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German Pages 952 Year 1975
Preisendanz Strafgesetzbuch 29. Auflage
Strafgesetzbuch Lehrkommentar mit Erläuterungen und Beispielen, ausgewählten Nebengesetzen sowie einem Anhang über Jugendstrafrecht
29., völlig überarbeitete und ergänzte Auflage von HOLGER
PREISENDANZ
Oberstaatsanwalt in Heidelberg
1975
^P
J. Schweitzer Verlag Berlin
ISBN 3 8059 0409 6 ©
1974 by. J . Schweitzer Verlag Berlin
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz, Druck und buchbinderische Verarbeitung: Sellier GmbH Freising. Printed in Germany.
Vorwort zur 29. Auflage W e n n die Neuauflage eines Kommentars bereits nach einem J a h r erscheint, so sind in der Regel keine umfassenden Änderungen zu erwarten. Dieser Erfahrungssatz k a n n jedoch auf dem Gebiet des Strafrechts schon lange keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Seit dem Beginn der Großen Strafrechtsreform stehen die Herausgeber von Lehrbüchern u n d K o m m e n t a r e n auf dem Gebiet des Strafrechts vor der k a u m noch zu bewältigenden Aufgabe, ihre Werke dem Stand der Gesetzgebung möglichst so umgehend anzupassen, daß sie dem Studierenden u n d dem Praktiker spätestens bei I n k r a f t t r e t e n des jeweiligen Reformgesetzes zur Verfügung stehen. I m Vordergrund der jetzt vorliegenden 29. Auflage stehen das 2. StrRG, durch das der gesamte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs grundlegend u m gestaltet wurde, u n d das EGStGB, das sich nicht n u r darauf beschränkte, den Besonderen Teil u n d das Nebenstrafrecht dem neuen Allgemeinen Teil anzupassen, sondern gleichzeitig große Teile des Besonderen Teils einer weitreichenden Reform unterzog. Hinzu kommen die Vorschriften des 5. StrRG, die ungeachtet des Umstands, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der sog. Fristenlösung (§ 218a StGB) im Zeitpunkt der Drucklegung noch ausstand, in Text u n d Kommentierung bereits eingearbeitet wurden. F ü r die Übergangszeit sowie f ü r den Fall, d a ß das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Fristenlösung nicht bestätigen sollte, wurde auch die vom BVerfG in seiner einstweiligen Anordnung v o m 21. 6. 1974 (BGBl. I 1309) f ü r die Übergangszeit als zusätzlicher Rechtfertigungsgrund anerkannte sog. ethische Indikation in die Kommentierung des § 218b StGB einbezogen. Der Verfasser, der seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Ausbildung des juristischen Nachwuchses tätig ist u n d den ehemaligen „ P e t t e r s " bereits seit der 1965 erschienenen 25. Auflage betreut, h a t die jetzt in K r a f t getretenen Reformgesetze zum Anlaß genommen, alle von der Reform betroffenen Teile erneut gründlich zu überarbeiten u n d hierbei vor allem die Kommentierung des Allgemeinen Teils wesentlich zu erweitern. I n F o r t f ü h r u n g der seit der 25. Auflage verfolgten Tendenz, das früher nur äußerst k n a p p gehaltene Erläuterungsbuch in einen echten K o m m e n t a r umzuwandeln, der allen Anforderungen in Studium u n d Praxis gerecht wird, wurden die Problemkreise, die erfahrungsgemäß f ü r Studium u n d Praxis von besonderer Bedeut u n g sind, weiter ausgebaut u n d unter verstärkter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Schrifttum wissenschaftlich vertieft. Besonderer Hervorhebung bedarf, daß die Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil in der jetzigen Auflage erheblich gekürzt wurden, ohne daß dies jedoch zu einer Problemverkürzung oder einer Einschränkung des Infor-
V
mationsangebots geführt hat. Nachdem der Gesetzgeber die Problematik der sog. unechten Unterlassungsdelikte in § 13 StGB jetzt gesetzlich geregelt h a t , ergab sich hieraus zwangsläufig die Herausnahme dieses Komplexes aus den Vorbemerkungen. Die allgemeinen Ausführungen zu Täterschaft und Teilnahme finden sich jetzt bei § 25 StGB; die Ausführungen zur Lehre von der Konkurrenz wurden als Vorbemerkungen den § 52ff. StGB vorangestellt. Auch der Anhang wurde nicht unerheblich geändert. Neu aufgenommen wurden die neuen Bußgeldtatbestände des Ordnungswidrigkeitengesetzes (§§ l l l f f . OWiG) sowie die beabsichtigte Neufassung des § 142 durch den Entwurf eines 14. StrRÄndG (BT-Drucks. 7/2434). Andererseits wurde entsprechend wiederholt geäußerten Anregungen (vgl. N J W 1974, S43 und J A 1974, StR 17) auf den prozessualen Teil des Anhangs verzichtet. Dieser Verzicht fiel nicht leicht und dürfte sicher von manchem Benutzer bedauert werden. Mit Rücksicht auf die bevorstehenden Strafverfahrensreformgesetze wäre es jedoch nicht sachdienlich gewesen, an dem prozessualen Teil weiter festzuhalten. Da sich die Strafverfahrensreformgesetze noch in der parlamentarischen Beratung befinden, hätten sie noch nicht verarbeitet werden können ; ihre Ausklammerung h ä t t e andererseits dazu geführt, daß das Werk in diesem Teil möglicherweise schon wenige Wochen nach seinem Erscheinen veraltet gewesen wäre. Hinzu kommt, daß auch der Umfang des Werks durch die Erweiterung der Kommentierung inzwischen so stark geworden ist, daß sich schon aus diesem Grunde eine Beschränkimg des Anhangs aufdrängte. D a die nach Art. 323 EGStGB vorgesehene Neubekanntmachung des StGB im Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht vorlag, wurde dem Text die vom Bundesjustizministerium f ü r interne Zwecke erstellte nichtamtliche Neufassung zugrundegelegt. Abschließend möchte der Verfasser nicht versäumen, an dieser Stelle all denen zu danken, die ihn durch ihre Anregungen bei der Vorbereitung des Manuskripts sowie durch ihre Hilfe bei der technischen Gestaltung der Neuauflage tatkräftig unterstützt haben. Sein Dank gilt dabei insbesondere Fräulein Dr. Bähr, Herrn Dr. Lippok und Herrn Gerichtsreferendar Meyer. Heidelberg, im November 1974 Holger Preisendanz
Aus dem Vorwort zur 25. Auflage Der bisherige Herausgeber, Herr Landgerichtsrat Dr. Petters, verstarb a m 18. 1. 1963, kurz vor Vollendung seines 75. Lebensjahres. Seinem Wunsch, sein Werk fortzuführen, bin ich gerne gefolgt. Dabei habe ich mich von dem Bestreben leiten lassen, Charakter und System des so beliebten Buchs zu erhalten. Heidelberg, im Oktober 1964 Holger Preisendanz
VI
Inhalt Vorwort Abkürzungsverzeichnis
V XI
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil A. Einleitung
1
I. D a s V e r b r e c h e n u n d s e i n e F o l g e n (allg. Grundsätze) . 1. 2. 3. 4. 5.
Die Schutzfunktion des Strafrechts Der Verbrechensbegriff Die Aufgabe der gesetzlichen Tatbestände Die Aufgabe des Strafrechts Das Rechtsfolgesystem
II. D i e g e s e t z l i c h e n G r u n d l a g e n 1. 2. 3. 4.
Das Strafgesetzbuch Die Novellen Die strafrechtlichen Nebengesetze Die Gliederung des Strafgesetzbuchs
B. Die strafbare Handlung I. D i e E i n t e i l u n g d e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n . . . . 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Die Zweiteilung nach der Strafdrohung Begehungs- und Unterlassungsdelikte Verletzungs- und Gefährdungsdelikte Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte Die erfolgsqualifizierten Delikte Die eigenhändigen Delikte Die Sonderdelikte Offlzial- und Antragsdelikte Die Privatklagedelikte
II. D e r V e r b r e c h e n s a u f b a u 1. 2. 3. 4.
Die Die Die Die
Verbrechenselemente persönlichen Strafausschließungsgründe objektiven Strafbarkeitsbedingungen Verfahrenshindernisse
1 1 1 1 2 2 2 2 2 8 8 8 8 8 9 9 9 10 10 11 11 12 12 12 12 13 13
VII
Inhalt III. Der H a n d l u n g s b e g r i f f 1. Die Handlung als Willensbetätigung 2. Verhaltensweisen, die nicht zu den Handlungen gehören .
13 13 14
IV. D e r K a u s a l z u s a m m e n h a n g 1. Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs 2. Die Bestimmung der Kausalität 3. Besonderheiten bei den unechten Unterlassungsdelikten und bei den Fahrlässigkeitsdelikten 4. Atypische Geschehnisabläufe
15 15 15
V. D i e T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t 1. Begriff 2. Der objektive Tatbestand 3. Der subjektive Tatbestand
16 16 17 17 17 18
VI. D i e R e c h t s w i d r i g k e i t 1. Die Indiz Wirkung des Tatbestands 2. Die offenen Tatbestände 3. Das System der Rechtfertigungsgründe 4. Übersicht über die wichtigsten Rechtfertigungsgründe . . 5. Gemeinsame Regeln für alle Rechtfertigungsgründe . . .
21 21 21 22 23 24
VII. D i e S c h u l d 1. Das Wesen der Schuld 2. Die einzelnen Schuldelemente 3. Gemeinsame Regeln für alle Schuldausschließungsgründe
25 25 25 26
C. Die Fahrlässigkeitsdelikte 1. 2. 3. 4.
Begriff und Abgrenzung Der Tatbestand der Fahrlässigkeitstat Die Rechtswidrigkeit Die Schuld
D. Die persönlichen Strafausschließungsgründe 1. 2. 3. 4. 5.
Begriff und Abgrenzung Übersicht Die fakultativen Strafausschließungsgründe Gemeinsame Regeln Behandlung im Prozeß
E. Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen 1. 2. 3. 4.
vm
Begriff und Wesen Übersicht Gemeinsame Regeln Behandlung im Prozeß
27 27 28 30 31 32 32 32 32 33 33 34 34 34 35 35
Inhalt F. Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse 1. 2. 3. 4. 5.
Begriff u n d Wesen Die Prozeßvoraussetzungen Die Prozeßhindernisse Gemeinsame Regeln Behandlung im Prozeß
36 36 36 36 37 37
Strafgesetzbuch (StGB) Allgemeiner Teil 1. Abschnitt. Das Strafgesetz (§§ 1—12) 1. Titel. Geltungsbereich (§§ 1—10) 2. Titel. Sprachgebrauch (§§ 11, 12) 2. Abschnitt. Die Tat (§§ 13—37) 1. Titel. Grundlagen der Strafbarkeit (§§ 13—21) 2. Titel. Versuch (§§ 22—24) 3. Titel. Täterschaft u n d Teilnahme (§§ 25—31) 4. Titel. Notwehr u n d N o t s t a n d (§§ 32—35) 5. Titel. Straflosigkeit parlamentarischer Äußerungen u n d Berichte (§§ 36, 37) 3. Abschnitt. Rechtsfolgen der T a t (§§ 38—76a) 1. Titel. Strafen (§§ 38—45b) 2. Titel. Strafbemessung (§§ 46—51) 3. Titel. Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen (§§ 52—55) 4. Titel. Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56—58) 5. Titel. Verwarnung mit Strafvorbehalt; Absehen von Strafe (§§ 59—60) 6. Titel. Maßregeln der Besserung u n d Sicherung (§§ 61—72) . . . 7. Titel. Verfall u n d Einziehung (§§ 73—76a) 4. Abschnitt. Strafantrag, Ermächtigung, Strafverlangen (§§ 77—77 e) 5. Abschnitt. Verjährung (§§ 78—79 b) 1. Titel. Verfolgungsverjährung (§§ 78—78c) 2. Titel. Vollstreckungsverjährung (§§ 79—79 b)
39 39 53 66 66 105 125 159 182 183 183 201 219 229 245 252 305 325 335 335 343
Besonderer Teil 1. Abschnitt. Friedens verrat, Hochverrat u n d Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats (§§ 80—92 b) 2. Abschnitt. Landesverrat u n d Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 93—101a) 3. Abschnitt. Straftaten gegen ausländische Staaten (§§ 102—104b) 4. Abschnitt. Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen u n d Abstimmungen (§§ 105—108d) 5. Abschnitt. Schutz der Landesverteidigung (§§ 109—109k) . . . . 6. Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 110—122). . .
348 372 385 387 393 399
IX
Inhalt 7. 8. 9. 10. 11.
Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt. Abschnitt.
12. Abschnitt. 13. Abschnitt. 14. Abschnitt. 15. Abschnitt. 16. Abschnitt. 17. Abschnitt. 18. Abschnitt. 19. Abschnitt. 20. Abschnitt. 21. Abschnitt. 22. Abschnitt. 23. Abschnitt. 24. Abschnitt. 25. Abschnitt. 26. Abschnitt. 27. Abschnitt. 28. Abschnitt.
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung (§§ 123—145d) Geld- u n d Wertzeichenfälschung (§§ 146—152) . . . Falsche uneidliche Aussage u n d Meineid (§§ 153—163) Falsche Verdächtigung (§§ 164—165) Straftaten, die sich auf Religion u n d Weltanschauung beziehen (§§ 166—168) Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe u n d die Familie (§§ 169—173) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174—184c) Beleidigung (§§ 185—200) Verletzung des persönlichen Lebens- u n d Geheimbereichs (§§ 201—205) Straftaten gegen das Leben (§§ 211—222) Körperverletzung (§§ 223—233) Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§§ 234—241a) Diebstahl u n d Unterschlagung (§§ 242—248c) . . . . R a u b u n d Erpressung (§§ 249—256) Begünstigung u n d Hehlerei (§§ 257—262) B e t r u g u n d Untreue (§§ 263—266) Urkundenfälschung (§§ 267—281) Bankerott (§§ 239—244 KO) Strafbarer Eigennutz (§§ 284—302 f) Sachbeschädigung (§§ 303—305) Gemeingefährliche Straftaten (§§ 306—330c) Straftaten im Amte (§§ 331—358)
416 460 471 484 488 493 502 551 569 587 619 638 658 694 704 723 742 762 764 780 783 834
Anhang 1: Jugendstrafrecht und Jugendschutz A. Jugendgerichtsgesetz B. Gesetz zum Schutze der J u g e n d in der Öffentlichkeit . . . . C. Gesetz über Verbreitung jugendgefährdender Schriften . . . .
877 877 881 885
Anhang 2: Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Auszug)
888
Anhang 3: Wehrstrafgesetz
891
Anhang 4: Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) (Auszug) . . .
901
Anhang 5: Versammlungsgesetz
907
Anhang 6: Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen, Edelsteinen und Perlen (Auszug)
913
Anhang 7: Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen (Auszug) . .
914
Anhang 8: Ergänzende strafrechtliche Regelungen des EGStGB . . .
915
Anhang 9: Neufassimg des § 142 StGB durch den Entwurf des 14. StrRÄndG
922
Sachverzeichnis
925
X
Abkürzungsverzeichnis anderer Ansicht a m angeführten Ort a m Ende Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuchs alte Fassung Amtsgericht Aktiengesetz v. 6. 9. 1965 (BGBl. I 1089), zuletzt geändert durch Art. 129 EGStGB actio libera in causa a.l.i.c. Änderungsgesetz ÄndG Reichsabgabenordnung v. 22. 5. 1931 (RGBl. I 161), AO zuletzt geändert durch Art. 161 E G S t G B Ges. über die friedliche Verwendung der Kernenergie u n d AtomG den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) v. 23. 12. 1959 (BGBl. I 814), zuletzt geändert durch Art. 192 EGStGB AV Allgemeine Verfügung AVG Angestelltenversicherungsgesetz i . d . F . v o m 28. 5. 1924 (RGBl. I 563), zuletzt geändert durch Art. 253 E G S t G B BA Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für medizinische u n d juristische Praxis BAnz. Bundesanzeiger Ber. Bericht des BT-Sonderausschusses f ü r die Strafrechtsreform BÄO Bundesärzteordnung i . d . F . v o m 4. 2. 1970 (BGBl. I 237), zuletzt geändert durch Art. 52 EGStGB Baumann B a u m a n n , Strafrecht, Allg. Teil 6. Aufl. 1974 BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BB Der Betriebsberater, Zehntagedienst f ü r Wirtschafts-, Steuer-, Arbeits- u n d Sozialrecht BestechVO Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen i . d . F . vom 22. 5. 1943 (RGBl. I 351), aufgehoben durch Art. 287 Kr. 3 E G S t G B BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof; Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, amtliche Sammlung Bundesjagdgesetz i . d . F . vom 30. 3. 1961 (BGBl. I 304), BJagdG zuletzt geändert durch Art. 230 EGStGB Bockelmann AT Bockelmann, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1973 a. A. a.a.O. a.E. AE a.F. AG AktG
XI
A b k ü rz ungs Verzeichnis
Börsengesetz i . d . F . vom 27. 5. 1908 (RGBl. 215), zuletzt geändert durch Art. 126 EGStGB BRD Bundesrepublik Deutschland BT Bundestag Bundestierärzteordnung v. 17. 5. 1965 (BGBl. I 416), BTÄO zuletzt geändert durch Art. 209 E G S t G B Bundesverfassungsgericht BVerfG BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtl. Sammlung BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. 3.1951 (BGBl. I 243) i . d . F . vom 3. 2. 1971 (BGBl. 1105),zuletzt geändert durch Art. 31 EGStGB BZRG Gesetz über das Zentralregister u n d das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) v. 18. 3. 1971 (BGBl. I 243), zuletzt geändert durch Art. 24 E G S t G B Cramer Cramer, Straßenverkehrsrecht, StVO—StGB, 1971 (zitiert nach Randziffern) DAR Deutsches Autorecht Ddf Düsseldorf DJ Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums B a d . - W t t b g . Dreher Dreher, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen u n d Verordnungen 34. Aufl. 1974 DRiG Deutsches Richtergesetz DRiZ Deutsche Richter-Zeitung DRZ Deutsche Rechts-Zeitschrift DVO Durchführungsverordnung DVollzO Dienst- u n d Vollzugsordnung vom 1. 12. 1961 E 1962 Entwurf eines Strafgesetzbuchs, 1962 E b . SchmidtFestschrift f ü r Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, Festschr. Göttingen 1961 EdelMetG Gesetz über den Verkehr mit Edelmetallen, Edelsteinen u n d Perlen i . d . F . vom 29. 6. 1926 (RGBl. I 321), zuletzt geändert durch Art. 177 E G S t G B EGOWiG Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503), ÄndG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) EGStGB EinführungsG zum StGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. I 469), zul. geändert durch G. v. 15. 8. 1974 (BGBl. I 1942) EheG Ehegesetz Festschrift f ü r K a r l Engisch zum 70. Geburtstag, F f m Engisch-Festschr, 1969 Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses i . d . F . ErbGesG vom 26. 6. 1935 (RGBl. I 773), aufgehoben durch Art. 8 des 5. S t r R G v. 18. 6. 1974 (BGBl. I 1297) FAG Gesetz über Fernmeldeanlagen i . d . F . vom 14. 1. 1928 (RGBl. I 8), zuletzt geändert durch Art. 262 E G S t G B FamRZ E h e u n d Familie im privaten u n d öffentlichen Recht FE Fahrerlaubnisentziehung BörsG
xn
Abkürzungsverzeichnis Ffin Frank FV G GA Gallas-Festschr. GenG GeschlKrG GewO GG GjS GmbH GrSen GVG h.A. Hbg Heinitz-Festschr. HGB hHonig-Festschr. .L. i.d.F. IdK i.d.R. i.e.S. i.V.m. JA Jagusch Jescheck AT JGG JMB1NRW JR
Frankfurt/M. F r a n k , Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931 Fahrverbot Gesetz Goltdammers Archiv für Strafrecht (ab 1953 zitiert nach J a h r u n d Seite) Festschrift f ü r Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag, Berlin 1973 Gesetz betreffend die Erwerbs- u n d Wirtschaftsgenossenschaften Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. 7. 1953 (BGBl. I 700), zuletzt geändert durch Art. 66 EGStGB Gewerbeordnung, letztes ÄndG v. 15. 8. 1974 (BGBl. I 1937) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften i . d . F . vom 29. 4. 1961 (BGBl. I 497), zuletzt geändert durch Art. 75 E G S t G B Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g Großer Senat .. Gerichtsverfassungsgesetz, zuletzt geändert durch Art. 22 EGStGB herrschende Ansicht Hamburg Festschrift f ü r E m s t Heinitz zum 70. Geburtstag, Berlin 1972 Handelsgesetzbuch, zuletzt geändert durch Art. 125 EGStGB herrschende Lehre Festschrift f ü r Richard Honig zum 80. Geburtstag, Göttingen 1970 in der Fassung Idealkonkurrenz in der Regel im engeren Sinn in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter f ü r Ausbildung u n d Examen (zitiert nach J a h r , Sachgebiet u n d Seite des Sachgebiets) Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 1974 (zitiert nach Randziffern) Jescheck, Lehrbch des Strafrechts, Allg. Teil, 2. Aufl. 1972 Jugendgerichtsgesetz vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 751) i . d . F . der Bekanntmachung vom 1. 3. 1973 (BGBl. I 149), zul. geändert durch Art. 7 des G. v. 31. 7. 1974 (BGBl. I 1713) Justizministerialblatt f ü r das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau
xm
Abkürzungsverzeichnis JurA JuS JWG
Juristische Analysen Juristische Schulung Gesetz f ü r Jugendwohlfahrt vom 11. 8. 1961 i . d . F . der Bekanntmachung vom 6. 8. 1970 (BGBl. I 1197) zul. geändert durch Art. 6 des G. v. 31. 7. 1974 (BGBl. I 1713) Juristenzeitung JZ Gesetz über die freiwillige Kastration u n d andere BeKastrG handlungsmethoden vom 15. 8. 1969 (BGBl. I 1143) Kammergericht KG Karlsruhe Krhe Kohlrausch-Lange, Strafgesetzbuch, 43. Aufl. 1961 K.L. Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 31. Aufl. 1974 Kleinknecht Konkursordnung, zuletzt geändert durch Art. 102 KO EGStGB KRG Kontrollratsgesetz Lackner-Maassen Lackner-Maassen, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 8. Aufl. 1974 Landgericht LG Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, herausgegeben LK von P . Baldus (|) u n d G. Willms, 9. Aufl. 1970/73 (zitiert nach Randziffern) Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des B G H LM LuftVG LuftverkehrsG i . d . F . vom 8. 11. 1968 (BGBl. I 1113), zul. geändert durch Art. 286 E G S t G B Maurach AT Maurach, Deutsches Strafrecht, Allg. Teil, 4. Aufl. 1971 Maurach B T Maurach, Deutsches Strafrecht, Bes. Teil, 5. Aufl. 1969 Maurach Nachtr. I bzw. I I Maurach, Deutsches Strafrecht, Bes. Teil, 1. Nachtrag zur 5. Aufl., 1970; 2. Nachtrag zur 5. Aufl., 1971 Maurach-Festschr, , Festschrift f ü r Reinhart Maurach, Karlsruhe 1972 Mayer-Festschr. Festschrift f ü r Hellmuth Mayer, Berlin 1968 MDR Monatsschrift f ü r Deutsches Recht Mezger-Blei AT Mezger-Blei, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 15. Aufl. 1973 Mezger-Blei B T Mezger-Blei, Strafrecht, Besonderer Teil, 9. Aufl. 1966 MRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 MSohrKrim Monatsschrift für Kriminologie u n d Strafrechtsreform (zitiert nach J a h r u n d Seite) Mühlhaus Straßenverkehrsordnung mit systematischer E i n f ü h r u n g u n d Erläuterungen 4. Aufl. 1974 NdsRpfl. Niedersächsische Rechtspflege n.F. neue Fassung NichtEhelKG Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. 8. 1969 (BGBl. I 1243) NJW Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach J a h r u n d Seite) Oberster Gerichtshof f ü r die britische Zone O G H BZ offene Handelsgesellschaft OHG
XIV
Abkürzungsverzeichnis
OLG OWi OWiG
Oberlandesgericht Ordnungswidrigkeit Gesetz über Ordnungswidrigkeiten v o m 24. 5. 1968 (BGBl. I 481), zuletzt geändert durch Art. 29 E G S t G B Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) v. PartG 24. 7. 1967 (BGBl. I 773), letztes ÄndG v. 24. 7. 1974 (BGBl. I 1537) Gesetz über das Postwesen vom 28. 7.1969 (BGBl. I 1006), PostG zuletzt geändert durch Art. 261 EGStGB Postordnung vom 16. 5. 1963 (BGBl. I 341), ÄndVO vom PostO 19. 5. 1964 (BGBl. I 327) Ges. zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete RBeratG der Rechtsberatung vom 13. 12. 1935 (RGBl. I 1478), zuletzt geändert durch Art. 97 EGStGB RegE Entwurf der Bundesregierung RG Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, a m t liche Sammlung (zitiert nach B a n d u n d Seite) RGBl. Reichsgesetzblatt Richtlinien für das Strafverfahren u n d das BußgeldverRiStBV fahren vom 1. 12. 1970 Richtlinien f ü r den Verkehr mit dem Ausland in StrafRiVASt sachen Realkonkurrenz RK. Roxin, Täterschaft u n d Tatherrschaft, 2. Aufl. 1967 Roxin Recht in Ost u n d West (zitiert nach J a h r u n d Seite) ROW Der deutsche Rechtspfleger (zitiert nach J a h r u n d Seite) RPfleger RechtspflegerG v. 5. 11. 1969 (BGBl. I 2065), zuletzt geändert durch G v. 31. 7. 1974 (BGBl. I 1713) RPflG Reichsversicherungsordnung, zuletzt geändert durch A r t . 252 E G S t G B RVO Schmidhäuser, Strafrecht, Allgemeiner Teil (Tübingen 1970) Sohmidhäuser Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, 17. Aufl. 1974 (zitiert nach Randziffern) Schönke-Schröder Gesetz über die Rechtsstellung der Solaten i . d . F . vom 22. 4. 1969, zuletzt geändert durch Art. 154 E G S t G B SoldG Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) vom 25. 8. 1969 (BGBl. I 1358), zuletzt geändert SprengstG durch Art. 182 E G S t G B Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft StA Stuttgart Stgt Stock-Festschr. Festschrift f ü r Ulrich Stock, Würzburg 1966 StPÄG Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung u n d des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.12.1964 (BGBl. 11067) Strafprozeßordnung StPO streitig str. ständige Rechtsprechung st. Rspr. Strafrechtsänderungsgesetz StrRÄndG
XV
Abkürzungsverzeichnis StrEG StrRG StrVollstrO StVG stvo stvzo Tb. UnedelMetG UVollzO UWG VereinsG VerkMitt. YerkSichG VO VRS WG WaffG WehrpflG Welzel Welzel-Festschr. Wessels AT WiStG 1954 WStG ZPO ZRP zstw ZugabeVO
XVI
Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen v. 8. 3. 1971 (BGBl. I 157) Gesetz zur Reform des Strafrechts Strafvollstreckungsordnung vom 15. 2. 1956 (BAnz. Nr. 42), letzte ÄndAV vom 20. 10. 1970 (BAnz. Nr. 197) Straßenverkehrsgesetz, zuletzt geändert durch Art. 264 EGStGB Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrszulassungsordnung Tatbestand Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen vom 23. 7. 1926 (RGBl. I 415), zuletzt geändert durch Art. 178 EGStGB Untersuchungshaftvollzugsordnung Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. 6. 1909 (RGBl. 499), zuletzt geändert durch Art. 139 EGStGB Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) v. 5. 8. 1964 (BGBl. I 593), zuletzt geändert durch Art. 80 EGStGB Verkehrsrechtliche Mitteilungen (zitiert nach J a h r und Nummer der Entscheidung) Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs Verordnung Verkehrsrechtssammlung Gesetz über den Versicherungsvertrag Waffengesetz v. 19. 9. 1972 (BGBl. I 1797), zuletzt geändert durch Art. 181 EGStGB Wehrpflichtgesetz i . d . F . vom 28. 9. 1969 (BGBl. I 1773), zuletzt geändert durch Art. 152 EGStGB Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969 Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, Berlin 1974 Wessels, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1973 Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) v. 9. 7. 1954 (BGBl. I 175); letztes ÄndG v. 2. 3. 1974 (BGBl. I 469, 577) Wehrstrafgesetz v. 30. 3. 1957 (BGBl. I 298) i . d . F . der Bekanntmachung v. 24. 5. 1974 (BGBl. I 1213) Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band und Seite) Verordnung zum Schutze der Wirtschaft vom 9. 3. 1932 (RGBl. I 121), zuletzt geändert durch Art. 141 EGStGB zweifelhaft
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
A. E I N L E I T U N G I. Das Verbrechen und seine Folgen (allgemeine Grundsätze) 1. Das Strafrecht dient, wie auch die übrigen Rechtsgebiete, der Aufgabe, ein geregeltes Zusammenleben der menschlichen Gesellschaft zu ermöglichen. Die besondere Schutzfunktion des Strafrechts erstreckt sich auf die Abwehr von Angriffen auf bestimmte Interessen der Allgemeinheit oder des einzelnen, die von der Gesellschaftsordnung als besonders schutzwürdig angesehen werden. Diese strafrechtlich geschützten Interessen werden als R e c h t s g ü t e r bezeichnet. 2. Als Verbrechen gilt jede Rechtsgutverletzung, die von einem gesetzlichen Tatbestand erfaßt wird, durch keinen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt ist und dem Täter als schuldhaftes Verhalten zugerechnet werden kann ( V e r b r e c h e n = t a t b e s t a n d s m ä ß i g e , r e c h t s w i d r i g e und schuldhafte Handlung). 3. Aufgabe der gesetzlichen Tatbestände ist es, das als straf bedürftig angesehene Unrecht festzulegen (zu „typisieren") und mit einer Strafdrohung auszustatten. Man spricht hier von der sogenannten F u n d a m e n t a l f u n k t i o n des gesetzlichen Tatbestands. Nicht alle Rechtsgutverletzungen, die als Unrecht erscheinen, werden von einem gesetzlichen Tatbestand erfaßt. So gibt es insbesondere auf dem Gebiet des Zivilrechts und hier vor allem im Rahmen schuldrechtlicher Beziehungen unzählige Handlungen, die zwar rechtswidrig sind und unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung (§§ 823ff. BGB), einer positiven Vertragsverletzung, einer Nichterfüllung oder einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff. BGB) zu Schadensersatzansprüchen führen können, aber strafrechtlich nur dann von Bedeutung sind, wenn sie unter den Tatbestand des Betrugs (§ 263), der Untreue (§ 266), der Pfandkehr (§ 289) oder einen anderen Straftatbestand eingeordnet („subsumiert") werden können. 1
Preiaendanz, StGB, 29. Aufl.
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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
Handlungen, die nicht tatbestandsmäßig sind, sind für die strafrechtliche Wertung unerheblich (vgl. § 11 Anm. V). Sie unterliegen nicht der staatlichen Strafgewalt. Der Tatbestand erfüllt somit die entscheidende G a r a n t i e f u n k t i o n , die zu den Grundlagen jedes rechtsstaatlichen Denkens gehört und die auch das G r u n d g e s e t z verlangt, wenn es in Art. 103 Abs. 2 die Forderung aufstellt, daß eine Tat nur dann bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. 4. Aufgabe des Strafrechts ist es, den durch die Straftat gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen und die Begehung künftiger Straftaten zu verhindern. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat die Rechtsordnung dem Strafrecht s p e z i f i s c h e M a c h t m i t t e l zugewiesen: die Strafe und die sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung (sog. z w e i s p u r i g e s S y s t e m ) . Für die Strafe ist das Verbrechen R e c h t s g r u n d , für die Maßregeln dagegen nur gesetzlicher A n l a ß der Anwendung (vgl. Maurach AT 59). Die Maßregeln treten teils neben die Strafe, teils an ihre Stelle (vgl. z.B. §§ 63, 64, 69). Ihre Anordnung darf nicht zur Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe führen (BGH 24, 132). 5. Über das Rechtsfolgesystem im einzelnen siehe ausführlich Vorbem. I vor § 38 (Strafen) und Vorbem. 1 vor § 61 (Maßregeln der Besserung und Sicherung).
