Strafgesetzbuch: Lehrkommentar mit Erläuterungen und Beispielen sowie den wichtigsten Nebengesetzen und je einem Anhang über Jugendstrafrecht, Jugendschutz und Strafprozeßrecht [Reprint 2020 ed.] 9783112311592, 9783112300329


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German Pages 732 [743] Year 1970

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Strafgesetzbuch: Lehrkommentar mit Erläuterungen und Beispielen sowie den wichtigsten Nebengesetzen und je einem Anhang über Jugendstrafrecht, Jugendschutz und Strafprozeßrecht [Reprint 2020 ed.]
 9783112311592, 9783112300329

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Petters-Preisendanz Strafgesetzbuch 26. Auflage

Petters-Preisendanz

Strafgesetzbuch Lehrkommentar mit Erläuterungen und Beispielen sowie den wichtigsten Nebengesetzen und je einem Anhang über Jugendstrafrecht, Jugendschutz und Strafprozeßrecht

26., völlig neu überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage von

HOLGER P R E I S E N D A N Z Erster Staatsanwalt in Heidelberg

1970

J. Schweitzer Verlag Berlin

Satz, Druck und Bindearbeiten: Druckhaus Sellier OHG Freising vormals Dr. F . P. Datterer & Cie. Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Fotokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort zur 26. Auflage Die durchweg positiven Besprechungen und Leserzuschriften haben gezeigt, daß der in der Vorauf]age eingeschlagene Weg, das früher nur äußerst knapp kommentierte Erläuterungsbuch in einen echten Lehrkommentar umzugestalten, dem Werk viele neue Freunde gewonnen hat. In der jetzt vorliegenden Neuauflage wurde diese Entwicklung in verstärktem Maße fortgeführt. Um sowohl dem Praktiker als auch dem Studierenden das erforderliche Rüstzeug in die Hand zu geben, wurden Rechtsprechung und Schrifttum noch mehr als bisher berücksichtigt. Sämtliche Änderungen erfolgten dabei in dem Bestreben, einerseits alle für Studium und Praxis wichtigen Fragen nicht nur zu streifen, sondern einer wissenschaftlich fundierten und praxisgerechten Lösung zuzuführen, andererseits aber unter Verzicht auf Vollständigkeit unnötigen Ballast zu vermeiden. Als Praktiker, der zugleich seit nunmehr 15 Jahren in der Ausbildung des juristischen Nachwuchses tätig ist, hoffe ich, hierbei die richtige Synthese gefunden zu haben. Ich möchte an dieser Stelle auch nicht versäumen, all denen zu danken, die mir in den letzten Monaten Anregungen für die Gestaltung der Neuauflage gegeben haben. Mein Dank gilt besonders Herrn Oberamtsanwalt Buchert, der den Anhang betreut hat, und Herrn Gerichtsreferendar Brümmer, der bei der Überarbeitung des Allgemeinen Teils wertvolle Hilfe geleistet hat. Der Kommentar gibt den Rechtszustand vom 1. 4. 1970 wieder. Das Übergangsrecht für die Zeit bis zum 31. 3. 1970 wurde auszugsweise im Anhang aufgenommen. Im Anhang befinden sich außerdem — wie bisher — eine kurzgefaßte Darstellung des Jugendstrafrechts und des Strafprozeßrechts sowie verschiedene Nebengesetze. Um dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich schon jetzt mit dem am 1. 10. 1973 in Kraft tretenden 2. StrRG vertraut zu machen, wurde dieses ebenfalls im Anhang abgedruckt. Heidelberg, im November 1969 Holger Preisendanz

Inhalt Vorwort Abkürzungsverzeichnis

V XII

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil A. Einleitung I . D a s V e r b r e c h e n u n d s e i n e F o l g e n (allg. Grundsätze) 1. Die Schutzfunktion des Strafrechts 2. Der Verbrechensbegriff 3. Die Aufgabe der gesetzlichen Tatbestände 4. Die Aufgabe des Strafrechts 5. Die Kriminalstrafe 6. Die Maßregeln der Sicherung und Besserung II. Die gesetzlichen Grundlagen 1. Das Strafgesetzbuch 2. Die Novellen 3. Die strafrechtlichen Nebengesetze 4. Die Gliederung des Strafgesetzbuchs

.

B. Die strafbare Handlung I. D i e E i n t e i l u n g der s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n 1. Die Dreiteilung nach der Strafdrohung 2. Begehungs- und Unterlassungsdelikte 3. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte 4. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte 5. Die erfolgsqualifizierten Delikte 6. Die eigenhändigen Delikte 7. Die Sonderdelikte 8. Offizial- und Antragsdelikte 9. Die Privatklagedelikte II. Der Verbrechensaufbau 1. Die Verbrechenselemente 2. Die persönlichen Strafausschließungsgründe 3. Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen 4. Die Verfahrenshindernisse III. Der Handlungsbegriff 1. Die Handlung als Willensbetätigung 2. Verhaltensweisen, die nicht zu den Handlungen gehören . . . IV. Der K a u s a l z u s a m m e n h a n g 1. Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs 2. Die Bestimmung des Kausalzusammenhangs nach der Äquivalenztheorie 3. Besonderheiten bei den unechten Unterlassungsdelikten und bei den Fahrlässigkeitsdelikten 4. Atypische Geschehnisabläufe

1 1 1 1 1 2 2 4 4 4 4 6 6 7 7 7 7 7 8 8 8 9 9 10 10 10 10 11 11 11 10 12 13 13 13 14 14

VII

Inhalt V. D i e T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t 1. Begriff 2. Der objektive Tatbestand 3. Der subjektive Tatbestand VI. D i e R e c h t s w i d r i g k e i t 1. Die Indizwirkung des Tatbestands 2. Die offenen Tatbestände 3. Das System der Rechtfertigungsgründe 4. Übersicht über die wichtigsten Rechtfertigungsgründe 5. Gemeinsame Regeln für alle Rechtfertigungsgründe VII. D i e S c h u l d 1. Das Wesen der Schuld 2. Die einzelnen Schuldelemente 3. Gemeinsame Regeln für alle Schuldausschließungsgründe . . . C. Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens I. D i e u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e 1. Begriff und Abgrenzung 2. Die Bedeutung der Garantenstellung 3. Die Garantenstellung im einzelnen 4. Die Kausalitätsprüfung 5. Der Aufbau der unechten Unterlassungsdelikte 6. Die Behandlung der Irrtumsprobleme II. D i e F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e 1. Begriff und Abgrenzung 2. Der Aufbau der Fahrlässigkeitstat 3. Die Kausalitätsprüfung

15 15 15 15 18 18 19 20 20 21 22 22 23 24 25 25 25 26 27 33 33 34 35 35 36 37

D. Die persönlichen Strafausschließungsgründe 1. Begriff und Abgrenzung 2. Übersicht 3. Die fakultativen Strafausschließungsgründe 4. Gemeinsame Regeln 5. Behandlung im Prozeß

38 38 38 39 39 39

E . Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen 1. Begriff und Wesen 2. Übersicht 3. Gemeinsame Regeln 4. Behandlung im Prozeß

40 40 40 41 41

F . Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse 1. Begriff und Wesen 2. Die Prozeßvoraussetzungen 3. Die Prozeßhindemisse 4. Gemeinsame Regeln 5. Behandlung im Prozeß

41 41 42 42 42 43

G. Die einzelnen Verbrechensabschnitte (Übersicht)

43

H . Täterschaft und Teilnahme I. B e g r i f f u n d A b g r e n z u n g 1. Die einzelnen Teilnahmeformen

44 44 44

VIII

Inhalt 2. Der Täterbegriff 3. Einzelheiten und Beispiele

44 45

II. Die mittelbare T ä t e r s c h a f t 1. 2. 3. 4. 5.

Begriff Das Verhältnis zur Anstiftung Die einzelnen Fälle der mittelbaren Täterschaft Ausschluß der mittelbaren Täterschaft Der Versuch der mittelbaren Täterschaft

1. 2. 3. 4. 6.

Begriff Die sog. limitierte Akzessorietät Die Bedeutung von § 50 Abs. 2 Die Bedeutung von § 50 Abs. 3 Die versuchte Teilnahme

47

47 47 47 50 51

III. Die M i t t ä t e r s c h a f t IV. D i e N e b e n t ä t e r s c h a f t V. D i e A k z e s s o r i e t ä t v o n T ä t e r s c h a f t und T e i l n a h m e .

51 52 52

VI. Die notwendige T e i l n a h m e

59

1. Begriff und Problemstellung 2. Grundsatz 3. Ausnahmen

59 60 61

J . Die Lehre von der Konkurrenz I . H a n d l u n g s e i n h e i t und H a n d l u n g s m e h r h e i t

62 62

1. Handlungseinheit 2. Handlungsmehrheit

62 63

I I . I d e a l k o n k u r r e n z und R e a l k o n k u r r e n z

63

1. Idealkonkurrenz 2. Realkonkurrenz 3. Terminologie

63 64 64

III. Die sogenannte Gesetzeskonkurrenz

1. Begriff 2. Die einzelnen Erscheinungsformen der Gesetzeskonkurrenz

IV. D i e f o r t g e s e t z t e T a t

64 . .

1. Begriff 2. Voraussetzungen 3. Rechtsfolgen

V. D a s D a u e r d e l i k t

Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich

Einleitende Bestimmungen (§§ 1—12)

1. Abschnitt. la. Abschnitt. 2. Abschnitt. 3. Abschnitt. 4. Abschnitt. 5. Abschnitt.

Erster Teil Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen im allgemeinen Strafen (§§ 13—42) Maßregeln der Sicherung und Besserung (§§ 42a—42p) Versuch (§§ 43—46a) Teilnahme (§§ 47—50a) Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern (§§ 51—72) Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen (§§ 7 3 — 7 7 )

52 53 55 57 59

64 64

69 69 69 71

73

75

83 124 141 153 165 198

IX

Inhalt Zweiter Teil Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen und deren Bestrafung 1. Abschnitt. Friedensverrat, Hochverrat u n d Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats (§§ 80—92b) 2. Abschnitt. Landesverrat u n d Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§93—101a) 3. Abschnitt. Handlungen gegen ausländische Staaten (§§ 102—104b) 4. Abschnitt. S t r a f t a t e n gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen u n d Abstimmungen (§§ 105—108d) 5. Abschnitt. Schutz der Landesverteidigung (§§ 109—109k) . . . . 6. Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 110—122b) . . 7. Abschnitt. Verbrechen u n d Vergehen wider die öffentliche Ordnimg (§§ 123—145d) 8. Abschnitt. Münzverbrechen u n d Münzvergehen (§§ 146—152) . . 9. Abschnitt. Falsche uneidliche Aussage u n d Meineid (§§ 153—163) 10. Abschnitt. Falsche Anschuldigung (§§ 164—165) 11. Abschnitt. Vergehen, welche sich auf Religion u n d Weltanschauung beziehen (§§ 166—168) 12. Abschnitt. S t r a f t a t e n gegen den Personenstand, die E h e u n d die Familie (§§ 169—171) 13. Abschnitt. Verbrechen u n d Vergehen wider die Sittlichkeit (§§ 173—184b) 14. Abschnitt. Beleidigung (§§ 185—200) 15. Abschnitt. Zweikampf (aufgehoben) 16. Abschnitt. Verbrechen u n d Vergehen wider das Leben (§§211—222) 17. Abschnitt. Körperverletzung (§§ 223—233) 18. Abschnitt. Verbrechen u n d Vergehen wider die persönliche Freiheit (§§ 234—241a) 19. Abschnitt. Diebstahl u n d Unterschlagung (§§ 242—248c) . . . . 20. Abschnitt. R a u b u n d Erpressimg (§§ 249—256) 21. Abschnitt. Begünstigung u n d Hehlerei (§§ 257—262) 22. Abschnitt. Betrug u n d Untreue (§§ 263—266) 23. Abschnitt. Urkundenfälschung (§§ 267—281) 24. Abschnitt. Bankerott (§§ 239—244 KO) 25. Abschnitt. Strafbarer Eigennutz u n d Verletzung fremder Geheimnisse (§§ 284^-302 e) 26. Abschnitt. Sachbeschädigung (§§ 303—305) 27. Abschnitt. Gemeingefährliche Verbrechen u n d Vergehen (§§ 306—330c) 28. Abschnitt. Verbrechen u n d Vergehen im A m t (§§ 331—359) . . . 29. Abschnitt. Übertretungen (§§ 360—370)

206 226 236 238 242 248 262 285 289 300 302 307 313 334 348 348 365 380 393 420 429 441 457 474 475 494 497 527 556

Anhang 1: Jugendstrafrecht und Jugendschutz A. Jugendgerichtsgesetz B. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit C. Gesetz über Verbreitung jugendgefährdender Schriften

573 573 577 580

Anhang 2: Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Auszug) Anhang 3: Wehrstrafgesetz

582 585

X

Inhalt Anhang 4: Strafprozeßrecht A. Wesen und Quellen des Strafprozesses B. Die sachliche Zuständigkeit C. Die örtliche Zuständigkeit D . Die am Strafverfahren beteiligten Personen I . Der Richter I I . Der Staatsanwalt und die Polizeibeamten I I I . Der Beschuldigte IV. Der Verteidiger V. Der Zeuge VI. Der Sachverständige E. Die sachlichen Beweismittel I . Die Urkunde I I . Der Augenschein F. Die Zwangsmittel im Strafverfahren I . Die Untersuchungshaft I I . Einstweilige Unterbringung I I I . Die vorläufige Festnahme IV. Die körperliche Untersuchung V. Beschlagnahme VI. Durchsuchung V I I . Sonstige Freiheitsbeschränkungen G. Der Verlauf des Strafverfahrens I . Das Vorverfahren I I . Das Zwischenverfahren I I I . Das Hauptverfahren IV. Das Vollstreckungsverfahren H . Berufung, Revision, Beschwerde I . Gemeinsame Grundsätze f ü r Berufung und Revision I I . Berufung I I I . Revision IV. Beschwerde I . Wiederaufnahmeverfahren K . Besondere Verfahren I. Das beschleunigte Verfahren I I . Das Strafbefehlsverfahren I I I . Verfahren bei Strafverfügungen IV. Das Privatklageverfahren V. Die Nebenklage VI. Sicherungsverfahren V I I . Entschädigung des Verletzten L. Auszug aus der Strafprozeßordnung

595 595 597 602 603 603 603 607 608 609 611 611 611 612 613 613 617 617 618 618 619 620 620 620 622 624 625 626 626 626 626 627 628 628 628 629 630 630 631 631 631 632

Anhang 5: Versammlungsgesetz Anhang 6: Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen, Edelsteinen und Perlen (Auszug) Anhang 7: Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen (Auszug) . . Anhang 8: Neufassung des Allg. Teils durch das 2. StrRG Anhang 9: Übergangs- und Schlußvorschriften des 1. StrRG Sachregister

653 659 660 660 696 706

XI

Abkürzungsverzeichnis a. A. a.a.O. AE a. F . AG AktG a. 1. i. c. ÄndG AO AY AVG BA BAnz. BÄO Baumann BayObLG BB BestechVO BGB BGBl. BGH BJagdG BörsG BRD BVerfG BVerfGE BVerfGG DAR Ddf

XII

anderer Ansicht a m angeführten Ort Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuchs, 2. Aufl. 1969 alte Fassung Amtsgericht Aktiengesetz v. 6. 9. 1965 (BGBl. I 1089) actio libera in causa Änderungsgesetz Abgabenordnung Allgemeine Verfügung Angestelltenversicherungsgesetz i. d. F . vom 28. 5. 1924 (RGBl. I 563), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift f ü r medizinische u n d juristische Praxis Bundesanzeiger Bundesärzteordnung v o m 2. 10. 1961 (BGBl. I 1857), ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Baumann, Strafrecht, Allg. Teil, 5. Aufl. 1968 Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebsberater, Zehntagedienst f ü r Wirtschafts-, Steuer-, Arbeits- u n d Sozialrecht Verordnung gegen Bestechung u n d Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen i. d. F . vom 22. 5. 1943 (RGBl. I 351), ÄndG v. 25. 6.1969 (BGBl. I 645) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof; Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, amtliche Sammlung Bundesjagdgesetz i. d. F . vom 30. 3. 1961 (BGBl. I 304), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Börsengesetz i. d. F . vom 27. 5. 1908 (RGBl. 215), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Bundesrepublik Deutschland Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtl. Sammlung Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. 3. 1951 (BGBl. I 243), letztes ÄndG vom 5. 8. 1964 (BGBl. I 593) Deutsches Autorecht Düsseldorf

Abkürzungsverzeichnis DJ DRiZ DRZ DVO DVollzO E 1962 EdelMetG EG EGOWiG EheG ErbGesG FamRZ FE Ffm Frank FV GA GenG GeschlKrG

GewO GG GmbH GVG h. A. Hbg HGB h. L. i. d. F . IdK. i. d. R . i. e. S. i. V. m. JA JGG JMB1NRW JR JuS

Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Bad. - W t t b g . Deutsche Richter-Zeitung Deutsche Rechts-Zeitschrift Durchführungsverordnung Dienst- u n d Vollzugsordnung vom 1. 12. 1961 Entwurf eines Strafgesetzbuchs, 1962 Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen, Edelsteinen u n d Perlen i. d. F . vom 29. 6. 1926 (RGBl. I 321), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503), ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Ehegesetz Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses E h e u n d Familie, Zeitschrift f ü r das ges. Familienrecht Fahrerlaubnisentziehung Frankfurt/M. F r a n k , Das Strafgesetzbuch f ü r das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931 Fahrverbot Goltdammers Archiv f ü r Strafrecht Gesetz betreffend die Erwerbs- u n d Wirtschaftsgenossenschaften Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. 7. 1953 (BGBl. I 700), letztes ÄndG vom 25. 8. 1969 (BGBl. I 1351) Gewerbeordnung Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Ansicht Hamburg Handelsgesetzbuch herrschende Lehre in der Fassung Idealkonkurrenz in der Regel im engeren Sinn in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter f ü r Ausbildung u n d E x a m e n (zitiert nach J a h r , Sachgebiet u n d Seite des Sachgebiets) Jugendgerichtsgesetz Justizministerialblatt für das L a n d Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Juristische Schulung

XIII

Abkürzungsverzeichnis Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung Gesetz über die freiwillige Kastration u n d andere Behandlungsmethoden vom 15. 8. 1969 (BGBl. I 1143) Kammergericht KG K.L. Kohlrausch-Lange, Strafgesetzbuch, 43. Aufl. 1961 KO Konkursordnung KRG Kontrollratsgesetz Lackner-Maassen Lackner-Maassen, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 5. Aufl. 1969 LG Landgericht Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des B G H LM. Maurach, Deutsches Strafrecht, Allg. Teil, 3. Aufl. 1965 Maurach A T Maurach, Deutsches Strafrecht, Bes. Teil, 4. Aufl. 1964 Maurach B T Monatsschrift f ü r Deutsches Recht MDR Mezger-Blei, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 1968 Mezger-Blei A T Mezger-Blei, Strafrecht, Besonderer Teil, 9. Aufl. 1966 Mezger-Blei B T Konvention zum Schutze der Menschenrechte u n d GrundMRK freiheiten vom 4. 11. 1950 Niedersächsische Rechtspflege NdsRpfl. neue Fassung n. F . Neue Juristische Wochenschrift NJW OE Offenbarungseid OGHBZ Oberster Gerichtshof f ü r die britische Zone OHG offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 481) Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) v. PartG 24. 7. 1967 (BGBl. I 773), letztes ÄndG v. 22. 7. 1969 (BGBl. I 925) Gesetz über das Postwesen vom 28. 7. 1969 (BGBl. I 1006) PostG Postordnimg vom 16. 5. 1963 (BGBl. I 341), ÄndO vom PoetO 19. 5. 1964 (BGBl. I 327) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, a m t RG liche Sammlung Reichsgesetzblatt RGBl. Realkonkurrenz RK. Roxin, Täterschaft u n d Tatherrschaft, 2. Aufl. 1967 Roxin Recht in Ost u n d West ROW Reichsversicherungsordnung RVO Schönke - Schröder Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, 14. Aufl. 1969 Schwarz-Dreher, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, Schwarz-Dreher 30. Aufl. 1968 Schwarz-Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 28. Aufl. 1969 Schwarz-Kleinknecht JWG JZ KastrG

XIV

Abkürzungsverzeichnis SprengstG StA Stgt StPÄG StPO str. st. Rspr. StrRÄndG StrRG StraftilgG StrVollstrO StVG StVO StVZO Tb. UnedelMetG UVollzO UWG VereinsG VerkMitt. VerkSichG VO VRS WG Welzel WiStG WStG ZPO ZRP ZStW ZugabeVO zw.

Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) vom 25. 8. 1969 (BGBl. I 1358) Staatsanwalt bzw. Staatsanwaltschaft Stuttgart Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung u n d des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. 12. 1964 (BGBl. 11067) Strafprozeßordnung streitig ständige Rechtsprechung Strafrechtsänderungsgesetz Gesetz zur Reform des Strafrechts Gesetz über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister u n d Tilgung von Strafvermerken vom 9. 4. 1920 (RGBl. 705), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Strafvollstreckungsordnung vom 15.2.1956 (BAnz. Nr. 42) Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrszulassungsordnung Tatbestand Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen vom 23. 7. 1926 (RGBl. I 415), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) Untersuchungshaftvollzugsordnung Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. 6. 1909 (RGBl. 499), letztes ÄndG vom 26. 6. 1969 (BGBl. I 633) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) v. 5. 8. 1964 (BGBl. I 593), letztes ÄndG v. 25. 6. 1968 (BGBl. I 741) Verkehrsrechtliche Mitteilungen Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs Verordnung Verkehrsrechtssammlung Gesetz über den Versicherungsvertrag Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 10. Aufl. 1967 Wirtschaftsstrafgesetz Wehrstrafgesetz i. d. F . vom 1. 9. 1969 (BGBl. I 1502) Zivilprozeßordnung Zeitschrift f ü r Rechtspolitik Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft Verordnung zum Schutze der Wirtschaft vom 9. 3. 1932 (RGBl. I 121), letztes ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) zweifelhaft

XV

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil A. E I N L E I T U N G I. Das Verbrechen und seine Folgen (allgemeine Grundsätze) 1. Das Strafrecht dient, wie auch die übrigen Rechtsgebiete, der Aufgabe, ein geregeltes Zusammenleben der menschlichen Gesellschaft zu ermöglichen. Die besondere Schutzfunktion des Strafrechts erstreckt sich auf die Abwehr von Angriffen auf bestimmte Interessen der Allgemeinheit oder des Einzelnen, die von der Gesellschaftsordnung als besonders schutzwürdig angesehen werden. Diese strafrechtlich geschützten Interessen werden als R e c h t s g ü t e r bezeichnet. 2. Als Verbrechen gilt jede Rechtsgutverletzung, die von einem gesetzlichen Tatbestand erfaßt wird, durch keinen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt ist und dem Täter als schuldhaftes Verhalten zugerechnet werden kann ( V e r b r e c h e n = t a t b e s t a n d s m ä ß i g e , r e c h t s w i d r i g e und schuldhafte Handlung). 3. Aufgabe der gesetzlichen Tatbestände ist es, das als straf bedürftig angesehene Unrecht festzulegen (zu, .typisieren'') und mit einer Strafdrohung auszustatten. Man spricht hier von der sogenannten F u n d a m e n t a l f u n k t i o n des gesetzlichen Tatbestands. Nicht alle Rechtsgutverletzungen, die als Unrecht erscheinen, werden von einem gesetzlichen Tatbestand erfaßt. So gibt es insbesondere auf dem Gebiet des Zivilrechts und hier vor allem im Rahmen schuldrechtlicher Beziehungen unzählige Handlungen, die zwar rechtswidrig sind und unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung (§§ 823ff. BGB), einer positiven Vertragsverletzung, einer Nichterfüllung oder einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff. BGB) zu Schadensersatzansprüchen führen können, aber strafrechtlich nur dann von Bedeutung sind, wenn sie unter den Tatbestand des Betrugs (§ 263), der Untreue (§ 266), der Pfandkehr (§ 289) oder einen anderen Straftatbestand eingeordnet („subsumiert") werden können. Handlungen, die nicht tatbestandsmäßig sind, sind für die strafrechtliche Wertung unerheblich. Sie unterliegen nicht der staatlichen Straf1

Pettera-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

1

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

gewalt. Der Tatbestand erfüllt somit die entscheidende G a r a n t i e f u n k t i o n , die zu den Grundlagen jedes rechtsstaatlichen Denkens gehört und die auch das G r u n d g e s e t z verlangt, wenn es in Art. 103 Abs. 2 die Forderung aufstellt, daß eine Tat nur dann bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. 4. Aufgabe des Strafrechts ist es, den durch die Straftat gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen und die Begehung künftiger Straftaten zu verhindern. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat die Rechtsordnung dem Strafrecht s p e z i f i s c h e M a c h t m i t t e l zugewiesen: die Strafe und die sog. Maßregeln der Sicherung und Besserung (sog. z w e i s p u r i g e s S y s t e m ) . Für die Strafe ist das Verbrechen R e c h t s g r u n d , für die Maßregeln dagegen nur gesetzlicher A n l a ß der Anwendung (vgl. Maurach AT 48). Die Maßregeln treten teils neben die Strafe, teils an ihre Stelle (vgl. z.B. § 42b Abs. 1 und Abs. 2). 5. Die Kriminalstrafe als repressive Maßnahme belastet den Täter nach dem Grad seiner Schuld und kommt daher nur als Rechtsfolge einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Tat in Betracht. a) A u f g a b e d e r S t r a f e ist es, das Unrecht der Tat zu sühnen und den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (sog. Spez i a l p r ä v e n t i o n ) . Der letztgenannte Zweck wird in der Regel am besten dadurch erreicht, daß eine Strafe gefunden wird, durch die der abgeglittene Täter wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden kann (sog. R e s o z i a l i s i e r u n g ) . Kurzfristige Freiheitsstrafen erreichen den gewünschten ResozialisierungsefFekt nur selten. Ihr Anwendungsbereich wurde daher durch das 1. StrRG in § 14 erheblich eingeschränkt. Nach den bisherigen Erfahrungen des Strafvollzugs ist es nur bei längeren Freiheitsstrafen möglich, den sozial abgeglittenen Täter durch eine gezielte sozialpädagogische Behandlung wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Bei Gelegenheitstätern, die noch nicht als sozial abgeglitten erscheinen, dürfte grundsätzlich eine angemessene Geldstrafe den erstrebten Abschreckungseffekt erreichen and bei Straftaten, deren Unrechtsund Schuldgehalt nicht allzu schwer wiegt, auch eine ausreichende Sühne darstellen (sog. D e n k z e t t e l f u n k t i o n der Geldstrafe). In diesen Fällen könnte eine Freiheitsstrafe u.U. sogar eine entsozialisierende Wirkung erzielen, was dem neuen § 13 Abs. 1 Satz 2 zuwiderlaufen würde und schon deshalb zu vermeiden ist. Andererseits gibt es auch Straftaten, die in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt so schwerwiegend sind, daß auch bei Gelegenheitstätern eine Geldstrafe nicht mehr in Betracht kommen kann. Freiheitsstrafen unter 6 Monaten sollen allerdings nur ausnahmsweise ausgesprochen und dann, wenn irgend möglich, zur Bewährung ausgesetzt werden (siehe hierzu die Ausführungen zu §§ 14, 23). 2

Einleitung

Neben den bereits erörterten Strafzwecken (Spezialprävention, Resozialisierungseffekt und Denkzettelfunktion) kann es zur V e r t e i d i g u n g d e r R e c h t s o r d n u n g unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich sein, auch g e n e r a l p r ä v e n t i v e E r w ä g u n g e n zu beachten. Diese können es gebieten, eine Strafe auszusprechen, die so empfindlich ist, daß sie in sozial besonders gefährdeten Kreisen Beachtung findet und in der Lage ist, potentielle weitere Täter von Straftaten dieser oder ähnlicher Art abzuhalten. Generalpräventive Erwägungen werden vor allem dort im Vordergrund stehen, wo ein bestimmtes Delikt in einer für die Allgemeinheit unerträglichen Weise überhand nimmt, wie dies z.B. bei Fahrzeugdiebstählen und bei Trunkenheit am Steuer zu beklagen ist. Aber auch bei Gewalttätigkeiten jeder Art kann die Verteidigung der Rechtsordnung es gebieten, Strafen auszusprechen, die allgemein beeindrucken. Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 festgelegte S c h u l d p r i n z i p darf allerdings auch in diesen Fällen nicht verletzt werden. Die Strafe muß in erster Linie Schuldstrafe bleiben. Eine Überschreitung des schuldangemessenen Strafmaßes aus Gründen der Generalprävention ist schlechthin unzulässig (so schon BGH 20, 266 auf der Grundlage des bisherigen Rechts). Zu beachten ist ferner, daß generalpräventive Erwägungen überall dort verfehlt sind, wo wegen der besonderen Fallgestaltung eine abschreckende Wirkung auf Dritte psychologisch gar nicht erwartet werden kann (vgl. BGH J R 69, 187 m. Anm. Koffka betr. eine Mutter, die aus Verzweiflung zusammen mit ihrem Kleinkind aus dem Leben scheiden wollte und den Gashahn öffnete, wobei dann allerdings nur das Kind getötet wurde, während sie selbst gerettet werden konnte). Aber auch in den Fällen, in denen die Verteidigung der Rechtsordnung aus generalpräventiven Erwägungen eine eindrucksvolle Bestrafung des Täters erfordert, wird der Richter genau abzuwägen haben, ob er im Rahmen des ihm eingeräumten Spielraums (sog. S p i e l r a u m t h e o r i e , vgl. BGH 20, 266) bei der Strafzumessung an die obere Grenze der schuldangemessenen Strafe geht oder ob er — was durchaus möglich ist, vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 —• im Interesse der Resozialisierung oder aus einer anderen spezialpräventiven Erwägung nur eine verhältnismäßig milde Strafe verhängt. Aus dem Schrifttum siehe besonders Bruns, Strafzumessungsrecht, Allg. Teil, 1967. b) Innerhalb der Kriminalstrafe sind H a u p t - u n d N e b e n s t r a f e n zu unterscheiden. Die Hauptstrafen (seit dem 1. StrRG nur noch die einheitliche Freiheitsstrafe und Geldstrafe) können für sich allein, die Nebenstrafen (z.B. Einziehung eines Tatwerkzeugs) dagegen nur ergänzend neben einer Hauptstrafe ausgesprochen werden. c) Im J u g e n d s t r a f r e c h t hat nur die J u g e n d s t r a f e (§§ 17ff. JGG) den Charakter einer Kriminalstrafe, nicht dagegen die Erziehungsmaßregeln (§§ 9ff. JGG) und die Zuchtmittel (§§ 13ff. JGG). 3

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

d) Nicht zu den Kriminalstrafen gehören die D i s z i p l i n a r s t r a f e n sowie die G e l d b u ß e n nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Der Zweck der Geldbuße besteht darin, eine bestimmte Ordnung durchzusetzen und denjenigen, der gegen diese Ordnung verstößt, nachhaltig und spürbar darauf hinzuweisen, daß er die zum Schutz der Ordnung erlassenen Gebote und Verbote zu beachten hat. Den gleichen Zweck verfolgt auch das durch das OWiG 1968 eingeführte V e r w a r n u n g s geld, das an die Stelle der früheren gebührenpflichtigen Verwarnung getreten ist (vgl. Bode DAR 69, 57f.). 6. Die Maßregeln der Sicherung und Besserung, zu denen neben den in §42a genannten noch die Polizeiaufsicht (§§38, 39), die Unbrauchbarmachung (§41 Abs. 1 S. 2) und die Einziehung täterfremder Gegenstände nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 gehören, dienen nicht der Sühne für das begangene Verbrechen, sondern haben rein vorbeugenden (präventiven) Charakter. (Einzelheiten siehe Vorbemerkungen zu §42a.)

II. Die gesetzlichen Grundlagen 1. G r u n d l a g e des m a t e r i e l l e n S t r a f r e c h t s ist das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. 5. 1871. in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.9. 1969. Das ursprüngliche Gesetz ist im Laufe der Jahrzehnte durch zahlreiche N o v e l l e n geändert und erweitert worden. 2. Zu den wichtigsten Novellen gehören: a) das JugendgerichtsG v. 16. 2. 1923, b) die VO über Vermögensstrafen und Bußen v. 6. 2. 1924, c) das sog. G e w o h n h e i t s v e r b r e c h e r g e s e t z vom 24. 11. 1933, durch das vor allem die bereits oben erwähnten Maßregeln der Sicherung und Besserung eingeführt wurden, unter ihnen die gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher gerichtete Sicherungsverwahrung (§42e). Mit § 330 a (Vollrausch) wurde damals noch eine weitere wichtige Bestimmung geschaffen, die aus der heutigen Strafrechtspraxis nicht mehr hinweggedacht werden kann. Andere wesentliche Vorschriften, vor allem die Strafschärfung für gefährliche Gewohnheitsverbrecher nach § 20 a und §245a (Besitz von Diebeswerkzeug), wurden jetzt wieder durch das 1. StrRG (s.u. lit. k) aufgehoben. d) das S t r a f r e c h t s ä n d e r u n g s g e s e t z vom 4. 9. 1941, durch das u.a. die Tötungsdelikte neu gefaßt wurden, 4

Einleitung

e) die sogenannte S t r a f r e c h t s a n g l e i c h u n g s v e r o r d n u n g vom 29. 5. 1943, durch die die Teilnahmebestimmungen geändert wurden, f) das 1. Gesetz zur S i c h e r u n g d e s S t r a ß e n v e r k e h r s vom 19. 12. 1952, durch das u.a. die heute so wichtigen §§ 315aff. (Transport-und Straßenverkehrsgefährdung), § 316 a (Überfall auf Kraftfahrer) und § 42m (Entziehung der Fahrerlaubnis) neu eingeführt wurden; g) das 3. StrRÄndG vom 4. 8. 1953, durch das bis zu den 1969 verabschiedeten Strafrechtsreformgesetzen die umfaßendsten Änderungen seit Bestehen des StGB vorgenommen wurden. Zu den wichtigsten Änderungen gehörte die Neufassung der §§ 23fF. Das Institut der Strafaussetzung zur Bewährung, das bis dahin lediglich eine auf dem Gnadenrecht beruhende Verwaltungseinrichtung war, wurde zu einem Bestandteil des richterlichen Urteilsspruchs umgestaltet. Außerdem wurden durch die Neueinführung des § 56 die sog. erfolgsqualifizierten Delikte dem Schuldprinzip angeglichen. (Siehe hierzu die Ausführungen zu § 56.) Weiter wurden u.a. die Tötungsdelikte, die Bestimmungen über die Abtreibung und das Jugendgerichtsgesetz geändert. h) das 4. StrRÄndG vom 11.6.1957, durch das die Bestimmungen zum Schutz der Landesverteidigung (§§ 109fF.) eingefügt wurden, i) das 2. Gesetz zur S i c h e r u n g d e s S t r a ß e n v e r k e h r s vom 29.11.1964, durch das vor allem die Bestimmungen über Transport- und Straßenverkehrsgefährdung (§§ 315ff.) neu gefaßt wurden. Weitere wesentliche Neuerungen: Anhebung der gesetzlich zulässigen Höchststrafe für Übertretungen von^ bisher DM 150.— auf DM 500.—, Einführung eines kurzfristigen Fahrverbots (§ 37) sowie Änderung der Bestimmungen über die Fahrerlaubnisentziehung (§§42m, 42n), die jetzt auch im Strafbefehlsweg angeordnet werden kann, falls die Sperrfrist die Dauer eines Jahres nicht überschreitet; k) das EGOWiG v. 24. 5. 1968, durch das neben wichtigen Änderungen der StPO (z.B. Neufassung der §§ 467, 467a, 470, 473 und Einfügung der §§ 127a, 132, 268c) und des StVG u.a. auch die Vorschriften über die E i n z i e h u n g (§§ 40ff.) neu gefaßt wurden; 1) das 8. StrRÄndG v. 25. 6. 1968, durch das u.a. die Vorschriften über Hochverrat, Staatsgefährdung und Landesverrat (sog. p o l i t i s c h e s S t r a f r e c h t , §§80ff.) einer grundsätzlichen Neuregelung unterzogen wurden; m) das 1. StrRG vom 25. 6. 1969, durch das teils mit Wirkung vom 1. 9. 1969, teils mit Wirkung vom 1.4. 1970 wesentliche Vorschriften sowohl aus dem Allg. Teil als auch aus dem Bes. Teil des StGB grundlegend geändert wurden. Aus der Vielzahl der Änderungen sind folgende hervorzuheben: Abschaffung der hergebrachten Unterscheidung von 5

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Zuchthaus-, Gefängnis- und Haftstrafe zugunsten einer einheitlichen Freiheitsstrafe; Einschränkung der sozial unerwünschten kurzfristigen Freiheitsstrafe unter gleichzeitiger Erweiterung des Anwendungsbereichs der Geldstrafe (vgl. §§ 14, 15); Neuregelung der Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 23ff.); Neuregelung der Sicherungsverwahrung (§ 42e) unter gleichzeitiger Abschaffung des bisherigen § 20 a (Strafschärfung bei gefährlichen Gewohnheitsverbrechern); Einführung einer allgemeinen Strafschärfung für unbelehrbare Rückfalltäter (§17) unter gleichzeitiger Aufhebung der bisherigen Sonderregelung für Diebstahl, Raub, Hehlerei und Betrug i.R. (§§ 244f., 250 I 5, 261, 264 a.F.); Abschaffung der Arbeitshäuser für Landstreicher, Bettler, Dirnen, Arbeitsscheue usw. (§42d i.V. mit §361); Neufassung der Vorschriften über die Störung des Gottesdienstes usw. (§§ 166ff.); Aufhebung der Strafdrohung für Ehebruch (§ 172 a.F.), einfache gleichgeschlechtliche Unzucht (§ 175a.F.) und Sodomie (§ 175b a.F.) unter gleichzeitiger Änderung der bisherigen §§ 175a, 176 Abs. 1 Nr. 1; Neufassung der Vorschriften über den schweren Diebstahl (§§243f.); Aufhebung der Strafdrohung für den Besitz von Diebesgut (§ 245a a.F.) und Neueinführung einer Strafdrohung für die Herstellung unechter bzw. die Fälschung echter technischer Aufzeichnungen (§ 268); n) das 2. StrRG vom 4. 7. 1969, durch das mit Wirkung vom 1. 10. 1973 der gesamte Allg. Teil des StGB neu gefaßt wurde (vgl. Anhang 8). 3. Weitere Grundlagen des materiellen Strafrechts sind die strafrechtlichen Nebengesetze, z.B. das Straßenverkehrsgesetz (StVG), das Lebensmittelgesetz (LMG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und viele andere. 4. D a s S t r a f g e s e t z b u c h i s t in z w e i H a u p t t e i l e g e g l i e d e r t : a) Der 1. Teil wird üblicherweise als Allgemeiner Teil bezeichnet. Er reicht bis § 77 und bezieht sich auf a l l e S t r a f t a t b e s t ä n d e , also nicht nur auf die des StGB selbst, sondern auch auf die der strafrechtlichen Nebengesetze. Die einleitenden Bestimmungen (§§ 1—12) befassen sich vor allem mit dem A n w e n d u n g s b e r e i c h des Gesetzes. Es folgen die Bestimmungen über die S t r a f e n und ihre Folgen (§§ 13—42), die M a ß r e g e l n d e r S i c h e r u n g u n d B e s s e r u n g (§§42a—42p), die Strafbarkeit des V e r s u c h s (§§ 43—46a), T ä t e r s c h a f t u n d T e i l n a h m e (§§47—50a), die Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sowie die anderen besonderen Gründe, die die S t r a f b a r k e i t a u s s c h l i e ß e n oder m i l d e r n (§§51—72) und schließlich die Vorschriften über das Z u s a m m e n t r e f f e n m e h r e r e r s t r a f b a r e r H a n d l u n g e n (§§ 73—77). b) Der 2. Teil wird üblicherweise als Besonderer Teil bezeichnet. Er enthält die einzelnen Tatbestände mit ihren Strafdrohungen. 6

Die strafbare Handlung

B. D I E S T R A F B A R E

HANDLUNG

I. Die Einteilung der strafbaren Handlungen 1. Die Dreiteilung nach der Strafdrohung Wie bereits in der Einleitung (Abschn. A I 3, S. 1) dargelegt, ist jeder gesetzliche Tatbestand mit einer Strafdrohung ausgestattet. Art und Höhe der Strafdrohung werden durch den Unrechtsgehalt der einzelnen Tatbestände bestimmt. Das Gesetz unterscheidet hierbei in § 1 drei große Gruppen: V e r b r e c h e n , V e r g e h e n und Ü b e r t r e t u n g e n . Einzelheiten siehe die Ausführungen zu § 1. Mit Inkrafttreten des 2. StrRG vom4. 7.1969 (abgedruckt im Anhang 8) wird es nur noch Verbrechen und Vergehen geben. Die Übertretungen werden teils in Vergehen, teils in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt. 2. Begehungs- und Unterlassungsdelikte Neben dieser Einteilung nach der Strafdrohung können die strafbaren Handlungen nach ihrer Begehungsform in B e g e h u n g s - u n d U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e eingeteilt werden. Innerhalb der Unterlassungsdelikte sind die echten und die unechten Unterlassungsdelikte zu unterscheiden. (Einzelheiten s.u. Abschn. C I 1, S. 25). 3. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte a) Von einem Verletzungsdelikt spricht man, wenn zur Tatbestandsverwirklichung der Eintritt eines bestimmten S c h a d e n s erforderlich ist, z.B. die Tötung oder Verletzung eines Menschen in den §§211 ff., 223 ff. oder die Beschädigung einer Sache in § 303. b) Bei den Gefährdungsdelikten ist der Tatbestand schon bei Eintritt einer G e f a h r f ü r d a s g e s c h ü t z t e R e c h t s g u t erfüllt. Innerhalb der Gefährdungsdelikte sind die konkreten von den abstrakten Gefährdungsdelikten zu unterscheiden. Im einzelnen: aa) Bei den k o n k r e t e n G e f ä h r d u n g s d e l i k t e n ist erforderlich, daß durch das Verhalten des Täters eine ganz bestimmte, konkret nachweisbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut eingetreten ist. Hierher gehören z.B. die Aussetzung (§221), die Giftbeibringung (§229), die Herbeiführung einer Brandgefahr (§ 310a), die Überschwemmung (§§ 312—314) sowie die Transport- und Straßenverkehrsgefährdung (§§315, 315a, 315b, 315c). bb) Bei den a b s t r a k t e n G e f ä h r d u n g s d e l i k t e n ist der Nachweis einer konkreten Gefahr im Einzelfall nicht erforderlich. Das Verhalten des Täters wird bereits wegen seiner generellen Gefährlichkeit als solcher 7

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

bestraft. Hierunter fallen u.a. die üble Nachrede (§ 186), der Raufhandel (§ 227), die schwere Brandstiftung (§ 307), die Trunkenheit am Steuer (§ 316), die Brunnenvergiftung (§§ 324, 326) und der Vollrausch (§ 330a). 4. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte Bei den E r f o l g s d e l i k t e n gehört zur Tatbestandsverwirklichung ein durch die Handlung erzielter Erfolg, während bei den Tätigkeitsdelikten (auch s c h l i c h t e T ä t i g k e i t s d e l i k t e genannt) bereits die Handlung als solche den Tatbestand verwirklicht. Die meisten Tatbestände enthalten Erfolgsdelikte. Zu ihnen gehören u.a. die Tötungsdelikte (§§211, 212, 216, 217, 222), die Abtreibung (§ 218), die Körperverletzung (§ 223), Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242, 246), Betrug und Untreue (§§ 263, 266) sowie Raub und räuberische Erpressung (§§ 249, 255). Zu den schlichten Tätigkeitsdelikten gehören demgegenüber Hausfriedensbruch (§ 123), Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 113), Meineid (§ 154) und Blutschande (§ 173). 5. Die erfolgsqualifizierten Delikte Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß durch die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands, des sogenannten Grundtatbestands, ein weiterer, qualifizierender Erfolg eintritt. Dieser besteht entweder in einer schweren Körperverletzung i.S. von § 224 oder im Tod des Opfers. Auf der subjektiven Tatseite ist zu beachten, daß die schwerere Strafe der erfolgsqualifizierten Delikte den Täter nur dann trifft, wenn er den qualifizierenden Erfolg mindestens fahrlässig herbeigeführt hat (vgl. §56). B e i s p i e l : A sticht den B mit einem Messer nieder. Er will ihn hierdurch nur verletzen, nicht töten. Wenn B nun dennoch an den Folgen der ihm zugefügten Verletzungen stirbt, so wird dieser Sonderfall einer vorsätzlichen Körperverletzung durch den Tatbestand des § 226 (Körperverletzung mit Todesfolge) erfaßt. Die gleichfalls verwirklichten Tatbestände der §§ 223 und 222 werden konsumiert (vgl. B G H 8, 54). Weitere Einzelheiten und Beispiele siehe Anm. zu § 56.

6. Die eigenhändigen Delikte Grundsätzlich kann jeder Tatbestand von jedermann verwirklicht werden. Hierbei ist nicht erforderlich, daß der jeweilige Täter den Tatbestand eigenhändig verwirklicht. Er kann ihn unter den Voraussetzungen der sog. mittelbaren Täterschaft (s.u. Abschn. H II, S. 47ff.) auch durch einen anderen verwirklichen lassen. Die Besonderheit der eigenhändigen Delikte besteht darin, daß als Täter nur ganz bestimmte Personen in Betracht kommen und diese alle Tatbestandsmerkmale selbst eigenhändig verwirklichen müssen. 8

Die strafbare Handlung

Zu den eigenhändigen Delikten gehören insbesondere die A u s s a g e d e l i k t e (§§ 153fF.). So kann Täter eines Meineids (§ 154) nur die Aussageperson sein. Weitere Beispiele finden sich unter den Sittlichkeitsdelikten, hier allerdings nur, soweit es sich um sogenannte F l e i s c h e s v e r b r e c h e n handelt, z.B. Blutschande (§ 1731 und gleichgeschlechtliche Unzucht mit Minderjährigen (§ 175 Abs. 1 Nr. 1), nicht dagegen Notzucht (§ 177), da die zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche Gewaltanwendung nicht notwendig von dem vorgenommen werden muß, der den Beischlaf vollzieht. Bei allen eigenhändigen Delikten ist m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t a u s g e s c h l o s s e n . Einen gewissen Ersatz für die fehlende Möglichkeit einer Annahme von mittelbarer Täterschaft schafft bei den Aussagedelikten die Sonderregelung des § 160, die immer dann eingreift, wenn normalerweise die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft gegeben wären. Bei der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1) ersetzt § 271 die fehlende Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft. 7. Die Sonderdelikte Auch bei den Sonderdelikten ist — ähnlich wie bei den eigenhändigen Delikten — der T ä t e r k r e i s b e s c h r ä n k t . Im Unterschied zu den eigenhändigen Delikten ist aber nicht erforderlich, daß derjenige, der als Täter in Betracht kommt, den Tatbestand eigenhändig verwirklicht. Er kann den Tatbestand auch in mittelbarer Täterschaft verwirklichen. So kann ein B e a m t e r , der eine ihm anvertraute Urkunde verfälscht, sich zur Tatausführung eines ihm hörigen Tatmittlers bedienen und dennoch als (mittelbarer) Täter nach § 348 Abs. 2 strafbar sein. Zu den Sonderdelikten gehören insbesondere die A m t s d e l i k t e , und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Amtseigenschaft strafbegründend ist (sog. echte Amtsdelikte) oder ob sie sich strafschärfend auswirkt (sog. unechte Amtsdelikte). Einzelheiten siehe Vorbem. 4 vor § 331. Weiter gehören hierher die u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , bei denen nur der als Täter in Betracht kommt, der eine sogenannte Garantenstellung innehat (s.u. Abschn. C I 1, S. 25if.). A n s t i f t u n g und B e i h i l f e sind auch für solche Personen strafbar, die nicht zu dem beschränkten Personenkreis der Sonderdelikte gehören. Teilnehmer an einem Amtsdelikt kann daher auch ein Nichtbeamter sein, wobei dann allerdings bei den echten Amtsdelikten § 50 Abs. 2 und bei den unechten Amtsdelikten § 50 Abs. 3 zu beachten ist. 8. Offizial- und Antragsdelikte Grundsätzlich werden strafbare Handlungen von Amts wegen, d.h. ohne Rücksicht auf den Willen des Verletzten, verfolgt (sogenannte 9

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Offizialdelikte). Nur in einer geringen Anzahl von Fällen ist die Strafverfolgung von der Stellung eines S t r a f a n t r a g s abhängig (sogenannte Antragsdelikte, siehe die Erläuterungen zu § 61). 9. Die Privatklagedelikte Gemäß § 152 Abs. 1 StPO ist zur Erhebung der öffentlichen Klage grundsätzlich nur die Staatsanwaltschaft berufen (sogenanntes A n k l a g e m o n o p o l d e r S t a a t s a n w a l t s c h a f t ) . Die Besonderheit des Privatklageverfahrens besteht in der Durchbrechung dieses Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft. Gemäß § 374 Abs. 1 StPO hat nämlich der Verletzte bei einem bestimmten Kreis von Delikten die Möglichkeit, ohne vorherige Anrufung der Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen Amtsgericht die Klage selbst zu erheben. Der K r e i s d e r P r i v a t k l a g e d e l i k t e ergibt sich aus § 374 Abs. 1 StPO. Es handelt sich hierbei ausnahmslos um Delikte, die nur in die Privatsphäre des Verletzten eingreifen, nicht auch in die Belange der Allgemeinheit. Hierher gehören insbesondere der H a u s f r i e d e n s b r u c h (§ 123), alle Fälle der B e l e i d i g u n g (§§ 185ff.), soweit nicht eine der in § 197 bezeichneten politischen Körperschaften beleidigt ist, die K ö r p e r v e r l e t z u n g in den Fällen der §§223, 223a und 230 und die S a c h b e s c h ä d i g u n g (§ 303). Es ist zu beachten, daß der K r e i s der P r i v a t k l a g e d e l i k t e mit dem Kreis der A n t r a g s d e l i k t e nicht ident i s c h i s t . Beide Kreise überschneiden sich. Es gibt Privatklagedelikte, die keine Antragsdelikte sind (vgl. §§ 223a, 241); es gibt vor allem aber viele Antragsdelikte, die nicht zugleich Privatklagedelikte sind (vgl. §§ 248a, 264a, 288, 289, 300).

II. Der Verbrechensaufbau 1. Wie bereits in der Einleitung (Abschn. I 2) dargelegt, besteht jedes Verbrechen aus einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung. T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t , Rechtswidrigkeit u n d S c h u l d s i n d in d i e s e r R e i h e n f o l g e zu p r ü f e n . 2. Sind alle Verbrechenselemente gegeben, so ist gegebenenfalls weiter zu prüfen, ob sich der Täter auf einen p e r s ö n l i c h e n S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d (z.B. die Angehörigeneigenschaft beim Diebstahl, §24711) oder einen p e r s ö n l i c h e n S t r a f a u f h e b u n g s g r u n d (z.B. Rücktritt und tätige Reue, § 46) berufen kann. Ist dies der Fall, so entfällt zwar nicht der kriminelle Charakter, wohl aber die Strafbarkeit der Tat (Einzelheiten s. u. Abschn. D, S. 38ff.). 10

Die s t r a f b a r e H a n d l u n g

3. Bei einigen Tatbeständen ist weiter das Vorhandensein einer sogenannten o b j e k t i v e n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g erforderlich. So entfällt die Strafbarkeit wegen übler Nachrede (§ 186), wenn sich für die ehrverletzende Behauptung der Wahrheitsbeweis erbringen läßt (Einzelheiten s.u. Abschn. E, S. 40ff.). 4. Liegt eine strafbare Handlung vor, so ist weiter zu prüfen, ob diese auch verfolgbar ist oder ob der Strafverfolgung sogenannte V e r f a h r e n s h i n d e r n i s s e entgegenstehen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn bei Antragsdelikten der erforderliche Strafantrag fehlt (vgl. § 61) oder wenn die Tat bereits verjährt ist (vgl. § 67). Einzelheiten s.u. Abschn. F, S. 41 ff.

III. Der Handlungsbegriff 1. Primäre Voraussetzung für jede Tatbestandsverwirklichung ist das Vorliegen einer Willensbetätigung. Nur das von einem menschlichen Willen getragene Verhalten kann Grundlage für die strafrechtliche Wertung sein. Dies gilt nicht nur für die vorsätzliche, sondern auch für die fahrlässige Tat. Auch diese resultiert aus einer Willensbetätigung. Im Unterschied zur vorsätzlichen Tat will aber der nur fahrlässig handelnde Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht herbeiführen. Der Unrechtsgehalt der fahrlässigen Tat erschöpft sich darin, daß der Täter die objektiv erforderliche Sorgfalt außer acht läßt und dadurch den Tatbestand verwirklicht. Er tut etwas, was er hätte unterlassen sollen, oder er bleibt untätig, obwohl er hätte tätig werden sollen. B e a c h t e : Der Streit zwischen der sog. k a u s a l e n u n d der sog. f i n a l e n H a n d l u n g s l e h r e ist h e u t e praktisch gegenstandslos, n a c h d e m sich die F r o n t e n d u r c h die wissenschaftliche Diskussion der letzten J a h r e weitgehend angeglichen h a b e n . Die seitens der finalen Handlungslehre so heftig b e k ä m p f t e Ansicht, die t a t b e s t a n d s mäßige H a n d l u n g erschöpfe sich in der Verursachung des t a t b e s t a n d s m ä ß i g e n Erfolgs, w i r d h e u t e in dieser F o r m n i c h t m e h r v e r t r e t e n . Auch die Vertreter des ü b e r k o m m e n e n Handlungsbegriffs stellen h e u t e n i c h t m e h r in Abrede, d a ß j e d e H a n d l u n g insofern f i n a l ist, als ihr ein zweck- u n d zielgerichteter Willensakt z u g r u n d e liegen m u ß (vgl. Schönke-Schröder R n . 27 a vor § 1; Mezger-Blei I 52; B a u m a m i A T 166ff.). K l a r h e i t b e s t e h t inzwischen auch d a r ü b e r , d a ß der t a t b e standsmäßige Erfolg n i c h t Bestandteil der H a n d l u n g , sondern deren Folge ist. Die f r ü h e r geübte K r i t i k der „ F i n a l i s t e n " ist insoweit gegenstandslos geworden. Andererseits h a b e n a u c h die Vertreter der finalen H a n d l u n g s l e h r e die Schwächen ihres Systems, die hauptsächlich im A u f b a u der Fahrlässigkeitstat lagen, e r k a n n t u n d beseitigt. E s k a n n h e u t e a u c h aus der Sicht der „ F i n a l i s t e n " als allgemein a n e r k a n n t angesehen werden, d a ß der H a n d l u n g s b e g r i f f d e r f a h r l ä s s i g e n T a t d e r s e l b e i s t w i e b e i d e r V o r s a t z t a t (vgl. Welzel 6 1 f „ 122ff.; M a u r a c h A T 654ff.). E i n praktischer Unterschied zwischen der kausalen u n d der finalen H a n d l u n g s lehre b e s t e h t h e u t e k a u m noch (vgl. Ordeig, F i n a l i t ä t u n d Vorsatz, N J W 66, 533). Geblieben ist lediglich die noch s p ä t e r zu erörternde Frage, ob sich Vorsatz u n d F a h r lässigkeit bereits auf d e r E b e n e des s u b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s oder erst im Bereich der

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil Schuld unterscheiden. Aus dem neueren Schrifttum sind außer den bereits angegebenen Fundstellen folgende Einzeldarstellungen zu beachten: Welzel, V o m Bleibenden und v o m Vergänglichen in der Strafrechtswissenschaft, 1964; Roxin, Zur Kritik der finalen Handlungslehre, ZStW 74, 515ff.; Arthur Kaufmann, Die finale Handlungslehre und die Fahrlässigkeit, JuS 67, 145ff.; Jescheck, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 139; E . A. Wolff, Der Handlungsbegriff in der Lehre v o m Verbrechen, 1964.

2. Nicht zu den strafrechtlich relevanten Handlungen gehören, da nicht aus einer freien Willensbetätigung resultierend: a) R e f l e x b e w e g u n g e n , z.B. wenn jemand in einem Krampfanfall eine fremde Sache beschädigt oder einen Verkehrsunfall verschuldet. Auch instinktive Abwehrbewegungen gehören hierher, sofern sie ohne Mitwirkung des Bewußtseins ausgelöst worden sind. Nicht hierher gehören dagegen die sog. K u r z s c h l u ß h a n d l u n g e n , d.h. Verhaltensweisen, die zwar willensgesteuert sind, bei denen sich die Willensbildung jedoch so schnell vollzogen hat, daß für den Handelnden keine Möglichkeit mehr bestand, abhaltende Gegenvorstellungen zu mobilisieren (vgl. Maurach AT 158). Hier liegt zwar eine strafrechtlich relevante Handlung vor, unbillige Ergebnisse lassen sich jedoch durch Verneinung der Schuld vermeiden. b) B e w e g u n g e n i m Z u s t a n d d e r B e w u ß t l o s i g k e i t , z.B. im Schlaf, im Delirium oder in der Narkose. c) Ob ein R a u s c h z u s t a n d bereits die Handlungsfähigkeit oder nur die Zurechnungsfähigkeit ausschließt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ist bereits die Handlungsfähigkeit ausgeschlossen, so kommt mangels einer strafrechtlich erheblichen Handlung auch eine Bestrafung gemäß § 330a nicht in Betracht: § 330a will nur den Verlust der Willensbeherrschung, nicht aber den Verlust der körperlichen Beherrschung als typisch gemeingefährlich erfassen. Wenn z.B. ein sinnlos Betrunkener aus dem Bett fällt und dabei die Bodenvase seines Gastgebers zertrümmert, so ist dieser Vorgang nicht anders zu beurteilen als wenn ein normal Schlafender im Traum um sich schlägt und dabei Schaden anrichtet. In beiden Fällen fehlt es an einer Handlung. d) Verhaltensweisen, die durch unwiderstehliche, unmittelbar körperlich wirkende Gewalt in der Weise erzwungen werden, daß der durch die Einwirkung Betroffene nur noch als willenloses Werkzeug des anderen erscheint (sog. v i s a b s o l u t a ) . B e i s p i e l : A führt gewaltsam die H a n d des sich nach Kräften wehrenden B zur Unterschrift unter einen Wechsel ( v i s a b s o l u t a ) . Wenn dagegen A den B mit vorgehaltener Pistole zur Unterschrift zwingt ( v i s c o m p u l s i v a ) , so kann b e i B das Vorliegen einer Handlung im Rechtssinn nicht geleugnet werden; B könnte sich jedoch auf schuldausschließenden Nötigungsnotstand (§ 52) berufen.

e) Körperliche Bewegungen im Zustand der H y p n o s e . 12

Die strafbare Handlung

IV. Der Kausalzusammenhang 1. Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs Bei allen E r f o l g s d e l i k t e n , d.h. bei allen Tatbeständen, die zu ihrer Verwirklichung außer einer Willensbetätigung den Eintritt eines bestimmten Erfolgs voraussetzen (s.o. Abschn. B I 4), ist der Kausalzusammenhang notwendiges Bindeglied zwischen Willensbetätigung und Erfolg. Er wird somit zu einem M e r k m a l d e s o b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s . Fehlt die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg, so besteht lediglich die Möglichkeit einer B e s t r a f u n g n a c h V e r s u c h s g r u n d s ä t z e n . Beispiel: A gibt B mit Tötungsvorsatz Gift. Bevor das Gift wirkt, stirbt B , der von dem Anschlag auf sein Leben gar nichts merkt, an einem Herzschlag.

2. Die Bestimmung der Kausalität Ein Kausalzusammenhang ist immer dann gegeben, wenn eine Willensbetätigung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß auch der Erfolg entfiele. Hieraus folgt, daß alle Bedingungen, ohne die der Erfolg nicht denkbar wäre, als gleichwertige Ursachen für den Erfolg anzusehen sind (Bedingungs- oder Aquivalenztheorie). Im einzelnen: a) Die Kausalität einer Bedingung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß auch eine andere Bedingung für den Erfolg ursächlich war, u.U. sogar als Hauptursache angesehen werden muß. B e i s p i e l : Wenn A mit seinem P K W nachts in eine unbeleuchtete Baustelle fährt und hierbei sein Beifahrer X verletzt wird, so sind sowohl A als auch der für die Baustelle verantwortliche Bauführer B für die Verletzung des X kausal geworden: A, weil er nicht mit der erforderlichen Sorgfalt auf die vor ihm liegende Fahrbahn geachtet hat, u . U . auch zu schnell gefahren ist, und B, weil er die Baustelle nicht ordnungsgemäß abgesichert hat. Hierbei ist es ohne Bedeutung, welche Bedingung als die überwiegende anzusehen ist.

b) Jede B e s c h l e u n i g u n g d e s E r f o l g s ist für diesen kausal (vgl. BGH N J W 66, 1824). B e i s p i e l : Wenn ein Arzt A einem unheilbar erkrankten Patienten P zur Abkürzung seiner Leiden eine tödliche Dosis Morphium injiziert, so wird die Kausalität seines Verhaltens und damit der Tatbestand des § 212 nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach dem Ergebnis der medizinischen Untersuchungen P auch ohne die Morphiuminjektion mit Sicherheit bereits wenige Stunden später an den Folgen seiner Krankheit gestorben wäre. Die geringe Lebenserwartung des P kann sich in diesem Fall nur auf das Strafmaß auswirken (§ 213).

c) Die Kausalität einer Bedingung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Erfolg erst durch das H i n z u t r e t e n w e i t e r e r B e d i n g u n g e n eintritt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese weiteren Bedingungen von Dritten fahrlässig oder gar vorsätzlich gesetzt werden (vgl. RG 64, 316; 64, 370). Entscheidend ist allein, daß die ursprüngliche Bedingung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. 13

V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil B e i s p i e l : E i n F ö r s t e r F stellt in einer G a s t s t u b e sein geladenes Gewehr ab, o h n e d a f ü r zu sorgen, d a ß kein U n b e f u g t e r a n d a s Gewehr h e r a n k o m m e n k a n n . W e n n n u n i m L a u f e eines plötzlich a u f k o m m e n d e n Streits A das Gewehr ergreift lind d a m i t seinen Widersacher X niederschießt, so wird d u r c h dieses vorsätzliche Eingreifen des X die v o n F eingeleitete K a u s a l k e t t e n i c h t abgerissen: H ä t t e F sein geladenes Gewehr n i c h t d e m Zugriff des A preisgegeben, so h ä t t e dieser d a m i t nicht d e n X niederschießen k ö n n e n . F ist also f ü r d e n T o d des X k a u s a l geworden. Ob er a u c h s c h u l d h a f t g e h a n d e l t h a t , h ä n g t d a v o n a b , ob der k o n k r e t e Geschehnisablauf f ü r ihn v o r h e r s e h b a r w a r .

3. Gewisse Besonderheiten sind bei den u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n und den F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e n zu beachten (s.u. Abschn. C I 4, S. 33 und C I I 3, S. 37). 4. Atypische Geschehnisabläufe Bei konsequenter Anwendung der Bedingungstheorie muß auch bei atypischen Geschehnisabläufen, d.h. bei Geschehnisabläufen, die nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, Kausalität zwischen Handlung und Erfolg bejaht werden. Die Feststellung der Kausalität kann für sich allein jedoch noch keine strafrechtliche Haftung begründen, und zwar selbst dann nicht, wenn der eingetretene Erfolg vom Täter an sich gewollt war. Von einer vorsätzlichen Tat kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn der tatsächliche Geschehnisablauf vom Willen des Täters zweckbewußt gestaltet war, d.h. wenn er der Tatherrschaft seines Willens unterlag (vgl. Welzel 69). Der Täter muß also den wesentlichen Geschehnisablauf nicht nur gekannt, sondern auch beherrscht haben. Tritt der Erfolg lediglich auf Grund ungeahnter Umstände als zufällige Folge der Handlung ein, so kann von einer vorsätzlichen Tat nicht gesprochen werden (vgl. Welzel 70). In diesen Fällen kommt nur Versuch in Betracht, weil der Täter den Erfolg so, wie er ihn bewirken wollte, nicht bewirkt hat. Beispiele: a) A u n d B geben u n a b h ä n g i g voneinander ihrem gemeinsamen Feind X m i t Töt u n g s v o r s a t z G i f t . X s t i r b t a n der S u m m e d e r Dosen. E i n e Dosis allein h ä t t e nicht ausgereicht, u m X zu t ö t e n . N a c h der Bedingungstheorie w a r sowohl d a s Verhalten des A als a u c h d a s des B f ü r den T o d des X kausal. X ist n u r d a d u r c h u m s Leben g e k o m m e n , d a ß beide i h m Gift beibrachten. E s widerspricht jedoch jeder L e b e n s e r f a h r u n g , d a ß zwei P e r s o n e n völlig u n a b h ä n g i g u n d in U n k e n n t n i s v o n e i n a n d e r einem D r i t t e n m i t T ö t u n g s v o r s a t z Gift geben. E s h a n d e l t sich somit u m einen a t y p i s c h e n Geschehnisablauf. A k a n n n i c h t f ü r die T a t des B , dieser n i c h t f ü r die T a t des A verantwortlich g e m a c h t werden. J e d e r h a f t e t n u r f ü r seinen eigenen T a t b e i t r a g , d . h . jeder ist so zu stellen, wie w e n n der a n d e r e gar nicht t ä t i g geworden wäre. D e n k t m a n a b e r den jeweiligen T a t b e i t r a g des a n d e r e n hinweg, so k a n n jeder n u r wegen v e r s u c h t e n Mords (§§ 211, 43) b e s t r a f t werden. b) I m L a u f e eines Familienstreits schlägt die Tochter (T) m i t einer B r a t p f a n n e auf den als F a m i l i e n t y r a n n g e f ü r c h t e t e n X ein. Als X a m B o d e n liegt u n d die T sich e n t f e r n t , u m die Polizei zu rufen, schlägt ihre M u t t e r (M) auf X ein. X s t i r b t

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Die strafbare Handlung an den Folgen der ihm von T und M zugefügten Verletzungen, ohne daß sieh feststellen. läßt, ob die Schläge der M seinen Tod beschleunigt haben. I n diesem Fall können weder die T noch die M wegen vollendeter Tötung bestraft werden. Für beide kommt nur Bestrafung wegen versuchten Totschlags in Betracht (vgl. B G H N J W 66, 1823).

V. Die Tatbestandsmäßigkeit 1. Eine Handlung ist dann tatbestandsmäßig, wenn sie alle objektiven und subjektiven Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt. Handlungen, die nicht tatbestandsmäßig sind, unterliegen nicht der strafrechtlichen Wertung (s.o. Abschn. A I 3, S. 1). 2. Derobjektive Tatbestand hat die Aufgabe, d a s ä u ß e r e G e s c h e h e n , das den vom Gesetzgeber als strafwürdig angesehenen Unrechtsgehalt begründet, so zu beschreiben, daß die Verbotsmaterie möglichst eindeutig festgelegt ist. Zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen gehören u.a.: a) bei den T ä t i g k e i t s d e l i k t e n : die Handlung; b) bei den E r f o l g s d e l i k t e n : die Handlung, der Erfolg sowie der Handlung und Erfolg verbindende Kausalzusammenhang (s.o. Abschn. B I V 1, S. 13); c) bei den u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n : die Umstände, durch welche die Garantenstellung begründet wird, die Erfolgsabwendungsmöglichkeit und schließlich der tatbestandsmäßige Erfolg als Folge der pflichtwidrigen Untätigkeit (s.u. Abschn. C I 5, S. 33); d) bei den F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e n : eine unter Außerachtlassung der objektiv im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorgenommene Handlung oder Unterlassung sowie — bei den fahrlässigen Erfolgsdelikten — der tatbestandsmäßige Erfolg. (Einzelheiten s.u. Abschn. C I I 2, S. 36.) 3. Der subjektive Tatbestand hat die Aufgabe, den subjektiven Unrechtsgehalt der Tat, den sog. Handlungsunwert, festzulegen. a) Zum subjektiven Tatbestand gehört vor allem der Vorsatz als subjektives Grundelement aller Vorsatzdelikte. Wurde oben (Abschn. B I I I 1, S. 11) die Handlung als Willensbetätigung, d.h. als ein vom menschlichen Willen getragenes Verhalten definiert, so besteht die charakteristische Besonderheit der vorsätzlichen Tat darin, daß der Handlungswille sich auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands erstreckt. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Tatbestandsverwirklichung den Endzweck der Handlung darstellt. Vorsätzlich handelt auch, wer den tatbestandsmäßigen Erfolg nur als notwendiges Mittel zur Erreichung eines anderen, außertatbestandsmäßigen Ziels anstrebt oder billigend in Kauf nimmt. Einzelheiten siehe unten b). 15

V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeiner Teil B e a c h t e : Die hier vorgenommene E i n o r d n u n g des Vorsatzes in den s u b j . T a t b e s t a n d ist, wie bereits oben u n t e r B I I I 1 e r w ä h n t , ä u ß e r s t bestritten. Die v o m ü b e r k o m m e n e n kausalen Handlungsbegriff ausgehende h. L. behandelt d e n Vorsatz entgegen der hier v e r t r e t e n e n Ansicht nicht als Bestandteil des T a t b e s t a n d s , sondern als Schuldelement (vgl. Schönke-Schröder R n . 79ff. vor §51). Hiergegen spricht jedoch, d a ß einzelne T a t b e s t ä n d e über den Vorsatz hinausgehend zur Bes t i m m u n g des s u b j e k t i v e n U n r e c h t s g e h a l t s der T a t b e s t i m m t e Motive, Absichten oder Tendenzen des T ä t e r s erfordern. Diese werden a u c h von der h. L. nicht als Schuldelemente, sondern als Bestandteile des subjektiven T a t b e s t a n d s a n e r k a n n t (vgl. Mezger-Blei A T 97 ff. m i t weit. Nachw.). So werden z . B . die Zueignungsabsicht beim Diebstahl oder die Bereicherungsabsicht beim B e t r u g u n b e s t r i t t e n als subj. Unrechtselemente u n d d a m i t als subjektive T a t b e s t a n d s m e r k m a l e a n e r k a n n t . E i n e rein o b j . U n r e c h t s b e s t i m m u n g ist schlechterdings unmöglich (vgl. Welzel 56f.). So wird unstreitig das typische U n r e c h t eines Diebstahls erst d a d u r c h b e g r ü n d e t , d a ß der T ä t e r die W e g n a h m e der Sache in Zueignungsabsicht vollzieht. E n t s p r e chendes m u ß aber auch f ü r d e n Vorsatz gelten. D o r t , wo d a s Gesetz n u r die vorsätzliche T a t b e g e h u n g u n t e r Strafe stellt, ist der subjektive Unrechtsgehalt der T a t ( = H a n d l u n g s u n w e r t ) erst d a n n gegeben, wenn der T ä t e r vorsätzlich h a n d e l t . D a h e r gehört z u m subj. T b . des Diebstahls nicht n u r die Zueignungsabsicht, sondern a u c h der Vorsatz, d . h . das Bewußtsein, sich eine f r e m d e bewegliche Sache d u r c h B r u c h f r e m d e n Gewahrsams u n t e r gleichzeitigem Verstoß gegen die E i g e n t u m s o r d n u n g zuzueignen. Vorsatz u n d Zueignungsabsicht sind beim Diebstahl so eng miteinander v e r b u n d e n , d a ß es geradezu unverständlich wäre, wolle m a n das eine E l e m e n t d e m T a t b e s t a n d , das andere der Schuld zuordnen. So wie hier in allen P u n k t e n die V e r t r e t e r der finalen Handlungslehre, deren Verdienst es ist, den systematischen S t a n d o r t des Vorsatzes im U n r e c h t s t a t b e s t a n d herausgearbeitet zu h a b e n (vgl. insbesondere Welzel 56 ff., 61 ff., M a u r a c h A T 218ff.). Aber auch auf der Grundlage des ü b e r k o m m e n e n Handlungsbegriffs in seiner h e u t e v e r t r e t e n e n F o r m ist es ohne weiteres möglich, den Vorsatz d e m subjektiven T b . zuzuordnen (vgl. E b . Schmidt J Z 56, 190; Heinitz J R 57, 79). I m neueren Schriftt u m findet sich diese K o m b i n a t i o n z . B . bei Lackner-Maassen (Anm. 1 2 vor § 1 u n d § 59 A n m . I I 5 c m . weit Nachw.).

b) Innerhalb des Vorsatzes sind z w e i E r s c h e i n u n g s f o r m e n zu unterscheiden: der unbedingte Vorsatz (dolus directus) und der bedingte Vorsatz (dolus eventualis). Im einzelnen: aa) Der Täter handelt mit direktem (unbedingtem) Vorsatz, wenn er den tatbestandsmäßigen Erfolg a n s t r e b t oder wenn er sich zur Tat entschließt, obwohl er die Verwirklichung des Tatbestands, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, a l s n o t w e n d i g e T a t f o l g e vorauss i e h t . Aus dieser Definition folgt, daß eine positive innere Einstellung des Täters zur Tat nicht erforderlich ist. Die Tatbestandsverwirklichung kann dem Täter wünschenswert erscheinen, muß es aber nicht. Der Täter kann auch dann vorsätzlich handeln, wenn er den Erfolgseintritt „an sich" bedauert. (Zum Ganzen siehe auch BGH 18, 246, 248 und BGH 21, 263.) B e i s p i e l : Bei einem Schiffsunglück s t ö ß t A, u m sich selbst zu r e t t e n , seinen F r e u n d B v o n der r e t t e n d e n P l a n k e , d a diese n u r einen t r a g e n k a n n . E r weiß genau, d a ß B m i t Sicherheit ertrinken wird. D a m i t sind alle Voraussetzungen des unbedingt e n Vorsatzes gegeben. A k a n n sich n a c h h e r n i c h t d a r a u f berufen, d a ß er d e n T o d seines F r e u n d e s sehr b e d a u e r t habe. B e a c h t e : U n a b h ä n g i g von der F r a g e des

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Die s t r a f b a r e H a n d l u n g Vorsatzes ist die weitere F r a g e , ob sich A auf schuldausschließenden N o t s t a n d b e r u f e n k a n n , vgl. § 54.

Der direkte (unbedingte) Vorsatz wird ferner nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Tatbestandsverwirklichung nicht das Haupt- oder Endziel des Täters war. B e i s p i e l : W e n n ein T a x i f a h r e r (T) in K e n n t n i s aller T a t u m s t ä n d e einen flüchtigen Dieb s a m t B e u t e v o m T a t o r t w e g f ä h r t , k a n n er sich gegen den Vorwurf d e r B e g ü n s t i g u n g (§§ 257, 258) n i c h t d a m i t verteidigen, er h a b e sich d u r c h die F a h r t lediglich d e n üblichen F a h r l o h n verdienen wollen. D e r V o r s a t z d e r Beg ü n s t i g u n g verlangt lediglich die K e n n t n i s der V o r t a t (insoweit genügt sogar dol . ev.) sowie d a s Bewußtsein, d a ß das eigene V e r h a l t e n geeignet ist, die Lage des V o r t ä t e r s zu verbessern (vgl. B G H 4, 107). T ist also wegen B e g ü n s t i g u n g zu bes t r a f e n , u n d zwar gemäß § 258 wegen schwerer eigennütziger Begünstigung, d a er sich von seinem Vorteil leiten ließ u n d es sich bei der V o r t a t u m einen D i e b s t a h l handelte.

bb) Beim bedingten Vorsatz (dolus eventualis) stellt sich der Täter die Tatbestandsverwirklichung, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, nicht als sicher, sondern nur als m ö g l i c h voraus; dennoch nimmt er ihn billigend in Kauf. Auch beim bedingten Vorsatz ist eine positive innere Einstellung des Täters zum Erfolg nicht erforderlich. Der Täter kann auch einen solchen Erfolg „billigen", der ihm an sich unerwünscht ist (BGH 7, 363; 19,101; N J W 68, 666). Die Formulierung „billigend inKauf nehmen" besagt lediglich, daß sich der Täter zur Erreichung seiner eigentlichen, außerhalb der Tatbestandszone liegenden Ziele mit dem Risiko des ihm an sich unerwünschten tatbestandsmäßigen Erfolgs für den Fall seines Eintritts abfindet, ohne daß er ihn andererseits als notwendig voraussieht oder gar anstrebt (BGH 21, 283, 285). An dieser Stelle zeigt sich deutlich der U n t e r s c h i e d d e s dol. ev. g e g e n ü b e r d e r b e w u ß t e n F a h r l ä s s i g k e i t : Hier wie dort sieht der Täter den Erfolg als möglich voraus. Während aber der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter das Risiko des Erfolgs auf jeden Fall auf sich nimmt und damit den Erfolg „billigt", vertraut der nur fahrlässig handelnde Täter darauf, daß der Erfolg nicht eintritt; er handelt nicht auf jeden Fall. Beispiele: a) W e n n A, u m eine W e t t e zu gewinnen, den Versuch u n t e r n i m m t , m i t einer Pistole auf größere E n t f e r n u n g die F e d e r v o m H u t des X herunterzuschießen, dabei a b e r versehentlich X tödlich verletzt, so ist wie folgt zu u n t e r s c h e i d e n : W a r A sich als g u t e r Schütze seiner Sache völlig sicher, d . h . rechnete er gar n i c h t m i t der Möglichkeit einer Verletzung des X , so ist er n u r wegen fahrlässiger T ö t u n g zu bes t r a f e n . E n t s c h l o ß er sich dagegen zur A b g a b e des Schusses, obwohl er sich n i c h t sicher f ü h l t e , d . h . rechnete er m i t d e m tödlichen Ausgang der W e t t e , so ist er wegen vorsätzlicher T ö t u n g zu bestrafen, d a er, u m die W e t t e zu gewinnen, auf jeden F a l l schießen wollte. ß) E b e n s o ist zu differenzieren, w e n n ein a n g e t r u n k e n e r K r a f t f a h r e r , u m eine polizeiliche Verkehrskontrolle z u vermeiden, m i t hoher Geschwindigkeit auf den 2 Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil ihm mit erhobener Kelle entgegentretenden Polizeibeamten zurast. Rechnete er damit, daß der Polizeibeamte rechtzeitig zur Seite springen werde, so ist er nur wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen, wenn er den Beamten wider Erwarten doch erfaßt und tödlich verletzt. Rechnete er dagegen damit, daß der Beamte stehen bleiben werde, so nahm er den Tod des Beamten in Kauf; er „billigte" ihn auch, da er ja unter allen Umständen eine Kontrolle vermeiden wollte. Hieraus folgt: Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung (§§ 212, 211, vgl. B G H 15, 291). Zum Ganzen siehe auch B G H N J W 68, 666.

c) Zum subjektiven Tatbestand gehören ferner die in einzelnen Tatbeständen besonders hervorgehobenen Motive, Absichten und Tendenzen, z. B. aa) die Z u e i g n u n g s a b s i c h t beim. Diebstahl (§ 242) und beim Raub (§249); bb) die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t beim Betrug (§263) und bei der Erpressung (§253); cc) das S t r e b e n n a c h V o r t e i l , und zwar sowohl dort, wo es strafbegründend ist, z.B. bei der Hehlerei (§ 259), als auch bei den Tatbeständen, wo es straferhöhend (qualifizierend) ist, z.B. bei der Begünstigung (§§ 257 I S. 1 letzter Halbsatz, 258); dd) die M o r d m e r k m a l e der 1. und 3. Gruppe in § 211 Abs. 2 (nicht dagegen die Mordmerkmale heimtückisch, grausam, mit gemeingefährlichen Mitteln); ee) die w o h l l ü s t i g e T e n d e n z bei den Unzuchtsdelikten.

