 1988 (Tübingen: Niemeyer), 519-528. - (21991 [11988]): Textanalyse und Übersetzen. - Heidelberg: Groos. - (1991): "Der Buchtitel in der interkulturellen Kommunikation: Ein Paradigma funktionaler Translation". In: Sonja Tirkkonen-Condit (Hg.): Empirical Research in Translation and Intercultural Studies. Selected Papers of the TRANSIF Seminar Savonlinna 1988 (Tübingen: Narr), 121-130. - (demn.): The Relationship between Text Function and Meaning in Translation". - ersch. demn. in: Marcel Thelen and Barbara Lewandowska-Tomaszyk (Hg): Translation and Meaning, Part II. Proceedings of the Lodz Colloquium September 1990 (Maastricht: Euroterm).
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Nord, C.
- (1992): Einführung in das funktionale Übersetzen am Beispiel von Titeln und Überschriften. -Tübingen: Francke (UTB). Reiss, Katharina/Vermeer, Hans J. (1984): Grundlegung für eine allgemeine Translationstheorie. Tübingen: Niemeyer. Rothe, Arnold (1986): Der literarische Titel. Formen, Funktionen, Geschichte. - Frankfurt/M.: Klostermann.
Hiltraud Dupuy-Engelhardt (Reims)
Zur Benennung von Schallereignissen im Deutschen und Französischen Für den folgenden Beitrag zur konfrontativen Lexik wurde als Tertium comparationis ein Denotatsbereich gewählt, und zwar der der "Schallereignisse", wie die Physiker zu sagen pflegen, ungeachtet dessen, ob sie als Laute oder Geräusche, als Resultate oder Prozesse vorgestellt werden.1 Die Untersuchung erfolgt - trotz vieler pessimistischer Prognosen - über einen Wortfeldvergleich.2 Dabei stütze ich mich, was das Französische anbetrifft, auf die verdienstvolle, jedoch teilweise revisionsbedürftige Dissertation von Schneiders (1978); für das Deutsche werte ich eigene Ergebnisse aus (vgl. Dupuy-Engelhardt 1990). Innerhalb des Wortfeldes werden außer paradigmatischen Relationen auch syntagmatische verglichen, d.h. ob und inwieweit die Kollokationen - vorläufig nur die von Verben - übereinstimmen. Der im Resümee angekündigte Vertextungsvergleich, der aufzeigen sollte, wie das lexikalische Material der beiden Sprachen effektiv genutzt wird, bleibt aus Raummangel unberücksichtigt. Der Beitrag will methodische Perspektiven öffnen; allgemeine Schlüsse können nicht gezogen werden, weil die Ergebnisse noch zu sporadisch sind. Auch können in diesem Rahmen nur die auffallendsten überprüfbar vorgestellt werden. Sie betreffen vor allem die Grobunterscheidungen. Feinunterscheidungen setzen für beide Sprachen eine umfassende Merkmalanalyse voraus. Damit das Vergleichsmaterial überschaubar wird, mußten zunächst Abgrenzungen innerhalb des Feldes vorgenommen werden. Als operationeil bot sich dafür die vorläufige Beschränkung auf primäre Lexeme an. Sekundäre Substantive wie deutsch Gekrächz, Gebrumm sind nur als Verben krächzen, brummen und französisch chuintement, crissement, dapotis nur als chuinter, crisser, clapoter inventarisiert. Modifizierte Verben: erschallen, verhallen, aufschreien ... werden nicht eigens erwähnt. Daß diese Entscheidung im Vertextungsvergleich zu diskutieren ist, war vorauszusehen, sie stellte aber auch im Sprachvergleich Probleme, wie z.B. das folgende, das mit der inhaltlichen Abgrenzung des Feldes verbunden ist. Gesucht waren all die Lexeme, die von sich aus "Hörbares" evozieren, d.h. ohne daß der Kontext es explizieren muß. Nun gibt es im Französischen Verben, besonders solche, die ein durch Reibung entstehendes Geräusch bezeichnen (fröler, frotter, froisser, gratter, racier) aber auch fremir, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft. Sobald sie aber substantivisch verwendet werden (le frölement, le froissement...), evozieren sie Geräusche.3 Das könnte am Kontext liegen, der diese Interpretation tatsächlich meist stützt 1
Zu den physikalisch-akustischen Erkenntnissen: BORUCKI, Hans (31889). Einführung in die Akustik. Mannheim/Wien/Zürich, BI-Wiss.-Verl., besonders S. 86-91. Eine neuere Stellungnahme hierzu: BLUMENTHAL, Peter (1987): Sprachvergleich Deutsch-Französisch. Tübingen: Niemeyer, 118-120. Le Petit Robert. Dictionnaire alphabotique et analogique de la languefranqaise. Paris. S.N.L. 1972: fröler. "1) Toucher logerement en glissant, en passant"; frölement: "L6ger et rapide contact d'un objet qui se doplace le long d'un autre. [...] Bruit loger qui en rosulte."
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Dupuy-Engelhardt, H.
(vgl. Petit Robert 1972: "Percevoir le frölement d'une robe comme un bruit d'aile [...]"). Meine Informanten bestreiten dies aber, und der Artikel "bruit" im Petit Robert, wo diese Lexeme ohne einschränkende Bemerkung als "mots dosignant des bruits" aufgeführt sind, scheint ihnen recht zu geben, ebenso wie Weis-Mattutat (1979), die als Übersetzung für froler: "streifen, leicht berühren, streicheln", für froisser: "(zer)knittern, zerknüllen" und für frölement und froissement u.a. "Knistern", "Rascheln" vorschlagen. Nach inhaltlichen Kriterien müßten also die substantivierten Lexeme ins Wortfeld aufgenommen werden, nicht aber die primären Verben. Das bedeutet aber einen Verstoß gegen das oben erwähnte formale Abgrenzungskriterium. Solange derartige Inkohärenzen nicht methodisch abgesichert sind, können z.B. keine präzisen statistischen Auswertungen vorgenommen werden. So geben auch die meisten folgenden Zahlen nur ungefähre Größenverhältnisse an. Ein zweites mit dem Wortbildungskriterium verbundenes Problem stellte sich bei der Unterteilung des Feldes nach Wortarten: Was ist primär: rufen oder Ruf? crier oder cnl In Fällen, in denen das so schwer zu entscheiden ist, habe ich Substantiv und Verb aufgenommen, eine Lösung, die ebenfalls einer methodischen Präzisierung bedarf, auf die aber hier nicht eingegangen werden kann. Damit wird also der Wortfeldvergleich vorläufig auf einen Wortartenvergleich innerhalb des Feldes reduziert. Am schwächsten besetzt ist in beiden Sprachen das Adjektiv-Paradigma. Verschieden ist, daß das Französische bevorzugt die Schallqualität charakterisiert (sonore vs. sourd, rauque), verbunden mit Intensität (bruyant) und noch Tonhöhe (strident), das Deutsche hingegen die Intensität (laut vs. leise), die Qualität (heiser) und beide zusammen zusätzlich die Tonhöhe (schrill). Alle weiteren Adjektive sind Anleihen aus anderen Denotatsbereichen oder in mehreren beheimatet: hoch (aigu?) vs. tief (grave); dunkel (sonore,) vs. hell (clair); voll (sonore?) vs. hohl (creux); haut (Jaut) vs. bos (leise); see (trocken), grele (schwach + hell?). - l:l-Entsprechungen zwischen den Sprachen sind eben eine Seltenheit. Bei den Substantiven ist das Französische dem Deutschen zahlenmäßig überlegen (ca. 60 : ca. 20). Die Abgrenzung primär vs. sekundär ist in beiden Sprachen problematisch (Seufzer, Jauchzer, gargouillis,...). Das Angebot an Bezeichnungen für heterogene Schallereignisse (bruit - Geräusch), vor allem der als zu laut empfundenen, gibt dem Französischen diesen Vorsprung. Schneiders (1978:51) hat davon zwanzig, Geckeier (1973:78f.) noch drei weitere registriert. Brouhaha, chahut, fracas, rumeur, tumulte, vacarme u.a.m. gegenüber nur Krach, Lärm und Tumult sind die normalsprachlichen, die ändern sind entweder veraltend (huee) oder "registermarkiert" (vgl. Schneiders 1978:100): barouf (le), boucan,foin,... Radau, Spektakel. Das Deutsche differenziert dagegen die nicht heterogenen, den Bereich von son: Schall, Hall, Klang, Knall, Laut, Ton (mit frz. ton ist meist der Stimmton gemeint), besser gesagt, es differenzierte, denn Schall und Hall scheinen in die Fachsprache gewandert, zumindest verschwinden sie aus der Normal- und Literatursprache. Parallel verhalten sich beide Sprachen bei den menschlichen Lauten (cri -Schrei, soupir - Seufzer, appel - Ruf, sanglot - Schluchzer), nur daß das Deutsche den Ausdruck der Freude ausbaut (Jubel, Jauchzer, Juchzer) und natürlich abgesehen von den vielen französischen Bezeichnungen für kollektive Schallkundgebungen (huee, tolle, chahut, ovation,...). Bei den Verben empfehlen sich weitere Unterteilungen, z.B. in Klassen von froisser. froissement:
"2) Endommager par frottement ou compression [...] 3) Faire prendre de faux plis ä(une 6toffe)." "[...] Bruissement de ce qui est froisso."
Schallereignisse im Deutschen und Französischen
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Produzenten: Menschen vs. Tiere vs. der Rest, wobei selbstverständlich zu beachten ist, daß manche entweder klassenneutral, manche hinsichtlich zweier Klassen markiert sind oder in einer von beiden - mehr oder weniger lexikalisiert - vorkommen. Hier ist das Zahlenverhältnis umgekehrt wie bei den Substantiven. Das Angebot des Deutschen dürfte das des Französischen gut um das Doppelte übertreffen. Bereiche, die im Französischen nicht oder ganz spärlich bedacht sind, sind solche, die Menschen teilweise auch Tiere - mit Händen, Füßen, beim Atmen, Essen, Trinken und vor allem beim Gehen erzeugen (trippeln, trappeln, trappen, schlurfen, trampeln vs. schleichen). Bei den Stimmlauten und den Verba dicendi sind offensichtlich die Kriterien zur Unterteilung des Paradigmas verschieden. Mehr als die Hälfte der deutschen Verben sind psychisch motiviert, als Ausdruck der Freude, der Traurigkeit, der Zustimmung (weniger), des Protestes, der Unzufriedenheit, gepaart mit Boshaftigkeit, die aber auch allein möglich ist. Durch alle diese Teilbereiche ziehen sich, genau wie bei den psychisch unmarkierten, graduelle Differenzierungen hinsichtlich der Tonstärke und der Tonhöhe. Im Französischen ist nur ein psychischer Bereich lexikalisch differenziert, der der Unzufriedenheit mit zwölf Verben (grander, grogner, grommeler, marmotter,...), von denen die meisten die tiefe Tonlage (wie im Deutschen) und die Unartikuliertheit beinhalten. Nach Geckelers Beobachtungen (1973:82) scheint die "Störung" oder "Defizienz", worunter er auch die Undeutlichkeit einordnet, also zu den Sprachfehlern, ein wichtiges Paradigmen konstituierendes Element zu sein, ein im Deutschen eher vernachlässigter Bereich: zezayer (lispeln), nasiller (näseln), begayer (stottern), bredouiller (stammeln), bleser (?), chuinter (?) grasseyer (?). Stärker ausgeprägt als im Deutschen ist der Konversationsbereich und auch der zum Partnerrufen, wo das Deutsche dann mit sekundären Verben (über-)kompensiert (zu-rufen, -schreien, -brüllen...). Bei den Verba dicendi, von denen nur wenige ins Feld des Hörbaren gehören, fällt besonders die französische Zweiteilung: parier - dire gegenüber der deutschen Dreiteilung: reden, sprechen, sagen auf. Bei den Tierlauten überrascht zunächst das Zahlenverhältnis: ca. 87 deutsche gegenüber - völlig unerwartet - immerhin 64 französischen Verben (außerdem drei als primär zu betrachtende Substantive, friselis, gazouillis, ramage, dafür kein deutsches), zusammengetragen aus Wörterbüchern und Geckeier (1973:89). Von dem reichhaltigen französischen Angebot wird aber kein Gebrauch gemacht. Ein gutes Drittel davon ist in Vergessenheit geraten; selbst pensionierte Grundschullehrerinnen bestätigten das. Niemand kannte die vielen Laute der Wachtel (carcailler, margauder, cailleter, cacabrer), den der Schnepfe (crouler), des Spatzes (chucheter), des Adlers (glatir, trompeter), wußte, daß es für Störche nicht nur claqueter, sondern auch craqueter, für Ziegen nicht nur chevroter, sondern auch begueter und für Hühner außer caqueter, glousser noch creteler und claqueter gibt. Die meisten der sich bewahrenden Verben sind die, die auch von Menschen gesagt werden können: beugler, mugir, rugir, beler, chevroter, cancaner,... eine Möglichkeit, die das Deutsche in größerem Maße ausschöpft und sie somit vor dem Vergessen bewahrt. Dabei zeigt sich eine Gemeinsamkeit. Bei der Anwendung auf Menschen bekommt das Verb fast immer eine pejorative Wertung, wenn nicht, dann zumindest eine psychische Motivation: meckern, kläffen, krähen, zwitschern. Nicht immer werden die gleichen Tiere mit Lexemen bedacht. Die Gemeinsamkeiten liegen bei den Vögeln und den "ehemaligen" Haustieren, Pferde, Rinder, Ziegen, Schafe... . Das Paradigma für Hunde ist im Deutschen mit allein zehn als für Hunde markierten und neun weiteren Verben, die sich Hunde mit anderen Tieren teilen, das umfangreichste. Im Französischen sind nur noch drei allgemein bekannt: aboyer, clapir, japper. Die hauptsächlichsten Unterschiede liegen in der größeren französischen Differenzierung
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Dupuy-Engelhardt, H.
der Laute von kleinen Vögeln: pepier, piailler, gazouiller (alle auch auf kleine Kinder anwendbar) vs. piepen, evt. fiepen (zwitschern ist nicht auf kleine Vögel beschränkt) und in der größeren deutschen Differenzierung bei den Singvögeln: flöten, schlagen, tirilieren, trillern vs. den unbekannten trisser (Schwalbe) und rossignoler (Nachtigall), bei den Insekten: bourdonner vs. brummen, summen, sirren, surren und bei den allgemeingültigen Verben: keckem (Fuchs, Marder, bestimmte Vögel), fiepen (Rehe, best. Vögel), quarren (Frösche, best. Vögel). Dafür besitzt das Deutsche kein spezifisches Verb für die Wachtel (m/en),für den Esel (braire - schreien), das Kamel (blatorer). Von den Entsprechungen seien nur einige genannt: crier - schreien, chanter - singen (aber nicht von Grillen), feuler - fauchen, couiner - quieken, pepier - piepen, siffler · pfeifen, criailler • kreischen, croasser - krächzen.... Viele Verben ähneln sich auch phonetisch. Auffallend ist jedoch, daß Enten und Gänse im Französischen sich nicht ein Verb teilen: schnattern vs. cancaner/cacarder und die Enten sich nicht noch ein anderes mit den Fröschen: quaken; coasser gilt nur für Frösche. Die stärkste zahlenmäßige Diskrepanz tritt bei den Verben zutage, die Naturgeräusche (Wind, Wasser, Blätter...) und Geräusche von Artefakten (Glocken, Geschirr, Motoren, Waffen...) bezeichnen (um die 110 im Deutschen gegen um die 60 im Französischen). Eine der Hauptursachen für diese Diskrepanz besteht darin, daß das Deutsche viel stärker als das Französische die verschiedenen Bewegungsanlässe, bei denen das Geräusch entsteht, berücksichtigt: durch Stoß, durch Reibung, durch Gegeneinanderprallen (in beiden Sprachen), durch Drehung, durch Fall, durch Aufsteigen von Blasen (nur im Deutschen relevant)4 und - zweiter Unterschied - diese dann zu Paradigmen ausbaut, in denen differenziert wird nach Vorgangsablauf: einmalig oder sich wiederholend ('ITERATIV'): klappen · klappern, in regelmäßigen Abständen: tickem - tuckern, ob die Geräuschkette kontinuierlich verläuft ('VERBUNDEN'): rattern oder unverbunden: knattern, ob die Wiederholung als Vibration: sirren, surren, schrillen oder als Resonanz: brummen, dröhnen, klirren, rasseln wahrgenommen wird und außerdem vor allem nach Tonlage: sirren - surren, klirren - rasseln, ticken - tacken - tucken, tickem tackem - tuckern. Alle diese Unterschiede tauchen auch in französischen Verben auf, aber sie werden bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht systematisiert. So kommt dann das Deutsche auf 52 Verben mit dem Merkmal 'ITERATIV' vs. 24 im Französischen, auf 18 mit dem Merkmal 'HOCH' (vs. 8) und auf 16 mit dem Merkmal 'TIEF (vs. 9). Ein weiterer Ansatzpunkt für Paradigmen besteht in der Geräuschquelle, ziemlich gleich stark ausgebaut in beiden Sprachen für Donner, Feuer, Motoren - hier findet man wohl die meisten Analogien -, stärker ausgebaut im Französischen für Glocken, im Deutschen dagegen der Luftbereich, in mehr oder weniger komprimierter Form (pfeifen - siffler, zischeln -chuinter? fiepen, puffen, puffern, fauchen -feuler, hecheln -haleter), wobei besonders auffallend das Fehlen einer Entsprechung für zischen ist. Henri Barbusse in Lefeu (1965:313) löst dies folgendermaßen: On voit, on sent passer pres de sä tdte Durch Stoß: bumsen - cogner, klopfen - frapper, pochen - toquer, hämmern - marteler, trommeln tambouriner, aber: das Herz klopft - le coeur bat. Durch Reibung: schaben - racier, kratzen/scharren - gratter, reiben - frotter/raper, schürfen - räper, schwieriger steht es mit den Zuweisungen von knirschen, quietschen und crisser, grincer. Zur Klärung ist ein Kollokationsvergleich nötig. Durch Gegeneinanderprallen: ciaquer für knallen (auch ohne Bewegung), kiacken, klakem, klappen, klappern, klatschen, schnalzen, schnappen; cliqueter für klicken, klickem, schnipsen, scheppern ? Durch Faü:platschen (tomber avec un bruit sec),plumpsen,poltern, kullern (tomber avec un bruit sourd). Durch Drehung: rattern, rumpeln, schnurren, sirren, surren; nicht relevant in den kollokationsmäßigen Entsprechungen: bourdonner, ronfler, ronronner.
Schallereiffiisse im Deutschen und Französischen
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des oclats avec leur cri de fer rouge dans l'eau." Viel stärker differenziert das Deutsche den Flüssigkeitsbereich, und zwar nach Kriterien der Bewegungsintensität: brausen, rauschen (bruissement), sausen, tosen (grondert), toben (rugirl - brüllen), ein Kriterium, das man dann in den Unterparadigmen der Bewegungsanlässe wiederfindet: durch Fall (rieseln - ruisseler, plätschern - clapoterl, prasseln - crepiter^, trommeln. - tambouriner, klatschen, platschen), durch Aufsteigen von Blasen (sprudeln - petillerl, glucksen clapoter1?, gluckern - glouglouter (blockiert auf Flasche), blubbern, brodeln - bouillonerl, gurgeln - gargouillerl). Alles Kriterien, die im Französischen nicht relevant zu sein scheinen. Zum Abschluß des Wortfeldvergleichs ein kurzer Blick aufs Glockenparadigma, wobei zunächst festzustellen ist, daß das Französische mehr Verben für mechanische, das Deutsche dagegen für die elektrischen anbietet. Allgemeinstes Verbpaar ist deutsch: läuten, auf Glocken (mechanische und elektrische) blockiert - französisch: sonner (eigentlich klingen), welches sich die Glocken mit Metall, Glas und Musikinstrumenten teilen. Alle elektrischen Glocken: Klingeln, Telefone, Wecker sind im Französischen auf sonner blockiert, während sie im Deutschen entweder klingeln (mit hellem Klang), schellen (ohne Klang), schnarren (unangenehm, klanglos vibrieren) oder schrillen (unangenehm, hoch, laut vibrieren). Für schrillen hätte das Französische eine Entsprechung mit striduler, die aber nicht benutzt wird; man spricht eher vom "son strident de la sonnerie". Neben läuten besitzt das Deutsche noch bimmeln für kleine, helle Glocken oder Klingeln, wenn es sich um mechanische Glocken handelt oft mit tinter übersetzt, ursprünglich fürs Anschlagen eines einzigen Klöppels, heute für hohe, verschiedenartige Töne. Daneben gibt es noch tintinnabuler, für hohe, verschiedenartige, unharmonische ('HETEROGEN') Töne, carillonner (z.B. für Glockenspiele), für harmonische, verschiedenartige Töne und sonnailler (eigentlich von Kuhglocken) für verschiedenartige Töne. Eine solche Differenzierung nach Art und Organisation der Töne findet man im Deutschen nicht. Das erschwert die Übersetzung in Küchenszenen. Das Französische unterscheidet da zwischen Klängen: sonner, Tönen: tinter, tintinnabuler und Geräuschen: cliqueter (alle drei enthalten das Merkmal 'HOCH'), während das Deutsche nur klingende: klirren, nicht klingende: scheppern und in dieser Hinsicht neutrale: klappern unterscheidet. Undenkbar, daß Töpfe und Geschirr läuten oder bimmeln, noch sie mit Glockenklängen zu vergleichen. Ein weiterer besonders auffallender Interpretationsunterschied von Schallereignissen geht aus der Verbindung Wortfeld- und Kollokationsvergleich hervor. Ausgangsproblem: die Übersetzung von knistern. Weis-Mattutat (1979) schlagen dafür crepiter, frölement, gresiller, petiller vor (daneben auch craqueter, peter, die in dieser Verwendung unbekannt sind). An frölement ist zu denken bei knisternder Seide, obwohl bei Stoffen froufrou(-ter) eine Art Blockierung darstellt. Bei knisterndem Papier und ebenfalls bei Stoffen bietet sich froissement an, nicht das Verb froisser, das lediglich (zer-)knüllen bezeichnet. Die Opposition knistern - rascheln kann nicht durch einfache Lexempaare wiedergegeben werden. In Verbindung mit Geräuschen von Elektrizität (Telefonleitung, Atmosphäre) scheint gresiller zu entsprechen, das allerdings eine feste Kollokation aufweist mit siedendem Öl/Fett, ein schwaches Brutzeln sozusagen. Bei brennendem Feuer muß man sich zwischen petiller und crepiter entscheiden. Petiller kommt dann in Frage, wenn beim Neuauflegen Funken sprühen - immerhin kommt dieses Verb im Flüssigkeitsbereich vor (sprudeln, prickeln) -, crepiter scheint seinen Kollokationen nach (Feuer, Regen, Schüsse, selbst Beifall) eher prasseln zu entsprechen. Bei genauerer Untersuchung stellt sich jedoch heraus, daß in den sich wiederholenden Geräuschen von crepiter unterschiedliche Töne herauszuhören sind - besonders deutlich bei Regentropfen-, was
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Dupuy-Engelhardt, H.
bei prasseln nicht der Fall ist. Dort steht die Intensität der Bewegung im Vordergrund, so daß prasselndes Feuer eher mit ronfler wiederzugeben ist -unglaublich für ein deutsches Gehör, daß man ein derartiges Geräusch mit menschlichem Schnarchen in Verbindung bringen kann, dann schon eher mit schnurren, das sich auch als Übersetzung von ronfler in der Anwendung auf Motoren anbietet, um das Geräusch bei regelmäßiger Tourenzahl auszudrücken. Man gibt damit aber gleichzeitig zu verstehen, daß man es als angenehm empfindet, was der Franzose abtrennen kann: ronfler - ronronner. Eine Unterscheidung, die im Deutschen deshalb nicht mit schnarchen geleistet werden kann, weil die einzelnen Schallereignisse des menschlichen Schnarchens nicht als verschiedene Töne, sondern als heterogene Geräusche/Laute festgehalten werden. Dies als letztes Beispiel dafür, wie schwer es ist, in einer anderen Sprache exakt zu hören, und daß ein Wortfeldvergleich nicht nur Diagnosen stellen, sondern auch Therapien vorschlagen kann.
Literatur Barbusse, Henri (1965): Le feu. - Paris: Flammarion. Blumenthal, Peter (1987): Sprachvergleich Deutsch-Französisch. - Tübingen: Niemeyer. Borucki, Hans (31989): Einführung in die Akustik. - Mannheim/Wien/Zürich: BI-Wiss.-Verl. Dupuy-Engelhardt, Hiltraud (1990): La saisie de l'audible. Etüde lexomatique de l'allemand. - Tübingen: Narr. Geckeier, Horst (1973): Strukturelle Semantik des Französischen. - Tübingen: Niemeyer. Le Petit Robert (1972): Dictionnaire alphabotique et analogique de la langue francaise. - Paris: S.N.L. Schneiders, Hans-Wolfgang (1978): Der französische Wortschatz zur Bezeichnung von 'Schall'. - Geneve: Droz. Weis, Erich /Mattutat, Heinrich (1979): Pons Kompaktwörterbuch französisch-deutsch, deutschfranzösisch. - Stuttgart: Klett.
Horst Geckeier (Münster)
Wortschatzstrukturen des Französischen und des Spanischen in kontrastiver Sicht In diesem Beitrag nehmen wir uns vor, ausgewählte Inhaltszonen des Wortschatzes zweier romanischer Sprachen, des Französischen und des Spanischen, vergleichend zu betrachten. Dabei verfolgen wir primär ein praktisch-deskriptives Ziel und nur nebenbei ein theoretisches Anliegen. Unsere Vorgehensweise ist, bedingt durch Forschungssituation und Arbeitsökonomie, bilateral-kontrastiv - wobei wir die bekannten Einwände von M. Wandruszka gegen den bilateralen Sprachvergleich und sein durch zahlreiche Veröffentlichungen untermauertes Plädoyer für die multilaterale Sprachbetrachtung (vgl. Wandruszka 1969, 1971, 1979, 1984, 1990, 1991) durchaus im Hinterkopf haben. Unsere Untersuchungsperspektive hier ist die der aktuellen Synchronie. In der kontrastiven Sprachwissenschaft - wir unterscheiden hier nicht zwischen den Bezeichnungen "kontrastiv" und "konfrontativ"1 - befaßt man sich im Prinzip sowohl mit den Gemeinsamkeiten als auch mit den Unterschieden in der Strukturierung verschiedener Sprachen, also mit den konvergenten und mit den divergenten Strukturen, faktisch wird aber der Nachdruck auf die divergenten Strukturen, auf die "zwischensprachlichen Kontraste" (Coseriu 1970:10), gelegt. So wollen wir auch hier verfahren und unser Augenmerk besonders auf nicht-analog gegliederte Wortschatzstrukturen im Französischen und Spanischen richten. Diese lassen sich am besten bei den paradigmatischen lexikalischen Strukturen nachweisen, eingedenk des Lehrsatzes von R. Jakobson( 1959:236): "Languages differ essentially in what they must convey and not in what they may convey." Denn die paradigmatische Achse ist par excellence der Ort, der die sprachlichen Einheiten umfaßt, die das ausdrücken, was obligatorisch ist, was in einer Sprache unbedingt ausgedrückt werden muß - "what they [the languages] must convey". So gibt es z.B. im Französischen, Spanischen und Italienischen kein generelles Lexem für "Blitz" wie im Deutschen; in diesen Sprachen existiert hingegen eine paradigmatisch verankerte Opposition zwischen "Blitz als Lichtphänomen" (frz. eclair, span. relampago, ital. lampo) und "Blitz als Blitzschlag" (frz. foudre, span, rayo, ital. fulmine). Dieser Unterschied muß in diesen Sprachen gemacht werden, wohingegen er im Deutschen auf der paradigmatischen Ebene des primären Wortschatzes nicht angelegt ist. Mit syntagmatischen Mitteln kann diese Unterscheidung im Deutschen - vgl. oben - natürlich ebenfalls gemacht werden - "what they [the languages] may convey". Die vieldiskutierte Frage, ob eine unterschiedliche lexikalische Strukturierung einer unterschiedlichen Welterfahrung oder gar einer unterschiedlichen Weltansicht entspricht - "sprachliches Relativitätsprinzip", um H. Gippers (1972) Buchtitel aufzunehmen -, soll hier nicht wieder aufgegriffen werden. Auch kann hier nicht die Forschungsliteratur besprochen werden, ausgehend etwa von der "stylistique comparoe", z. B. von A. Malblanc (41968), über deren Kritik von Seiten des multilateralen Sprachvergleichs M. Wandruszkas und seiner Schüler, auch nicht die Arbeiten der "Contrastive Structure Series" (vgl. den Überblick in Rein 1983:13) oder die vergleichenden Grammatiken aus dem Institut für deutsche Sprache - von J. M. Zemb (1978, 1984) und von N. Cartagena Ohne Relevanz für unsere Fragestellung bleibt Müller (1981) - trotz des vielversprechenden Haupttitels.
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Geckeier, H.
und H.-M. Gauger (1989) -, die für unsere lexikalische Fragestellung erwartungsgemäß wenig ergiebig sind. Ergiebiger erwiesen sich für unseren Zweck kontrastive Arbeiten von Chr. Schwarze (1983, 1985) und seinen Mitarbeitern, sowie von P. Blumenthal (1987), allerdings betreffen diese das Französische und das Deutsche.2 Eine praktische Schwierigkeit erhebt sich für unsere Analyse dadurch, daß beide hier kontrastierten Sprachen für uns Fremdsprachen sind, während üblicherweise eine der verglichenen Sprachen die Muttersprache des Autors bzw. der Autoren ist. Eine Informationslücke müssen wir von Anfang an eingestehen: wir kennen eventuell existierende didaktisch aufgearbeitete Veröffentlichungen zur kontrastiven Wortschatzarbeit Französisch/Spanisch (noch) nicht. Obwohl wir in unserem Beitrag - bedingt durch die Forschungslage3 - nur mit einfachen kontrastierenden Wortschatzstrukturen beginnen können und dann zu einigen komplexeren lexikalischen Strukturierungen voranschreiten werden, muß - entgegen der im übrigen nicht überzeugend begründeten Skepsis von P. Blumenthal(1987:119) - prinzipiell doch gefordert werden, daß ganze Wortfelder in ihrer Strukturierung verglichen werden. Das Wortfeld definieren wir mit E. Coseriu (1967:294) folgendermaßen: Ein Wortfeld ist in struktureller Hinsicht ein lexikalisches Paradigma, das durch die Aufteilung eines lexikalischen Inhaltskontinuums unter verschiedene in der Sprache als Wörter gegebene Einheiten entsteht, die durch einfache inhaltsunterscheidende Züge in unmittelbarer Opposition zueinander stehen.
In einer ersten Phase der Analyse muß das für die kontrastive Betrachtung ausgewählte Wortfeld als lexikalisches Paradigma je einzelsprachlich untersucht werden. Auf die Frage des tertium comparationis, die hinsichtlich lexikalischer Bedeutungen schwieriger ist als für Satzbedeutungen - bei welchen letzteren man auf das "Gemeinte" rekurrieren kann -, können wir hier nicht eingehen. Für unsere Zwecke mag ein Zurückgreifen auf den archilexematischen Inhalt des Wortfeldes als "metasprachliches tertium comparationis" (vgl. Kleineidam 1976:187) genügen. Erst wenn das Wortfeld in einzelsprachlicher Analyse in den beiden Sprachen - bei bilateraler Betrachtung - oder in mehreren Sprachen - bei multilateraler Betrachtung untersucht ist, kann in einer zweiten Phase der Studie der Vergleich der Wortfelder auf konvergente und divergente Strukturierungen hin durchgeführt werden. Auf dieses aufwendige, wenngleich methodisch notwendige Vorgehen - aufwendig, wenn man bedenkt, daß eine einzelsprachliche Wortfeldanalyse bereits Stoff genug für eine Dissertation bietet (vgl. z.B. Geckeier 197la, Krassin 1984, Azem 1990) - , führen wir, im Unterschied zu P. Blumenthal(1987:119), "das Fehlen von überzeugenden strukturellen Wortfeldvergleichen" zurück. Aus diesen Darlegungen ergibt sich völlig einleuchtend, daß wir hier nicht ganze Wortfelder analysieren und sie danach kontrastiv betrachten können. Bestenfalls wird es möglich sein, Teilstrukturen von Wortfeldern einander gegenüberzustellen. Beginnen werden wir - wie bereits oben angedeutet - mit ganz einfachen Wortschatzstrukturen, die im Französischen und Spanischen eine nicht-analoge semantische Strukturierung aufweisen. Anfangen werden wir mit einem Lexem der einen Sprache, für welches es zu suchen gilt, welche Lexeme ihm in der anderen Sprache entsprechen. Dasselbe gut auch für Grünbeck (1976,1983) und Zimmer (1990). "Groß angelegte vergleichende Untersuchungen zum Spanischen und Französischen liegen nicht vor" (Lüdtke 1988:374).
Wortschatzstrukturen des Französischen und des Spanischen
157
Das Erkenntnisinteresse einer zunächst so einfachen, später jedoch komplexer werdenden Fragestellung liegt in der Aufdeckung der Strukturierung und insbesondere der unterschiedlichen lexikalisch-semantischen Gliederung eines Inhaltskontinuums in verschiedenen Sprachen. Diese Fragestellung situiert sich generell im Spannungsfeld unterschiedlicher Grundansätze der Sprachwissenschaft: zwischen dem Pol der Hervorhebung der Unterschiede zwischen den Sprachen - vertreten vor allem durch die Richtungen des Strukturalismus - und dem Pol der Betonung der Gemeinsamkeiten in den Sprachen - hervorgehoben insbesondere von universalistisch ausgerichteten Orientierungen der Linguistik. Zwei Themen sollen hier nicht behandelt werden: 1. Homonyme in einer Sprache als Ausgangspunkt und ihre Entsprechungen in der anderen Sprache, wie z. B.: span.
frz.
esperar* --------------------- espdrer esperar« --------------------- attendre
quereij --------------------- vouloir amer
suenoj
sommeil reve
frz.
span.
voler^
volar robar
louer^
alabar alquilar;
2. die Frage der "faux amis", vgl. z. B. frz. frz. frz. frz.
carte/span, carta, nombre/span. nombre, serrer/span. serrar, constipo/span. constipado.
158
Geckeier, H.
Vorbemerkung: Für die Materialsuche zu diesem Beitrag war uns folgendes zweispra-
chige Wörterbuch von großer Hilfe: Garcia-Pelayo y Gross, Ramon - Testas, Jean (l 986 : Dictionnaire frangais-espagnol. espagnol-fra^ais. - Paris /Buenos Aires / Mexico: Larousse. Am Anfang soll die kontrastive Konstellation
Lex
fn
stehen, die mit vielen, z. T. bekannten Beispielen illustriert werden kann:
Die Unterscheidung im Spanischen besteht darin, daß pez "Fisch qua Tier" bedeutet, während die Bedeutung von pescado mit "(gefischter) Fisch qua Nahrungsmittel" angegeben werden kann; frz. poisson kann, je nach Kontext, das eine oder das andere bedeuten. Diese semantische Differenzierung erinnert an die berühmte, auf einem analogen Kriterium beruhende oppositive Korrelation des Englischen ox/beef, calf/veal, sheep/mutton, usw. sowie an die Unterscheidung ^_^. chair
span, carne la croix et la banniere
(KNK) (INK1) (INK3)
Damit steht fest, daß für die Bedeutung der französischen festen Wortpaare wie für die deutschen gleichermaßen sowohl interne Relationen wie auch ihr syntaktischer Kontext bestimmend sind. Auf kognitiver und semantischer Ebene bestätigen diese Ergebnisse die Behauptung von Cooper und Ross (1975), daß dicht beinanderliegende Sprachen auffällige Übereinstimmungen in ihrer Idiomatik erkennen lassen.
Feste Wortpaare imfranzösisch-deutschenSprachvergleich...
Ill
3. Unterschiede zwischen deutschen und französischen Wortpaaren Trotz ähnlicher Oberflächenstruktur zeichnen sich dennoch französische NK im Vergleich zu den deutschen durch Unauffälligkeit aus. Diese Unauffälligkeit deutet auf strukturelle wie auch normative Unterschiede hin. Die systemabhängigen Unterschiede betreffen insbesondere die Markiertheit auf phonologischer und morpho-syntaktischer Ebene. 3.1. Phonologische Ebene Feste Wortpaare sind im Deutschen und im Englischen auf phonologischer Ebene durch Alliteration und Assonanz markiert, und ihre Kohäsion gründet auf dem Zusammenwirken semantischer und phonologischer Parameter. "Conversely echoing of initial consonants (alliteration) is widespread and effective. In the Germanic languages it serves as, far and away, the dominant soldering device...." (Malkiel:1959) Von den 58 Beispielen von Rothkegel (1973) weisen 32 Relationen von Alliteration und Assonanz auf. Im Französischen dagegen treten Alliteration und Assonanz nur sporadisch und in beschränkten Kontexten auf. Cooper und Ross (1975:70ff.) gelang es, für das Englische eine Liste von hierarchisch geordneten phonologischen Merkmalen aufzustellen, welche die Reihenfolge der Komponenten der NK bestimmen. Für das Französische gelingt dies nicht. Die Überprüfung der FWP aus einsilbigen Lexemen (insbesondere Farbenbezeichnungen) mit Bezug auf die Reihenfolge von A und B ergibt folgendes Bild: 1. Die Vokallänge spielt im Französischen keine Rolle. Diphthonge oder Nasalvokale treten weder in A noch in B bevorzugt auf. Eine Vokalreihenfolge mit einer höheren Frequenz von geschlossenen und vorderen Vokalen in A und von offeneren und hinteren Vokalen in B läßt sich im Französischen statistisch nicht belegen. 2. Weder in der An- bzw. Auslautsilbe von A noch von B findet man eine eindeutig größere Häufigkeit von Konsonantenfolgen. 3. Anfangs- bzw. Endkonsonanten von A und B weisen keine auffälligen Merkmale auf. Daraus ist zu schließen, daß segmentalphonologische Faktoren keine dominante Rolle in der Fixiertheit der NK im Französischen spielen. Beispiele von umkehrbaren NK wie: jour (et) nuit. sei (et) poivre noir (et) blanc ciel (et) terre
und und und und
nuit(et)jour poivre (et) sei blanc (et) noir terre (et) ciel
bestätigen diese Ergebnisse. Damit können NK im Französischen nicht die gleiche Intensivierungsfunktion wie im Deutschen haben. 3.1.1. Panini-Gesetz Wenn segmentalphonologische Regeln im Französischen keine wesentliche Rolle in der Fixierung der FWP spielen, so trägt dagegen auf suprasegmentaler Ebene der Rhythmus
172
Hammer, F.
zur Kohäsion bei. Die Auszählung der Silbenzahl der Komponenten A und B ergibt: 1. Sie haben vorwiegend die gleiche Silbenzahl. 2. Bei Ungleichheit der Silbenzahl gilt, vorausgesetzt, daß keine ikonographischen oder semantischen Faktoren ausnahmsweise übergeordnet sind, das Panini-Gesetz mit, in der Regel, einer Silbe mehr für B als für A. Beispiele: voies (et) chemins croix (et) banniere le flux (et) le reflux nom (et) prenom le prince (et) la princesse la dinde (et) le dindon < faire > la pluie (et) le beau temps auf andere Domänen aus: auf die < Verfügung > (s.o. zu (7)), auf das (s. weiter unten) und auf die < Existenz > . Zunächst also zur Kategorie < Existenz >: Wir haben hier für den - relativ seltenen Fall einer konformen Thematisierung des Aktanten ( = Th: Fläche JKL in Fig. 1-4) in allen vier Sprachen dasselbe. Verb wie beim mit = Th, wobei das SEIN-Verb als < Existenz >-Verb naturgemäß ein Vollverb ohne Prädikativum ist (z.B. fr. etre ou ne pas etre / it. essere o non essere / sp. ser o no ser / dt. sein oder nicht sein) und damit in einem Satz selbst konform rhematisiert wird (z.B. fr. Jepense, done je suis). Daneben verfügen alle vier Sprachen selbstverständlich über das ausdrücklichere Lexem exister/esistere/existir/existieren, das außerdem den Bereich der < Existenz > mit = Rh Benveniste (s.o. Anm. 6) spricht von der Opposition zwischen einem "enonco hors de toute localisation temporelle et modale et hors de la subjectivito du locuteur" und einem "6nonc6 [...] situ[6] par rapport au locuteur" (1966:160); vgl. Falks Begriff der "circunstancializacion" (1979:82) im Hinblick auf estar. Vgl. ferner Vafio-Cerdä (1982:1-232). Vgl. immerhin Rainer (1986); in diachronischer und gesamtromanischer Perspektive: Peral Ribeiro (1958:bes. 160 ff.); Fountain (1982:142 ff).
HABEN und SEIN
181
voll abdeckt (Fläche GJLIH in Fig. l - 4). Das einfache Grundverb etre/essere/ser/sein ist demgegenüber bei = Rh in unseren vier Sprachen als < Existenz > -Verb praktisch nicht vertreten (sofern man von il est in hohen Registern des Fr. absieht: vgl. (10) fr.). Das It. verwendet hier esserci (nur schreibsprachlich auch esservi; vgl. beides in (10) it.), das zwar auf essere beruht, sich aber ansatzweise verselbständigt hat. Es markiert damit die Opposition zwischen konform Thematisiertem und konform thematisiertem beim < Existenz >-Verb schon deutlich. Das Fr., Sp. und Dt. zeigen an dieser Stelle einen völligen lexikalischen Bruch durch den Einsatz eines unpersönlichen ily a/hay/es gibt für = Rh: (10)
fr. it. sp. dt.
Mais il est deux formes„ de magie. II y a une magiex qui est l'oeuvre du diable [...] (EF: 116) Ma vi sono due formex di magia. C'e una magi^ ehe e opera del diavolo [...] (# EI: 95) Pero hay dos clases„ de magia. Hay una magiax que es obradeldiablo[...](ES:110) Doch es gibt zwei Artenx von Magie. [...] (ED: 116)
Im Fr., Sp. und Dt. wird der rhematische Charakter des einzigen Aktanten durch die syntaktische Valenz des Verbs zum Ausdruck gebracht (ohne Ej, d.h. subjektlos, "unpersönlich"; = Eo, also in rhemaaffiner Position).14 Im It. korrespondiert die postverbale Stellung des Aktanten mit seiner Rhematizität, so daß er ohne weiteres als E-^ erscheinen kann.15 Ist in (10) das < Existenz >-Verb als Ohne Rahmen' zu verstehen (Fläche JLIH), so kann dasselbe Verb in anderen Fällen die auf einen bestimmten 'Rahmen' beschränkte < Existenz > ausdrücken (Fläche GJH). In (11) wird beispielsweise ein lokaler Rahmen im Satz durch den Zirkumstanten y expliziert: (11)
fr. it. sp. dt.
Et il n'y_a ni fleuves ni sources ä l'abbaye [...] (EF:323) E non ci sono fiumi e fonu'x alrabbazia,,, [...] (# EI: 258) Y en la abadiay no hay rios ni fuentesx, [...] (ES: 312) Aber es gibt keine Flüsse oder Brunnen^ hier in der AbteL, [...] y (ED: 329)
An dieser Stelle liegt nun ein ganz entscheidender semantischer Angelpunkt, der in der Verblexik vieler Sprachen der Welt relevant wird. Es ist nur ein kleiner Schritt von der Prädikation über die < Existenz > eines Gegenstandes in einem bestimmten lokalen Rahmen zur Prädikation über das dieses Gegenstandes in dem betreffenden lokalen Rahmen. Diese - wohl als kontiguitätsbedingt zu interpretierende Verbindung wird weithin genutzt, um die < Existenz > bei = Rh und das bei = Rh durch dasselbe Verblexem wiederzugeben.16 Das thematische Nominalsyntagma y (vgl. oben (11)) hat beim Verbsemem des selbstverständlich Aktantenstatus, ist also in die Verbbedeutung "inkorporiert" (vgl. Koch 14
Vgl. Bossong (1980:47-53); Koch (1981:93-95); ferner s.o. Anm. 5 zu fr. ily a (Analoges gilt für // est sowie sp. hay und dt. es gibt). 15 Vgl. Wandruszka (1982:12-22). 16 Vgl. Lyons (1967:390 0- - Bei Clark (1978) und Bickerton (1981:244 ff.) wird gar nicht erst ein Unterschied zwischen beiden Bereichen gemacht.
182
Koch, P.
1991:288). So auch in unseren drei romanischen Sprachen (Fläche CGHA in Fig. l - 3): (12)
fr. it. sp. dt.
J'ai vu [...] qu'il y avait quatre hommesx noirs dans la piecev. y (# CF: 25) [...] ho visto [...] ehe c'erano nella stanza,, quattro uominix neri. y (CI: 20) Vi [...] que habia cuatro hombresx negros en la habitation^ (CS: 19) · Ich sah [...] daß vier schwarz gekleidete Männerx im Raum,, waren. y (CD: «17)
Vergleicht man (11) und (12), so sieht man, daß das Deutsche im Gegensatz zu den romanischen Sprachen die Opposition zwischen < Existenz > und ganz ausdrücklich lexikalisiert, indem es beim aufsein (Fläche CGHA in Fig. 4) oder auf ein spezifischeres Positionsverb wie stehen, liegen usw. zurückgreift. Diese Verblexeme werden im Deutschen unterschiedslos auch für das bei = Th verwendet (vgl.(13) dt.; Fläche CFG in Fig. 4). In unseren drei romanischen Sprachen ist demgegenüber gerade eine Opposition lexikalisiert, die = Rh vs. = Th zu entsprechen scheint,1' da im letzteren Fall das < Örtl. Befinden > nur durch ein (einfaches) SEIN-Verb ausgedrückt wird (Fläche CFG in Fig. l - 3), im Sp. allerdings ausnahmslos durch das Verb, das auch in der Domäne < Befinden > 'mit Rahmen' fungiert, also estor: (13)
fr. it. sp. dt.
Mile de la Mole et sä merex £lajej!l ä Hyeres^, [...](# SF: 283) Mathilde e sua madre„ erano a HyereSy, [...] (SI: 278) Mademoiselle de la Mole y su madre„ estaban en Hyeres., [...] y (SS: 320) Fräulein de la Mole und ihre Mutterx waren in Hyeres,, [...] y (SD: 322)
Ein Problem, das uns natürlich nur in den romanischen Sprachen begegnet, betrifft die hier vorläufig mit = Th vs. = Rh beschriebene Opposition. Wie die Beispiele (14) und (15) zeigen, gilt sie im strengen Sinne lediglich für it. essere vs. esserci (esservi). Im Sp. und teilweise im Fr. kann hingegen auch estar bzw. etre mit rhematischem verwendet werden: (14)
fr. it. sp.
(15)
fr. it.
17
Devant le bätiment... il y avait le cur6„ et deux enfantsx de choeur. 7 (#CF:24) Davanti al piccolo edificiov c'era il paroccox con due chierici«. y CI: 19) Delante del edificiov estaban el cura„ y dos monaguillos,,. y (CS: 19) Lay oü le mur oriental s'incurvait vers le midi, [...], etait le bätimentjj des forges. (EF: 113) UL· dove il muro Orientale piegava verso meridione, [...], v'era l'eöificiox delle fucine. (# EI: 93)
Vgl. auch Hagoge (1982:49).
HABEN und SEIN
sp.
183
Donde la muralla doblaba hacia el sur, [...]. estaba el edificiox de la herreria. (ES: 108)
Im Fr. scheint die Natur des Lokal-Aktanten y eine Rolle zu spielen: handelt es sich bei y nicht um einen räumlichen 'Rahmen' wie in (12) und (14), sondern um einen präzisen 'Punkt' im Raum wie in (15), so paßt dies wohl kaum zu // y a, das sonst als < Existenz >-Verb 'mit Rahmen' (Fläche GJH) verwendet wird. Im Sp. sind offenbar die semantischen Merkmale des Aktanten entscheidend. In einer ersten Annäherung läßt sich sagen (doch dies wäre zu vertiefen): je stärker der Referent als 'individuiert' gelten kann, desto wahrscheinlicher wird statt des unpersönlichen hay mit = E^ das persönliche estar mit rhematischem, postverbalem = Ej verwendet. Dieses Problem stellt sich dagegen bei hay als < Existenz >-Verb mit schwach individuiertem rhematischem Aktanten (vgl. (10) sp., (11) sp.) per definitionem nicht! Die Fig. 1-4 zeigen uns vier unterschiedliche einzelsprachliche Ausgestaltungen des semantischen Feldes 'HABEN und SEIN' (dabei stehen die fetten Linien zwischen unverbundenen Verb-Etiketten für lexikalische Oppositionen; die durch gestrichelte Querlinien miteinander verbundenen Verb-Etiketten für polysemische Differenzierungen bzw. noch spürbare etymologische Zusammenhänge; die eine Linie "überlappenden" Verb-Etiketten für einzelsprachlich irrelevante Kategoriengrenzen). Die romanischen Sprachen einerseits und das Deutsche andererseits verkörpern hier zwei fundamental verschiedene Typen: einerseits Bevorzugung einer Opposition = Th (oder = 'individuiert' o.a.) vs. = Rh (oder _ 'individuiert' o.a.) in der Domäne ; andererseits Bevorzugung der Opposition vs. < Existenz >. Innerhalb der romanischen Gruppe verbindet Fr. und Sp. die strikte lexikalische Trennung zwischen / mit = Rh einerseits und / mit = Th andererseits. Das It. verbindet mit dem Sp. zumindest ein Ansatz zur internen Opposition in der Domäne < Befinden > (essere/stare und ser/estar). Zu diskutieren wären die Polysemie-Verhältnisse innerhalb jeder Einzelsprache. Dies führt unweigerlich zu diachronischen Betrachtungen, die bei diesem semantischen Feld ebenfalls äußerst ergiebig sind, denen aber im vorliegenden kontrastiv-synchronischen Rahmen nicht weiter nachgegangen werden kann. Literatur 1. Quellen CD CF CI CS ED
= Camus, A.: Der Fremde, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1991 (rororo, 432). = Camus, A.: L'etranger, Paris: Gallimard 1980 (Folio, 2). = Camus, A.: Lo straniero, Mailand: Bompiani 121991 (Tascabili, 275). = Camus, A.: El extranjero, Madrid: Alianza/Buenos Aires: Emece 1987 (El Libro de Bolsillo, 312). = Eco, U.: Der Name der Rose, München/Wien: Hanser 1983.
•IQ
Offenbar entspricht ein Aktant mit ausdrücklich individuiertem Referenten einem "Transitivitäts'grad, der für das lokative hay als zu "hoch" empfunden wird (vgl. zu Kriterien der 'Individuiertheit' wie 'menschlich', 'singularisch', 'zählbar', 'definit' u.a.: Hopper/Thompson (1980:bes. 253)).
184 EF EI ES SD SF SI SS
2.
Koch, P. = Eco, U.: Le nom de la rose, Paris: Grasset 1982 (Livre de poche, 5859). = Eco, U.: II nome della rosa, Mailand: Bompiani 1980. = Eco, U.: El nombre de la rosa. Apostillas a "El nombre de la rosa", Barcelona: Lumen 1990 (Palabra menor, 80). = Stendhal: Rot und Schwarz. Chronik des 19. Jahrhunderts, München dtv 1976 (dtv Klassik, 2005). = Stendhal: Le rouge et le noir, Paris: Garnier-Flammarion 1964 (GF, 11). = Stendhal: II rosso e il nero. Cronaca del XIX secolo, Mailand: Garzanti 151991 (i grandi libri Garzanti, 431). = Stendhal: Rojo y Negro. Cronica del siglo XIX, Madrid: Alianza 71989 (El Libro de BolsiUo, 243).
Literatur
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185
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Koch, P.
χ
Fig. 1: Franz sisch
χ
HABEN und SEIN...
Fig. 2: Italienisch
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Koch, P.
χ
Fig. 3: Spanisch
χ
HABEN und SEIN...
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χ
Fig. 4: Deutsch
χ
Eva Lavric (Wien)
"Chaque langue est necessaire pour la communication": Die Semantik der französischen Determinanten aus kontrastiv-fehlerlinguistischer Sicht Chaque langue est necessaire pour la communication: Dieser Satz einer unserer Anfängerstudentinnen bringt eine wichtige linguistische Grunderkenntnis zum Ausdruck. Und dennoch reizt er zum Schmunzeln, weil er irgendwie "falsch" oder "komisch" formuliert ist. Aber was ist es, das uns daran stört? Und wie könnte man der Studentin klarmachen, warum sie ihn lieber umformulieren sollte? Nun, ein Erklärungsansatz könnte darin liegen, daß chaque und etre necessaire semantisch nicht so recht zusammenpassen, und daß es da außerdem noch eine Inkompatibilität geben dürfte mit jener Art von genetischer Aussage, die die Studentin vermutlich intendiert hatte. Ich will die Spannung bezüglich dieses doch ziemlich komplexen Beispiels noch eine Weile aufrechterhalten und es zunächst einmal nur als Einstieg in das Thema gebrauchen: Die Semantik von chaque ist ganz typisch einer von jenen Punkten, die deutschsprachigen Französischlernern Schwierigkeiten bereiten und die gar nicht so einfach zu erklären sind. Der Grund dafür dürfte sein, daß eine große Ähnlichkeit besteht mit der Bedeutung von dt. jeder, die aber keine vollkommene Synonymiebeziehune ist. Dort, wo die feinen Unterschiede liegen, ergeben sich dann typischerweise Fehler, wie in unserem Titelsatz. Diese Erkenntnis kann man aber auch umkehren, vor allem dann, wenn man, wie ich, an der Semantik französischer und deutscher Determinanten als solcher, grundsätzlich, interessiert ist: Fast noch eher als ein großangelegter Übersetzungsvergleich sind es die Fehler der Lernenden, welche präzise Hinweise geben auf die feinen Unterschiede zwischen quasi-äquivalenten Elementen in den beiden Sprachen.2 Zum Begriff des Fehlers seien hier zwei Definitionen zitiert: zunächst die recht operational Definition von Kohn (1974:4, zitiert nach Mayr (1985:54)): "Ein Fehler ist ein Satz der Sprache eines Lerners (= Sekundärsprache), zu dem es einen oder mehrere Sätze der zu erlernenden Sprache (= Zielsprache) als Korrektur gibt", und schließlich die darauf aufbauende Definition von Mayr (1985:56): "Der Begriff des Fehlers orientiert sich somit an der im Lernziel als erster Stufe festgelegten Standardsprache und stellt eine Abweichung von derselben dar, die durch einen Vergleich der aktualisierten Lerneräußerung (im Falle eines Fehlers: der Fehlerstelle) mit der substituierbaren und systemadäquaten zielsprachlichen Äußerung (im Falle eines Fehlers: der Korrekturstelle) erkannt werden kann." Die "Übersetzung" der Fehlerstelle in eine möglicherweise vom Lerner "gemeinte" Korrekturstelle impliziert natürlich ein gewisses Maß an Interpretation und ist auch eine Sache der Wahrscheinlichkeit und Plausibilität (vgl. Mayr 1985:62). Eine generelle Befragung der Lerner zu ihren Fehlern wäre zwar heuristisch überaus wertvoll, ist aber in der Praxis kaum durchführbar, vgl. Mayr (1982:80-81). Sie scheint immerhin von Lübke 1977 versucht worden zu sein. Auf die Rolle fehlerlinguistischer Untersuchungen bei der Überprüfung kontrastiv-linguistischer Erkenntnisse verweist z.B. Nickel (1986:1399). Die Bedeutung und Fruchtbarkeit des Fehlers als Hinweis für den Lernenden, als Gelegenheit, über die Zielsprache etwas zu erfahren, ist hinlänglich bekannt, vgl. z.B. Krainz (1977:31-33) und Mayr (1985:52). Auch Marion (1986:1369) betont diese Funktion von Fehlern; sie ist aber abhängig von negativem kognitivem Feedback durch den Lehrer, im Gegensatz zu einer häufig vertretenen kommunikationsbetonten
192
Lavric, E.
Der Fehler gibt nicht nur Aufschluß über das "Interlanguage" des Lerners, er ist auch ein Hinweis auf gewisse Aspekte der Sprachkompetenz des Lehrers/Korrektors, der ja den Fehler als solchen empfindet · und somit ein Anlaß zu einer doppelten Exploration. Mein Thema - und wahrscheinlich die Fehlerlinguistik überhaupt - ist also genau dort angesiedelt, wo theoretisch-linguistische Interessen einerseits und praktisch-didaktische Anliegen andererseits sich gegenseitig befruchten. Dabei soll der Bereich der Determinanten des Substantivs und hier wiederum nur der Teilbereich der semantischen Fehler als Beispiel dienen. Natürlich ist diese Trennung in morphologisch-syntaktische Fehler einerseits und semantisch-lexikalische Fehler andererseits eine mehr oder weniger willkürliche, denn viele "morphologische" Fehler haben semantische Auswirkungen, und viele "semantische" Fehler haben ein Korrelat auf morphologisch-syntaktischer Ebene.3 Wenn ich also die hier behandelten Fehlertypen als "semantische" bezeichne, so ist das auch eine Frage der Perspektive und des Erklärungsansatzes.4 Trotzdem soll hier der Anspruch aufrechterhalten werden, daß die im folgenden behandelten Fehlerquellen hauptsächlich mit der Semantik der Determinanten zusammenhängen, was die angeführten Beispiele hoffentlich hinreichend plausibel machen werden.* Wir werden sehen, daß gerade im semantischen Bereich die Erklärung von Fehlern durch Interferenz aus der Muttersprache sich als sehr schlüssig erweist (vgl. dazu Nickel 1989, bes. S. 302). Es trifft zu, was Flament-Boistrancourt (1985) betont, daß bei der Definition des Interferenz-Phänomens die semantische Komponente besonders ernst zu nehmen ist; die Strukturen und Oppositionen der Muttersprache sind es, die zunächst, bis auf Widerruf, auf die Fremdsprache übertragen werden. Fortschritt beim L^-Erwerb bedeutet daher auch Umstrukturierung semantischer Felder. Fast alle der folgenden Beispiele zeigen mit großer Deutlichkeit die Richtigkeit dieser Annahmen. Die erste Beispiel-Gruppe ist in diesem Sinne allerdings noch ein wenig untypisch:
Laissez-faire-Strategie. Zu den möglichen Funktionen einer Fehlerklassifikation nach linguistischen Kriterien vgl. Kaufmann (1974) und Raabe (1980:74). Ich greife hier vor allem deswegen auf eine solche Klassifikation zurück, weil mich speziell die linguistischen, genauer: die semantischen Implikationen der Determinanten-Fehler interessieren. Ursprünglich bestand diese Untersuchung aus einem morphologisch-syntaktischen und einem semantischen Teil; ersterer mußte aber aus Gründen der Kürze für die Publikation gestrichen werden. Aus didaktischer Perspektive wäre natürlich eine möglichst vollständige Erfassung sämtlicher Fehlerquellen deutschsprachiger Französischlerner im Determinanten-Bereich wünschenswert, denn die Lokalisierung von Schwierigkeitsfeldern als Basis für prophylaktisch- oder therapeutisch-curriculare Überlegungen stellt ja seit jeher eines der grundlegenden Erkenntnisinteressen der Fehleranalyse dar, vgl. Nickel (1973:160), Kaufmann (1974:4 u.10) sowie Fehse/Nelles/Rattunde (1977:39). Auf sämtliche relevanten Werke zur Semantik der Determinanten im Französischen, im Deutschen und im Vergleich der beiden Sprachen kann hier natürlich nicht verwiesen werden. Stellvertretend für eine sehr umfangreiche Literatur seien hier nur einige wenige Standardwerke angeführt: für das Deutsche Vater (1963/1979) und Oomen (1977) (Grimm (1987) mit didaktischem Anspruch), für das Französische (weit weniger befriedigend) Dausendschön-Gay (1977) und Wilmet (1986) und für den Vergleich der beiden Sprachen Hoffmann (1967), Raible (1972), Zemb (1978) und Flückinger-Studer (1983) (und mit didaktischem Anspruch Huber/Bouchette (1981)). Generelle Fragen der Determinanten-Semantik behandelt u.a. der Sammelband von Van der Auwera (1980). Vgl. im übrigen die Literaturangaben in Lavric (1990).
Semantik der französischen Determinanten...