II. Die gesetzlichen Grundlagen 1. G r u n d l a g e d e s m a t e r i e l l e n S t r a f r e c h t s ist das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. 5. 1871 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. 9. 1969 (BGBl. I 1445). 2. Zu den wichtigsten Novellen gehören: a) das JugendgerichtsG v. 16. 2. 1923; b) die VO über Vermögensstrafen und Bußen v. 6. 2. 1924; c) das sog. GewohnheitsverbrecherG vom 24. 11. 1933, durch das vor allem die bereits oben erwähnten Maßregeln der Besserung und Sicherung eingeführt wurden, unter ihnen die gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher gerichtete Sicherungsverwahrung. Mit § 330 a (Vollrausch) wurde damals noch eine weitere wichtige Bestimmung geschaffen, die aus der heutigen Strafrechtspraxis nicht mehr hinweggedacht werden kann; 2
Einleitung
d) das StrafrechtsänderungsG vom 4. 9. 1941, durch das u.a. die Tötungsdelikte neu gefaßt wurden; e) die StrafrechtsangleichungsVO vom 29. 5. 1943, durch die die Teilnahmebestim mungen geändert wurden (Einführung der sog. limitierten Akzessorietät von Täterschaft und Teilnahme, vgl. Vorbem. 4 vor §25); f) das 1. Gesetz zur S i c h e r u n g d e s S t r a ß e n v e r k e h r s vom 19. 12. 1952, durch das u.a. die heute so wichtigen §§ 315ff. (Transport- und Straßenverkehrsgefährdung), § 316a (Autostraßenraub) und die Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung (§ 42 m a. F., jezt § 69) eingeführt wurden; g) das 3. StrRÄndG vom 4. 8. 1953, durch das bis zu den 1969 verabschiedeten Strafrechtsreformgesetzen die umfaßendsten Änderungen seit Bestehen des StGB vorgenommen wurden. Zu den wichtigsten Änderungen gehörte die Neuregelung der Strafaussetzung zur Bewährung. Dieses Rechtsinstitut, das bis dahin lediglich eine auf dem Gnadenrecht beruhende Verwaltungseinrichtung war, wurde zu einem Bestandteil des richterlichen Urteilsspruchs umgestaltet. Außerdem wurden durch § 56 a . F . (jetzt § 18) die sog. erfolgsqualifizierten Delikte dem Schuldprinzip angeglichen. Weiter wurden u. a. die Tötungsdelikte, die Bestimmungen über die Abtreibung und das Jugendgerichtsgesetz geändert; h) das 4. StrRÄndG vom 11.6.1957, durch das die Bestimmungen zum Schutz der Landesverteidigung (§§ 109fF.) eingefügt wurden; i) das 2. Gesetz zur S i c h e r u n g d e s S t r a ß e n v e r k e h r s vom 26.11.1964, durch das vor allem die Bestimmungen über Transport- und Straßenverkehrsgefährdung (§§ 315ff.) neu gefaßt wurden. Weitere wesentliche Neuerungen: Anhebung der gesetzlich zulässigen Höchststrafe für Übertretungen von bisher DM 150.— auf DM 500.—, Einführung eines kurzfristigen Fahrverbots (§ 37 a.F., jetzt § 44) sowie Änderung der Bestimmungen über die Fahrerlaubnisentziehung, die jetzt auch im Strafbefehlsweg angeordnet werden kann (§ 407 Abs. 2 StPO); k) das EGOWiG v. 24. 5. 1968, durch das neben wichtigen Änderungen der StPO (z.B. Neufassung der §§ 467, 467a, 470, 473 und Einfügung der §§ 127a, 132, 268c) und des StVG u.a. auch die Vorschriften über die E i n z i e h u n g sowie § 50 Abs. 2, 3 a . F . (jetzt § 28) neu gefaßt wurden; 1) das 8. StrRÄndG v. 25. 6. 1968, durch das u.a. die Vorschriften über Hochverrat, Staatsgefährdung und Landesverrat (sog. p o l i t i s c h e s S t r a f r e c h t , §§ 80ff.) einer grundsätzlichen Neuregelung unterzogen wurden; l»
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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
m) das 1. StrRG vom 25. 6. 1969, durch das wesentliche Vorschriften sowohl aus dem Allg. Teil als auch aus dem Bes. Teil des StGB grundlegend geändert wurden. Aus der Vielzahl der Änderungen sind folgende hervorzuheben: Abschaffung der hergebrachten Unterscheidung von Zuchthaus-, Gefängnis- und Haftstrafe zugunsten einer einheitlichen Freiheitsstrafe; Einschränkung der sozial unerwünschten kurzfristigen Freiheitsstrafe unter gleichzeitiger Erweiterung des Anwendungsbereichs der Geldstrafe (vgl. § 14 a.F., jetzt § 47); Neuregelung der Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 23ff. a.F., jetzt §§ 56ff.); Neuregelung der Sicherungsverwahrung unter gleichzeitiger Abschaffung des früheren § 20a (Strafschärfung bei gefährlichen Gewohnheitsverbrechern); Einführung einer allgemeinen Strafschärfung für unbelehrbare Rückfalltäter (§ 17 a.F., jetzt § 48) unter gleichzeitiger Aufhebung der früheren Sonderregelung für Diebstahl, Raub, Hehlerei und Betrug i. R. (§§244f., 250 I 5,261,264a.F.); Abschaffung der Arbeitshäuser für Landstreicher, Bettler, Dirnen, Arbeitsscheue usw. (§ 42 d i. V. mit § 361); Neufassung der Vorschriften über die Störung des Gottesdienstes usw. (§§ 166ff.); Aufhebung der Strafdrohung für Ehebruch (§ 172 a.F.), einfache gleichgeschlechtliche Unzucht (§ 175a.F.) und Sodomie (§ 175b, a.F.); Neufassung der Vorschriften über den schweren Diebstahl (§§ 243 ff.); Aufhebung der Strafdrohung für den Besitz von Diebeswerkzeug (§ 245 a a. F.) und Neueinführung einer Strafdrohung für die Herstellung unechter bzw. die Fälschung echter technischer Aufzeichnungen (§ 268); n) das 2. StrRG vom 4. 7. 1969, durch das mit Wirkung vom 1.1. 1975 der gesamte Allg. Teil des Strafgesetzbuchs neu gefaßt wurde. Das Bestreben, eine neue, den Erkenntnissen der modernen Kriminologie angepaßte kriminalpolitische Konzeption zu finden, zeigt sich vor allem in der Einführung der einheitlichen Freiheitsstrafe, in der Einschränkung der kurzfristigen Freiheitsstrafe und in der erweiterten Möglichkeit, Strafaussetzung zur Bewährung zu gewähren. Diese Punkte der Reform sind durch das gleichzeitig verabschiedete 1. StrRG zeitlich bereits vorgezogen worden. Von besonderer Bedeutung sind ferner die Umgestaltung der Geldstrafe durch Einführung des Tagesbußensystems nach skandinavischem Vorbild (vgl. §§ 40ff.), die Einführung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt (vgl. §§ 59 ff.) und die Umgestaltung der freiheitsentziehenden Maßregeln, wobei die Möglichkeit der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt die wichtigste Neuerung darstellen dürfte (vgl. § 65). Die ehemalige Polizeiaufsicht (§§ 38f. a.F.) wurde durch die neue Maßregel des Führungsaufsicht (§ 68) ersetzt; o) das 3. StrRG vom 20. 5. 1970, durch das vor allem die sogenannten Demonstrationsdelikte einer grundlegenden Neuordnung unterzogen wurden (vgl. Vorbem. vor § 111); 4
Einleitung
p) das 11. und 12. StrRÄndG v. 16. 12. 1971 (BGBl. 1 1977) mit neuen Strafvorschriften betr. Straftaten gegen den zivilen Luftverkehr (Luftpiraterie), erpresserischen Menschenraub und Geiselnahme (vgl. §§ 239a, 239b, 316c); q) das4.StrRG vom23.11.1973(BGBl.1.1725),durch das verschiedene Tatbestände des 12. Abschnitts (Straftaten gegenEhe und Familie) und des 13. Abschnitts (Sexualstrafrecht) teils grundlegend umgestaltet, teils aufgehoben wurden. In konsequenter Fortentwicklung der mit dem 1. StrRG (s. o. lit. m) eingeleiteten Reformen wurde das Sexualstrafrecht „liberalisiert", d. h. beschränkt auf den Schutz Jugendlicher sowie auf den allgemeinen Schutz vor gravierenden Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung. Von den Reformen in erster Linie betroffen wurden die Vorschriften über Kuppelei und Zuhälterei, Verbreitung pornographischer Schriften usw., sexuellen Mißbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen sowie über die Homosexualität. Außerdem wurde in § 131 eine neue Strafvorschrift gegen die Verherrlichung von Gewalt sowie gegen die Aufstachelung zum Rassenhaß geschaffen; r) Das zusammen mit dem 2. StrRG am 1. 1 1975 in Kraft getretene EGStGB vom 2. 3. 1974 brachte in erster Linie die notwendige A n p a s sung der Vorschriften des Besonderen Teils, des Nebenstrafrechts sowie des Verfahrensrechts an die neuen Bestimmungen des Allgemeinen Teils. So wurde zunächst der S p r a c h g e b r a u c h „bereinigt", indem z.B. die frühere Bezeichnung „Maßregeln der Sicherung und Besserung" durch die Bezeichnung „Maßregeln der Besserung und Sicherung" und die Bezeichnung „Heil- und Pflegeanstalt" durch „psychiatrisches Krankenhaus" ersetzt wurden. Auch die Neueinführung der Begriife „Straftat" ( = tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung ohne Rücksicht auf ihre Qualifizierung als Verbrechen oder Vergehen) und „rechtswidrige T a t " ( = tatbestandsmäßige, rechtswidrige, jedoch nicht notwendig auch schuldhafte Handlung, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5 nebst Anmerkungen) erforderte erhebliche Änderungen im Detail. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist schließlich die sich aus § 15 ergebende Möglichkeit, den Hinweis auf das Erfordernis des Vorsatzes überall dort zu streichen, wo nur die vorsätzliche Tatbegehung mit Strafe bedroht ist. Das Wort „wissentlich", das früher in den einzelnen Vorschriften recht unterschiedlich ausgelegt wurde, erscheint jetzt nur noch dort, wo der bedingte Vorsatz ausgeschlossen werden soll (vgl. z.B. §§ 145, 258). Eine nicht nur technische, sondern zugleich auch kriminalpolitische Aufgabe stellte die Anpassung der S t r a f d r o h u n g e n dar. So mußten insbesondere alle ehemaligen Übertretungstatbestände (§§ 360—370 a.F.) 5
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
entweder zu Vergehen aufgewertet, in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt oder ersatzlos gestrichen werden. Zum Vergehen aufgewertet wurde insbesondere der ehemalige Tb. der Nahrungs- und Genußmittelentwendung (§ 370 Abs. 1 Nr. 5 a.F., jetzt § 248 a). Über neue OWiTatbestände an Stelle ehemaliger Übertretungstatbestände siehe insbesondere §§111 fF. OWiG. Ersatzlos weggefallen sind dagegen die Nr. 3—5, 7 und 8 des ehemaligen § 361 (Landstreicherei, Bettelei, Verwahrlosung, Arbeitsverweigerung und Obdachlosigkeit). Als kriminalpolitisch unerwünscht beseitigt wurden außerdem alle Strafdrohungen, die —- allein oder in Verbindung mit Geldstrafe — eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten angedroht haben. So wurde z.B. in § 123 die Strafobergrenze von drei Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe angehoben; der ehemalige § 106 b (Verletzung der parlamentarischen Hausordnung) wurde andererseits in einen OWi-Tatbestand umgewandelt (§112 OWiG). Beseitigt wurden schließlich auch Strafdrohungen, die nur Geldstrafe angedroht haben. Auch hier wurden die betroffenen Tatbestände entweder durch zusätzliche Androhung einer Freiheitsstrafe aufgewertet (vgl. z. B. § 276 a.F., jetzt § 148 Abs.2) oder — besonders im Nebenstrafrecht — in OWi-Tatbestände umgewandelt. Die kumulative Androhung von Geldstrafe neben Freiheitsstrafe, wie sie früher z.B. in § 266 enthalten war, ist ebenfalls beseitigt worden, da durch die allgemeine Regelung des § 41 entbehrlich. Andererseits wird jetzt auch bei solchen Tatbeständen, bei denen früher eine Geldstrafe nur über § 14 Abs. 2 (a.F.) ausgesprochen werden konnte (vgl. z.B. §§ 242, 259) Geldstrafe wahlweise neben Freiheitsstrafe angedroht. Bei allen Strafdrohungen wird die schwerere Strafart oder Strafdrohung immer zuerst genannt, ohne daß hieraus jedoch eine generelle Priorität der schwereren Strafdrohung abgeleitet werden darf. I m Zusammenhang mit der Anpassung der Strafdrohungen wurden auch die S t r a f r a h m e n überprüft und teilweise geändert, wenngleich hierbei noch nicht alle anstehenden Probleme, insbesondere das der lebenslangen Freiheitsstrafe, befriedigend und abschließend gelöst werden konnten. Von nur technischer Bedeutung war dagegen die Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs bei den S u b s i d i a r i t ä t s k l a u s e l n , den „besonders schweren Fällen" und den „minder schweren Fällen". Der Begriff der „mildernden Umstände" findet sich z.B. nirgends mehr. Die Änderungen des V e r f a h r e n s r e c h t s ergaben sich — abgesehen von der sprachlichen Anpassung — teils aus dem Wegfall der Übertretungen (vgl. z.B. das frühere Strafverfügungsverfahren, §§413ff. StPO), teils aus dem neuen Rechtsinstitut der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59), vor allem aber aus der grundlegenden Umgestaltung des Maßregelrechts, das jetzt bei den freiheitsentziehenden Maßregeln nicht mehr vom Kumulationsprinzip, sondern vom sog. Vikariationsprinzip beherrscht 6
Einleitung
wird (vgl. §§ 67ff.). Von besonderer praktischer Bedeutung sind außerdem die neuen Vorschriften über die verfahrensmäßige Sicherung von Gegenständen, die der Einziehung oder dem Verfall unterliegen (§ 111b ff. StPO), die vorläufige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt^ 126a StPO), das vorläufige Berufsverbot (§ 132a StPO), die Neufassung der §§ 153, 153a StPO (Einstellung des Verfahrens bei Bagatelldelikten), die neuen Vorschriften über die Vollstreckung von Geldstrafen (§§ 459 ff. StPO), die Einrichtung besonderer Vollstreckungskammern (§ 78a GVG) sowie die Neuordnung des Sicherungsverfahrens, das jetzt auch zwecks Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder (ab 1.1. 1978) in einer sozialtherapeutischen Anstalt zulässig ist, und zwar auch dann, wenn der Täter verhandlungsunfähig ist (§§ 413ff. StPO). Abgesehen von dieser notwendigen Anpassung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts brachte das EGStGB noch eine große Anzahl weiterer s a c h l i c h e r R e f o r m e n sowohl des Allgemeinen Teils als auch des Besonderen Teils, auf die hier nur kurz hingewiesen werden kann. So wurde z.B. für die Berechnung der Höhe des bei Verhängung einer Geldstrafe zu bestimmenden Tagessatzes das sog. Nettoprinzip eingeführt (§ 40 Abs. 2 S. 3). Für das Recht der Antragsdelikte ist von besonderer Bedeutung, daß die Zurücknahme eines Strafantrags jetzt generell zulässig ist (§ 77 d Abs. 1 S. 1). Auch bei der Führungsaufsicht brachte die „Reform der Reform" (vgl. Göhler N J W 1974, 825, 831) nicht unerhebliche Änderungen. I m B e s o n d e r e n T e i l wurden u. a. neu geregelt die Vorschriften über Gefangenenbefreiung und Gefangenenmeuterei (§§ 120, 121), Mißbrauch von Berufsbezeichnungen und akademischen Graden (§ 132 a), Verwahrungsbruch, Verletzung amtlicher Bekanntmachungen, Verstrickungsbruch und Siegelbruch (§§ 133, 134 und 136), Vortäuschen einer Straftat und falsche Verdächtigung (§§ 145 d, 164), Geld- und Wertzeichenfälschung (§§ 146ff.), die sog. Indiskretionsdelikte (§§ 201—205), die Eigentums- und Vermögensdelikte unter Angehörigen und Hausgenossen sowie die Bagatellkriminalität im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte (§§ 243 Abs. 2, 247, 248a, 257 Abs. 4 S. 2, 259 Abs. 2, 263 Abs. 4, 265 a Abs. 3, 266 Abs. 3), schwerer Raub und Raub mit Todesfolge (§§250, 251), Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei (§§257—260), die aus dem AtomG übernommenen Tatbestände der Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie (§ 310b) und des Mißbrauchs ionisierender Strahlen (§ 311a), Baugefährdung (§ 330) und Vollrausch (§ 330a), vor allem aber die Amtsdelikte (§§ 331—358). Von größerer praktischer Bedeutung sind auch der neue § 145 (Mißbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln) sowie die in § 223 a Abs. 2 neu aufgenommene versuchte gefährliche Körperverletzung, die einen Ausgleich für den Wegfall des ehemaligen § 366 7
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
Nr. 6, 7 (Hetzen von Hunden und Werfen von Steinen auf Menschen) darstellt. Zu beachten ist schließlich, daß jetzt alle Vorschriften des Allgemeinen und Besonderen Teils des StGB g e s e t z l i c h e Ü b e r s c h r i f t e n haben. 3. Weitere Grundlagen des materiellen Strafrechts sind die strafrechtlichen Nebengesetze, z.B. das Straßenverkehrsgesetz (StVG), das Lebensmittelgesetz (LMG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). 4. D a s S t r a f g e s e t z b u c h i s t i n z w e i H a u p t t e i l e g e g l i e d e r t : a) Der 1. Teil wird üblicherweise als Allgemeiner Teil bezeichnet. Er reicht bis § 79 b und bezieht sich auf a l l e S t r a f t a t b e s t ä n d e , also nicht nur auf die des StGB selbst, sondern auch auf die der strafrechtlichen Nebengesetze. Der 1. Abschnitt (§§ 1—12) befaßt sich mit G e l t u n g s b e r e i c h und S p r a c h g e b r a u c h des StGB, der 2. Abschnitt (§§ 13—37) mit der T a t (§§ 13—21 Grundlagen der Strafbarkeit, §§ 22—24 Versuch, §§ 25—31 Täterschaft und Teilnahme, §§ 32—35 Notwehr und Notstand). Der 3. Abschnitt (§§ 38—76a) behandelt die R e c h t s f o l g e n der Tat (§§ 38—60 Strafen, Nebenstrafen, Nebenfolgen, Strafbemessung, Strafaussetzung zur Bewährung, Verwarnung mit Strafvorbehalt und Absehen von Strafe, §§ 61—72 Maßregeln der Besserung und Sicherung, §§ 73—76a Verfall und Einziehung), der 4. Abschnitt enthält die Vorschriften über Strafantrag, Ermächtigung und Strafverlangen (§§ 77—77e), im 5. Abschnitt schließlich folgen die Vorschriften über die Verjährung (§§ 79—79b). b) Der 2. Teil des Strafgesetzbuches wird üblicherweise als Besonderer Teil bezeichnet. Er enthält die einzelnen Tatbestände mit ihren Strafdrohungen. B. D I E S T R A F B A R E
HANDLUNG
I. Die Einteilung der strafbaren Handlungen 1. Die Zweiteilung nach der Strafdrohung Wie bereits in der Einleitung (Abschn. A I 3, S. 1) dargelegt, ist jeder gesetzliche Tatbestand mit einer Strafdrohung ausgestattet. Art und Höhe der Strafdrohung werden durch den Unrechtsgehalt der einzelnen Tatbestände bestimmt. Das Gesetz unterscheidet hierbei seit Inkrafttreten des 2. StrRG in § 12 zwei große Gruppen, nämlich V e r b r e c h e n und V e r g e h e n (sog. Zweiteilung der rechtswidrigen Taten). Einzelheiten und Auswirkungen siehe § 12 Anm. 1 und 2. 8
Die strafbare Handlang
2. Begehungs- und Unterlassungsdelikte Neben dieser Einteilung nach der Strafdrohung können die strafbaren Handlungen nach ihrer Begehungsform in B e g e h u n g s - u n d U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e eingeteilt werden. Innerhalb der Unterlassungsdelikte sind die echten und die unechten Unterlassungsdelikte zu unterscheiden (Einzelheiten siehe § 13 nebst Anm.). 3. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte a) Von einem Verletzungsdelikt spricht man, wenn zur Tatbestandsverwirklichung der Eintritt eines bestimmten S c h a d e n s erforderlich ist, z.B. die Tötung oder Verletzung eines Menschen in den §§211 ff., 223 ff. oder die Beschädigung einer Sache in § 303. b) Bei den Gefährdungsdelikten ist der Tatbestand schon bei Eintritt einer G e f a h r f ü r d a s g e s c h ü t z t e R e c h t s g u t erfüllt. Innerhalb der Gefährdungsdelikte sind die konkreten von den abstrakten Gefährdungsdelikten zu unterscheiden. Im einzelnen: aa) Bei den k o n k r e t e n G e f ä h r d u n g s d e l i k t e n ist erforderlich, daß durch das Verhalten des Täters eine ganz bestimmte, konkret nachweisbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut eingetreten ist. Hierher gehören z.B. die Aussetzung (§221), die Giftbeibringung (§229), die Herbeiführung einer Brandgefahr (§ 310a), die Überschwemmung (§§ 312—314) sowie die Transport- und Straßenverkehrsgefährdung (§§315, 315a, 315b, 315c). bb) Bei den a b s t r a k t e n G e f ä h r d u n g s d e l i k t e n ist der Nachweis einer konkreten Gefahr im Einzelfall nicht erforderlich. Das Verhalten des Täters wird bereits wegen seiner generellen Gefährlichkeit als solcher bestraft. Hierunter fallen u.a. üble Nachrede(§ 186),Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227), schwere Brandstiftung (§ 307), Trunkenheit im Verkehr (§ 316), Luftpiraterie (§ 316c), Brannenvergiftung (§§ 324, 326) und Vollrausch (§ 330 a). Aus dem Schrifttum siehe insbesondere Schröder JZ 1967, 522 sowie ZStW 81, 7; Gallas, Abstrakte und konkrete Gefährdung, Heinitz-Festschr. S. 171. 4. Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte Bei den E r f o l g s d e l i k t e n gehört zur Tatbestandsverwirklichung ein durch die Handlung erzielter Erfolg, während bei den Tätigkeitsdelikten (auch s c h l i c h t e T ä t i g k e i t s d e l i k t e genannt) bereits die Handlung als solche den Tatbestand verwirklicht. Eine Mischform beider Typen stellen die sog. k u p i e r t e n E r f o l g s d e l i k t e dar (Tatbestände 9
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
mit „überschießender Innentendenz", vgl. Maurach AT 240). Hierbei handelt es sich um Delikte, bei denen ein bestimmtes, jenseits des tatbestandsmäßigen Erfolgs liegendes Ziel des Täters von diesem nur erstrebt, aber nicht erreicht werden muß. Die meisten Tatbestände enthalten Erfolgsdelikte. Zu ihnen gehören u.a. die Tötungsdelikte (§§211, 212, 216, 217, 222), die Abtreibung (§ 218), die Körperverletzung (§ 223), Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242, 246), Betrug und Untreue (§§ 263, 266) sowie Raub und räuberische Erpressung (§§ 249, 255). Diebstahl, Erpressung und Betrug stellen gleichzeitig Beispiele für sog. kupierte Erfolgsdelikte dar. Zu den schlichten Tätigkeitsdelikten gehören demgegenüber Hausfriedensbruch (§ 123), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113), Meineid (§ 154) und Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173). 5. Die erfolgsqualifizierten Delikte Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß durch die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands, des sogenannten Grundtatbestands, ein weiterer, qualifizierender Erfolg eintritt. Dieser besteht entweder in einer schweren Körperverletzung i.S. von §224 oder im Tod des Opfers. Auf der subjektiven Tatseite ist zu beachten, daß die schwerere Strafe der erfolgsqualifizierten Delikte den Täter nur dann trifft, wenn er den qualifizierenden Erfolg mindestens fahrlässig herbeigeführt hat(vgl. § 18). B e i s p i e l : A sticht den B mit einem Messer nieder. Er will ihn hierdurch nur verletzen, nicht töten. Wenn B nun dennoch an den Folgen der ihm zugefügten Verletzungen stirbt, so wird dieser Sonderfall einer vorsätzlichen Körperverletzung durch den Tatbestand des § 226 (Körperverletzung mit Todesfolge) erfaßt. Die gleichfalls verwirklichten Tatbestände der §§ 223 und 222 werden konsumiert (vgl. B G H 8, 54). Weitere Einzelheiten und Beispiele siehe Anm. zu § 18.
6. Die eigenhändigen Delikte Grundsätzlich kann jeder Tatbestand von jedermann verwirklicht werden. Hierbei ist nicht erforderlich, daß der jeweilige Täter den Tatbestand eigenhändig verwirklicht. Er kann ihn unter den Voraussetzungen der sog. mittelbaren Täterschaft (siehe hierzu § 25 Anm. III) auch durch einen anderen verwirklichen lassen. Die Besonderheit der eigenhändigen Delikte besteht darin, daß als Täter nur ganz bestimmte Personen in Betracht kommen und diese alle Tatbestandsmerkmale selbst eigenhändig verwirklichen müssen. Zu den eigenhändigen Delikten gehören insbesondere die A u s s a g e d e l i k t e (§§ 153ff.). So kann Täter eines Meineids (§ 154) nur die Aussageperson sein. Weitere Beispiele finden sich unter den Sittlichkeits10
Die strafbare Handlung
delikten, hier allerdings nur, soweit es sich um sog. F l e i s c h e s v e r b r e c h e n handelt, z.B. Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173) und homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen (§ 175), nicht dagegen Vergewaltigung (§ 177), da die zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche Gewaltanwendung nicht notwendig von dem vorgenommenen werden muß, der den Beischlaf vollzieht. Bei allen eigenhändigen Delikten ist m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t a u s g e s c h l o s s e n . Einen gewissen Ersatz für die fehlende Möglichkeit einer Annahme von mittelbarer Täterschaft schafft bei den Aussagedelikten die Sonderregelung des § 160, die immer dann eingreift, wenn normalerweise die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft gegeben wären. Bei der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1) ersetzt § 271 die fehlende Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft. Zum Ganzen siehe auch § 25 Anm. I I I 4. 7. Die Sonderdelikte Auch bei den Sonderdelikten ist — ähnlich wie bei den eigenhändigen Delikten — der T ä t e r k r e i s b e s c h r ä n k t . I m Unterschied zu den eigenhändigen Delikten ist aber nicht erforderlich, daß derjenige, der als Täter in Betracht kommt, den Tatbestand eigenhändig verwirklicht. Er kann den Tatbestand auch in mittelbarer Täterschaft verwirklichen. So kann ein Amtsträger sich zur Begehung eines nach § 133 Abs. 3 strafbaren Verwahrungsbruchs im Amt auch eines gutgläubigen oder unter seinem Druck stehenden Nichtbeamten bedienen. Zu den Sonderdelikten gehören insbesondere die A m t s d e l i k t e , und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Amtseigenschaft strafbegründend ist (sog. echte Amtsdelikte) oder ob sie sich strafschärfend auswirkt (sog. unechte Amtsdelikte). Einzelheiten siehe § 11 Anm. I I 2 a—c. Weiter gehören hierher die u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , bei denen nur der als Täter in Betracht kommt, der eine sog. Garantenstellung innehat (§ 13 Anm. I I 3). A n s t i f t u n g und B e i h i l f e sind auch für solche Personen strafbar, die nicht zu dem beschränkten Personenkreis der Sonderdelikte gehören. Teilnehmer an einem Amtsdelikt kann daher auch ein Nichtbeamter sein, wobei dann allerdings bei den echten Amtsdelikten § 28 Abs. 1 und bei den unechten Amtsdelikten § 28 Abs. 2 zu beachten ist. 8. Offizial- und Antragsdelikte Grundsätzlich werden strafbare Handlungen von Amts wegen, d.h. ohne Rücksicht auf den Willen des Verletzten, verfolgt (sogenannte Offizialdelikte). Nur in einer geringen Anzahl von Fällen ist die Straf11
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
Verfolgung von der Stellung eines S t r a f a n t r a g s abhängig (sogenannte Antragsdelikte, siehe die Erläuterungen zu § 77). 9. Die Privatklagedelikte Gemäß § 152 Abs. 1 StPO ist zur Erhebung der öffentlichen Klage grundsätzlich nur die Staatsanwaltschaft berufen (sogenanntes Anklagemonopol der S t a a t s a n w a l t s c h a f t ) . Die Besonderheit des Privatklageverfahrens besteht in der Durchbrechung dieses Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft. Gemäß § 374 Abs. 1 StPO hat nämlich der Verletzte bei einem bestimmten Kreis von Delikten die Möglichkeit, ohne vorherige Anrufung der Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen Amtsgericht die Klage selbst zu erheben. Der K r e i s der P r i v a t k l a g e d e l i k t e ergibt sich aus § 374 Abs. 1 StPO. Es handelt sich hierbei ausnahmslos um Delikte, die nur in die Privatsphäre des Verletzten eingreifen, nicht auch in die Belange der Allgemeinheit. Hierher gehören insbesondere der Hausfriedensbruch (§ 123), alle Fälle der Beleidigung (§§ 185ff.), soweit nicht eine der in § 194 Abs. 4 bezeichneten politischen Körperschaften beleidigt ist, die Körperverletzung in den Fällen der §§223, 223a und 230 und die Sachbeschädigung (§ 303). Es ist zu beachten, daß der K r e i s der P r i v a t k l a g e d e l i k t e mit dem K r e i s der A n t r a g s d e l i k t e n i c h t identisch ist. Beide Kreise überschneiden sich. Es gibt Privatklagedelikte die keine Antragsdelikte sind (vgl. §§ 223a, 241); es gibt vor allem aber viele Antragsdelikte, die nicht zugleich Privatklagedelikte sind (vgl. §§ 201, 203, 204 i.V. mit § 205, §§ 235—237 i.V. mit § 238, §§ 248a, 288 und 289).
II. Der Verbrechensaufbau 1. Wie bereits in der Einleitung (Abschn. I 2) dargelegt, besteht jedes Verbrechen aus einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung. T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t , Rechtswidrigkeit und Schuld sind in dieser R e i h e n f o l g e zu prüfen. 2. Sind alle Verbrechenselemente gegeben, so ist gegebenenfalls weiter zu prüfen, obsichder Täter auf einen persönlichen S t r a f a u s s c h l i e ßungsgrund (z.B. die Angehörigeneigenschaft bei der Strafvereitelung, vgl. § 258 Abs. 6) oder einen persönlichen S t r a f a u f h e b u n g s g r u n d (z.B. Rücktritt vom Versuch, § 24) berufen kann. Ist dies der Fall, so entfällt zwar nicht der kriminelle Charakter, wohl aber die Strafbarkeit der Tat (Einzelheiten s.u. Abschn. D, S. 32ff.). 12
Die strafbare Handlung
3. Bei einigen Tatbeständen ist weiter das Vorhandensein einer sogenannten o b j e k t i v e n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g erforderlich. So entfällt die Strafbarkeit wegen übler Nachrede (§ 186), wenn sich für die ehrverletzende Behauptung der Wahrheitsbeweis erbringen läßt (Einzelheiten s.u. Abschn. E, S. 34ff.). 4. Liegt eine strafbare Handlung vor, so ist weiter zu prüfen, ob diese auch verfolgbar ist oder ob der Strafverfolgung V e r f a h r e n s h i n d e r n i s s e entgegenstehen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn bei Antragsdelikten der erforderliche Strafantrag fehlt (vgl. § 77) oder wenn die Tat bereits verjährt ist (vgl. § 78). Einzelheiten s.u. Abschn. F, S. 36ff.
m . Der Handlungsbegriff 1. Primäre Voraussetzung für jede Tatbestandsverwirklichung ist das Vorliegen einer Willensbetätigung. Nur das von einem menschlichen Willen getragene Verhalten kann Grundlage für die strafrechtliche Wertung sein. Dies gilt nicht nur für die vorsätzliche, sondern auch für die fahrlässige Tat. Auch diese resultiert aus einer Willensbetätigung. Im Unterschied zur vorsätzlichen Tat will aber der nur fahrlässig handelnde Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht herbeiführen. Der Unrechtsgehalt der fahrlässigen Tat erschöpft sich darin, daß der Täter die objektiv erforderliche Sorgfalt außer acht läßt und dadurch den Tatbestand verwirklicht. Er tut etwas, was er hätte unterlassen sollen, oder er bleibt untätig, obwohl er hätte tätig werden sollen. B e a c h t e : Der Streit zwischen der sog. k a u s a l e n und der sog. f i n a l e n H a n d l u n g s l e h r e ist heute praktisch gegenstandslos, nachdem sich die Fronten durch die wissenschaftliche Diskussion der letzten Jahre weitgehend angeglichen haben. Die seitens der finalen Handlungslehre so heftig bekämpfte Ansicht, die tatbestandsmäßige Handlung erschöpfe sich in der Verursachung des tatbestandsniäßigen Erfolgs, wird heute in dieser Form nicht mehr vertreten. Auch die Vertreter des überkommenen Handlungsbegriffs stellen heute nicht mehr in Abrede, daß j e d e H a n d l u n g insofern f i n a l ist, als ihr ein zweck- und zielgerichteter Willensakt zugrunde liegen muß. Klarheit besteht inzwischen auch darüber, daß der tatbestandsmäßige Erfolg nicht Bestandteil der Handlung, sondern deren Folge ist. Die früher geübte Kritik der „Finalisten" ist insoweit gegenstandslos geworden. Andererseits haben auch die Vertreter der finalen Handlungslehre die Schwächen ihres Systems, die hauptsächlich im Aufbau der Fahrlässigkeitstat lagen, erkannt und beseitigt. E s kann heute auch aus der Sicht der „Finalisten" als allgemein anerkannt angesehen werden, daß der H a n d l u n g s b e g r i f f d e r f a h r l ä s s i g e n T a t ders e l b e i s t wie b e i d e r V o r s a t z t a t (vgl. Welzel 61 f., 129ff.; Maurach AT 529ff.). Ein praktischer Unterschied zwischen der kausalen und der finalen Handlungslehre besteht heute kaum noch (vgl. Ordeig, Finalität und Vorsatz, N J W 1966, 533). Geblieben ist lediglich die noch später zu erörternde Frage, ob sich Vorsatz und Fahr-
13
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil lässigkeit bereits auf der Ebene des subjektiven Tatbestands oder erst im Bereich der Schuld unterscheiden. Aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen der kausalen und der finalen Handlungslehre hat sich inzwischen die sog. soziale Handlungslehre entwikkelt, die heute bereits als h.L. bezeichnet werden kann. Nach dieser Lehre ist Handlung i.S. des Strafrechts jedes vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare sozialerhebliche Verhalten. „Sozialerheblich" ist dabei jedes Verhalten, das die Beziehungen des Einzelnen zu seiner Umwelt berührt und nach seinen erstrebten oder unerwünschten Folgen im sozialen Bereich Gegenstand einer wertbezogenen Beurteilung ist (vgl. Wessels AT 11 f.). Die soziale Handlungslehre berücksichtigt damit nicht nur kausale und finale, sondern zugleich auch normative Aspekte. Sie wird im Schrifttum u.a. vertreten von Engisch, Kohlrausch-Festschr., 1944, S. 161; Jescheck AT 168 sowie E b . Schmidt-Festschr., 1961, S. 139, 151; Arthur Kaufmann, H. Mayer-Festschr., 1966, S. 166 sowie J u S 1967, 145;; Maihofer, E b . Schmidt-Festschr., 1961, S. 178; E b . Schmidt, Engisch-Festschr., 1969, S. 340; Wessels AT 11; E . A. Wolff, Der Handlungsbegriff in der Lehre vom Verbrechen, 1964. —Zum Ganzen siehe auch Roxin, Zur Kritik der finalen Handlungslehre, ZStW 74, 515; Welzel, Vom Bleibenden und vom Vergänglichen in der Strafrechtswissenschaft.
2. Nicht zu den strafrechtlich relevanten Handlungen gehören, da nicht aus einer freien Willensbetätigung resultierend: a) R e f l e x b e w e g u n g e n , z.B. wenn jemand in einem Krampfanfall eine fremde Sache beschädigt oder einen Verkehrsunfall verschuldet. Auch instinktive Abwehrbewegungen gehören hierher, sofern sie ohne Mitwirkung des Bewußtseins ausgelöst worden sind. Nicht hierher gehören dagegen die sog. K u r z s c h l u ß h a n d l u n g e n , d.h. Verhaltensweisen, die zwar willensgesteuert sind, bei denen sich die Willensbildung jedoch so schnell vollzogen hat, daß für den Handelnden keine Möglichkeit mehr bestand, abhaltende Gegenvorstellungen zu mobilisieren (vgl. Maurach AT 188). Hier liegt zwar eine strafrechtlich relevante Handlung vor, unbillige Ergebnisse lassen sich jedoch durch Verneinung der Schuld vermeiden. b) B e w e g u n g e n im Z u s t a n d der B e w u ß t l o s i g k e i t , z.B. im Schlaf, im Delirium oder in der Narkose. c) Ob ein R a u s c h z u s t a n d bereits die Handlungsfähigkeit oder nur die Zurechnungsfähigkeit ausschließt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ist bereits die Handlungsfähigkeit ausgeschlossen, so kommt mangels einer strafrechtlich erheblichen Handlung auch eine Bestrafung gemäß § 330 a nicht in Betracht: § 330 a will nur den Verlust der Willensbeherrschung, nicht aber den Verlust der körperlichen Beherrschung als typisch gemeingefährlich erfassen. Wenn z.B. ein sinnlos Betrunkener aus dem Bett fällt und dabei die Bodenvase seines Gastgebers zertrümmert, so ist dieser Vorgang nicht anders zu beurteilen als 14
Die strafbare Handlung
wenn ein normal Schlafender im Traum um sich schlägt und dabei Schaden anrichtet. In beiden Fällen fehlt es an einer Handlung. d) Verhaltensweisen, die durch unwiderstehliche, unmittelbar körperlich wirkende Gewalt in der Weise erzwungen werden, daß der durch die Einwirkung Betroffene nur noch als willenloses Werkzeug des anderen erscheint (sog. v i s a b s o l u t a ) . B e i s p i e l : A führt gewaltsam die Hand des sich nach Kräften wehrenden B zur Unterschrift unter einen Wechsel ( v i s a b s o l u t a ) . Wenn dagegen A den B mit vorgehaltener Pistole zur Unterschrift zwingt (vis c o m p u l s i v a ) , so kann bei B das Vorliegen einer Handlung im Rechtssinn nicht geleugnet werden; B könnte sich jedoch auf schuldausschließenden Notstand (§ 35) berufen.
e) Körperliche Bewegungen im Zustand der H y p n o s e .