VI. Die Rechtswidrigkeit 1. Die Indizwirkung des Tatbestands Hat der Täter alle objektiven und subjektiven Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, so hat er normwidrig gehandelt, d. h. gegen eine Verbots- oder Gebotsnorm verstoßen. Jeder derartige Normverstoß ist nun ein „Indiz" dafür, daß das Verhalten des Täters rechtswidrig war (vgl. Welzel 77). Man spricht daher von der Indizwirkung des Tatbestands, d.h. die R e c h t s w i d r i g k e i t w i r d d u r c h d i e T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t i n d i z i e r t . So läßt z.B. jede vorsätzliche oder fahrlässige Tötung eines Menschen, sofern keine besondere Ausnahmesituation vorliegt, die Vermutung aufkommen, daß Unrecht geschehen ist. Die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit begründet allerdings nur ein v o r l ä u f i g e s U r t e i l über die Rechtswidrigkeit. Das abschließende Urteil kann erst getroffen werden, wenn feststeht, daß die Handlung nicht durch besondere R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e gerechtfertigt ist. Nur dann steht die Handlung mit der Rechtsordnung als solcher in Widerspruch. Die Tatbestandsmäßigkeit kann also lediglich eine formelle 18

Die strafbare Handlung

Rechtswidrigkeit begründen; materiell rechtswidrig ist die Tat erst, wenn Rechtfertigungsgründe fehlen (sog. m a t e r i e l l e R e c h t s w i d r i g k e i t , vgl. Maurach AT 250). Nicht jeder Normverstoß ist rechtswidrig! 2. Die offenen Tatbestände a) Die Besonderheit der offenen Tatbestände, die zuweilen ihrem Wesen entsprechend auch als e r g ä n z u n g s b e d ü r f t i g e Tatbestände bezeichnet werden, besteht darin, daß sie die Verbotsmaterie nicht erschöpfend beschreiben. Der als strafwürdig angesehene Unrechtsgehalt der Tat kann vielmehr erst durch Rückgriff auf die dem jeweiligen Tatbestand zugrunde liegende Norm ermittelt werden. Die Indizwirkung des Tatbestands greift also erst dann ein, wenn der Tatbestand durch Rückgriff auf die ihm zugrunde liegende Norm ergänzt worden ist (vgl. Maurach AT 246, Welzel 79). b) Zu den offenen Tatbeständen gehören insbesondere die N ö t i g u n g (§240) und die E r p r e s s u n g (§253). Die Ergänzungsbedürftigkeit dieser Tatbestände ergibt sich aus folgender Erwägung: Es gibt kaum einen Lebensvorgang, der sich nicht als Handlung, Duldung oder Unterlassung darstellt und der sich nicht unter dem Druck der sozialen Umwelt vollzieht. Tatbestandsmäßig, d.h. rechtserheblich in dem Sinn, daß das Verhalten geeignet ist, strafwürdiges Unrecht zu begründen, ist eine Handlung unter den Voraussetzungen der §§ 240, 253 daher erst dann, wenn zusätzlich Tatumstände vorliegen, die die Gewaltanwendung oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich erscheinen lassen (vgl. §§ 240 II, 253 II). Diese Tatumstände gehören daher zum objektiven Tatbestand und müssen wie alle objektiven Tatbestandsmerkmale vom Vorsatz des Täters umfaßt werden. B e i s p i e l : Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeiter ermahnt und ihn darauf aufmerksam macht, daß er mit seiner Entlassung rechnen müsse, falls er seine Arbeit nicht ordnungsgemäß verrichte, so arbeitet der auf diese Weise Angesprochene zwar unter dem Druck dieser Drohung, die sich für ihn als ein empfindliches Übel darstellen mag; trotzdem ist der Tatbestand der Nötigung nicht erfüllt, da keine Tatumstände vorliegen, die die Tat als rechtswidrig erscheinen lassen. Das Verhalten des Arbeitgebers ist hier sozial adäquat.

c) Zu den offenen oder ergänzungsbedürftigen Tatbeständen gehören ferner die unechten U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , bei denen noch nicht jede Nichtabwendung des Erfolgs die Tatbestandsmäßigkeit begründet (s.u. Abschn. CI, S. 25ff.). Tatbestandsmäßig ist ein Unterlassen erst dann, wenn der Täter eine G a r a n t e n s t e l l u n g hatte, die ihn zur Erfolgsab Wendung verpflichtete. Ähnliches gilt für die F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e . Hier ist die Erfolgsverursachung erst dann tatbestandsmäßig, wenn der Täter die objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat (s.u. Abschn. C II 2, S. 36 und Welzel 46, 126). 2

19

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

3. Das System der Rechtfertigungsgründe Eine tatbestandsmäßige Handlung ist dann nicht rechtswidrig, wenn der Täter sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann. Der Täter verstößt dann zwar gegen eine bestimmte Norm, sein Verhalten steht aber nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit. Die Handlung ist daher nur f o r m e l l , nicht m a t e r i e l l r e c h t s widrig (vgl. Maurach AT 250). Alle Rechtfertigungsgründe haben gemeinsam, daß sie eine Ausnahmesituation berücksichtigen, bei der die Normwidrigkeit unter Würdigung aller Umstände von der Rechtsordnung nicht mißbilligt wird (vgl. Welzel 80, Schönke-Schröder Rn. 4b vor § 51). Es ist allerdings nicht möglich, alle Rechtfertigungsgründe auf einen einheitlichen Nenner zu bringen (siehe hierzu ausführlich Maurach AT 253f.). Das Prinzip der G ü t e r a b w ä g u n g , das bei einigen Rechtfertigungsgründen, z.B. bei den bürgerlich-rechtlichen Notstandsrechten, vor allem aber beim sog. übergesetzlichen Notstand, zum Ausschluß der Rechtswidrigkeit führt (vgl. RG [GrSen] 61, 242, 254), ist zwar das wichtigste, aber nicht das einzige Prinzip (vgl. Maurach a.a.O.). So ist z.B. bei der Notwehr eine Güterabwägung grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. § 53 Anm. 6 sowie Maurach AT 263); entscheidend ist vielmehr der Gedanke, daß das Recht dem Unrecht nicht weichen muß. Auch bei der Einwilligung beruht der Ausschluß der Rechtswidrigkeit nicht auf der Güterabwägung, sondern auf dem Rechtsschutzverzicht (vgl. Maurach AT 283). 4. Übersicht über die wichtigsten Rechtfertigungsgründe a) Im S t r a f g e s e t z b u c h selbst finden sich nur wenige Rechtfertigungsgründe. Es sind dies insbesondere die N o t w e h r (§ 53), die Wahrnehm u n g b e r e c h t i g t e r I n t e r e s s e n (§ 193) als besonderer Rechtfertigungsgrund bei den Tatbeständen der Beleidigung und die E i n w i l l i g u n g des Verletzten bei der Körperverletzung (§ 226 a). b) Eine Reihe weiterer Rechtfertigungsgründe findet sich in der S t r a f p r o z e ß o r d n u n g . Hierher gehören vor allem die Vorschriften über die k ö r p e r l i c h e U n t e r s u c h u n g (§§81aff.), die B e s c h l a g n a h m e (§§ 94ff.), die D u r c h s u c h u n g (§§ 102ff.), die V e r h a f t u n g (§§ 112ff.) und die v o r l ä u f i g e U n t e r b r i n g u n g in einer Heil- und Pflegeanstalt (§ 126a) sowie das Recht zur v o r l ä u f i g e n F e s t n a h m e (§ 127). c) Auch das B G B weist eine Reihe wichtiger Rechtfertigungsgründe auf. So ist insbesondere hinzuweisen auf § 227 (Notwehr), die S e l b s t h i l f e r e c h t e gemäß §229 (allgemeine Selbsthilfe), §561 (Selbsthilferecht des Vermieters), § § 859,860 (Selbsthilferecht des Besitzers und des Besitzdieners), auf die N o t s t a n d s r e c h t e (§§228,904) sowie auf das Zücht i g u n g s r e c h t der Eltern (§§ 1627, 1631) und des Vormunds (§ 1800). 20

Die strafbare Handlung

d) Für den Bereich der Z P O ist auf die besonderen Rechte des Ger i c h t s v o l l z i e h e r s hinzuweisen. So ist der Gerichtsvollzieher unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, die Wohnung des Schuldners zu durchsuchen (§ 758 ZPO) und den Schuldner u.U. sogar zu verhaften (§ 909 ZPO). Siehe ferner § 933 i.V. mit § 918 ZPO. e) Für den Bereich der S c h w a n g e r s c h a f t s u n t e r b r e c h u n g und der S t e r i l i s a t i o n ist in den meisten Bundesländern (ausgenommen nur Bayern und Hessen) auf § 14 ErbGesG zu achten (Einzelheiten s. Anm. VII zu § 218 und Anm. 3b zu § 226a). f) Weitere Rechtfertigungsgründe wurden g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h entwickelt. Hierher gehören insbesondere der sogenannte ü b e r g e s e t z l i c h e N o t s t a n d und das Z ü c h t i g u n g s r e c h t der L e h r e r (vgl. Anm. I I I 4 zu § 223). Wichtiger Hinweis: Die im Strafgesetzbuch enthaltenen Rechtfertigungsgründe werden bei der Kommentierung der jeweiligen Gesetzesstelle erörtert (insbesondere im Rahmen der §§ 53, 193 und 226a); die übrigen Rechtfertigungsgründe werden in der Vorbemerkung zu § 51 besprochen.

5. Gemeinsame Kegeln für alle Rechtfertigungsgründe a) Eine gerechtfertigte Handlung kann, sofern ihr Widerstand entgegengesetzt wird, notfalls mit angemessenen Gewaltmitteln durchgesetzt werden. N o t w e h r gegen eine durch einen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigte Handlung ist n i c h t z u l ä s s i g . b) R e c h t s m i ß b r a u c h r e c h t f e r t i g t n i c h t ! Wer absichtlich eine Lage herbeiführt, die an sich die Berufung auf einen Rechtfertigungsgrund gestatten würde, kann sich nicht auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen (vgl. Maurach AT 257). Dies gilt insbesondere für die absichtliche P r o v o k a t i o n einer Notwehrlage (vgl. Anm. I I 6 zu § 53). c) Jeder Rechtfertigungsgrund enthält nicht nur objektive, sondern auch s u b j e k t i v e E l e m e n t e . Gerechtfertigt ist nur, wer recht handeln will. So ist bei Notwehr ein Verteidigungswille erforderlich, beim übergesetzliehen Notstand eine bewußte Güterabwägung, bei § 193 die Absicht, berechtigte Interessen wahrzunehmen, beim Züchtigungsrecht das pädagogische Motiv und bei der Einwilligung die Kenntnis von ihrem Vorliegen. d) Der I r r t u m ü b e r die t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n eines R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d s ist gemäß §59 als Tatbestandsirrtum zu behandeln. Der Täter kann nicht wegen vorsätzlicher, sondern allenfalls wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden, sofern sein Irrtum auf Fahrlässigkeit beruhte und die fahrlässige Tatbegehung unter Strafe gestellt ist (vgl. BGH 3, 105; 3, 194). Die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tatbegehung bleibt dagegen bestehen, wenn der Täter sich in Kenntnis aller unrechtsbegründenden Tatumstände nur über die Rechtslage irrt, 21

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

z.B. wenn er über Umfang und Grenzen eines Rechtfertigungsgrunds irrt oder wenn er glaubt, er könne einen Rechtfertigungsgrund für sich in Anspruch nehmen, den die Rechtsordnung nicht anerkennt (vgl. BGH 3, 7; 3, 105). I n diesen zuletzt genannten Fällen liegt kein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum, sondern lediglich ein V e r b o t s i r r t u m vor. Einzelheiten und Beispiele s.u. VII 2 c und § 59 Anm. 2. e) F e h l e n d i e s u b j e k t i v e n R e c h t f e r t i g u n g s e l e m e n t e (s.o. Abschn. c), d.h. kennt der Täter nicht die objektiv gegebene Sachlage, durch die er an sich gerechtfertigt wäre, so liegt mangels Erfolgsunwert k e i n v o l l e n d e t e s , s o n d e r n n u r ein v e r s u c h t e s D e l i k t v o r . Die Tat zeichnet sich nicht durch ihren Erfolgsunwert, sondern nur durch ihren Handlungsunwert aus (vgl. Schönke-Schröder Rn. 76 vor § 51; a. A. Maurach AT 260f. und Welzel 80 f., die vollendetes Delikt annehmen). B e i s p i e l : A schießt auf B, ohne zu erkennen, daß B seinerseits gerade im Begriff war, ihn zu töten. H ä t t e A die Sachlage erkannt, so wäre er durch Notwehr gerechtfertigt. So aber kommt mangels Verteidigungswillen eine Rechtfertigung nicht in Betracht. Andererseits wäre es imbillig, wollte m a n wegen vollendeter Tatbegehung bestrafen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die Tat objektiv nicht mit der Rechtsordnung in Widerspruch steht. Es liegt also nur Versuch vor.

f) Kennt der Täter alle rechtfertigenden Tatumstände, so kann ihn die irrige Annahme, er habe sich gleichwohl strafbar gemacht, nicht belasten. Es liegt in diesem Fall weder ein versuchtes noch ein vollendetes Delikt, sondern ein strafloses W a h n d e l i k t vor. B e i s p i e l : Ein aus dem Ausland kommender Arzt hält in Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage auch die medizinisch indizierte Schwangerschaftsunterbrechung für strafbar.

g) T e i l n a h m e an einer gerechtfertigten Handlung ist nicht strafbar, vgl. §§48, 49, 50 Abs. 1. VII. Die Schuld 1. Das Wesen der Schuld Eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung kann dem Täter nur dann als strafbare Handlung zugerechnet werden, wenn er schuldhaft, d.h. v o r w e r f b a r gehandelt hat. Nach dem heute herrschenden normativen Schuldbegriff sind hierzu zwei Voraussetzungen erforderlich : a) Der Täter muß in der Lage gewesen sein, das Unrecht der Tat zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln; b) Die rechtliche Wertung muß zu dem Ergebnis führen, daß dem Täter bei Würdigung aller Umstände rechtmäßiges Verhalten hätte zugemutet werden können. 22

Die strafbare Handlung

2. Die einzelnen Schuldelemente a) Die Zurechnungsfähigkeit. Sie entfällt, wenn der Täter zur Tatzeit infolge Bewußtseinsstörung, wegen Geistesstörung oder wegen Geistesschwäche nicht in der Lage war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (vgl. § 51 Abs. 1). Unter denselben Voraussetzungen entfällt auch bei geistig zurückgebliebenen T a u b s t u m m e n die Zurechnungsfähigkeit (vgl. § 55 Abs. 1). Die v e r m i n d e r t e Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t ist demgegenüber nur ein gesetzlich geregelter Strafmilderungsgrund (vgl. §§ 51 II, 55 II). b) Die Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens. Sie entfällt, wenn der Täter sich auf einen gesetzlichen Schuldausschließungsgrund (§ 52 N ö t i g u n g s n o t s t a n d , § 53 Abs. 3 N o t w e h r e x z e ß , § 54 N o t s t a n d ) oder auf einen übergesetzlichen Schuldausschließungsgrund (Wahl des kleineren Übels, entschuldigende Pflichtenkollision, vgl. Vorbem. I I I vor § 51) berufen kann. c) Das Unrechtsbewußtsein. Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 18. 3. 1952 (BGH 2, 194) muß der Täter bei den vorsätzlichen Delikten neben dem Vorsatz noch das Unrechtsbewußtsein haben. Die Begriffe V o r s a t z u n d U n r e c h t s b e w u ß t s e i n s i n d s t r e n g zu u n t e r s c h e i d e n . Dies gilt auch dann, wenn man den Vorsatz entgegen der hier vertretenen Ansicht (s.o. B V 3 a , S. 15f.) nicht als subjektives Tatbestandsmerkmal, sondern als Schuldmerkmal auffaßt. Über die Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum d e s § 59 siehe ausführlich §59 Anm. lff. Fehlt das Unrechtsbewußtsein, so hegt ein Verbotsirrtum vor. Hierbei sind folgende Fallgruppen denkbar, die rechtlich gleich behandelt werden: aa) Der Täter kennt nicht die Norm, gegen die er verstößt, und hält daher sein Handeln für strafrechtlich unerheblich. B e i s p i e l : Ein italienischer Gastarbeiter weiß nicht, daß in Deutschland die Homosexualität unter bestimmten Voraussetzungen auch heute noch strafbar ist.

bb) Der Täter kennt zwar die Norm, gegen die er verstößt, nimmt aber irrig an, er könne sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen. B e i s p i e l e : Ein Arzt glaubt irrig, er dürfe eine Schwangerschaftsunterbrechung auch dann vornehmen, wenn diese nicht medizinisch, sondern nur ethisch oder eugenisch indiziert ist. —• Oder: Teilnehmer einer gewaltsamen Verkehrsblockade im Rahmen einer Demonstration gegen eine Tariferhöhung der Verkehrsbetriebe nehmen irrig an, ihr Vorgehen sei durch vorrangige Grundrechte, z . B . durch Art. 5 oder Art. 8 GG, gerechtfertigt.

cc) Der Täter nimmt irrig an, eine bestimmte Norm, gegen die er bewußt verstößt, sei verfassungswidrig. In all diesen Fällen irrt der Täter über die Rechtswidrigkeit seiner Tat. Sein I r r t u m f ü h r t n u r d a n n z u m S c h u l d a u s s c h l u ß , w e n n er u n v e r m e i d b a r w a r . Hierbei sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Nach BGH 4, 5 ist jeder Täter verpflichtet, 23

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

alle geistigen Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen einzusetzen, wenn es darum geht, sich über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens ein Urteil zu bilden. Wer sich gleichgültig über die ihm unklare Grenze zwischen Recht und Unrecht hinwegsetzt, kann sich nicht auf schuldausschließenden Verbotsirrtum berufen. Er ist vielmehr verpflichtet, sich bei den zuständigen Stellen oder seinem Rechtsbeistand über die Rechtslage zu erkundigen. Dies gilt insbesondere dort, wo der Täter genau weiß, daß er in einen speziellen, rechtlich geregelten Lebenskreis eingreift und daß ein Rechtsverstoß für ihn oder die Allgemeinheit nachteilige Folgen haben kann. So kann man von jedem Kaufmann, der ein Handelsgeschäft betreibt, verlangen, daß er sich vor Beginn seiner Tätigkeit mit den einschlägigen handels- und steuerrechtlichen Bestimmungen vertraut gemacht hat. Auch ist es jedem Kraftfahrer zuzumuten, daß er alle Verkehrsregeln sicher beherrscht. Dies gilt auch für Ausländer, die sich mit ihren Fahrzeugen in das Gebiet der Bundesrepublik begeben. Ist die Rechtslage zweifelhaft, so darf der Täter, der sich der Zweifelhaftigkeit bewußt ist, regelmäßig nicht auf die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung oder auf Gerichtsentscheidungen, die noch nicht rechtskräftig sind, vertrauen (OLG Stgt N J W 67,122; OLGKheN.JW 67,1625). War der I r r t u m v e r m e i d b a r , d.h. hätte der Täter bei gehöriger Anspannung seines Gewissens das Unrecht der Tat erkennen können, so bleibt die Schuld bestehen, die S t r a f e kann jedoch in analoger Anwendung von §51 Abs. 2 nach Versuchsgrundsätzen (§44 Abs. 2/3) gemildert werden (vgl. BGH 2, 194, 210). B e s o n d e r h e i t e n sind beim Irrtum über die t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n e i n e s R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d s zu beachten. Dieser ist seinem Wesen nach zwar ebenfalls ein Verbotsirrtum; er steht jedoch hinsichtlich der Rechtsfolgen einem Tatbestandsirrtum i.S. von § 59 gleich (Irrtum über den sog. Erlaubnistatbestand, vgl. § 59 Anm. 2). d) Zur S c h u l d d e r F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e s.u. Abschn. C I I 2, S. 36f. 3. Gemeinsame Regeln für alle Schuldausschließungsgründe a) Gegen Handlungen, bei denen der rechtswidrig handelnde Täter sich nur auf einen Schuldausschließungsgrund berufen kann, ist N o t w e h r zulässig. b) Die Schuldausschließungsgründe i.e.S. (§§ 52, 53 III, 54, Wahl des kleineren Übels) enthalten — ähnlich wie die Rechtfertigungsgründe — nicht nur objektive, sondern auch s u b j e k t i v e E l e m e n t e . Entschuldigt ist nur, wer seine Zwangslage kennt und die rechtswidrige Handlung vornimmt, um der drohenden Gefahr zu entgehen bzw. größeres Unheil zu verhindern. F e h l e n diese- s u b j e k t i v e n E l e m e n t e , so b l e i b t d i e S c h u l d i n v o l l e m U m f a n g b e s t e h e n . Der Täter ist wegen 24

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens

vollendeter Tatbegehung zu bestrafen, nicht etwa nur wegen Versuchs. Diese Abweichung gegenüber der Rechtslage beim Fehlen von subjektiven Rechtfertigungselementen (s.o. B VI 5 e, S. 22) ergibt sich daraus, daß dort, wo der Täter sich nur auf eine schuldausschließende Zwangslage berufen kann, objektiv der volle Unrechtsgehalt der Tat gegeben ist. B e i s p i e l : Wenn A bei einem Schiffsunglück den mit ihm verfeindeten B von der rettenden Planke stößt, dabei aber nicht erkennt, daß dies die einzige Möglichkeit ist, sich selbst zu retten, da die Planke nur einen tragt und andere Planken nicht zu erreichen sind, so ist A, wenn B — wie gewollt — ums Leben kommt, wegen vollendeter vorsätzlicher Tötung gemäß § 212 bzw. § 211 zu bestrafen.

c) Der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schuldausschließungsgrunds berührt weder den Vorsatz noch das Unrechtsbewußtsein. Er ist jedoch in seinen Rechtsfolgen dem Verbotsirrtum gleichzustellen, d.h. wie ein Verbotsirrtum zu behandeln. Siehe hierzu ausführlich § 59 Anm. 3. d) Der Irrtum über die Schuldvoraussetzungen, insbesondere über die eigene Zurechnungsfähigkeit, ist immer unbeachtlich. e) Wer sich schuldhaft in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (z.B. in einen Rauschzustand) oder in eine Zwangslage versetzt hat, ist grundsätzlich nicht entschuldigt. Für die Beurteilung der Schuldfrage ist in diesen Fällen der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sich der Täter noch innerlich frei, d.h. unbeeinflußt von schuldausschließenden Umständen, in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit bzw. in die Zwangslage versetzt hat (sog. actio libera in causa). Einzelheiten siehe §51 Anm. 3, § 52 Anm. II 3. f) Teilnahme an einer schuldlosen, aber rechtswidrigen Tat ist grundsätzlich s t r a f b a r . Der Teilnehmer an einer rechtswidrigen Tat kann sich nur dann auf Schuldausschließungsgründe berufen, wenn diese in seiner eigenen Person oder in der Person eines seiner Angehörigen begründet liegen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem in § 50 Abs. 1 festgelegten G r u n d s a t z der limitierten A k z e s s o r i e t ä t , wonach jeder Teilnehmer an einer rechtswidrigen Tat ohne Rücksicht auf die Schuld der anderen Teilnehmer strafbar ist. C. B E S O N D E R E E R S C H E I N U N G S F O R M E N DES VERBRECHENS I. Die unechten Unterlassungsdelikte 1. Begriff und Abgrenzung Wie bereits in Abschnitt B I 2 (S. 7) angedeutet, können die strafbaren Handlungen nach ihrer Begehungsform in Begehungs- und Unterlassungsdelikte eingeteilt werden. Innerhalb der Unterlassungsdelikte 25

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens

vollendeter Tatbegehung zu bestrafen, nicht etwa nur wegen Versuchs. Diese Abweichung gegenüber der Rechtslage beim Fehlen von subjektiven Rechtfertigungselementen (s.o. B VI 5 e, S. 22) ergibt sich daraus, daß dort, wo der Täter sich nur auf eine schuldausschließende Zwangslage berufen kann, objektiv der volle Unrechtsgehalt der Tat gegeben ist. B e i s p i e l : Wenn A bei einem Schiffsunglück den mit ihm verfeindeten B von der rettenden Planke stößt, dabei aber nicht erkennt, daß dies die einzige Möglichkeit ist, sich selbst zu retten, da die Planke nur einen tragt und andere Planken nicht zu erreichen sind, so ist A, wenn B — wie gewollt — ums Leben kommt, wegen vollendeter vorsätzlicher Tötung gemäß § 212 bzw. § 211 zu bestrafen.

c) Der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schuldausschließungsgrunds berührt weder den Vorsatz noch das Unrechtsbewußtsein. Er ist jedoch in seinen Rechtsfolgen dem Verbotsirrtum gleichzustellen, d.h. wie ein Verbotsirrtum zu behandeln. Siehe hierzu ausführlich § 59 Anm. 3. d) Der Irrtum über die Schuldvoraussetzungen, insbesondere über die eigene Zurechnungsfähigkeit, ist immer unbeachtlich. e) Wer sich schuldhaft in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (z.B. in einen Rauschzustand) oder in eine Zwangslage versetzt hat, ist grundsätzlich nicht entschuldigt. Für die Beurteilung der Schuldfrage ist in diesen Fällen der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sich der Täter noch innerlich frei, d.h. unbeeinflußt von schuldausschließenden Umständen, in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit bzw. in die Zwangslage versetzt hat (sog. actio libera in causa). Einzelheiten siehe §51 Anm. 3, § 52 Anm. II 3. f) Teilnahme an einer schuldlosen, aber rechtswidrigen Tat ist grundsätzlich s t r a f b a r . Der Teilnehmer an einer rechtswidrigen Tat kann sich nur dann auf Schuldausschließungsgründe berufen, wenn diese in seiner eigenen Person oder in der Person eines seiner Angehörigen begründet liegen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem in § 50 Abs. 1 festgelegten G r u n d s a t z der limitierten A k z e s s o r i e t ä t , wonach jeder Teilnehmer an einer rechtswidrigen Tat ohne Rücksicht auf die Schuld der anderen Teilnehmer strafbar ist. C. B E S O N D E R E E R S C H E I N U N G S F O R M E N DES VERBRECHENS I. Die unechten Unterlassungsdelikte 1. Begriff und Abgrenzung Wie bereits in Abschnitt B I 2 (S. 7) angedeutet, können die strafbaren Handlungen nach ihrer Begehungsform in Begehungs- und Unterlassungsdelikte eingeteilt werden. Innerhalb der Unterlassungsdelikte 25

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

wiederum sind die echten und die unechten Unterlassungsdelikte zu unterscheiden. I m einzelnen: a) Bei den Begehungsdelikten verstößt der Täter gegen eine V e r b o t s n o r m , und zwar durch a k t i v e s ( = p o s i t i v e s ) T u n . Diese Fälle überwiegen, da die weitaus meisten Tatbestände Verbotsnormen typisieren und der Täter in aller Regel den Normverstoß durch positives Tun begeht. b) Bei den echten Unterlassungsdelikten verstößt der Täter gegen eine G e b o t s n o r m . Er bleibt untätig, obwohl das Gesetz von ihm ein Tätigwerden verlangt. Die in der Praxis wichtigsten echten Unterlassungsdelikte finden sich in § 138 (unterlassene Anzeige eines drohenden Kapitalverbrechens) und § 330 c (unterlassene Hilfeleistung bei Unglücksfällen usw.). c) Bei den unechten Unterlassungsdelikten verstößt der Täter dadurch, daß er untätig bleibt, gegen eine V e r b o t s n o r m . Die unechten Unterlassungsdelikte sind daher nichts anderes a l s b e s o n d e r e E r s c h e i n u n g s f o r m e n d e r B e g e h u n g s d e l i k t e . Ihre Besonderheit besteht darin, daß der tatbestandsmäßige Erfolg nicht durch positives Tun, sondern durch Unterlassen bewirkt wird. Grundsätzlich kann jeder Tatbestand, der eine Verbotsnorm enthält, sowohl durch positives Tun als auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Wann sich im Einzelfall ein Verstoß gegen eine Verbotsnorm als positives Tun und wann als Unterlassen darstellt, richtet sich nicht nach den sichtbar gewordenen Körperbewegungen, sondern nach dem S c h w e r p u n k t d e r Vor w e r f b a r k e i t (vgl. BGH 6,59; Maurach AT. 494). Es empfiehlt sich daher, in jedem Einzelfall die Frage aufzuwerfen: „Was werfen wir dem Angeklagten vor?" B e i s p i e l : Infolge der Unaufmerksamkeit eines Schrankenwärters, der es versäumt hat, die Bahnschranke rechtzeitig zu schließen, wird ein Omnibus von dem herannahenden Güterzug erfaßt, wodurch 10 Personen den Tod finden. D e m Schrankenwärter ist vorzuwerfen, daß er es unterlassen hat, durch rechtzeitiges Schließen der Schranke den drohenden Erfolg abzuwenden. Ebenso ist aber auch dann zu entscheiden, wenn der Schrankenwärter die bereits wegen eines anderen Zugs geschlossene Schranke zu früh öffnet und sich wenige Sekunden später das Unglück ereignet. Auch hier ist dem Schrankenwärter der Vorwurf zu machen, daß er pflichtwidrig den Bahnübergang nicht gesichert hat. Der soziale Sinn seines Verhaltens liegt auch hier in der pflichtwidrigen Nichtabwendung des Erfolgs, obwohl sich das öffnen der Schranken rein äußerlich als positives Tun darstellt. Positives Tun würde dagegen vorliegen, wenn ein Betriebsfremder, der keine Garantenpflicht hat, die Schranken vorsätzlich öffnet, u m einen Unfall herbeizuführen. In diesem Fall würde sich der Vorwurf nicht nur auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beschränken; es läge vielmehr ein durch positives Tun bewirkter Sabotageakt vor.

2. Die Bedeutung der Garantenstellung Eine strafrechtliche Gleichstellung von positivem Tun und Unterlassen ist nur dann möglich, wenn eine besondere R e c h t s p f l i c h t bestand, den drohenden tatbestandsmäßigen Erfolg abzuwenden (siehe auch § 13 i.d.F. des 2. StrRG, abgedruckt in Anhang 8). Hier zeigt sich deutlich 26

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens

der U n t e r s c h i e d g e g e n ü b e r d e n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n : Während sich bei den echten Unterlassungsdelikten die Pflicht zum Tätigwerden an alle Rechtsgenossen richtet, wendet sich bei den unechten Unterlassungsdelikten die Rechtspflicht, zur Erfolgsabwendung tätig zu werden, nur an solche Rechtsgenossen, die eine sogenannte G a r a n t e n s t e l l u n g einnehmen. Diese kann sich nach den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen ergeben a) unmittelbar aus dem Gesetz, b) aus einer vertraglich übernommenen Pflicht, c) aus gefahrbegründendem oder gefahrerhöhendem vorangegangenem Tun, d) aus einer sozialen Sonderstellung oder ähnlichen besonderen Umständen. B e i s p i e l : Ein Vater (V) sieht, daß sein Kind beim Spielen in einen Teich gefallen ist und zu ertrinken droht. Wenn er untätig bleibt und das Kind ertrinkt, so ist er wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu bestrafen. Seine Garantenstellung ergibt sich aus der gesetzlichen Pflicht zur Personensorge (vgl. §§ 1626, 1631 BGB). Ein an dem Vorfall unbeteiligter Passant (P), der in keinerlei familienrechtlichen Beziehungen zu dem Kind steht und dieses auch nicht zu beaufsichtigen hat, könnte bei gleicher Sachlage mangels Garantenstellung nur gemäß § 330 c wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden.

Weitere Einzelheiten und Beispiele s.u. Abschn. 3. Ein w e i t e r e r U n t e r s c h i e d zwischen den echten und den unechten Unterlassungsdelikten besteht darin, daß bei den echten Unterlassungsdelikten bereits die pflichtwidrige Unterlassung als solche den Tatbestand verwirklicht, während bei den unechten Unterlassungsdelikten der Tatbestand erst dann erfüllt ist, wenn der im jeweiligen Tatbestand bezeichnete Erfolg, den es zu verhindern galt, eingetreten ist. So bliebe bei dem oben gebrachten Beispiel die Strafbarkeit des P unberührt, wenn das Kind durch fremde Hilfe doch noch gerettet würde, während für V eine Bestrafung wegen eines vollendeten Tötungsdelikts entfiele. (In Betracht käme allerdings — sofern man Vorsatz unterstellt — Bestrafung wegen versuchten Totschlags oder — wenn kein Vorsatz vorlag — wie bei P Bestrafung gemäß § 330c.) 3. Die Garantenstellung im einzelnen kann sich ergeben a) aus Gesetz. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die f a m i l i e n r e c h t l i c h e n B e s t i m m u n g e n des BGB. So sind die E l t e r n gemäß § 1631 i. V. mit § 1626 BGB verpflichtet, für eine sachgemäße ärztliche Betreuung ihres Rindes zu sorgen. Eine Verletzung dieser Pflicht kann eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung nach sich ziehen. Entsprechende Pflichten ergeben sich für den V o r m u n d (vgl. § 1631 i.V. mit §§ 1793, 1800 BGB) und für die u n e h e l i c h e M u t 27

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

t e r (vgl. § 1707 BGB). Unter Umständen sind auch die G r o ß e l t e r n verpflichtet, für das Wohl eines gefährdeten Enkels zu sorgen. Dies gilt vor allem dann, wenn sie mit ihren Enkeln in einer engen Lebensgemeinschaft verbunden sind, z.B. wenn sie Vorstand des gemeinsamen Haushalts sind (vgl. RG 72, 37; BGH 19, 167 f. m. zust. Anm. Schröder J R 64, 227). Zweifelhaft ist dagegen, ob die Fürsorgepflicht für die Enkel auch aus der Unterhaltspflicht des §1601 BGB abgeleitet werden kann (bejahend Maurach AT 514, a.A. BGH 19, 167 unter Hinweis darauf, daß die Unterhaltspflicht nur begrenzten Inhalt hat). Auch die Verletzung der sich aus § 1353 BGB ergebenden Pflicht der E h e g a t t e n zur ehelichen Lebensgemeinschaft kann strafrechtliche Folgen haben. So ist ein Ehemann verpflichtet, gegen das unzüchtige Treiben seiner Ehefrau in der ehelichen Wohnung einzuschreiten. Verletzt er diese Pflicht, so kann er wegen schwerer Kuppelei (§ 181) zur Verantwortung gezogen werden. Eine weitere Pflicht für Eheleute geht dahin, einander vor Schaden zu bewahren, unter anderem auch vom Selbstmord abzuhalten (vgl. BGH 2,150). b) durch Übernahme vertraglicher Pflichten. So sind insbesondere Ä r z t e , B e r g f ü h r e r , R e i t - u n d F a h r l e h r e r sowie K i n d e r m ä d c h e n verpflichtet, für das Wohl der ihnen anvertrauten Personen zu sorgen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht der Vertragsabschluß als solcher, sondern die t a t s ä c h l i c h e Ü b e r n a h m e d e r V e r t r a u e n s s t e l l u n g mit der Folge, daß der Gefährdete, zu dessen Gunsten der Vertrag abgeschlossen wurde, z.B. der Bergsteiger, der sich einem Bergführer anvertraut hat, sich darauf verlassen hat, daß der zu seinem Schutz Verpflichtete seiner Pflicht nachkommt (h. L., vgl. Schönke-Schröder Rn. 118 vor § 1 m. weit. Nachw.). Die Garantenstellung bleibt daher auch dann bestehen, wenn sich nachträglich die Nichtigkeit des ihr zugrundeliegenden Vertrags ergeben sollte. Umgekehrt ist eine Garantenstellung zu verneinen, wenn der vertraglich Verpflichtete pflichtwidrig seine Vertrauensstellung gar nicht angetreten hat. Wenn also der vertraglich verpflichtete Bergführer verschläft und der unerfahrene Bergsteiger sich trotzdem auf den Weg macht, dann aber abstürzt und tödlich verunglückt, kommt eine strafrechtliche Haftung des Bergführers mangels Garantenstellung nicht in Betracht. Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung ist nicht erfüllt. c) aus vorangegangenem Tun (sog. Ingerenz). aa) Grundsatz: Wer die Gefahr eines schädlichen Erfolgs herbeigeführt oder erhöht hat, ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß dieser Erfolg nicht eintritt. bb) Streitig ist, ob j e d e s Verhalten, durch das eine Gefahr geschaffen worden ist, eine Garantenstellung zu begründen vermag oder ob an 28

Besondere E r s c h e i n u n g s f o r m e n des Verbrechens

die gefahrbegründende Vorhandlung noch zusätzliche Anforderungen zu stellen sind, insbesondere ob das Vorverhalten pflichtwidrig gewesen sein muß. Während die bisher h. L. es als unerheblich erachtete, ob die Vorhandlung pflichtwidrig war oder nicht (vgl. Maurach AT 516 m. weit. Nachw.), zeigt sich sowohl im neueren Schrifttum als auch in der Rechtsprechung unverkennbar die Tendenz, sozialadäquate, nicht pflichtwidrige Handlungen aus dem Kreis der eine Garantenstellung begründenden Vorhandlungen auszuscheiden (vgl. BGH 19, 152; OLG Ddf NJW 66, 1175; Schönke-Schröder Rn. 119ff. vor §1, Schwarz-Dreher Anm. D 1 4 vor § 1, Welzel 209, Mezger-Blei AT 87f). Eine Sonderstellung nehmen nur solche Fälle ein, in denen jemand eine t y p i s c h e Gef a h r e n q u e l l e geschaffen hat, z.B. Sprengungen in einem Steinbruch durchführt, oder wenn es sich um die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustands handelt, der von einem D a u e r d e l i k t erfaßt wird. In diesen Fällen wird auch heute noch derjenige, der die Gefahrenquelle geschaffen bzw. den rechtswidrigen Zustand hergestellt hat, unstreitig als Garant dafür angesehen, daß aus der Gefahrenquelle kein Schaden entsteht bzw. daß der rechtswidrige Zustand beendet wird (vgl. Schönke-Schröder Rn. 120, 120c vor § 1). Beispiele: а) E i n M u s e u m s d i e n e r , der versehentlich einen Besucher eingeschlossen h a t , ist verpflichtet, den Eingeschlossenen zu befreien, sobald er seinen I r r t u m b e m e r k t . T u t er dies nicht, so m a c h t er sich wegen F r e i h e i t s b e r a u b u n g (§ 239) s t r a f b a r (vgl. R G 24, 339, M a u r a c h A T 517). ß) E i n W a n d e r e r , der einen ihn b e d r o h e n d e n Wegelagerer in N o t w e h r niederschießt u n d schwer verletzt, ist n a c h Beendigimg der N o t w e h r l a g e verpflichtet, sich u m den Verletzten zu k ü m m e r n . T u t er dies n i c h t , so k a n n er n u r wegen u n t e r lassener Hilfeleistung b e s t r a f t werden. Dies gilt mangels rechtswidriger V o r h a n d lung a u c h d a n n , w e n n der Wegelagerer a n d e n Folgen seiner Verletzungen s t i r b t u n d f e s t s t e h t , d a ß er bei rechtzeitiger Hilfe noch h ä t t e gerettet werden k ö n n e n (vgl. Schönke-Schröder R n . 120d v o r § 1 m . weit. Nachweisen; a. A. M a u r a c h A T 517 sowie hier die Vorauflage). y) E i n G a s t w i r t , der einem K r a f t f a h r e r ü b e r m ä ß i g alkoholische G e t r ä n k e verabreicht h a t , ist verpflichtet, die F o r t s e t z u n g der F a h r t zu verhindern, w e n n der G a s t offensichtlich so b e t r u n k e n ist, d a ß er sieh n a c h verständiger Beurteilung n i c h t m e h r eigenverantwortlich v e r h a l t e n k a n n ( B G H 19, 152 u n t e r Einschränk u n g der in B G H 4, 20 dargelegten Grundsätze). Verletzt er diese Pflicht, so k a n n er wegen fahrlässiger T ö t u n g oder fahrlässiger K ö r p e r v e r l e t z u n g zur Verantwort u n g gezogen werden, wenn der f a h r u n t ü c h t i g e K r a f t f a h r e r einen Verkehrsunfall m i t Personenschaden verschuldet ( B G H a.a.O.). Bei s o n s t i g e n Gastgebern b e s t e h t eine Erfolgsabwendungspflicht n u r d a n n , wenn sie a u f g r u n d einer engen Lebensgemeinschaft (z.B. Familien- oder H a u s g e m e i n s c h a f t ) gegenüber d e m anget r u n k e n e n F a h r e r eine Fürsorgepflicht h a b e n (vgl. OLG Ddf N J W 66, 1175). б) W i r d ein sieh verkehrsgerecht verhaltender K r a f t f a h r e r unverschuldet in einen schweren Unfall verwickelt, so t r i f f t ihn n u r die allgemeine Hilfspflicht des § 330c; eine Garantenstellung wird hierdurch jedoch noch n i c h t b e g r ü n d e t (vgl. Schönke-Schröder R n . 120b vor § 1, Welzel 209; die hier noch in der Vorauflage vertretene a b w . Ansicht wird aufgegeben).

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

cc) Sehr bestritten und für die tägliche Gerichtspraxis besonders wichtig ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen der B e i f a h r e r eines angetrunkenen Kraftfahrers für den von diesem verschuldeten Unfall verantwortlich gemacht werden kann. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist eine Garantenstellung des Beifahrers nur dann zu bejahen, wenn dieser a) den Fahrer zur Fahrt überredet hatte (BGH VRS 5, 42) oder ß) dem Fahrer die alkoholischen Getränke selbst verabfolgt hatte s. o. lit. c, bb, y) oder y) die Trunkenheit des Fahrers durch betontes Zutrinken gefördert hatte (BGH VRS 7, 105f.) oder 5) mit dem Fahrer durch eine ständige Fahrergemeinschaft verbunden war (BGH N J W 59, 1979) oder £) selbst der Fahrzeughalter war (BGH VRS 14, 197). Eine lockere Zechgemeinschaft kann dagegen noch keine Garantenpflicht begründen (BGH 19, 155 und OLG Ddf N J W 66, 1175). Eine gute Übersicht über die zuletzt gebrachte Rechtsprechung findet sich in einem sehr instruktiven Urteil des OLG Oldenburg vom 22. 8. 1961 in N J W 61, 1938. Praktisch bedeutsam ist auch die viel erörterte Frage, unter welchen Voraussetzungen Prozeßbeteiligte verpflichtet sind, einen Zeugen von einer F a l s c h a u s s a g e bzw. einem M e i n e i d abzuhalten. Siehe hierzu ausführlich § 154 Anm. 6. d) aus einer sozialen Sonderstellung. Eine Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung kann sich auch aus der b e s o n d e r e n S t e l l u n g d e s T ä t e r s i n d e r A l l g e m e i n h e i t oder im Rahmen e i n e r e n g e r e n G e m e i n s c h a f t ergeben. aa) Insbesondere begründen A u t o r i t ä t s v e r h ä l t n i s s e die Pflicht, innerhalb des Lebenskreises, auf das sich das Autoritätsverhältnis bezieht, für Ordnung zu sorgen und strafbare Handlungen zu verhindern. So sind z.B. L e h r e r und andere Erziehungsberechtigte verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die ihnen anvertrauten minderjährigen Schüler innerhalb des Schulbetriebs keine strafbaren Handlungen begehen. Entsprechendes gilt für m i l i t ä r i s c h e V o r g e s e t z t e gegenüber ihren Untergebenen (siehe hierzu die Sondervorschrift des § 41 WStG) und für S c h i f f s o f f i z i e r e hinsichtlich der ihnen unterstellten Besatzungsmitglieder (siehe § 108 SeemannsG). Bei B e a m t e n , die strafbare Handlungen ihrer Untergebenen dulden, ist die Sonderregelung des § 357 zu beachten. bb) Eine besondere Stellung gegenüber der Allgemeinheit nehmen Ä r z t e ein. Hat ein Arzt die Behandlung eines Patienten bereits übernommen, so ergibt sich seine Garantenstellung aus dem durch die Übernahme der 30

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens

Behandlung begründeten V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s (siehe oben Abschnitt b). Aufgrund dieses Vertrauensverhältnisses ist der Arzt verpflichtet, alles zu tun, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seines Patienten zu verhindern und diesem eine Linderung seiner Schmerzen zu verschaffen (vgl. BGH LM Nr. 6 zu § 230, Schönke-Schröder Rn. 118 vor § 1). Er kann die weitere Behandlung des Patienten nur dann ablehnen, wenn die Gewähr besteht, daß ein anderer Arzt die Behandlung und damit zugleich auch die Verantwortung übernimmt. Bis dahin aber muß sich der Patient auf ihn verlassen können. Gehört der hilfesuchende Kranke noch nicht zum Patientenkreis eines Arztes, so kann eine über die allgemeine Hilfspflicht des § 330c hinausgehende Pflicht zur Übernahme einer Behandlung nur für B e r e i t s c h a f t s ä r z t e anerkannt werden (h.L., vgl. Schönke-Schröder Rn. 118 vor § 1, Maurach AT 515, weitergehend allerdings Eb. Schmidt, Die Besuchspflicht des Arztes unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, 1949). Ist eine sofortige Behandlung geboten, so ist der Bereitschaftsarzt grundsätzlich verpflichtet, sofort den erbetenen H a u s b e s u c h zu machen (vgl. BGH 7, 211). Zuverlässige Ferndiagnosen auf Grund fernmündlicher Angaben des Kranken oder eines Angehörigen sind nur selten möglich (vgl. BGH N J W 61, 2068). Der Arzt ist daher nur ausnahmsweise berechtigt, den erbetenen Hausbesuch zu verweigern, z.B. wenn er dringend zu einem anderen Patienten muß, dessen Behandlung er bereits übernommen hat, oder wenn andere Ärzte in der Nähe des hilfesuchenden Patienten verfügbar sind. Unter diesen Voraussetzungen kann er auch die Übernahme des Falles ablehnen. cc) Eine Garantenstellung ergibt sich ferner aus der Verantwortung für bestimmte G e f a h r e n q u e l l e n . Wer z.B. Sprengungen in einem Steinbruch durchführt oder als Bauunternehmer einen Bau erstellt, hat dafür zu sorgen, daß bei den Arbeiten niemand zu Schaden kommt. Unter dem gleichen Gesichtspunkt ist auch der Eigentümer oder Besitzer eines Haus- oder Fabrikanwesens verpflichtet, das Anwesen in einem verkehrssicheren Zustand zu halten. Verletzt er diese Pflicht, so kann er nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn jemand auf seinem Grundstück zu Sehaden kommt. So liegt z.B. fahrlässige Tötung vor, wenn ein Passant durch den Einsturz einer schon seit längerer Zeit offensichtlich baufälligen Stützmauer getötet wird. Entsprechendes gilt für den Betrieb von Anlagen oder Maschinen, soweit damit die naheliegende Gefahr eines Schadens verbunden ist, für die Durchführung von Motorsportveranstaltungen sowie für die Haltung von Tieren oder Kraftfahrzeugen. Besonders der Halter oder Besitzer eines K r a f t f a h r z e u g s ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß von seinem Fahrzeug keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Er hat insbesondere sein Fahrzeug in einem verkehrstüchtigen Zustand zu halten. 31

V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil

Verletzt er diese Pflicht, so kann er wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung zur Verantwortung gezogen werden, wenn sein Fahrer mit dem verkehrsuntüchtigen Fahrzeug einen Unfall mit Personenschaden verursacht. Er ist weiter verpflichtet, dafür zu sorgen, daß kein Unbefugter das Fahrzeug zu einer Schwarzfahrt benutzen kann. Verletzt er diese in § 35 StVO ausdrücklich festgelegte Sicherungspflicht, so kann er nicht nur zivilrechtlich (vgl. § 7 Abs. 3 StVG), sondern auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sein Fahrzeug in die Hände eines fahrunkundigen oder fahruntüchtigen Schwarzfahrers fällt und dieser damit einen Unfall verschuldet (vgl. BGH 18, 359ff., Schönke-Schröder Rn. 124 vor § 1). In all diesen Fällen ist jedoch zu beachten, daß die sich aus der Garantenstellung ergebende Pflicht nur dahin geht, drohende Gefahren abzuwenden. Tritt ungeachtet aller Bemühungen doch ein Schaden ein, wird z.B. bei einem heftigen Sturm ein Passant vom herabstürzenden Ziegel eines sonst einwandfreien Dachs getroffen, so ergibt sich aus diesem Unfall auch für den verantwortlichen Hausbesitzer nur die allgemeine Hilfspflicht des § 330c (vgl. Schönke-Schröder Rn. 126 vor § 1). dd) Eine Garantenstellung kann weiter dadurch begründet werden, daß jemand die R a u m h e r r s c h a f t über ein Haus, eine Wohnung oder sonstige abgeschlossene Räumlichkeiten hat, für die er verantwortlich ist (vgl. Schönke-Schröder Rn. 128, 135 vor § 1). Wenn das Gesetz einerseits die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert, so ergibt sich hieraus andererseits die erhöhte Pflicht für den Inhaber der Raumgewalt, dafür zu sorgen, daß innerhalb seines Herrschaftsbereichs keine strafbaren Handlungen begangen werden. So macht sich z.B. ein Haushaltsvorstand der Beihilfe zur Abtreibung schuldig, wenn er vorsätzlich duldet, daß ein Mitglied seines Haushalts (Ehefrau, Tochter, Hausangestellte usw.) innerhalb der Wohnung einen unerlaubten Eingriff vornimmt oder an sich vornehmen läßt. Mit der gleichen Begründung ist Begünstigung anzunehmen, wenn ein Hausherr duldet, daß auf seinem Grundstück Diebesgut gelagert wird, um es dem Zugriff der Polizei zu entziehen. ee) Schließlich können auch enge G e m e i n s c h a f t s b e z i e h u n g e n , insbesondere G e f a h r e n g e m e i n s c h a f t e n , eine Garantenstellung begründen. So besteht beispielsweise für die Teilnehmer an einer Expedition oder an einem anderen schwierigen Unternehmen die Rechtspflicht, den übrigen Teilnehmern bei drohenden Gefahren beizustehen. Aber auch das Zusammenleben in einer Familien- oder Hausgemeinschaft kann die Pflicht begründen, sich gegenseitig vor drohenden Gefahren, insbesondere vor Gefahren für Leib oder Leben, zu bewahren (vgl. BGH 19, 167). Dies gilt auch dann, wenn die Mitglieder der Gemeinschaft nicht durch so enge verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbunden sind, daß zur Begründung einer Garanten Stellung die schon oben unter 3 a ent32

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens

wickelten Grundsätze anwendbar sind (vgl. Schönke-Schröder Rn. 115 vor § 1). e) Das 2. StrRG hat sich in § 13 der Neufassung (s. Anhang 8) darauf beschränkt, das Erfordernis der Garantenstellung und der aus ihr resultierenden Garantenpflicht gesetzlich festzulegen. Auf eine gesetzliche Aufzählung der Fälle, in denen eine Garantenstellung angenommen werden kann, wurde jedoch bewußt verzichtet. 4. Die Kausalitätsprüfung Wie oben in Abschnitt B IV 2 (S. 13) ausführlich dargelegt, ist eine Handlung dann kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele (sogenannte B e d i n g u n g s - oder Ä q u i v a l e n z t h e o r i e ) . Diese Formel kann bei den unechten Unterlassungsdelikten nicht unbesehen übernommen werden, da ein Unterlassen als solches für den Erfolg begrifflich gar nicht kausal sein kann. Aus nichts kommt nichts! Die h.L. im Schrifttum arbeitet daher mit einer h y p o t h e t i s c h e n K a u s a l i t ä t , woraus sich folgende Fragestellung ergibt: Wäre der konkrete Erfolg auch dann eingetreten, wenn der zur Erfolgsabwendung Verpflichtete der sich aus seiner Garantenstellung ergebenden Erfolgsabwendungspflicht nachgekommen wäre? Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob die Vornahme der unterlassenen Handlung den tatbestandsmäßigen Erfolg mit einer der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit abgewendet hätte (vgl. OLG Bremen DAR 64, 273). Nur wenn diese Frage bejaht werden kann, liegt ein tatbestandsmäßiges Unterlassen vor. Nur dann kann das Unterlassen dem positiven Tun gleichgestellt werden. Der Tatbestand ist dagegen nicht erfüllt, wenn entweder a) objektiv keine Erfolgsabwendungsmöglichkeit bestand, oder wenn b) zweifelhaft ist, ob der Erfolg nicht auch bei einem pflichtgemäßen Eingreifen eingetreten wäre. 5. Der Aufbau der unechten Unterlassungsdelikte a) Der Tatbestand. Wie bereits mehrfach betont, kann ein Unterlassen nur dann dem positiven Tun gleichgestellt werden, wenn der Täter eine G a r a n t e n s t e l l u n g hatte, aus der heraus er zur Erfolgsabwendung verpflichtet war. Weitere Voraussetzung ist die E r f o l g s a b w e n d u n g s m ö g l i c h k e i t . Entfällt entweder die Garantenstellung oder die Erfolgsabwendungsmöglichkeit, so ist ein strafrechtlich erhebliches, d.h. tatbestandsmäßiges Verhalten, das geeignet wäre, die Rechtswidrigkeit zu indizieren, nicht gegeben (vgl. BGH 16, 155, 158). Diese Besonderheit rechtfertigt es, die unechten Unterlassungsdelikte den sog. o f f e n e n , d.h. e r g ä n z u n g s b e d ü r f t i g e n T a t b e s t ä n d e n zuzuordnen (s. o. Abschn. B VI 2, S. 19). 3 Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

b) Die Rechtswidrigkeit. Ist die Tatbestandsmäßigkeit bejaht, d.h. ist der tatbestandsmäßige Erfolg dadurch eingetreten, daß der Täter der sich aus seiner Garantenstellung ergebenden Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung nicht nachgekommen ist, obwohl er hierzu in der Lage gewesen wäre, so ist bei der Rechtswidrigkeit — wie auch sonst — zu prüfen, ob der Täter sich auf einen R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d berufen kann. Hierbei ist besonders auf den übergesetzlichen Notstand zu achten. Verletzt der Täter seine Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung, um einer anderen, wichtigeren Pflicht genügen zu können, so handelt er zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig. B e i s p i e l : Ein Feuerwehrhauptmann gibt bei einem K i n d e r h e i m b r a n d den Befehl, zuerst die gefährdeten Kinder zu retten. Er nimmt dabei bewußt in Kauf, daß Teile des Gebäudes, die v o m Feuer noch nicht erfaßt waren und noch hätten gerettet werden können, ein Opfer der Flammen werden. Hier ist der Tatbestand des § 306 Nr. 1 durch Nichtabwendung des Erfolgs erfüllt. Das Verhalten ist aber nicht rechtswidrig, da die Feuerwehrleute sich auf übergesetzlichen Notstand berufen können. Die Kinder konnten nur dadurch gerettet werden, daß m a n die noch nicht v o m Feuer erfaßten Teile des Gebäudes den Flammen überließ.

c) Die Schuld. Sie entfällt — wie auch sonst —, wenn der Täter nicht zurechnungsfähig ist, wenn er sich auf einen Schuldausschließungsgrund berufen kann oder wenn er sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befand. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber den Begehungsdelikten. Gleichwohl sind die Möglichkeiten des Schuldausschlusses bei den Unterlassungsdelikten weitergehend als bei den Begehungsdelikten. Im Gegensatz zur Rechtslage bei den Begehungsdelikten steht man bei den unechten Unterlassungsdelikten in Lehre und Rspr. nahezu einhellig auf dem Standpunkt, daß die S t r a f b a r k e i t in allen Fällen e n t f ä l l t , in denen die A u f o p f e r u n g b i l l i g e n s w e r t e r I n t e r e s s e n dem Verpflichteten n i c h t z u m u t b a r ist (vgl. Welzel 213f. mit weiteren Nachweisen). So wird es allgemein als unzumutbar angesehen, die Polizei zu Hilfe zu rufen, wenn die Ehefrau oder ein volljähriger Sohn in der Familienwohnung Ehebruch oder andere unzüchtige Handlungen verübt (vgl. § 180 Anm. 5b). •— Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in bestimmten Konfliktslagen mangels Zumutbarkeit die Pflicht entfällt, das Opfer eines Selbstmordversuchs ärztlicher Behandlung zuzuführen, siehe B G H 5 StR 190/67 bei Dallinger J R 68,6.

Bestritten ist lediglieh, ob bei fehlender Zumutbarkeit erst die Schuld entfällt (h.L., vgl. Maurach AT 520, Welzel 213, Dallinger J R 68,7) oder ob bereits Ausschluß der Tatbestandsmäßigkeit anzunehmen ist (vgl. Schönke-Schröder Rn. 94 vor § 1; Lackner-Maassen Anm. I I l b vor § 1). Zur Bedeutung des Problems siehe ausführlich Henkel, Mezger-Festschrift S. 280. 6. Die Behandlung der Irrtumsprobleme Für die Annahme von V o r s a t z ist es erforderlich, daß der Täter die T a t u m s t ä n d e kennt, die seine G a r a n t e n s t e l l u n g begründen. 34

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens

Außerdem muß er die E r f o l g s a b w e n d u n g s m ö g l i c h k e i t erkannt haben. Ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum i. S. von § 59 liegt daher vor, wenn der Täter entweder nicht die Tatumstände kennt, die seine Garantenstellung begründen, oder wenn er keine Möglichkeit sieht, den Erfolg abzuwenden. Der Vorsatz bleibt dagegen bestehen, wenn der Täter in Kenntnis aller Tatumstände lediglich glaubt, er sei zur Erfolgsabwendung nicht verpflichtet. Ein derartiger Irrtum ist nach den Grundsätzen des Verbotsirrtums zu beurteilen, d.h. die Schuld entfällt nur dann, wenn der Irrtum bei Würdigung aller Umstände für den Täter unvermeidbar war. War der Irrtum vermeidbar, so bleibt die Schuld bestehen, die Strafe kann jedoch nach Versuchsgrundsätzen gemildert werden (s. o. Abschn. B VII 2c, S. 23). Beispiele: a) Vorsatzausschließender T a t b e s t a n d s i r r t u m , wenn A den Selbstmord seiner Ehefrau nicht verhindert, weil er deren Absichten nicht erkannt hat, oder weil er keine Möglichkeit sieht, wie er den Selbstmord verhindern kann. Beruht der Irrtum auf Fahrlässigkeit, so erfolgt Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung. b) V e r b o t s i r r t u m , wenn A zwar die Selbstmordabsichten seiner Frau kennt, aber irrig glaubt, die Sache ginge ihn nichts an; er sei nicht verpflichtet, seine Frau von ihrem Plan abzuhalten.

Zum Ganzen siehe insbesondere BGH 16, 155ff. (Beschl. des Großen Senats vom 29.5.1961) sowie neuerdings BGH GA1968,336: Ein Irrtum über die Garantenpflicht ist ein Verbotsirrtum, der den Vorsatz nicht berührt. Dagegen liegt ein Tatbestandsirrtum nach § 59 vor, wenn der Unterlassende nicht erkannt hat, daß ihm ein Mittel zur Verfügung stand, dessen zumutbarer Einsatz geeignet gewesen wäre, den Erfolgseintritt zu verhindern oder wenigstens zu erschweren.

II. Die Fahrlässigkeitsdelikte 1. Begriff und Abgrenzung Wie bereits in Abschn. B I I I 1 (S. 11) dargelegt, setzt auch die fahrlässig begangene Straftat eine Handlung im Rechtssinn, d.h. ein von einem menschlichen Willen getragenes Verhalten voraus. Der H a n d l u n g s b e g r i f f der fahrlässigen Straftat ist also d e r g l e i c h e wie b e i d e r V o r s a t z t a t . Im Gegensatz zum vorsätzlich handelnden Täter will aber der nur fahrlässig handelnde Täter die Tatbestandsverwirklichung, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, weder als erwünschte noch als notwendige Folge seines Handelns (so die Definition für den unbedingten Vorsatz, s.o. B V 3b, aa, S. 16), noch nimmt er die Tatbestandsverwirklichung, die er nur als möglich voraussieht, zur Erreichung seiner außertatbestandsmäßigen Ziele billigend in Kauf (so die Definition für den bedingten Vorsatz, s.o. B V 3b, bb, S. 17). 3*

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Ähnlich wie beim Vorsatz sind auch innerhalb der Fahrlässigkeit z w e i E r s c h e i n u n g s f o r m e n zu unterscheiden: die bewußte Fahrlässigkeit und die unbewußte Fahrlässigkeit. I m einzelnen: a) Bei der bewußten Fahrlässigkeit sieht der Täter die Tatbestandsverwirklichung zwar als möglich voraus, aber er vertraut pflichtwidrig darauf, daß der Erfolg nicht eintritt. Er hätte nicht gehandelt, wenn er die Tatbestandsverwirklichung als sichere oder notwendige Folge seines Handelns vorhergesehen hätte. Dieses letzte Kriterium ist von besonderer Bedeutung für die im Einzelfall oft recht schwierige Abgrenzung gegenüber dem bedingten Vorsatz (s.o. B V 3b, bb, S. 17). b) Bei der unbewußten Fahrlässigkeit sieht der Täter die Tatbestandsverwirklichung, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, zwar nicht als möglich voraus, er hätte sie aber bei Anwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt voraussehen können. B e i s p i e l : A schießt hinter seinem H a u s mit einem Kleinkalibergewehr auf Vögel, obwohl er sich hätte sagen können und müssen, daß er versehentlich, etwa durch einen Querschläger, einen Nachbarn verletzen könne. Trifft er tatsächlich einen seiner Nachbarn, so k o m m t neben der Übertretung gemäß § 367 Ziff. 8 idealkonkurrierend Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung in Betracht.

2. Der Aufbau der Fahrlässigkeitstat Der U n r e c h t s g e h a l t d e r f a h r l ä s s i g e n T a t erschöpft sich nicht bereits in der Erfolgsverursachung, sondern wird erst durch die weitere Feststellung begründet, daß der eingetretene Erfolg auf die A u ß e r a c h t l a s s u n g d e r im V e r k e h r e r f o r d e r l i c h e n S o r g f a l t zurückzuführen ist (vgl. Welzel 126, Maurach AT. 462ff., Gallas ZStW 67, 42, Lackner-Maassen §59 Anm. IV 2 a, aber auch OLG Köln N J W 63, 2381 und Mühlhaus DAR 67, 34, 38, ferner BayObLG N J W 68, 665, wo die Fahrlässigkeit zutreffend vor der Frage der Rechtfertigung durch Einwilligung geprüft wird). Wer einen schädlichen Erfolg verursacht, ohne daß ihm eine Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht vorgeworfen werden kann, handelt nicht tatbestandsmäßig, keinesfalls aber rechtswidrig. Dies ist besonders für das S t r a ß e n v e r k e h r s r e c h t von Bedeutung. B e i s p i e l : Wenn der Kraftfahrer A den Fußgänger F anfährt, der ihm völlig unerwartet und unvorhersehbar in die Fahrbahn gelaufen ist, so entfällt bereits der Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung. Ein Handlungsunwert ist nicht gegeben. Der Erfolgsunwert allein kann die Tatbestandsmäßigkeit nicht begründen. Es wäre daher verfehlt, in einem derart gelagerten Fall noch nach Schuldausschließungsgründen zu suchen.

Zur S c h u l d gehört jedoch die Frage, ob dem Beschuldigten die Außerachtlassung der objektiv erforderlichen Sorgfalt aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse auch zugerechnet, d.h. persönlich vorgeworfen werden kann (vgl. Mühlhaus aaO.). 36

Besondere Erscheinungsformen des Verbrechens B e i s p i e l : Ein Fahrschüler verliert an einer schwierigen Kreuzung die Nerven und rammt einen anderen P K W , dessen Fahrer verletzt wird. Hier hat der Fahrschüler die objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen und durch seinen Unfall den Tatbestand des § 230 erfüllt. Er kann sich auch auf keinen Rechtfertigungsgrund berufen. Wohl aber entfällt die Schuld, da man von einem Anfänger in schwierigen Situationen kein absolut verkehrsgerechtes Verhalten verlangen kann. Man kann ihm auch nicht zum Vorwurf machen, daß er sich überhaupt in den Verkehr begeben hat.

Hinsichtlich der w e i t e r e n S c h u l d v o r a u s s e t z u n g e n ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber der vorsätzlichen Tat. Der Täter muß zurechnungsfähig gewesen sein und im konkreten Fall die Möglichkeit gehabt haben, das Unrecht seines Tuns zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln (vgl. Maurach AT 486, Schönke-Schröder § 59 Rn. 144ff.). Außerdem muß ihm die Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht bei Würdigung aller Umstände zumutbar gewesen sein (vgl. Maurach AT 482, Schönke-Schröder §59 Rn. 172, Lackner-Maassen § 59 Anm. IV 2a, bb). 3. Die Kausalitätsprüfung Ein strafrechtlich erheblicher, d.h. tatbestandsmäßiger Kausalzusammenhang ist bei den Fahrlässigkeitsdelikten nur dann gegeben, w e n n g e r a d e die a l s f a h r l ä s s i g zu w e r t e n d e H a n d l u n g z u m k o n k r e t e n E r f o l g g e f ü h r t h a t (vgl. BGH 11, 1). Wäre der Erfolg auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten, so ist der Tatbestand der Fahrlässigkeitsdelikte nicht erfüllt (vgl. Schönke-Schröder Rn. 159 a mit weit. Nachw.). B e i s p i e l : Wenn ein LKW-Fahrer einen Radfahrer ohne den gebotenen Sicherheitsabstand überholt, hierbei streift und tödlich verletzt, so genügt diese Feststellung noch nicht, u m den Vorwurf der fahrlässigen Tötung zu begründen. E s muß vielmehr noch weiter geprüft werden, ob der Unfall sieh nicht auch auf die gleiche Weise ereignet hätte, wenn der LKW-Fahrer sich verkehrsgerecht verhalten hätte, d . h . wenn er den gebotenen Sicherheitsabstand eingehalten hätte. Dies kann etwa dann zweifelhaft werden, wenn festgestellt wird, daß der Radfahrer stark angetrunken war (so der Sachverhalt v o n B G H 11,1). Zum Ganzen siehe auch Roxin ZStW 74, 411ff., Spendel, Eb. Schmidt-Festschrift, 1961, S. 183ff., Oehler, Eb. Schmidt-Festschrift, 1961, S. 232fT. sowie Mühlhaus D A R 67, 38ff.

Z w e i f e l in dieser Richtung gehen — wie auch sonst — zugunsten des Täters. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß die rein gedankliche Möglichkeit eines gleichen Erfolgs auch bei verkehrsgerechtem Verhalten die Kausalität des verkehrswidrigen Verhaltens noch nicht auszuschließen vermag. Die vorhandenen Zweifel an der Kausalität des verkehrswidrigen Verhaltens müssen sich vielmehr auf Grund konkreter Tatsachen so verdichtet haben, daß man vernünftigerweise die sich aufdrängenden Bedenken nicht mehr verdrängen kann, d.h. nicht mehr die Überzeugung gewinnen kann, daß gerade das verkehrswidrige Verhalten für den Erfolg kausal war (vgl. BGH 11, 1). Zum Ganzen siehe auch Ulsenheimer, 37

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Erfolgsrelevante und erfolgsneutrale Pflichtverletzungen im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte, J Z 69, 364 sowie das schon oben erwähnte Schrifttum. D. D I E P E R S Ö N L I C H E N S T R A F A U S S C H L I E S S U N G S GRÜNDE 1. Begriff und Abgrenzung Von den Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen streng zu unterscheiden sind die persönlichen Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe. Während die Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe bereits den Verbrechenscharakter der Tat beseitigen, bleibt dieser bei den persönlichen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen unberührt. Der Täter wird vielmehr lediglich vor Strafe bewahrt. Innerhalb des Verbrechensaufbaus sind die persönlichen Strafausschließungsgründe daher erst zu prüfen, wenn feststeht, daß der Täter eine strafbare, d. h. tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung begangen hat. Die Gründe, die den Staat dazu veranlassen, auf den an sich gegebenen Strafanspruch zu verzichten, sind verschiedener Natur. So wird bei Rücktritt und tätiger Reue (§ 46) dem freiwillig zurückgetretenen Täter Straffreiheit gewährt, weil er sich als weniger gefährlich und strafwürdig erwiesen hat und es infolgedessen nicht zu Schlimmerem gekommen ist (vgl. BGH 7, 299; 9, 52). Im Falle der Indemnität (Art. 46 Abs. 1 Grundgesetz, § 11 StGB) soll nicht in den internen Bereich der Gesetzgebungsorgane eingegriffen werden. 2. Übersicht Innerhalb der persönlichen Strafauschließungsgründe sind die Strafausschließungsgründe i. e. S. und die Strafaufhebungsgründe zu unterscheiden. I m einzelnen: a) Ein Strafausschließungsgrund i. e. S. liegt vor, wenn der Umstand, der zum Strafausschluß führt, bereits zur Tatzeit gegeben war. Hierher gehören insbesondere die A n g e h ö r i g e n e i g e n s c h a f t in den Fällen der §§ 247 Abs. 2, 248a Abs. 3, 248b Abs. 4, 257 Abs. 2, 264a Abs. 4, 289 Abs. 5 und 370 Ziff. 5 Satz 2 sowie die I n d e m n i t ä t (Art. 46 Abs. 1 Grundgesetz für Bundestagsabgeordnete, § 11 StGB für Landtagsabgeordnete). Siehe ferner § 173 Abs. 4. b) Von einem Strafaufhebungsgrund spricht man, wenn der Umstand, auf den die Straflosigkeit zurückzuführen ist, erst nach Tatbegehung eingetreten ist. Hierher gehören insbesondere R ü c k t r i t t und t ä t i g e R e u e in den Fällen der §§ 46, 49a Abs. 3/4, 139 Abs. 3/4, 163 und 310. 38

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Erfolgsrelevante und erfolgsneutrale Pflichtverletzungen im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte, J Z 69, 364 sowie das schon oben erwähnte Schrifttum. D. D I E P E R S Ö N L I C H E N S T R A F A U S S C H L I E S S U N G S GRÜNDE 1. Begriff und Abgrenzung Von den Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen streng zu unterscheiden sind die persönlichen Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe. Während die Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe bereits den Verbrechenscharakter der Tat beseitigen, bleibt dieser bei den persönlichen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen unberührt. Der Täter wird vielmehr lediglich vor Strafe bewahrt. Innerhalb des Verbrechensaufbaus sind die persönlichen Strafausschließungsgründe daher erst zu prüfen, wenn feststeht, daß der Täter eine strafbare, d. h. tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung begangen hat. Die Gründe, die den Staat dazu veranlassen, auf den an sich gegebenen Strafanspruch zu verzichten, sind verschiedener Natur. So wird bei Rücktritt und tätiger Reue (§ 46) dem freiwillig zurückgetretenen Täter Straffreiheit gewährt, weil er sich als weniger gefährlich und strafwürdig erwiesen hat und es infolgedessen nicht zu Schlimmerem gekommen ist (vgl. BGH 7, 299; 9, 52). Im Falle der Indemnität (Art. 46 Abs. 1 Grundgesetz, § 11 StGB) soll nicht in den internen Bereich der Gesetzgebungsorgane eingegriffen werden. 2. Übersicht Innerhalb der persönlichen Strafauschließungsgründe sind die Strafausschließungsgründe i. e. S. und die Strafaufhebungsgründe zu unterscheiden. I m einzelnen: a) Ein Strafausschließungsgrund i. e. S. liegt vor, wenn der Umstand, der zum Strafausschluß führt, bereits zur Tatzeit gegeben war. Hierher gehören insbesondere die A n g e h ö r i g e n e i g e n s c h a f t in den Fällen der §§ 247 Abs. 2, 248a Abs. 3, 248b Abs. 4, 257 Abs. 2, 264a Abs. 4, 289 Abs. 5 und 370 Ziff. 5 Satz 2 sowie die I n d e m n i t ä t (Art. 46 Abs. 1 Grundgesetz für Bundestagsabgeordnete, § 11 StGB für Landtagsabgeordnete). Siehe ferner § 173 Abs. 4. b) Von einem Strafaufhebungsgrund spricht man, wenn der Umstand, auf den die Straflosigkeit zurückzuführen ist, erst nach Tatbegehung eingetreten ist. Hierher gehören insbesondere R ü c k t r i t t und t ä t i g e R e u e in den Fällen der §§ 46, 49a Abs. 3/4, 139 Abs. 3/4, 163 und 310. 38

Die persönlichen Strafausschließungsgründe

3. Die fakultativen Strafausschließungsgründe In einigen Fällen steht es im E r m e s s e n des Gerichts, ob es von Strafe absehen oder die Strafe nur mildern soll. Hierher gehören z.B. R ü c k t r i t t und t ä t i g e R e u e in den Fällen der §§ 83a, 87 Abs. 3, 98 Abs. 2, 99 Abs. 2 und § 316a Abs. 2. Siehe feiner §§ 157, 158 sowie die Fälle der R e t o r s i o n (§§ 199, 233). 4. Gemeinsame Regeln a) Gegen strafbare Handlungen, bei denen sich der Täter lediglich auf einen persönlichen Strafausschließungsgrund berufen kann, ist N o t wehr zulässig. b) Ein I r r t u m des Täters über das Vorliegen eines persönlichen Strafausschließungsgrunds ist u n b e a c h t l i c h . B e i s p i e l : Wenn A aus dem Schrank seiner Ehefrau ein Kleid entwendet, um es seiner Geliebten zu schenken, so entfällt die Strafbarkeit wegen Diebstahls gemäß § 247 II nur dann, wenn das Kleid auch tatsächlich der Ehefrau gehört. Nimmt A nur irrig an, das Kleid gehöre seiner Frau, während es in Wirklichkeit einer ihrer Freundinnen gehört, so berührt dieser Irrtum weder den Vorsatz noch das Unrechtsbewußtsein. Er ist daher rechtlich wirkungslos (vgl. Welzel 326, Lackner-Maassen § 247 Anm. 2, Schwarz-Dreher § 247 Anm. 1B, neuerdings auch Maurach BT 217; a.A. Schönke-Schröder § 247 Rn. 14). — Im umgekehrten Fall bliebe A auch dann straflos, wenn er aus der Schmuckkassette seiner Frau einen Ring entwendet, den seine Frau zunächst nur zur Ansicht mitgenommen, dann aber ohne sein Wissen zu Eigentum erworben hatte. (Zum Ganzen siehe auch BGH 18, 123.)

c) Ist z w e i f e l h a f t , ob die Voraussetzungen eines persönlichen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrunds vorliegen oder nicht, so ist nach dem Grundsatz ,,in d u b i o p r o r e o " zugunsten des Beschuldigten von ihrem Vorliegen auszugehen. Läßt sich z.B. nicht mit Sicherheit klären, ob der Beschuldigte freiwillig vom Versuch zurückgetreten ist oder ob er durch äußere, von seinem Willen unabhängige Umstände gezwungen wurde, den ursprünglichen Tatplan aufzugeben, so kann eine Verurteilung nicht erfolgen. d) Ein M i t t ä t e r oder T e i l n e h m e r kann sich auf einen persönlichen Strafausschließungsgrund nur dann berufen, wenn dessen Voraussetzungen auch in seiner eigenen Person begründet sind (vgl. §§ 50 III, 247III). 5. Behandlung im Prozeß a) Im Ermittlungsverfahren erfolgt Einstellung (§ 170 I I StPO). b) Ist die Klage schon erhoben, aber das Hauptverfahren noch nicht eröffnet, so ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen (§ 204 I StPO). Hat eine gerichtliche Voruntersuchung stattgefunden, so ist der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen (§20411). c) Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, so ist der Angeklagte durch Urteil auf Kosten der Landeskasse freizusprechen. 39

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

d) Steht es im E r m e s s e n des Gerichts, ob es von Strafe absehen oder die Strafe nur mildern soll (siehe oben 3), so gilt für den Fall des Absehens von Strafe folgende Regelung: aa) Im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen (§ 153a I StPO). bb) Nach Klageerhebung kann das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft u n d des Angeschuldigten das Verfahren einstellen (§ 153a I I StPO). cc) Nach Beginn der Hauptverhandlung ergeht Schuldspruch. Gleichzeitig ist jedoch auszusprechen, daß von einer Strafe abgesehen wird. Für den Fall des § 158 würde der Urteilstenor etwa wie folgt lauten: „Der Angeklagte A aus X ist des rechtzeitig berichtigten Meineids schuldig, doch wird von Strafe abgesehen. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens". (Wegen der Kostenentscheidung s. § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO.) E. D I E O B J E K T I V E N S T R A F B A R K E I T S BEDINGUNGEN 1. Begriff und Wesen Bei einigen Tatbeständen knüpft der Gesetzgeber die Strafbarkeit an den Eintritt bestimmter Umstände, die außerhalb des Unrechtstatbestands liegen. Diese sogenannten o b j e k t i v e n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n sind keine Tatbestandsmerkmale, sondern, ,Tatbestandsannexe''. Ihr Wesen läßt sich am besten bei § 330a verdeutlichen: Der T a t b e s t a n d des § 330a ist bereits dann verwirklicht, wenn sich jemand vorsätzlich oder fahrlässig in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt. S t r a f b a r wird die Unmäßigkeit beim Trinken aber erst dann, wenn der Trinker in seinem Rausch eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. Diese ist daher eine objektive Bedingung der Strafbarkeit (BGH 16, 124; 20, 285). 2. Übersicht Weitere objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind: a) die Rechtsgültigkeit der Verordnung bzw. die Zuständigkeit der Behörde in § 110; b) die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in § 113; c) die Zuständigkeit des Beamten in § 116; d) die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in § 117, wenn es sich um einen Widerstand oder Angriff gegen Beamte handelt; in allen übrigen Fällen des § 117 ist die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung objektives Tatbestandsmerkmal, das vom Vorsatz umfaßt sein muß; 40

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

d) Steht es im E r m e s s e n des Gerichts, ob es von Strafe absehen oder die Strafe nur mildern soll (siehe oben 3), so gilt für den Fall des Absehens von Strafe folgende Regelung: aa) Im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen (§ 153a I StPO). bb) Nach Klageerhebung kann das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft u n d des Angeschuldigten das Verfahren einstellen (§ 153a I I StPO). cc) Nach Beginn der Hauptverhandlung ergeht Schuldspruch. Gleichzeitig ist jedoch auszusprechen, daß von einer Strafe abgesehen wird. Für den Fall des § 158 würde der Urteilstenor etwa wie folgt lauten: „Der Angeklagte A aus X ist des rechtzeitig berichtigten Meineids schuldig, doch wird von Strafe abgesehen. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens". (Wegen der Kostenentscheidung s. § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO.) E. D I E O B J E K T I V E N S T R A F B A R K E I T S BEDINGUNGEN 1. Begriff und Wesen Bei einigen Tatbeständen knüpft der Gesetzgeber die Strafbarkeit an den Eintritt bestimmter Umstände, die außerhalb des Unrechtstatbestands liegen. Diese sogenannten o b j e k t i v e n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n sind keine Tatbestandsmerkmale, sondern, ,Tatbestandsannexe''. Ihr Wesen läßt sich am besten bei § 330a verdeutlichen: Der T a t b e s t a n d des § 330a ist bereits dann verwirklicht, wenn sich jemand vorsätzlich oder fahrlässig in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt. S t r a f b a r wird die Unmäßigkeit beim Trinken aber erst dann, wenn der Trinker in seinem Rausch eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. Diese ist daher eine objektive Bedingung der Strafbarkeit (BGH 16, 124; 20, 285). 2. Übersicht Weitere objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind: a) die Rechtsgültigkeit der Verordnung bzw. die Zuständigkeit der Behörde in § 110; b) die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in § 113; c) die Zuständigkeit des Beamten in § 116; d) die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in § 117, wenn es sich um einen Widerstand oder Angriff gegen Beamte handelt; in allen übrigen Fällen des § 117 ist die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung objektives Tatbestandsmerkmal, das vom Vorsatz umfaßt sein muß; 40

Die Prozeßvoraussetzungen und ProzeBhindernisse

e) die Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch einen ungenügend beaufsichtigten Jugendlichen in § 143; f) die Nichterweislichkeit der behaupteten Tatsache in § 186 (vgl. BGH 11, 274); g) der Tod bzw. die schwere Körperverletzung in § 227; h) die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung in den Fällen der §§ 239ff. KO und des § 39 Depotgesetz. 3. Gemeinsame Regeln a) Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen berühren weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit. Sie müssen daher weder vom Vorsatz noch vom Unrechtsbewußtsein umfaßt sein. Ein I r r t u m des Täters über ihr Vorliegen ist u n b e a c h t l i c h . b) Für die T e i l n a h m e ergeben sich k e i n e B e s o n d e r h e i t e n , d.h. auch der Teilnehmer kann nur dann bestraft werden, wenn im Einzelfall die im Gesetz vorgesehenen objektiven Strafbarkeitsbedingungen gegeben sind. 4. Behandlung im Prozeß a) Ergibt sich das Fehlen einer objektiven Strafbarkeitsbedingung schon im Ermittlungsverfahren, so ist dieses einzustellen (§170 I I StPO). b) Zeigt sich der Mangel erst nach Erhebung der Klage, aber noch vor Eröffnung des Haupt Verfahrens, so ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen (§ 2041 StPO). Hatte eine gerichtliche Voruntersuchung stattgefunden, so ist der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen (§ 204 I I StPO). c) Erweist sich der Mangel erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, so muß die Hauptverhandlung durchgeführt werden. In dieser ist der Angeklagte dann freizusprechen. Wegen der Kostenentscheidung s. § 467 StPO. d) Z w e i f e l gehen immer zugunsten des Beschuldigten („in dubio pro reo"). F. D I E P R O Z E S S V O R A U S S E T Z U N G E N PROZESSHINDERNISSE

UND

1. Begriff und Wesen Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse sind teils im StGB, teils in der StPO geregelt. Teilweise ergeben sie sich auch aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, die von der Rechtsprechung entwickelt 41

Die Prozeßvoraussetzungen und ProzeBhindernisse

e) die Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch einen ungenügend beaufsichtigten Jugendlichen in § 143; f) die Nichterweislichkeit der behaupteten Tatsache in § 186 (vgl. BGH 11, 274); g) der Tod bzw. die schwere Körperverletzung in § 227; h) die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung in den Fällen der §§ 239ff. KO und des § 39 Depotgesetz. 3. Gemeinsame Regeln a) Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen berühren weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit. Sie müssen daher weder vom Vorsatz noch vom Unrechtsbewußtsein umfaßt sein. Ein I r r t u m des Täters über ihr Vorliegen ist u n b e a c h t l i c h . b) Für die T e i l n a h m e ergeben sich k e i n e B e s o n d e r h e i t e n , d.h. auch der Teilnehmer kann nur dann bestraft werden, wenn im Einzelfall die im Gesetz vorgesehenen objektiven Strafbarkeitsbedingungen gegeben sind. 4. Behandlung im Prozeß a) Ergibt sich das Fehlen einer objektiven Strafbarkeitsbedingung schon im Ermittlungsverfahren, so ist dieses einzustellen (§170 I I StPO). b) Zeigt sich der Mangel erst nach Erhebung der Klage, aber noch vor Eröffnung des Haupt Verfahrens, so ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen (§ 2041 StPO). Hatte eine gerichtliche Voruntersuchung stattgefunden, so ist der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen (§ 204 I I StPO). c) Erweist sich der Mangel erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, so muß die Hauptverhandlung durchgeführt werden. In dieser ist der Angeklagte dann freizusprechen. Wegen der Kostenentscheidung s. § 467 StPO. d) Z w e i f e l gehen immer zugunsten des Beschuldigten („in dubio pro reo"). F. D I E P R O Z E S S V O R A U S S E T Z U N G E N PROZESSHINDERNISSE

UND

1. Begriff und Wesen Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse sind teils im StGB, teils in der StPO geregelt. Teilweise ergeben sie sich auch aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, die von der Rechtsprechung entwickelt 41

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

wurden. Sie haben alle gemeinsam, daß ein Strafverfahren nicht durchgeführt werden kann, wenn eine Prozeßvoraussetzung (z.B. der erforderliche Strafantrag) fehlt, oder wenn der Strafverfolgung ein Prozeßhindernis (z.B. Verjährung) entgegensteht. Unrechtsgehalt, Schuldgehalt und Strafwürdigkeit einer Tat werden von den Prozeßvoraussetzungen, die dem V e r f a h r e n s r e c h t angehören, nicht berührt. 2. Die Prozeßvoraussetzungen a) Der Beschuldigte muß der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Diese Voraussetzung fehlt bei Exterritorialität (§§ 18, 19 GVG). b) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts. c) Die Erhebung einer ordnungsgemäßen Klage durch die zuständige Staatsanwaltschaft oder — in Privatklagesachen — durch den Privatkläger (§151 StPO für das Of&iialverfahren, §374 StPO für das Privatklageverfahren ). d) Der Eröffnungsbeschluß (§ 203 StPO). e) Der Strafantrag bei den Antragsdelikten (§ 61). f) Die Ermächtigung in den Fällen der §§90 (Verunglimpfung des Bundespräsidenten), 90b (Verunglimpfung von Verfassungsorganen), 97 (Preisgabe von Staatsgeheimnissen), 106b (Verletzung der parlamentarischen Hausordnung), 197 (Beleidigung politischer Körperschaften), 353 b, 353 c (Verletzung der Amtsverschwiegenheit durch Beamte von Gesetzgebungsorganen). g) Die Genehmigung des Bundestags im Falle des Art. 46 I I Grundgesetz (Immunität von Bundestagsabgeordneten). h) Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. i) Die Auflösung der Ehe bei § 170 (Eheerschleichung). 3. Die Prozeßhindernisse a) b) c) d)

Rechtshängigkeit und Rechtskraft. Verjährung. Amnestie und Begnadigung. Das Schweben eines Vorverfahrens nach § 164 Abs. 3 oder § 191.