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1.) - le grand succes du parti fdrdoral (liberal). Plusieurs gens ont void pour M. Haider - Les anndes a venir, les hommes politiques devront roflochir ä teb problfemes que le taux de chömage , ['isolation deplusieurs bommes et les problemes des handicap's - Les autres magazines nous informent sur (...) les oconomies dansplusieurs pays autour du monde. Les possibilitos d'exportations vers plusieurs pays sont analysos par les magazines - (Filiale / Tochtergesellschaft) c'est une maison, oü une autre socidtd posside plusieurs des actions
Aus dem Kontext kann man erkennen, daß mit plusieurs an dieser Stelle wohl eine größere Anzahl gemeint ist, also etwas, das im Deutschen durch viele oder zahlreiche (und französisch durch beaucoup de und de nombreux) ausgedrückt wird. Besonders in dem Haider-Beispiel wird das sehr deutlich: Denn bei einer Nationalratswahl geht es sicher nicht darum, ob einer oder mehrere für einen Kandidaten stimmen, sondern darum, ob es viele oder wenige sind, die dies tun. Nun kann aber durch Übersetzungsvergleich und Kommutationsproben einwandfrei nachgewiesen werden, daß plusieurs das genaue Äquivalent von dt. mehrere darstellt -eine der wenigen echten Synonyrniebeziehungen im Bereich der französischen und deutschen Determinanten.7 (Mehrere und plusieurs bedeuten übrigens beide: 'mehr als einer' (manchmal auch 'mehr als zwei'), d.h. eine Anzahl, die größer ist, als die erwartete Einerzahl.) Diese Synonymic wird allerdings häufig von den Lernern nicht erkannt, obwohl sie sogar durch eine ähnliche Herkunft (auf morphologischer Ebene) gestützt wird (mehrere ist eine Ableitung aus mehr, plusieurs ist zumindest etymologisch trat plus verwandt). Der Trugschluß, der zur Einschätzung von plusieurs als Äquivalent für viele oder zahlreiche führt, kann möglicherweise so beschrieben werden: In der Fremdsprache werden Wörter und Morpheme stärker ihrer ursprünglichen, zentralen Bedeutung gemäß interpretiert -und da hängt plus (also mehr) stärker mit der Bedeutung von viel zusammen als mit der Bedeutung von mehrere', mehr ist ja sogar noch mehr als viel, während die Bedeutung von mehrere mit diesen Konzepten nur mittelbar zusammenhängt; z. B. ist es nicht sehr logisch, daß mehrere weniger sein sollen als viele. Derselbe unlogische Konnex besteht zwischen französisch plus und plusieurs, wird hier im Interlanguage aber häufig durch vordergründigere - und logischere - Zusammenhänge überlagert. Dieser Fehler ist deswegen interessant, weil er an einer Stelle auftritt, wo zwischen Lj und L2 eigentlich völlige strukturelle Übereinstimmung besteht, und weil er trotzdem relativ häufig ist. (Zur Möglichkeit solcher Fehler vgl. Nickel 1986:1399.) Sämtliche angeführten Beispiele (außer 8.) enthalten über die hier behandelten hinaus noch eine ganze Reihe weiterer Fehler, auf die nicht eingegangen werden kann. Aus diesem Grund wird in allen Beispielen jeweils jener Fehler, wegen dem das Beispiel angeführt wird, graphisch gekennzeichnet. Es wird bewußt darauf verzichtet, die anderen Fehler zu korrigieren. Vielleicht gewinnt der Leser auf diese Weise einen Eindruck davon, in welchen Proportionen die Determinanten-Fehler zu den sonstigen Fehlerquellen stehen. Noch eine Bemerkung am Rande: Die Beispiele stammen, wie man leicht erkennen kann, aus dem Unterricht in Wirtschaftsfranzösisch. Da die Determinanten aber ein sehr grundlegendes Sprachphänomen des Französischen darstellen, gibt es hier meiner Erfahrung nach keine gravierenden Auffälligkeiten gegenüber der Allgemeinsprache. Zumindest hoffe ich, daß meine Überlegungen nicht nur für Fachsprachen-Lehrer von Interesse sind. Vgl. Lavric (1988a:63); auch die Beispiele in Zimmer (1990) bestätigen diese Äquivalenz weitestgehend. Gelegentlich übersetzt a plusieurs auch mit einige, an all diesen Stellen ist aber mehrere ebensogut möglich, einige erscheint oft durch Veränderungen im Kontext bedingt.
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Lavric, E.
Klassische Fehlerursachen sind natürlich dort zu suchen, wo die Strukturen der beiden Sprachen auseinanderdriften - oder noch häufiger dort, wo zwar eine grundsätzliche Äquivalenz besteht, der Gebrauch aber doch wieder feine Unterschiede festlegt. Hier treten Interferenzen aus der Muttersprache (relativ häufig auch aus anderen Fremdsprachen) vermehrt auf.8 Das beste Beispiel dafür sind generische Aussagen im Plural: 2.)
- Bien qu'on disc que le climat entre des professeurs et des otudiants est tres mauvais ici, cette universito me plait le mieux - Des investissements ont pour consoquence une Hausse de la production - La Hongrie envisage d'encourager des investissement par nouveaux possibilitds d'investir
Richtig müßte natürlich in all diesen Beispielen im Französischen der bestimmte Artikel stehen, während im Deutschen beide Artikelformen möglich sind. Die zugrundeliegende "Falle" ist die, daß zwischen den Artikelsystemen des Deutschen und des Französischen auf semantischer Ebene grundsätzlich Äquivalenz besteht, sowohl im indefiniten als auch im definiten und im generischen Bereich. Daher sollten sich für den Lerner, sobald die weiter oben beschriebenen morphologischen Probleme gemeistert sind, eigentlich kaum mehr Schwierigkeiten ergeben. Mit einer kleinen Ausnahme allerdings - und das ist die Gebrauchsnorm im Französischen, die es so will, daß die Äquivalente der deutschen Nullartikel - also des und der Teilungsartikel - nicht in generalisierender Funktion verwendet werden können. An ihre Stelle tritt in generischen Aussagen der bestimmte Artikel. Bei du versuchen die Studenten auch relativ selten eine Nachbildung der deutschen Struktur (eher noch bleiben sie gleich bei Artikellosigkeit), bei des geschieht dies aber immer wieder. Daß das im Französischen ein Fehler ist, ist eine reine Frage der Gebrauchsnorm, denn systemsemantisch ist die Möglichkeit der generischen Verwendung von des, du, de la durchaus angelegt; die Bedingungen dafür sind allerdings vom Syntaktischen her extrem restriktiv. 8
Vgl. Czochrakki (1984:16): "Die zahlreichsten Interferenzen begegnen im Falle von zwei ähnlichen, d.h. teilweise identischen Systemen; denn dann geschieht folgendes: Die Übertragung des muttersprachlichen Modells ist im Bereich des Identischen zulässig; aber das Modell wird unbewußt auf den Bereich des Abweichenden ausgedehnt." Zum Begriff der Interferenz vgl. bezüglich Literaturüberblick und begrifflicher Klärung Mayr (1982:29-30), der sich auf Rattunde (1977a) stützt. Ein sehr klares terminologisches Schema liefert Rattunde (1977a:12): Tansfer(+) intralingual Interferenz (-) "Inferenz Tansfer(+) interlingual Interferenz (-)" Der Terminus "Interferenzfehler" meint im linguistischen Sprachgebrauch grundsätzlich Fehler durch interlinguale Interferenz, während intralinguale Interferenz zu sogenannten "Hyperkorrektionen" oder "Übergeneralisierungen" führt, die als Beweis für die Existenz eines "Interlanguage" oder "Interimssystems" (vgl. u.a. Mayr (1982:32-37)) angeführt werden. Ausführlicher zu Fehlerursachen und zur entsprechenden Terminologie vgl. Lavric (1988b:476-477).
Semantik der französischen Determinanten...
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Ein weiterer Fehlertyp, bei dem syntaktische Restriktionen eine gewisse Rolle spielen, den ich aber trotzdem als semantisch einstufen würde, ist folgender: 3.)
- le Front national (...) Son electoral est tres hot6rogene, mais quelques groupes sont particulierement attirds - Quelques villes ont un certain pouvoir d'attraction, c'est la raison pour laquelle beaucoup d'entreprises s'y installent volontairement - Dans quelques classe d'ocole 70% des oleves ont besoin des lecpns particulieres - Les lignes de conduite du BIT dofinit toutes les personnes comme 6tant au chomage qui (...) cherchent un travail, cela-veut-dire fönt quelques pas pour trouver un travail rdmunerd - (les) plantations qui font la fortune de quelques peu inhabitants
Die syntaktische Komponente davon ist, wie man im zweiten Beispiel unschwer erkennen kann, daß quelques bei einer NP in Subjektsfunktion am Satzbeginn zumindest befremdlich wirkt, d.h. wenigstens stilistisch sehr ungeschickt - gibt es doch die weitaus "französischer" klingende Variante ily a quelques... qui. Dieses ily a... qui steigert generell die Akzeptabilität von indefiniten Subjekten am Satzbeginn, ist aber nicht auf indefinite NPs beschränkt (Ily a Eric qui est venu ...). Bei definiten NPs scheint es eher einem kolloquialen, auf jeden Fall mündlichen Register anzugehören, während es bei indefiniten NPs weniger auffällig und bei Subjekten mit quelques völlig unmarkiert ist und wahrscheinlich sogar die Norm darstellt. Letztere Bemerkung sollte genügen, um klarzumachen, daß ily a... qui keine Hervorhebungsstrategie und mit dem stets fakultativen c'est... qui nur bedingt zu vergleichen ist. Jedenfalls wäre dieser Gebrauch von ily a einer näheren Untersuchung durchaus wert. Doch zurück zu quelques: Ich glaube, daß Sätze wie die obigen Beispiele nicht nur auf einer syntaktisch-stilistischen, sondern auch auf einer semantischen Fehleinschätzung beruhen: quelques wird hier als Äquivalent von deutsch einige verwendet, was es ja grundsätzlich auch ist. In Lavric (1988a:64) war ich (aufgrund von Kommutationsproben) noch der Überzeugung, daß diese Äquivalenz weitestgehend gilt. Die Fehleranalyse hat mich eines besseren belehrt. Die obigen Sätze zeigen es: Der Bereich von einige ist eigentlich weiter als jener von quelques. Denn quelques hat immer einen gewissen Beigeschmack von "geringer Anzahl", von einige wenige (das ein Student im letzten der obigen Beispiele sogar nachzubilden versucht), und entspricht daher viel eher dem deutschen ein paar. Dieses ein paar ist allerdings stets durch einige ersetzbar. Nur gibt es eben auch einen Bereich von einige, wo dieses viel eher durch manche als durch ein paar ersetzt werden kann (vgl. Vater 1963/1979:101-102, 104) und wo die Komponente "geringe Anzahl" zurücktritt gegenüber einer Komponente, die man gemeinhin als "spezifisch" oder "nicht beliebig" bezeichnet. In diesem Überschneidungsbereich zwischen einige und manche ist das französische Äquivalent dann aber nicht mehr quelques, sondern certains, wie sich auch durch Übersetzungsvergleich zeigen läßt." Genau das ist, so würde ich meinen, bei unseren Beispielen 3.) der Fall, da ja etwa im Front National-Beispiel nicht betont werden soll, daß nur eine geringe Anzahl, nur wenige Gruppen dessen Anziehungskraft unterliegen, sondern viel eher gemeint ist, daß manche, gewisse, ganz bestimmte Gruppen sich besonders angesprochen fühlen, andere aber nicht. Auch eine Durchsicht der Übersetzungs-Beispiele Zimmers (1990) bestätigt diesen Befund: quelques wird dort stets mit einige übersetzt, einige hingegen einspricht in wohl ebensovielen Fällen auch certains, gelegentlich sogarplusieurs und un certain nombre de.
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Lavric, E.
Was die Schwierigkeiten hier verursacht, das sind die vielfältigen Überschneidungs-beziehungen, Teiläquivalenzen der indefiniten Determinanten innerhalb sowohl des deutschen als auch des französischen Systems. Die Verwendung von quelques statt certains in gewissen Kontexten ist allerdings eine der häufigsten Verwechslungen, die sich daraus ergeben. Vom indefiniten Bereich nun zum definiten: Die folgenden Fehler haben auch einen syntaktischen Aspekt, ich würde diesen aus bestimmten Gründen aber in die Semantik der betroffenen Determinanten integrieren wollen. Ein paar Beispiele werden sofort deutlich machen, worum es geht: 4.) - les enfants par exemple dont leurs parents sont divorcos - la croation des commissions d'orientation, dont leur täche est de docider quelle formation des dleves devront suivre ä Tissue de la 3eme classe - U y a deux groupes des associes: - les commanditds - les commanditaires dont leur engagement est limito au montant de leur apport
Dieser Fehlertyp kann nicht eindeutig dem morphologisch-syntaktischen oder dem semantischen Bereich zugeordnet werden; er gehört eigentlich in beide. Richtig müßte natürlich in all diesen Beispielen das Relativpronomen dont mit dem bestimmten Artikel kombiniert werden, und nicht mit dem Possessivum. Worauf ist der Fehler zurückzuführen? Nun, zunächst muß man hier die Äquivalenzen klären; Die deutschen Formen dessen/deren repräsentieren einen Synkretismus zwischen Relativpronomen und possessivem Determinanten. Semantisch bestehen sie daher grob gesprochen aus drei Komponenten: der Komponente "Relativpronomen", der Komponente "definite Determination" und der Komponente "Possession" (im weitesten Sinne). Im Französischen können diese drei Komponenten nicht in einer einzigen Form verbunden werden; eine Komponente wird hier gewissermaßen ausgelagert, und das ist die "definite Determination" - während die Komponenten "Relativpronomen" und "Possession" in der Form dont zusammenfließen. Wenn nun manche Studenten die Form dont mit einem Possessivdeterminanten statt mit einem bestimmten Artikel verbinden, so zeugt das bereits von einem gewissen Problembewußtsein: Sie ahnen, daß dont die Leistung von dessen/deren nicht allein vollbringen kann. Andererseits unterschätzen sie die Form dont aber, wenn sie annehmen, daß es ein reines Relativpronomen ist und daß daher die "Possessions"-Komponente ebenso wie die "Definitheits"-Komponente in den Determinanten ausgelagert werden muß. Soweit also zum Fehlertyp 4.), der auf den ersten Blick morphologisch-syntaktisch erscheint, der aber eine sehr stringente semantische Interpretation zuläßt. Noch ein zweiter Fehlertyp ist bei genauerer Überprüfung mindestens ebensosehr semantisch wie syntaktisch motiviert: 5.) - la nombre de ces gens qui seront etre membres d'une mutuelle sera augmenter de 3 % pour atteindre 25 % - le tourisme faut moderniser ces entreprises qui ne correspondent pas au niveau international - l'expoditeur doit payer le fret et l'assurance jusqu'ä ce moment oü la merchandise est embarquoe - (il faut) utiliser le potrole seulement dans ces domaines oü il n'est pas possible de le substituer
Semantik der französischen Determinanten...
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- chaque etat produit seulement ces produits qu'il peut produire moins eher - A partir de 1945, il n'y avait plus de marche d'expansion comme au XIXe siecle et seulement ces journaux, qui ont roussi ä s'adapter aux nouvelles exigences pouvaient survivre - (l'analyse du) systome patriarcal qui repose sur ce travail effectuo par les femmes dans la famille {alle Beispiele nicht-anaphorisch)
Hier wird ce in sehr logischer und konsequenter Weise als Äquivalent für deutsch jener eingesetzt. Das ist an und für sich absolut richtig empfunden, denn im Bereich der Demonstrativa steht grundsätzlich dem zweigliedrigen System des Deutschen, mit dieser und jener, im Französischen ein eingliedriges System (ce) gegenüber; die Spezialformen ce...-ci und ce...-lä (wie in cette femme-ci, cet homme-la) treten nur bei expliziter Gegenüberstellung und in einigen anderen Sonderfällen (bes. bei Zeitbezeichnungen, ce...-lä auch abschätzig, vgl. Huber/ Bouchette 1981:154) in Funktion. Das Deutsche weist hier eine stärkere Differenzierung auf als das Französische, und daher müßte dieser Bereich für deutschsprachige Französischlerner eigentlich einfach sein. Nur gibt es eben auch da einige "Fallen", wie unsere Beispiele deutlich zeigen. Denn jener hat im Deutschen gemeinsam mit derjenige auch die Funktion, einen in der NP folgenden Relativsatz ganz eindeutig als restriktiven Relativsatz zu kennzeichnen (vgl. Raible 1972:123 u. Zemb 1978:178).10 Jener x, der y bedeutet also ganz eindeutig: nur jener x, dery; die anderen x, die nicht y, sind nicht gemeint. Derx, dery hingegen kann auch ebensogut heißen: derx, der übrigens v: ob es andere x gibt, die auch noch y, kann daraus nicht geschlossen werden. Heißt es schließlich dieser x, dery, so ist die appositive Interpretation (dieser x, der übrigens y) sogar die naheliegendste. (Außer, es ist bereits ein bestimmter^ dery vorerwähnt.) Im Französischen, so könnte man nun aus einer oberflächlichen Betrachtung unserer Beispiele schließen, obliegt diese Funktion der Kennzeichnung eines nachfolgenden Relativsatzes als restriktiv dem bestimmten Artikel. (Denn schließlich müßte in unseren Beispielen ja tatsächlich als Korrektur statt des Demonstrativums der bestimmte Artikel eingesetzt werden.) Weit gefehlt. Im Französischen wie auch im Deutschen läßt der bestimmte Artikel den Status des nachfolgenden Relativsatzes vollkommen offen. Lex qui y kann ebensogut heißen: jener x, dery, wie auch: derx, der übrigens y. Nur daß cet x qui y im Französischen - ganz wie im Deutschen dieser x, dery - die appositive Interpretation des Relativsatzes, cet x, qui d'ailleurs y, nahelegt. Und vor allem: Die Verwendung von ce ist, wie auch die Verwendung von dieser im Deutschen, an gewisse kontextuelle Bedingungen gebunden: und zwar entweder situationelles Zeigen oder kontextuelle explizite Vorerwähntheit des Referenten. Besonders das Fehlen dieser situationeilen oder kontextuellen Verankerung ist es, das die Form ce in unseren Beispielen fehlerhaft erscheinen läßt. Eine anaphorische/deiktische Interpretation von ce in unseren Beipielen 5.) würde eine appositive Lesart für den jeweiligen Relativsatz nahelegen, ganz wie es im Deutschen bei dieser der Fall wäre. Aus dem soeben Erörterten muß also geschlossen werden, daß es im Deutschen einen, ja eigentlich sogar zwei Determinanten gibt, die zwingend die restriktive Interpretation des nachfolgenden Relativsatzes nahelegen und daher als eindeutiges Zeichen für Auf die Eigenschaften restriktiver Relativsätze im Gegensatz zu nicht-restriktiven oder appositiven kann ich hier nicht näher eingehen, möchte aber u.a. auf Seiler (I960), Lehmann (1984), Zhou (1985), Kleiber (1981) u. (1987) sowie Lavric (1989) verweisen. Auch auf Überlegungen bezüglich der Wirkung des Subjonctif im Relativsatz kann hier nicht näher eingegangen werden, vgl. dafür Galmiche (1983), Heger (1983), Lehmann (1984) und Lavric (1990).
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Lavric, E.
Restriktivität gelten können (jener und derjenige), während im Französischen kein einziger Determinant eine vergleichbare Leistung erbringt. Das ist aber hier auch weit weniger notwendig, da in dieser Sprache zumindest im graphischen Code der Beistrich die entsprechende Funktion übernimmt. (Im oralen Code stehen dafür in beiden Sprachen suprasegmentale Phänomene zur Verfügung.) Im Deutschen ist die Beistrichsetzung bei sämtlichen Nebensätzen obligatorisch, also bei restriktiven ebenso wie bei appositiven Relativsätzen. Sie kann daher keine distinktive Funktion ausüben. Im Französischen dagegen kann der appositive Relativsatz deutlich dadurch gekennzeichnet werden, daß er zwischen Beistriche gesetzt wird (vgl. Seiler 1960:26 u. 33 und Raible 1972:122). Allerdings ist selbst beim appositiven Relativsatz der Beistrich nicht obligatorisch. Also ist le quiy eher, aber nicht zwingend, als restriktiv, le x, quiy aber mit Sicherheit als appositiv zu interpretieren. Als vielleicht schwierigstes semantisches Problem soll schließlich auf jenes eingegangen werden, das diesem Vortrag den Titel gegeben hat: Handelt es sich doch nicht nur um chaque, sondern auch um seine Beziehung zu einer ganzen Reihe anderer konkurrierender Formen, die Gesamtheit ausdrücken, wie tous les, tout, n'importe quel. Interessanterweise ist es vor allem chaque, das falsch verwendet wird, vielleicht auch, weil n'importe quel und tout von fortgeschrittenen, aber nicht near-native Studenten, wie sie an unserem Institut unterrichtet werden, einfach zu selten verwendet werden. Tous les als Entsprechung zu alle wird meist gut beherrscht (nur gelegentlich wird der Artikel weggelassen); allerdings kann tous les auch deutsch jeder entsprechen, und hier beginnen die Schwierigkeiten. Da im Titelbeispiel zwei verschiedene Problematiken sich überlagern, sei hier zunächst von einfacheren Beispielen ausgegangen: 6.) - Impossible de re"soudre chaque problöme de la meme - Aucun pays est assez riebe pour financier le travaux domestique de chaque femme - On trouve beaucoup de produits de luxe dans chaque secteur de alimentation - Nous offrons diffdrentes couleurs pour chaque goüt
All diese Beispiele entsprechen dem Merkmal "Gesamtheit", aber nicht "distributiver Gesamtheit", sondern im Gegenteil "kollektiver Gesamtheit", da hier gerade betont wird, was mehrere Einheiten gemeinsam haben. Die Studenten differenzieren offensichtlich nicht immer zwischen diesen beiden Bereichen der Gesamtheit, obwohl die "kollektive Gesamtheit" sehr klar dadurch gekennzeichnet ist, daß jeweils als einziger Determinant im Deutschen alle, im Französischen tous les zulässig ist. Viel schwieriger noch ist für die deutschsprachigen Französischlerner der Bereich der "distributiven Gesamtheit", weil hier frz. chaque dem deutschen jeder eben nicht ganz genau entspricht. Einige Beispiele: 7.) - II faut leur expliquer (= aux filles) qu'elles peuvent exercer chaque profession - compatible avec chaque sorte de microordinateur - Pourtant Schmitt critique que les journalistes utilisent chaque possibilite" qui se pose pour raccourcir et concentrer les informations, mais il concrotisent les 6tat de choses sans faciliter la comprohension - Chaque demandeur d'emploi qui va ä Poffice pour s'immatriculer est registrd et enregistro dans les statistiques
Semantik der französischen Determinanten...
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- La CEE a dtabli une limite de quantite dans la domaine des c6rdals. Chaque excddent reprisenterait une diminution du prix
Oberflächlich gesehen würde jeder, eben auch jeder Student, meinen, daß die französische Entsprechung für jeder chaque ist. Aber schon, was ich gerade gesagt habe, kann ich französisch eben nicht mit chaque ausdrücken. A premiere vue, chaque etudiant dirait que ['equivalent de jeder allemand, c'est chaque ist eben kein wohlgeformter französischer Satz, ebensowenig wie die unter 7.) gegebenen Beispiele. Worin liegt also die Feinheit? Das läßt sich aufgrund einer Fehleranalyse allein nicht eindeutig sagen. Denn all die zitierten Beispiele haben eigentlich nur zwei Dinge gemeinsam: Sie drücken "Gesamtheit" aus, und französisch chaque ist trotzdem in den entsprechenden Kontexten nicht möglich. Sie sagen aber z.B. nichts darüber aus, bei welcher Art von Beispielen chaque als Äquivalent für deutsch jeder zulässig ist. Dafür muß man einen Übersetzungsvergleich heranziehen, der allerdings aufschlußreich ist. Hier ein paar Beispiele, in denen chaque und jeder sehr wohl äquivalent sind: 8.)
- als (...) der Bauer mit dem Tischgebet anfing, preßte Maria die Lippen fest aufeinander und schaute der Bäuerin, die ihr mahnende Blicke zuwarf und mit jedem Gebetsanfang lauter und zorniger wurde, gerade ins Gesicht (...) (Franz Innerhofer, Schöne Tage) - lorsque (...) le paysan entama le bonddicto, Maria serra les levres et regarda droit en face la paysanne qui lui jetait des regards de reproche et olevait davantage la voix et se mettait de plus en plus en colere ä chaque dobut de priere (...) - Ich will dich nicht zwingen, Alois. Jedes Gemüt reagiert da anders, wenn es vor die Natur tritt. Der eine verstummt, der andere redet einfach weiter, pietätlos. (Martin Waiser, Eiche und Angora) - Je ne veux pas te faire violence, Alois. Chaque etre devant la nature roagit differemment. L'un se tait, l'autre ne s'arrete pas de parier; manque de . - Je te regarderai du coin de Poeil et tu ne diras rien. Le langage est source de malentendus. Mais, chaque jour, tu pourras t'asseoir un peu plus pros... (Antoine de Saint-Exupory, Le petit prince) - Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Mißverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bißchen näher setzen können... - (...) le Systeme de valeurs de chaque observateur dopend du modele socio-culturel propre ä sä nation, ou ä son milieu d'origine. (Käthe Henschelmann, Technik des Übersetzens FranzösischDeutsch) - Die Wertmaßstäbe jedes Beobachters hängen nämlich vom sozio-kulturellen Modell seines Landes und seines Milieus ab. (ebd.)
Chaque und jeder entsprechen beide dem Bereich der "distributiven Gesamtheit"; allerdings hat chaque gegenüber jeder ein zusätzliches Kontextmerkmal, das man etwa als "Differenzierung" bezeichnen könnte. Wenn man die Elemente einer Menge mit chaque quantifiziert, dann bedeutet das, daß man die Aufmerksamkeit auf Unterschiede lenken will, die zwischen ihnen bestehen (z.B. in Form einer Gradation, vgl. das InnerhoferBeispiel und das Saint-Exupory-Beispiel).
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Lavric, E.
Daraus ergibt sich, daß man unmöglich mit chaque Elemente zu dem Zweck quantifizieren kann, um eine gemeinsame Aussage über sie zu treffen, selbst wenn diese Aussage für jedes einzelne Element Gültigkeit hat (das wäre übrigens die Definition für "distributive Gesamtheit" und eine gute Bedeutungsbeschreibung für jeder). (Umso weniger kann man natürlich chaque verwenden, wenn die Aussage nur für die Gesamtmenge und nicht für jedes einzelne Element gilt, also im Bereich der "kollektiven Gesamtheit", vgl. Beispiele 6.).) In unseren Beispielen 7.) ist chaque deswegen als fehlerhaft einzustufen, weil in all diesen Sätzen das Kontextmerkmal "Differenzierung" nicht gegeben ist. Die deutsche Form jeder hat dieses Merkmal nicht, wie man daraus ersieht, daß sie in den deutschen Übersetzungen der Beispiele 7.) ohne weiteres eingesetzt werden könnte. In all diesen Beispielen sind auch deutsch alle, französisch tous les zulässig; tous les stellt sogar in der Mehrzahl der Beispiele (konkret: in allen außer dem letzten) die plausibelste Korrektur dar. Das bedeutet, daß in Kontexten mit "Differenzierung" im Deutschen unter anderen, im Französischen fast ausschließlich solche Determinanten verwendet werden, die zwar "Gesamtheit", aber nicht "distributive Gesamtheit" ausdrücken (wie es dt. jeder oder jeglicher täten). Ich habe deswegen vorsichtig formuliert ("fast ausschließlich"), weil im Französischen in den meisten der unter 7.) zitierten Beispiele ohne wesentliche Bedeutungsveränderung auch der Determinant n'importe quel denkbar ist, der "distributive Gesamtheit" und "Beliebigkeit" ausdrückt und damit viel stärker im generischen Bedeutungsbereich verankert ist als seine deutsche Entsprechung irgendein. Nach diesen Erklärungen gibt es allerdings immer noch ein Fehler-Beispiel, nämlich das letzte der unter 7.) angeführten, das aus der Reihe tanzt. Bei diesem Beispiel muß die französische Korrektur ganz eindeutig den Determinanten tout enthalten. Im Deutschen fällt auf, daß wie in den anderen Beispielen jeder und jeglicher eintreten können, die Form alle aber nicht mehr. Es handelt sich bei diesem Beispiel um eine hypothetisch-generische Aussage, d.h. um eine Aussage, die Anspruch auf universelle Gültigkeit in einer möglichen Welt erhebt (zur Logik der möglichen Welten vgl. Martin 1983). Auch für das vorletzte der Beispiele unter 7.) ist, wie für das letzte, eine solche Lesart denkbar, und dann gelten auch hier die Austauschverhältnisse tout //jeder, jeglicher, aber nicht chaque und nicht alle // tous les. Rekapitulieren wir nun den Bereich der "distributiven Gesamtheit", also den Bereich von deutsch jeder. In Kontexten mit dem Merkmal "Differenzierung" tritt französisch chaque ein. Im Deutschen kann hier statt jeder nicht die Form alle eingesetzt werden (vgl. die Beispiele 8.). In fast allen anderen distributiv generischen Kontexten sind deutsch jeder, jeglicher und alle, französisch tous les und meist auch n'importe quel möglich (Beispiele 7.) - außer bei hypothetisch-generischen Aussagen: Hier kommen nur französisch tout und deutsch jeder, jeglicher, aber nicht alle //tous les in Frage (19., letztes Beispiel). Doch nun zurück zu unserem Titelbeispiel: Chaque langue est necessaire pour la communication. Welchem der oben beschriebenen Fälle entspricht dieser Satz? Das ist gar nicht so einfach zu sagen, vor allem, da der Kontext leider verlorengegangen ist. Die Problematik dürfte sowohl auf der Ebene des Verbs als auch auf jener der Determinanten liegen. Am wahrscheinlichsten ist wohl, daß inhaltlich gemeint war: Jede Spra-
Semantik der französischen Determinanten...
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ehe dient der Kommunikation, und daß die Studentin, eine Anfängerin, das Verb servir ä noch nicht kannte. Intendiert ist sicher eine distributiv generische Aussage, die nicht nur hypothetisch gelten soll. Daher müßte die Korrektur lauten: Toutes les langues servent ä la communication. Aber nehmen wir die Studentin doch einmal beim Wort: Vielleicht meint sie ganz genau das, was sie auch geschrieben hat. Sie denkt an die verschiedenen Sprachen in ihrer ganzen Vielfalt und will sich auf jede einzelne davon beziehen: also chaque langue, warum nicht? Und sie teilt uns mit, daß jede Sprache auf ihre Weise für die Kommunikation absolut unerläßlich ist - also ein Plädoyer für Sprachenpluralismus und Wertschätzung der sprachlichen Vielfalt, denn jede Sprache, wirklich jede, ist auf ganz spezifische Weise für die Kommunikation auf diesem unserem Planeten unverzichtbar: Chaque langue (ä sä moniere) est necessaire pour la communication!
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Semantik der französischen Determinanten...
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Rosa Maria Pinel (Madrid)
Die Identifizierung der Frau durch die Sprache in den Sprichwörtern (Deutsch - Spanisch) Die feministischen Forderungen üben schon seit mehreren Jahren einen starken Druck auf die Gesellschaft aus, und zwar in allen zivilisierten Ländern, und Spanien ist da keine Ausnahme. Im letzten Jahrzehnt hat dieser Druck sehr positive soziale, gesetzgeberische und politische Veränderungen mit sich gebracht. Alte, diskriminierende Gesetze sind abgeschafft und an ihrer Stelle sind andere verkündigt worden, die die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Gesetz garantieren. Obwohl diese Gleichstellung leider in vielen Fällen viel theoretischer, als man denken könnte, ist, muß man gestehen, daß die Lage der Frau in unserer heutigen Gesellschaft viel gerechter ist als noch vor relativ wenigen Jahren. Aber trotzdem gibt es immer noch Bereiche, die von den obengenannten Veränderungen nicht sehr betroffen sind oder bei denen nur eine kleine positive Entwicklung zu verzeichnen ist. Ich beziehe mich auf den Bereich Sprache. Der Mann hat bis heute eine entscheidende Rolle in der Gesellschaft gespielt, und zwar die ganze Geschichte der Menschheit hindurch, nur mit einzelnen Ausnahmen, die eher anekdotisch sind. Dieses männliche Übergewicht hat die Sprache unserer Urahnen geprägt, und diese hat die schnellen Beziehungsveränderungen der letzten Zeit nicht widerspiegeln können. Man könnte vermuten, daß die Sprache, wennschon auch etwas langsamer, sich an die neuen Umständen anpassen würde. Aber leider gibt es zu viele Zeichen, die uns noch denken oder besser gesagt, fürchten lassen, daß vielleicht die Anpassung der Sprache an die neue Stellung der Frau in der Gesellschaft langsamer, schwieriger, wenn nicht unmöglich, sein wird. Ursache dieser Befürchtungen ist das eigentliche Wesen der Sprache. Wenn wir uns die Frage stellen würden: Was lernt der Mensch, wenn er eine Sprache erwirbt?, dann würden wir automatisch antworten: Er lernt ein Kommunikationsmittel, das ihn befähigt, seine Ideen, Gefühle und Gedanken auszudrücken und in Verbindung mit seinen Mitmenschen zu treten. Diese Antwort ist völlig richtig, und wenn die Sprache nur so etwas wäre, dann hätten wir keinen Grund, skeptisch gegenüber einer positiven Entwicklung der Sprache in dieser Hinsicht zu sein. Wäre die Sprache nur ein Kommunikationsmittel, könnte sich dieses ohne weiteres mit der Zeit ändern und sich an die neuen Umstände anpassen, vorausgesetzt, daß diese sprachlichen Veränderungen auf bestimmte Strukturen und grundlegende Normen Rücksicht nähmen. Aber die Sprache ist nicht nur das, sondern viel mehr: Die Sprache ist ein kulturelles Erbe, ist das Erbe unserer Urahnen. Wenn ein Kind eine Sprache lernt, dann lernt es vieles: einen linguistischen Kodex, eine bestimmte Lautkombination, feste grammatische Regeln, eine syntaktische Struktur, aber nicht nur das, sondern auch die Denkweise der Sprecher, die vor ihm gelebt haben. Aus diesem Grund gibt es manchmal große Unterschiede zwischen geographisch nicht weit voneinander lebenden Völkern. Beim Spracherwerb lernen die Kinder einen völlig differenzierten männlichen und weiblichen Archetyp. Die Sprache vermittelt auch die kulturellen Gewohnheiten, Sitten, und Verhaltensweisen, die unerbittlich die Denkweise und das Verhalten des Individuums bestimmen. Wenn also die gelernte Sprache, die, wie schon gesagt, auch die Denk-
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Pinel, R. M.
weise der Urahnen widerspiegelt, sexistisch ist, wie könnte man in so kurzer Zeit diese Sprache ändern, damit sie nicht mehr sexistisch ist? Garcia Meseguer drückt diese Idee in seinem Buch (223) Lenguaje y discrimination sexual sogar rigoroser aus. "Habida cuenta de que la lengua no solo es el resultado de una cultura, parece que DOS encontramos ante un circulo vicioso: La lengua es sexista, porque la cultura lo ha sido, y la cultura tiende a permanecer sexista porque la lengua lo es. OComo romper este circulo? La respuesta es sencilla: nadie lo sähe".
Glücklicherweise ist es nicht meine Absicht, auf diese Frage jetzt und hier Antwort zu geben (ich würde es mich nicht trauen) oder einen möglichen Ausweg aus diesen circulus vitiosus zu finden bzw. Vermutungen, was in dieser Hinsicht geschehen kann, zu wagen. Mein Interesse geht in eine weniger gefährliche, viel bescheidenere, aber auch nicht weniger erregende Richtung. Als ich über die obengenannten Probleme der Sprachentwicklung nachdachte, schien es mir ganz klar, daß die von der Sprache vermittelten Elemente tatsächlich die Denkweise des spanischen Sprechers, was das Bild der Frau betrifft, beeinflußt hätten. Wenn diese Vermutung richtig wäre, so könnten sie Sprecher anderer Sprachen, wie zum Beispiel des Deutschen, beeinflußt haben. Das heißt, wenn wir annehmen, und das tue ich, daß die deutsche und die spanische Sprache sexistisch geprägt sind, stellt sich die Frage nach den gemeinsamen Merkmalen im kulturellen Erbe beider Sprachen. Das Sprichwort ist zweifellos ein Teil des spanischen wie des deutschen Sprechers. Meine Absicht ist es, die Identifizierung der Frau durch die Sprache in den deutschen und spanischen Sprichwörtern zu analysieren, um zu prüfen, ob beide Sprachen ähnliche Merkmale anbieten und ob bestimmte linguistische Kennzeichen auch vergleichbar sind. Sollte das so sein, dann könnten wir annehmen, daß die Sprichwörter auch einen besonderen Einfluß auf bestimmte sexistische Aspekte beider Sprachen ausüben. Und warum habe ich gerade das Sprichwort als Ausdruck sexistischer Vorurteile in Betracht gezogen? Dafür gibt es mehrere Gründe: einerseits, muß ich gestehen, interessiere ich mich besonders für diejenigen linguistischen Aspekte, die mit der Phraseologie zu tun haben, aber andererseits habe ich mich für sie entschieden, weil Sprichwörter mehrere bedeutsame Merkmale vereinigen, z. B. Internationalst. Normalerweise weist der größte Teil der Sprichwörter auf bekannte und in allen kulturellen Gesellschaften wichtige Fragen hin, über die es meistens einen breiten Konsens gibt. Permjakov, der jahrelang Sprichwörter vieler Sprachen gesammelt und studiert hat, behauptet, parallele Sprichwörter gefunden zu haben, die bei Völkern geläufig waren, die überhaupt keinen Kontakt untereinander gehabt hatten. Ein weiterer Grund für die Bedeutsamkeit der Sprichwörter ist, daß sie jahrhundertelang überlebt haben. Es ist zwar wahr, daß uns viele von den mit der Zeit erfundenen Sprichwörtern nicht mehr geläufig sind, vielleicht, weil sie nicht mehr aktuelle Themen behandeln, weil sie altmodisch klingen oder weil sie nicht die neuen Sitten, Gewohnheiten oder Lebensweisen darstellen. So gesehen, muß man annehmen, daß diejenigen, die überlebt haben, die uns bekannt sind und die wir noch verstehen, eine für uns verständliche Idee überliefern, mit der wir gegebenenfalls übereinstimmen können. Da das angebotene Thema so umfangreich ist und die Zeit, die mir zur Verfügung steht, so knapp, habe ich nur echte Sprichwörter analysiert, ohne andere idiomatische
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Wendungen in Betracht zu ziehen, was zweifellos auch sehr interessant sein könnte. Ich hoffe, mit der Zeit auch solche sprichwörtlichen Redensarten und idiomatische Wendungen besprechen zu können. Die Unterscheidung zwischen Sprichwort und sprichwörtlicher Redensart ist nicht immer ganz eindeutig. Deswegen halte ich es, und obwohl es nicht meine Absicht ist, theoretische Fragen hier zu behandeln, für ratsam, kurz eine präzisere Definition des Sprichwortes zu geben, wobei ich mich auf Beyer (1986) beziehe: "Sprichwörter sind allgemein oder zumindest weithin bekannte, fest und dauerhaft geprägte Sätze, die eine prägnant formulierte Lebensregel bzw. verallgemeinerte Lebenserfahrung enthalten." In Bezug auf die Unterscheidung zwischen Sprichwort und sprichwörtlicher Redensart sagt er: "Ein Sprichwort hat die Form eines abgeschlossenen Satzes in fester und unveränderlicher Formulierung. ( ) Eine sprichwörtliche Redensart dagegen ist ein verbaler bildhafter Ausdruck, (...es muß in einen Satz eingefügt werden, um eine feste Aussage zu ergeben...)."
Die Sprichwörter, die ich bei dieser Arbeit analysiert habe, kommen aus vier verschiedenen Sammlungen - zwei deutschen und zwei spanischen, und zwar für das Deutsche: Beyer 1986 und Roehrich 1978; für das Spanische: Refranes 1990 und Fernandez 1989. Insgesamt sind es über 10.000 Sprichwörter, von denen ich solche ausgesucht habe, in denen die Frau und ihre Umwelt widergespiegelt werden. Das Ergebnis dieses Vergleiches ist, daß, mit sehr wenigen Ausnahmen, die den beiden Geschlechtern zugeschriebenen Merkmale völlig verschieden sind. Bei den Sprichwörtern, in denen der Mann die Hauptfigur darstellt, kommen als differenzierte Charakteristika gegenüber denen der Frau folgende, meistens positiv dargestellte Eigenschaften vor: Mut, Herrschaft, Zähigkeit, Intelligenz, Autorität, Verstand, Gewalt, Heftigkeit, physiscfie Stärke, Ehre, Aggressivität. Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf diejenigen Eigenschaften, die als typisch weiblich angesehen werden. Die in Sprichwörtern bei weitem meistgenannte ist die Schönheit. Die Schönheit ist die beste Waffe der Frau, mit der sie alles erringen kann. So heißt es auf deutsch: Eine schöne Wirtin macht auch einen teuren Gasthof, oder die Variante: Eine schöne Wirtin verkauft auch saures Bier.
Diese beiden Sprichwörter haben eine sehr ähnliche spanische Entsprechung: Garrida es la tendera y nadie regatea.
Es ist klar, daß die Kunden überwiegend Männer sind, die bei dem Anblick einer schönen Frau nicht protestieren, auch wenn das Bier sauer ist. Der Mann wird ohne weiteres
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Prtel, R. M.
zahlen, was die Wirtin verlangt, was sicher nicht der Fall wäre, wenn es um einen Wirt ginge. Da die Schönheit die beste Tugend der Frau ist, wehe den Häßlichen! Aber es gibt auch viele Sprichwörter, die vor dieser Schönheit warnen, denn oftmals ist sie nicht so positiv, wie es scheint. Außerdem ist sie auch kurzlebig, wie das Sprichwort sagt: La flor de la hermosura cual la de mayo dura.
Sie verbirgt manchmal auch andere Laster oder Mängel, die letztlich viel wichtiger für das tägliche Leben sind als ein schönes Gesicht. Und so warnt die Weisheit des Volkes: Wer eine Frau der Schönheit wegen nimmt, hat gute Nächte, aber schlimme Tage.
Wenn der Mann eine Lebensgefährtin sucht, bevorzugt er immer eine schöne, auch wenn sie keine gute Hausfrau ist. Die Tradition des Volkes warnt auch davor: No es mujer bonita lo que el hombre necesita. oder auf deutsch: Eine schöne Frau macht noch keinen Hausstand.
Trotz dieser guten Ratschläge fühlt sich der Mann von dem Aussehen unabänderlich bis zu dem Punkt getrieben, an dem er viel wichtigere "Tugenden" geringschätzt, wie z. B. den Reichtum: Mas puede hermosura que billetes y escrituras. Oder was dasselbe ist, aber unmittelbarer und roher gesagt: Schönheit kann man nicht essen.
Aber manchmal No es oro todo lo que reluce oder Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Diese (Schein-)Schönheit ist nicht angeboren; unter Schminke und Schmuck kann sich auch eine häßliche Frau verbergen: Barro y cal encubren mucho mal. Ein schönes Weib braucht keine Schminke.
Das erste und beste Anziehungsmittel der Frau ist also ihre Schönheit, aber man könnte sich fragen: Wozu muß die Frau eigentlich schön sein? Was kann sie damit erreichen? Die Antwort darauf ist eindeutig: daß ihr Schicksal in Erfüllung geht, das heißt, selbstverständlich, heiraten. Die Konzepte Frau und Ehe werden so eng verbunden betrachtet, daß einige deutsche sexistische Sprichwörter die Frau zu Objekten machen: Aus Knaben werden Leute, aus Mädchen werden Bräute.
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Alle weibliche Bemühungen gehen in diese Richtung: einen Mann zu finden, und da muß man, wenn nötig, auch geduldig sein und nicht den Mut verlieren, denn Wer warten kann, kriegt auch einen Mann.
Das heißt, irgendeinen Mann. Ob er der geeignete ist, ist nicht so wichtig. Andere Sprichwörter sind nicht so pessimistisch und versprechen, daß der gefundene Mann sogar "der Richtige" sein könnte: Der richtige Mann kommt nie zu spät.
Man soll nie, auch wenn es schon spät ist, die Hoffnung aufgeben. Man soll das Unmögliche tun, um nicht, wie man auf Spanisch sagt, quedarse para vestir santos, das heißt, ledig zu bleiben. Diese weitbekannte spanische Redewendung bedeutet lediglich quedarse soltero/soltera ohne Differenzierung zwischen Mann und Frau, aber in der Tat wird sie nur in Bezug auf Frauen benutzt. Also, das Wichtigste ist es, einen Gatten zu finden, egal wie er ist. In diesem Zusammenhang gibt es extrem negative und sexistische spanische Sprichwörter, wie z. B.: Sea marido aunque sea de palo, que por ruin que sea es marido.
Noch schlimmer ist das nächste, da es nicht nur sexistisch, sondern auch rassistisch geprägt ist: Casarme quiero y sea con triste negro.
Das Sprichwort ist schon schlimm genug, aber schlimmer noch ist die Erklärung, die der spanische Refranero dafür gibt: Se burla del deseo de las mujerespor casarse, que las lleva a matrimoniar con hombres de escasas cualidades. Das heißt, es wird vorausgesetzt, daß ein Neger automatisch schlechte Eigenschaften hat. Das nächste deutsche Beispiel ist nicht negativ, aber geht auch in diese Richtung: Besser ein Mann ohne Haus, als ein Haus ohne Mann.
Ich habe versucht, Sprichwörter über dieses Thema zu finden, in denen der Mann und nicht die Frau gemeint ist, um zu sehen, ob die Männer auch eine solche Neigung zur Ehe haben. Das Ergebnis ist, daß sie das Heiraten nicht nur für absolut unwichtig halten, sondern auch, daß man ihnen rät, überhaupt nie zu heiraten: Mas vale soltero andar que mal casar.
Und nach der Ehe kommt das echte Wesen der Frau zum Vorschein: alle ihre Scheintugenden sind in Wirklichkeit Laster und Mängel. Wie zeigt sich die Frau, wenn sie schon einen Mann geangelt hat? Sie ist in erster Linie stur, sie will immer recht haben: Die Frauen haben immer anderthalb recht.
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P'nel, R. M.
Deswegen, Vorsicht, Männer! Si tu mujer quiere que te tires de un tejado abajo pidele a Dios que sea bajo. Wenn die Braut nicht tanzen will, dann ist alles fiedeln umsonst.
Sie ist verschwenderisch, und sie bringt nicht nur kein Einkommen für den Haushalt ein, sondern sie verschwendet das Vermögen des Mannes und der ganzen Familie: Wenn der Mann einlöffelt und die Frau ausscheffelt, so geht die Wirtschaft zugrunde. El hombre es para ganarlo y la mujer para gastarlo.
In der Ehe kommt auch die Bösartigkeit der Frau zum Vorschein: Nichts als gute Mädchen und überall böse Frauen.
Ein spanisches Sprichwort rechnet schon im voraus mit der Bösartigkeit aller Frauen, so lohnt es sich nicht, einen zweiten Versuch zu machen, denn es besteht die Gefahr, daß die zweite sogar noch böser als die erste ist: Malo por malo, mi mujer es buena. Der Mann ist bei weitem nicht so böse wie die Frau: Ein böser Mann ist ein Teufel, eine böse Frau eine Hölle.
Die Frau ist von Natur aus geschwätzig. Ihre Sprechgier ist außerdem schädlich, da sie immer ihre Mitmenschen kritisiert und verleumdet: Juntäronse los delantales y no quedo vecina sin senales.
Das heißt, wenn die Hausfrauen (daher das Wort delantal 'Schürze') zusammenkommen, sprechen sie schlecht über ihre Nachbarinnen, egal, ob sie mit ihnen befreundet sind oder nicht. Alle kommen im Gespräch vor: Wenn zwei Frauen zusammenkommen, wird eine Dritte in die Mache kommen. Ihre Gespräche sind so giftig wie Schlangen, und der Teufel ist immer dabei: La vfbora y la mujer tienen ponzona en la boca. Wenn die Weiber waschen und backen, haben sie den Teufel im Nacken.
Eine weitere typische weibliche Eigenschaft ist der Wankelmut. Man kann ihnen nicht trauen, denn ihre Laune wechselt zwanzig Mal am Tag. Man weiß nie, was sie wollen, weil ihr Verhalten und ihre Denkweise unvorhersehbar sind: Mujer, viento y Ventura pronto se mudan. Auf heiteren Himmel und lachende Frau ist nicht zu bauen.
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Deswegen soll man nie glauben, was sie sagen oder was sie machen, nicht einmal an ihre Gefühle, da sie auch in der Liebe wankelmütig und unbeständig sind: Juramentos de mujer, no se han de creer. Frauenlieb' und süsser Wein kann morgen Essig sein.
Vielleicht als Folge dieses Wankelmutes neigt die Frau auch dazu, untreu in der Ehe und in der Liebe zu sein. Ihre Ehre ist zerbrechlich, und die Männer müßen immer ein wachsames Auge haben, ganz besonders diejenigen, die eine schöne Frau haben: Alte Kleider und schöne Frauen bleiben überall hängen. Es de vidrio la mujer.
und deswegen ist es ratsam, daß die Frauen immer zu Hause bleiben und nie alleine ausgehen, nicht einmal mit Freundinnen: La mujer y la oveja temprano a casa. A la mujer y al ladron quitarles la ocasion.
Die Sprichwörter weisen auf eine absolute Ungleichmäßigkeit in dieser Hinsicht zwischen beiden Geschlechtern: El marido barca y la mujer area.
Dieses Sprichwort bedeutet, daß, während der Mann mit anderen Frauen umgehen darf, die Frau mit keinem anderen Mann in Kontakt zu kommen hat, nicht einmal mit einem sprechen darf. Die Kindlichkeit ist ein anderes Merkmal der Frau. Die Sprichwörter raten dem Mann, die Frauen wie Kinder zu behandeln: Kinder und Frauen muß man ihr Spielzeug lassen.
Sie sind wie die Kinder weinerlich, aber man soll auf dieses Wehklagen und die Tränen nicht achten, da die Gründe, die sie haben, überhaupt unwichtig oder nicht gerechtfertigt sind: Einem Weib fehlt es nie an Tränen. En cojera de perro y en llanto de mujer no hay que creer.
Bei so vielen Problemen und Lastern geht die Liebe zu Ende, und die Ehe wird eine Hölle, in der Mann und Frau erbitterte Feinde sind: El perro mi amigo, la mujer mi enemigo, el hijo mi senor. Los enemigos del alma son tres: suegra, cunada y mujer. Wem zu wohl ist, der nehme ein Weib. Wer ein böses Weib hat, braucht keinen Teufel.
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Pifiel, R. M.
Nach dieser Reihe von Lastern und Mängeln muß man sich endlich eine wichtige Frage stellen: Was bedeutet eigentlich die Frau für den Mann?, Wie sieht der Mann die Frau an?, und Was für ein weibliches Bild stellen die Sprichwörter dar? Die Antwort darauf ist besonders niederdrückend. Bei einer Unmenge von Sprichwörtern wird die Frau mit Tieren verglichen; das heißt, Tier und Frau bedeuten dasselbe für den Mann. Die Beispiele dazu sind unzählbar; wir haben schon einige erörtert, aber es gibt viele andere, wie zum Beispiel: La mujer, el caballo y el melon no admiten tdrmino medio. El asno y la mujer a palos se han de vencer. Frauen, Pferde und Uhren soll man nicht verleihen. Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, hat nie ein gutes Pferd im Stall, im Bett nie einen Engel.
Da sie wie Tiere sind, verdienen beide die gleiche Behandlung: Gewalt. Man muß gut aufpassen, damit sie nicht zuchtlos werden und die Hosen anhaben wollen: Si no canta el gallo cantarä la gallina. Pferde und Frauen muß man genau beschauen.
Sie sollen die Autorität des Mannes anerkennen, und wenn sie es nicht tun, dann ist es gerechtfertigt, daß die Männer sie mit Gewalt behandeln: Ich strafe mein Weib nur mit guten Worten, sagte jener und warf ihr die Bibel an den Kopf. A la mujer y a la mula, vara dura.
Der Mann muß ständig seine Autorität ausüben, sonst würde die Frau sich in die Höhe richten und versuchen, die Hosen zu Hause zu tragen, was ein schreckliches Chaos verursachen könnte: Kräht die Henne und piept der Hahn, steht's dem Hause übel an. Casa donde la mujer manda, mal anda.
Aber obwohl die Frauen den Tieren so ähnlich sind, gibt es auch kleine, aber wichtige Unterschiede. Die Tiere sind unentbehrlich für den Mann, um die Arbeit zu verrichten. Aber im Falle der Frau fragt man sich: Wenn sie so problematisch sind, wenn sie nichts einbringen, viel weniger sogar als die Tiere, warum kann der Mann sie nicht entbehren? Wäre es nicht viel leichter, ohne sie zu leben? Die Antwort darauf ist auch leicht und eindeutig. Die Frau hat eine starke Anziehungskraft auf den Mann. Manchmal ist diese unbewußt, aber oftmals weiß sie ganz genau, daß sie mittels ihrer Erotik den Mann dazu bringen kann, alles zu machen, was sie will. Die Triebhaftigkeit ist auch eine gute Waffe der Frau, und viele Sprichwörter weisen darauf hin: Ein Weiberhaar zieht stärker als ein Glockenseil.
Mas tira moza que soga. Die Frau hat ihre Waffen bei sich.
Die Sprichwörter berechtigen den Mann, seine Frau zu Hause einzusperren:
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Wer die Geiß im Hause hat, dem kommt der Bock vor die Tür. La mujer en casa y con la pata quebrada. La mujer casada nunca asegurada.
Das Problem ist sogar komplizierter, als man denken könnte, denn der Mann weiß, daß die Frau ständig lügt und daß ihre Lust und Vergnügungssucht groß ist. Der Mann soll kein Vertrauen in ihre Treue haben, da ihre Natur schwächer als ihre Ehre ist: Wenn die Henne zum Hahn kommt, vergißt sie die Kücken. Gana, mäs no de hilar.
Ich weiß, daß alles, was ich gesagt habe, ein bißchen einseitig klingen könnte, ohne eine Andeutung der Identifizierung der Figur des Mannes in den Sprichwörtern anzuschließen. Um neutral zu sein, habe ich auch die letzteren untersucht, um zu prüfen, ob diese auch ähnliche meistens negative Eigenschaften in den Vordergrund stellen. Keine von den obengenannten Eigenschaften wird dem Mann zugeschrieben, ganz im Gegenteil: die männlichen Merkmale sind nicht nur verschieden, sondern sogar entgegengesetzt. Es gibt mehrere Gegenbeispiele, in denen man ganz klar sehen kann, wie verschieden Frau und Mann im Sprichwort identifiziert werden. Um das zu beweisen, will ich vier weitere Sprichwörter erörtern, in denen ausdrücklich gesagt wird, daß der Mann besser als die Frau ist: Un hombre de plomo vale mäs que una mujer de oro. daß es nur funktioniert, wenn ein Mann da ist, Donde no hay varon, todo bien fallece. daß der Mann sich alle mögliche Freiheiten nehmen darf, im Gegensatz zur Frau: El hombre en la plaza y la mujer en casa.
und daß der Mann, auch wenn er einen Fehler begeht, nicht schuldig daran ist, sondern die Frau: El mozo no ha la culpa, que la mujer se lo busca.
Als letztes möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß fast alle angedeuteten weiblichen Merkmale negativ sind: Sturheit, Bösartigkeit, schlechte Laune, Faulheit, Verschwendung, Vergnügungssucht, Geschwätzigkeit, Oberflächlichkeit, falsche Schönheit, Untreue, Wankelmut, Neugier, Kindlichkeit, Eitelkeit, Triebhaftigkeit, u.s.w. In Bezug auf den Vergleich zwischen spanischen und deutschen Sprichwörtern habe ich festgestellt, daß, obwohl in beiden Sprachen meistens dieselben Eigenschaften erwähnt werden, das Spanische im allgemeinen stärker, roher, direkter, in einem Wort, sexistischer als das Deutsche ist. Wenn die Lage so ist, muß man sich fragen, ob es wirklich eine Lösung dafür gibt. Wenn die Sprache dieses Bild vermittelt, wenn der Sprecher beim Spracherwerb auch diese mündliche Volkskunde lernt, wie können wir die sprachlichen Gewohnheiten des
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, R. M.
Sprechers und, was noch wichtiger ist, die von der Sprache verbreitete Identifizierung der Frau ändern? Wir hoffen, daß die Sprecher und die Zeit von selbst das Problem werden lösen können, auch wenn wir nicht absehen können, wann oder wie. Was man nicht leugnen kann, ist, daß die Kultur allmählich unsexistischer wird, wodurch wir uns Hoffnungen machen können, daß die Sprache dieselbe Entwicklung vollzieht. Der Roman Homo Faber (104) von Max Frisch enthält einen Satz, der als Zusammenfassung des Gesagten zitierenswert ist: "Der Mann sieht sich als Herr der Welt, die Frau nur als seinen Spiegel. Der Herr ist nicht gezwungen, die Sprache der Unterdrückten zu lernen; die Frau ist gezwungen, doch nützt es ihr nichts, die Sprache ihres Herrn zu lernen, im Gegenteil, sie lernt nur eine Sprache, die ihr immer unrecht gibt."
Literatur Beyer, Horst und Annelies (1986): Sprichwörterlexikon. - München. Fernandez, M. (1989): Refranero espaüol. - Madrid. Refranes (1990). - Iter 2000, Barcelona. Röhrich, Lutz (1978): Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. - Freiburg.
Jutta Rösner (Stuttgart)
Kommen und Gehen im Deutschen und Französischen 1. Einfuhrung Als prototypische Bewegungsverben bezeichnen kommen/venir und gehen/aller die reine Fortbewegung und liefern somit die gleiche objektive Information, nämlich die Beschreibung eines Ortswechsels ohne nähere Angabe der Bewegungsmodalität.1 Bekanntlich unterscheiden sich diese Verben allerdings bezüglich impliziter Informationen über den Beobachterstandpunkt, von dem aus die Bewegung kodiert wird, d.h. die Verben sind deiktisch. Die auf die Person-Raum-Zeit-Koordinaten der Äußerungssituation bezogenen pragmatischen Präsuppositionen der deiktischen Verben sind mehrfach beschrieben worden (vgl. v.a. zum Englischen Fillmore 1983), wobei die Frage nach den verschiedenen Möglichkeiten der Verschiebung des Beobachterstandpunktes sowie, davon abgeleitet, die Voraussetzungen der Verwendung dieser Verben in situationsgelösten Texten im Mittelpunkt der meisten Untersuchungen steht. Kontrastive Beschreibungen haben deutlich gemacht, daß zwischensprachliche Unterschiede in der Verwendung der deiktischen Fortbewegungsverben auf ihre unterschiedlichen Perspektivierungseigenschaften zurückzuführen sein können. So besteht im Spanischen, anders als beispielsweise im Deutschen, Englischen oder Französischen, eine ausgeprägte Tendenz, "die eigene Perspektive bei der Beschreibung der Bewegung beizubehalten" (Ibanez 1983:XVII), so daß die Möglichkeiten der Übernahme einer anderen Perspektive als der des Sprechers stark eingeschränkt sind (vgl.yo voy für ich komme). Obwohl die perspektivischen Eigenschaften sicher ein primäres Charakteristikum der deiktischen Verben sind, vermitteln diese Verben oft implizite Informationen ganz anderer Art, die sich zwar wie die Perspektivierungseigenschaften aus dem außersprachlichen Konzept gerichteter Bewegung herleiten lassen, aber weit mehr als diese von einer Sprache zur anderen variieren können.2 Die unterschiedlichen impliziten Informationen determinieren aber nicht nur den Gebrauch der deiktischen Verben zur Bezeichnung konkreter Ortsveränderung, sondern vor allem auch viele ihrer metaphorischen, oft als idiomatisch bewerteten Gebrauchsregularitäten, die sich jedoch vor dem Hintergrund ihrer perzeptuellen Basis, dem Bewegungsschema, das ja - wie räumliche Konzepte überhaupt - ein grundlegendes Organisationsschema für viele andere Bereiche ist (vgl. Miller/Johnson-Laird 1976:523; Jackendoff 1985:188-211), zumindest teilweise systematisieren und kontrastiv beschreiben lassen. Im 2. Abschnitt wird zunächst das Bewegungsschema erläutert, daran anschließend werden die deiktischen Verben unter drei für den deutsch-französischen Sprachvergleich relevanten Bewegungsaspekten kontrastiert und ihr Gebrauch in davon abgeleiteten Bewegungsmetaphern motiviert.
2
Davon zu unterscheiden ist gehen als Verb der Bewegungsart. Zum Deutschen vgl. Schmidt (1963:36-43); zum Englischen Clark (1974), Radden (1989); zum deutschenglischen Vergleich Rauh (1981); zum deutsch-französischen Vergleich Schlyter (1979 und 1985).
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2. Bewegungskonzept Grundlegend für die Konzeptualisierung und Versprachlichung gerichteter Bewegung ist das "Pfadschema", also der von zwei Punkten begrenzte Weg. Einer dieser Punkte ist der Ausgangspunkt, der zweite der Endpunkt der Bewegung, dadurch erhält der Weg seine Richtung. Fortbewegungsverben beschreiben, wie sich ein Objekt vom Ausgangspunkt entlang eines Weges innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls zum Endpunkt hinbewegt. Die Strukturelemente des Bewegungskonzepts - Ausgangs- und Endpunkt, Pfad, bewegendes Objekt, Richtung und Zeit - können bei der Perzeption gerichteter Bewegung unter unterschiedlichen Aspekten erfaßt werden und in die Kodierung eingehen. Die Aspekte, die Erklärungen liefern für wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der deutschen und französischen deiktischen Verben - sei es in ihrem konkret räumlichen Gebrauch, sei es in einigen davon abgeleiteten übertragenen Verwendungsweisen sind: 1) Die Perspektive, aus der die Bewegung beobachtet wird. 2) Die räumliche oder zeitliche Fokussierung der Aufmerksamkeit auf eines der Elemente des Pfades oder Bewegungsablaufs, die unabhängig von der Perspektive sein kann. Typische ausgangspunktfokussierende Verben sind z.B. verlassen/quitter, typische endpunktfokussierende erreichen/atteindre, während Verben wie fahren/laufen in dieser Hinsicht neutral sind. 3) Die Art der Antriebskraft (Dynamik) des sich Bewegenden. Im Satz Der Vogel fliegt sind Bewegender und Bewegendes identisch (Eigendynamik), nicht aber im Satz Der Ball fliegt durch das Fenster, in dem das Subjekt nicht Agens, sondern Patiens ist (vgl. Jemand schießt den Ball durch das Fenster). Eng verbunden mit der Frage der Dynamik ist die Frage der Intentionalität. Unter den drei Aspekten der Perspektivierung, der Fokussierung und der Bewegungsdynamik sollen im folgenden die deutschen und französischen deiktischen Verben kontrastiert werden.
3. Perspektivierung Die unterschiedlichen Informationen, die aller/gehen einerseits, venir/kommen andererseits bezüglich eines impliziten Beobachterstandortes enthalten, gehen aus den Beispielen (l)-(3) hervor: (1) Ich gehe jetzt zum Bahnhof. - Je vais maintenant ä la gare.