IV. Der Kausalzusammenhang 1. Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs Bei allen E r f o l g s d e l i k t e n , d.h. bei allen Tatbeständen, die zu ihrer Verwirklichung außer einer Willensbetätigung den Eintritt eines bestimmten Erfolgs voraussetzen (s.o. Abschn. B I 4), ist der Kausalzusammenhang notwendiges Bindeglied zwischen Willensbetätigung und Erfolg. Er wird somit zu einem M e r k m a l des o b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s . Fehlt die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg, so besteht lediglich die Möglichkeit einer B e s t r a f u n g n a c h V e r s u c h s g r u n d s ä t z e n . Beispiel: A gibt B mit Tötungsvorsatz Gift. Bevor das Gift wirkt, stirbt B, der von dem Anschlag auf sein Leben gar nichts merkt, an einem Herzschlag.
2. Die Bestimmung der Kausalität Ein Kausalzusammenhang ist immer dann gegeben, wenn eine Willensbetätigung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß auch der Erfolg entfiele. Hieraus folgt, daß alle Bedingungen, ohne die der Erfolg nicht denkbar wäre, als gleichwertige Ursachen für den Erfolg anzusehen sind (Bedingungs- oder Äquivalenztheorie). Im einzelnen: a) Die Kausalität einer Bedingung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß auch eine andere Bedingung für den Erfolg ursächlich war, u.U. sogar als Hauptursache angesehen werden muß. B e i s p i e l : Wenn A mit seinem P K W nachts in eine unbeleuchtete Baustelle fährt und hierbei sein Beifahrer X verletzt wird, so sind sowohl A als auch der für die Baustelle verantwortliche Bauführer B für die Verletzung des X kausal geworden: 15
V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil A, weil er n i c h t m i t der erforderlichen Sorgfalt auf die vor i h m liegende F a h r b a h n g e a c h t e t h a t , u . U . a u c h zu schnell gefahren ist, u n d B, weil er die Baustelle n i c h t o r d n u n g s g e m ä ß abgesichert h a t . Hierbei ist es o h n e B e d e u t u n g , welche B e d i n g u n g als die überwiegende anzusehen ist.
b) Jede B e s c h l e u n i g u n g des E r f o l g s ist für diesen kausal (vgl. BGH NJW 1966, 1824; Maurach AT 206). B e i s p i e l : W e n n ein Arzt A einem unheilbar e r k r a n k t e n P a t i e n t e n P zur A b k ü r z u n g seiner Leiden eine tödliche Dosis Morphium injiziert, so wird die K a u s a l i t ä t seines Verhaltens u n d d a m i t der T a t b e s t a n d des § 212 n i c h t d a d u r c h ausgeschlossen, d a ß n a c h dem Ergebnis der medizinischen U n t e r s u c h u n g e n P auch ohne die M o r p h i u m i n j e k t i o n m i t Sicherheit bereits wenige S t u n d e n s p ä t e r a n den Folgen seiner K r a n k h e i t gestorben wäre. Die geringe L e b e n s e r w a r t u n g des P k a n n sich in diesem Fall n u r auf das S t r a f m a ß auswirken (§ 213).
c) Die Kausalität einer Bedingung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Erfolg erst durch das H i n z u t r e t e n w e i t e r e r B e d i n g u n g e n eintritt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese weiteren Bedingungen von Dritten fahrlässig oder gar vorsätzlich gesetzt werden (vgl. RG 64, 316; 64, 370). Entscheidend ist allein, daß die ursprüngliche Bedingung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. B e i s p i e l : E i n F ö r s t e r F stellt in einer G a s t s t u b e sein geladenes Gewehr a b , ohne d a f ü r zu sorgen, d a ß kein U n b e f u g t e r a n d a s Gewehr h e r a n k o m m e n k a n n . W e n n n u n im L a u f e eines plötzlich a u f k o m m e n d e n Streits A das Gewehr ergreift u n d d a m i t seinen Widersacher X niederschießt, so wird d u r c h dieses vorsätzliche Eingreifen des X die von F eingeleitete K a u s a l k e t t e nicht abgerissen: H ä t t e F sein geladones Gewehr nicht dem Zugriff des A preisgegeben, so h ä t t e dieser d a m i t nicht den X niederschießen k ö n n e n . F ist also f ü r den Tod des X k a u s a l geworden. Ob er a u c h s c h u l d h a f t gehandelt h a t , h ä n g t d a v o n a b , ob der k o n k r e t e Geschehnisablauf f ü r ihn vorhersehbar w a r .
3. Besonderheiten sind bei den unechten Unterlassungsdelikten und den Fahrlässigkeitsdelikten zu beachten (s. u. Abschn. C 2 sowie § 13 Anm. III 2b). 4. Atypische Geschehnisabläufe Bei konsequenter Anwendung der Bedingungstheorie muß auch bei atypischen Geschehnisabläufen, d.h. bei Geschehnisabläufen, die nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, Kausalität zwischen Handlung und Erfolg bejaht werden. Die Feststellung der Kausalität kann für sich allein jedoch noch keine strafrechtliche Haftung begründen, und zwar selbst dann nicht, wenn der eingetretene Erfolg vom Täter an sich gewollt war. Von einer vorsätzlichen Tat kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn der tatsächliche Geschehnisablauf vom Willen des Täters zweckbewußt gestaltet war, d.h. wenn er der Tatherrschaft seines Willens unterlag (vgl. Welzel 73). Der Täter muß also den wesentlichen Geschehnisablauf nicht nur gekannt, sondern auch beherrscht 16
Die strafbare Handlung
haben. Tritt der Erfolg lediglich auf Grund ungeahnter Umstände als zufällige Folge der Handlung ein, so kann von einer vorsätzlichen Tat nicht gesprochen werden (vgl. Welzel 73). In diesen Fällen kommt nur Versuch in Betracht, weil der Täter den Erfolg so, wie er ihn bewirken wollte, nicht bewirkt hat. Beispiele: a) A und B geben unabhängig voneinander ihrem gemeinsamen Feind X mit Tötungsvorsatz Gift. X stirbt an der Summe der Dosen. Eine Dosis allein hätte nicht ausgereicht, um X zu töten. Nach der Bedingungstheorie war sowohl das Verhalten des A als auch das des B f ü r den Tod des X kausal. X ist nur dadurch ums Leben gekommen, daß beide ihm Gift beibrachten. E s widerspricht jedoch jeder Lebenserfahrung, daß zwei Personen völlig unabhängig und in Unkenntnis voneinander einem Dritten mit Tötungsvorsatz Gift geben. E s handelt sich somit um einen atypischen Geschehnisablauf. A kann nicht für die T a t des B, dieser nicht f ü r die T a t des A verantwortlich gemacht werden. Jeder haftet nur f ü r seinen eigenen Tatbeitrag, d . h . jeder ist so zu stellen, wie wenn der andere gar nicht tätig geworden wäre. Denkt m a n aber den jeweiligen Tatbeitrag des anderen hinweg, so kann jeder nur wegen versuchten Mords (§§ 211, 43) bestraft werden (vgl. Maurach AT 207; Arthur K a u f m a n n , Eb. Schmidt-Festschr. S. 211; Str.). b) I m Laufe eines Familienstreits schlägt die Tochter (T) mit einer Bratpfanne auf den als Familientyrann gefürchteten X ein. Als X am Boden liegt und die T sich entfernt, um die Polizei zu rufen, schlägt ihre Mutter (M) auf X ein. X stirbt an den Folgen der ihm von T und M zugefügten Verletzungen, ohne daß sich feststellen läßt, ob die Schläge der M seinen Tod beschleunigt haben. I n diesem Fall können weder die T noch die M wegen vollendeter Tötung bestraft werden. F ü r beide kommt nur Bestrafung wegen versuchten Totschlags in Betracht (vgl. BGH N J W 1966, 1823; übereinstimmend auch Jescheck AT 212). c) Weitere Einzelheiten und Beispiele siehe § 16 Anm. 5.
V. Die Tatbestandsmäßigkeit 1. Eine Handlung ist dann tatbestandsmäßig, wenn sie alle objektiven und subjektiven Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt. Handlungen, die nicht tatbestandsmäßig sind, unterliegen nicht der strafrechtlichen Wertung (s.o. Abschn. A I 3, S. 1). 2. Derobjektive Tatbestand hat die Aufgabe, dasäußere G e s c h e h e n , das den vom Gesetzgeber als strafbedürftig angesehenen Unrechtsgehalt begründet, so zu beschreiben, daß die Verbotsmaterie möglichst eindeutig festgelegt ist. Zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen gehören u.a.: a) bei den T ä t i g k e i t s d e l i k t e n : die Handlung; b) bei den E r f o l g s d e l i k t e n : die Handlung, der Erfolg sowie der Handlung und Erfolg verbindende Kausalzusammenhang (s.o. Abschn. B I V 1, S. 15); 2
Preisendam, StGB, 29. Aufl.
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V o r b e m e r k u n g e n z u m Allgemeinen Teil
c) bei den u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n : die Umstände, durch welche die Garantenstellung begründet wird, die Erfolgsabwendungsmöglichkeit und schließlich der tatbestandsmäßige Erfolg als Folge der pflichtwidrigen Untätigkeit (vgl. § 13 Anm. III); d) bei den F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e n : eine unter Außerachtlassung der objektiv im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorgenommene Handlung oder Unterlassung sowie — bei den fahrlässigen Erfolgsdelikten — der tatbestandsmäßige Erfolg (Einzelheiten s.u. Abschn. C 2). 3. Der subjektive Tatbestand hat die Aufgabe, den subjektiven Unrechtsgehalt der Tat, den sog. Handlungsunwert, festzulegen. a) Zum subjektiven Tatbestand gehört vor allem der Vorsatz als subjektives Grundelement aller Vorsatzdelikte. Wurde oben (Abschn. B III 1, S. 13) die Handlung als Willensbetätigung, d.h. als ein vom menschlichen Willen getragenes Verhalten definiert, so besteht die charakteristische Besonderheit der vorsätzlichen Tat darin, daß der Handlungswille sich auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands erstreckt. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Tatbestandsverwirklichung den Endzweck der Handlung darstellt. Vorsätzlich handelt auch, wer den tatbestandsmäßigen Erfolg nur als notwendiges Mittel zur Erreichung eines anderen, außertatbestandsmäßigen Ziels anstrebt oder in Kauf nimmt. Einzelheiten siehe unten b). B e a c h t e : Die hier v o r g e n o m m e n e E i n o r d n u n g des Vorsatzes in den s u b j . T a t b e s t a n d ist, wie bereits oben u n t e r B I I I 1 e r w ä h n t , ä u ß e r s t b e s t r i t t e n . Die f r ü h e r herrschende, v o m kausalen. Handlungsbegriff ausgehende Lehre behandelte d e n Vorsatz entgegen der hier v e r t r e t e n e n Ansicht n i c h t als Bestandteil des T a t b e s t a n d s , sondern als Schuldelement (vgl. Schönke-Schröder R n . 79ff. v o r § 51). Hiergegen spricht jedoch, d a ß einzelne T a t b e t ä n d e über d e n Vorsatz h i n a u s g e h e n d zur Bes t i m m u n g des s u b j e k t i v e n U n r e c h t s g e h a l t s der T a t b e s t i m m t e Motive, Absichten oder Tendenzen des T ä t e r s erfordern. Diese werden h e u t e allgemein n i c h t als Schuldelemente, sondern als Bestandteile des s u b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s a n e r k a n n t (vgl. Mezger-Blei A T 102ff. m i t weit. Nachw.). So werden z . B . die Zueignungsabsicht beim Diebstahl oder die Bereicherungsabsicht beim B e t r u g u n b e s t r i t t e n als s u b j . U n r e c h t s e l e m e n t e u n d d a m i t als s u b j e k t i v e T a t b e s t a n d s m e r k m a l e a n e r k a n n t . E i n e rein o b j . U n r e c h t s b e s t i m m u n g ist schlechterdings unmöglich (vgl. Welzel 59f.). So wird unstreitig d a s typische U n r e c h t eines Diebstahls erst d a d u r c h b e g r ü n d e t , d a ß der T ä t e r die W e g n a h m e der Sache in Zueignungsabsicht vollzieht. E n t s p r e chendes m u ß a b e r a u c h f ü r den Vorsatz gelten. D o r t , wo d a s Gesetz n u r die vorsätzliche T a t b e g e h u n g u n t e r S t r a f e stellt, ist d e r s u b j e k t i v e U n r e c h t s g e h a l t der T a t ( = H a n d l u n g s u n w e r t ) erst d a n n gegeben, w e n n der T ä t e r vorsätzlich h a n d e l t . D a h e r gehört zum s u b j . T b . des Diebstahls n i c h t n u r die Zueignungsabsicht, sondern a u c h der Vorsatz, d . h . das Bewußtsein, sich eine f r e m d e bewegliche Sache d u r c h B r u c h f r e m d e n G e w a h r s a m s u n t e r gleichzeitigem Verstoß gegen die E i g e n t u m s o r d n u n g zuzueignen. Vorsatz u n d Zueignungsabsicht sind b e i m Diebstahl so eng m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n , d a ß es geradezu u n v e r s t ä n d l i c h wäre, wolle m a n d a s eine E l e m e n t dem T a t b e s t a n d , d a s andere der Schuld zuordnen.
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Die s t r a f b a r e H a n d l u n g So wie hier in allen P u n k t e n die Vertreter der finalen Handlungslehre, deren Verdienst es ist, d e n systematischen S t a n d o r t des Vorsatzes im U n r e c h t s t a t b e s t a n d herausgearbeitet zu h a b e n (vgl. insbesondere Welzel 59ff., 64ff.; M a u r a c h A T 230ff.). Aber a u c h auf der Grundlage des ü b e r k o m m e n e n Handlungsbegriffs in seiner h e u t e v e r t r e t e n e n F o r m als sozialer Handlungsbegriff (s.o. I I I 1) ist es ohne weiteres möglich, den Vorsatz d e m s u b j e k t i v e n T b . zuzuordnen (vgl. E b . S c h m i d t , J Z 1956, 190; Heinitz J R 1957, 79). I m n e u e r e n S c h r i f t t u m findet sich diese K o m b i n a t i o n z . B . bei Jescheck A T 181; Lackner-Maassen I I 5 c zu § 59 a . F . ; Wessels A T 21. Z u m Ganzen siehe a u c h R u d o l p h i , M a u r a e h - F e s t s e h r . S. 51ff.
b) Innerhalb des Vorsatzes sind z w e i E r s c h e i n u n g s f o r m e n zu unterscheiden: der unbedingte Vorsatz (dolus directus) und der bedingte Vorsatz (dolus eventualis). I m einzelnen: aa) Der Täter handelt mit direktem (unbedingtem) Vorsatz, wenn er den tatbestandsmäßigen Erfolg a n s t r e b t oder wenn er sich zur Tat entschließt, obwohl er die Verwirklichung des Tatbestands, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, a l s n o t w e n d i g e T a t f o l g e voraussieht. Aus dieser Definition folgt, daß eine positive innere Einstellung des Täters zur Tat nicht erforderlich ist. Die Tatbestands Verwirklichung kann dem Täter wünschenswert erscheinen, muß es aber nicht. Der Täter kann auch dann vorsätzlich handeln, wenn er den Erfolgseintritt „an sich" bedauert. (Zum Ganzen siehe auch BGH 18, 246, 248 und BGH 21, 263.) B e i s p i e l : Bei einem Schiffsunglück s t ö ß t A, u m sich selbst zu r e t t e n , seinen F r e u n d B v o n der r e t t e n d e n P l a n k e , d a diese n u r einen t r a g e n k a n n . E r weiß g e n a u , d a ß B m i t Sicherheit ertrinken wird. D a m i t sind alle Voraussetzungen des unbedingt e n Vorsatzes gegeben. A k a n n sich n a c h h e r n i c h t d a r a u f b e r u f e n , d a ß er d e n T o d seines F r e u n d e s sehr b e d a u e r t h a b e . B e a c h t e : U n a b h ä n g i g v o n d e r F r a g e des Vorsatzes ist die weitere F r a g e , ob sich A auf schuldausschließenden N o t s t a n d berufen k a n n , vgl. § 35.
Der direkte (unbedingte) Vorsatz wird ferner nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Tatbestandsverwirklichung nicht das Haupt- oder Endziel des Täters war. B e i s p i e l : W e n n ein T a x i f a h r e r (T) in K e n n t n i s aller T a t u m s t ä n d e einen flüchtigen Dieb s a m t B e u t e v o m T a t o r t w e g f ä h r t , k a n n er sich gegen d e n Vorwurf der Begünstigung (§ 257) nicht d a m i t verteidigen, er h a b e sich d u r c h die F a h r t lediglich den üblichen F a h r l o h n verdienen wollen. Der Vorsatz der B e g ü n s t i g u n g verlangt lediglich die K e n n t n i s der V o r t a t (insoweit g e n ü g t sogar dol. ev.) sowie d a s Bewußtsein, d a ß das eigene Verhalten geeignet ist, die Lage des V o r t ä t e r s zu verbessern (vgl. B G H 4, 107).
bb) Beim bedingten Vorsatz (dolus eventualis) stellt sich der Täter die Tatbestandsverwirklichung, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, nicht als sicher, sondern nur als m ö g l i c h vor; dennoch nimmt er ihn billigend in Kauf. Auch beim bedingten Vorsatz ist eine positive innere 2-
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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
Einstellung des Täters zum Erfolg nicht erforderlich. Der Täter kann auch einen solchen Erfolg „billigen", der ihm an sich unerwünscht ist (BGH 7,363; 19, 101; N J W 1968, 666). Die Formulierung „billigend in Kauf nehmen" besagt lediglich, daß sich der Täter zur Erreichung seiner eigentlichen, außerhalb der Tatbestandszone liegenden Ziele mit dem Risiko des ihm an sich unerwünschten tatbestandsmäßigen Erfolgs für den Fall seines Eintritts abfindet, ohne daß er ihn andererseits als notwendig voraussieht oder gar anstrebt (BGH 21, 283, 285; Köln N J W 1973, 861). A n dieser Stelle zeigt sich deutlich der U n t e r s c h i e d des dol. ev. g e g e n ü b e r der b e w u ß t e n F a h r l ä s s i g k e i t : Hier wie dort sieht der Täter den Erfolg als möglich voraus. Während aber der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter das Risiko des Erfolgs auf jeden Fall auf sich nimmt und damit den Erfolg „billigt", vertraut der nur fahrlässig handelnde Täter darauf, daß der Erfolg nicht eintritt (vgl. Wessels A T 25 m. weit. Nachw.). Beispiele: a) Wenn A, um eine Wette zu gewinnen, den Versuch unternimmt, mit einer Pistole auf größere Entfernung die Feder vom Hut des X herunterzuschießen, dabei aber versehentlich X tödlich verletzt, so ist wie folgt zu unterscheiden: War A sich als guter Schütze seiner Sache völlig sicher, d.h. rechnete er gar nicht mit der Möglichkeit einer Verletzung des X , so ist er nur wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen. Entschloß er sich dagegen zur Abgabe des Schusses, obwohl er sich nicht sicher fühlte, d.h. rechnete er mit dem tödlichen Ausgang der Wette, so ist er wegen vorsätzlicher Tötung zu bestrafen, da er, um die Wette zu gewinnen, auf jeden Fall schießen wollte (vgl.Welzel 69). ß) Ebenso ist zu differenzieren, wenn ein angetrunkener Kraftfahrer, um eine polizeiliche Verkehrskontrolle zu vermeiden, mit hoher Geschwindigkeit auf den ihm mit erhobener Kelle entgegentretenden Polizeibeamten zurast. Rechnete er damit, daß der Polizeibeamte rechtzeitig zur Seite springen werde, so ist er nur wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen, wenn er den Beamten wider Erwarten doch erfaßt und tödlich verletzt. Rechnete er dagegen damit, daß der Beamte stehen bleiben werde, so nahm er den Tod des Beamten in Kauf; er „billigte" ihn auch, da er ja unter allen Umständen eine Kontrolle vermeiden wollte. Hieraus folgt: Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung (§§ 212, 211, vgl. BGH 15, 291). Zum Ganzen siehe auch BGH N J W 1968, 666.
c) Zum subjektiven Tatbestand gehören ferner die in einzelnen Tatbeständen besonders hervorgehobenen Motive, Absichten und Tendenzen, z. B. aa) die Z u e i g n u n g s a b s i c h t beim Diebstahl (§ 242) und beim Raub (§249); bb) die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t bei der Hehlerei (§ 259), beim Betrug (§263) und bei der Erpressung (§253); cc) das S t r e b e n nach V o r t e i l , und zwar sowohl dort, wo es strafbegründend ist, als auch bei den Tatbeständen, wo es straferhöhend
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Die strafbare Handlung
(qualifizierend) ist, z.B. bei der schweren mittelbaren Falschbeurkundung (§ 272); dd) die M o r d m e r k m a l e der 1. und 3. Gruppe in § 211 Abs. 2 (nicht dagegen die Mordmerkmale heimtückisch, grausam, mit gemeingefährlichen Mitteln); ee) die Tendenz, sich oder einen anderen sexuell zu erregen (vgl. §§ 174 Abs. 2, 176 Abs. 5).
VI. Die Rechtswidrigkeit 1. Die Indizwirkung des Tatbestands Hat der Täter alle objektiven und subjektiven Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, so hat er normwidrig gehandelt, d. h. gegen eine Verbots- oder Gebotsnorm verstoßen. Jeder derartige Normverstoß ist nun ein „Indiz" dafür, daß das Verhalten des Täters rechtswidrig war (vgl. Welzel 80). Man spricht daher von der Indizwirkung des Tatbestands, d.h. die R e c h t s w i d r i g k e i t w i r d d u r c h die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t i n d i z i e r t . So läßt z.B. jede vorsätzliche oder fahrlässige Tötung eines Menschen, sofern keine besondere Ausnahmesituation vorliegt, die Vermutung aufkommen, daß Unrecht geschehen ist. Die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit begründet allerdings nur ein v o r l ä u f i g e s U r t e i l über die Rechtswidrigkeit. Das abschließende Urteil kann erst getroffen werden, wenn feststeht, daß die Handlung nicht durch besondere R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e gerechtfertigt ist. Nur dann steht die Handlung mit der Rechtsordnung als solcher in Widerspruch. Die Tatbestandsmäßigkeit kann also lediglich eine formelle Rechtswidrigkeit begründen; materiell rechtswidrig ist die Tat erst, wenn Rechtfertigungsgründe fehlen (sog. m a t e r i e l l e R e c h t s w i d r i g k e i t , vgl. Maurach AT 292). Nicht jeder Normverstoß ist rechtswidrig! 2. Die offenen Tatbestände a) Die Besonderheit der offenen Tatbestände, die zuweilen ihrem Wesen entsprechend auch als e r g ä n z u n g s b e d ü r f t i g e Tatbestände bezeichnet werden, besteht darin, daß sie die Verbotsmaterie nicht erschöpfend beschreiben. Der als strafwürdig angesehene Unrechtsgehalt der Tat kann vielmehr erst durch Rückgriff auf die dem jeweiligen Tatbestand zugrunde liegende Norm ermittelt werden. Die Indizwirkung des Tatbestands greift also erst dann ein, wenn der Tatbestand durch Rückgriff auf die ihm zugrunde liegende Norm ergänzt worden ist (vgl. Maurach AT 288; Welzel 82; krit. Jescheck AT 186 m. weit. Nachw.). 21
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
b) Zu den offenen Tatbeständen gehören insbesondere die N ö t i g u n g (§ 240) und die E r p r e s s u n g (§ 253). Die Ergänzungsbedürftigkeit dieser Tatbestände ergibt sich aus folgender Erwägung: Es gibt kaum einen Lebensvorgang, der sich nicht als Handlung, Duldung oder Unterlassung darstellt und der sich nicht unter dem Druck der sozialen Umwelt vollzieht. Tatbestandsmäßig, d.h. rechtserheblich in dem Sinn, daß das Verhalten geeignet ist, strafwürdiges Unrecht zu begründen, ist eine Handlung unter den Voraussetzungen der §§ 240, 253 daher erst dann, wenn zusätzlich Tatumstände vorliegen, die die Gewaltanwendung oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich erscheinen lassen (vgl. §§ 240 II, 253 II). Diese Tatumstände gehören daher zum objektiven Tatbestand und müssen wie alle objektiven Tatbestandsmerkmale vom Vorsatz des Täters umfaßt werden. B e i s p i e l : Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeiter ermahnt und ihn darauf aufmerksam macht, daß er mit seiner Entlassung rechnen müsse, falls er seine Arbeit nicht ordnungsgemäß verrichte, so arbeitet der auf diese Weise Angesprochene zwar unter dem Druck dieser Drohung, die sich für ihn als ein empfindliches Übel darstellen mag; trotzdem ist der Tatbestand der Nötigung nicht erfüllt, da keine Tatumstände vorliegen, die die Tat als rechtswidrig erscheinen lassen. Das Verhalten des Arbeitgebers ist hier sozial adäquat.
c) Zu den offenen oder ergänzungsbedürftigen Tatbeständen gehören ferner die unechten U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , bei denen noch nicht jede Nichtabwendung des Erfolgs die Tatbestandsmäßigkeit begründet. Tatbestandsmäßig ist ein Unterlassen erst dann, wenn der Täter eine G a r a n t e n s t e l l u n g hatte, die ihn zur Erfolgsabwendung verpflichtete. Einzelheiten § 13 Anm. I I I . Ähnliches gilt für die F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e . Hier ist die Erfolgsverursachung erst dann tatbestandsmäßig, wenn der Täter die objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat (s.u. Abschn. C 2 und Welzel 46, 131). 3. Das System der Rechtfertigungsgründe Eine tatbestandsmäßige Handlung ist dann nicht rechtswidrig, wenn der Täter sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann. Der Täter verstößt dann zwar gegen eine bestimmte Norm, sein Verhalten steht aber nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit. Die Handlung ist daher n u r f o r m e l l , n i c h t m a t e r i e l l r e c h t s w i d r i g (vgl. Maurach AT 292). Alle Rechtfertigungsgründe haben gemeinsam, daß sie eine Ausnahmesituation berücksichtigen, bei der die Normwidrigkeit unter Würdigung aller Umstände von der Rechtsordnung nicht mißbilligt wird (vgl. Welzel 83; Schönke-Schröder 4b vor § 51 a.F.). Es ist allerdings nicht möglich, alle Rechtfertigungsgründe auf einen einheitlichen Nenner zu bringen (siehe hierzu ausführlich Maurach AT 295 ff.). Das 22
Die strafbare Handlung
Prinzip der G ü t e r a b w ä g u n g , das bei einigen Rechtfertigungsgründen, z.B. bei den bürgerlich-rechtlichen Notstandsiechten, vor allem aber beim rechtfertigendenNotstand in §34 und bei den Indikationen des §218b, zum Ausschluß der Rechtswidrigkeit führt, ist zwar das wichtigste, aber nicht das einzige Prinzip (vgl. Maurach a.a.O.). So ist z.B. bei der Notwehr eine Güterabwägung grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. § 32 Anm. I I 6 c sowie Maurach AT 314); entscheidend ist vielmehr der Gedanke, daß das Recht dem Unrecht nicht weichen muß. Auch bei der Einwilligung beruht der Ausschluß der Rechtswidrigkeit nicht auf der Güterabwägung, sondern auf dem Rechtsschutzverzicht (vgl. Maurach AT 338). 4. Übersicht über die wichtigsten Rechtfertigungsgründe a) Im S t r a f g e s e t z b u c h selbst finden sich nurwenige Rechtfertigungsgründe. Es sind dies insbesondere die Notwehr (§ 32), die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193) als besonderer Rechtfertigungsgrund bei den Tatbeständen der Beleidigung, die Fristenlösung in §218a, die Indikationen des § 218b, die Einwilligung des Verletzten bei der Körperverletzung (§ 226 a) und die Genehmigung der zuständigen Behörde bei der Vorteilsannahme (§331 Abs. 3). b) Eine Reihe weiterer Rechtfertigungsgründe findet sich in der S t r a f p r o z e ß o r d n u n g . Hierher gehören vor allem die Vorschriften über die k ö r p e r l i c h e U n t e r s u c h u n g (§§81 äff.), die B e s c h l a g n a h m e (§§94ff.), die D u r c h s u c h u n g (§§ 102ff.), die V e r h a f t u n g (§§ 112ff.) und die v o r l ä u f i g e U n t e r b r i n g u n g in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 126a) sowie das Recht zur v o r l ä u f i g e n F e s t n a h m e (§ 127). c) Auch das B G B weist eine Reihe wichtiger Rechtfertigungsgründe auf. So ist insbesondere hinzuweisen auf § 227 ( N o t w e h r ) , die S e l b s t h i l f e r e c h t e gemäß §229 (allgemeine Selbsthilfe), §561 (Selbsthilferecht des Vermieters), §§ 859,860 (Selbsthilferecht des Besitzers und des Besitzdieners), auf die N o t s t a n d s r e c h t e (§§228,904) sowie auf das Zücht i g u n g s r e c h t der Eltern (§§ 1626, 1631) und des Vormunds (§ 1800). d) Für den Bereich der Z P O ist auf die besonderen Rechte des Ger i c h t s v o l l z i e h e r s hinzuweisen. So ist der Gerichtsvollzieher unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, die Wohnung des Schuldners zu durchsuchen (§ 758 ZPO) und den Schuldner u.U. sogar zu verhaften (§ 909 ZPO). Siehe ferner § 933 i.V. mit § 918 ZPO. e) Weitere Rechtfertigungsgründe wurden g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h entwickelt. Hierbei gehören insbesondere die mutmaßliche Einwilligung (5 vor § 32) und das Züchtigungsrecht der Lehrer (vgl. Anm. I I I 4 zu § 223). 23
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil Wichtiger Hinweis: Die im Strafgesetzbuch enthaltenen Rechtfertigungsgründe werden bei der Kommentierung der jeweiligen Gesetzesa teile erörtert (insbesondere im Rahmen der §§ 32, 193 und 226a); die übrigen Rechtfertigungsgründe -werden in der Vorbemerkung zu § 32 besprochen.