4. Gemeinsame Regeln a) Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse müssen weder vom Vorsatz noch vom Unrechtsbewußtsein umfaßt werden. Ein I r r t u m des Täters über ihr Vorliegen ist daher u n b e a c h t l i c h (vgl. BGH 18, 123). 42

Die einzelnen Verbrechensabschnitle

b) Die Prozeß Voraussetzungen und Prozeßhindernisse sind f ü r j e d e n T e i l n e h m e r g e s o n d e r t zu p r ü f e n . Vor allem bei Antragsdelikten kommt es häufig vor, daß der Verletzte aus persönlichen Gründen nicht gegen alle Beteiligte Strafantrag stellen will. 5. Hinsichtlich der Behandlung im Prozeß siehe Petters-Preisendanz, Strafprozeßfälle, 8. Aufl. Nachtrag zu Fall 7. G. D I E E I N Z E L N E N

VERBRECHENSABSCHNITTE

Jede Straftat läßt sich, zeitlich gesehen, in folgende Abschnitte zerlegen: Entschlußfassung, Planung, Ausführung, Vollendung und Beendigung. Im Regelfall knüpft die gesetzliche Strafdrohung an der V o l l e n d u n g der Tat an; der Strafbarkeitsbereich wird also grundsätzlich erst durch die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale erreicht. Wann ein Tatbestand verwirklicht ist, ergibt sich aus seiner jeweiligen Struktur und kann deshalb nicht einheitlich beurteilt werden. Besonderheiten ergeben sich z.B. bei den sog. U n t e r n e h m e n s d e l i k t e n , bei denen der Versuch der Vollendung gleichgestellt ist (vgl. §46a). Handlungen, durch die ein gesetzlicher Tatbestand nicht in allen Merkmalen erfüllt wird oder die die Zone des Tatbestandsmäßigen nicht einmal erreichen, sind nur dann strafbar, wenn der Strafbarkeitsbereich auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmungen auf die zeitlich vor der Tatvollendung liegenden Stadien der Verbrechensverwirklichung ausgedehnt wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von sog. S t r a f a u s d e h n u n g s g r ü n d e n (vgl. Maurach AT 413). Der wichtigste Strafausdehnungsgrund ist der V e r s u c h . Der Versuch ist das Verbrechensstadium, das der Vollendung am nächsten kommt und deshalb neben der Vollendung am ehesten strafwürdig ist. Hier hat der Täter bereits unmittelbar zum Angriff auf die vom Tatbestand strafrechtlich geschützte Verbotszone angesetzt. Der Versuch ist dessen ungeachtet nicht generell, sondern nur bei Verbrechen und solchen Vergehen strafbar, bei denen das Gesetz dies ausdrücklich, bestimmt (§ 43 Abs. 2). Einzelheiten über die Strafbarkeit des Versuchs siehe die Ausführungen zu § 43. Die V o r b e r e i t u n g einer Tat ist grundsätzlich straflos. Sie wird ausnahmsweise nur in solchen, gesetzlich eng begrenzten Fällen unter Strafe gestellt, in denen dies mit Rücksicht auf den Wert des bedrohten Rechtsguts oder mit Rücksicht auf die besondere Gefährlichkeit der Handlung geboten erscheint. Hierher gehören z.B. die §§49a, 80, 151, 218 Abs. 4, 234a Abs. 3. E n t s c h l u ß f a s s u n g und P l a n u n g sind für sich allein nie strafbar, die V e r a b r e d u n g eines Verbrechens nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 49a Abs. 2. 43

Die einzelnen Verbrechensabschnitle

b) Die Prozeß Voraussetzungen und Prozeßhindernisse sind f ü r j e d e n T e i l n e h m e r g e s o n d e r t zu p r ü f e n . Vor allem bei Antragsdelikten kommt es häufig vor, daß der Verletzte aus persönlichen Gründen nicht gegen alle Beteiligte Strafantrag stellen will. 5. Hinsichtlich der Behandlung im Prozeß siehe Petters-Preisendanz, Strafprozeßfälle, 8. Aufl. Nachtrag zu Fall 7. G. D I E E I N Z E L N E N

VERBRECHENSABSCHNITTE

Jede Straftat läßt sich, zeitlich gesehen, in folgende Abschnitte zerlegen: Entschlußfassung, Planung, Ausführung, Vollendung und Beendigung. Im Regelfall knüpft die gesetzliche Strafdrohung an der V o l l e n d u n g der Tat an; der Strafbarkeitsbereich wird also grundsätzlich erst durch die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale erreicht. Wann ein Tatbestand verwirklicht ist, ergibt sich aus seiner jeweiligen Struktur und kann deshalb nicht einheitlich beurteilt werden. Besonderheiten ergeben sich z.B. bei den sog. U n t e r n e h m e n s d e l i k t e n , bei denen der Versuch der Vollendung gleichgestellt ist (vgl. §46a). Handlungen, durch die ein gesetzlicher Tatbestand nicht in allen Merkmalen erfüllt wird oder die die Zone des Tatbestandsmäßigen nicht einmal erreichen, sind nur dann strafbar, wenn der Strafbarkeitsbereich auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmungen auf die zeitlich vor der Tatvollendung liegenden Stadien der Verbrechensverwirklichung ausgedehnt wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von sog. S t r a f a u s d e h n u n g s g r ü n d e n (vgl. Maurach AT 413). Der wichtigste Strafausdehnungsgrund ist der V e r s u c h . Der Versuch ist das Verbrechensstadium, das der Vollendung am nächsten kommt und deshalb neben der Vollendung am ehesten strafwürdig ist. Hier hat der Täter bereits unmittelbar zum Angriff auf die vom Tatbestand strafrechtlich geschützte Verbotszone angesetzt. Der Versuch ist dessen ungeachtet nicht generell, sondern nur bei Verbrechen und solchen Vergehen strafbar, bei denen das Gesetz dies ausdrücklich, bestimmt (§ 43 Abs. 2). Einzelheiten über die Strafbarkeit des Versuchs siehe die Ausführungen zu § 43. Die V o r b e r e i t u n g einer Tat ist grundsätzlich straflos. Sie wird ausnahmsweise nur in solchen, gesetzlich eng begrenzten Fällen unter Strafe gestellt, in denen dies mit Rücksicht auf den Wert des bedrohten Rechtsguts oder mit Rücksicht auf die besondere Gefährlichkeit der Handlung geboten erscheint. Hierher gehören z.B. die §§49a, 80, 151, 218 Abs. 4, 234a Abs. 3. E n t s c h l u ß f a s s u n g und P l a n u n g sind für sich allein nie strafbar, die V e r a b r e d u n g eines Verbrechens nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 49a Abs. 2. 43

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

H. T Ä T E R S C H A F T U N D T E I L N A H M E I. Begriff und Abgrenzung 1. Die einzelnen Teilnahmeformen Sind mehrere an einer strafbaren Handlung beteiligt, so kommt als Teilnahmeform je nach Sachlage Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe in Betracht. A n s t i f t u n g und B e i h i l f e werden üblicherweise unter dem gemeinsamen Oberbegriff T e i l n a h m e zusammengefaßt und der Täterschaft gegenübergestellt. Innerhalb der T ä t e r s c h a f t wiederum unterscheidet man die u n m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t , die m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t , die M i t t ä t e r s c h a f t und die N e b e n t ä t e r s c h a f t . Gesetzlich geregelt sind z.Zt. nur die Anstiftung (§48), die Beihilfe (§ 49) und die Mittäterschaft (§ 47). Der Täter begriff als solcher sowie die mittelbare Täterschaft und die Nebentäterschaft als besondere Erscheinungsformen der Täterschaft wurden von Rspr. und Wissenschaft entwickelt. Wegen der Neuregelung von Täterschaft und Teilnahme durch die §§ 25ff. i.d.F. des 2. StrRG siehe Anhang 8. 2. Der Täterbegriff Wann im Einzelfall Täterschaft, wann Teilnahme vorliegt, kann oft zweifelhaft sein. Insbesondere die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung sowie die Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe stoßen nicht selten auf Schwierigkeiten, deren Lösung entscheidend von der Frage abhängt, ob man die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ausschließlich oder überwiegend nach subjektiven Gesichtspunkten vornimmt oder ob man einer objektiven Betrachtungsweise den Vorzug gibt. Während ein Teil des neueren Schrifttums, insbesondere die Vertreter der finalen Handlungslehre (Mäurach, Welzel, Gallas, Niese u. a. m.), ausgehend von einem m a t e r i e l l - o b j e k t i v e n bzw. f i n a l - o b j e k t i v e n T ä t e r b e g r i f f die Abgrenzung nach objektiven Gesichtspunkten vornehmen und in der T a t h e r r s c h a f t das entscheidende Kriterium für die Täterschaft sehen, hat der Bundesgerichtshof nach anfänglichem Schwanken im Anschluß an die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts der subjektiven Betrachtungsweise den Vorzug gegeben. So stehen insbesondere die Entscheidungen BGH 16, 12 und BGH 18, 87 (Staschynskij-Urteil) eindeutig auf dem Boden eines subjektiv bestimmten Täterbegriffs. Im neueren Schrifttum wird der subjektive Täterbegriff u.a. von SchönkeSchröder (Vorbem. 59ff. vor § 47) und Baumann (Lehrbuch AT 534 ff., NJW 62, 374 und NJW 63, 561 sowie JuS 63, 51ff.) vertreten. Die Ablehnung des objektiven Täterbegriffs wird vor allem damit begründet, daß die Abgrenzung nach objektiven Gesichtspunkten zu schematisch und eng sei; sie sei insbesondere nicht in der Lage, besondere Zwangslagen und ähnliche Ausnahmesituationen, aus denen heraus die Tat begangen worden ist,befriedigend zu berücksichtigen (vgl. BGH 19,87,92f.).

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Täterschaft und Teilnahme

Folgt man dem subjektiv bestimmten Täterbegriff der höchstrichterlichen Rechtsprechung, so ist Täter, w e r d i e T a t a l s e i g e n e w i l l , d.h. wer den Tatbestand mit T ä t e r w i l l e n verwirklicht. Die T e i l n a h m e (Anstiftung und Beihilfe) zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, daß der Teilnehmer die T a t a l s f r e m d e w i l l , d.h. seinen eigenen Willen und den sich hieraus ergebenden Tatbeitrag dem Willen des Täters u n t e r o r d n e t . 3. Einzelheiten und Beispiele I m Gegensatz zur Auffassung des Reichsgerichts (siehe hierzu vor allem RG 74, 84) kann der Täterwille nicht allein durch das T a t i n t e r esse begründet werden. Das Tatinteresse kann für sich allein schon deshalb nicht als entscheidendes Kriterium für die Täterschaft herangezogen werden, weil es eine ganze Reihe von Tatbeständen gibt, bei denen die Tatbegehung auch dann unter täterschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, wenn die Tat im Interesse eines Dritten begangen wird (vgl. BGH 8, 393, 396). So liegt Betrug nicht nur dann vor, wenn der Täter für sich selbst einen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebt, sondern auch dann, wenn er — ohne eigenes Interesse, etwa die Aussicht auf Belohnung — einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zukommen lassen will. Entsprechendes gilt für die Erpressung (§§ 253, 255) und die Pfandkehr (§ 289). Das Tatinteresse ist daher lediglich ein I n d i z für das Vorhandensein eines Täter willens. Ob ein Tatbeteiligter die T a t „als eigene" gewollt hat, richtet sich nicht rein subjektiv nach seinem Interesse an der Tat, sondern ist vom Gericht bei Würdigung aller Umstände w e r t e n d zu ermitteln (vgl. BGH 8, 393, 396; 16, 12f.). Hierbei sind durchaus Fälle denkbar, bei denen der Täter kein eigenes Interesse am Erfolg der Tat gehabt hat (BGH 8, 393, 396). Der Täterwille kann sich aber auch aus sonstigen Umständen ergeben, die ein e n g e s V e r h ä l t n i s des Täters zur Tat begründen. Ein die Täterschaft begründendes enges Verhältnis zur Tat liegt insbesondere dann vor, wenn der Täter den W i l l e n z u r T a t h e r r s c h a f t gehabt hat, d.h. wenn er Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich nach seinem Willen gestaltet hat (vgl. BGH 8, 393, 396; 13, 162, 166). Andererseits kann von einem Täterwillen nicht gesprochen werden, wenn ein Tatbeteiligter weder ein eigenes Interesse am Erfolg, noch die Tat nach seinem eigenen Willen gestaltet hat, sondern diese nur deshalb beging, weil er unter fremdem Druck stand und keine andere Möglichkeit sah, sich diesem Druck zu entziehen. Legt man diese Abgrenzungsmaßstäbe zugrunde, so findet auch das bestrittene S t a s c h y n s k i j - U r t e i l (BGH 18, 87) seine dogmatische Begründung. St. hatte zwei in München lebende Mitglieder der exilrussischen Widerstandsbewegung auf Befehl und unter dem Druck seiner 45

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

sowjetischen Auftraggeber mit einer Giftpistole getötet, ohne sich selbst mit den Interessen seiner Auftraggeber zu identifizieren. Ein eigenes Interesse an der Tat fehlte. St. hatte auch nicht den Willen zur Tatherrschaft oder ein sonstiges enges Verhältnis zur Tat. Er handelte vielmehr unter dem Einfluß „übermächtiger Paktoren" (BGH 18, 95 unter Bezugnahme auf Kohlrausch-Lange, Vorbem. I 5A vor § 47) und wurde daher zu Recht nicht wegen täterschaftlich begangenen Mords, sondern nur wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Diese Möglichkeit bestand nur auf der Grundlage eines subjektiven Täterbegriffs. Bei Zugrundelegung des materiell-objektiven bzw. des final-objektiven Täterbegriffs hätte St. wegen täterschaftlich begangenen Mords zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt werden müssen. Seine Zwangslage hätte im Strafmaß nicht berücksichtigt werden können. Die objektive Betrachtungsweise wurde daher vom BGH (a.a.O. 95) als „zu eng" abgelehnt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Staschynskij-Prozeß zeigt weiter, daß Beihilfe unter gewissen Voraussetzungen auch dann möglich ist, wenn der Angeklagte alle Tatbestandsmerkmale vorsätzlich und eigenhändig verwirklicht, selbst aber kein eigenes Tatinteresse und keinen Willen zur Tatherrschaft hat, d.h. wenn er sich völlig einem anderen unterordnet. Aus denselben Gründen sind auch die Teilnehmer an den berüchtigten M a s s e n e r s c h i e ß u n g e n unter der Herrschaft desNSRegimes nur dann wegen täterschaftlich begangenen Mords zu bestrafen, wenn sie sich entweder mit ihren Auftraggebern identifiziert oder durch die Tatbegehung eigene Sonderinteressen verfolgt haben (Voraussetzungen, die in der Regel nicht nachgewiesen werden können). Standen sie dagegen unter dem Einfluß „übermächtiger Faktoren" (vgl. KohlrauschLange Vorbem. I 5 A vor § 47), d.h. befanden sie sich in einer verwirrenden Lage, aus der sie keinen anderen Ausweg sahen (BGH a.a.O. 93), so haben sie sich nur wegen Beihilfe zu verantworten. Überall dort jedoch, wo derartige Ausnahmesituationen fehlen —• das dürfte der Normalfall sein — kann davon ausgegangen werden, daß derjenige, der alle Tatbestandsmerkmale eigenhändig und in Kenntnis aller Tatumstände verwirklicht, als Täter zu charakterisieren ist. Dies gilt auch dann, wenn ein eigenes Tatinteresse fehlt. B e i s p i e l : Wenn A im Auftrag seines Freundes F dessen versicherte Scheune abbrennt, damit F in den Genuß der Versicherungssumme gelangen kann, so ist A auch dann als Täter gemäß § 265 zu bestrafen, wenn er von F keine Belohnung erstrebt. E r kann sich nicht darauf berufen, er habe kein eigenes Interesse an der Tat gehabt und diese nur „als fremde" gewollt. W a s d e r T ä t e r w o l l t e , i s t a u f G r u n d a l l e r U m s t ä n d e v o m G e r i c h t w e r t e n d zu e r m i t t e l n (vgl. BGH 8, 393ff.). Aus eben diesen Gründen hat der BGH in der zuletzt zitierten Entscheidung auch die Rechtsansicht des früheren Reichsgerichts in RG 74, 84 ( B a d e w a n n e n f a l l ) ausdrücklich aufgegeben. Die tatausführende Angeklagte, die das Kind ihrer Schwester auf deren Wunsch in der Badewanne ertränkte, müßte heute nach einhelliger Ansicht als Täterin gemäß §§ 212, 211 verurteilt werden. Sie hatte zwar kein eigenes Tatinteresse, wohl aber den Willen zur Tatherrschaft.

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Täterschaft und Teilnahme

II. Die mittelbare Täterschaft 1. Begriff M i t t e l b a r e r T ä t e r ist, wer die Tat nicht selbst ausführt, sondern sie durch einen anderen, den sog. T a t m i t t l e r , für sich ausführen läßt. Die mittelbare Täterschaft ist eine besondere Erscheinungsform der Täterschaft. Mittelbarer Täter kann demnach nur sein, wer Täter sein kann. Ein Amtsdelikt kann z.B. nur von einem Beamten in mittelbarer Täterschaft begangen werden (Einzelheiten siehe unten Abschn. 4b). Wie bei jedem Fall der Täterschaft muß auch der mittelbare Täter den Täterwillen haben, d.h. die T a t als eigene wollen. Er muß die Absicht haben, den Geschehnisablauf, der auf die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands hinzielt, nach seinem Willen zu gestalten. Es gibt demnach k e i n e f a h r l ä s s i g e m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t . B e i s p i e l : Ein Arzt, der unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt einer Krankenschwester ein falsches oder falsch dosiertes Medikament in die Hand gibt, macht sich zwar der fahrlässigen Tötung (§ 222) oder der fahrlässigen Körperverletzung (§ 230) schuldig, wenn das Medikament bei einem Patienten Schaden stiftet. E s wäre jedoch verfehlt, hier von mittelbarer Täterschaft zu sprechen (anders natürlich, wenn der Arzt bewußt die Gutgläubigkeit der Schwester ausnutzt, um dem Patienten zu schaden).

2. Das Verhältnis zur Anstiftung Der A n s t i f t e r handelt selbst ohne eigenen Täterwillen; er will das Tatgeschehen nicht selbst beherrschen, sondern überläßt es dem von ihm Angestifteten, die Tat nach eigenem Willen frei zu gestalten. Demgegenüber handelt der m i t t e l b a r e T ä t e r mit dem Willen, die Tat selbst zu gestalten; er will auf seine beherrschende Rolle auch dann nicht verzichten, wenn er sich zur Tatausführung ganz oder teilweise eines anderen bedient. Mittelbare Täterschaft ist somit nur dann möglich, wenn der Tatmittler, gleich aus welchen Gründen, unter dem beherrschenden Einfluß des Hintermanns steht. 3. Die einzelnen Fälle der mittelbaren Täterschaft Die typischen Fälle der mittelbaren Täterschaft sind dadurch gekennzeichnet, daß der Tatmittler entweder nicht tatbestandsmäßig, oder zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig oder nicht schuldhaft handelt (siehe die folgenden Abschnitte a—c). Bei einem volldeliktisch handelnden Tatmittler kommt mittelbare Täterschaft nur ausnahmsweise in Betracht (siehe unten Abschn. d). Im einzelnen sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden: a)Beim Tatmittler fehlt bereits der Tatbestand, und zwar entweder aus subjektiven oder aus objektiven Gründen. 47

V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil Beispiele: aa) E i n Polizeibeamter (P) l ä ß t einen H ä f t l i n g d u r c h einen Mitgefangenen solange schlagen, bis dieser ein Geständnis ablegt. Der H ä f t l i n g , der sich zu der T a t hergibt, k a n n den T a t b e s t a n d der Aussageerpressung (§ 343) schon o b j e k t i v n i c h t erfüllen, d a er kein U n t e r s u c h u n g s b e a m t e r ist. P h a t sich der Aussageerpressung in mittelb a r e r T ä t e r s c h a f t schuldig g e m a c h t . b b ) E i n V a t e r t r e i b t seine m i n d e r j ä h r i g e T o c h t e r d a d u r c h in den Tod, d a ß er ihr solange V o r w ü r f e m a c h t , sie peinigt und schikaniert, b i s sie seinem R a t folgt u n d Selbstmord begeht. H i e r liegt keine straflose Teilnahme a m Selbstmord, sondern vorsätzliche T ö t u n g in m i t t e l b a r e r T ä t e r s c h a f t v o r ; d a s Mädchen selbst h a n d e l t n i c h t einmal t a t b e s t a n d s m ä ß i g (vgl. O G H BZ 2, 7 sowie d e r viel zitierte Fall H ö f e l d t , Z S t W 68, 544). ec) E i n Viehhändler (V) v e r a n l a ß t seinen Arbeiter (A), die K ü h e seines N a c h b a r n (N) von der Weide zu treiben u n d i h m z u z u f ü h r e n , indem er i h m b e w u ß t der W a h r heit zuwider vorspiegelt, N sei d a m i t einverstanden, d a er seine u n r e n t a b l e L a n d w i r t s c h a f t a u f g e b e n u n d den Verlust seiner Versicherungsgesellschaft melden wolle, u m d a n n m i t der Versicherungssumme eine n e u e E x i s t e n z a u f b a u e n zu k ö n n e n . U n t e r w i r f t sich A der Weisimg des V in der A n n a h m e , N wolle tatsächlich die Versicher u n g b e t r ü g e n , so k o m m t f ü r V Diebstahl in m i t t e l b a r e r T ä t e r s c h a f t in B e t r a c h t , w ä h r e n d A weder vorsätzlich noch m i t Zueignungsabsicht h a n d e l t , f ü r ihn somit schon der s u b j e k t i v e T a t b e s t a n d e n t f ä l l t . dd) A b w a n d l u n g : W e n n V d e n A n i c h t d u r c h List z u r T a t b e s t i m m t , sond e r n d u r c h die D r o h u n g , i h n fristlos zu entlassen, ergibt sich f ü r V dieselbe Lösung. E r ist wegen D i e b s t a h l s in m i t t e l b a r e r T ä t e r s c h a f t z u b e s t r a f e n , w ä h r e n d bei A, der sich d e m Willen des V u n t e r w o r f e n h a t , somit die T a t nicht als eigene wollte, Beihilfe z u m D i e b s t a h l a n z u n e h m e n ist. ee) Weitere A b w a n d l u n g : S t ü n d e A nicht in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis, so wäre er als T ä t e r a n z u s e h e n ; V w ä r e n u r A n s t i f t e r . D e m s t e h t n i c h t entgegen, d a ß A a n den Tieren kein u n m i t t e l b a r eigenes Interesse h a t t e . Zueignungsa b s i c h t i. S. von § 242 k a n n a u c h d a n n vorliegen, wenn der T ä t e r n u r die Absicht h a t , die v o n i h m e n t w e n d e t e Sache n a c h der T a t einem a n d e r e n zu überlassen. E n t scheidend ist lediglich, d a ß er den Willen zur T a t h e r r s c h a f t h a t t e u n d d a ß der A n s t i f t e r i h m diese überlassen wollte. f f ) A v e r a n l a ß t auf einer T r e i b j a g d den kurzsichtigen B, auf den Treiber X zu schießen, wobei er g e n a u weiß, d a ß B infolge seiner Kurzsichtigkeit d e n X f ü r einen Hirsch h ä l t . I n derartigen Fällen, bei denen der H i n t e r m a n n einen v o r s a t z a u s schließenden T a t b e s t a n d s i r r t u m des T a t m i t t l e r s a u s n u t z t , k o m m t f ü r den H i n t e r m a n n eindeutig u n d u n b e s t r i t t e n n u r m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t in B e t r a c h t , u n d zwar o h n e R ü c k s i c h t d a r a u f , ob der I r r t u m des T a t m i t t l e r s auf Fahrlässigkeit b e r u h t oder nicht.

b) Der Tatmittler handelt tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig Hier kommt es besonders auf die richtige Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme an, da Anstiftung und Beihilfe nur bei rechtswidrigen Taten strafbar sind, m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t aber auch dann m ö g lichist, wenn der T a t m i t t l e r sich auf einen R e c h t f e r t i g u n g s grund berufen kann, in seiner Person also nicht rechtswidrig handelt. Mittelbare Täterschaft setzt in solchen Fällen voraus, daß der Hintermann mit dem Willen und der Vorstellung handelt, das Tatgeschehen durch den Einsatz eines Tatmittlers dergestalt zu steuern, daß er selbst 48

Täterschaft und Teilnahme

die Fäden in der Hand hat, während der Tatmittler die Situation infolge Täuschung oder unter dem Druck einer Notlage nicht zu beherrschen vermag. Beispiele: aa) A weiß, daß der geistesschwache B leicht erregbar ist, insbesondere nach Alkoholgenuß. In Ausnutzung dieses Umstands setzt er ihm zunächst Schnaps vor und hetzt ihn dann gegen X . Wie von A vorhergesehen und gewollt, gelingt es dem als schlagkräftig bekannten X , den Angreifer B abzuwehren, wobei dieser jedoch erheblich verletzt wird. Hier hatte A die Fäden in der Hand. Sowohl B als auch X waren seine Werkzeuge. A ist demnach wegen vorsätzlicher Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft (§ 223) zu bestrafen. bb) Abwandlung: Wenn B und X sich im Zeitpunkt des Eingreifens von A bereits im Streit befanden und A nunmehr dem angegriffenen X eine Waffe zur Verteidigung gibt, so liegt für A nur straflose Beihilfe zu einer durch Notwehr gerechtfertigten Tat vor. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob dem A die Situation, in der er zugunsten des X eingreifen konnte, willkommen war oder nicht. Entscheidend ist, daß er die Situation als solche nicht selbst mit dem Willen zur Tatherrschaft herbeigeführt hatte (vgl. Welzel 101, Maurach AT 544, Roxin 163). cc) A beschuldigt bewußt der Wahrheit zuwider den völlig unschuldigen B des Mordes an X und erreicht so, daß B für einige Zeit in U-Haft genommen wird. Hier sind die Staatsanwälte, Richter, Polizeibeamten und Beamten der Haftanstalt, die für den Erlaß und Vollzug des Haftbefehls verantwortlich sind, gutgläubige Werkzeuge in der Hand des A. Während die Beamten rechtmäßig, da pflichtgemäß, handeln, hat A sich einer Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht (vgl. Welzel 100, Maurach AT 541).

c) Der Tatmittler handelt tatbestandsmäßig und rechtswidrig, aber schuldlos Beispiele: aa) A hetzt den, wie er weiß, geisteskranken B auf X . B tötet den X . Hier handelt B tatbestandsmäßig und rechtswidrig, aber schuldlos (vgl. § 51 Abs. 1). A ist mittelbarer Täter. Handelte er mit Tötungsvorsatz, so ergibt sich die Strafbar keit aus §§ 211, 212; handelte er mit KörperverletzungsVorsatz, so liegt, sofern der tödliche Ausgang für ihn vorhersehbar war, Körperverletzung mit Todesfolge vor (vgl. §§ 226, 56). bb) Abwandlung: Kannte A die Geisteskrankheit des B nicht, so handelte er nicht mit Tätervorsatz, sondern mit Anstiftervorsatz und ist daher wegen Anstiftung zum Mord bzw. Totschlag zu bestrafen, wenn sowohl bei ihm als auch bei B Tötungsvorsatz nachweisbar ist (vgl. Schönke-Schröder Rn. 25, 95 vor § 47 m. weit. Nachw., sehr bestr.). cc) Wer entgegen der hier vertretenen Ansicht den Vorsatz nicht als subjektives Tatbestandsmerkmal, sondern als Schuldmerkmal auffaßt (s. o. B V 3a, S. 15f.), muß hierher alle Fälle rechnen, bei denen jemand bewußt einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum eines anderen ausnutzt, um diesen zur Tatbegehung zu mißbrauchen. dd) A nötigt B unter der Drohung, er werde sonst ihn selbst erschießen, den X zu erschießen. Beugt sich B der Drohung des A und tötet den X , so kommt für ihn der Schuldausschließungsgrund des § 52 in Betracht. A ist als mittelbarer Täter wegen Mords oder Totschlags zu bestrafen. ee) Hierher gehören ferner alle Fälle, in denen jemand bewußt einen V e r b o t s i r r t u m herbeiführt, z . B . wenn jemand einen gerade aus dem Ausland eingewanderten Arzt zu einer nur ethisch indizierten Schwangerschaftsunterbrechung be4

Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil stimmt und ihm dabei vorspiegelt, in der Bundesrepublik werde inzwischen auch die ethische Indikation (Unterbrechung einer aus einer Notzucht stammenden Schwangerschaft) als Rechtfertigungsgrund anerkannt. (Für die Einbeziehung auch dieser Fälle in den Kreis der mittelbaren Täterschaft vor allem Gallas, Täterschaft und Teilnahme, Materialien zur Strafrechtsreform, 1954, Bd. I 134, SchönkeSchröder Rn. 28, 91 vor § 47, Mezger-Blei I 265.) ff) Als Fall mittelbarer Täterschaft ist auch der r e c h t s w i d r i g e d i e n s t l i c h e B e f e h l eines militärischen Vorgesetzten zu betrachten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er für den Untergebenen verbindlich war oder nicht. Der Vorgesetzte ist auf jeden Fall mittelbarer Täter. Siehe hierzu §§ 33 f. WStG, abgedruckt in Anhang 3.

d) Der Tatmittler handelt volldeliktisch Bei einem volldeliktisch handelnden Tatmittler kommt nur a u s n a h m s w e i s e mittelbare Täterschaft des Hintermanns in Betracht. Hierher gehören die Fälle, in denen der Tatmittler entweder aa) v e r m i n d e r t z u r e c h n u n g s f ä h i g i. S. von §51 Abs. 2 ist oder bb) sich in einem v e r m e i d b a r e n V e r b o t s i r r t u m befindet oder cc) in eine v e r s c h u l d e t e N o t s t a n d s l a g e geraten ist oder dd) volldeliktisch, aber nur mit G e h i l f e n w i l l e n die Tat ausführt (Fall Staschynskij, vgl. BGH 18, 87 m. Anm. Baumann N J W 63, 561 und Schroeder ROW 1964, 97). In all diesen Fällen ist weiter erforderlich , daß der H i n t e r m a n n die Umstände gekannt hat, die ihn in der Rolle des die Tat steuernden Täters erscheinen lassen. Kannte er diese Umstände nicht, so fehlte ihm der Täterwille, so daß nur Anstiftung in Betracht kommt (vgl. SchönkeSchröder Rn. 95 vor § 47 m. weit. Nachw.). 4. Ausschluß der mittelbaren Täterschaft a) Mittelbare Täterschaft ist zunächst bei den eigenhändigen Delikten ausgeschlossen, d.h. überall dort, wo das Gesetz das strafwürdige Unrecht gerade in der unmittelbar körperlichen Vornahme einer bestimmten Handlung sieht, insbesondere bei den A u s s a g e d e l i k t e n und den sog. F l e i s c h e s v e r b r e c h e n (s.o. B I 6, S. 8). Beispiele: aa) Wenn A den gutgläubigen B dazu verleitet, ihm der Wahrheit zuwider vor Gericht als Zeuge unter Eid zu bestätigen, er habe mit ihm zur Tatzeit Skat gespielt, sich also nicht am Tatort aufhalten können, so kommt für B allenfalls fahrlässiger Falscheid (§ 163), für A der Sondertatbestand des § 160 (Verleitung zum Falscheid) in Betracht. Meineid in mittelbarer Täterschaft ist dagegen begrifflich ausgeschlossen. bb) Wenn A zwei Geschwister miteinander verkuppelt, die sich schon lange nicht mehr gesehen haben und nicht mehr kennen (Fall der Hamburger Bordellwirtin), so kann A nicht wegen Blutschande in mittelbarer Täterschaft bestraft werden. In Betracht kommt nur Strafbarkeit wegen Kuppelei (§ 180).

b) Mittelbare Täterschaft ist ferner bei den sogenannten Sonderdelikten ausgeschlossen, d.h. überall dort, wo das Gesetz eine ausdrückliche B e s c h r ä n k u n g des T ä t e r k r e i s e s vorgenommen hat, insbesondere 50

Täterschaft und Teilnahme

bei den A m t s d e l i k t e n , aber auch bei den u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n (s.o. B I 7, S. 9). So kann sich wegen V e r l e t z u n g des B e r u f s g e h e i m n i s s e s (§300) nur ein Arzt, Apotheker usw., wegen F a l s c h b e u r k u n d u n g (§3481) nur ein Beamter strafbar machen; R e c h t s b e u g u n g (§336) kann nur ein Richter oder Schiedsrichter begehen. Mittelbare Täterschaft seitens eines Außenstehenden ist in all diesen Fällen ausgeschlossen, jedoch besteht bei der Falschbeurkundung die Möglichkeit, den Außenstehenden, der einen Beamten durch Täuschung zu einer Falschbeurkundung veranlaßt hat, wegen mittelbarer Falschbeurkundung nach dem Sondertatbestand des § 271 zu bestrafen. Die Erschleichung eines Fehlurteils kann als Betrug, Begünstigung, Freiheitsberaubung, Meineid oder falsche Anschuldigung bestraft werden, wenn es gelingt, den Richter durch falsche Angaben zu täuschen. Eine Rechtsbeugung in mittelbarer Täterschaft ist dagegen begrifflich ausgeschlossen. 5. Der Versuch der mittelbaren Täterschaft Als B e g i n n e i n e r A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g i. S. von § 43 ist grundsätzlich bereits j e d e E i n w i r k u n g auf d e n in A u s s i c h t g e n o m m e n e n T a t m i t t l e r anzusehen (vgl. BGH 4, 270). Es ist also nicht erforderlich, daß der Tatmittler seinerseits eine Handlung vornimmt, die den Anfang einer Ausführungshandlung darstellt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Tatmittler gutgläubig oder dolos ist (vgl. Bockelmann JZ 54, 473, Baumann JuS 63, 93 ; abl. Welzel 184 und SchönkeSchröder § 43 Rn. 16). Entscheidend ist allein die Vorstellung des Hintermanns, aus dessen Sicht heraus sich die Einwirkung auf den Tatmittler in jedem Fall als Beginn der Ausführung darstellt. B e i s p i e l : Wenn A dem Gepäckträger B den Auftrag gibt, aus einem Abteil eines gerade eingetroffenen D-Zugs einen bestimmten, dem X gehörenden Koffer zu holen, indem er ihm vorspiegelt, der Koffer gehöre ihm, so liegt bereits in der Erteilung dieses Auftrags der Beginn der Ausführung des in mittelbarer Täterschaft geplanten Diebstahls. A ist daher auch dann wegen versuchten Diebstahls in mittelbarer Täterschaft zu bestrafen, wenn B den Auftrag zurückweist, etwa weil er die Pläne des A durchschaut hat.

III. Die Mittäterschaft Die Mittäterschaft ist die einzige im Gesetz selbst geregelte Form der Täterschaft. Nach § 47 ist Mittäter, wer eine strafbare Handlung gemeinschaftlich mit anderen ausführt. Für die A b g r e n z u n g g e g e n ü b e r d e r T e i l n a h m e , insbesondere der B e i h i l f e , gelten die oben in Abschnitt I (S. 44ff.) entwickelten Grundsätze. Wie bereits ausführlich dargelegt, steht der B u n d e s g e r i c h t s h o f nach anfänglichem Schwanken auf dem Boden eines im wesentlichen s u b j e k t i v b e s t i m m t e n 4

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

T ä t e r b e g r i f f s (vgl. insbesondere BGH 16, 12 und 18, 87). Mittäterschaft liegt demzufolge immer dann vor, wenn mehrere Personen im bewußten und gewollten Zusammenwirken arbeitsteilig auf die Tatbestandsverwirklichung hinwirken. Einzelheiten und Beispiele siehe die Ausführungen zu § 47. IV. Die Nebentäterschaft Von Nebentäterschaft spricht man, wenn ein tatbestandsmäßiger Erfolg von mehreren Personen verwirklicht wird, ohne daß ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken vorliegt. Diese Voraussetzungen sind vor allem dann gegeben, wenn mehrere Personen einen Erfolg durch F a h r l ä s s i g k e i t verursachen, z.B. wenn bei einem von zwei Kraftfahrern verschuldeten Verkehrsunfall eine dritte, unbeteiligte Person, etwa ein Fußgänger, verletzt wird. Aber auch bei vorsätzlicher Tatbegehung ist Nebentäterschaft möglich. Beispiele: a) Dr. med. A gibt seiner Sprechstundenhilfe S ein, wie er weiß, tödlich wirkendes Medikament mit dem Auftrag, dieses Medikament dem mit ihm verfeindeten Patienten X zu verabfolgen. Wenn die S das Medikament dem X unbesehen, unter Verletzung der ihr zumutbaren Sorgfaltspflicht, verabreicht und X an den Folgen der Vergiftung stirbt, so ist sie wegen fahrlässiger Tötung, Dr. A wegen vorsätzlicher Tötung zu bestrafen. In ihrem Verhältnis zueinander sind Dr. A und die S als Nebentäter anzusehen. Daß bei Dr. A gleichzeitig die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft gegeben sind, steht dem nicht entgegen. Die Begriffe mittelbare Täterschaft und Nebentäterschaft schließen sich nicht aus, wie das Beispiel eindeutig zeigt. b) Abwandlung: Wenn die S wider Erwarten die tödliche Wirkung des Medikaments erkennt, dieses aber dennoch verabfolgt, weil auch sie auf X schlecht zu sprechen ist, hat auch sie sich wegen vorsätzlicher Tötung zu verantworten. Die Täterqualifikation des Dr. A wird bei Zugrundelegung des subjektiven Täterbegriffs hierdurch nicht berührt, da er die Tat der S als eigene wollte, d. h. den Willen zur Tatherrschaft hatte. E r ist auch in diesem Fall Nebentäter. Mittäterschaft ist dagegen abzulehnen, da es an einem bewußten und gewollten Zusammenwirken gefehlt hat.

V. Die Akzessorietät von Täterschaft und Teilnahme 1. Begriff Sowohl die Anstiftung als auch die Beihilfe setzen die Begehung einer Haupttat voraus. Es gibt keine Teilnahme ohne entsprechende Täterschaft. Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird als A k z e s s o r i e t ä t bezeichnet. Bleibt die in Aussicht genommene Haupttat im Versuchsstadium stecken, so kann auch der Teilnehmer nur wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Versuch bestraft werden. Kommt die Haupttat über52

Täterschaft und Teilnahme

haupt nicht zur Ausführung, so liegt v e r s u c h t e A n s t i f t u n g bzw. v e r s u c h t e B e i h i l f e vor, deren Strafbarkeit eigenen Regeln unterliegt (s.u. 4). B e i s p i e l : A stiftet B an, sich zwecks Begehung eines Diebstahls nachts in die Wohnung des X einzuschleichen und X notfalls niederzuschlagen, falls er Widerstand leisten sollte. Lehnt B ab, so ist A gemäß § 49 a Abs. 1 nur wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen gemäß § 250 I 4 zu bestrafen. Wenn dagegen B tatsächlich versucht, in die Räume des X einzudringen, dabei aber gefaßt wird, so ist B wegen versuchten schweren Raubs, A wegen Anstiftung hierzu zu bestrafen ( § § 2 5 0 1 4 , 43,48). — B e a c h t e : Die Begriffe versuchte Anstiftung und Anstiftung zum Versuch sind streng zu unterscheiden.

2. Die sogenannte limitierte Akzessorietät a) Seit der Neufassung der §§ 48, 49, 50 durch die StrafrechtsangleichungsVO vom 29. 5. 1943 setzt die Strafbarkeit der Teilnahme nicht mehr voraus, daß der Täter die Tat volldeliktisch begangen hat. Nach §50 Abs. 1 ist vielmehr j e d e r T e i l n e h m e r o h n e R ü c k s i c h t a u f die Schuld des a n d e r e n n a c h seiner eigenen Schuld s t r a f b a r . Die Teilnahme ist also nur „limitiert", d.h. beschränkt von der Täterschaft abhängig. Ihre Strafbarkeit bleibt insbesondere dadurch unberührt, daß der Täter mangels Zurechnungsfähigkeit strafrechtlich nicht verantwortlich ist. B e i s p i e l : A stiftet B an, X zu verprügeln. Wenn B dies tut und sich nachträglich ergibt, daß B entgegen der Vorstellung des A infolge Geisteskrankheit nicht verantwortlich ist und daher gemäß § 51 Abs. 1 freigesprochen werden muß, so bleibt die Strafbarkeit des A wegen Anstiftung zur Körperverletzung (§§ 223, 48) hiervon unberührt.

Kannte der Hintermann die Tatumstände, durch die beim Tatausführenden die Schuld ausgeschlossen wird, so ist zunächst zu prüfen, ob nicht ein Fall der m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t vorliegt. Wegen der vorrangigen Bedeutung der Täterschaft kommen nämlich Anstiftung und Beihilfe erst dann in Betracht, wenn kein Fall der mittelbaren Täterschaft vorliegt. Mittelbare Täterschaft darf also nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, daß nach § 50 Abs. 1 eine Teilnahme an schuldloser Tat möglich sei (vgl. Mezger-Blei AT 278). Mittelbare Täterschaft liegt aber immer dann vor, wenn der Hintermann den Tatausführenden als Werkzeug zur Begehung seiner eigenen Tat benutzt (siehe oben Abschn. 3c). Hieraus folgt für das zuletzt gebrachte B e i s p i e l : Kannte A die Zurechnungsunfähigkeit des B, so ist wie folgt zu differenzieren: Handelte A mit Täterwillen, d.h. stellt sich die Tat bei Würdigung aller Umstände, insbesondere des Interesses am Erfolg, als seine eigene Tat dar, zu der er den B nur als Werkzeug benutzte, so liegt nicht Anstiftung, sondern mittelbare Täterschaft vor. Für Anstiftung bleibt nur der Fall übrig, daß A ohne eigenen Täterwillen dem B den Rat gibt, X zu schlagen. 53

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

b) Die S t r a f b a r k e i t des T e i l n e h m e r s i s t nur v o n der S c h u l d d e s T ä t e r s u n a b h ä n g i g . Entfällt dagegen bereits der Tatbestand oder kann der Täter sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen, so scheidet auch eine Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe aus. B e i s p i e l : A wird zufällig Zeuge einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen ß und C. Gibt er dem B zur Verteidigung eine Waffe in die Hand, die B nur in Notwehr verwendet, so kann auch A nicht wegen Beihilfe zur Körperverletzung oder zur Tötung bestraft werden. — B e a c h t e : Anders wäre zu entscheiden, wenn A den Streit zwischen B und C provoziert hätte, um dem mit ihm verfeindeten C zu schaden. In diesem Fall könnte A je nach dem Ausgang des Streits wegen Körperverletzung oder Totschlags in mittelbarer Täterschaft bestraft werden (s. o. Absehn. I I 3 b, S. 48).

c) A u f eine v o r s ä t z l i c h e T a t k a n n auch dann n i c h t v e r z i c h t e t w e r d e n , wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht den Vorsatz nicht als subjektives Tatbestandsmerkmal, sondern als Schuldelement betrachtet (vgl. BGH 9, 370, 374, Mezger-Blei AT 279, Tröndle GA 1956, 129). A n s t i f t u n g bedeutet das Hervorrufen des Entschlusses, eine strafbare Handlung zu begehen. Diesen Entschluß kann aber nur fassen, wer alle tatbestanderheblichen Umstände kennt, d.h. vorsätzlich handelt. Entsprechendes gilt für die B e i h i l f e . Der Gehilfe leistet seinen Tatbeitrag in dem Bewußtsein, eine fremde Tat zu fördern. Er ordnet dabei seinen eigenen Willen dem des Täters unter. Eine solche Unterordnung ist aber nur bei einer vorsätzlichen Tat denkbar. Schließlich spricht auch die Existenz der §§ 160, 271 gegen die Möglichkeit, strafbare Teilnahme an vorsatzlosen Taten anzunehmen. Diese Bestimmungen wären dann nämlich überflüssig, da der Teilnehmer in diesen Fällen schon nach § 154 bzw. § 348 Abs. 1 i.V. mit § 48 strafbar wäre. Aus der Tatsache, daß die §§ 160, 271 durch die Novelle 1943 unberührt blieben, kann daher der Schluß gezogen werden, daß es nicht deren Sinn und Zweck gewesen sein kann, auch die Teilnahme an vorsatzlosen Taten zu erfassen. (Zum Ganzen siehe insbesondere BGH 9, 370, 374 unter ausdrücklicher Aufgabe der in den früheren Entscheidungen BGH 4, 355 und 5, 47 vertretenen Gegenansicht, ferner Tröndle a.a.O. sowie Bockelmann, Über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme, 1949.) Auch das 2. StrRG hat in den §§ 26, 27 der Neufassung klargestellt, daß Anstiftung und Beihilfe nur bei vorsätzlich begangenen Straftaten möglich sind. d) Nach §50 Abs. 1 ist strafbare Teilnahme auch dann möglich, wenn die Schuld des Tatausführenden auf Grund eines unvermeidbaren V e r b o t s i r r t u m s , eines N ö t i g u n g s n o t s t a n d s nach §52 oder eines N o t s t a n d s nach § 54 entfällt. Wegen der vorrangigen Bedeutung der Täterschaft ist jedoch immer zuerst zu prüfen, ob nicht ein Fall der mittelbaren Täterschaft vorliegt. Die Ausführungen zur Rechtslage bei Zu54

Täterschaft und Teilnahme

rechnungsunfähigkeit des Täters (s. o. Abschn. a) gelten insoweit entsprechend. Für Anstiftung und Beihilfe bleiben somit nur die Fälle übrig, bei denen der Hintermann den Verbotsirrtum bzw. die Zwangslage des Tatausführenden entweder nicht kannte oder — wenn er sie schon kannte — ohne Täterwillen handelte. 3. Die Bedeutung von § 50 Abs. 2 n. F. a) § 50 Abs. 2 a.F. befaßte sich nur mit den Fällen, bei denen besondere persönliche Verhältnisse oder Eigenschaften die Strafe s c h ä r f e n , m i l d e r n oder a u s s c h l i e ß e n . Solche Merkmale sind sowohl nach alter als auch nach neuer Fassung des § 50 (jetzt: Abs. 3) nur bei dem Täter oder Teilnehmer zu berücksichtigen, in dessen Person sie begründet sind. So findet der erhöhte Strafrahmen des neuen § 17 nur auf den Täter oder Teilnehmer Anwendung, der selbst die strafschärfenden Voraussetzungen des wiederholten Rückfalls in seiner Person erfüllt. (Einzelheiten s.u. 4.) Nicht besonders geregelt war dagegen bisher die Strafbarkeit des Teilnehmers an einer Tat, bei der bestimmte persönliche Merkmale die Strafbarkeit des Täters überhaupt erst b e g r ü n d e n . Hierher gehört insbesondere die Teilnahme eines Nichtbeamten an einem sog. echten Amtsdelikt, d.h. an einem Amtsdelikt, bei dem sich die Amtseigenschaft nicht strafschärfend, sondern strafbegründend auswirkt, z.B. bei der Rechtsbeugung (§ 336) oder bei der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1). b) Nach der bisherigen Rechtslage bestand keine Möglichkeit, den Umstand, daß bestimmte strafbegründende persönliche Merkmale, die nur beim Täter, nicht aber beim Teilnehmer vorliegen, bei der Strafbarkeit des Teilnehmers irgendwie strafmildernd zu berücksichtigen. So war z.B. im Falle der Rechtsbeugung auch der nichtbeamtete Anstifter mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren zu bestrafen. Diesen offensichtlichen Mangel hat die Neufassung des § 50 Abs. 2 durch das EGOWiG v. 24. 5. 1968 behoben: Liegen besondere persönliche Merkmale ( = persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände), die die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer nicht vor, so ist die Strafe des Teilnehmers nach Versuchsgrundsätzen (§§ 44, 45) zu mildern. c) Als besondere persönliche Merkmale im Sinne der Absätze 2 und 3 gelten alle persönlichen Eigenschaften, Verhältnisse und Umstände, durch die der Täter charakterisiert wird. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Merkmale von bestimmter D a u e r handelt (z.B. die Amtseigenschaft bei den Amtsdelikten oder die verwandtschaftlichen Beziehungen bei § 247) oder ob die in der Person des Täters begründeten ( = täterbezogenen) Merkmale nur v o r ü b e r g e h e n d e r Art sind, wie dies z.B. bei der Notlage in den §§ 248a, 264a oder bei bestimmten Absichten und Motiven der Fall sein kann. Unerheblich ist auch, ob die 55

V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil

besonderen persönlichen Merkmale tatsächlicher oder rechtlicher Natur sind. Eine wirtschaftliche Notlage im Falle der §§ 248a, 264a oder das Bestehen einer Schwangerschaft im Falle des § 218 Abs. 1 gehören deshalb ebenso hierher wie die Amtseigenschaft bei den Amtsdelikten oder die Soldateneigensehaft im WStG. d) Nicht alle subjektiven Tatbestandsmerkmale sind zugleich auch besondere persönliche Merkmale i.S. von § 50 Abs. 2 oder 3. Nicht hierher gehören vor allem dsr Vorsatz und diejenigen subj. Unrechtselemente, in denen sich lediglich die innere Einstellung des Täters zu dem von ihm erreichten oder erstrebten rechtswidrigen Erfolg widerspiegelt. Solche Merkmale sind nicht täter-, sondern tatbezogen (vgl. BGH 22, 375, 380, Schönke-Sehröder § 50 Rn. 16). Nicht unter § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 fallen daher die Zueignungsabsicht bei Diebstahl und Raub, die Bereicher ungsabsicht bei Betrug und Erpressung, die Täuschungsabsicht bei der Urkundenfälschung, die Verbreitungsabsicht bei den Münzdelikten sowie die Schädigungsabsicht bei der schweren mittelbaren Falschbeurkundung. In all diesen Fällen handelt es sich lediglich um die subjektive Kehrseite des im objektiven Tatbestand beschriebenen rechtswidrigen Erfolgs, nicht um besondere persönliche Merkmale (vgl. SchönkeSchröder a.a.O.). e) Die besonderen persönlichen Merkmale müssen im Falle des § 50 Abs. 2 straf begründend sein. Strafmodifizierende (erschwerende oder mildernde) persönliche Merkmale unterliegen der Regelung des Abs. 3. Zu den strafbegründenden persönlichen Merkmalen i.S. von § 50 Abs. 2 gehören insbesondere die A m t s e i g e n s c h a f t bei den echten Amtsdelikten (vgl. Vorbem. 4 vor § 331), die G e w e r b s - oder G e w o h n h e i t s m ä ß i g k e i t bei Delikten, die nur bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Begehung strafbar sind (z.B. in den Fällen der §§ 175 Nr. 3, 180, 285, 302e, 361 Nr. 6a—c), die Gesinnungsmerkmale b ö s w i l l i g in § 170a und g e w i s s e n l o s in § 170c, ferner die V o r t e i l s a b s i c h t bei der Hehlerei in § 259 (vgl. Schönke-Schröder § 50 Rn. 19, Mezger-Blei AT 276). Über die besondere Rechtslage bei den Mordmerkmalen siehe den folgenden Abschnitt f). f) Sehr bestritten ist die Einordnung der Mordmerkmale. Folgt man der hier im Anschluß an die h.L. im Schrifttum vertretenen Ansicht, derzufolge es sich bei den Mordmerkmalen um S t r a f s c h ä r f u n g s g r ü n d e gegenüber dem Totschlag handelt (vgl. Vorbem. I I vor §211), so sind die Motivmerkmale der 1. Gruppe in §211 Abs. 2 („aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder aus sonstigen niedrigen Beweggründen") und die Absichtsmerkmale der 3. Gruppe („um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken") besondere persönliche Merkmale i.S. von § 50 Abs. 3 (vgl. Blei J A 1969, StR S. 3, Schröder JZ 69, 132 und Koffka J R 69, 41). Die abweichende 56

Täterschaft und Teilnahme

Ansicht des KG in J R 69, 63, wonach die niedrigen Beweggründe in § 211 tatbezogene Merkmale sein sollen, ist entschieden abzulehnen (vgl. BGH 22, 375f., Koffka aaO., Blei J A 1969, StR S. 52). Tatbezogen sind dagegen die Mordmerkmale der 2. Gruppe in § 211 („heimtückisch, grausam, mit gemeingefährlichen Mitteln"). Sie unterliegen weder der Regelung des § 50 Abs. 2 noch der des Abs. 3 (vgl. Blei J A 1969, StR S. 3, sachlich übereinstimmend in allen Punkten auch Maurach JuS 69, 249). Zu einer anderen Beurteilung des Komplexes gelangt man nur dann, wenn man den Mordtatbestand gegenüber dem Tatbestand des Totschlags als einen s e l b s t ä n d i g e n Tatbestand mit eigenem Unrechtsgehalt ansieht (st. Rspr. des BGH seit BGH 1, 368, 372). Dann sind alle Mordmerkmale nicht strafschärfend, sondern strafbegründend, und damit der Regelung des § 50 Abs. 3 entzogen. Sie unterliegen jedoch, soweit sie täterbezogen sind (1. und 3. Gruppe), der Regelung des § 50 Abs. 2 (vgl. BGH 22, 375 ff. sowie N J W 69, 1765, Schwarz-Dreher §211 Anm. 4, Blei J A 1969, StR S. 3). Die Unterschiede zwischen beiden Auffassungen zeigen sich besonders auffällig bei der in jüngster Zeit wieder aktuell gewordenen V e r j ä h r u n g s f r a g e . Siehe hierzu ausführlich §67 Anm. I b . 4. Die Bedeutung von § 50 Abs. 3 a) Nach reinen Akzessorietätsgrundsätzen ist die Strafe des Teilnehmers immer dem Gesetz zu entnehmen, das auch auf die Handlung des Täters Anwendung findet (vgl. §§ 48 Abs. 2, 49 Abs. 2). Dieser Grundsatz wird durch § 50 Abs. 3 unter bestimmten Voraussetzungen durchbrochen. Nach § 50 Abs. 3 (früher § 50 Abs. 2) belasten besondere persönliche Merkmale (zumBegriff s.o. Abschn. 4 c), die die Strafe s c h ä r f e n , nur den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen. Umgekehrt kommen besondere persönliche Merkmale, die die Strafe m i l d e r n oder a u s s c h l i e ß e n , nur dem zugute, in dessen Person sie begründet sind. Die durch § 50 Abs. 3 bewirkte Lockerung der Akzessorietät von Täterschaft und Teilnahme hat zur Folge, daß bei mehreren Tatbeteiligten unter bestimmten, in ihrer Person begründeten (oder fehlenden) Voraussetzungen v e r s c h i e d e n e Straftatbestände zur Anwendung kommen. B e i s p i e l : Der Hilfsarbeiter A stiftet den Ratschreiber R an, aus einer ihm amtlich anvertrauten Kasse Geld zu unterschlagen. Nach reinen Akzessorietätsgrundsätzen müßte A wegen Anstiftung zur Amtsunterschlagung aus dem erhöhten Strafrahmen des § 350 bestraft werden. Dies soll durch § 50 Abs. 3 verhindert werden. Die Amtseigenschaft ist ein besonderes persönliches Merkmal, durch das die Strafe gegenüber der Unterschlagung des § 246 verschärft wird. Sie belastet demzufolge nur den R, nicht auch den A. Dieser ist als Anstifter gemäß §§ 246, 48 zu bestrafen.

b) Zu den strafschärfenden Merkmalen i. S. von § 50 Abs. 3 gehören insbesondere die A m t s e i g e n s c h a f t bei den unechten Amtsdelikten (vgl. 57

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Vorbem. 4 vor § 331), die G e w e r b s - oder G e w o h n h e i t s m ä ß i g k e i t bei Delikten in den Fällen, in denen sie sich nicht strafbegründend, sondern erschwerend auswirkt (vgl. §§ 260, 292 Abs. 3, 293 Abs. 3, 302d), die Rückfallsvoraussetzungen in den Fällen des § 17, die v e r w a n d t s c h a f t l i c h e n Beziehungen in den Fällen der §§ 221 Abs. 2, 223 Abs. 2, das A n v e r t r a u t s e i n bei der Veruntreuung in §246 sowie die täterbezogenen Mordmerkmale (siehe hierzu ausführlich oben 3f). c) Zu den strafmildernden Merkmalen i.S. von § 50 Abs. 3 gehören insbesondere die Eigenschaft als uneheliche Mutter in § 217 und die Schwangerschaft in § 218 Abs. 1. Die im Schrifttum in diesem Zusammenhang verschiedentlich erwähnte verminderte Zurechnungsfähigkeit (§51 Abs. 2) und die Fälle des verschuldeten Verbotsirrtums enthalten dagegen keine tatbestandsmäßigen Abwandlungen und sind daher nicht dem Anwendungsbereich des § 50 Abs. 3, sondern dem des § 50 Abs. 1 zu unterstellen. d) Zu den strafausschließenden persönlichen Umständen gehören insbesondere die Angehörigeneigenschaft in § 247 Abs. 2 und § 257 Abs. 2, der Rücktritt vom Versuch (§46), ferner die Exemtion (z.B. der Stationierungsstreitkräfte nach dem Truppenvertrag) und die Indemnität (vgl. Art. 46 I GG, § 11 StBG). e) Nicht hierher gehören alle s t r a f b e g r ü n d e n d e n persönlichen Merkmale (siehe jedoch § 50 Abs. 2 und die Ausführungen oben unter 3) sowie alle t a t b e z o g e n e n Merkmale, die die Strafe schärfen oder mildern, z.B. die tatbezogenen Mordmerkmale (§211 Abs. 2, mittlere Gruppe), alle Fälle des schweren Raubs (§ 250) sowie alle erfolgsqualifizierten Delikte (siehe hierzu oben B I 5 sowie die Anmerkungen zu §56). f) Bestritten ist, ob besondere persönliche Merkmale auch dann der Regelung des §50 Abs. 3 unterliegen, wenn es sich um einen die Strafbarkeit erhöhenden oder mildernden Sondertatbestand (delictum sui generis) handelt. Diese Streitfrage ist vor allem für die täterbezogenen Mordmerkmale von Bedeutung, wenn man — entgegen der hier im Anschluß an die h.L. vertretenen Ansicht — mit dem BGH Sonderdeliktsnatur des §211 gegenüber §212 annimmt (vgl. Vorbem. I I vor § 211). Ein weiterer Schwerpunkt des Problems hegt im Bereich von Notdiebstahl (§ 248 a) und Notbetrug (§264a). Beide Tatbestände werden überwiegend nicht als unselbständige Abwandlungen des Diebstahls bzw. Betrugs, sondern als Sondertatbestände angesehen (vgl. Schönke-Schröder § 248 a Rn. 1, Maurach B T 217, L K § 248 a Anm. 1; a. A. Mezger-Blei B T 149). Die h.L. zieht hieraus den Schluß, daß die strafmildernden Merkmale dieser Tatbestände s t r a f b e g r ü n d e n d sind und daher der Regelung des § 50 Abs. 3 nicht unterhegen (so konsequent Baumann 577, Maurach AT 607, B T 219 zu § 50 Abs. 2 a.F.). Demgegenüber wird neuerdings vereinzelt 58

Täterschaft und Teilnahme

der Standpunkt vertreten, §50 Abs. 3 finde auch auf selbständige Qualifizierungen und Privilegierungen Anwendung (vgl. Schönke-Schröder § 50 Rn. 22, § 248a Rn. 13, Mezger-Blei AT 274f.). Die letztgenannte Ansicht kann für sich in Anspruch nehmen, daß sie in allen Fällen zu befriedigenden Ergebnissen führt und dem Anliegen des §50 Abs. 3 mehr gerecht wird als die formale Betrachtungsweise der herrschenden Lehre. Hinzu kommt, daß sich oft nur schwer feststellen läßt, ob ein qualifizierender bzw. privilegierender Tatbestand eine selbständige oder unselbständige Abwandlung eines anderen Tatbestands darstellt. Unter Aufgabe der noch in der Vorauflage vertretenen Gegenansicht ist daher der von Schönke-Schröder und Mezger-Blei vertretenen Ansicht der Vorzug zu geben. 5. Die versuchte Teilnahme a) Bleibt die A n s t i f t u n g e r f o l g l o s , z.B. lehnt der in Aussicht genommene Täter die Tatbegehung ab, so liegt eine strafbare Anstiftung nicht vor (s.o. 1). I n Betracht kommt lediglich Bestrafung wegen versuchter Anstiftung. Diese ist aber nur unter den Voraussetzungen des § 49a strafbar, d.h. wenn die Tat, zu der angestiftet werden sollte, für den in Aussicht genommenen Täter ein Verbrechen gewesen wäre. (Einzelheiten und Beispiele siehe die Ausführungen zu § 49 a.) b) Die v e r s u c h t e B e i h i l f e ist grundsätzlich s t r a f l o s . Eine gesetzlich geregelte Ausnahme enthält jedoch der Sondertatbestand des § 218 Abs. 4, der infolge seiner subsidiären Bedeutung nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Schwangere das ihr von dritter Seite beschaffte Abtreibungsmittel nicht einnimmt, Beihilfe zur vollendeten oder versuchten Abtreibung daher nicht vorliegt.

VI. Die notwendige Teilnahme 1. Begriff und Problemstellung I m Regelfall ist zur Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands das Zusammenwirken mehrerer Personen nicht erforderlich. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Tatbeständen, die schon begrifflich nur durch das Zusammenwirken mehrerer Personen verwirklicht werden können. In diesem Fall spricht man von einer notwendigen Teilnahme. Völlig unproblematisch sind dabei die Fälle, bei denen alle Beteiligten unter gleicher Strafdrohung stehen. Dies gilt insbesondere für die sog. K o n v e r g e n z d e l i k t e , d.h. für die Tatbestände, bei denen mehrere Beteiligte auf ein bestimmtes, gemeinsames Ziel hinwirken. Hierher gehören u.a. die Gefangenenmeuterei (§ 122), der gemeinschaftlich begangene Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 2), der schwere Hausfriedensbruch (§ 124), der Landfriedensbruch (§125) sowie der Bandendiebstahl (§244 Abs. 1 Nr.3). 59

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Von den Konvergenzdelikten zu unterscheiden sind die sogenannten B e g e g n u n g s d e l i k t e . Diese zeichnen sich dadurch aus, daß der Tatbestand nur durch sich gegenseitig ergänzende Handlungen mehrerer Personen erfüllt werden kann. Hierher gehören vor allem Bigamie (§171), Blutschande (§ 173 I/II), Unzucht mit Abhängigen (§ 174), gleichgeschlechtliche Unzucht (§ 175), Bestechung (§§ 331, 332, 333), Gefangenenbefreiung (§ 120) und Begünstigung (§§257,258). Soweit bei diesen Begegnungsdelikten alle Beteiligte unter gleicher Strafdrohung stehen, z.B. bei Blutschande unter Geschwistern (§ 173 II), ergeben sich ebensowenig Schwierigkeiten wie bei den Konvergenzdelikten. Problematisch ist lediglich die Behandlung der Fälle, bei denen das Gesetz die notwendig an einer Straftat Beteiligten unter verschiedene Strafdrohungen stellt oder gar nur einen als Täter erwähnt. Hierher gehören u. a. die Blutschande gemäß § 173 I, die Unzucht mit Abhängigen (§174), Gefangenenbefreiung (§120) und Begünstigung (§§257, 258). Hier wirft sich die Frage auf, ob der an einer Straftat notwendig Beteiligte, den das Gesetz überhaupt nicht erwähnt oder für den das Gesetz im Falle seiner Täterschaft eine geringere Strafe vorsieht, nach Teilnahmegrundsätzen auf die gleiche Stufe wie der andere notwendig Beteiligte gestellt werden kann, z.B. ob der nach der Tat fliehende Mörder noch zusätzlich wegen Anstiftung zur Begünstigung bestraft werden kann, wenn er bei einem Freund Zuflucht sucht. 2. Grundsatz Beschränkt sich der an einer Straftat notwendig Beteiligte auf den Tatbeitrag, der erforderlich ist, damit es überhaupt zur Tatbestandsverwirklichung kommen kann, so darf er über den Umweg der Teilnahme keiner Bestrafung zugeführt werden, die seiner Rolle als notwendigem Teilnehmer nicht entspricht. B e i s p i e l e : Ein Gefangener (G), der wegen gefährlicher Körperverletzung eine längere Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, wird von seinem Freund (F) aus dem Gefängnis befreit, ohne selbst mehr zu tun als mitzugehen, nachdem sich die Tore für ihn geöffnet haben. Hier wäre es verfehlt, G wegen Beihilfe zur Gefangenenbefreiung oder zur Begünstigung (§§ 120, 257, 49, 73) zu bestrafen (vgl. B G H 4, 396, 400). Niemand erwartet, daß G sich seiner Befreiung widersetzt. — O d e r : Wer einen Beamten für eine pflichtwidrige Amtshandlung ein Geschenk gewährt, kann nur als Täter eines Vergehens nach § 333, nicht noch zusätzlich wegen Anstiftung zu einem Verbrechen nach § 332 bestraft werden.

Dasselbe gilt, wenn sich der notwendig Beteiligte zwar nicht nur rein passiv verhält, sondern aktiv an der Tatbestandsverwirklichung mitwirkt oder gar zu dieser anstiftet, aber der T a t b e s t a n d , um den es geht, s e i n e m S c h u t z d i e n t . B e i s p i e l : Eine 16jährige Schülerin (S) gibt ihrem Lehrer (L) zu verstehen, daß sie zu einem Liebesabenteuer mit ihm bereit wäre. Wenn sich L hierauf dazu hinreißen läßt, der lockenden Versuchung nachzugeben, so macht er sich eines Ver-

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Täterschaft und Teilnahme gehens gemäß § 174 Nr. 1 schuldig. Die Einwilligung der S schließt weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit aus (vgl. B G H 7, 312; 8, 278). Es wäre jedoch verfehlt, wollte man auch die S wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Verantwortung ziehen. Sinn und Zweck des § 174 ist es, bestimmte Abhängigkeitsverhältnisse von allen geschlechtlichen Einflüssen freizuhalten und die geschlechtliche Freiheit des Abhängigen zu schützen. Dieser Gesetzeszweck verbietet es, auch den Abhängigen selbst in den Strafbarkeitsbereich einzubeziehen.

3. Ausnahmen H a n d e l t es s i c h n i c h t u m ein d e r a r t i g e s S c h u t z g e s e t z , so besteht nach der Rechtsprechung die Möglichkeit, den notwendig Beteiligten nach a l l g e m e i n e n T e i l n a h m e g r u n d s ä t z e n , insbesondere wegen Anstiftung zu bestrafen, wenn er über die Rolle hinausgeht, die ihm der jeweilige Tatbestand als handlungsmäßiges Minimum zugedacht hat. In dem oben (VI 2) erörterten Beispiel wäre demzufolge der Gefangene G wegen Anstiftung zur Gefangenenbefreiung und zur Begünstigung strafbar, wenn er selbst den Anstoß zu seiner Befreiung gegeben hätte (vgl. BGH 17,236). Hiergegen wird im Schrifttum vielfach eingewandt, auch diese Fälle müßten als mittelbare Selbstbefreiung bzw. Selbstbegünstigung straffrei bleiben (vgl. SchönkeSchröder § 257 Rn. 44); außerdem spreche die Existenz des § 257 Abs. 3 gegen die Möglichkeit einer Strafbarkeit des Begünstigten wegen Anstiftung zur Begünstigung seiner eigenen Person, da sonst nämlich derjenige Täter, der sich bereits vor der Tat die Zusage späterer Begünstigung verschafft, im Hinblick auf die in § 257 Abs. 3 getroffene Sonderregelung nur der Anstiftung zur Beihilfe schuldig wäre, diese dann aber in der eigenen Täterschaft aufgeht; der weniger planmäßig vorgehende Täter sei also schlechter gestellt, da er neben der eigenen Tat noch zusätzlich wegen Anstiftung zur Begünstigung bestraft werden muß, wenn er sich erst nach der Tat um Hilfe bemüht (vgl.Schönke-SchröderRn.44amit weiteren Nachweisen). Diese Argumentation ist nicht zwingend. Zunächst ist festzustellen, daß nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers die S e l b s t b e g ü n s t i g u n g k e i n e s w e g s u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n u n d in j e d e r B e g e h u n g s a r t s t r a f f r e i b l e i b t . Sie ist insbesondere dann strafbar, wenn der Täter im Bestreben, sich der Strafverfolgung zu entziehen, ein weiteres Rechtsgut verletzt, z.B. wenn er einen Meineid leistet (in diesem Fall bringt § 157 lediglich die Möglichkeit einer Strafmilderung), oder wenn er einen Tatzeugen tötet (vgl. § 211 Abs. 2 letzte Alternative), oder wenn er nach einem Verkehrsunfall flüchtet (vgl. § 142). Auch das aus § 257 Abs. 3 abgeleitete Argument ist nicht zwingend. § 257 Abs. 3 bringt nämlich für den, der sich nach vorausgegangener Zusage der Begünstigung schuldig macht, keine Strafmilderung, sondern eine Strafschärfung (vgl. BGH 6, 20, 23; 11, 316ff.). Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, auch bei dem, der begünstigt wurde, die planmäßige 61

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Vorbereitung der Tat im Strafmaß erschwerend zu berücksichtigen. Von einer Besserstellung gegenüber dem, der weniger planmäßig vorgegangen ist, kann daher bei richtiger Gesetzesanwendung keine Rede sein (vgl. BGH 17,236 mit abl. Anm. Deubner N J W 62, 2260 und Schröder J R 62,427). (Abgesehen hiervon wäre es allerdings kriminalpolitisch durchaus vertretbar, wenn man in Übereinstimmung mit der h.L. im Schrifttum die Teilnahme des Vortäters an der zu seinen Gunsten begangenen Begünstigung schlechthin als mittelbare Selbstbegünstigung für straflos erklären würde. Bei dem ähnlich gelagerten Fall der A n g e h ö r i g e n b e g ü n s t i g u n g (§ 257 Abs. 2) hat der B G H sich zu diesem Schritt bereits entschlossen. So bleibt nach B G H 14, 172 (m. Anm. Schröder J R 60, 348) ein Angehöriger des Täters gemäß § 257 Abs. 2 auch dann straflos, wenn er den Täter nicht selbst begünstigt, sondern einen Dritten hierzu anstiftet. Diese Entscheidung steht unbestreitbar in Widerspruch zu der oben erwähnten Entscheidung B G H 17, 236.) W e i t e r e B e i s p i e l e aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden sich in B G H 5, 66 betr. Anstiftung zur falschen Anschuldigung, BGH 5, 76 betr. Anstiftung zur Begünstigung im Amt, B G H 9, 71 f. und BGH 10, 386 betr. Anstiftung zur Kuppelei sowie B G H 19, 107 betr. Anstiftung zur Zuhälterei.