(1) ist so zu interpretieren, daß der aktuelle Standort des Sprechers der Ausgangspunkt ist, von dem er sich entfernt, um sich auf das genannte Ziel hinzubewegen, und von dem er folglich auch die Bewegung perspektiviert, was sich durch die hier denkbaren lokaldeiktischen Zusätze von hier/d'ici, die den Ausgangsort eindeutig als die Position des Sprechers ausweisen, verdeutlichen läßt. Ersetzt man die Angabe des Ziels (zum Bahnhof/ä la gare) durch eine Spezifizierung des Ausgangspunktes, (2) *Ich gehe vom Bahnhof. - *Je vais de la gare.
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so wird die Äußerung aufgrund der fehlenden Richtungsbestimmung inakzeptabel, denn direktionale Verben erfordern stets eine Information über die Bewegungsrichtung. Dagegen ist der entsprechende Satz mit kommen/venir völlig korrekt, (3) Ich komme vom Bahnhof. - Je viens de la gare.
was allein dadurch zu erklären ist, daß kommen/venir selber die nötigen Informationen über das Ziel der Bewegung enthalten müssen. Primär ist das wiederum die Position des Sprechers, wie sich auch hier durch die deiktischen Zusätze hierher/id zeigen läßt, d.h. mit kommen/venir beschreibt ein Sprecher eine Bewegung als Annäherung an seinen eigenen Standort, was insbesondere auch aus Imperativen wie komm her/komm zu mir - viens ici/viens chez moi deutlich wird. Allerdings kann sich der Sprecher bisweilen auch nur gedanklich an das Bewegungsziel versetzen und die Bewegung von einer anderen als seiner tatsächlichen Position her perspektivieren. Am eingehendsten sind die verschiedenen Möglichkeiten der Verschiebung des Orientierungszentrums von Fillmore (1983) in bezug auf das Englische untersucht worden, doch gelten, wie Kerbrat-Orecchioni (1980:50-54) oder Ibanez (1983) gezeigt haben, die von Fillmore beschriebenen pragmatischen Präsuppositionen von come ebenso für das Französische und das Deutsche. Demnach können, wie die folgenden Beispiele mittels Ergänzungen erkennen lassen, die eine lokaldeiktische und zeitliche Referenz zum Zielort herstellen, kommen wie venir eine Annäherung an den Ort bezeichnen, den einer der Gesprächsteilnehmer, Sprecher oder Angesprochener, entweder zur Sprechzeit oder zum Zeitpunkt der Bewegung, der Referenzzeit innehat: (4) Komm her. - viens ici. (Ort des Sprechers zur Sprechzeit) (5) Ich komme (zu dir). - Je viens (chez toi). (Ort des Angesprochenen zur Sprechzeit) (6) Komm morgen zu mir. - Viens chez moi demain. (Ort des Sprechers zur Referenzzeit) (7) Ich komme morgen (zu Dir). - Je viendrai demain (chez toi). (Ort des Angesprochenen zur Referenzzeit)
Aus den Beispielen geht im übrigen auch hervor, daß für die Beschreibung der gerichteten Bewegung der Ausgangspunkt gegenüber dem Endpunkt eine untergeordnete Rolle spielt und daher weglaßbar ist, so daß kommen/venir auch ohne Lokalergänzung stehen können. Die pragmatischen Präsuppositionen von kommen/venir sind auch im folgenden Beispiel gültig, in dem das Subjekt keiner der Gesprächsteilnehmer ist und das Ziel durch eine nicht-deiktische Angabe spezifiziert wird: (8) Kommt Monika heute abend in die Ausstellung? Est-ce que Monique viendra ä l'exposition ce soir?
(8) setzt nämlich voraus, daß Sprecher oder Hörer (oder beide) am Abend ebenfalls in der Ausstellung sein werden oder sich gerade dort aufhalten. Demgegenüber machen die Fragen (9) Geht Monika heute abend in die Ausstellung? Est-ce que Monique ira ä l'exposition ce soir?
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keinerlei Präsuppositionen bezüglich der Anwesenheit mindestens einer der Gesprächspartner im Ziel, schließen sie zur Referenzzeit allerdings auch nicht aus (so könnte der Sprecher bei einer positiven Antwort folgern: "Dann werden wir sie ja treffen."). In diesem Fall kann also die Bewegung im Deutschen wie im Französischen entweder vom Ausgangspunkt oder vom Endpunkt her kodiert werden. Befindet sich der Sprecher allerdings zur Kodierzeit im Ziel, so muß er die Bewegung auch von dort aus perspektivieren. Unterschiedlich verhalten sich dagegen beide Sprachen bezüglich der Referenz auf den Angesprochenen. Hat der französische Sprecher hier die Wahl, entweder das Orientierungszentrum seines Gesprächspartners zu übernehmen und damit seine Bewegung vom Ziel aus zu perspektivieren (10) Je viendrai vous voir bientot.
oder seinen eigenen Blickpunkt im Ausgangspunkt beizubehalten (11) J'irai vous voir bientot.
so muß der deutsche Sprecher die Perspektive des Angesprochenen übernehmen: (12) Ich komme (*gehe) dich bald besuchen.
Während also gehen im direkten Bezug auf beide Gesprächspartner im Ziel ausgeschlossen ist, ist es aller nur in bezug auf den Sprecher. Nach Ibaflez (1983:121) drückt venir hier allerdings eine engere Beziehung zum Angesprochenen aus als aller, da die Anwesenheit an dessen Standort bereits vom Sprecher vorwegenommen wird, was nach Chevalier (vgl. Ibaftez 1983:121, Anm. 1) insbesondere in Fragen aufdringlich wirken könnte. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum das Dictionnaire des difficultes de la langue frangaise von A. Thomas venir in dieser Verwendung als nicht korrekt ablehnt. Unterschiedlich verhalten sich die deutschen und französischen deiktischen Verben auch beim Ausdruck der Begleitung, also in komitativen Situationen. Ausschlaggebend für die Wahl zwischen dt. kommen oder gehen ist, ob das von einem der Kommunikationspartner angesteuerte Ziel in dessen Sphäre einbezogen wird (a) oder nicht (b): (13) Ich gehe in die Stadt. - (a) Kommst du mit?/Ich komme mit. (b) Gehst Du mit?/Ich gehe mit. (Bezüglich Dritter - d.h. bei nicht-deiktischem Bezug - ist immer mir gehen möglich: Gehst du mit deinen Freunden schwimmen oder kommst du mit mir in die Stadt?)
Im Französischen kann dagegen ohne weitere Ergänzung nur venir stehen, da, anders als im Deutschen, die indirekte Referenz auf das vorerwähnte Ziel (avec moi) als Richtungsergänzung von aller offensichtlich nicht ausreicht:3 *»
Gleiches beobachtet Schlyter auch bei anderen Richtungsverben: "II semble pourtant que, en francais, si un argument SOURCE ou BUT n'est pas le lieu de Pobservateur, ni le lieu de reT6rence du texte, mais un autre lieu dejä mentionno [...] cet argument doit etre represents linguistiquement par en ou _y, respectivement, p.ex: II est entr6 ( = ici). =Ü= > Er ist hereingekommen. II y est entro. = Ü = > Er ist hineingegangen. (1985:64).
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(14) Je vais ä la fac. - (a) Tu viens avec moi? (b) Tu vas avec moi?
Wird aber das Ziel durch ein anaphorisches Pronomen wiederaufgenommen, so ist nur noch aller möglich: (15) Je vais ä la fac. - (a) Tu y vas avec moi? (b) Tu y viens avec moi?
Dagegen läßt sich venir sehr wohl mit einer nominalen Richtungsbestimmung ergänzen: (16) Tu viens avec moi ä Paris?
Die Erklärung für die Sätze (15) und (16) scheint darin zu liegen, daß in (15b) zwei unterschiedliche Arten der Referenz vorliegen, nämlich die situationsdeiktische und die anaphorische (Text-)Referenz, und daß diese sich im Französischen gegenseitig ausschließen. Die situationsgebundene Interpretation der deiktischen Bewegungsverben bedeutet nun aber nicht, daß sie in situationsgelösten Texten ausgeschlossen sind. Vielmehr werden dort ihre perspektivischen Informationen auf einen impliziten Beobachterstandpunkt bezogen. Damit läßt sich beispielsweise in Erzählungen in der dritten Person das Geschehen auf die zentrale Handlungsfigur ausrichten. So vermittelt im Unterschied zu (17) Beispiel (18) das Geschehen aus dem Blickwinkel eines im Zimmer lokalsierten Beobachters: (17) Les bandits sont allos dans sä chambre. Die Banditen sind in sein Zimmer gegangen. (18) Les bandits sont venus dans sa chambre. Die Banditen sind in sein Zimmer gekommen.
Diese 'Deixis im Vorstellungsraum' ist in der Literatur ein wichtiges stilistisches Mittel, um die (geistige) Versetzung des Lesers an den Ort des fiktiven Geschehens anzuregen, denn sie bildet nach Fontanille (1989: 32) den "acces obligatoire ä l'interpretation du texte". Auf dem Konzept "Bewegung auf den Beobachter zu" beruhen schließlich auch zahlreiche metaphorische Extensionen der Verben kommen/venir. Zur Veranschaulichung abstrakter zeitlicher Relationen lassen sie den Verlauf der Zeit als Bewegung auf uns zu, als Annäherung zeitlicher Fixpunkte an einen unbeweglichen Beobachter, der das temporaldeiktische Zentrum darstellt, erscheinen: (19) Der Abend kommt. - Le soir vient. (20) Les annoes qui viennent. - Die kommenden Jahre.
Die räumliche Opposition Entfernung vom vs. Annäherung zum deiktischen Zentrum ist auch im Gebrauch von aller/venir de als temporale Hilfsverben in den temporalen Bereich übertragen. Transponiert in den kausalen Bereich steht räumliche Herkunft zum Ausdruck der Ursache:
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(21) Sein Husten kommt vom vielen Rauchen. Sa toux vient de ce qu'il fume trop. (22) Cela vient de son dducation. Das kommt von seiner Erziehung.
In der Zieldomäne des Denkens und Fühlens bezeichnen kommen/venir das Eintreten unfreiwilliger oder unbeabsichtigter physischer oder psychischer Reaktionen: (23) Ihm ist eine Idee gekommen. - Une idoe lui est venue. (24) Tränen kamen ihm. - Des larmes lui sont venus.
4. Fokus Neben der Ausrichtung auf ein festes Orientierungszentrum gemäß der Opposition Annäherung vs. Entfernung haben kommen/gehen aller/venir auch die für Deiktika typische indexikalische Funktion, d.h. sie fokussieren die Aufmerksamkeit - unabhängig von der Zielorientierung der Bewegung - auf bestimmte Abschnitte des Pfades oder Phasen des Bewegungsablaufs, wie Ausgangs- oder Endpunkt, Beginn oder Ende des Ortswechsels, was sich durch zusätzliche Zeitangaben verdeutlichen läßt: (25) Paul est allo au cafo ä 8 heures. Paul ist um 8 Uhr ins Cafo gegangen. (26) Paul est venu au cafo a 8 heures. Paul ist um 8 Uhr ins Cafd gekommen. (27) Paul est venu du cafo ä 8 heures. Paul ist um 8 Uhr vom Cafo gekommen.
(25) beschreibt die Bewegung von ihrem Ausgangspunkt, auf den auch die Zeitangabe bezogen wird, der Satz wird demnach inchoativ verstanden, nämlich daß sich Paul um 8 Uhr auf den Weg gemacht hat; (26) und (27) dagegen geben die Bewegung von ihrem Endpunkt her wieder - unabhängig davon, ob die Ortsbestimmung Herkunft oder Ziel spezifiziert -, und somit bezieht sich auch die Zeitangabe auf die Endphase des Ortswechsels, so daß kommen/venir hier terminativen Sinn erhalten. Der raumzeitliche Fokus der deiktischen Verben fällt demnach mit ihrer perspektivischen Orientierung zusammen. Daß dies nicht zwangsläufig so sein muß, zeigt sich bei den deutschen Verbpartikeln hin/her: (28) Hans läuft (kommt) herein. (29) Inge läuft (geht) hinaus.
Beide Äußerungen präsupponieren einen Beobachter, der sich im Raum befindet. Her bezeichnet also (wie kommen) eine Bewegung auf den Sprecher zu, hin (wie gehen) eine von ihm weggerichtete Bewegung. Andererseits verweist, wie aus den nächsten Beispielen hervorgeht, hin auf das Ziel der Bewegung, her dagegen auf ihren Ausgangspunkt, weshalb hin kommen wie gehen ergänzen kann, her dagegen mit gehen unangemessen ist:
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Paul geht zum Bahnhof. -> Er geht dorthin. *Paul geht vom Bahnhof. -> *Er geht dorther. Paul kommt vom Bahnhof. - > Er kommt dorther. Paul kommt zum Bahnhof. - > Er kommt dorthin.
(33) wirft vor allem aber auch ein neues Licht auf den Gebrauch von kommen. Donhin referiert eindeutig auf eine vom Beobachterstandort entfernte Position, die Bewegung kann daher nicht vom Zielpunkt her aufgefaßt werden. Der Satz ist aber selbst dann akzeptabel, wenn auch zur Referenzzeit kein Beobachter im Ziel angenommen werden kann, wie die folgenden Beispiele erkennen lassen: (34) Paul ist eben zum Bahnhof gefahren, aber als er dorthin kam, waren die Schalter schon geschlossen. (35) Man kommt nur auf einem Umweg dorthin.
Bei kommen kann demnach, wenn die Äußerung ein Adverb enthält, das das Ziel spezifiziert (Rauh 1981:60), die perspektivische Ausrichtung zugunsten der Fokussierung auf den Endpunkt der Bewegung neutralisiert sein. In den entsprechenden französischen Sätzen steht dagegen arriver, denn anders als kommen ist venir in bezug auf ein nichtdeiktisches Ziel ausgeschlossen, also wenn keine der in Abschnitt 3 beschriebenen pragmatischen Präsuppositionen erfüllt ist. (34a) Paul est al!6 ä la gare, mais quand il est arrivd, les guichets dtaient dejä fermos. (35a) On n'y arrive que par un devour. (36) Beaucoup essayent d'arriver directement dans l'ouest de l'Allemagne. (Le Monde 15.8.91 zu illegalen Einwanderern aus Osteuropa)
Umgekehrt kann arriver sehr wohl auf ein deiktisches Ziel referieren, ohne jedoch bedeutungsgleich zu sein mit venir, wie die folgenden Fragen zeigen, die beide in Paris geäußert werden können: (37a) Quand est-ce que tu viens ä Paris? (37b) Quand est-ce que tu arrives ä Paris?
(37a) fragt danach, wann der Angesprochene überhaupt vorhat, die Reise nach Paris anzutreten (Antwort z.B. la semaine prochaine\ bezieht sich also auf den Ortswechsel insgesamt, (37b) dagegen setzt diesen Ortswechsel gedanklich bereits voraus und fragt nur punktuell nach dem Moment des Eintreffens (Antwort: ä 9H15). Ebenso setzen (38a) und (38b) gleichermaßen voraus, daß Sylvie sich zumindest auf den Weg gemacht hat: (38a) Sylvie est arrivee. (38b) Sylvie n'est pas arrivde.
In deiktischen Situationen assortiert demnach venir einen Ortswechsel von A nach B (= sich begeben), während arriver diesen Ortswechsel bereits präsupponiert und nur noch Aussagen über die Ankunft im Ziel macht. Daher steht in Verbindung mit einem punktuellen Zeitadverb in der Regel arriver, während nicht-punktuelles venir trotz Endpunktfokussierung oft ausgeschlossen ist (Fontanille 1989:29), wobei allerdings die Weglänge ein Kriterium für die Akzeptabilität zu sein scheint (im Unterschied zu (39a) sind (26/27) durchaus korrekt). Kommen dagegen verhält sich gegenüber der aspektuellen
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Unterscheidung der Punktualität indifferent: (39) Paul ist um 8h35 nach Paris gekommen. (39a) *Paul est venu ä Paris ä 8h35. (39b) Paul est arrivo ä Paris ä 8h35.
Auch aller beschreibt trotz Ausgangspunktfokussierung die Bewegung immer in ihrer Gesamtheit. So wird das - von französischen Muttersprachlern gerade noch akzeptierte Paul vient d'aller a Paris eher als gleichbedeutend verstanden mit Paul rentre de Paris, aber keinesfalls mit Paul vient de partir pour Paris. Demgegenüber kann gehen, ohne Richtungsergänzung gebraucht, das punktuelle Verlassen des bisherigen Aufenthaltsortes bezeichnen. Dem entspricht frz.partir oder s'en aller: (40) Ich muß jetzt gehen. II faut que je parte/que je m'en aille maintenant.
Wie Radden (1989:232) bezüglich der deutschen und englischen deiktischen Bewegungsverben bemerkt, "kann derselbe Sachverhalt in verschiedenen Sprachen unterschiedlich kodiert werden". Tatsächlich scheinen die unterschiedlichen semantischen Merkmale der Bewegungsverben die Wiedergabe derselben Situation unter unterschiedlichen Aspekten bisweilen sogar unvermeidlich zu machen: (41)-(43) beschreiben eine beabsichtigte Bewegung zu einem Zielpunkt, die aber aufgrund äußerer Umstände in Frage gestellt oder negiert wird. In solchen Fragen oder Negationen wird im Deutschen mittels kommen das anvisierte Ziel der Bewegung fokussiert, während die entsprechenden französischen Sätze den Ortswechsel vom Ausgangspunkt her perspektivieren: (41) Wie willst du bei diesem Glatteis ins Büro kommen? Comment veux-tu aller au bureau par ce verglas? (42) Ich bin noch nie nach Japan gekommen. Je ne suis jamais al!6 au Japon. (43) Mit dieser Summe komme ich nicht weit. Avec cette somme je n'irai pas loin.
Arriver würde anders als aller präsupponieren, daß der Ortswechsel bereits begonnen, und nur das Erreichen des Ziels in Frage gestellt ist. Globalisierendes venir dagegen würde zu unangemessenen Äußerungen führen, da eine Verlegung des Blickpunktes ins Ziel ausgeschlossen ist. Mit dem Transfer des Bewegungsschemas in den metaphorischen Bereich kann allerdings auch bei venir die perspektivische Orientierung neutralisiert sein, so daß es ein abstraktes Ziel fokussieren kann: (44) Venir ä maturito. (45) Vous deviez nous parier du probleme des doictiques. - Oui, j'y viens maintenant.
Häufiger entspricht jedoch auch hier arriver dt. kommen: (46) II nous faut essayer d'arriver a quelque chose. Wir müssen sehen, daß wir zu etwas kommen.
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(47) J'arrive ä la fin de mon exposo. Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen.
Das Erreichen eines abstrakten Ziels ist sogar in arrivera faire qc lexikalisiert: (48) H faut absolument que j'arrive ä trouver de l'argent. Ich muß unbedingt zu Geld kommen.
Im Deutschen wird Ausgangs- und Endpunktfokussierung bisweilen auch im metaphorischen Sinn zum Ausdruck unterschiedlicher Bedeutungsnuancen genutzt: So kann man einer Sache auf den Grund gehen oder kommen, wobei kommen, resultativ verstanden, die größere Zuversicht oder Entschlossenheit ausdrückt, das Handlungsziel zu erreichen (Rauh 1981:62). Der Unterschied ist im französischen examiner une chose a fond neutralisiert.
5. Dynamik Die Ausgangs- bzw. Endpunktfokussierung von gehen und kommen kann sich mit einer weiteren Opposition verbinden: (49) Geh geradeaus, dann kommst du zuerst zur Kirche, dann zum Rathaus. Va tout droit, tu arrives d'abord ä Poglise, ensuite ä la mairie.
Kommen referiert hier auf Orte, die nicht vom Subjekt selbst als Ziele gesetzt wurden, sondern zu denen der Verlauf des Weges zwangsläufig führt (= geraten, gelangen). Aufgrund der punktuellen Endpunktfokussierung steht im Französischen arriver. Daß der Endpunkt der Bewegung in diesem Fall unabhängig von der Willensentscheidung des Subjekts ist, zeigt sich darin, daß kommen in diesem Kontext mit einem Finalsatz inkompatibel ist: (50) *Er kam nach 300m zur Kirche, um zu beten.
Der Eindruck der Steuerung von außen kann im Deutschen sogar noch dadurch verstärkt werden, daß die Situation von (49) deiktisch wiedergegeben wird, so daß sich die Raumpunkte, die Etappen des Weges bezeichnen, nun grammatisches Subjekt des Satzes, auf die - nicht mehr erwähnte - Person, nun passiver Beobachter, zu bewegen, was einer Dynamisierung des Raumes gleichkommt. Im Französischen dagegen bleibt der Raum statisch gedacht: (51) Wenn du geradeaus gehst, kommt zuerst die Kirche, dann das Rathaus. Va tout droit, tu arrives d'abord ä l'oglise, ensuite ä la mairie.
Im Gegensatz zu kommen verweist gehen stets auf ein vom Subjekt absichtlich gewähltes Bewegungsziel: (52) Wo kommen wir jetzt hin? Oü est-ce qu'on arrive maintenant? (53) Wo gehen wir jetzt hin? - Oü est-ce qu'on va maintenant?
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Die Erklärung liegt wohl darin, daß, wie Radden (1989:239) zutreffend bemerkt, "Menschen gewöhnlich von Absichten geleitet [sind], wenn sie sich zu einem bestimmten Ort hinbewegen", so daß ausgangspunktperspektivierende Verben meist mit einer intentionalen Bedeutung verbunden werden. Aber auch endpunktperspektivierende Verben werden offensichtlich vorwiegend intentional verstanden, denn es scheint, "daß Menschen nicht nur ihre eigenen Bewegungen als intentional betrachten, sondern auch die anderer Personen" (Radden 1989:239). Daher läßt sich wohl auch venir nur in Ausnahmefällen mit einem unbelebten Subjekt verbinden (Schlyter 1979:254; Caroli 1984:4f.). Bei neutraler Perspektive dagegen kann mitunter das Interesse am Endpunkt der Bewegung die Frage nach ihrem Urheber in den Hintergrund treten lassen. Die auf dem Merkmal der Intentionalität beruhende Opposition Eigendynamik vs. Fremddynamik bildet im Deutschen die Grundlage für viele übertragene Verwendungsweisen der deiktischen Bewegungsverben, insbesondere für die Bezeichnung eines (abstrakten) Ortswechsels, der eine Veränderung von Status oder Lebenssituation einschließt, so in den folgenden Beispielen, die weniger den konkreten Ortswechsel, als die abstraktere Verlagerung des Lebensmittelpunkts beschreiben: (54) Ich gehe nach München. (55) Ich komme nach München.
(54) äußert der Sprecher, wenn er beispielsweise beruflich nach München versetzt wurde, ohne Einfluß darauf nehmen zu können. Ursache oder Urheber des vorgesehenen Ortswechsels sind hier weniger wichtig als das Resultat, auf das sich die Aufmerksamkeit konzentriert. (54) entspricht daher einem passivischen Satz oder einer transitiven Konstruktion mit schicken (). Demnach ist das Subjekt von (54) grammatisches, aber nicht handelndes Subjekt, nicht Agens, sondern Patiens. Kommen könnte man hier also in einem weiteren Sinne als Rezessivum oder ergativisch bezeichnen. (55) äußert der Sprecher dagegen, wenn er sich selber für München entschieden hat, hier stimmen grammatisches Subjekt und Agens überein. Obwohl im Französischen, wie aus den Beispielen (52/53) hervorgeht, Unterschiede in der Bewegungsdynamik mittels der Opposition aller vs. arriver zur Geltung gebracht werden können, scheinen diese Unterschiede gegenüber Präsuppositionen bezüglich der Perspektive und des Beginns des Ortswechsels (den arriver hier bereits voraussetzen würde, vgl. Abschnitt 4) von untergeordneter Bedeutung zu sein, wie folgendes Zitat aus Le Monde (17.8.91) nahelegt: (56) Dites au revoir ä vos families et emportez une brosse ä dents, car vous irez en prison.
Solche, durch Gesetzeskraft geregelten Vorgänge, bei denen der direkte Urheber der Handlung unbestimmt bleibt, sind im Deutschen dagegen ein typischer - metaphorischer - Anwendungsbereich von kommen (Sie kommen ins Gefängnis). Der passivische Charakter solcher Wendungen kann im Französischen oft nur durch eine entsprechende Konstruktion wiedergegeben werden: (57) vor den Richter kommen - etre entendu par un juge (58) zum Militär kommen - etre appele au service militaire
Wer zum Militär geht, hat sich selbst dazu entschlossen. In anderen Fällen kommt der in den deutschen deiktischen Bewegungsverben angelegte Kontrast zwischen Fremddynamik - in (59) gegeben durch den normalen Lauf der
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Dinge (mit 10 kommen Kinder auf die höhere Schule) - und freier Willensentscheidung (60) in den französischen Entsprechungen nicht zum Ausdruck: (59) auf die höhere Schule kommen - aller/entrer au lycoe (60) in die Industrie gehen - entrer dans l'industrie
Ein sehr anschauliches Beispiel hierzu liefert schließlich noch (61), das im Deutschen anders als im Französischen sehr deutlich die Entscheidung "von oben" zur Geltung bringt. (61) Du kommst nicht in den Himmel. - Tu n'iras pas au ciel.
Bezeichnet der Ausdruck mit kommen das Geraten in eine schwierige Situation aufgrund nicht näher bestimmter widriger Umstände, so haben die Wendungen erklärlicherweise im allgemeinen kein intentionales Gegenstück mit gehen (wer begibt sich schon absichtlich in eine unangenehme Situation?). Im Französischen kommt das Unerwartete, Nicht-Intentionale in Ausdrücken wie tomber/trouver/perdre zur Geltung: (62) Wir sind vom Regen in die Traufe gekommen. Nous sommes tombos de Charybde en Scylla. (63) Er kam in eine schwierige Situation. II se trouva dans une situation difficile. (64) Ich bin aus dem Konzept gekommen. J'ai perdu le fil de mon discours.
Ist das Subjekt von kommen anders als in den bisherigen Beispielen ein nicht-entscheidungsfähiges - meist unbelebtes - Subjekt, so bezeichnet kommen einen gewohnheitsmäßigen Vorgang, der im Französischen oft mit einer medio-passivischen Reflexivkonstruktion wiedergegeben wird: (65) Die Vase kommt auf diesen Tisch. Le vase se met sur cette table. (66) Die Gläser kommen in den Schrank. Les verres se rangent dans le placard.
Gehen hat mit einem unbelebten Subjekt natürlich nichts Intentionales mehr, kontrastiert allerdings auch hier mit kommen, insofern als es den Sinn von "passen" annimmt, also über Ausmaß oder Größe informiert: (67) Das Buch geht in meine Tasche. Le livre entre dans mon sac.
Konzeptueller Hintergrund der Bedeutung ist hier der dem Pfadschema inhärente statische Aspekt der Weglänge. Ist der Bezug auf einen Beobachterstandpunkt möglich, so ist im Französischen statt eines deiktisch neutralen Verbs (entrer/arriver) venir möglich: (68) Votre fils me vient ä 1'epaule. Ihr Sohn geht mir bis zur Schulter.
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Die Beispiele 56-66 legen die Vermutung nahe, die für die deutschen deiktischen Verben vor allem im metaphorischen Bereich so wichtige Opposition zwischen Eigen- und Fremddynamik spiele für aller/venir keine Rolle, was nur bedingt richtig ist. Man denke hier an - allerdings lexikalisierte - Wendungen wie venir ä/en venir ä, die, ausschließlich metaphorisch gebraucht und daher nicht perspektivisch, das Merkmal des Nicht-Intentionalen haben: So verbinden sich in (69/70) in en venir a Endpunktfokussierung und Fremddynamik zum Ausdruck des ungewollten Überschreitens einer Grenze, des UberEin-Ziel-Hinausschießens: (69) Comment en est-on venu lä? Wie konnte es nur so weit kommen? (70) J'en suis venue maintenant ä ne plus l'dcouter. Jetzt bin ich so weit gekommen, daß ich ihm nicht mehrzuhöre.
Im Kontrast dazu scheint aller jusqu'ä ein bewußtes Vorstoßen bis zum äußersten Punkt zu bezeichnen: (71) II alia jusqu'ä lui dire... - Er ging so weit, ihm zu sagen... (72) Elle est al!6e trop loin. - Sie ist zu weit gegangen.
6. Zusammenfassung Die in der vorliegenden Untersuchung vor dem Hintergrund des außersprachlichen Konzepts gerichteter Bewegung unternommene Beschreibung einiger wesentlicher Unterschiede im konkret räumlichen wie auch im davon abgeleiteten metaphorischen Gebrauch der deutschen und französischen deiktischen Fortbewegungsverben hat gezeigt, daß Unterschiede in der Verwendung dieser Verben, die insbesondere bei der Übersetzung von kommen Schwierigkeiten bereiten können (Schlyter 1979:251), darauf zurückzuführen sind, daß unterschiedliche Aspekte des Bewegungsschemas die Bedeutung dieser Verben im Deutschen und Französischen determinieren. Ausschlaggebend für den Gebrauch von kommen/gehen ist in erster Linie die Fokussierung. Diese Feststellung mindert keineswegs die Bedeutung der perspektivischen Eigenschaften dieser Verben, insofern als mit der perspektivischen Ausrichtung automatisch auch die Fokussierung festgelegt ist (vgl. Abschnitt 4). Umgekehrt können sich mit der Fokussierung unterschiedliche Präsuppositionen bezüglich der Bewegungsdynamik verbinden. Schematisch lassen sich die wesentlichen Merkmale von kommen/gehen vereinfacht so darstellen: Fokussierung - Endpunkt + intentional - endpunktperspektivierend gehen
+ Endpunkt ± intentional ±endpunktperspektivierend kommen
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Demgegenüber kontrastieren aller/venir ausschließlich bezüglich ihrer perspektivischen Ausrichtung. Für den deutsch-französischen Vergleich zentral erweist sich darüber hinaus aber auch die aspektuelle Unterscheidung punktuell vs. nicht-punktuell, die sich für die punktuelle Fokussierung auf das Ziel klarer in der Frage nach der Präsupposition des Ortswechsels erfassen läßt. Diese Ergebnisse führen zu folgender Darstellung: Ortswechsel + präsupponiert
- präsüpponiert
(+ punktuell)
+ punktuell
- punjtuell
Perspektive Perspektive - Endpunkt + Endpunkt arnver
partir
aller
vemr
In einem abschließenden Schema sollen die Ergebnisse für das Deutsche und Französische miteinander verknüpft und damit Übersetzungsregularitäten, zumindest im konkret räumlichen Bereich aufgezeigt werden. Aus Gründen der übersichtlicheren Darstellung erweist es sich dabei am günstigsten, von der Perspektive auszugehen, da sie der wichtigste gemeinsame Nenner im Gebrauch der deutschen und französischen deiktischen Verben ist. Perspektive
Fokus - Endpunkt
Fokus + Endpunkt
Fokus + Endpunkt
+ intentional + intentional -intentional + intentional gehen
kommen - _
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I
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aller
+ punktuell - punktuell Ortswechsel - präsupponiert
+ punktuell
- punktuell
Ortswechsel Ortswechsel + präsupponiert - präsupponiert
- Ziel
+ Ziel Perspektive
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Rösner, J.
Die Gegenüberstellung macht auch deutlich, daß die weitaus höhere Frequenz von kommen gegenüber venir nicht, wie Ibanez (1983:153) folgert, auf die starke Tendenz des Deutschen zur Verschiebung des Orientierungszentrums zurückzuführen ist, sondern auf die Möglichkeit, die deiktische Komponente zugunsten anderer Bedeutungselemente zu neutralisieren.
Literatur Clark, Eve (1974): "Normal States and Evaluative Viewpoints". - In: Language 50,316-331. Caroli, Folker (1984): "La notion de directionnalit6 dans les verbes de doplacement allemands". - In: Linguisticae Investigationes, Supplementa 9, (Amsterdam) 1-35. Fillmore, Charles J. (1983): "How to Know Whether You're Coming or Going". (Reprint) - In: Gisa Rauh (Hg.): Essays on Deixis (Tiibingen:Narr) 219-227. Fontanille Jacques (1989): Les espaces subjectifs. Introduction ä une somiotique de 1'observateur (discours, peinture, cinoma).- Paris: Hachette -Classiques. Ibanez, Jorge E. (1983): Estudio de la debris espacial en los verbos espafioles ir y venir con espaciaJ consideracion del contraste en los verbos de movimiento del francos y del aleman. - Hamburg Univ. Diss. Jackendoff, Ray (Hg.) (1985): Semantics and Cognition. - Cambridge/Mass., London: The MIT Press. Kerbrat-Orecchioni Catherine (1980): L'ononciation de la subjectivito dans le langage. - Paris: Colin. Miller George A./Johnson-Laird Philip N. (1976): Language and Perception. - Cambridge/Mass: The Belknap Press of Harvard University Press. Radden, Günter (1989): "Das Bewegungskonzept: to come und to go". - In: Ch. Habel, M. Herweg,K. Rehkämper (Hg.): Raumkonzepte in Verstehensprozessen (Tübingen: Niemeyer) 228-248. Rauh, Gisa (1981): "On Coming and Going in English and German". - In: Papers and Studies in Contrastive Linguistics 13, 53-68. Schlyter Suzanne (1979): "Le verbe allemand «kommen» et ses correspondances en francais". - In: Moderna Spräk 73, 251-267. - (1985): "Le changement de lieu". - In: Christoph Schwarze (Hg.): Beiträge zu einem kontrastiven Wortfeldlexikon Französisch - Deutsch (Tübingen:Narr) 52-101. Schmidt, Wilhelm (1963): Lexikalische und aktuelle Bedeutung. Ein Beitrag zur Theorie der Wortbedeutung. - Berlin: Akademie. Thomas Adolphe (1956; 1968): Dictionnaire des difficultos de lä langue francaise. - Paris: Larousse.
Wolfgang Schweickard (Saarbrücken)
Eigennamen im Spanischen und im Deutschen aus sprachvergleichender Sicht 1. Einleitung Die folgende Untersuchung wird sich vor allem auf fremde Eigennamen im Spanischen und im Deutschen beziehen, also auf solche Namen, die nicht primär der territorialen oder kulturellen Sphäre der jeweiligen Sprache angehören (Cervantes, Madrid im Deutschen, Goethe, Berlin im Spanischen). Unterschieden werden zwei Bereiche: a) b)
primär spanische bzw. primär deutsche Eigennamen in der jeweils anderen Sprache (dt. Madrid, span. Berlin etc.) und Eigennamen aus Drittsprachen im Spanischen und im Deutschen (span. Brujas, dt. Brügge für fläm. Brügge). Ziel der Untersuchung ist die Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei der Integration von Namen in den jeweiligen Sprachen und eventuell daraus resultierende Schwierigkeiten für die Übersetzung.
Im gegebenen Rahmen sollen aus dem Gesamtbereich der Eigennamen exemplarisch die geographischen Namen (vor allem Länder- und Städtenamen) behandelt werden.
2. Deutsche und spanische geographische Namen Das Deutsche bewahrt bei der Übernahme von Toponymen aus dem Spanischen durchweg die Originalgraphie (während die Lautung mehr oder weniger stark an die Verhältnisse im Deutschen angepaßt wird). Es heißt demnach Barcelona, Madrid, Valladolid etc. Im Gegensatz zu den Regeln der Kartographie können in allgemeineren Textzusammenhängen allerdings zumindest die spanischen Diakritika entfallen, cf. Cordoba (statt Cordoba), Malaga (statt Malaga) etc. Auch im Spanischen werden einzelne Namen formal unverändert wiedergegeben (d.h. die Anpassung beschränkt sich auf die lautliche Ebene): Bamberg, Leipzig, Zwickau etc. Oft besitzt das Spanische jedoch für deutsche Städtenamen traditionelle Entsprechungen. So heißt es z.B. Augsburgo für Augsburg, Brunswick für Braunschweig, Coblenza für Koblenz, Escafusa für Schaffhausen, Espira für Speyer, Gotinga für Göttingen, Munich für München etc. In diesen Fällen handelt es sich um lautliche Anpassungen (zum Teil über französische Vermittlung) auf der Grundlage der jeweiligen Endonyme.1 Zum Teil resultieren formale Divergenzen zwischen dem Spanischen und dem Deutschen daraus, daß die spanischen Entsprechungen deutscher Städte- und Gebietsnamen Unter Endonym ist diejenige Bezeichnung für eine geographische Einheit zu verstehen, die innerhalb des Staates üblich ist, in dem die betreffende Einheit gelegen ist (cf. Back 1983: 39ss.).
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Schweickard, W.
auf latinisierenden Varianten basieren. Dieses erklärt sich als Reflex der gesamteuropäischen Dimension der lateinischen Kultur während des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Beispiele hierfür sind span. Aquisgran (lat. Aquae Gram) für dt. Aachen, Colonia (lat. Colonia [AgrippinaJ) für Köln, Maguncia (lat. MoguntiafcumJ) für dt. Mainz, Ratisbona (neulat. Ratisbona nach kelt. Radaspona) für Regensburg, Treveris (lat. Colonia Treverorum) für Trier (frz. Treves) etc. Auch in diesen Fällen spielt das Französische als Vermittler eine wichtige Rolle.
3. Geographische Namen aus Drittsprachen 3.1. Ländernamen Wie bei den Städtenamen ist auch bei den Ländernamen der Grad der Divergenz in gewissem Maße mit der historischen Relevanz der einzelnen Länder verknüpft. Daraus erklären sich die deutlichen Unterschiede zwischen span. Escocia und dt. Schottland, span. Francia und dt. Frankreich, span. Inglaterra und dt. England, span. Grecia und dt. Griechenland etc. Einzelsprachenspezifische lautliche Besonderheiten wie die Metathese bei span. Argelia oder die Diphthongierung bei span. Marruecos sind gleichfalls das Ergebnis einer längerdauernden innersprachlichen Tradition (dt. Algerien, Marokko, irz.Algerie, Maroc, engl. Algeria, Morocco). Bei zahlreichen anderen Ländernamen, vor allem solchen jüngerer Prägung, bestehen keine größeren Divergenzen zwischen dem Spanischen und dem Deutschen. Dies liegt daran, daß viele der heute im Spanischen und im Deutschen gebräuchlichen Ländernamen durch das Französische oder das Englische vermittelt wurden. Diese Staaten hatten als Kolonialmächte entsprechende Verbindungen auch zu entlegenen Regionen; zugleich nahmen das Französische und das Englische als internationale Verkehrssprachen eine herausragende Position ein. Die bestehenden Unterschiede erklären sich dann im wesentlichen aus den unterschiedlichen Modalitäten der Anpassung auf der Grundlage einer einheitlichen Ausgangsform. Konkret handelt es sich um Anpassungen an die lautlichen und graphischen Gesetzmäßigkeiten der jeweiligen Sprachen (span. Afganistan und dt. Afghanistan, span. Iran und dt. Iran, span. Chad und dt. Tschad, span. Jibuti und dt. Dschibuti, span. Yemen und dt. Jemen) oder um Anpassungen an für Ländernamen typische Paradigmen (span. Albania und dt. Albanien, span. Australia und dt. Australien, span. Tailandia und dt. Thailand). Charakteristisch für das Spanische gegenüber dem Deutschen ist auch, daß bei Namen mit Auslautsilben der Struktur Konsonant + Vokal der Akzent häufig auf die Endsilbe fällt: span. Canada und Kanada, Haiti vs. dt. Haiti, Mali vs. Mali. Zwar ist diese Betonungsform dem Spanischen nicht fremd (Bogota etc.); bei den genannten Beispielen dürften jedoch auch die entsprechenden französischen Vorbilder eine Rolle spielen (cf. entsprechend auch bei Städtenamen: Moscu, Baku). Zum Teil sind die einzelsprachlichen Vorbilder nach Maßgabe formaler Besonderheiten konkreter zu bestimmen. So dürfte span. Gabon auf frz. Gabon basieren (engl. Gaboon), span. Birmania auf frz. Birmania (engl. Burma), dagegen Kuwait auf engl. Kuwait (die Variante Koweit < frz. Kowei't ist nicht mehr gebräuchlich). Für das Deutsche wäre entsprechend zu konkretisieren, daß z.B. Gabun nach engl. Gaboon gebildet ist. Namen wie span. Bangladesh und Kenya sind sowohl aufgrund formaler Merkmale als auch aufgrund der historischen Gegebenheiten primär dem Englischen
Eigennamen im Spanischen und Deutschen
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zuzuordnen. Da die Namen in gleicher Form von dort aber auch ins Französische gekommen sind, ist eine genauere Bestimmung des Vermittlungsweges nur schwer möglich. Symptomatisch für den internationalen Charakter von einzelnen Ländernamen ist, daß zum Teil im Deutschen und im Spanischen die gleichen Schreibungen (China, Ghana, Irak, Kuwait, Qatar, Sri Lanka) oder auch die gleichen Alternanzen auftreten (span, und dt. Bahrein vs. Bahrain, Botswana vs. Botsuana). Relativ einheitliche Formen weisen das Spanische und das Deutsche des weiteren dann auf, wenn die Namen lateinische Vorbilder als gemeinsame Grundlage haben. Dies gilt beispielsweise für span. Egipto und dt. Ägypten (lat. AZgyptus) oder span. Etiopia und dt. Äthiopien (lat. ^Ethiopia). Appellativische Spezifizierungen bei offiziellen und inoffiziellen Ländernamen werden im Deutschen und im Spanischen grundsätzlich übersetzt, cf. span. Estados Unidos de America und dt. Vereinigte Staaten von Amerika für engl. United States of America oder auch span. Alemania oriental und Alemania occidental entsprechend dt. Ost- und Westdeutschland etc. - Ähnlich verhält es sich bei span. Nueva Zelanda und dt. Neuseeland für New Zealand (aber divergierend bei span. Nueva York vs. dt. New York), bei span. Gran Bretana und dt. Großbritannien für Great Britain, bei span. Reino Unido und dt. Vereinigtes Königreich für United Kingdom, bei span. Alto Volta und dt. Obervolta für frz. Haute-Volta oder auch bei span. Costa de Marfil und dt. Elfenbeinküste für frz. Cöte d'Ivoire. Abkürzungen von Staatennamen werden im Spanischen auf der Grundlage des spanischen Exonyms gebildet: EE UU < Estados Unidos, URSS < Union de Republican Socialistas Sovieticas. Im Deutschen verhält es sich hier zum Teil anders. So heißt es zwar Vereinigte Staaten, aber USA entsprechend United States of America. Die Abkürzung UdSSR dagegen basiert (wohl aufgrund der schwereren Durchschaubarkeit der russischen Abkürzung SSSR) auf dem deutschen Äquivalent Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. In semantischer Hinsicht fällt auf, daß im Spanischen der Name America in aller Regel für den amerikanischen Kontinent steht, während im Deutschen Amerika immer noch als Synonym für Vereinigte Staaten von Amerika gebraucht werden kann. Mittlerweile ist dieser pauschale Gebrauch jedoch zugunsten der präziseren Bezeichnung Vereinigte Staaten (oder abgekürzt USA) deutlich in den Hintergrund getreten. Allerdings ist dt. amerikanisch weiterhin das übliche Adjektiv, um auf die Vereinigten Staaten Bezug zu nehmen (wobei der Kontext die erforderliche Präzision gewährleistet). Die Fixierung und Bewahrung des Gebrauchs von amerikanisch in dieser Bedeutung erklärt sich daraus, daß ein eigentliches Adjektiv zu Vereinigte Staaten im Deutschen nicht existiert. Die Alternative nordamerikanisch schließt im Deutschen in aller Regel auch Kanada ein, sofern nicht gerade der Gegensatz Lateinamerika vs. USA thematisiert wird. Dem Spanischen steht in diesem Fall ein differenzierteres Instrumentarium zur Verfügung. Zwar wird auch hier americano als Adjektiv zu Estados Unidos gebraucht, wesentlich häufiger werden jedoch die Adjektive norteamericano (im Gegensatz zu dt. nordamerikanisch vorwiegend mit konkretem Bezug auf die USA, cf. Vox 1987: "De la Amorica del Norte, y esp. de los Estados Unidos de ella"2) oder auch
Die einschlägigen deutschen Wörterbücher (cf. z.B. Duden 1976-1981) verzichten in noch höherem Maße als die romanischen Pendants (cf. dazu Schweickard 1989) auf die Berücksichtigung von Ethnika und tragen demnach zur weiteren Klärung des Gebrauchs von amerikanisch bzw. nordamerikanisch nichts bei.
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Schweickard, W.
estadounidense gebraucht.3 Im gegegebenen Zusammenhang sei noch darauf verwiesen, daß die UNO eine Kommission zur Standardisierung geographischer Namen ins Leben gerufen hat, die im Jahre 1960 ihre Arbeit aufnahm. Kongresse, auf denen Vertreter zahlreicher Staaten Standardisierungsvorschläge unterbreiten und diskutieren, finden seit 1967 (Genf) im Fünfjahresrhythmus statt (1972 London, 1977 Athen, 1982 Genf, 1987 Quebec City). Eines der Arbeitsziele besteht darin, darauf hinzuwirken, daß die "Schreibung geographischer Namen [...] soweit wie möglich mit der amtlichen Rechtschreibung des betreffenden Staates" übereinstimmt (cf. Breu 1986: 27). Für die eingeführten Exonyme4, um die es in diesem Beitrag vor allem geht, ist die Arbeit der UNO-Kommission allerdings von geringerer Relevanz, da solche Namen weitgehend so belassen werden sollen, wie sie sind (cf. Breu 1986: 24). Für den Kongreß von 1977 in Athen wurde für das Spanische eine Liste mit gebräuchlichen Exonymen vorgelegt (cf. UN 1981: 267-281). 32. Städtenamen Wie bei den unter 2. erwähnten gegenseitigen Übernahmen werden auch Städtenamen aus Drittsprachen, die im lateinischen Alphabet geschrieben werden, im Deutschen und im Spanischen oft formal unverändert (aber jeweils mit lautlicher Anpassung an die gegebenen Verhältnisse) wiedergegeben: Aberdeen, Chicago, Washington etc. Allerdings kennen auch hier das Spanische und das Deutsche zahlreiche traditionelle Namen, die graphische Anpassungen aufweisen. Insgesamt ist dies im Spanischen in deutlich höherem Maße der Fall als im Deutschen. So werden die folgenden Städtenamen im Spanischen angepaßt, während sie im Deutschen in der Originalform erscheinen: Avinon für frz. Avignon, Marsella für frz. Marseille, Ruan für frz. Rouen, Tolosa für Toulouse, Londres für engl. London, Edimburgo für engl. Edinburgh etc. Bei zweisprachigen Gebieten sind spanisch/deutsche Dubletten aus unterschiedlicher Tradition besonders verbreitet. Für belgische Städtenamen cf. span. Amberes (nach frz. Anvers) gegenüber dt. Antwerpen (fläm. Antwerpen), span. Bruselas (nach frz. Bruxelles) gegenüber dt. Brüssel (fläm. Brüssel}, Lieja (nach frz. Liege) gegenüber dt. Lüttich (fläm. Luik), Gante (nach frz. Gand) gegenüber dt. Gent (fläm. Gent), Brujas (nach frz. Bruges) gegenüber dt. Brügge (fläm. Brügge). Vergleichbar ist die Situation bei span. La Hay a (nach frz. La Haye) gegenüber dt. Den Haag (niederl. s'-Gravenhage). Aber auch in anderen Fällen treten in beiden Sprachen formal divergierende traditionelle Namen auf. Beispiele sind Copenhägue (frz. Copenhague) für dän. K0benhavn gegenüber dt. Kopenhagen, span. Milan (wohl nach frz. Milan) für it. Milano gegenüber dt. Mailand, span. Moscu (nach frz. Moscou) für russ. Moskva gegenüber dt. Moskau etc. Unterschiede ergeben sich auch beim Artikelgebrauch. So heißt es span. El Cairo (frz. Le Caire) gegenüber dt. Kairo und span. La Meca (frz. La Mecque) gegenüber dt. Mekka. Zu den entsprechenden Verhältnissen im Französischen (am ricain, nord-amincain, nur ausnahmsweise iiatmnien) und im Italienischen (amencano, nord-americano, statunitense) cf. auch Schweickard 1992 (6.2.1.). Die offizielle Definition für Exonyme lautet: "A geographical name used in a certain language for a geographical entity situated outside the area where that language has official status and differing in its form from the name used in the official language or languages of the area where the geographical entity is situated" (UN 1974: 49).
Eigennamen im Spanischen und Deutschen
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4. Übersetzungsprobleme und Übersetzungshilfen 4.1. Spanisch - Deutsch Bei der Übersetzung in die Muttersprache (aus der Perspektive des Verfassers: Spanisch - Deutsch) bieten geographische Namen in aller Regel keine Schwierigkeiten. Spanische Namen bleiben im Deutschen ohnehin durchweg (formal) unverändert. Länder- und Städtenamen, die aus Drittsprachen ins Spanische gekommen sind und angepaßt wurden, sind meist aufgrund der fortbestehenden formalen Ähnlichkeiten und vor allem mit Hilfe des Kontextes leicht identifizierbar. Die Entsprechung kann dann aufgrund der muttersprachlichen Kompetenz leicht gefunden werden. Probleme bei der Identifizierung eines Namens können aber auftreten, wenn größere Divergenzen bestehen, so z.B. bei El Cabo für Kapstadt, Terranova für Neufundland, Orcadas für Orkneyinseln, Escafusa für Schaffhausen, Espira für Speyer, Estiria für Steiermark, Lioma für Livomo oder Carintia für Körnten. Zur Klärung kann hier zum einen die Konsultation enzyklopädischer Werke beitragen, die zum Teil neben dem spanischen auch den Originalnamen nennen oder durch die Beschreibung zumindest eine eindeutige Identifizierung ermöglichen. Nützlich ist auch die bereits erwähnte Liste spanischer Exonyme (UN 1981: 267-281), in der den spanischen Namen die Originalbezeichnungen gegenübergestellt werden. Einige bekanntere Eigennamen finden sich auch in einem spanisch/deutschen Namenverzeichnis im Anhang von Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch. In manchen Fällen bleibt der Übersetzer jedoch auf seine sachliche Kompetenz und sein sprachliches Einfühlungsvermögen angewiesen, so z.B. bei el Gaza (Cambio 955/90: 98) oder Cisjordania (ib.), die mit Gazastreifen bzw. Westjordanland wiederzugeben sind. 4.2. Deutsch - Spanisch Bei der Übersetzung vom Deutschen ins Spanische bietet für Ländernamen die Liste von Martinez/Wotjak (1979) mit den wichtigsten deutsch/spanischen Entsprechungen eine wertvolle Hilfe. Zwar können bei Zweifeln über das spanische Äquivalent auch kartographische Werke des Spanischen zu Rate gezogen werden. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, daß in kartographischen Werken in höherem Maße die jeweiligen Endonyme gebraucht werden, als dies in allgemeineren Textzusammenhängen der Fall ist. So lautet auch die Empfehlung der erwähnten UNO-Kommission, wozu Breu (1986: 24) ausführt: "Kartographische Erzeugnisse für den internationalen Gebrauch sollen die Exonyme ausschließen, solche für den nationalen Gebrauch hingegen, wie etwa Schulatlanten und Karten in nationalen Enzyklopädien, können sie verwenden, doch mögen die Endonyme beigefügt und eine Reduktion der Exonyme erwogen werden. [...] Im laufenden Textzusammenhang einer Sprache können die gängigen Exonyme erhalten bleiben". Für Informationen über die gebräuchlichen Exonyme stellen neben lexikographischen Quellen (GDLE mit den Listen "Gentilicios" [1978-1980] bzw. "Paises y monedas" [1981-1983], Vox 1987 mit der Liste "Nombres geogräficos y gentilicios" [1156-1162], DGT als Spezialwörterbuch) auch Handbücher, die speziell für den praktischen journalistischen Gebrauch geschrieben wurden, eine nützliche Informationsquelle dar. Dabei sind vor allem der Manual de espanol urgente der Agencia Efe (Manual 1986) und der Libro de Estilo von El Pais hervorzuheben. Diese Handbücher
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Schweickard, W.
greifen problematische Fälle heraus und geben Empfehlungen für die jeweils zu bevorzugenden Formen. Allerdings finden sich in den genannten Quellen in vielen Fällen divergierende Auskünfte. Beispiele dafür sind Bahrein (Martinez/Wotjak 1979, Manual 1986) und Bahrain (DOT), Botswana (GDLE, Martinez/Wotjak 1979, DGT) und Botsuana (Manual 1986), Ytbuti (Manual 1986, DGT) und Jibuti (Martinez/Wotjak 1979), Fidji (GDLE, Martinez/Wotjak 1979), Fiyi (Manual 1986) und Fiji (DGT), Kenya (Martinez/Wotjak 1979, DGT) und Kenia (GDLE, Manual 1986), Rumania (Martinez/ Wotjak 1979, GDLE) und Rumania (Manual 1986, DGT), Zimbabwe (GDLE) und Zimbabue (Manual 1986, DGT).5
5. Zusammenfassung Sowohl das Spanische als auch das Deutsche passen fremde Eigennamen an die jeweiligen lautlichen Verhältnisse an. Vor allem bei Städtenamen wird allerdings deutlich, daß das Spanische im Verhältnis zum Deutschen sowohl bei der gegenseitigen Entlehnung geographischer Namen als auch bei der Entlehnung aus Drittsprachen in deutlich höherem Maße auch zu Anpassungen in der Schreibung tendiert (span. Avinon vs. dt. Avignon). Bei Ländernamen ist das Bild aufgrund der gemeinsamen Vermittlung über das Englische oder das Französische vor allem bei jüngeren Entlehnungen einheitlicher (span. Chad, dt. Tschad}, wenngleich auch hier viele traditionelle Namen charakteristische Unterschiede aufweisen (span. Escocia, dt. Schottland). Im einzelnen sind die Divergenzen, die das Spanische und das Deutsche bei Namen aus Drittsprachen aufweisen, durch folgende Umstände bedingt: - durch die einzelsprachenspezifischen Modalitäten der lautlichen und graphischen Anpassung einer identischen Ausgangsform (Chad und Tschad). - durch ursprünglich eigenständige Bildung (Francia vs. Frankreich) oder teilweise Neubildung nach einzelsprachenspezifischen Mustern (Escocia vs. Schottland), vor allem bei Namen, die eine längere Tradition in der jeweiligen Sprache besitzen. -'durch einseitige Rückorientierung an lateinischen Vorbildern (Aquisgran vs. Aachen). - durch unterschiedliche Ausgangsformen aufgrund bestehender Dubletten in traditionell zweisprachigen Gebieten (span. Brujas nach frz. Bruges vs. dt. Brügge nach fläm. Brügge). - durch unterschiedliche Ausgangsformen aufgrund der Übernahme aus verschiedenen Mittlersprachen (span. Gabon < frz. Gabon vs. dt. Gabun < engl. Gaboon). Übersetzungsprobleme in Richtung Deutsch als Muttersprache ergeben sich, wenn der spanische Namen aufgrund größerer Divergenzen schwer identifizierbar ist (Escafusa = Schaffhausen) oder im Deutschen ein präziseres Äquivalent gefunden werden muß (Cisjordania = West Jordanland). In Richtung Spanisch als Zielsprache sind die gebräuchlichen Entsprechungen vor allem mit Hilfe spezieller Listen in Wörterbüchern, durch die Konsultation des DGT oder mittels Handbüchern, die speziell für den praktischen journalistischen Gebrauch geschrieben sind, aufzufinden.
Entsprechendes gilt natürlich auch für das Deutsche. So schreibt der Ausspracheduden allein Bangladesch, während in der Presse häufig auch die englische Graphic Bangladesh erscheint.
Eigennamen im Spanischen und Deutschen
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Werner Thielemann (Berlin)
Aspekte in und außerhalb von Texten, Geschehensverinnerlichung und Geschehensvertextung 0. Die vorliegende Arbeit möchte mit synchroniser! und diachronisch angelegten Schnitten einen Beitrag zur Neuorientierung der Tempus-Aspekt-(TA)-Korrelation in romanischen Sprachen geben. Sie geht aus von der These, daß tatsächliche Verhältnisse zu stark am tradierten Tempusmodell gemessen werden. Sie hält dafür, daß temporale Deixis und Aspektmodell leistungsmäßig korrelative Systeme der Geschehenserfassung sind, wenngleich auf spürbar abweichenden perzeptiven Strategien gegenüber der Sachbasis beruhend. Ähnlich wie bei Blumenthal (1986) wird die Ansicht vertreten, daß zu verschiedenen Epochen und in verschiedenen romanischen Sprachen das AspektPrinzip stärker zum Tragen kommt als die temporale Deixis. Nach thesenartigen Darlegungen zum Verhältnis von Tempus- und Aspektsystem im Teil l, erfolgt im Teil 2 eine Untersuchung an synchronischen Texten, um im Teil 3, an Texten historischer Epochen, Textarchitekturen und der Herausbildung aspektgeleiteter Ausdrucksmittel (AM) nachzugehen. 1. Temporale Deixis
aspektgeleitete Geschehenserfassung
In der Darstellung der verfügbaren verbalen Formenbestände eines Großteils der indoeuropäischen Sprachen dominiert ausgehend von der lateinischen Tradition das temporal-deiktische Modell. Die Grammatikbeschreibung der sechziger, und auch noch der siebziger Jahre vervollkommnet, gestützt auf Hans Reichenbachs "Elements of symbolic logic" die Beschreibung der Tempus-Aspekt(TA)-Systeme auf der Basis zeitenlogischer Modelle, wie es Bull (1960) für das Spanische entwickelt und Klum (1961) erfolgreich auf das Französische anwendet. Die untereinander nur in Details, nicht aber in der Grundidee abweichenden Modelle werden als operative deskriptive Basis angesehen, mit der sich die Einzelsprache hinreichend gegenstandsgerecht beschreiben läßt. Auch Heger geht diesen Weg, sich allerdings wohl bewußt der Tatsache, daß er für ein onomasiologisches, apriorisch gesetztes Raster optiert hat, während sich die einzelsprachliche Realität zwischen temporal-deiktischen und aspektuellen Leitlinien bewegt. Ein zeitenlogisches Modell mag v.a für uns Deutsche als gegenstandsgerechte operationelle Basis erscheinen; da es weitgehend perzeptuellen Mustern entspricht, mit denen wir usuell Sachstände abbilden. Ein zunächst kategoriell oppositives Verfahren, für das notwendigerweise auch oppositiv angeordnete Bündelungen begrifflicher Komponenten anzunehmen sind (vgl. Klix 1971:721), ergibt sich bei Ausschreitung der Geschehensräume der Sachebene unter Zugrundelegung der Aspektkategorie.1 Unter Aspekt verstehen wir grammatisch kodierte Einordnungen der verbalen Lexeme in bestimmte Ablaufkonturen (Grenzen oder Phasen), was auch die Veranschaulichung der zeitlichen Ausbreitung des Geschehens innerhalb eines kommunikativen Orientierungsfeldes einbegreift. Zu einer vorerst allgemein akzeptierten VerallgeDie Schwierigkeit des Umgangs mit ihr ist allen erinnerlich, die sich je ernsthaft mit slawischen, BantuSprachsystemen oder Kreolsprachen befaßt haben. Unter den dt. Romanisten ist eine zunehmend fruchtbringende und problemadäquate Behandlung der Aspektualität in romanischen Sprachen v.a. seit Erscheinen der bahnbrechenden Arbeiten von Wolfgang Pollak (zuletzt 1988) zu verzeichnen.
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Thielemann, W.
meinerung der oppositiven Klassifizierungsmuster innerhalb des Skopus der Aspektkategorie gelangt Comrie mit folgender Einteilung: "perfective imperfective; habitual x continuous; non-progressive progressive" (1976:25) , wobei in der einzelsprachlichen Realität die an eine Form gebundenen Nuancierungen, Kombinationen und funktionellen Akkumulationen in ihrer Vielfalt kaum vorhersehbar sind.2 Wenngleich in den achziger Jahren, v.a ausgehend von der Schule Coserius, aspektuelle Merkmale in der Grammatikbeschreibung iberoromanischer Sprachen mehr Beachtung fin- den, kann der Stand der theoretischen Erfassung dennoch nicht als befriedigend angesehen werden. Schwachstellen sind v.a. an zwei Punkten anzutreffen: Die ungenügende Aufarbeitung der performativen Komplementarität von tempusdominierter vs. aspektdominierter Geschehensabbildung sowie die mangelnde Aufnahme der von Coseriu angeregten, aber nicht konsequent erfolgten Überprüfung der Hypothesen zur Entstehung vielfältiger aspektueller Markierungen in romanischen Sprachen des mediterranen Areals. Thesenartig sollen in der Folge einige allgemeine und außereinzelsprachlich orientierte Überlegungen vorangestellt werden, deren Explikation im induktiven Teil des Beitrages allerdings nur selektiv erfolgen kann. 1.1. 11 Thesen zu Spezifika von temporaler Deixis und Aspektprinzip bei der Abbildung von Geschehensstrukturen 1° Wir unterscheiden als optional disponible Systeme zur Abbildung von Geschehensstrukturen solche, die stärker dem Aspektprinzip verpflichtet sind, und solche, die auf der Basis der temporalen Deixis funktionieren: Aspektgeleitete und tempusgeleitete Systeme. Aspektgeleitete Systeme sind zunächst als konkurrentielle Systeme zu tempusgeleiteten aufzufassen, da ja über gleichen Sachbasen operiert wird.3 Tempusgeleitete Systeme sind im Unterschied zu aspektgeleiteten Systemen deiktischer Natur, d.h., arbeiten mit Hilfe eines im Sprechzeitpunkt verankerten Koordinatensystems (vgl. Heger 1963, Comrie 1976, Maslov 1985). Die Wiedergabe der Sachbasis erfolgt entlang ihrer deiktischen Leitlinie, wobei sie stets von neuem auf den Koordinatenursprung Bezug nehmen. Hingegen bilden Aspektsysteme Geschehen in ihrer inneren Entwicklung, Ausbreitung und Verteilung ab, ohne mit zeitenlogischen Mitteln auf das Sprechereignis Bezug zu nehmen (vgl. Dahl 1985; Maslov 1985:4; Vf., in Vorber.). Im bildlichen Vergleich könnte man an eine selbsttragende Struktur denken, die ihre innere Kohärenz bei der Verkettung der abzubildenden Sachbasen ohne temporalen Bezug aus der integrierenden, sequentiellen oder inkorporierenden Bezugsetzung der konturierten, unkonturierten oder kumulierten Geschehensabbilder zueinander und zum Sprechakt erlangt. Wenngleich verschiedene slawische Sprachen eine hochgradige Aspektdominanz aufweisen,4 sind reine Aspektsysteme im europäischen Bereich kaum anzutreffen. AspektVgl. dazu Maslov, der auf die schon seit Karcevskij thematisierte asymmetrische Entwicklung zwischen Form und Inhalt hinweist: "The development of polysemy and multifunctionalism in grammatical forms leads to an ever greater 'inflation' of their general semantics, to an ever larger gap between the meaning observed in the context (sense) and the meaning of the same form postulated in the system of the language (value)." (1985:29). Damit ist auch gesagt.daß Vermittlungen zwischen ihnen gefunden werden können, und, was für den Vergleich wichtig ist, die Kommensurabilität der Systeme gegeben ist. Man denke an Sprachen mit deutlicher morphematischer Verankerung aspektueller Oppositionen wie das Bulgarische oder das Tschechische.