5. Gemeinsame Regeln für alle Rechtfertigungsgründe a) Eine gerechtfertigte Handlung kann, sofern ihr Widerstand entgegengesetzt wird, notfalls mit angemessenen Gewaltmitteln durchgesetzt werden. N o t w e h r gegen eine durch einen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigte Handlung ist n i c h t z u l ä s s i g . b) R e c h t s m i ß b r a u c h r e c h t f e r t i g t nicht. Wer z.B.absichtlicheine Lage herbeiführt, die an sich die Berufung auf einen Rechtfertigungsgrund gestatten würde, kann sich nicht auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen (vgl. Maurach AT 311). Dies gilt insbesondere für die absichtliche P r o v o k a t i o n einer Notwehrlage (vgl. Anm. II 6 b zu § 32). c) Jeder Rechtfertigungsgrund enthält nicht nur objektive, sondern auch s u b j e k t i v e E l e m e n t e . Gerechtfertigt ist nur, wer recht handeln will. So ist bei Notwehr ein Verteidigungswille erforderlich, beim übergesetzlichen Notstand eine bewußte Güterabwägung, bei § 193 die Absicht, berechtigte Interessen wahrzunehmen, beim Züchtigungsrecht das pädagogische Motiv und bei der Einwilligung die Kenntnis von ihrem Vorliegen. d) Der I r r t u m über die t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n eines R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d s ist zwar kein vorsatzausschließender Tb.-Irrtum i.S. von § 16, steht jedoch in seinen Rechtsfolgen einem solchen Irrtum gleich (sehr bestr., Einzelheiten siehe § 16 Anm. 3). Der Täter kann daher nicht wegen vorsätzlicher, sondern allenfalls wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden, sofern sein Irrtum auf Fahrlässigkeit beruhte und die fahrlässige Tatbegehung unter Strafe gestellt ist (vgl. BGH 3, 105; 3, 194). Die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tatbegehung bleibt dagegen bestehen, wenn der Täter sich in Kenntnis aller unrechtsbegründenden Tatumstände nur über die Rechtslage irrt, z.B. wenn er über Umfang und Grenzen eines Rechtfertigungsgrunds irrt oder wenn er glaubt, er könne einen Rechtfertigungsgrund für sich in Anspruch nehmen, den die Rechtsordnung nicht anerkennt (vgl. BGH 3, 7; 3, 105). In diesen zuletzt genannten Fällen liegt kein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum, sondern lediglich ein V e r b o t s i r r t u m vor. Einzelheiten und Beispiele siehe § 17 Anm. 3d. e) F e h l e n die s u b j e k t i v e n R e c h t f e r t i g u n g s e l e m e n t e (s.o. Abschn. c), d.h. kennt der Täter nicht die objektiv gegebene Sachlage, durch die er an sich gerechtfertigt wäre, so liegt mangels Erfolgsunwert kein v o l l e n d e t e s , sondern nur ein v e r s u c h t e s D e l i k t v o r . 24
Die strafbare Handlung
Die Tat zeichnet sich nicht durch ihren Erfolgsunwert, sondern nur durch ihren Handlungsunwert aus (vgl. Bockelmann AT 194; Jescheck AT 246; Lackner-Maassen I I I 3 b, cc zu § 59 a . F . ; Rudolphi, MaurachFestschr. S.51,58; Wessels AT 42 ;a.A. Maurach AT 304f. undWelzel83f., die vollendetes Delikt annehmen). B e i s p i e l : A schießt auf B, ohne zu erkennen, daß B seinerseits gerade im Begriff war, ihn zu töten. Hätte A die Sachlage erkannt, so wäre er durch Notwehr gerechtfertigt. So aber kommt mangels Verteidigungswillen eine Rechtfertigung nicht in Betracht. Andererseits wäre es unbillig, wollte man wegen vollendeter Tatbegehung bestrafen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die Tat objektiv nicht mit der Rechtsordnung in Widerspruch steht. Es liegt also nur Versuch vor.
f) Kennt der Täter alle rechtfertigenden Tatumstände, so kann ihn die irrige Annahme, er habe sich gleichwohl strafbar gemacht, nicht belasten. Es liegt in diesem Fall weder ein versuchtes noch ein vollendetes Delikt, sondern ein strafloses W a h n d e l i k t vor. B e i s p i e l : Ein aus dem Ausland kommender Arzt hält in Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage auch den medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch für strafbar.
g) T e i l n a h m e an einer gerechtfertigten Handlung ist nicht strafbar, vgl. §§ 26, 27. Über Fälle mittelbarer Täterschaft durch Mißbrauch eines tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig handelnden Tatmittlers siehe § 25 Anm. I I I 3 b. VII. Die Schuld 1. Das Wesen der Schuld Eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung kann dem Täter nur dann als strafbare Handlung zugerechnet werden, wenn er schuldhaft, d.h. v o r w e r f b a r gehandelt hat. Nach dem heute herrschenden normativen Schuldbegriff sind hierzu zwei Voraussetzungen erforderlich : a) Der Täter muß in der Lage gewesen sein, das Unrecht der Tat zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln; b) Die rechtliche Wertung muß zu dem Ergebnis führen, daß dem Täter bei Würdigung aller Umstände rechtmäßiges Verhalten hätte zugemutet werden können. 2. Die einzelnen Schuldelemente a) Die Schuldfähigkeit. Sie entfällt, wenn der Täter zur Tatzeit wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, wegen Schwachsinns oder wegen einer schweren 25
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
anderen seelischen „Abartigkeit" nicht in der Lage war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (vgl. § 20). Bei Kindern beachte § 19, bei Jugendlichen § 3 JGG. Die v e r m i n d e r t e Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t ist demgegenüber nur ein gesetzlich geregelter Strafmilderungsgrund (vgl. § 21). b) Die Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens. Sie entfällt, wenn der Täter sich auf einen gesetzlichen Schuldausschließungsgrund (§ 33 Notwehrexzeß, § 35 Notstand) oder auf einen übergesetzlichen Schuldausschließungsgrund (Wahl des kleineren Übels, entschuldigende Pflichtenkollision, vgl. Vorbem. I I I vor § 32) berufen kann. c) Das Unrechtsbewußtsein. Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 18. 3. 1952 (BGH 2, 194) muß der Täter bei den vorsätzlichen Delikten neben dem Vorsatz noch das Unrechtsbewußtsein haben. Die Begriffe V o r s a t z u n d U n r e c h t s b e w u ß t s e i n s i n d s t r e n g zu u n t e r s c h e i d e n . Dies gilt auch dann, wenn man den Vorsatz entgegen der hier vertretenen Ansicht (s.o. B V 3a, S. 18f.) nicht als subjektives Tatbestandsmerkmal, sondern als Schuldmerkmal auffaßt. Über die Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum des § 16 siehe ausführlich § 16 Anm. 3. Fehlt das Unrechtsbewußtsein, so liegt ein Verbotsirrtum vor. Über seine Erscheinungsformen und deren rechtliche Behandlung siehe ausführlich § 17 Anm. 3, 6 und 7. d) Zur S c h u l d d e r F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e s.u. Abschn. C 4, S. 31. 3. Gemeinsame Regeln für alle Schuldausschließungsgründe a) Gegen Handlungen, bei denen der rechtswidrig handelnde Täter sich nur auf einen Schuldausschließungsgrund berufen kann, ist N o t w e h r zulässig. b) Die Schuldausschließungsgründe i.e.S. (§§ 33, 35, Wahl des kleineren Übels) enthalten — ähnlich wie die Rechtfertigungsgründe — nicht nur objektive, sondern auch s u b j e k t i v e E l e m e n t e . Entschuldigt ist nur, wer seine Zwangslage kennt und die rechtswidrige Handlung vornimmt, um der drohenden Gefahr zu entgehen bzw. größeres Unheil zu verhindern. F e h l e n d i e s e s u b j e k t i v e n E l e m e n t e , so b l e i b t d i e S c h u l d in v o l l e m U m f a n g b e s t e h e n . Der Täter ist wegen vollendeter Tatbegehung zu bestrafen, nicht etwa nur wegen Versuchs. Diese Abweichung gegenüber der Rechtslage beim Fehlen von subjektiven Rechtfertigungselementen (s. o. B VI 5 e, S. 24) ergibt sich daraus, daß dort, wo der Täter sich nur auf eine schuldausschließende Zwangslage berufen kann, objektiv der volle Unrechtsgehalt der Tat gegeben ist. 26
Die Fahrlässigkeitsdelikte B e i s p i e l : Wenn A bei einem Schiffsunglück den mit ihm verfeindeten B von der rettenden Planke stößt, dabei aber nicht erkennt, daß dies die einzige Möglichkeit ist, sich selbst zu retten, da die Planke nur einen trägt und andere Planken nicht zu erreichen sind, so ist A, wenn B — wie gewollt — u m s Leben kommt, wegen vollendeter vorsätzlicher Tötung gemäß § 212 bzw. § 211 zu bestrafen.
c) Der I r r t u m ü b e r d i e t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n e i n e s S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d s berührt weder den Vorsatz noch das Unrechtsbewußtsein. Er ist jedoch in seinen Rechtsfolgen dem Verbotsirrtum gleichzustellen, d.h. wie ein Verbotsirrtum zu behandeln. Siehe hierzu ausführlich § 16 Anm. 4. d) Der I r r t u m ü b e r d i e S c h u l d v o r a u s s e t z u n g e n , insbesondere über die eigene Schuldfähigkeit, ist immer u n b e a c h t l i c h . e) Wer sich schuldhaft in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (z.B. in einen Rauschzustand) oder in eine Zwangslage versetzt hat, ist grundsätzlich nicht entschuldigt. Für die Beurteilung der Schuldfrage ist in diesen Fällen der Zeitpunkt maßgebend, zu dem sich der Täter noch innerlich frei, d.h. unbeeinflußt von schuldausschließenden Umständen, in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit bzw. in die Zwangslage versetzt hat (sog. a c t i o l i b e r a i n c a u s a ) . Einzelheiten siehe § 20 Anm. 6, § 35 Anm. 4. f) T e i l n a h m e an einer schuldlosen, aber rechtswidrigen Tat ist g r u n d s ä t z l i c h s t r a f b a r . Der Teilnehmer an einer rechtswidrigen Tat kann sich nur dann auf Schuldausschließungsgründe berufen, wenn diese in seiner eigenen Person oder in der Person eines seiner Angehörigen begründet liegen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem in § 29 festgelegten G r u n d s a t z d e r l i m i t i e r t e n A k z e s s o r i e t ä t , wonach jeder Teilnehmer an einer rechtswidrigen Tat ohne Rücksicht auf die Schuld der anderen Teilnehmer strafbar ist. Zur Möglichkeit der Annahme von m i t t e l b a r e r T ä t e r s c h a f t durch Mißbrauch eines schuldlos handelnden Tatmittlers siehe § 25 Anm. I I I 3 c.
C. D I E
FAHRLÄSSIGKEITSDELIKTE
1. Begriff und Abgrenzung Wie bereits in Abschn. B I I I 1 (S. 13) dargelegt, setzt auch die fahrlässig begangene Straftat eine Handlung im Rechtssinn, d.h. ein von einem menschlichen Willen getragenes Verhalten voraus. Der H a n d l u n g s b e g r i f f der fahrlässigen Straftat ist also d e r gl ei c h e wie b e i d e r V o r s a t z t a t . Im Gegensatz zum vorsätzlich handelnden Täter will aber 27
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
der nur fahrlässig handelnde Täter die Tatbestandsverwirklichung, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, weder als erwünschte noch als notwendige Folge seines Handelns (so die Definition für den unbedingten Vorsatz, s. o. B V 3b, aa, S. 19), noch nimmt er die Tatbestandsverwirklichung, die er nur als möglich voraussieht, zur Erreichung seiner außertatbestandsmäßigen Ziele billigend in Kauf (so die Definition für den bedingten Vorsatz, s.o. B V 3b, bb, S. 19). Ähnlich wie beim Vorsatz sind auch innerhalb der Fahrlässigkeit mehrere E r s c h e i n u n g s f o r m e n zu unterscheiden: a) Bei der bewußten Fahrlässigkeit sieht der Täter die Tatbestandsverwirklichung zwar als möglich voraus, aber er vertraut pflichtwidrig darauf, daß der Erfolg nicht eintritt. Er hätte nicht gehandelt, wenn er die Tatbestandsverwirklichung als sichere oder notwendige Folge seines Handelns vorhergesehen hätte. Dieses letzte Kriterium ist von besonderer Bedeutung für die im Einzelfall oft recht schwierige Abgrenzung gegenüber dem bedingten Vorsatz (s.o. B V 3b, bb, S. 20). b) Bei der unbewußten Fahrlässigkeit sieht der Täter die Tatbestandsverwirklichung, insbesondere den tatbestandsmäßigen Erfolg, zwar nicht als möglich voraus, er hätte sie aber bei Anwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt voraussehen können. B e i s p i e l : A schießt hinter seinem Haus mit einem Kleinkalibergewehr auf Vögel, obwohl er sich hätte sagen können und müssen, daß er versehentlich, etwa durch einen Querschläger, einen Nachbarn verletzen könne. Trifft er tatsächlich einen seiner Nachbarn, so hat er sich einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung schuldig gemacht.
c) Die in einigen Tatbeständen (vgl. §§ 97 Abs. 2, 138 Abs. 2,177 Abs. 3, 239a Abs. 2, 239b Abs. 2, 316c Abs. 2) auf der subj. Tatseite geforderte Leichtfertigkeit entspricht der „groben" Fahrlässigkeit im Zivilrecht. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, z.B. wer sich in den Fällen der §§ 239a, 239b, 316c in besonders leichtsinniger oder gleichgültiger Weise über die naheliegende Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs hinwegsetzt. 2. Der Tatbestand der Fahrlässigkeitstat a) Der objektive Unrechtsgehalt der fahrlässigen Tat erschöpft sich nicht bereits in der Erfolgsverursachung, sondern wird erst durch die weitere Feststellung begründet, daß der eingetretene Erfolg auf die A u ß e r a c h t l a s s u n g der im V e r k e h r e r f o r d e r l i c h e n S o r g f a l t zurückzuführen ist (vgl. Köln N J W 1963, 2381; Bockelmann AT 150f.; Gallas ZStW 67, 42; Lackner-Maassen IV 2a zu § 59 a.F.; Maurach AT 543; Mühlhaus DAR 1967, 34, 38; Welzel 131 sowie N J W 1968, 425; Wessels AT 107f., ferner BayObLG N J W 1968, 665, wo die Fahrlässig28
Die Fahrlässigkeitsdelikte
keit zutreffend vor der Frage der Rechtfertigung durch Einwilligung geprüft wird). Wer einen schädlichen Erfolg verursacht, ohne daß ihm eine Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht vorgeworfen werden kann, handelt nicht tatbestandsmäßig, keinesfalls aber rechtswidrig. Dies ist besonders für das S t r a ß e n v e r k e h r s r e c h t von Bedeutung. B e i s p i e l : Wenn der Kraftfahrer A den Fußgänger F anfährt, der ihm völlig unerwartet und unvorhersehbar in die Fahrbahn gelaufen ist, so entfällt bereits der Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung.
Ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, richtet sich nach objektiven Kriterien, d.h. nach den Anforderungen, die an einen einsichtigen und besonnenen Menschen in der konkreten Lage des Täters zu stellen sind (vgl. Bockelmann AT 152; Jescheck AT 437; Lackner-Maassen IV 2a zu § 59 a.F.; Welzel 132; Wessels AT 108). b) Der subj. Tatbestand befaßt sich mit der inneren Einstellung des Täters zum objektiven Tatgeschehen, insbesondere mit der Frage, ob er mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung gerechnet hat (vgl. Bockelmann AT 156f.). H a t er den objektiv voraussehbaren Erfolg in objektiv vermeidbarer Weise nicht vorhergesehen, so stellt sich der Handlungswert als u n b e w u ß t e F a h r l ä s s i g k e i t dar (s.o. l b ) ; hat der Täter den Erfolg zwar als möglich vorausgesehen, jedoch pflichtwidrig aufsein Ausbleiben vertraut, so liegt b e w u ß t e F a h r l ä s s i g k e i t vor (s.o. l a ) . Über L e i c h t f e r t i g k e i t s.o. l c . Nicht zum Tatbestand, sondern zur S c h u l d gehört jedoch die Frage, ob dem Beschuldigten die Außerachtlassung der objektiv erforderlichen Sorgfalt aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse auch zugerechnet, d.h. persönlich vorgeworfen werden kann (vgl. Mühlhaus a.a.O.). B e i s p i e l : Ein Fahrschüler verliert an einer schwierigen Kreuzung die Nerven und rammt einen anderen PKW, dessen Fahrer verletzt wird. Hier hat der Fahrschüler die objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen und durch seinen Unfall den Tatbestand des § 230 erfüllt. Er kann sich auch auf keinen Rechtfertigungsgrund berufen. Wohl aber entfällt die Schuld, da man von einem Anfänger in schwierigen Situationen kein absolut verkehrsgerechtes Verhalten verlangen kann. Man kann ihm auch nicht zum Vorwurf machen, daß er sich überhaupt in den Verkehr begeben hat (vgl. BGH NJW 1969, 2197).
c) Die Feststellung, daß jemand einen tatbetandsmäßigen Erfolg verursacht und dabei (unbewußt, bewußt oder leichtfertig) die objektiv im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, genügt noch nicht in allen Fällen zur Bejahung der Tatbestandsmäßigkeit. Zusätzlich ist nämlich erforderlich, daß der Erfolgseintritt dem Täter auch objektiv zugerechnet werden kann. Die objektive Zurechenbarkeit setzt voraus, daß die Tatbestandsverwirklichung gerade auf der festgestell29
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
ten Pflichtwidrigkeit beruht, d. h. daß der Erfolg nicht eingetreten wäre, wenn der Täter sich pflichtgemäß verhalten hätte. Wäre der Erfolg auch bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht eingetreten, so ist seine Verursachung nicht tatbestandsmäßig (vgl. Bockelmann AT 155; Jescheck AT 441 f.; Welzel 136; Wessels AT 109; im Ergebnis übereinstimmend auch die viel erörterte, in ihrer Begründung allerdings äußerst unklare Entscheidung BGH 11, 1). B e i s p i e l : Wenn ein LKW-Fahrer einen Radfahrer ohne den gebotenen Sicherheitsabstand überholt, hierbei streift und tödlich verletzt, so genügt diese Feststellung noch nicht, u m den Vorwurf der fahrlässigen Tötung zu begründen. E s muß vielmehr noch weiter geprüft werden, ob der Unfall sich nicht auch auf die gleiche Weise ereignet hätte, wenn der LKW-Fahrer sich verkehrsgerecht verhalten hätte, d.h. wenn er den gebotenen Sicherheitsabstand eingehalten hätte. Dies kann etwa dann zweifelhaft werden, wenn festgestellt wird, daß der Badfahrer stark angetrunken war (so der Sachverhalt von B G H 11,1).
Z w e i f e l in dieser Richtung gehen — wie auch sonst — zugunsten des Täters. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß die rein gedankliche Möglichkeit eines gleichen Erfolgs auch bei verkehrsgerechtem Verhalten die Kausalität des verkehrswidrigen Verhaltens noch nicht auszuschließen vermag. Die vorhandenen Zweifel an der Kausalität des verkehrswidrigen Verhaltens müssen sich vielmehr auf Grund konkreter Tatsachen so verdichtet haben, daß man vernünftigerweise die sich aufdrängenden Bedenken nicht mehr verdrängen kann, d.h. nicht mehr die Überzeugung gewinnen kann, daß gerade das verkehrswidrige Verhalten für den Erfolg kausal war (vgl. BGH 11, 1). Zum Ganzen siehe auch Ulsenheimer, Das Verhältnis zwischen Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei den Fahrlässigkeitsdelikten 1965; ders., Erfolgsrelevante und erfolgsneutrale Pflichtverletzungen im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte, J Z 1969,364 sowie Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972; Arthur Kaufmann, Die Bedeutung hypothetischer Erfolgsursachen im Strafrecht, Eb. Schmidt-Festschr., 1961, S. 200; Mühlhaus DAR 1967, 38; Roxin, Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, ZStW 74, 411; Samson, Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht, 1972; Seebald, Nachweis der modifizierenden Kausalität des pflichtwidrigen Verhaltens, GA 1969, 193; Spendel, Conditio sine qua non — Gedanke und Fahrlässigkeitsdelikt, JuS 1964, 14; Stratenwerth, Bemerkungen zum Prinzip der Risikoerhöhung, Gallas-Festschr., 1973, S. 227. 3. Die Rechtswidrigkeit einer fahrlässigen Tat kann entfallen durch N o t w e h r (vgl. BGH 25, 229; Hamm N J W 1962, 1169 sowie § 32 Anm. 4 m. weit. Nachw.) sowie durch E i n w i l l i g u n g des Verletzten in das durch die Tat erhöhte Risiko (wichtig vor allem bei Sportverletzungen sowie auf dem Gebiet des Verkehrsrechts, vgl. § 226a Anm. 3 c m . 30
Die Fahrlässigkeitsdelikte
weit. Nachw.). B e a c h t e : Anders als der vorsätzlich handelnde Täter bleibt der fahrlässig handelnde Täter auch dann straflos, wenn er die rechtfertigenden Tatumstände nicht gekannt hat. B e i s p i e l (vgl. Bockelmann AT 158): Bei einer Knallerei in der Neujahrsnacht gibt A aus purer Lust am Knallen einen Schuß ab, durch den er versehentlich einen Einbrecher trifft, der anders nicht abzuwehren gewesen wäre. Hier rechtfertigt sich die Straflosigkeit des A aus der Erwägung, daß er nach § 32 sogar vorsätzlich hätte schießen dürfen und daß nicht als fahrlässige Tat strafbar sein kann, was als vorsätzliche Tat nicht strafbar ist (Bokkelmann a.a.O.). Dasselbe würde gelten, wenn A durch seinen Schuß versehentlich eine fremde Sache beschädigt, ohne zu wissen, daß der Eigentümer in die Beschädigung eingewilligt hat. (Bei vorsätzlicher Tatbegehung in Unkenntnis der rechtfertigenden Tatumstände würde in beiden Fällen strafbarer Versuch vorhegen, s.o. B VI 5e. Fahrlässiger Versuch ist jedoch begrifflich nicht denkbar.) 4. Die Schuld der Fahrlässigkeitsdelikte setzt zunächst die S c h u l d f ä h i g k e i t des Täters voraus, ohne daß sich gegenüber der Vorsatztat Besonderheiten ergeben. Bei der b e w u ß t e n Fahrlässigkeit (s.o. l a ) setzt die Schuld weiter voraus, daß dem Täter seine zur Tatbestands Verwirklichung führende Fehlentscheidung als pflichtwidriges Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Wer z.B. trotz der Möglichkeit des Gegenverkehrs in einer unübersichtlichen Kurve überholt und dabei die Gegenfahrbahn in Anspruch nehmen muß, darf nicht darauf vertrauen, es werde zu dieser Tageszeit kein Fahrzeug entgegenkommen. Die Schuld entfällt jedoch, wenn das Vertrauen auf das Ausbleiben bei Würdigung aller Umstände berechtigt war oder aus anderen Gründen die zum Erfolg führende Handlung nicht als vorwerfbare Fehlentscheidung gewertet werden darf, z.B. wenn ein Kraftfahrer auf der Flucht vor einem bewaffneten Gangster eine Kreuzung bei Rotlicht der für ihn maßgeblichen Signalanlage überfährt. Bei der u n b e w u ß t e n F a h r l ä s s i g k e i t handelt der Täter nur dann schuldhaft, wenn er auf Grund seiner persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens in der Lage gewesen wäre, den tatbestandsmäßigen Erfolg vorauszusehen und seiner objektiven Sorgfaltspflicht nachzukommen. Der Täter muß das Risiko seiner zur Tatbestandsverwirklichung führenden Handlung schuldhaft verkannt haben. Zum Ganzen siehe auch I I I 4 vor § 32 (Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens als allgemein anerkannter Schuldausschließungsgrund bei den unechten Unterlassungsdelikten und den Fahrlässigkeitsdelikten). 31
Vorbemerkungen z u m Allgemeinen Teil
D. D I E P E R S Ö N L I C H E N S T R A F A U S S C H L I E S S U N G S GRÜNDE 1. Begriff und Abgrenzung Von den Rechtfertigungs- und Schuldausschüeßungsgründen streng zu unterscheiden sind die persönlichen Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe. Während die Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe bereits den Verbrechenscharakter der Tat beseitigen, bleibt dieser bei den persönlichen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen unberührt. Der Täter wird vielmehr lediglich vor Strafe bewahrt. Innerhalb des Verbrechensaufbaus sind die persönlichen Strafausschließungsgründe daher erst zu prüfen, wenn feststeht, daß der Täter eine strafbare, d.h. tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung begangen hat. Die Gründe, die den Staat dazu veranlassen, auf den an sich gegebenen Strafanspruch zu verzichten, sind verschiedener Natur. So wird bei Rücktritt und tätiger Reue (§ 24) dem zurückgetretenen Täter Straffreiheit gewährt, weil er freiwillig auf den Boden der Rechtsordnung zurückgekehrt ist und es infolgedessen nicht zu Schlimmerem gekommen ist (vgl. § 24 Anm. 2 m. Nachw.). I m Falle der Indemnität (§ 36) soll nicht in den internen Bereich der Gesetzgebungsorgane eingegriffen werden. 2. Übersicht Innerhalb der persönlichen Strafauschließungsgründe sind die Strafausschließungsgründe i. e. S. und die Strafaufhebungsgründe zu unterscheiden. I m einzelnen: a) Ein Strafausschließungsgrund i. e. S. liegt vor, wenn der Umstand, der zum Strafausschluß führt, bereits zur Tatzeit gegeben war. Hierher gehören insbesondere das A n g e h ö r i g e n p r i v i l e g bei der Strafvereitelung (§258 Abs. 6) sowie das I n d e m n i t ä t (vgl. § 36). Siehe ferner §§ 173 Abs. 3, 218 c Abs. 2 und 219 Abs. 2. b) Von einem Strafaufhebungsgrund spricht man, wenn der Umstand , auf den die Straflosigkeit zurückzuführen ist, erst nach Tatbegehung eingetreten ist. Hierher gehören insbesondere R ü c k t r i t t und t ä t i g e R e u e in den Fällen der §§ 24, 31, 98 Abs. 2 S. 2, 139 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4, 163 Abs. 2, 310 und 311c Abs. 3. 3. Die fakultativen Strafausschließungsgründe (Strafeinschränkungsgründe) In einigen Fällen steht es im E r m e s s e n des Gerichts, ob es von Strafe absehen oder die Strafe nur mildern soll. Hierher gehören z.B. R ü c k 32
Die persönlichen Strafausschließungsgründe
t r i t t und t ä t i g e R e u e in den Fällen der §§ 83a, 87 Abs. 3, 98 Abs. 2 S. 1, 99 Abs. 3, 311c Abs. 2 und 316a Abs. 2. Siehe ferner §§ 157, 158, 174 Abs. 4, 175 Abs. 2 sowie die Fälle der R e t o r s i o n (§§ 199, 233). — Nach § 60 sieht das Gericht ferner von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat den Täter selbst so schwer getroffen haben, daß die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre (Einzelheiten siehe § 60 nebst Anm.). 4. Gemeinsame Regeln a) Gegen strafbare Handlungen, bei denen sich der Täter lediglich auf einen persönlichen Strafausschließungsgrund berufen kann, ist N o t wehr zulässig. b) Ein I r r t u m des Täters über das Vorliegen eines persönlichen Strafausschließungsgrunds ist grundsätzlich u n b e a c h t l i c h . Die praktische Bedeutung dieses Satzes ist allerdings verhältnismäßig gering geworden, nachdem sich die Angehörigeneigenschaft bei den Eigentumsund Vermögensdelikten seit Inkrafttreten des EGStGB nicht mehr als persönlicher Strafausschließungsgrund, sondern nur noch dahin auswirkt, daß die Tat lediglich auf Antrag verfolgbar ist (vgl. §§ 247, 259 Abs. 2, 263 Abs. 4, 265a Abs. 3 und 266 Abs. 3). Über die Behandlung der Irrtumsfälle im Rahmen des § 258 Abs. 6, der eine notstandsähnliche Konfliktssituation berücksichtigt, siehe § 258 Anm. VII 3. c) Ist z w e i f e l h a f t , ob die Voraussetzungen eines persönlichen Strafausschließungs- oder Strafauf hebungsgrunds vorhegen oder nicht, so ist nach dem Grundsatz ,,in d u b i o p r o r e o " zugunsten des Beschuldigten von ihrem Vorliegen auszugehen. Läßt sich z.B. nicht mit Sicherheit klären, ob der Beschuldigte freiwillig vom Versuch zurückgetreten ist oder ob er durch äußere, von seinem Willen unabhängige Umstände gezwungen wurde, den ursprünglichen Tatplan aufzugeben, so kann eine Verurteilung nicht erfolgen. d) Ein M i t t ä t e r oder T e i l n e h m e r kann sich auf einen persönlichen Strafausschließungsgrund nur dann berufen, wenn dessen Voraussetzungen auch in seiner eigenen Person begründet sind (vgl. § 28 Abs. 2). 5. Behandlung im Prozeß a) I m Ermittlungsverfahren erfolgt Einstellung (§170 Abs. 2 StPO). b) Ist die Klage schon erhoben, aber das Hauptverfahren noch nicht eröffnet, so ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen (§204 Abs. 1 StPO). 3 Preisendanz, StOB, 29. Aufl.
33
Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
c) Ist das Hauptverfahren bereits eröffnet, so ist der Angeklagte durch Urteil auf Kosten der Landeskasse freizusprechen. d) Steht es im E r m e s s e n des Gerichts, ob es von Strafe absehen oder die Strafe nur mildern soll (siehe oben 3), so gilt für den Fall des Absehens von Strafe folgende Regelung: aa) Im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen (§ 153b Abs. 1 StPO). bb) Nach Klageerhebung kann das Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft u n d des Angeschuldigten das Verfahren einstellen (§ 153b Abs. 2 StPO). cc) Nach Beginn der Hauptverhandlung ergeht Schuldspruch. Gleichzeitig ist jedoch auszusprechen, daß von einer Strafe abgesehen wird. Für den Fall des § 158 würde der Urteilstenor etwa wie folgt lauten: „Der Angeklagte A aus X ist des rechtzeitig berichtigten Meineids schuldig, doch wird von Strafe abgesehen. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens". (Wegen der Kostenentscheidung s. § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO.) Im BZR wird dieser Schuldspruch nicht eingetragen.
E. D I E O B J E K T I V E N S T R A F B A R K E I T S BEDINGUNGEN 1. Begriff und Wesen Bei einigen Tatbeständen knüpft der Gesetzgeber die Strafbarkeit an den Eintritt bestimmter Umstände, die außerhalb des Unrechtstatbestands liegen. Diese sogenannten o b j e k t i v e n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n sind keine Tatbestandsmerkmale, sondern „Tatbestandsannexe". Ihr Wesen läßt sich am besten bei § 330a verdeutlichen: Der T a t b e s t a n d des § 330a ist bereits dann verwirklicht, wenn sich jemand vorsätzlich oder fahrlässig in einen seine Schuldfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt. S t r a f b a r wird die Unmäßigkeit beim Trinken aber erst dann, wenn der Trinker in seinem Rausch eine rechtswidrige Tat (§11 Abs. 1 Nr. 5) begeht. Diese ist daher eine objektive Bedingung der Strafbarkeit (BGH 16, 124; 20, 285; 23, 375, 377). 2. Übersicht über weitere objektive Bedingungen der Strafbarkeit: a) die Unterhaltung diplomatischer Beziehungen und die Verbürgung der Gegenseitigkeit in den Fällen der §§ 102—104 (vgl. § 104a sowie 34
Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen
Maurach AT 250; Dreher Anm. 1 zu § 104a; Lackner-Maassen Anm. 1 zu § 104 a); b) die Nichterweislichkeit der behaupteten Tatsache in § 186 (vgl. BGH 11, 274); c) der Tod bzw. die schwere Körperverletzung in § 227; d) die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung in den Fällen der §§ 239ff. KO und des § 39 Depotgesetz. Die umstrittene Frage, ob auch die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in den §§113, 117, die Rechtsgültigkeit der Verordnung in §110 und die Zuständigkeit des Beamten in § 116 objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind, ist durch das 3.StrRG vom 20.5. 1970 gegenstandslos geworden (vgl. Vorbem. vor § 110 sowie § 113 Anm. II). 3. Gemeinsame Kegeln a) Die objektiven Strafbarkeitsbedingungen berühren weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit. Sie müssen daher weder vom Vorsatz noch vom Unrechtsbewußtsein umfaßt sein. Ein I r r t u m des Täters über ihr Vorliegen ist u n b e a c h t l i c h . b) Für die T e i l n a h m e ergeben sich k e i n e B e s o n d e r h e i t e n , d.h. auch der Teilnehmer kann nur dann bestraft werden, wenn im Einzelfall die im Gesetz vorgesehenen objektiven Strafbarkeitsbedingungen gegeben sind. 4. Behandlung im Prozeß a) Ergibt sich das Fehlen einer ob j ektiven Strafbarkeitsbedingung schon im Ermittlungsverfahren, so ist dieses einzustellen (§ 170 Abs. 2 StPO). b) Zeigt sich der Mangel erst nach Erhebung der Klage, aber noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens, so ist die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen (§ 204 Abs. 1 StPO). c) Erweist sich der Mangel erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, so muß die Hauptverhandlung durchgeführt werden. In dieser ist der Angeklagte dann freizusprechen. Wegen der Kostenentscheidung s. § 467 StPO. d) Z w e i f e l gehen immer zugunsten des Beschuldigten („in dubio pro reo"). 5. Aus dem Schrifttum siehe besonders Bemmann, Zur Frage der objektiven Strafbarkeitsbedingungen, 1957; Schmidhäuser ZStW 71, 545; Schwalm MDR 1959, 906; Stratenwerth ZStW 71, 565; Stree JuS 1965, 465. s*
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Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil
F. D I E P R O Z E S S V O R A U S S E T Z U N G E N PROZESSHINDERNISSE
UND
1. Begriff und Wesen Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse sind teils im StGB, teils in der StPO geregelt. Teilweise ergeben sie sich auch aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden. Sie haben alle gemeinsam, daß ein Strafverfahren nicht durchgeführt werden kann, wenn eine Prozeßvoraussetzung (z.B. der erforderliche Strafantrag) fehlt, oder wenn der Strafverfolgung ein Prozeßhindernis (z.B. Verjährung) entgegensteht. Unrechtsgehalt, Schuldgehalt und Strafwürdigkeit einer Tat werden von den Prozeß Voraussetzungen, die dem V e r f a h r e n s r e c h t angehören, nicht berührt.
2. Die Prozeßvoraussetzungen a) Der Beschuldigte muß der deutschen Gerichtsbarkeit unterstehen. Diese Voraussetzung fehlt bei Exterritorialität (§§18, 19 GVG). b) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts. c) Die Erhebung einer ordnungsgemäßen Klage durch die zuständige Staatsanwaltschaft oder — in Privatklagesachen — durch den Privatkläger (§151 StPO für das Offizialverfahren, §374 StPO für das Privatklageverfahren). d) Der Eröffnungsbeschluß (§ 203 StPO). e) Der Strafantrag bei den Antragsdelikten (§61). f) Die Ermächtigung bei den sog. Ermächtigungsdelikten (vgl. § 77 e Anm. 1) sowie das Strafverlangen in den Fällen der §§ 102—104 (vgl. § 104a sowie § 77e Anm. 2). g) Die Genehmigung des Bundestags im Falle des Art. 46 Abs. 2 Grundgesetz (Immunität von Bundestagsabgeordneten). h) Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten (siehe jedoch §§ 413 ff. StPO.).
3. Die Prozeßhindernisse a) Rechtshängigkeit und Rechtskraft. b) Verjährung. 36
Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse
c) Amnestie und Begnadigung. d) Das Schweben eines Vorverfahrens (§ 154 e StPO). e) Eine unter den Voraussetzungen des §59 Abs. 1 durch Urteil oder Strafbefehl ergangene Verwarnung mit Strafvorbehalt (vgl. § 59 Anm. 1 b m. Nachw.). f) Die Einstellung des Verfahrens nach §153a Abs. 1 und 2 StPO. 4. Gemeinsame Regeln a) Die Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernisse müssen weder vom Vorsatz noch vom Unrechtsbewußtsein umfaßt werden. Ein I r r t u m des Täters über ihr Vorliegen ist daher u n b e a c h t l i c h (vgl. BGH 18, 123). b) Die Prozeß Voraussetzungen und Prozeßhindernisse sind f ü r j e d e n T e i l n e h m e r g e s o n d e r t zu prüfen. Vor allem bei Antragsdelikten kommt es häufig vor, daß der Verletzte aus persönlichen Gründen nicht gegen alle Beteiligte Strafantrag stellen will. 5. Hinsichtlich der Behandlung im Prozeß gelten die Ausführungen unter E 4a), b) und c) entsprechend. Ergibt sich das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist, erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, so ist das Verfahren einzustellen, und zwar außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß (vgl. § 206a StPO), innerhalb der Hauptverhandlung durch Urteil (vgl. § 260 Abs. 3 StPO).