J. D I E L E H R E VON D E R K O N K U R R E N Z I. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit 1. Werden mehrere Tatbestände durch e i n e Handlung verwirklicht, so spricht man von Handlungseinheit. Hierbei ist zunächst ohne Bedeutung, ob nach dem Ergebnis der weiteren rechtlichen Würdigung die Verurteilung unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat (sogenannte I d e a l k o n k u r r e n z , s.u. I I 1) oder ob bereits ein Tatbestand ausreicht, um den Unrechtsgehalt der Tat zu erfassen (sogenannte G e s e t z e s k o n k u r r e n z , s.u. III). Handlungseinheit in diesem Sinn liegt auch dann vor, wenn durch eine Handlung derselbe Tatbestand mehrfach verwirklicht wird, z.B. wenn jemand durch den Wurf einer Handgranate mehrere Personen tötet. Eine besondere Erscheinungsform der Handlungseinheit ist die natürliche Handlungseinheit, die terminologisch nicht mit der fortgesetzten Tat verwechselt werden darf. (Zur fortgesetzten Tat s.u. IV.) Eine natürliche Handlungseinheit liegt zunächst dann vor, wenn zur Erreichung eines bestimmten Erfolgs mehrere gleichgeartete Handlungen von einem einheitlichen Handlungswillen getragen werden und auf Grund eines engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs derart zusammen gehören, daß sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine einheitliche Handlung bilden (vgl. BGH 10, 230; N J W 67, 61). B e i s p i e l : A hat die Absicht, den Kirschbaum seines Nachbarn zu plündern. D a der B a u m voll hängt, muß er die Leiter mehrfach umstellen, bis er schließlich mehrere Körbe gefüllt hat. Hier stellt sich das Abernten des Baums,, auch wenn es

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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

Vorbereitung der Tat im Strafmaß erschwerend zu berücksichtigen. Von einer Besserstellung gegenüber dem, der weniger planmäßig vorgegangen ist, kann daher bei richtiger Gesetzesanwendung keine Rede sein (vgl. BGH 17,236 mit abl. Anm. Deubner N J W 62, 2260 und Schröder J R 62,427). (Abgesehen hiervon wäre es allerdings kriminalpolitisch durchaus vertretbar, wenn man in Übereinstimmung mit der h.L. im Schrifttum die Teilnahme des Vortäters an der zu seinen Gunsten begangenen Begünstigung schlechthin als mittelbare Selbstbegünstigung für straflos erklären würde. Bei dem ähnlich gelagerten Fall der A n g e h ö r i g e n b e g ü n s t i g u n g (§ 257 Abs. 2) hat der B G H sich zu diesem Schritt bereits entschlossen. So bleibt nach B G H 14, 172 (m. Anm. Schröder J R 60, 348) ein Angehöriger des Täters gemäß § 257 Abs. 2 auch dann straflos, wenn er den Täter nicht selbst begünstigt, sondern einen Dritten hierzu anstiftet. Diese Entscheidung steht unbestreitbar in Widerspruch zu der oben erwähnten Entscheidung B G H 17, 236.) W e i t e r e B e i s p i e l e aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden sich in B G H 5, 66 betr. Anstiftung zur falschen Anschuldigung, BGH 5, 76 betr. Anstiftung zur Begünstigung im Amt, B G H 9, 71 f. und BGH 10, 386 betr. Anstiftung zur Kuppelei sowie B G H 19, 107 betr. Anstiftung zur Zuhälterei.

J. D I E L E H R E VON D E R K O N K U R R E N Z I. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit 1. Werden mehrere Tatbestände durch e i n e Handlung verwirklicht, so spricht man von Handlungseinheit. Hierbei ist zunächst ohne Bedeutung, ob nach dem Ergebnis der weiteren rechtlichen Würdigung die Verurteilung unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat (sogenannte I d e a l k o n k u r r e n z , s.u. I I 1) oder ob bereits ein Tatbestand ausreicht, um den Unrechtsgehalt der Tat zu erfassen (sogenannte G e s e t z e s k o n k u r r e n z , s.u. III). Handlungseinheit in diesem Sinn liegt auch dann vor, wenn durch eine Handlung derselbe Tatbestand mehrfach verwirklicht wird, z.B. wenn jemand durch den Wurf einer Handgranate mehrere Personen tötet. Eine besondere Erscheinungsform der Handlungseinheit ist die natürliche Handlungseinheit, die terminologisch nicht mit der fortgesetzten Tat verwechselt werden darf. (Zur fortgesetzten Tat s.u. IV.) Eine natürliche Handlungseinheit liegt zunächst dann vor, wenn zur Erreichung eines bestimmten Erfolgs mehrere gleichgeartete Handlungen von einem einheitlichen Handlungswillen getragen werden und auf Grund eines engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs derart zusammen gehören, daß sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine einheitliche Handlung bilden (vgl. BGH 10, 230; N J W 67, 61). B e i s p i e l : A hat die Absicht, den Kirschbaum seines Nachbarn zu plündern. D a der B a u m voll hängt, muß er die Leiter mehrfach umstellen, bis er schließlich mehrere Körbe gefüllt hat. Hier stellt sich das Abernten des Baums,, auch wenn es

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Die Lehre von der Konkurrenz sieh über Stunden erstrecken sollte, bei natürlicher Betrachtungsweise als eine einheitliche Handlung dar, ohne daß auf die Konstruktion einer fortgesetzten Tat zurückgegriffen werden müßte.

Eine natürliche Handlungseinheit kann auch dann vorliegen, wenn der Täter seinen Tatplan mit dem zunächst gewählten Mittel nicht verwirklichen kann und er deshalb im unmittelbaren Anschluß an den zunächst mißglückten Versuch zu einem anderen Mittel greift. Dies gilt selbst dann, wenn durch die verschiedenen Anstrengungen zur Verwirklichung desselben Tatplans verschiedene Straftatbestände verwirklicht werden. Kommt das Delikt schließlich zur Vollendung, so sind diejenigen Betätigungen, die sich lediglich als Versuchshandlungen darstellen, in der Regel nicht selbständig strafbar (BGH a.a.O.). B e i s p i e l : A fordert den B auf, ihm die Brieftasche herauszugeben. Zur Unterstützung seiner Forderung schlägt er ihm mit der Faust ins Gesicht. Als B trotz dieser massiven Einwirkung sich immer noch weigert, die Brieftasche herauszugeben, schlägt A ihn nieder und zieht ihm die Brieftasche aus der Rocktasche. Hier stellen sich die versuchte räuberische Erpressung und der vollendete Raub bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliche Handlung dar. A ist daher nur wegen vollendeten Raubs zu bestrafen. Die versuchte räuberische Erpressung, die sich gegen die gleichen Rechtsgüter richtet, geht in der Bestrafung auf (vgl. BGH N J W 67, 60f.).

2. Werden mehrere Tatbestände durch m e h r e r e H a n d l u n g e n verwirklicht oder wird ein Tatbestand wiederholt verwirklicht, so spricht man von Handlungsmehrheit. Auch hier ist es zunächst ohne Bedeutung, zu welchem Ergebnis die weitere rechtliche Wertung führt. Entscheidend ist allein, ob bei natürlicher Betrachtungsweise mehrere Handlungen vorliegen. Ist dies der Fall, so ist weiter zu prüfen, ob die einzelnen Handlungen rechtlich als selbständige Taten zu beurteilen sind (sog. R e a l k o n k u r r e n z , s.u. 112), ob ein Fall der G e s e t z e s k o n k u r r e n z vorliegt (z.B. ob eine Handlung sich als mitbestrafte Vor- oder Nachtat darstellt, s.u. I I I 2) oder ob die Voraussetzungen einer r e c h t l i c h e n H a n d l u n g s e i n h e i t vorliegen, wie dies allgemein bei der f o r t g e s e t z t e n T a t anerkannt ist (s.u. IV). II. Idealkonkurrenz und Bealkonkurrenz 1. Von Idealkonkurrenz spricht man, wenn durch e i n e Handlung mehrere verschiedene Tatbestände verwirklicht werden und die rechtliche Wertung ergibt, daß ein Tatbestand allein nicht in der Lage ist, den Unrechtsgehalt der Tat zu erfassen. Die Strafe ist in diesem Fall dem Gesetz zu entnehmen, das die schwerste Strafe androht (vgl. § 73 Abs. 2). Von einer g l e i c h a r t i g e n IdK. spricht man, wenn durch eine Handlung dasselbe Gesetz mehrfach verwirklicht wird, z.B. wenn jemand durch den Wurf einer Handgranate mehrere Personen verletzt. Einzelheiten siehe die Ausführungen zu § 73. 63

V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil

2. Von Realkonkurrenz spricht man, wenn durch m e h r e r e Handlungen mehrere Tatbestände verwirklicht werden und die rechtliche Wertung ergibt, daß Gesetzeskonkurrenz in der Form einer straflosen Vor- oder Nachtat (s.unten I I I 2 d und e) nicht in Betracht kommt. In diesem Fall ist die Strafe nach den §§ 74—77 zu bilden. Entsprechendes gilt, wenn derselbe Tatbestand mehrfach verwirklicht ist und kein Fall einer rechtlichen Handlungseinheit im Sinn einer fortgesetzten Tatbegehung vorliegt. 3. Terminologie. Während die Begriffe Handlungseinheit und Handlungsmehrheit sich nur mit der Frage befassen, wieviele Handlungen im natürlichen Sinn vorliegen, befassen sich die Begriffe Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz (verschiedentlich auch als Tateinheit bzw. Tatmehrheit bezeichnet) mit bestimmten Rechtsfolgen bei Handlungseinheit und Handlungsmehrheit. Handlungseinheit muß nicht immer zu Idealkonkurrenz ( = Tateinheit), Handlungsmehrheit nicht immer zu Realkonkurrenz ( = Tatmehrheit) führen. Sowohl Handlungseinheit als auch Handlungsmehrheit können auch dann vorliegen, wenn die rechtliche Würdigung zu dem Ergebnis führt, daß die jeweils verwirklichten Tatbestände in Gesetzeskonkurrenz stehen. (Zum Ganzen siehe Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz im Strafrecht, Kieler rechtswissenschaftliche Abhandlungen, 1961, S. 240ff.) III. Die sogenannte Gesetzeskonkurrenz 1. Begriff Von Gesetzeskonkurrenz spricht man, wenn durch eine oder mehrere Handlungen mehrere verschiedene Tatbestände oder derselbe Tatbestand mehrfach verwirklicht wird, die Rechtsfolgen der §§ 73, 74 jedoch nicht eintreten. Es liegt somit, genau genommen, gar keine echte, sondern nur eine s c h e i n b a r e K o n k u r r e n z der verwirklichten Tatbestände vor. Der Begriff Gesetzeskonkurrenz hat sich jedoch im Sprachgebrauch des neueren Schrifttums und der Rechtsprechung allgemein durchgesetzt, so daß er auch dieser Darstellung zugrunde gelegt werden soll. 2. Die einzelnen Erscheinungsformen der Gesetzeskonkurrenz I n den Fällen der H a n d l u n g s e i n h e i t tritt die Gesetzeskonkurrenz in den Erscheinungsformen der S p e z i a l i t ä t , der K o n s u m t i o n oder der S u b s i d i a r i t ä t auf, in den Fällen der H a n d l u n g s m e h r h e i t begegnet sie hauptsächlich als mitbestrafte V o r - oder N a c h t a t , ausnahmsweise auch (z.B. beim räuberischen Diebstahl, §252) in der Form der Spezialität. Im einzelnen: a) Von Spezialität spricht man, wenn mehrere Tatbestände sich mit der gleichen Verbotsmaterie befassen und sich nur dadurch unterscheiden, 64

D i e Lehre v o n der Konkurrenz

daß das eine Gesetz die Materie spezieller behandelt als das andere. Spezialität besteht insbesondere zugunsten der tatbestandlichen Abwandlungen eines G r u n d t a t b e s t a n d s , wobei es in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob es sich um selbständige oder unselbständige Abwandlungen handelt. Es besteht kein Grund, die sog. Sondertatbestände (z.B. §§ 248a, 370 Nr. 5) anders zu behandeln als die echten Qualifizierungen und Privilegierungen (z.B. §244 einerseits, §§216, 217 andererseits). Bei m e h r e r e n Q u a l i f i z i e r u n g e n desselben Grundtatbestands wird das Gesamtbild der Tat immer durch die schwerste Begehungsform bestimmt. Die minder schweren Qualifizierungen haben keine rechtlich selbständige Bedeutung und sind nur bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (BGH 21, 183, 185; h.L.). So kann z.B. bei einem besonders schweren Raub (§251) strafschärfend berücksichtigt werden, daß die Tat auf einem öffentlichen Weg und mittels einer Waffe begangen wurde. § 250 erscheint jedoch, da keine I d K vorliegt, nicht im Urteilstenor (vgl. BGH a.a.O.). Treffen m e h r e r e P r i v i l e g i e r u n g e n desselben Grundtatbestands zusammen, so ist der Täter nur aus dem mildesten Gesetz zu bestrafen. Wenn beispielsweise A aus Not ein Stück Brot entwendet, so ist er nur wegen einer Übertretung gemäß § 370 Ziff. 5 zu bestrafen. § 248 a wird verdrängt (vgl. Welzel 229; Maurach BT 218). Diese sogenannte S p e r r w i r k u n g des m i l d e r e n G e s e t z e s ist auch dann zu beachten, wenn eine Qualifizierung mit einer Privilegierung zusammentrifft, z.B. § 244 mit § 370 N r . 5 (vgl. Maurach AT 640). Die h.L. im Schrifttum (z.B. Schönke-Schröder Rn. 64 vor §73, Mezger-Blei AT 314) rechnet zur Spezialität weiterhin die Fälle, in denen ein Tatbestand durch die Z u s a m m e n f ü g u n g z w e i e r a n d e r e r T a t b e s t ä n d e gebildet wird, die nicht als Grundtatbestand des neugebildeten Tatbestands angesehen werden können. Hierher gehört z.B. der Raub, der konstruktiv ein durch Nötigung erzwungener Diebstahl ist (vgl. Mezger-Blei a.a.O.). Andererseits ist der Raub weder eine unselbständige Qualifizierung noch ein Sondertatbestand des Diebstahls, sondern ein eigener Tatbestand mit eigenem Unrechtsgehalt und eigenen Abwandlungen. Eine Minderheit im Schrifttum (z.B. Maurach, weitere Nachweise bei Geerds a.a.O. Seite 197 Fußnote 276) behandelt deshalb das Verhältnis zwischen Raub und Diebstahl zu Recht nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität, sondern unter dem der Konsumtion. Entsprechendes gilt für das Verhältnis von § 226 zu § 222. Die Streitfrage hat indes nur systematische, keine praktische Bedeutung; die Rechtsfolgen sind die gleichen. b) Von Konsumtion spricht man, wenn ein Tatbestand notwendig, zumindest aber regelmäßig die Begehung eines anderen Tatbestands vor5 Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

65

Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil

aussetzt und dessen Unrechtsgehalt mitumfaßt, ohne daß dieser andere Tatbestand als Grundtatbestand angesehen werden kann. Beispiele: aa) Jede A b t r e i b u n g enthält notwendig einen vorsätzlichen Eingriff in die körperliche Integrität der Schwangeren. § 223 wird daher von § 218 konsumiert (vgl. B G H 10, 312). bb) Jede Notzucht enthält notwendig eine Beleidigung der durch die Tat betroffenen Frau. § 185 wird daher durch § 177 konsumiert. cc) Jeder R a u b enthält notwendig alle Merkmale des Diebstahls und der Nötigung. Diese Tatbestände werden daher von § 249 konsumiert, obwohl sie nicht zum selben Deliktstypus gehören und daher nicht als Grundtatbestand angesehen werden können. dd) Jede K ö r p e r v e r l e t z u n g m i t T o d e s f o l g e enthält gemäß § 56 alle Elemente der fahrlässigen Tötung. § 222 wird daher von § 226 konsumiert (vgl. B G H 8, 54). Entsprechendes gilt für das Verhältnis der fahrlässigen Tötung zur A u s s e t z u n g m i t T o d e s f o l g e (§221111), zur N o t z u c h t m i t T o d e s f o l g e (§ 178) und zu allen übrigen erfolgsqualifizierten Delikten, soweit diese den Tod des Opfers als schwere Folge berücksichtigen (a.A. B G H 20, 269 sowie die h. L. im Schrifttum, wonach die Tatbestände der §§ 178, 222 in I d K stehen können; zum Ganzen s. ausführlich § 56 Anm. 4). ee) Jede v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g enthält als notwendiges Durchgangsstadium eine vorsätzliche Körperverletzung. Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Körperverletzung kommt daher nach den Grundsätzen der Gesetzeskonkurrenz nur dann in Betracht, wenn keine Möglichkeit besteht, wegen vollendeter oder versuchter vorsätzlicher Tötung zu bestrafen (st. Rspr. seit BGH 16, 122).

c) Von Subsidiarität spricht man, wenn von mehreren Gesetzen das eine nur hilfsweise zur Anwendung kommt für den Fall, daß nicht bereits ein anderes, ebenfalls verwirklichtes Gesetz eingreift. In einigen Fällen ist die Subsidiarität im Gesetz ausdrücklich vorgesehen, in anderen ergibt sie sich nur aus dem Sinn des Gesetzes (sogenannte stillschweigende Subsidiarität, vgl. Maurach AT 639; Geerds a.a.O. 183). aa) Beispiele für Tatbestände, die eine S u b s i d i a r i t ä t s k l a u s e l enthalten : § 143 (mangelnde Beaufsichtigung eines Jugendlichen, wenn dieser eine als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohte Handlung begeht); § 145d (Vortäuschung einer Straftat); § 170d (Vernachlässigung eines Kindes); §248b (unbefugte Benutzung von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern); § 265a (Automatenmißbrauch und Erschleichung freien Eintritts); § 316 (Trunkenheit am Steuer); § 17 OWiG (Subsidiarität der Ordnungswidrigkeit, wenn sich die Tat gleichzeitig als Straftat darstellt). Bei einigen der mit einer Subsidiaritätsklausel ausgestatteten Tatbestände ist zu beachten, daß die Subsidiarität nur dann zur Geltung kommt, wenn der andere, gleichfalls verwirklichte Tatbestand die Tat mit schwererer Strafe bedroht. Man spricht hier von einer sogenannten r e l a t i v e n S u b s i d i a r i t ä t . So tritt § 145d (Vortäuschung einer Straftat) als subsidiär zurück, wenn gleichzeitig die Tatbestände der §§ 153,154 oder 164 erfüllt sind oder ein Fall der eigennützigen oder schweren Be66

Die Lehre von der Konkurrenz

günstigung (§§ 257 Abs. 1 letzte Alternative, 258) vorliegt, nicht dagegen, wenn es sich um eine einfache Begünstigung (§257 Abs. 1 erste Alternative) oder eine Verleitung zur Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage (§160, zweite Alternative) handelt. In den letztgenannten Fällen ist Idealkonkurrenz möglich, bb) Infolge s t i l l s c h w e i g e n d e r S u b s i d i a r i t ä t treten zurück: a) die T e i l n a h m e (Anstiftung und Beihilfe) hinter der Täterschaft, innerhalb der Teilnahme die Beihilfe hinter der Anstiftung. ß) die e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e hinter den unechten, da letztere die sich aus der jeweiligen Garantenstellung ergebende speziellere Rechtspflicht berücksichtigen (s.o. Abschn. C I 2, S. 26ff). y) V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n , soweit diese ausnahmsweise wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit unter Strafe gestellt sind (z.B. bei §§ 49a Abs. 2, 81, 151, 218 Abs. 4, 234a Abs. 3 und 265), hinter Versuch und Vollendung; der V e r s u c h wiederum tritt als subsidiär zurück, wenn es zur Vollendung gekommen ist. Entsprechendes gilt für die v e r s u c h t e A n s t i f t u n g (§ 49a Abs. 1) i.V. zur vollendeten Anstiftung. (Beispiel: Wenn A den B zunächst vergeblich, dann aber schließlich doch mit Erfolg zu einem Raub anstiftet, ist A im Ergebnis nur wegen vollendeter Anstiftung zu bestrafen.) 314

erheblicher Schaden entsteht. Unter derselben Voraussetzung nicht nach § 311 Abs. 5 bestraft. In den Fällen des § 311a sprechend, wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung oder sonst die Gefahr abwendet. (2) Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr abgewendet, freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

wird der Täter gilt Satz 2 entder Tat aufgibt so genügt sein

Die durch das 7. S t r R l n d G vom 1. 6. 1964 (BGBl. I 337) neu eingeführte Vorschrift wurde durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. 4. 1970 dem neuen Strafensystem redaktionell angepaßt. § 311c

§ 312

[aufgehoben]

[Schwere vorsätzliche Überschwemmung:]

Wer mit gemeiner Gefahr für Menschenleben vorsätzlich eine Überschwemmung herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren und, wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. 1. Ü b e r s c h w e m m u n g ist nicht schon jedes Unterwassersetzen eines einzelnen Grundstücks, etwa durch vorübergehendes öffnen einer Schleuse. Erforderlich ist vielmehr die Überflutung größerer Flächen oder eines Bergwerks. 2. Als T a t h a n d l u n g e n kommen in Betracht: öffnen von Schleusen, Sprengung eines Staudamms u . a . m . 3. Die Überschwemmung muß mit einer g e m e i n e n G e f a h r f ü r M e n s c h e n l e b e n verbunden sein. Es genügt Gefahr für einen einzelnen Menschen. 4. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Dieser muß sich auch auf die Gemeingefahr erstrecken. 5. Ein e r s c h w e r t e r F a l l liegt vor, wenn ein Mensch den Tod erleidet; unerheblich ist, ob der Getötete sich bereits vor der Überflutung in dem gefährdeten Gebiet befand oder ob er erst bei den Bettungsarbeiten ums Leben kam. Subjektiv ist § 56 zu beachten. 6. Wegen P o l i z e i a u f s i c h t siehe § 325.

§313

[Vorsätzliche Überschwemmung]

(1) Wer mit gemeiner Gefahr für das Eigentum vorsätzlich eine Überschwemmung herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) Ist jedoch die Absicht des Täters nur auf Schutz seines Eigentums gerichtet gewesen, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. 1. I m Unterschied zu § 312 genügt hier g e m e i n e G e f a h r f ü r f r e m d e s Eigentum. 2. Abs. 2 berücksichtigt s t r a f m i l d e r n d (nur Vergehen) eine notstandsähnliche Situation. Beispiel: A überflutet große Flächen, um seine Weiden vor dem Austrocknen zu bewahren und dadurch seinen Viehbestand zu erhalten. 3. Wegen Polizeiaufsicht siehe § 325. 4. I d K . ist möglich mit §§ 303, 304, 312.

§314

[Fahrlässige Überschwemmung]

Wer eine Überschwemmung mit gemeiner Gefahr für Leben oder Eigentum durch Fahrlässigkeit herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr

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§315

Strafgesetzbuch

und, wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft. Die Vorschrift bezieht sich sowohl auf § 312 als auch auf § 313. Wegen des qualifizierten Falls siehe § 312 Anm. 5. §315

[Gefährdung: der Sicherheit von Schienen- und Schwebebahnen, des Schiffs- und Luftverkehrs] (1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet, 3. falsche Zeichen oder Signale gibt oder 4. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter in der Absicht, 1. einen Unglücksfall herbeizuführen oder 2. eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer i n den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) Das Gericht kann in den Fällen der Absätze 1 bis 4 die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 15), auf eine mildere Strafart erkennen oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Unter derselben Voraussetzung wird der Täter nicht nach Absatz 5 bestraft. Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr abgewendet, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen. 1. Die durch das 2. VerkSichG vom 26. 11. 1964 neu gefaßte Vorschrift dient der Sicherheit des Schienenverkehrs, der Schiffahrt und der Luftfahrt. Außerdem sind noch die Schwebebahnen geschützt. Die Vorschriften über die Sicherheit des S t r a ß e n v e r k e h r s finden sich in d e n §§ 31Sb, c. Soweit Schienenbahnen am Straßenverkehr teilnehmen ( S t r a ß e n b a h n e n ) , sind ebenfalls nur die §§ 315b, c anwendbar (vgl. § 315d). 2. Die Sicherheit des Betriebs ist dann beeinträchtigt, wenn eine Gefahrenquelle geschaffen wird für die einzelnen Fahrzeuge, ihre Ladung und ihre Insassen. Dagegen sind nicht geschützt die Streckenarbeiter zwischen den Geleisen (RG 42, 301). 3. Als Mittel der Beeinträchtigung werden genannt: a) Z e r s t ö r e n , B e s c h ä d i g e n o d e r B e s e i t i g e n v o n A n l a g e n o d e r B e f ö r d e r u n g s mitteln. A n l a g e n sind z.B. Schienen, Bahndämme, Schranken, Signalanlagen. B e f ö r d e r u n g s m i t t e l sind z.B. Lokomotiven, Schiffe, Flugzeuge, aber auch die einzelnen Waggons eines Zuges. b) B e r e i t e n v o n H i n d e r n i s s e n , z.B. Aufschichten von Steinen auf den Schienen. Ein Hindernis kann auch durch v e r k e h r s w i d r i g e F a h r w e i s e bereitet

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§315

werden, z.B. wenn ein Lastzug unmittelbar vor einem herannahenden Zug die Schienen überquert und dadurch den Zugführer zu einer Notbremsung veranlaßt (BGH 6, 219, 224). c) Abgabe von f a l s c h e n Z e i c h e n o d e r S i g n a l e n , z.B. Freigabe einer Strecke, auf der ein Güterwagen abgestellt ist. d) Ä h n l i c h e E i n g r i f f e , z.B. wenn ein Lastzug so dicht an einen Schienenstrang heranfährt, daß der Zugführer eine Notbremsung einleiten muß, da er nicht weiß, ob der Lastzug noch rechtzeitig halten kann (vgl. B G H 13, 66). — Oder: Steinwürfe gegen das Zugpersonal (RG 61, 363). — Oder: zu schnelles Fahren, wenn aus besonderen Gründen nicht nach Signalen, sondern „auf Sicht" gefahren wird (BGH 8, 9). — Oder: Überfahren eines Haltsignals (BGH 8, 13). e) Ein pflichtwidriges U n t e r l a s s e n , das in seiner Gefährlichkeit einem Eingriff der unter a) bis d) geschilderten Art gleichkommt, z.B. wenn ein Schrankenwärter es versäumt, rechtzeitig die Schranken zu schließen. — Oder: Pflichtwidrige Nichtbeseitigung eines von anderen bereiteten Hindernisses. I n den letztgenannten Fällen ergibt sich die Strafbarkeit aus den allgemeinen, zu den unechten Unterlassungsdelikten herausgearbeiteten Grundsätzen (vgl. Schwarz-Dreher Anm. 4 E). Siehe hierzu ausführlich Vorbem. AT, Abschn. C, S. 25ff. 4. Durch die T a t muß eine Gefahr f ü r Leib oder Leben eines anderen oder f ü r fremde Sachen von bedeutendem Wert herbeigeführt worden sein. Die Vorschrift wird dadurch zu einem konkreten Gefährdungsdelikt. Dies gilt auch f ü r die §§ 315a bis 315d. a) Eine Gefahr ist dann gegeben, wenn der Eintritt eines Schadens wahrscheinlicher ist als sein Ausbleiben (BGH 6, 66, 70; 18, 271 ff.). Eine Gefahr i.S. der Vorschrift liegt z.B. schon dann vor, wenn ein Fußgänger sich n u r durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen kann (BGH 22, 365f.) oder wenn er seinen Oberkörper wegdrehen muß, u m nicht angefahren zu werden (BGH VRS 36 [1969], 36). K o m m t es zu einem Schaden, so ist die Gefahr indiziert; sie bedarf daher in der Regel keiner weiteren Begründung. H a t der Täter durch sein Verhalten den Eintritt einer Gefahr heraufbeschworen, so wird die Tatbestandsverwirklichung nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gefährdete (z.B. der Lokomotivführer) oder ein Dritter (z.B. ein Streckenarbeiter) die Gefahr rechtzeitig erkennt und durch sofortige Schutzmaßnahmen den Eintritt des Schadens verhindert (vgl. B G H 18, 273). b) Als Gefahr für Leib oder Leben gilt jede Gefährdung eines anderen, der nicht als Täter oder Teilnehmer an der Tat beteiligt ist. Entgegen der früheren Rechtslage ist der Eintritt einer sog. Gemeingefahr nicht erforderlich. Hieraus folgt: Eine Gefährdung der I n s a s s e n eines Fahrzeugs durch den Fahrzeugführer erfüllt den Tatbestand ohne Rücksicht darauf, ob der Fahrzeugführer vor der F a h r t die Möglichkeit hatte, die Insassen des von ihm geführten Fahrzeugs nach persönlichen Gesichtspunkten auszuwählen oder nicht. Bei Flugzeugen macht es daher im Rahmen des § 315a, bei dem die gleichen Gesichtspunkte gelten, keinen Unterschied, ob der betrunkene Pilot eine Linienmaschine fliegt oder eine Privatmaschine, in der nur seine Familie mitfliegt. Unerheblich ist auch, ob bestimmte Personen vorsätzlich oder nur fahrlässig gefährdet werden. Eine Gefahr i.S. der §§ 315if. ist daher auch dann gegeben, wenn z.B. ein betrunkener Fahrzeugführer vorsätzlich auf einen Passanten oder Polizeibeamten zufährt (vgl. BGH VerkMitt. 68 Nr. 24, 69, Lackner JZ 65, 124, Nüse J R 65, 41). c) Auch bei der Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert ist eine sog. Gemeingefahr nicht erforderlich. Die Gefährdung der L a d u n g eines Fahrzeugs durch den Fahrzeugführer erfüllt auch dann den Tb. der §§ 315ff., wenn der Fahrzeugführer die Ladung selbst auswählen konnte. Entscheidend ist allein, daß die Ladung in fremdem Eigentum stand.

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Nicht ausreichend ist die Gefährdung des vom Täter selbst geführten F a h r z e u g s , und zwar ohne Rücksicht darauf, in wessen Eigentum das Fahrzeug steht. Die schon früher, vor der Neufassung der §§ 315 ff. vorgenommene Unterscheidung zwischen Mittel und Objekt der Gefährdung ist auch auf der Grundlage des geltenden Rechts weiter zu beachten. Das vom Täter geführte Fahrzeug kann als notwendiges Werkzeug zur Verwirklichung der Gefährdung nicht gleichzeitig vom Strafschutz der Vorschrift umfaßt werden (vgl. BGH 11, 148 zur alten Fassung und OLG Schleswig N J W 65, 1727, OLG Celle VerkMitt. 67 Nr. 72, OLG Stgt J R 67, 107 m. Anm. Höhl sowie Lackner JZ 65, 120 und Schönke-Schröder Vorbem. 9 vor § 306 zur neuen Fassung; a.A. Härtung N J W 66, 15 sowie Schwarz-Dreher § 315 Anm. 6 B). Der b e d e u t e n d e W e r t einer Sache richtet sich in der Regel nach dem Verkehrswert (wirtschaftlicher Wert). Gegenstände, die den Wert von 500.— DM nicht erreichen, scheiden nach der Rechtsprechung grundsätzlich aus (vgl. SchwarzDreher Anm. 6 B m. weit. Nachw.). Ein noch fahrbereiter P K W muß dagegen zumindest dann noch als bedeutender Sachwert angesehen werden, wenn er nicht gerade schrottreif und von der Polizei wegen erheblicher Mängel aus dem Verkehr gezogen worden ist (vgl. K G VRS 12, 359; zu eng OLG H a m m N J W 60, 880 und die h.L.). Entscheidend f ü r die Frage des bedeutenden Werts darf nämlich nicht nur der reine Verkehrswert sein. Auch die persönlichen Zwecke und Verhältnisse des Geschädigten sind zu berücksichtigen. So kann auch ein alter, aber gepflegter und zugelassener VW Bj 1949 f ü r seinen Besitzer noch durchaus einen bedeutenden W e r t haben, auch wenn er beim Verkauf nur noch 300.— DM erzielen würde. Da das Gesetz nicht auf den Eintritt eines S c h a d e n s , sondern nur auf die Gefahr abstellt, kann eine Gefahr i.S. der §§ 315ff. auch dann vorliegen, wenn der schließlich eingetretene Schaden nur gering ist. E s genügt in diesem Fall, daß höherer Schaden zu befürchten war. 5. Zum subj. Tatbestand: a) Abs. 1 erfordert V o r s a t z . Dieser muß sich nicht nur auf die tatbestandsverwirklichende Handlung, sondern auch auf die Gefährdung der Sicherheit des Bahn- und Flugbetriebs usw., vor allem aber auch auf den Eintritt einer konkreten Gefahr f ü r Leib oder Leben einer Person oder f ü r fremde Sachen von bedeutendem Wert erstrecken. b) Abs. 3 macht die Tat zum Verbrechen, wenn der Täter in der A b s i c h t handelt, einen Unglücksfall herbeizuführen oder eine andere T a t zu ermöglichen oder zu verdecken. Beispiel: A bringt in einem Flugzeug, in dem seine Ehefrau mitfliegt, eine Zeitzünderbombe unter, um in den Genuß der Lebensversicherung seiner Frau zu kommen. c) Abs. 4 geht davon aus, daß die gefährdende Handlung zwar vorsätzlich vorgenommen wird, die sich hieraus ergebende G e f a h r aber nur f a h r l ä s s i g verursacht wird. Beispiel: Ein Schrankenwärter schließt die Schranken nicht, weil er pflichtwidrig darauf vertraut, um diese Tageszeit werde ja doch niemand den Bahnübergang benutzen. d) I m Falle des Abs. 5 liegt sowohl hinsichtlich der gefahrbegründenden Handlung als auch hinsichtlich der hieraus resultierenden Gefahr nur F a h r l ä s s i g k e i t vor. Beispiel: Ein Schrankenwärter vergißt, die Schranken zu schließen. 6. Der Versuch ist nur im Falle des Abs. 1 (siehe Abs. 2) und im Falle des Abs. 3 (Verbrechen) strafbar. 7. Abs. 6 bringt eine Sonderregelung der tätigen Reue f ü r den Fall, daß der Täter bereits nach Vollendung der T a t freiwillig verhindert, daß aus der von ihm heraufbeschworenen Gefahr ein erheblicher Schaden entsteht. Die Vorschrift wurde durch das 1. StrRG redaktionell dem neuen § 15 angepaßt. Satz 2 entspricht der in § 49a Abs. 4 getroffenen Regelung.

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8. I d K . ist vor allem möglich mit §§ 315b, 315c und §§ 222, 230, im Falle des Abs. 3 auch mit §jj 211, 223, 265. § 315a Nr. 2 sowie die §§ 59 LuftVG, 286 SeeschiffahrtstraßenO, 82 Eisenbahnbau- und BetriebsO treten als subsidiär zurück. § 3 I S a [Transportgefährdung] ( 1 ) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer 1. ein Schienenbahn- oder Schwebebahnfahrzeug, ein Schiff oder ein Luftfahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder 2. als Führer eines solchen Fahrzeuges oder als sonst für die Sicherheit Verantwortlicher durch grob pflichtwidriges Verhalten gegen Rechtsvorschriften zur Sicherung des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffsoder Luftverkehrs verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. ( 2 ) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. ( 3 ) W e r in den Fällen des Absatzes 1 1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder 2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Die durch das 2. VerkSichG vom 26. 11. 1964 neu gefaßte Vorschrift schützt wie § 315 die Sicherheit des Schienen-, Schiffs- und Luftverkehrs sowie den Verkehr mit Schwebebahnen. Wegen Straßenbahnen siehe § 315d. Der entscheidende Unterschied gegenüber § 315 besteht darin, daß § 315 im wesentlichen nur verkehrsfremde oder gar verkehrsfeindliche Eingriffe erfaßt, die von a u ß e n in gefährlicher Weise unmittelbar auf Verkehrsvorgänge einwirken, während § 315a solche Gefährdungen erfaßt, die von dem Fahrzeugführer oder einem Bonst für die Sicherheit des Fahrzeugs Verantwortlichen ausgehen. 2. Täter des Abs. 1 kann nur der Führer eines Schienenfahrzeugs, einer Schwebebahn, eines Schiffs- oder Luftfahrzeugs sein. Die Vorschrift enthält daher ein e i g e n h ä n d i g e s Delikt. Führer ist jeder, der das Fahrzeug in eigener Verantwortung in Bewegung setzt und lenkt. Nicht erforderlich ist, daß er sich selbst in dem Fahrzeug aufhält (wichtig für Sessellifte und ferngesteuerte Schiffe und Flugkörper). I m Fall des Abs. 1 Nr. 2 kommt neben dem Fahrzeugführer jeder als Täter in Betracht, der sonst für die Sicherheit verantwortlich ist, z.B. der Kapitän eines Schiffs oder der Eigentümer einer Schwebebahn. 3. Die Tathandlung besteht im Falle des Abs. 1 Nr. 1 darin, daß der Führer das Fahrzeug führt, obwohl er infolge alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher Mängel fahruntüchtig ist. Die Vorschrift entspricht damit dem in der Praxis bekannteren § 315 c Abs. 1 Nr. 1. Auf die Ausführungen zu § 315c Abs. 1 Nr. 1 kann insoweit verwiesen werden. Abs. 1 Nr. 2 erfaßt grob pflichtwidrige Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften. Als solche kommen vor allem in Betracht: Im E i s e n b a h n v e r k e h r die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung vom 8 . 5 . 1 9 6 7 (BGBl I I 1563), in der S c h i f f a h r t die BinnenschiffahrtsstraßenO vom 11. 10. 1966 (BGBl. I I 1334), letzte ÄndVO v. 22. 2. 1968 (BGBl. I I S. 111, 172) sowie die Schiffahrtsverordnungen für Khein, Donau und Mosel, ferner die KleinfahrgastschiffVO vom 21. 10. 1967 (BGBl. I I 2393) und die SeeschiffahrtsstraßenO vom 6. 5. 1952 i . d . F . vom 18. 3. 1961 (BGBl. I I I 9511—1), zuletzt geändert am 22. 5. 1966 (BGBl. I I 299), für den L u f t v e r k e h r

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§ 315b

Strafgesetzbuch

das LuftverkehrsG vom X. 8. 1922 i.d.F. vom 22.10. 1965 (BGBl. 1 1729, I I I 96—1), zuletzt geändert am 24. 5. 1968 (BGBl. I 503, 542). 4. Wie bei § 315 muß durch die Tat eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert herbeigeführt worden sein (konkretes Gefährdungsdelikt). Unerheblich ist, ob die Gefahr für Insassen oder Ladung des vom Täter geführten Fahrzeugs oder für betriebsfremde Personen und Sachen heraufbeschworen wird. Auf die Ausführungen unter § 315 Anm. 4 kann im übrigen Bezug genommen werden. 5. Der subj. Tb. verlangt im Falle des Abs. 1 hinsichtlich aller Tb.-Merkmale Vorsatz. Wegen Fahrlässigkeit siehe Abs. 3, wobei das Gesetz ähnlich differenziert wie in § 315 (siehe dort Abs. 4 und Abs. 5), und zwar je nachdem, ob die gefahrenträchtige Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wurde. B e i s p i e l : Der Pilot P weiß, daß er angetrunken ist, vertraut aber pflichtwidrig darauf, daß er den Flug trotzdem gefahrlos durchführen könne. Infolge seiner Trunkenheit kommt es dann schließlich zu einer so harten Landung, daß die Passagiere durcheinandergeschüttelt werden. Hier hat Bestrafung nach Abs. 3 Nr. 1 zu erfolgen; Abs. 3 Nr. 2 jedoch, wenn P pflichtwidrig gar nicht erkannt hat, daß er zuviel getrunken hat. 6. Der Versuch ist nur im Falle des Abs. 1 strafbar (vgl. Abs. 2). 7. Eine dem § 315 Abs. 6 entsprechende Sonderregelung für tätige Reue nach vollendetem Delikt fehlt. Nach Eintritt der Gefahr ist also strafbefreiende tätige Reue nicht mehr möglich (a. A. Schönke-Schröder Anm. VII, wonach § 315 Abs. 6 analog anwendbar sein soll). 8. Konkurrenzen: Gegenüber den Strafbestimmungen der in Anm. 3 erwähnten Sicherheitsvorschriften geht § 315 a Nr. 2 vor. Umgekehrt ist § 315 a Nr. 2 gegenüber § 315 subsidiär (BGH 21, 173). IdK. ist möglich mit §§ 222, 230.

§ 315 b [Gefährdung: der Sicherheit des Straßenverkehrs] (1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet oder 3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. ( 3 ) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. ( 4 ) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) W e r in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) § 315 Abs. 6 gilt entsprechend. 1. Die durch das 2. VerkSichG vom 26. 11. 1964 neu eingeführte Vorschrift schützt die Sicherheit des Straßenverkehrs gegen verkehrsfeindliche Eingriffe von außen. Verkehrswidrige Verkehrsvorgänge scheiden grundsätzlich aus (s.u. Anm. 3b, c). 2. Geschützt ist nur der öffentliche Verkehr, d.h. der Verkehr, der sich auf einem Verkehrsraum abspielt, der der Allgemeinheit dauernd oder vorübergehend zur

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§

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Benutzung zur Verfügung steht. Die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse sind dabei unerheblich. Erfaßt werden daher auch solche Vorgänge, die sich auf einem Gasthausparkplatz (BGH 16, 7), einem Parkhaus (Bullert DAR 63, 325), einer Tankstelle (BayObLG J R 63,192) oder einem Kasernen- oder Werksgelände ereignen (vgl. Lackner-Maassen § 315c Anm. 2 mit -weit. Nachw.). 3. Der Tatbestandsaufbau und die Tathandlung entsprechen dem bereits erörterten § 315, so daß auf die dortigen Ausführungen grundsätzlich Bezug genommen werden kann. Ergänzend ist folgendes zu beachten: a) Zu Nr. X: Als A n l a g e n gelten alle Einrichtungen, die dem Straßenverkehr dienen, insbesondere Verkehrszeichen und Verkehrsampeln, aber auch die Straße selbst. B e i s p i e l e : A schüttet Dieselöl auf die Fahrbahn, um Fahrzeuge, insbesondere Zweiradfahrer, ins Schleudern zu bringen. — Oder: Lösen von Radmuttern. — Oder: Steinwürfe gegen ein fahrendes Auto (vgl. OLG Schleswig VerkMitt. 67, 21). — Oder: Auswechseln oder Entfernen von vorfahrtsregelnden Verkehrsschildern. b) Zu Nr. 2 (Hindernisbereiten): Hier kommen nur v e r k e h r s f r e m d e Eingriffe, d.h. Eingriffe von außen, in Betracht. B e i s p i e l e : Aufschichten von Steinen oder Baumstämmen auf der Fahrbahn. — Oder: Spannen von Drähten, durch die besonders Zweiradfahrer gefährdet werden. — Oder: Unzulängliche Absicherung einer Baustelle. — Oder: Mangelnde Beaufsichtigung einer Vieh- oder Schafherde, so daß diese ganz oder teilweise auf die Fahrbahn gerät. Vorgänge des f l i e ß e n d e n oder r u h e n d e n V e r k e h r s fallen seit der Neufassung durch das 2. VerkSichG nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. OLG H a m m N.JW 65, 2167, Schönke-Schröder R n . 10f., SchwarzDreher Anm. 4 B). Sie können nur dann als Straßenverkehrsgefährdung bestraft werden, wenn sie unter den Katalog des § 315c Abs. 1 Nr. 2 fallen. Andernfalls können sie nur als Verkehrsordnungswidrigkeiten erfaßt werden. Dies gilt vor allem f ü r verkehrswidriges Parken, das auch dann nicht unter § 315b Nr. 2 fällt, wenn dadurch eine konkrete Gefahr herbeigeführt wird. Etwas anderes gilt nur, wenn ein abgestelltes Fahrzeug zweckentfremdet absichtlich als Straßensperre benutzt wird. c) Zu Nr. 3 (ähnlich gefährlicher Eingriff): Ein „Eingriff" in den Straßenverkehr ist jede nicht unerhebliche Einwirkung von außen oder eine nicht mehr nur als bloß fehlerhaftes Verkehrsverhalten zu wertende grobe Einwirkung eines Verkehrsteilnehmers (BGH 22, 365ff.). Straßenverkehr i.S. der Vorschrift ist auch der Fußgängerverkehr auf Gehwegen, die neben der eigentlichen Fahrbahn ausschließlich f ü r die Benutzung von Fußgängern angelegt sind (BGH a.a.O.). Tatbestandsmäßig handelt daher auch ein Kraftfahrer, der bei einem Fluchtversuch mit Vollgas auf den Gehweg fährt, so daß die sich dort aufhaltenden Fußgänger sich nur durch einen Sprung zur Seite retten können (BGH a.a.O.). Weitere B e i s p i e l e : Blenden von Fahrzeugführern mit Spiegeln (nicht dagegen Aufblenden der Scheinwerfer trotz Gegenverkehr); —- oder: Bewerfen von Fahrzeugen mit Schneebällen; — oder: Schaltung einer Verkehrssicherungsanlage durch Unbefugte; — oder: Versuch eines auf dem Rücksitz eines Funkstreifenwagen sitzenden Festgenommenen, gewaltsam das Lenkrad zu ergreifen und den Wagen auf eine Böschung zuzusteuern, damit die Polizeibeamten ums Leben kommen (BGH VRS 36 [1969], 267). 4. Wie § 315 ist auch § 315b ein konkretes Gefährdungsdelikt. Die Ausführungen unter § 315 Anm. 4 gelten daher entsprechend. 5. Zum subj. Tb. siehe § 315 Anm. 5. 6. Der Versuch ist nur im Falle des Abs. 1 (siehe Abs. 2) und im Falle des Abs. 3 (Verbrechen) strafbar. 7. Abs. 6 verweist auf die in § 315 getroffene Sonderregelung der tätigen Reue nach vollendetem Delikt.

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§315c g 315 c

Strafgesetzbuch [Strassenverkehrsgref&hrdangr durch Trunkenheit u n d grob verkehrswidrig:« FahrweiseJ

(1) Wer im Staßenverkehr 1. ein Fahrzeug führt, obwohl er a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder 2. grob verkehrswidrig und rücksichtslos a) die Vorfahrt nicht beachtet, b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt, d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, f ) auf Autobahnen wendet oder dies versucht oder g) haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder 2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. I. Die durch das 2. VerkSiehG vom 26. 11. 1964 neu gefaßte Vorschrift ersetzt den früheren § 315a Abs. 1 Nr. 2—i. Sie schützt die Sicherheit des Straßenverkehrs gegen Gefährdungen durch Fahrzeugführer, die entweder in fahruntüchtigem Zustand am Verkehr teilnehmen oder sich sonst grob verkehrswidrig und rücksichtslos über allgemein anerkannte Grundregeln des Straßenverkehrs hinwegsetzen. (Über verkehrsgefährdende Eingriffe von außen siehe § 315b.) II. Geschützt ist nur der öffentliche Verkehr. Siehe hierzu § 315b Anm. 2. m . Die in Abs. 1 Nr. 1 a geregelte Straßenverkehragefährdung durch Trunkenheit am Steuer stellt einen qualifizierten Fall der folgenlos gebliebenen Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 dar. Wie bei § 316 kann die Tat nur von einem angetrunkenen Fahrzeugführer begangen werden. E s handelt sich somit um ein eigenhändiges Delikt. Der wesentliche Unterschied gegenüber § 316 besteht darin, daß § 315c zur Tatbestandsverwirklichung die Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder die Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert voraussetzt. Die Vorschrift wird hierdurch zu einem konkreten Gefahrdungsdelikt. Im einzelnen: 1. Die Strafdrohung richtet sich nicbt nur gegen Kraftfahrer, sondern gegen jeden, der ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht mehr fahrtüchtig ist. Täter kann also z.B. auch ein betrunkener Radfahrer eein (nicht dagegen der Fahrzeughalter, der einem Fahruntüchtigen das Steuer überläßt (vgl. BGH 18, 6). 2. Die Art des Fahrzeugs ist unerheblich, sofern sich das Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bewegt. In Betracht kommen vor allem Kraftfahrzeuge, Fahrräder und Pferdefuhrwerke, aber auch Pferde- und Hundeschlitten. Durch § 315c nicht erfaßt werden dagegen Reiter und Soziusfahrer. Diese können nur nach § 2 StVZO bestraft werden. Für Schienenfahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge und Schwebebahnen siehe die Regelung des § 315a.

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Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen

§ 31S C

3. Als Tathandlung genügt jedes Führen eines Fahrzeugs. Bei Kraftfahrzeugen ist dabei folgendes zu beachten: Ein Fahren oder Anfahren ist nicht erforderlich. E s genügt, wenn der Täter in der Absicht, das Fahrzeug in Gang zu setzen, das Trieb- oder Fahrwerk betätigt, z.B. durch Lösen der Handbremse, durch Einschalten der Zündung oder Betätigen des Anlassers (BGH 7, 315). Der Tatbestand ist dagegen nicht erfüllt, wenn der Beschuldigte den Anlasser unwiderlegbar nur betätigt, um festzustellen, ob der Motor noch anspringt. Er setzt nämlich in diesem Fall nur eine Maschine in Gang, die ohne gleichzeitiges Einschalten des Getriebes oder Lösen der Bremsen ihren Ort nicht verlassen kann (BGH a.a.O. 317). Als weitere, z.T. bestrittene Fälle, in denen die Rspr. das Führen eines Fahrzeugs angenommen hat, sind zu beachten: das Schlafen im stehenden Pkw bei laufendem Motor (BayObLG V R S 27, 220), das Rollenlassen ohne Motorkraft auf einer Gefällstrecke (BGH 14, 185), die Betätigung der Lenkung, während ein anderer Gas, Bremse und Kupplung bedient (BGH 13, 226), die nach dem Anhalten zu treffenden Maßnahmen, zu denen der Fahrzeugführer beim Verlassen des Fahrzeugs nach § 20 StVO verpflichtet ist, z. B. daa Absichern eines Lastzugs auf einer Gefällstrecke (BGH 19, 371). 4. Als Ursachen der Fahruntüchtigkeit kommen nur alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in Betracht. a) Zu den a l k o h o l i s c h e n G e t r ä n k e n gehören auch bestimmte alkoholhaltige Medikamente,z.B.Melissengeist und Diacard. b) Zu den a n d e r e n b e r a u s c h e n d e n M i t t e l n gehören z . B . Äther, Opium, Morphium und Kokain. c) Bei Fahruntüchtigkeit durch Ü b e r m ü d u n g und K r a n k h e i t ist Abs. 1 Nr. 1 b anwendbar. 5. Die Fahruntüchtigkeit tritt dann ein, wenn der Fahrzeugführer nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug s i c h e r zu führen. Wann dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die Rspr. inzwischen bestimmte wissenschaftlich entwickelte E r f a h r u n g s g r u n d s ä t z e herausgearbeitet hat. a) Die sog. absolute Fahruntüchtigkeit. aa) Der Führer eines Kraftfahrzeugs ( P K W , L K W , Kraftrad, Moped u. a. m.) gilt nach der neuesten Rspr. dann als fahruntüchtig, wenn sein Blutalkoholgehalt 1,3 /00 erreicht hat (vgl. B G H 21, 157 unter Aufgabe der früheren, noch in B G H 19, 243 vertretenen l,5°/ 00 -Grenze bei PKW- und LKW-Fahrern). Entscheidender Zeitpunkt ist dabei immer der Zeitpunkt der Fahrt, nicht der der Blutentnahme. Ist die 1,3° /„(,Grenze erreicht, so kann auf weitere Anzeichen für die eingetretene Fahruntüchtigkeit verzichtet werden. Man spricht in diesem Fall von einer absoluten Fahruntüchtigkeit. bb) Bei K r a f t r a d f a h r e r n wurde die absolute Fahruntüchtigkeit schon vor der oben zitierten Entscheidung des B G H vom 9. 12. 1966 (BGH 21, 157) bei l.S'/o,, angenommen (BGH 13, 83), und zwar auch bei sog. Gespannen (Kraftrad mit Beiwagen, vgl. OLG Hamm DAR 63, 255). An dieser Promillegrenze hat sich auch nach der Entscheidung B G H 21, 157 nichts geändert (vgl. B G H 22, 253 m. weit. Nachw.) cc) Bei S o z i u s f a h r e r n eines Solokraftrads wird die Verkehrstüchtigkeit spätestens ab 2,0°/ 00 zu verneinen sein (vgl. OLG Hamm DAR 63, 255). Hierbei ist allerdings zu beachten, daß sich die Strafbarkeit nicht aus § 315c ergibt, sondern aus § 2 StVZO. dd) Bei R a d f a h r e r n gibt es entgegen der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte keine absolute Grenze, bei der man mit Sicherheit Fahruntüchtigkeit annehmen kann. Hier entscheidet immer der Einzelfall (BGH 19, 82).

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§ 315c

Strafgesetzbuch

b) Die sog. relative Fahruntüchtigkeit. aa) Erreicht der Blutalkoholgehalt nicht die absolute Grenze der Fahruntüchtigkeit, so muß der Tatrichter sämtliche Umstände des Einzelfalls untersuchen. Hierbei können sowohl die F a h r w e i s e als auch etwaige p s y c h o - p h y s i s c h e A u s f a l l s e r s c h e i n u n g e n (Schwanken beim Gehen, mangelnde Konzentrations- oder Orientierungsfähigkeit usw.) den Schluß rechtfertigen, daß die G e s a m t l e i s t u n g s f ä h i g k e i t des Beschuldigten soweit herabgesetzt ist, daß er nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen. Auch die ä u ß e r e n U m s t ä n d e der Tat müssen berücksichtigt werden, z.B. die Länge der Fahrt und die Schwierigkeit der Strecke (Nebel, Glatteis, kurvenreiche Straße usw.). Besondere strenge Anforderungen an die Fahrtüchtigkeit wird man bei längeren Nachtfahrten stellen müssen. Der Bereich dieser sog. relativen Fahruntüchtigkeit liegt zwischen 0,3 und l,3°/ 0 o (BGH VRS 21, 54, VRS 36 [1969], 174). E s ist daher ein weit verbreiteter und oft verhängnisvoller Irrtum, wenn Kraftfahrer glauben, sie seien erst ab 1,3°/^ fahruntüchtig. bb) Der N a c h w e i s der relativen Fahruntüchtigkeit stößt in der Gerichtspraxis oft auf Schwierigkeiten, wenn die fehlerhafte Fahrweise nicht z w i n g e n d als alkoholbedingt angesehen werden kann. Selbst beim Hinzutreten leistungsmindernder Umstände (z.B. Krankheit oder Ermüdung) setzt nämlich bei einer unter l,3°/o0 liegenden Blutalkoholkonzentration die Feststellung alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit zusätzliche Beweisanzeichen voraus (BayObLG N J W 68, 1200). Hierzu ist jedoch folgendes zu bemerken (vgl. OLG H a m m BA 66, 393): Die richterliche Überzeugung setzt keine mathematische, jede Möglichkeit eines Gegenteils ausschließende Gewißheit voraus. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr, daß ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit besteht, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr laut werden können. Der Richter ist daher nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§261 StPO) nicht gehindert, eine bestimmte Ausfallserscheinung oder Fahrweise auch dann als alkoholbedingt anzusehen, wenn sich gedanklich nicht ausschließen läßt, daß ein Nüchterner in gleicher Weise reagiert hätte. Entscheidend ist allein seine Überzeugung, die er aus bestimmten Tatsachen gewinnt. 6. Durch die Tat muß eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder f ü r fremde Sachen von bedeutendem Wert herbeigeführt worden sein. Siehe hierzu ausführlich § 315 Anm. 4. Die Gefährdung muß gerade auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zurückzuführen sein. Hinsichtlich des Nachweises dieser Kausalität gelten die oben unter 5 b, bb entwickelten Grundsätze entsprechend. Läßt sich dieser Nachweis nicht führen, so kommt nicht § 315c, sondern nur § 316 in Betracht. 7. Der subj. Tb. erfordert hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale Vorsatz. Bei Fahrlässigkeit siehe Abs. 3. 8. Bestritten ist, ob die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn der durch die T a t Gefährdete, z.B. ein Mitinsasse, das mit der F a h r t verbundene Risiko bewußt auf sich genommen hat. Noch bis vor kurzem wurde in Rspr. und Schrifttum überwiegend der Standpunkt vertreten, daß bei § 315c — ähnlich wie bei dem früheren § 315a — eine rechtfertigende Einwilligung in das Risiko nicht in Betracht kommen könne, da die Vorschrift die Sicherheit des Straßenverkehrs, somit ein Rechtsgut der Allgemeinheit schütze (vgl. OLG Krhe N J W 67, 2321, Geerds, Blutalkohol 65/66, 133; Lackner J Z 65, 124; Lackner-Maassen Anm. 8). I n letzter Zeit mehren sich jedoch die Stimmen, die nur die jeweils gefährdeten Menschen oder Sachen als geschützt ansehen (vgl. Schwarz-Dreher Anm. 2 und 4 B). Folgt man dieser Ansicht, die seit der Neufassung des Gesetzes, wonach der Eintritt einer Gemeingefahr nicht mehr erforderlich ist, zumindest vertretbar erscheint, so hätte die Einwilligung des Gefährdeten in das von ihm eingegangene Risiko auch bei § 315 c rechtfertigende Wirkung (ebenso Schönke-Schröder R n . 33, neuerdings auch OLG Hamburg

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§

315c

N J W 69, 336 und BayOblG DAR 68, 217; auf der früheren Linie jedoch OLG H a m m VRS 36 [1969], 279 und OLG Ddf VerkMitt. 69 Nr. 87. IV. Abs. 1 Nr. l b erfaßt die Fälle, in denen der Fahrzeugführer auf Grand sonstiger (also nicht alkoholbedingter) geistiger oder körperlicher Mängel fahruntüchtig ist. Über den Begriff der Fahruntüchtigkeit s.o. I I I 5. B e i s p i e l e : Altersschwäche, Übermüdung, Schwerhörigkeit, Schwachsichtigkeit oder sonstige erhebliche Sehstörungen, Körperbehinderung durch Amputation, vor allem aber auch Einwirkung von Medikamenten. Der Tb. entfällt, wenn der Fahrer in geeigneter Weise Vorsorge getroffen hat, daß sich der bei ihm vorhandene Mangel nicht nachteilig auswirkt. Ob dies möglich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. So kann sich z.B. ein Beinamputierter dadurch helfen, daß er an seinem Fahrzeug bestimmte technische Veränderungen vornimmt. Die Ausführungen zu Abs. 1 Nr. l a (s.o. I I I ) gelten im übrigen entsprechend. V. I n Abs. 1 Nr. 2 werden bestimmte, als besonders gefährlich bekannte Verkehrsverstöße, die sog. sieben Todsünden des Straßenverkehrs, zu Vergehen erhoben, wenn die Fahrweise als grob verkehrswidrig erscheint und der Täter rücksichtslos gehandelt hat. I m einzelnen: 1. Eine Vorfahrtsverletzung (Nr. 2a) liegt nicht nur dann vor, wenn ein Fahrer an einer Kreuzung oder Einmündung gegen die in § 13 StVO getroffene Vorfahrtsregelung verstößt. Ein Vorfahrtsfall i.S. der Vorschrift ist vielmehr auch dann gegeben, wenn die Fahrlinien zweier Fahrzeuge bei unveränderter Fahrtrichtung zusammentreffen oder einander gefährlich nahe kommen (BGH 11, 219; 13, 129). Hierher gehören insbesondere a) das Kreuzen des Gegenverkehrs unter Verletzung von § 8 Abs. 3 S. 3 StVO (BGH 11, 219; 12, 21), b) Wendemanöver (siehe auch unten f), c) das Herausfahren aus einem Grundstück unter Verletzung von § 17 Abs. 1 StVO, d) das Verlassen eines Parkplatzes oder einer Autobahnstandspur, um sich wieder in den fließenden Verkehr einzuordnen (BGH 13, 129). 2. Verkehrswidriges Verhalten bei Überholvorgängen (Nr. 2 b) richtet sich nicht nur nach § 10 StVO. Erfaßt werden vielmehr alle Verkehrsverstöße, die mit dem Überholvorgang in innerem Zusammenhang stehen. Hierher gehören insbesondere a) unerwartetes Ausscheren auf die Überholfahrbahn vor einem sich schnell von hinten nähernden anderen Fahrzeug, b) Schneiden der Fahrbahn des gerade überholten Fahrzeugs, c) sog. Lückenspringen bei Kolonnenfahrt mit Gegenverkehr, d) Erhöhung der Geschwindigkeit seitens des überholten Kraftfahrers. 3. Falsches Fahren an Fußgängerüberwegen (Nr. 2 c). Hierher gehören vor allem Verstöße gegen § 9 Abs. 3 a und 10 Abs. 1 S. 5 StVO. Besonders hervorzuheben ist dabei der Fall, daß jemand ein vor einem Fußgängerüberweg haltendes Fahrzeug überholt, obwohl er damit rechnen muß, daß der Überholte angehalten hat, um Fußgängern den Vortritt einzuräumen. Fußgängerüberweg i.S. der Vorschrift ist dabei nur ein Überweg nach Bild 30 c der Anlage zur StVO (sog. Zebrastreifen), an dem der Verkehr nicht durch eine Verkehrsampel besonders gesichert ist (OLG Stgt N J W 69, 889). 4. Zu schnelles Fahren an unübersichtlichen Stellen, an Straßeneinmündungen und Straßenkreuzungen sowie an Bahnübergängen (Nr. 2d). Unübersichtlich ist eine Stelle, wenn der Fahrer den Verkehrsablauf nicht vollständig überblicken, insbesondere etwaige Hindernisse und Gefahren nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, z. B. wenn ihm auf einer kurvenreichen Strecke durch Bäume, Häuser, 33

Pettera-Preiaendanz, StGB, 26. Aufl.

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Strafgesetzbuch

Felswände usw. die Sicht genommen ist. A b e r auch Dunkelheit, Nebel, Schneegestöber und starker Regen können eine Strecke unübersichtlich machen. 5. Das Nichteinhalten der rechten Fahrbahn an einer unübersichtlichen Stelle ( N r . 2e). W e g e n „unübersichtlich" s.o. 4. Hierher gehört v o r allem das Schneiden v o n K u r v e n . W i r d auf einer unübersichtlichen Strecke die rechte Fahrbahnseite zum Zwecke des Überholens verlassen, so sind gleichzeitig auch die Voraussetzungen der N r . 2 b gegeben. 6. Das Wenden auf der Autobahn (Nr. 2 f ) . W e g e n der besonderen dieses Vorgangs ist auch der V e r s u c h unter Strafe gestellt. Hinzu allerdings, daß bereits auf Grund des versuchten Wendens eine anderer eingetreten ist. K o m m t es zu keiner Gefährdung anderer, so Ordnungswidrigkeit nach § § 8 Abs. 7 S t V O , 24 S t V G zu verfolgen.

Gefährlichkeit kommen muß Gefährdung ist die T a t als

7. Die NichtSicherung liegengebliebener Fahrzeuge ( N r . 2 g). K o m m t es zu keiner konkreten Gefährdung anderer oder kann dem Täter keine Rücksichtslosigkeit (s.u. 8a) nachgewiesen werden, so ist die T a t als Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 2 S t V O , 24 S t V G strafbar. 8. Die unter Ziff. 1—-7 dargelegten Verkehrsverstöße werden nur dann zu Verkehrsvergehen, wenn sie grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangen wurden und durch die T a t L e i b oder Leben eines anderen oder fremde Sachen v o n bedeutendem W e r t gefährdet worden sind. Fehlt eines dieser drei Elemente, so kann der Verkehrsverstoß nur als O r d n u n g s w i d r i g k e i t nach § 24 S t V G i.V. mit den einschlägigen Bestimmungen der S t V O geahndet werden. a ) Grob verkehrswidrig ist eine Fahrweise, wenn sie o b j e k t i v einen besonders schweren Verstoß gegen die Grundregeln des Straßenverkehrs darstellt, z . B . wenn jemand innerhalb geschlossener Ortschaft mit einer Geschwindigkeit v o n 100 km/h über eine Kreuzung fährt (vgl. O L G Karlsruhe N J W 60, 546) oder m i t einer Geschwindigkeit von 35—40 km/h aus einer untergeordneten Straße nach links in eine Vorfahrtsstraße einbiegt ( B G H 5, 392, 395). Auch Überholen trotz ausgesprochen schlechter Sichtverhältnisse muß grundsätzlich als grob verkehrswidrig angesehen werden ( B a y O b L G VerkMitt. 68 N r . 33). b ) Rücksichtslos handelt, wer sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit gar keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen läßt ( B G H 5, 392, 395). Rücksichtslos kann auch der handeln, der hinsichtlich der v o n ihm verursachten Gefährdung anderer nur fahrlässig handelt, z . B . wer trotz Gegenverkehrs überholt, dabei aber vertraut, „es werde noch reichen" (vgl. B G H a.a.O., O L G Stgt N J W 67, 1766). Rücksichtslosigkeit setzt nioht die Feststellung v o n Charaktermängeln voraus ( B G H V R S 14, 304). Sie kann ferner auch dann gegeben sein, wenn der Täter aus „ a n sich verständlichen'' Motiven handelt, z . B . wenn er noch rechtzeitig zu einem Gerichtstermin kommen oder noch einmal seine kranke Mutter sehen will (vgl. B a y O b L G J R 60, 70; Str.). Diese Motive können nur im Strafmaß berücksichtigt werden. Selbst A r z t e , die schnell zu einem Patienten müssen, dürfen sich nicht bedenkenlos über Verkehrsvorschriften hinwegsetzen (vgl. O L G Stgt D J 63, 38). Der Vorwurf der R ü c k s i c h t s l o s i g k e i t entfällt, wenn lediglich h o c h g r a d i g e E r r e g u n g , nicht aber der Mangel an Verkehrsgesinnung die Ursache einer grob verkehrswidrigen Fahrweise ist (vgl. B G H N J W 62, 2165). Dies kann z . B . dann der Fall sein, wenn jemand aus Angst vor einer von ihm als unberechtigt und ehrenkränkend empfundenen Festnahme durch die Stadt flieht (vgl. B G H a . a . O . ; zw.). Der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit entfällt ferner, wenn jemand infolge einer vorübergehenden U n a u f m e r k s a m k e i t oder aus B e s t ü r z u n g und S c h r e c k e n die Verkehrslage falsch beurteilt und aus dieser Situation heraus einen schweren Fahrfehler begeht.

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Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen

§ § 315 d, 316

9. Über Gefahr für Leib oder Leben usw. siehe ausführlich § 315 Anm. 4. 10. Der subj. Tb. erfordert hinsichtlich aller Tb.-Merkmale Vorsatz. Bei Fahrlässigkeit siehe Abs. 3. VI. Abs. 3, der sich mit den Möglichkeiten der fahrlässigen Tatbegehung befaßt, ist ähnlich aufgebaut wie § 315 Abs. 4 und Abs. 5. Die Ausführungen unter § 315 Anm. 5 c, d gelten entsprechend. Da der Täter in aller Regel darauf vertraut, daß es trotz seines verkehrswidrigen Verhaltens zu keiner Gefährdung anderer, insbesondere zu keinem Unfall kommen werde, hat Abs. 3 in der täglichen Gerichtspraxis eine weit größere Bedeutung al3 die Vorsatztat des Abs. 1. VH. Konkurrenzen: Die einzelnen Tatbestandsalternativen des § 315c können untereinander in Idk. stehen. Ebenso mit §§ 222, 230. Gegenüber § 316 geht § 315c als das speziellere Gesetz vor. Über das Verhältnis zur Unfallflucht siehe § 142 Anm. 16. § 315d [Schienenbahnen im Straßenverkehr] Soweit Schienenbahnen am Straßenverkehr teilnehmen, sind nur die Vorschriften zum Schutz des Straßenverkehrs (§§ 315b, 315c) anzuwenden. 1. Die durch das 2. VerkSichG eingeführte Vorschrift findet in erster Linie auf Straßenbahnen Anwendung. Aber auch überörtliche Schienenbahnen, die sich außerhalb geschlossener Ortschaften nach Art von Eisenbahnen auf einem eigenen Bahnkörper bewegen, fallen unter den Anwendungsbereich der Vorschrift, soweit sie (vor allem innerhalb geschlossener Ortschaften) nach Art von Straßenbahnen am Straßenverkehr teilnehmen. Sonstige Schienenbahnen, die nicht am Straßenverkehr teilnehmen, werden durch §§ 315, 315a erfaßt. 2. Eine Schienenbahn nimmt am Straßenverkehr teil, wenn sich ihr Fahrverhalten nach den allgemeinen Regeln des Straßenverkehrs zu richten hat. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Bahn als Eisenbahn oder als Straßenbahn zugelassen ist (wichtig für überörtliche Bahnen, s.o. 1). Verkehrt die Bahn auf einem eigenen Gleiskörper (auch in geschlossenen Ortschaften möglich), so nimmt sie nicht am Straßenverkehr teil, so daß die §§ 315, 315a Anwendung finden. 3. Bei schienengleichen Übergängen kommt es nicht darauf an, ob die Bahn auf einem eigenen Gleiskörper verkehrt; entscheidend ist vielmehr, ob der Schienenbahn gemäß § 3a StVO durch Warnkreuze nach Bild 4e der Anlage zur StVO ein Vorrecht eingeräumt ist. I n diesem Fall kommen die §§ 315, 315a zur Anwendung. Andernfalls greifen gemäß § 315d die §§ 315b, 315c ein (vgl. BGH 15, 9, SchönkeSchröder Rn. 5). 4. Fallen Tathandlung und Gefährdung örtlich auseinander, so kommt es f ü r die Frage, ob die §§ 315, 315a oder die §§ 315b, 315c zur Anwendung kommen, darauf an, wo die Gefahr eingetreten ist (vgl. BGH 11, 162; 13,68, Schönke-Schröder Rn. 4, Schwarz-Dreher Anm. 2; a.A. BGH 15, 16). § 316 [Trunkenheit am Steuer] (1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315d) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315 a oder § 315 c mit Strafe bedroht ist. (2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht. 1. Eine der wesentlichen Neuerungen des 2. VerkSichG vom 26. 11. 1964 besteht darin, daß die bis dahin nur als Übertretung gemäß § 2 StVZO strafbare Trunkenheit im Verkehr in § 316 auch in den Fällen zum Vergehen erhoben worden ist, in 33*

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§ 316a

Strafgesetzbuch

denen es zu keiner Gefährdung des Straßenverkehrs gekommen ist. Nach der früheren Rechtslage lag ein Vergehen nur dann vor, wenn der fahruntüchtige Fahrzeugführer eine Gemeingefahr herbeigeführt h a t t e (vgl. § 315a Abs. 1 Nr. 2 a.F.). 2. Die Strafdrohung des § 316 richtet sich nicht nur gegen Kraftfahrer, sondern schlechthin gegen jeden, der ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Täter kann also jeder Führer eines Fahrzeugs sein, nicht dagegen der Halter, der einem Fahruntüchtigen das Steuer überläßt (BGH 18, 6). 3. Da § 316 ein sog. eigenhändiges Delikt enthält (siehe hierzu Yorbem. AT, Abschn. B I 6, S. 8 f.), ist mittelbare Täterschaft begrifflich ausgeschlossen. Anstiftung und Beihilfe sind jedoch nach allgemeinen Grundsätzen strafbar. 4. Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherheit des Verkehrs, somit ein Rechtsgut der Allgemeinheit. Als geschützte Verkehrsarten kommen nicht nur der Straßenverkehr in Betracht, sondern auch der Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr. Da die Vorschrift eine bestimmte konkrete Gefahr f ü r andere nicht voraussetzt, handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (siehe hierzu Vorbem. AT, Abschn. B I 3, S. 7). 5. Die Art des Fahrzeugs ist unerheblich. I n Betracht kommen vor allem Kraftfahrzeuge, aber auch Schienenfahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge, ferner Fahrräder, Pferdefuhrwerke, Pferde- und Hundeschlitten. Nicht erfaßt werden dagegen betrunkene Reiter und Soziusfahrer. Diese können wie früher nur nach § 2 StVZO bestraft werden. 6. Als Tathandlung genügt jedes Führen eines Fahrzeugs. Siehe hierzu § 315c Anm. I I I 3. 7. Über Begriffe und Ursachen der Fahruntüchtigkeit bei Trunkenheit am Steuer siehe § 315c Anm. I I I 4,5. Beruht die Fahruntüchtigkeit auf anderen geistigen oder körperlichen Mängeln, so gelten die Ausführungen unter § 315c Anm. IV entsprechend. 8. Der subj. Xb. de? Abs. 1 verlangt Vorsatz. Die Fälle der Fahrlässigkeit, die in der Praxis überwiegen, werden durch Abs. 2 erfaßt. 9. Gegenüber §§ 315a, 315c ist § 316 subsidiär.

§ 316 a [Autostraßenraub] (1) Wer zur Begehung von Raub oder räuberischer Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs unternimmt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in besonders schweren Fällen mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 15) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter aus freien Stücken seine Tätigkeit aufgibt und den Erfolg abwendet. Unterbleibt der Erfolg ohne Zutun des Täters, so genügt sein ernstliches Bemühen, den Erfolg abzuwenden. X. Die Bestimmung enthält ein r a u b ä h n l i c h e s S o n d e r d e l i k t und bringt gegenüber R a u b und räuberischer Erpressung eine wesentliche Erhöhung des Strafrahmens. 2. Täter kann jeder sein, der einen Angriff auf den Fahrer oder Beifahrer eines Kraftfahrzeugs unternimmt. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob der Angriff von außen erfolgt (z.B. durch Errichten einer Autofalle) oder ob er von einem M i t -

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Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen

§ 316b

f a h r e r ausgeht (z.B. durch Überfall auf einen Taxifahrer); auch der F a h r e r selbst, der einen seiner Mitfahrer angreift, fällt unter den Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. BGH 13, 27; 16, 322). 3. Da es sich um ein Unternehmensdelikt handelt, ist der Versuch der Vollendung gleichgestellt (vgl. §46a). Es ist also nicht erforderlich, daß der geplante Raub bzw. die geplante räuberische Erpressimg zur Ausführung kommt. Es ist sogar nicht einmal erforderlich, daß der Angriff als solcher durchgeführt wird. Der Tatbestand ist vielmehr schon dann erfüllt, wenn der Täter in der Absicht, den Fahrer unterwegs zu überfallen, vor Antritt der Fahrt die Kraftstoffleitung beschädigt. Nach BGH 6, 82 liegt ein vollendetes Delikt sogar schon dann vor, wenn der Täter in räuberischer Absicht ein Taxi besteigt (str.). 4. Angriff ist jede physische oder psychische Einwirkung auf die Verteidigungsfähigkeit des Kraftfahrers oder eines seiner Mitfahrer mit den Mitteln des Kaubs. 5. Die Tat muß unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs begangen sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter sein Opfer während der Fahrt überfällt oder wenn er es in eine abgelegene Gegend fährt, wo es hilflos seinem Einfluß ausgesetzt ist (BGH 15, 322; 18, 170). Das Fahrzeug muß aber immer im Tatplan des Täters gerade als Transportmittel eine Rolle spielen (BGH 19, 192). Hieran fehlt es z.B., wenn der Täter den Überfall nicht schon vor oder während der Fahrt plant, sondern erst bei einer zufällig eingelegten Rast (vgl. BGH a.a.O.), oder wenn der Raub zwar planmäßig an einsamer Stelle, jedoch erst nach längerem Fußmarsch, weit ab vom allgemeinen Straßenverkehr ausgeführt wird (BGH 22, 114 unter teilweiser Abweichung von BGH 18, 170, 173). Im letztgenannten Fall entfällt der Tb. selbst dann, wenn das Opfer im Kraftwagen fortgelockt wurde (BGH a.a.O.). 6. Der subjektive Tatbestand erfordert V o r s a t z sowie die A b s i c h t , einen Raub oder eine räuberische Erpressung zu begehen. Unerheblich ist, ob der Täter schon vor oder erst während der Fahrt den Entschluß faßt, die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs zur Begehung von Raub oder räuberischer Erpressung auszunutzen (BGH VRS 35 [1968], 442). 7. Nach § 316a Abs. 2 kann der Täter sich durch t ä t i g e R e u e Straflosigkeit oder Strafmilderung verschaffen, wenn er freiwillig seine Tätigkeit aufgibt und den Erfolg abwendet. Die Vorschrift wurde durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. 4. 1970 dem neuen § 15 angepaßt. Als E r f o l g gilt hierbei nur der Angriff, nicht der beabsichtigte Raub bzw. die beabsichtigte räuberische Erpressung (vgl. BGH 10, 320; Str.). Es bleibt also bei der Strafe des Abs. 1, wenn der Täter sein Opfer niedergeschlagen hat, es dann aber entgegen seiner ursprünglichen Absicht aus freien Stücken nicht beraubt. 8. Strafe: Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren (ohne die Möglichkeit der Zubilligung mildernder Umstände!), bei besonders schweren Fällen lebenslange Freiheitsstrafe; mögliche N e b e n s t r a f e n : §40 (Einziehung der Angriffswerkzeuge, gegebenenfalls auch des P K W ) ; § 31 (Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter). Als M a ß r e g e l d e r S i c h e r u n g u n d B e s s e r u n g kommt § 42m (Entzug der Fahrerlaubnis) in Betracht. 9. Konkurrenzen: Mit Raub und räuberischer Erpressung ist Idealkonkurrenz möglich (vgl. BGH 15, 322), desgleichen mit §§ 211ff., 223ff. und §239.