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dominierte Systeme bedienen sich oft einer Verankerung, die a) zeitlicher Natur sein kann und deshalb b) für den mit tempusgeleiteten Systemen Vertrauten den Eindruck der Erschließbarkeit mit temporal-deiktischen Mustern erweckt. Daß tempus- und aspektgeleitete Aneignung der Sachebene alternative Systeme sind, mag zunächst als Gemeinplatz erscheinen, ist es aber schon weniger, wenn den darstellungsfunktionalen Implikationen beider Kategorialsysteme nachgegangen wird. Die extremen Pole der Tempus- bzw. Aspektmarkierung (von denen im zu untersuchenden Rahmen höchstens einer, nämlich die Tempusmarkierung im Dt., in relativ "reiner Form" auszumachen ist), sind funktional als ebenbürtig, als konkurrierende Operationsmechanismen über einem Darstellungsfeld einzustufen.5 Beide sind in ihrer reinen Ausprägung so angelegt, daß sie einmal die Verteilung der Geschehen der Sachebene in ihrer Dispersion über die progressive Entwicklung der Sachstände hinreichend subjektivieren bzw. zum anderen mit dem an der objektiven Zeitdimension (time) orientierten Zeiten-Modell (tense), die disambigue Aneignung der objektiven Verteilung der Geschehen der Sachebene sichern. Das trifft sowohl für das Dt. (als Vertreter der Tempusmarkierung) als auch für Bantusprachen wie Makhua oder Changana zu, die der Zeitmarkierung gänzlich entbehren. 2e Der Anstoß für die Thematiserung des Aspekts ergibt sich aus Erfahrungen bei Beschreibung und Didaktisierung des Portugiesischen (Ptg.), das in verschiedenen Bereichen, v.a. aber dem für die Vorbildwirkung der Sprache heute so wichtigen der journalistischen Prosa, Formen einsetzt, die sich einer Erklärung im zeitgeleiteten Schema gänzlich entziehen. Es muß bezweifelt werden, ob das auf die Sprache projizierte Modell, v.a. im Hinblick auf textstrukturierende Potenzen des Formeninventars, dem ptg. System auch nur annähernd gerecht wird. (1.2. Darstellung der Aspektsysteme) 3° Nicht selten wird von Darstellungen aspektgeleiteter Systeme eine unmittelbare Eignung zur Didaktisierung erwartet. Vor allem Praktiker vermeinen, daß Ergebnisse der Sprachwissenschaft direkt für den Didaktisierungsprozeß der Sprache nutzbar gemacht werden könnten. Gerade aber unter den Bedingungen so verschiedener Kategorialisierung der Sachbasis - wie bei tempus- aspektgeleiteten Systemen - wo schon die Kommensurabilität schwierige Überführungen zwischen den Systemen erfordert, muß davon ausgegangen werden, daß sich die Didaktierung entweder stark auf der Seite praktischer Regelumsetzung (Drill) oder aber - bei bewußter Vermittlung - unter deutlichem Zuschnitt auf das dem Lernenden vertraute kategoriale System vollzieht. 4° An Darstellung und Explikation sind die Ansprüche der inneren Kohärenz und Transparenz zu stellen, zu ergänzen um den der "modellhaften Eleganz": Lösungen, die Verständlichkeit mit sichtbarer Eleganz verbinden, verweist doch die Eleganz auf überschaubare und flexible Handhabung des Materials. Eine Anforderung, die nicht zu trennen ist von wachsendem Streben nach mathematischer Stringenz in der Linguistik. (1.3 Aspekt und "innere Sprachform") 5° Die epistemische Anforderung nach der Erklärung von innen heraus hat zur Folge, daß die Darstellung unabhängig vom System der Zielsprache erfolgt, nur so wird man korrelative Operationsmechanismen erkennen können, die seit W. v. Humboldts Forderung nach Beschreibung der inneren Sprachform als Desiderata gesetzt sind. Verbal kodierte Aspektualität stellt, vornehmlich unter diesem Gesichtspunkt, ein erfolgversprechendes Feld dar. Der Vergleich mit konkurrierenden Leistungsparametern verspricht Was nicht gleichbedeutend mit operationaler und leistungsmäßiger Äquivalenz ist.
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einen eigenartigen heuristischen Gewinn.6 Dies gilt bereits für den Bereich der europäischen Sprachen, und nicht nur für das Russische, Bulgarische oder Tschechische, sondern insbesondere auch für Sprachen der Romania in umfassenderem Maße als dies bislang die speziell auf den narrativen Diskurs fixierten Untersuchungen gezeigt haben (vgl. Weinrich, Kuttert, Eberenz, u.a.). 6° Wir stellen hypothetisch in den Raum, daß v.a. Randareale der Romania Einflüssen der Aspektmarkierung stärker ausgesetzt sind und in unterschiedlichem Maße sowie unter abweichendem kategorialen Zuschnitt unter deren Einfluß geraten sind. Bei Beschränkung auf das westliche Randareal gilt unsere besondere Aufmerksamkeit dem "galego-portugues". 7a Die Realität der Dichotomic "Tempusmarkierung Aspektmarkierung" indessen, liegt für viele Sprachen irgendwo in der Mitte oder, besser gesagt, an einem Punkt zwischen den Polen von temporaldeiktischer und aspektgeleiteter Kategorialisierung. Hier nun, bei gemischten Systemen, ist keinesfalls automatisch auf additives Anwachsen der Leistungsparameter der konkurrierenden Systeme zu rechnen. Wohlbekannt ist zunächst die oft defektive Integration des Konkurrenzsystems.also das ver- gleichsweise rudimentäre Tempussystem des Russischen oder andererseits der Fakt, daß romanische Sprachen nur in Teilen ihrer Tempussysteme obligatorisch funktionierende Aspektoppositionen besitzen: vgl. Frz. und Span. 8° Tempusgeleitete deiktische Systeme weisen bei komplizierter Struktur gewöhnlich zwei Funktionsebenen auf, die beim Vergleich mit Aspektsystemen besser zu unterscheiden sind: Die direkten Äußerungsbezüge bei "direkten Tempora" gegenüber textkonstituierenden Funktionen bei "relativen Tempora".7 Aspektuelle Formen lassen auf der Ebene der textkonstituierenden Funktionen z.T. charakterologisch interessante Einsichten zu, da in der Regel Geschehensdarstellung und Textkonstituion überlagert sind, m.a.W., in der gleichzeitigen Wahrnehmung textkonstituierender Funktionen ein Prinzip morphologischer Ökonomie aspektgeleiteter Systeme gegenüber tempusgeleiteten Systemen zu suchen ist. 9e Von den hier zu diskutierenden romanischen Sprachen scheint das Ptg. das ausgebauteste Aspektsystem beizubringen.8 100 Das Span, steht in dieser Hinsicht dem Ptg. nach. Das Ptg. weist aspektuelle Achsen auf, die so im Span, nicht gegeben sind: Sei es wegen anders verlaufener Entwicklung von Inhaltskomponenten, sei es bedingt durch fehlende Ausprägung anderer Oppositionen bzw. letzterdings, und das ist entscheidend, durch eine neue, spürbar höhere Dynamik der Anwendung des Aspektprinzips im Ptg. 11° Das Katalanische ist wegen seiner Adstrat-Situation und der vielfältigen soziolinguistischen Interferenzen mit dem Kastilischen in seinem eigenständigen typologischen Wert nur einer bedingtem Evaluierung zu unterwerfen. Es unterliegt einem großen Druck zur Lehnbildung gegenüber dem Spanischen. 1.4. Semantische und Leistungs-Konsequenzen der Kombination temporal-deiktischer und aspektueller Operationsbasen Neben dieser vorläufigen allgemeinen Kennzeichnung der peninsularen Sprachen ist der Die Aktualität des Themas wird insbesondere durch die nicht abreißenden Fragestellungen in der skandinavischen und in der englischen Linguistik belegt. Vgl. Comrie, Dahl, Salkie, Thelin. 7 Taxis" bei Maslov (1985:5). Auf der Basis welcher stilistischen Dimensionen und mit welchen "Zwängen" zur Nutzung auch immer. Vgl. Coseriu (1976); Maslov (1985:24).
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Kombination von Merkmalsstrukturen aus tempus- und aspektgeleiteten Systemen nachzugehen, wobei semantische Konsequenzen und solche für Leistungs- und Funktionsparameter zu überprüfen sind. Hier sollen mehrere mögliche Ansätze in Betracht gezogen werden, mit deren Einwirkung sowohl synchronisch als auch in der sprachgeschichtlichen Dimension zu rechnen ist: 1° Addition von Merkmalen, 2° Konjunktion von Merkmalen, 3° Elimination funktional kommensurabler Formen im dominierenden Kategorialbereich oder im Konkurrenzbereich. zu 1) In tempusgeleiteten Systemen ist, z.T. selektiv, die Ausstattung mit in Konkurrenz stehenden, aspektuell oppositiven Tempora feststellbar. Es liegt eine Erweiterung des temporal-deiktischen Systems um eine äquipollent oppositive aspektuelle Achse vor. Beispiel sind Vergangenheitsbereiche (Typen: perfecto simple imperfecto) der romanischen Sprachen, wobei defektive Paradigmen als Anzeichen für Unterordnung ( Dominanz) des Aspektprinzips zu werten sind. zu 2) Mit Konjunktion von Merkmalen ist Verquickung von Leitlinien temporaler mit denen aspektueller Systeme gemeint. Für die entstehenden Systeme ist eine spezifische, qualitativ unterschiedliche Wirkungsweise anzunehmen. Es wird davon ausgegangen, daß das temporal-deiktische Prinzip vom Aspektprinzip überlagert wird. Das Ptg. scheint uns dafür ein typischer Fall zu sein. Privative Oppositionen sind charakteristisch, wenn aspektuelle Merkmale als differentiae specificae in ein Tempussystem integriert werden. Aus dem Konjunktionsprinzip hervorgegangene Oppositionen, können über alle Bereiche des Tem- pussystems verteilt sein. Hier geht es offenbar darum, daß perzeptuelle Muster mit dem temporaldeiktischen System kombiniert werden, für die virtuell an allen Systemstellen Werte aufgebaut werden können, wobei wiederum das Ptg. als exemplarisch erscheint (vgl. Vf. in Vorber.). Daraus ergibt sich, mithin notwendigerweise, die Dominanz der Aspektleitlinie bei den merkmalhaften Gliedern und in der Folge ihr Übergreifen auf die gesamte Architektur des temporalen Systems, andererseits aber auch als Konsequenz die unverwechselbare Spezifik von Teilbereichen.9 zu 3) In bestimmten Perioden der Sprachentwicklung treten "Brüche" (Schuchardt) in der Nutzung morphologisch oder funktional schwieriger Formen auf und es kommt zur Entstehung von Konkurrenzformen. In der Romania ist das vielfach zu belegen. Dazu kommt, daß bestimmte Formen zur Kumulation von Funktionen neigen (desdobramanto pragmatico dos meios expressives), womit polyfunktionelle Formen usuell werden, andererseits, sich Leerstellen auftun können, wie bei Favorisierung des Aspektprinzips Werte (valeurs) des Tempus-Systems desusuell werden: vgl. den "Verfall" relativer Tempora in slawischen Systemen, z.B. des Plusquamperfekts im Serbokroatischen oder Polnischen. Insgesamt bleiben Beobachtungen zu Konkurrenz, Integration und Kombination zwischen Tempus- und Aspektsystemen dem Humboldtschen Evolutionsgedanken verpflichtet, der von vielen Linguisten zur Erklärung von Werden, Konsistenz und Umstrukturierung sprachlicher Teilsysteme benutzt worden ist: Sprachen besitzen stets nur zu einem historischen Zeitpunkt die ihnen eigene Identität. Es ist evident, daß unter dem Druck immer differenzierter werdender Ausdrucksbedürfnisse, die teils aus dem Streben nach stilistischer Differenzierung , teils aus der difBei der Reflexion über lexikalischen grammatischen Status spezifischer, im Ptg. v.a. auch analytischer Formen,* sollte ausgehend vom Prinzip einer über Quantität gesteuerten Qualität die Breite der Kollo^* Irahilität Rpri'irlixirhtiaiincr finrtrn kabilität Berücksichtigung finden.
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ferenzierteren Darlegung von Sachbasen resultieren, die Dynamik der Entwicklung an in den Sprachen angelegte und genutzte Leitlinien anschließen wird und muß und deren Nutzung vorantreibt,10 womit zum einen die typologische Konsistenz und Kontinuität der Sprachen erhalten bleibt, zum anderen aber auch ein kontrollierbarer Wandel vonstatten geht, der irgendwann in neue Qualitäten umschlägt. Wir wenden uns in der Folge der Untersuchung der Funktionen von TA-Morphemen in Texten zu, beginnend mit einem vorwiegend narrativen Text des Spanischen. 2. Aspektmuster und textuelle Leistungen Anliegen des folgenden Teiles soll die Untersuchung von Korrelationen von Aspektmustern und Leistungen beim Aufbau der Textarchitektur sein. Unter Textarchitekturen verstehen wir solche Anlagen von SV-Abbildungen bzw. Anverwandlungen, mit denen der Sprecher im Rahmen seiner Mitteilungsstrategie eine optimale Aufbereitung des SV im Hinblick auf den Adressaten gewährleisten will. Wir gehen dabei davon aus, daß sprachliche Mittel gemäß ihrer semantischen Potentiale für pragmatische Anliegen nutzbar gemacht, zu diesem Zwecke auch in ihren Konturen modifiziert werden, es aber unangemessen wäre, eine lineare Korrelation zwischen semantischen Potentialen der AM und pragmatischen Leistungen annehmen zu wollen. Kommunikative Leistungen entstehen nicht unabhängig von der Totalität des Kommunikats, während die Semantik der AM in gewissen Grenzen bereits außerhalb der Textebene fixiert ist. Die Beziehung der Aspektkategorie zur Textdimension soll an einigen Textaussschnitten demonstriert werden, an denen punktuell verschiedene Tendenzen, vor allem typologisch unterschiedliche Ansätze, aufzuzeigen sind. 2.1. Narrativer Text - Spanisch Zu untersuchen ist zunächst ein zusammenhängender Teiltext des Span, vom Typ "discours narratif: Sportreportage. Er ist mehr oder minder als repräsentativ für vergleichbare Erscheinungen in anderen romanischen Sprachen (Frz., Ptg., Ital.) anzusehen. Cacho equivoco la tactica y acabo quinto en los 1.500
Tero ayer no estuvo a la altura. Cacho se precipito ya al principio. Salio esprintando, ansioso por hacerse con la primera posicion nada mäs empezar. Se equivoco. La accion solo le sirvio para desgastarse un poco mäs. Gonzalez le advirtio que 5 habia corrido muy mal en Semifinales, pero le leccion de su maestro no le sirvio de nada. A los pocos metros, el mediofondista espanol fue encerrado. Tenia incluso que acortar su zancada y recibio varios codazos. En aquellos momentos, permanecia ajeno a lo que se cocia en la 10 cabeza de la prueba. Habfa ido durante metros pendiente de Morceli, pero ahora ya no estaba a su lado. Su mala colocacion
no le permitio ir tras el argelino cuando 6ste realizo su Auch durch Konjunktion mit funktionsangrenzenden AM, vgl. Vf. (1987).
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cambio de ritmo. La situacion entonces resulto desconcertante para Cacho. Auita se hundia, mientras el alemän Jens Peter He15 rold, un atleta de gran astucia, aprovechaba el despiste general para irse tras Morceli e Kirochi. Cuando Cacho se entero ya era tarde. Tuvo que salirse de la cuerda y correr mäs que los demas. Solo unos metros le separaban de Herold, que agonizaba en la recta final. Cacho, un hombre de gran fuerza, podn'a 20 haberle alcanzado, pero nunca estuvo relalmente convencido. Nunca hasta el final. Mientras el mediofondista espanol disminuia el ritmo, aparecio por deträs el alemän Hauke Fuhlbrugge, que todavia tuvo tiempo de rebasar incluso a su compatriota Herold. Cacho se sorprendio tanto que intento entonces in25 utilmente acelerar su carrera. Pero su unica ambicion fue asegurar su puesto. Auita anuncio en una ocasion que "Morceli batirä un dia mi r6cord del mundo". No estaba equivocado. Morceli ha logrado hacerse con la hegemom'a mundial de la especialidad a los 20 30 anos, tanto en pista cubierta com al aire libre. No ha perdido un 1.500 en todo el afio y ha sido capaz de acreditar 3.31.00. Ayer gano el oro con una rapidez inusual para una prueba donde lo unico que importa son las medallas. Cram gano en Helsinki '83 en 3.41.59, el somali Abdi Bile en 3.36.80 en 35 Roma '87 y Morceli 35 lo hizo en Tokio en 3.32.84. "No he notado cansancio. Estoy habituado a correr siempre muy rapido. He acabado en menos de 3.32 varias veces.Tengo que agradecer a Alä de tanta vitalidad", dijo el argelino."(El Pais 2/9/91:16)
Auffällig am Text ist der ausgeprägt hohe Anteil an Formen des p.s., wenig gültig scheint die erwartete Vorgabe des Geschehensfadens im p.s. gegenüber Kommentaren, Hintergrund, Erklärungen und Wertungen mit differierendem Tempusgebrauch. Im Text verbinden sich die SV-Ebene und die über ihr operierende subjektive Bewertungsebene zu einer narrativen p.s.-Kette: Z. l "no estuvo a la altura", Z.6 "no le sirvio de nada", etc. Gleiches gilt für die Mischung verschiedener objektiver Zeitebenen: Z.3 se equivoco -solo le sirvio -Gonzalez le advirtio -no le sirvio. Die Tatsache, daß "Gonzalez le advirtio que habia corrido muy mal en Semifinales", vom objektiven Sachbezug her gesehen, auf der Ebene der Vorvergangenheit liegt, wird temporal nicht gekennzeichnet. Versucht man die Nivellierung der verschiedenen Sach-Zeitebenen, zuzüglich des Kommentar-/Wertungsanteiles über der Sachebene zu werten, so liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die Narrationskette wohl ein einheitliches Steuerungprinzip hat, dies aber nicht primär durch temporal-deiktische Markierung gegeben sein kann, da objektiv unterschiedliche Zeitabstände zum Sprechzeitpunkt (le) nur bei Erfordernissen der Taxis durch relative Tempora: Z.5 habia corrido markiert werden. Ebenso ist eine mühelose Eingliederung wertender Operationen in die (gleiche) Narrationskette zu beobachten. Damit erweist sich für die Architektur des Textes die aspektuelle AoristKomponente als wichtigste Leitlinie. Welches sind die aspektuellen Merkmale der Aoristformen und was leisten sie in der Narrationskette? Aorist-Bedeutungen werden v.a. zweifach, als komplexiv-globälisierend und als terminativ gekennzeichnet. Beides ist u.E. zutreffend. Es sind korrelative Merkmale, wenngleich in der Aktualisierung teils das eine, teils das andere stärker hervortritt. Das
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Hinzutreten komplexiver Grammeme führt anerkannterweise zur Neutralisierung der Merkmale der inneren Dauer bei Verben, wobei im Extremfall, Stobitzer weist das einleuchtend an "durer" nach, "das passo simple eines durativen Verbums ... sein lexikalisches Gewicht aufgeben kann" (Stobitzer 1968:54), um dann v.a. dem Ausdruck der Aspektualität zu dienen. In ihrem Wesen wird die vorliegende Narrationskette von aspektuellen Merkmalen bestimmt. Sie schöpft ihre innere Progression aus der terminativen Vorstellung der einbezogenen Geschehen. "Perfektivität" ist unpassend, da Geschehensüberlappung der zugehörigen Glieder dem Aufbauprinzip widerspricht. Die Kette schöpft ihre Dynamik aus der Globalisierung der integrierten Geschehen: Sie werden punktualisiert und erreichen eine taktartige Aufeinanderfolge; überdies profitieren zuständliche Verben vom Erwerb von Begrenzungsmerkmalen. Sie können nun Ereignisse ("Eintritt" - Koschmieder) markieren: estuvo, Z.l; tuvo que salirse, Z. 17; intento, Z.25. Die vorliegende Textsorte Sportreportage erfordert eine hochgradige Darstellungsdynamik. Es ist bekannt, daß gerade Aorist-Ketten, die von einem Ereignis zum anderen springen, genau diesen Anforderungen gerecht werden. Die Dynamik der Narration wird sich in dem Maße erhöhen, wie der Text sparsam im Einsatz von Aspektformen der Begleitschau ("Währen"- Koschmieder), Formen des "imperfecto" bleibt. 22. Vergleich zum Deutschen Bei diesem Reportage-Text, der bestimmte Züge der inneren Form hochgradig ausdrückt, ist beim Vergleich zum Dt. zu sehen, wie unterschiedlich die AM-Verteilung in beiden Sprachen ausfällt. Wir beschränken uns auf Z.7 -20: "Nach wenigen Metern war der spanische Mittelstreckler eingeklemmt. Er mußte sogar seine Schritte verkürzen und hatte mehrere Ellbogenstöße wegzustecken. Zu dieser Zeit hatte er nichts mehr mit dem Geschehen an der Spitze zu tun. Er war ein Stück im Windschatten von Morceli gelaufen, aber jetzt hatte er den Anschluß verloren. Seine ungünstige Position erlaubte es ihm nicht, dem Algerier zu folgen, als der das Schrittmaß wechselte. Die Situation war dann für Cacho völlig "überraschend". Auita ging unter, während der Deutsche Jens Peter Herold, ein Athlet von großer Cleverness, die allgemeine Verwirrung nutzte, um den Anschluß an Morceli und Kirochi zu suchen. Bevor Cacho das merkte, war es fast schon zu spät. Nun mußte er aus der Gruppe ausscheren und schneller laufen als die anderen. Nur einige Meter trennten ihn noch von Herold, der auf der Zielgeraden kaum noch konnte. Ein Mann mit viel Kraft, wie Cacho, hätte ihn erreichen können, aber der traute es sich zu keinem Zeitpunkt wirklich zu."
Was deutlich wird, ist der enorme Abstand in der Wahl der AM, im Aufbau ihrer inneren und notwendigen Kombination und, davon ausgehend, in der Architektur der Vertextung der Sachbasis im Span, und im Dt. Es sind deutliche strukturelle Abstände zu erkennen. Da das Dt. nicht über die im Original eingesetzten Aorist- und imperfektiven Grammeme verfügt, ist es zu keinem Zeitpunkt in der Lage, eine dem span. Original vergleichbare Textstruktur aufzubauen. Während dort über die Grammeme lexikalisierte Merkmale der Geschehensdauer neutralisiert werden: permitir (stativ) zupermitio\ tener (stativ) zu tuvo; estar convencido (aktuell-nicht-terminativ) zu estuvo convencido; aprovechar (terminativ) zu aprovechaba (imperfektiv), kommen im dt. Text, sofern nicht ein günstiger Kontext vorhanden ist, zum Teil entgegengesetzte Aktionsartmerkmale zum Tragen: nutzte die Gelegenheit (terminativ); war überzeugt (stativ); erlaubte ihm nicht (nicht-terminativ). Die Textarchitektur des romanischen Systems profitiert von Aspekt-
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grammemen, das Dt., das auf grammatischem Wege keine Aspektualität auszudrücken vermag, muß in der Übersetzung auf andere Ebenen ausweichen, wenn über die SVWiedergabe hinaus eine Nachzeichnung der romanischen Textarchitektur intendiert wird.11 Die Abbildung der Sachebene, und das subsumiert die Verinnerlichung der SV, geht auf der Basis der im Sprachsystem verfügbaren AM sowie der usuellen Wege ihrer Strukturierung in Textmustern vor sich. Ein dt. Erzähltext entbehrt der aspektgeleiteten Aufteilung in Geschehenskette und situationellen Kontext. Die Verinnerlichung unter diesem Gesichtspunkt ist vom romanischen Übersetzer weitgehend zu leisten. Insofern ein Text im Dt. überhaupt der romanischen Ereignis-/Situationsaufteilung gerecht werden soll, ist das Dt. zunächst in starkem Maße auf den Ausdruck von Aktionsarten angewiesen (vgl. auch Stobitzer 1968:119). Im Beispieltext zu sehen am Ausweichen von recibio (Z.8) auf mußte wegstecken oder tuvo tiempo (Z.23) zu schaffte bzw. auch das bereits resultativ markierte resulto desconcertante (Z. 13) zu ergab sich (eine ausweglose Lage). Das gleiche Phänomen beobachtet auch Stobitzer (1968), wobei als charakteristisches Verfahren des Dt. die präfixale Resultatsmarkierung festzuhalten ist.12 Die zweite Ebene, auf der ein Ausgleich erfolgen kann, ist die der Zeitstufen des temporal-deiktischen Systems. Zur Wahrnehmung von Markierungen im Rahmen der Taxis (vgl. Maslov 1985:24) treten Formen der Vorvergangenheit an die Stelle der Abfolge in der Aorist-Kette: advirtio (Z.4) wird zum Plusquamperfekt im Dt.; wechselt aus der aspektgeleiteten Erzählkette des Span, ins temporal-deiktische Erzählschema, wo es aufgrund der chronologischen Abfolge als Vorvergangenheit zu kennzeichnen ist. ine dritte Kategorie, die sich anbietet, ist die Diathese, die ja, zumindest intersektionell, Merkmale der Aspektualität markieren kann: Zustandspassiv zum Ausdruck der Perfektivität, des resultierenden post-aktionalen Zustandes. Diese Möglichkeit wird mehrfach genutzt und führt zu einer akzeptablen Äquivalenz:13 vgl. Z.7 fue encerrado war eingezingelt; Z.24 se sorprendio war so überrascht. Größte Aufmerksamkeit verdienen bei der Geschehensanordnung im Dt. temporaldeiktisch fixierbare und textdeiktisch allgemeine Zeitadverbien. Im obigen Text ergeben sich an mehreren Stellen Möglichkeiten zur Kompensation der Leistung von AoristFormen: vgl. Z. 17: Nun mußte er aus der Gruppe ausscheren. Interessanter ist aber eine Gruppe anderer Adverbien, die oft den Zeitadverbien zugeschlagen werden, genau gesehen aber zu den AM gehören, mit deren Hilfe im Dt. ansatzweise Aspektualität verwirklicht werden kann. Z.9 "zu dieser Zeit hatte er nichts mehr mit dem Geschehen an der Spitze zu tun" für "permanecia ajeno", womit in der Tat die Möglichkeit zur Darstellung des Verlaufes des eingetretenen Zustandes gegeben ist. Vergleichbares trifft zu auf "nun" in Kombination mit einer Zustandsangabe: vgl. Z. 13 "Die Lage war nun für Cacho irritierend". Als letzter Punkt sind Umschichtungen bei Zeitpunkt- bzw. Verlaufsadverbien zu nennen, die nicht zu trennen sind vom Übergang von der aspektuellen Leitlinie zur Dieses Problem indes ergibt sich aus dem Bestreben einer vertretbar getreuen Nachahmung der Struktur des Quellentextes. 12 Vgl. ein bei Stobitzer (1968:56) entlehntes Beispiel: "Charles passa Phiver en Espagnc aupres de la reine Isabelle dont la santo donnait des graves inquiotudes. Le premier mai... eile fut prise d'une violente fievre..." / "Karl verbrachte den Winter in Spanien.. Am ersten Mai wurde sie... von einem heftigen Fieber ergriffen,.. Beide Äquivalente der p.s.Formen des frz. Originals sind deutlich durch perfektivierende Präfixe gekennzeichnet, mit denen Grenzmarkierungen der Geschehen gesetzt werden: verbrachte bzw. wurde ergriffen. Wobei allerdings die perzeptive Verinnerlichung deutlich differiert.
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temporalen Deixis. Vgl. Z. 17: "Cuando Cacho se enteroya era tarde." zu "Bevor Cacho das merkte, war es fast schon zu spät." Um der lexikalisch bedingten Resultativität (zu spät sein) im Teil zwei zu entgehen, wird im Teil eins der Zeitmarker der Gleichzeitigkeit als gegen den der Vorzeitigkeit bevor ausgetauscht. 2.3. Besprechungstext - Portugiesisch Der folgende ptg. "Besprechungstext" soll, abgehoben von Gegebenheiten anderer romanischer Sprachen, die Besonderheiten des ptg. Morpheminventars sowie dessen Leistung bei der Erstellung dieses Texttyps aufzeigen. Der Text schöpft sein Interesse in hohem Maße aus der Bewertung vorangegangener Ereignisse. Ponte de S Joäo ja tcm longa lista de percal$os Um comboio de mercadorias com destine a Campahä saiu de Gaia pela via conträria ä que deveria utilizar. O incidente ocorreu no passado dia 27, tres dias apos ser inaugurada a Ponte 5 de S Joäo. A composite, por aparente erro de manobra de agulhas, foi encaminhada para os carris da via descendente, a que traz äs composi;öes de Campanhä para Gaia. Ja estava perto da estacäo do General Torres quando o maquinista, aper10 cebendo-se de que se encontrava em contra-via, imobilizou o comboio e, em marcha-aträs, empreendeu o regresso a Gaia. Este insolito incidente, aparentemente motivado por mais uma falha humana, vem engrossar a ja longa lista de percalc,os que tern ocorrido no no ferroviärio do Porto. Depois dos dois des15 carrilamantos que antecederam a inauguragäo da nova travessia do Douro, ocorreu, no proprio dia 24, um incidente com uma agulha que estaria em posicäo incorrecta. Da anomalia nada mais resultou do que estragos na via, que levaram apenas ä substituicäo da agulha. 20 O acontecimento do dia 27, que poderia ter-se revestido de gravidade, so agora foi conhecido. Mas, a este caso, haveriam de se suceder pelos (sie!) menos mais dois, ambos ocorridos nesta semana. Pedidas demissöes 25 Na tersa-feira, dia 2, uma automotora embateu na traseira de um comboio que aguardava entrada em Campanhä. Foi um novo erro humano, que causou nove feridos. Horas mais tarde, um comboio Alfa, vindo de Lisboa, quase embatia num outro que fazia a circulacäo entre Campanhä e S.Bento. Foram trabalhadores que se encontravam na via quem sinalizou a iminencia do 30 perigo ao maquinista que saira de Gaia, evitando o acidente. Para os sindicatos ferroviärios, este acumular de ocorrencias 6 a prova de que a seguranga no no do Porto anda por baixo. (...) Embora sempre atribuiveis a erros humanos, os incidentes no 35 Porto estäo relacionados com a substituicäo do sistema de sinalizagäo e a tentativa de por em funcionamento o inovador esquema de comando centralizado de träfego. Em algumas zonas
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onde havia cantonamento automätico, o controlo passou a ser feito por telefone, procedimento assente apenas na eficäcia do 40 operador. Os sindicatos tem referido que a enorme quantidade de comboios näo se compadece com este sistema, para mais exer cido em gabinetes sem condic.öes. O presidente da CP nega esta interpretasäo, dizendo que o cantonamanto telefonico 6 usado em diversas zonas da linha do Norte."(Expresso 6/7/91: A3)
Ein Besprechungstext verkörpert gegenüber einem Erzähltext die architektonisch höher organisierte Form: Erzählteile werden zur Bewertung in ein höheres Sprachhandlungsmuster integriert und darin "aufgehoben". Das Besprechungsniveau als höhere Bezugsebene ist per definitionem interessenabhängig. Für lexikalische und grammatische Konstituenten der Besprechungsebene ist jeweils zu ermitteln, inwieweit sie "Oberbegriffe" zur Erzählebene (narrative level) darstellen. Im Beispieltext kann das exemplarisch belegt werden. Der Text basiert in hohem Maße auf narrativen Strecken, die die Basis für die Besprechungsteile bilden. Neben einer Bildunterschrift finden sie sich zwischen den Zeilen 2-11, sowie 14-30. Die Besprechungteile sind eindeutig übergeordnet. Die narrativen Strecken werden funktional eingebracht: Sie vermitteln dem Leser die zur Beurteilung notwendige SV-Information.14 Bereits im Blickfang des Artikels (Bildunterschrift) wird das Prestigeobjekt der Staatsbahnen deutlich kritisch einer Reihe von Zwischenfällen gegenübergestellt: "Cavaco Silva, ao lado de Ferreira do Amoral, atravessou esta semana a nova ponte ferroviaria do Porto, oito dias depois do previsto: nos Ultimos dias aumentou o numero de incidentes ja ocorridos na nova ponte." Funktional wird der Adressat in die Problematik eingeführt, sein Informationsstand angeglichen. Vor allem der Doppelpunkt zwischen den beiden Teilen des initialen Narrativteiles suggeriert bereits Kausalität, den Mangel an Sicherheit. Die Problematisierung der SV fällt relativ kurz aus, enthält jedoch unter den markanten Leistungsträgern zwei verbale Formen, die ein größeres Interesse verdienen. Abschnitt l (Z.2-11) erzählt ein schwerwiegendes Vorkommnis, das in nominaler Form als Ertrag mit "insolito incidente" zusammengefaßt und gewertet, sowie per Prädeterminanten "este" als Thema gesetzt wird. Es ist Ausgangspunkt für die Resultatsziehung auf aktuelle Geschehen: "vem engrossar a ja longa lista". Wenn vorher im narrativen Teil noch keine tendenziöse Wertung feststellbar ist, spätestens hier wird sie lexikalisch (engrossar; ja longa lista) eingeführt. Als aspektuelles AM fügt sich das resultativ-perfektische vem engrossar (vem + inf) in die Problematisierung ein. Es erhöht auf der Basis des integrierten Lexems deutlich die Faktizitätsansprüche (x engrossa bzw. engrossou) für die Wertung. Das perfektive Aspektmorphem erlaubt es, ein zum Sprechzeitpunkt (le) bzw. Bezugszeitpunkt (Ir) und darüber hinaus gültiges Geschehen zu notieren.(vgl. Vf. in Vorher.) Das im Relativsatz Z. 14 und noch einmal Z.40 auftretende perfeito composto (p.c.). ist eine der schillerndsten Formen des ptg. TA-Systems. Sein Stellenwert ist nicht durch die temporale Deixis gegeben; vielmehr sehen wir als Dominante mit Ines Silva Duarte (1983:128) den imperfektiven aspektuellen Wert. Die für die Struktur des Besprechungstextes wichtigen Leistungen leiten sich aus seiner pragmatischen Reichweite ab. Salkie führt aus: "..prototypically used for a past within a present context" (1989:20). Während wir dem Verweis auf temporale Deixis (past) nicht zustimmen können, deutet In ihrer Anlage sind sie im wesentlichen vergleichbar mit denen des oben analysierten span. Textes.
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der präsentische Kontext, KV "Erörtern", eines der wichtigsten Leistungsfelder des p.c. an. Es eröffnet eine Ereignis- /Wertungsstrecke, die das aspektuelle Grammem "mantelartig" und imperfektiv vorgibt. Innerhalb des beanspruchten Bereiches ist dann in verschiedener Weise, abhängig von der Mitteilungsabsicht - ein Vor- und Zurückfassen in der Ablaufkontur (Mantelbereich) des Referenzfeldes möglich. Der Beispieltext führt die eröffneten Leistungspotenzen nahezu exemplarisch vor: Zunächst wird der beanspruchte Rückschaubereich (Z.2-11) erfüllt. Die zweite narrative Strecke (Z. 14-30) teilt weitere Ereignisse zur vollständigen Information des Lesers mit, um dann in Z.31/32 zu Ertrag/Wertung: "este acumular de ocorrencias" und Schlußfolgerung "e a prova de X" zu kommen und die Schuldfrage zu stellen. Damit ist der aktuelle Besprechungsbereich ausgeschritten. Die zweite p.c.-Form "os sindicatos tem referido que " .40 notiert (x referimm) ein unabgeschlossenes Intervall (aspecto inacabado), mit dem semantisch die bereits andauernde und noch nicht beendete Stellungnahme der Gewerkschaften, und damit pragmatisch ihre Freispruch von der Verantwortung angezeigt wird. Die in das Intervall eingeschriebene Aspektform läßt einen kategorialen Interpretationsspielraum zwischen andauerndem und wiederholtem Geschehen zu (vgl. Vf. 1991:19). Sie steht in Opposition zur folgenden Form, Z.42, wo die Leugnung der Wertung durch den Präsidenten der Staatsbahn als aspektneutrale Sachaussage nega getroffen wird.
3. Temporale Deixis und Aspekt in historischen Texten Es erscheint sinnvoll, vergleichbar zu Blumenthal(1986), wenn auch nicht mit gleicher Engmaschigkeit, die Sicht auf ältere Texte zu erweitern. Für das Ptg. liegen für Textuntersuchungen kaum Vorarbeiten vor, an die angeknüpft werden kann. Genutzt werden die "Demanda do Santo Graal" als repräsentativ für das XVJahrhundert, wobei Vorsicht bezüglich der Datierung, sowie auch des frz. Einflusses geboten ist, überdies, unter Beachtung der Bedingungen der gebundenen Form, Camöes "Lusiadas" als Repräsentant der Renaissance-Epoche, sowie der im XV. Jahrhundert zu datierende katalanische Ritterroman "Curial e Guelfa". Im Zentrum des Interesses stehen zwei Dinge: Aspekt temporale Deixis als textuelle Leitlinien sowie Status und semantische Werte einiger repräsenativer tempus- und aspekttragender Formen, insoweit Eigenart und Kohärenz der untersuchten Texte solche Schlüsse zulassen. 3.1. SV-Verkettung und Tempusgebrauch in den "Lusiaden" Bei Beachtung der Erfordernisse des Genres als Besonderheit, ist der Vorzug des Lusiaden-Textes darin zu suchen, daß ein authentisch ptg. Text vorliegt, der überdies die Sprache schon in einer relativ entwickelten Epoche zeigt. Vom Standpunkt des temporal-deiktischen Systems sind die Lusiaden auffällig. Zu beobachten ist eine starke Inkohärenz, die schwerlich auch nur partiell mit Erfordernissen des Genres begründet werden könnte. Nicht nur der ständige Wechsel zumpresente historico fällt auf, sondern auch der, unter temporalem Gesichtspunkt, recht willkürliche Einsatz der Vergangenheitszeiten, ganz abgesehen vom Status der reichlich anzutreffenden periphrastischen Formen.
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C.I:89 Eis nos batdis o fogo se levanta na furiosa e dura artelharia; A plumbca pdla mata; o brado espanta; Ferido, o ar retumba e assovia. O coracäo dos Mouros se quebranta, O temor grande o sangue Ihe resfria; Ja foge o escondido, de medroso, E morre o descoberto aventuroso. C.I:90 Näo se contenta a gente portuguesa, Mas seguindo a vitoria estrui e mata; A povoasäo sem muro, sem defesa Esbombardeia, acende, desbarata. Da cavalgada ao Mourom ja Ihe pesa, Qui bem cuidou comprä-la mais barata; Ja blasfema da guerra, e maldizia O velho inerte e a mäe que o filho cria.
Fugindo, a seta o Mouro vai tirando Sem for^a, de covarde e de apressado, A pedra, o pau e o canto arremessando; Dä-lhe armas o furor desatinado. Ja a ilha e todo o mais desamparando, A terra firme foge, amedrontado; Passa e corta do mar o estreito brago, Que a ilha em torno cerca, em pouco espa^o.
Der Ausschnitt aus dem Canto I: 89-91 ist typisch für die Narration der Lusiaden: Es kommt vornehmlich das Präsens zum Einsatz. Dem heuristischen Anliegen ist es nicht dienlich, wenn dieses praesens historicum von vornherein als reines Stilmittel angesehen wird. Zutreffend ist, daß dort, wo entsprechend usueller Vorstellungen die Erzählung mit den Tempora der Vergangenheit zu führen wäre, eine Aktualisierung erfolgt, indem sprechzeitparallele Formen zum Einsatz kommen. Nur selten ist die temporaldeiktische Retrospektive anzutreffen, kommen Formen zum Einsatz, die auf lateinische Vergangenheitstempora zurückgehen. Insofern zwischen Latein und romanischen Tochtersprachen ein "Bruch" des grammatischen Systems liegt, ist es methodologisch vorzuziehen, nicht a priori von gleichen oder vergleichbaren Werten der Formen im System der Tochtersprachen auszugehen, zumal Werte ja lö nur korrelativ zum "Systeme des valeurs" festzustellen sind und 2° Elemente und Korrelationen des Systems für je unterschiedliche Abschnitte der Diachronie jeweils gesondert zu ermitteln sind. Seit Weinrich sind die funktionalen Anforderungen des "discours narratif ' als im wesentlichen bestehend aus aoristischer Ereigniskette und imperfektivem beschreibenden Hintergrund ("Eintreten Währen" bei Koschmieder) untersucht (vgl. Weinrich 1964; Koschmieder 1985:86; Blumenthal 1985; Adam 1991). In den Strophen 89-91 wird all dies mit dem von vornherein als imperfektisch gekennzeichneten Präsens geleistet; vgl. 89: a pela mata, o brado espanta, o corasäo dos Mouros se quebranta. Die Geschehen werden kursiv gezeigt. Die Abbildung der im Sachbe-
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zug chronologisch gestaffelten Ereignisse als narrative Kette ist mit imperfektiven Formen nicht zu leisten, deshalb wird der Eintritt der Geschehen über konturierende Adverbien markiert: das funktional auffällige ja wie auch das auf "ecce" zurückgehende eis. Mit diesen Markern werden die imperfektiven Präsensformen entweder direkt als eintretende Geschehen gekennzeichnet "eis o fogo se levanta" oder aber das Eintreten wird auf dem Wege der Implikation (vgl. Givon 1972) markiert: "ja foge o escondido (89); ja Ihe pesa (90); ja a terra firme foge (91)". Wenn man nun berücksichtigt, daß die Definition eines temporal-deiktischen Systems eine oppositive Achse zwischen sprechzeitparallelen und retrospektiven Tempora voraussetzt, so ist zu bezweifeln, ob der vorliegende Text einem temporaldeiktischen Funktionsprinzip folgt. Die Anforderungen der Textkonstitution werden erfüllt. Die Basis dafür bildet das aspektuell imperfektive, eigentlich sprechzeitaktuelle Präsens. Da weder der Sprechzeitbezug respektiert wird, noch die temporaldeiktisch erforderliche Opposition zur Retrospektive gegeben ist, verbleibt als dominantes Merkmal der Aspekt, die imperfektive Geschehenskonturierung. Diese Hypothese wird insofern gestützt, als die für die Textkonstitution erforderlichen Veränderungen ebenfalls mit aspektuellen AM herbeigeführt werden. Wir befinden uns hier vor einem Problem, das Koschmieder anhand des Polnischen so charakterisiert: "Wenn aber die Fiktion der Gegenwart der wichtigste Faktor ist, der über die Verwendung des Praesens historicum entscheidet, so ergibt sich daraus ein Zusammenstoß der Gegenwart - auch wenn sie nur fiktiv ist - mit dem perfektiven Aspekt, der in der Situation "Währen - Eintritt" gefordert wird, d.h., ein Zusammenstoß des Temporal- und des Aspektsystems." (1987:86). Herbeigeführt durch die Neutralisierung der Tempusoppositionen, entsteht ein Defizit, zu dessen Ausgleich das aspektuelle Potential des verfügbaren Präsens nicht hinreicht. Insofern kollidieren auch in unserem Text Tempus- und Aspektsystem. Wenngleich die Verhältnisse im Polnischen und im Ptg. nur partiell komparabel sind, da das eine ein lexikalisch verankertes Aspektsystem vorgibt, während im Ptg. die erforderlichen Dichotomien von aspektuellen Oppositionen des Zeitensystems getragen werden, sind die funktionalen Anforderungen der Strukturierung in Ereignis und Hintergrund (Eintritt und Währen) gleich. Da sie das Präsens allein nicht erfüllen kann, müssen andere AM der Aspektualität hinzutreten. Gestützt wird unsere These vom aspektuell geleiteten Text weiter durch die funktionale Einordnung der beiden Vergangenheitsformen: Einer Form des imperfektiven Währens maldizia, und der p.s.-Form cuidou. Für "cuidou" käme in temporal-deiktischer Sicht einzig die Interpretation als Vorvergangenheit in Frage. Diese Interpretation ist aber unangemessen. Das im Text operationale Merkmal ist das Aspektmerkmal, die Aoristbedeutung von "cuidou"; die das abgeschlossene, zum Referenzzeitpunkt nicht mehr gültige Geschehen anzeigt. Das p.s. wird damit nicht als Wert des Zeitensystems, sondern als Glied des Aspekt-Systems gebraucht, wobei noch zu zeigen sein wird, daß in dieser Funktion im Lusiaden-Text, aber auch an anderer Stelle, vielfach Neutralisierungen des Zeitstufenunterschiedes zwischen p.s. und "mais-que-perfeito" zu beobachten sind, die sich aus der gleichwertigen Aoristbedeutung ergeben. Anliegen der hier vorgetragenen Überlegungen ist es weniger, die Existenz der temporalen Deixis, für das Ptg. dieser Zeit überhaupt und den Lusiadentext insbesondere, in Frage zu stellen, als vielmehr zu demonstrieren, wie die Annahme eines aspektuellen Leitsystems zur SV-Aneignung oft zu deulich kohärenteren Erklärungen führt.
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3.2. Geschehensaneignung und Tempusgebrauch in der "Demanda do Santo Graal" Interpretiert werden soll in der Folge ein Absatz aus der "Demanda do Santo Graal" als repräsentativ für das mittelalterliche Ritterepos im iberoromanischen Areal. Der Anspruch ist dabei nicht zu eng auf das Galego-Portugiesische zu ziehen, angesichts der Wanderbewegungen der Erzähl-Epen, ihrer Überlieferung von einem Sprachbereich in den anderen, durch die ein gewisser -Einfluß (Übersetzungsdruck, geminderte Einsprachigkeit) nicht ausgeschlossen werden kann. Apodiktische Rückschlüsse auf die Daseinsweise des Ptg. sollten deshalb vermieden werden.15 "Galaaz, pois separtiu dos outros, andou soo buscando äs aventuras do reino de Logres per todos os logares u ouvia delas falar, asi que aventura o levou aa furesta d'Arnantes u era Perigoso. Ali achou el o moimento de Mois, o filho 5 de Simeu, que senpre ardia, como o conto a ja divisado; e bem asi como Simeu foi livre do fogo polla vida (de) Galaaz asi foi M(o)is livre por aquela mesma aventura. Este milagre/o/ metudo na see de Camaalot en escrito. E pois ele acabou esta aventura, andou tanto por sas jornadas que aventura o levou aa 10 Foresta Perigosa. Ali achou ele a fönte quefervi u Lan^arot matou os II lees que o moimento gnardavam del-rei Lancarot, padre del rei Bam, asi como a Grande Estoria de Lancarot o devisa. A aventura daquela fönte que tarn muito/a fervera deu el cima, e direi-vos em quäl guisa." (582, Ausg. Fiel)
Dieses Textstück als Muster für narrative Texte seiner Zeit (vgl. "O Boosco deleytoso") schließt sich in seinem TA-System dem altfranzösischen epischen Text an, zeigt aber schon Ansätze zu Weiterentwicklungen. Zu unterscheiden sind Narrationskette und Autorkommentar (aktueller Kontakt zur Zuhörerschaft). Der Autorkommentar ist mit drei Formen vertreten: "a ja divisado, devisa" und "direi-vos". Davon ist die Futur-Form deutlich zeitlich markiert, die des "presente" berichtet eher einen Fakt von andauernder Gültigkeit, während für die analytische Form Zurückhaltung bei der Zuordnung zur temporalen Deixis geboten ist. Die Mesoklise von "ja" spricht für eine perfektive Bedeutung. Ein Übergang vom Aspektbereich zur temporalen Deixis ist noch nicht anzunehmen (vgl. Benveniste 1966; Alarcos Llorach 1970: 36sw.; Blumenthal 1986). Daneben ist eine Linearisierung, d.h. die bei narrativen KV übliche Kettenbildung von Ereignissen zu beobachten. Sie wird getragen vom p.s. in Aorist-Bedeutung mit dem bekannten pragmato-semantischen Merkmalskomplex: globalisierend, Ereignis, linarisierend, narratives KV. Als zugehörige Verbformen sind erkennbar: "se partiu, andou soo, levou aa furesta, achou o moimento, acabou a aventura, andou tanto, levou aa Foresta, achou a fönte, deu cima". Damit ist der rote Faden der Erzählung herausgelöst. Die Formen, die einer linearen Zuordnung der p.s.-Funktion zur Narrationslinie im Wege stehen, sind: "asi com Simeu foi livre asi foi M(o)is livre; o milagre foi metudo en escrito; Langarot matou os II lees." Hinzu kommt als weitere Form "fervi" Z. 10, die bezeichnenderweise in der Fassung von Augusto Magne an das moderne Ptg.: fervia angeglichen wurde. Diese Teile integrieren sich nicht in die Ereignislinie der SV und verweisen bezüglich des in diesem Genre usuellen Die Komparabilität zu anderen romanischen Sprachen steigert den heuristischen Wert des Vergleiches.
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Tempusgebrauchs v.a. auf zwei Dinge: Es darf nicht von einer Spezialisierung des p.s. auf die narrative Funktion (Ereignisketten) ausgegangen werden und es ist zu untersuchen, ob der p.s.-Gebrauch, bei Anerkennung des Merkmals "globaliserend", eher auf Aoristbedeutung oder perfektiv-resultative Bedeutung schließen läßt. Man kann entweder bei der Bewertung als Aoristbedeutung verbleiben und parallel dazu eine weitere Bedeutungsgruppe beim p.s. herausfiltern oder aber eine solche Modifizierung des Konzepts vornehmen, daß sich die "unpassenden" Verwendungen mühelos integrieren lassen. Die Analyse läßt uns zu folgender Hypothese gelangen. Bei Einsatz des p.s. ist die traditionelle Aoristbedeutung gegeben, d.h. ein TA-Komplex, der den temporalen Rückschaubereich und pragmatisch die Gültigkeit zum referierten Bezugsmoment umfaßt. Die Abweichung besteht vor allem darin, daß es im narrativen Text möglich ist, das p.s. auch dann zu verwenden, wenn auf andere als in der Hauptnarrationslinie verankerte temporaldeiktische Rückschaupunkte Bezug genommen wird. Im obigen Text sind das gleich vier: Das Wunder an Simon und Moses; dessen Niederschrift in der Kathedrale von Camaalot, die heiße Quelle und Lancelots Löwenabenteuer. Der anzusetzende funktionelle Skopus des p.s. geht über die Darstellung der Ereignisse in ihrem chronologischen Ablauf hinaus. Es ist die Frage zu stellen, ob die temporaldeiktischen Merkmale dominieren, wenn ja, in welcher Weise sie dominieren. Soll die temporale Veränderung (fervia fervi), die Magne vorgenommen hat, nicht als Zufall eingestuft werden, so ist mit einer anderen Distribution von p.s. und "imperfeito" zu rechnen. Die Opposition "globalisierend kursiv" ist vorhanden, vgl. die Vorkommen von "ouvia, ardia, guardavam", begleitet von Markern, die die imperfektive Perzeption betonen: "senpre, por todos os logares". Hingegen ist offenbar die auf "Globalisierung" aufbauende pragmatische Oppostion "Aorist Gültigkeit zum Redemoment" neutralisiert, und zwar zugunsten der Betonung der Faktizität. Die p.s.-Formen stehen für beides, Aorist und Faktizität zum Sprechzeitpunkt, wobei die außerhalb der Narrationssequenz liegenden Formen zur Betonung der Faktizität des Geschehens dienen, d.h. fervi (x nao fervi) unter Verzicht auf die Möglichkeit der Darstellung der inneren Dauer, foi im Paradigma zu seiner Negation unter Verzicht auf die Darstellung temporaldeiktischer Vorzeitigkeit fora. Bei der Beurteilung der ein- zigen Form des "mais-que-perfeito sintotico" fervera ist zu beachten, daß chronologische Vorzeitigkeit vorliegt (x Gleichzeitigkeit beim "imperfeito"), ohne daß der Tempusgebrauch in den konsultierten Texten funktional so einfach ist, wie ihn Huber darstellt: "Das einfache Plusquamperfekt hat im allgemeinen die Bedeutung des lat. Plusquamperfekts, d.h. es bezeichnet eine Handlung, die früher abgeschlossen war als eine andere ebenfalls vergangene." (Huber 1933:223) 3.3. Alt-Katalanisch (Curial e Güelfa) Im folgenden soll ein Textausschnitt aus Kap. 40 des altkatalanischen Ritterrromans "Curial e Güelfa" (um 1450) auf aspektuelle Leistungen untersucht werden. Er bietet recht gute Voraussetzungen, da eine Mischung von Erzählteilen und Diskurspassagen vorliegt. "Havia en aquest cas en la pla9a un normand molt valent, apellat Guillalmes de Roam, lo quäl en aquella vesprada havia fet maravellosos colps de llan^a. Per quo, veent que los sis cavaliers dels escuts negres feien, eixi de la pressa e mudä cavall e refrecsa, e, presa una llanc.a molt grossa en la ma, ana en aquella part on los sis cavaliers eren, e mim lo cavalier del falco encapellat, e volgue'l ferir, mas viu que no tenia , e dubla fer contra sä honor, emperö veia que es feia vespre e lo so! declinava, e li seria tolta
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facultat de fer armes; elegf anar contra eil, eferf'l tan poderosament en son venir, que l'escut tipassä, e tot l'arco de la sella, emperö a la earn no li wie; emperö si/o/jc aquest lo major encontre que Curial nulls temps haguos rebut. Mas, cavalier del falco, estrenyant 1'espasa, \oferi sobre el cap, no solamant un colp ans molts; e anava pegat ab ell, que no el Ueixava recordar ne es podia girar en manera del mon tant lo tenia a prop, per forma que el f6u venir a abracar lo coll del cavall." (150/ 51)
Der Text zeigt zunächst die typische romanische Narrationsstruktur, die deutlich in deskriptive Teile und Ereignisse geteilt ist. Der Ereignisfaden ist durch: "eixi - mudä cavall -refrescä - anä - mirä - volguo - viu - dubtä - elegi - ferfl - passä - no venc - föne - feri venir" gegeben. Für diese Formen des "perfet simple" kann im Block beansprucht werden, daß sie punktuell und abgeschlossen sind. Im Zusammenspiel zwischen aktionalen und aspektuellen Werten, wird die Verbsemantik majorosiert: Atelische Verben im "perfet simple" erlangen Aoristbedeutung: vgl. "anar, mirar, voler, dubtar". Neben der Ereigniskette ist der deskriptive Hintergrund gegeben mit dem "imperfet". Retrospektiven erfolgen temporal-deiktisch: "havia fet", "haguos rebut"(subj.). Als periphrastische Form ist allein "anava pegat" gegeben, auf das unten (vgl.3.4) eingegangen wird. 3.4. Periphrastische Formen im aspektuellen Wertesystem Wir engen die Untersuchung möglicher Indikator-Formen im Bereich Tempus Aspekt ein auf Syntagmen mit den Komponente "estar/ ir/ vir/ andar/ ficar" + "gerundio (ger.) / participio (ptc.)". 3.4.1. Periphrastische Formen in der Diachronie Die aspektuellen Leitlinien des Ptg. sind in hohem Maße in der periphrastischen Konjugation verankert, deren Status meist als gegeben vorausgesetzt wird und deren Entstehung nur selten, wie bei Dias da Costa (1976) thematisiert wird. Wie dort gezeigt, ist auszugehen von der Kombination "Bewegungsverb + nominale Form", die zunehmender Kondensierung unterliegt. Bei Kombinationen mit dem ger. kann diese Entwicklung grosso modo belegt werden. Weitergeführt wird im Ptg. nicht das lat. Gerundium, sondern der Ablativ des Gerundivums vom Typ : "crimina inferendo delectari" (Vergnügen finden am Vorbringen von Beschuldigungen) (vgl. Said Ali 1971:146). Im Übergang zum Romanischen unterliegt diese hochspezifizierte Form der Demotivierung und Opazität. Im Text der Lusiaden sind Übergänge zu periphrastischen Formen deutlich zu beobachten. Innerhalb des funktionalen Kontinuums unterscheiden wir als Pole des Veränderungsprozesses: Die Konjunktion oder Amalgamierung 'h" bipolarer Syntagmen aus Bewegungsverb (andar, ir, vir, ...) und Zielpunkt (Modalbestimmung oder Finalbestimmung) und die Verschmelzung oder Kondensation zur Periphrase, die wechselseitig durch Verlust des syntaktischen Status beim ger. und die Instrumentalisierung des Bewegungsverbs zur kategorialen Komponente (Grammem) gekennzeichnet ist. (1) "Gentes de todo o Reino, cuja usanga Era andar sempre terras conquistando." (C.III: 68)
"Andar" und die Gerundialform sind nicht nur formal durch die Mesoklise des Objekts zu "conquistar" getrennt, es ist auch keine Kondensation der beiden Bedeutungen eingetreten. Bei Setzung eines Kasusrahmens, wäre "terras conquistando" als Rolle CT (conteudo) (vgl. Vf. 1984:53 ff.) zu bestimmen. Anzeichen für die Verschmelzung sind
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im Anschluß an Bally (1965:111), Brunot (1953:348), Gamillscheg (1957:531) - lö mit der Aufgabe der mesoklitischen Anordnung der Geschehensträger und 2° der Desemantisierung des Bewegungsverbes gegeben. Beides liegt in (1) nicht vor. (2) "Das cintas pera cima vem despidos" (C.I: 47)
Daß "vir + ptc." syntaktisch als kondensierte Form auftritt, darf nicht über den semantisch kumulativen Wert hinwegtäuschen. "Vir" ist Bewegungsverb; Mesoklise des Nominalsyntagmas erfolgt nicht, da die Geschehensträger vorerwähnt sind. Im Sinne Ballys liegt eine Vorstufe der Kondensation vor. Wir werten (2) als Beleg für die Konjunktion von virf] estar despido bei Koreferenz über "a gente". Als Folge der minimalen Intension von "estar" und der intersektiven Intensionen von "vir" und "estar" ist syntaktisch die Löschung (dropping) des allgemeineren "estar" möglich und kann in der Folge usuell werden. Damit ist eher von syntaktischer Amalgamierung (clustering), denn von semantischer Verschmelzung auszugehen. Im Katalanischen sind vergleichbare Ausgangsbasen wie im Ptg. gegeben. Mit Ausnahme einiger fester Syntagmen ist jedoch kaum der Grad völliger Kondensation zu beobachten: (3) (T: cavalls) "e semblantment desenfrenaren les cavalcadures, e lleixaren-les anar paixent l'herba, la quäl hi era tendra e bona." (Curial: 134) (..machten sie die Reittiere los und ließen sie weiden)
Es liegt Konjunktion von Komponenten (anar peixer) vor, wobei "paixent" Modalbestimmung zu "anar" ist. Ein gleicher syntaktischer Status ist auch bei (4) gegeben: (4) "Lo rei, aixi mateix, pensant que d'a$o poria eixir gran brogit, com ois que Curial venia aixi acompanyat com out havets,trames per lo Sanglier,..." (Curial: 184)
Auch hier handelt es sich um eine deutliche Konjunktion von Bedeutungen: venia era acompanyat. Verschmelzung, und damit dem Übergang zum Aspektwert bei "venir" ist noch nicht gegeben. Anders in (5). (5) "...e anava pegat ab ell, que no el lleixava recordar ne es podia girar en manera del mon,..." (vgl. oben 3.3)
Hier scheint uns die Kondensierung vollzogen zu sein: "Anar-"Periphrasen weisen im Katalanischen bereits in dieser Epoche des öfteren imperfektive Aspektwerte auf. (6) "No sofre muito a gente generosa (os fortes Portugueses -Th.)Andar-lhe os ces (os belicosos Mouros -Th.) os denies amostrando;" (CI:87)
Wir interpretieren "andar + ger." wiederum als semantische Konjunktion: Os caes andam (] os ces amostram os denies ä gente. Der Kondensierungsgrad ist jedoch als höher anzusetzen als bei (2). Bei fortbestehender Mesoklise des gemeinsamen Trägerlexems liegt bereits Enklise des obliquen Pronomens "Ihe" an "andar" vor. (7) "Sintra, onde äs Najadas, escondidas Nas fontes, vaofiigindo ao doce la;o Onde Amor äs enreda brandamente,..." (C.III:56)
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Das referenzidentische Subjekt "äs Najadas" ist proklitisch angeordnet. Die Zuordnung des ger. als Kasusrolle zum Bewegungsverb ist nicht mehr sinnvoll. Es ist nicht mehr Modalbestimmung, sondern semantisch integriert. Das Bewegungsverb "ir" ist semantisch soweit entleert, daß sich das Verhältnis zwischen Basis und Modalbestimmung umkehrt: Das Geschehen "fugir" bildet die semantische Basis, die mit "vo" als Grammem imperfektivisch aktualisiert wird. (8) "Ficava a maura gente magoada, No odio antigo mais que nunca acesa," (C.I: 93)
Es liegt Mesoklise des Passiv-Trägerbegriffes "a maura gente" vor, doch weist die übergeordnete Partizipialkonstruktion (no odio acesa) auf die Integration von "ficava" und "magoada" hin. Die Voranstellung von "ficava" dient u.E. der Hervorhebung der Resultatskomponente. (9) (T: tempestada) "O mestre astuto em vo da popa brada Vendo como diante ameaqando Os estava um maritimo penedo, Que de quebrar-lhe a nau Ihe mete medo." (CII:24)
Die Form ameagando os estava ist innerhalb der Aspektachse "aktuell nicht-aktuell" (vgl. Vf. in Vorber.) dem merkmalhaften Glied "aktuell gültig" zuzuordnen. Auf syntaktischer Ebene sind noch Beweglichkeiten erkennbar, die nicht vorrangig der gebundenen Form geschuldet sind, sondern auf mitteilungsperspektivisch genutzter freier Wortfolge beruhen. Typisch für die damalige Syntax ist, daß der Hauptfaden der Handlung mit einer Zeitform belegt wird, während die nebengeordneten Propositionen, nach lateinischem Vorbild, sehr stark auf ptc. und ger. orientiert sind: vendo como (da er sah, als er sah, weil er sah). Die Möglichkeit zur Superposition zweier Gerundial- Formen ("vendo" hierarchisch über "zmeaqando") ist deutliches Indiz für funktionale Dissimilierung zwischen ihnen. Trotz Mesoklise des Pronomens liegt in (9) eine Periphrase vor. (10) "E da casa secreta maritima Lhe estava o Deus Nocturno aporta abrindo,"(Cll:l)
Die verknüpften Basisstrukturen sind: "alg. estä fazendo a/c." "alg. abre a porta". Koreferenz ist möglich für die Agens-Stellen und (fakultativen) Benefizienten-Stellen. Die Agens-Stellen werden mesoklitisch angeordnet, während die enklitische Anordnung des Benefizienten (Ihe) wie noch stärker die Voranstellung des Determinans zu "porta" (da casa secreta maritima) ausweist, daß der Grad der Integration schon weit vorangeschritten, auf semantische Verschmelzung zu schließen ist. (11) "Fugindo, a setä o Mouro vai tirando Sem forca, de covarde e de apressado, (vgl. oben 7.1)
"Fugindo" eröffnet in typischer syntaktischer Beiordnung wie die lat. Ablativform ein Intervall ("auf der Flucht"). Bei vai tirando hat "vai" Grammem-Status. Das Patiens zu "tirar" ("a seta") ist proklitisch gesetzt, die Adverbiale beziehen sich auf die Periphrase als ganzes. "Vai tirando" zeigt das imperfektivische Perzeptionsmuster des Geschehens an; die Verschmelzung der Konstituenten ist vollzogen.