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Allgemeiner Teil Erster Abschnitt: D a s Strafgesetz Erster Titel: Geltungsbereich § 1
K e i n e S t r a f e o h n e Gesetz
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. I. Die früher in § 2 Abs. 1 enthaltene, durch das 2. StrRG plakativ an den Anfang des Strafgesetzbuches gestellte Vorschrift verwirklicht den in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege. Sie bietet dem Bürger eine dreifache rechtsstaatliche Sicherheit: 1. Eine Verurteilung ist nur zulässig, wenn die Straf barkeit „gesetzlich bestimmt", d.h. durch geschriebenes Recht festgelegt ist. Eine Verurteilung aufgrund gewohnheitsrechtlich entwickelter Rechtsnormen ist unzulässig (was jedoch nicht ausschließt, daß bei der A u s l e g u n g des geschriebenen Rechts im Einzelfall auf Gewohnheitsrecht zurückgegriffen werden kann). 2. Die Strafbarkeit muß bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung gesetzlich bestimmt gewesen sein. Dieses sog. Rückwirkungsverbot bezieht sich allerdings nur auf das „Gesetz" und die „Strafbarkeit", nicht auch auf Auslegungsregeln (vgl. Bockelmann AT 22; Jescheck AT 110; Maurach AT 137). E s bestanden daher keine durchgreifenden Bedenken, den vom B G H durch Beschluß vom 9. 12. 1966 (BGH 21, 157) neu festgelegten Beweisgrenzwert von 1,3°/00 auch auf solche Trunkenheitsfahrten anzuwenden, die vor dem 9. 12. 1966 begangen wurden (vgl. Krhe N J W 1967, 2167; K G N J W 1967, 1766; Dreher § 316 Anm. 4 B ; Händel N J W 1967, 537; Riese N J W 1969, 549). Entsprechendes gilt für die sog. Schlußtrunkentscheidung B G H 25, 246, durch die die Auslegung des § 316 dem § 24 a StVG (abgedruckt nach § 316) angeglichen wurde. Zum Ganzen siehe auch Schreiber, Rückwirkungsverbot bei einer Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht, J Z 1973, 713. 3. Die dritte durch § 1 garantierte rechtsstaatliche Sicherheit ist das Analogieverbot. Es ist unzulässig, eine Strafvorschrift auch auf solche Verhaltensweisen auszudehnen, die dem unter Strafe gestellten Verhalten nicht genau entsprechen, sondern nur vergleichbar sind. So kann Gegenstand einer Hehlerei nur eine Sache sein, die unmittelbar durch eine rechtswidrige Tat erlangt wurde. Alle Versuche, den Tb. des § 259 auch auf nichtdeliktisch erlangte Surrogate einer durch eine rechtswidrige Handlung erlangten Sache auszudehnen, stellen demgegenüber eine unzulässige Analogie dar (vgl. § 259 Anm. I 4). Von der unzulässigen Analogie streng (wenngleich nicht immer leicht) zu unterscheiden ist eine der ratio legis entsprechende A u s l e g u n g . So stellt es z.B. keine
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§1
Das Strafgesetz
unzulässige Analogie, sondern eine am Sinn des Gesetzes ausgerichtete Auslegung dar, die privilegierende Vorschrift des § 217 nur auf solche Fälle der Kindestötung anzuwenden, bei denen die tatausführende Mutter ihr nichteheliches Kind auch selbst für nichtehelich hält (vgl. § 217 Anm. 5b); umgekehrt findet § 217 auch dann Anwendung, wenn das Kind zwar ehelich ist, die Mutter es aber für nichtehelich hält (vgl. § 217 Anm. 5a, jetzt in § 16 Abs. 2 ausdrücklich festgelegt). Von dem Analogieverbot ausgenommen sind die Fälle, bei denen eine Vorschrift zugunsten des Täters analog angewendet wird (Analogie „in bonam partem"). II. Die sog. Wahlfeststellung 1. Problemstellung: Eine Verurteilung des Angeklagten setzt grundsätzlich voraus, daß die Tatsachen, aus denen sich die gesetzlichen Merkmale einer strafbaren Handlung ergeben, nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung eindeutig festgestellt worden sind (vgl. § 267 Abs. 1 StPO). Läßt sich eine eindeutige Tatfeststellung auch nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten (siehe hierzu § 244 Abs. 2 StPO) nicht treffen, steht aber andererseits fest, daß der Angeklagte sich auf jeden Fall strafbar gemacht hat, welche der möglichen Sachverhaltsalternativen man auch unterstellen mag, so ergibt sich das Probem der Zulässigkeit einer Verurteilung auf der Grundlage einer wahldeutigen Tatfeststellung (sog. Wahlfeststellung). 2. Der durch das KontrollratsG Nr. 11 aufgehobene frühere § 2b (eingeführt durch Ges. v. 28. 6. 1935, RGBl. I 839) bot die Möglichkeit, auch dort zu einer Verurteilung zu gelangen, wo sich der Geschehnisablauf zwar nicht eindeutig ermitteln läßt, andererseits aber feststeht, daß der Angeklagte sich auf jeden Fall strafbar gemacht hat. Waren diese Voraussetzungen gegeben, so hat die Bestrafung aus dem jeweils mildesten der in Frage kommenden Gesetze zu erfolgen. Ob diese rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind, war unerheblich. 3. Nach Aufhebung des § 2b hat die Rechtssprechung eine Wahlfeststellung nur noch dort zugelassen, wo die in Frage kommenden Tatbestände rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind, d.h. wenn es sich um Tatbestände handelt, die miteinander verwandt sind, dasselbe oder ein ähnliches Rechtsgut schützen und keine unterschiedliche Bewertung in der sittlichen Mißbilligung fordern (st. Rspr., zuletzt B G H 22, 12ff„ 154ff.; 23, 360; 25, 182 mit krit. Anm. Hruschka N J W 1973, 1804; Tröndle J R 1974, 133). Diese Einschränkung gegenüber dem früheren § 2b entspricht der Rechtslage aus der Zeit vor dessen Inkrafttreten. Sie ist geboten, um den Angeklagten vor einem Schuldspruch zu bewahren, der seiner Tat und seiner Persönlichkeit nicht gerecht wird. Aus dem neueren Schrifttum zur Wahlfeststellung siehe Blei, Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, N J W 1954, 500; Dreher, Im Irrgarten der Wahlfeststellung, MDR 1970, 369; Fuchs, Die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit bei der Wahlfeststellung, DRiZ 1967, 16; ders., Zur Wahlfeststellung, DRiZ 1968, 16; Heinitz, Die Grenzen der zulässigen Wahlfeststellung, J Z 1952, 100; ders., Verhältnis der Wahlfeststellung zum Satz „in dubio pro reo", J R 1957, 201; Hruschka, Zum Problem der Wahlfeststellung, MDR 1967, 265; ders., Verurteilungen aufgrund mehrdeutiger Beweisergebnisse, J Z 1970, 637; Jakobs, Probleme der Wahlfeststellung, GA 1971, 257; Sax, Wahlfeststellung bei Wahldeutigkeit mehrerer Taten, J Z 1965, 745; Tröndle, Zur Begründung der Wahlfeststellung, J R 1974, 133; Willms, Zum Begriff der Wahlfeststellung, J Z 1962, 629; Wolter, Alternative und eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage, Strafrechtl. Abhandlungen, B d . 10, 1972. Weitere Nachweise im Text.
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Geltungsbereich
§1
4. Folgt m a n den von der Rspr. entwickelten Grundsätzen, so ist eine Wahlfeststellung zulässig a) bei der sog. Tatsachen- oder Sachverhaltsalternativität, d.h. wenn eine von mehreren Handlungen einen bestimmten Tb. verwirklicht haben muß, ohne daß sich klären läßt, welche Handlung dies gewesen ist, z.B. wenn zwei sich widersprechende Aussagen eines Zeugen vorliegen (vgl. B G H 2, 351) oder wenn sich nicht klären läßt, welcher von mehreren Schüssen desselben Täters tödlich war (BGH N J W 1957, 1643); b) innerhalb der einzelnen Begehungsformen desselben Tatbestands, z.B. innerhalb der einzelnen Mordmerkmale (BGH 22, 12) oder wenn sich nicht mehr klären läßt, ob ein Amtsträger einen Vorteil gefordert oder sich h a t versprechen lassen; c) zwischen gleichwertigen Formen der Tatbeteiligung, z.B. zwischen den einzelnen Erscheinungsformen der Täterschaft (vgl. BGH 1, 67; 11, 18) sowie zwischen Täterschaft und Anstiftung (BGH 1, 127; in BGH 23, 203, 208 offen gelassen), nicht jedoch zwischen Täterschaft und Beihilfe (siehe hierzu unten 6 a); d) zwischen Diebstahl und Hehlerei (RG 68, 257; BGH 1, 302), zwischen Diebstahl und Begünstigung (BGH 23, 360 m. Anm. Hruschka N J W 1971, 1392 und Schröder JZ 1971, 141) sowie zwischen Diebstahl und Unterschlagung (vgl. BGH 25, 182 m. Anm. Hruschka N J W 1973, 1804), falls man die Unterschlagung nicht als den Grundtatbestand aller Zueignungsdelikte ansieht (s. u. Anm. 6 a); e) zwischen R a u b und räuberischer Erpressung (BGH 5, 280) oder räuberischem Diebstahl; f) zwischen Betrug und Untreue (BGH GA 1970, 24; Hbg J R 1956, 28) sowie zwischen Betrug und Unterschlagung (Hamm N J W 1974, 1957), nicht jedoch zwischen Betrug und Diebstahl (Krhe D J 1973, 57); g) zwischen falscher Verdächtigung und falscher uneidlicher Aussage vor Gericht (Braunschweig N J W 1959, 1144); h) zwischen Meineid und falscher Versicherung an Eides statt (Hamm GA 1974, 84 m. krit. Anm. Blei J A 1974, StR 85). 5. Eine Wahlfeststellung ist dagegen unzulässig a) zwischen Raub und Hehlerei (BGH 21, 152) sowie zwischen R a u b und Unterschlagung (BGH 25, 182 m. Anm. Hruschka N J W 1973, 1804). I m ersten Fall kommt allerdings auf der Grundlage wahldeutiger Tatfeststellung Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei, im zweiten Fall Verurteilung wegen Diebstahls oder Unterschlagung in Betracht, da jeder R a u b notwendig auch die Elemente des Diebstahls enthält und zwischen Diebstahl einerseits und Hehlerei bzw. Unterschlagung andererseits Wahlfeststellung zulässig ist (vgl. B G H 25, 182 m. Anm. Hruschka N J W 1973, 1904 sowie oben 4d); b) zwischen Betrug und Abtreibung (BGH bei Daliinger MDR 1958, 739) sowie zwischen Betrug und Diebstahl (Krhe D J 1973, 57); c) zwischen Diebstahl und Erpressung (BGH DRiZ 1972, 30), wobei dann allerdings § 246 als „Auffangtatbestand" in Betracht kommt (vgl. Blei J A 1972, StR 49); d) zwischen Inzest (§ 173) und falscher Verdächtigung (§ 164); e) zwischen Vollrausch (§ 330a) und der Rauschtat, wo sich die Ablehunng der Wahlfeststellung allerdings nicht praktisch auswirkt, da in den Fällen, bei denen unklar bleibt, ob der Angeklagte bei Tatbegehung infolge vorangegangenen Alkohol-
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Das Strafgesetz genusses nur vermindert schuldfähig war oder ob seine Schuldfähigkeit ganz ausgeschlossen war, unmittelbar auf § 330 a zurückgegriffen werden kann (vgl. BGH [GrSen] 9, 390 sowie Anm. 1 zu § 330 a). 6. Weder zulässig noch erforderlich ist die Wahlfeststellung in den Fällen, in denen die alternativ in Frage stehenden Tatbestände in einem Stufenverhältnis stehen oder in denen ein Tatbestand als sog. Auffangtatbestand fungiert. In diesen Fällen erfolgt die Verurteilung unter Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo unmittelbar auf der Grundlage des jeweils mildesten Gesetzes bzw. des Auffangtatbestands, ohne daß es eines Rückgriffs auf die Rechtsfigur der Wahlfeststellung bedarf. a) Ein Stufenverhältnis dieser Art ist z.B. anzunehmen für Vollendung und Versuch, zwischen Täterschaft und Beihilfe (vgl. BGH 23, 203 m. Anm. Fuchs N J W 1970, 1053 und Schröder JZ 1970, 422; BayObLG N J W 1967, 361), zwischen Vergewaltigung und Verführung (BGH 22, 154 m. krit. Anm. Deubner N J W 1969, 145; siehe auch § 182 Anm. 5) sowie zwischen Raub und Diebstahl, aber auch zwischen Diebstahl und Unterschlagung. b) Ein typischer Auffangtatbestand in dem oben beschriebenen Sinn ist der Tb. des Vollrauschs (s.o. Anm. 5e sowie § 330a Anm. 1). Bestritten ist, ob auch die Fahrlässigkeitstatbestände gegenüber den Vorsatztaten als Auffangtatbestände angesehen werden können (so BGH 17, 210) oder ob es sich hier um eine Art „Stufenverhältnis" handelt (so z.B. Dreher MDR 1970, 369). Eine Wahlfeststellung ist auf jeden Fall unzulässig, da vorsätzliche und fahrlässige Tatbegehung rechtsethisch und psychologisch weder gleichwertig noch vergleichbar sind (vgl. BGH 17, 210 unter ausdrücklicher Aufgabe von BGH 4, 340). Trotzdem muß die Möglichkeit bestehen, wenigstens wegen fahrlässiger Tatbegehung zu bestrafen, wenn sich Vorsatz nicht nachweisen läßt, der Täter aber zumindest fahrlässig gehandelt hat. Es liegt hier ein Stufenverhältnis im weiteren Sinn vor. 7. Bei zulässiger Wahlfeststellung ist der Bestrafung das mildeste Gesetz zugrundezulegen. Welches Gesetz diese Voraussetzungen erfüllt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (konkrete Betrachtungsweise). 8. Die Formulierung des Urteilstenors ist in das Ermessen des Gerichts gestellt (vgl. BGH 1, 302, 304). Es empfiehlt sich jedoch, grundsätzlich alle Tatbestände, zwischen denen die Wahlfeststellung getroffen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Dies gilt insbesondere dort, wo keiner der Tatbestände als der mildere angesehen werden kann. Bei Zugrundelegung dieser Ansicht wäre beispielsweise ein Angeklagter, bei dem sich nicht klären läßt, ob er die bei ihm sichergestellte Sache durch Diebstahl oder Hehlerei in seinen Besitz gebracht hat, wegen „Diebstahls oder Hehlerei" zu verurteilen (ähnlich BGH 25, 186: Verurteilung wegen „Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung oder Unterschlagung und gefährlicher Körperverletzung"). Andererseits ist es unschädlich, wenn nur das mildere Gesetz in den Urteilstenor aufgenommen wird (vgl. BGH 1, 302, 304).
§ 2
Zeitliche Geltung:
(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.
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Geltungsbereich
§2
(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden. (4) Ein Gesetz, das nur f ü r eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer K r a f t getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt. (5) Für Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend. (6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. 1. Nach dem Grundsatz des Abs. 1 bestimmen sich sowohl die S t r a f e (vgl. §§ 38—44) als auch die N e b e n f o l g e n (vgl. §§ 45—45b) nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. a) Tatzeit ist der Zeitpunkt, zu welchem der Täter (oder Teilnehmer) die für die Tatbestandsverwirklichung entscheidende Handlung vorgenommen hat oder — im Falle pflichtwidriger Unterlassung — hätte vornehmen müssen, und zwar ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Erfolgseintritts (vgl. § 8). Bei mehreren Tatbeteiligten kommt es auf die Willensbetätigung des jeweiligen Beteiligten, nicht auf den Zeitpunkt der Haupttat an (vgl. Maurach AT 137). Über die Rechtslage bei Dauerdelikten s. u. 2. b) Gesetz i.S. des Abs. 1 sind nur die materiellen Rechtsnormen, nicht auch das Verfahrensrecht. Zu den materiellen Rechtsnormen in diesem Sinn gehören allerdings nicht nur die Straftatbestände des Besonderen Teils, sondern auch die Vorschriften des Allgemeinen Teils über Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe, Versuch und Teilnahme, nicht dagegen das Antragsrecht, das dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist (vgl. RG 75, 311; BGH 6, 155; h.L.), und die Verjährungsvorschriften, für die nach h.A. das Rückwirkungsverbot im Falle einer nachträglichen Verlängerung der Verjährungsfristen ebenfalls nicht gilt (vgl. BVerfG N J W 1969, 1059; Tröndle L K 50f. m. weit. Nachw.). Auch Beweis- und Auslegungsregeln sind keine „Gesetze" i.S. der Vorschrift (siehe hierzu § 1 Anm. I 2). 2. Bei einer Änderung der Strafdrohung während der Tatbegehung ist gemäß Abs. 2 das Gesetz (s. o. 1 b) anzuwenden, das bei der Beendigung der Tat gilt. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Gesetzesänderung zu einer Verschärfung oder Milderung der Strafdrohung führt (vgl. Bockelmann AT 17f.; Maurach AT 137). Diese Situation kann sich sowohl bei Dauerdelikten als auch bei fortgesetzten Taten ergeben. Wird die Strafdrohung während der Begehung eines Dauerdelikts oder einer fortgesetzten Tat aufgehoben, so bleibt die Tat insgesamt straflos; wird ein bestimmtes Verhalten erst unter Strafe gestellt, nachdem der Täter bereits damit begonnen hat, so sind nur die Teilakte strafrechtlich relevant, die der Täter unter dem zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes vorgenommen hat. 3. Abs. 3 bringt eine Ausnahme von dem Verbot der Rückwirkung für den Fall, daß zwischen der Tat und dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Gesetzesänderung eintritt. In diesem Fall ist immer das jeweils m i l d e s t e Gesetz anzuwenden, und zwar in jeder Lage des Verfahrens, d.h. auch in der Revisionsinstanz (BGH 20, 77) und wenn infolge einer Rechtsmittelbeschränkung der Schuldspruch bereits rechtskräftig geworden ist (BGH 20, 116f.; siehe auch BGH 24,106). Welches
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§2
Das Strafgesetz
Gesetz das mildeste ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls ( k o n k r e t e B e t r a c h t u n g s w e i s e ) . Entscheidend sind dabei zunächst die angedrohten Hauptstrafen, dann erst etwaige Nebenstrafen und Nebenfolgen. Sieht das auf Grund der milderen Hauptstrafe mildere Gesetz eine Nebenstrafe oder Nebenfolge vor (z.B. die Einziehung einer Schrift), so kann diese auch dann ausgesprochen werden, wenn sie nach früherem Recht nicht zulässig war (vgl. B G H N J W 1965, 1723 m. Anm. Schröder J R 1966, 68). Wird ein Übertretungstatbestand in einen Bußgeldtatbestand umgewandelt, so ist dieser auch dann das mildere Gesetz, wenn die angedrohte Geldbuße höher ist als die ehemals angedrohte Geldstrafe; es verbleibt jedoch bei der kürzeren Verjährungsfrist der Übertretung (Saarbrücken N J W 1974, 1009). Bei Umwandlung eines Übertretungstatbestands in einen Vergehenstatbestand (vgl. z . B . §370 Abs. 1 N r . 5 a.F.) beachte Art. 300 E G S t G B (Anhang 8). Bei dem Vergleich sind alle zwischen Tat und Aburteilung geltenden Gesetze heranzuziehen, also auch sog. Zwischengesetze (vgl. Jescheck AT 111; Maurach AT 139). Bei sog. Blankettgesetzen sind auch die blankettausfüllenden Normen in den Vergleich einzubeziehen (BGH 20, 177). 4. Abs. 4 befaßt sich mit den sog. Zeitgesetzen, d.h. mit solchen Gesetzen, deren Geltungsdauer entweder kraft ausdrücklicher Regelung kalendermäßig befristet ist oder die ihrem Inhalt nach nur als vorübergehende Regelungen eines außergewöhnlichen Zustands gedacht waren (vgl. B G H N J W 1952, 72; B G H 6, 30, 37). Zeitgesetze in diesem Sinn kommen entgegen dem Grundsatz des Abs. 3 auch dann zur Anwendung, wenn sie z. Z. der gerichtlichen Entscheidung bereits außer Kraft getreten sind. Zu den Zeitgesetzen gehören insbesondere die in Kriegs- und sonstigen Notzeiten erlassenen Bewirtschaftungsverordnungen, z . B . Verordnungen auf Grund des EnergiesichG v. 9. 11. 1973 (BGBl. I 1585) oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, die nur aus einem konkreten Anlaß angeordnet werden (z.B. wegen einer Baustelle), nicht dagegen die in der StVO festgelegten allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkungen (vgl. B G H 6, 30ff.). Die N a c h w i r k u n g eines Zeitgesetzes kann im Einzelfall aus besonderen Gründen b e s e i t i g t oder b e s c h r ä n k t werden (Abs. 4 S. 2). Dieser Vorbehalt gilt auch für Landesrecht (vgl. R e g E S. 206 BT-Drucks. 7/550). 5. Die in den Abs. 1—4 entwickelten Grundsätze über den zeitlichen Anwendungsbereich eines Gesetzes gelten nach Abs. 5 auch für Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (vgl. §§ 73—76a). 6. Bei Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. §§ 61—72) kommt es nach Abs. 6 in sachlicher Übereinstimmung mit § 2 Abs. 4 a . F . ausschließlich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, „soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist". Auf Grund dieses Gesetzesvorbehalts sehen Art. 301 und Art. 303 E G S t G B vor, daß die durch das 2. S t r R G neu eingeführten Maßregeln der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt (§ 65) und der Führungsaufsicht (§ 68) nicht auf solche Taten anwendbar sind, die vor dem Inkrafttreten dieser Maßregeln begangen wurden.
Vorbemerkungen zu den §§ 3 ff. 1. Die §§ 3—7 behandeln das sog. internationale Strafrecht. Diese Bezeichnung ist insofern irreführend, als im Strafrecht — anders als im Zivilrecht bei Anwendung des internationalen Privatrechts — ein deutsches Gericht immer nur deutsches Strafrecht anwenden kann. Genau genommen geht es also nicht um „internationales Strafrecht" mit kollidierenden Rechtsnormen, sondern um den Anwendungsbereich
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Geltungsbereich
§3
des deutschen Strafrechts. Die §§ 3—7 legen fest, welche T a t e n u n d welche Täter d e m d e u t s c h e n Strafgesetz unterliegen (sog. S t r a f a n w e n d u n g s r e c h t , vgl. Bockelmann A T 23; M a u r a c h A T 118). 2. Abweichend von d e m f r ü h e r e n R e c h t , das in § 3 das sog. Personalitätsprinzip in d e n V o r d e r g r u n d gestellt h a t t e , s t e h t n u n m e h r seit I n k r a f t t r e t e n des 2. S t r R G das a n d e n inländischen T a t o r t a n k n ü p f e n d e Territorialitätsprinzip im V o r d e r g r u n d (vgl. §§ 3, 4). Dieses Prinzip wird ergänzt d u r c h das a n die deutsche Staatsangehörigkeit a n k n ü p f e n d e Personalitätsprinzip (vgl. § 5 N r . 3 a , 5 b , 8, 9, 11, § 7 Abs. 2 N r . 1), d a s d e m Schutz international a n e r k a n n t e r R e c h t s g ü t e r dienende Universalitätso d e r Weltrechtsprinzip (vgl. § 6) sowie das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege, das die Fälle e r f a ß t , in denen a n sich die Gerichtsbarkeit eines a n d e r e n S t a a t e s zuständig wäre, dieser a b e r von seinen R e c h t e n keinen Gebrauch m a c h e n k a n n oder will (vgl. § 7 Abs. 2 N r . 2). 3. Aus d e m neueren Schrifttum siehe insbesondere Allwang, D a s Territorialit ä t s p r i n z i p im V e r k e h r s s t r a f r e c h t , J R 1966, 406; B r u h n , Die Regelung des r ä u m lichen Geltungsbereichs im S t r a f r e c h t der Bundesrepublik u n d der D D R u n t e r besonderer Berücksichtigung ihres Verhältnisses zueinander, M D R 1970, 638; Doehring, Die Teilung Deutschlands als P r o b l e m der S t r a f r e c h t s a n w e n d u n g , Der S t a a t 1965, 259; Gallas, Der dogmatische Teil des A l t e r n a t i v - E n t w u r f s , Z S t W 80, 1, 12; Grünwald, I s t der Schußwaffengebrauch a n der Zonengrenze s t r a f b a r ? , J Z 1966, 633; Jescheck, Z u r R e f o r m der Vorschriften des S t G B über das internationale S t r a f r e c h t , I n t e r n a t i o n a l e s R e c h t u n d Diplomatie, 1956, H e f t N r . 1/2; Kaiser, Die Verfolgung durchreisender Ausländer in Verkehrsstrafsachen, N J W 1964, 1553; K r e y , Z u m innerdeutschen S t r a f a n w e n d u n g s r e c h t de lege l a t a u n d de lege ferenda, 1969; Schorn, Zweifelsfragen zum räumlichen Geltungsbereich des S t r a f r e c h t s , J R 1964, 205; Schröder, Zur S t r a f b a r k e i t von Verkehrsdelikten deutscher Staatsangehöriger im Ausland, N J W 1968, 283; Schroeder, Der „räumliche Geltungsbereich" der Strafgesetze, GA 1968, 353; ders., Schranken f ü r den räumlichen Geltungsbereich des S t r a f r e c h t s , N J W 1969, 81; Schultz, Z u m räumlichen Geltungsbereich des Strafrechts im geteilten Deutschland, J R 1968, 41, 127. 4. Prozessual ist bei allen A u s l a n d s t a t e n § 153 c S t P O zu beachten (Opportunitätsprinzip). E i n V e r b r a u c h der S t r a f k l a g e t r i t t d u r c h eine Auslandsverurteilung nicht ein ( B G H N J W 1969, 1542).
§ 3 Geltung: für Inlandstaten Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden. 1. D a s Territorialitätsprinzip s t e h t seit I n k r a f t t r e t e n des 2. S t r R G im Vorderg r u n d des S t r a f a n w e n d u n g s r e c h t s (vgl. 2 vor § 3). Unerheblich ist, ob die T a t von einem Deutschen, einem Ausländer oder einem Staatenlosen begangen wird. 2. E i n e Sonderstellung n e h m e n solche P e r s o n e n g r u p p e n ein, die a n sich d e m Strafa n w e n d u n g s r e c h t des deutschen S t r a f r e c h t s unterliegen m ü ß t e n , a b e r a u f g r u n d staatsrechtlicher oder völkerrechtlicher Sonderregelungen der deutschen Gerichtsb a r k e i t entzogen sind oder ihr n u r b e s c h r ä n k t unterliegen. Hierher gehören die Fälle der Indemnität des B u n d e s p r ä s i d e n t e n u n d der Mitglieder des Bundestags, der B u n d e s v e r s a m m l u n g oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes im R a h m e n des § 36 sowie der A r t . 46 Abs. 2, 60 Abs. 4 GG, die Fälle der Exterritorialität von Mitglie-
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§3
Das Strafgesetz
dem der bei der Bundesrepublik Deutschland akkreditierten diplomatischen Vertretungen und der ihnen gleichgestellten Personen (vgl. §§ 18 f. GVG) sowie die Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte nach dem NATOTruppenstatut v. 19. 6. 1951 (BGBl. 1961 I I 1190) i.V. mit dem Zusatzabkommen v. 3. 8. 1959 (BGBl. 1961 I I 1183), in Kraft getreten am 1.7.1963 (BGBl. 1963 I I 745). Trotz im wesentlichen gleicher Rechtsfolgen besteht zwischen den genannten Gruppen insofern ein Unterschied, als die Indemnität und die Exterritorialität zu den persönlichen Strafausschließungsgründen gehören (h.L., vgl. Maurach AT 130 m. Nachw.), während die Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten verbündeten Streitkräfte nur eine bedingte verfahrensrechtliche Immunität genießen. Die letztgenannte Gruppe unterliegt nämlich nur dann der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn es sich um einen Fall handelt, der ausschließlich der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt (da nach dem Recht des Entsendestaats nicht strafbar), oder wenn es sich um einen Fall der konkurrierenden Gerichtsbarkeit handelt, in dem die deutschen Strafverfolgungsbehörden den allgemeinen Verzicht der Bundesrepublik auf die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit widerrufen haben. Ein solcher Widerruf kommt allerdings nur in Betracht, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalls wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege dies erfordern, z . B . bei Staatsschutzdelikten, Mord, Totschlag oder Vergewaltigung, soweit die Opfer nicht Angehörige der Truppe oder des zivilen Gefolges sind (vgl. Art. 19 Abs. 3 des Zusatzabkommens und Abs. 2 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 19). Siehe hierzu im einzelnen Schwenk, Die strafprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts, des Zusatzabkommens und des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen, N J W 1963, 1425; ders., konkurrierende Gerichtsbarkeit in Strafsachen usw., N J W 1965, 2242; ferner Tröndle L K 44ff. vor § 3 (a. F.) sowie Stgt N J W 1967, 509.
3. Der Begriff Inland wurde vom Gesetzgeber nicht definiert; seine Auslegung soll vielmehr der künftigen Rspr. vorbehalten bleiben (vgl. BT-Drucks. V/4095). a) Nach der bisherigen, an staatsrechtlichen Kriterien ausgerichteten höchstrichterlichen Rspr. gilt als Inland das gesamte ehemalige Staatsgebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen vom 31. 12. 1937, und zwar einschließlich der D D R und der verlorenen Ostgebiete (vgl. B G H 5, 364; 7, 55; 8, 170; 15, 72; 20, 5). Folgt man dieser Rspr., so sind im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR nicht die Grundsätze des internationalen, sondern die des interlokalen Strafrechts anzuwenden (vgl. B G H 7, 55). Nach den gewohnheitsrechtlich entwickelten Prinzipien des interlokalen Strafrechts ist grundsätzlich das Recht des Tatorts anzuwenden, sofern dieses nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen am Ort der Aburteilung („ordre public") widerspricht. Ob an dieser Rspr. festgehalten werden kann, erscheint zweifelhaft. Das neue S t G B der D D R hat sich rechtspolitisch und gesellschaftlich so weit vom Recht der Bundesrepublik entfernt, daß die — direkte oder analoge — Anwendung der Grundsätze des interlokalen Strafrechts selbst unter dem Vorbehalt des ordre public nicht mehr in Betracht kommen kann (vgl. Doehring a.a.O. 276; Tröndle L K 77 vor § 3 a . F . ) . Den tatsächlichen Verhältnissen weitaus gerechter wird die — zumindest analoge — Anwendung des internationalen Strafrechts (übereinstimmend Bockelmann AT 26; Doehring a.a.O. 264, 272ff.; Dreher 5 B vor § 3; Gallas a . a . O . 15; Grünwald a.a.O. 635, 638; Jescheck AT 147; Krey a . a . O . ; Mezger-Blei AT 42; Tröndle L K 76ff. vor § 3 a . F . ) . Die dogmatische Begründung dieser Ansicht ergibt sich zwanglos, wenn man zur Bestimmung des Begriffs Inland nicht auf staats- oder völkerrechtliche Grundsätze, sondern auf den sog. funktionalen Begriff des Inlands zurückgreift. Dieser stellt ausschließlich auf die tatsächlichen Hoheitsverhältnisse
46
Geltungsbereich
§4
a b . Z u m I n l a n d gehört demzufolge n u r das Gebiet, innerhalb dessen der jeweilige S t a a t seine O r d n u n g s f u n k t i o n e n geltend m a c h e n k a n n u n d will. U n t e r diesem Asp e k t k a n n als I n l a n d n u r das Staatsgebiet der Bundesrepublik u n d Westberlins angesehen werden (vgl. Jescheck 140; Lackner-Maassen 4 vor § 3; Mezger-Blei A T 38; Schmidhäuser A T 100; Schönke-Schröder 15 vor § 3), nicht dagegen die D D R , auch wenn diese n a c h d e m G r u n d s a t z u r t e i l des B V e r f G zur Verfassungsmäßigkeit des sog. G r u n d v e r t r a g s staats- u n d völkerrechtlich n a c h wie vor als I n l a n d anzusehen ist (vgl. N J W 1973, 1539). Der hier v e r t r e t e n e f u n k t i o n a l e Inlandsbegriff deckt sich d a m i t im wesentlichen m i t d e m räumlichen Geltungsbereich des StGB (siehe hierzu § 5 N r . 3a, 5 b , 7, 8, 9, 10, §§ 48 Abs. 1 N r . 1, 65 Abs. 5, 84 Abs. 1, 85 Abs. 1, 86 Abs. 1 N r . 3, 8 6 a Abs. 1, 87 Abs. 1, 91 u n d 234a, wobei jedoch zu beacht e n ist, d a ß nicht alle B e s t i m m u n g e n des S t G B a u c h in Berlin a n w e n d b a r sind (vgl. z . B . §§ 109ff.) b) Z u m I n l a n d gehören a u ß e r d e m Landgebiet die Eigengewässer, das Küstenmeer innerhalb der Dreimeilenzone sowie der dazugehörige Luftraum. Einzelheiten siehe Tröndle L K 35ff. vor § 3 (a.F.). Siehe auch den folgenden § 4. 4. Z u r F r a g e der Tatbegehung, insbesondere z u r B e h a n d l u n g der sog. Distanzu n d Transitdelikte, siehe § 9 n e b s t A n m e r k u n g e n .
§4
Geltung: f ü r T a t e n a u f d e u t s c h e n S c h i f f e n u n d L, 9 1
Verfassungsfeindliche Verunglimpfung; von Verfassung;sorgranen
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ( § 11 Abs. 3 ) ein Gesetzgebungsorgan, die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes oder eines ihrer Mitglieder in dieser Eigenschaft in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise verunglimpft und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des betroffenen Verfassungsorgans oder Mitglieds verfolgt. 1. Geschützt sind a) die G e s e t z g e b u n g s o r g a n e von Bund und Ländern (z.B. Bundestag, Bundesrat, die Landtage der Länder, der Bayerische Senat sowie die Bürgerschaften von Hamburg und Bremen), b) die R e g i e r u n g e n von Bund und Ländern, c) die V e r f a s s u n g s g e r i c h t e von Bund und Ländern, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, d) die M i t g l i e d e r der genannten Organe, allerdings nicht in ihrer Eigenschaft als Privatpersonen oder Politiker, sondern nur als Angehörige der Organe, in denen sie tätig sind (so schon BGH 8, 191, 193 zu § 97 a.F., jetzt durch die Formulierung „in dieser Eigenschaft" klargestellt). 2. Die Tathandlung besteht im Verunglimpfen. Siehe hierzu § 90 Anm. 2. 3. Die Tat muß unter bestimmten qualifizierenden Umständen (öffentlich, in einer Versammlung usw.) begangen worden sein. Siehe hierzu § 80a Anm. 2. 4. Die Verunglimpfung muß in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise erfolgen. Der Tb. wird dadurch zu einem konkreten G e f ä h r d u n g s d e l i k t . 5. Subjektiv ist neben dem Vorsatz erforderlich, daß sich der Täter für verfassungswidrige Bestrebungen einsetzt. Siehe hierzu § 87 Anm. 6. 6. Die Ermächtigung des durch die Tat betroffenen Verfassungsorgans oder Mitglieds ist eine Prozeßvoraussetzung. Siehe hierzu § 77 e Anm. 1. 7. IdK. ist möglich vor allem mit §§ 90, 90a, ebenso mit §§ 185—187 (BGH 6, 159; 8, 193). 8. Prozessual beachte § 74 a GVG (Zuständigkeit der polit. Strafkammern) und §§ 153c—e StPO (Opportunitätsprinzip). Siehe auch § 92a (Nebenfolgen), § 92b (Einziehung) sowie § 5 Nr. 3a (Auslandstaten). §91
Anwendungsbereich
Die § § 84, 85 und 87 gelten nur für Taten, die durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen werden. 367
§ 9 3
Friedensverrat, Hochverrat usw.