§ 316 b [Störung: lebenswichtiger Betriebe] (1) Wer vorsätzlich den Betrieb 1. einer Eisenbahn, der Post oder dem öffentlichen Verkehr dienender Unternehmen oder Anlagen,

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§§

Strafgesetzbuch

31V-320

2. einer der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienenden Anlage oder eines für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Unternehmens oder 3. einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage dadurch verhindert oder stört, daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört > beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. § 316b schützt die Betriebe der E i s e n b a h n , der P o s t und der öffentlichen V e r k e h r s u n t e r n e h m e n (z.B. Straßenbahnen, Autobuslinien, Schiffahrt und Luftfahrt), die V e r s o r g u n g s a n l a g e n (z.B. Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke, aber auch den Schlachthof einer Großstadt) sowie die der ö f f e n t l i c h e n O r d n u n g oder S i c h e r h e i t dienenden Einrichtungen (z.B. Feuermelder und Luftschutzsirenen). 2. Als T a t h a n d l u n g kommen nur technisch wirksame Eingriffe in Betracht. Weitergehend § 88 bei staatsgefährdender Absicht. 3. Der s u b j e k t i v e T a t b e s t a n d erfordert V o r s a t z . Bedingter Vorsatz genügt. Die Fahrlässigkeit ist hier nicht unter Strafe gestellt (siehe jedoch §§ 315 IV, V, 315b IV, V). 4. Bei staatsgefährdender Absicht siehe § 88. — Der V e r s u c h ist strafbar (Abs. 2). 5. K o n k u r r e n z e n : Tritt bei einer Störung der in Nr. 1 genannten Verkehrsbetriebe eine konkrete Gefahr ein, so ist Idealkonkurrenz mit §§ 315, 315b gegeben. Auch mit § 88 ist Idk möglich. Gegenüber §§ 303, 304 geht § 316b vor (lex specialis). Hinter § 109e tritt § 316 b als subsidiär zurück.

§ 31V

[Störung: des Fernmeldebetriebs]

(1) Wer vorsätzlich den Betrieb einer öffentlichen Zwecken dienenden Fernmeldeanlage dadurch verhindert oder gefährdet, daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis z u fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Wer die Tat fahrlässig begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Zu den geschützten F e r n m e l d e a n l a g e n gehören alle Fernsprech- und Fernschreibanlagen, Telegrafenanlagen und Funkanlagen, die dem ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e dienen. Dies ist auch bei den an das öffentliche Netz angeschlossenen Telefonanlagen in Privatbesitz der Fall, nicht dagegen bei privaten Rundfunk- und Bildfunkempfangsgeräten. 2. Als T a t h a n d l u n g kommen nur technisch wirksame Eingriffe in Betracht. Die Ausführungshandlung entspricht somit der des § 316b. Weitergehend auch hier § 88 bei staatsgefährdender Absicht. 3. Die S t r a f e entspricht der des § 316b. Im Gegensatz zu § 316b ist hier aber auch die f a h r l ä s s i g e Tatbegehung unter Strafe gestellt (Abs. 3). §§ 318—320

518

[aufgehoben]

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen

§§

321—324

§ 321 [Beschädigung: von Wasserbauten u. ä.] (1) Wer vorsätzlich Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme oder andere Wasserbauten oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre oder dem Bergwerksbetrieb dienende Vorrichtungen zur Wasserhaltung, zur Wetterführung oder zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter zerstört oder beschädigt und durch eine dieser Handlungen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit anderer herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Ist durch eine dieser Handlungen eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ein. 1. § 321 wendet sich gegen die v o r s ä t z l i c h e Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen durch Beeinträchtigung von Wasserbauten, Brücken, Fähren, Wegen, Schutzwehren und Bergwerksanlagen. Bei F a h r l ä s s i g k e i t siehe § 326. 2. Die A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g besteht in dem Beschädigen oder Zerstören mit der Folge, daß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit anderer herbeigeführt wird. 3. Abs. 2 enthält eine e r h ö h t e S t r a f d r o h u n g , falls durch die Tat eine s c h w e r e K ö r p e r v e r l e t z u n g oder der T o d eines Menschen herbeigeführt wurde. Subjektiv ist insoweit mindestens Fahrlässigkeit erforderlich (vgl. § 56). 4. Wegen Polizeiaufsicht siehe § 325, bei staatsgefährdender Absicht § 88. 5. I d K ist möglich vor allem mit §§ 88, 211ff., 303ff., 315, 315b. §§ 322, 323

[aufgehoben]

§ 3 2 4 [BrunnenTergriftungr u. »-] Wer vorsätzlich Brunnen- oder Wasserbehälter, welche zum Gebrauch anderer dienen, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe beimischt, von denen ihm bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet sind, desgleichen wer solche vergiftete oder mit gefährlichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Verschweigung dieser Eigenschaft verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis z u zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. 1. Diese Gesetzesstelle behandelt zwei G e f ä h r d u n g s d e l i k t e : die gemeingefährliche Vergiftung und das Inverkehrbringen vergifteter Sachen. 2. Der erste Tb. stellt die g e m e i n g e f ä h r l i c h e V e r g i f t u n g unter Strafe. a) B r u n n e n und W a s s e r b e h ä l t e r genießen nur dann den Schutz der Vorschrift, wenn ihr Inhalt zum menschlichen Gebrauch bestimmt ist (also nicht Viehtränken). Zu den G e g e n s t ä n d e n , die z u m ö f f e n t l i c h e n V e r k a u f o d e r Geb r a u c h b e s t i m m t sind, gehören vor allem Nahrungs- und Genußmittel sowie Medikamente, aber auch Kleider und Spielsachen. b) Die T a t h a n d l u n g besteht im Vergiften. Dem Vergiften steht gleich das Beimischen von Stoffen, welche die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet sind.

519

§§ 335—336

Strafgesetzbuch

3. Den zweiten Tatbestand des § 324 bildet das I n v e r k e h r b r i n g e n d e r v e r g i f t e t e n S a c h e n , insbesondere das Verkaufen oder Feilhalten. Hier ist Idealkonkurrenz mit den Straf bestimmungen des Lebensmittelgesetzes möglich. 4. Eine e r h ö h t e S t r a f e ist angedroht, wenn durch die Handlung der T o d e i n e s M e n s c h e n eintritt. Siehe auch hier § 56. Ist der Tod beabsichtigt, so ist Idealkonkurrenz mit Mord bzw. Totschlag möglich (vgl. Schwarz-Dreher Anm. 4). 5. Wegen Fahrlässigkeit vgl. § 326, wegen Polizeiaufsicht § 325, wegen Einziehung § 325 a, bei staatsgefährdender Absicht § 88 I 3. § 335 [Polizeiaufsicht] Neben einer wegen einer vorsätzlichen Tat nach §§ 306 bis 308, 311, 312, 313 Abs. 1, § 315 Abs. 3, § 315b Abs. 3, § 316a Abs. 1, § 321 Abs. 2 und § 324 erkannten Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Die Vorschrift wurde durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. 4. 1970 neu gefaßt. Einzelheiten und Wirkungen siehe §§ 38, 39. § 325a [Einziehung:] Ist eine Straftat nach den §§ 311, 311a oder 324 begangen worden, s o können 1. Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, und 2. Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 311a oder § 324 bezieht, eingezogen werden. 1. Durch das EGOWiG 1968 neu eingeführte Vorschrift bringt in zweifacher Hinsicht eine Erweiterung der allgemeinen Einziehungsvorschriften des § 40: a) I m Falle des § 311 (Herbeiführung einer Explosion) ist die Einziehung auch bei nur f a h r l ä s s i g e r Tatbegehung zulässig (vgl. § 325a Abs. 1 i.V. mit §311 Abs. 5); b) In den Fällen der §§311a (Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens) und § 324 (Brunnenvergiftung usw.) können auch die sog. B e z i e h u n g s g e g e n s t ä n d e eingezogen werden (z.B. im Falle des § 311a der Sprengstoff und im Falle des § 324 die vergifteten Stoffe). 2. Beachte § 40 Abs. 4, wonach § 40 Abs. 2 und 3 entsprechend anwendbar sind. Täterfremde Gegenstände können also nur unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Nr. 2 eingezogen werden. § 40 a findet keine Anwendung. § 336 [Fahrlässige Begrehungr] Ist eine der in den § § 3 2 1 und 324 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen worden, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, auf Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren zu erkennen. I m Gegensatz zur vorsätzlichen Tatbegehung gemäß §§ 321, 324 löst die fahrlässige Tatbegehung eine Strafbarkeit erst dann aus, wenn auf Grund der Handlung ein S c h a d e n eingetreten ist. Als solcher kommt nach dem Sinn der Vorschrift nur ein Personenschaden in Betracht. Da dieser ein T a t b e s t a n d s m e r k m a l ist, muß er für den Täter v o r h e r s e h b a r und v e r m e i d b a r gewesen sein.

520

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen

§§ 327—330

Eine S t r a f s c h ä r f u n g tritt ein, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist. Nach § 66 muß sich die F a h r l ä s s i g k e i t auch hierauf erstrecken.

§ 32*7 [Verletzung von Maßregrein gregren ansteckende Krankheiten] (1) Wer die Absperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ist infolge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden Krankheit ergriffen worden, so tritt Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren ein. 1. Abs. 1 enthält ein sogenanntes B l a n k e t t g e s e t z , das auch durch landesrechtliche Bestimmungen ausgefüllt werden kann. Die Vorschrift hat n u r noch g e r i n g e p r a k t i s c h e B e d e u t u n g , da die meisten einschlägigen Gesetze mit eigenen Strafdrohungen ausgestattet sind und daher vorgehen (BGH 10, 219). Zu beachten sind hierbei vor allem: a) das BundesseuchenG vom 18.7.1961 (BGBl. I 1012), zuletzt geändert am 24. 5. 1968 (BGBl. I 603, 618); b) das Gesetz zur Bekämpfung der G e s c h l e c h t s k r a n k h e i t e n vom 23. 7.1953 (BGBl. I 700), zuletzt geändert am 24. 5. 1968 (BGBl. I 503, 518); c) das F l e i s c h b e s c h a u G vom 29. 10. 1940 (RGBl. I 1463), zuletzt geändert durch Ges. vom 15. 3. 1960 (BGBl. I 186); d) das ViehseuchenG vom 26. 6. 1909 (RGBl. 519), zuletzt geändert durch Ges. v. 22. 1. 1969 (BGBl. I 77); e) das T i e r k ö r p e r b e s e i t i g u n g s G vom 1. 2. 1939 (RGBl. I 187). 2. Im Falle des Abs. 2 ist § 56 zu beachten.

g 328

[Verletzung: von Maßregeln gegen Viehseuchen]

(1) Wer die Absperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ist infolge dieser Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen worden, so tritt Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu zwei Jahren ein. Die Ausführungen zu § 327 gelten hier entsprechend. § 329

[aufgehoben]

§ 330

[Verletzung: von Regreln d e r B a u k u n s t ]

Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt, daß hieraus für andere Gefahr entsteht, wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. 1. Die Vorschrift dient dem Schutz des Publikums, aber auch der Bauarbeiter. Kommt es zu einem U n f a l l , so ist IdK. mit § 222 bzw. § 230 möglich. § 330 verlangt eine k o n k r e t e Gefahr. Die bloße Möglichkeit einer Gefahr genügt nicht. 521

8 330a

Strafgesetzbuch

2. Als T ä t e r kommen vor allem der mit der Bauleitung beauftragte A r c h i t e k t , aber auch die einzelnen B a u h a n d w e r k e r in Betracht. Selbständige Tätigkeit ist nicht erforderlich. 3. Der Begriff B a u ist im weitesten Sinn zu verstehen. Hierher gehören alle Formen des Hoch- und Tiefbaus, von der einfachen Baugrube bis zum kompliziertesten Industriewerk, ferner Reparatur- und Abbrucharbeiten. 4. Die T a t h a n d l u n g besteht darin, daß der Täter gegen a n e r k a n n t e R e g e l n der B a u k u n s t v e r s t ö ß t . In der Regel (aber nicht zwingend, RG 56, 346) genügt der Nachweis eines Verstoßes gegen baupolizeiliche Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften. Unerheblich ist, ob die Tat sich als p o s i t i v e s Tun (z.B. Verwendung schlechten Materials oder mangelhafter Geräte) oder als U n t e r l a s s e n darstellt (z.B. Nichtanbringen von Warnschildern, Absperrungen, Schutzdächern, Abstützungen). 5. Subjektiv genügt F a h r l ä s s i g k e i t (BGH 6, 131). Diese kann auch in mangelhafter Beaufsichtigung von ungeschulten Hilfskräften bestehen. 6. IdK. ist möglich mit §§ 222, 230. — Ergänzend sind zu beachten §§ 366 Nr. 10, 367 Nr. 12—15, 368 Nr. 3 und 8. 7. Die V e r j ä h r u n g beginnt mit der Handlung oder Unterlassung, aus der die Gefahr resultiert. § 3 3 0 a [Vollrausch] (1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ( § 5 1 Abs. 1) ausschließenden Bausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. (2) Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für die vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe. (3) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, wenn die begangene Handlung nur auf Antrag verfolgt wird. 1. Die durch das GewohnheitsverbrecherG vom 24. 11. 1933 eingefügte Vorschrift enthält einen A u f f a n g t a t b e s t a n d , dessen Aufgabe darin besteht, alle Fälle zu erfassen, in denen der Täter sonst wegen erwiesener oder möglicher Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen werden müßte (BGH 9, 390). Besteht die Möglichkeit, die im Rausch begangene Tat unmittelbar oder nach den Grundsätzen der sogenannten actio libera in causa (vgl. § 51 Anm. 3) zu bestrafen, so ist für eine Bestrafung gemäß § 330 a kein Raum. 2. Der objektive Tatbestand setzt voraus, daß sich der Täter durch den Genuß geistiger Getränke oder anderer berauschender Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt. Dem Gesetzeszweck entsprechend (s.o. 1) kommt die Vorschrift allerdings auch dann zur Anwendimg, wenn eine rauschbedingte Zurechnungsunfähigkeit zwar einerseits nicht erwiesen, andererseits aber auch nicht auszuschließen ist. Es genügt also, daß der Rauschzustand den sicheren Bereich des § 51 Abs. 2 überschritten hat (vgl. BGH 16, 187; 17, 334). a) Über Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit siehe § 51 Abs. 1. V e r m i n d e r t e Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t (§ 51 Abs. 2) genügt nicht. § 330a wird aber dem Gesetzeszweck entsprechend (s. o. 1) nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen läßt, ob der Täter zurechnungsunfähig oder nur vermindert zurechnungsfähig war (BGH 9, 390).

522

Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen

§

330a

b) Der Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit muß auf den Genuß geistiger Getränke oder auf andere berauschende Mittel zurückzuführen sein. Zu den g e i s t i g e n G e t r ä n k e n gehören vor allem Bier, Wein, Schnaps und andere alkoholhaltige Getränke; zu den a n d e r e n b e r a u s c h e n d e n M i t t e l n gehören z.B. Morphium, Haschisch, Marihuana und ähnliche Stoffe. Nicht erforderlich ist, daß diese Mittel die alleinige Ursache der Zurechnungsunfähigkeit sind. E s genügt, wenn die Wirkung des Alkohols durch eine besondere Empfindlichkeit oder Veranlagung des Täters oder durch den Genuß von Medikamenten erst richtig zur Geltung kommt, z.B. bei Epileptikern und Hirnverletzten, die oft schon durch wenige Glas Bier zurechnungsunfähig werden. In diesen Fällen bedarf jedoch die subjektive Tatseite einer besonders sorgfältigen Prüfung (vgl. BGH 1, 196). Dasselbe gilt, wenn die Zurechnungsfähigkeit nicht allein durch den Genuß geistiger Getränke, sondern erst durch das Hinzukommen einer von dritter Seite provozierten Erregung bewirkt worden ist (BGH N J W 67, 298) oder wenn der Täter bereits unter dem Einfluß geringer Alkoholmengen zu extremer Schlaftrunkenheit neigt (BayObLG N J W 68, 1201). Zum Ganzen siehe auch Schneider BA 65/66, 388. 3. Der s u b j e k t i v e T a t b e s t a n d erfordert Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Der Täter muß wissen oder fahrlässig nicht wissen, daß er sich in einen Rausch versetzt, der möglicherweise zu einem Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit führt (BGH 16, 187). Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich dagegen nicht auf die im Vollrausch begangene Tat beziehen. Die sog. Rauschtat ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern eine objektive B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t , die weder vom Vorsatz noch von der Fahrlässigkeit des Täters umfaßt sein muß (vgl. B G H 1, 124; 16, 187; 17, 334; 20, 285; h.L., vgl. Schönke-Schröder R n . 13, Mezger-Blei BT 253). Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip liegt hierin nicht, da in unserer von technischen Gefahren aller Art durchzogenen Zeit schon der schuldhafte Vollrausch materielles Unrecht darstellt (vgl. Lackner, Vollrausch und Schuldprinzip, J u S 68, 215, Schwarz-Dreher Anm. 2 A). Durch das Erfordernis einer Strafbarkeitsbedingung wird der Straf barkeitsbereich also nicht unzulässig ausgedehnt, sondern in sozialadäquater Weise auf die Fälle beschränkt, die sich effektiv als gefährlich erwiesen haben. I m Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung wird in einigen Entscheidungen wenigstens eine gewisse subjektive Beziehimg des Täters zur Rauschtat verlangt. Der Täter müsse zwar nicht wissen (oder fahrlässig n i c h t wissen), daß er eine Neigung zu Ausschreitungen im Rausch besitzt; es sei aber immerhin erforderlich, daß er weiß oder fahrlässig nicht weiß, daß er im Rausch möglicherweise strafbare Handlungen irgendwelcher Art begehen werde (vgl. B G H 10, 247 sowie J R 58, 28, OLG Köln N J W 66, 412, BayObLG N J W 68, 1897). Diese Ansicht ist aus den oben dargelegten Gründen dogmatisch bedenklich; sie verfehlt den Gesetzeszweck und ist auch nicht praktikabel. Außerdem f ü h r t sie in den meisten Fällen zu den gleichen Ergebnissen wie die hier im Anschluß an die h . L . dargelegte Ansicht. Die Fahrlässigkeit entfällt nämlich auch nach dieser abweichenden Ansicht nur d a n n , wenn der Täter vor dem Trinken besondere Vorkehrungen getroffen h a t , u m zu verhindern, daß es später im Rausch zu irgendwelchen Ausschreitungen strafbarer Art kommt (BGH 10, 247, 251). Hierbei werden von der Rspr. sehr strenge Anforderungen gestellt. So wurden z.B. als nicht ausreichend angesehen der Umstand, daß der Täter sich nach dem Trinken auszieht und ins B e t t legt (OLG Celle V R S 1965, 210), die Mitnahme eines Beifahrers (BayObLG N J W 68, 1897) sowie die Zusicherung von Zechgenossen, den Führer eines K f z nach Beendigung des Alkoholgenusses nach Hause fahren zu wollen (OLG Celle DAR 68, 164). 4. S t r a f b a r wird der Vollrausch erst, wenn der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. Diese sogenannte Rauschtat ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern eine o b j e k t i v e B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t , auf die sich weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit beziehen müssen (s.o. 3).

523

§ 33© a

Strafgesetzbuch

a) Die Rauschtat muß alle o b j e k t i v e n M e r k m a l e eines Straftatbestands verwirklichen. Unerheblich ist, ob es sich um ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Übertretung handelt. b) Erfordert der im Rausch verwirklichte Straftatbestand bestimmte s u b j e k t i v e M e r k m a l e , so müssen auch diese vorliegen. Dies gilt vor allem dort, wo neben dem Vorsatz noch weitere subjektive Tatbestandsmerkmale verlangt werden, z . B . die Bereicherungsabsicht beim Betrug oder die Zueignungsabsicht beim Diebstahl. Wer z . B . in volltrunkenem Zustand in einer Gastwirtschaft Speisen und Getränke bestellt, zu deren Bezahlung seine Barmittel nicht ausreichen, kann weder wegen Betrugs noch gemäß § 330 a bestraft werden, wenn er infolge seiner Trunkenheit nicht erkennt, daß er nicht mehr über ausreichende Mittel verfügt. E s fehlen in diesem Fall nicht nur Täuschungswille und Schädigungsvorsatz, sondern auch die Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern (vgl. B G H 18, 235). Anders jedoch, wenn der Täter infolge seines Rauschzustands irrig die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds annimmt, z . B . wenn er bewußt auf einen Menschen schießt, dabei aber infolge seines Rausches irrig glaubt, er befinde sich in Notwehr. Hier ist der Tatbestand des § 212 objektiv und subjektiv erfüllt. Der Irrtum über die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds ist zwar, was die Schuld betrifft, normalerweise einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum gleichzustellen (vgl. § 59 Anm. 2). Da aber § 3 3 0 a gerade die Fälle erfassen will, in denen der Alkohol usw. die Schuld ausschließt, kann ein nur die Schuld berührender Irrtum, soweit rauschbedingt, die Strafbarkeit gemäß § 330 a nicht berühren (vgl. SchönkeSchröder R n . 18). 5. Kann der berauschte Täter sich bei Begehung der Rauschtat auf einen R e c h t f e r t i g u n g s - o d e r S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d berufen, so kommt § 330 a nicht in Betracht. Der berauschte Täter darf nicht schlechter gestellt werden als ein nüchterner. 6. Das Verhältnis zur actio libera in causa. a) § 330a ist g r u n d s ä t z l i c h s u b s i d i ä r . Dies gilt aber nur dann, wenn die Bestrafung nach den Grundsätzen der a.l.i.c. die Möglichkeit bietet, die Rauschtat in ihrem objektiven und subjektiven Unrechtsgehalt voll zu erfassen. B e i s p i e l e : A brennt die Scheune des B nieder, nachdem er sich zuvor Mut angetrunken hat, um seine Hemmungen zu beseitigen. Wird später festgestellt, daß A im Zeitpunkt der Brandstiftung infolge des genossenen Alkohols zurechnungsunfähig war, so erfolgt die Bestrafung nach den Grundsätzen der a.l.i.c. wegen vorsätzlicher Brandstiftunggemäß § 308. § 330a ist subsidiär. — O d e r : A trinkt sich beim Stammtisch einen kräftigen Rausch an, obwohl er weiß, daß er noch mit seinem P K W nach Hause fahren muß und hierbei möglicherweise einen Unfall verschulden kann. Kommt es dann tatsächlich zu einem Unfall, so kann A, auch wenn er absolut zurechnungsunfähig war, nach den Grundsätzen der a.l.i.c. — je nach Sachlage—wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung bestraft werden. § 330 a ist subsidiär. b) § 330 a wird dagegen nicht verdrängt, wenn der Täter im Zustand der Volltrunkenheit m e h r e r e m i t S t r a f e b e d r o h t e H a n d l u n g e n begeht, die er nur teilweise unter dem Gesichtspunkt der a.l.i.c. zu vertreten hat, etwa wenn in den Beispielen unter a) der Brandstifter nach der Brandlegung noch einen Tatzeugen erschießt, mit dessen Auftreten er bei Planung der T a t in nüchternem Zustand nicht gerechnet hat, oder wenn der Kraftfahrer nach dem Unfall flieht und bei seiner späteren Festnahme auch noch Widerstand leistet. I n diesen Fällen tritt § 330a i d e a l k o n k u r r i e r e n d neben die unter dem Gesichtspunkt der a.l.i.c. verwirklichten Tatbestände (BGH 17, 333). c) Ebenso ist zu entscheiden, wenn die a.l.i.c. zwar den objektiven, nicht aber den subjektiven Unrechtsgehalt der Rauschtat erfassen kann. B e i s p i e l : A ver-

524

Gemeingefährliche Verbrechen u n d Vergehen

§ § 330b, 330c

s e t z t sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden R a u s c h z u s t a n d , o h n e z u b e d e n k e n , d a ß der m i t i h m verfeindete B anwesend ist, d e n er schon einmal in a n g e t r u n k e n e m Z u s t a n d niedergeschlagen h a t . K o m m t es d a n n tatsächlich e r n e u t zu einer t ä t l i c h e n Auseinandersetzung zwischen A u n d B , in deren Verlauf A d e n B verletzt, so f ü h r t die a.l.i.c. n u r zu einer S t r a f b a r k e i t wegen f a h r l ä s s i g e r K ö r p e r v e r l e t z u n g (vgl. § 51 A n m . 3 b ) . D e r s u b j e k t i v e U n r e c h t s g e h a l t d e r R a u s c h t a t k a n n also n i c h t voll e r f a ß t w e r d e n . H i e r a u s f o l g t : § 330a i s t n i c h t subsidiär, sondern t r i t t in I d K . n e b e n § 230 (vgl. B G H 2, 15, b e s t ä t i g t in B G H 17, 333, 336; h.L.). 7. Täterschaft u n d Teilnahme. Die S t r a f d r o h u n g des § 3 3 0 a r i c h t e t sich n u r gegen den, der sich d u r c h seine U n m ä ß i g k e i t i n einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden R a u s c h z u s t a n d versetzt. Die Vorschrift e n t h ä l t somit ein e i g e n h ä n d i g e s D e l i k t , d a s n i c h t i n m i t t e l b a r e r T ä t e r s c h a f t begangen w e r d e n k a n n (vgl. V o r b e m . A T , Abschn. B I 6, S. 8). A n s t i f t u n g u n d Beihilfe sind dagegen n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n s t r a f b a r (vgl. B G H 10, 248, Maurach B T 488, a . A . Schönke-Schröder R n . 25). B e i s p i e l : Gastwirt W gibt seinem Gast G jede gewünschte Menge Alkohol, obwohl e r e r k e n n t , d a ß G sich offensichtlich sinnlos betrinken will. E r u n t e r n i m m t a u c h nichts, als G schließlich v o l l t r u n k e n m i t seinem Moped die H e i m f a h r t a n t r i t t . Verschuldet G d a n n einen tödlichen Unfall, so h a t W sich der Beihilfe zur Volltrunkenheit (§§ 330a, 49), a u ß e r d e m der fahrlässigen T ö t u n g (§ 222) schuldig g e m a c h t (vgl. B G H 4, 20; 19, 152). Die Beihilfe zu § 330a ist hier allerdings — wie a u c h bei G selbst — gegenüber d e m Vergehen g e m ä ß § 222 subsidiär (s. o. 6 a). K e i n e s t r a f b a r e A n s t i f t u n g oder Beihilfe i s t dagegen möglich, w e n n der T ä t e r sich n u r fahrlässig b e t r i n k t . Auch Teilnahme a n der R a u s c h t a t k o m m t n u r in B e t r a c h t , wenn diese vorsätzlich begangen w i r d ; insoweit gelten die allgemeinen Regeln ü b e r Teilnahme a n schuldlosem H a n d e l n u n d ü b e r mittelbare Täterschaft. 8. Die Strafe darf g e m ä ß Abs. 2 n i c h t schwerer sein als die f ü r die vorsätzliche B e g e h u n g d e r R a u s c h t a t a n g e d r o h t e S t r a f e . W e n n z . B . j e m a n d im Vollrausch groben U n f u g (§ 360 N r . 11) begeht, so b e t r ä g t die H ö c h s t s t r a f e 6 W o c h e n Freiheitsstrafe. T r o t z d e m ist die T a t keine Ü b e r t r e t u n g , sondern ein Vergehen (wichtig f ü r Beihilfe, V e r j ä h r u n g u n d Strafregister, vgl. § 1 A n m . 1). 9. I s t die R a u s c h t a t n u r auf A n t r a g verfolgbar, so gilt dies a u c h f ü r § 3 3 0 a (vgl. Abs. 3). 10. Als M a ß r e g e l n 4 2 m in B e t r a c h t . § 330b

der Sicherung u n d Besserung k o m m e n v o r allem §§ 4 2 c ,

[Abgrabe von Bauschmitteln a n Untergebrachte]

W e r w i s s e n t l i c h einer Person, die i n einer Trinkerheilanstalt oder einer E n t z i e h u n g s a n s t a l t untergebracht ist, o h n e Erlaubnis des Leiters der A n s t a l t geistige Getränke oder andere berauschende Mittel verschafft, wird m i t Freiheitsstrafe bis z u drei M o n a t e n oder m i t Geldstrafe bestraft. Die V o r s c h r i f t s c h ü t z t d e n Zweck einer a m t l i c h a n g e o r d n e t e n b r i n g u n g in einer Trinkerheil- oder E n t z i e h u n g s a n s t a l t .

Unter-

§ 3 3 0 c [Unterlassene Hilfeleistung:] W e r bei U n g l ü c k s f ä l l e n oder g e m e i n e r Gefahr oder Not n i c h t H i l f e leistet, o b w o h l dies erforderlich u n d i h m d e n U m s t ä n d e n n a c h z u z u m u t e n , insbesondere o h n e erhebliche e i g e n e Gefahr u n d o h n e Verletzung anderer w i c h t i g e r P f l i c h t e n

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§330c

Strafgesetzbuch

möglich ist, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Die Vorschrift enthält ein echtes Unterlassungsdelikt, d.h. die pflichtwidrige Untätigkeit wird ohne Rücksicht darauf bestraft, welche Folgen aus ihr erwachsen. Unerheblich ist auch, ob eine besondere Rechtspflicht zum Handeln besteht. § 330 c fordert Hilfe von jedem, der dazu in der Lage ist. 2. § 330c setzt zunächst einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr oder Not voraus. a) Ein Unglücksfall ist jedes plötzliche Ereignis, das erheblichen Personen- oder Sachschaden verursacht h a t oder unmittelbar befürchten läßt (BGH 6, 152). Hierher gehören vor allem Verkehrsunfälle mit erheblichem Personenschaden, aber auch Straftaten (insbesondere Gewaltverbrechen), ferner eine plötzliche Erkrankung oder die akute Verschlimmerung eines Leidens. Die Ursache des Unglücksfalls ist unerheblich. § 330 c wird insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Betroffene sich selbst vorsätzlich in eine Gefahrenlage gebracht hat. Ein Unglücksfall ist daher auch die durch einen S e l b s t m o r d v e r s u c h herbeigeführte Gefahrenlage (BGH 6, 147; 13, 162). Die Voraussetzungen zum Eingreifen sind in diesem Fall nicht erst dann gegeben, wenn der Lebensmüde schon H a n d an sich gelegt h a t ; ein Unglücksfall liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Selbstmord unmittelbar bevorsteht (BGH 13, 169). Zum Ganzen siehe auch Vorbem. V vor §211. b) Eine gemeine Gefahr oder Not liegt vor, wenn eine unbestimmte Vielzahl von Personen durch ein Schadensereignis größeren Umfangs bedroht wird oder schon betroffen ist, z.B. bei Naturkatastrophen, Brand und Überschwemmung. 3. Die Erforderlichkeit der Hilfe richtet sich nach objektiven Maßstäben. Sie entfällt grundsätzlich nur dann, wenn bereits andere Hilfskräfte ausreichend zur Verfügung stehen oder wenn nichts mehr zu helfen ist, z.B. wenn der Verunglückte bereits tot und weiterer Schaden (etwa f ü r andere Verkehrsteilnehmer, vgl. BGH 1, 266) nicht zu befürchten ist. § 330c wird jedoch nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß der Tod eines noch lebenden Menschen nicht mehr abgewendet werden kann (BGH J R 56, 347; N J W 61, 1981; BGH 17, 166). 4. Die tatbestandsmäßige Handlung besteht darin, daß der Täter die e r f o r d e r l i c h e u n d m ö g l i c h e H i l f e n i c h t l e i s t e t . Wer ein ins Wasser gefallenes Kind nicht rettet, weil er nicht schwimmen kann, handelt nicht tatbestandsmäßig. F ü r den s u b j e k t i v e n T a t b e s t a n d ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß wissen, daß ein Unglücksfall vorliegt, daß Hilfe erforderlich ist und daß er selbst in der Lage ist, diese zu leisten. Glaubt der Täter irrig, seine Hilfe sei wegen der Anwesenheit anderer Personen nicht erforderlich, so liegt ein vorsatzausschließender Tb.I r r t u m vor (BayObLG MDR 57, 116). Siehe auch unten Anm. 7. 5. Die Rechtswidrigkeit entfällt vor allem dann, wenn der Täter a n d e r e w i c h t i g e P f l i c h t e n zu erfüllen hat, z.B. wenn ein Arzt gerade auf dem Weg zu einem anderen Patienten ist, der seiner Hilfe dringend bedarf. Weist der Verletzte oder Gefährdete die angebotene Hilfe, obwohl erforderlich, zurück, so entfällt die Rechtswidrigkeit nur dann, wenn der Verzicht auf Hilfe rechtlich relevant ist, also nicht bei akuter Lebensgefahr (vgl. Maurach J R 56, 349). 6. Unterläßt der Täter die erforderliche Hilfeleistung, weil er eine e r h e b l i c h e G e f a h r f ü r s i c h s e l b s t befürchtet, so kann hierdurch die Schuld entfallen. Dies jedoch nur, wenn ihm bei Würdigung aller Umstände rechtmäßiges Verhalten n i c h t z u m u t b a r ist. J e größer die Gefährdung des Verunglückten ist und je näher der Hilfspflichtige dem Unglücksgeschehen steht, desto mehr kann man von ihm verlangen, daß er seine eigenen Belange zurückstellt und selbst körperliche oder andere Gefahren in Kauf nimmt. Daher befreit auch die Gefahr einer Strafver-

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§ 330c

folgung nicht ohne weiteres von der Pflicht zur Hilfeleistung (BGH 11, 353). Wird eine Bluttransfusion erforderlich, um das Leben eines Kindes zu erhalten, so ist es dem gesetzlichen Vertreter des Kindes auch dann zumutbar, seine Zustimmung zur Durchführung des Eingriffes zu erteilen, wenn er als „Zeuge Jehovas" Bluttransfusionen aus Gewissensgründen ablehnt (OLG H a m m N J W 68, 212 m. Anm. Kreuzer N J W 68, 1201). 7. Ein Irrtum über die Zumutbarkeit läßt ebenso wie der I r r t u m über die eigentliche Hilfspflicht nicht den Vorsatz, sondern nur das Unrechtsbewußtsein entfallen und ist dementsprechend als V e r b o t s i r r t u m zu behandeln (vgl. BayObLG M D E 57, 116). V o r s a t z a u s s c h l i e ß e n d ist nur der I r r t u m über das Vorliegen eines Unglücksfalls, über die Erforderlichkeit und Möglichkeit der Hilfe (s.o. 4) sowie über die tatsächlichen Grundlagen der Zumutbarkeit. 8. Vollendet ist das Delikt, sobald die erforderliche, mögliche und zumutbare Hilfe nicht geleistet ist. § 330c verlangt s o f o r t i g e H i l f e . Wer z.B. die Unfallstelle zunächst verläßt und sich erst später zur Hilfeleistung entschließt, h a t den Tb. des § 330 c bereits erfüllt, so daß die tätige Reue sich nur noch im Strafmaß auswirken kann (vgl. B G H 14, 213). Strafbar macht sich daher auch ein Arzt, der bei einer sich als Unglücksfall darstellenden schweren Erkrankung nicht sofort den erbetenen Krankenbesuch macht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre (BGH 17, 166). Dasselbe gilt, wenn ein Krankenhausarzt, z.B. ein Chirurg, der in seiner Wohnung fernmündlich davon verständigt wird, daß ein Patient mit einem Knochenbruch eingeliefert worden ist, sich darauf beschränkt, sein Personal fernmündlich anzuweisen, den Patienten ruhig zu legen und ihm eine schmerzstillende Spritze zu geben (BGH 21, 50). 9. Konkurrenzen: a) Ist der Unglücksfall durch eine S t r a f t a t herbeigeführt worden, so kann derjenige, der in strafbarer Weise an dieser Straftat mitgewirkt hat, nicht auch noch wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden; § 330 c ist in diesem Fall subsidiär (BGH 3, 68). Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Opfer aus der T a t ein weitergehender Schaden droht, den der Täter ursprünglich nicht gewollt h a t , z.B. wenn bei einer Körperverletzung die Gefahr des Todes besteht (BGH 14, 282). I n diesem Fall kann die unterlassene Hilfeleistung realkonkurrierend neben die Körperverletzung treten, sofern sie sich nicht zugleich als ein durch pflichtwidriges Unterlassen begangenes Tötungsdelikt darstellt (siehe den folgenden Abschnitt b). b) Auch gegenüber den u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n ist § 330c grundsätzlich subsidiär (BGH 14, 282, h.L.). Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß die spezielle Erfolgsabwendungspflicht der unechten Unterlassungsdelikte die allgemeine Hilfspflicht des § 330 c einschließt (vgl. Schönke-Schröder R n . 34). c) I d K . ist vor allem mit § 142 möglich, ferner mit § 315b Abs. 1 Nr. 2 und mit § 315c Abs. 1 Nr. 2g.

Achtundzwanzigster Abschnitt: Verbrechen und Vergehen im Amt (§§ 331—359) Vorbemerkungen 1. Die strafrechtliche Begriffsbestimmung des B e a m t e n deckt sich nicht mit dem Beamtenbegriff im staatsrechtlichen Sinn. Siehe hierzu ausführlich § 359. 2. Der 28. Abschnitt enthält n i c h t a l l e D e l i k t e , bei denen erst die Amtseigenschaft die Strafbarkeit begründet. I n diesem Zusammenhang ist vor allem auf § 174 Nr. 2 und § 266 hinzuweisen. Andererseits enthält der Abschnitt auch

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§ 3 3 1

Strafgesetzbuch

strafbare Handlungen, die eine A m t s e i g e n s c h a f t n i c h t v o r a u s s e t z e n (vgl. §§ 333, 334 I I , 353b I I , 353c, 356). 3. Ein A m t s d e l i k t liegt nur dann vor, wenn der Täter im Z e i t p u n k t d e r T a t das Amt bekleidet hat. Scheidet er nach der T a t aus dem Dienst aus, so bleibt die Strafbarkeit hiervon unberührt. Umgekehrt wird die Strafbarkeit nicht dadurch begründet, daß der Täter nach seinem Ausscheiden eine T a t begeht, die mit seinem früheren Amt in innerem Zusammenhang steht (siehe jedoch § 353 d II). 4. Als e c h t e A m t s d e l i k t e werden diejenigen bezeichnet, in denen die Amtseigenschaft straf begründend ist, die also nur von einem Amtsträger begangen werden können. Hierher gehören vor allem die Fälle der Bestechlichkeit (§§ 331, 332, 334 I), ferner die Tatbestände der §§ 336, 344, 346, 348 I, 352ff. Demgegenüber wirkt sich bei den sog. u n e c h t e n A m t s d e l i k t e n die Beamteneigenschaft nicht strafbegründend, sondern strafschärfend aus, so daß T e i l n e h m e r gemäß § 50 Abs. 3 nicht aus dem Amtsdelikt, sondern aus dem allgemeinen Grundtatbestand zu bestrafen sind. Hierher gehören z.B. die §§ 340—343, 345, 347, 348 I I , 350f., 3 5 3 d l . Die Strafbarkeit der Teilnahme an einem echten Amtsdelikt richtet sich nach dem neuen § 50 Abs. 2 (Strafmilderung nach Versuchsgrundsätzen). 5. Ein I r r t u m ü b e r d i e A m t s e i g e n s c h a f t läßt gemäß § 59 den Vorsatz entfallen. Umgekehrt begründet die irrige Annahme der tatsächlichen Elemente einer objektiv nicht gegebenen Beamteneigenschaft strafbaren V e r s u c h . Siehe hierzu ausführlich § 43 Anm. I I I 2 b. 6. Wegen N e b e n s t r a f e n siehe §§ 335, 358. § 3 3 1 [Einfache passive Bestechung:] Ein Beamter, welcher für eine in sein A m t einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vorteile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft. 1. Anliegen dieser Vorschrift ist es, die U n k ä u f l i c h k e i t einer Amtshandlung zu sichern. Demgegenüber geht es in § 332 darum, pflichtwidrige Amtshandlungen zu verhindern. § 332 ist also nicht nur ein erschwerter Fall des § 331, so daß Fortsetzungszusammenhang zwischen beiden Bestimmungen nicht möglich ist (BGH 12, 146). 2. Amtshandlung (— in das Amt einschlagende Handlung) ist jede Handlung, die ihrer N a t u r nach zu dem Amt oder Dienst des Beamten in einer inneren Beziehimg steht und nicht völlig außerhalb seines Aufgabenbereichs fällt (BGH 3, 145). Die Handlung muß nicht zum ordentlichen und regelmäßigen Aufgabenkreis des Beamten gehören. Unerheblich i3t auch, ob die Handlung im Einzelfall durch eine Amtspflicht geboten ist oder ob der Beamte nach freiem Belieben darüber befinden kann, ob er dienstlich tätig werden will (BGH a.a.O.). I m Gegensatz zu den Amtshandlungen stehen p r i v a t e H a n d l u n g e n eines Beamten. Eine Privathandlung, die ein Beamter n e b e n b e r u f l i c h vornimmt, die aber auch jede andere sachkundige Person vornehmen könnte, wird nicht schon dadurch zu einer Amtshandlung, daß sie dem Beamten dienstrechtlich verboten ist oder gegen Entgelt ausgeführt wird. B e i s p i e l e : Ein Lehrer gibt einem Schüler seiner Klasse verbotswidrig gegen Entgelt Nachhilfestunden. — O d e r : Ein Polizeibeamter erteilt seinen Nachbarn gegen Entgelt Rechtsauskünfte; hier kommt nicht Bestechung, wohl aber ein Verstoß gegen §§ 1, 8 des Ges. zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13. 12. 1935 (RGBl. I 1478) i . d . F . vom 28.4. 1961 (BGBl. I 481) in Betracht. — O d e r : Ein Bahnbeamter besorgt einem gehbehinderten Reisenden gegen ein Trinkgeld auf dem Bahnsteig

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§

331

Erfrischungen und Lesestoff. — O d e r : Ein Beamter einer Ortsplanungsstelle fertigt in seiner Freizeit nebenberuflich gegen entsprechende Vergütung Bebauungsund Lagepläne an (BGH 18, 59). — G e g e n b e i s p i e l e , in denen das Vorliegen einer Amtshandlung bejaht werden muß: Ein Polizeibeamter fertigt gegen Entgelt Aktenauszüge an. — O d e r : Ein Bahnbeamter reserviert Plätze in einem stark besetzten Zug. — O d e r : Ein Postbeamter läßt sich gegen Belohnung dazu bestimmen, seinen täglichen Rundgang so zu ändern, daß bestimmte Familien früher ihre Post bekommen. 3. Die Bestechungshandlung besteht darin, daß der Beamte einen V o r t e i l a n n i m m t , f o r d e r t oder sich v e r s p r e c h e n l ä ß t . Bei den beiden letzten Alternativen ist nicht erforderlich, daß der Vorteil auch gewährt wird. Der Tb. ist auch dann erfüllt, wenn der Beamte ein Geschenk verlangt, aber nicht bekommt. Als V o r t e i l e kommen nicht nur Vermögensvorteile in Betracht. B e i s p i e l : Ein Gefängnisaufseher verspricht einer Dirne Hafterleichterung, falls sie bereit ist, sich ihm geschlechtlich preiszugeben. Nicht erforderlich ist, daß die Amtshandlung noch bevorsteht. E s genügt, daß der Beamte für eine s c h o n v o l l z o g e n e H a n d l u n g einen Vorteil annimmt, fordert oder sich versprechen läßt. 4. Zwischen Amtshandlung und Vorteil muß erkennbar ein innerer Zusammenhang bestehen. Nur dann wird der Vorteil „ f ü r " eine Amtshandlung angenommen, gefordert usw. Über die in Frage kommende Amtshandlung braucht unter den Beteiligten keine genaue Vorstellung zu bestehen, jedoch genügt es nicht, wenn sich der Vorteilgeber mit dem Geschenk nur ganz allgemein das Wohlwollen und die Geneigtheit des Beamten sichern will (BGH 15, 217). Es ist weiter zu beachten, daß n i c h t j e d e r a u s A n l a ß o d e r b e i G e l e g e n h e i t einer Amtshandlung gewährte Vorteil f ü r eine Amtshandlung gegeben sein muß (BGH 15, 251 f.). E r kann vielmehr häufig seinen Grund in den Regeln des sozialen Verkehrs und der Höflichkeit haben, denen sich auch ein Beamter schwer entziehen kann, wenn er nicht gegen gesellschaftliche Formen verstoßen und damit u.U. sogar das Ansehen der Behörde schädigen will. Insbesondere kleine „Aufmerksamkeiten" können nicht ohne weiteres als Bestechung angesehen werden. Wenn z . B . ein Beamter einer amtlichen Beschaffungsstelle sich auf einer Dienstreise zum Mittagessen einladen oder mit dem Wagen abholen läßt, so ist dies nicht schon deshalb eine Bestechung (BGH a.a.O.). Dasselbe gilt, wenn sich ein Polizeibeamter anläßlich einer Vernehmimg eine Zigarette oder eine Tasse Kaffee anbieten läßt oder wenn ein Briefträger sich an Weihnachten ein kleines Trinkgeld geben läßt. Auch die an Weihnachten üblichen Werbegeschenke wie Kalender, Kugelschreiber und Feuerzeuge, die von manchen Firmen routinemäßig an alle Geschäftsfreunde verschickt werden, gehören nicht hierher, soweit sie von geringem Wert sind. 5. Über die Frage, wann eine Handlung pflichtwidrig ist, siehe § 332 Anm. 1. 6. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß wissen, daß der Vorteil für eine bestimmte Amtshandlung bestimmt ist bzw. mit dieser in einem nicht nur äußeren, sondern inneren Zusammenhang steht. Erkennt der Täter die Bestechungsabsicht des Vorteilgebers erst später, nach Erhalt des Vorteils, so macht er sich dadurch strafbar, daß er diesen behält (BGH 15, 88, 102). Die Erfüllung des Tatbestands wird in diesem Fall zeitlich nur hinausgeschoben. § 331 ist dagegen abzulehnen, wenn im Zeitpunkt des Erkennens der Bestechungsabsicht der Vorteil gar nicht mehr vorhanden ist. — Nimmt ein Beamter aus tatsächlichen Gründen irrtümlich an, das ihm für eine Amtshandlung angebotene Weihnachtsgeschenk liege noch im Rahmen der üblichen, somit zulässigen Zuwendungen (s.o. 4), so befindet er sich in einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum (OLG Neustadt M D R 63, 699 betr. Annahme eines Tischfeuerzeugs). 34 Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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§ 332

Strafgesetzbuch

7. Die Strafbarkeit der Teilnehmer ist nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 48, 49) zu beurteilen. Der V o r t e i l g e b e r macht sich jedoch immer nur unter den Voraussetzungen des § 333 strafbar. 8. Wegen der K o n k u r r e n z e n siehe § 332 Anm. 5, wegen N e b e n s t r a f e n §§ 335, 358. — E r g ä n z e n d zu beachten sind § 2 BestechVO sowie § 12 UWG.

§ 332 [Schwere passive Bestechung:] ( 1 ) Ein Beamter, welcher für eine Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält, Geschenke oder andere Vorteile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird wegen Bestechung mit Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu fünf Jahren bestraft. ( 2 ) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Freiheitsstrafe bis zu fün Jahren ein. X. Die schwere passive Bestechung des § 332 unterscheidet sieh von § 331 dadurch, daß die fragliche Amtshandlung pflichtwidrig ist, wobei die U n t e r l a s s u n g einer pflichtmäßig gebotenen Handlung der Vornahme einer pflichtwidrigen Handlung gleichsteht, z.B. wenn ein Polizeibeamter trotz seiner Überzeugung, daß eine strafbare Handlung vorliegt, nicht einschreitet. S o n d e r f ä l l e : a) Die V e r l e t z u n g d e r P f l i c h t z u r A m t s v e r s c h w i e g e n h e i t ist eine in das Amt einschlagende, pflichtwidrige Handlung (BGH 4, 293 betr. einen Gefängnisbeamten, der heimlich in der Strafanstalt fotografische Aufnahmen gemacht und diese zusammen mit den dazu gehörenden mündlichen Erläuterungen für 800 DM an eine Illustrierte verkauft hatte. Das Vorliegen einer Privathandlung, vgl. § 331 Anm. 2, wurde ausdrücklich abgelehnt.). b) Liegt die Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung im p f l i c h t g e m ä ß e n E r m e s s e n des Beamten, so ist ein Fall des § 332 nur dann gegeben, wenn der Beamte sich — ausdrücklich oder stillschweigend — bereit zeigt, bei seiner künftigen Ermessensentscheidung nicht ausschließlich sachliche Gesichtspunkte walten zu lassen, sondern die ihm gewährten Vorteile zu berücksichtigen (BGH 15, 239). B e i s p i e l e : Ein Polizeibeamter ist sich bei Aufnahme eines Unfalls noch unschlüssig, ob er eine Blutentnahme veranlassen soll oder nicht. Als der Unfallbeteiligte ihm einen Geldschein zusteckt, verzichtet er stillschweigend auf eine Blutprobe. — O d e r : A und B bewerben sich beim Wohnungsamt um die gleiche Wohnung. Beide haben hinsichtlich der Dringlichkeit ihres Wohnungsbedarfs die gleiche Bewertungsziffer. Nachdem A dem zuständigen Beamten des Wohnungsamts als „kleine Aufmerksamkeit" eine Flasche Kognak zukommen läßt, entschließt dieser sich zugunsten des A. Nicht erforderlich ist, daß der Beamte sich durch das Geschenk bzw. den Vorteil tatsächlich beeinflussen läßt. E s genügt, daß er sich i m H i n b l i c k a u f d i e z u k ü n f t i g e o d e r z u r ü c k l i e g e n d e A m t s h a n d l u n g k ä u f l i c h z e i g t . Beispiel : Der Beamte A weist dem Wohnungssuchenden B pflichtgemäß eine Wohnung zu. Anschließend bringt er dem B gegenüber zum Ausdruck, B habe an sich keinen Anspruch auf die Wohnung gehabt und könne ihm (A) dafür jetzt auch einmal „einen Stein in den Garten werfen". Macht B dem A daraufhin eine Zuwendung, so hat A sich gemäß § 332 strafbar gemacht. Entscheidend ist auch hier die sog. Unrechtsvereinbarung, d.h. die Vereinbarung, daß der Vorteil für eine pflichtwidrige Amtshandlung bestimmt ist (vgl. BGH 15, 97). B geht dagegen straflos aus, da § 333 sich im Gegensatz zu § 332 nur auf zukünftige Amtshandlungen bezieht. c) Die b e v o r z u g t s c h n e l l e E r l e d i g u n g eines Dienstgeschäfts ist nur dann pflichtwidrig, wenn hierdurch ein Nachteil für andere Personen entsteht. Dies ist z . B . nicht der Fall, wenn der Beamte das bevorzugte Geschäft in seiner Freizeit erledigt (BGH 15, 350; 16, 37). Hier kommt nur § 331 in Betracht, es sei denn, der

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§ 333

Beamte läßt durchblicken, daß nunmehr andere Personen benachteiligt werden. In diesem Fall würde wieder eine sog. Unrechtsvereinbarung vorliegen (vgl. B G H 15, 97). d) Die Erledigung eines Dienstgeschäfts, das nach der behördlichen Geschäftsverteilung zur Z u s t ä n d i g k e i t e i n e s a n d e r e n B e a m t e n gehört, ist nur dann eine Pflichtverletzimg i. S. von § 332, wenn eine gegenseitige Aushilfe oder die Übernahme von Arbeiten für einen anderen ausdrücklich verboten oder nur mit besonderer Genehmigung erlaubt ist (BGH 16, 37, 40). 2. Die Bestechungshandlung entspricht der des § 331. Siehe dort Anm. 3. 3. Der subjektiv erforderliche Vorsatz muß sich zunächst wie bei § 331 (siehe dort Anm. 6) auf den inneren Zusammenhang zwischen Amtshandlung und Vorteil erstrecken. Außerdom muß der Täter wissen, daß die fragliche Amtshandlung pflichtwidrig i . S . von § 332 ist (s.o. 1). Der Vorsatz muß auch auf das Zustandekommen der bereits mehrfach erwähnten U n r e c h t s v e r e i n b a r u n g gerichtet sein. Nicht erforderlich ist, daß diese tatsächlich zustande kommt. § 332 kommt daher auch dann in Betracht, wenn der Vorteilgeber die Pflichtwidrigkeit der Amtshandlung nicht erkennt (BGH 15, 355). Nicht erforderlich ist ferner der Wille des Beamten, die pflichtwidrige Handlung, sofern diese noch aussteht, überhaupt oder in pflichtwidriger Weise vorzunehmen (BGH 15, 353). Glaubt der Beamte, seine pflichtwidrige, z . B . durch bestechungsbestimmten Ermessensmißbrauch fehlerhafte Handlung falle nur deshalb nicht unter § 332, weil die Amtshandlung sachlich gerechtfertigt sei, so hat er das in § 332 enthaltene Verbot zu eng ausgelegt. E r befindet sich also nicht in einem ¡vorsatzausschließenden Tatbestands-, sondern in einem V e r b o t s i r r t u m (BGH 15, 356f.). 4. Wegen Teilnahme siehe § 331 Anm. 7. 5. Konkurrenzen: I d K . ist möglich mit §§ 253, 263. I s t die pflichtwidrige Amtshandlung zugleich strafbar, so steht sie, wenn sie tatsächlich vorgenommen wird, mit § 332 in Realkonkurrenz. E r g ä n z e n d zu beachten ist § 3 BestechVO. — Wegen N e b e n s t r a f e n siehe §§ 335, 358.

g 333

[Aktive Bestechung:]

Wer einem Beamten oder einem Mitglied der bewaffneten Macht Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, um ihn zu einer Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält, zu bestimmen, wird wegen Bestechung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Die durch das 1. S t r R G mit Wirkung vom 1. 4. 1970 in ihren Strafbestimmungen vereinfachte Vorschrift ist das Gegenstück zur schweren passiven Bestechung gemäß § 332. I m Gegensatz zu § 332 bezieht sich § 333 jedoch nur auf z u k ü n f t i g e Amtshandlungen, nicht auch auf bereits zurückliegende. Wegen A m t s h a n d l u n g siehe § 331 Anm. 2, wegen V e r l e t z u n g d e r A m t s o d e r D i e n s t p f l i c h t § 332 Anm. 1. 2. Die Bestechungshandlung besteht darin, daß der Täter dem Beamten ein G e s c h e n k oder sonstigen V o r t e i l (nicht notwendig Vermögensvorteil) a n b i e t e t , v e r s p r i c h t oder g e w ä h r t . Nicht ausreichend ist das Versprechen, den Beamten an der Beute zu beteiligen, die durch das pflichtwidrige Handeln des Beamten erst erzielt werden soll (BGH 1, 182). 3. Der subjektive Tatbestand erfordert neben dem Vorsatz die Absicht, den B e amten zu einer pflichtwidrigen Amtshandlung zu bestimmen. Zum V o r s a t z gehört das Bewußtsein, daß zwischen Amtshandlung und Vorteil ein innerer Zusammen34*

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hang besteht und daß die angesonnene Amtshandlung für den Beamten eine Verletzung seiner Amts- und Dienstpflicht darstellt. Bei Ermessensentscheidungen genügt entsprechend den Ausführungen zu § 332 (siehe dort Anm. l b ) das Bewußtsein, daß der Vorteil die Entscheidung beeinflußt (BGH 15, 357). 4. Zur Vollendung ist —- ebenso wie in § 332 — nicht erforderlich, daß der Beamte die ihm angesonnene Amtshandlung überhaupt oder in pflichtwidriger Weise vornimmt. Es genügt, wenn der Täter durch eine der im Tatbestand beschriebenen Handlungen nach außen erkennbar zum Ausdruck bringt, daß er auf eine Unrechtsvereinbarung hinzielt. 5. Konkurrenzen: Stellt die dem Beamten angesonnene pflichtwidrige Amtshandlung zugleich eine strafbare Handlung dar, so steht § 333 mit der Anstiftung zu dieser strafbaren Handlung in Idealkonkurrenz. Weist der Beamte das Ansinnen zurück, so liegt bei Verbrechen neben § 333 in IdK. versuchte Anstiftung (§ 49 a) vor. Außerdem kann Beleidigung vorliegen. — E r g ä n z e n d sind § 12 I UWG und § 4 BestechVO zu beachten. 6. Abschließendes Beispiel: Die wegen Gewerbsunzucht vorläufig festgenommene Dirne D verspricht dem Polizeibeamten P die kostenlose Gewährung des Geschlechtsverkehrs, falls er sie pflichtwidrig wieder laufen lasse. Läßt P sich auf das Angebot ein, so macht er sich zunächst der schweren passiven Bestechung (§ 332), außerdem der Begünstigung im Amt (§ 346), eines Verbrechens gemäß § 347 (Entweichenlassen von Gefangenen) und schließlich noch der Unzucht mit Abhängigen (§ 174 Nr. 2) schuldig. Die Verbrechen gemäß §§ 346, 347 stehen untereinander in IdK. (§ 73) und zu den beiden anderen Verbrechen (§§ 332, 174 Nr. 2) in R K (§ 74). Die D selbst hat sich wegen aktiver Bestechung (§ 333) in IdK. mit Anstiftung zu den Verbrechen gemäß §§ 346, 347 (§ 50 Abs. 3, 121) zu verantworten. Anstiftung zu § 174 Nr. 2 entfällt dagegen (sog. notwendige Teilnahme, vgl. Vorbem. AT, Abschn. H VI, 2, 3, S. 60f.). Weist P das Ansinnen der D entrüstet zurück, so bleibt deren Strafbarkeit gemäß § 333 unberührt, da § 333 nicht voraussetzt, daß es zu der pflichtwidrigen Handlung kommt. Außerdem hat sich die D tateinheitlich einer versuchten Anstiftung (§ 49 a Abs. 1) zu den Verbrechen gemäß §§ 346, 347 sowie wegen Beleidigung strafbar gemacht. [Richterbestechnngr] § 334 (1) Ein Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter, welcher Geschenke oder andere Vorteile fordert, annimmt oder sich versprechen läßt, u m eine Rechtssache, deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt, zugunsten oder zum Nachteil eines Beteiligten zu leiten oder zu entscheiden, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) Derjenige, welcher einem Berufsrichter oder ehrenamtlichen Richter z u dem vorbezeichneten Zweck Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ein. 1. Die Vorschrift enthält einen S o n d e r f a l l d e r B e s t e c h u n g für den Bereich der R e c h t s p f l e g e , wobei Abs. 1 der in den §§ 331, 332 und Abs. 2 der in § 333 getroffenen Regelung entspricht. Auf die dortigen Ausführungen kann daher verwiesen werden, soweit sich aus den folgenden Erläuterungen nichts Besonderes ergibt. 2. Der Täterkreis des Abs. 1 ist durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. 4. 1970 neu gefaßt worden. E r umfaßt jetzt auch die früher nicht ausdrücklich erwähnten ehrenamtlichen Richter, z.B. die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter und die Bei-

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§ 335

sitzer der Sozialgerichte. Erfaßt werden ferner — wie schon bisher — die sog. Schiedsrichter, die auf Grund eines Schiedsvertrags (§§ 1025ff., 1048 ZPO) zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufen sind. Zu den R i c h t e r n gehören, wie sich aus der Gegenüberstellung mit den Laienrichtern ergibt, nur die Berufsrichter; der Zweig der Gerichtsbarkeit (Straf-, Zivil-, Verwaltungsgerichtsbarkeit usw.) ist unerheblich. Da die Handelsrichter gemäß § 112 GVG während der Dauer ihres Amtes alle Rechte und Pflichten eines Richters haben, gehören auch sie hierher. 3. Als Rechtssache gilt jede Angelegenheit, die von einem Gericht (oder Schiedsgericht) nach R e c h t s g r u n d s ä t z e n zu entscheiden ist. Hierher gehören vor allem Zivil- und Strafsachen sowie Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungs-, Sozial-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit. Entscheidend ist dabei immer, ob die A n g e l e g e n h e i t i n i h r e r G e s a m t h e i t eine Rechtssache ist, nicht jedoch, ob die einzelnen, auf die Erledigung der Sache gerichteten Maßnahmen solche rechtlicher Art sind. Die Einzelmaßnahme kann durchaus weniger durch rechtliche Erwägungen als durch Überlegungen der Zweckmäßigkeit bestimmt sein (vgl. BGH 12, 191). 4. Die erkaufte Handlung besteht in der L e i t u n g oder E n t s c h e i d u n g der Rechtssache. Unter Leitung ist der Inbegriff aller Maßnahmen zu verstehen, die auf die Erledigung der Sache hinzielen (BGH 12, 192). Hierher gehören z.B. die Eröffnung des Hauptverfahrens, der Erlaß eines Haftbefehls, aber auch ein Beweisbeschluß oder eine Terminsbestimmung. Die erkaufte Handlung m u ß n i c h t p f l i c h t w i d r i g s e i n oder gar eine Rechtsbeugung darstellen. Es genügt, wenn sie für einen der Beteiligten einen V o r t e i l oder N a c h t e i l bedeutet. 5. Die Bestechungshandlung des Abs. 1 entspricht der in §§ 331, 332. I m Gegensatz zu diesen Bestimmungen muß sich der Vorteil aber immer auf eine z u k ü n f t i g e H a n d l u n g eines Richters usw. erstrecken. Eine Belohnimg für zurückliegende Handlungen genügt nicht. Die Bestechungshandlung des Abs. 2 entspricht der des § 333. 6. Konkurrenzen: Ist die erkaufte Handlung zugleich strafbar, z.B. als Rechtsbeugung (§ 336) oder als Begünstigung im Amt (§ 346), so steht § 334 Abs. 1 zu diesen Tatbeständen in Realkonkurrenz. Für den Bestechenden kommt neben § 334 Abs. 2 in I d K . Anstiftung oder versuchte Anstiftung zu diesen Tatbeständen in Betracht. 7. Beispiel: Der Angeklagte A bietet dem Schöffen S für den Fall, daß dieser sich für Strafaussetzung zur Bewährung einsetzt, einen Geldbetrag von 1000,— DM. Nimmt S das Angebot an, so hat er sich gemäß § 334 Abs. 1 und A gemäß § 334 Abs. 2 strafbar gemacht, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob A tatsächlich Strafaussetzung bekommt und ob S sich, wie versprochen, für ihn eingesetzt hat. Wie bei §§ 332, 333 genügt auch hier die sog. Unrechtsvereinbarung. § 335 [Verfallserklärung:] In den Fällen der § § 3 3 1 bis 334 ist im Urteil das Empfangene oder der Wert desselben für dem Staate verfallen zu erklären. 1. Die Verfallserklärung ist eine N e b e n s t r a f e , die sich gegen den Besitzer des Bestechungsmittels richtet. Die Zulässigkeit eines sog. o b j e k t i v e n V e r f a h r e n s nach § 440 StPO ergibt sich jetzt aus § 442 StPO. Die abweichende Entscheidung BGH 13, 328 ist durch das EGGVG 1968 überholt. 2. Sind die Voraussetzungen der §§ 331—334 gegeben, so ist die Verfallserklärung z w i n g e n d vorgeschrieben.

533

§336

Strafgesetzbuch

3. Nur e m p f a n g e n e V o r t e i l e können für verfallen erklärt werden, nicht auch solche, die nur gefordert oder angeboten werden. 4. Kann der Vorteil selbst aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht für verfallen erklärt werden, so tritt an seine Stelle der Wert. 5. B e i s p i e l : A hat dem B für eine pflichtwidrige Amtshandlung ein zinsgünstiges Darlehen zur Verfügung gestellt. Kann die Tat aufgedeckt werden, bevor das Darlehen verbraucht ist, so ist dieses selbst für verfallen zu erklären. Ist das Darlehen bereits verbraucht, so tritt an seine Stelle der Wert, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das Darlehen noch zurückzuzahlen ist oder nicht (vgl. B G H 13, 328).

g 336 [Rechtsbeugung:] Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft. 1. Die Rechtsbeugung gehört zu den sogenannten e c h t e n oder e i g e n t l i c h e n A m t s d e l i k t e n (vgl. Anm. 4 vor § 331). 2. Der Täterkreis ist teils enger, teils weiter als in § 334 Abs. 1. I m Gegensatz zu § 334 Abs. 1 kommen als Täter n i c h t n u r R i c h t e r , sondern auch andere B e a m t e in Betracht, z . B . Verwaltungsbeamte,die über eine Ordnungswidrigkeit, oder Finanzbeamte, die über den Einspruch eines Steuerpflichtigen gegen seinen Steuerbescheid zu entscheiden haben. N i c h t h i e r h e r gehören die in § 334 genannten L a i e n r i c h t e r . — Wegen S c h i e d s r i c h t e r siehe § 334 Anm. 2. 3. Wegen Rechtssache siehe § 334 Anm. 3. Ergänzend ist lediglich zu bemerken, daß sich infolge der Erweiterung des Täterkreisea auf alle Beamte (s.o. 2) auch Verfahren vor V e r w a l t u n g s - und F i n a n z b e h ö r d e n als Rechtssachen darstellen, soweit dabei Entscheidungen nach Rechtsgrundsätzen zu treffen sind. 4. Über Leitung und Entscheidung siehe § 334 Anm. 4. — Als Rechtsbeugung gilt jede vorsätzliche Verletzung materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Bestimmungen. 5. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß wissen, daß er die einschlägigen Bestimmungen verletzt und hierbei zum Vor- oder Nachteil einer Partei, d.h. eines am Verfahren Beteiligten, handelt. B e d i n g t e r V o r s a t z g e n ü g t n i c h t (BGH 10, 294). Wird durch die Rechtsbeugung zugleich der Tb. eines anderen Gesetzes verletzt (z.B. §§ 211 f., 239, 346), so kommt eine Bestrafung wegen dieser anderen Delikte nur dann in Betracht, wenn dem Täter eine Rechtsbeugung gemäß § 336 objektiv und subjektiv nachgewiesen werden kann (vgl. B G H a . a . O . ) . 6. Beispiel: Assessor A beantragt als Hilfsstaatsanwalt gegen X beim Amtsgericht den Erlaß eines Strafbefehls, obwohl er erkennt, daß die Tat bereits verjährt ist. E r will damit verhindern, daß seine wochenlange Nachlässigkeit in dieser Sache im Falle einer gegenzeichnungspflichtigen Einstellungsverfügung, die auch dem Anzeiger mitgeteilt werden müßte, zutage tritt. Hier hat A sich zunächst einer Rechtsbeugung schuldig gemacht, da er bei der Entscheidung einer Rechtssache, nämlich beim Abschluß eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (vgl. R G 69, 214), bewußt zum Nachteil des Beschuldigten gegen prozessuale Bestimmungen verstieß. Außerdem liegt ein Fall des § 344 (Verfolgung Unschuldiger) vor, wobei § 344 als das speziellere Gesetz vorgeht. §§ 33V—339

534

[aufgehoben]

Verbrechen u n d Vergehen im A m t g 340

§§ 3 4 0 , 3 4 1

[Körperverletzung: i m Amt]

( 1 ) E i n B e a m t e r , w e l c h e r i n A u s ü b u n g oder i n V e r a n l a s s u n g s e i n e s A m t e s vorsätzlich eine Körperverletzung begeht oder wird m i t Freiheitsstrafe v o n drei M o n a t e n bis z u f ü n f J a h r e n mildernde U m s t ä n d e v o r h a n d e n , s o k a n n die Freiheitsstrafe bis ermäßigt oder a u f Geldstrafe erkannt werden.

der A u s ü b u n g b e g e h e n läßt, bestraft. Sind auf einen Tag

( 2 ) Ist die Körperverletzung eine s c h w e r e , s o ist a u f Freiheitsstrafe n i c h t unter z w e i J a h r e n z u e r k e n n e n . Sind mildernde U m s t ä n d e v o r h a n d e n , s o tritt Freiheitsstrafe v o n drei M o n a t e n bis z u f ü n f J a h r e n ein. 1. Abs. 1 e n t h ä l t einen erschwerten F a l l des § 223; Abs. 2 setzt dagegen obj e k t i v u n d s u b j e k t i v alle Merkmale der schweren K ö r p e r v e r l e t z u n g g e m ä ß § 224 voraus. E s h a n d e l t sich daher u m ein unechtes Amtsdelikt (vgl. Vorbem. 4 vor §331). 2. Die H a n d l u n g b e s t e h t darin, d a ß der B e a m t e in A u s ü b u n g oder in Veranlassung der A u s ü b u n g seines A m t e s eine K ö r p e r v e r l e t z u n g selbst begeht oder begehen l ä ß t . a) In Ausübung seines Amtes h a n d e l t z . B . ein Lehrer, der einen Schüler ohne rechtfertigenden Anlaß oder über Gebühr züchtigt. Siehe hierzu im einzelnen § 223 Anm. I I I . b) I n Veranlassung der Ausübung seines Amtes h a n d e l t ein B e a m t e r , wenn die H a n d l u n g zwar nicht z u seiner A m t s t ä t i g k e i t gehört, m i t dieser a b e r in einem e r k e n n b a r e n inneren Z u s a m m e n h a n g s t e h t . B e i s p i e l : E i n Polizeibeamter erwidert freche B e m e r k u n g e n eines Beschuldigten m i t einer Ohrfeige. — ,,In V e r a n l a s s u n g " ist m e h r als „bei Gelegenheit" einer A m t s h a n d l u n g . Der T b . ist d a h e r n i c h t e r f ü l l t , w e n n z . B . ein B r i e f t r ä g e r auf seinem R u n d g a n g m i t einem persönlichen Gegner in Streit gerät u n d auf diesen einschlägt (vgl. F r a n k A n m . I I 2). c) K ö r p e r v e r l e t z u n g ist wie i n § 223 die körperliche M i ß h a n d l u n g u n d die Gesundheitsbeschädigung. d) U n t e r „begehen lassen" fallen n i c h t n u r die einzelnen E r s c h e i n u n g s f o r m e n der m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t , sondern auch A n s t i f t u n g u n d Beihilfe. B e i s p i e l : E i n Gefängnisaufseher d u l d e t pflichtwidrig, d a ß der H ä f t l i n g A d e n H ä f t l i n g B verprügelt. 3. S u b j e k t i v ist Vorsatz erforderlich; bedingter Vorsatz genügt. 4. Die T a t ist a u c h ohne S t r a f a n t r a g v o n A m t s w e g e n zu verfolgen. E i n e K o m p e n s a t i o n g e m ä ß § 233 ist n i c h t möglich. 5. IdK. ist möglich m i t §§ 185, 223a, 223b, 225, 226. Gegenüber §§223, 224 g e h t § 340 als da3 speziellere Gesetz v o r . F ü r den militärischen Bereich ist § 30 W S t G zu b e a c h t e n , der die gleichen S t r a f d r o h u n g e n e n t h ä l t u n d § 340 v o r g e h t . § 341

[Freiheitsberaubung: i m Amt]

E i n B e a m t e r , w e l c h e r vorsätzlich, o h n e h i e r z u berechtigt z u sein, eine Verh a f t u n g oder vorläufige Ergreifung u n d F e s t n a h m e oder Z w a n g s g e s t e l l u n g v o r n i m m t oder v o r n e h m e n läßt oder die D a u e r einer F r e i h e i t s e n t z i e h i m g verlängert, wird n a c h § 2 3 9 bestraft; j e d o c h beträgt die Freiheitsstrafe m i n d e s t e n s drei Monate. 1. Die Vorschrift e n t h ä l t einen erschwerten F a l l des § 239. E s h a n d e l t sich d a h e r nm ein u n e c h t e s A m t s d e l i k t (vgl. V o r b e m . 4 vor § 331). 2. Die Verweisung auf den S t r a f r a h m e n des § 239 bezieht sich a u c h auf § 239 Abs. 2 u n d 3. B e g e h t z . B . ein zu U n r e c h t I n h a f t i e r t e r in der Zelle Selbstmord, so ist d e r B e a m t e , d e r vorsätzlich seine F e s t n a h m e bewirkt h a t , bei F e h l e n mil-

535

§§ 342, 343

Strafgesetzbuch

d e r n d e r U m s t ä n d e g e m ä ß § 239 Abs. 3 m i t Freiheitsstrafe n i c h t u n t e r 3 J a h r e n z u bestrafen. 3. W ä h r e n d § 239 jede A r t widerrechtlicher F r e i h e i t s b e r a u b u n g m i t S t r a f e bed r o h t , b e s c h r ä n k t sich § 341 auf vier besondere A r t e n der F r e i h e i t s b e r a u b u n g : a) U n t e r V e r h a f t u n g fallen v o r allem die U n t e r s u c h u n g s h a f t (§§ 1121T. S t P O ) u n d die vorläufige U n t e r b r i n g u n g g e m ä ß § 126 a S t P O . b) V o r l ä u f i g e E r g r e i f u n g u n d F e s t n a h m e ist die v o r ü b e r g e h e n d e Freiheitsentziehung, die i n vielen Fällen der eigentlichen V e r h a f t u n g v o r a u s g e h t . H i e r h e r gehören vor allem die Fälle des § 81 a S t P O ( F e s t n a h m e zwecks E n t n a h m e einer B l u t p r o b e ) u n d die vorläufige F e s t n a h m e g e m ä ß § 127 S t P O . Weitere Sonderb e s t i m m u n g e n finden sich in d e n Polizeigesetzen der L ä n d e r . c) U n t e r Z w a n g s g e s t e l l u n g v e r s t e h t m a n die V o r f ü h r u n g , wie sie z . B . in §§ 51, 133, 134, 230, 236 S t P O vorgesehen ist. d) E i n e s t r a f b a r e V e r l ä n g e r u n g d e r D a u e r d e r F r e i h e i t s e n t z i e h u n g k o m m t bei allen u n t e r a) bis c) e r w ä h n t e n F o r m e n der F r e i h e i t s b e r a u b u n g in B e t r a c h t . E i n e S o n d e r b e s t i m m u n g e n t h ä l t jedoch § 345 f ü r die S t r a f h a f t . 4. D e r T a t b e s t a n d des § 341 ist nicht n u r erfüllt, w e n n d e r B e a m t e selbst die u n b e r e c h t i g t e Freiheitsentziehung v o r n i m m t , sondern a u c h d a n n , w e n n e r sie v o r n e h m e n l ä ß t . Dieses T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n t s p r i c h t d e m „begehen l a s s e n " in § 340. Siehe d o r t A n m . 2 d . 5. S u b j e k t i v ist V o r s a t z erforderlich. Dieser m u ß d a s B e w u ß t s e i n u m f a s s e n , zur F r e i h e i t s b e r a u b u n g n i c h t berechtigt z u sein. 6. B e i s p i e l e : D e r Polizeibeamte A n i m m t d e n B u n t e r d e m V e r d a c h t des schweren D i e b s t a h l s vorläufig fest, f ü h r t ihn aber e n t g e g e n d e r zwingenden Vors c h r i f t des A r t . 104 Abs. 2 GG n i c h t unverzüglich d e m R i c h t e r vor. — O d e r : A n i m m t den B zwecks Feststellung seiner Personalien auf die W a c h e . D a B f r e c h ist, sperrt ihn A ohne rechtfertigenden G r u n d in d e n N o t a r r e s t .

§ 342 [Hausfriedensbruch im Amt] Ein Beamter, der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausiibung seines Amtes einen Hausfriedensbruch (§ 123) begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 1. § 342 e n t h ä l t einen erschwerten F a l l des H a u s f r i e d e n s b r u c h s g e m ä ß § 123. E s h a n d e l t sich d a h e r , ebenso wie bei d e r K ö r p e r v e r l e t z u n g im A m t (§ 340) u n d d e r F r e i h e i t s b e r a u b u n g im A m t (§ 341), u m ein u n e c h t e s A m t s d e l i k t , z u dessen Verfolgung es keines S t r a f a n t r a g s b e d a r f . 2. Ü b e r die T a t b e s t a n d s m e r k m a l e „ i n A u s ü b i m g " bzw. „ i n Veranlassung der A u s ü b u n g seines A m t e s " siehe § 340 A n m . 2 a, b . 3. S u b j e k t i v ist V o r s a t z erforderlich. Dieser e n t f ä l l t z . B . , w e n n ein Polizeib e a m t e r zwecks V o r n a h m e einer D u r c h s u c h i m g versehentlich in R ä u m e eindringt, auf die sich der D u r c h s u c h u n g s b e f e h l n i c h t e r s t r e c k t . 4. I d K . ist möglich m i t § 123 Abs. 2. 5. B e i s p i e l : Polizeimeister P n i m m t n a c h t s gegen 3 U h r eine H a u s s u c h u n g vor, obwohl die besonderen Voraussetzungen des § 104 S t P O n i c h t vorliegen. E i n I r r t u m ü b e r die Rechtslage w ü r d e den Vorsatz n i c h t entfallen lassen, sondern wäre ein V e r b o t s i r r t u m . Ü b e r die D u r c h s u c h u n g siehe A n h a n g 4, A b s c h n . F V I , S. 619f.