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Historische ptg. und katalanische Texte des XV. und XVI. Jahrhunderts belegen die Funktionsgemeinschaft zwischen bestimmten verbalen Lexemen und Gerundialformen bzw. Partizipien des Passe. Während im Ptg. die Kondensation und Integration dieser Syntagmen bis hin zur Entstehung der aspektuellen Periphrasen weitergeht, bleibt die vergleichbare Entwicklung im Katalanischen stehen. Die Integration fußt auf der Desemantisierung einer Konstituente und ihrer anschließenden Instrumentalisierung in der kategoriale Sphäre (Grammem-Status) ihrer vorherigen Ko-Komponente, die ihrerseits des vorherigen syntaktischen Status verlustig geht. Von den zahlreichen periphrastischen Formen des Ptg., die dafür deutliche Beispiele sind, werden viele der delexikalalisierten Elemente zu Werten des ptg. Aspekt-Systems. 4. Resume und Ausblick Wenngleich einzuräumen ist, daß angesichts eines weit gesteckten Rahmens, der Untersuchung semantischer und pragmatischer Werte der Tempus-Aspekt-Korrelation, vielfach nur selektiv gearbeitet werden konnte, macht die Zusammenschau der Probleme dennoch deutlich, daß hier ein Betätigungsfeld mit immensen praktischen, insbesondere aber auch heuristischen Potenzen, der vertiefeten linguistischen Bearbeitung harrt. Es ist weiterhin evident, daß seine Erschließung epistemisch vom Vergleich mit oppositiven oder partiell anders aufgebauten Systemen profitieren kann. Unterschiedliche perzeptive Strategien hinter temporaler Deixis Aspektleitlinie bleiben im Teil l mehr oder weniger als Ansprüche im Raum stehen, während im Teil 2 deutlich zu zeigen versucht wurde, wie Vertextungsstrategien zwischen den Leitprinzipen von Aspektund Tempussystemen optieren oder an beiden partizipieren. Für solche Sprachen wie das Ptg., die ein ausgeprägtes System aspektueller Werte entwickelt haben, besteht die Tendenz, nicht nur diese Werte (valores) differenziert für die Vertextung nutzbar zu machen, sondern trägt die Dynamik funktionalstilistischer Erfordernisse in der Tendenz auch zur Vervollkommnung und Durchsetzung des Leitprinzips bei. Im Teil 3 wurde ein, zugegebenermaßen, rudimentärer Einblick in die Herausbildung der Elemente des ptg. Aspektleitsystems gegeben. Es bleibt jedoch zu bedenken, daß vornehmlich von der Erfragung der außer- oder innersprachlichen Motive im Ptg. für sukzessive Superposition eines Aspektleitsystems über ein entwickeltes Tempussystem, interessante funktionale und übereinzelsprachliche Erkenntnisse zu erwarten sind. Mit der auf ein Maximum hin tendierenden Kombination von Tempus- und Aspektleitsystem nimmt das Ptg. unter den europäischen Sprachen einen recht einzigartigen Platz ein. Literatur Adam, Jean-Michel (1990): Elements de linguistique textuelle - thdorie et pratique de analyse textuelle. Liege (Mardaga). Alarcos Llorach. Emilio (1970): Estudios de Gramätica funcional del espanol. Madrid (Gredos). Bally, Charles ( 1965): Linguistique gonorale et linguistique franchise. Berne (Francke) Benveniste, Emile (1966): Problemes de linguistique gonorale. Paris (Gallimard). Blumenthal,Peter (1986): Vergangenheitstempora, Textstrukturierung und Zeitverständnis in der französischen Sprachgeschichte. Stuttgart (Steiner). Böckle.Klaus (1980): Zum Diasystem der portugiesischen Verbalperiphrasen mit dem "gerundialen Infinitiv". In: ZRPh 96(1980), S.333-354.
Aspekte in und außerhalb von Texten
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Abkürzungen: AM - Ausdrucksmittel Ir- Referenzpunkt KV - Kommunikationsverfahren T -Thema ger. - Gerundium D - Konjunktion
le - Sprechzeitpunkt SV - Sachverhalt TA -Tempus-Aspekt ptc. - Partizip - in Opposition zu
Jörn Albrecht (Heidelberg)
Reflexivität, Medialität und Ergativität im Romanischen und Deutschen 1. Die verschiedenen Ebenen der Satz- bzw. Äußerungsanalyse 1.1 In den frühen Texten zur Sprachphilosophie und Sprachtheorie (so z.B. bei Platon, Aristoteles und den Stoikern) erscheinen dichotomische Unterscheidungen, die - das zeigen schon die Übersetzungen in die modernen Sprachen - höchst interpretationsbedürftig sind (vgl. u.a. Arens 21969:16f.; Coseriu *1975:63f„ 121; Malmberg 1991:47). Hat man unter onoma und rhema "Substantiv" und "Verb" oder "Subjekt" und "Prädikat" zu verstehen? Ist mit hypokeimenon und kategoroumenon wiederum "Subjekt" und "Prädikat" gemeint, oder handelt es sich dabei eher um "Agens" auf der einen, "Patiens", "Benefaktiv", "Lokativ" usw. auf der anderen Seite? Könnte darunter nicht gelegentlich auch das zu verstehen sein, was wir heute "Thema" und "Rhema" nennen würden? Es gibt zwei Gründe dafür, daß die Verwirrung im Hinblick auf die verschiedenen Ebenen der Analyse bis heute andauert: Zum einen wurde die Analyse bevorzugt anhand von typischen "Grammatiksätzen" durchgeführt, bei denen die oben in ihrer modernen Form genannten Kategorien weitgehend zusammenfallen. So ist z.B. in venator occidit leonem (1)
venator Substantiv, Subjekt, Agens und - soweit sich das ohne weiteren Kontext entscheiden läßt (vgl. w.u.) - Thema des Satzes (ein lateinisches Beispiel wurde gewählt, um der zusätzlichen Schwierigkeit aus dem Weg zu gehen, die die Setzung des Artikels mit sich gebracht hätte). Verhielte es sich bei allen Sätzen so, dann wäre nicht recht einzusehen, wieso man so viele Termini für ein und dasselbe Element benötigt. Die Beispiele (2) und (3) werden zeigen, daß es Fälle gibt, in denen es wünschenswert erscheint, zusätzliche Unterscheidungen einzuführen. Zum anderen zeigt sich bereits in den Anfängen der westlichen Sprachwissenschaft eine Kombination semasiologischer und onomasiologischer Vorgehensweisen, die sich bis in die modernsten linguistischen Theorien hinein fortsetzt. Nicht nur die sog. "traditionelle Grammatik", sondern auch die Generative Grammatik in ihren verschiedenen Ausprägungen kombiniert semasiologische und onomasiologische Ansätze auf manchmal nicht leicht zu durchschauende Weise; der klassische Strukturalismus, der Distributionalismus und die Dependenzgrammatik in ihrer frühen Form waren mit ihrer strengen Trennung der beiden Vorgehensweisen nur ein historisches Zwischenspiel. Wenn zu Beginn dieses Aufsatzes einige Begriffsbestimmungen (keine "Definitionen") gegeben werden, die manchen Lesern als überflüssig erscheinen mögen, so geschieht dies nur zu dem Zweck, einen Beitrag zur terminologischen Klärung zu leisten. Schon ziemlich früh, zu einer Zeit, als die Satzfunktionen überhaupt noch nicht zum obligatorischen begrifflichen Instrumentarium der Grammatikographie gehörten, wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die Gleichung Nominativ (d.h. "Subjekt") = Agens auch in aktivischen Sätzen keineswegs immer aufgeht. So stellt Francisco Sanchez de las Brozas, der sich latinisierend Sanctius nannte, in seiner berühmten Minerva fest, daß es
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unsinnig sei, in Sätzen wie Petrus accepit plagas (2) Petrus dolet (2')
dem Nominativ die Rolle eines Agens zuzuschreiben (Sanctius 1587, Teil I, Buch 12). Ähnliches gilt natürlich auch für unzählige Sätze moderner Sprachen, so z.B. für: Das Haus brennt (2") Der Schnee schmilzt (2'"). Katrin kriegt Halsweh (2"").
Im 19. Jahrhundert begann man sich dann mit Sätzen zu beschäftigen, bei denen das Subjekt nicht den Teil des Satzes darstellt, von dem etwas ausgesagt wird, sondern in denen er das eigentliche Ziel der Aussage darstellt wie z.B. in: A: Findest Du Ilpendolo di Foucault wirklich spannend? B: // nome delta rosa ist spannend, Ilpendolo di Foucault ist langweilig. (3) Vgl. Das, was wirklich spannend ist, ist... (3')
Die Tatsache, daß Satz (3), um Mißverständnisse zu vermeiden, innerhalb eines Dialogs angeführt werden mußte, zeigt bereits, daß es bei den Erscheinungen, die man heute "funktionale Satzperspektive", "Thema-Rhema-Gliederung" usw. nennt, nicht um Sätze, sondern um Äußerungen geht. Es ist heute nahezu allgemein üblich, drei Ebenen der Satz- bzw. Äußerungsanalyse zu unterscheiden, nämlich die Ebene der syntaktischen Funktionen (Subjekt, Prädikat, Objekt usw.), die der semantischen oder "thematischen" Rollen (Agens, Patiens, Instrumental usw.) und diejenige der informationstragenden Struktur, der kommunikativen Gewichtung (Thema - Rhema usw.; die Terminologie ist hier noch sehr schwankend).1 Diese Unterscheidung entspricht grosso modo derjenigen von Syntax, Semantik und Pragmatik in der semiotischen Sprachbetrachtung. Die Entsprechung kann nur ungenau sein, da die semiotischen Ebenen der Sprachbetrachtung aus einer völlig anderen geistesgeschichtlichen Tradition stammen und zumindest anfänglich für logische Kalküle, nicht - wie später durch Morris - für sog. "natürliche Sprachen" konzipiert worden waren. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Termini, die im Titel des vorliegenden Aufsatz erscheinen, nämlich Reflexivität, Medialität und Ergativität, gilt es zunächst folgendes festzuhalten: Je weiter man sich von der syntaktischen Funktion in Richtung auf die kommunikative Gewichtung bewegt, desto schwieriger wird es, die durchgeführte Analyse anhand rein formaler Indizien einer "semasiologischen Kontrolle" zu unterwerfen. Das Problem tritt bereits bei den Satzfunktionen auf. So ist zwar die syntaktische Funktion "Subjekt" im allgemeinen formal klar gekennzeichnet; bei schwach flektierenden In der neueren Literatur, vor allem in der generativistischen, werden zuweilen weitere Ebenen angesetzt. So erscheinen in der großen italienischen Grammatik von Renzi (1988:49) nicht weniger als fünf Analyseebenen. Levin (1987:23) unterscheidet in dem mich hier interessierenden Bereich, nämlich dem von Syntax und Semantik, nicht zwei, sondern drei Ebenen: Semantische Rolle, Tiefensubjekt (D-subjecf), Oberflächensubjekt (S-subject). Dergleichen mag sich 'theorieintern' rechtfertigen lassen. Vom Gesichtspunkt einer nicht allzu technizistischen Sprachwissenschaft aus gesehen, hat man sich jedoch zu fragen, ob in solchen Fällen nicht das bewährte Ockhamsche Rasiermesser anzusetzen ist.
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Sprachen wenigstens durch die Relation "Kongruenz", so daß selbst bei atypischer ("markierter") Satzgliedfolge die formale Identifizierung gewährleistet bleibt, wie im folgenden Fall: Au fond de ces trouoes attendaient la neige les sommets nus.. (4) (PM94)
Dies gilt jedoch, selbst bei stärker flektierenden Sprachen, keineswegs für alle klassischen Satzfunktionen. In Sätzen wie: II travaille le bois (5) II travaille la nuit (5') Er hat das ganze Buch geschrieben (5") Er hat den ganzen Tag geschrieben (5"')
läßt sich die Unterscheidung "direktes Objekt" - "Zeitangabe (temporales Adverbiale)" nur indirekt, d.h. über Ersetzungen, "Frageproben", Paraphrasen usw. formal rechtfertigen. Entsprechendes trifft in noch höherem Maße auf die Ermittlung der semantischen oder thematischen Rollen zu. Wer in Sätzen wie: Der Schlüssel öffnet die Tür (6) Das Messer schneidet schlecht (6')
dem Subjekt die semantische Rolle des Agens ab- und ihm diejenige eines Instrumentals zuerkennen will, muß zu Paraphrasen greifen, wenn er diese Entscheidung in rein formaler Hinsicht rechtfertigen will (vgl. w.u.). Der Grad an intersubjektiver Zustimmung nimmt dabei ab. Dies zeigt sich noch deutlicher im Bereich der funktionalen Satzperspektive, wo selten zwei unabhängig voneinander vorgehende Linguisten zu identischen Ergebnissen gelangen. Im folgenden sollen uns hier nur die ersten beiden Analyseebenen, die syntaktische und die semantische, interessieren. Es wird sich zeigen, daß die im Titel erscheinenden Termini in der linguistischen Literatur unterschiedlich aufgefaßt werden, je nachdem, ob von einem primär "syntaktischen" oder einem primär "semantischen" Verständnis ausgegangen wird. 1.2 Zunächst einige Bemerkungen zur hier verwendeten Terminologie: - Reflexivität: Im Hinblick auf die Materialsammlung, der die Beispiele des vorliegenden Aufsatzes entnommen sind, wurde der Terminus reflexiv zunächst rein semasiologisch verstanden. Das Interesse galt daher allen Konstruktionen, in denen ein Element auftritt, das potentiell (aber nicht unbedingt tatsächlich) auf dieselbe Gegebenheit referieren kann wie das Subjekt.2 Diese rein formale Auffassung entspricht dem französischen Terminus verbes pronominaux, der weniger irreführend ist, als der deutsche Ausdruck reflexive Verben. Aus Gründen der leichteren Auszählbarkeit wurden auch "dativische" Fügungen vom Typ sefigurerqch / figurarsi qlc / sich etwas vorstellen aufgenommen. Im folgenden soll der Terminus reflexiv (gelegentlich zur Verdeutlichung 'echt' reflexiv), wie in der linguistischen Literatur fast allgemein üblich, in einem eingeschränkten Sinn verwendet werden: Das sog. "Reflexivpronomen" muß die syntaktische Stefanini (1971:111, Anm. 4) bezweifelt auf recht witzige Weise, ob man z. B. im Falle von eile s'evanouit davon reden kann, daß Subjekts- und Reflexivpronomen auf dieselbe Gegebenheit referieren.
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Funktion eines direkten Objekts (bei Koreferenz mit dem Subjekt) haben: Anna wäscht sich (7) Die Erfüllung dieser Bedingung läßt sich semasiologisch leicht verifizieren. Das "Reflexivpronomen" muß durch ein anderes Pronomen oder durch eine NP ersetzbar sein: Anna wäscht ihn (7") Anna wäscht ihr Auto (7")
Bei vielen Konstruktionen, in denen ein sog. "Reflexivpronomen" erscheint, ist diese Bedingung nicht erfüllt: La porte s'ouvre (8) *La porte l'ouvre (8') Er schämt sich (8") *Er schämt ihn (8'") Vgl. Er beschämt ihn (8"")
Konstruktionen dieser Art, die vorläufig mit der etwas unscharfen Benennung pseudoreflexiv belegt werden sollen (vgl. Albrecht 1991), stehen hier im Mittelpunkt des Interesses; denn sie können unter noch zu diskutierenden Bedingungen sowohl als "medial" wie als "ergativisch" eingestuft werden. - Medialität: Da hier nur Sprachen betrachtet werden, die über keine morphologisch voll ausgebildete Kategorie des Mediums verfügen, muß der Begriff "medial" hier onomasiologisch eingeführt werden, allerdings, wie sich gleich zeigen wird, mit einigen semasiologischer Kontrolle unterworfenen Präzisierungen. Als "medial" sollen Konstruktionen gelten, bei denen das Subjekt allenfalls in eingeschränktem Sinn als Agens, das Reflexivpronomen - soweit vorhanden - weder als Aktant im Sinne der Dependenzgrammatik. noch als Argument im Sinne der Generativen Grammatik aufgefaßt werden kann. Diese Explikation ist bewußt vage gehalten. Sie schließt zunächst einmal nur 'echte' Aktivsätze und 'echte' Reflexivkonstruktionen (vgl. w.o.) aus; ebenfalls natürlich reziproke Konstruktionen ("sie schreiben sich täglich"). Wie sich gleich zeigen wird (s.1.2), umfaßt die Gruppe der im hier eingeführten Sinn "medialen" Konstruktionen eine Menge von Untertypen, die in der Literatur oft sehr unterschiedlich klassifiziert werden. Die "ergativen" Konstruktionen, von denen gleich die Rede sein wird, stellen eine Teilmenge der "medialen" dar. Zunächst seien jedoch noch einige erläuternde bzw. einschränkende Bemerkungen zur Gruppe der "medialen" Konstruktionen gemacht: - Die "medialen" Konstruktionen im hier gemeinten Sinn enthalten meistens, aber nicht immer, ein Reflexivpronomen: This book sells well (9) Dieses Buch verkauft sich gut (9') Ce livre se vend bien (9") This car drives well (10) Zum Unterschied von Aktant und Argument vgl. Haider (1985:228).
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Dieses Auto fährt gut (10') Dieses Auto fährt sich gut (10")
Die Beispiele aus den Serien (9) und (10) sind nicht völlig gleich zu beurteilen. Während beim Typ (10) das Subjekt "einen gewissen Beigeschmack der Personifizierung" erhalten kann (Jakobson 1936 zitiert nach Sasse 1978:225; vgl. vor allem den Unterschied zwischen (10') und (10")), ist dies beim Typ (9) schwerlich denkbar. Festzuhalten bleibt zunächst, daß unter den hier berücksichtigten Sprachen nur das Englische und das Niederländische über mediale Konstruktionen ohne Reflexivpronomen verfügen. Arcaini (1986:26) spricht in solchen Fällen von "inhärent reflexiven" Verben. - Eine nicht ganz unproblematische Sondergruppe stellen die südromanischen Fügungen dar, die kein "Oberflächensubjekt" aufweisen: si parla italiano (11) se habla cspanol (11') fala-se portuges (11") se abre a las cinco (11'") si dorme bene in questo letto (11"")
Ein Vergleich mit Sprachen, in denen ein Oberflächensubjekt erscheinen muß, zeigt, daß die Art des Adverbiale über eine eher "generische" oder "passivische" Interpretation entscheidet (vgl. w.u.): on parle francais (12) Um fünf wird aufgemacht (12') Het bed ligt zo zacht (12") ("In diesem Bett liegt es sich so sanft")
Wie in vielen weiteren Fällen, auf die ich noch zu sprechen komme, entscheidet oft der Kontext (im engeren Sinn) über eine "mediale" oder "echt reflexive" Lesart der Konstruktion: Elle s'appelle Catherine ("sie heißt") (13) Je refuse de m'appler Vauchelle plus longtemps (13*) (B/N: 165) ("Ich weigere mich, mich V. zu nennen")
- Ergativität: Der Terminus ergativ bezeichnet in der Sprachtypologie eine besondere Art der morphologischen Kodierung der Satzfunktionen: Das "Subjekt" des intransitiven Verbes wird mit derselben Kasusform gekennzeichnet wie das Objekt des transitiven Verbs, während das "Subjekt" des transitiven Verbs mit einer davon abweichenden Kasusform gekennzeichnet wird, die je nach Sprache unterschiedlich bezeichnet wird (u.a. als "Ergativ"; vgl. Sasse 1978:219; Comrie 1978:329). Aus gutem Grund erscheint der Terminus Subjekt in der soeben gegebenen Definition in Anführungszeichen: Da nämlich sowohl eine Funktion wie "Ergativ" als auch die Funktion des "Subjekts" zwar übereinzelsprachlich, aber nicht universell sind (vgl. u.a. Sasse 1978:221 und 226), muß die Anwendung der entsprechenden Termini auf Sprachen, in denen die Funktionen nicht materiell gekennzeichnet werden, als metaphorisch bezeichnet werden. In den folgenden baskischen Sätzen
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Martin ethori da (14) Martin-Absolutiv kam Aux.3.Ps.Sg. b. intr. Verb Martin kam Martin-ek haurra igorri du (15) Martin-Ergativ Kind-Absolutiv schickte Aux.3.Ps.Sg. bei tr. Verb Martin schickte das Kind (vgl. Comrie 1978:333)
ordnen wir dem Segment Martin die Funktion des "Subjekts" nur deshalb zu, weil sie ihm durch die Übersetzung in eine Akkusativsprache nahezu zwangsläufig zugewiesen wird. Diese Art der Projektion von Kategorien der einen Sprache auf eine andere ist jedoch bekanntlich ziemlich problematisch. Es sei zunächst festgehalten, daß es sich bei der Anwendung des Terminus ergativ auf Akkusativsprachen, wie er vor allem in der generativistischen Literatur üblich ist, ebenfalls um einen metaphorischen Sprachgebrauch handelt. Im folgenden soll die von den Generativisten "theorieintern" geführte Diskussion um den Unterschied zwischen "morphologischen" und "syntaktischen" Ergativsprachen (z.B. Khinalug, eine kaukasische Sprache und Dyirbal, eine australische Sprache) außer acht gelassen werden. Es geht hier ausschließlich um die metaphorische Verwendung des Terminus im Bereich von Akkusativsprachen, die von L. Burzio inauguriert worden zu sein scheint. Ich werde hier zwei Typen dieses metaphorischen Gebrauchs unterscheiden, eine weitere und eine engere 'Lesart'. Bei der weiteren Lesart geht es um Verben, deren Subjekt - nach Meinung der Generativisten - dasselbe syntaktische Verhalten zeigt wie das Objekt transitiver Verben. Es werden eine Reihe von Tests vorgeschlagen, mit Hilfe derer die betreffende Gruppe ausgegrenzt werden soll: Im Deutschen und Italienischen die Bildung des Perfekts mit dem Hilfsverb sein, die Unmöglichkeit der Bildung regulärer nomina agentis; im Deutschen die Möglichkeit, ein Partizip attributiv zu verwenden, im Italienischen die Möglichkeit, mit Hilfe von ne auf das Subjekt zu referieren und einige Verfahren mehr, auf die ich hier nicht eingehen kann. Besonders wichtig ist dabei, daß die Gruppe der intransitiven Verben der Schulgrammatik in "akkusativische" und "nicht-akkusativische" (verbes inaccusatifs, verbi inaccusativi) aufgespalten wird. Vgl. u.a.: Er ist angekommen (16) Der soeben angekommene Gast (16') *Er ist ein Ankommer (16") Er hat getanzt (17) *Der getanzte Gast (17') Er ist ein guter Tänzer (17") (vgl. u.a. Haider 1985:234ff., Renzi 1988:47ff.)
arrivato (18) Ne sono arrivati molti (18') *E un arrivatore (18") Ha ballato (19) *Ne hanno ballato molti (19') E un ottimo ballerino (19")
Die Tests, die zur Ausgrenzung der "nicht-akkusativischen" Verben, d.h. der "ergativen" Verben im weiteren Sinn, vorgeschlagen werden, sind in mancherlei Hinsicht problematisch. Es besteht m.E. keine verläßliche Korrespondenz zwischen der regionalen Variation bei der Selektion des Hilfsverbs und den sonstigen syntaktische Eigenschaften. So scheint Haider das Verb landen mit haben zu konstruieren (1985:235), worin ihm die wenigsten Deutschen zustimmen werden. Es ist im übrigen zu bezweifeln,
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ob sich schwimmen in den Gegenden des deutschen Sprachgebiets syntaktisch anders verhält, in denen man statt "er ist geschwommen" "er hat geschwommen" sagt. Im Französischen scheint das Kriterium des Hilfsverbs überhaupt nicht zu greifen: Pierre est tombe (20) Quelqu'un a fait tomber Pierre (20') Pierre a disparu (21) Quelqu'un a fait disparaitre Pierre (21') Pierre a danso (22) Quelqu'un a fait danser Pierre (22')
Anhand eines Vergleichs dieser Sätze mit ihren jeweiligen faktitiven Entsprechungen dürfte wenigstens intuitiv klar werden, daß die Grenze zwischen 'aktivischem' und 'passivischem' Subjekt quer zur Unterscheidung der mit avoir und der mit etre konstruierten Verben verläuft: disparaitre scheint ein "nicht-agentives" Subjekt zu selegieren, obwohl es mit avoir konstruiert wird (vgl. e sparito; er ist verschwunden; vgl. auch ZribiHertz 1987:27f., dort mit anderer Terminologie). Stofanini (1971:144) scheint dagegen die These der Relevanz des avo/r/efre-Kriteriums im Hinblick auf die syntaktischen Eigenschaften der Verben auch für das Französische stützen zu wollen.4 Eines muß im Zusammenhang mit der hier durchgeführten Untersuchung besonders hervorgehoben werden: Pseudo-reflexive Konstruktionen scheinen "akkusativische" Verben in "nicht-akkusativische" zu überführen, wobei einige syntaktische Eigenschaften der ersteren erhalten bleiben, weil sie an das Vorhandensein des Pronomens ohne Argumentsstatus gebunden sind: Der Wind biegt die Birke (23) Die Birke biegt sich (im Wind) (23') Peter dreht das Rad (24) Das Rad dreht sich (24') L'ouragan a casso la brauche (25) La brauche s'est cassee (sous Peffet de l'ouragan) (25') L'humiditd a rouill£ le motal (26) Le motal se rouille (avec l'humidito) (26')
Besonders interessant sind die (vor allem im Französischen häufigen) konkurrierenden Konstruktionsmöglichkeiten: der Wind dreht/dreht sich; le metal rouille/se rouille; cette piece de bois est pourrie/s'est pourrie; ce päte a moisi/s'est moisi, z.T. mit Aspektunterschied (vgl. u.a. Grevisse "1980:694, Anm. 31; Zribi-Hertz 1987:39ff.). Hiermit wären wir bei der engeren Lesart der Verwendung des Terminus ergativ angelangt, die natürlich ebenfalls eine metaphorische ist. Ergativität im engeren Sinne liegt vor, wenn es zwei Konstruktionen eines Verbs gibt, bei denen das Objekt der transitiven Konstruktion und das Subjekt der intransitiven die gleiche (oder eine sehr ähnliche) semantische Rolle innehaben: Der Wind treibt die Wolken nach Süden (27) Die Wolken treiben nach Süden (27) Anna trocknet ihr Haar (28) Annas Haar trocknet (28') Pierre brüle de la paille (29)
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Lapaillebrüle(29') La torpediniera affonda la nave (30) La nave affonda (30')
Im Deutschen sind Satzpaare dieser Art, bei denen dem Subjekt der intransitiven Konstruktion mehr oder weniger das gleiche 'widerfährt' wie dem Objekt der transitiven, viel seltener als in den romanischen Sprachen, da es im Deutschen viel zahlreichere formal klar gekennzeichnete Kausativa gibt: Peter verbrennt Stroh (29") Das Stroh brennt (29'") Das Torpedoboot versenkt das Schiff (30") Das Schiff versinkt (30'")
Aufgrund der Affinität zwischen Kausativität und Perfektivität kann es vorkommen, daß im Deutschen ein kausatives Verb intransitiv-perfektiv und somit - wenn man so will "ergativisch" verwendet werden kann: Das Stroh verbrannte vollständig (29"")
2. Reflexivkonstruktionen im weiteren Sinne (tours pronominaux) als "pierre de touche de la theorie syntaxique" (Melis 1990:7) Reflexivkonstruktionen im weiteren Sinne (also nicht nur die "echten" Reflexiva) sind im Hinblick auf syntaktische Theorien und sprachvergleichende Untersuchungen von besonderem Interesse, weil sich hinter der formal einheitlichen Konstruktion eine Vielzahl unterschiedlicher inhaltlicher Typen verbergen (vgl. 2.1) und weil die Verhältnisse von Sprache zu Sprache (auch im Falle der hier untersuchten typologisch nah verwandten Sprachen) recht verschieden sind. So unterscheiden sich die südromanischen Sprachen vom Französischen durch das Vorhandensein von Konstruktionen ohne "Oberflächensubjekte" (si parla italiano vs. on parle frangais, vgl. w.o.), während das Französische und das Deutsche - zwei Sprachen, die im Rahmen einer liebevoll gepflegten Überlieferung als Exponenten völlig unterschiedlicher 'Weltsichten' dargestellt werden - erstaunlich starke Übereinstimmungen in der Verwendung solcher Konstruktionen zeigen. Besonders auffällig ist das Englische, "exhibiting probably the least developed RV [=reflexive verb] system among the modern Indo-European languages" (Geniusiene 1987:179). Reflexivkonstruktionen sind aufgrund der Tatsache, daß sie eine Vielfalt inhaltlicher Typen vertreten, häufig mehrdeutig: Sie lieben sich ist in unserer normalen philanthropischen Welt als "reziprok", in einer psychiatrischen Anstalt, Abteilung Narzismus dagegen als "reflexiv" zu interpretieren. Dazu tendieren diese Konstruktionen zu den seltsamsten, schwer zu systematisierenden metaphorischen Verwendungen (vgl. u.a. gehen sich an jmdm. vergehen; laufen - sich verlaufen; on peut [faire] cela se peut, vgl. St6fanini 1971:123f.). Auffällig ist ferner eine gewisse Affinität dieser Konstruktionen zu den informellen Registern verschiedener Sprachen. So gibt es im Französischen ein recht produktives Muster für dativische Konstruktionen vom Typ s'appuyer, se colletiner, s'enfiler, s'envoyer, sefarcir, se taper qch. (Melis 1990:50f.; Albrecht 1991:277f.); im Deutschen, Französischen und in anderen Sprachen gibt es pseudo-reflexive Konstruktionen
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wie sich drücken, sich giften, sich schicken "sich beeilen", sich verkrümeln, sich verpissen; s'amener, se barrer, se biler "s'inquioter", se casser, se pointer, se tailler, se tirer; mangiarsi un gol "ein Tor kassieren" (vgl. Albrecht 1991), die alle zumindest umgangssprachlich, gelegentlich auch vulgärsprachlich sind. Im folgenden soll auf die hier kurz vorgestellten Erscheinungen etwas näher eingegangen werden. 2.1 Viele neuere Klassifikationsversuche gehen direkt oder indirekt auf die Klassifikation zurück, die der Abb6 Dangeau im 18. Jahrhundert für das Französische ausgearbeitet hat (Dangeau 1711-1714, referiert nach Melis 1990:14f. und Zribi-Hertz 1987:23f.). Dangeau unterschied vier Klassen: 1. Identiques = "echte Reflexiva": Pierre se lave. 2. Redproques: Pierre et Catherine s'6crivent tous les jours. 3. Neutlisez'. s'dvanouir, se douter, se mourir, se casser 4. Passivez'. La vengeance est un plat qui se mange froid.
Es handelt sich um eine onomasiologische Klassifikation, die auf der Kategorie der Diathese beruht.4 Am unproblematischsten sind die beiden ersten Klassen, wenn man einmal davon absieht, daß fast alle reziproken Konstruktionen unter bestimmten Umständen eine reflexive Lesart erhalten können (vgl, w.o.) und daß die Grenzen zwischen der ersten und der dritten Klasse manchmal schwer zu ziehen sind. Vgl. z.B.: Paul s'amuse (30) Paul amüsiert sich (30') Paolo si diverte (30") Paul n'amuse que lui(-meme) (31) Paul amüsiert nur sich (selbst) (31') Paolo diverte solo se stesso (31")
Unter bestimmten Kontextbedingungen können Sätze vom Typ (30) eine Lesart der Sätze des Typs (31) erhalten; im Französischen und Italienischen im Gegensatz zum Deutschen allerdings nur in den einfachen Zeiten, denn in den zusammengesetzten Zeiten wird die Konstruktion durch das Erscheinen des Auxiliars etre/essere disambiguiert.5 Problematischer ist die Abgrenzung der Klassen drei und vier, wobei die dritte Klasse die am wenigsten untersuchte und damit die interessanteste ist; sie kommt der klassischen Kategorie des Mediums am nächsten (unglücklicherweise werden in der Literatur heute sehr häufig die Termini medial, moyen, middle usw. zur Bezeichnung der vierten Klasse verwendet; vgl. z.B. Zribi-Hertz 1982). Wie in den zuvor dargestellten Fällen ist die Grenze zwischen der dritten und der vierten Klasse ebenfalls nicht scharf zu ziehen: In loser Anlehnung an Melis (1990) verwende ich hier Diathese in einem generischen Sinn. Ich verstehe darunter das Verhältnis von syntaktischer Funktion und semantischer Rolle im Rahmen des Satzes. Unter genus verbi bzw. vox verstehe ich eine morphologisch-systematische Kodierung dieses Verhältnisses. Es gilt also die Proportionsgleichung: Diathese : vox = Modalität : Modus = Tiefenkasus : Oberflächenkasus usw. Melis (1990:85) scheint eine 'echt reflexive' Lesart für s'amuser auszuschließen. Seine Beispiele stehen jedoch bezeichnenderweise im passa compose.
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Albrecht, J.
Le vent se leve (32) Es erhub sich ein Streit (32') (Apokal. 12,7) Tout a coup la porte s'ouvrit (33) Cette porte s'ouvre facilement (33') In casa nostra, la sera si accendono le luci (34) Ces branches se cassent facilement (35)
Während bei den Sätzen (32) und (32') das Subjekt eindeutig als "neutral" hinsichtlich seiner Agens- oder Patiensrolle einzustufen und auch ein "ausgeblendetes" Fremdagens nicht in Erwägung zu ziehen ist, sind die Verhältnisse bei den Sätzen (33), (33') und (34) weniger eindeutig. Bei (33) kommt am ehesten eine "neutrale" Lesart in Frage: "Plötzlich öffnete sich die Tür, sie ging auf. Es ist nicht unbedingt angezeigt, hier von "Agensausblendung" zu sprechen; Türen und Fenster können ohne erkennbare Ursache aufgehen, und genau das kann die Reflexixkonstruktion ausdrücken. Bei (33') kommt dagegen am ehesten eine "passivische" Lesart in Frage: "die Tür läßt sich leicht öffnen" (vgl. Zribi-Hertz 1982:366f.). Der Vergleich zwischen den beiden Sätzen und vor allem der Satz (34) zeigen jedoch, daß es Konstruktionen gibt, die hinsichtlich der Unterscheidung "neutral" vs. "passivisch" indifferent sind. Der Satz (34) ließe sich z.B. folgendermaßen ins Deutsche übersetzen: Bei uns zuhause gehen abends die Lichter an (34') Bei uns zuhause zündet man abends die Lichter an (34") Bei uns zuhause werden abends die Lichter angezündet (34'")
Das liegt m.E. nicht daran, daß der Satz (34) mehrere Lesarten hätte, sondern daran, daß er "vager" oder generischer ist als seine deutschen Übersetzungen. Das Deutsche zwingt hier dazu, Unterscheidungen zu treffen, die im Italienischen nicht gemacht werden müssen. Die in den italienischen Schulgrammatiken traditionell getroffene Unterscheidung zwischen "si generico" und "si passivante" ist nur dann einleuchtend, wenn sie anhand von Sätzen exemplifiziert wird, die sich gleichzeitig durch das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein eines Subjekts auszeichnen: Qui dentro si ha freddo ("generico") (36) Questi libri si vendono bene ("passivante") (37) (Schwarze 1987:106)
Der Satz (34) scheint mir zu zeigen, daß bei Sätzen mit "Oberflächensubjekt" nicht nur der Unterschied zwischen si generico und si passivante, sondern auch derjenige zwischen "neutraler" und "passivischer" Reflexivkonstruktion eingeebnet werden kann. Ganz anders der Satz (35). Er ist nicht vage, sondern tatsächlich ambig, was man u.a. dadurch zeigen kann, daß viele französische Muttersprachler spontan zwei unterschiedliche Paraphrasen bilden: Ces branches cassent facilement (elles sont pourries) (35') H est facile de casser ces branches (35")
Innerhalb neuerer linguistischer Theorien wurde die traditionelle Klassifikation Dangeaus teils reduziert, teils umgestaltet und verfeinert. Tesniere (21965) und - innerhalb eines völlig andersartigen theoretischen Rahmens - auch Renzi (1988:597-603) nehmen eine schlichte Zweiteilung vor, je nachdem, ob das Pronomen den Status eines Aktanten
Refleävität, Medialität und Ergativität im Romanischen und Deutschen
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bzw. Arguments hat oder nicht. Im zweiten Fall gilt das Auftreten des Pronomens als Indiz einer Valenzminderung ("diathese recessive ä marquant räflochi", Tesniere 21965: chap. 115) oder als "Oberflächenrest" eines semantisch getilgten Arguments (vgl. z.B. Melis 1990:126). Wenn man einmal von der ungewöhnlichen Metaphorik absieht, so läßt sich die Auffassung der Guillaume-Schule ziemlich gut mit derjenigen der Generativisten vereinbaren: "Dans la voix pronominale, voix de Synthese, actif et passif coexistent dans la mesure oü origine et aboutissement de la tension coincident en un meme lieu: le sujet-rogime" (Stdfanini 1971:114). Haider (1985) - und mit ihm andere Generativisten (vgl. Albrecht 1991:274f.) - gehen, grob gesagt, von einer Dreiteilung aus: Die Klasse der Verben, bei denen das Reflexivpronomen kein echtes Argument vertritt, wird nochmals unterteilt in "syntaktische" und "lexikalische" Konstruktionen. Bedingung für die Einstufung in die Klasse der "syntaktischen" Konstruktionen ist, daß sich zwischen der Konstruktion mit Reflexivpronomen und derjenigen ohne Reflexivpronomen regelhafte Beziehungen nachweisen lassen. Fast alle Autoren sind sich daher darüber einig, daß man in Verben, die überhaupt nur in reflexiver Form auftreten, rein lexikalische Erscheinungen zu sehen habe. Das sind im Französischen die "verbes essentiellement pronominaux" der Schulgrammatik, also Verben wie s'evanouir, s'emparer, se souvenir6, im Italienischen Verben wie accorgersi, congratularsi, pentirsi, im Deutschen sich begeben, sich brüsten, sich erholen, sich schämen, im Englischen to pride oneself on "regard as a special reason for pride or satisfaction", im Niederländischen die verplicht wederkerende werkwoorden, die obligatorisch mit zieh, aber nicht mit zichzelf konstruiert werden (zieh abonneren, zieh generen, zieh ontpoppen, zieh schämen usw.). In den übrigen Fällen sind sich die verschiedenen Autoren keineswegs einig, welche reflexiven Fügungen in die Syntax und welche ins Lexikon gehören. Während Ruwet (1972) der Ansicht ist, bei den sog. "neutralen" Reflexiva (im Sinne von Dangeau) handele es sich um idiosynkratische Erscheinungen, die im Lexikon zu behandeln seien, widerspricht ihm in diesem Punkt Zribi-Hertz energisch: Reflexiva vom Typ se casser, se briser, se rouiller, se desceller, s'abetir - in ihrer Terminologie 'Verbes roflexifs ergatifs" sind Teil eines regelhaften und produktiven Verfahrens zur Umwandlung von transitiven Verben in ergative (1987, insb. S. 34ff.). Als lexikalische Phänomene seien hingegen nicht-reflexive ergative Verben (in weiterer Auslegung, vgl. w.o.) wie tomber, disparaitre usw. anzusehen. Geniusiene (1987:256) beschreibt eine Art von reflexiven Verben, die in einer einfachen Beziehung zu den entsprechenden transitiven Konstruktionen stehen: U aperqoit chaque detail · ils'apergoit de chaque detail; el dato - me olvide del dato; sie fürchtet den Hund - sie fürchtet sich vor dem Hund. Sie nennt diese Reflexiva "deakkusativisch", weil das direkte Objekt der transitiven Konstruktion sich in der reflexiven als präpositionales Objekt wiederfindet. Sie sieht in dem ganzen Verfahren eine produktive Erscheinung, die im Rahmen der Syntax zu beschreiben sei. Melis (1990:79-82) widerspricht ihr in diesem Punkt hinsichtlich des Französischen: Zwischen Konstruktionen wie Pierre venge Marie und Pierre se venge de Marie bestehe kein regelhafter Zusammenhang, zumindest nicht mehr im modernen Französischen; daher seien Erscheinungen dieser Art im Lexikon zu behandeln. Einen Grenzfall stellen die Verben dar, die entweder reflexiv oder mit suppletivem Subjekt konstruiert werden können: ich freue mich /es freut mich/* ich freue ihn; je me souviens/il me souvient ("un soir, t'en souvient-il", Lamartine); mi sowengo/mi sowiene ("mi sowien l'eterno", Leopardi), nach Ansicht der italienischen Puristen ein Gallizismus. Daneben gibt es in den meisten Sprachen viele Parallel-konstruktio nen dieser Art, die semantisch nichts oder wenig miteinander zu tun haben. Vgl. z. B. er hat sich ergeben vs. es hat sich ergeben, daß...
270
Albrecht, J.
Die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Klassifikation von reflexiven Konstruktionen sind Konsequenz eines allgemeinen theoretischen Problems der Linguistik: Im Unterschied zur Theorie der Kalküle, wie sie im Wiener Kreis entworfen wurde, gibt es in der Linguistik bis heute keine allgemein verbindlichen und dazu leicht operationalisierbaren Kriterien dafür, wie die Grenze zwischen Syntax und Semantik bei der Beschreibung natürlicher Sprache zu ziehen ist. 2.2 Angesichts der Vielfalt inhaltlich z.T. recht unterschiedlicher Reflexivkonstruktionen, die sich in den soeben diskutierten Klassifikationsvorschlägen widerspiegelt, hat man sich zu fragen, ob die Fügung Verb + Reflexivpronomen als - wenigstens auf der Ebene der langue - einheitliches Verfahren anzusehen ist, oder ob es sich dabei um ein Konglomerat inhaltlich völlig unterschiedlicher und nur mehr oder weniger zufällig formal identischer Verfahren handelt. M.a.W.: Ist die Konstruktion X se/sich V in. den folgenden Fällen als polysem oder als homophon anzusehen? Anna wäscht sich (7) Anne se lave (7'") Er schämt sich (8") Catherine s'evanouit (38) Dieses Buch verkauft sich gut (9') Ce livre se vend bien (9") Das Rad dreht sich (24') La porte s'ouvre (8)
In der älteren französischen Grammatiktradition scheint eine solche Einheitlichkeit selbst auf der Ebene der langue bezweifelt zu werden (vgl. St6fanini 1971:113). Autoren, die sich in neuerer Zeit mit dem Problem beschäftigt haben, vor allem die Generativisten oder von der Generativen Grammatik beeinflußte Linguisten, sind bestrebt, die Einheitlichkeit der Konstruktion (natürlich unter Ausschluß der Fälle, die als lexikalisiert angesehen werden, vgl. w.o.) zu betonen. Dabei werden jedoch die Akzente ganz unterschiedlich gesetzt. Am kompromißlosesten argumentiert Coseriu (1987:133f.) im Sinne des klassischen Strukturalismus: Die Sprachbedeutung der Konstruktion sei völlig einheitlich, die verschiedenen Bedeutungen, die man ihr immer wieder habe zuschreiben wollen, entstünden erst auf der Ebene der Rede, und zwar besonders in der 3. Person, weil dort im Gegensatz zur ersten und zweiten ganz verschiedenartige Subjekte auftreten könnten: Fügungen mit pluralischem Subjekt könnten unter gewissen Bedingungen als "reziprok" interpretiert werden (se quieren); bei intransitiven Verben komme eine aspektuelle Interpretation in Frage, Reflexivität bedeute in diesem Fall "Geschehen, das erst eintritt" (los ninos se duermen; me marcho). Bei transitiven Verben mit unbelebtem Subjekt werde dieses aufgrund der Reflexivität als Objekt interpretiert (la cuerda se rompe; se abre lapuerta); ist überhaupt kein formal gekennzeichnetes oder dem Kontext ohne weiteres zu entnehmendes Subjekt vorhanden, so ergebe sich zwangsläufig eine "unpersönliche" Interpretation (se abre a las cinco; se duerme bien aqui). Es handelt sich hier um die konsequente Anwendung des strukturalistischen Prinzips der Solidarität von Inhalt und Ausdruck. Ein methodisches Korollar dieses Prinzips ist die Vorgehensweise, die ich hier "semasiologische Kontrolle" genannt habe: Jede Annahme inhaltlich-funktionaler Unterschiede muß irgendwie formal begründbar sein (und sei es auf beschwerlichen Umwegen); es sei denn, es gäbe Gründe, das Vorliegen
Reflexivität, Medialität und Ergativität im Romanischen und Deutschen
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von Homophonie anzunehmen, wie möglicherweise (ich habe mich bemüht, einen Grenzfall zu finden) bei den folgenden Konstruktionen: Er verschreibt sich der Heilkunst (39) Er verschreibt sich dauernd (40)
In jedem Fall - dies würde auch Coseriu nicht bestreiten - muß man sich auf die Ebene der "Redebedeutungen" hinabbegeben, wenn man kontrastive Untersuchungen anstellen will, die für die Zwecke der Übersetzung nutzbar gemacht werden sollen. Etwas weniger kategorisch äußert sich Geniusiene (1987:353), die in der Gesamtheit der Reflexivkonstruktionen ein Kontinuum sehen möchte, "a wide range of distinct, though related functions which constitute a continuum within valence recession". Die verschiedenen Typen, die sich innerhalb dieses Kontinuums ausmachen lassen, versteht sie - anders als Coseriu - genetisch: "Once a RM [ = reflexive marker ] appears in a language, its functions develop along a specific path...". Melis (1990:41-46) versucht hingegen, das aus der lexikalischen Semantik bekannte Modell der "Prototypen" auf die Syntax zu übertragen. Als "prototypische" Kategorie hat für ihn die Reflexivkonstruktion extensional gesehen keine klaren Grenzen; intensional gesehen läßt sie sich nicht als Menge notwendiger inhaltlicher unterscheidender Züge darstellen. Was alle unterschiedlichen Typen verbindet, ist vielmehr eine Anzahl kognitiv auffälliger Merkmale ("des traits cognitivement saillants"). Das läuft für uns Vertreter 'traditioneller' Positionen fast schon auf eine Leugnung der Einheitlichkeit der Konstruktion hinaus. 3. Sprachvergleich Wenn auch in den beiden vorangegangenen Abschnitten wiederholt auf kontrastive und konfrontative Probleme eingegangen wurde, so standen doch allgemeine theoretischmethodische Fragen im Vordergrund. In dem nun folgenden kurzen Schlußabschnitt soll auf einige praktische Fragen eingegangen werden, die sich aus einem synchronisch-deskriptiven Sprachvergleich ergeben. Die heute etwas aus der Mode gekommene Unterscheidung von "kontrastiv" und "konfrontativ" scheint mir in diesem Zusammenhang nützlich. Sowohl die Divergenzen wie die Konvergenzen zwischen den verschiedenen Sprachen im Hinblick auf die Reflexivkonstruktionen sind erklärungsbedürftig. Ich habe einen kleinen Übersetzungsvergleich zu den Reflexivkonstruktionen durchgeführt. Es wurden einzelne Kapitel aus vier Romanen ausgewählt; die Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch treten jeweils einmal als Ausgangssprache (AS) auf. Das Spanische wurde nur am Rande als Zielsprache (ZS) berücksichtigt. Die Bedenken, die man gegen den Übersetzungsvergleich in methodischer Hinsicht erheben kann, sind allgemein bekannt; sie können hier aus Platzmangel nicht diskutiert werden (vgl. u.a. Albrecht 1970:92-104). Ich halte den Über^etzungsvergleich weiterhin für eine durchaus vielversprechende Methode, sofern er mit der nötigen Vorsicht bei der Interpretation der Befunde durchgeführt wird. In jedem Fall sind bei umfangreicheren Untersuchungen Paralleltexte, d.h. unter vergleichbaren Umständen und zu ähnlichen Zwecken spontan produzierte Texte aus verschiedenen Sprachen, mit heranzuziehen.
272
Albrecht, J.
Obschon das Korpus, das dem vorgenommen Übersetzungsvergleich zugrundeliegt, sehr klein ist, glaube ich, in rein quantitativer Hinsicht eine 'starke' Behauptung aufstellen zu können: Die Vorkommenshäufigkeit (die Anzahl der tokens, nicht der types) der Fügungen Reflexivpronomen + Verb (im folgenden FRV) ist stark einzelsprachenabhängig und wird durch persönliche Vorlieben oder Abneigungen des Übersetzers oder Textproduzenten nur in Maßen beeinflußt. Es wurden, wie eingangs bereits erwähnt, auch dativische Konstruktionen (sich etwas leisten) mitgezählt. Im Englischen wurden nur unbetonte, präpositionslose Formen von oneself berücksichtigt (zu den Abgrenzungskriterien vgl. Geniusiene 1987:180ff.). Zunächst ein Überblick über die Vorkommenshäufigkeiten von FRVs: R. Queneau, Zazie dans le metro, 1. Kap. Frz.(AS^
IL
DL
Engl.
Span.
47
55
30
3
72
Span.
U. Eco, // nome della rosa, erstes Teilkapitel Frz.
It.fAS)
Dt.
Engl.
48(!)
42
27
3
Th. Mann, Tonic Kroger, erster Abschnitt Frz.
IL
Dt(AS)
Engl.
67(!)
51
26
3
Span.
E. Hemingway, For whom the bell tolls, drittes Kapitel Frz.
IL
DL
Engl. (AS)
Span.
58
69
26
3
80(!)
Natürlich ist das Korpus viel zu klein, um verläßliche Ergebnisse zu liefern, und bei immerhin über 700 tokens ließe sich in einzelnen Fällen möglicherweise über die Zählweise diskutieren. Einige Tendenzen zeichnen sich jedoch klar ab: Das Englische und das Spanische sind verläßliche Pole auf der Häufigkeitsskala. Bei einem größeren Korpus würde sich vermutlich ein deutlicherer Unterschied zwischen dem Französischen und dem Italienischen abzeichnen; die Tatsache, daß das Italienische zweimal eine geringere Frequenz von FVRs aufweist als das Französische, läßt sich damit erklären, daß sich zufällig im Korpus zwei Texte mit auffällig geringer Häufigkeit von si generici befinden, d.h. Konstruktionen ohne "Oberflächensubjekt", die im Französischen mit on wiedergegeben werden müssen. Generell ist davon auszugehen, daß der Typ 51 parla italiano, se obre a las cinco zu einer größeren Vorkommenshäufigkeit von FVRs in den südromanischen Sprachen führt. Das Deutsche erreicht ziemlich regelmäßig - unabhängig davon, ob es als AS oder als ZS auftritt - ungefähr die halbe Frequenz des Französischen. Die höhere Anzahl von FVRs im Romanischen gegenüber dem Deut-
Reflexivität, Medialität und Ergativität im Romanischen und Deutschen
273
sehen geht auschließlich auf das Übergewicht der "medialen" oder "passivischen" Konstruktionen im Romanischen zurück. Der Typ das verkauft sich gut, das sagt sich leicht ist zwar im Deutschen fest etabliert, tritt jedoch längst nicht so häufig auf wie im Romanischen. Vermutlich handelt es sich um eine Konstruktion romanischer Herkunft, die durch die Übersetzungstätigkeit verbreitet wurde. Warum dies im Englischen und im Niederländischen nicht geschah (vgl. het woont hier prettig; wat typt het zwaar op deze machine!', Geerts et al. 1984:420) bleibt zu untersuchen. Bei den "neutralen" oder "ergativen" Konstruktionen steht das Deutsche dem Romanischen nicht nach, da es im Romanischen weit mehr nicht-reflexive Ergativa gibt als im Deutschen (vgl. la roue toume, la ruota giro, das Rad dreht sich). Für alle Sprachen (mit Ausnahme des Englischen) gilt, daß die Häufigkeit von FVRs in deskriptiven Passus deutlich geringer ist als in narrativen. Das scheint für eine Affinität der Konstruktion zur Kategorie "Aspekt" zu sprechen. Betrachtet man die FVRs unter lexikalischem Gesichtspunkt, so fällt auf, daß manche lexikalische Bedeutungen in verschiedenen Sprachen einheitlich mit Hilfe "pseudoreflexiver" Fügungen ausgedrückt werden (Konvergenzen): sich langweilen / s'ennuyer / annoiarsi sich erinnern / se souvenir / ricordarsi sich täuschen / se tromper / ingannarsi
(die Bedeutung ist jeweils "irren", nicht etwa "sich selbst absichtlich täuschen") Ein transitives Verb wie jmdn. rächen bildet mit seinem "deakkusativischen" Pendant im Sinne Geniusienes (vgl. w.o.) eine sprachenübergreifende Proportionsgleichung: jemanden rächen : sich an jemandem rächen = venger quelqu'un : se venger de quelqu'un = vendicare qualcuno: vendicarsi di qualcuno
Dazu kommt eine besondere Affinität der FVRs zu Verben mit Verbzusatz: sich abnutzen, sich ausweinen, sich totlachen, sich schwarz ärgern, sich warm laufen - ein Muster, das im Romanischen nur noch diachronisch nachweisbar, aber kaum mehr produktiv ist: arrichirsi, impaurirsi, indebolirsi, raffreddarsi, riscaldarsi usw. usf. In meiner Sammlung finden sich noch sehr viel mehr Konvergenzen dieser Art. Man hat sich zu fragen, ob es systematische, übereinzelsprachlich gültige Zusammenhänge zwischen bestimmten lexikalischen Bedeutungen und FVRs gibt (systemlinguistische Erklärung), ob man es mit Konvergenzerscheinungen in benachbarten Sprachen zu tun hat (kontaktlinguistische Erklärung) oder ob es sich um ein gemeinsames europäisches Erbe aus dem Mittellatein handelt (sprachhistorische Erklärung). Für jeden Erklärungstyp ließen sich Gegenargumente anführen. Wer "systemlinguistischen" Erklärungen den Vorzug gibt, hat sich mit einer Reihe von Divergenzen und Idiosynkrasien auseinanderzusetzen: Warum heißt es nur im Französischen se taire, nur im Italienischen congratularsi con qlc., nur im Deutschen sich erholen! (Vgl. ebenfalls se repentir de qch /pentirsi di qualcosa / etwas bereuen; s'appeler / chiamarsi / heißen usw. usf.)? Warum sagt man das hon sich gut an, aber das sieht gut aus', das gehört sich nicht, das schickt sich nicht, das ziemt sich nicht, aber das tut man nicht, das macht man nicht (vgl. cela ne se fait pas)? Damit soll nicht behauptet werden - wie dies des öfteren geschieht - daß Unregelmäßigkeit ein Indiz für Regellosigkeit sei, sondern lediglich, daß die heranzuziehenden Erklärungen vermutlich keine einfachen sein werden.
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Albrecht, J.
Wer zu kontaktlinguistischen Erklärungen tendiert, sollte zur Kenntnis nehmen, daß der Typ se resigner / rassegnarsi zwar ins Deutsche entlehnt wurde, aber ohne Reflexivpronomen. Wer sich auf das gemeinsame mittellateinische Erbe beruft, kann - auf einer sehr allgemeinen Ebene - nicht fehlgehen, aber er wird zu systemlinguistischen oder kontaktlinguistischen Argumenten greifen müssen, wenn er erklären will, warum gewisse Modelle sich stärker und andere weniger stark in den modernen europäischen Volkssprachen durchgesetzt haben. Ob sich für jeden einzelnen Fall befriedigende Erklärungen finden lassen, wird sich in einer geplanten umfangreicheren Untersuchung zeigen.7
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Reflexivit t, Medialit t und Ergativii t im Romanischen und Deutschen
275
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Prim rtexte B/N= Boileau-Narcejac: J'ai 6t6 un fant me, Paris: Denoel, 1989 (= Collection folio 2233) P/M= Pierre Magnan: Les courriers de la mort, Paris: Denoel, 1986 (= Collection folio 1986)
Martina Emsel (Leipzig)
Pragmatische Differenzierung von Wortbildungsstrukturen und -modeilen zum Vergleich der Potenzen im Spanischen und Deutschen 0. Wenn von Wortbildungsstrukturen u n d Wortbildungsmodellen die Rede ist, so werden darunter sowohl bereits im Lexikon fixierte, dem Inhalt nach durchsichtige Wortstrukturen als auch Modelle verstanden, die Ausgangspunkt für Neubildungen sind, also über produktive Potenzen verfügen, die nicht notwendigerweise zu einer Lexikalisierung fuhren. Mit anderen Worten, jedem (produktiven) Modell liegt eine Struktur zugrunde, aber nicht jede (durchsichtige) Struktur ist auch ein produktives Modell. Wenn diese Unterscheidung vernachlässigt werden kann, lassen sich beide Erscheinungen unter "Wortbildungen" zusammenfassen. Sprachvergleichende Darstellungen zur Wortbildung gehen zum einen von in mehreren Sprachen vorhandenen bzw. angenommenen formalen Grundstrukturen aus und ermitteln deren sprachspezifisches differenziertes Anwendungspotential, oder sie nehmen ein formales Modell einer Sprache (Quellensprache) und stellen dem semantisch äquivalente und formal differenzierte Realisierungsmöglichkeiten in einer zweiten Sprache (Zielsprache) gegenüber. Das Hauptaugenmerk liegt auf synchronen Wortbildungsprozessen, d.h. produktiven und semantisch durchsichtigen Modellen, deren Systematizität ergründet und dem Sprachbenutzer sowohl für die Muttersprache als auch für die Fremdsprache verdeutlicht wird, häufig unter dem Blickwinkel der Übersetzung und für einzelne Modelle, die nach formalen Kriterien abgegrenzt werden. Wie könnte nun ein Beschreibungsmodell aussehen, das sich globaleren Fragen des Wortbildungspotentials im Sprachvergleich widmen will? 1. Für unseren Vergleich gehen wir ebenso wie bei einsprachigen Betrachtungen von der These aus, daß es sich bei Wortbildung um formale Sprachstrukturen handelt, die inhaltlich verschiedene Aufgaben im Sprachsystem erfüllen. Diese Funktionen haben sprachübergreifenden, wenn nicht gar sprachindifferenten Charakter, so daß sie als tertium comparationis geeignet sind. Danach ist die Wortbildung zu unterscheiden in a) semantische Modifikation b) Kombinationen von Argumenten c) syntaktische Modifikation. Diese drei Gruppen stehen bisher in unterschiedlichem Maße im Interesse wortbildungstheoretischer Erörterungen. Während die semantischen Modifikationen (bei konstanten syntaktischen Kategorien) im Mittelpunkt des lexikalistischen Herangehens stehen, konzentrieren sich transformationalistische Ansätze auf die syntaktischen Modifikationen (bei weitgehend konstanter lexikalischer Semantik). Das "Mittelfeld" - die Kombination von Argumenten - wird dagegen von beiden Seiten beansprucht. Dadurch können zwar alle Bildungen irgendwie beschrieben werden, weniger befriedigend ist dagegen die Erklärung zur unterschiedlichen Ausprägung einzelner formaler Modelle, insbesondere wenn der sprachvergleichende Aspekt hinzukommt. Um das Beschreibungsmodell zu verdeutlichen, werden zunächst in einer Sprache die-
278
Emsel, M.
sen drei Bereichen die (formalen) Wortbildungsarten gegenübergestellt. Es ergibt sich so eine Matrix zur sprachspezifischen Ausprägung der Wortbildungsarten. [Bild 1] S p a n i s c h SIMPLEX semantischen
SYNTAX Wortbildung Wortbildung ausgehend von einer funktionalen
syntaktischen
B e z i e h u n g S>S,A>A,V>V: diminutiv libra >librito augmentativ tirar>tirotear valorativ elitista >elitesco
S U F F I G I E R U N G V > S: Aktion ->AGENS/INSTR. calcular >calculador S>S:Objekt -> AGENS jardin >jardinero A > V: RESULTAT -> Aktion neutral > neulralizar S>V: (varia) -> Aktion brazo>bracear
A >Av: Charakter fino >finamente S>A: Charakter arena >arenoso A>S: Zustand neutral >neutralidad V > S: Aktion elevar> elevation V>A: Relation calmar> calmante de+S>A:Relation de laluna> lunar
SUFFIGIERUNG + P R Ä F I G I E R U N G (alle Arten) Wiederholung A > V: RESULTAT negociar -> Aktion > renegociar rojo > enrojecer Negation S > V: (varia) culto>inculto -> Aktion veneno >envenenar K O M P O S I T I O N S+S/Metapher gira relampago
S+S/Funktion buque escuela
V+S>S:Prädikat ->AGENS/INSTR. el guardabosquc elparabrisas
(='+') exposicion-venta agridulce S+A>A pelirrojo V+S>A (bomba) lanzapanfletos
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Wortbildungsstrukturen und -modeile im Spanischen und Deutschen
*) Zu überlegen wäre, ob die Diminutiva und Augmentativa des Spanischen nicht als Infixbildungen zu bezeichnen wären, da sie die suffixtypischen Merkmale Wortart bzw. Genus nicht beeinflussen. [Bild2] D e u t s c h 4PLEX
semantischen
S>S,V>V: diminutiv Buch > Büchlein lachen > lächeln
valorativ backen >bäckem
SYNTAX Wortbildung Wortbildung ausgehend von einer funktionalen B e z i e h u n g S U F F I G I E R U N G
syntaktischen
V> S: Aktion ->AGENS/INSTR. rechnen > Rechner
A=Av: Charakter schnell (-e,-er,-es) = schnell
[S>S:Objekt -> AGENS Garten > Gärtner] A > V: RESULTAT -> Aktion hart > härten S>V: (varia) -> Aktion Teer > teeren
S>A: Charakter Sand >sandig A>S: Zustand blind > Blindheit V > S: Aktion landen > Landung V"» A· IxddLlUll Rflatinn V ^ f\.
steigen > steigend SUFFIGIERUNG P R Ä F I G I E R U N G (alle Arten) Wiederholung verteilen >umverteilen Negation
nötig> unnötig
S + S/Metapher Blitzbesuch Präp+Verb bauen > aufbauen
A > V: RESULTAT - > Aktion bleich > erbleichen S>V: (varia) -> Aktion Gift > vergiften K O M P O S I T I O N S + S/varia Schulschiff Goldring V+S>S:Prädikat ->AGENS/INSTR. Waldhüter, Wasserwerfer S + A>A: CAUS. ->CAUS + Neg. wasserfest, lichtbeständig
V-Valenz: Vintr>Vtr grüßen > begrüßen
S + S,A + A( = ' + ') Verkaufsausstellung süßsauer A+S(+ SUFF.!) >A S+A > A rothaarig, maulfaul
280
Emsel, M.