1. Die durch das 8. StrRÄndG eingeführte und durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift bringt eine Einschränkung der allgemeinen Vorschriften der § 3 ff. Sie beseitigt die „unverantwortliche Hybris" des früheren Rechts, jemanden n u r deshalb mit Strafe zu bedrohen, weil er in seiner Heimat in Übereinstimmung mit der Regierung seines Landes sich politisch gegen die B R D betätigt h a t (vgl. MüllerE m m e r t N J W 1968, 2134f.). Seit der Neufassung durch das EGStGB erstreckt sich der Anwendungsbreich der Vorschrift nur noch auf die in § 97 a.F. als Nr. 1 erfaßten §§ 84, 85 und 87. F ü r die in § 97 a.F. als Nr. 2 erfaßten Tatbestände der §§ 86, 86a und 88 konnte aufgrund der Neufassung der allgemeinen Vorschriften über den Geltungsbereich des StGB verzichtet werden: Soweit in den §§ 4ff. nichts anderes bestimmt ist, gilt das deutsche Strafrecht nur f ü r Taten, die im Inland begangen werden. Aus den Grundsätzen des interlokalen Strafrechts ergibt sich die weitere Einschränkung, daß die Strafvorschriften des StGB, soweit außerhalb seines Geltungsbereichs entsprechende Strafbestimmungen fehlen, nur f ü r solche Taten gelten, die im Geltungsbereich des StGB begangen werden. Hieraus folgt z.B. f ü r § 86: Wer in der D D R Propagandaschriften der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten K P D herstellt, kann hierfür in der B R D strafrechtlich erst dann verantwortlich gemacht werden, wenn er diese Schriften in die B D R einführt. Da eine dem früheren § 3 Abs. 1 (Personalitätsprinzip) entsprechende Vorschrift im neuen Strafrecht fehlt, gilt dies auch dann, wenn der Hersteller der Propagandaschriften die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die früher in § 97 Nr. 3 (a.F.) enthaltene Sonderregelung f ü r die §§ 90a Abs. 1 und 90b findet sich jetzt in § 5 Nr. 3a. 2. Der räumliche Geltungsbereich des StGB umfaßt die in der Präambel des GG aufgeführten Länder sowie das Saarland (vgl. Ges. v. 30. 6. 1959, BGBl I 313), Berlin jedoch nur mit Einschränkungen (vgl. Art. 324 Abs. 1 EGStGB). 3. Unter Tätigkeit i.S. der Nr. 1 ist nicht die Tatbestandsverwirklichung als Ganze zu verstehen, sondern nur die vom Täter selbst ausgeführte Handlung. Unerheblich ist daher vor allem, wo der Erfolg eintritt. Nicht hierher gehört z . B . der Fall, daß jemand vom Ausland aus eine verbotene Partei durch Geldspenden unterstützt. Auch T e i l n e h m e r sind nur dann strafbar, wenn sie ihre Tätigkeit im Geltungsbereich des StGB entfalten. Unerheblich ist dabei, ob auch der Haupttäter innerhalb des Geltungsbereichs tätig wurde (vgl. Dreher 2).
Vierter Titel: Gemeinsame Vorschriften § 93
Begriffsbestimmungren
(1) I m Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt. (2) I m Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
368
Gemeinsame Vorschriften
§ 9 2
2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäilige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, 3. das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, 5. die Unabhängigkeit der Gerichte und 6. der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft. (3) I m Sinne dieses Gesetzes sind 1. Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1), 2. Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, 3. Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. 1. Die Vorschrift entspricht dem früheren § 88. Sie ist von Bedeutung f ü r die Tatbestände der §§ 81, 83 (Hochverrrat) und der §§ 87—90b (Agententätigkeit zu Sabotagezwecken, verfassungsfeindliche Sabotage, verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane, Verunglimpfung des Bundespräsidenten, des Staates und seiner Symbole, Verunglimpfung von Verfassungsorganen ). 2. Die Beeinträchtigung des Bestands der BRD (Abs. 1) kann in drei verschiedenen Formen den Tb. verwirklichen, nämlich a) durch Aufheben der Freiheit von f r e m d e r B o t m ä ß i g k e i t , z.B. dadurch, daß die B R D in ein Protektorat oder einen Satellitenstaat verwandelt wird oder auf andere Weise ihre völkerrechtliche oder faktische Unabhängigkeit oder Handlungsfreiheit verliert. Nicht hierher gehört der in Art. 24 GG vorgesehene Anschluß an ein kollektives Sicherheitssystem; b) durch B e s e i t i g u n g d e r s t a a t l i c h e n E i n h e i t , z.B. durch Verwandlung des derzeitigen Bundesstaats in einen Staatenbund oder durch Herauslösen einzelner Bundesländer aus dem derzeitigen Staatsverband; c) durch G e b i e t s a b t r e n n u n g . Zum Gebiet der B R D gehören alle in der Präambel des GG aufgeführten Länder und das Saarland; bestritten ist, ob auch Berlin hierher zu rechnen ist (bejahend u . a . Dreher 2 C; Lackner-Maassen 2 a, cc). 3. Abs. 2 definiert den Begriff der Verfassungsgrundsätze. Geschützt sind alle wesentlichen Institutionen und Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung. Hierbei ist zu beachten, daß der Begriff der v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n Ordnung weiter geht, indem er z.B. auch alle Grundrechte umfaßt. Siehe hierzu vor allem die Ausführungen zu § 81 Abs. 1 Nr. 2 (sog. Verfassungshochverrat). 4. Zu den in Abs. 2 aufgeführten Verfassungsgrundsätzen, die den Kern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bilden, siehe folgende Artikel des Grundgesetzes: a) Zu Nr. 1: Art. 20 I I , 28 I, 38 I, 79 I I I ; b) Zu Nr. 2: Art. 20 I I I , 79 I I I ; 24
Preisendanz, StGB, 29. Aufl.
369
§§ 92 a , 9 3 b c) d) e) f)
Zu Zu Zu Zu
Nr. Nr. Nr. Nr.
3: 4: 5: 6:
Art. Art. Art. Art.
Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung 21; 67; 97; 20 I I I , 79 I I I .
5. Die in Abs. 3 definierten staatsgefährdenden Bestrebungen finden sich als Tb.-Merkmale in den §§ 87—90 b. § 9 2 :>
TVebenfolgren
Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Straftat n a c h diesem Abschnitt kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, die Fähigkeit, Rechte a u s öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen (§ 45 Abs. 2, 5 ) . Wegen Verlust des Amtsfähigkeit usw. siehe §§ 45—45 b nebst Anm. § 93 b Einziehung: Ist eine Straftat nach diesem Abschnitt begangen worden, so können 1. Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, und 2. Gegenstände, a u f die sich eine Straftat nach den §§ 80 a, 86, 86 a , 90 bis 90 b bezieht, eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. 1. Die durch das E G S t G B redaktionell geänderte Vorschrift enthält keine abschließende Sonderregelung für die Einziehung von Gegenständen bei Straftaten nach den §§ 80ff., sondern bringt lediglich eine Ergänzung der allgemeinen Einziehungsbestimmungen (vgl. B G H 23, 208). Hieraus folgt, daß für eine Ermessensentscheidung nach § 92 b Abs. 1 kein Raum ist, wenn die Voraussetzungen des §74d vorliegen. Das Gericht ist jedoch in jedem Fall unter verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 5 Abs. 1 GG) zur Abwägung verpflichtet, ob der Einziehung ein berechtigtes Informationsbedürfnis des Bürgers entgegensteht (BGH a.a.O.). 2. Nr. 1 enthält gegenüber dem allgemeinen Grundsatz des § 74 Abs. 1 nichts Neues. Der Einziehung unterliegen die Tatmittel und Taterzeugnisse (sog. producta et instrumenta sceleris). 3. Nr. 2 erweitert die Möglichkeit der Einziehung in den Fällen der §§ 80a (Aufstacheln zum Angriffskrieg), 86, 86a (Propagandamittel und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und 90—90 b (Verunglimpfung des Bundespräsidenten usw.) auf die sog. Beziehungsgegenstände. So könnte man z . B . die Fahne einer verbotenen rechts- oder linksradikalen Vereinigung, die im Rahmen einer öffentlichen Versammlung dieser Vereinigung als „Saalschmuck" dient, zwar nicht ohne weiteres als „instrumentum sceleris" ansehen. Sie ist jedoch ein Gegenstand, auf den sich die Tat des § 86 a bezieht, und unterliegt damit der Einziehung gemäß § 92 b Nr. 2. Infolge der Verweisungsvorschrift des § 74 Abs. 4 sind bei der Anordnung der Einziehung die einschränkenden Bestimmungen des § 74 Abs. 2 zu beachten. Die Einziehung darf also — sofern kein Fall des § 74a vorliegt — nur ausgesprochen werden, wenn der Beziehungsgegenstand dem Täter oder Teilnehmer gehört oder wenn die Einziehung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Die 370
Gemeinsame Vorschriften
§ 9 3
b
allgemeine Vorschrift des § 74 d ist in diesem Z u s a m m e n h a n g n u r d a n n von Bedeut u n g , wenn eine b e s t i m m t e Schrift usw. bei der k o n k r e t e n T a t weder die Bolle des T a t m i t t e l s oder Taterzeugnisses n o c h die des Beziehungsgegenstandes gespielt h a t , § 9 2 b also n i c h t einschlägig ist (h. L., vgl. D r e h e r 2). So k ö n n e n z . B . g e m ä ß § 7 4 d a u c h solche verunglimpfenden Schriften eingezogen werden, die zwar noch n i c h t verbreitet wurden, wohl a b e r bereits z u r V e r b r e i t u n g b e s t i m m t waren. § 92b wird also d u r c h § 74d ergänzt (siehe a u c h oben A n m . 1). E i n e weitere E r g ä n z u n g ergibt sich a u s der n a c h § 92 b Satz 2 möglichen A n w e n d b a r k e i t des § 74 a . 4. Die f r ü h e r in Abs. 2 vorgesehene Möglichkeit, d e m T ä t e r d e n aus der T a t gezogenen Gewinn zu entziehen, ist j e t z t d u r c h die allgemeine Regelung der Verf a l l s a n o r d n u n g (§§ 73—73 d) gegenstandslos geworden.
371
Zweiter Abschnitt: Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit § 93
Begriff des Staatsgeheimnisses
(1) Staatsgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. (2) Tatsachen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder unter Geheimhaltung gegenüber den Vertragspartnern der Bundesrepublik Deutschland gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen, sind keine Staatsgeheimnisse. 1. Die Vorschrift entspricht im wesentlichen dem früheren § 99. In Abs. 1 wird der Grundbegriff des Staatsgeheimnisses definiert. Abs. 2 befaßt sich mit den sog. illegalen Staatsgeheimnissen. Aus dem Schrifttum siehe Laufhütte, Staatsgeheimnis und Regierungsgeheimnis, GA 1974, 52. 2. Der Begriff des Staatsgeheimnisses (Abs. 1) wurde durch das 8. StrRÄndG vom 25. 6. 1968 neu gefaßt und hierbei gegenüber der früheren Rechtslage erheblich eingeschränkt (vgl. BGH 24, 72 ff. sowie Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/2860, S. 15ff.). Eine wesentliche Änderung gegenüber § 99 a. F. bedeutet zunächst die Beschränkung des Geheimhaltungsbereichs auf Angelegenheiten der äußeren Sicherheit. Hierher gehören jedoch nicht nur rein militärtechnische Belange der Landesverteidigung, sondern auch die der äußeren Sicherheit dienende nachrichtendienstliche Abwehr einschließlich ihrer aktiven Tätigkeit (vgl. BGH a.a.O.). Grundsätzlich ausgeschieden aus dem Geheimnisbegriff sind andererseits die sog. diplomatischen Geheimnisse. Diese werden nur noch dann durch die §§ 93 ff. geschützt, wenn sie gerade im Interesse der äußeren Sicherheit geheimgehalten werden müssen (vgl. BGH a.a.O.). Eine weitere Einengung des Geheimnisbegriffs gegenüber § 99 a.F. ergibt sich aus den verschärften Anforderungen an das Geheimhaltungsgebot. Die §§ 93 ff. kommen nur noch dann zur Anwendung, wenn durch den Verrat die Gefahr eines s c h w e r e n Nachteils droht (s. unter 2c, dd). Im einzelnen ist folgendes zu beachten: a) Zu den geschützten Tatsachen, Gegenständen und Erkenntnissen gehören z.B. Waffensysteme aller Art, Zeichnungen, Skizzen und Modelle von militärischen Anlagen, Funkschlüssel usw., aber auch die Bereitschaft einer bestimmten Person zum Landesverrat oder ihre Stellung innerhalb eines Abwehrdienstes. (Siehe hierzu vor allem BGH 20, 342ff., 374; 24, 72 ff.) Weitere Beispiele s.u 2c, cc. b) Die Tatsachen usw. müssen geheim, d.h. nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sein. Wann man noch von einem b e g r e n z t e n P e r s o n e n k r e i s sprechen kann, ist Tatfrage. Der Kreis muß jedenfalls so klein sein, daß er noch 372
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
§ 93
übersehbar ist und man andererseits ein allgemeines Bekanntwerden nicht befürchten muß. Ist die Tatsache usw. allgemein z u g ä n g l i c h , z.B. eine für den Verkehr freigegebene Straße oder Brücke, so kann von einem Geheimnis grundsätzlich nicht gesprochen werden. Dasselbe gilt f ü r offenkundige Tatsachen, die gar nicht geheimhaltungsfähig sind, z.B. ein Bunkerbau mitten in der Stadt (vgl. B G H N J W 1965,1190). Aus dem gleichen Grund kann auch die bloße Zusammenstellung offenkundiger Einzeltatsachen (z.B. die Einzelheiten eines bestimmten Küstenoder Straßenabschnitts) nicht als Geheimnis angesehen werden. Die sog. M o s a i k t h e o r i e ist durch die Neufassung des Gesetzes insoweit gegenstandslos geworden. Dagegen kann die B e d e u t u n g einer allgemein zugänglichen Tatsache usw. nach wie vor ein Geheimnis sein, wenn sie nur einem bestimmten Personenkreis bekannt ist, z.B. die Bedeutung einer Brücke im Rahmen eines bestimmten strategischen Plans. Dasselbe gilt für neue Erkenntnisse, die aus bekannten Tatsachen gewonnen werden. Aus der Rspr. des BGH zur früheren Rechtslage siehe besonders BGH 7,234f. betr. Verlauf einer Straße und BGH 15,17 betr. Rüstungspotential der B R D . c) Die Tatsache usw. muß geheimhaltungsbedürftig sein, d.h. ihre Geheimhaltung vor einer fremden Macht muß erforderlich sein, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der B R D abzuwenden. aa) Bei der f r e m d e n M a c h t kann es sich auch um eine befreundete oder gar verbündete Macht handeln. Geheimnisse innenpolitischer Natur werden dagegen nur durch die §§ 353 b, 353 c geschützt, die ergänzend zu beachten sind. bb) Die G e f a h r e i n e s s c h w e r e n N a c h t e i l s muß dadurch drohen, daß die fremde Macht das Geheimnis nun auch kennt und es gegen die Interessen der B R D benützen oder irgendwie auswerten kann. cc) Der ä u ß e r e n S i c h e r h e i t der B R D entsteht ein Nachteil, wenn ihre Fähigkeit, sich gegen Angriffe und Störungen von außen zu verteidigen, beeinträchtigt wird. Dies kann nicht nur durch den Verrat von politisch wichtigen Tatsachen erfolgen, sondern auch durch Verrat von wichtigen Tatsachen aus dem Bereich von Wirtschaft und Technik, soweit sich Auswirkungen auf die äußere Sicherheit ergeben können. Hierher gehören vor allem Berichte über militärische Erfindungen (und zwar selbst dann, wenn sie den interessierten Behörden noch gar nicht bekannt sind), über den Stand der Luftfahrtindustrie und -technik, der Raketen- und Strahltriebstechnik, der Fernmeldetechnik und des Schiffbaues. Auch der Verrat eines deutschen Agentennetzes kann die äußere Sicherheit gefährden (vgl. WoesnerNJW 1968, 2129, 2133). dd) Ob der drohende Nachteil s c h w e r wiegt, ist Tatfrage und im einzelnen nicht leicht zu entscheiden. I n Betracht kommen nur Nachteile von „wirklich gewichtiger Bedeutung" f ü r die äußere Sicherheit der Bundesrepublik (vgl. B G H 24, 72, 7 8 ; K r a u t h J Z 1968,610; Dreher Anm. 2C c),z.B.durch fortgesetzte Lieferung von geheimen Lageberichten des BND, deren fachkundige Erfassung und systematische Auswertung es einem fremden Nachrichtendienst ermöglichen, die geheimen Quellen des BND in bestimmten Zielgebieten einzukreisen und zu enttarnen (vgl. BGH a.a.O. im Fall Sütterlin). Als nicht ausreichend angesehen wurde andererseits die Ausspähung einer Referentenvorlage über den Plan einer Konferenz der deutschen Botschafter in Afrika, obwohl auch hierdurch nachrichtendienstliche Belange berührt wurden (BGH a . a . O . 78). 3. Abs. 2 befaßt sich mit den sog. illegalen Staatsgeheimnissen, mit denen sich unter der früheren Rechtslage vor allem die bereits oben erwähnte Entscheidung BGH 20, 342 ff. befaßt hat. Die Vorschrift stellt klar, daß bestimmte verfassungsfeindliche Vorgänge schon tatbestandsmäßig nicht zu den geschützten Staats, geheimnissen gehören. Auszuscheiden sind:
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§94
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
a) Tatsachen (Sachverhalte, Vorgänge usw.), die gegen die f r e i h e i t l i c h e demok r a t i s c h e Grundordnung verstoßen. Die Vorschrift nimmt damit Bezug auf die in Art. 18, 21 GG garantierten höchsten Grundwerte, die dem demokratischen Verfassungsstaat im Gegensatz zu dem als Gewalt- und Willkürherrschaft gekennzeichneten totalitären Staat eigen sind, z.B. die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit und Ablösbarkeit der Regierung, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Gerichte und das Mehrparteienprinzip mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BGH 20, 342, 365 m. weit. Nachw.). b) Tatsachen, die gegen z w i s c h e n s t a a t l i c h v e r e i n b a r t e R ü s t u n g s beschränkungen verstoßen. Hierher gehört vor allem der innerhalb der NATOVereinbarungen erfolgte Verzicht der BRD auf Herstellung von ABC-Waffen sowie auf Herstellung weittragender Geschosse (Raketen), größerer Kriegsschiffe und bestimmter Flugzeuge. 4. Ungeachtet des Umstands, daß illegale Staatsgeheimnisse nach Abs. 2 keine Staatsgeheimnisse im Rechtssinn darstellen, kann ihr Verrat unter gewissen Voraussetzungen doch strafbar sein. Siehe hierzu § 97 a nebst Anmerkungen. 5. Nimmt der Täter nur irrig an, ein Staatsgeheimnis sei illegal, so ist § 97 b zu beachten.
§ 94
Landesverrat
(1) Wer ein Staatsgeheimnis 1. einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder 2. sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet, oder 2. durch die Tat die Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. 1. Die Vorschrift enthält ein konkretes Gefährdungsdelikt. Über den Begriff „schwerer Nachteil für die äußere Sicherheit der B R D " siehe § 93 Anm. 2c. 2. Die Tathandlung des Abs. I Nr. 1 besteht darin, daß der Täter ein Staatsgeheimnis (siehe hierzu § 93) einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsleute mitteilt. Über „fremde Macht" siehe § 93 Anm. 2c, aa. M i t t e l s m a n n ist jeder, der bereit ist, die ihm zugänglich gemachte Mitteilung an eine fremde Macht weiterzugeben. Hierher gehören insbesondere Angehörige fremder Nachrichten-
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Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
§ 95
dienate und sonstige Agenten. Die Form der Mitteilung (mündlich, schriftlich, durch Boten oder Funk) ist unerheblich. Bei Verrat von i l l e g a l e n G e h e i m n i s s e n i.S. von § 93 Abs. 2 beachte § 97 a. 3. Die Tathandlung des Abs. 1 Nr. 2 erfaßt jede Mitteilung eines Staatsgeheimnisses an sonstige Unbefugte sowie die öffentliche Bekanntmachung. U n b e f u g t e r ist jeder, der kein Recht auf die Mitteilung hat. Ein Auskunftsrecht haben insbesondere die Untersuchungsausschüsse des Bundestags, nicht jedoch jeder einzelne Abgeordnete (vgl. Schönke-Schröder 10; Dreher §93 Anm. 4 B, bestr.). Als ö f f e n t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g gilt insbesondere die Verbreitung durch Presse, Rundfunk und Fernsehen. I l l e g a l e G e h e i m n i s s e i.S. von § 93 Abs. 2 werden durch Abs. 1 Nr. 2 nicht erfaßt (vgl. § 97 a, der sich nur auf § 94 Abs. 1 Nr. 1 bezieht). 4. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, in den Fällen der Ziff. 2 außerdem die Absicht, entweder die B R D 7,u benachteiligen oder irgendeine fremde Macht zu begünstigen, d.h. ihr irgendeinen Vorteil zukommen zu lassen. Als Absicht genügt der bestimmte Vorsatz. Der Täter muß also entweder den Nachteil bzw. Vorteil als sichere Folge seines Verhaltens voraussehen, oder es muß ihm auf die Erreichung des Nachteils bzw. Vorteils ankommen. Das Motiv ist unerheblich. Die tatbestandsmäßige Absicht wird insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Täter sich von irgendeinem eigenen Vorteil leiten ließ. Fehlt die tatbestandsmäßige Absicht, so kommt nur Strafbarkeit gemäß § 95 in Betracht. 5. Der Versuch ist strafbar (Verbrechen), beginnt aber erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Mitteilungshandlung (vgl. BGH 24, 72, 78; Dreher 5). Das Fotografieren der geheimen Unterlagen und das Bereitlegen des Materials zur Weiterleitung an den Mittelsmann eines fremden Geheimnisses stellt noch keinen versuchten Landesverrat dar, sondern erfüllt lediglich den Tb. des § 96 (vgl. BGH a.a.O. im Fall Sütterlin). 6. Bei Auslandstaten beachte § 5 Nr. 4. 7. IdK. ist möglich mit §§ 133, 242, 334, 353b. Gegenüber §§ 95, 353c geht §94 vor. 8. Prozessual beachte §§ 1 2 0 1 3 GVG (Zuständigkeit des OLG), 153 c—e StPO (Opportunitätsprinzip).
§ 95
Offenbaren von Staatsgeheimnissen
(1) Wer ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wird, an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wenn die Tat nicht in § 94 mit Strafe bedroht ist. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. § 94 Abs. 2 Satz 2 ist anzuwenden.
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§96
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
1. Die durch das EGStGB redaktionell neu gefaßte Vorschrift bringt seine Ergänzung des in § 94 geregelten Landesverrats. Die Tathandlungen entsprechen denen des § 94 Abs. 1 Nr. 2, jedoch ohne die dort geforderte Absicht, die BRD zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Erfaßt werden soll vor allem der sog. publizistische Verrat, dem nicht zugleich das Odium des Landesverrats anhaftet. I l l e g a l e G e h e i m n i s s e i.S. von § 93 Abs. 2 werden nicht erfaßt (vgl. § 97a). 2. Der Begriff des Staatsgeheimnisses entspricht dem des § 93 Abs. 1, jedoch mit der Einschränkung, daß das Geheimnis von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wird. Zu den a m t l i c h e n S t e l l e n zählen alle Stellen, die staatliche Aufgaben zu erfüllen haben, ohne Rücksicht darauf, ob sie zur Exekutive, zur Legislative oder in den Bereich der Rechtsprechung gehören. Zu erwähnen sind vor allem militärische Dienststellen sowie Institutionen des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes. Aber auch die Untersuchungsausschüsse des Bundestags können hierher gerechnet werden. Eine G e h e i m h a l t u n g i.S. der Vorschrift setzt voraus, daß irgendeine Vorsorge getroffen wurde, um ein allgemeines Bekanntwerden zu verhindern, z.B. durch Verschluß oder Absperrung, durch besonders erlassene Geheimhaltungsvorsehriften oder durch Verpflichtung aller mit dem Geheimnis vertrauten Personen zur Geheimhaltung. Nicht hierher gehören Geheimnisse, die den zuständigen Stellen noch gar nicht bekannt waren, z.B. Erfindungen, von denen nur der Erfinder selbst und seine Mitarbeiter wissen. 3. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Vorsatz muß sich auch auf die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der BRD erstrecken. Eine darüber hinausgehende besondere Absicht wie in § 94 Abs. 1 Nr. 2 ist nicht erforderlich. 4. Gegenüber § 94 ist § 95 subsidiär. Die Ausführungen unter § 94 Anm. 6—8 gelten im übrigen entsprechend.
§ 96 liandcsverräterisclie Ansspähungr; Auskundschaften von Staatsgeheimnissen (1) Wer sich ein Staatsgeheimnis verschafft, um es zu verraten (§ 94), wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Wer sich ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wird, verschafft, u m es zu offenbaren (§ 95), wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 1. Sowohl in Abs. 1 als auch in Abs. 2 werden Vorbereitungshandlungen selbständig unter Strafe gestellt. §96 tritt demzufolge als s u b s i d i ä r zurück, wenn es zu einem vollendeten oder versuchten Verbrechen oder Vergehen gemäß §§ 94 f. kommt. 2. Die Tathandlung besteht in beiden Tatbeständen (Abs. 1 und Abs. 2) darin, daß sich der Täter ein Staatsgeheimnis verschafft. Über S t a a t s g e h e i m n i s siehe § 93. Auf i l l e g a l e G e h e i m n i s s e findet die Vorschrift entsprechende Anwendung, wenn der Täter sich ein Geheimnis verschafft, um es in landesverräterischer Absicht an eine fremde Macht oder einen ihrer Mittelsmänner zu verraten (vgl. § 97a Satz 2).
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§
9 ?
3. Der subj. Tb. erfordert neben dem Vorsatz die Absicht, ein Verbrechen oder Vergehen gemäß §§ 94f. zu begehen. Beide Merkmale müssen bereits zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Täter sich das Staatsgeheimnis verschafft. Nicht hierher gehört der Fall, daß sich der Täter zunächst nur aus purer Neugierde ein Staatsgeheimnis verschafft und dann erst den Plan faßt, es zu verraten (§ 94) oder sonst Unbefugten mitzuteilen (§ 95). Nicht hierher gehört auch der Fall, daß der Täter durch Zufall, ohne sein Zutun, von einem Staatsgeheimnis Kenntnis erlangt. 4. Der Versuch ist sowohl bei Abs. 1 als auch bei Abs. 2 strafbar. Als Versuch genügt z . B . schon die Kontaktaufnahme mit einem Geheimnisträger (vgl. B G H 6, 385 sowie bei Wagner GA 1961, 143 C Nr. 1). 5. Gegenüber §§ 94, 95 ist § 96 subsidiär. Die Ausführungen unter § 94 Anm. 6—8 gelten im übrigen entsprechend.
§ 9V Preisgrabe von S t a a t s g e h e i m n i s s e n ( 1 ) W e r ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wird, an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch fahrlässig die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft. ( 2 ) W e r ein Staatsgeheimnis, das von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten wird und das ihm kraft seines Amtes, seiner Dienststellung oder eines von einer amtlichen Stelle erteilten Auftrages zugänglich war, leichtfertig an einen Unbefugten gelangen läßt und dadurch fahrlässig die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ( 3 ) Die Tat wird nur mit Ermächtigung der Bundesregierung verfolgt. 1. Das objektive Tatbild des Abs. 1 entspricht dem des § 95. Auch subjektiv besteht mit § 95 insoweit Übereinstimmung, als die P r e i s g a b e v o r s ä t z l i c h erfolgen muß. Im Unterschied zu § 95 führt der Täter aber die G e f a h r eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der B R D nicht vorsätzlich, sondern nur f a h r l ä s s i g herbei. 2. Abs. 2 enthält ein S o n d e r d e l i k t , das nach Art der Amtsdelikte nur von bestimmten Personen begangen werden kann. Hinsichtlich der Preisgabe an Unbefugte genügt L e i c h t f e r t i g k e i t , d.h. grobe Fahrlässigkeit. Hinsichtlich der aus der leichtfertigen Preisgabe entstehenden Gefahr eines schweren Nachteils i . S . von § 93 Abs. 1 genügt F a h r l ä s s i g k e i t . Bei vorsätzlicher Preisgabe ergibt sich die Strafbarkeit aus dem schwereren Tatbestand des § 97 Abs. 1, bei vorsätzlicher Herbeiführung der Gefahr sogar aus § 95. 3. Die fahrlässige Preisgabe ist weder nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 strafbar. 4. Über die Bedeutung der Ermächtigung als Prozeßvoraussetzung siehe § 77 e Anm. 1. Die Ausführungen unter § 94 Anm. 6—8 gelten im übrigen entsprechend.
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§ § O1? cl, 91?1b
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
§ 9V a Verrat illegaler Geheimnisse Wer ein Geheimnis, das wegen eines der in § 93 Abs. 2 bezeichneten Verstöße kein Staatsgeheimnis ist, einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils f ü r die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird wie ein Landesverräter (§ 94) bestraft. § 96 Abs. 1 in Verbindung mit § 94 Abs. 1 Nr. 1 ist auf Geheimnisse der in Satz 1 bezeichneten Art entsprechend anzuwenden. 1. Auch wenn die illegalen Geheimnisse nach § 93 Abs. 2 keine Staatsgeheimnisse i . e . S . sind, so besteht doch ein Bedürfnis dahingehend, daß sie nicht zum Nachteil für die äußere Sicherheit der B R D einer fremden Macht in die Hände gespielt werden. Erfaßt werden soll in erster Linie der Agent, der für einen fremden Nachrichtendienst arbeitet, nicht dagegen der Journalist, der einen Mißstand öffentlich rügt. Ein neuer Fall Ossietzky kann sich nicht mehr ereignen (vgl. Woesner N J W 1 9 6 8 , 2129, 2133). 2. Die Vorschrift kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Täter den illegalen Charakter des Geheimnisses nicht erkannt hat. 3. Aus dem S c h r i f t t u m zum illegalen Staatsgeheimnis siehe besonders Breithaupt N J W 1968, 1712 und Hirsch N J W 1968, 2330.
§ 9V b
Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (1) Handelt der Täter in den Fällen der §§ 94 bis 97 in der irrigen Annahme, das Staatsgeheimnis sei ein Geheimnis der in § 97 a bezeichneten Art, so wird er, wenn 1. dieser Irrtum ihm vorzuwerfen ist, 2. er nicht in der Absicht handelt, dem vermeintlichen Verstoß entgegenzuwirken, oder 3. die Tat nach den Umständen kein angemessenes Mittel zu diesem Zweck ist, nach den bezeichneten Vorschriften bestraft. Die Tat ist in der Regel kein angemessenes Mittel, wenn der Täter nicht zuvor ein Mitglied des Bundestages um Abhilfe angerufen hat. (2) War dem Täter als Amtsträger oder als Soldat der Bundeswehr das Staatsgeheimnis dienstlich anvertraut oder zugänglich, so wird er auch dann bestraft, wenn nicht zuvor der Amtsträger einen Dienstvorgesetzten, der Soldat einen Disziplinarvorgesetzten u m Abhilfe angerufen hat. Dies gilt f ü r die f ü r den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten und f ü r Personen, die im Sinne des § 353 c Abs. 2 verpflichtet worden sind, sinngemäß. 1. Die Vorschrift regelt einen Sonderfall des Tatbestandsirrtunis. Sie geht davon aus, daß alle obj. und subj. Merkmale der §§94—97 verwirklicht sind, dem Täter jedoch nicht widerlegt werden kann, daß er das verratene, offenbarte, verschaffte oder preisgegebene Staatsgeheimnis für ein illegales Geheimnis i. S. von § 93 Abs. 2 gehalten hat. Nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. §16) würde ein solcher Irrtum den Vorsatz entfallen lassen und damit die Möglichkeit einer Bestrafung nach den §§ 94—97 ausschließen. In Betracht käme nur eine Bestrafung wegen fahrlässiger
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§ 98
Begehungsweise, sofern der Irrtum im Einzelfall auf Fahrlässigkeit beruht und das Gesetz für diesen Fall eine besondere Strafdrohung schafft. Anstatt dessen wird in § 97 b eine Sonderregelung getroffen, die zwar politisch praktikabel sein mag, rechtssystematisch jedoch völlig aus dem Rahmen fällt und auch rechtsstaatlich nicht ganz unbedenklich ist (vgl. Schönke-Schröder 1; Dreher 2; Lackner-Maassen 5). Die Möglichkeit, sich auf einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum zu berufen, wird jedenfalls durch § 97 b weitgehend eingeschränkt. 2. Aufgrund der Sonderregelung des § 9 7 b bleibt der Täter nur dann straflos, wenn a) der I r r t u m für ihn u n v e r m e i d b a r war, d.h. wenn er alle möglichen und zumutbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, b) er unwiderlegbar in der A b s i c h t gehandelt hat, den vermeintlich drohenden Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen entgegenzuwirken, c) die tatbestandsmäßige Handlung ein a n g e m e s s e n e s Mittel zur Erreichung des erstrebten Zwecks darstellt. Straffreiheit tritt nur dann ein, wenn a l l e unter a) bis c) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Vor allem an der letzten Anforderung dürften in der Praxis die meisten Versuche scheitern, sich auf einen schuldausschließenden Irrtum zu berufen. Mit Rücksicht auf die berechtigten Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik hat der Täter grundsätzlich das Mittel zu wählen, das am wenigsten gefährlich ist. Eine tatbestandsmäßige Handlung nach §§ 94—97 dürfte daher nur ganz ausnahmsweise das angemessene Mittel darstellen. Auf jeden Fall sollte sich der Täter vorher an ein Mitglied des BT gewandt haben (vgl. Abs. 1 Satz 2). 3. Für Amtsträger und Soldaten, denen das Geheimnis dienstlich anvertraut oder zugänglich ist, stellt der durch das EGStGB dem neuen Sprachgebrauch des § 11 Abs. 1 Nr. 2 angepaßte Abs. 2 die z u s ä t z l i c h e P f l i c h t auf, daß sie vor einer tatbestandsmäßigen Handlung nach §§ 94—97 zunächst a n einen Dienst- bzw. Disziplinarvorgesetzten herantreten. Nur wenn auch dieser Schritt erfolglos geblieben ist und die übrigen, oben unter 2 a) bis c) dargelegten Voraussetzungen erfüllt sind, bleibt der Amtsträger bzw. Soldat straflos. 4. Im Ergebnis unproblematisch sind die Fälle, in denen auch der Verrat illegaler Geheimnisse nach § 97 a mit gleicher Strafe bedroht ist wie der Verrat eines echten Staatsgeheimnisses. Der (bedenklichen) Systematik des § 97 b entspricht es, den Täter nur dann nach § 97 a „wie" einen Landesverräter zu bestrafen, wenn die oben unter 2 a) bis c) dargelegten Voraussetzungen vorliegen. Nach der allgemeinen Regelung des § 16 dagegen müßte die Bestrafung bei jedem Irrtum über die Legalität nach den Grundsätzen des § 97 a erfolgen, womit dem Täter allerdings im Ergebnis nicht viel geholfen wäre. § 98
Land esverräteri sehe Agententätigkeit
(1) Wer 1. für eine fremde Macht eine Tätigkeit ausübt, die auf die Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen gerichtet ist, oder 2. gegenüber einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner sich z u einer solchen Tätigkeit bereit erklärt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 94, 96 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist. In besonders 379
§ 98
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren; § 94 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 gilt entsprechend. (2) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern ( § 4 9 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter freiwillig sein Verhalten aufgibt und sein Wissen einer Dienststelle offenbart. Ist der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 von der fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner zu seinem Verhalten gedrängt worden, so wird er nach dieser Vorschrift nicht bestraft, wenn er freiwillig sein Verhalten aufgibt und sein Wissen unverzüglich einer Dienststelle offenbart. 1. Die Vorschrift übernimmt gemeinsam mit § 99 die Aufgabe des früheren § lOOe. I m Gegensatz zum früheren § lOOe ist aber nicht schon die Aufnahme und Unterhaltung bestimmter Beziehungen strafbar. Sowohl bei § 98 Abs. 1 als auch bei § 99 Abs. 1 ist vielmehr erforderlich, daß der Täter bereits Handlungen vorgenommen hat, die auf die Vorbereitung eines Landesverrats hinzielen. 2. Zu Abs. 1 Nr. 1: a) Die Tätigkeit muß für eine fremde Macht ausgeübt werden. Über „fremde Macht" siehe § 93 Anm. 2c, aa. „ F ü r " eine fremde Macht wird die Tätigkeit auch dann ausgeübt, wenn der Täter zwar keinen Auftrag dieser Macht hat, aber in deren Interessen handelt und beabsichtigt, ihr das Staatsgeheimnis irgendwie zukommen zu lassen. Tätigkeiten in diesem Sinn sind vor allem die Aufnahme von Kontakten zu Personen oder Dienststellen, bei denen man das Staatsgeheimnis vermutet, oder die Errichtung von Funkanlagen zur Durchgabe der eingehenden Nachrichten. b) Gegenstand der Tätigkeit muß die Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen sein. Über „Staatsgeheimnis" siehe § 93 Abs. 1. Illegale Geheimnisse i.S. von § 93 Abs. 2 gehören nicht hierher (siehe jedoch § 97 a Satz 2, wonach auch der strafbar ist, der sich ein illegales Geheimnis zum Verrat an eine fremde Macht verschafft, und § 99, der ebenfalls illegale Geheimnisse einbezieht). 3. Zu Abs. 1 Nr. 2: Die Vorschrift stellt — ähnlich wie die allgemeine Vorschrift des § 49 a Abs. 2, die jedoch nur bei Verbrechen gilt — mit dem Sich-bereit-Erklären eine bestimmte Vorbereitungshandlung selbständig unter Strafe. Bezieht sich die Erklärung nicht nur auf eine allgemeine „Tätigkeit" i.S. der Nr. 1, sondern auf ein bereits konkret in Aussicht genommenes Verbrechen nach § 94 oder § 96 Abs. 1, so kommt nicht § 98, sondern § 30 Abs. 2 i.V. mit §§ 94, 96 Abs. 1 zur Anwendung. 4. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz. Der Täter muß vor allem wissen, daß es sich um ein Staatsgeheimnis i. S. von § 93 handelt und daß seine Tätigkeit einer fremden Macht dient. Bedingter Vorsatz genügt. 5. Der durch das EGStGB redaktionell dem neuen § 49 angepaßte Abs. 2 befaßt sich mit Sonderfällen tätiger Reue. Die allgemeine Vorschrift des § 24 kann keine Anwendung finden, da die Tat durch die vorgenommene Tätigkeit bzw. Erklärung bereits vollendet ist. 6. Bei Auslandstaten beachte § 5 Nr. 4. 7. IdK. ist vor allem möglich mit §§ 99, 133, 242, 267, 275, 334, 353b. Gegenüber §§ 94, 96 Abs. 1 ist § 98 als sog. Vorfeldschutzvorschrift subsidiär (vgl. BGH 24, 80). Dies gilt auch dann, wenn diese Tatbestände nur i.V. mit § 30 gegeben sind. 8. Prozessual beachte §§ 1 2 0 1 3 GVG (Zuständigkeit des OLG), 153d—e StPO (Opportunitätsprinzip). 9. Siehe auch § 101 (Nebenfolgen) und § 101a (Einziehung).