§ 343 [Aussagreerpressung:] Ein Beamter, welcher in einer Untersuchimg Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

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Verbrechen und Vergehen im Amt

8 344

1. Der Tb. enthält einen S o n d e r f a l l d e r N ö t i g u n g . Es handelt sich daher um ein u n e c h t e s A m t s d e l i k t , das als V e r b r e c h e n mit Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu 6 Jahren bestraft wird. Mildernde Umstände sind nicht vorgesehen. Eine Strafmilderung kommt allenfalls bei einem Verbotsirrtum in Betracht. 2. Der objektive Tb. verlangt, daß ein Beamter in einer Untersuchung Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt. a) U n t e r s u c h u n g ist jedes Verfahren, das die Ermittlung einer Handlung bezweckt, die bestimmte gesetzliche Folgen, insbesondere Strafen, nach sich ziehen kann. Hierher gehören vor allem Strafverfahren, aber auch Disziplinar- und Verwaltungsverfahren. b) Als T ä t e r kommt jeder Beamte in Betracht, der bei einer Untersuchung mitwirkt, z.B. Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Disziplinarbeamte, Finanzbeamte. c) Als Z w a n g s m i t t e l sind wie in § 240 nur Gewalt und Drohung mit einem empfindlichen Übel anzusehen. Nicht jedes gemäß § 136a StPO unzulässige Mittel ist ein Zwangsmittel i.S. des § 343. Dies ergibt sich schon aus der Höhe der Strafdrohung. Nicht hierher gehören z.B. List, Täuschung und Versprechen von Vorteilen. Auch die Anwendung des gemäß BGH 5, 332 unzulässigen Lügendetektors erfüllt nur dann den Tatbestand, wenn der hierdurch Betroffene zu den Tests genötigt wird. Nicht hierher gehört ferner die Androhung von gesetzlich zulässigen Zwangsmitteln, z.B. wenn ein Richter einem Zeugen bei unberechtigter Zeugnisverweigerung mit sofortiger Verhaftung droht (vgl. § 70 StPO). d) Das Tatbestandsmerkmal „ a n w e n d e n l a s s e n " entspricht dem „begehen lassen" in § 340. Siehe dort Anm. 2d. 3. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Dieser muß auch das Bewußtsein umfassen, daß das angewandte oder angedrohte Zwangsmittel unzulässig ist. 4. V o l l e n d e t ist die Tat schon mit der Anwendung bzw. Androhung des Zwangsmittels. Der Eintritt des beabsichtigten Erfolgs ist nicht erforderlich. Wenn z.B. der Polizeibeamte A dem Beschuldigten B mit Ohrfeigen droht, falls er nicht endlich das vorbereitete Geständnis unterschreibt, so ist der Tatbestand auch dann verwirklicht, wenn B sich standhaft weigert. Es liegt also nicht nur Versuch vor, da A mit der Androhung von Ohrfeigen bereits ein Zwangsmittel i. S. der Vorschrift angewandt h a t . 5. I d K . ist möglich mit §§ 336, 340, 341. Gegenüber § 240 geht § 343 vor. 6. W e i t e r e B e i s p i e l e : Eine E r m ü d u n g d e s O p f e r s erfüllt nur dann den Tb. des § 343, wenn sie planmäßig herbeigeführt wird, um die Verhörsperson zu zermürben und ihre Widerstandskraft zu brechen, z.B. durch pausenlose Vernehmung durch mehrere Beamte, die sich gegenseitig ablösen. — D r o h u n g m i t V e r h a f t u n g kann dann den Tb. verwirklichen, wenn objektiv kein Anlaß hierzu besteht, z.B. wenn weder Fluchtverdacht noch Verdunkelungsgefahr vorliegt. Anders jedoch, wenn der Beamte den Beschuldigten zu Recht darauf hinweist, er müsse nach Sachlage mit einer Verhaftung wegen Verdunkelungsgefahr rechnen, wenn er an seinem Bestreiten festhält und ständig versucht, Zeugen zu beeinflussen. § 3 4 4 [Verfolgung: Unschuldiger] Ein Beamter, welcher vorsätzlich zum Nachteil einer Person, deren U n schuld ihm bekannt ist, die Eröffnung oder Fortsetzimg einer Untersuchung beantragt oder beschließt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. 1. Hier handelt es sich um ein e c h t e s A m t s d e l i k t , bei dem sich die Beamteneigenschaft straf begründend auswirkt (vgl. Vorbem. 4 vor § 331).

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S 345

Strafgesetzbuch

2. Wie in § 343 gilt als U n t e r s u c h u n g jedes behördliche Verfahren zur Ermittlung eines Sachverhalts, der staatliche Machtmittel, insbesondere Strafen auslösen kann (vgl. BGH 1, 256). 3. Eine Untersuchung b e a n t r a g t , wer sie förmlich unter Berufung auf das Gesetz fordert (BGH 1, 257). Eine Untersuchung b e s c h l i e ß t , wer sie — mit oder ohne Antrag — einleitet. Der E r ö f f n u n g (Einleitung) einer Untersuchung wird die F o r t s e t z u n g gleichgestellt. 4. U n s c h u l d i g i.S. der Vorschrift ist jeder, gegen den nach Sachlage ein Verfahren mit dem Ziel der Verurteilung nicht durchgeführt werden darf. Unschuldig ist daher nicht nur, wer die Tat nicht begangen hat, sondern auch, wer sich auf einen Strafaufhebungsgrund (z.B. Bücktritt, tätige Reue) oder einen Strafausschließungsgrund (z.B. Indemnität, Angehörigeneigenschaft i.S. von §247 Abs. 2) berufen kann oder dessen Tat bereits verjährt ist. Unschuldig ist schließlich auch, wer nicht die ihm zur Last gelegte, sondern eine geringere Straftat begangen hat, z.B. Nötigung statt Erpressung. 5. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Der Täter muß positiv wissen (bedingter Vorsatz genügt nicht), daß die von ihm verfolgte Person unschuldig in dem oben (Anm. 4) dargelegten Sinn ist. Er muß weiter das Ziel verfolgen, der von ihm verfolgten Person Nachteile zuzufügen. Der N eichte il kann nicht schon in der Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens gesehen werden, wohl aber in den damit verbundenen finanziellen Aufwendungen (z.B. Bestellung eines Anwalts) oder in einer Verhaftung. 6. IdK. ist möglich mit § 341. Gegenüber § 336 geht § 343 vor. § 345

[Unzulässige Vollstreckung: einer Strafe oder Maßregel] (1) Ein Beamter, der vorsätzlich eine Strafe oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung vollstreckt, die nicht zu vollstrecken ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begangen, so tritt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe ein. 1. Die Vorschrift enthält einen Sonderfall der in § 341 unter Strafe gestellten F r e i h e i t s b e r a u b u n g i m A m t und ist wie diese ein unechtes Amtsdelikt (vgl. Vorbem. 4 vor § 331). 2. Zu den Strafen gehören nicht nur Kriminalstrafen, sondern auch Disziplinarund Ordnungsstrafen, ferner die Zuchtmittel des JGG, nicht jedoch die Untersuchungshaft (BGH 20, 64, Schönke-Schröder Bn. 3). Über M a ß r e g e l n der Sicherung und Besserung siehe § 42 a. 3. Als Täter kommen nicht nur Vollstreckungsbeamte i.e.S. in Betracht, sondern alle Beamten, die an der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel mitwirken, z.B. Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger (vgl.RG 19,342, in BGH 20,65 offen gelassen). Eine Mitwirkung in leitender Position ist nicht erforderlich. 4. Die Unzulässigkeit einer Vollstreckung kann auf verschiedenen Gründen beruhen: a) Das Urteil, auf dem die Strafe oder Maßregel beruht, ist noch nicht rechtskräftig. b) Die Strafe oder Maßregel wird über ihre angeordnete Dauer hinaus vollstreckt. c) Eine bedingte Entlassung, Amnestie oder Begnadigung wird nicht beachtet. d) Die Strafe oder Maßregel wird zum Nachteil des Betroffenen nicht in gesetzlicher Weise vollstreckt.

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§

346

5. Nicht hierher gehört der Fall, daß ein U-Gefangener versehentlich zu lange in H a f t gehalten wird. Dies kann auch in der Weise geschehen, daß ein Richter das von ihm gesprochene Urteil nicht sofort absetzt und dann die Akten „aus den Augen verliert", so daß der zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Angeklagte, der sich bei Eintritt der Rechtskraft in U - H a f t befunden hat, über die nach Anrechnung der U - H a f t verbleibende Strafzeit hinaus in U - H a f t bleibt. I n diesem Fall scheitert § 345 daran, daß eine förmliche Strafvollstreckung noch gar nicht eingeleitet war (BGH 20, 64, 66, Stratenwerth JZ 65, 325, a. A. Schwarz-Dreher Anm. 2C). § 341 wäre zwar objektiv gegeben, entfällt jedoch ebenfalls, da dort •— anders als bei § 345 •— Fahrlässigkeit nicht unter Strafe steht. 6. Für den subj. Tatbestand kommen sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit in Betracht. a) Zum Vorsatz gehört das Bewußtsein des Täters, daß sein Verhalten die Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung zur Folge hat und daß diese Vollstreckung unzulässig ist (bedingter Vorsatz genügt). b) Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter infolge schuldhaften Irrtums nicht weiß, daß sein Verhalten überhaupt eine Strafvollstreckung bewirken kann oder daß diese Strafvollstreckung unzulässig ist. 7. Mit §§ 239, 341 besteht Gesetzeskonkurrenz. § 345 geht als das speziellere Gesetz vor. 8 346

[Begünstiguiig i m

Amt]

(1) Ein Beamter, der vermöge seines Amtes zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren oder bei der Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung berufen ist und wissentlich jemand der i m Gesetz vorgesehenen Strafe oder Maßregel entzieht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu f ü n f Jahren ein. 1. Die Begünstigung im Amt enthält einerseits einen Sonderfall der §§ 257, 257a, unterscheidet sich aber andererseits von diesen Tatbeständen in so wesentlichen Punkten, daß § 346 heute überwiegend als echtes Amtsdelikt angesehen wird (vgl. BGH 5, 76; Schwarz-Dreher Anm. 1B, Maurach BT 718). 2. Der Unterschied gegenüber der einfachen Begünstigung gemäß § 257 zeigt sich in folgenden P u n k t e n : a) Als V o r t a t e n kommen nicht nur Verbrechen und Vergehen, sondern auch Übertretungen in Betracht, nicht dagegen Disziplinarverstöße und Ordnungswidrigkeiten (str.). b) T ä t e r können nur ganz bestimmte Beamte sein (s.u. 3). c) Die Vorschrift ist als E r f o l g s d e l i k t , nicht als Unternehmenstatbestand, aufgebaut. d) Die S t r a f r a h m e n b e s c h r ä n k u n g des §257 Abs. 1 Satz 2 findet ebensowenig Anwendung wie das A n g e h ö r i g e n p r i v i l e g des § 257 Abs. 2. e) Als G e g e n s t a n d der Begünstigung kommen auch Maßregeln der Sicherung und Besserung in Betracht. 3. Als Täter kommen nur B e a m t e in Betracht, die aufgrund ihres Amtes z u r Mitwirkung an einem S t r a f v e r f a h r e n oder bei der V o l l s t r e c k u n g e i n e r M a ß r e g e l d e r S i c h e r u n g u n d B e s s e r u n g b e r u f e n s i n d . Zur ersten Gruppe gehören vor allem Richter, Staatsanwälte, Polizei-, Finanz- und Zollbeamte, Beamte der Bahnpolizei sowie die Bürgermeister, soweit sie nach Landesrecht

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§346

Strafgesetzbuch

(z.B. in Baden-Württemberg, vgl. B G H 12, 277) als Ortspolizeibehörde tätig sind. Zu der zweiten Gruppe gehören ebenfalls Richter und Staatsanwälte, ferner Rechtspfleger und die Beamten der Vollzugsanstalten. Unerheblich ist, ob es sich um einen Beamten in verantwortlicher Stellung handelt und ob der Beamte im konkreten Fall zuständig war. 4. Die Handlung besteht darin, daß der Begünstigte ganz oder teilweise einer Strafe oder Maßregel entzogen wird. a) Ist eine S t r a f e n o c h n i c h t v e r h ä n g t w o r d e n , so genügt zur Tatbestandsverwirklichung jedes Verhalten, das die Strafverfolgung f ü r mindestens geraume Zeit entweder vereitelt oder zu einer gesetzwidrig milderen Bestrafung f ü h r t . B e i s p i e l e : Der Polizeibeamte P unterläßt es, gegen seinen Freund F Strafanzeige wegen Trunkenheit am Steuer vorzulegen. — O d e r : P legt zwar Anzeige vor, aber unter einem milderen rechtlichen Gesichtspunkt, z.B. nur als Ordnungswidrigkeit anstatt als Straßenverkehrsgefährdung. — O d e r : Staatsanwalt S stellt das Verfahren gegen seinen Freund F pflichtwidrig ein. — O d e r : S beantragt zwar den Erlaß eines Strafbefehls, setzt aber eine so niedrige Strafe ein, daß von einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung nicht mehr gesprochen werden kann. b) Ist eine S t r a f e o d e r M a ß r e g e l b e r e i t s r e c h t s k r ä f t i g a u s g e s p r o c h e n , so ergeben sich folgende Tatmodalitäten: aa) Die Strafe oder Maßregel wird ü b e r h a u p t n i c h t v o l l s t r e c k t , ohne daß hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt. bb) Der Vollzug wird in ungesetzlicher Weise v e r z ö g e r t . cc) Der Vollzug wird in ungesetzlicher Weise v e r k ü r z t . dd) Der Vollzug wird in ungesetzlicher Weise e r l e i c h t e r t , z.B. wenn einem Gefangenen unzulässiger „Wochenendurlaub" gewährt wird. Nicht ausreichend sind dagegen sonstige unzulässige Vergünstigungen, die das Leben in der Anstalt erleichtern, z.B. bessere Verpflegung, leichtere Arbeit, bequemere Zelleneinrichtung, großzügige Regelung der Besuchserlaubnis. Derartige Vergünstigungen können n u r disziplinarrechtlich geahndet werden. 5. Der Tb. kann auch durch Unterlassen verwirklicht werden, sofern eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. So ist ein P o l i z e i b e a m t e r gemäß § 163 StPO verpflichtet, strafbare Handlungen zu erforschen und alle Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (Abs. 1). Alsdann h a t er die Akten unverzüglich der StA oder dem Amtsrichter vorzulegen (Abs. 2). F ü r den S t a a t s a n w a l t ergeben sich entsprechende Pflichten aus §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO. Diese Bestimmungen gelten jedoch u n e i n g e s c h r ä n k t n u r dann, wenn der Beamte d i e n s t l i c h von einer Straftat Kenntnis erlangt. Erlangt er p r i v a t Kenntnis, so ist er zum Einschreiten bzw. zu einer Anzeige nur dann verpflichtet, wenn es sich um eine s c h w e r e , d i e Ö f f e n t l i c h k e i t b e s o n d e r s b e r ü h r e n d e S t r a f t a t handelt (BGH 5, 225, 229; 12, 280). Hierher wird man alle in § 138 genannten Kapitalverbrechen rechnen müssen, darüberhinaus nur solche Verbrechen und Vergehen, die sich z.B. durch besondere Brutalität oder durch das Ausmaß des Schadens auszeichnen. 6. War die Begünstigung schon vor der Tat zugesagt, so ist die T a t gemäß § 257 Abs. 3 als Beihilfe zu bestrafen (BGH 6, 20; h.L.). Bestritten ist allerdings, ob damit eine Bestrafung wegen Begünstigung im Amt ausgeschlossen ist (so B G H 6, 20) oder ob die Beihilfe zu der begünstigten Tat zur Begünstigung im A m t in I d K . stehen kann (so Schönke-Schröder R n . 14). F ü r die letztgenannte Ansicht spricht die Erwägung, daß bei einer Bestrafung n u r wegen Beihilfe der Beamte in den Fällen, in denen die begünstigte T a t ein Vergehen oder eine Übertretung ist, in unverständlicher Weise privilegiert würde. Schreitet z.B. ein Beamter bei einer Genußmittelentwendung gegen seinen Nachbarn nur deshalb nicht ein, weil er

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V e r b r e c h e n u n d Vergehen im A m t

§

3 4 »

i h m dies v o r h e r zugesagt h a t t e , so k ö n n t e er, d a Beihilfe zu einer Ü b e r t r e t u n g n i c h t s t r a f b a r ist, ü b e r h a u p t n i c h t b e s t r a f t w e r d e n . Ohne eine derartige Zusage m ü ß t e er dagegen wegen eines Verbrechens der A m t s b e g ü n s t i g u n g b e s t r a f t w e r d e n . E i n e befriedigende L ö s u n g l ä ß t sich n u r d a d u r c h finden, d a ß m a n a u c h bei d e r v o r h e r zugesagten B e g ü n s t i g u n g im A m t auf eine B e s t r a f u n g a u s § 346 zurückgreift. Siehe a u c h B G H 11, 316 b e t r . das ähnlich gelagerte Verhältnis v o n § 257 Abs. 3 zu § 258. 7. Die Selbstbegünstigung ist wie bei § 257 grundsätzlich a u c h d a n n straflos, w e n n sie gleichzeitig m i t einer F r e m d b e g ü n s t i g u n g z u s a m m e n t r i f f t . E i n Polizeib e a m t e r ist also grundsätzlich n i c h t verpflichtet, eine T a t , a n der er selbst als T ä t e r , Teilnehmer, H e h l e r oder Begünstiger beteiligt war, a u f z u k l ä r e n u n d die übrigen Beteiligten zur Anzeige zu bringen (vgl. B G H 6, 20; h . L . ) . A u s n a h m e n : a) D e r B e a m t e h a t keine Strafverfolgung, sondern n u r ein Disziplinarverfahren zu b e f ü r c h t e n . b) D e r B e a m t e h a t sich erst n a c h d e r T a t , auf die sich die Begünstigung bezieht, s c h u l d h a f t in eine Zwangslage versetzt, z . B . d a d u r c h , d a ß er sich v o n der a n z u zeigenden P e r s o n bestechen ließ ( B G H 4, 167; 5, 156). c) D e r B e a m t e h a t die Begünstigung vorher zugesagt (bestr. — s.o. 6). 8. S u b j e k t i v ist Vorsatz erforderlich. Hinsichtlich der E n t z i e h u n g v o r S t r a f e usw. ist der u n b e d i n g t e Vorsatz erforderlich („wissentlich"), hinsichtlich der V o r t a t g e n ü g t bedingter Vorsatz. Z u m Ganzen siehe a u c h B G H 19, 78. 9. D e r Versuch ist a u c h ohne besondere S t r a f d r o h u n g s t r a f b a r (Verbrechen!). B e i s p i e l : E i n Polizeibeamter u n t e r l ä ß t eine Anzeige gegen einen g u t e n B e k a n n t e n , v o n d e m er n u r irrig a n n i m m t , er h a b e sich s t r a f b a r g e m a c h t . H i e r liegt ein strafb a r e r untauglicher Versuch, n i c h t e t w a ein W a h n d e l i k t v o r , u n d zwar ohne R ü c k sicht d a r a u f , ob der I r r t u m auf u n z u t r e f f e n d e n tatsächlichen oder rechtlichen E r w ä g u n g e n b e r u h t ( B G H 15, 210). E i n W a h n d e l i k t liegt dagegen vor, w e n n ein Polizeibeamter irrig g l a u b t , er sei a u c h zur Anzeige von Bagatelldelikten verpflichtet, v o n d e n e n er n u r p r i v a t K e n n t n i s erlangt (s.o. 5). 10. I d K . ist möglich m i t §§ 257 Abs. 3 (s.o. 6), 258—260, 267, 347, 348 Abs. 2.

§ 34V flSntweichenlassen von Gefangenen] (1) Ein Beamter, welcher einen Gefangenen, dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut ist, vorsätzlich entweichen läßt oder dessen Befreiung vorsätzlich bewirkt oder befördert, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren ein. (2) Einem Gefangenen steht gleich, wer in Sicherungsverwahrung untergebracht ist. 1. § 347 e n t h ä l t einen qualifizierten F a l l des § 121, also ein u n e c h t e s A m t s d e l i k t (vgl. V o r b e m . 4 v o r § 331). 2. T ä t e r k a n n jeder B e a m t e sein, der einen Gefangenen k r a f t seines A m t e s z u beaufsichtigen, zu begleiten oder zu bewachen h a t . Diese Voraussetzungen liegen a u c h d a n n vor, w e n n der B e a m t e d e n Gefangenen selbst f e s t g e n o m m e n h a t (vgl. § 127 A b s . 2 S t P O ) . 3. W e g e n des Begriffs „ G e f a n g e n e r " vgl. § 120 A n m . 1. 4. Als t a t b e s t a n d s m ä ß i g e H a n d l u n g genügt wie in § 121 jedes Verhalten, d u r c h d a s die F l u c h t oder B e f r e i u n g des Gefangenen e r m ö g l i c h t oder e r l e i c h t e r t wird. 5. F ü r d e n subjektiven T b . ist V o r s a t z erforderlich.

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§ 348

Strafgesetz buch

6. B e i s p i e l : Ein Gefängnisaufseher läßt es geschehen, daß sich bei Außenarbeiten der mit ihm gut bekannte Gefangene G immer weiter entfernt und schließlich flieht (§ 347 Abs. 1). Der Tb. ist in diesem Fall auch dann erfüllt, wenn es wenig später gelingt, den flüchtigen Gefangenen wieder zu ergreifen. — N i c h t h i e r h e r gehört der Fall, daß ein Gefangener vor Ablauf der eigentlichen Strafzeit entlassen wird. Die Entlassung ist kein „Entweichenlassen". 7. IdK. ist möglich mit § 346; im Verhältnis zu § 332 ist R K . (§ 74) gegeben. § 348

[Falschbeurkundungr und Urkundenfälschung: im Amt] (1) Ein Beamter, welcher, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit vorsätzlich eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register oder Bücher falsch einträgt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Dieselbe Strafe trifft einen Beamten, welcher eine ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Urkunde vorsätzlich vernichtet, beiseite schafft, beschädigt oder verfälscht. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. I. Die Falschbeurkundung des Abs. 1 ist ein e c h t e s A m t s d e l i k t , da sie nur bei Begehung durch bestimmte Beamte mit Strafe bedroht ist (vgl. Vorbem. 4 vor §331). 1. T ä t e r kann nur ein Beamter sein, der zur Aufnahme ( = Ausstellung) einer öffentlichen Urkunde befugt ist. Hierher gehören nicht nur die eigentlichen Urkundsbeamten (Richter, Notare, Standesbeamte), sondern auch Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte (z.B. Gerichtsvollzieher), ferner Postbeamte, Polizeibeamte und Fleischbesehauer u . a . m . 2. G e g e n s t a n d der Tat kann nur eine ö f f e n t l i c h e U r k u n d e sein. Siehe hierzu ausführlich § 271 Anm. 4. 3. Die H a n d l u n g besteht darin, daß der Beamte innerhalb seiner Zuständigkeit eine r e c h t l i c h e r h e b l i c h e T a t s a c h e , auf die sich der öffentliche Glaube der Urkunde erstreckt (vgl. § 271 Anm. 5), f a l s c h b e u r k u n d e t oder in öffentliche Register oder Bücher f a l s c h e i n t r ä g t . 4. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Der Beamte muß wissen, daß er im Rahmen seiner Zuständigkeit eine rechtserhebliche Tatsache, auf die sieh der öffentliche Glaube der Urkunde usw. erstreckt, falsch beurkundet bzw. falsch einträgt. Bedingter Vorsatz genügt. 5. A n s t i f t u n g und B e i h i l f e sind nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 48—50) strafbar. Die fehlende Möglichkeit der m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t durch einen Nichtbeamten wird durch die Sonderbestimmung des § 271 ersetzt. 6. Beispiele: A stellt als Angestellter der zuständigen Behörde seinem Freund F einen Führerschein aus, obwohl F die Prüfung nicht abgelegt, geschweige denn bestanden hat (BGH 12, 85). — O d e r : Ein Gerichtsvollzieher macht in dem Protokoll über die Verhaftung des Schuldners zur Erzwingung des Offenbarungseids (vgl. § 762 ZPO) unrichtige Angaben über Ort, Zeit und besondere Umstände der Verhaftung (vgl. OLG Hamm N J W 59, 1333). — O d e r : Ein Polizeibeamter nimmt in einem zurückdatierten Protokoll die Anzeige eines angeblichen, in Wirklichkeit jedoch fingierten Einbruchs auf (vgl. RG 57, 56). — O d e r : A beurkundet als Angestellter einer öffentlichen Sparkasse im Sparbuch eines Kunden eine in Wirklichkeit nicht

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Verbrechen u n d Vergehen im A m t

§§ 349,

3 5 0

v o r g e n o m m e n e Ein- oder Auszahlung. Dagegen e r s t r e c k t sich der öffentliche Glaube des S p a r b u c h s n i c h t d a r a u f , d a ß die eingetragene P e r s o n der wirkliche Verfügungsberechtigte ist (sogenannte schwarze K o n t e n , vgl. B G H 19, 19). — Nicht z u d e n öffentlichen U r k u n d e n gehören polizeiliche E r m i t t l u n g s b e r i c h t e , d a diese n i c h t d a z u geeignet u n d b e s t i m m t sind, Beweis f ü r u n d wider j e d e r m a n n zu erbringen (vgl. OLG Stgt N J W 56, 1082 b e t r . einen Polizeibeamten, der ein Protokoll über eine angeblich v o n i h m d u r c h g e f ü h r t e Z e u g e n v e r n e h m u n g m i t d e m Schlußv e r m e r k „ i m E n t w u r f gez. F . M . " hergestellt h a t t e , obwohl er die Zeugin gar n i c h t gehört h a t t e ) . — N i c h t hierher gehören auch die Zustellbücher der B u n d e s p o s t , d a diese ausschließlich zur Kontrolle der Zusteller, somit d e m inneren Dienst d e r P o s t dienen ( B G H 7, 94). — Z u m Ganzen siehe a u c h die A u s f ü h r u n g e n u n d Beispiele zu § 271. II. D a s in Abs. 2 u n t e r Strafe gestellte Vernichten, Beiseiteschaffen, Beschädigen oder Verfälschen amtlich anvertrauter Urkunden k a n n a u c h v o n N i c h t b e a m t e n in s t r a f b a r e r Weise verwirklicht werden (vgl. §§ 133, 267, 274 N r . 1). E s h a n d e l t sich d a h e r u m ein u n e c h t e s A m t s d e l i k t (vgl. V o r b e m . 4 vor § 331). 1. T ä t e r k a n n jeder B e a m t e sein. 2. G e g e n s t a n d der T a t k ö n n e n U r k u n d e n j e d e r A r t sein, also n i c h t n u r öffentliche U r k u n d e n . W e g e n U r k u n d e siehe § 267 A n m . I . 3. A m t l i c h a n v e r t r a u t ist die U r k u n d e , w e n n sie sich a u f g r u n d allgemeiner oder besonderer a m t l i c h e r A n o r d n u n g in der V e r f ü g u n g s m a c h t des B e a m t e n befind e t u n d dieser a u f g r u n d des besonderen Vertrauensverhältnisses verpflichtet ist, f ü r die E r h a l t u n g des B e s t a n d s , der Gebrauchsfähigkeit u n d der Richtigkeit des I n h a l t s zu sorgen ( B G H 3, 306). 4. A m t l i c h z u g ä n g l i c h ist die U r k u n d e , w e n n der B e a m t e a u f g r u n d seiner amtlichen E i g e n s c h a f t die tatsächliche Möglichkeit h a t , a n die U r k u n d e heranzuk o m m e n . H i e r a n f e h l t es jedoch, wenn er sich erst auf pflichtwidrige oder g a r s t r a f b a r e Weise, z . B . mittels E i n b r u c h s oder m i t Hilfe falscher Schlüssel, Z u g a n g verschaffen m u ß . 5. Die H a n d l u n g b e s t e h t im V e r n i c h t e n (vgl. § 133 A n m . 2a), B e i s e i t e s c h a f f e n (vgl. § 133 A n m . 2c), B e s c h ä d i g e n (vgl. § 133 A n m . 2 b ) oder V e r f ä l s c h e n der U r k u n d e (vgl. § 267 A n m . I I I ) . 6. S u b j e k t i v ist V o r s a t z erforderlich. 7. K o n k u r r e n z e n : Gegenüber §§ 1 3 3 1 , 136, 267, 303 g e h t § 348 I I als das speziellere Gesetz v o r . — I d K . ist möglich m i t §§ 133 I I , 263, 274 N r . 1, 351. 8. B e i s p i e l : E i n J u s t i z w a c h t m e i s t e r (W) n i m m t b e i m täglichen A k t e n a b t r a g aus d e m D i e n s t z i m m e r eines S t a a t s a n w a l t s die seinen F r e u n d (F) betreffenden A k t e n heimlich a n sich u n d b r i n g t sie in seine im selben Gebäude gelegene P r i v a t w o h n u n g , u m d o r t d e m F E i n s i c h t zu g e w ä h r e n : W h a t sich g e m ä ß § 348 Abs. 2 s t r a f b a r g e m a c h t . E r h a t nämlich eine i h m a m t l i c h zugängliche U r k u n d e beiseitegeschafft. H a t t e F ihn hierzu a n g e s t i f t e t , so k o m m t f ü r F B e s t r a f u n g g e m ä ß §§ 133, 48 (50 Abs. 3) in B e t r a c h t . § 3 4 9

[aufgehoben]

g 350 [Amlsunterschloguiig;] (1) Ein Beamter, welcher Gelder oder andere Sachen, die er in amtlicher Eigenschaft empfangen oder in Gewahrsam hat, unterschlägt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

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§ 350

Strafgesetzbuch

1. Die Vorschrift e n t h ä l t einen erschwerten F a l l d e r in § 246 u n t e r S t r a f e gestellten U n t e r s c h l a g u n g . E s h a n d e l t sich somit u m ein unechtes Amtsdelikt, bei d e m sich die A m t s e i g e n s c h a f t n i c h t s t r a f b e g r ü n d e n d , sondern s t r a f s c h ä r f e n d a u s w i r k t ( B G H 14, 40). 2. D e r Tb. s e t z t objektiv und subjektiv alle Merkmale der Unterschlagung i.S. v o n § 246 voraus. Bei G e w a h r s a m s b r u c h k o m m t d a h e r n u r D i e b s t a h l in B e t r a c h t ( B G H 14, 40). Ob ein B e a m t e r Allein- oder n u r Mitgewahrsam h a t , ist T a t f r a g e . D i e allgemeine D i e n s t a u f s i c h t eines Vorgesetzten b e g r ü n d e t jedenfalls noch keinen M i t g e w a h r s a m (OLG B r e m e n N J W 62, 1455). Alleingewahrsam h a t z . B . ein P o s t b e a m t e r , d e r Einschreibesendungen a n n i m m t (OLG Oldenburg JE. 50, 409) oder die P a k e t p o s t a u s f ä h r t . 3. Gegenstand der Tat k ö n n e n G e l d e r o d e r a n d e r e S a c h e n sein, die d e r B e a m t e i n a m t l i c h e r E i g e n s c h a f t e m p f a n g e n oder in G e w a h r s a m h a t . I n beiden Fällen g e n ü g t es, d a ß der G e w a h r s a m des B e a m t e n m i t seiner D i e n s t t ä t i g k e i t in u n m i t t e l b a r e m Z u s a m m e n h a n g s t e h t . B e i s p i e l e : E i n Polizeibeamter u n t e r s c h l ä g t Gelder, die er als gebührenpflichtige V e r w a r n u n g eingezogen h a t oder die i h m v o n einem ehrlichen F i n d e r als F u n d s a c h e a n v e r t r a u t w u r d e n . — O d e r : E i n B r i e f t r ä g e r u n t e r s c h l ä g t die i h m übergebenen P o s t s e n d u n g e n oder die einkassierten R u n d f u n k g e b ü h r e n . •— O d e r : E i n Lehrer u n t e r s c h l ä g t Spargelder der Schüler, die v o n d e n E l t e r n bei i h m f ü r einen gemeinsamen Schulausflug eingezahlt wurden. 4. Nicht anvertraut sind Gegenstände, die sich ein B e a m t e r n u r g e l e g e n t l i c h e i n e r A m t s h a n d l u n g zueignet, z . B . w e n n ein P o s t b e a m t e r einen Brief u n t e r schlägt, den er gefälligkeitshalber f ü r einen abseits w o h n e n d e n Gutsbesitzer in d e n n ä c h s t e n B r i e f k a s t e n werfen sollte, oder w e n n sich ein Polizeibeamter, der m i t d e n F u n d s a c h e n selbst nichts zu t u n h a t , a u s d e m B a u m f ü r F u n d s a c h e n einen abgegebenen Schirm zueignet. I n diesen F ä l l e n k o m m t n u r einfache U n t e r s c h l a g u n g g e m ä ß § 246 in B e t r a c h t . 5. Die T a t h a n d l u n g b e s t e h t wie bei d e r einfachen U n t e r s c h l a g u n g in d e r Zueignung. E i n e solche liegt a u c h d a n n vor, w e n n der B e a m t e eingegangene Geldbeträge zwar in die Kasse legt, aber zur Verschleierung v o n F e h l b e t r ä g e n n i c h t b u c h t ( B G H 9, 348). 6. Die Rechtswidrigkeit wird nicht d a d u r c h ausgeschlossen, d a ß d e r T ä t e r die Absicht h a t , die zu eigenen Zwecken e n t n o m m e n e n Gelder usw. so bald wie möglich wieder zu ersetzen (vgl. O L G K ö l n N J W 68, 2348, M ä u r a c h B T 724). Derartige „ Z w a n g s a n l e i h e n " sind selbst d a n n unzulässig, w e n n sie m i t Z u s t i m m u n g des Vorgesetzten erfolgen. N i c h t rechtswidrig ist dagegen die E n t n a h m e von Geld lediglich z u m Umwechseln. 7. Der s u b j e k t i v e T b . e r f o r d e r t Vorsatz. Dieser wird d u r c h eine etwaige E r s a t z b e r e i t s c h a f t n i c h t ausgeschlossen. J e d o c h k a n n bei Z u s t i m m u n g des Vorgesetzten d a s U n r e c h t s b e w u ß t s e i n fehlen. Wie weit dieses die Schuld entfallen l ä ß t oder n u r m i l d e r t , ist T a t f r a g e . H a t t e d e r B e a m t e bereits v o n A n f a n g a n die Absicht, die i h m a n v e r t r a u t e n Sachen n i c h t ihrer B e s t i m m u n g z u z u f ü h r e n , sondern zu eigenen Zwecken zu v e r w e n d e n , so k o m m t n u r B e t r u g in B e t r a c h t (vgl. A n m . 10). 8. D a es sich u m ein u n e c h t e s A m t s d e l i k t h a n d e l t (s.o. 1), w e r d e n Teilnehmer n u r d a n n a u s § 360 b e s t r a f t , w e n n a u c h sie B e a m t e sind u n d zu der u n t e r schlagenen Sache in der in § 350 vorausgesetzten Beziehimg stehen (§ 50 Abs. 3). Andernfalls erfolgt die B e s t r a f u n g aus § 246. B e i s p i e l : F r a u A v e r a n l a ß t ihren E h e m a n n , zwecks Ü b e r b r ü c k u n g eines vorübergehenden Engpasses in der F a m i lienkasse bei d e r v o n i h m v e r w a l t e t e n Gemeindekasse eine „Zwangsanleihe" über 1000,— DM a u f z u n e h m e n . A m a c h t sich wegen A m t s u n t e r s c h l a g u n g g e m ä ß § 350

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§

351

s t r a f b a r . Seine F r a u ist dagegen n u r aus dem Strafrahmen des § 246 zu be strafen. 9. Konkurrenzen: a) H a t sich der Beamte durch B e t r u g in den Besitz der Sache gesetzt, so kommt § 350 nach B G H 14, 38 schon tatbestandsmäßig nicht in Betracht, da man sich dieselbe Sache nicht zweimal rechtswidrig zueignen kann. Siehe hierzu ausführlich § 246 Anm. 4c. Entsprechendes gilt, wenn sich der Beamte durch D i e b s t a h l oder E r p r e s s u n g in den Besitz von Geldern gesetzt hat. Zum Ganzen siehe auch BGH N J W 61, 1171 und Schröder J R 60, 308. b) I d K . ist möglich mit §§ 133, 266, 267, 348 I I , 354. c) Die p r i v i l e g i e r t e n F ä l l e der Unterschlagung (§§ 248a, 370 Nr. 5) finden keine Anwendung. § 351

[ S c h w e r e Amtsuiiterschlagriiiigr]

(1) Hat der Beamte in Beziehung auf die Unterschlagung die zur Eintragung oder Kontrolle der Einnahmen oder Ausgaben bestimmten Rechnungen, Register oder Bücher unrichtig geführt, verfälscht oder unterdrückt oder unrichtige Abschlüsse oder Auszüge aus diesen Rechnungen, Registern oder Büchern, oder unrichtige Belege zu denselben vorgelegt, oder ist in Beziehung auf die Unterschlagung auf Fässern, Beuteln oder Paketen der Geldinhalt fälschlich bezeichnet, so ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu f ü n f Jahren ein. 1. Die unter den erschwerenden Umständen des § 351 begangene Amtsunterschlagung ist ein V e r b r e c h e n i. S. von § 1. Der V e r s u c h ist daher auch ohne besondere Strafdrohung strafbar. 2. T ä t e r kann wie in § 350 nur ein Beamter sein, der in einer bestimmten amtlichen Beziehung zu der von ihm unterschlagenen Sache steht. Auch sonst müssen alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 350 und damit auch die des § 246 gegeben sein. 3. Der G r u n d d e r S t r a f s c h ä r f u n g ist darin zu sehen, daß der Täter in besonders raffinierter Weise seine geplante oder bereits begangene Unterschlagung verschleiert. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß bei der Unterschlagung von Geldern in aller Regel nicht nur die Voraussetzungen des § 350, sondern auch die des § 351 vorliegen, da praktisch alle mit der Einziehung oder Ausgabe von Geld betrauten Beamten eine Pflicht zur Buchführung haben und schon die u n t e r l a s s e n e B u c h u n g als unrichtige Buchführung angesehen werden muß. Der Bundesgerichtshof h a t daher in BGH 10, 6 einschränkend ausgesprochen, daß § 351 keine Anwendung findet, wenn der Beamte einen falschen Beleg ausschließlich zu dem Zweck vorlegt, den unterschlagenen Betrag zu ersetzen, ohne dabei die Unterschlagung offenbaren und sich dadurch der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen zu müssen. Durch ein derartiges Verhalten wird nämlich die vorangegangene Unterschlagung nicht strafwürdiger. 4. Wegen der K o n k u r r e n z e n siehe § 350 Anm. 9. 5. B e i s p i e l : Polizeibeamter P verwarnt den Verkehrsteilnehmer V gebührenpflichtig mit 5,— DM, stellt aber nur eine Quittung über 3,— DM aus, was V in der Eile nicht bemerkt; den Differenzbetrag von 2,— DM behält P für sich. Hier kommt nicht nur § 350, sondern § 351 in Betracht, wenn er auch auf seinem Block nur den Betrag von 3,— DM einträgt. 35 Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

545

69 352, 353

Strafges etzbuch

§ 352 [Gebührenüberhebung;] (1) Ein Beamter, Anwalt oder sonstiger Rechtsbeistand, welcher Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem Vorteil z u erheben hat, wird, wenn er Gebühren oder Vergütungen erhebt, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage schuldet, mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. Da der Tb. nur von einer bestimmten Personengruppe verwirklicht werden kann, handelt es sich um ein e c h t e s A m t s d e l i k t (vgl. Vorbem. 4 vor § 331). 2. Als T ä t e r kommen in Betracht: B e a m t e (z.B. Notare, Gerichtsvollzieher, beamtete Tierärzte), R e c h t s a n w ä l t e (auch Patentanwälte) sowie R e c h t s b e i s t ä n d e , auch wenn ihnen keine amtliche Eigenschaft zukommt (Bay ObLG N J W 64, 2433, Schönke-Schröder Rn. 3, Schwarz-Dreher Anm. 1; a. A. OLG F f m N J W 64, 2318). 3. Die H a n d l u n g besteht darin, daß der Beamte, Anwalt oder Rechtsbeistand f ü r eine amtliche Verrichtung zu seinem eigenen Vorteil Gebühren oder Vergütungen erhebt, die entweder überhaupt nicht oder nicht in dieser Höhe geschuldet werden. a) A m t l i c h e V e r r i c h t u n g ist jede Handlung, die der Beamte, Anwalt oder Rechtsbeistand kraft seiner Amts- oder Berufsstellung vornimmt (SchönkeSchröder Rn. 4). b) V e r g ü t u n g ist jedes Entgelt für die amtliche Verrichtung, die der Täter erbracht h a t ; G e b ü h r ist eine Unterform der Vergütung. Nicht hierher gehören die A u s l a g e n . Diese fallen unter den allgemeinen Betrugstatbestand. c) E r h o b e n ist die Vergütung bzw. Gebühr erst mit ihrem Eingang. Bis dahin liegt V e r s u c h vor, der gemäß Abs. 2 strafbar ist. d) Zu seinem e i g e n e n V o r t e i l muß der Täter die Gebühren erheben. Hieran fehlt es, wenn der Anwalt der obsiegenden Partei für diese vom Gegner zu hohe Gebühren anfordert. Hier kommt Betrug in Betracht (RG 19, 30). 4. Der subjektive Tatbestand erfordert V o r s a t z , wobei bedingter Vorsatz nicht genügt. Der Täter muß das Bewußtsein haben, daß er eine Gebühr verlangt, auf die er keinen Anspruch hat. 5. K o n k u r r e n z e n : Da § 352 einen Sonderfall des Betrugs darstellt, ist I d K . mit § 263 nur dann möglich, wenn zu der Täuschung, die begriffsnotwendig zu der Gebührenüberhebung gehört, eine weitere Täuschung hinzutritt (BGH 2, 35), z.B. wenn ein Anwalt zugleich mit seinen überhöhten Gebühren auch nicht entstandene Auslagen geltend macht (vgl. Schönke-Schröder Rn. 14). Über den Grund der in § 352 gegenüber dem allgemeinen Betrugstatbestand getroffenen Privilegierung siehe RG 18, 220, 223 sowie Schönke-Schröder Rn. 1. — IdK. ist möglich mit Untreue (BGH N J W 57, 596). § 353 [Abgabenüberhebung:, Leistung sverkürzung;] (1) Ein Beamter, welcher Steuern, Gebühren oder andere Abgaben für eine öffentliche Kasse zu erheben hat, wird, wenn er Abgaben, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage schuldet, erhebt und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Teil nicht zur Kasse bringt, mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher bei amtlichen Ausgaben an Geld oder Naturalien dem Empfänger vorsätzlich und rechtswidrig Abzüge macht und die Ausgaben als vollständig geleistet in Rechnung stellt. 546

Verbrechen und Vergehen im Amt

g 353 a

1. Hier handelt es sich, wie in § 352, um ein e c h t e s A m t s d e l i k t , das nur von Beamten begangen werden kann. Der entscheidende Unterschied beider Bestimmungen besteht darin, daß der Täter bei § 352 zu seinem eigenen Vorteil, bei § 353 dagegen für eine ö f f e n t l i c h e K a s s e Gebühren zu erheben hat (BGH 2, 36). 2. § 353 enthält z w e i s e l b s t ä n d i g e T a t b e s t ä n d e : die übermäßige Erhebung von Abgaben (Abs. 1) und die Kürzung amtlicher Leistungen (Abs. 2). Nach Abs. 1 verlangt der Beamte zu viel und bucht zu wenig; in Abs. 2 zahlt er zu wenig und bucht zu viel. 3. I n beiden Tatbeständen ist die A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g z w e i a k t i g . Abs. 1 setzt voraus, daß der Täter zunächst zuviel verlangt und dann den überhobenen Betrag nicht zur Kasse bringt; Abs. 2 setzt voraus, daß der Täter zunächst zu wenig ausgibt und anschließend falsch bucht. 4. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. § 352 Anm. 4 gilt entsprechend. Da es sich bei beiden Tatbeständen um ein zweiaktiges Delikt handelt (Anm. 3), muß der Vorsatz jeweils schon beim 1. Akt gegeben sein. Wenn z.B. ein Beamter zunächst nur aus Versehen eine zu hohe Gebühr berechnet und dann später, nachdem er seinen Irrtum erkannt hat, den zuviel erhobenen Betrag aus der Kasse nimmt und in die eigene Tasche steckt, so liegt kein Fall des § 353, sondern eine Amtsunterschlagung (§§ 350, 351) vor, wodurch der Beamte allerdings im Ergebnis keineswegs besser gestellt ist (vgl. Strafmaß). 5. K o n k u r r e n z e n : Wegen des Verhältnisses zu §263 siehe §352 Anm. 5. Schwierig ist das Verhältnis zur Amtsunterschlagung (§§ 350, 351). Nach BGH 14, 38 und N J W 61, 1171 ist hierbei folgendes zu beachten: Steckt der Täter den zuviel erhobenen Betrag vorgefaßter Absicht entsprechend gleich in die Tasche, so liegt nur ein Vergehen gemäß § 353 vor; legt er das Geld jedoch zunächst in die von ihm verwaltete Kasse, so begeht er noch zusätzlich in IdK. Amtsunterschlagung und Untreue. Wirtschaftlich gesehen kann diese Unterscheidung nicht befriedigen; rechtlich gesehen läßt sie sich jedoch nach Auffassung des BGH nicht vermeiden. 6. B e i s p i e l zu Abs. 1: Ein Postbeamter verlangt für die Beförderung eines Pakets eine Gebühr von 2,40 DM, obwohl er nach der Gebührenordnung nur 1,60 DM verlangen dürfte. Den Differenzbetrag behält er vorgefaßter Absicht gemäß f ü r sich. 7. B e i s p i e l zu Abs. 2: Ein Beamter des Arbeitsamts zahlt an einen Arbeitslosen nur eine Unterstützimg von 60,— DM, obwohl dieser 70,— DM zu beanspruchen hätte. Den Differenzbetrag behält er f ü r sich; gleichzeitig verbucht er, um seine T a t zu verdecken, den richtigen Betrag. Hier kommt neben § 353 schwere Amtsunterschlagung gemäß §§ 350, 351 in Betracht (BGH 2, 37; N J W 61, 1171). § 353 a

[Diplomatischer Ungehorsam, falsche Berichterstattung]

(1) Wer bei der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung einer amtlichen Anweisung vorsätzlich zuwiderhandelt oder in der Absicht, die Bundesregierung irrezuleiten, unwahre Berichte tatsächlicher Art erstattet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Die Tat wird nur mit Ermächtigung der Bundesregierung verfolgt. T ä t e r kann auch ein Nichtbeamter sein, der die B R D gegenüber einer fremden Regierung, einer Staatengemeinschaft oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung vertritt. 86*

547

§ 353 b

Strafgesetzbuch

§ 3 5 3 b [Verletzung: d e r Amtsverschwiegenheit] ( 1 ) W e r unbefugt ein Geheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als B e a m t e r anvertraut worden oder bekannt geworden ist, offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bestraft. H a t der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r oder mit Geldstrafe bestraft. ( 2 ) Einem Beamten steht eine für eine amtliche Stelle tätige Person gleich, die a u f die gewissenhafte Erfüllung ihrer Dienstpflicht durch Handschlag oder zur Verschwiegenheit besonders verpflichtet worden ist. ( 3 ) Der Versuch ist strafbar. ( 4 ) Ist der Täter Beamter bei einem Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder ist er für ein solches Gesetzgebungsorgan tätig, so wird die Tat nur mit Ermächtigung des Präsidenten des Gesetzgebungsorgans verfolgt; ist der Täter sonst Beamter des Bundes oder ist er für eine andere amtliche Stelle des Bundes tätig, so wird die Tat nur mit Ermächtigung der obersten Bundesbehörde verfolgt. In anderen Fällen wird sie nur mit Ermächtigung der obersten Landesbehörde verfolgt. 1. Die durch das 8. StrRÄndG neu gefaßte Vorschrift enthält ein echtes Amtsdelikt (vgl. Vorbem. 4 vor § 331). Geschützt sind nicht nur bestimmte geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, sondern auch die Amtsverschwiegenheit als solche. 2. Täter können sein a) B e a m t e , denen nach § 48 WehrStG Offiziere und Unteroffiziere gleichgestellt sind. Nicht erforderlich ist, daß der Täter im Zeitpunkt der Tat noch Beamter ist. Entscheidend ist allein, daß der Täter Beamter war, als ihm das Geheimnis in amtlicher Eigenschaft anvertraut oder bekannt wurde. b) s o n s t i g e P e r s o n e n , die für eine amtliche Stelle tätig sind und auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Dienstpflicht durch Handschlag oder zur Verschwiegenheit besonders verpflichtet sind (Abs. 2). Hierbei ist unerheblich, ob es sich bei der Tätigkeit um eine ständige handelt (z.B. bei Behördenangestellten) oder ob der Verpflichtete nur einen einmaligen Sonderauftrag hat (z.B. als Sachverständiger). 3. Die Tathandlung besteht im unbefugten Offenbaren eines Geheimnisses, das dem Täter in amtlicher Eigenschaft anvertraut oder bekannt wurde. Der Tb enthält insoweit dieselben Merkmale wie die Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäß § 300. Auf die dortigen Ausführungen kann daher grundsätzlich verwiesen werden. Ergänzend ist lediglich hervorzuheben, daß als s c h u t z w ü r d i g e G e h e i m n i s s e alle Angelegenheiten gelten, die entweder ihrer Natur nach oder auf Grund besonderer Anordnung oder Bezeichnung geheimzuhalten sind. Ihrer Natur nach geheimzuhalten sind z . B . Prüfungsaufgaben vor Beginn der Prüfung. 4. Als F o l g e der T a t muß eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen eingetreten sein. B e i s p i e l e : Ein Behördenangestellter der Kriminalpolizei gibt den Inhalt eines vertraulichen Fernschreibens preis, um einem Beschuldigten rechtzeitig die Möglichkeit zur Flucht zu geben (BGH 10, 276). — O d e r : Ein Angestellter eines Prüfungsamts teilt dem mit ihm befreundeten Studenten S vor Beginn des Referendarexamens den Inhalt der geplanten Klausurarbeiten mit, so daß S sich ohne Mühe auf die für seine spätere Laufbahn entscheidende Prüfung vorbereiten kann (vgl. R G 74, 110; B G H 11, 401); der Tatbestand entfällt dagegen, wenn das gleiche Täuschungsmanöver bei einer weniger wichtigen Prüfung begangen wird, z . B . bei einer Aufnahmeprüfung in die Realschule (BGH a.a.O.) oder bei einer Klassenarbeit.

548

Verbrechen und Vergehen im Amt

§ 353c

5. Der subjektive Tb. verlangt f ü r das Offenbaren stets V o r s a t z (siehe hierzu § 300 Anm. 7); hinsichtlich der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen genügt nach Abs. 1 Satz 2 F a h r l ä s s i g k e i t . 6. IdK. ist möglich mit §§ 94—99 sowie mit § 300. 7. Die in Abs. 4 erwähnte Ermächtigung ist eine Prozeßvoraussetzung. Siehe hierzu § 197 Anm. 1. § 3 5 3 c [Mitteilung; geheimer Schriftstücke] (1) Wer, abgesehen von dem Fall des § 353b, unbefugt Gegenstände, namentlich Schriften, Zeichnungen oder Modelle, die von einem Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder einem seiner Ausschüsse oder von einer anderen amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet sind, oder deren wesentlichen Inhalt ganz oder zum Teil einem anderen mitteilt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis z u drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, zu deren Geheimhaltung er auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Geheimnisverletzung förmlich verpflichtet worden ist, und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Erfolgt die Geheimhaltung auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans oder eines seiner Ausschüsse, so wird die Tat nur mit Ermächtigung des Präsidenten des Gesetzgebungsorgans verfolgt; in anderen Fällen wird sie nur mit Ermächtigung der Bundesregierung verfolgt. X. Die durch das 8. StrRÄndG neu gefaßte Vorschrift ergänzt den § 353b und wird von diesem, wenn auch dessen Voraussetzungen vorliegen, nach den Grundsätzen der S u b s i d i a r i t ä t verdrängt. 2. Der T ä t e r braucht weder Beamter noch Behördenangestellter zu sein. Es handelt sich hier um k e i n A m t s d e l i k t . 3. Der subj. Tb. erfordert sowohl bei Abs. 1 als auch bei Abs. 2 V o r s a t z . Dieser muß sich auch auf die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen erstrecken. Fahrlässige Tatbegehung ist nicht mehr unter Strafe gestellt. Entgegen der früheren Rechtslage und anders als in § 353 b ist auch nicht mehr strafbar, wer zwar vorsätzlich den Geheimnisverrat begeht, dabei aber fahrlässig nicht erkennt, daß er hierdurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. 4. B e i s p i e l zu Abs. 1: Der Beamte A hat unter Verletzung der Amtsverschwiegenheit seinem Freund B von dem Inhalt eines geheimen amtlichen Schriftstücks Mitteilung gemacht. B gibt diese Mitteilung an seinen Freund C weiter: A hat sich nach § 353 b, B nach § 353 c Abs. 1 strafbar gemacht. 5. B e i s p i e l e zu Abs. 2: Dem Bauunternehmer A ist von einer staatlichen Behörde die Durchführung eines großen Bauvorhabens übertragen worden. Bei der Besprechung wurde dem A ausdrücklich zur Pflicht gemacht, die Angelegenheit als „geheim" zu behandeln. Trotzdem macht A von dem geplanten Projekt seinem Freund B Mitteilung: A hat sich nach § 353c Abs. 2 strafbar gemacht. — O d e r : Ein Schöffe macht einem Dritten Mitteilung über die Beratungsvorgänge.

549

§§ 3 5 3 d , 3 5 4

Strafgesetzbuch

6. Gegenüber § 352b ist § 353c subsidiär. I d K . ist möglich mit §§ 94—99 sowie § 300. 7. Die in Abs. 4 erwähnte Ermächtigung ist eine Prozeßvoraussetzung. Siehe hierzu § 197 Anm. 1. 8. Beachte § 358 (Amtsunfähigkeit als Nebenstrafe). § 353d [Mißbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten] (1) Ein Beamter, der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (§ 298 Abs. 1 und 2), wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. (2) Ebenso wird ein Beamter oder früherer Beamter bestraft, der unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen offenbart, das in befugter oder unbefugter Amtsausübimg auf einen Tonträger aufgenommen oder mit einem Abhörgerät abgehört worden ist. 1. Die durch Gesetz vom 22. 12. 1967 neu eingeführte Vorschrift enthält in ihrem Abs. 1 einen erschwerten Fall des § 298, so daß es sich insoweit um ein unechtes Amtsdelikt handelt (vgl. Vorbem. 4 vor § 331). Für T e i l n e h m e r gilt daher der Strafrahmen des § 298 (vgl. § 50 Abs. 3). Wegen der Begriffe „in Ausübung" und „in Veranlassung der Ausübung des Amtes" siehe § 340 Anm. 2a und 2b. B e i s p i e l zu Abs. 1: Um Anhaltspunkte f ü r weitere Ermittlungen zu gewinnen, hört ein Kriminalbeamter mit Hilfe eines in die Wand eingebauten Mikrosenders das Gespräch eines Untersuchungsgefangenen ab, das dieser mit seinem Verteidiger in der Arrestzelle des Polizeipräsidiums führt. 2. Im Gegensatz zu Abs. 1 enthält Abs. 2 ein echtes Amtsdelikt, da § 298 diesen Fall nicht erfaßt. Für Teilnehmer ist daher nicht § 60 Abs. 3, sondern § 50 Abs. 2 zu beachten. Tathandlung ist das unbefugte Offenbaren eines nicht öffentlich gesprochenen Worts, das — befugt oder unbefugt — in Ausübimg eines Amtes auf einen Tonträger aufgenommen oder mit einem Abhörgerät abgehört worden ist. Als Offenbaren kommt jedes Gelangenlassen a n einen anderen zu akustischer Wahrnehmimg in Betracht. Liegen zugleich die Voraussetzungen des § 298 Abs. 1 Nr. 2 vor, so ist nicht Abs. 2, sondern Abs. 1 des § 353d gegeben (ebenso SchwarzDreher Anm. 4). B e i s p i e l : Polizeimeister A läßt das Tonband abspielen, das sein Kollege B bei der Vernehmung seines Nachbarn N mit dessen Einwilligung aufgenommen hat. Anschließend teilt er den Inhalt dieser Vernehmung seinen Freunden und Bekannten mit, um N zu schaden. 3. Die Rechtswidrigkeit entfällt vor allem unter den Voraussetzungen der §§ 100a, 100b StPO i.d.F. des Gesetzes vom 13. 8. 1968 (BGBl. I 949) zu Art. 10 GG (Abwehr und Aufklärung von drohenden bzw. begangenen Kapitalverbrechen). Siehe hierzu ausführlich Kaiser N J W 69, 18. 4. Der Versuch ist auch bei Abs. 2 strafbar, da sich die Formulierung „Ebenso wird . . . bestraft" nicht nur auf Abs. 1 Satz 1, sondern auch auf Abs. 1 Satz 2 bezieht (vgl. Schönke-Schröder Rn. 8). 5. IdK. ist vor allem möglich mit §§ 94ff. und § 353b. g 354 [Brieferöfinungr durch Postbeamte] Ein Postbeamter, welcher die der Post anvertrauten Briefe oder Pakete in anderen als den im Gesetz vorgesehenen Fällen öffnet oder unterdrückt oder einem anderen wissentlich eine solche Handlung gestattet oder ihm dabei wissentlich Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§

355

1. § 364 enthält, soweit lediglich die Tatbestände der §§ 133, 274 Nr. 1, 299 qualifiziert werden, ein unechtes, im übrigen ein echtes Amtsdelikt. 2. Als TSter kommen n u r Postbeamte in Betracht. 3. Geschützt sind Briefe und Pakete, die der Post zur amtlichen Beförderung a n v e r t r a u t , d . h . ordnungsgemäß in den Postverkehr gelangt sind. Zu den B r i e f e n gehören alle Postsendungen, die keine Pakete sind, z.B. Postkarten, Postanweisungen, Paket- und Zahlkarten (vgl. RG 72, 193), aber auch Drucksachen und unter Kreuzband verschickte Zeitungen und Korrekturabzüge (vgl. SchönkeSchröder R n . 4, Maurach BT 729, Welzel 534, bestr.). P a k e t e sind alle Postsendungen, deren Inhalt mit einer Umhüllung versehen ist, z.B. auch Päckchen und Warenproben. 4. Die Handlung besteht entweder in der u n b e f u g t e n E r ö f f n u n g (vgl. § 299 Anm. 3) oder im U n t e r d r ü c k e n (vgl. § 133 Anm. 2c und § 274 Anm. I 3). Da die Vorschrift neben der Sicherung des Postgewahrsams den Zweck verfolgt, die Benutzer der Post davor zu schützen, daß ihr Vertrauen auf eine ordnungsgemäße, sichere Beförderung nicht getäuscht wird, ist eine Unterdrückung schon dann gegeben, wenn die Sendung — sei es auch nur vorübergehend — dem ordnungsgemäßen Postverkehr entzogen wird (BGH 19, 32). Tatbestandsmäßig sind ferner das G e s t a t t e n des Eröffnens oder Unterdrückens und die H i l f e l e i s t u n g dazu. Unter die beiden letzten Alternativen fällt jede Mitwirkung eines Postbeamten an der Tat eines Dritten. 5. Wegen Ausschluß der Rechtswidrigkeit siehe die in § 299 Anm. 5 genannten gesetzlichen Bestimmungen. 6. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt. Siehe auch § 299 Anm. 6. 7. IdK. kommt in Betracht mit §§ 133 I I , 242, 243, 348 I I , 350, 351. Gegenüber §§ 133 I, 274 Nr. 1, 299 geht § 354 als das speziellere Gesetz vor. § 355

[Verletzung: d e s Telegrafen- u n d Fernsprech-' greheimnlsses]

(1) Postbeamte oder mit der Beaufsichtigung und Bedienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegrafenanstalt betraute Personen, welche die einer Telegrafenanstalt anvertrauten Telegramme verfälschen oder in anderen als in den i m Gesetz vorgesehenen Fällen öffnen oder unterdrücken oder von ihrem Inhalt Dritte rechtswidrig benachrichtigen oder einem anderen wissentlich eine solche Handlung gestatten oder ihm dabei wissentlich Hilfe leisten, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) D e n einer Telegrafenanstalt anvertrauten Telegrammen werden Nachrichten gleichgeachtet, die durch eine zu öffentlichen Zwecken dienende Fernsprechanlage vermittelt werden. 1. § 355 enthält, soweit es sich nicht um einen erschwerten Fall des § 299 handelt, ein e c h t e s A m t s d e l i k t (vgl. Vorbem. 4 vor § 331). 2. Als Täter kommen neben P o s t b e a m t e n auch andere Personen in Betracht, die von berufener Seite mit der B e a u f s i c h t i g u n g u n d B e d i e n u n g einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegrafenanstalt betraut sind, z.B. Polizeibeamte, die den Fernschreiber eines Polizeipräsidiums bedienen. 3. Geschützt sind (vgl. Abs. 1) T e l e g r a m m e , d.h. alle Nachrichten des Drahtund Funkverkehrs, außerdem F e r n g e s p r ä c h e (vgl. Abs. 2).

551

§ 356

Strafgesetzbuch

4. Die Handlung besteht entweder im V e r f ä l s c h e n (vgl. § 267 Anm. III), im unbefugten E r ö f f n e n (vgl. § 299 Anm. 3), im U n t e r d r ü c k e n (vgl. § 133 Anm.2c und § 274 Anm. I 3) oder in der r e c h t s w i d r i g e n B e n a c h r i c h t i g u n g Dritter von dem Inhalt des Telegramms, Fernschreibens oder Ferngesprächs. Dem gleichgestellt ist das G e s t a t t e n dieser Handlungen sowie die H i l f e l e i s t u n g hierzu, d.h. jede rechtswidrige Mitwirkung an der Tat eines Dritten. 5. Über Ausschluß der Rechtswidrigkett siehe § 299 Anm. 5 sowie §§ 100a, 100b StPO i.d.F. des Ges. v. 13. 8. 68 zu Art. 10 GG (BGBl. I 949). 6. Konkurrenzen: Gegenüber §§ 133 I, 299 geht § 355 als das speziellere Delikt vor. Mit den Urkundsdelikten (§§ 267, 274 Nr. 1, 348 II) ist dagegen IdK. möglich, da nicht jedes Telegramm eine Urkunde ist. § 356 [Parteiverrat] (1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm vermöge seiner amtlichen Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Handelt derselbe i m Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein. 1. Der Unrechtsgehalt des Parteiverrats besteht nicht — jedenfalls nicht hauptsächlich — in der Benachteiligung des Auftraggebers, sondern darin, daß das V e r t r a u e n d e r Ö f f e n t l i c h k e i t in d i e B e r u f s t r e u e d e s R e c h t s b e i s t a n d s erschüttert wird (BGH 15, 336). Die Einwilligung des Auftraggebers ist daher grundsätzlich unbeachtlich. (Einzelheiten vgl. Anm. 3d.) Lediglich im Falle des Abs. 2 liegt der Schwerpunkt des Unrechtsgehalts in der Benachteiligung der Interessen des Auftraggebers. 2. Als Täter kommen nur R e c h t s a n w ä l t e und R e c h t s b e i s t ä n d e in Betracht, die als I n t e r e s s e n v e r t r e t e r e i n e r P a r t e i auftreten. Hieran fehlt es z.B. bei einem K o n k u r s v e r w a l t e r . Dieser hat nicht die Interessen einer bestimmten Partei, sondern vielfältige Aufgaben wahrzunehmen, für deren Erfüllung er allen Beteiligten verantwortlich ist (§ 82 KO). Es fehlt die einseitige Bindung an die rechtlichen Belange einer bestimmten Person oder Personengruppe und damit das spezifische, durch § 356 geschützte Vertrauensverhältnis (BGH 13, 231). Auch bei einem sog. Syndikusanwalt liegen die Voraussetzungen des § 356 nicht vor (vgl. OLG Stgt N J W 68, 1975). R e c h t s b e i s t ä n d e fallen nur dann unter den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn sie den Rechtsbeistand in amtlicher Eigenschaft leisten (vgl. OLG Bremen N J W 67, 2418, Schwarz-Dreher Anm. 1A, str.). Hierher gehören z.B. Justizbeamte und Referendare, die einer Partei nach § 116 ZPO als Armenvertreter beigeordnet sind, nicht jedoch sog. Prozeßagenten und Rechtsbeistände nach den RechtsberatungsG v. 13. 12. 1935 (RGBl. I 1478), zul. geändert durch Ges. v. 24. 5. 68 (BGBl. I 503, 520). 3. Die Handlung besteht darin, daß der Anwalt bzw. Rechtsbeistand in derselben Rechtssache beiden Parteien durch R a t oder Beistand pflichtwidrig dient. a) Unter dem Begriff Rechtssache sind alle Rechtsangelegenheiten zu verstehen, bei denen mehrere Beteiligte in entgegengesetztem Interesse einander gegenüberstehen (BGH 5, 301; 18,192). In Betracht kommen vor allem bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten (Zivilsachen), Strafsachen einachließlich Privatklagesachen, Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, aber auch Konkurssachen (BGH 7, 17). b) Dieselbe Rechtssache ist nicht nur gegeben, wenn es sich um dasselbe Verfahren handelt, sondern auch dann, wenn in Verfahren verschiedener Art und mit

552

Verbrechen und Vergehen im A m t

g 356

verschiedener Zielrichtung derselbe Sachverhalt von rechtlicher Bedeutung sein kann (BGH 5, 301; 9, 341; 18, 192). B e i s p i e l e : Rechtsanwalt Dr. A erstattet zunächst im Auftrag der Fa. B gegen den Lohnbuchhalter X Anzeige wegen Untreue; in dem anschließenden Verfahren verteidigt er den X . — O d e r : RA Dr. A vertritt in einem Scheidungsrechtsstreit zunächst den Ehemann. Nachdem dieses Verfahren sich durch Zurücknahme der Klage erledigt h a t , übernimmt er ein J a h r später in einem neuen Scheidungsrechtsstreit die Vertretung der Ehefrau. Hierbei spielt es keine Rolle, ob in dem neuen Prozeß neue Scheidungsgründe vorgebracht werden oder ob auf die alten zurückgegriffen wird. Nach § 619 ZPO kann nämlich das Gericht im Rahmen der Parteivernehmung die Eheleute jederzeit über den Verlauf ihrer gesamten Ehe befragen und dabei auch Umstände zur Sprache bringen, die bereits in dem früheren Prozeß von Bedeutung waren (BGH 9, 341; 17, 306). — O d e r : RA Dr. A vertritt in einem Schadensersatzprozeß zunächst den Kläger. Nachdem dieser obsiegt h a t , übernimmt er im anschließenden Vollstrekkungsverfahren die Vertretung des Beklagten. c) Der Begriff des Dienens umfaßt jede berufliche Tätigkeit des RA, durch die das Interesse des Auftraggebers, sei es durch R a t (d.h. im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Partei), sei es durch B e i s t a n d (d.h. durch Wahrnehmung der Parteiinteressen nach außen neben oder anstelle der Partei) gefördert werden soll (BGH 5, 301; 7, 17). Nicht hierher gehört der Fall, daß ein Anwalt eine Partei p r i v a t , d.h. nicht in seiner Eigenschaft als Anwalt, berät (BGH 20, 41). Wann eine nur private Beratung vorliegt, läßt sich allerdings nicht immer ohne Schwierigkeiten feststellen. Die Beratung verliert insbesondere nicht schon dadurch ihren beruflichen Charakter, daß sie unentgeltlich und unverbindlich erfolgt. Hinzukommen muß, daß Einverständnis darüber besteht, daß der Anwalt weder der anwaltschaftlichen Verschwiegenheit unterworfen noch daran gehindert sein soll, auch die von ihm bisher vertretene (oder noch zu vertretende) Gegenseite weiter zu vertreten (BGH a.a.O.). d) Pflichtwidrig ist das Dienen in derselben Sache, wenn der Anwalt f ü r mehrere Beteiligte in e n t g e g e n g e s e t z t e m I n t e r e s s e tätig wird (BGH 7, 17; 18, 334). Ob ein Interessengegensatz vorliegt, ergibt sich aus dem Auftrag, den der Anwalt erhalten hat. Nur der Auftrag bestimmt den Umfang der Belange, mit deren Wahrnehmung der Anwalt betraut ist (BGH a.a.O.). Da § 356 in erster Linie das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Berufstreue des Anwalts schützt (vgl. Anm. 1), wird das Verbot der Vertretung gegensätzlicher Interessen durch das E i n v e r s t ä n d n i s d e r B e t e i l i g t e n grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Anders nur dann, wenn das Einverständnis die Gegensätzlichkeit der beiderseitigen Interessen völlig aufhebt, d . h . zur Folge hat, daß die f ü r die Gegenpartei entwickelte Tätigkeit in keiner Beziehung mehr gegen die Belange des ersten Auftraggebers gerichtet ist (BGH 16, 332, 336). Diese Voraussetzungen hegen z.B. dann vor, wenn ein Anwalt von beiden Seiten mit der Herbeiführung eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen beauftragt wird (RG 62, 289, 292) oder wenn zwei Parteien zwar entgegengesetzte Interessen haben, diese zunächst aber unausgetragen lassen und vorerst im Angriff oder in der Abwehr gegen einen Dritten zusammenstehen wollen (RG 71, 231ff.). In diesen Fällen beseitigt das Einverständnis der Parteien bereits den objektiven Tatbestand, nicht erst die Rechtswidrigkeit. 4. Der subjektive Tb. verlangt Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. Ein vorsatzausschließender T a t b e s t a n d s i r r t u m liegt z.B. vor, wenn der Anwalt sich eines früheren Auftrags nicht entsinnt oder wenn er glaubt, der frühere Auftrag habe sich auf einen anderen Streitstoff bezogen (BGH 7, 261). Der Vorsatz entfällt aber auch dann, wenn der Anwalt in Kenntnis aller Tatumstände infolge rechtsirriger Beurteilung der Belange seiner Auftraggeber den Interessengegensatz nicht erkennt (BGH 5, 301; 15, 338). Dagegen liegt ein V e r b o t s i r r t u m vor, wenn der

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§ 35V

Strafgesetzbuch

Anwalt in Kenntnis aller Umstände und im Bewußtsein des Interessengegensatzes irrig glaubt, seine Tätigkeit sei deshalb nicht pflichtwidrig, weil der frühere Prozeß formell erledigt ist oder weil sein früherer Mandant gegen das Überwechseln zur Gegenpartei keine Einwendungen erhoben hat (vgl. B G H 7, 17; 7, 261 ; 9, 341; 18, 195ff.). 5. Teilnahme ist nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 48—50) strafbar. Die Partei, die die pflichtwidrigen Dienste des Anwalts annimmt, macht sich jedoch nur dann der Anstiftung oder Beihilfe schuldig, wenn sie über die sogenannte notwendige Teilnahme hinausgeht, z . B . wenn sie den Anwalt durch ein Sonderhonorar zur Übernahme des Mandats bestimmt (vgl. R G 71, 114). Über die notwendige Teilnahme vgl. Vorbem. AT, Abschn. H VI, S. 59ff. 6. I d K . ist möglich mit §§ 266, 300.

§ 357

[Pflichtverletzung: e i n e s Amtsvorgresetzten]

(1) Ein Amtsvorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer strafbaren Handlung i m A m t e vorsätzlich verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche strafbare Handlung seiner Untergebenen wissentlich geschehen läßt, hat die auf diese strafbare Handlung angedrohte Strafe verwirkt. (2) Dieselbe Bestimmung findet a u f einen B e a m t e n Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Amtsgeschäfte eines anderen Beamten übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Beamten begangene strafbare Handlung die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft. 1. Täter kann nur ein A m t s v o r g e s e t z t e r sein ; es handelt sich somit um ein e c h t e s A m t s d e l i k t (vgl. Vorbem. 4 vor § 331). Gemäß Abs. 2 steht dem Amtsvorgesetzten der A u f s i c h t s b e a m t e eines Beamten gleich. 2. Die Vorschrift geht davon aus, daß jeder Amtsvorgesetzte (Abs. 1) bzw. Aufsichtsbeamte (Abs. 2) kraft seines Amts verpflichtet ist, alles zu tun, um strafbare Handlungen der ihm unterstellten bzw. von ihm zu beaufsichtigenden Beamten zu verhindern. Verstößt er gegen diese Pflicht, so handelt es sich nach § 357 um einen Sonderfall strafbarer Teilnahme, der den allgemeinen Teilnahmebestimmungen (§§ 48, 49, 49a) vorgeht (vgl. B G H 5, 165). Dies führt in aller Regel zu einer strengeren Bestrafung, da der Amtsvorgesetzte bzw. Aufsichtsbeamte immer als Täter zu beurteilen ist, so daß z . B . die Milderungsmöglichkeit gemäß § 49 Abs. 2 entfällt. 3. Eine strafbare Handlung im Amt i. S. der Vorschrift ist jede in Ausübung des Amts begangene strafbare Handlung, auch wenn sie nicht zu den Amtsdelikten des 28. Abschnitts gehört (BGH 3, 349). § 357 kommt daher auch dann in Betracht, wenn ein Beamter mit Wissen und Billigung seines Vorgesetzten in Ausübung seines Amts einen Totschlag oder Mord begeht, z . B . wenn ein Polizeibeamter im Laufe der Untersuchung einen unliebsamen Verbrecher, der der Polizei schon viel Ärger bereitet hat, „auf der Flucht" erschießt (BGH a.a.O.). 4. Die Tathandlung des Amtsvorgesetzten bzw. Aufsichtsbeamten besteht darin, daß er den ihm unterstellten Beamten zu der strafbaren Handlung entweder v e r l e i t e t (d.h. anstiftet) oder zu v e r l e i t e n u n t e r n i m m t . Unter die letztgenannte Alternative fallen alle Formen der versuchten Anstiftung, auch wenn sie — da keine Verbrechen — nicht unter den Anwendungsbereich von § 49a Abs. 1 fallen. Dem gleichgestellt ist der Fall, daß der Amtsvorgesetzte bzw. Aufsichtsbeamte eine in Ausübung des Amts begangene Straftat wissentlich g e s c h e h e n l ä ß t ; hierher gehören alle Formen der Beihilfe. 5. Der subjektive Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. 6. B e a c h t e § 358 (Nebenstrafen).