Auf den ersten Blick scheinen beide Schemata in ihrer Gliederung recht homogen zu sein, es ist also durch gezielte Wahl der Beispiele durchaus möglich, systemhafte Kongruenzen auch in weniger verwandten europäischen Sprachen nachzuweisen (vgl. Koppenburg 1976). Natürlich sind die zwangsläufig ebenfalls vorhandenen Divergenzen auch nicht auf lexikalische Einzelfälle beschränkt, sondern lassen sich insbesondere im produktiven Bereich differenziert beschreiben. Für einen sprachvergleichenden Untersuchungsansatz nach diesem Schema kann nun sowohl punktuell als auch global vorgegangen werden. Für einen punktuellen Ansatz muß eine Auswahl getroffen werden, und er zeichnet sich besonders dort als interessant ab, wo ein einzelnes formales Wortbildungsmuster an mehreren Stellen des Paradigmas auftaucht. Ein globales Herangehen beruht dagegen auf einem qualitativen und quantitativen Vergleich an möglichst vielen Positionen, wobei als Kriterien Ausgangs- und Zielwortarten, Art und Menge der Wortbildungsmuster, spezifische Kennzeichen der Wortbildungen herangezogen werden können. Es ist dabei zwar eine Konzentration auf jeweils einen pragmatischen Schwerpunkt möglich, die Wortbildungsarten müssen aber in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden, da es hier zu zwischensprachlichen Verschiebungen bzw. auch Lücken kommt. Für das Deutsche werden Fremdwörter gesondert ausgewiesen, da die dort verwendeten Stämme und Affixe weitgehend nicht mit autochthonem Sprachmaterial kombinierbar sind, wir also in der Regel von als Komplex entlehnten Bildungen ausgehen können. Anders sieht der Status dieser Morphemgruppen und ihrer Kombinationen bei einem Vergleich innerhalb der romanischen Sprachen, z.B. zwischen Spanisch und Französisch aus. Im Rahmen dieses Beitrags und angesichts der beschränkten Zahl von Untersuchungen zu einzelsprachlichen und sprachvergleichenden Untersuchungen zum Thema Wortbildung kann nur ein Untersuchungsansatz demonstriert werden, der aber sowohl das globale als auch das punktuelle Herangehen illustrieren soll. 2. Für den globalen Ansatz dienen als Beispiel die syntaktischen Modifikationen, bei denen die Menge der in Frage kommenden Kriterien (Wortarten, morphologische Modelle) noch relativ gut überschaubar bzw. in Standardwerken (Dt: Fleischer 1974; Sp: PLI/Sp; Fz: PLI/Fz) zugänglich ist. Das o.a. Schema wird praktisch "auseinandergezogen" und durch die Angaben in den Vergleichssprachen ergänzt. Der Vergleich bezieht sich hauptsächlich auf Spanisch vs. Deutsch; Französisch wird, soweit bei weniger umfassender Materialgrundlage möglich, ergänzend aufgeführt. Angaben in eckigen Klammern [] beziehen sich auf die Zahl der produktiven Bildungsmuster.
281
Wortbildungsstrukturen und -modelte im Spanischen und Deutschen [Bild 3] Syntaktische Modifikation Deutsch SUFFIGIERUNG Charakter A>Av
Spanisch
Französisch
[1]: -mente !! A/Av mit Tendenz zu Präp + S( < A)
[1]: -ment
A = Av
S>A (sltn)
v»
A>S
[l+phon]:-heit /-keit
[>!]: -eux... -oide ...
Zustand ...-ncia, -ez(a)
...-(er)ie, -esse
Aktion V>S
Relation V>A
2
(de + )S>A
[Inf] -(-Art. [red] lexik. [1]. -ung [frmd]: -tion, ...-age
[Inf] selten [red] lexik. [>2]: -cion, -miento,... -aje,-ada, -(a)tura...
[synt]: -end
[synt] -ante [Sub]: -dor/a
[synt]:-ant/e [Sub]: selten -teur/-trice
-ar(io),-a/ino
-ier,-aire..
•A [frmd]: -al
[red] lexik. -age.-ement, ...-ade,-ure.
[gelehrt] selten -estre PRAFIGIERUNG Verb-Valenzänderung
./.
./.
SS: sltn. AA: lexik. u. prod. A-A: prod
S..S, SS: sltn. AA: lexik. A-A: prod.
S-S, SS: sltn. AA: lexik. A-A: prod.
A S + SUFF: selten SV (S): sltn.
SA: selten
·/·
(S + )VS: sltn.
•A
S(s) (S/A)
V-
./·
intr> trans: [2]: be-, ver- 3
KOMPOSITION Koordination S+S = '+ ' A+A = ' + '
Attribution S+A>A V + S>A/Komp. Relation S + (S/A)
*2 Als adjektivisches Ableitungsmuster werden sie traditionell nicht aufgeführt, sondern den morphosyntaktischen Verbparadigmen [synt] bzw. Substantivbildungen [Sub] zugeordnet. Ausgehend von ihrer syntaktischen Funktion halte ich es für sinnvoll, sie hier wie die anderen syntaktischen Modifikationen aufzuführen.
282
Emsel, M.
*3 Morpheme mit pragmatisch differenziertem Verwendungspektrum, ohne Berücksichtigung semantischer Abstufungen. Diese relativ abstrakte Übersicht zeigt bereits, an welchen Stellen stärkere Differenzen bzw. Kongruenzen bei weiteren Detailuntersuchungen zu erwarten sind. Soweit im Schema keine Verschiebungen zu anderen Wortbildungsmustern angegeben sind, kann bei einer Übersetzung davon ausgegangen werden, daß - außer in lexikalisierten Entsprechungen - die Textstruktur im Falle einer "Bildungslücke" auf syntaktische Strukturen mit den Ausgangswortarten zurückgreifen wird. Für die Wortbildungen aufgrund von funktionalen Beziehungen gestaltet sich der Vergleich weitaus komplizierter, da wir hier eine Gliederung nach Aussagefunktionen zugrundelegen, die an Argumentenstrukturen bzw. semantische Satzkasus angelehnt ist. Für das Spanische arbeite ich derzeit mit einer Gliederung in 15 Funktionen für den Verbalbereich (vgl. Emsel 1991), die auch auf andere Wortarten anwendbar ist, aber ggf. noch erweitert oder präzisiert werden müßte. Es gibt bisher kaum Wortbildungsanalysen außerhalb des Englischen bzw. des Verbalbereiches, die eine solche Perspektive berücksichtigen. Von besonderem Interesse könnte sie z.B. hinsichtlich der Möglichkeiten und Blockierungen bei deutschen Komposita im Vergleich mit romanischen Sprachen sein, wie Ansätze zu Einzelerscheinungen bei Lipka (1968) und Emsel (1987) zeigen. Nun noch einige Bemerkungen zu einem globalen Vergleich bei den semantischen Modifizierungen: Hier gibt es bei den Suffigierungen auffallend wenig Kongruenzen. Die Gruppe der Augmentativbildungen fehlt im Deutschen völlig. Als "reine" Augmentativa werden sie häufig über Syntagmen realisiert, für die valorativen Varianten stehen sowohl Syntagmen als auch Komposita als Entsprechungen zur Verfügung, wobei aufgrund des hohen interpretativen Anteils kaum ein direkter Rückbezug zu der (spanischen) Suffigierung hergestellt werden kann. Bei den Diminutiva gibt es im Deutschen keine Adjektivbildungen, und auch bei Substantiven sind die Anwendungsmöglichkeiten wesentlich geringer - begrenzt bei (ironisierender) Verniedlichung - , so daß die anderen Textfunktionen (tatsächliche Verkleinerung, ebenso Wertungen) mehr syntaktisch, also außerhalb der Wortbildung, realisiert werden. Diese geringere Ausprägung der Diminutivbildungen i.w.S. trifft, wie Schmitt (1991) feststellt, interessanterweise auch auf das Französische zu. Und bei dem als valorativ angeführten zweiten Verb [Bild 2) handelt es sich eigentlich um eine weitere Ableitungsstufe eines deverbalen Substantivs (backen > Bäcker), die nur formale Ähnlichkeit mit der älteren iterativen Bildungen auf -ern aufweist, aber sich durch Analogie durchaus zu einem solchen kontrastierenden Modell entwickeln kann. 3. Für einen punktuellen Vergleich müssen wir von einer Sprache ausgehen, in diesem Fall Spanisch, und führen den Vergleich anhand eines formalen Wortbildungsmusters durch, das zwar in seiner morpho-syntaktischen Kombinatorik begrenzt ist, aber andererseits ein kontextuelles breites Anwendungsspektrum aufweist. Im folgenden geht es um die deverbvalen Ableitungen mit dem Suffix -dor, einschließlich der Variante -dora und das partiell synonyme -ante, wofür zumindest teilweise die Untersuchungen von Haarmann (1975) und Emsel (1987) eine Grundlage sind.
283
Wortbildungsstrukturen und -modelte im Spanischen und Deutschen [Bild 4] Deverbale Ableitungen auf -dor, -dora und -ante
syntaktische Mod. V> A
funktionale Komb. V >S
semant. Modif.
Sprache
V>V
SPANISCH Muster Motiv
Basis
-dor/a -ante prädikat. Attribut onomasiol. relfreie m.Tendenz Formenbilz. Lexik.; dung; grundsätzl. okkasion. spezifizie rend 0-mehrstf. 0-2stufig
Beispiel Parallelform
calculador calmante que + V ;rb7 de + S( Für die Kinder wird (von uns) gesorgt.
(c) (Zweigliedriges) Vorgangspassiv bei monovalenten intransitiven Verben mit bestimmt-persönlichem Agens: (6) Er tanzt. = = = > Es wird von ihm getanzt.
(d) (Eingliedriges) Vorgangspassiv bei monovalenten intransitiven Verben mit unbestimmt-persönlichem Agens: (7) Man tanzt. = = = > Es wird getanzt. ^ "tapasiva con el auxiliarf£r" (Giliv Gaya 81961:123; Real Academia 1985:451) * "lapasiva con estar" (Gili y Gaya 81%1:124; Real Academia 1985:452) 5 Rui Faco (1960): Brasil s6culo XX. - Rio de Janeiro: Vitoria. und Rui Faco (1964): Brasil siglo XX. Übersetzung von Carmen Alfaya. - La Habana: Ediciones Venceremos.
Das Passiv im Deutschen, Portugiesischen und Spanischen
287
1.1. Wiedergabe des deutschen Vorgangspassivs im Portugiesischen und Spanischen 1.1.1. Äußerungen mit transitivem Verb Entscheidend für die Wahl der spanischen und portugiesischen Äquivalente ist die Anwesenheit bzw. Nichtanwesenheit der Agensbezeichnung in der aktuellen Äußerung. 1.1.1.1. Äußerungen mit Agensangabe In der portugiesischen Gegenwartssprache kann das Vorgangspassiv transitiver Verben in Äußerungen mit explizitem Agens nur noch durch das ser-Passiv bezeichnet werden. Dem deutschen Satz (8) Der Wagen wurde von dem Schlosser repariert. entspricht der Satz (9) O carro foi consertado pelo mecänico.,
und zwar nicht nur strukturell, sondern auch in kommunikativ-pragmatischer Hinsicht, da beide Sätze die gleiche funktionale Satzperspektive realisieren. Das Patiens-Subjekt ist thematisiert; die agensbezeichnende präpositionale Ergänzungsangabe ist Thematisiert. Im Portugiesischen stellen Sätze im Vorgangspassiv die neutralste Ausdrucksmöglichkeit dieser Perspektive dar. In der Mehrzahl der Fälle treten Äußerungen mit ser-Passiv daher in dieser Reihenfolge auf, obwohl selbstverständlich auch andere Perspektivierungen möglich sind.6 Die reflexive Passivkonstruktion ist in der portugiesischen Gegenwartssprache dagegen heute praktisch nicht mehr üblich.7 Im klassischen Portugiesisch war diese Konstruktion jedoch durchaus möglich: (10) Neste tempo se descobriu tambom a Ilha Formosa por um Fernäo do Po. (Barros, Docadas I, L.2, 67, zit. in Brandäo (1963:377) (11) Aqui se escreveräo novas historias/ Por gentes estrangeiras que viräo. (Camöes, Lusiadas, 122) A
Belege dieses heute antiquierten Gebrauchs finden sich gelegentlich noch in der brasilianischen Schriftsprache:
So enthält z. B. die Äußerung (i) No dia seguinte, [Temporalangabe] foi rezada [Verb] por Frei Henrique [Agens] a primeira missa no Brasil (Souto Maior, Historia, 30) eine thematische Temporalangabe, ein nichtthematisches Agens und ein thematisches Patiens. Die Äußerung (ii) Sua instalagäo [Patiens] foi anunciada [Verb] pelo Presidente da Petrobras [Agens] durante uma Conferencia daAssociaqäo Comercial de Campinas [Temporalangabe]. (Petrobras) enthält ein thematisches Patiens, ein nichtrhematisches Agens und eine rhematische Temporalangabe. So stellt Rodrigues Lapa (1959:158) fest: " [...] näo podemos hoje dizer 'Abriram-se äs janelas pelo criado'." 8 Weitere Belege in Silva Dias (41959:106)
288
Gärtner, E.
(12) A Revolucäo Pernambucana orienta-se por padres- mestres e frades carmelitas. (Sodro, Historia, 139) (13) Essas inclinacöes se determinam pela forca que tenham. (Novos Rumos, 17.-23.1.1964, 4)
Im Spanischen hat sich dagegen die Reflexivkonstruktion vom Ausdrucksmittel für das Medium zu einer agensfähigen und damit dem ser-Passiv weitgehend9 adäquaten Ausdrucksform entwickelt, wie die Zusammenstellung beider Konstruktionen in Real Academia (1985:379) zeigt: (14) La paz fue firmada por los embajadores. und (15) Se firmo la paz por los embajadores. (Real Academia 1985:379)
In authentischen Texten liegt die Frequenz der Reflexivkonstruktion heute meist höher als die des 5er-Passivs. Das Spanische hat also die Entwicklung der Reflexivkonstruktion zum Ausdrucksmittel des agensbezogenen Vorgangspassivs konsequenter durchgeführt als das Portugiesische. Unser Übersetzungsvergleich ergab in 4 von 48 Fällen die Ersetzung des portugiesischen ser-Passivs durch die Reflexivkonstruktion im Spanischen, z.B.: (16a) A ausencia de autonomia por parte do Brasil em sua politica exterior testemunhada por este fato que dispensa todos os demais. (Rui Faco 1960:206) (16b) La ausencia de autonomia por parte del Brasil en su politica exterior se testimonia por este hecho que exime todos los demäs. (Rui Faco 1964:169)
1.1.1.2. Äußerungen ohne Agensangabe Für die Wiedergabe des deutschen Vorgangspassivs in Äußerungen ohne Agensangabe steht zunächst in beiden iberoromanischen Sprachen das ier-Passiv zur Verfügung: (17a) Der Wagen wurde repariert. (17b) O carro foi consertado. (17c) El coche fue reparado.
Bezeichnet das Aktivsatz-Objekt ein unbelebtes Individuum, ist außerdem die reflexive Passivkonstruktion möglich. Sie wird im Spanischen heute in den meisten Textsorten bevorzugt. Das Passivsatz-Subjekt kann thematisch oder rhematisch sein: (18a) (18b) (19a) (19b)
O carro consertou-se. / Os carros consertaram-se. Consertou-se um carro. / Consertaram-se carros. El coche se reparo. / Los coches se repararon. Se reparo un coche. / Se repararon coches.
Bezeichnet das Aktivsatz-Objekt ein belebtes Individuum, führt die Anwendung der Reflexivkonstruktion zu ambigen Äußerungen, die passivisch, reflexivisch oder reziprok interpretiert werden können: Daß das reflexive Passiv dem ser-Passiv noch nicht voll adäquat ist, zeigt die Tatsache, daß es nur sehr eingeschränkt mit humanen Individuativa als Agens kombinierbar ist. Embajadores in (15) referiert eher auf die Institution als auf die Einzelperson.
Das Passiv im Deutschen, Portugiesischen und Spanischen
289
(20) Pedro e Paulo feriram-se. (Almeida 351988:211) (21) Se ayudan los estudiantes. (Gili y Gaya 8161:76)
Dabei bleibt die Interpretation dem Denotatswissen des Rezipienten der Äußerung und/oder dem sprachlichen bzw. situativen Kontext überlassen. Im Portugiesischen wird diese Ambiguität bis in die Gegenwart in Kauf genommen:10 (22) Princesas partem, princesas chegam, princesas trocam-se, sempre seguidas de soquitos espectaculares. (Pavao dos Santos)
Im Spanischen dominierte die ambige Konstruktion bis in die klassische Literatursprache des Siglo de Oro11, daneben bildete sich aber seit dem 15. Jh.12 eine unbestimmtpersönliche, aktivische Reflexivkonstruktion heraus, in der das Verb unveränderlich in der 3. Person Singular steht und die fragliche Individuenbezeichnung durch die Präposition auch formal als direktes Objekt gekennzeichnet ist: (23) Se ayuda a los estudiantes. (Gili y Gaya 81961:76)
Diese Konstruktion ist heute so fest im Sprachbewußtsein verankert, daß sie bei Übersetzungen aus dem Portugiesischen systematisch an die Stelle der ambigen Reflexivkonstruktion gesetzt wird: (24a) Deportaram-se estrangeiros. (Rui Faco 1960:141) (24b) Se deporto a extranjeros. (Rui Faco 1964:117)
Auch die klassische portugiesische Literatursprache kannte diese Konstruktion13, doch sind sowohl ihre Akzeptabilität14 als auch der syntaktische Status der Individuenbezeichnung15 bis heute in der normativen Grammatik umstritten. In der Gegenwartssprache ist sie praktisch nicht nachweisbar. Die unbestimmt-persönliche, aktivische Reflexivkonstruktion hat sich in beiden Sprachen in der mündlichen Rede16 auch auf Äußerungen mit unbelebter Individuenbezeichnung ausgedehnt: 10
Vgl. Pereira (1101958:339); Almeida (351988:211) Vgl. Gili y Gaya (81961:76, Anm. 2): "abandon los ejemplos [...] en el Siglo de Oro". 12 Vgl. Gili y Gaya, ebenda. 13 Vgl. z.B.: (i) [...] so em ema terra onde se cruciflca a Cristo sepodem criar e sofrer tais monströs [...] (Vieira, zit. in Brandäo (1963:318/319) (ii) [...] ainda estas (cousas) deveis mandar aos enfermos dos hospitals [...]porque se näo agrave aos rico. (Lucena, ebenda) Vgl. Silva Dias (^1959:106): "E incorecgäo dar a um verbo empregado deste modo [d.h. reflexiv, E..] um complemento directo, v.g.: (i) Quanta mats se U a este ilustre classico. (F°. J. Freire) em vez de (ii) Quanta mais se le~e este ilustre classico". Vgl. Almeida ( 1988:21$: "Louva-se aos juizes [...] ' Nessas construqöes 'juizes e [...] ' säo objetos indiretos." und Almeida (1988:219): "Substituindo-se [...] o objetopelo correspondentepronome obliquo, fica 'louva-se-lhes" e nunca 'louva-se-os'." 16 Vgl. Gili y Gaya (81961:76/77); Real Academia (1985:383); Mateus et al. (1983:317) 11
290
Gärtner, E.
(25) Vende-se flores. (Brandäo 1963:314) (26) Se vende botellas. (Real Academia 1985:383)
Der Objektcharakter und damit die Pronominalisierbarkeit durch akkusativische Objektpronomina sind im Spanischen unumstritten: (27) Se rompio las ventanas con im martillo. (28) Se las rompio con un martillo. (Goldin 1968:32)
Im Portugiesischen schließt eine Oberflächenstrukturbeschränkung die Sequenz se + unbetontes Akkusativpronomen offenbar wegen des Zusammentreffens zweier unbetonter Vokale aus, während die aktivische Konstruktion durchaus möglich ist, wenn se und das Akkusativpronomen nicht in Kontaktstellung stehen, wie Kuttert/Silva (1990) gezeigt haben: (28a) (Cometeram-se alguns erros.) *Imputa-se-os ao Paulo. (28b) (Cometeram-se alguns erros.) Imputa-se-lhos.
In der normativen Grammatik wird für diese Fälle die Verwendung der reflexiven Passivkonstruktion empfohlen.17 1.1.2. Äußerungen mit multivalentem intransitivem Verb Für die Wiedergabe des deutschen Vorgangspassivs bei multivalenten intransitiven Verben18 und expliziter Agensangabe wie (29) Dem Lehrer wird von den Schülern geantwortet.
stehen im Spanischen und Portugiesischen keine adäquaten Konstruktionen zur Verfügung.19 Sätze ohne Agensangabe können in beiden Sprachen durch die Reflexivkonstruktion wiedergegeben werden, doch ist in diesem Fall eine Veränderung der Satzperspektive in Kauf zu nehmen, wodurch die zielsprachlichen Konstruktionen eher unbestimmt-persönlich und aktivisch aufgefaßt werden: (30a) Dem Lehrer wird geantwortet, (30b) Responde-se ao professor. (30c) Se (le) contesta al profesor. " Vgl. Ribeiro ^1956:642); Pereira (1101958:331); Ahneida (351988:210); Brandäo (1963:314) Vgl. Heibig (81984:167) Lediglich in Einzelfällen, in denen dem deutschen intransitiven Verb im Spanischen/Portugiesischen ein transitives entspricht, kann ein persönliches Vorgangspassiv gebildet und somit eine die funktionale Satzperspektive wahrende Wiedergabe gewährleistet werden: (i) Den Kindern wird von den Eltern geholfen. (ii) Os filhos säo ajudados pelos pais. (iii) Los hijos son ayudadospor los padres. Im Portugiesischen haben sich einige früher transitive, heute intransitive Verben die Fähigkeit zur Bildung eines Vorgangspassivs bewahrt. Brandäo (1963:377) nennt responder, presidir, assistir, resistir, suspirar, apelar, pagar, perdoar und obedecer.
18
Das Passiv im Deutschen, Portugiesischen und Spanischen
291
Eine Thematisierung des Objekts erscheint nur bei Anwesenheit eines weiteren rhemafähigen Satzgliedes möglich: (31a) Dem Lehrer wird laut geantwortet. (31b) Ao professor responde-se em voz alta. (31c) AI profesor se le contesta en voz alta.
1.1.3. Äußerungen mit monovalentem intransitivem Verb und bestimmt-persönlichem Agens Auch das zweigliedrige Vorgangspassiv von monovalenten intransitiven Verben in Äußerungen mit bestimmt-persönlichem Agens wie (32) Es wird von ihm getanzt. (Heibig 1975:273)
hat im Spanischen und Portugiesischen kein Äquivalent, kann also nur durch den entsprechenden Aktivsatz wiedergegeben werden. 1.1.4. Äußerungen mit monovalentem intransitivem Verb und unbestimmt-persönlichem Agens Das eingliedrige Vorgangspassiv von monovalenten intransitiven Verben in Äußerungen mit unbestimmt-persönlichem Agens wie (33) Es wird getanzt.
kann im Spanischen und Portugiesischen durch die unbestimmt-persönliche Reflexivkonstruktion wiedergegeben werden: (34) Danca-se. (35) Se baüa.
Dabei ist allerdings zu beachten, daß diese Konstruktion in gleichem Maße dem deutschen Aktivsatz mit unbestimmt- persönlichem Subjekt (36) Man tanzt.
entspricht. Die romanische Konstruktion ist als Nachfolgekonstruktion des lateinischen Mediums20 weder eindeutig aktivisch noch eindeutig passivisch zu interpretieren.
2. Das Zustandspassiv: sein/estar + Partizip Das Zustandspassiv drückt nach Heibig (81984:175) einen (statischen) Zustand aus, der das Resultat eines vorhergehenden (dynamischen) Vorgangs ist.21 Es ist nur dann mög21
Vgl. u. a. Said Ali (61966:89) Im Unterschied zum Vor Vorgangspassiv, das als "prozessual" zu charakterisieren ist, enthält das Zustandspassiv das Merkamal [+statisch]. Auf das von Heibig außerdem vorgeschlagene Merkmal
292
Gärtner, E.
lieh, wenn es auch ein entsprechendes Vorgangspassiv gibt, und wird nicht direkt vom Aktiv, sondern über das Vorgangspassiv abgeleitet: (37a) Der Arzt impft den Patienten. (Aktiv) (37b) = = = > Der Patient wird (vom Arzt) geimpft. (Vorgangspassiv) (37c) = = = > Der Patient ist (vom Arzt) geimpft. (Zustandspassiv)
Im Unterschied zu anderen romanischen und nichtromanischen Sprachen hat sich im Spanischen und Portugiesischen eine der deutschen Konstruktion analoge Ausdrucksweise mit dem Hilfsverb estar herausgebildet: (38) A fortaleza estä cercada pelos inimigos, (Rocha Lima 1962:245) (39) Las casas estaban edificadas con mucho cuidado. (Real Academia 1985:452)
Diese Konstruktion wird in spanischen Grammatiken22 als "pasiva con 'estar" bezeichnet. Für das Portugiesische hat Rocha Lima (71962:246) die Bezeichnung "passiva de estado" eingeführt, während andere Autoren2^ lediglich die Möglichkeit der Verwendung von estar mit dem Partizip vermerken, ohne die spezifische Semantik dieser Konstruktion zu beschreiben und sie auch terminologisch vom ser-Passiv abzuheben. Da das Zustandspassiv einen Zustand bezeichnet, der aus dem vom Vorgangspassiv bezeichneten Vorgang resultiert, können Vorgangs- und Zustandspassiv nicht zugleich wahr sein. Daher ist in allen drei Sprachen das Zustandspassiv in demselben Tempus nicht gleich-, sondern nachzeitig zum Vorgangspassiv. Das haben Heibig (81984:175) für das Deutsche und Gili y Gaya (®1961:125) für das Spanische dargestellt: (40) (41) (42) (43)
Die Tür ist geöffnet worden. (=Perfekt) Die Tür ist geöffnet. (=Präsens) El problema ha sido resuelto. (= antepresente) El problema estä resuelto. (=presente)
Für das Portugiesische ist diese Tempusrelation bisher wohl noch nicht ausdrücklich konstatiert worden, jedoch evident: (44) O problema foi resolvido. (=prete>ito) (45) O problema estä resolvido. (= presente)
Wie im Deutschen ist auch im Portugiesischen und Spanischen in bestimmten Fällen die Anfügung des Agens in Form einer präpositionalen Ergänzung möglich, vgl.: (46) Seine Ernennung ist vom Minister bestätigt. (Heibig 81984:183) (47) Os homens ja estavam tocados pela fo. (Cunha/Cintra ^1985:373) (48a) No campo, o principal meio de produ^ao, a terra, estä monopolizado por uma minoria insignificante. (Rui Faco 1960:44) (48b) En el campo, el principal medio de produccion, la tierra, estä monopolizado por una minoria insignificante. (Rui Faco 1964:36) [+resultativ] wollen wir im Hinblick auf das Passiv der Zustandsveränderung (s.u.) verzichten. Vgl. u. a. Gili v Gaya (81961:124) und Real Academia (1985:452) 23 Vgl. Pereira (I101958:339); Almeida (35198:210); Cunha/Cintra (1985:373) 22
Das Passiv im Deutschen, Portugiesischen und Spanischen
293
In welchem Maße die dafür von Heibig (81984:183) für das Deutsche angenommenen Beschränkungen auch für das Spanische und Portugiesische geltend gemacht werden können, bedarf weiterer Untersuchungen. Neben dem Hilfsverb estar tritt im Spanischen und Portugiesischen noch das Hilfsverb andar mit den aktionalen Merkmalen [ +statisch] und [-kontinuierlich] auf: (49) O negro Arigof andava aperreado. (Amado, Flor, 449) (50) El negro Arigof andaba abatido. (Amado, Flor, 461)
Im Portugiesischen ist außerdem viver mit den Merkmalen [ + statisch] und [ + kontinuierlich] voll auxiliarisiert, wie aus der Kombinierbarkeit mit unbelebtem Subjekt zu erkennen ist: (51) A porta vive fechada. (Verissimo, Musica, 114)
Darüberhinaus können auch die Verben der Bewegung ir und v/r in Auxiliarfunktion auftreten; sie bringen eine im Deutschen nicht ausdrückbare dynamische Komponente sowie den Sprecherbezug (v/r) in die Äußerung ein:24 (52a) (52b) (53a) (53b)
Isso vai explicado mais abaixo. Eso va explicado mäs abajo. O bife vem acompanhado de batatas fritas. El bife viene acompanado de patatas fritas.
3. Das bleiben-Passiv Analog zum sem-Passiv ist in der Germanistik ein bleiben-Passiv diskutiert worden,25 das ebenfalls auf der Akkusativ-Konversion basiert: (54) Peter öffnet (55) Das Fenster (56) Das Fenster (57) Das Fenster
das Fenster. wird von Peter geöffnet. ist geöffnet. bleibt geöffnet.
Das bleiben -Passiv enthält nach Heibig (1989:218) "eine zusätzliche aktionale Bedeutungskomponente der Kontinuativität", die mit den Merkmalen [ + statisch] und [ + kontinuativ] erfaßt werden kann.26 Es ist daher nur von Verben bildbar, die nicht nur eine transformative Bedeutung haben, sondern ein reversibles Geschehen bezeichnen (Heibig 1989:218), von dem es sinnvoll ist, zu sagen, daß der durch die Verbalhandlung erreichte Neuzustand "bleibt". Im Portugiesischen und Spanischen kann das Fortbestehen des durch einen transformativen Prozeß erreichten Zustande u. a. durch die Verben manter-se/montener-se, ™ Vgl. Cunha/Cintra (31985:373) ~j Vgl. Heibig (1989:218) und die dort angegebene Literatur) Wir unterscheiden also zwischen dem Merkmal [+kontinuierlich], das im Gegensatz zu [-kontinuierlich] die ununterbrochene Fortdauer eines Prozesses bezeichnet, und dem Merkmal [ + kontinuativ], das den Vorgang auf einen Punkt der Zeitachse bezieht.
294
Gärtner, E.
continuar, permanecer und (span.) seguir wiedergegeben werden. Dabei entsprechen nur manter-se/mantenerse exakt dem deutschen bleiben: (58a) Die Tür bleibt geschlossen. (58b) A porta mantdm-se fechada. (58c) La puerta se mantiene cerrada.
Während bleiben/manter-se/mantenerse das Fortbestehen des zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichten Zustands ausdrücken, bezeichnen continuar und seguir das zu einem bestimmten Zeitpunkt Noch-Andauern des reversiblen Zustands: (59a) Ha menos de um seculo [...] os escravos [...] continuavam ä escala inferior da sociedade. (Rui Faco 1960:20) (59b) Hace menos de un siglo [...] los esclavos [...] continuaban relegados a la escala inferior de la sociedad. (Rui Faco 1964:15) (60a) For lei, ainda hoje, continua proibida a existencia de uma central sindical unica no Brasil. (Rui Faco 1960:166) (60b) Aun hoy sigue prohibida por ley la existencia de una central sindical unica en Brasil. (Rui Faco 1964:137)
Während manter-se/mantenerse in beiden Aspekten auftreten können: (61a) A porta mantinha-se/manteve-se fechada. (61b) La puerta se mantenia/se mantuvo cerrada.,
treten continuar/seguir in der genannten Perspektivierung nur im imperfektiven Aspekt auf.
4. Das Passiv der Zustandsveränderung: ficar/quedar + Partizip Wie bereits angedeutet, verfügt das Portugiesische über eine semantisch vom Vorgangsund Zustandspassiv zu unterscheidende Konstruktion mit dem Verb ficar und dem Partizip, die von Rocha Lima (71962:247) als "passiva de mudanga de estado" (= Passiv der Zustandsveränderung) bezeichnet worden ist: (62) O prddio ficou destruido pelas chamas. (Rocha Lima 1962:247)
Diese Passivkonstruktion läßt sich in einen Ableitungszusammenhang zwischen dem serPassiv und dem etfar-Passiv einordnen: (63a) As chamas destruiram o prddio. (Aktivsatz) (63b) O prodio foi destruido pelas chamas. (Vorgangspassiv) (63c) O prodio ficou destruido pelas chamas. (Passiv der Zustandsveränderung) (63d) O prddio estä destruido pelas chamas. (Zustandspassiv)
Sie setzt wie das Zustandspassiv einen das Patiens affizierenden (62) bzw. ein Produkt hervorbringenden Prozeß voraus (64):
Das Passiv im Deutschen, Portugiesischen und Spanischen
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(64) Um secretariado distrital provisorio [...] ficou constituido pelos seguintes agricultores. (Avante, 3.1.1975,4)
Das^zcar-Passiv tritt auf: (a) bei physischer Affiziertheit belebter und unbelebter Patientia: (65) Ele ficou ferido. (Said Ali 31964:177) (66) Ele ficou preso. (Almeida 351988:210) (67) A ägua ficou congelada. (Said Ali 31964:179) und
(b) besonders häufig bei psychischer Affiziertheit menschlicher Patientia: -J
(68) Ficou atormentado pelo remorso. (Cunha/Cintra 1985:373) (69) Fiquei espantado/enganado/convencido/enfadado/ zangado/ aborrecido. (Said Ali 1964:178)
Wie die Beispiele (62) und (64) zeigen, kann das Passiv der Zustandsveränderung auch mit einer Agensangabe versehen werden; die Beschränkungen dafür sind noch nicht untersucht, dürften aber denen beim Zustandspassiv analog sein. Außerdem tritt oft die Angabe einer Ursache in Form einer Adverbialbestimmung auf: (70) Antonio Balduino [...] ficou espantado com o tamanho da casa. (Amado, Jubiabä, 57)
Im Spanischen wird das portugiesische Passiv der Zustandsveränderung systematisch durch eine analoge Konstruktion mit dem Verb quedar wiedergegeben:27 (71a) Na chamada "questäo religiosa" dos anos 70 a Igreja Catolica ficaria inteiramente isolada. (Rui Faco 1960:169) (71b) En la llamada "cuestion religiosa" de los afios 70 la Iglesia Catolica iba a quedar enteramente aislada. (Rui Faco 1964 :140)
Es scheint daher gerechtfertigt, auch in die grammatische Beschreibung des Spanischen das Passiv der Zustandsveränderung als eine semantisch und syntaktisch eigenständige Passivkonstruktion aufzunehmen.
5. Passivkonstruktionen mit Dativ-Konversion 5.1. Das bekommen-Passiv In der Germanistik wird schon seit längerer Zeit (Erben 71964:43 und 200-204; Heibig 1989:221, Anm. 25) ein "bekommen-Passiv", "Adressaten-Passiv" oder "indirektes Passiv" angenommen, bei dem das Dativobjekt des Aktivsatzes als Adressat zum Subjekt(snominativ) des Passivsatzes transformiert ist: 27
Vgl. Rafael Seco (101985:191). Unser Übersetzungsvergleich ergab in 7 von 8 Fällen die Verwendung von quedar, nur in einem Fall wurde die Reflexivkonstruktion verwendet: (i) Ficou comprovado pela Comissao que [...] (Rui Faco 1960:183) (ii) Se comprobo por la Comision que [...] (Rui Faco 1964:152) Ob diese Ersetzung mit der Anwesenheit der Agensangabe, die möglicherweise bei quedar ausgeschlossen ist, zusammenhängt, bedarf noch weiterer Untersuchungen.
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Gärtner, E.
(72) Er bekommt den Puls gefühlt, die Wunde verbunden, das Auto repariert, die Wohnung tapeziert. (Heibig 1989:219)
Zwar sind nach Heibig (1989:219) die Bedingungen für die Bildung des bekommen-Passivs gegenwärtig noch unklar, doch dürften sie in der Semantik der Verben liegen. Auf jeden Fall befindet sich bekommen in dieser Konstruktion auf dem Wege der Auxiliarisierung. 5.1.1. Das portugiesische ter-Passiv Es ist nun interessant festzustellen, daß in den iberoromanischen Sprachen nur das Portugiesische eine dem deutschen befcorawerc-Passiv analoge Konstruktion mit dem Verb ter entwickelt hat, bei der der Adressat als Subjekt und das Agens als präpositionale Ergänzungsangabe realisiert werden. Das direkte Objekt wird in der topologischen Grundreihenfolge von einer perfektiven Form des Hilfsverbs ter und dem mit dem Objekt kongruierenden Partizip umschlossen: (73) O ex-vice-governador do Estado do Rio [...] teve a sua prisäo decretada, ontem, pelo juiz Ddcio Itabaiana. (Correio da Manna, 17.6.1965, 2) (74) O proprietärio do veiculo [...] deve levar a primeira via do bilhete de seguro junto com os demais documentos do carro, pois a qualquer momento poderä ser abordado pela fiscalizacäo e ter seu carro rebocado, no caso de näo estar de posse do bilhete de seguro obrigatorio. (Jornal do Brasil, 16.1.1968,4)
Unter dem Einfluß der funktionalen Satzperspektive kann das Objekt an das Satzende permutiert werden, wodurch ter und das Partizip in Kontaktstellung geraten: (75) Diante disto [...] o censor teve consolidada a sua posicäo. (Jornal do Brasil, 12.9.1961,1)
Die Flektierbarkeit des Partizips verhindert auch in dieser Anordnung die Verwechselbarkeit mit analytischen Tempusformen. Auch für diese Konstruktion sind die Bildungsrestriktionen noch nicht völlig aufgeklärt. Klar ist, daß sie semantisch dem Vorgangspassiv entspricht, da sie keinen transformativen Prozeß voraussetzt, wie unter anderem (76) zeigt: (76) Monteiro Lobato [...] dizia achar extremamente estranho que o Brasil, limitandose com paises de subsolo rico em petroleo, como o Paraguai, a Bolivia, tivesse suas fronteiras geogräficas "respeitadas" pelas rochas oleiferas. (Rui Faco 1960:101)
Eine wesentliche Bedingung für die Bildung des Adressatenpassivs im Portugiesischen scheint darin zu bestehen, daß das von dem Objekt bezeichnete Individuum bereits vor der Verbalhandlung existiert (bestimmter Artikel!) und in einer Beziehung der Zugehörigkeit zum Adressaten steht, die oft durch das Possessivum explizit bezeichnet wird: (77) Alagoas terä seu porto modernizado. (Jornal do Brasil, 14.2.68,17)
So kann der Satz (78a) Der Schüler bekommt einen Lehrsatz erklärt.
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offenbar nicht durch (78b) *O aluno tem um teorema explicado.
wiedergegeben werden. Die syntaktischen und semantischen Spezifika dieser Verwendungsweise des Verbs ter lassen es gerechtfertigt erscheinen, Konstruktionen dieser Art als adressatenbezogenes Vorgangspassiv in die grammatische Beschreibung des Portugiesischen aufzunehmen. Das Spanische hat eine solche Konstruktion nicht entwickelt.28 5.1.2. Das portugiesische ficar-com -Passiv Bezeichnet das Verb einen transformativen Prozeß, bei dem ein Patiens von der Verbalhandlung affiziert wird, so kennt das Portugiesische auch ein adressatenbezogenes Passiv der Zustandsveränderung, bei dem der Kern der Passivkonstruktion ter + direktes Objekt + Partizip durch ficar com + Objekt + Partizip ersetzt wird: (79) Romualdo Mato [...] recebeu uma pedrada no ombro, tendo ficado [...] com a roupa rasgada. (Amado, Pastores, 254)
5.2. Das haben -Passiv Schließlich führt Heibig (1989:219) das haben-Passiv an, das den Folgezustand eines durch das bekommen-Passiv bezeichneten Prozesses ausdrückt: (80) Er bekommt die Wunde verbunden. (81) Er hat die Wunde verbunden.
Bei dieser Konstruktion muß im Deutschen Homonymie mit dem Perfekt Aktiv in Kauf genommen werden. Als Bezeichnung eines Folgezustandes ist das haben-Passiv im Vergleich zum bekommen-Passiv nachzeitig: Unser Übersetzungsvergleich ergab daher die Ersetzung durch unterschiedliche Konstruktionen, deren Systematisierung keine wesentlichen Erkenntnisse ergibt: (a) die unpersönliche Aktivkonstruktion mit dem Verb in der 3. Person Plural: (i) Tiveram seu dubefechado. (Rui Faco 1960:163) (ii) Les cerraron el club. (Rui Faco 1964:135) (b) die Konstruktion ver + direktes Objekt + Partizip: (iii) Os antigos parlamentares do PC [...] tiveram cassado seu direito de candidatar-se. (Rui Faco 1960:147) (iv) Los antiguos parlamentarios del PC [...} vieron anulado su derecho de ser candidatos. (Rui Faco 1964:122) (c) Konstruktionen mit anderen Verben: (v) Todos [...] tem o grosso de seu servico telegrafico intemacional fomecido apenas par tres agendas. (Rui Faco 1960:186) (vi) Todos [...] se abastecen para elgrueso de su servido telegrafico intemacional en solo tres agendas. (Rui Faco 1964:155) (d) die passivische Reflexivkonstruktion: (vii) Os representantes comunistas no Parlamento tem seu mandato cassado. (Rui Faco 1960:245) (viii) Se cancelan los mandates de los representantes comunistas en el Parlamento. (Rui Faco) 1964:200)
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(82) Er hat die Kleidung zerrissen bekommen. (83) Er hat die Kleidung zerrissen.
Im Portugiesischen entspricht dem Aafcen-Passiv eine analoge Konstruktion mit dem Verb ter in seinen imperfektiven Formen: (84) Ele tem a roupa rasgada. (85) Ele tinha a roupa rasgada.
Die portugiesische Konstruktion unterscheidet sich aufgrund der Kongruenz des Partizips eindeutig von der Aktiv-Konstruktion im Perfekt und Plusquamperfekt: (86) Ele tem rasgado a roupa. (87) Ele tinha rasgado a roupa.
Bezeichnet das Verb einen transformativen Prozeß, so kann anstelle von ter auch trazer und - analog zaficar - auch estar com verwendet werden: (88) O Rosado trazia äs costas inteiramente tatuadas. (Amado, Jubiabä, 106) (89) Rosenda [...] estä com o vestido rasgado. (Amado, Jubiabä, 243)
5.3. Die Konstruktion tener + direktes Objekt + Partizip im Spanischen Bekanntlich gibt es auch im Spanischen Konstruktionen mit den Verben tener und traer mit direktem Objekt und kongruierendem Partizip, z.B.: (90) Tenia leidas muchas novelas semejantes. (Real Academia 1985:449) (91) Traigo escarmentados a muchos valientes como tu. (Real Academia 1985:449)
Diese Sätze sind jedoch nicht sinnvoll durch Sätze im Vorgangs- oder Zustandspassiv zu paraphrasieren; sie sind vielmehr als Aktivsätze zu verstehen, in denen den Verben tener lind traer die Funktion zukommt, die Perfektivität der Handlung zu unterstreichen. Nichtsdestoweniger lassen sich auch in spanischen Texten2^ Äußerungen dieser Art finden, in denen eine Interpretation als adressatenbezogenes Zustandspassiv naheliegt, vgl. z.B. die Äußerung (92a) Las oposiciones citadas de fonemas nasales y laterales, neutralizadas en la distension siläbica, muestran el caräcter comun de tener condicionada la realizacion fonotica por el caräcter fonico de la consonante siguiente. (Alarcos Llorach, Fonologia, 181)
die dem Aktivsatz (92b) El caräcter fonico de la consonante siguiente condiciona la realizacion fondtica [...] entspricht. 29
Im übrigen finden sich analoge Konstruktionen auch im Französischen, wo sie ebenfalls nicht als Passivkonstruktonen ausgewiesen werden: Selon un usage que prouvent d'innombrables Ipitaphes, les affranchis ont souvent leurplace rlservle [...] dans le monumentum que l'anden mailre s'estfait construire. (Jean Gag6: les classes sociales dans l'empire romain, Paris 1964:138)
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Konstruktionen dieser Art belegen, daß die Möglichkeit der Dativkonversion - zumindest im Zustandspassiv - auch im Spanischen besteht.
6. Zusammenfassung Die vorangehenden Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. In allen drei verglichenen Sprachen gibt es Passivkonstruktionen mit Akkusativkonversion und solche mit Dativkonversion. 2. Beide Konversionsarten erlauben im Deutschen ein Vorgangspassiv als Konversion des entsprechenden Aktivsatzes und ein Zustandspassiv, das den aus der Verbalhandlung des Aktiv- bzw. Vorgangspassivsatzes resultierenden Zustand bezeichnet. 3. Im Spanischen und Portugiesischen gibt es darüberhinaus ein Passiv der Zustandsveränderung, das nur bei transformativ-perfektiven Verben bildbar ist. 4. Dem deutschen wm/en-Passiv transitiver Verben entspricht im Spanischen und Portugiesischen das ser-Passiv, das mit und ohne Agensangabe verwendbar ist. 5. Im Spanischen und Portugiesischen gibt es außerdem ein reflexives Passiv, das - aus dem lateinischen Medium entstanden - ursprünglich nicht agensfähig war, im Spanischen heute bedingt, im Portugiesischen in der Gegenwartssprache nicht mehr mit Agensangaben verbindbar ist. 6. Das reflexive Passiv ist in beiden Sprachen mit unbelebten Patientia verbindbar. In Äußerungen mit belebten, insbesondere humanen Patientia ist es nur im Portugiesischen üblich; im Spanischen ist es in diesem Fall durch eine unbestimmtpersönliche, aktivische Reflexivkonstruktion ersetzt worden. 7. Dem deutschen Vorgangspassiv multivalenter intransitiver Verben in Äußerungen ohne Agensangabe entspricht im Spanischen und Portugiesischen die unbestimmtpersönliche, aktivische Reflexivkonstruktion. Äußerungen mit Agensangabe haben keine strukturell äquivalente Entsprechung. 8. Das deutsche Vorgangspassiv monovalenter intransitiver Verben hat in Äußerungen mit bestimmt-persönlichem Agens im Spanischen und Portugiesischen keine Entsprechung. Äußerungen mit unbestimmt-persönlichem Agens können durch die Reflexivkonstruktion wiedergegeben werden, die jedoch auch der deutschen Aktivkonstruktion mit unbestimmt-persönlichem Subjekt (man) entspricht. 9. Bei Verben mit transformativ-perfektiver Bedeutung kann das deutsche Vorgangspassiv auch durch das sog. Passiv der Zustandsveränderung mit den Verben ficar (port.) und quedar (span.) wiedergegeben werden. 10. Dem deutschen Zustandspassiv mit sein entsprechen im Spanischen und Portugiesischen analog strukturierte Konstruktionen mit dem Verb estar. 11. Das deutsche bleiben -Passiv kann durch analoge Konstruktionen mit den Verben mantenerse (span.) bzw. manter-se (port.) wiedergegeben werden. 12. Das deutsche £efo?mwe/i-(Vorgangs-)Passiv mit Dativkonversion hat im Portugiesischen ein Äquivalent in der Konstruktion ter + direktes Objekt + Partizip, in der nur die perfektiven Formen von ter auftreten und das Partizip mit dem Objekt kongruiert. Das Spanische verfügt über keine äquivalente Konstruktion. 13. Bei Verben mit transformativ-perfektiver Bedeutung kann im Portugiesischen mit Hilfe des Verbs ficar com ein Passiv der Zustandsveränderung mit Dativkonversion gebildet werden. 14. Dem deutschen /iafte/i-(Zustands-)Passiv entspricht im Portugiesischen die gleiche Konstruktion mit den imperfektiven Formen von ter, trazer und estar com; im
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Gärtner, E.
Spanischen kann eine analoge Konstruktion mit den imperfektiven Formen von tener gebildet werden. Literatur Ali, Manuel Said (1908; 1966): Dificuldades da lingua portuguesa. - Rio de Janeiro: Livraria Academica. - (1921; 1964): Gramätica historica da lingua portuguesa. - Säo Paulo: Melhoramentos. - (1923; 1966): Gramätica secundäria da lingua portuguesa. - Säo Paulo: Melhoramentos. Almeida, Napoleäo Mendes de (1911; ^1988): Gramätica metodica da lingua portuguesa. - Säo Paulo: Saraiva. Brandao, Cläudio (1%3): Sintaxe clässica portuguesa. - Belo Horizonte: Edicäo do autor. Cunha, Celso; Cintra, Luis F. Lindley (1985; 1985): Nova gramätica do portugues contemporäneo. - Rio de Janeiro: Nova Fronteira. Dias, Epifänio da Silva (1917; 1959): Sintaxa historica portuguesa. - Lisboa: Livraria Clässica Editora. Erben, Johannes (1958; 1964): Abriß der deutschen Grammatik. - Berlin: Akademie-Verlag. Gili y Gaya, Samuel (1943; 1961): Curso superior de sintaxis espanola. - Barcelona: Spes. Goldin, Mark G. (1968): Spanish Case an Function. - Washington: Georgetown University Press. Heibig, Gerhard (1975): Was ist ein unpersönliches Passiv? - In: Deutsch als Fremdsprache 12,271-277. Heibig, Gerhard; Buscha, Joachim (1972; ®1984): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. - Leipzig: Enzyklopädie. Heibig, Gerhard (1989): Das Passiv - und kein Ende. - In: Deutsch als Fremdsprache 12,215-221. Kuttert, Rainer; da Silva, Jaime Ferreira (1990): A diferenca sintäctica e semäntica entre duas construcöes com 'se' näo reflexivo. (unveröffentlichtes Manuskript) Lapa, Manuel Rodrigues (1945; 1959): Estilistica da lingua portuguesa. - Rio de Janeiro: Livraria Academica. Lima, Carlos Henrique da Rocha (1957; 1962): Gramätica normativa da lingua portuguesa. Curso modio. Rio de Janeiro: F. Briguiet & Cia. Pereira, Eduardo Carlos (1907; 1958): Gramätica expositiva. Curso superior. - Säo Paulo: Companhia Editora Nacional. Real Academia Espanola (Hg.)(1973; 1985): Esbozo de una nüeva gramätica de la lengua espanola. Madrid: Espasa- Calpe. Ribeiro, Ernesto Carneiro (1890; 1956): Seröes gramaticais. -Salvador: Livraria Progresso Editora. Seco, Rafael (1930; 1985): Manual de gramätica espanola. - Madrid: Aguilar.
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Sonja Jäger (Leipzig)
Infinitiv oder Gerundium? 1. Deutschen Sätzen mit einem Verb der sinnlichen Wahrnehmung als Prädikat und einer A.c.I.-Konstruktion als direktem Objekt stehen im Spanischen als mögliche Entsprechungen sowohl Sätze gegenüber, die ebenfalls eine A.c.I.-Konstruktion umfassen, als auch Sätze mit einem substantivischen oder pronominalen direkten Objekt und einem gerundialen prädikativischen Attribut zum Objekt; vgl. z.B. Juan hörte Lola singen. - Juan oyo cantor a Lola, und Juan sah die Kinder im Garten spielen. - Juan vio a los ninosjugando en eljardin. Die beiden spanischen Konstruktionen können nicht als synonym betrachtet werden. Wenn auch gelegentlich festgestellt wird, daß Konstruktionen mit einem Gerundium als prädikativischem Attribut zum direkten Objekt durch A.c.I.-Konstruktionen ersetzt werden können, wenn es sich um Sätze mit einem Verb der sinnlichen Wahrnehmung als Prädikat handelt, so gilt die Umkehrung dieser Feststellung nicht, da nicht jede entsprechende Infinitivkonstruktion durch eine Konstruktion mit einem gerundialen prädikativischen Attribut zum direkten Objekt ersetzt werden kann, wie wir später noch zeigen werden. Aber auch in den Fällen, in denen eine wechselseitige Ersetzung beider Konstruktionen möglich erscheint, geht es wohl nur um eine referentielle Synonymic unter den Bedingungen eines bestimmten sprachlichen und/oder situativen Kontextes, was bedeutet, daß auch in diesen Fällen mit beiden Konstruktionen nicht dasselbe ausgedrückt wird. Angesichts dieser Situation muß man davon ausgehen, daß Kriterien existieren, die für die Wahl der einen oder der anderen spanischen Konstruktion entscheidend sind. Diese Kriterien müssen für Spanisch lernende Deutsch-Muttersprachler möglichst explizit formuliert werden, da die deutsche Konstruktion formal keine Differenzierung ausweist und es für den Deutsch-Muttersprachler naheliegt, nach dem Muster des Deutschen in entsprechenden Fällen im Spanischen überwiegend - wenn nicht gar ausschließlich - Infinitivkonstruktionen zu verwenden. Zumindest ist damit zu rechnen, daß ein Spanisch lernender Deutsch-Muttersprachler ohne Entscheidungshilfen eine Unsicherheit bezüglich der Möglichkeit, in diesem oder jenem Fall eine Konstruktion mit einem gerundialen prädikativischen Attribut zum direkten Objekt zu wählen, empfinden wird. Da einschlägige Darstellungen zum Spanischen die aus der Sicht des Deutschen notwendige gegenseitige Abgrenzung beider Konstruktionen nicht hinreichend berücksichtigen, wollen wir in unserem Beitrag den Versuch unternehmen, einige Kriterien für eine solche Abgrenzung zusammenzustellen. Dabei werden wir uns auf syntaktische und semantische Eigenschaften der entsprechenden Konstruktionen beschränken und Gesichtspunkte, die die Üblichkeit dieser oder jener Konstruktion mit einer bestimmten lexikalischen Belegung und/oder in bestimmten Text(sort)en betreffen, unberücksichtigt lassen. Die im folgenden angeführten deutsch-spanischen Satzpaare sind somit nur als syntaktisch-strukturelle und semantische Entsprechungen zu verstehen und nicht bzw. nicht primär als Übersetzungsäquivalente. 2. Bevor wir uns der Frage zuwenden, welche Kriterien bei der Wahl der einen oder der anderen spanischen Konstruktion berücksichtigt werden müssen bzw. welche Entspre-
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Jäger, S.
chungsverhältnisse zwischen der einen deutschen Konstruktion und den beiden spanischen Konstruktionen bestehen, müssen wir als Grundlage für die weiteren Überlegungen zunächst auf das Problem eingehen, welche syntaktische Struktur diese Konstruktionen haben. Die syntaktische Struktur von Konstruktionen mit einem Gerundium, wie wir sie beispielsweise in dem Satz Juan vio a los ninos jugando en eljardin finden, ist in der linguistischen Literatur kaum strittig: a los ninos wird generell als direktes Objekt zum Prädikat vio betrachtet, und das Gerundium jugando kann zweifelsfrei als ein prädikativisches Attribut zum direkten Objekt a los ninos klassifiziert werden, d.h. als eine spezielle Art eines sekundären Prädikats, dessen Agens damit identisch ist, worauf das direkte Objekt verweist, und zu dem en el jardin als Adverbialbestimmung fungiert. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang lediglich, daß wir mit der Bestimmung des Gerundiums als prädikativisches Attribut einer vor allem in der Germanistik (vgl. z.B. Helbig/Buscha 1974) verbreiteten Unterscheidung folgen, nach der in der Valenz des Hauprverbs angelegte sekundäre Prädikate als Prädikative und nicht in der Valenz des Hauptverbs angelegte sekundäre Prädikate als prädikativische Attribute gefaßt werden. Die syntaktische Struktur von Konstruktionen mit einem Infinitiv, wie sie beispielsweise in den Sätzen Juan hörte Lola singen und Juan oyo cantar a Lola vorliegen, wird demgegenüber in der linguistischen Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. z.B. die Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten bezüglich dieser Konstruktionen im Spanischen bei de Kock 1986:226). Einerseits wird angenommen, daß der Agens des infinitivisch ausgedrückten Geschehens - in unseren Beispielsätzen also Lola - als direktes Objekt zum Hauptverb ausgedrückt wird, daß demnach die Segmente Lola im deutschen Satz und a Lola im spanischen Satz als direktes Objekt von hörte bzw. oyo fungieren und die Infinitive dann als prädikativische Attribute zu diesen Objekten zu betrachten sind. Konstruktionen mit einem Infinitiv hätten in den uns interessierenden Fällen folglich dieselbe syntaktische Struktur wie die Konstruktionen mit einem Gerundium. Andererseits wird davon ausgegangen, daß eine Infinitivkonstruktion vorliegt, d.h. eine Konstruktion, deren Kern der Infinitiv ausmacht und die weitere, dem Infinitiv subordinierte Glieder umfassen kann, so daß die Konstruktion als Ganzes das direkte Objekt des Hauptverbs darstellt. Auf unsere Beispielsätze bezogen, bedeutet diese Auffassung, daß Lola bzw. a Lola als das formal spezifisch ausgeprägte Subjekt zum Infinitiv singen bzw. cantar zu betrachten ist und die Konstruktion Lola singen bzw. cantar a Lola als Ganzes das direkte Objekt zu hörte bzw. oyo ausmacht, wobei der Infinitiv jeweils den Kern der Konstruktion bildet. Um eine Entscheidung zwischen beiden Auffassungen über die syntaktische Struktur von Konstruktionen mit Infinitiv zunächst offenzulassen, haben wir sie im Resümee und auch bisher in unserem Beitrag provisorisch A.c.I.-Konstruktionen genannt. Wir wollen diese Bezeichnung im folgenden nicht beibehalten, da sie bezüglich des Spanischen ohnehin problematisch ist und außerdem sowohl für das Spanische als auch für das Deutsche insofern irreführend ist, als damit der Kreis der zu berücksichtigenden Strukturen nicht voll erfaßt wird (s.u.). Wir wollen die fraglichen Konstruktionen als Infinitivkonstruktionen in der Funktion als direktes Objekt des Hauptverbs verstehen, womit gegeben ist, daß wir uns bezüglich der syntaktischen Struktur der Konstruktionen für die zweite der angeführten Auffassungen entscheiden, d.h. davon ausgehen, daß die uns interessierenden Sätze mit einem Infinitiv eine andere syntaktische Struktur haben als die Sätze mit einem Gerundium. Bei dieser Entscheidung gründen wir uns auf drei Argumente. Das erste beruht auf
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einem Fragetest, wie er beispielsweise in den Grundzügen einer deutschen Grammatik (1981:237) angeführt wird: Bezogen auf die beiden Beispielsätze Juan hörte Lola singen und Juan oyo cantor a Lola sind zwar die Fragesätze Was hörte Juan! und LQue oyo Juaril möglich, nicht aber die Fragesätze *Was hörte Juan Lolal und * LQue oyo Juan a Lolal Aus diesem Fragetest ergibt sich folglich als direktes Objekt zu hone bzw. oyo jeweils die Infinitivkonstruktion, d.h. Lola singen bzw. cantor a Lola. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß dieses Ergebnis mit Fragen wie Wen hone Juan singen? bzw. LA quien oyo cantor Juan! in Zweifel gezogen werden kann. Stichhaltiger erscheint uns demgegenüber ein zweites Argument, das sich auf einen Passivierungstest gründet: Ein Aktiv-Satz wie Juan hat Lola gesehen führt als Ergebnis einer Passivierung zu dem Satz Lola ist von Juan gesehen worden. Bei einem aktivischen Satz wie Juan hat Lola schreiben sehen würde eine Passivierung zu dem nicht korrekten (ungrammatischen) Gebilde führen *Lola ist von Juan schreiben gesehen worden. Aus diesem Test ergibt sich, daß der Agens des infinitivisch ausgedrückten Geschehens, also Lola, nicht das direkte Objekt zum Hauptverb sein kann. Damit ist zugleich gegeben, daß der Infinitiv in Sätzen der uns interessierenden Art nicht als prädikativisches Attribut (zum direkten Objekt) fungiert, da ein prädikativisches Attribut einer Passivierung nicht entgegensteht, vgl. z.B.: Juan hat Lola beim Schreiben gesehen. - Lola wurde von Juan beim Schreiben gesehen. Das größte Gewicht messen wir bei unserer Entscheidung über die syntaktische Struktur der Sätze mit einem Infinitiv aber einem dritten Argument bei, das in folgenden Überlegungen besteht: Wenn die fraglichen Sätze mit Infinitiv dieselbe syntaktische Struktur haben sollen wie die Sätze mit Gerundium, der Infinitiv als prädikativisches Attribut betrachtet wird, dann können wir diese Struktur nur für Sätze mit Infinitiven annehmen, bei denen auch ein direktes Objekt zum Hauptverb vorhanden ist, zu dem der Infinitiv prädikativisches Attribut sein kann. Denn ein prädikativisches Attribut zum direkten Objekt verlangt grundsätzlich das Vorhandensein eines solchen Objektes im Satz. Das bedeutet, daß spanische Sätze wie Oigo llover, d.h. Sätze mit einem Infinitiv eines agenslosen bzw. subjektlosen Verbs nicht zu demselben Typ von Konstruktionen gerechnet werden können wie beispielsweise der Salz Juan oyo cantor a Lola. Ebenso können Sätze, bei denen der Agens des infinitivisch ausgedrückten Geschehens unspezifiziert ist und durch 0 ausgedrückt wird (bei denen ein Null-Subjekt vorliegt), nicht zu demselben Typ von Konstruktionen gerechnet werden wie der Satz Juan oyo cantor a Lola. Denn in Sätzen wie Ich hörte in der Garage sprechen oder Oihablar en el garage können die Infinitive nicht als prädikativisches Attribut, sondern nur als Objekt bzw. als Kern einer Konstruktion, die als Ganzes das direkte Objekt ausmacht, aufgefaßt werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß Sätze mit einem prädikativischen Attribut in zwei Sätze zerlegt werden können, die beide die Bezugsgröße für das prädikativische Attribut enthalten. In unseren Fällen erscheint diese Bezugsgröße einmal als direktes Objekt, zum ändern als Subjekt, vgl. z.B.: Juan vio a los ninos jugando en el jardin und Juan vio a los ninos. Los ninos estaban jugando en eljardin. Für einen Satz wie Pedro oyo caer al agua las manzanas erscheint eine Zerlegung in Pedro oyo las manzanas. Las manzanas cayeron al agua höchst zweifelhaft, so daß auch die Annahme von las manzanas als direktes Objekt zu oyo und von caer als prädikativisches Attribut mehr als zweifelhaft erscheint. Das gilt natürlich auch für den entsprechenden deutschen Satz Pedro hörte die Äpfel ins Wasserfallen. Eine Zusammenfassung der Fälle, die wir mit den Beispielen Juan oyo cantor a Lola, Oigo llover, Oi hablar en el garage und Pedro oyo caer al agua las manzanas bzw. mit den
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Jäger, S.
entsprechenden deutschen Sätzen belegt haben, zu einem Typ von Konstruktionen ist nur möglich, wenn wir davon ausgehen, daß hier Infinitivkonstruktionen in der Funktion als direktes Objekt zum Hauptverb vorliegen, die sich im Grad bzw. in der Art ihrer Entfaltung unterscheiden (vgl. z.B. die stärkere Entfaltung bei Oigo a Lola cantar esa cancion en el bano coda dia a las seis), bei denen aber der Infinitiv grundsätzlich immer den Kern der Konstruktion ausmacht, so daß eine solche Konstruktion auch nur aus dem Infinitiv bestehen kann. Es sei nur noch angemerkt, daß die Zusammenfassung der genannten Fälle zu einem Konstruktionstyp wohl auch unserer sprachlichen Intuition entspricht. 3. Mit den Überlegungen zur syntaktischen Struktur der Sätze mit einer Infinitivkonstruktion als direktem Objekt haben wir implizit bereits Kriterien genannt, die für die Wahl einer Infinitivkonstruktion oder einer Konstruktion mit einem Gerundium wesentlich sind: Da die Gerundien in den uns interessierenden Fällen zweifelsfrei prädikativische Attribute sind und als solche eine Agensangabe erfordern (vgl. auch Alcina Franch/Blecua 1988:870), was mit dem grundsätzlichen Agensbezug eines Gerundiums korrespondiert, ist die Verwendung einer Konstruktion mit einem Gerundium prinzipiell nur dann möglich, wenn der Agens in Gestalt des direkten Objekts des Hauptverbs (eines Verbs der sinnlichen Wahrnehmung) genannt werden kann - in allen anderen Fällen können nur Infinitivkonstruktionen vorkommen. So stehen den deutschen Sätzen Ich höre es regnen und Ich hörte in der Garage sprechen im Spanischen nur die Sätze Oigo llover und Othablaren el garage gegenüber. Nur als Anmerkung sei darauf hingewiesen, daß von den Fällen, bei denen einer deutschen Infinitivkonstruktion im Spanischen nur eine Infinitivkonstruktion gegenübersteht, gegenwärtig lediglich diejenigen mit Bestimmtheit genannt werden können, bei denen es sich um agenslose bzw. subjektlose Verben handelt. Was die Infinitivkonstruktionen mit einem unspezifizierten Agens angeht, müssen wir offenlassen, mit welcher lexikalischen Belegung sie im Deutschen und im Spanischen möglich sind und inwieweit sich die entsprechenden Restriktionen in beiden Sprachen gleichen (vgl. z.B. *Ich höre/sehe hereinkommen. - *Oigo/Veo entrar.). 4. Mit dem angenommenen Unterschied in der syntaktischen Struktur hängt ein semantischer Unterschied zwischen Infinitivkonstruktionen und Konstruktionen mit einem Gerundium zusammen, in dem ein weiteres Kriterium für die Wahl der einen oder der anderen Konstruktion liegt. Bei den Sätzen mit einem Gerundium als prädikativischem Attribut zum direkten Objekt des Hauptverbs wird der Agens des Gerundiums zunächst als "Patiens" des Wahrnehmungsgeschehens dargestellt, zugleich aber noch näher beschrieben bzw. charakterisiert durch ein zum Wahrnehmungszeitpunkt aktuelles Geschehen, in das er als Agens involviert ist. Durch das gerundial ausgedrückte aktuelle Geschehen wird der Patiens des Wahrnehmungsgeschehens unter einem aktuellen Aspekt, in einer aktuellen Verfassung bzw. von einer aktuellen Seite gezeigt. So bedeutet der Satz Juan vio a los ninos jugando en el jardin nicht, daß Juan die Kinder überhaupt gesehen hat, sondern daß er die Kinder in einer ganz bestimmten Verfassung, sie hinsichtlich einer ganz bestimmten Seite gesehen hat, nämlich als Spielende. Diese Bedeutung kann etwa mit folgender Paraphrase erfaßt werden: 'Juan sah die Kinder, wie sie (gerade) spielten/ gerade beim Spielen waren'. Bei einer Infinitivkonstruktion als direktem Objekt zu einem Verb der sinnlichen Wahrnehmung liegt zunächst keine zweifache "Einbindung" des Agens des infinitivischen Geschehens vor. Das infinitivisch ausgedrückte Geschehen ist zwar auch ein zum
Infinitiv oder Gerundium ?