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L a n d e s v e r r a t u n d G e f ä h r d u n g der äußeren Sicherheit § 99
§99
Geheimdienstliche Agententätigkeit
(1) Wer 1. f ü r den Geheimdienst einer f r e m d e n Macht e i n e geheimdienstliche Tätigkeit g e g e n die Bundesrepublik D e u t s c h l a n d ausübt, die a u f die Mitteilung oder Lieferung v o n Tatsachen, Gegenständen oder E r k e n n t nissen gerichtet ist, oder 2. gegenüber d e m Geheimdienst einer f r e m d e n Macht oder e i n e m seiner M i t t e l s m ä n n e r s i c h z u einer s o l c h e n Tätigkeit bereit erklärt, wird mit Freiheitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft, w e n n die Tat n i c h t in den § § 94, 96 Abs. 1, i n § 97 a oder in § 97 b i n Verbindung m i t den §§ 94, 9 6 Abs. 1 mit Strafe bedroht ist. ( 2 ) I n besonders s c h w e r e n F ä l l e n i s t die Strafe Freiheitsstrafe v o n e i n e m J a h r bis z u z e h n Jahren. E i n besonders schwerer Fall liegt i n der Regel vor, w e n n der Täter T a t s a c h e n , Gegenstände oder Erkenntnisse, die v o n einer a m t l i c h e n Stelle oder a u f deren Veranlassung g e h e i m g e h a l t e n werden, mitteilt oder liefert u n d w e n n er 1. eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die i h n zur W a h r u n g solcher Geheimnisse besonders verpflichtet, oder 2. durch die Tat die Gefahr eines s c h w e r e n Nachteils f ü r die Bundesrepublik D e u t s c h l a n d herbeiführt. ( 3 ) § 9 8 Abs. 2 gilt entsprechend. 1. Wie bei § 98 handelt es sich im Falle des Abs. 1 N r . 1 u m ein T ä t i g k e i t s d e l i k t , w ä h r e n d in Abs. 1 Nr. 1 d a s Sich-bereit-Erklären zu einer geheimdienstlichen T ä t i g k e i t i. S. der N r . 1 u n t e r S t r a f e gestellt wird. 2. Zu Abs. 1 Nr. 1 : Die Tätigkeit m u ß f ü r den Geheimdienst einer f r e m d e n M a c h t ausgeübt werden u n d auf die Mitteilung u n d Lieferung von T a t s a c h e n , Gegenständen oder E r k e n n t n i s s e n beliebiger A r t gerichtet sein. N i c h t erforderlich ist, d a ß d e r T ä t e r sich vorher d a z u ausdrücklich bereit e r k l ä r t h a t (vgl. B G H 25, 145). a) Ü b e r fremde Macht siehe § 93 A n m . 2 c, aa. b) Als Geheimdienst gilt jede staatlich beherrschte oder gelenkte I n s t i t u t i o n , die f ü r die politische F ü h r u n g des eigenen Staates Nachrichten und sonstige E r kenntnisse über die politische, militärische u n d wirtschaftliche Lage eines f r e m d e n Staates u n t e r E i n s a t z von Agenten systematisch s a m m e l t und a u s w e r t e t . Die R e c h t s f o r m einer solchen I n s t i t u t i o n ist unerheblich. N i c h t hierher gehören p r i v a t e Pressedienste, soweit sie n i c h t n u r die ä u ß e r e F o r m eines Nachrichtendienstes darstellen. c) D e r Begriff der Tätigkeit ist weit auszulegen. E r f a ß t werden alle Personen, die an der A k t i v i t ä t des geheimdienstlichen A p p a r a t s teilnehmen. E i n e Eingliederung in die Organisation des Geheimdienstes (z.B. als Agent oder K u r i e r ) ist nicht erforderlich (BGH 24, 369). T ä t e r k a n n deshalb auch eine Person sein, die —• freiwillig oder unfreiwillig —• i n den Einflußbereich eines fremden Geheimdienstes geraten ist u n d im R a h m e n der n u n einsetzenden V e r n e h m u n g e n bereitwillig auf alle F r a g e n A u s k u n f t gibt (vgl. B G H a . a . O . ) . Die Frage, ob die betreffende Person lediglich ein Ausforschungsobjekt ist oder ob sie aus der Sicht eines objektiven B e t r a c h t e r s a k t i v a n der Tätigkeit des Geheimdienstes m i t w i r k t , d ü r f t e allerdings im Einzelfall n u r sehr schwer zu entscheiden sein. T a t b e s t a n d s m ä ß i g ist jedes Verh a l t e n , das d a r a u f abzielt, dem f r e m d e n Geheimdienst b r a u c h b a r e s Material z u liefern, u n d zwar u n a b h ä n g i g d a v o n , ob das Material den f r e m d e n Geheimdienst er381
§ loo
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
reicht oder nicht (BGH 25,145). Unerheblich ist, ob sich das Material auf militärische, politische oder wirtschaftliche Objekte bezieht. Wie bei § 98 (siehe dort Anm. 2 a) ist nicht erforderlich, daß der Täter einen ausdrücklichen Auftrag des fremden Geheimdienstes hat. Er muß nur „ f ü r " ihn, d.h. zu seinen Gunsten tätig werden. Hierher gehört vor allem die Aufnahme von Verbindungen zu Kontaktpersonen und Geheimnisträgern, der Versuch, letzteren durch Bestechung zur Lieferung von Nachrichten zu gewinnen, die Einrichtung von Funkanlagen und sog. toten Briefkästen und ähnliche, typische Agententätigkeiten. N i c h t ausreichend ist eine Kontaktaufnahme zu verfassungsfeindlichen oder nachrichtendienstlichen Organisationen außerhalb des Bundesgebiets, die nicht auf die Lieferang von Material abzielt. Die Unterhaltung von „Beziehungen" ist noch keine „Tätigkeit" i. S. von § 99 (vgl. Müller-Emmert N J W 1968, 2134f.). d) Die Tätigkeit muß gegen die BRD, d . h . gegen deren Interessen gerichtet sein. Diese Voraussetzungen können auch dann vorliegen, wenn sich die Tätigkeit unmittelbar gegen ein anderes Land richtet, die Interessen der B R D hierdurch jedoch zumindest mittelbar berührt werden, z.B. bei Spionage zum Nachteil eines NATOPartners. e) Das dem fremden Geheimdienst zu liefernde Material (Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse) muß nicht geheim sein. Der Tb. ist in dieser Richtung sehr weit gefaßt. Der Unrechtsgehalt der Tat besteht schlechthin in der konspirativen Tätigkeit für fremde Mächte, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall eine Gefahr f ü r die Sicherheitsinteressen der B R D zu befürchten ist oder nicht. Handelt es sich um Staatsgeheimnisse i. S. von § 93 Abs. 1, so kommt infolge der Subsidiaritätsklausel nicht § 99, sondern Bestrafung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 oder § 96 Abs. 1 in Betracht. 3. Hinsichtlich des Abs. 1 Nr. 2 kann auf die Ausführungen zu § 98 (Anm. 3) verwiesen werden. 4. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. 5. Abs. 2 verweist auf die in § 98 enthaltene Sonderregelung der tätigen Reue. Siehe hierzu § 98 Anm. 5. 6. IdK. ist möglich mit § 98. Die Ausführungen unter § 98 Anm. 6—9 gelten im übrigen entsprechend.
§ lOO Friedensgrefährdende Beziehungreil (1) Wer als Deutscher, der seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, in der Absicht, einen Krieg oder ein bewaffnetes Unternehmen gegen die Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen, zu einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes oder zu einem ihrer Mittelsmänner Beziehungen aufnimmt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat eine schwere Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. (3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren.
382
Landesverrat u n d Gefährdung der äußeren Sicherheit
§
lOOa
1. Täter kann n u r ein Deutscher sein, der seine Lebensgrundlage in der B R D h a t . Unerheblich ist dagegen, ob er die T a t im Inland oder im Ausland begeht (vgl. § 5 N r . 4). 2. Die Tathandlung besteht in der A u f n a h m e oder U n t e r h a l t u n g von Beziehungen zu einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb der B R D . K o n t a k t e zu Mittelsmännern genügen bereits. a) Als B e z i e h u n g gilt jede in Übereinstimmung m i t dem P a r t n e r eingegangene, auf gewisse Dauer angelegte Verbindung. Unerheblich ist, von wem die Initiative zu dieser Verbindung ausgegangen ist. b) Als R e g i e r u n g gilt nur die legitime Regierung eines anderen Staates. Zu den im Tatbestand genannten V e r e i n i g u n g e n u n d E i n r i c h t u n g e n müssen jedoch neben offiziellen Institutionen (z.B. Nachrichtendiensten) auch fremde UntergrundOrganisationen gerechnet werden. 3. Der subj. Tb. erfordert neben dem Vorsatz die Absicht, einen Krieg oder ein bewaffnetes Unternehmen gegen die B R D herbeizuführen. a) Eine A b s i c h t in diesem Sinn liegt dann vor, wenn es dem Täter — gleich aus welchem Grund — auf den Krieg bzw. das bewaffnete Unternehmen a n k o m m t . b) Als b e w a f f n e t e s U n t e r n e h m e n gilt jedes bewaffnete Vorgehen, z.B. in der Form von sog. K o m m a n d o u n t e r n e h m e n , wie sie nach dem Waffenstillstand im Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten an der Tagesordn u n g sind. 4. Der Versuch ist s t r a f b a r (Verbrechen). Beachte auch § 30. 5. IdK. ist möglich mit §§ 83, 84ff., 87ff., 98f., 109f. Die Ausführungen unter § 98 A n m . 8, 9 gelten im übrigen entsprechend.
§ lOOa
Liindesverräterische
Fälschung
(1) W e r wider besseres Wissen gefälschte oder verfälschte Gegenstände, Nachrichten darüber oder unwahre Behauptungen tatsächlicher Art, die i m Falle ihrer Echtheit oder Wahrheit für die äußere Sicherheit oder die Bezieh u n g e n der Bundesrepublik Deutschland z u einer fremden Macht von B e deutung wären, a n einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, u m einer fremden Macht vorzutäuschen, daß es sich u m echte Gegenstände oder u m Tatsachen handele, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils f ü r die äußere Sicherheit oder die B e z i e h u n g e n der Bundesrepublik Deutschland z u einer fremden Macht herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe v o n sechs Monaten bis z u f ü n f Jahren bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer solche Gegenstände durch Fälschung oder Verfälschung herstellt oder sie sich verschafft, u m sie in der in Abs. 1 bezeichneten Weise zur Täuschung einer fremden Macht a n einen anderen gelangen zu lassen oder öffentlich bekanntzumachen und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit oder die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einer fremden Macht herbeizuführen. ( 3 ) Der Versuch ist strafbar.
383
§§ lOl , lOl a
Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem J a h r . Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat einen besonders schweren Nachteil f ü r die äußere Sicherheit oder die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einer fremden Macht herbeiführt. 1. Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß auch die Weitergabe von Falschmeldungen usw. die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der B R D bewirken kann. Ebenso besteht die Gefahr folgenschwerer Verstimmungen in den Beziehungen zum Ausland. 2. I n Abs. 2 werden bestimmte V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n selbständig unter Strafe gestellt. Der Tb. ist bereits mit der Herstellung bzw. dem Sich-Verschaffen erfüllt, so daß mangels einer Sondervorschrift strafbefreiende tätige Reue dann nicht mehr möglich ist. 3. I d K . ist möglich mit §§ 83ff., 99, 267. 4. Bei Auslandstaten beachte § 5 Nr. 4.
§ lOl
Nebenfolgren
Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer vorsätzlichen Straftat nach diesem Abschnitt k a n n das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen ( § 4 5 Abs. 2, 5). Wegen Amtsunfähigkeit u. a. siehe § 45 nebst Anm.
§ lOl a
Einziehung:
Ist eine Straftat nach diesem Abschnitt begangen worden, so können 1. Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, und 2. Gegenstände, die Staatsgeheimnisse sind, und Gegenstände der in § 100a bezeichneten Art, auf die sich die Tat bezieht, eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Gegenstände der in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Art werden auch ohne die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 eingezogen, wenn dies erforderlich ist, um die Gefahr eines schweren Nachteils f ü r die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden; dies gilt auch dann, wenn der Täter ohne Schuld gehandelt hat. Die Vorschrift bringt — ähnlich wie § 92b für die Tatbestände der §§ 80ff. — eine Erweiterung der allgemeinen Einziehungsvorschriften. Auf die Ausführungen zu § 92 kann deshalb verwiesen werden.
384
Dritter Abschnitt: Straftaten gegen ausländische Staaten ( § § 102—104 b )
Vorbemerkung Grundgedanke der durch das EGStGB neu gefaßten Bestimmungen ist es, jede Störung der guten Beziehungen zum Ausland und damit diplomatische oder gar kriegerische Verwicklungen zu verhindern. Die einzelnen T a t b e s t ä n d e sind in den §§ 102—104 enthalten. § 104a enthält je zwei S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n und P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g e n , die vom Vorsatz des Täters nicht umfaßt sein müssen. Wegen der gerichtlichen Zuständigkeit siehe § 120 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GVG (Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für die Fälle des § 102). Innerdienstlich ist für die StA Nr. 224 RiStBV zu beachten (beschleunigte Beweissicherung, Berichtspflichten usw.).
§ 102 A n g r i f f auf O r g a n e u n d Vertreter ausländischer Staaten ( 1 ) Wer einen Angriff auf Leib oder Leben eines ausländischen Staatsoberhauptes, eines Mitgliedes einer ausländischen Regierung oder eines im Bundesgebiet beglaubigten Leiters einer ausländischen diplomatischen Vertretung begeht, während sich der Angegriffene in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. ( 2 ) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen ( § 45 Abs. 2, 5).
§ 103
Beleidigung; von O r g a n e n u n d Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. ( 2 ) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ( § 1 1 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen. 25
Preisendanz, StGB, 29. Aufl.
385
§§ 104, 1 0 4 a
S t r a f t a t e n gegen ausländische S t a a t e n
§ 104
Verletzung: von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten (1) Wer eine auf Grund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigte Flagge eines ausländischen Staates oder wer ein Hoheitszeichen eines solchen Staates, das von einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich angebracht worden ist, entfernt, zerstört, beschädigt oder unkenntlich macht oder wer beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
§ 104 a Voraussetzungen der Strafverfolgung Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.
386
Vierter Abschnitt: Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen (§§ 105—108 d) Vorbemerkung Die derzeitige F a s s u n g dieses A b s c h n i t t s (§§ 105—108d) g e h t im wesentlichen auf das 3. S t r R Ä n d G v o m 4. 8. 1953 zurück. Die §§ 105, 106, 108 w u r d e n jedoch d u r c h d a s 8. S t r R Ä n d G u n d die §§ 106a, 106b, 1 0 8 b — d d u r c h d a s E G S t G B n e u g e f a ß t . Anliegen der §§ 105—106b ist es, die reibungslose Tätigkeit der Verfassungsorgane zu gewährleisten. Die folgenden B e s t i m m u n g e n schützen d e n W ä h l e r w i l l e n . D e r B e g r i f f d e r W a h l ist in § 108d gesetzlich definiert.
§ 105
Nötigung von
Yerfassungsorganen
(1) Wer 1. ein Gesetzesorgan des B u n d e s oder eines L a n d e s oder e i n e n seiner A u s schüsse, 2. die B u n d e s v e r s a m m l u n g oder e i n e n ihrer A u s s c h ü s s e oder 3. die R e g i e r u n g oder das Verfassungsgericht des B u n d e s oder e i n e s L a n d e s rechtswidrig m i t Gewalt oder durch D r o h u n g m i t Gewalt nötigt, ihre B e f u g n i s s e nicht oder i n e i n e m b e s t i m m t e n Sinne a u s z u ü b e n , wird m i t Freiheitsstrafe v o n e i n e m J a h r bis z u z e h n J a h r e n bestraft. ( 2 ) I n m i n d e r s c h w e r e n F ä l l e n ist die Strafe Freiheitsstrafe v o n s e c h s M o n a t e n bis z u f ü n f J a h r e n . 1. Die d u r c h das 8. S t r R Ä n d G n e u g e f a ß t e Vorschrift e n t h ä l t einen Sondertatb e s t a n d der Nötigung. Geschützt sind die wichtigsten Verfassungsorgane des B u n d e s u n d der L ä n d e r . Die Vorschrift g e h t insoweit über die frühere F a s s u n g h i n a u s , n a c h der n u r die Gesetzgebungsorgane u n d ihre Mitglieder geschützt w a r e n . 2. Täter k a n n auch ein Mitglied der g e s c h ü t z t e n Verfassungsorgane sein. 3. Die Tathandlung b e s t e h t d a r i n , d a ß die geschützten Organe genötigt werden, ihre Befugnisse n i c h t oder nicht in einem b e s t i m m t e n Sinn auszuüben. Z u m Begriff der N ö t i g u n g siehe die A u s f ü h r u n g e n zu § 240. 4. I m Gegensatz zur N ö t i g u n g des § 240 e n t h ä l t § 105 keinen sog. offenen oder ergänzungsbedürftigen T a t b e s t a n d , bei dem die Verbotsmaterie n i c h t erschöpfend beschrieben ist, so d a ß der U n r e c h t s g e h a l t der T a t erst d u r c h Rückgriff auf die dem T a t b e s t a n d zugrundeliegende N o r m e r m i t t e l t werden k a n n (vgl. V o r b e m . A T , Abschn. B V I 2, S. 21 f.). Zur B e s t i m m u n g der Rechtswidrigkeit bedarf es d a h e r a u c h keines Rückgriffs auf die F o r m e l des § 240 Abs. 2 (a.A. die h . L . , vgl. Schönke26'
387
§106
S t r a f t a t e n gegen Verfassungsorgane usw.
Schröder 10; Schwalm L K 16f.; Lackner-Maassen 4 ; D r e h e r 3 sowie Woesner N J W 1968, 2129, 2131, w o n a c h § 240 Abs. 2 entsprechend a n w e n d b a r sein soll, w a s jedoch schon deshalb bedenklich erscheint, weil § 240 Abs. 2 einen besonders groben Angriff auf die E n t s c h l u ß f r e i h e i t u n d einen e r h ö h t e n G r a d sittlicher Mißbilligung erfordert, vgl. § 240 A n m . 5). Die besondere E r w ä h n u n g der R e c h t s widrigkeit in § 105 k a n n ähnlich wie bei a n d e r e n T a t b e s t ä n d e n (z.B. in § 303) n u r als Hinweis d a h i n v e r s t a n d e n werden, d a ß es a u c h bei § 105 Fälle geben k a n n , bei d e n e n eine t a t b e s t a n d s m ä ß i g e N ö t i g u n g v o n Verfassungsorganen ausnahmsweise n i c h t rechtswidrig ist. H i e r b e i ist z u b e a c h t e n , d a ß die Rechtswidrigkeit n i c h t schon deshalb e n t f ä l l t , weil d e r d u r c h die N ö t i g u n g e r s t r e b t e Zweck als solcher n i c h t rechtswidrig ist. N u r w e n n a u c h d a s z u r E r r e i c h u n g eines r e c h t m ä ß i g e n Zwecks eingesetzte Mittel r e c h t m ä ß i g , d . h . r e c h t s s t a a t l i c h legitim ist, k a n n die Rechtswidrigkeit entfallen. Bei Gewalt u n d D r o h u n g m i t Gewalt als t a t b e s t a n d s m ä ß i g e n Mitteln lassen sich Situationen, bei d e n e n die Rechtswidrigkeit v e r n e i n t w e r d e n k ö n n t e , jedoch p r a k t i s c h k a u m d e n k e n . Dies gilt a u c h f ü r Streiks u n d Dem o n s t r a t i o n e n , soweit diese i n Gewalt a u s a r t e n . R e c h t m ä ß i g w ä r e jedoch die A n w e n d u n g des i n A r t . 37 GG vorgesehenen B u n d e s z w a n g s gegenüber einem B u n d e s l a n d (eine K o n f l i k t s i t u a t i o n , die bisher noch n i c h t eingetreten ist). 4. IdK. ist möglich m i t §§ 81f. u n d § 106. Gegenüber § 240 g e h t § 105 als d a s speziellere Delikt v o r . 5. Prozessual b e a c h t e §§ 153d, 153e S t P O (Absehen von Strafe) u n d § 120 Abs. 1 N r . 5 GVG (Zuständigkeit des OLG).
§ 106
Nötigung d e s Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungrsorgrans
(1) Wer 1. d e n Bundespräsidenten oder 2. e i n Mitglied a ) e i n e s Gesetzgebungsorgans des B u n d e s oder eines Landes, b ) der B u n d e s v e r s a m m l u n g oder c ) der R e g i e r u n g oder des Verfassungsgerichts des B u n d e s oder e i n e s Landes rechtswidrig m i t Gewalt oder durch D r o h u n g m i t e i n e m empfindlichen Ü b e l nötigt, seine B e f u g n i s s e n i c h t oder i n e i n e m b e s t i m m t e n Sinne a u s z u ü b e n , wird m i t Freiheitsstrafe v o n drei M o n a t e n bis z u f ü n f J a h r e n bestraft. ( 2 ) D e r V e r s u c h ist s t r a f b a r . ( 3 ) I n besonders s c h w e r e n F ä l l e n ist die Strafe Freiheitsstrafe v o n e i n e m J a h r bis z u z e h n J a h r e n . Neufassimg d u r c h das 8. S t r R Ä n d G . I m Gegensatz zur f r ü h e r e n F a s s u n g wird j e t z t a u c h d e r Fall e r f a ß t , d a ß ein Parlamentsmitglied oder ein sonstiges Mitglied der in §§ 105, 106 geschützten Verfassungsorgane genötigt wird, seine S t i m m e i n b e s t i m m t e r R i c h t u n g abzugeben. N i c h t e r f a ß t wird dagegen d e r Fall, d a ß ein P a r l a m e n t s m i t g l i e d d u r c h T ä u s c h u n g oder Bestechung i n seiner E n t s c h e i d u n g beeinflußt wird. Die A u s f ü h r u n g e n zu § 105 gelten im übrigen entsprechend. 388
S t r a f t a t e n gegen Verfassungsorgane u s w .
§ 106 a
§§ I 0 6 a ,
1.06 b
BannkrciNvcrletzung;
(1) Wer innerhalb des befriedeten Bannkreises u m das Gebäude eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes sowie des Bundesverfassungsgerichts an öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen teilnimmt und dadurch Vorschriften verletzt, die über den Bannkreis erlassen worden sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft. (2) Wer zu Versammlungen oder Aufzügen auffordert, die unter Verletzung der in Absatz 1 genannten Vorschriften innerhalb eines befriedeten Bannkreises stattfinden sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft. 1. B e a c h t e hierzu § 16 VersG ( A n h a n g 5) u n d die B a n n m e i l e n g e s e t z e von B u n d u n d L ä n d e r n . D a s B u n d e s b a n n m e i l e n G v o m 6. 8. 1955 (BGBl. I 504) w u r d e zuletzt d u r c h Ges. v o m 28. 5. 1969 (BGBl. I 449) g e ä n d e r t . 2. Abs. 2 e n t h ä l t e i n e n S o n d e r f a l l
§ 106 b
versuchter
Anstiftung.
Störung: der Tätigkeit eines Gesetzgrebungsorgrans
(1) Wer gegen Anordnungen verstößt, die ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder sein Präsident über die Sicherheit und Ordnung im Gebäude des Gesetzgebungsorgans oder auf dem dazugehörenden Grundstück allgemein oder im Einzelfall erläßt, und dadurch die Tätigkeit des Gesetzgebungsorgans hindert oder stört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Strafvorschrift des Absatzes 1 gilt bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder seines Präsidenten weder f ü r die Mitglieder des Bundestages noch f ü r die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten, bei Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans eines Landes oder seines Präsidenten weder f ü r die Mitglieder der Gesetzgebungsorgane dieses Landes noch f ü r die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten. 1. D i e N e u f a s s u n g der Vorschrift d u r c h das E G S t G B b e s c h r ä n k t sich auf die strafrechtliche E r f a s s u n g v o n Störungen, d u r c h die das betroffene Gesetzgebungso r g a n (siehe hierzu § 90 b A n m , 1) u n t e r Verstoß gegen die zur E r h a l t u n g v o n Sicherheit u n d O r d n u n g erlassenen A n o r d n u n g e n in seiner Tätigkeit beeinträchtigt wird. 2. Der s u b j . T b . e r f o r d e r t Vorsatz (vgl. § 15).Dieser m u ß sich a u c h auf das Bestehen der z u r E r h a l t u n g von Sicherheit u n d O r d n u n g erlassenen A n o r d n u n g e n erstrecken. 3. IdK. ist möglich m i t §§ 105—106a sowie m i t § 123. Die f r ü h e r e Subsidiaritätsklausel ist weggefallen. E r g ä n z e n d b e a c h t e § 112 O W i G (Verletzung d e r H a u s o r d n u n g eines Gesetzgebungsorgans, vgl. A n h . 4). 4. Abweichend von d e r f r ü h e r e n F a s s u n g ist eine besondere Ermächtigung z u r S t r a f v e r f o l g u n g nicht m e h r erforderlich.
389
§§ 1 0 7 , 1 ()7 ¿1 § lOV
S t r a f t a t e n gegen Verfassungsorgane usw.
Wahlbehinderung:
( 1 ) W e r m i t G e w a l t o d e r d u r c h D r o h u n g m i t G e w a l t e i n e W a h l o d e r die Feststellung ihres Ergebnisses verhindert oder stört, wird m i t Freiheitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n o d e r m i t G e l d s t r a f e , i n b e s o n d e r s s c h w e r e n F ä l l e n m i t Freiheitsstrafe nicht unter einem J a h r bestraft. ( 2 ) D e r V e r s u c h ist s t r a f b a r . 1. Geschützt ist der W a h l v o r g a n g als solcher. Der einzelne Wähler wird durch §108 geschützt. 2. Der B e g r i f f d e r W a h l ist in § 108d gesetzlich definiert. 3. § 240 t r i t t als subsidär z u r ü c k , m i t § 108 ist jedoch I d K . möglich. 4. Beispiel: A u s P r o t e s t gegen die angeblich verfehlte Gebietsreform einer L a n d e s r e g i e r u n g blockieren bei einer L a n d t a g s w a h l radikale G r u p p e n den Z u g a n g zu b e s t i m m t e n Wahllokalen, so d a ß eine größere A n z a h l B ü r g e r ihr W a h l r e c h t n i c h t a u s ü b e n k a n n . H i e r k o m m t n e b e n § 107 in T a t e i n h e i t § 108 in B e t r a c h t .
§I07a
Wahlfälschung:
(1) W e r u n b e f u g t w ä h l t oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer W a h l h e r b e i f ü h r t oder das Ergebnis v e r f ä l s c h t , wird m i t Freiheitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, w e r das Ergebnis einer W a h l unrichtig verkündet oder verkünden läßt. ( 3 ) D e r V e r s u c h ist s t r a f b a r . 1. U n b e f u g t w ä h l t , wer kein W a h l r e c h t h a t oder d o p p e l t w ä h l t . Auch die W a h l u n t e r falschem N a m e n g e h ö r t hierher. 2. E i n u n r i c h t i g e s E r g e b n i s f ü h r t herbei, wer einen U n b e f u g t e n (s.o. 1) zur W a h l z u l ä ß t , falsche W a h l l i s t e n aufstellt oder ähnliche H a n d l u n g e n v o r n i m m t , d u r c h die d a s Wahlergebnis beeinflußt wird. 3. D a s E r g e b n i s v e r f ä l s c h t , wer n a c h Abschluß der W a h l u n b e f u g t Stimmzettel e n t f e r n t oder h i n z u f ü g t . A u c h die falsche A u s z ä h l u n g u n d A u s w e r t u n g der S t i m m e n gehört hierher (vgl. R G 20, 420; 56, 389; h . L . ) . 4. T ä t e r n a c h Abs. 2 k a n n n u r sein, wer die ö f f e n t l i c h e A u f g a b e h a t , das Wahlergebnis zu v e r k ü n d e n bzw. v e r k ü n d e n zu lassen, oder wer sich eine derartige A u f g a b e a n m a ß t (in diesem F a l l ist I d K . m i t § 132 möglich). 5. Der auf der subj. Tatseite erforderliche Vorsatz (bedingter Vorsatz genügt) m u ß sich insbesondere auf die m a n g e l n d e Befugnis z u m W ä h l e n bzw. d a r a u f erstrecken, d a ß das herbeigeführte oder v e r k ü n d e t e Ergebnis unrichtig i s t (vgl. Schwalm L K 6; Dreher 2; Lackner-Maassen 1; Schröder J Z 1957, 584; a . A . H a m m N J W 1957, 638). 6. I d K . ist möglich m i t §§ 107, 267, 274. Gegenüber § 107b geht § 107a v o r . § 111 OWiG (falsche N a m e n s a n g a b e , vgl. A n h . 4) ist ebenfalls subsidiär.
390
Straftaten gegen Verfassungsorgane usw.
§ 107 b
§ § 1 0 7 K> — 1 0 $ : l
F ä l s c h u n g : von Wahlunterlagren
Wer 1. seine Eintragung in die Wählerliste (Wahlkartei) durch falsche Angaben erwirkt, 2. einen anderen als Wähler einträgt, von dem er weiß, daß er keinen Anspruch auf Eintragung hat, 3. die Eintragung eines Wahlberechtigten als Wähler verhindert, obwohl er dessen Wahlberechtigung kennt, 4. sich als Bewerber für eine Wahl aufstellen läßt, obwohl er nicht wählbar ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachzig Tagessätzen bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Hier werden bestimmte V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n zu dem Vergehen des § 107a unter Strafe gestellt. Zu beachten ist die S u b s i d i a r i t ä t s k l a u s e l .
§ l O V c Verletzung: des W a h l g e h e i m n i s s e s Wer einer dem Schutz des Wahlgeheimnisses dienenden Vorschrift in der Absicht zuwiderhandelt, sich oder einem anderen Kenntnis davon zu verschaffen, wie jemand gewählt hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die als Blankett-Tb. gefaßte Vorschrift schützt das Wahlgeheimnis. Nicht hierher gehört die Erkundimg, ob jemand überhaupt gewählt hat.
§ 108
Wählernötigrun g:
(1) Wer rechtswidrig mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel, durch Mißbrauch eines beruflichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses oder durch sonstigen wirtschaftlichen Druck einen anderen nötigt oder hindert, zu wählen oder sein Wahlrecht in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. Die Vorschrift will die a b s o l u t e F r e i h e i t des W ä h l e r s , ob und wie er wählen will, sicherstellen. N i c h t hierher gehören Überredung und Täuschung. Siehe jedoch § 108a. 2. IdK. ist möglich mit §§ 107, 107 a. Gegenüber § 240 geht § 108 vor.
§ lOSa
Wählertäuschung:
(1) Wer durch Täuschung bewirkt, daß jemand bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen nicht oder ungültig wählt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. § 107a ist nach h.A. subsidiär (zw.). 391
§§ 108 b—lOS d § 108 b
S t r a f t a t e n gegen Verfassungsorgane usw.