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Verbrechen und Vergehen im Amt

§§ 358,

359

7. Abschließendes Beispiel: Der Bürgermeister einer Gemeinde duldet, daß der Gemeinderechner aus der ihm anvertrauten Gemeindekasse zur Abdeckung eigener Schulden einen größeren Geldbetrag entnimmt. Hier macht sich nicht nur der Gemeinderechner, sondern auch der Bürgermeister eines Vergehens der Amtsunterschlagung (§ 350) schuldig, obwohl ihm selbst die Kasse nicht anvertraut war, er daher ohne die Sonderbestimmung des § 357 gemäß § 50 Abs. 3 nur wegen Beihilfe zur einfachen Unterschlagung bestraft werden könnte (vgl. § 350 Anm. 8). § 3 5 8

[Amtsunfähigrkeit]

Neben einer nach den Vorschriften der §§ 332, 334 Abs. 1, §§ 336, 340, 341, 343, 344, 345 Abs. 1, § 346 bis 348, 350 bis 353b, 353d bis 355, 357 erkannten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann auf den Verlust der Fähigkeit, öffentliche Amter zu bekleiden, erkannt werden. 1. Die durch das 1. StrRG mit Wirkung v. 1. 4. 1970 neu gefaßte Vorschrift bringt gegenüber der früheren Fassung eine Einschränkung insoweit, als auf Amtsunfähigkeit nur neben einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten erkannt werden darf. Andererseits wurden die Tatbestände, bei deren Verwirklichung neben der Strafe auf Amtsunfähigkeit erkannt werden darf, erheblich erweitert. 2. Die Nebenstrafe kann auch gegen A n s t i f t e r und G e h i l f e n ausgesprochen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Beamte oder Nichtbeamte handelt. § 359

[Begriff des Beamten]

Unter Beamten im Sinne dieses Strafgesetzes sind zu verstehen alle im unmittelbaren oder mittelbaren inländischen Staatsdienst auf Lebenszeit, auf Zeit oder nur vorläufig angestellte Personen, ohne Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet haben oder nicht, ferner Notare, nicht aber Anwälte. 1. Der in § 359 festgelegte Begriff des Beamten gilt für den g e s a m t e n B e r e i c h des S t r a f r e c h t s , also nicht nur für die Tatbestände des 28. Abschnitts. Er ist w e i t e r als der s t a a t s r e c h t l i c h e B e a m t e n b e g r i f f und erfaßt demzufolge nicht nur solche Personen, die nach Beamtenrecht formell in ein Beamtenverhältnis beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder Gebietskörperschaft oder bei einer Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts berufen worden sind. Während es jedoch bei Beamten im staatsrechtlichen Sinn unerheblich ist, welche Dienste sie leisten, sind die übrigen Bediensteten des öffentlichen Dienstes nur dann Beamte i. S. von § 359, wenn die zuständige Stelle ihnen durch einen öffentlich-rechtlichen Akt Tätigkeiten übertragen hat, die aus der S t a a t s g e w a l t a b g e l e i t e t sind und s t a a t l i c h e n Zwecken d i e n e n (vgl. BGH 6, 17; 8, 22, 273, 321). Hieran fehlt es bei absolut untergeordneten Hilfstätigkeiten, die mit der eigentlichen hoheitlichen Tätigkeit der Behörde in keinem Zusammenhang stehen, z.B. bei der Tätigkeit eines Wagenwäschers oder einer Putzfrau (vgl. BGH 8, 323). Unerheblich ist dagegen die A r t des A n s t e l l u n g s v e r h ä l t n i s s e s . Dieses kann auch privatrechtlicher Natur und nur für vorübergehende Dauer bestimmt sein. 2. Beispiele: a) Bejaht wird die Beamteneigenschaft für alle P o s t - und B a h n b e d i e n s t e t e n , soweit ihre Tätigkeit mit den hoheitlichen Aufgaben von Post und Bahn in Zusam menhang steht, z.B. für Postfacharbeiter, die im Bahnpostbegleitdienst verwendet werden (BGH 8, 321), Schalterbeamte, Briefträger, Paketzusteller, Postagenten und Bahnsteigschaffner, ferner für die Angestellten der K r a n k e n k a s s e n und ähnlicher Institute der Sozialversicherung (BGH 6, 17), für Angestellte der B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n (BGH 6, 276), der U n i v e r s i t ä t e n (RG 74, 251), der

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§ 359

Strafgesetzbuch

A r b e i t s ä m t e r (RG 70, 235), der W o h n u n g s ä m t e r (OLG F f m N J W 51, 852), f ü r Mitglieder einer städtischen W o h n u n g s k o m m i s s i o n (BGH 8, 22), f ü r Angestellte der S t a a t s a n w a l t s c h a f t e n , G e r i c h t e und P o l i z e i d i e n s t s t e l l e n . b) Verneint wird die Beamteneigenschaft f ü r G e i s t l i c h e und K i r c h e n b e d i e n s t e t e , die seit der Trennung von Kirche und Staat im allgemeinen nur kirchliche, nicht auch staatliche Aufgaben erfüllen. (Dagegen ist die Beamteneigenschaft zu bejahen f ü r Kirchenbedienstete, die an der Verwaltung des Vinter staatlicher Aufsicht stehenden Kirchenvermögens mitwirken, vgl. BGH 8, 273.) Nicht zu den Beamten i. S. der Vorschrift gehören ferner Schöffen, Geschworene und sonstige L a i e n o r g a n e d e r G e r i c h t s b a r k e i t , die in §334 ausdrücklich neben den Beamten genannt werden, was darauf schließen läßt, daß der Gesetzgeber sie nicht als Beamte behandelt wissen will (BGH 5, 100). Auch V o r m ü n d e r (RG 39, 204), I n n u n g s o b e r m e i s t e r (RG 72, 290), nicht beamtete G e f ä n g n i s ä r z t e (RG 33, 29), A b g e o r d n e t e (BGH 5, 106) und W a h l v o r s t e h e r (BGH 12, 108) sind keine Beamten im strafrechtlichen Sinn. 3. S u b j e k t i v ist bei allen Amtsdelikten erforderlich, daß der Täter seine Beamteneigenschaft kennt. Diese ist ein Merkmal des objektiven Tatbestands und muß daher vom Vorsatz des Täters umfaßt werden. Der Täter muß wissen, daß der Betrieb, in dem er arbeitet, eine Betätigung der Staatsgewalt darstellt, und daß er selbst Tätigkeiten zu verrichten hat, die gerade der Erfüllung dieser Aufgaben dienen und nicht nur allgemeine, untergeordnete Hilfstätigkeiten ohne Zusammenhang mit den eigentlichen hoheitlichen Aufgaben sind (BGH 8, 321, 323). Siehe auch Vorbem. 5 vor § 331 und § 43 Anm. I I I 2 b.

Neunundzwanzigster Abschnitt: Übertretungen (§§ 360—370) Vorbemerkungen 1. Übertretung ist jede strafbare Handlung, für die als zulässige Höchststrafe Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen oder G e l d s t r a f e bis zu 500,— DM angedroht ist (vgl. § 1 Abs. 2). 2. Der 29. Abschnitt enthält nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl der Übertretungen. Weitere Übertretungen finden sich vor allem in N e b e n g e s e t z e n . Verschiedene Übertretungen sind in den letzten Jahren zu O r d n u n g s w i d r i g k e i t en umgewandelt worden. Dies entspricht der allgemeinen Tendenz, den Übertretungen den Charakter kriminellen Unrechts zu nehmen. 3. Die V o r s c h r i f t e n d e s A l l g e m e i n e n T e i l s sind grundsätzlich auch bei den Übertretungen anwendbar, jedoch mit folgenden B e s o n d e r h e i t e n : a) I m A u s l a n d begangene Übertretungen sind grundsätzlich straflos (§ 6). b) Das H ö c h s t m a ß d e r S t r a f e (vgl. Anm. 1) darf unter keinen Umständen überschritten werden. §§ 27 a, 27 b finden keine Anwendung. c) Auf E i n z i e h u n g kann nur in den besonders bezeichneten Fällen erkannt werden (vgl. §§ 360 Abs. 2, 367 Abs. 2). § 40 findet keine Anwendung. d) V e r s u c h , B e i h i l f e und B e g ü n s t i g u n g e n sind bei Übertretungen nicht strafbar. e) H a t die Übertretung polizeirechtlichen Charakter, d.h. dient die Vorschrift der Verhütung von Gefahren f ü r die Allgemeinheit, so genügt i. d . R . F a h r l ä s s i g k e i t auch in den Fällen, in denen das Gesetz dies nicht besonders hervorhebt. f) Die V e r j ä h r u n g s f r i s t e n sind kürzer (vgl. §§ 67 Abs. 3, 70 Abs. 1 Nr. 6). g) Bei mehrfach verwirkten Freiheitsstrafen darf die Gesamtstrafe 3 Monate nicht übersteigen (§ 75 Abs. 2 Satz 3).

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Übertretungen

§ 360

h) Übertretungen werden nicht verfolgt, wenn die Schuld des Täters gering ist, es sei denn, daß ein ö f f e n t l i c h e s I n t e r e s s e an der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung besteht (§ 153 I StPO). i) Eine Mitteilung an das S t r a f r e g i s t e r erfolgt nur bei Übertretungen gemäß § 361 (vgl. § 2 I I I StrafRegVO) oder wenn auf eine Freiheitsstrafe oder neben der Strafe auf eine Haßregel der Sicherung und Besserung, z.B. auf Entziehung der Fahrerlaubnis, erkannt wird (vgl. § 2 I V StrafRegVO).

§ 360 (1) Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen wird bestraft, 1. (weggefallen) 2. wer außerhalb seines Gewerbebetriebes heimlich oder wider das Verbot der Behörde Vorräte von Waffen oder Schießbedarf aufsammelt; 3. (weggefallen) 4. wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von Metall- oder Papiergeld, oder von solchen Papieren, welche nach § 149 dem Papiergeld gleichgeachtet werden, oder von Stempelpapier, Stempelmarken, Stempelblanketten, Stempelabdrücken, Postwertzeichen, öffentlichen Bescheinigungen oder Beglaubigungen dienen können, anfertigt oder an einen anderen als die Behörde verabfolgt; 5. wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde den Abdruck der in Nummer 4 genannten Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder Formen oder einen Druck von Formularen zu den daselbst bezeichneten öffentlichen Papieren, Beglaubigungen oder Bescheinigungen unternimmt oder Abdrücke an einen anderen als die Behörde verabfolgt; 6. wer Warenempfehlungskarten, Ankündigungen oder andere Drucksachen oder Abbildungen, welche in der Form oder Verzierung dem Papiergeld oder den dem Papiergeld nach § 149 gleichgeachteten Papieren ähnlich sind, anfertigt oder verbreitet, oder wer Stempel, Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigimg von solchen Drucksachen oder Abbildungen dienen können, anfertigt; 7. wer ohne ausdrückliche Ermächtigung der zuständigen Behörde das Wappen des Bundes oder eines Landes oder den Bundesadler oder den entsprechenden Teil eines Landeswappens führt oder gebraucht, oder wer unbefugt eine Dienstflagge des Bundes oder eines Landes gebraucht; den Wappen, Wappenteilen und Flaggen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind; 8. wer gegenüber einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Beamten oder einem zuständigen Soldaten der Bundeswehr über seinen Namen, seinen Stand, seinen Beruf, sein Gewerbe, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert; 9. wer gesetzlichen Bestimmungen zuwider ohne Genehmigung der Staatsbehörde Aussteuer-, Sterbe- oder Witwenkassen, Versicherungsanstalten oder andere dergleichen Gesellschaften oder Anstalten errichtet, welche bestimmt sind, gegen Zahlung eines Einkaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeiträgen beim Eintritt gewisser Bedingungen oder Fristen Zahlungen an Kapital oder Rente zu leisten; 10. (weggefallen)

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§ 360

Strafgesetzbuch

11. wer ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben Unfug verübt; 12. wer als Pfandleiher oder Rückkaufshändler bei Ausübung seines Gewerbes den darüber erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt, insbesondere den durch Landesgesetz oder Anordnung der zuständigen Behörde bestimmten Zinsfuß überschreitet. (2) In den Fällen der Nummern 2, 4, 5, 6 kann auf Einziehung der Vorräte von WaiFen oder Schießbedarf, der Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder anderen Formen, der Abdrücke oder Abbildungen erkannt werden. Zu Nr. 4 und 5: Diese Bestimmungen sollen Münzverbrechen, Urkundenfälschungen und Stempelvergehen (§§ 275f.) verhüten. Sie finden daher keine Anwendung, wenn die Bestrafung gemäß §§ 146fF., 151, 267, 275 erfolgt. Wegen E i n z i e h u n g siehe Abs. 2. Nr. 6 will das Anfertigen oder Verbreiten sog. B l ü t e n verhindern. Nicht hierher gehören sehr stark verkleinerte Abbildungen von Banknoten, wenn selbst bei nur oberflächlicher Prüfung jede Verwechslungsgefahr fernliegt (BayObLG J R 67, 105). Wegen E i n z i e h u n g siehe Abs. 2. Zu Nr. 7 (Wappenmißbrauoh) siehe auch § 96 Abs. 2 und die Ausführungen hierzu. Die in Nr. 8 unter Strafe gestellte Namensverweigerung bzw. falsche Namensangabe ist eine der häufigsten Übertretungen in der täglichen Polizeipraxis und oft mit einem Widerstand gegen die Staatsgewalt verbunden. a) Die Personalien müssen nur insoweit vollständig und richtig angegeben werden, als § 360 Nr. 8 dies verlangt. Nicht s t r a f b a r ist daher, wer die Angaben über seine Einkommensverhältnisse, Eltern, Vorstrafen usw. verweigert oder insoweit falsche Angaben macht. b) Die Angabe der Personalien können u . a . verlangen: Polizeibeamte (auch Wasserschutz- und Bahnpolizei), Standesbeamte, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (RG 72, 30), Vernehmungsrichter (RG 72, 30), nicht dagegen Briefträger (RG 17, 224). c) Die Z u s t ä n d i g k e i t des Beamten ist kein Tatbestandsmerkmal (so jedoch BayObLG J R 65, 349), sondern ebenso wie bei den strukturell verwandten §§ 110, 113, 116 eine obj. Bedingung der Strafbarkeit, die nicht vom Vorsatz des Täters u m f a ß t sein muß (vgl. Dreher J R 65, 349, Schwarz-Dreher Anm. 8 A c, a. A. SchönkeSchröder R n . 28a). d) Ergänzend zu beachten sind § 132 a StGB und § 5 Ges. üb. d. Führung a k a d . Grade vom 7. 6. 1939 (RGBl. I 985) sowie § 3 Ges. üb. Personalausweise vom 19. 12. 1950 (BGBl. I 807), zuletzt geändert durch Ges. v. 2. 5. 1963 (BGBl. I 292) und v. 26. 11. 1964 (BGBl. I 921). Zu Nr. 9 siehe § 140 AVG. Zu Nr. 11: 1. Der Tb. des ruhestörenden Lärms setzt im einzelnen voraus, a) daß der Lärm geeignet ist, die R u h e (nicht notwendig Nachtruhe) einer u n b e s t i m m t e n M e h r h e i t von Personen zu stören. Unerheblich ist, ob sich tatsächlich jemand in seiner Ruhe gestört fühlt (abstraktes Gefährdungsdelikt). Nicht ausreichend ist dagegen die Belästigung eines individuell abgegrenzten Personenkreises, z.B. der Mitbewohner eines Hauses. b) daß der Lärm u n g e b ü h r l i c h e r w e i s e , d.h. ohne rechtfertigenden Anlaß, erregt wird. Auch der Lärm, der mit dem Betrieb eines erlaubten oder von der zuständigen Behörde genehmigten Gewerbes verbunden ist, kann ungebührlich sein. Das Recht zum Betrieb eines Gewerbes mit dem dadurch verursachten Lärm findet

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Übertretungen

§361

nämlich seine Grenzen in den berechtigten Interessen der Allgemeinheit. Der Lärm ist insbesondere dann ungebührlich, wenn geräuschvolle Arbeiten, die bei Tag ausgeführt werden können und üblicherweise ausgeführt werden, zur Nachtzeit ausgeführt werden (vgl. OLG H a m m B B 57, 92; BB 60, 1112 und LG Bad Kreuznach B B 63, 93 betr. ruhestörenden Lärm durch Entladen, wiederholtes Starten mehrerer Lastzüge bei Nacht). Ungebührlich ist auch der Lärm, der dadurch entsteht, daB ein Kraftfahrer zur Nachtzeit, um jemanden zu suchen oder um mit Dirnen Kont a k t aufzunehmen, mehrmals durch bestimmte Straßen eines Wohnviertels hinund herfährt (OLG Stgt D J 66, 77, OLG H a m m N J W 67, 1924, OLG CeUe VerkMitt. 1969 Nr. 50). c) W e i t e r e B e i s p i e l e : nächtliches Klavierspiel bei offenem Fenster, lautes Singen in bewohnten Gegenden, fortgesetztes Hundegebell, sofern hierdurch eine imbestimmte Mehrheit von Personen belästigt wird (siehe oben a). 2. Der Tb. des groben Unfugs setzt voraus, daß die Handlung nach der konkreten Lage des Falles geeignet ist, die A l l g e m e i n h e i t , d . h . eine unbestimmte Mehrheit von Personen, zu b e l ä s t i g e n , zu b e u n r u h i g e n oder zu g e f ä h r d e n oder auf andere Weise den äußeren B e s t a n d d e r ö f f e n t l i c h e n O r d n u n g z u stören. a) Auf die Frage, ob die ungebührliche Handlung von Dritten wahrgenommen wurde oder wahrgenommen werden konnte, kommt es nur in den Fällen an, in denen die Belästigung des Publikums gerade in der Beobachtung der ungebührlichen Handlung liegt oder die Beobachtungsmöglichkeit die Belästigung zumindest schwerwiegender erscheinen läßt (OLG H a m m N J W 66, 2420). b) Die in letzter Zeit stark umstrittene Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift wurde inzwischen durch Beschl. d. BVerfG v. 14. 5. 1969 (NJW 69, 1759) bejaht. Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht verletzt. Der Wortlaut der Strafbestimmung läßt zwar eine weite Auslegung zu; die Vorschrift gehört jedoch zum überlieferten Bestand an Strafrechtsnormen und ist durch eine jahrzehntelange Rechtsprechung hinreichend präzisiert (BVerfG a.a.O.). c) Als grober Unfug werden beispielsweise angesehen: Schlägereien in Gastwirtschaften und auf offener Straße, öffentliches Nacktbaden, grundlose Alarmierung von Feuerwehr, Polizei (BGH 13, 241) und Bereitschaftsärzten (vgl. OLG Celle J R 64, 391 m . Anm. Schröder), Beschmieren von Häuserfronten, Straßen und Denkmälern mit politischen Parolen und Symbolen (vgl. OLG F f m N J W 56, 1889 betr. Hakenkreuz an einer Balkonwand), Demonstrationen gegen eine genehmigte Filmaufführung (OLG H a m m MDR 52, 566), hartnäckige Verfolgung fremder Frauen oder Mädchen, nicht dagegen die Warnung anderer Verkehrsteilnehmer vor polizeilichen Geschwindigkeitskontrollen (OLG Ddf J Z 60, 258). Bestritten ist, ob nächtliche Störanrufe bei bestimmten Personen als grober Unfug angesehen werden können. Die Frage dürfte wohl zu verneinen sein, da in diesem Fall nicht die Allgemeinheit als solche belästigt wird (Schönke-Schröder R n . 49; a.A. LG H b g MDR 64, 630). I n Betracht kommen jedoch §§ 223, 266 a (vgl. LG H b g a.a.O.). 3. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Dieser muß sich aber nur auf die Vornahme der Handlung als solcher erstrecken. Hinsichtlich des Erfolgs (Belästigung der Allgemeinheit, Störung der öffentlichen Ordnung) genügt F a h r l ä s s i g k e i t (OLG F f m N J W 56, 1889; BayObLG MDR 60, 697, OLG H a m m N J W 66, 2420).

§

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Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen wird bestraft, 1. wer, nachdem er unter Polizeiaufsicht gestellt worden ist, den infolge derselben i h m auferlegten Beschränkungen zuwiderhandelt;

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Strafgesetzbuch

2. (weggefallen) 3. wer als Landstreicher umherzieht; 4. wer bettelt oder Kinder z u m Betteln anleitet oder ausschickt; 5. wer sich d e m Spiel, T r u n k oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß er in einen Zustand gerät, in welchem zu seinem Unterhalt oder z u m U n t e r halt derjenigen, zu deren E r n ä h r u n g er verpflichtet ist, durch Vermittlung der Behörde f r e m d e Hilfe in Anspruch g e n o m m e n werden m u ß ; 6. wer öffentlich in auffälliger Weise oder in einer Weise, die geeignet ist, einzelne oder die Allgemeinheit zu belästigen, zur Unzucht auffordert oder sich dazu anbietet; 6 a. wer gewohnheitsmäßig z u m E r w e r b Unzucht treibt u n d diesem E r werb in der Nähe von Kirchen oder in einer W o h n u n g nachgeht, in der Kinder oder jugendliche Personen zwischen drei u n d achtzehn J a h r e n wohnen; 6 b. wer gewohnheitsmäßig z u m E r w e r b U n z u c h t treibt u n d diesem E r werb in der Nähe von Schulen oder anderen z u m Besuch d u r c h Kinder oder Jugendliche bestimmten Örtlichkeiten oder in einem Hause, in dem Kinder oder jugendliche Personen zwischen drei u n d a c h t z e h n J a h r e n wohnen, in einer diese Minderjährigen sittlich gefährdenden Weise n a c h geht; 6 c. wer gewohnheitsmäßig z u m Erwerb U n z u c h t treibt u n d diesem E r werb in einer Gemeinde oder in einem Bezirk einer Gemeinde nachgeht in denen die Ausübung der Gewerbsunzucht d u r c h Rechtsverordnung verboten ist; 7. wer, w e n n er a u s öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung e m p f ä n g t , sich a u s Arbeitsscheu weigert, die i h m von der Behörde angewiesene, seinen K r ä f t e n angemessene Arbeit zu verrichten; 8. wer n a c h Verlust seines bisherigen U n t e r k o m m e n s binnen der i h m von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweitiges U n t e r k o m m e n verschafft h a t u n d a u c h nicht nachweisen k a n n , daß er solches der von i h m angewandten B e m ü h u n g e n ungeachtet nicht vermocht habe; 9. wer einen noch nicht Achtzehnjährigen, dessen Beaufsichtigung i h m obliegt, nicht gehörig beaufsichtigt, w e n n der zu Beaufsichtigende eine als Übertretung mit Strafe bedrohte H a n d l u n g begeht, die der Aufsichtspflichtige durch gehörige Aufsicht h ä t t e verhindern k ö n n e n . § 143 Abs. 2 ist anzuwenden. Wegen Polizeiaufsicht (Nr. 1) siehe §§ 38, 39. Zu Nr. 3 (Landstreicherei): 1. Als Landstreicher zieht umher, wer aus einem eingewurzelten Hang ohne die Absicht redlichen Erwerbs unter ständigem Wechsel des Nachtquartiers von Ort zu Ort umherstreift und dabei anderen zur Last fällt, indem er seinen Lebensunterhalt durch fremde Mildtätigkeit, Betteln oder geringfügige Straftaten bestreitet, die zur unmittelbaren Befriedigung einfacher Lebensbedürfnisse bestimmt sind (BGH 4, 52). 2. Neben der eigentlichen Strafe konnte früher die Unterbringung in einem A r b e i t s h a u s angeordnet werden (vgl. § 42d). Diese Möglichkeit ist jetzt durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. 9. 1969 in Wegfall gekommen. Zu Nr. 4 (Betteln): 1. Der B e g r i f f d e s B e t t e i n s ist im Gesetz nicht definiert und aus dem Sinn des täglichen Lebens zu bestimmen. Als Bettler ist anzusehen, wer die Mildtätigkeit einer beliebigen, mit ihm durch keine persönlichen Beziehungen verbundenen Per-

560

Übertretungen

§

361

son in Anspruch nimmt, indem er diese zur Linderung seiner eigenen Hilfsbedürftigkeit oder der Hilfsbedürftigkeit einer ihm nahestehenden Person u m eine Gabe bittet. 2. Vom Betteln ist das S a m m e l n zu unterscheiden. Wer die Wohltätigkeit im Interesse fremder, mit ihm durch keine persönlichen Beziehungen verbundener Personen in Anspruch nimmt, bettelt nicht, sondern sammelt (OLG Köln N J W 61, 2172). Ist die Sammlung nicht genehmigt, so ergibt sich die Strafbarkeit aus den landesrechtlichen Sammlungsgesetzen, z.B. in Baden-Wttbg aus dem SammlungsG v. 13. 1. 1969 (GBl. 69, 1). 3. K e i n B e t t e l n liegt vor, wenn jemand eine caritative Einrichtung in Anspruch nimmt, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, mittellose Personen zu unterstützen, oder wenn er Verwandte und Bekannte angeht. 4. Die 2. Alt. des Tb. bestraft denjenigen, der K i n d e r z u m B e t t e l n a n l e i t e t o d e r a u s s c h i c k t . Kinder sind Personen unter 14 Jahren. 5. Neben der Strafe konnte früher auf A r b e i t s h a u s erkannt werden (vgl. § 42d). Diese Möglichkeit wurde durch das 1. StrRG mit Wirkung v. 1. 9. 1969 beseitigt. 6. I d K . ist möglich mit Landstreicherei sowie mit Betrug (vgl. § 263 Anm. V 3b). Zu Nr. 5: Die Verwahrlosung darf nicht nur ein vorübergehender Zustand sein. Zu Nr. 6—6c (Unzucht): 1. Die Gewerbsunzucht (sog. Prostitution) ist als solche nur bei der gleichgeschlechtlichen Unzucht unter Männern straf bar (vgl. § 175 Nr. 3). Bietet sich eine Frau zur Unzucht an, so ist dies nur unter den Voraussetzungen der §§ 361 Nr.6—6 c strafbar. 2. Über U n z u c h t siehe § 174 Anm. 1. 3. Zu Nr. 6: a) Ein A u f f o r d e r n liegt nicht nur dann vor, wenn die aufzufordernde Person angesprochen wird; die Aufforderung kann auch durch Zeichen oder Gesten zum Ausdruck gebracht werden. b) Als A n b i e t e n genügt bereits der sog. Straßenstrich, d.h. das Herumstehen oder Auf- und Abgehen an bestimmten Straßen oder Plätzen. c) Ö f f e n t l i c h ist das Auffordern oder Anbieten bereits dann, wenn die Möglichkeit besteht, daß der Vorgang von einer unbestimmten Anzahl von Personen wahrgenommen wird, ohne daß der Täter in der Lage wäre, dies zu verhindern. Nicht erforderlich ist, daß tatsächlich jemand an Ort und Stelle ist, der den Vorfall wahrnimmt und daran Anstoß nimmt (BGH 10, 194). d) A u f f ä l l i g i s t n i c h t s c h o n d e r S t r a ß e n s t r i c h a l s s o l c h e r . Zu dem Herumstehen oder Auf- und Abgehen müssen vielmehr noch Umstände hinzutreten, die das Anbieten zur Unzucht als „anreißerisch" erscheinen lassen, etwa wenn sich eine Dirne besonders auffällig kleidet oder „ihr Angebot durch Anlächeln oder Anstarren ihr begegnender Männer, durch die Art ihres Ganges, durch geschlechtlich zu deutende Gesten oder in ähnlicher Weise unterstreicht" (BGH I I , 280, 282). Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Dirne sich darauf beschränkt, von einem P K W aus einen auf der Straße stehenden Mann durch Zunicken oder eine sonstige Kopfbewegung auf sich aufmerksam zu machen (OLG F f m N J W 67, 2021). e) G e w o h n h e i t s m ä ß i g k e i t ist hier (anders als bei §§ 361 Nr. 6a—c) nicht erforderlich. f) Der subj. Tb. erfordert V o r s a t z . Die Dirne muß sich auch bewußt gewesen sein, daß ihr Verhalten auffällig, d.h. geeignet war, das Anbieten zur Unzucht in besonderer Weise zu unterstreichen (OLG H a m m N J W 68, 1976; bestr.). 36

Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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§§ 3 6 3 , 3 6 3

Strafgesetzbuch

g) I d K . ist möglich mit §§ 175 N r . 3, 183, 185. h) Nachdem § 4 2 d mit W i r k u n g vom 1. 9. 1969 durch das 1. S t r R G aufgehoben wurde, ist die Unterbringung in einem A r b e i t s h a u s jetzt nicht mehr möglich. 4. Nr. 6a stellt die Gewerbsunzucht in der Nähe von K i r c h e n oder in W o h n u n g e n unter Strafe, in denen K i n d e r oder J u g e n d l i c h e im Alter von 3—18 J a h ren wohnen. Hierher gehört auch der Fall, d a ß eine Dirne in Gegenwart ihres eigenen Kindes der Unzucht n a c h g e h t (siehe auch § 170d). 5. Nr. 6b schützt K i n d e r u n d Jugendliche von 3—18 J a h r e n vor sittlicher Gefährdung. Neben den im Gesetz genannten Schulen k o m m e n vor allem J u g e n d u n d Kinderheime sowie Spiel- u n d Sportplätze in B e t r a c h t . Das Verbot beschränkt sich jedoch dem Sinn der Vorschrift entsprechend auf die Zeiten, in der die Schule usw. tatsächlich von Kindern oder Jugendlichen besucht wird. 6. Nr. 6 c schützt kleinere Orte vor sittlicher Verwahrlosung. Das landesrechtlich durch Rechtsverordnung angeordnete Verbot der Gewerbsunzucht in Gemeinden u n t e r 20000 Einwohnern ist nicht auf das bewohnte oder bebaute Gebiet der Gemeinde beschränkt. E s erstreckt sich vielmehr auf sämtliche zur Gemeinde gehörende Grundstücke (OLG Stgt D J 68, 50). Nicht erforderlich ist die Absicht, m i t mehreren Parsonen z u m E r w e r b Unzucht z u treiben. Der Tb. ist vielmehr schon d a n n erfüllt, wenn sich eine F r a u , ohne selbst zu arbeiten, von ihrem „festen Verhältnis", z . B . einem Soldaten, gegen laufende Gewährung des Geschlechtsverkehrs aushalten läßt (vgl. OLG Neustadt N J W 55, 1729). Auf Grund der E r mächtigung des Art. 2 des 5. S t r a f R Ä n d G v. 24. 6. 60 haben die zuständigen Verwaltungsbehörden die Möglichkeit, durch Verordnungen sog. S p e r r b e z i r k e z u bestimmen, innerhalb deren die Gewerbsunzucht nicht ausgeübt werden darf. Eine solche VO h a t nicht n u r polizeilichen, sondern strafrechtlichen Charakter, so daß ein Normenkontrollverfahren vor dem V G H unzulässig ist (VGH Mannheim N J W 68, 2076). Zuständige Verwaltungsbehörde sind die Landesregierungen, die jedoch das Recht haben, ihre Zuständigkeit auf die höheren Verwaltungsbehörden (z.B. Regierungspräsidien) zu übertragen. Zu Nr. 7, 8: Auch bei Arbeitsscheu u n d Obdachlosigkeit ist eine Unterbringung in einem A r b e i t s h a u s oder A s y l nach A u f h e b u n g des § 4 2 d jetzt nicht m e h r möglich. Nr. 9 (Verletzung der Aufsichtspflicht) entspricht der in § 143 getroffenen Regelung. Die Begehung einer als Ü b e r t r e t u n g m i t Strafe bedrohten H a n d l u n g durch den ungenügend beaufsichtigten Jugendlichen ist eine obj. Bedingung der S t r a f b a r k e i t , auf die sich die Schuld des Täters nicht beziehen m u ß (vgl. § 143 Anm. 2). § 363

[Arbeitszwang:]

Die Vorschrift wurde durch das 1. S t r R G m i t W i r k u n g v. 1. 4. 1970 aufgehoben. § 363

[Militärisches Sperrgrelände]

Mit Geldstrafe bis z u f ü n f h u n d e r t Deutsche Mark oder m i t Freiheitsstrafe bis z u sechs W o c h e n wird bestraft, w e r einem Verbot der zuständigen Dienststelle zuwider eine militärische Einrichtung oder A n l a g e oder eine Örtlichkeit betritt, die a u s Sicherheitsgründen zur Erfüllung dienstlicher A u f g a b e n der Bundeswehr gesperrt ist. 1. § 363 bringt eine E r g ä n z u n g der §§ 109e, 109g. 2. Z u s t ä n d i g z u m E r l a ß d e s V e r b o t s sind n u r Dienststellen der Bundeswehr, nicht auch Polizeidienststellen. Unerheblich ist die A r t der B e k a n n t m a c h u n g (schriftlich, mündlich, Presse, R u n d f u n k ) .

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Übertretungen

§§ 364—366

3. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Der Täter muß wissen, daß er militärisches Sperrgebiet betritt. Bedingter Vorsatz genügt. 4. I d K . ist möglich mit §§ 109e, 109g, 123.

§ 364

[Veräußerung? gebrauchter Stempelmarken und Postwertzeichen] (1) Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark wird bestraft, wer wissentlich schon einmal verwendetes Stempelpapier nach gänzlicher oder teilweiser Entfernung der darauf gesetzten Schriftzeichen oder schon einmal verwendete Stempelmarken, Stempelblankette oder ausgeschnittene oder sonst abgetrennte Stempelabdrücke der in § 276 bezeichneten Art veräußert oder feilhält. (2) Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher wissentlich schon einmal verwendete Postwertzeichen nach gänzlicher oder teilweiser Entfernung des Entwertungszeichens veräußert oder feilhält. § 364 bringt eine Ergänzung der §§ 275, 276. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

§ 365

[Übertretung: der Polizeistunde]

Die früher hier geregelte Materie findet sich heute in § 29 Nr. 6 und 7 GaststättenG. Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen und mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer 6. als Gast in einer Schankwirtschaft, den Schankräumen einer Gastwirtschaft, in einer Speisewirtschaft oder an einem öffentlichen Vergnügungsort über die Polizeistunde hinaus verweilt, obwohl der Inhaber oder dessen Vertreter oder ein Polizeibeamter ihn aufgefordert hat, wegzugehen. 7. als Inhaber einer Gast- oder Schank- oder Speisewirtschaft oder eines öffentlichen Vergnügungsorts oder als Vertreter des Inhabers duldet, daß ein Gast über die Polizeistunde hinaus in den Schankräumen oder an dem Vergnügungsorte verweilt.

§ 366 Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu vierzehn Tagen wird bestraft, 1. wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Festtage erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt; 2 . - 5 . [aufgehoben durch das EGOWiG v. 24. 5. 1968] 6. wer Hunde auf Menschen hetzt; 7. wer Steine oder andere harte Körper oder Unrat auf Menschen, auf Pferde oder andere Zug- oder Lasttiere, gegen fremde Häuser, Gebäude oder Einschließungen oder in Gärten oder eingeschlossene Bäume wirft; 8. wer nach einer öffentlichen Straße oder Wasserstraße oder nach Orten hinaus, wo Menschen zu verkehren pflegen, Sachen, durch deren Umstürzen oder Herabfallen jemand beschädigt werden kann, ohne gehörige Befestigung aufstellt oder aufhängt oder Sachen auf eine Weise ausgießt oder auswirft, daß dadurch jemand beschädigt oder verunreinigt werden kann; 9. [aufgehoben durch das EGOWiG v. 24. 5. 19681 36'

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§§ 366a,

367

Strafgesetzbuch

10. wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Buhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt. Z u Nr. 1 (Störung der Sonntagsruhe): Welche Tage Festtage (Feiertage) sind, richtet sich nach Bundes- und Landesrecht. § 366 Nr. 1 enthält nur eine sog. Blankettvorschrift. Z u Nr. 6 (Hetzen von H u n d e n ) : Wird ein Mensch gebissen, so kommt I d K . mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223a) in Betracht. Z u Nr. 7 ( W e r f e n von Steinen usw.): Unrat sind nicht nur ekelerregende Stoffe, sondern alle Gegenstände, die geeignet sind, Menschen, Tiere, Häuser usw. zu verunreinigen (z.B. Farbe oder Kalk). Beim Werfen „auf" Menschen und Tiere ist nicht erforderlich, daß der Wurf trifft, anders beim Werfen „gegen" Häuser usw. oder „in" Gärten. Subjektiv ist in allen Fällen V o r s a t z erforderlich. I d K . ist möglich mit Körperverletzung und Sachbeschädigung. Nr. 8 schützt das Publikum auf der Straße vor Beschädigung oder Verunreinigung durch herunterfallende Blumentöpfe, heruntertropfendes Gießwasser usw. Subjektiv genügt Fahrlässigkeit. I d K . k o m m t vor allem mit fahrlässiger Körperverletzung in Betracht. Z u Nr. 10: Diese Bestimmung ist überholt, soweit die Materie durch die speziellen Bestimmungen der StVO und StVZO i.V. mit § 24 StVG geregelt ist. Sie behält jedoch ihre Bedeutung, soweit es sich um Wasserstraßen oder ortspolizeiliche Bestimmungen betr. Reinigung von Straßen, Wegen usw. handelt. Subjektiv genügt Fahrlässigkeit. § 366a.

[Uferschutzverordnungren]

Wer die zum Schutze der Dünen und der Fluß- und Meeresufer sowie der auf denselben vorhandenen Anpflanzungen und Anlagen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu f ü n f h u n d e r t Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft. §

36V

(1) Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen wird bestraft, 1. wer ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder beiseite schafft; 2. wer den polizeilichen Anordnungen über vorzeitige Beerdigungen entgegenhandelt; 3. wer ohne polizeiliche Erlaubnis Gift oder Arzneien, soweit der Handel mit denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verkauft oder sonst a n andere überläßt; 4. [aufgehoben durch das SprengstoffG v. 25. 8. 1969, BGBl. I 1358] 5. wer bei der Aufbewahrung oder bei der Beförderung von Giftwaren oder bei Ausübung der Befugnis zur Zubereitung oder Feilhaltung dieser Gegenstände sowie der Arzneien die deshalb ergangenen Verordnungen nicht befolgt; 5 a. [aufgehoben durch das PostG v. 28. 7. 1969, BGBl. I 1006] 6. wer Waren, Materialien oder andere Vorräte, welche sich leicht von selbst entzünden oder leicht Feuer fangen, an Orten oder in Behältnissen a u f bewahrt, wo ihre Entzündung gefährüch werden kann, oder wer Stoffe, die nicht ohne Gefahr einer Entzündung beieinanderliegen können, ohne Absonderung aufbewahrt;

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Übertretungen

§ 36V

7. (weggefallen) 8. wer ohne polizeiliche Erlaubnis a n bewohnten oder von Menschen besuchten Orten Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fußangeln legt oder a n solchen Orten mit einer Schußwaffe schießt, es sei denn, daß er mit z u lässigem Jagdgerät rechtmäßig die Jagd ausübt; 9. [aufgehoben durch das BundeswaffO v. 14. 6. 1968] 10. wer bei einer Schlägerei, in welche er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist, oder bei einem Angriff sich einer W a f f e , insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges bedient; 11. wer ohne polizeiliche Erlaubnis gefährliche wilde Tiere hält oder wilde oder bösartige Tiere frei u m h e r l a u f e n läßt oder in A n s e h u n g ihrer die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von Beschädigungen unterläßt; 12. wer auf öffentlichen Straßen, W e g e n oder Plätzen, auf H ö f e n , in H ä u s e r n u n d Uberhaupt a n Orten, a n welchen Menschen verkehren, B r u n n e n , Keller, Gruben, Öffnungen oder A b h ä n g e dergestalt unverdeckt oder u n v e r w a h r t läßt, daß d a r a u s Gefahr f ü r andere entstehen k a n n ; 13. wer trotz der polizeilichen A u f f o r d e r u n g es unterläßt, Gebäude, deren Einsturz droht, auszubessern oder niederzureißen; 14. wer Bauten oder Ausbesserungen von Gebäuden, B r u n n e n , B r ü c k e n , Schleusen oder anderen B a u w e r k e n v o r n i m m t , ohne die von der Polizei angeordneten oder sonst erforderlichen Sicherungsmaßregeln zu treffen; 15. wer als B a u h e r r , Baumeister oder Bauhandwerker einen B a u oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von d e m d u r c h die Behörde genehmigten Bauplan a u s f ü h r t oder a u s f ü h r e n läßt. (2) I n den Fällen der N u m m e r n 8 u n d 9 k a n n auf die Einziehung der Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fußangeln sowie der verbotenen W a f f e n e r k a n n t werden. Zu Nr. 1 (Beseitigung von Leichen): Auch der Körper eines t o t g e b o r e n e n K i n d e s ist eine Leiche. Als B e s e i t e s c h a f f e n gilt jedes Fortbringen der Leiche, durch das die Besichtigung seitens der zuständigen B e h ö r d e (Ortspolizeibehörde, unter der Voraussetzung des § 159 StPO auch Staatsanwaltschaft und Amtsgericht) vereitelt oder erschwert wird. Zu Nr. 2 (Vorzeitige Beerdigung) siehe insbesondere § 39 Personenstandsgesetz: vor der Eintragung des Sterbefalls in das Sterbebuch darf der Verstorbene nur mit ortspolizeüicher Genehmigung bestattet werden. Zu Nr. 3 (Gifthandel): a) Gift ist jeder Stoff, der durch seine chemische Beschaffenheit selbst bei Beibringung geringer Mengen geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu zerstören. Herstellung und Handel mit Gift sind landesrechtlich geregelt. Auf jeden Fall verboten ist der Handel mit Gift im Umherziehen (§ 56 Abs. 1 Nr. l b GewO). Bei vorsätzlicher Giftbeibringung siehe auch § 229. b) Der früher an dieser Stelle unter Strafe gestellte unbefugte Handel mit A r z n e i e n richtet sich jetzt ausschließlich nach dem Arzneimittelgesetz vom 16. 5. 1961 (BGBl. I 533), zuletzt geändert durch Ges. v. 13. 8.1968 (BGBl. I 964). Siehe dort insbesondere §§ 28, 36, 44, 45. Zu Nr. 5: Bestraft werden Verstöße gegen Bestimmungen, die über den Umgang mit Gift usw. erlassen worden sind. Als solche kommen insbesondere in Betracht: §§ 21, 54 EisenbahnverkehrsO vom 8. 9. 1938 (RGBl. II 663), zuletzt geändert durch VO v. 14. 12.1967 (BGBl.II 2542), §§ 13f. PostO v. 16. 5. 1963 (BGBl. I 341),

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8

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Strafgesetzbuch

zuletzt g e ä n d e r t d u r c h VO v. 19. 5. 1964 (BGBl. I 327). F e r n e r die landesrechtlich ü b e r den V e r k e h r m i t pyrotechnischen Gegenständen erlassenen Verordnungen. Die S t r a f b e s t i m m u n g e n des § 311a gehen v o r . Zu Nr. 6 (unvorsichtige Aufbewahrung leicht entzündbarer Stoffe): U n t e r A u f b e w a h r e n f ä l l t n u r die L a g e r u n g bis zur b e s t i m m u n g s g e m ä ß e n Verwendung (RG 22, 435). H i e r h e r g e h ö r t z . B . die L a g e r u n g v o n H o l z n e b e n d e m Ofen, n i c h t dagegen (da keine Lagerung) das T r o c k n e n irgendwelcher Gegenstände auf d e m Ofen. A n S o n d e r b e s t i m m u n g e n sind zu b e a c h t e n : die PolVO ü b e r das R a u c h v e r b o t in f e u e r g e f ä h r d e t e n Gewerbebetrieben v o m 23. 5. 1940 (RGBl. I 814), ferner die VO ü b e r b r e n n b a r e Flüssigkeiten v o m 18. 2. 1960 (BGBl. I 83). Nr. 8 dient dem S c h u t z d e r A l l g e m e i n h e i t v o r G e f ä h r d u n g u n d B e l ä s t i g u n g d u r c h unerlaubtes Schießen, Legen von Fußangeln usw. Es h a n d e l t sich u m ein a b s t r a k t e s G e f ä h r d u n g s d e l i k t . N i c h t erforderlich ist d e m n a c h , d a ß im Einzelfall ein Mensch belästigt oder g e f ä h r d e t worden ist. D a schon eine Belästigung ausreicht, k ö n n e n auch S c h r e c k s c h ü s s e d e n T a t b e s t a n d erfüllen. Die G e f ä h r d u n g bzw. Belästigung k a n n a u c h von einem P r i v a t g r u n d s t ü c k ausgehen, z . B . wenn j e m a n d in seinem V o r g a r t e n auf Spatzen schießt. Zu Nr. 10 (Gebrauch gefährlicher Werkzeuge bei einer Schlägerei): S c h l ä g e r e i ist jede tätliche Auseinandersetzung v o n m e h r als zwei Personen. G e f ä h r l i c h e s W e r k z e u g ist (wie bei § 223a) jeder Gegenstand, der bei der gewählten Verwendungsweise geeignet ist, K ö r p e r v e r l e t z u n g e n erheblicher A r t zu verursachen. K o m m t es zu einer Verletzung, so t r i t t die Vorschrift h i n t e r § 223a z u r ü c k . Bei schweren K ö r p e r v e r l e t z u n g e n siehe §§ 224, 225, 227. Zu Nr. 11 (Gefährdung durch bösartige Tiere): Als b ö s a r t i g e T i e r e k o m m e n in B e t r a c h t : bissige H u n d e , schlagende oder beißende P f e r d e , stoßende Ochsen u n d Bullen. H ä l t sich das Tier in einem eingezäunten Anwesen a u f , so l ä u f t es n i c h t frei h e r u m . Dagegen ist der T a t b e s t a n d auch d a n n erfüllt, w e n n m a n einem bissigen H u n d n u r einen Maulkorb anlegt, ihn aber im übrigen frei h e r u m l a u f e n l ä ß t . Zu Nr. 12 (Gefährdung durch ungesicherte Abgründe): H i e r h a n d e l t es sich u m ein a b s t r a k t e s G e f ä h r d u n g s d e l i k t . Die Vorschrift ist vor allem im H o c h - u n d T i e f b a u w ä h r e n d d e r B a u a r b e i t e n zu b e a c h t e n . Schilder wie „ B e t r e t e n der B a u stelle v e r b o t e n " oder „ B e t r e t e n auf eigene G e f a h r " k ö n n e n den f ü r die Baustelle V e r a n t w o r t l i c h e n n i c h t entlasten. K o m m t es zu einem Unfall, so ist I d e a l k o n k u r r e n z m i t fahrlässiger T ö t u n g bzw. K ö r p e r v e r l e t z u n g möglich. Zu Nr. 13 (Gefährdung durch Gebäude): Ob tatsächlich E i n s t u r z d r o h t , ist im S t r a f v e r f a h r e n u n a b h ä n g i g v o n der Auff a s s u n g der Baupolizei zu p r ü f e n . Der T a t b e s t a n d setzt nicht voraus, d a ß d a s baufällige G e b ä u d e a n einer öffentlichen S t r a ß e liegt. K o m m t es zu einem Unfall, so ist I d e a l k o n k u r r e n z m i t §§ 222, 230 möglich. Zu Nr. 14 (Bauen ohne Sicherheitsvorkehrungen): Geschützt sind nicht n u r das P u b l i k u m , sondern auch die B a u a r b e i t e r . D e r E i n t r i t t einer k o n k r e t e n Gefahr ist n i c h t erforderlich ( a b s t r a k t e s Gefährdungsdelikt). K o m m t es zu einem Unfall, so ist I d e a l k o n k u r r e n z m i t §§ 222, 230 möglich. § 330, der eine k o n k r e t e Gefahr verlangt, geht v o r . Zu Nr. 15 (Bauen ohne Genehmigung): Die Vorschrift gilt gem. A r t . 125 Nr. 1 GG als Bundesrecht f o r t (BVerfG N J W 68, 1083). Ob eine baupolizeiliche Genehmigung erforderlich ist, richtet sich n a c h Landesrecht.

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Übertretungen

§ 368

Die einzelnen, als Täter in Betracht kommenden Personen haften grundsätzlich nebeneinander. Den Bauherrn trifft jedoch kein Verschulden, wenn er die zu treffenden Entscheidungen einem ihm als zuverlässig bekannten Architekten überläßt. Ein I r r t u m über die Genehmigungspflicht ist ein Verbotsirrtum, der den Vorsatz unberührt läßt. Dagegen entfällt der Vorsatz, wenn der Täter irrig glaubt, die ihm als erforderlich bekannte Genehmigung sei bereits erteilt.

§ 368 Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu vierzehn Tagen wird bestraft, 1. wer den polizeilichen Anordnungen über die Schließung der Weinberge zuwiderhandelt; 2. wer das durch gesetzliche oder polizeiliche Anordnung gebotene Baupen unterläßt; 3. wer ohne polizeiliche Erlaubnis eine neue Feuerstätte errichtet oder eine bereits vorhandene an einen anderen Ort verlegt; 4. wer es unterläßt, dafür zu sorgen, daß die Feuerstätten in seinem Haus in baulichem und brandsicherem Zustand unterhalten oder daß die Schornsteine zur rechten Zeit gereinigt werden; 5. wer Scheunen, Ställe, Böden oder andere Räume, welche zur Aufbewahrung feuerfangender Sachen dienen, mit unverwahrtem Feuer oder Licht betritt oder sich denselben mit unverwahrtem Feuer oder Licht nähert; 6. wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen Feuer anzündet; 7. wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuerwaffen schießt oder Feuerwerke abbrennt; 8. wer die polizeilich vorgeschriebenen Feuerlöschgerätschaften überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustand hält oder andere feuerpolizeiliche Anordnungen nicht befolgt; 9. wer unbefugt Uber Gärten oder Weinberge oder vor beendeter Ernte über Wiesen oder bestellte Äcker oder über solche Äcker, Wiesen, Weiden oder Schonungen, welche mit einer Einfriedigung versehen sind oder deren Betreten durch Warnungszeichen untersagt ist, oder auf einem durch Warnungszeichen geschlossenen Privatweg geht, fährt, reitet oder Vieh treibt; 10. wer zur Jagd ausgerüstet unbefugt ein fremdes Jagdgebiet außerhalb der zum allgemeinen Gebrauch bestimmten Wege betritt; 10 a. wer sich mit gebrauchsfertigem Fischereigerät unbefugt auf fremden Fischgewässern oder außerhalb der zum allgemeinen Gebrauch bestimmten Wege an fremden Fischgewässern aufhält. Zu Nr. 3 und Nr. 4: Zweck dieser Bestimmungen ist es, alle Feuerstätten in brandsicherem Zustand zu erhalten. Zu den Feuerstätten gehören nicht nur Öfen und Herde, sondern die gesamte Feuerungsanlage, insbesondere der Schornstein. Zu Nr. 5 bis Nr. 8: Auch diese Bestimmungen dienen der Verhütung von Brandgefahr. Ob eine solche vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sondergesetze mit eigenen Strafdrohungen gehen vor (OLG Stgt N J W 64, 168). Nr. 9 (Feldfriedensbruch) dient dem Schutz der Land- und Forstwirtschaft. Verboten ist außerdem die widerrechtliche Benutzung von gekennzeichneten Privatwegen. Als Sondervorschrift geht § 368 N r . 9 dem Hausfriedensbruch des § 123 vor.

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§

369

Strafgesetzbuch

Zu Nr. 10 (Betreten fremden Jagdgebiets in Jagdausrüstung): 1. Die Vorschrift d i e n t in erster Linie j a g d p o l i z e i l i c h e n I n t e r e s s e n . Sie b e r u h t auf d e r E r w ä g u n g , d a ß Wilderer a u ß e r h a l b d e r z u m allgemeinen G e b r a u c h b e s t i m m t e n W e g e besonders schwer zu ü b e r w a c h e n sind. 2. Z u r J a g d a u s g e r ü s t e t ist, wer m i t zur J a g d geeigneten Sachen d e r a r t versehen ist, d a ß er sie bei gegebener Gelegenheit sofort z u m J a g e n b e n u t z e n k a n n ( R G 9, 412). H i e r h e r gehören insbesondere Gewehre, u . U . a b e r a u c h H u n d e . 3. Auf d e r Schuldseite genügt F a h r l ä s s i g k e i t . 4. E i n I r r t u m des T ä t e r s d a r ü b e r , d a ß er sich auf f r e m d e m J a g d g e b i e t befindet, schließt den Vorsatz aus, k a n n d e n T ä t e r a b e r n u r entlasten, w e n n sein I r r t u m n i c h t auf Fahrlässigkeit b e r u h t (s.o. 3). Dasselbe gilt, wenn der T ä t e r irrig U m s t ä n d e a n n i m m t , bei deren Vorliegen er b e f u g t wäre, f r e m d e s J a g d g e b i e t in J a g d a u s r ü s t u n g z u b e t r e t e n , z . B . irrige A n n a h m e , als J a g d g a s t eingeladen zu sein. 5. § 292 g e h t als Verletzungsdelikt v o r . §

369 Mit Geldstrafe bis z u f ü n f h u n d e r t D e u t s c h e Mark oder m i t Freiheitsstrafe bis z u vier W o c h e n w e r d e n bestraft 1. P e r s o n e n , w e l c h e o h n e obrigkeitliche A n w e i s u n g oder o h n e G e n e h m i g u n g des Inhabers einer W o h n u n g Schlüssel z u Z i m m e r n oder B e h ä l t n i s s e n i n der letzteren anfertigen oder Schlösser a n denselben ö f f n e n , o h n e G e n e h m i g u n g des Hausbesitzers oder seines Stellvertreters e i n e n H a u s s c h l ü s s e l a n f e r t i g e n oder o h n e Erlaubnis der Polizeibehörde N a c h s c h l ü s s e l oder Dietriche verabfolgen; 2. ( w e g g e f a l l e n ) 3. Gewerbetreibende, w e l c h e i n Feuer arbeiten, w e n n sie die Vorschriften nicht b e f o l g e n , w e l c h e v o n der Polizeibehörde w e g e n A n l e g u n g u n d Verw a h r u n g ihrer Feuerstätten s o w i e w e g e n der Art u n d der Zeit, s i c h des F e u e r s z u bedienen, erlassen sind. 1. Z i m m e r - u n d S c h r a n k s c h l ü s s e l usw. d ü r f e n n u r m i t Genehmigung des W o h n u n g s i n h a b e r s oder auf obrigkeitliche Anweisimg (Polizei, S t a a t s a n w a l t s c h a f t , Gericht) a n g e f e r t i g t werden. Als W o h n u n g s i n h a b e r gilt n i c h t der U n t e r m i e t e r . Dieser darf sich also nicht ohne Genehmigung des H a u p t m i e t e r s beliebig viele Schlüssel zu seinem Z i m m e r fertigen lassen. D e m Anfertigen v o n Schlüsseln ist d a s Ö f f n e n von Z i m m e r n u n d Behältnissen in denselben (Schrank, Schreibtisch usw.) gleichgestellt. 2. Die A n f e r t i g u n g v o n H a u s s c h l ü s s e l n (auch W o h n u n g s s c h l ü s s e l , nicht aber Schlüssel zu Stallungen, Garagen, H ö f e n ) ist n u r m i t Z u s t i m m u n g des Hausbesitzers oder seines Stellvertreters zulässig. Die Z u s t i m m u n g des Mieters genügt nicht. Der H a u s b e s i t z e r h a t ein berechtigtes Interesse d a r a n , zu wissen, wieviele Schlüssel sich im V e r k e h r befinden. 3. N a c h s c h l ü s s e l u n d D i e t r i c h e d ü r f e n zwar angefertigt, a b e r n u r m i t polizeilicher Genehmigung a n D r i t t e v e r a b f o l g t w e r d e n . 4. S u b j e k t i v g e n ü g t F a h r l ä s s i g k e i t . Fahrlässig h a n d e l t z . B . ein Schlosser, der e i n e m U n t e r m i e t e r Schlüssel a n f e r t i g t , ohne sich zu vergewissern, ob der H a u p t m i e t e r d a m i t e i n v e r s t a n d e n ist. E n t s p r e c h e n d e s gilt, w e n n ein Schlosser eine W o h n u n g s t ü r a u f s p e r r t , ohne sich zu vergewissern, ob sein A u f t r a g g e b e r ü b e r h a u p t d e r Berechtigte ist u n d wirklich n u r seinen Schlüssel „ v e r l o r e n " oder „in d e r W o h n u n g zurückgelassen" h a t .

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Übertretungen

§

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§ 37© (1) Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen wird bestraft, 1. wer unbefugt ein fremdes Grundstück, einen öffentlichen oder Privatweg oder einen Grenzrain durch Abgraben oder Abpfiügen verringert; 2. wer unbefugt von öffentlichen oder Privatwegen Erde, Steine oder Rasen oder aus Grundstücken, welche einem anderen gehören, Erde, Lehm, Sand, Grand oder Mergel gräbt, Plaggen oder Bülten haut, Rasen, Steine, Mineralien, zu deren Gewinnimg es einer Verleihung, einer Konzession oder einer Erlaubnis der Behörde nicht bedarf, oder ähnliche Gegenstände wegnimmt; 3. 4. (weggefallen) 5. wer Nahrungs- oder Genußmittel oder andere Gegenstände des hauswirtschaftlichen Verbrauchs in geringer Menge oder von unbedeutendem Wert zum alsbaldigen Verbrauch entwendet oder unterschlägt. Wer die Tat gegen einen Verwandten absteigender Linie oder gegen seinen Ehegatten begeht, bleibt straflos; 6. wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes bestimmte oder geeignete Gegenstände wider Willen des Eigentümers wegnimmt, u m dessen Vieh damit zu füttern. (2) In den Fällen der Nummern 5 und 6 tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Zu Nr. 1 (GrundstücksVerringerung): 1. Die Vorschrift will verhindern, daß jemand mehr Land bestellt, als ihm zusteht. Diebstahl kommt hier nicht in Betracht, da dieser nur an beweglichen Sachen begangen werden kann. 2. Bei P r i v a t w e g e n kann auch der Eigentümer Täter sein, wenn er Rechte Dritter verletzt, z.B. wenn eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht!) besteht. 3. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Dies ergibt sich aus der Verwandtschaft der Vorschrift mit dem Diebstahl. 4. I d e a l k o n k u r r e n z ist mit § 274 Nr. 2 möglich. Zu Nr. 2 (Wegnahme von Bodenbestandteilen): 1. Auch diese Bestimmung wurde dadurch erforderlich, daß Diebstahl Zueignungsabsicht voraussetzt und in den genannten Fällen auch eine Sachbeschädigung häufig nicht in Betracht kommen wird. Die praktische Bedeutimg der Vorschrift ist aber wegen des häufigen Eingreifens der §§ 242, 303 gering. 2. P l a g g e n und B ü l t e n sind für die Moorverwertung von Bedeutimg. 3. M i n e r a l i e n fallen nur dann unter die Vorschrift, wenn ihre Gewinnung an keine Konzession gebunden ist. Bei sogenannten verleihbaren Mineralien kann Diebstahl in Betracht kommen, sofern die Tat nicht nach landesrechtlichen Sonderbestimmungen unter Strafe gestellt ist. 4. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Zu Nr. 5 (Nahrungs- und Genußmittelentwendung): 1. Die Vorschrift enthält einen privilegierten Fall des Diebstahls und der Unterschlagung. Sie muß daher objektiv wie subjektiv alle Tatbestandsmerkmale des Diebstahls bzw. der Unterschlagung enthalten.

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§ 370

Strafgesetzbuch

2. Beschränkt sich der Täter auf eine Übertretung i. S. der Vorschrift, so verdrängt diese unter dem Gesichtspunkt der Sperrwirkung des milderen Gesetzes nicht nur die §§ 242, 246, sondern auch die qualifizierten Fälle des Diebstahls (§ 244), ferner den Notdiebstahl (§ 248a), n i c h t dagegen Raub und räuberischen Diebstahl (§§ 249, 252), ferner nicht die Amtsunterschlagung (§ 350). Die Ablehnung des § 370 Ziff. 5 in den letztgenannten Bestimmungen ergibt sich aus der Erwägung, daß f ü r eine Privilegierung kein Kaum mehr ist, wenn der Täter sich nicht nur über Eigentum und Gewahrsam hinwegsetzt, sondern darüber hinaus noch weitere Rechtsgüter (Freiheit der Willensentschließung, Reinheit der Amtsführung) verletzt. 3. F ü r das Verhältnis zu § 243 Nr. 1 gilt folgendes: a) Steigt der Täter ein, um Nahrungs- oder Genußmittel i.S. von §370 Nr. 5 zu entwenden (z.B. einen Ring Wurst im Wert von 3,— DM), und beschränkt er sich auf solche Gegenstände, so kommt wegen der Sperrwirkung des milderen Gesetzes nur § 370 Nr. 5 in Betracht (BGH N J W 58, 1244; siehe auch Vorbem. AT, Abschn. J I I I 2a, S. 64). Beschränkt sich der Täter nicht darauf, die beim Einsteigen erstrebte Wurst zu entwenden, sondern n i m m t er neben oder a n s t a t t dieser noch andere, nicht unter § 370 Nr. 5 fallende Gegenstände mit, z.B. Geld, so ist für § 370 Nr. 5 kein R a u m mehr. Es kann sogar ein schwerer Fall nach § 243 Nr. 1 mit der sich hieraus ergebenden Möglichkeit einer Strafschärfung angenommen werden (vgl. BGH 9, 253; 16, 186; Schwarz-Dreher Anm. 5 B zu § 370). I m Schriftt u m wird hiergegen verschiedentlich eingewandt, der Täter sei ohne Diebstahlsvorsatz eingestiegen; er könne daher nur aus dem Strafrahmen des § 242 bestraft werden, wenn er sich erst in dem Haus entschlossen habe, Geld zu entwenden (vgl. Schönke-Schröder § 243 R n . 72 mit weiteren Nachweisen). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß auch derjenige, der nur eine Wurst oder eine Flasche Wein entwenden will, mit Diebstahlsvorsatz einsteigt. Wie das Reichsgericht schon in R G 14, 313 ausgesprochen hat, ist f ü r den Diebstahlsvorsatz die Beschränkung der Vorstellung des Täters auf bestimmte Gegenstände unwesentlich (vgl. BGH 9, 254). b) Steigt der Täter ein, um nicht unter § 370 Nr. 5 fallende Gegenstände (z.B. Geld) zu entwenden, so kommt § 370 Nr. 5 nur dann in Betracht, wenn er seinen ursprünglichen Tatplan freiwillig aufgibt und sich auf solche Gegenstände beschränkt, die unter § 370 Nr. 5 fallen, z.B. eine Flasche Wein. A b w a n d l u n g : Nimmt der Täter die Flasche Wein nur deshalb mit, weil er kein Geld gefunden hat, so ist hinsichtlich des erstrebten, aber nicht gefundenen Geldes versuchter Diebstahl mit der Möglichkeit einer Strafschärfung nach § 243 Nr. 1, hinsichtlich der Flasche Wein eine Übertretung gemäß § 370 Nr. 5 gegeben. Beide Delikte stehen zueinander in I d K . (BGH 21, 244; h.L.). 4. Als Tatobjekte kommen in Betracht: Nahrungs- u n d Genußmittel sowie Gegenstände des hauswirtschaftlichen Verbrauchs. a) Zu den G e n u ß m i t t e l n gehören insbesondere Tabakwaren, Wein und Spirituosen. b) Zu den Gegenständen des h a u s w i r t s c h a f t l i c h e n V e r b r a u c h s gehören Seife und sonstige Waschmittel, Brennmaterial, aber auch Benzin zur täglichen Fahrt an die Arbeitsstelle (vgl. BGH N J W 60, 265) oder zur Reinigung de» Fahrzeugs (OLG Celle N J W 66, 1931), nicht jedoch Sachen, die zwar „ g e b r a u c h t " , aber nicht „verbraucht" werden, z.B. Kleider, Feuerzeuge, Taschenlampen, Zeitungen, Taschenmesser, Weihnachtsbäume. Nicht hierher gehört auch Benzin, das zur Heimfahrt von einer Vergnügungsfahrt verbraucht werden soll (OLG Ddf MDR 69, 237).

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Übertretungen

§ 370

5. Nur Sachen von g e r i n g e r M e n g e oder u n b e d e u t e n d e m W e r t fallen unter den Anwendungsbereich der Vorschrift. E s genügt, daß die eine oder die andere Voraussetzung gegeben ist. a) Ob m a n im Einzelfall noch von einer geringen Menge sprechen kann, ist Tatfrage und hängt vom Verwendungszweck des Gegenstands ab. So wird man zwar einen Sack Sand noch als geringe Menge ansehen können; auch ein Sack Zement oder Kalk wird noch hierher zu rechnen sein, keinesfalls aber ein Sack Reis, Zucker, Salz oder Mehl. b) Ob eine Sache n u r unbedeutenden Wert hat, richtet sich nach ihrem objektiven Verkehrswert, wobei sowohl die Vermögensverhältnisse des Taters als auch die des Opfers zu berücksichtigen sind (BGH 6, 41). Gegenstände unter 15,— DM dürften wohl auf jeden Fall noch als Sachen von unbedeutendem Wert angesehen werden. Mit 20,— DM dürfte andererseits aber auch die obere Grenze erreicht sein (vgl. Schwarz-Dreher Anm. 5 C c m. weit. Nachw.). 6. Bei fortgesetzter Tat sowie bei Mittäterschaft kommt es auf die Gesamtmenge an (vgl. OLG Stuttgart N J W 63, 1415; BGH N J W 64, 117). Wer beispielsweise zwei Monate lang seinem Arbeitgeber vorgefaßtem Tatentschluß entsprechend täglich eine Zigarre entwendet, ist wegen fortgesetzten Diebstahls gemäß § 242 zu bestrafen, da 60 Zigarren nicht mehr als geringe Menge angesehen werden können. Wird er bereits nach der ersten Zigarre gefaßt, so liegt allerdings nur eine Übertretimg gemäß § 370 Nr. 5 vor; Versuch des Diebstahls beginnt erst mit dem Ansetzen zur Wegnahme der Teilmenge, mit der die Wert- oder Mengengrenze des § 370 Nr. 5 überschritten würde (vgl. Schwarz-Dreher Anm. 5 C c; teilweise a.A. OLG Stgt N J W 63, 1415 m. abl. Anm. Philipp N J W 63, 2087 = J R 63, 470 m. abl. Anm. Mittelbach; sehr bestr.). 7. Der subjektive Tatbestand erfordert: a) V o r s a t z . D i e s e r muß sich zunächst auf alle Tatbestandsmerkmale erstrecken, die auch bei Diebstahl (§ 242) und Unterschlagung (§ 246) vom Vorsatz u m f a ß t sein müssen. Außerdem muß der Täter das Bewußtsein haben, Sachen von geringer Menge oder unbedeutendem Wert zu entwenden oder zu unterschlagen. Wegen der I r r t u m s p r o b l e m e siehe § 248a Anm. I V ; b) die A b s i c h t d e s a l s b a l d i g e n V e r b r a u c h s . Nicht erforderlich ist, daß der Täter die Sache selbst verbrauchen will. Es genügt, wenn er sie seiner Familie oder Freunden zum alsbaldigen Verbrauch zukommen lassen will (BGH 22, 276). Ob es dann dazu kommt, ist unerheblich. Entscheidend ist allein die Einstellung des Täters im Zeitpunkt der Tat. Die Entwendung von Lebensmitteln, die erst 2 Tage danach verzehrt werden sollen, geschieht nicht mehr zum „alsbaldigen" Verbrauch (BGH GA 1966,245). Aus dem gleichen Grund entfällt § 370 Nr. 5 auch dann, wenn der Täter sich einen Vorrat für mehrere Mahlzeiten beschaffen will (BGH 22, 275ff.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es dem Täter an sich nur um die Befriedigung eines augenblicklichen Bedürfnisses geht, er dann aber mehr entwendet, als bei einer einzigen Mahlzeit verzehrt werden kann, weil er wegen der äußeren Umstände (z.B. wegen der Art der Verpackung) eine kleinere Menge gar nicht entwenden kann (BGH a.a.O.). Aber auch in diesem Fall muß die insgesamt entwendete Menge gering sein oder einen nur imbedeutenden Wert haben (BGH a.a.O.). 8. Nach Abs. 2 ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar. Antragsberechtigt ist insbesondere der Eigentümer, u.U. aber auch der Gewahrsamsinhaber (wenn Eigent u m und Besitz auseinanderfallen), ferner der Käufer der entwendeten Sache, wenn die Gefahrtragung bereits auf ihn übergegangen ist (BayObLG N J W 63, 1464). Verwandte aufsteigender Linie und Ehegatten bleiben entsprechend der in § 247 getroffenen Regelung straflos ( p e r s ö n l i c h e r S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d ) .

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§ 370

Strafgesetzbuch

9. Abschließende Beispiele aus der jüngeren Rspr. a) § 370 Nr. 5 wurde a b g e l e h n t : f ü r 9 Packungen Zigaretten (BGH N J W 64, 117), für 2 Tuben „Badedas" zu je 5 Vollbädern (OLG Celle NdsRpfl. 64, 208), für 3 Würste im Wert von 23.— DM (BGH bei Daliinger MDB 54, 336), f ü r 11 Kuchen im Gesamtwert von 23,30 DM (OLG CeUe NdsRpfl. 68, 71). b) § 370 Nr. 6 wurde dagegen noch a n g e n o m m e n : f ü r 15 1 Benzin, die zur Reinigung eines Kfz verwendet werden sollen (OLG Celle N J W 66, 1931), 1 H u h n im Wert von 5,— DM (BGH bei Dallinger MDR 54, 336), 1 Flasche Wein und 3 Fl. Bier (OLG H b g N J W 53, 396), Pralinen im Wert von 20,— DM (BGH 21, 244), f ü r 2 Liter Benzin, die ein Soldat aus Beständen der Bundeswehr entwendet, u m damit zu einer Tankstelle oder einem Sportplatz zu fahren (OLG H a m m N J W 68, 1151). Zu Nr. 6 (Futterdiebstahl): Vom Diebstahl (§§ 242ff.) unterscheidet sich die Tat dadurch, daß sie ohne Zueignungsabsicht erfolgt. Sie soll sinnlose Verschwendung der Futtervorräte verhindern.

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Anhang 1 JUGENDSTRAFRECHT UND JUGENDSCHUTZ A. Jugendgerichtsgesetz vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 751), zuletzt geändert durch das l.StrRGvom 25.6. 1969 (BGBl. I 645) I. Vorbemerkung 1. Das J u g e n d s t r a f r e c h t i s t echtes S t r a f r e c h t . Zum allgemeinen Strafrecht besteht aber ein tiefgreifender Unterschied, d a im Jugendstrafrecht Art u n d Gewicht der strafrechtlichen Reaktion nicht so sehr durch die T a t , als vielmehr durch die Persönlichkeit des Täters bestimmt werden („Täterstrafrecht"), Erziehungsmaßregeln u n d Zuchtmittel die Strafe in weitem U m f a n g ersetzen u n d die Strafe im wesentlichen auf die erzieherische Resozialisierung des Täters ausgerichtet ist („Erziehungsstrafrecht"). 2. Das J u g e n d g e r i c h t s g e s e t z (JGG) vom 4. 8. 1953 enthält das materielle Jugendstrafrecht, die Regelung der Jugendgerichtsverfassung, die Sondernormen f ü r das Verfahren vor den Jugendgerichten u n d Bestimmungen über Strafvollstreckung u n d Strafvollzug in Jugendsachen. II. Persönlicher Anwendungsbereich des JGG Das Jugendgerichtsgesetz findet Anwendimg auf Jugendliche u n d Heranwachsende ( § 1 1 JGG). 1. Jugendlicher im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes ist, wer z.Zt. der T a t 14, aber noch nicht 18 J a h r e alt ist (§ 1 I I JGG). Auf Straftaten Jugendlicher findet das Jugendstrafrecht ausnahmslos Anwendung. Jugendliche sind n u r bedingt strafmündig, d . h . f ü r eine T a t nur d a n n strafrechtlich verantwortlich, wenn sie z.Zt. der T a t die erforderliche Einsichts- u n d Handlungsfähigkeit h a t t e n (§ 3 JGG). Die Schuldfähigkeit gem ä ß § 3 J G G m u ß stets positiv festgestellt werden. 2. Heranwachsender im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes ist, wer z.Zt. der Tat 18, aber noch nicht 21 J a h r e alt ist (§ 1 I I JGG). Auch Heranwachsende sind grundsätzlich von Jugendgerichten abzuurteilen. Materielles Jugendstrafrecht ist jedoch n u r unter den Voraussetzungen des § 105 J G G anwendb a r ; die Anwendimg des besonderen Jugendstrafprozeßrechts ist wesentlich eingeschränkt (§ 109 JGG). Heranwachsende sind stets voll strafmündig. Die Rechtsfolgen der Straft a t eines Heranwachsenden sind n u r d a n n dem materiellen Jugendstrafrecht zu entnehmen, wenn der Heranwachsende nach seiner Persönlichkeitsentwicklung z.Zt. der T a t noch einem Jugendlichen gleichstand (Reifeverzögerung, § 1051, 1 JGG) oder wenn eine Jugendverfehlung (§ 105 I, 2 JGG) vorliegt. Bei Anwendung des allgemeinen Strafrechts ist eine Strafmilderung möglich (§ 106 JGG).

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Anh. 1

Jugendstrafrecht und Jugendschutz

3. Kinder, d.h. Personen unter 14 Jahren, fallen nicht unter das Jugendstrafrecht. Sie sind „strafrechtlich nicht verantwortlich" ( § 1 I I I JGG). Es handelt sich hierbei um eine unwiderlegbare, gesetzliche Vermutung der Zurechnungsunfähigkeit der Kinder. III. Sachlicher Anwendungsbereich des JGG Voraussetzung für die Anwendung des JGG ist das Vorliegen einer nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedrohten Verfehlung ( § 1 1 JGG). Als Verfehlung ist jedes Verbrechen, jedes Vergehen und jede Übertretung anzusehen, sofern sie mit echter Kriminalstrafe bedroht ist (also nicht Ordnungswidrigkeit, da nur mit Geldbuße geahndet, oder disziplinarrechtliche Tatbestände). Das JGG befaßt sich nur mit den strafrechtlichen Folgen; zivilrechtliche Polgen der Jugendstraftat bleiben unberührt. Sofern keine Sondervorschriften im JGG bestehen, greifen stets ergänzend die allgemeinen Vorschriften des Strafrechts ein (§ 2 JGG). Die begrifflichen Elemente und Erscheinungsformen der Straftat im Jugendstrafrecht sind die gleichen wie im allgemeinen Strafrecht. Die jugendstrafrechtliche Sonderregelung bezieht sich vor allem auf die Folgen, die eine Straftat nach sich zieht. Ob die Straftat eines Jugendlichen als Verbrechen, Vergehen oder Übertretung anzusehen ist und wann sie verjährt, ist nach den Vorschriften des allg. Strafrechts zu entscheiden (§ 4 JGG). IV. Rechtsfolgen der Jugenstraftat Es sind grundsätzlich zu unterscheiden: E r z i e h u n g s m a ß r e g e l n , Z u c h t m i t t e l , J u g e n d s t r a f e (§5 JGG). Ehrenmindernde Nebenstrafen und Nebenfolgen sind unanwendbar (§ 6 JGG). Von den Maßregeln der Sicherung und Besserung sind nur die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und die Entziehung der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen zulässig (§ 7 JGG). Auch bei mehreren Straftaten werden nur einheitlich Erziehungsmaß regeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafe festgesetzt ( „ E i n h e i t s p r i n z i p " , § 31 JGG). Zu beachten ist ferner die einheitliche Behandlung bei Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen (§ 32 JGG). Mehrere Rechtsfolgen können nebeneinander angeordnet werden ( § 8 JGG). Die Rechtsfolgen der Jugendstraftat im einzelnen: 1. Erziehungsmaßregel: Ihre Auswahl erfolgt nur im Hinblick auf das für die Erziehung des Täters Erforderliche und Zweckmäßige. In der Tat müssen Erziehungsmängel offenbar geworden sein, die durch die in Aussicht genommenen Erziehungsmaßregeln behebbar sind. Tatvergeltung bleibt außer Betracht. Das Gesetz sieht folgende Erziehungsmaßregeln vor (§ 9 JGG): Weisungen, Erziehungsbeistandschaft, Fürsorgeerziehung. a) W e i s u n g e n (§ 10 JGG) sind Gebote und Verbote, die die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehimg fördern und sichern sollen. Ihre Aufzählung in § 10 I Nr. 1—7 JGG ist nur beispielhaft. Die Freiheit in der inhaltlichen Gestaltung der Weisungen bietet der erzieherischen Befähigung des Jugendrichters ein weites Feld und ermöglicht ihm, dem Jugendlichen auf dem Wege der „ambulanten Behandlung" Weisungen aufzuerlegen, die seiner Persönlichkeit angemessen sind und in einem inneren Zusammenhang mit der Tat stehen. Die Grenzen ergeben sich aus sonstigen Rechtsnormen, insbesondere aus dem Verfassungsrecht. Unzulässig sind auch Weisungen, deren Ausführung unmöglich ist oder die rein repressiven Inhalt

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J ugendgerichtsgesetz

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haben. Unzweckmäßig sind Weisungen, die das Ehrgefühl antasten oder deren Befolgung nicht überwacht werden kann. Bei der Notwendigkeit einer speziellen Therapie k a n n die Weisung auferlegt werden, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen zu unterziehen (§ 10 I I JGG). Die V o l l s t r e c k u n g ist Aufgabe des Jugendrichters (§ 84 I JGG), der sich dabei der Jugendgerichtshilfe bedient (§38 I I JGG). Die Weisungen können im Interesse der Erziehung nachträglich geändert oder aufgehoben werden (Grundsatz der Reaktionsbeweglichkeit, § 1 1 1 JGG). Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen Weisungen kann Jugendarrest verhängt werden (§ 11 I I JGG). b) Die E r z i e h u n g s b e i s t a n d s c h a f t richtet sich gem. § 12 J G G nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG). Für einen Minderjährigen, dessen leibliche, geistige oder seelische Entwicklung gefährdet oder geschädigt ist, ist ein Erziehungsbeistand zu bestellen, wenn diese Maßnahme zur Abwendung der Gefahr oder zur Beseitigung des Schadens geboten und ausreichend erscheint (§ 55 J W G ) . Der Erziehungsbeistand linterstützt die Personensorgeberechtigten bei der Erziehung, steht dem Minderjährigen mit B a t u n d Hilfe zur Seite u n d berät ihn bei Verwendung seines Arbeitsverdienstes (§ 58 J W G ) . Die Erziehungsbeistandschaft endet mit Volljährigkeit; sie ist aufzuheben, wenn der Erziehungszweck erreicht oder anderweitig sichergestellt ist (§ 61 JWG). Während der Wehrdienstzeit darf eine Erziehungsbeistandschaft nicht angeordnet werden (§ 112a Nr. 1 JGG). c) Auch die F ü r s o r g e e r z i e h u n g richtet sich gem. § 12 J G G n a c h d e m J u gendwohlfahrtsgesetz. Sie ist zulässig bei Minderjährigen, die das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, u n d dient der Verhütung oder Beseitigung der Verwahrlosung. Unter Verwahrlosung versteht m a n einen Zustand von einiger Dauer, in dem der davon Betroffene in erheblichem Grade derjenigen körperlichen, geistigen oder sittlichen Eigenschaften ermangelt, die bei einem Minderjährigen unter sonst gleichen Verhältnissen als Ergebnis einer ordnungsmäßigen Erziehimg vorausgesetzt werden müssen. Die Fürsorgeerziehung endet mit der Volljährigkeit; sie ist aufzuheben, wenn ihr Zweck erreicht oder anderweitig sichergestellt ist (§ 75 J W G ) . 2. Die Zuchtmittel dienen in erster Linie der Sühne der J u g e n d s t r a f t a t (§13 JGG). Sie sind keine echten Kriminalstrafen u n d werden daher auch nicht in das Strafregister eingetragen. Das Gesetz sieht in § 13 I I J G G folgende Zuchtmittel v o r : Verwarnung, Auferlegung besonderer Pflichten, Jugendarrest. a) Die V e r w a r n u n g ist eine förmliche Zurechtweisung (§ 14 JGG). b) Die A u f e r l e g u n g b e s o n d e r e r P f l i c h t e n ist in § 15 J G G geregelt: aa) Wiedergutmachung des Schadens, bb) persönliche Entschuldigung bei dem Verletzten, cc) Geldbuße zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung. Bei schuldhafter Nichterfüllung: Jugendarrest (§15 I I I JGG). c) Der J u g e n d a r r e s t soll durch eine kurze, aber strenge Freiheitsentziehung den T ä t e r zur Besinnung bringen u n d ihm vor Augen führen, d a ß m a n sich nicht ohne eigenen Schaden gegen die Gebote der Gemeinschaftsordnung auflehnen kann. Das Gesetz sieht drei Formen v o r : Freizeit-, Kurz- u n d Dauerarrest (§ 16 JGG). Eine Aussetzung des Jugendarrests zur Bewährung ist nicht möglich (§ 87 I JGG). Über den Vollzug des Jugendarrestes siehe § 90 J G G .