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Wahrnehmungszeitpunkt aktuelles, d.h. ablaufendes/verlaufendes Geschehen, wird aber nicht als Charakterisierung bzw. Beschreibung des Agens dargestellt. Dargestellt wird vielmehr ein Geschehen, das hinsichtlich Agens, Patiens usw. spezifiziert sein kann, aber nicht muß, so daß in einem Salz Juan vio a los ninosjugaren eljardin bezüglich der Kinder nichts anderes ausgedrückt wird, als daß sie der Agens des Geschehens "spielen" sind. Als Paraphrase zur Vedeutlichung der Bedeutung dieses Satzes könnte man etwa 'Juan sah, wie die Kinder im Garten spielten' annehmen. Eine Paraphrase der Art wie 'Juan sah, daß die Kinder im Garten spielten', die gelegentlich angeführt wird, halten wir nicht für angemessen, da do/J-Nebensätze eine bloße Faktenkonstatierung ausdrücken, während wie-Nebensätze die Vorgänglichkeit/Prozessualität ausdrücken, die den Infinitivkonstruktionen ebenso innewohnt wie den Konstruktionen mit Gerundium. Daß sich Infinitivkonstruktionen und Konstruktionen mit einem Gerundium in Verbindung mit einem Verb der sinnlichen Wahrnehmung tatsächlich darin unterscheiden, daß letztere ein Merkmal aufweisen, das als < Darstellung des Agens des Gerundiums bzw. Patiens des Wahmehmungsverbs als in einer bestimmten Verfassung befindlich > gefaßt werden kann, während mit Infinitivkonstruktionen lediglich ein Geschehen in seinem Vollzug ausgedrückt wird, läßt sich anhand von Beispielen nachweisen, die Geschehen betreffen, die mit dem genannten Merkmal nicht vereinbar sind. Wir hatten bereits Bedenken angemeldet, ob in einem Satz wie Pedro oyo caer al agua las manzanas das Segment las manzanas überhaupt als direktes Objekt zu oyo aufgefaßt werden kann, weil uns zweifelhaft erschien, ob es darum geht, daß die Äpfel gehört wurden, oder ob nicht vielmehr das Ins-Wasser-Fallen der Äpfel gehört wurde. Auch ein Vergleich der Paraphrasen 'Pedro hörte die Äpfel, wie sie ins Wasser fielen' und 'Pedro hörte, wie die Äpfel ins Wasser fielen' legt nahe, daß hier ein Geschehen vorliegt, das in seinem Vollzug wahrgenommen wurde, und nicht ein Geschehen, das eine Verfassung darstellt, in der sich ein Wahrnehmungsobjekt befindet. Die sachlichen Gegebenheiten des Geschehens "las manzanas cayeron al agua" sind mit dem Merkmal einer Konstruktion mit Gerundium nicht bzw. nur schwerlich vereinbar, so daß es nur folgerichtig erscheint, wenn dieses Geschehen in Verbindung mit einem Verb der sinnlichen Wahrnehmung als Infinitivkonstruktion ausgedrückt wird. Das aus diesen Überlegungen ableitbare Kriterium für die Wahl der spanischen Konstruktion für eine deutsche Infinitivkonstruktion kann folglich als Darstellbarkeit eines Geschehens als Beschreibung und Charakterisierung seines Agens bzw. als Darstellbarkeit des Agens eines Geschehens als Patiens des Wahmehmungsgeschehens und zugleich als in einer bestimmten Verfassung befindlich, auf die das Gerundium verweist, gefaßt werden. Ist eine solche Darstellbarkeit gegeben, kann eine Konstruktion mit einem Gerundium gewählt werden, ist eine solche Darstellbarkeit nicht gegeben, muß eine Infinitivkonstruktion gewählt werden. 5. Ein anderes Kriterium für die Wahl einer Infinitivkonstruktion oder einer Konstruktion mit einem Gerundium ergibt sich aus einer Komponente der Bedeutung des Gerundiums, auf die in der Literatur in den verschiedensten Zusammenhängen verwiesen wird und die als Ausdruck des Merkmals gefaßt werden kann (vgl. in Verbindung mit den hier interessierenden Konstruktionen z.B. Alcina Franch/Blecua 1988:870). Das heißt, ein gerundial ausgedrücktes Geschehen wird als verlaufend, ohne Anfang und/oder Ende dargestellt. Ein Infinitiv drückt dieses Merkmal nicht aus. Das Kriterium für die Wahl der einen oder der anderen uns hier interessierenden Konstruktion besteht folglich erstens in der Darstellbarkeit eines Geschehens als durativ
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Jäger, S.
und zweitens, wenn eine solche Darstellbarkeit gegeben ist, in der Absicht des Sprechers, das Merkmal auch auszudrücken. Ist ein entsprechendes Geschehen als durativ darstellbar, kann eine Konstruktion mit einem Gerundium gewählt werden, ist eine solche Darstellbarkeit nicht gegeben, d.h. ist das entsprechende Geschehen mit dem Merkmal nicht verträglich, muß eine Infinitivkonstruktion gewählt werden. So ist beispielsweise das infinitivisch ausgedrückte Geschehen in dem Satz Juan sah die Kinder im Garten spielen durchaus mit dem Merkmal verträglich, so daß eine spanische Entsprechung mit dem Gerundium möglich (ja sogar zu erwarten) ist: Juan vio a los ninos jugando en el jardin. Demgegenüber erscheint das infinitivisch ausgedrückte Geschehen in dem Satz Ich sah ihn vom Dach fallen auf den ersten Blick kaum mit dem Merkmal verträglich, da anzunehmen ist, daß man den Fall als ein ganzheitliches Geschehen bzw. in seinem Verlauf mit Anfang und/oder Ende gesehen hat oder sich mindestens der Limitiertheit dieses Geschehens bewußt ist. Es ist deshalb naheliegend, als Entsprechung des deutschen Satzes im Spanischen einen Satz mit einer Infinitivkonstruktion zu wählen: Lo vi caerdel techo. Es muß jedoch eingeräumt werden, daß auch ein spanischer Satz Lo vi cayendo del techo denkbar wäre, wofür allerdings bestimmte, bisher nicht berücksichtigte Bedingungen gegeben sein müssen: Der Satz mit dem Gerundium setzt voraus, daß das Geschehen "Er ist vom Dach gefallen" zu dem Moment, zu dem es gerundial ausgedrückt wird, schon als bekannt angenommen werden kann, schon erwähnt worden ist - anders gesagt: kontextgebunden ist und damit zum Thema des Satzes gehört. Eine solche Bedingung besteht für die Verwendung einer Konstruktion mit einem Gerundium etwa bei dem Satz Juan vio a los ninos jugando en el jardin nicht. Die obligatorische Thematizität des gerundial ausgedrückten Geschehens in einem Satz wie Lo vi cayendo del techo rückt diese Verwendung des Gerundiums aber in die Nähe von Gerundialkonstruktionen, die durch einen temporalen Nebensatz paraphrasierbar sind. So erscheint der fragliche Satz durchaus auch mit dem Satz paraphrasierbar Ich sah ihn, ah er vom Dach fiel. Eine solche Paraphrase scheint demgegenüber für einen Satz vneJuan vio a los ninos jugando en el jardin nicht angemessen zu sein, da das temporale Verhältnis zwischen vio und jugando eher mit der Paraphrase Als Juan die Kindersah, spielten sie im Garten erfaßt werden kann als mit der Paraphrase Juan sah die Kinder, als sie im Garten spielten. 6. Wir müssen an dieser Stelle unsere Überlegungen zu den Entsprechungsverhältnissen zwischen deutschen Infinitivkonstruktionen als direktem Objekt zu einem Verb der sinnlichen Wahrnehmung und einschlägigen spanischen Infinitivkonstruktionen und Konstruktionen mit einem Gerundium aus Umfangsgründen abbrechen, obwohl wir nur einige wenige Aspekte der Problematik berührt haben. Wir möchten aber noch festhalten, was wir bisher nicht explizit gesagt haben: Für die deutschen Infinitivkonstruktionen nehmen wir nicht nur dieselbe syntaktische Struktur, sondern auch dieselbe Bedeutung an wie für die spanischen Infinitivkonstruktionen. Die von den spanischen Konstruktionen mit einem Gerundium ausgedrückten Bedeutungen bleiben im Deutschen unausgedrückt, wenn man nicht auf w/e-Nebensätze der Art wie Juan sah die Kinder, wie sie im Garten spielten "ausweichen" will, die eine Beschreibung bzw. Charakterisierung des direkten Objekts des Hauptverbs ausdrücken und als prädikativische Attribute einzuordnen sind. Paraphrasierungen mit wi'e-Sätzen der genannten Art gründen sich aber nicht auf die Bedeutung einer entsprechenden deutschen Infinitiv-
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konstruktion, sondern auf eine spezielle Deutung (Verstehensweise) der Infinitivkonstruktion. Abschließend sei nur noch darauf hingewiesen, daß Kriterien für die Wahl einer Infinitivkonstruktion oder einer Konstruktion mit Gerundium auch in anderen Eigenschaften der jeweiligen Sätze zu suchen sind, mit großer Wahrscheinlichkeit im Tempus des Hauptverbs (des Verbs der sinnlichen Wahrnehmung), daß weiterhin auch Konstruktionen mit passivischen Infinitiven eingehender betrachtet werden müssen und daß für den Vergleich des Deutschen mit dem Spanischen auch andere Eigenschaften der uns hier interessierenden Konstruktionen in den Blick genommen werden müssen, beispielsweise die Repräsentation des Agens in Infinitivkonstruktionen, bei denen sowohl Agens als auch Patiens pronominal ausgedrückt werden; vgl. z.B. se lo vio cometer gegenüber einem Satz, in dem nur der Agens pronominal repräsentiert ist: la/lo vio cometer el crimen (Beispiel nach Alcina Franch/Blecua 1988:991). Nicht zuletzt erfordert ein umfassenderer Vergleich, als wir ihn hier vornehmen konnten, auch eine Berücksichtigung der Stellungsmöglichkeiten, die für gerundiale prädikativische Attribute und die abhängigen Glieder innerhalb einer Infinitivkonstruktion vor allem im Spanischen bestehen. Literatur Alcina Franch, Juan/Blecua, Josd Manuel (^1988): Gramatica espanola. - Barcelona: Editorial Ariel, S.A. Grundzüge einer deutschen Grammatik (1981). Von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Karl Erich Heidolph, Walter Flämig und Wolfgang Motsch. - Berlin: Akademie-Verlag. « Heibig, Gerhard/Buscha, Joachim (1974): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. - Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie, de Kock, ensenanza e investigacion. 2a Notas elaboradas en colaborack, Josse (1986): Gramatica espanola, ensenanza cion con R. Verdonk y C. Gomez Molina y con la participation de N. Delbecque. - Leuven: Acco.
Andrea Kamm (Leipzig)
Determinanten des Substantivs im Ubersetzungsvergleich Französisch-Deutsch. Eine Untersuchung anhand verschiedener Textsorten ··
Sowohl für das Deutsche als auch für das Französische liegen eine große Anzahl einzelsprachlicher Untersuchungen zu verschiedenen Fragestellungen im Zusammenhang mit den Determinanten des Substantivs vor. Auch in den uns hier besonders interessierenden sprachvergleichenden Arbeiten wurden mehrfach Unterschiede zwischen den beiden Sprachen in diesem Bereich thematisiert.1 Dennoch scheint für die Untersuchung und den Vergleich der Determinanten im Französischen und Deutschen neben den durch ihre Polyfunktionalität bedingten Aspekten2 insbesondere im Hinblick auf eine didaktische und praxisrelevante Umsetzung der Thematik in Lehrveranstanltungen zum Übersetzen noch ein weiterer Problemkreis von Interesse zu sein, der bisher u.E. kaum Beachtung gefunden hat und der auf eine stärkere Akzentuierung des Aspektes der Sprachverwendung bei sprachvergleichenden Untersuchungen zielt. Es handelt sich dabei um die Frage, ob Unterschiede im Gebrauch der Determinanten im Französischen und Deutschen in einen Zusammenhang mit der Textsortendifferenzierung gebracht werden können. Bevor hier zur Stützung dieser Überlegung Ergebnisse einer Pilotstudie vorgestellt werden sollen, die anhand zweier Textsorten gewonnen wurden, zunächst zu einigen Prämissen der durchgeführten Untersuchung. Trotz Unterschieden in der theoretischen Ausrichtung, der Terminologie und der Einbeziehung einzelner Formen3, erfährt sowohl in einzelsprachlichen als auch in einigen sprachvergleichenden Arbeiten zu den Determinanten das traditionelle Artikelparadigma eine Erweiterung. Die Klassifizierungen umfassen neben den für das Französische bzw. das Deutsche traditionellen Artikeln in jedem Falle auch adjektivische Possessiv-, Demonstrativ- und Indefinitformen beider Sprachen. Dabei erfolgt die Unterscheidung zwischen qualifikativen Adjektiven und Determinanten zwar mit Hilfe unterschiedlicher Instrumentarien4, sie wird aber in jedem Falle als generell gegeben dargestellt. Das Hauptkriterium für die syntaktische Abgrenzung der Klasse der Determinanten stellt für beide Sprachen im allgemeinen das Merkmal der Kommutierbarkeit mit dem Artikel als unmittelbarer Konstituente einer Nominalgruppe (Vgl. Vater 1963:38ff.) dar.
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Vgl. Malblanc (1961), Wandruszka (1969), Truffaut (1975) und (1983), Grünbeck (1976,1983), Henschelmann (1980), Blumenthal (1987). Zum Problem der Polyfunktionalität vgl.u.a. Henschelmann (1980: 186 ff); für das Deutsche Grimm (1987). Die unterschiedliche Einbeziehung betrifft in erster Linie die Numerale und verschiedene Formen der Indefinitpronomen.- Vgl. dazu u.a. Flückiger-Studer (1983: 79 ff.). 4 Vgl.u.a. Raible (1972) und Helbig/Buscha (1981)
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Kamm, A.
Für unsere Untersuchungen machten sich folgende Einschränkungen im Hinblick auf das genannte Paradigma der Determinanten notwendig. Die Untersuchungen wurden als Ubersetzungsvergleiche durchgeführt, deren Ziel darin bestand, die in diesem Paradigma recht häufigen Fälle zu erfassen, bei denen beide Sprachen zwar über gleiche Formen verfügen, in einer konkreten Übersetzung aber jeweils andere Mittel realisiert wurden. Dem Vergleich sollten also zunächst nur Formen zugrundegelegt werden, die in beiden Systemen existieren. Damit fand das Problem des französischen Teilungsartikels keine Berücksichtigung, dessen Status als Artikel bisher ohnehin umstritten ist. Unberücksichtigt blieb weiterhin der französische Nullartikel, da wir mit Henschelmann (1980) unter Berufung auf Raible (1972) davon ausgehen, daß der Nullartikel für das Französische nicht Normalität ist, sondern der Zwang zur Prädetermination mittels Artikel die "Normalität" im Französischen darstellt. Ausgehend von diesen Prämissen wurden in unseren Untersuchungen alle Transformationen erfaßt, die das folgende Paradigma der Determinanten das Französischen betrafen: - bestimmter Artikel (BA), unbestimmter Artikel (UA); - adjektivische Demonstrativpronomen; - adjektivische Possessivpronomen; - adjektivische Indefinitpronomen. Innerhalb dieses Inventars blieben weiterhin solche Transformationen unberücksichtigt, bei denen es sich in der Ausgangssprache Französisch um Verwendungen handelt, die als "servitude grammaticale" (vgl. Grünbeck 1976:2 ff.) oder als festgelegter Artikelgebrauch (vgl.Winkelmann 1978:5 ff.) beschrieben werden; analoge Erscheinungen in der Zielsprache Deutsch wurden gesondert behandelt. Zwar sind Transformationen innerhalb des o.g. Paradigmas in Arbeiten zum Sprachbzw. Übersetzungsvergleich schon für beide Übersetzungsrichtungen aufgezeigt worden, ein möglicher Zusammenhang mit der Textsortenproblematik wurde aber u.E. bisher nicht hinterfragt; die Korpora dieser Untersuchungen bilden fast ausnahmslos literarische Texte. Letztendlich verbirgt sich hinter der Formulierung Grünbecks (1976: 3ff.), der diese Art von Transformationen auf eine ihnen zugrundeliegende "option stylistique" zurückführen will, das eigentliche Problem. Wenn im Rückgriff auf Leo Spitzer (1961) nur zwei mögliche Hauptrichtungen der Interpretation von "stylistique" herausgegriffen werden, so könnte es als Ableitung von "Stilsprache" oder von "Sprachstil" stehen, also im Sinne einer individualstilistischen Interpretation des Materials verstanden werden oder im Sinne einer Interpretation, die letztlich auf Merkmale bestimmter Textsorten abzielt. Da uns der zweite Aspekt von besonderem Interesse zu sein scheint, bildete den Hintergrund unserer Untersuchungen folgerichtig die Frage, ob Übersetzungstransformationen im Paradigma der Determinanten des Substantivs in verschiedenen Textsorten Unterschiede aufweisen. Als Grundlage unserer Untersuchung diente ein ausgesprochenes Kontrastmaterial hinsichtlich der Normiertheit der Texte bzw. der Textsorten, für die die gewählten Texte stehen.
Determinanten des Substantivs...
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Es handelt sich einerseits um einen Rechtstext, d.h. um eine stark konventionalisierte Textsorte, andererseits um einen belletristischen Text von Marguerite Duras und deren Übersetzungen ins Deutsche.5 Die Analyse des Materials ergab zunächst, daß in beiden Texten Übersetzungstransformationen im gesamten Paradigma der Determinanten auftreten. Wie die folgende Übersicht ausweist, verdeutlicht bereits die rein quantitative Auswertung der Belege erhebliche Unterschiede bei den einzelnen Determinanten in beiden Texten und stützt damit die These von der Textsortenabhängigkeit der Transformationen: (1) Transformationen in % des französischen BA UA Demonstrat. Possess. juristT. 43 7 9 14 belletr.T. 42 7 33 17
Indefinit. 27 l
Die häufigste Anzahl - bei fast gleichem prozentualen Anteil - der Transformationen betraf in beiden Texten den französischen BA, d.h. er wurde im Deutschen nicht als BA wiedergegeben. Eine im wesentlichen gleiche Verteilung weisen auch die Transformationen des UA und des Possessivums auf. Erhebliche Unterschiede gab es demgegenüber bei den Demonstrative und bei den Indefinitformen. Transformationen von Indefinitformen sind im untersuchten belletristischen Korpus praktische irrelevant. Da hier nicht Raum genug ist, um auf alle Arten der Transformationen einzugehen, sollen im folgenden exemplarisch Belege zum französischen BA und zum Demonstrativum vorgestellt werden.6 Transformationen des französischen BA Der französische BA ist in beiden Texten quantitativ zunächst in gleichem Maße von Transformationen betroffen.7 Wie die nachstehende Übersicht zeigt, weichen die in der Zielsprache Deutsch in beiden Korpora verwendeten Formen allerdings erheblich voneinander ab. (2) Transformationen in % des französischen BA zu deutschem NA UA Demonstrat. Possess. Indefinit. juristT. 82 6 7 3 2 belletr.T. 30 15 11 44
Constitution de reorganisation mondiale de la Santo. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation.(Übersetzung). -In: Gesetzblatt der DDR Teil II Nr.14 (1974) Berlin. Duras, Marguerite: L'amant. Paris: Minuit 1984. / Duras, Marguerite: Der Liebhaber. (Übers. Ilma Rakusa).Berlin 1990: Volk und Welt. * Zur Darstellung von Transformationen im Rechtstext vgl. auch Kamm (1989). Wir gehen mit Helbig/Buscha (1981) davon aus, daß es im Deutschen keinen Plural des UA gibt, sondern dafür der NA im Plural als Ersatzform fungiert. Die Transformationen zum UA betreffen also nur Singularformen.
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Französischer
Kamm, A.
- deutsches Demonstrativum
Im Rechtstext erfolgten alle Transformationen des französischen BA zu dem deutschen Demonstrativum "derjenige": (3) L'Assemblde de la santi choisit...les Etats appelos ä dosigner un dolegud au Conseil. Die Gesundheitsversammlung wählt...diejenigen Mitgliedsstaaten, die berechtigt sind, einen Vertreter für den Rat zu entsenden. (W2)
Da das deutsche Demonstrativum "derjenige" grundsätzlich an das Auftreten eines Relativsatzes gebunden ist, tritt dieser Transformationstyp nur im Zusammenhang mit diesem syntaktischen Konstruktionstyp auf. Die semantische Funktion des BA im Französischen, die in der Einleitung der Identifizierung der Nominalgruppe durch nachfolgenden Relativsatz oder Partizipialkonstruktion besteht, wird im Deutschen durch das als Verstärker des BA fungierende Demonstrativum übernommen. Im belletristischen Text steht das Auftreten des Demonstrativums im Deutschen in keinem Beleg im Zusammenhang mit einem bestimmten syntaktischen Konstruktionstyp. In einer Gruppe von Belegen ist es immer dann zu finden, wenn im unmittelbaren Satzkontext in der Quellensprache andere demonstrative Formen Verwendung fanden und in der Übersetzung eine Verschiebung der Demonstrativa auftritt: (4) Dans la platitude ä perte de vue, ces fleuves, ils vont vite, ils versent comme si la terre penchait. In diesem unabsehbaren Flachland strömen die Flüsse rasch, sie schießen dahin, als wäre die Erde abschüssig. (17/17)
Bei einer zweiten Gruppe von Belegen wurde mit deutschem Demonstrativum übersetzt, wenn es sich zwar um Ersterwähnungen des Lexems im Gesamtkontext handelte, das entsprechende Referenzobjekt im Vortext aber inhaltlich bereits eingeführt war: (5) II fait sombre dans le studio, eile ne demande pas qu'ü ouvre les persiennes. Es ist dunkel in diesem Raum, sie bittet nicht, die Jalousien hochzuziehen. (47/53)
Französischer BA - deutsches Possessivum Im untersuchten Rechtstext sind Transformationen des französischen BA zu deutschem Possessivum von ihrer Anzahl her praktisch irrelevant. Sie sind gebunden an syntaktische Konstruktionen der Zielsprache, bei denen der Bezug innerhalb des Satzes durch ein Possessivum verdeutlicht werden muß: (6) ...des conditions relatives ä la publicitd et ä la designation des produits biologiques, pharmaceutiques et similaires qui se trouvent dans le commerce international. ...zur Werbung für biologische, pharmazeutische und ähnliche Erzeugnisse und deren Beschriftung im internationalen Handelsverkehr. (W 86)
Determinanten des Substantivs...
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Für den belletristischen Text stellt die Transformation des französischen BA zu deutschem Possessivum mit 44 % die häufigste Transformation dar. Dennoch sind Bindungen an syntaktische Strukturen und die damit verbundene Verwendung von "deren" - wie sie für den Rechtstext eben aufgezeigt wurden - nur selten belegt: (7) Je l'ai vu gagner mes traits un ä un, changer le rapport qu'il y avait entre eux,... Ich sah, wie es einen Gesichtszug nach dem anderen erfaßte, wie es deren Beziehung untereinander veränderte,... (10/8)
Bei der übergroßen Mehrheit aller Belege steht das Possessivum im Deutschen vor Körperteilbezeichnungen, Bezeichnungen von Verwandtschaftsverhältnissen, Charakter- oder Körpereigenschaften und Bezeichnungen von Besitztümern (vgl. Grünbeck 1976: 222 ff.). (8) Lcs rencontres avec la famille ont commencd avec les grands repas äCholen. Die Begegnungen mit meiner Familie begannen mit großartigen Essen in Cholen.(63/73)
Französischer BA - deutscher NA Bei dieser Art der Transformationen,die in den beiden untersuchten Materialien von ihrer Häufigkeit her völlig unterschiedlich vertreten ist, bietet es sich bei dem vorausgesetzten Verständnis des NA an, bei der Analyse zwischen dem Auftreten bei Substantiven im Singular und Substantiven im Plural zu unterscheiden. Im Rechtstext finden wir die Transformationen des französischen BA im Singular zu deutschem NA fast ausschließlich bei Abstrakta. Dabei handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um generalisierende sprachliche Äußerungen oder um Generalisierungen nahekommende sprachliche Äußerungen, bei denen im Deutschen BA und NA auftreten können, in dem hier untersuchten Text aber vorrangig der NA gewählt wurde: (9) La santi est un dtat de complet bien-etre physique... Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen...Wohlbefindens...(255/242)
Auch im belletristischen Text treten Transformationen des französischen BA im Singular zu deutschem NA ausschließlich bei Abstrakta auf. Dabei sind zwei Gruppen von Belegen zu unterscheiden. Einerseits handelt es sich um Belege, bei denen im Deutschen zwar der NA auftritt, eine Verwendung des B A aber möglich wäre: (10) ...c'est apres l'abandon de la concession, deux ou trois ans apres... ...es ist nach Aufgabe der Konzession, zwei oder drei Jahre später... (36/40)
Bei einer anderen Gruppe von Belegen findet der deutsche NA in Aufzählungen von Abstrakta Verwendung.
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Kamm, A.
Eine weitere Gruppe umfaßt solche Belege, bei denen gleichzeitig ein Numeruswechsel vom Plural im Französischen zum Singular im Deutschen vollzogen wird: (11) Autour d'elle c'est les deserts... Um sie ist Ödnis... (33/36)
Die Transformationen des französischen BA zum NA im Deutschen im Zusammenhang mit Substantiven im Plural sind nicht an bestimmte semantische Unterklassen der Substantive gebunden. In der Mehrzahl der Belege in beiden Texten findet der deutsche NA dort Verwendung, wo er nach Grimm (1987: 132ff.) im Plural Ersatzform für den UA ist, d.h. bei Substantiven im Plural bei der Nennung einer unbestimmten Teilmenge aller durch das Substantiv benennbaren Gegenstände, ohne daß diese eindeutig identifiziert werden können oder sollen: (12) ...ces grandes voies...sillonn6es par les tramways, les pousse-pousse, les cars. ...diese großen Straßen...durchfurcht von Straßenbahnen, Rikschas, Bussen. (47/53)
Der Rechtstext weist hier im Unterschied zum belletristischen Text die Besonderheit auf, daß mehrfach Belege auftreten, bei denen trotz Identifizierung der Nomina mit verschiedenen Mitteln (lexikalisch, syntaktisch, Präkontext), die im Deutschen in der Regel die Verwendung des BA bewirkt, der NA auftritt: (13) ... que les principes suivants sont ä la base du bonheur des peuples,... ..., daß das Glück.,.aller Völker auf folgenden Grundsätzen beruhen... (255/242)
Im belletristischen Text ist diese Erscheinung demgegenüber nur selten belegt. Diese in aller Kürze kommentierten Auszüge aus unseren Belegen verdeutlichen für die Transformationen des französischen BA, der prozentual in beiden Textsorten zunächst gleichermaßen häufig betroffen war, wesentliche Unterschiede in der Verwendung sprachlicher Mittel in der Zielsprache. Transformationen des französischen Demonstrativums Die Transformationen des französischen Demonstrativums weisen beim Vergleich beider Korpora nicht nur deutliche Unterschiede in der quantitativen Häufung, sondern auch in der Funktion auf. So treten im Rechtstext die von Transformationen betroffenen Demonstrativa in primär anaphorischer Funktion auf, d.h. sie dienen der Verdeutlichung von Verweisen im Text, sie gehören zur Textdeixis. Im Deutschen wird diese textdeiktische Funktion mit Hilfe von Possessivformen, mit NA und am häufigsten mit BA wiedergegeben:
Determinanten des Substantivs...
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(14) Le doveloppement sain de l'enfant est d'une importance fundamentale; l'aptitude de vivre en harmonic avec un milieu en pleine transformation est essentielle ä ce deVeloppement. Die gesunde Entwicklung der Kinder ist von grundlegender Bedeutung; Voraussetzung für ihre gesunde Entwicklung ist die Fähigkeit, in einer sich verändernden Gesamtumwelt in Harmonie zu leben. (255/242) (15) Les territoires ou groupes de territoires d'une rogion... ont le droit d'etre reprdsentos ä ces comitös regionaux...
Territorien oder Gruppen von Territorien einer Region ...haben das Recht, in denRegionalkomitees vertreten zu sein...(259/247)
Demgegenüber sind im belletristischen Text Transformationen des französischen Demonstrativums keinesfalls nur bei anaphorischer textdeiktischer Funktion zu belegen. Hier ist allerdings bei den einzelnen sprachlichen Mitteln des Deutschen zu differenzieren. So sind fast ausnahmslos alle Transformationen, bei denen im Deutschen ein Possessivum Verwendung fand, an eine textdeiktische anaphorische Funktion gebunden: (16) Et que de cela la more ne doit rien apprendre, ni les freres, eile le sait aussi cejour-lä...elle l'a su, eile est ä l'dcart de cette famille pour la premiere fois et pour toujours. ...zum ersten Mal und für immer steht sie abseits von ihrer Familie... (46/52)
Ganz selten tritt im Zusammenhang mit weiteren syntaktischen Veränderungen auch kataphorische Funktion des deutschen Possessivums auf: (17) Elle doit trouver que c'est un signe reconfortant cette imagination de la petite, d'inventer de s'habiller de cette facon. So hält sie wohl die Phantasie der Kleinen, ihre erfinderische Art sich zu kleiden, für etwas Tröstüches. (33/36)
Die Situation ist anders bei den Fällen, in denen im Deutschen der BA Verwendung findet. Es lassen sich zunächst eine große Anzahl von Belegen beibringen, die für eine anaphorische Verweisfunktion im Text stehen: (18) Je porte une robe de soie naturelle, eile est usöe, presque transparente...Cette robe est sans manches,... Ich trage ein Kleid aus Rohseide, es ist abgenutzt, beinahe durchsichtig—Das Kleid ist ärmellos. (18/18)
Es lassen sich aber im Vergleich zum Rechtstext deutlich mehr Fälle nachweisen, bei denen französisches Demonstrativum und deutscher BA in kataphorischer Funktion verwendet werden: (19) J'ai eu cette chance d'avoir une more dosesperde d'un dosespoir si pur que meme le bonheur de la vie...
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Kamm, A. Ich bin in der glücklichen Lage gewesen, eine Mutter zu haben, die an einer so reinen Verzweiflung litt, daß selbst die lebhafteste Freude... (22/22)
Auffallend an dem von uns untersuchten belletristischen Text ist aber noch die Verwendung des französischen Demonstrativums bzw. des deutschen BA in anaphorischer Funktion, wobei hier kein Verweis auf den unmittelbaren Vortext, sondern auf eine grundsätzlich bekannte Vorinformation oder auf eine Vorinformation erfolgte, die weit entfernt stand (vgl. Weinrich 1982: 263 ff.). Diese Verwendungsweisen waren im juristischen Text nicht zu belegen. (20) II connait ce frere ... Er kennt den älteren Bruder... (43/49)
Die voranstehende kurze Darstellung einiger Ergebnisse unserer empirischen Untersuchung hat durchaus Anhaltspunkte dafür ergeben, daß Übersetzungstransformationen im Bereich der Determinanten des Substantivs beim Vergleich zweier verschiedener Textsorten Unterschiede aufweisen. Diese Unterschiede sind zunächst quantitativer Art, d.h. es gibt unterschiedliche Vorkommenshäufigkeiten der einzelnen Transformationen in den untersuchten Textsorten. Um die von uns aufgezeigten Unterschiede zu verifizieren, bedürfte es natürlich einer Erweiterung des Korpus, die von uns ermittelten Verteilungen geben aber einerseits Hinweise auf absolute Häufigkeiten bestimmter Transformationen unabhängig von der untersuchten Textsorte - eine Information, die für die Unterrichtspraxis nicht unerheblich ist. Die Zahlen verweisen außerdem auf möglicherweise relevante (und damit signifikante) Unterschiede in der Häufigkeit der Transformationen in Abhängigkeit von der Textsorte. Auch das ist eine Aussage, die bei weiterführenden Untersuchungen, z.B. auch an Paralleltexten, behilflich sein kann. Die vorsichtige Interpretation der quantitativen Ergebnisse soll begleitet sein von einigen Überlegungen zur inhaltlichen Seite. Die Transformationen des französischen BA bei Substantiven im Singular waren im Rechtstext in der Mehrzahl der Fälle gebunden an Generalisierungen bzw. generalisierende Kontexte, d.h. sie traten vorwiegend in Teiltexten mit definitorischem Charakter auf. Diese Art der Transformation war im belletristischen Text nicht nachweisbar, die Vorkommenshäufigkeit definitorischer Kontexte dürfte in einem belletristischen Text naturgemäß geringer sein als in einem Rechtstext. Bei den Demonstrativa war auffallend, daß unabhängig von den Mitteln der Zielsprache Transformationen im Rechtstext nur im Rahmen der anaphorischen Textdeixis auftraten, bei Transformationen des französischen Demonstrativums im belletristischen Text demgegenüber in hohem Maße die Demonstrativa in kataphorischer Funktion betroffen waren. Auch die Transformation des französischen Demonstrativums bei anaphorischer Verweisfunktion auf weit entfernte Teile der Vorinformation fehlte im juristischen Text. Während ein Rechtstext in seinen Bezügen absolut eindeutig zu sein hat, kann es im belletristischen Text durchaus intendierte Nichteindeutigkeit geben. Sowohl Eindeutigkeit als auch Nichteindeutigkeit sind aber im Vergleich Original - Übersetzung in beiden Sprachen in spezifischer Weise unterschiedlich realisiert worden.
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Textsortenabhängigkeit von Übersetzungstransformationen könnte folglich einerseits dort bestehen, wo aufgrund der Textsorte bestimmte Arten von Teiltexten zu erwarten sind (Beispiel: generalisierende Äußerungen), die bei den Determinanten des Substantivs bestimmte Transformationen wahrscheinlich machen. Eine andere Art von Textsortenabhängigkeit der untersuchten Transformationen besteht darin, daß für die Textsorte relevante intendierte Vertextungsstrategien (Beispiel: Eindeutigkeit vs. Nichteindeutigkeit) bei der Übersetzung in spezifischer Weise transformiert werden.
Literatur Blumenthal, Peter (1987): Sprachvergleich Deutsch-Französisch. Tübingen: Niemeyer (= Romanistische Arbeitshefte 29). Flückiger-Studer, Therese (1983): Qualifikation in natürlichen Sprachen. Zur Semantik und Syntax französischer und deutscher Beschreibungen. Tübingen: Niemeyer. Grimm, Hans-Jürgen (1987): Lexikon zum Artikelgebrauch. Leipzig: Enzyklopädie. Grünbeck, Bernhard (1976): Moderne deutsch-französische Stilistik auf der Basis des Übersetzungsvergleichs. Teil I. Heidelberg: Carl Winter. - (1983): Moderne deutsch-französische Stilistik auf der Basis des Übersetzungsvergleiches. Teil II. Heidelberg: Carl Winter. Heibig, Gerhard/ Joachim Buscha (1981): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Leipzig: Enzyklopädie. Henschelmann, Käthe (1980): Technik des Übersetzens. Französisch-Deutsch. Heidelberg: Quelle & Meyer. Kamm, Andrea (1989): Transformationen im Paradigma der Determinanten des Substantivs bei der Übersetzung französischer Rechtstexte ins Deutsche, in: Wiss. Zeitschrift der Karl-Marx-Univ. Leipzig, Ges.wiss. Reihe, 38/1,72-76. Malblanc, Alfred (1961): Stylistique comparoe du francais et de l'allemand. Stuttgart: Klett. Raible, Wolfgang (1972): Satz und Text. Untersuchungen zu vier romanischen Sprachen. Tübingen: Niemeyer. 2 Spitzer, Leo (1961): Stilstudien.I.Sprachstile.II.Stilsprachen. München. c Truffaut, Louis (1975): Grundprobleme der deutsch-französischen Übersetzung. München 1975: Hueber. - (1983): Problemes linguistiques de traduction. Allemand-francais. München: Hueber. Vater, Heinz (1963): Das System der Artikelformen im gegenwärtigen Deutsch. Tübingen: Niemeyer. Wandruszka, Mario (1969): Sprachen - vergleichbar und unvergleichbar. München: Piper 1969. Weinrich, Harald (1982): Textgrammatik der französischen Sprache. Stuttgart: Klett. Winkelmann, Otto (1978): Artikelwahl, Referenz und Textkonstitution in der französischen Sprache. Frankfurt/M.: Haag und Herchen.
Herwig Krenn (Bochum)
Die romanischen Super-Pro-Formen en (frz.) und ne (ital.) und ihre deutschen Entsprechungen Super-Pro-Formen in einigen romanischen Sprachen Nur zwei der großen romanischen Staatssprachen, das Französische und das Italienische, besitzen Pro-Formen, die in ihrer Ersetzungsleistung wesentlich über das hinausgehen, was Pro-Formen im üblichen Sinn leisten. Gemeint sind mit diesen Pro-Formen die sogenannten Pronominaladverbien (adverbes pronominaux/particelle awerbiali), deren blasse Bezeichnung in keinerlei Weise auf ihre syntaktische Außergewöhnlichkeit verweist. Um die großartige "Erfindung" der beiden Sprachen gebührend hervorzuheben, möchte ich die Formen en und ne als Super-Pro-Formen bezeichnen. Diese Bezeichnung verdienen natürlich auch das französische y und das italienische ci und vi.2 Der Terminus Super-Pro-Form soll aufzeigen, daß die damit etikettierten Formen mehr zu leisten imstande sind als die anderen Pro-Formen, deren Hauptvertreter die Personalpronomina sind. Mit Hilfe einer Super-Pro-Form lassen sich Präpositioncdphrasen ersetzen, während das Wirkungsgebiet für andere Pro-Formen wie Pronomina auf die Nominalphrase beschränkt ist. Stellvertreter-Formen für Präpositionalphrasen (= Pro-PP) kennen beispielsweise das Spanische, Portugiesische und Rumänische nicht. Das Deutsche nimmt eine Art Zwischenstellung ein hinsichtlich seines Pro-FormenInventars beziehungsweise hinsichtlich seiner Möglichkeiten, bestimmte Abfolgen von sprachlichen Elementen zu ersetzen. Mit seinen da-Wörtern schafft es das Deutsche zwar, jede beliebige mehrelementige Präpositionalphrase durch eine einzige Form zu repräsentieren, aber die Beseitigung der Präposition gelingt ihm nicht. Die Präposition taucht, oft etwas versteckt, als Postposition des jeweiligen da-Wortes auf (damit, dazu, davon usw.). Der Vorgang erinnert an Sprachen wie das Ungarische, die nur Postpositionen kennen. Zu einer noch besseren Einschätzung der Großartigkeit der Super-Pro-Formen en und ne gelangt man, wenn das Pro-Formen-Inventar des Lateinischen zum Vergleich herangezogen wird. Bei einem solchen Vergleich ist zunächst festzuhalten, daß das Lateinische gegenüber den romanischen Sprachen große Lücken aufweist: das Lateinische besitzt beispielsweise nicht einmal ein Personalpronomen der dritten Person, das aus den modernen Sprachen nicht wegzudenken ist. Entgegen der gängigen Meinung habe ich in Krenn (1989b) zu beweisen versucht, daß von einer solchen Lücke im lateinischen Pronominalsystem auszugehen ist. Dem Lateinischen fehlen ferner das Pro-S, die Pro-Verben, das Pro-Adjektiv und die Pro-Antwortsatz-Formen ja/nein, um nur die
Nach Lausberg (1972:140) wird das lateinische inde auch im Engadinischen als and und im Provenzalischen und Katalanischen als en oder ne fortgeführt, wo es "syntaktisch-satzphonetisch den nichthaupttonigen Personalpronomina gleichgestellt" als Pro-Form fungiert. Für das Engadinische bringt Lausberg das Beispiel: Eau and vuless cumprer duos meters. Was hier über en und ne als Super-Pro-Formen gesagt wird, gilt durchwegs auch für frz. y und ital. ci/vi. Aus Raum- und Zeitgründen kann jedoch auf diese Formen hier nicht näher eingegangen werden.
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Krenn, H.
wichtigsten Pro-Formen aufzuzählen.3 Alle romanischen Sprachen haben diese syntaktischen Lücken aufgefüllt und sich entsprechende Pro-Formen-Systeme geschaffen. Aus diesem Grund gehört die Schaffung der verschiedenen Pro-Formen-Systeme sicherlich zu den größten Wandelphänomenen auf dem Weg der Entwicklung vom Lateinischen zu den romanischen Sprachen. Einige Sprachen sind noch weiter gegangen und haben sich sogar Pro-Formen zugelegt, die bestimmte Präpositionalphrasen repräsentieren können. Auf das Französische und Italienische bezogen, handelt es sich im Zusammenhang von en und ne um Präpositionalphrasen, die durch die Präposition de bzw. di/da eingeleitet werden. In herkömmlichen grammatischen Beschreibungen tauchen en und ne ganz unvermittelt - ähnlich wie voila und ecco - bei der Deskription der Personal-pronomen-Grammatik auf, nur weil sie ähnlich wie die unbetonten Formen des Personalpronomens beim Verb angeordnet werden und weil sie bei der pronominalen Sequenzenbildung mitbeteiligt sind. Durch diese Vereinnahmung in der Personal-pronomen-Grammatik gerät die Großartigkeit dieser französisch-italienischen Neuschöpfung in Vergessenheit bzw. wird erst gar nicht bewußt. Lat. inde als Ausgangspunkt Über die Herkunft von en bzw. ne aus dem lateinischen inde, das seinerseits auf *is-de (mit Adverbialendung) zurückgeführt wird, bestehen offenbar keine Zweifel.4 Nicht nur der lautgeschichtliche Weg von inde zu en bzw. ne scheint klar vorgezeichnet. Auch die Verwendung von inde im klassischen Latein zeigt viele Ähnlichkeiten mit der Verwendung von en bzw. ne im heutigen Französisch bzw. Italienisch; besonders wenn es sich um die "lokale Verwendung" von en und ne handelt. Z.B.j'en sors/ne esco. Unter diesem Gesichtspunkt ist übrigens nicht zu verstehen, warum nicht auch Sprachen wie Spanisch oder Portugiesisch inde als Pro-Form weitergeführt und weiterentwickelt haben. Gewiß gab es im klassischen Latein für den Pro-Form-Einsatz von inde noch eine nicht unbedeutende Sperre. Menge (1960:531) nennt, wie mir scheint, die wahre Ursache für die Pro-Formen-Sperre von inde. Nach Menge legt inde im klassischen Latein die eigentliche lokale Bedeutung Von hier, hieraus' nicht ab. Es ist dies die immer zuerst für inde angeführte Grundbedeutung im Sinne von ex eo loco, illinc oder istinc. Ich meine übrigens ein Beispiel bei Cornelius NEPOS gefunden zu haben, das die Schwierigkeit mit der nie abgelegten lokalen Bedeutung (= "zur Bezeichnung der Bewegung von einem Ort her" (Georges)) sehr deutlich aufzeigt. Das Beispiel steht ganz am Anfang der Vita des ATTICUS und lautet: ...Marium hostem iudicatum iuvit opibus suis, cuius fugam pecunia sublevavit, ac ne illa peregrinatio detrimentum aliquod afferret rei familiari, eodem magnam partem fortunarum traiecit suarum,... Aber damit seine Übersiedlung ins Ausland nicht irgendwelchen Schaden für sein Hausvermögen nach sich zöge, verbrachte er nach Athen einen großen Teil seiner Geldmittel. •y
Als Pro-S fungiert im Französischen le, im Italienischen lo; als Pro-Verben faire bzw. fare; als Pro-Adjektiv fungiert ebenfalls le bzw. lo: z.B. Tu es riche. Moi, je le suis aussi. Tu sei ricco. lo lo sono pure. In den anderen romanischen Sprachen sind die hier genannten Pro-Formen ebenfalls vorhanden. 4 Vergleiche hierzu Georges (1885) und Tucker (1976).
Die romanischen Super-Pro-Formen...
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Zum Glück, möchte man sagen, besitzt das Lateinische ein Synonym für res familiaris in der Form des Pluralwortes fortunae. Nach magnam partem noch einmal rei familiaris bis auf einen Laut( =s) wortwörtlich zu wiederholen, wäre NEPOS zwar grundsätzlich möglich. Diese Wiederholung nach nur drei interkalierten Wörtern wäre jedoch zweifellos schwerfällig und nicht gerade als euphonisch zu bewerten. Wie schön haben es da die beiden romanischen Sprachen mit ihrer Super-Pro-Form en bzw. ne\ Sie zeigen uns deutlich an, daß es zu irgendeiner Zeit einmal die Formulierungsmöglichkeit magnam partem inde traiedt gegeben haben muß. Der Dichter OVID täte sich schon leichter im sprachlichen Umgang mit dem Problem des NEPOS: in den Metamorphosen VI, 645 exerziert er uns vor, wie man inde direkt hinter pars als Super-Pro-Form für membrorum(=ex ülis) verwenden kann: Vivaque adhuc, animaeque aliquid retinentis membra Dilaniant, pars inde cavis exsultat aenis; Und sie zerreiben die Glieder, die zuckend immer noch etwas Leben enthielten. Es wallt ein Teil in ehernem Kessel.
Zur Zeit von OVID war es also nur der "dichterischen Freiheit" gestattet, die Form inde ohne jede lokale Bedeutungsnuance zu verwenden. Merguets Handlexikon zu Cicero, Georges und Heinichens Schulwörterbuch zeigen in ihrer Vorkommenssammlung zu inde den semantischen Entwicklungsweg von inde von der ursprünglich lokalen zur temporalen und schließlich kausalen Verwendung auf. Zu einer völligen Befreiung von der lokalen Bedeutung kam es aber im klassischen Latein nicht mehr. OVIDs alokalistischer Gebrauch von inde nimmt zwar die spätere Entwicklung in einzelnen romanischen Sprachen vorweg, stellt aber einen zu seiner Zeit noch nicht allgemein akzeptierten Sprachgebrauch dar.5
Drei weitere OVID-Beispiele zum Gebrauch von inde im Sinne von ex illis sind (zitiert nach Dillenbeck (1850)): Metamorphosen 1,626 - Centum luminibus cinctum caput Argus habebat. Inde suis viribus capiebant bina quietem. - Hundert Augen umkränzten das Haupt, das Argus gehörte. So kann abgelöst, je ein Paar der Ruhe genießen. Metamorphosen IX,221 - utquefentnt imbres gelidis concrescere vena's, inde nives fieri... - Und, wie man sagt, daß Regen im kalten Wind sich verdichtet, daß dann Schnee aus ihm wird.... Metamorphosen XIII.829 - Lac mihi semper adest niveum;pars inde bibenda servatur, partem liquefacta coagula durant. - Schneeweiße Milch fehlt nie bei mir; Zum Trinken bewahr' ich einen, den anderen Teil macht flüssiges Lab mir gerinnen. (Übersetzung nach Heimeran-Ausgabe der Metamorphosen, München 1952)
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Krenn, H.
Die deutschen Entsprechungen der Super-Pro-Formen Bevor ich versuche, eine Zusammenstellung der Entsprechungsmöglichkeiten im Deutschen vorzulegen, möchte ich einen Blick in unsere Grammatiken für Deutschsprachige werfen und danach fragen, inwieweit sich diese zur Frage der Entsprechungen im Deutschen äußern. Da es sich bei den Super-Pro-Formen en und ne um ein syntaktisches Phänomen handelt, das dem Deutschen und sogar der Mehrheit der romanischen Sprachen unbekannt ist, müßte man eigentlich annehmen, daß in einer grammatischen Beschreibung des Französischen oder Italienischen zur Frage der jeweiligen deutschen Entsprechung eingehend Stellung genommen wird. Noch dazu im Zusammenhang eines Phänomens, das - wie ich zeigen werde - etwa ein Dutzend möglicher Entsprechungen im Deutschen hat. Nach Einsichtnahme in ein paar gängige Grammatiken des Französischen und Italienischen muß man mit Enttäuschung feststellen, daß die Frage der Entsprechung von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - so gut wie keinen Autor, selbst der neuesten Grammatiken, interessiert. Statt an die Ausgangslage deutschsprachiger Grammatikbenutzer zu denken, ergehen sich die einzelnen Autoren lieber in gelehrigen und allgemein-grammatischen Äußerungen. Zunächst zu einigen Französisch-Grammatiken, die für Deutschsprachige verfaßt wurden: (1) Haas/Tanc, Französische Grammatik, Frankfurt, Berlin, München 1979: 80-81, interessieren sich in erster Linie für die diversen Funktionen von en: "En kann die Funktion eines Attributs des Substantivs haben (mit den Bedeutungsnuancen der Ursache, des Besitzes, der Herkunft, der Art und Weise usw.). Im Deutschen wird es meistens mit einem Possessivpronomen wiedergegeben." Solche aus nicht übersetzten Beispielen herausinterpretierten Allgemein-Aussagen sind meines Erachtens für den Grammatikbenutzer und Lerner des Französischen nutzlos. Ganz davon abgesehen, daß der Hinweis auf das deutsche Possessivpronomen falsch ist. Es handelt sich bei dem auf französisch paraphrasierten Beispiel (= son fonctionnement) um ein possessives Adjektiv und nicht um ein Possessivpronomen, wie man aus jeder französischen Schulgrammatik (aus Frankreich) erfahren könnte. Haas und Tanc bringen nur wenige Beispiele. Sie übersetzen kein einziges Beispiel, paraphrasieren diese nur auf französisch. Nur beim en "mit partitivem Sinn" entschlüpft ihnen der Hinweis auf das deutsche davon als Entsprechung, das jedoch "oft unübersetzt bleibt". Wie die meisten anderen Grammatiken übersetzen Haas und Tanc dann doch zwölf "Ausdrücke" ins Deutsche; wahrscheinlich deshalb, weil hier die ohnedies nutzlose Grammatik- und Funktionsanalyse für en-Vorkommen nicht mehr funktioniert. Im Schlußsatz zu diesem Kapitel gestehen die beiden Autoren dies auch ein: "En und y kommen in einer Anzahl von Ausdrücken vor, in denen man ihre grammatische Funktion nicht mehr analysieren kann." (81). (2) Kreuzberg-Scheffbuch, Französische Sprachlehre, Frankfurt etc. 1969 (4. Aufl., 131 und 135-138): Zu en bringt man ganze vier Beispiele; kein einziges davon wird übersetzt, nicht
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einmal das Beispiel für en "im partitiven Sinn". Stattdessen erklärt man wörtlich (136): "Wiedergabe im Deutschen meist unmöglich". Dabei wird übersehen, daß es nicht um die wortwörtliche Wiedergabe im Deutschen geht, sondern vielmehr um die Frage der Entsprechungsmöglichkeiten. Bei Kreuzberg-Scheffbuch werden nur vier Beispiele "vielgebrauchter Wendungen" mit en ins Deutsche übersetzt. Zu den anderen e/i-Beispielsätzen geben Kreuzberg-Scheffbuch nur allgemeine Grammatikkommentare ab. (3) Klein/Kleineidam, Grammatik des heutigen Französisch, Stuttgart 1983. Diese Grammatik, die sich im Vorwort als "moderner Nachfolger" der Französischen Sprachlehre von Klein-Strohmeyer versteht, überbietet alle anderen Französisch-Grammatiken an allgemeingrammatischer Gelehrsamkeit. Dies äußert sich schon in den ambitiösen Überschriften: - Die Funktion von en undy im Satz und Text - Partitives en - En ohne weiteren Mengenausdruck - En in Verbindung mit einem Mengenausdruck - En in Verbindung mit indefiniten Pronomen(sicl) und Zahlwörtern - En in Vertretung von Erweiterungen einer Nominalgruppe Nichts gegen anspruchsvolle Überschriften - einmal angenommen, daß sie der Grammatikbenutzer auch wirklich versteht -, aber das Verwenden solcher Überschriften enthebt nicht der Aufgabe, die französischen Beispiele ins Deutsche zu übersetzen. Auf Seite 78 findet sich eine an Schaltanlagen erinnernde Darstellung der Genese von en undy . Zu dieser Darstellung werden folgende Aussagen gemacht: "Im Text verweisen en undy auf vorangehende Bezugselemente: - auf Präpositionalgruppen und Adverbien in der Funktion einer adverbialen Bestimmung - auf Nominalgruppen, Präpositionalgruppen und Pronomen(sicl) in der Funktion des Subjekts und eines Objekts. Diese Aussagen zeigen, wie nebensächlich für die beiden Autoren die Frage der deutschen Entsprechungen ist. Erst bei der Behandlung des "partitiven en" bringen Klein und Kleineidam die deutsche Entsprechung. Wie unwichtig ihnen aber diese ist, wird aus dem nachfolgenden Kommentar klar (79): "En ohne weiteren Mengenausdruck bezeichnet - im bejahenden Satz eine unbestimmte Anzahl oder eine unbestimmte Menge (dt."welche") - im verneinenden Satz eine Nullmenge (dt."keine")." Ganz davon abgesehen, daß das Moment 'unbestimmte Menge/Anzahl' nicht ausreicht, hätten sich Klein und Kleineidam ihre gelehrige Interpretation der deutschen Wörter welche und keine ersparen können. Drei Zeilen später (79) vergißt man schon wieder die Übersetzung der Beispielsätze: Eric a de beaux timbres. Tu en as aussi ?/ Ou sont les biscuits ? - n'y en a plus. Stattdessen der überraschende Hinweis: "En verweist auf die allgemeine Bedeutung des Nomens (Briefmarken,Kekse)"....
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Krenn, H.