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Jugendstrafrecht und Jugendschutz

3. Die Jugendstrafe ist die einzige echte Kriminalstrafe des JGG. Sie darf nur verhängt werden, wenn Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, sei es zur Bekämpfung der kriminellen Neigungen des Täters, sei es zur Sühne schwerer Schuld, nicht mehr ausreichen (§ 17 I I JGG). a) Hinsichtlich der D a u e r ist zwischen der b e s t i m m t e n und der u n b e s t i m m t e n Jugendstrafe zu unterscheiden. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht, sondern es besteht ein einheitlicher Strafrahmen. Die Mindestdauer der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß bei Jugendlichen fünf Jahre, in Ausnahmefällen zehn Jahre (§ 18 JGG). Bei Heranwachsenden beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe stets zehn Jahre (§ 105 I I JGG). Die Voraussetzungen der Jugendstrafe von unbestimmter Dauer sind in § 19 JGG geregelt (schädliche Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind; keine höhere Jugendstrafe als 4 Jahre; schlechte soziale Prognose). Eine Entlassung zur Bewährung nach Teilverbüßung bei bestimmter und bei unbestimmter Jugend strafe ist möglich (§§ 88, 89 JGG). Über den Jugendstrafvollzug siehe § 91 JGG. b) Bestimmte Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr, unter den Voraussetzungen des § 21 I I JGG ausnahmsweise sogar bis zu zwei Jahren, kann für die Dauer von mindestens zwei bis höchstens drei Jahren zur B e w ä h r u n g ausgesetzt werden (§§ 20, 21, 22 JGG). Während der Bewährungszeit untersteht der Jugendliche dem Bewährungshelfer (§§ 24, 25 JGG). Bewährungsauflagen sollen grundsätzlich angeordnet werden (§§ 22, 23 JGG). Die Zusammenstellung der Bewährungsauflagen erfolgt in einem Bewährungsplan (§ 60 JGG). Solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, kann Aussetzimg der Jugendstrafe zur Bewährung noch nachträglich durch Beschluß angeordnet werden (§ 57 JGG). c) D i e A u s s e t z u n g d e r V e r h ä n g u n g d e r J u g e n d s t r a f e (§§27—30 JGG), d.h. Beendigung des Strafverfahrens wegen einer Jugendstraftat nur mit einem Schuldspruch und Aussetzung der Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe, ist möglich, wenn nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht festgestellt werden kann, ob in der Straftat schädliche Neigungen in einem Umfang hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist. V. Jugendgerichtsverfassung Als Jugendgerichte werden tätig: der Amtsrichter als Jugendrichter (Einzelrichter), das Jugendschöffengericht (Jugendrichter und 2 Jugendschöffen), die Jugendkammer des Landgerichts (3 Berufsrichter, 2 Jugendschöffen), vgl. § 33 I I / I I I JGG. Die sachliche Zuständigkeit ist in den §§ 39—41 JGG geregelt. Neben die Vorschriften der StPO über die örtliche Zuständigkeit treten noch drei weitere Gerichtsstände (§ 42 JGG). Für die Aburteilung Jugendlicher oder Heranwachsender sind grundsätzlich die Jugendgerichte zuständig (§§ 33 I, 107 JGG). Ausnahmen: §§ 102—104 JGG. VI. Das Jugendstrafverfahren Soweit das JGG nichts anderes bestimmt, gelten die Vorschriften der StPO. Wichtige Besonderheiten: 1. die S t e l l u n g d e s E r z i e h u n g s b e r e c h t i g t e n und des gesetzlichen Vertreters (§§ 67, 50 I I JGG); 2. die B e t e i l i g u n g d e r J u g e n d g e r i c h t s h i l f e (§§ 38, 43, 107, 50 I I I JGG); 576

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3. die E i n s c h r ä n k u n g d e s V e r f o l g u n g s z w a n g s (§45 J G G ) ; 4. die H a u p t v e r h a n d l u n g gegen Jugendliche einschlie ßlich der Urteils verkündung ist g r u n d s ä t z l i c h n i c h t ö f f e n t l i c h (§ 48 JGG), bei Heranwachsenden nur unter der Voraussetzung des § 109 I S. 2 J G G ; 5. V e r k ü r z u n g d e s R e c h t s m i t t e l z u g s : Gegen Urteile des Jugendrichters oder des Jugendschöffengerichts ist nur entweder Berufung oder Revision zulässig (§55 I I S. 1 JGG). Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln (mit Ausnahme der Fürsorgeerziehimg) oder Zuchtmittel angeordnet sind, kann nur in der Schuldfrage, nicht aber wegen des Umfangs der Maßnahmen u n d nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel h ä t t e n angeordnet werden sollen (§ 55 I J G G ) ; 6. Beschränkung der Anwendung der U n t e r s u c h u n g s h a f t (§ 72 J G G ) ; 7. bei Jugendlichen sind u n z u l ä s s i g : das Strafbefehlsverfahren, das beschleunigte Verfahren, Privatklage u n d Nebenklage (§§79, 80 J G G ) ; 8. B e s o n d e r e V e r f a h r e n s a r t e n des Jugendstrafrechts: das vereinfachte Jugendverfahren (§§ 76—78 JGG), die jugendrichterliche Verfügung ( § 7 5 JGG). VII. Die Vollstreckung Vollstreckungsleiter ist der Jugendrichter (§82 J G G ) ; Einzelheiten vgl. §§ 83ff. JGG. \ Iii. Strafregister, Erziehungskartei Die Verurteilung zu einer Jugendstrafe u n d der Schuldspruch nach § 27 J G G werden im Strafregister vermerkt (§ 94 I JGG). Die Fristen hinsichtlich der beschränkten Auskunft u n d der Tilgung sind verkürzt (§§ 95, 96 JGG). Ferner ist die Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch möglich (§§ 97—101 JGG). Erziehungsmaßregeln u n d Zuchtmittel werden in der sogenannten g e r i c h t l i c h e n E r z i e h u n g s k a r t e i vermerkt. Über diese Vermerke erhalten nur die Strafgerichte, die Vormundschaftsgerichte, die Staatsanwaltschaften u n d die Jugendämter Auskunft.

B. Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit v o m 27. Juli 1957 (BGBl. I 1058), Änd G v. 24. 5.1968 (BGBl. I 503, 519)

§ 1 [Orte der Gefährdung] (1) Kinder u n d Jugendliche, die sich an Orten aufhalten, an denen ihnen eine sittliche Gefahr oder Verwahrlosung droht, sind durch die zuständigen Behörden oder Stellen dem J u g e n d a m t zu melden. (2) Sie sind außerdem zum Verlassen eines Ortes anzuhalten, wenn eine ihnen dort unmittelbar drohende Gefahr nicht unverzüglich beseitigt werden kann. Wenn nötig, sind sie dem Erziehungsberechtigten zuzuführen oder, wenn dieser nicht erreichbar ist, in die Obhut des Jugendamtes zu bringen. (3) Kind im Sinne dieses Gesetzes ist, wer noch nicht vierzehn, Jugendlicher, wer vierzehn, aber noch nicht achtzehn J a h r e alt ist. (4) Erziehungsberechtigter im Sinne dieses Gesetzes ist, wer das Recht u n d die Pflicht h a t , für die Person des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen. I n den Fällen der §§2 bis 4 stehen den Erziehungsberechtigten Personen über 37

Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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einundzwanzig J a h r e n gleich, die mit Zustimmung des Sorgeberechtigten (Satz 1) das Kind oder den Jugendlichen zur Erziehung, Ausbildung, Aufsicht oder Betreuung in ihre Obhut genommen haben. § 2 [Besuch von Gaststätten] (1) Der Aufenthalt in Gaststätten darf Kindern u n d Jugendlichen unter sechzehn J a h r e n nur gestattet werden, wenn ein Erziehungsberechtigter sie begleitet. (2) Dies gilt nicht, wenn die Kinder oder Jugendlichen 1. an einer Veranstaltung teilnehmen, die der geistigen, sittlichen oder beruflichen Förderung der Jugend dient, 2. sich auf Reisen befinden oder 3. eine Mahlzeit oder ein Getränk einnehmen, solange dazu der Aufenthalt in der Gaststätte erforderlich ist. § 3 [Alkoholische Getränke] (1) Kindern u n d Jugendlichen darf in Gaststätten u n d Verkaufsstellen Branntwein weder abgegeben noch sein Genuß gestattet werden. Das gleiche gilt f ü r überwiegend branntweinhaltige Genußmittel. (2) Andere alkoholische Getränke dürfen in Gaststätten u n d Verkaufsstellen zum eigenen Genuß nicht abgegeben werden 1. Kindern, 2. Jugendlichen unter sechzehn Jahren, die nicht von einem Erziehungsberechtigten begleitet werden. § 4 [Öffentliche Tanzveranstaltungen] (1) Kindern u n d Jugendlichen unter sechzehn J a h r e n darf die Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen nicht gestattet werden. (2) Jugendlichen von sechzehn J a h r e n oder darüber darf die Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen bis 24 Uhr gestattet werden, jedoch a b 22 Uhr nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten. (3) Ausnahmen von Absatz 1 u n d 2 können auf Vorschlag der in § 2 des Reichsgesetzes f ü r Jugendwohlfahrt vom 11. August 1961 (BGBl. I, 1295) vorgesehenen Organe (Jugendämter, Landesjugendämter, oberste Landesbehörden) zugelassen werden. § 5 [Varieté-, Kabarett-, Revueveranstaltungen] (1) Die Anwesenheit bei Varieté-, K a b a r e t t - oder Revueveranstaltungen darf Kindern u n d Jugendlichen nicht gestattet werden. (2) § 4 Abs. 3 gilt entsprechend. § 6 [Öffentliche Filmveranstaltungen] (1) Die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen darf Kindern unter sechs J a h r e n nicht gestattet werden. (2) Die Anwesenheit bei öffentlichen Filmveranstaltungen darf gestattet werden 1. Kindern, die sechs, aber noch nicht zwölf J a h r e alt sind, wenn die vorgezeigten Filme zur Vorführung vor Kindern dieses Alters freigegeben sind u n d die Vorführung bis spätestens 20 Uhr beendet ist, 2. Kindern u n d Jugendlichen, die zwölf, aber noch nicht sechzehn J a h r e alt sind, wenn die vorgezeigten Filme zur Vorführung vor Kindern u n d 578

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Jugendlichen dieses Alters freigegeben sind und die Vorführung bis spätestens 22 Uhr beendet ist, 3. Jugendlichen, die sechzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt sind, wenn die vorgezeigten Filme zur Vorführung vor Jugendlichen dieses Alters freigegeben sind und die Vorführung bis spätestens 23 Uhr beendet ist. (3) Filme, die geeignet sind, die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zur leiblichen, seelischen oder gesellschaftlichen Tüchtigkeit zu beeinträchtigen, dürfen nicht zur Vorführung vor diesen freigegeben werden. (4) Das Recht der Freigabe von Filmen für Kinder und Jugendliche steht der obersten Landesbehörde zu. Sie kennzeichnet die Filme gemäß Absatz 2 Nr. 1 mit „Freigegeben ab sechs Jahren", Nr. 2 mit „Freigegeben ab zwölf Jahren", Nr. 3 mit „Freigegeben ab sechzehn Jahren" und alle übrigen Filme mit „Freigegeben ab achtzehn Jahren". (6) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für Werbevorspanne und Beiprogramme. § 7 [Öffentliche Glücksspiele] (1) Kindern und Jugendlichen darf nicht gestattet werden, 1. in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen, vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen anwesend zu sein, in denen Glücksspiele veranstaltet werden oder in denen mit mechanischer Vorrichtung ausgestattete Spielgeräte aufgestellt sind, oder 2. in der Öffentlichkeit an Glücksspielen teilzunehmen oder öffentlich aufgestellte Spielgeräte mit mechanischer Vorrichtung zu benutzen, welche die Möglichkeit eines Gewinnes bieten. (2) § 4 Abs. 3 gilt entsprechend. (3) Absatz 1 gilt nicht für die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Spielen mit Gewinnmöglichkeit bei Volksbelustigungen unter freiem Himmel und von vorübergehender Dauer, wenn als Gewinne nur Waren von geringem Wert verabfolgt werden. § 8 [Veranstaltungen mit verrohendem Einfluß] (1) Der Bundesminister für Familie und Jugend ist ermächtigt, durch Rechtsverordnimg mit Zustimmimg des Bundesrates Veranstaltungen zu bezeichnen, die ihrer A r t nach geeignet sind, auf Kinder und Jugendliche einen verrohenden Einfluß auszuüben. (2) Kindern und Jugendlichen darf die Anwesenheit bei Veranstaltungen nicht gestattet werden, die in einer auf Grund des Absatzes 1 ergangenen Rechtsverordnung bezeichnet sind. § 9 [Rauchen in der Öffentlichkeit] Kindern und Jugendlichen unter sechzehn Jahren darf der Tabakgenuß in der Öffentlichkeit nicht gestattet werden. § 10 [Bekanntmachungspflicht] Veranstalter und Gewerbetreibende haben die nach den §§2 bis 9 für ihre Betriebseinrichtungen und Veranstaltungen geltenden Vorschriften in einer deutlich erkennbaren Form bekanntzumachen. Zur Bekanntmachimg der Freigabe von Filmen dürfen sie nur die Kennzeichnung des § 6 Abs. 4 Satz 2 verwenden. 37*

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Gesetz betr. jugendgefährdende Schriften

§ 11 [Verheiratete Jugendliche] Dieses Gesetz gilt n i c h t f ü r v e r h e i r a t e t e Jugendliche. § 12 [Maßnahmen des Jugendamts] Bei K i n d e r n u n d Jugendlichen, die 1. gemäß § 1 gemeldet werden, 2. bei d e m A u f e n t h a l t in R ä u m e n , d e r Teilnahme a n V e r a n s t a l t u n g e n oder bei B e t ä t i g u n g e n entgegen d e n Vorschriften der §§2 u n d 4 bis 8 angetroffen werden oder 3. bei einem n a c h den §§ 3 u n d 9 v e r b o t e n e n Genuß v o n alkoholischen G e t r ä n k e n oder T a b a k betroffen werden, leitet das J u g e n d a m t die a u f g r u n d der b e s t e h e n d e n Vorschriften zulässigen M a ß n a h m e n ein. D e r V o r m u n d s e h a f t s r i c h t e r k a n n auf A n t r a g des J u g e n d a m t e s oder v o n A m t s wegen Weisungen erteilen. § 13 [Strafbestimmungen] W e r vorsätzlich als Veranstalter oder Gewerbetreibender 1. einer der in d e n §§2 bis 9 e n t h a l t e n e n Vorschriften zuwiderhandelt u n d d a d u r c h wenigstens leichtfertig ein K i n d oder einen Jugendlichen in seiner körperlichen, geistigen oder sittlichen E n t w i c k l u n g schwer gef ä h r d e t oder 2. Zuwiderhandlungen gegen die §§2 bis 9 beharrlich wiederholt, wird m i t Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r u n d m i t Geldstrafe oder m i t einer dieser S t r a f e n b e s t r a f t . § 14 [Ordnungswidrigkeiten] (1) Ordnungswidrig h a n d e l t , wer 1. als V e r a n s t a l t e r oder Gewerbetreibender vorsätzlich oder fahrlässig einer der in §§ 2 bis 10 e n t h a l t e n e n Vorschriften zuwiderhandelt oder 2. als Person ü b e r einundzwanzig J a h r e n ein V e r h a l t e n eines K i n d e s oder Jugendlichen h e r b e i f ü h r t oder f ö r d e r t , d a s d u r c h §§ 1 bis 9 verh i n d e r t werden soll. (2) Die Ordnungswidrigkeit k a n n m i t einer Geldbuße g e a h n d e t werden.

C. Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der F a s s u n g v o m 29. April 1961 (BGBl. I S. 498), Ä n d G v o m 24. Mai 1968 (BGBl. I 503, 518) Inhaltsübersicht Erster Abschnitt. Jugendgefährdende Schriften §§ 1 bis 7 Zweiter Abschnitt. Bundesprüfstelle §§ 8 bis 10 Dritter Abschnitt. Zuständigkeit § 11 Vierter Abschnitt. Verfahren 1. Allgemeine Verfahrensvorschriften §§12 bis 15a 2. Führung der Liste §§ 16 bis 18a 3. Bekanntmachungen § 19 Fünfter Abschnitt. Rechtsweg § 20 Sechster Abschnitt. Strafvorschriften § 21 Siebenter Abschnitt. Schlußvorschriften §§ 22 bis 25

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Gesetz betr. jugendgefährdende Schriften

Allh. 1

Auszug Erster Abschnitt. Jugendgefährdende Schriften § 1 [Aufnahme in die Liste] (1) Schriften, die geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden, sind in eine Liste aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhaß anreizende sowie den Krieg verherrlichende Schriften. Die Aufnahme ist bekanntzumachen. (2) Eine Schrift darf nicht in die Liste aufgenommen werden 1. allein wegen ihres politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts; 2. wenn sie der K u n s t oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre dient; 3. wenn sie im öffentlichen Interesse liegt, es sei denn, daß die Art der Darstellung zu beanstanden ist. (3) Den Schriften stehen Schallaufnahmen, Abbildungen u n d Darstellungen gleich. (4) Kind im Sinne des Gesetzes ist, wer noch nicht vierzehn, Jugendlicher, wer vierzehn, aber noch nicht achtzehn J a h r e alt ist. § 2 [Ausnahmen] I n Fällen von geringer Bedeutung k a n n davon abgesehen werden, die Schrift in die Liste aufzunehmen. § 3 [Vertriebsverbot bei Jugendlichen] Eine Schrift darf, sobald ihre Aufnahme in die Liste bekanntgemacht ist, einem Kind oder Jugendlichen nicht feilgeboten oder zugänglich gemacht werden. § 4 [Weitere Vertriebsverbote] (1) Eine Schrift, deren A u f n a h m e in die Liste bekanntgemacht ist, darf nicht 1. durch Händler außerhalb von Geschäftsräumen oder durch Reisende von H a u s zu Haus, 2. in Kiosken oder anderen Verkaufsstellen, die der K u n d e nicht zu betreten pflegt, 3. im Versandhandel oder 4. in gewerblichen Leihbüchereien oder Lesezirkeln vertrieben, verbreitet oder verliehen oder zu diesen Zwecken vorrätig gehalten werden. (2) Verleger u n d Zwischenhändler dürfen eine solche Schrift nicht an Personen liefern, soweit diese einen Handel nach Absatz I Nr. 1 betreiben oder Inhaber von Betrieben der in Absatz 1 Nr. 2 bis 4 bezeichneten Art sind. § 5 [Verbotene Werbung] (1) Bei geschäftlicher Werbung darf nicht darauf hingewiesen werden, d a ß ein Verfahren zur A u f n a h m e einer Schrift in die Liste anhängig ist oder gewesen ist. 581

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(2) Nach Bekanntmachung ist eine geschäftliche Werbung durch Auslegen oder Aushängen der Schrift im Schaufenster, innerhalb eines Verkaufsraumes oder an anderen allgemein zugänglichen Orten, durch Reklame oder Anzeigen, Postwurfsendungen oder andersartige Übermittlung von Werbematerial untersagt. Anzeigen in Fachblättern des Buchhandels sind zulässig. § 6 [Offensichtlich schwer gefährdende Schriften] (1) Schriften, die Kinder oder Jugendliche offensichtlich sittlich schwer gefährden, unterliegen den Beschränkungen der §§3 bis 5, ohne daß es einer Aufnahme in die Liste u n d einer Bekanntmachung bedarf. (2) Das gleiche gilt f ü r Schriften, die durch Bild f ü r N a c k t k u l t u r werben. Sechster Abschnitt. Strafvorschriften § 21 [Strafen, Maßnahmen des Jugendamts] (1) Wer vorsätzlich den §§3 bis 6 zuwiderhandelt oder die Liste zum Zwecke der geschäftlichen Werbung abdruckt oder veröffentlicht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r u n d mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Wird die T a t fahrlässig begangen, so ist auf Geldstrafe zu erkennen. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter oder mit ihrer Einwilligung ein anderer eine Schrift, die den Beschränkungen der §§ 3 bis 5 lediglich aufgrund des § 6 Abs. 2 unterliegt, einem Kind oder einem Jugendlichen feilbietet oder zugänglich m a c h t . (3) Wenn, abgesehen von den Fällen des Absatzes 2, der Erziehungsberechtigte, der gesetzliche Vertreter oder ein Jugendlicher eine Schrift, die den Beschränkungen der §§3 bis 6 unterliegt, einem K i n d oder einem Jugendlichen feilbietet oder zugänglich macht, so bleibt die T a t straflos. Das Gericht k a n n von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn der Täter, der die Schrift einem Kind oder einem Jugendlichen feilgeboten oder zugänglich gemacht h a t , dem in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung genannten Personenkreis angehört. (4) H a t ein Kind oder ein Jugendlicher eine Schrift, die den Beschränkungen der §§3 bis 6 unterliegt, einem anderen Kind oder Jugendlichen feilgeboten oder zugänglich gemacht, so leitet das J u g e n d a m t die auf Grund der bestehenden Vorschriften zulässigen Maßnahmen ein. Der Vormundschaftsrichter k a n n auf Antrag des Jugendamtes oder von Amts wegen Weisungen erteilen.

Anhang 2 Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v o m 7. 8. 1952 (BGBl. I I 686) Die in R o m a m 4. 11. 1950 von den Regierungen der Mitgliedstaaten des E u r o p a r a t s unterzeichnete Menschenrechtskonvention ist durch Gesetz vom 7. 8. 1952 (BGBl. I I 685) Bundesrecht geworden u n d mit ihrer Verkündimg

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Menschenrechtskonvention

(2) Nach Bekanntmachung ist eine geschäftliche Werbung durch Auslegen oder Aushängen der Schrift im Schaufenster, innerhalb eines Verkaufsraumes oder an anderen allgemein zugänglichen Orten, durch Reklame oder Anzeigen, Postwurfsendungen oder andersartige Übermittlung von Werbematerial untersagt. Anzeigen in Fachblättern des Buchhandels sind zulässig. § 6 [Offensichtlich schwer gefährdende Schriften] (1) Schriften, die Kinder oder Jugendliche offensichtlich sittlich schwer gefährden, unterliegen den Beschränkungen der §§3 bis 5, ohne daß es einer Aufnahme in die Liste u n d einer Bekanntmachung bedarf. (2) Das gleiche gilt f ü r Schriften, die durch Bild f ü r N a c k t k u l t u r werben. Sechster Abschnitt. Strafvorschriften § 21 [Strafen, Maßnahmen des Jugendamts] (1) Wer vorsätzlich den §§3 bis 6 zuwiderhandelt oder die Liste zum Zwecke der geschäftlichen Werbung abdruckt oder veröffentlicht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r u n d mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Wird die T a t fahrlässig begangen, so ist auf Geldstrafe zu erkennen. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter oder mit ihrer Einwilligung ein anderer eine Schrift, die den Beschränkungen der §§ 3 bis 5 lediglich aufgrund des § 6 Abs. 2 unterliegt, einem Kind oder einem Jugendlichen feilbietet oder zugänglich m a c h t . (3) Wenn, abgesehen von den Fällen des Absatzes 2, der Erziehungsberechtigte, der gesetzliche Vertreter oder ein Jugendlicher eine Schrift, die den Beschränkungen der §§3 bis 6 unterliegt, einem K i n d oder einem Jugendlichen feilbietet oder zugänglich macht, so bleibt die T a t straflos. Das Gericht k a n n von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn der Täter, der die Schrift einem Kind oder einem Jugendlichen feilgeboten oder zugänglich gemacht h a t , dem in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung genannten Personenkreis angehört. (4) H a t ein Kind oder ein Jugendlicher eine Schrift, die den Beschränkungen der §§3 bis 6 unterliegt, einem anderen Kind oder Jugendlichen feilgeboten oder zugänglich gemacht, so leitet das J u g e n d a m t die auf Grund der bestehenden Vorschriften zulässigen Maßnahmen ein. Der Vormundschaftsrichter k a n n auf Antrag des Jugendamtes oder von Amts wegen Weisungen erteilen.

Anhang 2 Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v o m 7. 8. 1952 (BGBl. I I 686) Die in R o m a m 4. 11. 1950 von den Regierungen der Mitgliedstaaten des E u r o p a r a t s unterzeichnete Menschenrechtskonvention ist durch Gesetz vom 7. 8. 1952 (BGBl. I I 685) Bundesrecht geworden u n d mit ihrer Verkündimg

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a m 22.8.1952 in K r a f t getreten. I h r Einfluß erstreckt sich nicht nur auf das Verfahrensrecht, sondern auch auf das materielle Recht (vgl. Anm. 6 zu § 53 StGB). Die f ü r die Strafrechtspraxis wichtigen Bestimmungen der Konvention haben folgenden W o r t l a u t : Art. 2 [Das Recht auf Leben] 1. Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. 2. Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) u m die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) u m eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das E n t k o m m e n einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) u m im R a h m e n der Gesetze einen A u f r u h r oder einen Aufstand zu unterdrücken. Art. 3 [Verbot der Folter] Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Art. 4 [Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit] 1. Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden. 2. Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten. 3. Als „Zwangs- oder Pflichtarbeit" im Sinne dieses Artikels gilt nicht: a) jede Arbeit, die normalerweise von einer Person verlangt wird, die unter den von Artikel 5 der vorliegenden Konvention vorgesehenen Bedingungen in H a f t gehalten oder bedingt freigelassen worden ist; b) jede Dienstleistung militärischen Charakters, oder im Falle der Verweigerung aus Gewissensgründen in Ländern, wo diese als berechtigt anerkannt ist, eine sonstige anstelle der militärischen Dienstpflicht tretende Dienstleistung; c) jede Dienstleistung im Falle von Notständen u n d Katastrophen, die das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen; d) jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört. Art. 5 [Recht auf Freiheit und Sicherheit] 1. J e d e r Mensch h a t ein Recht auf Freiheit u n d Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen u n d nur auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege entzogen werden: a) wenn er rechtmäßig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht in H a f t gehalten wird; b) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in H a f t gehalten wird wegen Nichtbefolgung eines rechtmäßigen Gerichtsbeschlusses oder zur Erzwingung der Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung ;

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Anh. 2

Menschenrechtskonvention

c) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird zum Zwecke seiner Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, sofern hinreichender Verdacht dafür besteht, daß der Betreffende eine strafbare Handlung begangen hat, oder begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer strafbaren Handlung oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu verhindern ; d) wenn es sich um die rechtmäßige Haft eines Minderjährigen handelt, die zum Zwecke überwachter Erziehung angeordnet ist, oder um die rechtmäßige Haft eines solchen, die zwecks Vorführung vor die zuständige Behörde verhängt ist; e) wenn er sich in rechtmäßiger Haft befindet, weil er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten bildet, oder weil er geisteskrank, Alkoholiker, rauschgiftsüchtig oder Landstreicher ist; f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, weil er daran gehindert werden soll, imberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen, oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungsoder Auslieferungsverfahren betroffen ist. 2. Jeder Festgenommene muß unverzüglich und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet werden. 3. J e d e nach der Vorschrift des Absatzes 1 c dieses Artikels festgenommene oder in Haft gehaltene Person muß unverzüglich einem Richter oder einem anderen, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten vorgeführt werden. E r hat Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens. Die Freilassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden. 4. Jeder, der seiner Freiheit durch Festnahme oder Haft beraubt ist, hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. 5. Jeder, der entgegen den Bestimmungen dieses Artikels von Festnahme oder Haft betroffen worden ist, hat Anspruch auf Schadensersatz. Art. 6 [Stellung und Rechte des Angeklagten] 1. Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Gerechtigkeit beeinträchtigen würde, in diesem Falle jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.

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Wehrstrafgesetz

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2. Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird v e r m u t e t , d a ß der wegen einer s t r a f b a r e n Handlung Angeklagte unschuldig ist. 3. J e d e r Angeklagte h a t mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden R e c h t e : a) unverzüglich in einer f ü r ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art u n d den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden; b) über ausreichende Zeit u n d Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen; c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d) Fragen a n die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen u n d die Ladung u n d Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken; e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn er (der Angeklagte) die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann. Art. 7 [Rechtsgrundlagen einer Verurteilung] 1. Niemand k a n n wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht s t r a f b a r war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitp u n k t der Begehung der s t r a f b a r e n Handlung angedrohte Strafe verhängt werden. 2. Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht h a t , welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den allgemeinen von den zivilisierten Völkern anerkannten Rechtsgrundsätzen s t r a f b a r war.

Anhang 3 Das Wehrstrafgesetz (WStG) vom 30. 3. 1957 (BGBl. I 298), zuletzt geändert durch das 1. S t r R G vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645), i . d . F . d e r Bekanntmachung von 1.9.1969 (BGBl. I 1502). Erster Teil. Allgemeine Bestimmungen § 1. Geltungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt f ü r Straftaten, die Soldaten der Bundeswehr begehen. (2) E s gilt auch f ü r Straftaten, durch die militärische Vorgesetzte, die nicht Soldaten sind, ihre Pflichten verletzen (§§30 bis 41). (3) Wegen Anstiftung u n d Beihilfe zu militärischen Straftaten ist nach diesem Gesetz auch s t r a f b a r , wer nicht Soldat ist.

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Wehrstrafgesetz

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2. Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird v e r m u t e t , d a ß der wegen einer s t r a f b a r e n Handlung Angeklagte unschuldig ist. 3. J e d e r Angeklagte h a t mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden R e c h t e : a) unverzüglich in einer f ü r ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art u n d den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden; b) über ausreichende Zeit u n d Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen; c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d) Fragen a n die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen u n d die Ladung u n d Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken; e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn er (der Angeklagte) die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann. Art. 7 [Rechtsgrundlagen einer Verurteilung] 1. Niemand k a n n wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht s t r a f b a r war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitp u n k t der Begehung der s t r a f b a r e n Handlung angedrohte Strafe verhängt werden. 2. Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht h a t , welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den allgemeinen von den zivilisierten Völkern anerkannten Rechtsgrundsätzen s t r a f b a r war.

Anhang 3 Das Wehrstrafgesetz (WStG) vom 30. 3. 1957 (BGBl. I 298), zuletzt geändert durch das 1. S t r R G vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645), i . d . F . d e r Bekanntmachung von 1.9.1969 (BGBl. I 1502). Erster Teil. Allgemeine Bestimmungen § 1. Geltungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt f ü r Straftaten, die Soldaten der Bundeswehr begehen. (2) E s gilt auch f ü r Straftaten, durch die militärische Vorgesetzte, die nicht Soldaten sind, ihre Pflichten verletzen (§§30 bis 41). (3) Wegen Anstiftung u n d Beihilfe zu militärischen Straftaten ist nach diesem Gesetz auch s t r a f b a r , wer nicht Soldat ist.

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§ 2. Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. eine militärische Straftat eine Handlung, die der Zweite Teil dieses Gesetzes mit Strafe bedroht; 2. ein Befehl eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter (§ 1 Abs. 4 des Soldatengesetzes) einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt; 3. eine schwerwiegende Folge eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert, die dem Täter nicht gehören. § 3. Anwendung des allgemeinen Strafrechts (1) Das allgemeine Strafrecht ist anzuwenden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. (2) Für Straftaten von Soldaten, die Jugendliche oder Heranwachsende sind, gelten besondere Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes. § 4. Militärische Straftaten gegen verbündete Streitkräfte (1) Die Vorschriften dieses Gesetzes sind auch dann anzuwenden, wenn ein Soldat der Bundeswehr eine militärische Straftat gegen Streitkräfte eines verbündeten Staates oder eines ihrer Mitglieder begeht. (2) Das Gericht kann von Strafe absehen, wenn die Wahrung der Disziplin in der Bundeswehr eine Bestrafung nicht erfordert. § 5. Handeln auf Befehl (1) Begeht ein Untergebener eine mit Strafe bedrohte Handlung auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn es sich um ein Verbrechen oder Vergehen handelt und er dies erkennt oder es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist. (2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs mildern, bei Vergehen bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder von Strafe absehen. § 6. Furcht vor persönlicher Gefahr Furcht vor persönlicher Gefahr entschuldigt eine Tat nicht, wenn die soldatische Pflicht verlangt, die Gefahr zu bestehen. § 7. Selbstverschuldete Trunkenheit (1) Selbstverschuldete Trunkenheit führt nicht zu einer Milderung der angedrohten Strafe, wenn die Tat eine militärische Straftat ist oder in Ausübung des Dienstes begangen wird. (2) Der Trunkenheit steht ein Rausch anderer Art gleich. § 8. Strafen Die in diesem Gesetz angedrohten Strafen sind Freiheitsstrafe und Strafarrest. 586

Wehrstrafgesetz

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§ 9. Strafarrest (1) Das Höchstmaß des Strafarrestes ist sechs Monate, das Mindestmaß ein Tag, bei militärischen S t r a f t a t e n eine Woche. (2) Der Strafarrest besteht in Freiheitsentziehung. I m Vollzug soll der Soldat, soweit tunlich, in seiner Ausbildung gefördert werden. (3) Die Vollstreckung des Strafarrestes v e r j ä h r t in zwei J a h r e n . (4) Gegen Personen, die zur Zeit der Tat nicht Soldaten sind, darf Strafarrest nicht verhängt werden. An die Stelle von Strafarrest t r i t t Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten. § 10. Strafen bei militärischen Straftaten Bei militärischen Straftaten gelten für Soldaten folgende besondere Vorschriften : 1. Das Mindestmaß der Freiheitsstrafe ist ein Monat. 2. I s t nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs eine Freiheitsstrafe unter einem Monat verwirkt, so ist die Strafe Strafarrest. 3. Auf Geldstrafe nach § 14 des Strafgesetzbuches darf nicht erkannt werden. § 11. Wahl zwischen verschiedenen Strafarten Wo dieses Gesetz die W a h l zwischen Freiheitsstrafe und Strafarrest läßt, darf auf Strafarrest nur erkannt werden, wenn der Täter bei vorsätzlichen Taten nur mit geringer Schuld, bei fahrlässigen Taten nicht gewissenlos oder sonst mit schwerer Schuld gehandelt h a t . § 12. Geldstrafe bei nichtmilitärischen Straftaten (1) I s t das Vergehen eines Soldaten keine militärische S t r a f t a t u n d läßt das Gesetz die Wahl zwischen Freiheitsstrafe u n d Geldstrafe, so darf auf Geldstrafe nicht erkannt werden, wenn die W a h r u n g der Disziplin eine Freiheitsstrafe erfordert. Unter denselben Voraussetzungen darf auf Geldstrafe nach den §§ 14, 15 des Strafgesetzbuches nicht erkannt werden. (2) Ist Geldstrafe nach Absatz 1 ausgeschlossen, so k a n n anstelle von Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten auf Strafarrest von gleicher Dauer erkannt werden. § 13. Zusammentreffen mehrerer Straftaten W ä r e nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches eine Gesamtstrafe von mehr als sechs Monaten Strafarrest zu bilden, so wird s t a t t auf Strafarrest auf Freiheitsstrafe erkannt. Die Gesamtstrafe darf zwei J a h r e nicht übersteigen. § 14. Strafaussetzung zur Bewährung (1) Die Vollstreckung des Strafarrestes k a n n unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 u n d des § 26 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches zur Bewährung ausgesetzt werden. § 23 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, §§ 24 bis 24b, 24d bis 25a u n d 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 des Strafgesetzbuches gelten entsprechend. (2) Bewährungsauflagen u n d Weisungen (§§ 24a bis 24c des Strafgesetzbuches) sollen die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigen.

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(3) Für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses kann ein Soldat als ehrenamtlicher Bewährungshelfer (§ 24 c des Strafgesetzbuches) bestellt werden. Er untersteht bei der Überwachung des Verurteilten nicht den Anweisungen des Gerichts. (4) Von der Überwachung durch einen Bewährungshelfer, der nicht Soldat ist, sind für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses Angelegenheiten ausgeschlossen, für welche die militärischen Vorgesetzten des Verurteilten zu sorgen haben. Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten haben den Vorrang. Zweiter Teil. Militärische Straftaten Erster Abschnitt. Straftaten gegen die Pflicht zur militärischen Dienstleistung § 15. Eigenmächtige Abwesenheit (1) Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihr fernbleibt und vorsätzlich oder fahrlässig länger als drei volle Kalendertage abwesend ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Strafarrest bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes von seiner Truppe oder Dienststelle abgekommen ist und es vorsätzlich oder fahrlässig unterläßt, sich bei ihr, einer anderen Truppe oder Dienststelle der Bundeswehr oder einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von drei vollen Kalendertagen zu melden. (3) Ist der Täter vorsätzlich oder fahrlässig länger als einen Monat abwesend, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Strafarrest nicht unter drei Wochen. § 16. Fahnenflucht (1) Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihr fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Stellt sich der Täter innerhalb eines Monats und ist er bereit, der Verpflichtung zum Wehrdienst nachzukommen, so kann auf Strafarrest nicht unter drei Wochen erkannt werden. § 17. Selbstverstümmelung (1) Wer sich oder einen anderen Soldaten mit dessen Einwilligung durch Verstümmelung oder auf andere Weise zum Wehrdienst untauglich macht oder machen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Führt der Täter die Untauglichkeit nur zeitweise oder teilweise herbei, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Strafarrest. (3) Der Versuch ist strafbar. § 18. Dienstentziehimg durch Täuschimg (1) Wer sich oder einen anderen Soldaten durch arglistige, auf Täuschung berechnete Machenschaften dem Wehrdienst dauernd oder zeitweise, ganz oder teilweise entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Strafarrest bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

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Zweiter Abschnitt. Straftaten gegen die Pflichten der Untergebenen § 19. Ungehorsam (1) Wer vorsätzlich einen Befehl nicht befolgt und dadurch eine schwerwiegende Folge (§ 2 N r . 3) herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Strafarrest nicht u n t e r zwei Wochen bestraft. (2) Der Versuch ist s t r a f b a r . (3) I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu zehn J a h r e n . (4) Wer im Falle des Absatzes 1 die schwerwiegende Folge fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. § 20. Gehorsamsverweigerung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Strafarrest nicht unter zwei Wochen wird bestraft, 1. wer die Befolgung eines Befehls dadurch verweigert, daß er sich mit Wort oder T a t gegen ihn auflehnt, oder 2. wer darauf beharrt, einen Befehl nicht zu befolgen, nachdem dieser wiederholt worden ist. (2) Verweigert der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 den Gehorsam gegenüber einem Befehl, der nicht sofort auszuführen ist, befolgt er ihn aber rechtzeitig aus freien Stücken, so k a n n das Gericht den Strafarrest bis auf das gesetzliche Mindestmaß ermäßigen oder von Strafe absehen. § 21. Leichtfertiges Nichtbefolgen eines Befehls Wer leichtfertig einen Befehl nicht befolgt u n d dadurch wenigstens fahrlässig eine schwerwiegende Folge (§ 2 Nr. 3) herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. § 22. Verbindlichkeit des Befehls; Irrtum (1) I n den Fällen der §§19 bis 21 handelt der Untergebene nicht rechtswidrig, wenn der Befehl nicht verbindlich ist, insbesondere wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt ist oder die Menschenwürde verletzt oder wenn durch das Befolgen ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde. Dies gilt auch, wenn der Untergebene irrig annimmt, der Befehl sei verbindlich. (2) Befolgt ein Untergebener einen Befehl nicht, weil er irrig a n n i m m t , daß durch die Ausführung ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde, so ist er nach den §§ 19 bis 21 nicht straf bar, wenn ihm der I r r t u m nicht vorzuwerfen ist. (3) N i m m t ein Untergebener irrig an, daß ein Befehl aus anderen Gründen nicht verbindlich ist, u n d befolgt er ihn deshalb nicht, so k a n n die in den §§19 bis 21 angedrohte Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden, wenn ihm der I r r t u m nicht vorzuwerfen ist. § 23. Bedrohung eines Vorgesetzten Wer im Dienst oder in Beziehung auf eine Diensthandlung einen Vorgesetzten mit der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft.

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§ 24. Nötigung eines Vorgesetzten (1) Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung einen Vorgesetzten zu nötigen, eine Diensthandlung vorzunehmen oder zu unterlassen, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf J a h r e n bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer die T a t gegen einen Soldaten begeht, der zur Unterstützung des Vorgesetzten zugezogen worden ist. (3) Sind mildernde U m s t ä n d e vorhanden, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder Strafarrest. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu zehn J a h r e n . § 25. Tätlicher Angriff gegen einen Vorgesetzten (1) Wer es unternimmt, gegen einen Vorgesetzten tätlich zu werden, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf J a h r e n bestraft. (2) Iii besonders leichten Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder Strafarrest nicht unter drei Wochen. (3) I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu zehn J a h r e n . § 26. Strafmilderung bei vorschriftswidriger Behandlung H a t ein Vorgesetzter einen Untergebenen vorschriftswidrig behandelt u n d ist dieser in begreiflicher Erregung über diese Behandlung zu der Tat hingerissen worden, so k a n n das Gericht in den Fällen des § 19 Abs. 1 sowie der §§20 und 25 die Strafe bis auf das gesetzliche Mindestmaß ermäßigen. § 27. Meuterei (1) Wenn Soldaten sich zusammenrotten u n d mit vereinten K r ä f t e n eine Gehorsamsverweigerung (§ 20), eine Bedrohung (§ 23), eine Nötigung (§ 24) oder einen tätlichen Angriff (§ 25) begehen, so wird jeder, der sich an der Zusammenrottung beteiligt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf J a h r e n bestraft. (2) Der Versuch ist s t r a f b a r . (3) Gegen Rädelsführer u n d gegen Anstifter der Zusammenrottung k a n n auf Freiheitsstrafe nicht unter einem J a h r erkannt werden. (4) I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht u n t e r einem J a h r . (5) Wer sich n u r an der Zusammenrottung beteiligt, jedoch aus freien Stücken zur Ordnung zurückkehrt, bevor eine der in Absatz 1 bezeichneten Taten begangen wird, k a n n mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft werden. § 28. Verabredung zur Unbotmäßigkeit (1) Verabreden Soldaten, gemeinschaftlich eine Gehorsamsverweigerung (§ 20), eine Bedrohung (§ 23), eine Nötigung (§ 24), einen tätlichen Angriff (§ 25) oder eine Meuterei (§ 27) zu begehen, so werden sie nach den Vorschriften bestraft, die f ü r die Begehung der Tat gelten. I n den Fällen der §§ 20, 24, 25 und 27 k a n n die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden. (2) Straflos bleibt, wer aus freien Stücken seine Tätigkeit aufgibt u n d die Handlung verhindert. Unterbleibt sie ohne sein Zutun oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Begehung zu verhindern.

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§ 29. Taten gegen Soldaten mit höherem Dienstgrad (1) Die §§ 23 bis 28 gelten entsprechend, wenn die Tat gegen einen Soldaten begangen wird, der zur Zeit der Tat nicht Vorgesetzter des Täters, aber 1. Offizier oder Unteroffizier ist und einen höheren Dienstgrad als der Täter hat oder 2. im Dienst dessen Vorgesetzter ist, und der Täter oder der andere zur Zeit der Tat im Dienst ist oder die Tat sich auf eine Diensthandlung bezieht. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist § 4 nicht anzuwenden. Dritter Abschnitt. Straftaten gegen die Pflichten der Vorgesetzten § 30. Mißhandlung (1) Wer vorsätzlich einen Untergebenen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer es vorsätzlich fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht. (3) In besonders leichten Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Strafarrest nicht unter zwei Wochen, in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. (4) Ist die Körperverletzung eine schwere (§ 224 des Strafgesetzbuches), so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. § 31. Entwürdigende Behandlung (1) Wer vorsätzlich einen Untergebenen entwürdigend behandelt oder ihm böswillig den Dienst erschwert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Strafarrest nicht unter zwei Wochen bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer es vorsätzlich fördert oder pflichtwidrig duldet, daß ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu fünf Jahren. § 32. Mißbrauch der Befehlsbefugnis zu unzulässigen Zwecken Wer seine Befehlsbefugnis oder Dienststellung gegenüber einem Untergebenen zu Befehlen, Forderungen oder Zumutungen mißbraucht, die nicht in Beziehung zum Dienst stehen oder dienstlichen Zwecken zuwiderlaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Strafarrest bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. § 33. Verleiten zu einem Verbrechen oder Vergehen (1) Wer durch Mißbrauch seiner Befehlsbefugnis oder Dienststellung einen Untergebenen zu einer von diesem begangenen Handlung bestimmt hat, die als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedroht ist, wird nach den Vorschriften bestraft, die für die Begehung der Tat gelten. Die Strafe kann bis auf das Doppelte der sonst zulässigen Höchststrafe, jedoch nicht über das gesetzliche Höchstmaß der angedrohten Strafart hinaus erhöht werden. 591

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(2) I s t die Tat des Untergebenen keine militärische S t r a f t a t , so gelten folgende Vorschriften: 1. § 10 Nr. 1 u n d 2 ist nicht anzuwenden. 2. Auf Geldstrafe darf n u r erkannt werden, wenn sie neben Freiheitsstrafe vorgeschrieben oder zugelassen ist. 3. Anstelle von Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten k a n n auf Strafarrest von gleicher Dauer erkannt werden. § 34. Erfolgloses Verleiten zu einem Verbrechen oder Vergehen (1) Wer durch Mißbrauch seiner Befehlsbefugnis oder Dienststellung einen Untergebenen zu bestimmen versucht, eine als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohte Handlung auszuführen oder zu ihr anzustiften, wird nach den f ü r die Begehung der Tat geltenden Vorschriften bestraft. Jedoch k a n n die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden. (2) § 33 Abs. 2 gilt entsprechend. (3) Straflos bleibt, wer aus freien Stücken den Versuch, den Untergebenen zu bestimmen, aufgibt oder die mit Strafe bedrohte Handlung verhindert, wenn ihre Begehung zu befürchten ist. Unterbleibt die Handlung ohne sein Z u t u n oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt sein freiwilliges u n d e m s t h a f t e s Bemühen, die Begehung zu verhindern. § 35. Unterdrücken von Beschwerden (1) Wer einen Untergebenen durch Befehle, Drohungen, Versprechungen, Geschenke oder sonst auf pflichtwidrige Weise davon abhält, Eingaben, Meldungen oder Beschwerden bei der Volksvertretung der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, bei dem Wehrbeauftragten des Bundestages, bei einer Dienststelle oder bei einem Vorgesetzten anzubringen, Anzeige zu erstatten oder von einem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder. mit Strafarrest bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine solche Erklärung, zu deren P r ü f u n g oder Weitergabe er dienstlich verpflichtet ist, unterdrückt. (3) Der Versuch ist s t r a f b a r . § 36. Taten von Soldaten mit höherem Dienstgrad (1) Die §§ 30 bis 35 gelten entsprechend f ü r Taten eines Soldaten, der zur Zeit der T a t nicht Vorgesetzter des anderen, aber 1. Offizier oder Unteroffizier ist u n d einen höheren Dienstgrad als der andere h a t oder 2. im Dienst dessen Vorgesetzter ist und der bei der T a t seine Dienststellung mißbraucht. (2) I n den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist § 4 nicht anzuwenden. § 37. Beeinflussung der Rechtspflege Wer es unternimmt, durch Mißbrauch seiner Befehlsbefugnis oder Dienststellung unzulässigen Einfluß auf Soldaten zu nehmen, die als Organe der Rechtspflege tätig sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist.

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Wehrstrafgesetz

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§ 38. Anmaßen von Befehlsbefugnissen Wer sich Befehlsbefugnis oder Disziplinarstrafgewalt a n m a ß t oder seine Befehlsbefugnis oder Disziplinarstrafgewalt überschreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft, soweit die Tat nicht nach § 39 s t r a f b a r ist. § 39. Mißbrauch der Disziplinarstrafgewalt (1) Ein Disziplinarvorgesetzter, der wider besseres Wissen 1. eine Disziplinarstrafe gegen einen Unschuldigen verhängt, 2. eine Disziplinarstrafe verhängt, obwohl die Verfolgung unzulässig ist, 3. zum Nachteil des Untergebenen eine Disziplinarstrafe verhängt, die nach Art oder H ö h e im Gesetz nicht vorgesehen ist, oder 4. ein Dienstvergehen mit unerlaubten Maßnahmen a h n d e t , wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bestraft. (2) I n besonders leichten Fällen des Absatzes 1 N r . 3 oder 4 ist die Strafe Strafarrest. (3) Wer wider besseres Wissen eine Disziplinarstrafe vollstreckt, die nicht vollstreckt werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bestraft. § 40. Unterlassene Mitwirkung bei Strafverfahren Wer seiner Pflicht als Vorgesetzter zuwider es unterläßt, den Verdacht, daß ein Untergebener eine als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohte H a n d l u n g begangen h a t , zu melden oder zu untersuchen oder eine solche Sache an die Strafverfolgungsbehörde abzugeben, u m den Untergebenen der im Gesetz vorgesehenen Strafe oder Maßregel der Sicherung u n d Besserung zu entziehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. § 41. Mangelhafte Dienstaufsicht (1) W e r es vorsätzlich unterläßt, Untergebene pflichtgemäß zu beaufsichtigen oder beaufsichtigen zu lassen, u n d dadurch eine schwerwiegende Folge (§ 2 Nr. 3) herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bes t r a f t . Der Versuch ist strafbar. (2) Wer im Falle des Absatzes 1 die schwerwiegende Folge fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. (3) Wer die Aufsichtspflicht leichtfertig verletzt u n d dadurch wenigstens fahrlässig eine schwerwiegende Folge herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Strafarrest bestraft. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, soweit in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. Vierter Abschnitt. Straftaten gegen andere militärische Pflichten § 42. Unwahre dienstliche Meldung (1) Wer vorsätzlich 1. in einer dienstlichen Meldung oder Erklärung unwahre Angaben über Tatsachen von dienstlicher Bedeutung macht, 2. eine solche Meldung weitergibt, ohne sie pflichtgemäß zu berichtigen oder 3. eine dienstliche Meldung unrichtig übermittelt 38 Petters-Preisendanz, StGB, 26. Aufl.

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Wehrstrafgesetz

u n d dadurch eine schwerwiegende Folge (§ 2 Nr. 3) herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n bestraft. Der Versuch ist strafbar. (2) Wer im Falle des Absatzes 1 die schwerwiegende Folge fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. (3) Wer im Falle des Absatzes 1 leichtfertig handelt u n d die schwerwiegende Folge wenigstens fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r oder mit Strafarrest bestraft. § 43. Unterlassene Meldung (1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Meuterei (§ 27) oder einer Sabotage (§ 109e Abs. 1 des Strafgesetzbuches) zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erf ä h r t u n d es vorsätzlich unterläßt, unverzüglich Meldung zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. (2) § 139 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. § 44. Wachverfehlung (1) Wer vorsätzlich im Wachdienst 1. sich außerstande setzt, seinen Dienst zu versehen, 2. seinen Posten verläßt oder 3. Befehle nicht befolgt, die f ü r den Wachdienst gelten, u n d dadurch eine schwerwiegende Folge (§ 2 Nr. 3) herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Strafarrest nicht u n t e r zwei Wochen bestraft. Der Versuch ist strafbar. (2) I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem J a h r bis zu zehn Jahren. (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die schwerwiegende Folge fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt u n d die schwerwiegende Folge wenigstens fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder mit Strafarrest bestraft. (5) Wird ein Befehl nicht befolgt, so gilt § 22 entsprechend. § 45. Pflichtverletzung bei Sonderaufträgen Nach § 44 Abs. 1 bis 5 wird auch bestraft, wer als Führer eines K o m m a n d o s oder einer Abteilung, der einen Sonderauftrag selbständig auszuführen h a t u n d auf seine erhöhte Verantwortung hingewiesen worden ist, 1. sich außerstande setzt, den Auftrag pflichtgemäß zu erfüllen, 2. seinen Posten verläßt oder 3. Befehle nicht befolgt, die f ü r die Ausführung des Auftrages gelten, u n d dadurch eine schwerwiegende Folge (§ 2 Nr. 3) herbeiführt. § 46. Rechtswidriger Waffengebrauch Wer von der Waffe einen rechtswidrigen Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r oder mit Strafarrest bestraft, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist.

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Wesen und Quelle des Strafprozesses

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§ 47. Fahrlässige Körperverletzung oder Tötung im Dienst (1) Begeht ein Soldat im Ausbildungsdienst oder im Einsatz eine f a h r lässige Körperverletzung oder eine fahrlässige Tötung, so sind die f ü r die Begehung der T a t geltenden Vorschriften mit folgenden Abweichungen anzuwenden: 1. Anstelle von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten k a n n auf Strafarrest von gleicher Dauer erkannt werden. 2. Auf Geldstrafe darf nicht erkannt werden, wenn die W a h r u n g der Disziplin eine Freiheitsstrafe erfordert. (2) § 10 ist nicht anzuwenden. § 48. Verletzung anderer Dienstpflichten (1) F ü r die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über einfache und schwere Bestechlichkeit (§§ 331, 332), Körperverletzung im Amte (§ 340), Hausfriedensbruch im Amte (§ 342), Aussagenerpressung (§ 343), Verfolgung Unschuldiger (§ 344), unzulässige Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel (§ 345), Begünstigung im A m t e (§ 346), Gefangenenbefreiung (§ 347), Falschbeurkundung im Amte (§ 348), einfache u n d schwere Amtsunterschlagung (§§ 350, 351) u n d Verletzung der Amtsverschwiegenheit (§ 353 b) stehen Offiziere u n d Unteroffiziere den Beamten, ihr Wehrdienst dem A m t e gleich. (2) Wegen schwerer Bestechlichkeit (§ 332 des Strafgesetzbuches) sind auch Mannschaften s t r a f b a r . (3) Die in den Absätzen 1 u n d 2 bezeichneten Strafvorschriften sind m i t folgenden Abweichungen anzuwenden: 1. Anstelle von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten k a n n auf Strafarrest von gleicher Dauer erkannt werden. 2. An die Stelle von Freiheitsstrafe bis zu einem Monat t r i t t Strafarrest von gleicher Dauer, jedoch nicht unter einer Woche. 3. Auf Geldstrafe darf nicht erkannt werden.

Anhang 4 DAS STRAFPROZESSRECHT A. Wesen und Quelle des Strafprozesses 1. Der S t r a f p r o z e ß h a t die Aufgabe, die durch den Rechtsbrecher gestörte Rechtsordnung durch Feststellung u n d Ahndung der von ihm begangenen s t r a f b a r e n Handlung wiederherzustellen. Der Strafprozeß ist ein gerichtliches Verfahren zur Entscheidung der Frage, ob gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Handlung eine kriminelle Strafe verhängt werden m u ß . Wird eine straf bedrohte H a n d l u n g durch einen zurechnungs38

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Wesen und Quelle des Strafprozesses

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§ 47. Fahrlässige Körperverletzung oder Tötung im Dienst (1) Begeht ein Soldat im Ausbildungsdienst oder im Einsatz eine f a h r lässige Körperverletzung oder eine fahrlässige Tötung, so sind die f ü r die Begehung der T a t geltenden Vorschriften mit folgenden Abweichungen anzuwenden: 1. Anstelle von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten k a n n auf Strafarrest von gleicher Dauer erkannt werden. 2. Auf Geldstrafe darf nicht erkannt werden, wenn die W a h r u n g der Disziplin eine Freiheitsstrafe erfordert. (2) § 10 ist nicht anzuwenden. § 48. Verletzung anderer Dienstpflichten (1) F ü r die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über einfache und schwere Bestechlichkeit (§§ 331, 332), Körperverletzung im Amte (§ 340), Hausfriedensbruch im Amte (§ 342), Aussagenerpressung (§ 343), Verfolgung Unschuldiger (§ 344), unzulässige Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel (§ 345), Begünstigung im A m t e (§ 346), Gefangenenbefreiung (§ 347), Falschbeurkundung im Amte (§ 348), einfache u n d schwere Amtsunterschlagung (§§ 350, 351) u n d Verletzung der Amtsverschwiegenheit (§ 353 b) stehen Offiziere u n d Unteroffiziere den Beamten, ihr Wehrdienst dem A m t e gleich. (2) Wegen schwerer Bestechlichkeit (§ 332 des Strafgesetzbuches) sind auch Mannschaften s t r a f b a r . (3) Die in den Absätzen 1 u n d 2 bezeichneten Strafvorschriften sind m i t folgenden Abweichungen anzuwenden: 1. Anstelle von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten k a n n auf Strafarrest von gleicher Dauer erkannt werden. 2. An die Stelle von Freiheitsstrafe bis zu einem Monat t r i t t Strafarrest von gleicher Dauer, jedoch nicht unter einer Woche. 3. Auf Geldstrafe darf nicht erkannt werden.

Anhang 4 DAS STRAFPROZESSRECHT A. Wesen und Quelle des Strafprozesses 1. Der S t r a f p r o z e ß h a t die Aufgabe, die durch den Rechtsbrecher gestörte Rechtsordnung durch Feststellung u n d Ahndung der von ihm begangenen s t r a f b a r e n Handlung wiederherzustellen. Der Strafprozeß ist ein gerichtliches Verfahren zur Entscheidung der Frage, ob gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Handlung eine kriminelle Strafe verhängt werden m u ß . Wird eine straf bedrohte H a n d l u n g durch einen zurechnungs38

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Strafprozeßrecht

unfähigen Täter begangen, so ist als besondere Verfahrensart das sog. Sicher u n g s v e r f a h r e n nach § 429a ff. StPO zu beachten (vgl. Abschn. K I V ) . I m Gegensatz hierzu bildet das W e s e n des Z i v i l p r o z e s s e s die Feststellung privatrechtlicher, insbesondere vermögensrechtlicher Ansprüche. I m S t r a f p r o z e ß steht der Staat, repräsentiert durch die Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten gegenüber, im Z i v i l p r o z e ß der Kläger dem Beklagten. Zum Strafprozeß gehört auch die P r i v a t k l a g e , die, ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft, für bestimmte leichtere Vergehen wie Beleidigungen und einfache Körperverletzungen u.a. vorgesehen ist. Diese Privatklage ist nicht mit der Zivilklage, der Grundlage des Zivilprozesses, zu verwechseln. 2. Das gesamte Strafverfahrensrecht (Strafprozeßrecht i. w. S.) hat seinen Ursprung im G e r i c h t s v e r f a s s u n g s g e s e t z vom 27. Januar 1877 und der R e i c h s s t r a f p r o z e ß o r d n u n g vom 1. Februar 1877. Diese beiden Gesetze sind im Laufe der Jahrzehnte wiederholt geändert worden; die wichtigste Änderung der Vorkriegszeit erfolgte 1924 durch die sog. Emmingersche Verordnung. Nach 1945 trat infolge der Zoneneinteilung eine weitgehende Rechtszersplitterung auf dem Gebiete des Strafprozeßrechts und der Gerichtsverfassung ein. Sie wurde für das Gebiet der Bundesrepublik erst durch das sog. V e r e i n h e i t l i c h u n g s g e s e t z vom 12. 9. 1950 wieder beseitigt. Hierbei wurden alle Änderungen während derNS-Zeit, soweit sie die Rechtsstellung des Beschuldigten beeinträchtigten oder sonst typisch nationalsozialistisches Gedankengut enthielten, aufgehoben. Im übrigen knüpfte man weitgehend wieder an die Rechtslage nach der Novelle 1924 an. 4. In den letzten Jahren wurden sowohl die StPO als auch das GVG erneut wiederholt geändert. Hervorzuheben sind insbesondere: a) das am 1. 4. 1965 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der StPO und des GVG (StPÄG) vom 19. 12. 1964 (BGBl. I 1067), das die lange geforderte Kleine Strafprozeßreform brachte. Hierbei wurde vor allem das H a f t r e c h t einer grundlegenden Neuregelung unterzogen, durch die die Rechtsstellung des Beschuldigten erheblich verbessert wurde. (Einzelheiten s.u. Abschn. F I.) Auch die weiteren Änderungen dienten überwiegend der Verbesserimg der Rechtsstellung des Beschuldigten. So ist der Beschuldigte jetzt bei jeder Vernehmving ausdrücklich darüber zu b e l e h r e n , daß es ihm freisteht, sich zur Sache zu äußern oder aber die Aussage zu verweigern, und daß er jederzeit, also auch schon vor seiner ersten Vernehmung, einen Verteidiger konsultieren kann (vgl. §§ 136, 163a, 243 Abs. 4 StPO). Angehörige sind über ihr Recht zur Zeugnisverweigerung nicht erst bei ihrer richterlichen Vernehmung, sondern schon bei einer Vernehmung durch die Polizei oder die StA ausdrücklich zu belehren (§§ 52, 163a StPO). Sind die Ermittlungen abgeschlossen, so ist die StA bei Sachen von nicht ganz geringer Bedeutung verpflichtet, dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen die Erhebung der Anklage geltend zu machen und ein sog. S c h l u ß g e h ö r zu beantragen (vgl. §§ 169a, 169b StPO). Auch die Stellung des V e r t e i d i g e r s wurde wesentlich gestärkt (vgl. §§ 147, 148 StPO), die Fälle der notwendigen Verteidigung wurden erweitert (§§ 140, 141 StPO). Der E r ö f f n u n g s b e s c h l u ß wiederholt nicht mehr die in der Anklage enthaltene Beschuldigung und den insoweit bestehenden hinreichenden Tatverdacht, sondern beschränkt sich auf die bloße Feststellung, daß die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird (§ 207 StPO). Hierdurch soll der Eindruck vermieden werden, das Gericht habe sich schon vor der Hauptverhandlung festgelegt. Dementsprechend wird in der Hauptverhandlung nicht mehr

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Die sachliche Zuständigkeit der Strafgerichte

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der Eröffnungsbeschluß veilesen, sondern der StA t r ä g t den sog. A n k l a g e s a t z (siehe hierzu § 200 StPO) vor. F ü r das W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n von besonderer Bedeutung ist die Regelung, d a ß Richter, die bei der früheren Verurteilung mitgewirkt haben, von der Mitwirkung im Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen sind (vgl. § 23 Abs. 2 StPO). b) das a m 1. 8. 1968 in K r a f t getretene 8. StrRÄndG vom 25. 6. 1968 (BGBl. I 741), durch das u . a . das Legalitätsprinzip bei politischen Strafsachen eingeschränkt wurde (vgl. §§ 153b—d StPO); c) das a m 1. 10. 1968 in K r a f t getretene EinführungsG zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) v o m 24. 5. 1968 (BGBl. I 503), das den Beschuldigten vor allem in kostenrechtlicher Hinsicht besser stellt. Bei Freispruch oder Einstellung des gerichtlichen Verfahrens h a t jetzt die Staatskasse grundsätzlich nicht nur die Verfahrenskosten, sondern auch die sog. notwendigen Auslagen des Beschuldigten, zu denen auch die Verteidigerkosten gehören, zu übernehmen. N u r noch ausnahmsweise wird dem Beschuldigten zugemutet, seine Auslagen selbst zu tragen (vgl. §§ 467, 467a StPO). Einer völlig neuen Regelung wurden auch die Vorschriften über das Einziehungsverfahren unterzogen (vgl. §§ 430ff. StPO). d) das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- u n d Fernmeldegeheimnisses v o m 13. 8. 1968 (BGBl. I 949), durch das die §§ 100a, 100b StPO neu eingeführt wurden; e) das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645), das in seinem 3. Abschnitt wesentliche Änderungen der StPO, des GVG u n d des J G G enthält. Die Änderungen stehen hauptsächlich im Zusammenhang mit der E i n f ü h r u n g der einheitlichen Freiheitsstrafe u n d der Neuordnung der Strafaussetzung zur Bewährimg; f) das Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszugs in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. 9. 1969 (BGBl. I 1582), das Änderungen des GVG u n d der StPO enthält. Soweit bisher die Zuständigkeit des B G H in erster u n d letzter Instanz gegeben war, entscheidet jetzt das OLG im e sten Rechtszug. Der B G H ist nur noch Revisionsinstanz. 4. Die StPO ist wie folgt gegliedert: 1. B u c h : Allgemeine Vorschriften (§§ 1—150). 2. B u c h : Verfahren im ersten Rechtszug (§§ 151—295). 3. B u c h : Rechtsmittel (§§ 296—358). 4. B u c h : Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 359—373a). 5. B u c h : Beteiligung des Verletzten a m Verfahren (§§ 374—406d). 6. B u c h : Besondere Arten des Verfahrens (§§ 407—444). 7. B u c h : Strafvollstreckung u n d Kosten des Verfahrens (§§ 449—474a).

B. Die sachliche Zuständigkeit der Strafgerichte I. Allgemeine Vorbemerkungen über die Zuständigkeit 1. U n t e r Z u s t ä n d i g k e i t versteht m a n die Befugnis eines Gerichts, in einer Strafsache eine Entscheidung zu treffen. Man unterscheidet s a c h l i c h e u n d ö r t l i c h e Zuständigkeit. a) Durch die Vorschriften über die s a c h l i c h e Zuständigkeit wird festgestellt, w e l c h e A r t v o n G e r i c h t f ü r die Behandlung u n d Entscheidung einer bestimmten Strafsache berufen ist. Die diesbezüglichen Bestimmungen enthält das G e r i c h t s v e r f a s s u n g s g e s e t z .

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Strafprozeßrecht

b) Die Bestimmungen über die ö r t l i c h e Zuständigkeit (siehe Abschnitt C) regeln die Frage, welches der sachlich zuständigen Gerichte im E i n z e l f a l l in Tätigkeit zu treten hat. Die diesbezüglichen Bestimmungen enthält die Strafprozeßordnung. 2. Im allgemeinen werden in 1. Instanz die k l e i n e r e n Strafsachen durch den Amtsrichter als E i n z e l r i c h t e r , die b e d e u t e n d e r e n durch das S c h ö f f e n g e r i c h t , die s c h w e r e n durch die S t r a f k a m m e r und die s c h w e r s t e n durch das S c h w u r g e r i c h t abgeurteilt. Für die S t a a t s s c h u t z s a c h e n ist die besondere Zuständigkeit der sog. politischen Strafkammern (vgl. § 74a GVG) und der Oberlandesgerichte zu beachten (vgl. § 120 GVG). II. Die sachliche Zuständigkeit im einzelnen 1. Das Amtsgericht ist nach § 24 GVG zuständig für alle Ü b e r t r e t u n g e n , außerdem für V e r b r e c h e n und V e r g e h e n , soweit es sich nicht um Sachen handelt, für die ausnahmsweise die besondere Zuständigkeit der sog. politischen Strafkammern (§ 74a GVG), des Schwurgerichts (§ 80 GVG) oder des Oberlandesgerichts (§ 120 GVG) begründet ist. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts entfällt ferner, wenn im Einzelfall eine höhere Strafe als 3 Jahre Freiheitsstrafe oder die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG). In diesen Fällen erhebt die StA Anklage vor der Großen Strafkammer des Landgerichts. Die StA erhebt schließlich auch dann Anklage vor dem Landgericht, wenn dies wegen der besonderen Bedeutung der Sache angemessen erscheint (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG). Dieses sog. Wahlrecht der StA ist nicht verfassungswidrig (vgl. BVerfGE 18,428). a) Der Amtsrichter entscheidet als Einzelrichter bei allen Ü b e r t r e t u n g e n (§ 25 Nr. 1 GVG), bei allen P r i v a t k l a g e s a c h e n (§ 25 Nr. 2a GVG) sowie bei allen V e r g e h e n , soweit die angedrohte Freiheitsstrafe 6 Monate nicht überschreitet (§ 24 Nr. 2 b GVG) oder wenn die StA Anklage zum Einzelrichter erhebt und im Zeitpunkt der Anklageerhebung im Einzelfall keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von 1 Jahr nebst etwaigen Nebenstrafen und Nebenfolgen zu erwarten ist (§ 25 Nr. 2c GVG). Im letztgenannten Fall kommt es allein auf die zu erwartende Strafe an. Der Amtsrichter ist also nicht gehindert, den erweiterten Strafrahmen des § 24 Abs. 2 GVG voll auszuschöpfen, wenn er nach dem Ergebnis der HV eine höhere Strafe als 1 Jahr Freiheitsstrafe für angemessen hält (BGH 16, 248). Für V e r b r e c h e n ist der Einzelrichter nicht mehr zuständig, nachdem der frühere § 25 Nr. 3 (Zuständigkeit bei Taten, die nur wegen der Rückfallsvoraussetzungen Verbrechen waren) durch das 1. StrRG gegenstandslos geworden ist. Der Wegfall dieser Bestimmung dürfte allerdings zu keiner Entlastung des Amtsrichters führen, da die bisher durch § 25 Nr. 3 GVG erfaßten Fälle in Zukunft Vinter § 25 Nr. 2 GVG fallen und außerdem mancher einfach liegende Fall des schweren Diebstahls, für den bisher Anklage zum Schöffengericht erhoben werden mußte, jetzt auch vom Einzelrichter abgeurteilt werden kann, nachdem der schwere Diebstahl jetzt nur noch als Vergehen mit Strafe bedroht ist. b) Das Schöffengericht (ein Berufsrichter und zwei Schöffen) entscheidet (siehe § 28 GVG) in allen zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Strafsachen (siehe oben Abschnitt 1), soweit nicht der Amtsrichter allein entscheidet. Die a u ß e r h a l b der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen werden von dem Amtsrichter erlassen. Bei umfangreichen Sachen kann ein z w e i t e r A m t s r i c h t e r zugezogen werden (§ 29 Abs. 2 GVG). 598

Die sachliche Zuständigkeit der Strafgerichte

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c) Die Jugendgerichte (siehe §§ 33, 40 JGG): aa) Der A m t s r i c h t e r als J u g e n d r i c h t e r ist zuständig für Verfehlungen Jugendlicher, wenn nur Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder nach diesem Gesetz zulässige Nebenstrafen und Nebenfolgen zu erwarten sind und der Staatsanwalt Anklage beim Einzelrichter erhebt. Der Jugendrichter darf nicht auf Jugendstrafe von mehr als einem Jahr oder von unbestimmter Dauer erkennen. bb) Das J u g e n d s c h ö f f e n g e r i c h t (ein Jugendrichter und zwei Jugendschöffen) ist zuständig für alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit eines anderen Jugendgerichts gehören. 2. Beim Landgericht entscheiden als erkennende Gerichte die S t r a f k a m m e r n (kleine und große Strafkammer), die S c h w u r g e r i c h t e und die J ugendkammern. a) Die Kleine Strafkammer (Vorsitzender und zwei Schöffen) tritt nur als B e r u f u n g s g e r i c h t gegen Urteile des Amtsrichters inTätigkeit (§ 76 GVG). b) Die Große Strafkammer (drei Berufsrichter mit Einschluß des Vorsitzenden und zwei Schöffen) ist zuständig: aa) als erkennendes Gericht des e r s t e n R e c h t s z u g s für alle V e r b r e c h e n , die nicht zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts oder des Schwurgerichts gehören. Die große Strafkammer ist f e r n e r zuständig für alle V e r g e h e n und V e r b r e c h e n , die von der Staatsanwaltschaft bei ihr angeklagt werden (siehe oben Abschnitt 1) oder vom Amtsgericht an sie verwiesen sind, weil seine Strafgewalt zu ihrer Aburteilung nicht ausreicht (vgl. § 270 StPO); bb) als B e r u f u n g s g e r i c h t bei Berufung gegen Urteile des Schöffengerichts (siehe §§ 74, 76 GVG); cc) für das S i c h e r u n g s v e r f a h r e n nach §§429aff. StPO als erkennendes Gericht des ersten Rechtszugs (§ 429b Abs. 3 StPO). dd) Bei den Landgerichten, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist eine Strafkammer für den Bezirk des Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig für Vergehen und Verbrechen gemäß §§ 80a, 84—90, 90a Abs. 3, 90b, 109d—109g, 129 StGB nebst §20 VereinsG, §§ 234a, 241a StGB, sofern nicht der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt (sog. p o l i t i s c h e S t r a f k a m m e r , vgl. § 74a GVG i.d.F. des 8. StrRÄndG. vom 25. 6. 1968). ee) Die S t r a f k a m m e r n als beschließende Kammern, besetzt mit drei Berufsrichtern, sind gemäß § 73 GVG ferner zuständig für die die V o r u n t e r suchung betreffenden Entscheidungen und schließlich für die Entscheidungen über B e s c h w e r d e n gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters und des Amtsrichters sowie gegen Entscheidungen des Amtsrichters und des Schöffengerichts. c) Die Schwurgerichte (drei Berufsrichter mit Einschluß des Vorsitzenden und sechs Geschworene) sind zuständig für Mord (§211 StGB), Totschlag (§212 StGB) und Kindestötung (§217 StGB), ferner für Verbrechen nach §§ 178, 221 Abs. 3 letzter Halbsatz, 226, 229 Abs. 2 letzter Halbsatz, 239 Abs. 3, 251, 252, 255, wenn die Strafe aus § 251 zu entnehmen ist, §§ 307, 311 Abs. 1-3, 312 Abs. 1 letzter Halbsatz, 321 Abs. 2 letzter Halbsatz, 324 letzter Halbsatz, 341 i. V. mit 239 Abs. 3 StGB (vgl. § 80 GVG). Die drei Berufsrichter und sechs Geschworenen entscheiden über die Schuld- und S t r a f f r a g e g e m e i n s c h a f t l i c h ; Beschlüsse und Ver-

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fügungen a u ß e r h a l b der HauptVerhandlung erlassen w ä h r e n d der Tagung die drei richterliehen Mitglieder des Schwurgerichts und a u ß e r h a l b der Tagung die Strafkammer (drei Richter). d) Die Jugendkammer (drei Richter und zwei Jugendschöffen) ist als erkennendes Gericht des e r s t e n Rechtszugs zuständig in Sachen, die zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehören oder die sie wegen des besonderen Umfangs übernimmt. Sie ist ferner zuständig als B e r u f u n g s g e r i c h t gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts (§ 41 JGG). 3. Bei den Oberlandesgerichten entscheiden S t r a f s e n a t e . Ihre Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 120, 121 GYG, ihre Besetzung aus § 122 GVG. a) Gemäß § 120 Abs. 1 GVG sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des jeweiligen Landes als Gericht des e r s t e n R e c h t s z u g s zuständig für alle S t a a t s s c h u t z sachen, bei denen früher der B G H in erster und letzter Instanz zuständig war, nämlich bei Friedensverrat (§ 80 StGB), Hochverrat (§§ 81—83 StGB), Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94—100a StGB), bei einem Anschlag auf einen ausländischen Staatsmann (§ 102 StGB), bei Vergehen gemäß §§ 105, 106 StGB (Nötigimg von Verfassungsorganen usw.), bei Vergehen gemäß § 138 StGB, wenn die Unterlassung eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehört, ferner bei Völkermord (§ 220a StGB). Gemäß § 120 Abs. 2 GVG sind die oben näher bezeichneten Oberlandesgerichte als Gericht des ersten Rechtszugs weiter zuständig für Straftaten, die an sich gemäß § 74 a GVG unter die Zuständigkeit der sog. politischen Strafkammern fallen (siehe oben b, dd), deren Verfolgung jedoch wegen der besonderen Bedeutung des Falles der Generalbundesanwalt übernommen hat. Ist das OLG der Auffassung, daß der Fall keine besondere Bedeutung hat, so verweist es die Sache an das gemäß § 74a GVG zuständige Landgericht (§ 120 Abs. 2 S. 2 GVG). Entscheidet das OLG als erkennendes Gericht des ersten Rechtszugs, so sind die Senate in der Hauptverhandlung mit f ü n f R i c h t e r n einschließlich des Vorsitzenden besetzt (§ 122 Abs. 2). In gleicher Besetzung erfolgt die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens sowie über eine etwaige Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses, das nach Eröffnung des Hauptverfahrens eingetreten ist (§ 122 Abs. 2 S. 2 GVG). b) Gemäß § 121 GVG sind die Oberlandesgerichte ferner zuständig zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der R e v i s i o n aa) gegen die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des A m t s r i c h t e r s (siehe § 313 StPO), bb) gegen die B e r u f u n g s u r t e i l e der k l e i n e n und g r o ß e n Strafkammer, cc) a u s n a h m s w e i s e gegen die Urteile der großen Strafkammer und des Schwurgerichts, wenn nämlich die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird (sehr seltener Fall). c) Als B e s c h w e r d e i n s t a n z sind die Oberlandesgerichte zuständig für die Entscheidung über die B e s c h w e r d e gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammer oder des Bundesgerichtshofs begründet ist (§ 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG). 4. Beim Bundesgerichtshof (Karlsruhe) entscheiden die S t r a f s e n a t e nach Beseitigung der erstinstanzlichen Zuständigkeit nur noch

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a) als R e v i s i o n s i n s t a n z bei Revisionen gegen Urteile der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug, gegen Urteile der Schwurgerichte sowie gegen Urteile der großen S t r a f k a m m e r n im ersten Rechtszug (vgl. § 135 Abs. 1 GVG), b) als B e s c h w e r d e i n s t a n z bei Beschwerden gegen die in § 304 Abs. 4 S. 2 u n d § 310 Abs. 1 StPO näher bezeichneten erstinstanzlichen Beschlüsse u n d Verfügungen der Oberlandesgerichte sowie bei Beschwerden gegen Verfügungen des gemäß § 168a Abs. 1 S.2 StPO beim B G H tätigen Ermittlungsrichters (vgl. § 135 Abs. 2 GVG). Die Strafsenate des B G H entscheiden grundsätzlich in der B e s e t z u n g von fünf Richtern einschließlich des Vorsitzenden (§ 139 Abs. 1 GVG). E n t scheidet der B G H als Beschwerdeinstanz, so sind die Senate nur mit drei Richtern besetzt (§ 139 Abs. 1 S. 1 GVG), es sei denn, d a ß die Beschwerde sich gegen Beschlüsse gemäß §§ 204, 206a StPO richtet (§ 139 Abs. 1 S. 2 GVG). I n diesen Fällen sind die Senate — wie bei allen erstinstanzlichen Entscheidungen — mit fünf Richtern besetzt. Über die Zuständigkeit u n d Besetzung der G r o ß e n S e n a t e (je ein großer Senat f ü r Zivil-und Strafsachen) u n d die V e r e i n i g t e n G r o ß e n S e n a t e siehe §§ 132, 136ff. GVG. m . Der Rechtszug N 1