Das schlechte Beispiel von Klein/Kleineidam hat Schule gemacht. In Langenscheidts Schulgrammatik von Diethard Lübke (Berlin etc. 1990:96-97) wird kein einziger Beispielsatz ins Deutsche übersetzt. Stattdessen nur allgemeine Erklärungen und viele Pfeildarstellungen. Bei Confais (Grammaire explicative, München 1978:156-158) wird erfreulicherweise der Versuch gemacht, sechs deutsche Beispiele ins Französische zu übertragen und dabei die französischen Entsprechungen mit en zu beobachten. Es geht um diejenigen Beispiele, wo das französische en im Deutschen keine Entsprechung hat. Die idiomatischen Wendungen sind ebenfalls alle übersetzt. Am besten bei meinem Blick in die Grammatiken schneidet Domke (Kurze französische Sprachlehre, Berlin 1976 (=9. Aufl. 1967) ab. In den §§ 317-322 übersetzt die Autorin alle Beispiele ins Deutsche. Dabei lassen sich immerhin sieben verschiedene deutsche Entsprechungen von en beobachten.6 Abschließend noch ein kurzer Blick in die italienischen Grammatiken, die für Deutschsprachige geschrieben wurden. Ich will mich hier auf die "Grammatik der italienischen Sprache" (Tübingen 1988) von Schwarze und auf die "Praktische Grammatik der italienischen Sprache" (Wilhelmsfeld 1989) von Reumuth und Winkelmann beschränken. Zunächst kann man die erfreuliche Feststellung machen, daß auf "italienischer" Seite wesentlich mehr Interesse für die deutschen Entsprechungen von ne besteht. In den beiden Grammatiken sind alle Beispiele ins Deutsche übersetzt. Nicht so erfreulich ist jedoch, daß sich auch die Autoren italienischer Grammatiken in erster Linie um die "Funktionen" von ne und damit um allgemein linguistische Dinge kümmern. Ihr Interesse für die deutschen Entsprechungen endet mit der Übersetzung ihrer Beispiele ins Deutsche. Aufgrund meiner Analysen zahlreicher en- und ne-Vorkommen ergeben sich folgende deutsche Entsprechungsmöglichkeiten: 1. da-Wörter Die wichtigste deutsche Entsprechung für die Super-Pro-Formen en und ne sind die da-Wörter.Vergleiche hierzu folgende Beispiele: Französisch: (1) II avait besoin d'en savoir davantage, de poser des questions....(davon/ darüber) (2) ..l'ancienne merciere qui...erc e"tait un exemple. (dafür) (3) II a compris que je n'en avais pas le courage, (dazu) Italienisch: (1) II viaggio fino a casa si svolse in un'atmosfera di magica felicitä. Monica Das geringe Interesse für die deutschen Entsprechungen von en bei Grammatikautoren ist von der grammatischen Tradition her gesehen unverständlich. Schon Thomas (Der aufrichtige Sprach-Meister in Österreich, II.Theil, Steyr 1762) schreibt auf Seite 151: "En referirt insgemein den Genitivum oder den Ablativum, also auch den Motum de loco, und zugleich die Quantitäten! der Zahl, der Masse, des Orts und der Zeit, und bedeutet gleichsam die deutsche Wörter: dessen, dessenthalben, damit, darum, daher, davon, dafür, daran, als: Avos-vous du pain, du vin, de la viande ? Oui, j'en ai, ja, ich habe dessen...."
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(2)
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sapeva ehe ne avrebbe serbato il ricordo come un tesoro per tutta la vita. (daran) Volevo parlartene da quando sono tornato da G. (darüber)
2. O-Entsprechung Die Fälle, wo im Deutschen den Super-Pro-Formen durch keine Wortform entsprochen wird, sind sehr zahlreich: z.B. Französisch: (1) Je bois un verre, puis deux...Et je pense...Et cela me force ä en boire un autre, puis un autre ... (2) - Combien de paniers ? - Soixante-deux. - Tous de Marsilly ? - II y en a vingt-deux de Charron. (3) Vous aimez le metier que vous faites ? - Je n'e« connais pas d'autre. Italienisch: (1) II pubblico italiano ha fatto subito una scelta netta: Camerun. Ne ha fatta anche un'altra: ha osteggiato Maradona. (2) Si direbbe ehe sei andato a caccia di draghi e ne hai trovato uno. (3) Ne succedono delle cose qui dentro ! 3.
Possessives Adjektiv In den nachfolgenden Beispielen entspricht im Deutschen ein possessives Adjektiv der dritten Person: Französisch: (1) II y un restaurant ä Tours et tu en connais l'adresse. Italienisch: (1) In questo caso avrö la possibilitä di valorizzare gli oggetti, di disporli con armonia mantenendoli al loro posto, di restaurarne altri, di scriverne la storia...
4.
Satz-Proformen Wenn sich en oder ne auf einen ganzen Satz beziehen, können im Deutschen mehrere Wortformen entsprechen: Französisch: (1) Quand Mme Paquot va ä Surgeres ou ä La Rochelle, son mari en profile. (davon) (2) - Vous etes sür que cela ne lui fait pas de peine.-J'e« suis certain, (dessen) Italienisch: (1) stesso ne ero sorpreso. (davon) (2) ...ed da scudetto. Ne sono sicuro. (dessen) (3) Per quanto ne so,... (davon/darüber)
5. welche usw. Die deutsche Entsprechung welche usw. macht auch Dialektsprechern aus dem mittelbayrischen Raum Schwierigkeiten. Diese verwenden grundsätzlich statt welche usw.die Formen ein usw..
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Krenn, H.
Französisch: (1) - Tous (=paniers) pour la France ? -Non. II y en a pour la Suisse et.... (2) ..et il y en a qui les vendent alors. Italienisch: (1) Pronostici ? E'vietato fame. 6. ein usw. Bei Bezug auf bestimmte Nomina im Singular können auch die Formen von ein entsprechen.
Französisch: (1) Apres un an, eile n'avait toujours pas d'enfant et il dut se rosigner äl'idoe qu'elle ne pourrait jamais en avoir. 7. kein usw. Die Beispiele für diese Entsprechung sind besonders für das Französische sehr zahlreich:z.B. - Tu äs de l'argent ? Non. Je n'en ai pas. 8.
Abfolge Präposition + Personalpronomen
Bei Bezug auf Nominalphrasen mit dem Merkmal ( +belebt) (vgl. hierzu auch weiter unten) sind Abfolgen bestehend aus Präposition + Personalpronomen als Entsprechungen möglich. Französisch: (1) - Qu'est-ce que vous en pensez, de celui-ci ? (2) ...quand eile regardait son mari, on sentait qu'elle en otait amoureuse. Italienisch: (1) II "Frate". Ne avevo sentito parlare.... 9. Wörter wie heraus z.B.im Italienischen: Una volta nella gabbia, l'uccello non era piü capace di uscir/ze. 10. Wörter wie von dort.. (.weg)/(weg) ...von dort z.B. im Italienischen: Sei stato a scuola ? - Ne torno adesso. Devo andarme/ze da qui e vivere la mia vita. Ecco una altro motivo per cui doveva essere contenta di andarsene da li. 11. Spezielle Entsprechungen Die vielen idiomatischen Wendungen mit en bzw. ne haben im Deutschen jeweils besondere Entsprechungen. Auf diese soll hier nicht weiter engegangen werden. 12. Personalpronomen in Akkusativform Wenn dem französischen oder italienischen Verb im Deutschen ein transitives Verb entspricht, kann auch die Akkusativform des Personalpronomens als Ent sprechung der Super-Pro-Form dienen: z.B. ...et, si le commissaire lui avail servi de l'alcool, c'est que l'autre en avail besoin. (...ihn brauchte)
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Postscriptum Das Phänomen der Super-Pro-Formen muß meines Erachtens in einem größeren Funktionszusammenhang gesehen werden. Wie ich in Krenn (1989a) gezeigt habe, ist für viele Sprachen - nicht nur für das Französische, Italienische und Deutsche - mit einer übergreifenden syntaktischen Restriktion zu rechnen, die darin besteht, daß Abfolgen, die aus Präposition + Personalpronomen (betonte Form) bestehen, nicht zugelassen sind, wenn das Personalpronomen eine Nominalphrase mit dem Merkmal (-belebt) repräsentiert. Aus diesem Grund sind beispielsweise folgende Formulierungen ungrammatisch: Da ist ein Stein. Voilä unepierre.
Setz dich * auf ihn ! Prends place * sur eile.
In Krenn (1989a) habe ich diese Restriktion als Sangsue-Restriktion oder als Restrizione Sanguisuga bezeichnet (vgl. hierzu besonders 76-79). Das Italienische bekommt wegen seines dreifachen Inventars bei der dritten Person des Personalpronomens (lui/egli/esso) diese Restriktion weitaus weniger zu spüren als beispielsweise das Französische, dem kein Pronomen wie esso-essa usw. zur Verfügung steht. Das Französische und Deutsche befinden sich in etwa der gleichen Ausgangslage: es geht für beide Sprachen darum, der Sangsue-Restriktion auszuweichen. Der wichtigste Ausweg für das Französische ist, wie sich leicht zeigen ließe, die Verwendung der Super-ProForm en und y.7 Dem Deutschen stehen seine da-Wörter zur Verfügung. Es kann damit fast alle verbotenen Abfolgen bewältigen. Im Gegensatz dazu kann das Französische mit seinen beiden Super-ProFormen en und y nur Abfolgen mit bestimmten Präpositionen durch Ersetzung "retten". Für Abfolgen, die von anderen Präpositionen, wie z.B. avec, sons, devant, derriere etc.. eingeleitet werden, mußte sich das Französische einen neuen Ausweg suchen. Die Vorgehensweise des Französischen ist hierbei sehr einfach: das restriktionsanfällige Personalpronomen wird einfach weggelassen: z.B. II y a une patisserie devant l'oglise. Vous etes passes d e v a n t .
Damit geht das Französische mit seinen Präpositionen auf ähnliche Weise wie das Deutsche um. Die grammatische Beschreibung dieses Phänomens ist allerdings noch zu leisten. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß meine Zusammenstellung der deutschen Entsprechungsmöglichkeiten keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Es wäre durchaus denkbar, daß noch andere Formulierungen als Entsprechung zu en oder ne in Frage kommen.
In Krenn (1981, unveröff.) < Ergänzungen zur französischen Grammatik > habe ich neun mögliche Auswege aufgezeigt.
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Krem, H.
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Brenda Laca (Berlin)
[PLURAL] und [STOFF] in generischer Verwendung in Deutsch, Englisch und Spanisch 0. Bekanntlich besitzen das Deutsche, das Englische und das Spanische analoge Artikelsysteme, die dadurch charakterisiert sind, daß in ihnen neben einer Artikelform für die Definitheit und einer Artikelform für die Indefinitheit im Falle des Singulars von Diskontinuativa (Gattungsnamen) die Nullstufe der Determination, d.i. artikellose Nominalphrasen, eine wichtige Rolle im Paradigma der Indefinitheit spielen, und zwar im Falle des Plurals und im Falle der Kontinuativa (Stoffnamen). Diese Analogie auf der Ebene der jeweiligen Systeme, die man schematisch wie in (1) darstellen kann: (1)
DEF. el libro das Buch the book
INDEF. un libro ein Buch book
PLUR.
los libros die Bücher the books
01ibros [unos libros] 0Bücher 0books [sm books]
KONT.
el vino der Wein the wine
0vino 0Wein 0wine [sm wine]
SING.DISK.
steht im offensichtlichen Widerspruch zu den mannigfaltigen Abweichungen in der Distribution von definiten und artikellosen Nominalphrasen im Falle des Plurals und der Kontinuativa, die für die drei Sprachen festgestellt werden können und sich hauptsächlich im Bereich der generischen Verwendung von Nominalphrasen konzentrieren. 1.1. Übersetzungsentsprechungen wie die folgenden zeigen, daß beide Formen, DEF. und NULL, in allen drei Sprachen für den Ausdruck der Generizität im Prinzip verfügbar sind, daß jedoch die Prinzipien, nach denen sich der Gebrauch jeweils richtet, vollkommen unterschiedlich sind. A. Dtsch. g, Engl. g, Span. DEF. (la D) (la E) (la S) (Ib D) (Ib E) (Ic S)
Schmale Seelen sind mir verhaßt (Nietzsche 19) Narrow souls I cannot abide (Nietzsche E 47) Odio a las almas estrechas (Nietzsche S 54) Logik erscheint ihnen als notwendig wie Brot und Wasser (Nietzsche 85) Logic they considerer necessary, like bread and water (Nietzsche E 136) La logica les parece mäs necesaria que el pan y el agua (Nietzsche E 130)
332
Laco, B.
B. Dtsch. DEF., Engl. DEF., Span. DEF. (2a D) (2a E) (2a S)
(2b D) (2b E) (2b S)
Die Poeten zum Beispiel waren immer die Kammerdiener irgendeiner Moral Nietzsche 32) The poets, for example, were always the valets of some morality (Nietzsche E 74) Lospoetas, por ejemplo, fueron siempre los ayudas de camara de una moral cualquiera (Nietzsche S 70) Blitz und Donner brauchen Zeit, das Licht der Gestirne braucht Zeit, Taten brauchen Zeit (Nietzsche 121) Lightning and thunder require time; the light of the stars requires time; deeds, though done, still require time (Nietzsche E 182) Es necesario dar tiempo al relämpago y al trueno, es necesario dar tiempo a la luz de los astros, es necesario dar tiempo a las acciones (Nietzsche S 170)
C. Dtsch. DEF., Engl. 0, Span. DEF. (3a D) (3a E) (3a S)
(3b D)
(3b E) (3b S)
Den gemeinen Naturen erscheinen alle edlen, großmütigen Gefühle als unzweckmäßig (Nietzsche 35) Common natures consider all noble, magnanimous feelings inexpedient (Nietzsche E 77) A las naturalezas vulgäres todos los sentimientos nobles y generosos les parecen impropios (Nietzsche S 73) das orgiastische und dyonisische Wesen, von dem die Weiber des europäischen Südens damals, als der Wein noch neu in Europa war, von Zeit zu Zeit heimgesucht wurden (Nietzsche 64) the orgiastic and Dyonisian cult that afflicted the women of Southern Europe from time to time when wine was still new in Europe (Nietzsche E 109) la influencia del soplo orgiästico y dionisiaco que pasaba de cuando en cuando sobre las mujeres del Mediodia de Europa cuando el vino era una novedad (Nietzsche S 106)
D. Dtsch. g, Engl. g, Span, 0 (4a D) (4a E) (4a S)
(4b D) (4b E) (4b S)
daß es irgendwo in der Welt Frauen mit hohen, heldenhaften, königlichen Seelen geben könne, [...] fähig und bereit zur Herrschaft über Männer (Nietzsche 78) that somewhere in the world there could be women with lofty, heroic, and royal souls,[...] capable of and ready for rule over men (Nietzsche E 127) que en alguna parte puedan existir en el m undo mujeres de almas sublimes, heroicas y veridicas, [...] capaces de dominar a los hombres y dispuestas a hacerlo (Nietzsche S 121) Hier haben wir von den Ärzten etwas zu lernen, wenn sie zum Beispiel das Bittere verdünnen oder Wein und Zucker in den Mischkrug tun (Nietzsche 168) Here we could learn something from physicians, when for example they dilute what is bitter or add wine and sugar to a mixture (Nietzsche E 239) Aqui los modicos pueden enscnarnos algo cuando, por ejemplo, atenuan la amargura ponen vino y azucar en sus mezclas (Nietzsche S 224)
333
[PLURAL] und [STOFF] in genetischer Verwendung...
1.2. Es mag überraschen, daß ich die Nominalphrasen im Beispielblock D als generisch einstufe. Ich arbeite nämlich mit einer weiten Auffassung der Generizität, in der neben toto-generischen Nominalphrasen, bei denen eine Bezugnahme auf das ganze Genus vorliegt, auch parti-generische Nominalphrasen anerkannt werden. Bei den letztgenannten, die von den Typologen seit eh und je so eingestuft werden und in letzter Zeit auch in logisch ausgerichteten Arbeiten, wie in Link (1988) unter den Namen von dependent generics bzw. generics with existential import behandelt werden, liegt keine Referenz auf das ganze Genus, sondern auf einen Teil davon vor. Als generisch läßt sich diese Verwendung aufgrund der Tatsache klassifizieren, daß dabei weder die individuelle Identität der Teilmenge noch ihrer Quantität pragmatisch von Belang sind. Dies zeigt sich wiederum an der Unzulässigkeit der Frage nach der individuellen Identität (die welchFrage führt in solchen Fällen einfach zur Inkohärenz, s. dazu Kleiber/Lazzaro 1987) und an der Tatsache, daß parti-generische Nominalphrasen nicht notwendigerweise eine Referenzteilmenge festlegen, auf die ein darauffolgendes Pronomen bezogen werden muß. Pronominalisierungserscheinungen wie die folgenden, die Identität der Referenz auf der Ebene des Genus, und nicht auf der Ebene der extensionellen Identität einer Teilmenge voraussetzen, sind m.M.n. ein zentrales Anzeichen dafür, daß die unterstrichenen Nominalphrasen, im Prinzip immer artikellosen Nominalphrasen, als generisch verwendeten Formen einzustufen sind: (5a) Porque usted quetna libros y Sanchez Bolin los escribe (VMontBal 119) (5b) John sold butter and Bill bought it (5c) Kail liest häufig Kriminalromane, aber Maria findet sie langweilig.
2. Die Entsprechungsmuster A. bis D. schöpfen nicht alle Möglichkeiten aus, sie sind jedoch bei weitem die am meisten repräsentativen (andere Muster sind Sonderfälle, die sich aus der Rolle des deutschen Artikels beim Ausdruck von Kasus und des englischen Artikels bei der Substantivierung von Adjektiven ergeben). Sie bezeugen eine unterschiedliche Verteilung von DEF. und NULL im Bereich von genusbezogenen (generischen) Nominalphrasen, die man schematisch folgendermaßen darstellen kann: (6)
Dtsch. DEF
Engl.
Span.
DKF
DEF 0
Es fällt nicht schwer, hinter dieser unterschiedlichen Verteilung verschiedene Grade oder Stufen der Verallgemeinerung des Artikelgebrauchs in einem der Kontexttypen zu vermuten, die bekanntlich in der Verbreitung des Artikels als letzte an die Reihe kommen, d.h., bei generischer Verwendung von Nominalphrasen (s. dazu Givon 1978, Greenberg 1978). Gerade deshalb ist die Erforschung der Prinzipien, nach denen sich die Distribution jeweils richtet, von besonderem Interesse. Im Rahmen dieses kurzen
334
Loco, B.
Beitrags kann ich nicht auf sämtliche distributioneile Fakten eingehen, die vor allem bei Berücksichtigung von größeren Kontextabschnitten beträchtliche Komplexität aurweisen, also werde ich mich auf die Darstellung einiger Fakten beschränken, die ich für besonders relevant halte. .3.1. Zunächst zu den Gemeinsamkeiten: Übereinstimmungen in der Verwendung der beiden untersuchten Formen konzentrieren sich sozusagen an den "äußeren Randgebieten" der Generizität. Diese sind auf der einen Seite die Bezugnahme auf ein Genus, das im Unterschied zum "Normalfall" keine offene, sondern eine abgegrenzte und im Prinzip abzählbare Menge von Vertretern hat. Typische Beispiele dafür sind etwa die Planeten unseres Sonnensystems, die Apostel im ursprünglichen Sinne oder die Todsünden. Für solche geschlossenen (oder besser gesagt, in einem bestimmten Umfeld/ Kenntnissystem als geschlossen betrachteten) Genera bedienen sich alle drei Sprachen der Form DEF.: (7a D) (7a E) (7a S)
Kurz, waren die deutschen Philosophen wirklich -philosophische Deutsche? (Nietzsche 215) In short, were the German philosophers really - philosophical Germans? (Nietzsche E 305) En resutnen, losfilosofos alemanes, nan sido tambion alemanes filosofos? (Nietzsche S 278)
(Tb D)
Glaubt ihr denn, daß die Wissenschaften entstanden und groß geworden wären, wenn ihnen nicht die Zauberer, Alchimisten, Astrologen und Hexen vorangegangen wären [...]? (Nietzsche 168) Do you really believe that the sciences would ever have originated and grown if the way had not been prepared by magicians, alchemists, astrologers, and witches [...]? (Nietzsche E 240) Creois acaso que las ciencias se habrfan formado y se habrian hecho grandes si los magos, los alquimistas, los astrologos y los brujos no les hubieran precedido [...]? (Nietzsche S 225)
(Tb E)
(7b S)
3.2.1. Auf der anderen Seite bedienen sich alle drei Sprachen der Form NULL im Falle vpn parti-generischen Nominalphrasen, Es muß an dieser Stelle hervorgehoben werden, daß die Unterscheidung zwischen toto- und parti-generischen Nominalphrasen, die ich hier vorschlage, mit der Unterscheidung zwischen Universal- und Partikulär-Quantor wenig gemeinsam hat. Toto-generische Nominalphrasen, bei denen die Bezugnahme auf das ganze Genus ausschlaggebend ist, können, brauchen aber nicht durch UniversalQuantifizierung paraphrasierbar zu sein, wie es die Beispiele in (8) aufzeigen: (8a) (8a')
Die Tannen sind Nadelbäume Alle Tannen sind Nadelbäume
(8b) (8b')
Die Amerikaner sind vor den Russen auf dem Mond gelandet ·## Alle Amerikaner sind vor den Russen auf dem Mond gelandet
3.23. Für die Unterscheidung zwischen toto-generischen und parti-generischen Nominalphrasen, die wegen der Doppeldeutigkeit der NULL-Form insbesondere im Englischen, z.T. auch im Deutschen, besonders schwierig ist, verwende ich einen von Lawler (1973) formulierten Inferenztest. Toto-generische Nominalphrasen blockieren nach diesem Test normale Implikationsbeziehungen, die auf Inklusionsbeziehungen des Typs der Hyponymie beruhen, während bei parti-generischen Nominalphrasen die Gültigkeit die-
[PLURAL] und [STOFF] in genetischer Verwendung...
335
ser Implikationsbeziehungen aufrechterhalten bleibt: (9a) (9b)
Tannen sind Nadelbäume =/ = / = / = > Bäume sind Nadelbäume In der Tundra wachsen Tannen = = = = > In der Tundra wachsen Bäume
Nun, bei parti-generischen Nominalphrasen, die deshalb generisch sind, weil sie keine Referenzteilmenge abgrenzen und als Antezedent für genus-bezogene Anaphern fungieren können (s. (5a-c)), und deshalb parti-generisch sind, weil sie keine Implikationsbeziehungen blockieren, stimmen alle drei Sprachen in der Verwendung der Form NULL überein: (10a D) (lOa E) (10a S)
Hans liest Kriminalromane Hans reads detective novels Hans lee novelas policiales
(lOb D) (lOb E) (lOb S)
Willy trinkt Whisky Willy drinks Whisky Willy toma Wliisky
Diese beiden Grenzfälle der Generizität, einerseits die Bezugnahme auf eine abgegrenzte Gesamtheit, die mit dem Genus übereinstimmt, andererseits die parti-generischen Verwendungen, erschöpfen den Bereich der Gemeinsamkeiten in der Verteilung. 4. Für die Charakterisierung der Unterschiede in möglichst knapper Form empfiehlt sich, die Sprachen getrennt zu behandeln und sich im Falle des Englischen und des Spanischen auf die Beschreibung der Faktoren zu konzentrieren, die bei der Verwendung der jeweils distributionell markierten Form relevant erscheinen. 4.1.1. Für das Spanische gilt im allgemeinen, daß die Form NULL ausschließlich für die parti-generische Verwendung verfügbar ist, während sämtliche toto-generischen Verwendungen die Form DEF. nehmen. Es gibt nun einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Unterscheidung toto-/parti-generisch und der Informationsstruktur der Mitteilung, den ich hier nur feststellen, aber nicht begründen kann. Wenn wir annehmen, daß jede Mitteilung sich in eine Fokus- und eine Hintergrundkomponente im Prinzip analysieren läßt (s. dazu Wilson/Sperber 1979, Motsch/Reis/Rosengren 1989), die im großen und ganzen jeweils der eigentlichen Assertion und der Präsupposition entsprechen, läßt sich der Zusammenhang folgendermaßen formulieren: In einer Aussage mit nicht-markierter Informationsstruktur gehören parti-generische Nominalphrasen stets zur Fokuskomponente, während toto-generische Nominalphrasen in der Regel in der Hintergrundkomponente auftreten. Folgende Beispiele illustrieren dies: (Ha) (lla')
En casa usamos vino (into para darle sabor a las salsas HINTERGRUND: [En casa usamos X para darle sabor a las salsas] // FOKUS: [X = vino tinto]
(lib) (lib')
En casa usamos el vino tinto para darle sabor a las salsas HINTERGRUND: [En casa usamos el vino tinto para X] // FOKUS: [X = darle sabor a las salsas]
336
Loco, B.
(12a) (12a')
De los repollos nacen ninos HINTERGRUND: [De los repollos nace X] // FOKUS: [X=ninos]
(12b) (12b')
Los ninos nacen de los repollos HINTERGRUND: [Los ninos nacen de X] // FOKUS: [X=repollos]
4.1.2. Nun führt mich diese Beobachtung (neben anderen, auf die ich hier nicht eingehen kann) zur Formulierung folgenden Prinzips für das Spanische: Die Form NULL darf im Spanischen nicht in Nominalphrasen verwendet werden, die zum Hintergrund bzw. zum präsupponierten Teil der Mitteilung gehören. Sie ist nur verfügbar für Nominalphrasen, die als Fokus oder Teil des Fokus fungieren. 4.2.1. Was das Englische angeht, kann die Form NULL bekanntlich in sämtlichen Typen von toto-generischen Verwendungen (bis auf die Ausnahme der "geschlossenen Genera") und in der parti-generischen Verwendung auftreten. Die Form DBF. ist hingegen stark eingeschränkt. Die m.M.n. interessanteste Tatsache an der Distribution ist, daß die Form DER vor allem dann eine generische Interpretation zuläßt, wenn das Substantiv, das als Nukleus der Nominalphrase fungiert, relational verwendet wird. 422. Relationale Substantive sind Substantive, die auf der Grundlage einer Relation, d.h. eines mehrstelligen Prädikats Bezeichnung leisten, wie Sohn, Knie, Seite. Darüber hinaus können Substantive im Diskurs relational verwendet werden, durch kontextuelle Spezifizierung einer Relation innerhalb der Nominalphrase. So ist z.B. Buch nicht inhärent relational, in Marias Bücher oder in die Bücher auf dem Regal wird es relational verwendet. Nun werden Nominalphrasen der Form DEF. im Englischen in der Regel als nicht-generisch interpretiert. Sätze wie (13), die nur eine spezifische Lesart aufweisen, zeigen, daß DEF. für den Ausdruck der Generizität nicht frei verfügbar ist: (13a) (13b)
The children like to play with sand The red wine is expensive
I
Wenn wir aber relationale Verwendungen von Substantiven haben, ist die Form DEF. für den Ausdruck der Generizität möglich, in einigen Fällen sogar obligatorisch: (14a) (14b) (14c)
Almost always the books of scholars are somehow oppressive, oppressed: the "specialist" emerges somewhere (Nietzsche E 322) Confronted with the characters in an opera, we are not supposed to take their word for it (Nietzsche E 135) When the sons of clerks and office workers of every kind [...] become scholars, they manifest a tendency to consider a problem almost as solved when they have merely schematized it (Nietzsche E 290)
Dieses Prinzip erklärt die Verwendung von DEF. in (2b E) oben und gilt auch für die Distribution im Kontext von Abstrakta. Folgender Beleg zeigt sehr deutlich, daß DEF. erforderlich wird, wenn ein Argument des Abstraktums explizit genannt wird (wenn dieses also relational verwendet wird):
[PLURAL] und [STOFF] in genetischer Verwendung... (14d)
337
The Greeks, on the other hand, were rather closer to the notion that sacrilege, too, might have some nobility - even theft, as in the case of Prometheus, even the slaughter of cattle as the expression of insane envy, as in the case of Ajax (Nietzsche E 188)
4.2.3. Neben dem Prinzip der relationalen Verwendung scheint im Englischen ein weiteres Prinzip wirksam zu sein, in dem wir den Kern der Situation sehen können, die im Spanischen zur Verallgemeinerung gelangt hat. Wenn nämlich aus Gründen, die mit der Informationsstruktur zusammenhängen, eine Form NULL als zum Fokus gehörend und somit als parti-generisch interpretiert werden könnte, wenn es also nötig wird, abzusichern, daß die betreffende Nominalphrase als Teil des Hintergrunds und somit als totogenerisch verstanden wird, dann wird auf die Form DEF. zurückgegriffen, wie in: (15a) (15b)
(15c)
The times of corruption are those when the apples fall from the tree: I mean the individuals (Nietzsche E 98) Why is it that warm, rainy winds inspire a musical mood and the inventive pleasures of melodies? Are they not the same winds that fill the churches and arouse thoughts of love in women? (Nietzsche E 124) Many lies tell the poets! (Nietzsche E 140)
4.3.1. Daß die Fakten der Distribution von DEF. und NULL im Deutschen wesentlich komplexer sind, kann man u.a. an der Tatsache ablesen, daß bei den meisten Forschern, mit zwei rühmlichen Ausnahmen, nämlich Harweg (1969) und Grimm (1986), beide Formen als äquivalent dargestellt werden, was sie selbstverständlich nicht sind. Der deutlichste Unterschied ist, daß im Falle der toto-generischen Verwendung die Form NULL nur distributiv verstanden werden kann, als Ausdruck einer Quantifizierung des Typs omnis, während die Form DEF. kollektive Lesarten zuläßt, in denen die Prädikation auf das ganze Genus, jedoch nicht notwendigerweise auf alle (möglichen typischen) Vertreter des Genus angewandt wird. Kollektive Lesarten sind mannigfaltig. Ich unterscheide im Prinzip zwei Typen, einerseits Totalkollektiva, die dem Sinne von alle zusammen bzw. das ganze entsprechen, andererseits Repräsentativer-Teil-Kollektiva, in denen die Prädikation auf das Genus angewandt wird, weil sie auf einen repräsentativen Teil der Vertreter des Genus zutrifft. (16a) und (17a) erfordern eine totalkollektive Lesart, um plausibel zu sein, in (18a) und (19a) handelt es sich um einen repräsentativen Teil des betreffenden Genus. Der distributive Charakter der Form NULL bedingt es, daß die (b)-Sätze entweder inakzeptabel, oder einfach absurd wirken: (16a) (16b)
Die Deutschen trinken im Durchschnitt 500 Millionen Liter Bier pro Jahr ## Deutsche trinken im Durchschnitt 500 Millionen Liter Bier pro Jahr
(17a)
Wenn sich die gegenwärtigen Verhaltensmuster nicht ändern, wird in wenigen Jahrhunderten das Wasser verbraucht sein ## Wenn sich die gegenwärtigen Verhaltensmuster nicht ändern, wird in wenigen Jahrhunderten Wasser verbraucht sein
(17b)
(18a) (18b)
Die Amerikaner kolonisierten die Westküste erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ## Amerikaner kolonisierten die Westküste erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
338 (18b) (19a) (19b)
Laca, B. ## Amerikaner kolonisierten die Westküste erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Der Kaffee wurde von den Arabern nach Mitteleuropa gebracht ## Kaffee wurde von den Arabern nach Mitteleuropa gebracht
4.3.2. Die Verwendung der Form NULL ist also im Deutschen durch deren inhärente Distributivität eingeschränkt. Aber auch die Einsetzbarkeit der Form DEF. unterliegt einer nicht weniger wichtigen Restriktion. Sie kann nämlich nur im Fall von Nominalphrasen verwendet werden, die als Bezeichnungen für etablierte oder "kodierte" Genera oder Species betrachtet werden können. Solche Genera und Species werden normalerweise durch einfache Substantive oder durch Nominalkomposita bezeichnet, gelegentlich aber auch durch syntagmatische Benennungen des Typs rote Beete oder schneller Brüter. Sie können unter Umständen im Diskurs selbst als solche etabliert oder kodiert werden, wie es der Fall im (3a D) oben ist. Nun gibt es einige adjektivische Modifizierungen, wie etwa warm, kalt, müde, usw., die auf episodischen Prädikationen beruhen und deshalb besonders ungeeignet für die Konstruktion von "eigentlichen" Species eines Genus sind, da Species innerhalb eines Genus eher nach inhärenten oder dauerhaften Eigenschaften unterschieden werden können. Nominalphrasen mit dieser Art adjektivischer Modifizierungen schließen die Form DEF. bei generischer Verwendung aus: (20a) (20b)
Überarbeitete Frauen leiden unter Kopfschmerzen ## Die überarbeiteten Frauen leiden unter Kopfschmerzen
(21a) (21b)
Kalter Rotwein schmeckt scheußlich ## Der kalte Rotwein schmeckt scheußlich
4.3.3. Die beiden genannten Restriktionen sind besonders relevant, weil sie zeigen, daß im Unterschied zur Lage im Englischen oder im Spanischen- im Deutschen die deutlichen Unterschiede zwischen DEF. und INDEF. in generischer Verwendung im Falle des Singulars der Diskontinuativa, wie in (22a-b) und (23a-b): (22a) (22b)
Das Pferd wurde von den Spaniern nach Amerika gebracht ## Ein Pferd wurde von den Spaniern nach Amerika gebracht
(23a) (23b)
Ein hungriger Löwe ist gefährlich ## Der hungrige Löwe ist gefährlich
zum guten Teil im Falle des Plurals und der Kontinuativa aufrechterhalten werden. Es gibt andere Beobachtungen, die dies bestätigen. Dies ist aber nur ein Teil der Geschichte für das Deutsche, in dem die Disambiguierung von Fokus/Hintergrund-Gliederung bzw. die Absicherung von toto-generischen Lesarten bei der Durchsetzung der Form DEF. eine viel größere Rolle als im Englischen spielt.
[PLURAL] und [STOFF] in generischer Verwendung...
339
Literatur Givon, T. (1978): "Definiteness and referentialky". - In: J.H. Greenberg/ ChA. Ferguson/ EA. Moravcsick (Hgg.) Universals of Human Language. Vol. 4. Syntax. Stanford: Stanford Univ. Press. 291-330. Greenberg, J.H. (1978): "How does a language acquire gender markers?". - In: J.H.Greenberg/ ChA. Ferguson/ E A. Moravcsick (Hgg.): Universals of Human Language. Vol.3. Word Structure. Stanford: Stanford Univ. Press. 47-82. Grimm, H.-J. (1986): Untersuchungen zum Artikelgebrauch im Deutschen. Leipzig: VEB Enzyklopädie. Harweg, R. (1969): "Unbestimmter und bestimmter Artikel in generalisierender Funktion". - In: Orbis XVIII,2.297-331. Kleiber, G./H.Lazzaro. (1987): "Qu'est ce qu'un syntagme gonorique? ou les carottes qui poussent ici sont plus grosses que les autres". Kleiber, G. (Hg.): Rencontre(s) avec la gondricito. Paris: Klincksieck, 73-112. Laca, B. (1990): "Generic objects: some more pieces of the puzzle". - In: Lingua 81. 25-46. - (im Druck): "Sustantivos sin determinantes, funcion sintäctica y cstructura informativa del enunciado en espanol". -In: Akten des XIX Internationalen Romanistenkongresses (Santiago de Compostela). Lawler, J. (1973): "Tracking the generic toad". - In: Chicago Linguistic Society 9.320-331. Link, G. (1988): "Dependency in the theory of generics". - In: M. Krifka (Hg.): Genericity in natural language. Proceedings of the 1988 Tübingen Conference. Tübingen. SNS-Bericht 88-42. 285-312. Motsch, W./M.Reis/I.Rosengren. (1989): "Zum Verhältnis von Satz und Text". - In: Sprache und Pragmatik. Arbeitsberichte 11. Lund. 1-36. Wilson, D./D.Sperber. (1979): "Ordered entailments: an alternative to presuppositional theories". - In: Syntax and Semantics Bd. 11. 299-323.
Texte: Nietzsche, F. Die fröhliche Wissenschaft ("La gaya scienza"). Vollständige Ausg. nach dem Text der Ausgabe Leipzig 1887. Goldmann Verlag. 1987. E: The Gay Science. Trans, by Walter Kaufmann. New York. Vintage Books. 1974. S: El Gay saber. Trad, de E. Ovejero y Maury. Obras Completas de Federico Nietzsche. Bd.VI. (El eterno retorno. Obras postumas). Madrid. Aguilar. VMontBal: Vazquez Montalbän, M. El balneario. Barcelona. Planeta. 1986.
Peter Stein (Regensburg)
Bemerkungen zur mittelbaren Redewiedergabe im Romanischen und im Deutschen 1. Für die Wiedergabe der Rede oder Aussage eines Dritten verfügen wir im Deutschen und im Romanischen wie in vielen, wenn nicht allen Sprachen über zwei Möglichkeiten: die direkte Wiedergabe in der Form des Zitats dessen, was der andere gesagt hat - in der Schrift markiert durch die Setzung von Anführungszeichen - oder die indirekte Wiedergabe in der Form eines abhängigen (Objekt-)Satzes. Bei größerem Umfang der indirekten Rede können sich die Objektsätze auch verselbständigen und zum 'Hauptsatz' bzw. einer Folge von Hauptsätzen werden. D: F: £: I: R:
Er sagte mir: II m'a dit: Me dijo: Mi disse: Mi-a spus:
"Ich kaufe morgen das Buch." Tacheterai le livre demain." "Compraro el libro manana." "Comprerö il libro domani." "Voi cumpara cartea müne."
D: Er sagte mir,... ... daß er das Buch am nächsten Tag ... ... kaufe / kaufen werde / kaufen würde // ... kauft / kaufen wird; ... er kaufe / werde/würde das Buch am n.T. kaufen. F: II m'a dit qu'U acheterait le livre le jour suivant. E: Me dijo que compraria el libro el dfa siguiente. I: Mi disse ehe comprerebbe il libro il giorno dopo. R: Mi-a spus ca cumpara / vä cumpara cartea ziua vütoare.
Der Wechsel der Person des Verbs im abhängigen Satz und der (adverbiellen) Zeitangabe beim Übergang von der direkten zur indirekten Rede sind vertraute Fakten, die hier nicht weiter diskutiert zu werden brauchen. Allerdings gehört die adverbielle Zeitangabe nur in wenigen Fällen zu den obligatorischen Bestandteilen einer Aussage, so daß sie häufig fehlen kann, und der Wechsel der Person tritt nicht in jedem Fall ein, d.h. auch dieses formale Unterscheidungskriterium kann fehlen, so z.B. wenn das Subjekt des übergeordneten Satzes in der ersten Person steht und damit personengleich mit dem Subjekt der (direkten) Rede ist. Besonders bei längeren Redetexten kann deswegen der Unterschied zwischen direkter und indirekter Redewiedergabe verwischt werden, wenn nicht weitere Markierungen hinzukommen. Solche Markierungen können sein:
342
Stein, P.
- Die Einleitung der indirekten Rede durch ein Bindewort, eine einleitende Konjunktion: daß, que, ehe, ca, ... Da diese jedoch in längeren Texten nicht vor jedem neuen (jetzt Haupt-) Satz wiederholt werden kann, ohne den Sprachfluß zu stören, funktioniert diese Markierung ebenfalls nur begrenzt. - Eine spezielle Wortstellung, wie z.B. im Deutschen mit seiner unterschiedlichen Wortstellung in Haupt- und Nebensatz. - Die Consecutio temporum, die einen Tempuswechsel bewirken kann, speziell dann, wenn das übergeordnete Verbum in einem Tempus der Vergangenheit steht. Allerdings ist auch hier die eindeutige Abgrenzung zur direkten Rede bei weitem nicht immer gewährleistet. - Die Verwendung eines vom Gebrauch in der direkten Rede abweichenden, eigenen 'Modus der indirekten Rede'. Während die rede- bzw. objektsatzeinleitende Konjunktion weit verbreitet ist, unterscheiden sich das Deutsche und die romanischen Sprachen in der Entscheidung für eine der beiden folgenden Markierungsmöglichkeiten: Die romanischen Sprachen kennen die vom Lateinischen her ererbten Regeln der Consecutio temporum, auch wenn deren Befolgung unterschiedlich streng gehandhabt werden kann, während das Deutsche mit dem Konjunktiv I über einen speziellen Modus der indirekten Rede verfügt, wobei aber auch hier die Theorie um vieles einfacher ist als die Praxis. Nicht nur die "Ersatzformen" des Konjunktiv II oder der Konjunktivumschreibung mit würde führen hier zu einer verwirrenden Situation im Formenbestand, vielmehr bleibt auch der Indikativ weiter verfügbar, ja er gestattet eine semantische Differenzierung hinsichtlich der Position dessen, der die Rede indirekt wiedergibt, zu dem, was er sagt. Nur, und damit wird die Situation noch komplizierter und eine exakte Bewertung der verwendeten Verbformen schwieriger, es herrscht große Unsicherheit in der korrekten Verwendung der jeweils zutreffenden Formen, was zum Ausweichen auf den Indikativ führt, aber auch zur "falschen" Verwendung der Ersatzformen, bzw. der Verwendung des Konjunktiv I gerade dort, wo dies nicht angemessen erscheint. Aufgrund seines relativ häufigen, von der Consecutio temporum bedingten Vorkommens in der indirekten Rede zeigt in den romanischen Sprachen das Konditional, das ja ursprünglich ein Futur der Vergangenheit ist, offensichtlich Tendenzen, sich zu einem Modus der indirekten Rede zu entwickeln. Das folgende französische Beispiel soll dies illustrieren: Le ministre a dit... ... qu'il n'y aurait pas ... vs.
... qu'il n'y aura pas ... ... de solution immoditate.
Ich möchte auf diese Grundregeln hier nicht weiter eingehen und setze sie als bekannt voraus. Vielmehr möchte ich anhand eines konkreten (Übersetzungs-)Textvergleichs die unterschiedlichen Prinzipien aufzeigen, denen beide Sprachen bzw. Sprachgruppen folgen. Ausgehend von den vorgegebenen Markierungsmöglichkeiten soll untersucht
Zur mittelbaren Redewiedergabe im Romanischen und im Deutschen ...
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werden, in welcher Weise die verschiedenen Sprachen bei der Markierung der indirekten Rede vorgehen und wie sich dies auf Übersetzungen auswirkt. Ausgewählt habe ich dafür einen kurzen Text aus lsabel Allendes La casa de los espiritus, der dadurch auffällt, daß der deutsche Übersetzer hier lange Zeit den Konjunktiv I verwendet, den Text also eindeutig als indirekte Rede markiert, dann aber plötzlich, ohne direkte Entsprechung in der spanischen Vorlage, zur direkten Rede überwechselt. Nach dem Vergleich des spanischen mit dem deutschen Text werden auch die italienische und französische Übersetzung in die Analyse einbezogen werden, um die (relative) Einheitlichkeit der romanischen Sprachen in diesem Bereich zu zeigen. 2. Zur Erzähltechnik von lsabel Allendes Roman gehört es, daß neben der Erzählung der außerhalb des Geschehens stehenden Autorin auch immer wieder Abschnitte stehen, in denen sie den Protagonisten des Romans, den Senator Esteban Trueba, in der Ich-Form erzählen läßt. So berichtet er gegen Ende des Romans von seinem Besuch bei Tränsito Soto, die er um Hilfe bittet, um seine Nichte aus dem Gefängnis frei zu bekommen: entonces yo, que habia estado esperando que eila me lo preguntara, abri el torrente de mi ansiedad y se lo conto todo, sin guardarme nada, sin una sola pausa, desde el principle hasta el fin. Le dye que Alba es mi unica nieta, que me ha ido quedando solo en este mundo, que se me ha achicado el cuerpo y el alma, tal como F6rula dijo al maldecirme, y lo unico que me falta es morir como un perro, que esa nieta de pelo verde es lo ultimo que me queda,...
Und ich, der ich nur darauf gewartet hatte, daß sie mich danach fragte, begann die Schleusen meiner Angst zu öffnen und ihr alles zu erzählen, rückhaltlos und ohne eine Pause, von Anfang bis zu Ende. Ich sagte ihr, daß Alba meine einzige Enkelin sei, daß ich allein auf der Welt zurückgeblieben sei, daß mein Körper und meine Seele geschrumpft seien, wie Ferula prophezeit hatte, als sie mich verfluchte, und jetzt nur noch fehle, daß ich wie ein Hund sterbe, daß diese Enkelin mit dem grünen Haar das einzige sei, was mir noch bleibe,...
Durch die Einleitung Le dije que ... / Ich sagte ihr, daß ... ist der folgende Texte einleitend deutlich als indirekte Rede markiert. Im Spanischen ändert sich an den Verbformen oder der Wortstellung in der Folge nichts: Ohne das einleitende que wären die folgenden Aussagen Hauptsätze. Die Markierung der indirekten Rede geschieht also nur durch die einleitende Konjunktion, sowie das Verbum dicendi. Allerdings würde man nach den Regeln der Consecutio temporum in der indirekten Rede eher Vergangenheitstempora erwarten, eine Erwartung, die, wie mir auf Befragen bestätigt wurde, auch diejenige spanischer Muttersprachler ist: * Le d^e que Alba era mi unica nieta, que me habia ido quedando solo en este mundo, que se me habia achicado el cuerpo y el alma, tal como Ferula dijo al maldecirme, y lo unico que me faltaba era morir como un perro, que esa nieta de pelo verde era lo ultimo que me quedaba,...
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Stein, P.
Die Autorin weicht folglich hier von den Regeln der spanischen indirekten Rede ab, ohne daß Gründe dafür ersichtlich sind. Da dieses Abweichen für die Übersetzungen ins Französische und Italienische eine Rolle spielt, werde ich später darauf zurückkommen. Anders verhält es sich im Deutschen, das zwar ebenfalls über diese beiden Markierungen, Verbum dicendi und einleitende Konjunktion, verfügt, die wie im Spanischen zunächst wiederholt wird, aber es kommen jetzt als weitere Markierungen die veränderte Wortstellung im Nebensatz und vor allem der Modus der indirekten Rede hinzu: Die Verben stehen im Konjunktiv I. Diese Moduswahl erfolgt im Deutschen jedoch nicht automatisch, obligatorisch, wie viele Konjunktivsetzungen in den romanischen Sprachen, mit denen keine spezielle Aussage verbunden ist, so daß ihr Vorhandensein eigentlich eine Redundanz in der Sprache darstellt; vielmehr wäre im Deutschen hier durchaus auch der Indikativ möglich, was in diesem Fall sogar noch eher der Tempuswahl im spanischen Original entsprechen würde:
Ich sagte ihr, daß Alba meine einzige Enkelin ist, daß ich allein auf der Welt zurückgeblieben bin, daß mein Körper und meine Seele geschrumpft sind, wie Ferula prophezeit hatte, als sie mich verfluchte, und jetzt nur noch fehlt, daß ich wie ein Hunde sterbe, daß diese Enkelin mit dem grünen Haar das einzige ist, was mir noch bleibt,...
Der Unterschied ist, daß sich der Erzähler, hier Esteban Trueba, jetzt direkt an den Leser wendet und ihm - wie schon vorher Transite Soto - mitteilt, daß Alba seine einzige Enkelin ist, daß er allein auf der Welt zurückgeblieben ist, usw., während der Konjunktiv I im Original(übersetzungs)text dazu dient, deutlich zu machen, daß er nur wiederholt, was er zuvor gesagt hatte, nicht aber dazu Stellung nimmt, ob es richtig oder falsch ist, und es damit dem Leser nicht eigentlich direkt, unmittelbar mitteilt, sondern eben indirekt, mittelbar. Dementsprechend kehrt der Übersetzer zum Indikativ zurück, sobald er auf Fakten zu sprechen kommt, die dem Leser bekannt sind, bzw. die er dem Leser unmittelbar, direkt mitteilen möchte: wie Ferula prophezeit hatte, als sie mich verfluchte. Hier verfügt das Deutsche über eine Differenzierungsmöglichkeit, die den romanischen Sprachen in dieser Form fehlt. Allerdings zeigen die geringe Frequenz des Konjunktiv I, vor allem in der gesprochenen Sprache, die Unsicherheit gegenüber der Verwendung der korrekten Form und die daraus resultierenden Hyperkorrektionen, wie auch die in bestimmten Kontexten negative Konnotation der Konjunktiv I-Formen als übertrieben und "hochgestochen", daß es sich hier durchaus nicht um eine unverzichtbare Struktur der (deutschen) Sprache handelt. Andererseits zeigt aber bereits der kurze, hier vorgeführt Textaussschnitt, welche (positiven) Differenzierungsmöglichkeiten mit der Existenz des "Modus der indirekten Rede" im Deutschen verbunden sind. Der Übersetzer aus dem (hier) Spanischen muß sich entscheiden, ob er sie nutzen will oder nicht. Daß die Entscheidung für die Verwendung des "Modus der
Zur mittelbaren Redewiedergabe im Romanischen und im Deutschen ...
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indirekten Rede" dann durchaus auch auf Grenzen und Schwierigkeiten stoßen kann, wird der weitere Text zeigen. Vorher soll noch die französische und die italienische Version dieser kurzen Passage in die vergleichende Analyse einbezogen werden. Moi qui n'avais fait qu'attendre sa question, j'ouvris alors toutes grandes les vannes de mon angoisse et lui racontai tout d'une traite, du dobut jusqu'ä la fin, sans rien garder pour moi Je lui dis qu'Alba est mon unique petit-enfant, que je suis demeure tout seul en ce bas monde, que mon corps et mon äme ont rapetissl ainsi que Vavail prtdit Forula en me maudissant, et que la seule chose a ne pas m'etre encore arrivoe est de crever comme un chien, que cette petite-fille aux cheveux verts est tout ce qui me reste,...
E allora io, ehe stavo aspettando ehe lei me lo chiedesse, diedi stura alle mie ansie e le racontai tutto senza tacere niente, senza una sola pausa, dal principio alia fine. Le dissi ehe Alba era la mia unica nipote, ehe a poco a poco ero rimasto solo a questo mondo, ehe mi si erano ristretti il corpo e l'anima, come Forula aveva predetto maledicendomi, e l'unica cosa ehe mi manca e di morire come un cane, ehe quella nipote con i capelli verdi l'uncia cosa ehe mi rimane,...
Beide Texte unterscheiden sich hinsichtlich der Markierung der indirekten Rede nicht vom spanischen Originaltext: Verbum dicendi + (wiederholt gebrauchte) Konjunktion, beides Merkmale, die wir auch im Deutschen haben. Die vom Lateinischen her zu erwartende Consecutio temporum ist lediglich im Italienischen anfänglich durchgeführt, im Französischen stehen die Verben der indirekten Rede wie schon im spanischen Originaltext im Präsens bzw. dem präsentischen Pasado compuesto/Passe composo, obwohl das übergeordnete Verbum dicendi im Pasado indefinido/Passe simple steht und folglich ein Tempus der Vergangenheit erwarten ließe. Im Italienischen 'funktioniert' diese Regel einleitend, aber nach dem nicht unmittelbar zur indirekten Rede gehörenden Einschub, come Ferula aveva predetto maledicendomi, geht auch der italienische Übersetzer zum Präsens über: e l'unica cosa ehe mi manca e di morire come un cane, ehe quella nipote con i capelli verdi e l'unica cosa ehe mi rimane. Wie schon im spanischen Original stößt auch in diesen beiden romanischen Sprachen das Abweichen von der Consecutio temporum auf ein gewisses Unbehagen bei muttersprachlichen Lesern. Den Übersetzern, dem französischen noch mehr als dem italienischen, kann man dagegen Treue zum Original bestätigen, da sie dessen Abweichen von der "nornTalerweise erwarteten Konstruktion nachvollziehen. 3. Wie aber soll man bei einer sprachwissenschaftlichen Analyse ein solches Abweichen von einer Norm, wie schwach oder stark deren Druck auch sein mag, beurteilen? Liegt hier eine regionale (chilenische) Variante des Spanischen vor? Weicht die Autorin bewußt von der Norm ab? Aber welches Ziel verfolgt sie dann? Leider konnte ich auch von den befragten Muttersprachlern (alle aus Spanien) hierauf keine Antwort bekommen. Und wie soll sich der Übersetzer in einer solchen Situation verhalten? Unser Beispiel enthält unterschiedliche Lösungen: vollständige (Französisch) oder teilweise (Italie-
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nisch) Übernahme der Loslösung von der Norm, verbunden mit einem Abweichen von der Norm auch in der Zielsprache; oder Befolgung der Norm wie in der deutschen Übersetzung, wobei allerdings andere Kriterien zugrundeliegen. Ist in diesem Fall aber die Vorlage noch angemessen wiedergegeben? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist kaum möglich, und sie wird vermutlich je nach Übersetzer, übersetztem Text usw. verschieden ausfallen. Wir begnügen uns deswegen hier mit dem Hinweis auf dieses Problem, verzichten aber auf eine weitere Diskussion. Trotz dieser Problematik bleiben solche Texte für sprachwissenschaftliche Untersuchungen interessant - oder werden es vielleicht gerade deswegen. 4. Der gesamte Bericht Esteban Truebas umfaßt im spanischen Text fast drei Seiten, in der deutschen Übersetzung vier, vor allem da die Anzahl der Zeilen pro Seite geringer ist. Im Spanischen verwischt allmählich die Grenze zwischen indirekter und direkter Rede, da im weiteren Verlauf keine Verba dicendi mehr auftreten und die redeeinleitende Konjunktion nicht mehr wiederholt wird, so daß an die Stelle abhängiger Sätze unabhängige (Haupt-)Sätz treten. Im Deutschen bleibt der Übersetzer dagegen konsequent bis etwa zur Hälfte des Textes bei der durch den Konjunktiv I als solcher markierten indirekten Rede, auch wenn er dabei entsprechend der Vorlage zu Hauptsatzkonstruktionen übergeht. Dann ist er jedoch gezwungen, zur auch als solcher markierten direkten Rede überzuwechseln: ...fiti el primero en aplaudirlo, estuve presente en el Te Deum de la catedral, y por lo mismo no puedo aceptar que esten ocumendo estas cosas en mi patria, que desaparezca la gente, que saquen a mi nieta de la casa a viva fuerza y yo no pueda impedirlo, nunca habian pasado cosas asi aqui, por eso, justamente por eso, es que he tenido que venir a hablar con usjgd, Transite, nunca me ima&ne [...] que algun dia tendria que venir a suplicarle de rodillas que me haga este favor, que me ayude a encontrar a mi nieta, me atrevo a pedir§glo porque que tiene buenas relaciones con el gobierno..
... ich, der ich als erster Beifall geklatscht hätte und zum Tedeum in die Kathedrale gegangen sei, und eben deshalb könne ich nicht akzeptieren, daß in meinem Vaterland solche Dinge geschehen, daß Leute verschwinden, daß sie meine Enkelin gewaltsam aus dem Haus holen, ohne daß ich es verhindern kann, solche Dinge seien hier noch nie passiert, und deshalb, genau deshalb "mußte ich kommen und mit Ihnen. Transite, sprechen, nie hätte ich mir [...] träumen lassen, daß ich eines Tages kommen und §ie kniefällig bitten würde, mir diesen Gefallen zu tun und mir zu helfen, meine Enkelin wiederzufinden, ich wage es, Sig darum zu bitten, weil ich weiß, daß Sie gute Beziehungen zur Regierung haben,...
Der Übergang zur direkten Rede, die bis zum Ende von Esteban Truebas Bericht verwendet wird und die durch die Anführungszeichen zusätzlich optisch gekennzeichnet ist, geschieht in der deutsche Übersetzung nicht ohne Veranlassung in der spanischen Vorlage, denn auch hier erfolgt an dieser Stelle, in der Sprache allerdings kaum markiert, der Übergang zur direkten Rede. Aus nur zwei Wörtern wird dieser Übergang deutlich: dem Anredepronomen usted und der folgenden Nennung des Namens der angesproche-
Zur mittelbaren Redewiedergabe im Romanischen und im Deutschen ...
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nen, Transite. Bereits die folgenden beiden Personalpronomina (suplicarl& pedirsejo) zeigen keinen Unterschied zu den in der indirekten Rede hier zu erwartenden Formen. Im Deutschen ist der Übergang dagegen mehrfach markiert und wirkt in dieser Stärke unerwartet deutlich: solche Dinge seien hier noch nie passiert, und deshalb, genau deshalb, "mußte ich kommen ... . Er wird im folgenden durch die Verbformen (die Anrede in der 3. Pers. Plur. tritt an die Stelle der 3. Pers. Sing, in der indirekten Rede), wie auch die Großschreibung des Anredepronomens bestätigt. Es zeigt sich damit, daß die indirekte Rede im Deutschen qualitativ (durch eigene Verbformen) wie quantitativ (durch mehrfache Markierung) wesentlich stärker von der direkten Rede abgegrenzt ist als im Spanischen bzw. in den romanischen Sprachen. Dies zwingt einerseits zur eindeutigeren Zuordnung, vor allem in der geschriebenen Sprache, ist andererseits vielleicht aber auch verantwortlich für den Rückgang dieses Modus im Deutschen und für die Unsicherheiten hinsichtlich seiner korrekten Form und richtigen Anwendung. Über die Analyse der indirekten Rede hinausgehend verdient dieser Textausschnitt noch eine weitere Kommentierung zum Modusgebrauch im Deutschen und Spanischen (Romanischen), die hier genau entgegengesetzt ist: Das Deutsche verwendet den Konjunktiv I zur Markierung der indirekten Rede, während das Spanische hier ohne Unterschied zur direkten Rede den Indikativ gebraucht. Dafür verwendet es dann den Konjunktiv in den von no puedo aceptar abhängigen Objektsätzen: que esten ocurriendo, que desaparezca, que saquen [...] y yo no pueda impedirlo, während wir im Deutschen das übergeordnete Verb im Konjunktiv I (der indirekten Rede) haben: deshalb könne ich nicht akzeptieren, die von ihm abhängigen Objektsätze aber im Indikativ stehen, d.h. die Semantik des übergeordneten Verbs hat im Gegensatz zum Spanischen keinen Einfluß auf sie: daß solche Dinge geschehen, daß Leute verschwinden, daß sie [...] holen, ohne daß ich es verhindern kann.
5. Den Abschluß des Vergleichs soll wieder ein Blick auf diesen Textausschnitt im Französischen und Italienischen bilden: ... moi qui m le premier ä y applaudir, qui ai assisto au Te Deum ä la cathodrale, et qui pour cette raison ne peux pas accepter que des choses comme ca sepassent dans ma patrie, que les gens disparaissent, qu'on enteve de force ma petite-fille de chez moi sans que'fypuisse rien, jamais qu'on a'avait vu des choses pareilles chez nous, et c'est pour ca que je n'ai pas pu m'empecher de venir vous parier, Transite, jamais je n'aurais imagini [...] qu'un jour il mefaudrait venir vous supplier a genoux de me rendre ce service, de m'aider ä retrouver ma petite-fille, je mepermets de vous le demander, sachant que vous avez de bonnes relations avec le gouvernement..
... sono stato il primo ad applaudirlo, sono stato presente al Te Deum nella cattedrale, e per stesso motivo non posso accettare ehe stiano succedendo queste cose nella mia patria, ehe scompaia la gente, ehe tirino fuori a viva forza mia nipote dalla casa e io non possa impedirlo, non erano mai successe cose simili qui, per questo, proprio per questo, ho dovuto venire a parlare con lei, Transite, non mi erano mai immaginato [...] ehe un giorno avrei dovuto venire a supplicarla in ginocchio ehe mi faccia questo favore, ehe mi ahtti a trovare mia nipote, oso chiederglielo percho so ehe ha buoni rapporti col governo ...
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Auch hier wird der Übergang zur direkten Rede lediglich durch die entsprechenden Personalpronomina und die Nennung des Namens angezeigt. In der Konjunktiwerwendung stimmen das Französische und Italienische mit dem Spanischen überein, wobei die Einschränkung gilt, daß der Subjonctif im Französischen weitgehend formengleich mit dem Indicatif ist und deswegen nicht eindeutig als solcher erkannt werden kann; lediglich puisse ist eindeutig als Subjonctifform identifizierbar. Hinsichtlich der Tempuswahl fällt das Pasado indefinido im Spanischen auf, denn es unterscheidet sich von zusammengesetzten Perfekt im Französischen und Italienischen: fui, estuve vs. ai ete, ai assiste / sono stato, sono stalo. Das Spanische zeigt sich in der Tempusverwendung offensichtlich "konservativer" als die anderen beiden Sprachen. Schließlich ist noch die folgende Passage für die Verwendung des Konditional von Interesse, wobei zusätzlich jede Sprache hier eine andere (sprachspezifische) Lösung anbietet: S: nunca me imapno [...] que algun dia tendria que venir a suplicarle I: non mi erano mai immaginato [...] ehe un giorno avrei dovuto venire a supplicarla F: jamais je n'aurais imagine [...] qu'un jour il me faudrait venir vous supplier D: nie hätte ich mir [...] träumen lassen, daß ich eines Tages kommen und Sie kniefällig bitten würde
Hier betonen das Französische und das Deutsche die Irrealität durch die Verwendung des Konditionals bzw. des Konjunktiv II; der Indikativ erscheint in beiden Sprachen durchaus möglich, ohne den Sinnzusammenhang zu verändern. Das Spanische und Italienische unterscheiden sich ihrerseits in der Wahl des Tempus des Indikativs: Pasado indefinido vs. Plusquamperfekt. Im abhängigen Satz folgen dann die drei romanischen Sprachen den Regeln der Consecutio temporum und verwenden das Konditional, wobei das Italienische das zusammengesetzte Konditional der Vergangenheit setzt. Die deutsche würde-Form paßt nur äußerlich, formal dazu, da hier keine Consecutio temporum gilt. Sie läßt sich doppelt interpretieren, entweder als Ersatzform für einen mit dem Indikativ formengleichen Konjunktiv I der indirekten Rede werde, oder als Weiterführung des übergeordneten Irrealis.
Literatur Allende, lsabel (1982, ^1988): La casa de los espiritus. - Barcelona: Plaza & Janes, 366-368. - (1984): La maison aux esprits. - trad, par Claude et Carmen Durand, Paris: Fayard, LP 6143,1989,577581. 1 - (1983, 1991): La casa degli spiriti. - trad, di Angelo Morino e Sonia Piloto di Castri, Milano: Feltrinelli, 351-353. - (1984): Das Geisterhaus. - übers, von Anneliese Botond, Frankfurt: Suhrkamp, 484-488. Wir verzichten auf die Angabe von Sekundärliteratur. Zur Information über die indirekte Rede (mittelbare Redewiedergabe) sei auf die entsprechenden Abschnitte in den Grammatiken und Sprachbeschreibungen verwiesen.