Wählerbestechungr
( 1 ) W e r e i n e m anderen dafür, daß er n i c h t oder i n e i n e m b e s t i m m t e n Sinne w ä h l e , G e s c h e n k e oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder g e w ä h r t , wird m i t Freiheitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. ( 2 ) E b e n s o wird bestraft, w e r dafür, daß er n i c h t oder i n e i n e m b e s t i m m t e n Sinne w ä h l e , G e s c h e n k e oder andere Vorteile fordert, s i c h versprechen läßt oder a n n i m m t . 1. Die S t r a f d r o h u n g richtet sich — ähnlich wie bei der B e a m t e n b e s t e c h u n g g e m ä ß §§ 332, 333 — sowohl gegen d e n S t i m m e n k ä u f e r als a u c h gegen den S t i m m e n v e r k ä u f e r . Sollen die beiderseitigen Versprechungen innerem Vorbeh a l t entsprechend n i c h t eingehalten werden, so ist u n g e a c h t e t deren Sittenwidrigkeit I d K . m i t B e t r u g (§ 263) möglich. 2. N i c h t hierher gehört d i e B e s t e c h u n g eines A b g e o r d n e t e n m i t d e m Ziel, ihn bei der A u s ü b u n g seines S t i m m r e c h t s i n n e r h a l b eines b e s t i m m t e n p a r l a m e n t a r i schen Gremiums zu beeinflussen (vgl. § 108d). 3. B e a c h t e §§ 73 ff. (Verfallsanordnung hinsichtlich des a u s d e r T a t e r l a n g t e n Vermögensvorteils). Die f r ü h e r in Abs. 3 e n t h a l t e n e , d u r c h das E G S t G B aufgehobene Sonderregelung ist d a d u r c h entbehrlich geworden. § 108 c
Nebenfolgren
N e b e n einer Freiheitsstrafe v o n m i n d e s t e n s s e c h s M o n a t e n w e g e n e i n e r Straftat n a c h den §§ 107, 107 a, 108 u n d 108 b k a n n das Gericht die F ä h i g k e i t , R e c h t e a u s öffentlichen W a h l e n z u erlangen, u n d das R e c h t , i n ö f f e n t l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n z u w ä h l e n oder z u s t i m m e n , a b e r k e n n e n ( § 45 Abs. 2, 5 ) . N e u f a s s u n g des E G S t G B . W e g e n Verlust der W ä h l b a r k e i t usw. siehe §§ 4 5 — 4 5 b nebst Anm. § 108 d
Geltungsbereich
D i e § § 107 bis 108 c g e l t e n f ü r W a h l e n z u d e n V o l k s v e r t r e t u n g e n u n d f ü r sonstige W a h l e n u n d A b s t i m m u n g e n des V o l k e s i m B u n d , i n d e n L ä n d e r n , G e m e i n d e n u n d Gemeindeverbänden. E i n e r W a h l oder A b s t i m m u n g s t e h t das U n t e r s c h r e i b e n eines W a h l v o r s c h l a g e s oder das U n t e r s c h r e i b e n f ü r e i n V o l k s b e g e h r e n gleich. 1. Die Legaldefinition e r f a ß t a) Wahlen zu den Volksvertretungen; hierher gehören insbesondere B u n d e s t a g s - , L a n d t a g s - , Bürgerschafts-, Kreistags- u n d G e m e i n d e r a t s w a h l e n ; b) Sonstige Wahlen und Abstimmungen des Volkes im B u n d , in d e n L ä n d e r n , Gemeinden u n d G e m e i n d e v e r b ä n d e n ; hierher gehören insbesondere Volksbegehren u n d Volksbefragungen, wie sie auf Bundesebene z. B . in A r t . 2 9 , 1 1 8 GG v o r gesehen s i n d ; c) das U n t e r s c h r e i b e n eines Wahlvorschlags oder f ü r ein Volksbegehren (Satz 2). 2. E n t g e g e n d e m ursprünglich weiter g e f a ß t e n R e g E nicht erfaßt werden W a h l e n u n d A b s t i m m u n g e n innerhalb der Volksvertretungen sowie a n d e r e W a h l e n in öffentlichen Angelegenheiten, z . B . innerhalb der Berufsorganisationen oder kirchliche W a h l e n . F ü r Betriebsratswahlen siehe § 119 BetriebsVerfG. 3. A u s d e m Schrifttum siehe D r e h e r J Z 1953, 427 sowie Wolf, S t r a f t a t e n bei W a h l e n u n d A b s t i m m u n g e n , B o n n 1961.
392
Fünfter Abschnitt: Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§
109—109k)
Vorbemerkung Die Vorschriften dieses Abschnitts gehen auf das 4. StrRÄndG vom 11. 6. 1957 zurück und ergänzen das WehrStG vom 30. 3. 1957. Teilweise handelt es sich um Tatbestände, die f ü r den Fall, daß sie von einem Soldaten erfüllt werden, unter die in Anhang 3 abgedruckten Sonderbestimmungen des WehrStG fallen. Siehe dort insbesondere §§ 16—20. Gemäß Art. 7 des 4. StrRÄndG vom 11. 6. 1957 (BGBl. I 597, letztes ÄndG vom 23. 11. 1973 (BGBl. I 1725) dienen die §§ 109ff. mit gewissen Einschränkungen auch dem Schutz der nichtdeutschen NATO-Vertragsstaaten. I n Berlin gelten die Vorschriften dieses Abschnitts jedoch nicht. Bei Auslandstaten beachte § 5 Nr. 5. Aus dem Schrifttum siehe insbesondere Lackner JZ 1957, 401; Kohlhaas N J W 1957, 932.
§ 109
WelirpflicJiteiitzieIlling: d u r c h
Verstümmelung:
(1) Wer sich oder einen anderen mit dessen Einwilligung durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder machen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu f ü n f Jahren bestraft. (2) Führt der Täter die Untauglichkeit nur für eine gewisse Zeit oder für eine einzelne Art der Verwendung herbei, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. (3) Der Versuch ist strafbar. 1. Die W e h r p f l i c h t ergibt sich aus §§ 1—3 WehrpflG. Wehrpflichtig ist auch der K r i e g s d i e n s t v e r w e i g e r e r , der zivilen Ersatzdienst zu leisten h a t . 2. Eine „Entziehung" liegt z.B. auch dann vor, wenn ein Wehrpflichtiger, um sich einer Wehrübung zu entziehen, den Termin einer medizinisch nicht gebotenen Schönheitsoperation vorverlegen läßt (vgl. BayObLG N J W 1973, 2257). 3. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. Bedingter Vorsatz genügt. 4. Wird die T a t von einem S o l d a t e n an sich oder einem anderen begangen, so kommt ausschließlich § 17 WStG in Betracht. 5. I d K . ist mit §§ 223 ff. möglieh (die Einwilligung rechtfertigt nicht, vgl. § 226a). 6. Bei A u s l a n d s t a t e n beachte § 5 Nr. 5a.
393
§§ 1 0 9 a—109d § 109 a
S t r a f t a t e n gegen die Landesverteidigung
Wehrp flicht entziehung: durch Täuschung:
( 1 ) W e r s i c h oder e i n e n anderen d u r c h arglistige, a u f T ä u s c h u n g berechnete M a c h e n s c h a f t e n der E r f ü l l u n g der Wehrpflicht dauernd oder f ü r eine g e w i s s e Zeit, g a n z oder f ü r eine einzelne Art der V e r w e n d u n g entzieht, wird m i t Freiheitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. ( 2 ) Der V e r s u c h ist strafbar. 1. A r t u n d U m f a n g der W e h r p f l i c h t ergeben sich a u s dem WehrpfliohtG (vgl. § 109 A n m . 1). 2. Als T a t h a n d l u n g k o m m e n n u r a r g l i s t i g e , a u f T ä u s c h u n g b e r e c h n e t e M a c h e n s c h a f t e n in B e t r a c h t , z . B . Vorspiegeln n i c h t v o r h a n d e n e r K r a n k h e i t e n , Vorlage falscher oder gefälschter Gesundheitszeugnisse. 3. S u b j e k t i v ist V o r s a t z erforderlich; bedingter Vorsatz g e n ü g t . 4. W i r d die T a t v o n einem S o l d a t e n begangen, der e n t w e d e r sich oder einen a n d e r e n Soldaten der W e h r p f l i c h t entziehen m ö c h t e , so k o m m t n u r § 18 W S t G in B e t r a c h t . 5. I d K . k o m m t in B e t r a c h t m i t §§ 267, 277, 279. 6. Bei A u s l a n d s t a t e n b e a c h t e § 5 N r . 5 b .
§ 1 0 9 b, 1 0 9 C
[weggefallen]
Die f r ü h e r in den §§ 109b u n d 109c geregelte Teilnahme von Nichtsoldaten a n bes t i m m t e n militärischen S t r a f t a t e n wird j e t z t d u r c h die allgemeinen Teilnahme Vorschriften des Wehrstrafgesetzes e r f a ß t (vgl. §§ 1 Abs. 3, 16 Abs. 4, 19 Abs. 4 W S t G , a b g e d r u c k t in A n h . 3).
§ 109 d
S t ö r p r o p a g a n d a g e g e n die Bundeswehr
( 1 ) W e r u n w a h r e oder gröblich entstellte B e h a u p t u n g e n tatsächlicher Art, deren Verbreitung geeignet ist, die Tätigkeit der B u n d e s w e h r z u stören, wider besseres W i s s e n z u m Z w e c k e der Verbreitung aufstellt oder s o l c h e B e h a u p t u n g e n i n K e n n t n i s ihrer U n w a h r h e i t verbreitet, u m die B u n d e s w e h r i n der Erf ü l l u n g ihrer A u f g a b e der Landesverteidigung z u behindern, wird m i t F r e i heitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. ( 2 ) D e r V e r s u c h ist strafbar. 1. Anliegen der Vorschrift ist es zu verhindern, d a ß die Moral der T r u p p e d u r c h Lügenpropaganda zersetzt wird. E r f a ß t werden jedoch n u r u n w a h r e oder gröblich entstellte B e h a u p t u n g e n tatsächlicher A r t , nicht auch diskriminierende W e r t u r t e i l e u n d Meinungsäußerungen, z . B . der Vorwurf des Faschismus oder des Militarismus. Die Vorschrift h a t deshalb in der P r a x i s keine große B e d e u t u n g erlangt (vgl. Greiser N J W 1973, 231). 394
Straftaten gegen die Landesverteidigung
§
109e
2. Die T a t h a n d l u n g besteht im Aufstellen und Verbreiten unwahrer oder grob entstellter Tatsachenbehauptungen. Diese müssen geeignet sein, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören. Eine derartige Störung liegt z.B. dann vor, wenn ganze Truppenteile in Unruhe oder in eine Stimmung versetzt werden, aus der heraus sich Panik, Aufruhr oder allgemeine Fahnenflucht ergeben können. Daß eine Störung dieser Art tatsächlich eintritt, ist nicht erforderlich. Es genügt bereits die k o n k r e t e G e f a h r e i n e r S t ö r u n g . Die Vorschrift wird dadurch zu einem konkreten Gefährdungsdelikt. 3. Der subj. Tb. erfordert zunächst Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz nicht ausreicht (vgl. die Formulierungen „wider besseres Wissen" und „in Kenntnis ihrer Unwahrheit"). Der Ausschluß des bedingten Vorsatzes hat sich jedoch als Mangel erwiesen, da im Rahmen der zuweilen erbittert geführten Angriffe gegen die Bundeswehr häufig Halbwahrheiten und Vermutungen bewußt ungeprüft übernommen werden (vgl. Greiser N J W 1973, 231). Der Täter muß weiter die Absicht haben, die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern. Der Tatbestand ist daher nicht erfüllt, wenn der Täter sieh nur wichtig machen will. 4. IdK. ist möglich mit §§ 91, 100a, 164, 186, 187, 187a. 5. Beachte § 5 Nr. 5b (Auslandstaten), §§ 109 i, k (Nebenfolgen) sowie §§ 153 d, 153 e StPO (Absehen von Strafe) und § 74a Abs. 1 Nr. 3 GVG (Zuständigkeit der sog. polit. Strafkammern). § 109 e
Saboiagehandlungen an
Verteidig^mgrsmitteln
(1) Wer ein Wehrmittel oder eine Einrichtung oder Anlage, die ganz oder vorwiegend der Landesverteidigung oder dem Schutz der Zivilbevölkerung gegen Kriegsgefahren dient, unbefugt zerstört, beschädigt, verändert, unbrauchbar macht oder beseitigt und dadurch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe oder Menschenleben gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer wissentlich einen solchen Gegenstand oder den dafür bestimmten Werkstoff fehlerhaft herstellt oder liefert und dadurch wissentlich die in Absatz 1 bezeichnete Gefahr herbeiführt. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. (5) Wer die Gefahr in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, in den Fällen des Absatzes 2 nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. 1. Zu Abs. 1: a) W e h r m i t t e l sind Gegenstände, die nach ihrer Natur oder auf Grund besonderer Zweckbestimmung für den bewaffneten Einsatz der Truppe geeignet und bestimmt sind, z.B. Waffen aller Art, Munition, Gasmasken, Militärfahrzeuge (auch requirierte Privatfahrzeuge), technische Instrumente wie Radaranlagen, aber auch Tiere, die zum Transport von Kriegsmaterial bestimmt sind.
395
§ 109f
S t r a f t a t e n gegen die L a n d e s v e r t e i d i g u n g
b) Geschützt sind ferner E i n r i c h t u n g e n u n d A n l a g e n , die ganz oder vorwiegend der L a n d e s v e r t e i d i g u n g oder d e m Schutz der Zivilbevölkerung dienen. H i e r h e r gehören B u n k e r , Munitionslager, Militärflugplätze, ferner L u f t s c h u t z a n lagen (öffentliche Keller, Stollen, Sirenen). c) Die T a t h a n d l u n g b e s t e h t im Zerstören, Beschädigen, V e r ä n d e r n , U n b r a u c h b a r m a c h e n oder Beseitigen. d) Als T a t f o l g e v e r l a n g t der T a t b e s t a n d e i n e G e f ä h r d u n g der Sicherheit der B R D , der S c h l a g k r a f t der T r u p p e oder v o n Menschenleben. e) S u b j e k t i v ist V o r s a t z erforderlich; bedingter Vorsatz g e n ü g t . Siehe jedoch Abs. 5. 2. Abs. 2 w e n d e t sich gegen d e n H e r s t e l l e r u n d L i e f e r a n t e n der in Abs. 1 geschützten W e h r m i t t e l , Anlagen u n d E i n r i c h t u n g e n sowie der d a f ü r b e s t i m m t e n Werkstoffe. H i e r ist hinsichtlich der in Abs. 1 als Tatfolge bezeichneten G e f a h r d e r b e s t i m m t e Vorsatz erforderlich. Siehe jedoch Abs. 5. 3. Der V e r s u c h ist sowohl bei Abs. 1 als a u c h bei Abs. 2 s t r a f b a r . 4. Wegen N e b e n f o l g e n siehe §§ 109i, k . 5. I d K . ist möglich m i t §§ 242, 246. Gegenüber § 315 g e h t § 109e vor. 6. Prozessual b e a c h t e §§ 153d, 153e S t P O (Absehen v o n Strafe) sowie § 74 a Abs. 1 N r . 3 GVG (Zuständigkeit der sog. polit. S t r a f k a m m e r n ) . 7. Bei A u s l a n d s t a t e n b e a c h t e § 5 N r . 5 a . § 109 f
Sicherheitsgefährdender Nachrichtendienst
( 1 ) W e r f ü r eine Dienststelle, e i n e Partei oder e i n e andere V e r e i n i g u n g außerhalb des r ä u m l i c h e n Geltungsbereichs dieses Gesetzes, f ü r e i n e verboten e Vereinigung oder f ü r e i n e n ihrer Mittelsmänner 1. N a c h r i c h t e n über A n g e l e g e n h e i t e n der Landesverteidigung s a m m e l t , 2. e i n e n Nachrichtendienst betreibt, der A n g e l e g e n h e i t e n der Landesverteidig u n g z u m Gegenstand h a t , oder 3. f ü r eine dieser Tätigkeiten anwirbt oder sie unterstützt u n d dadurch B e s t r e b u n g e n dient, die g e g e n die Sicherheit der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d oder die Schlagkraft der Truppe gerichtet sind, wird m i t F r e i heitsstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft, w e n n die Tat nicht i n a n d e r e n Vorschriften m i t schwererer Strafe bedroht ist. A u s g e n o m m e n ist e i n e zur Unterrichtung der Öffentlichkeit i m R a h m e n der ü b l i c h e n Presse- oder Funkberichterstattung a u s g e ü b t e Tätigkeit. ( 2 ) D e r V e r s u c h ist strafbar. 1. Die auf d a s 8. S t r Ä n d G zurückgehende, d u r c h das E G S t G B n u r redaktionell g e ä n d e r t e Vorschrift liegt im Vorfeld des L a n d e s v e r r a t s u n d der G e f ä h r d u n g d e r ä u ß e r e n Sicherheit. Geschützt sind die A u f g a b e n u n d Interessen der L a n d e s v e r t e i digung, u n d zwar ohne R ü c k s i c h t d a r a u f , o b die Angelegenheit geheimhaltungsb e d ü r f t i g ist u n d ob ihre K e n n t n i s der f r e m d e n Dienststelle usw., f ü r die der T ä t e r t ä t i g wird, n ü t z t ( B G H 15,161). E s ist a u c h n i c h t erforderlich, d a ß die Angelegenheit der Landesverteidigung, auf die sich der N a c h r i c h t e n d i e n s t usw. bezieht, z . B . eine strategisch wichtige S t r a ß e oder ein Marine- oder L u f t s t ü t z p u n k t , sich im r ä u m lichen Geltungsbereich des S t G B befindet.
396
Straftaten gegen die Landesverteidigung
§ lOOgr
2. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Täter muß insbesondere wissen (oder billigend in Kauf nehmen), daß die von ihm gesammelten Nachrichten usw. für eine ausländische Dienststelle, Partei usw. bestimmt sind und daß er sich durch seine Tätigkeit in den Dienst von Bestrebungen stellt, die der Sicherheit des Landes oder der Schlagkraft der Truppe schaden könnten. Eine darüber hinausgehende staatsgefährdende Absicht ist nicht erforderlich. 3. Das P r e s s e p r i v i l e g des Abs. 1 Satz 2 schließt bereits den Tatbestand aus, ist also nicht nur ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund. Als nicht üblich dürfte eine Berichterstattung dann zu gelten haben, wenn sie sich in Detailschilderungen verliert, an deren Kenntnisnahme das breite Publikum kein Interesse hat. In einem solchen Fall besteht zum mindesten der dringende Verdacht, daß mit solchen Schilderungen ein ausländischer Nachrichtendienst bedient werden soll. 4. Zu beachten ist die S u b s i d i a r i t ä t s k l a u s e l . § 109f ist insbesondere subsidiär hinter §§ 94—96, 98, 99. I d K ist dagegen möglich mit § 109g. 5. Wegen N e b e n f o l g e n siehe §§ 109i,k. 6. P r o z e s s u a l beachte §§ 153 c—e StPO (Absehen von Strafe) sowie § 74 Abs. 1 Nr. 3 GVG (Zuständigkeit der sog. polit. Strafkammern).
§ 109gr
Sicherheitsgefährdendes Abbilden
(1) Wer von einem Wehrmittel, einer militärischen Einrichtung oder Anlage oder einem militärischen Vorgang eine Abbildung oder Beschreibung anfertigt oder eine solche Abbildung oder Beschreibung a n einen anderen gelangen läßt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer von einem Luftfahrzeug aus eine Lichtbildaufnahme von einem Gebiet oder Gegenstand i m räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes anfertigt oder eine solche Aufnahme oder eine danach hergestellte Abbildung an einen anderen gelangen läßt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in Absatz 1 mit Strafe bedroht ist. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Abbildung oder Beschreibung an einen anderen gelangen läßt und dadurch die Gefahr nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder leichtfertig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat ist jedoch nicht strafbar, wenn der Täter mit Erlaubnis der zuständigen Dienststelle gehandelt hat. 1. Die T a t o b j e k t e sind die gleichen wie bei der Wehrmittelsabotage in § 109e. Auch der Z w e c k d e r V o r s c h r i f t ist derselbe: Es soll verhindert werden, daß die Sicherheit des Landes oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet werden. 2. Subjektiv ist in Abs. 1 und Abs. 2 V o r s a t z erforderlich, wobei bedingter Vorsatz nicht genügt. Siehe jedoch Abs. 4, der dem § 109e Abs. 5 entspricht. 397
§§ 109 ll—109 k
Straftaten gegen die Landesverteidigung
3. Die in Abs. 4 genannte E r l a u b n i s d e r z u s t ä n d i g e n B e h ö r d e ist ein S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d , auf den sich der Vorsatz nicht erstrecken muß. 4. IdK. ist inabesondere möglich mit §§ 98, 99, 109 f. Zu beachten ist ferner das L u f t v e r k e h r s G i.d.F. vom 4. 11. 1968 (BGBl. I 1113), wonach a u ß e r h a l b d e s F l u g d i e n s t e s Luftbilder nur mit behördlicher Erlaubnis gefertigt und in Verkehr gebracht werden dürfen. Verstöße hiergegen werden als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahnet (vgl. § 61 a.a.O.). Gegenüber §§ 94—96 ist § 109g subsidiär. 5. Beachte §§ 109i, k (Nebenfolgen), 153c—153d StPO (Absehen von Strafe) und § 74 Abs. 1 Nr. 3 GVG (Zuständigkeit der sog. politischen Strafkammern). § 109 h Anwerben für fremden Wehrdienst (1) Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift dient vor allem der Erhaltung der deutschen Wehrkraft. 2. Bei Auslandstaten siehe § 5 Nr. 5 b. 3. IdK. ist möglich mit §§ 144, 234. Ergänzend beachte §§ 23, 46 AuswandG i.d.F. des EGStGB (BGBl. 1974 X, S. 556). 4. Beachte §§ 109i, k (Nebenfolgen). § 109i
Nebenfolgen
Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat nach den §§ 109 e und 109 f kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen ( § 4 5 Abs. 2, 5). Die Vorschrift entspricht der in § 92 a für die Tatbestände des 1. Abschnitts getroffenen Regelung. Ihre derzeitige Fassung geht auf das EGStGB zurück. § 109 k Einziehung: Ist eine Straftat nach den §§ 109 d bis 109 g begangen worden, so können 1. Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, und 2. Abbildungen, Beschreibungen und Aufnahmen, auf die sich eine Straftat nach § 109 g bezieht, eingezogen werden. § 74 a ist anzuwenden. Gegenstände der in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Art werden auch ohne die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 eingezogen, wenn das Interesse der Landesverteidigung es erfordert; dies gilt auch dann, wenn der Täter ohne Schuld gehandelt hat. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift entspricht der in § 92 b f ü r die Tatbestände des 1. Abschnitts getroffenen Reglung.
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Sechster Abschnitt: Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§
110—121)
Vorbemerkungen 1. Die W i d e r s t a n d s d e l i k t e w u r d e n d u r c h das 3. StrRG v o m 20. 5. 1970 (BGBl. I 505) grundlegend u m g e s t a l t e t . I m V o r d e r g r u n d der R e f o r m s t a n d d a s B e m ü h e n , das noch aus d e m J a h r 1871 s t a m m e n d e sog. Demonstrationsstrafrecht, d a s d u r c h die U n r u h e n der letzten J a h r e aus seinem j a h r z e h n t e l a n g e n Dornröschenschlaf gerissen w u r d e u n d z u n e h m e n d öffentlicher K r i t i k ausgesetzt w a r , zu „ d e m o k r a t i sieren" u n d so zu gestalten, d a ß „friedliches Demonstrieren kein Risiko m e h r d a r s t e l l t " (Abg. de W i t h in der B T - S i t z u n g v o m 18. 3. 1970, S. 1947 des stenographischen Berichts). Andererseits m u ß t e der Schutz der Allgemeinheit vor Ausschreitungen im Z u s a m m e n h a n g m i t D e m o n s t r a t i o n e n n a c h wie vor gewähr leistet bleiben. N a c h m o n a t e l a n g e n B e r a t u n g e n der p a r l a m e n t a r i s c h e n Gremien h a t der B T - S o n d e r a u s s c h u ß f ü r die S t r a f r e c h t s r e f o r m eine Lösung g e f u n d e n , die n a c h Ansicht seines B e r i c h t e r s t a t t e r s de W i t h ( a . a . O . S. 1947) „verfassungskonf o r m u n d auf der H ö h e unserer Z e i t " ist u n d v o m B u n d e s t a g in seiner Sitzung v o m 18. 3. 1970 gegen die S t i m m e n der C D U / C S U - F r a k t i o n verabschiedet w u r d e . Die bisherigen Vorschriften ü b e r A u f r u h r (§ 115) u n d L a n d f r i e d e n s b r u c h (§ 125) wurd e n in den §§ 125, 125 a n e u z u s a m m e n g e f a ß t u n d so gestaltet, d a ß sich n u r n o c h die eigentlichen G e w a l t t ä t e r , ihre Teilnehmer u n d ihre H i n t e r m ä n n e r s t r a f b a r m a c h e n . D e r f r ü h e r in § 116 als Vergehen s t r a f b a r e sog. Auflauf w u r d e d u r c h A r t . 2 des 3. S t r R G zu einer Ordnungswidrigkeit h e r a b g e s t u f t u n d d u r c h das E G S t G B als § 113 in das OWiG a u f g e n o m m e n e n (abgedruckt in A n h a n g 4); die §§ 23, 29 Abs. 4 des Versammlungsgesetzes werden ersatzlos gestrichen. 2. Die übrigen Vorschriften des 3. S t r R G b e t r a f e n im wesentlichen weitere Tatbestände des 6. A b s c h n i t t s des Strafgesetzbuchs. a) § 110 (öffentliche A u f f o r d e r u n g z u m U n g e h o r s a m gegen Gesetze, Verordn u n g e n usw.) w u r d e als „ R e l i k t obrigkeitlichen D e n k e n s " (vgl. Bericht des Sonderausschusses, S. 2 der B T - D r u c k s a c h e VI/502) ersatzlos gestrichen. Z u r B e g r ü n d u n g w u r d e u . a . d a r a u f hingewiesen, d a ß alle wirklich s t r a f w ü r d i g e n Fälle d u r c h § 111 e r f a ß t werden k ö n n t e n u n d a u ß e r d e m sowohl das Zivilrecht als a u c h d a s ö f f e n t liche R e c h t , v o r allem das Polizeirecht u n d das Disziplinarrecht d e r öffentlichen L e h r a n s t a l t e n , ausreichend Möglichkeiten zu G e g e n m a ß n a h m e n bieten w ü r d e n . b) § 111 blieb in g e ä n d e r t e r F o r m e r h a l t e n (inzwischen d u r c h das E G S t G B e r n e u t geändert). c) I n § 113 w u r d e Abs. 1 redaktionell g e ä n d e r t , in Abs. 2 w u r d e eine S t r a f d r o h u n g f ü r b e s o n d e r s schwere Fälle a u f g e n o m m e n , in Abs. 3 w u r d e klargestellt, d a ß der W i d e r s t a n d gegen eine n i c h t rechtmäßige A m t s h a n d l u n g a u c h d a n n n i c h t s t r a f b a r ist, w e n n der T ä t e r sie irrig f ü r r e c h t m ä ß i g h ä l t , w ä h r e n d u m g e k e h r t A b s . 4 die Möglichkeit b i e t e t , bei einem T ä t e r , der s c h u l d h a f t a n n i m m t , die o b j e k t i v r e c h t m ä ß i g e A m t s h a n d l u n g sei rechtswidrig, die S t r a f e zu mildern oder ganz v o n S t r a f e abzusehen. D e r schuldlos irrende T ä t e r , d e m a u c h n i c h t z u z u m u t e n ist,
399
§§ llO, III.
Widerstand gegen die Staatsgewalt
sich mit Rechtsmitteln gegen die vermeintlich rechtswidrige Amtshandlung zu wehren, bleibt immer straflos. d) § 114 a.F. (Beamtennötigung) wurde ersatzlos gestrichen. Die früher unter die Vorschrift fallenden Nötigungen werden jetzt durch den allgemeinen Tatbet a n d des § 240 erfaßt. e) § 114 n.F. erweitert den Anwendungsbereich des § 113 auf Personen, die zwar keine Amtsträger sind, dessen ungeachtet jedoch hoheitsrechtliche Aufgaben erfüllen oder zur Unterstützung bei Vollstreckungshandlungen herangezogen werden und deshalb gesteigerten Gefahren ausgesetzt sind. Die Vorschrift bildet einen gewissen Ersatz dafür, daß der früher in § 117 enthaltene Tatbestand des Forstwiderstands aufgehoben wurde. f) Über die Aufhebung der §§ 115, 116 (Aufruhr und Auflauf) siehe oben Vorbem. 1. g) Die Strafvorschriften über den Forstwiderstand (§§ 117, 118) wurden aufgehoben. Die im Interesse des Forst- und Jagdschutzes tätigen Personen sind hierdurch jedoch nicht schutzlos den Angriffen der Wilderer preisgegeben. Soweit es sich um Beamte handelt, fallen Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsmaßnahmen sowie tätliche Angriffe unter § 113; soweit der Forst- und Jagdschutz durch Privatpersonen versehen wird, kann Abs. 1 des neuen § 114 eingreifen. 3. Aus dem Schrifttum zu den vorausgegangenen Entwürfen sind folgende Veröffentlichungen hervorzuheben: Müller-Emmert Z R P 1970, 1; Eb. Schmidt ZStW Bd. 82, 1; Baumann und Frosch JZ 1970, 113 (zum SPD/FDP-Entwurf) sowie Frosch Z R P 1970,53 und Baumann Z R P 1970, 56 (zum CDU/CSU-Entwurf). Zum Ganzen siehe auch Blei J A 1969, StR S. 65, 85, 207; 1970 StR S. 83; ferner Tiedemann JZ 1969, 717 sowie Strafrechtspolitik und Dogmatik in den Entwürfen zu einem dritten Strafrechtsreformgesetz, 1970. Zum 3. StrRG selbst siehe vor allem Dreher N J W 1970, 1153.
§ H O
§
[Aufgehoben durch das 3. StrRG, s. o. Vorbem. 2]
1 1 1 Öffentliche Aufforderung: z u
Straftaten
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft. (2) Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. 1. Anliegen der zuletzt durch das EGStGB neu gefaßten Vorschrift ist es, drohenden Eskalationen möglichst frühzeitig mit den Mitteln des Strafrechts begegnen zu können. Von der A n s t i f t u n g des § 26 unterscheidet sich § 111 dadurch, daß die Aufforderung nicht gegenüber einer bestimmten Person erfolgt, sondern öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften usw. E r f a ß t werden soll vor allem derjenige, der in Krisenzeiten vor Demonstrationen und ähnlichen Aktionen die Menge „aufheizt" und hierdurch rational nicht mehr kontrollierbare Instinkte weckt. — Schrifttum: Dreher, Der Paragraph mit dem Januskopf, Gallas-Festschrift, 1973, S. 307.
400
Widerstand gegen die Staatsgewalt
§ 111
2. Öffentlich ist die Aufforderung, wenn sie von einem größeren, nach H e r k u n f t und Zahl unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden kann, z.B. im Rahmen einer öffentlichen Diskussion, bei einer Wahlversammlung oder bei einem sog. Teach-in, aber auch bei einer laut geführten Unterhaltung in einem Gasthaus oder in einer Schule sowie auf offener Straße. Öffentlichkeit des Orts ist nicht erforderlich, in der Regel aber ausreichend (vgl. R G 63, 431; 73, 90; Dreher 2 Da). 3. Versammlung ist wie in § 80a (siehe dort Anm. 2b) jedes räumliche Zusammentreffen einer Mehrzahl von Personen zur Erörterung oder Verfolgung bestimmter Zwecke. Nicht hierher gehören Familientreffen und ähnliche rein private Veranstaltungen. Andererseits ist nicht erforderlich, daß die Versammlung öffentlich ist. Diese Tatbestandsalternative will vielmehr gerade solche Äußerungen erfassen, die mangels Öffentlichkeit sonst nicht tatbestandsmäßig wären. Zum Ganzen siehe auch Frohwein N J W 1969, 1081. 4. Über das Verbreiten von Schriften usw. siehe § 11 Abs. 3 nebst Anm. X I . Zu den Schriften gehören vor allem auch Flugblätter. Eine Schrift ist verbreitet, wenn sie einem größeren, f ü r den Täter nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis zugänglich gemacht worden ist (BGH 13, 257). 5. Aufforderung ist jede Einwirkung auf andere mit dem Ziel, diese zur Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung zu veranlassen. Dies kann auch in verklausulierter, f ü r jeaen Eingeweihten jedoch eindeutig verständliuner Form erfolgen, wie dies in letzter Zeit verschiedentlich in sog. Aufheizflugblättern geschehen ist (vgl. Bericht des Berliner Polizeipräsidenten Hübner vor dem Strafrechts-Sonderausschuß, S. 39 des Protokolls vom 12. 1. 1970). I m Unterschied zur Anstiftung ist nicht erforderlich, daß sich die Aufforderung an eine bestimmte Person oder Personengruppe richtet. Entscheidend ist allein, daß sie öffentlich, in einer Versammlung usw. erfolgt (s. o. Anm. 1—4). Wird die Aufforderung von dem Adressaten nicht verstanden, wird sie von ihm nicht befolgt oder bleibt sie aus einem sonstigen Grund ohne Erfolg, so ergibt sich die Strafbarkeit aus Abs. 2. 6. Durch die Formulierung rechtswidrige Tat (Fassung der EGStGB) wird klargestellt, daß die Tat, zu der aufgefordert wird, nicht schuldhaft begangen sein muß. E s genügt vielmehr eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat, deren rechtliches Wesen als Brandstiftung, Mord usw. f ü r den Eingeweihten eindeutig verständlich und bestimmbar ist, ohne daß sie andererseits bereits in ihren Einzelheiten konkretisiert sein muß. So genügt es z.B., wenn eine Menschenmenge durch Flugblätter ohne nähere Bezeichnung von Zeit, Ort und Objekt aufgefordert wird, die Kaufhäuser anzuzünden und die Banken zu plündern (vgl. RG 65, 202; Dreher 2 C; Lackner-Maassen 4). Die öffentliche Aufforderung zu einer O r d n u n g s w i d r i g k e i t wird von § 116 OWiG erfaßt (vgl. Anhang 4). 7. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. Nicht erforderlich ist, daß der Täter die Begehung der Tat, zu der er auffordert, tatsächlich will; es genügt, wenn er billigend in Kauf nimmt, daß seine Aufforderung ernst genommen wird (vgl. Dreher 4). Ein I r r t u m über die Rechtswidrigkeit der Tat, zu der aufgefordert wird, berührt nicht den Vorsatz, sondern lediglich das Unrechtsbewußtsein (Verbotsirrtum, vgl. Dreher 4). 8. Abs. 2 enthält einen Sonderfall der versuchten Anstiftung. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern. 9. IdK. ist möglich mit §§ 80a, 89, 125, 130. Gegenüber der Anstiftung des § 26 ist § 111 subsidiär (h. L.: für Tateinheit jedoch neuerdings Dreher a.a.O. 324 unter Aufgabe der noch in N J W 1970, 1156 vertretenen Ansicht). 26 Preisendanz, StGB, 29. Aufl.
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§§ 113, 113
Widerstand gegen die Staatsgewalt
§ 1 1 3
[aufgehoben durch das 3. StrRG, s. Vorbem. 2]
§ 1 1 3
W i d e r s t a n d gregren
Vollstreckungrsbeamte
(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu f ü n f Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, u m diese bei der Tat zu verwenden, oder 2. der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung (§ 224) bringt. (3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig. (4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern ( § 4 9 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. I . Die zuletzt durch das E G S t G B neu gefaßte Vorschrift enthält einen Sondertatbestand der Nötigung und unterscheidet sich von diesen zunächst dadurch, daß zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit ein Rückgriff auf § 240 Abs. 2 nicht erforderlich ist: Widerstand gegen eine rechtmäßige Vollstreckungshandlung ist schlechthin rechtswidrig, ohne daß es besonderer Umstände bedarf. Andererseits wird bei einem Widerstand gemäß § 113 der Täter dadurch privilegiert, daß § 113 gegenüber der allgemeinen Regelung des § 240 den niedrigeren Grundstrafrahmen sowie — seit der Neufassung durch das 3. StrRG — in Abs. 4 eine täterfreundlichere Irrtumsregelung enthält (beides gerechtfertigt durch die besondere psychische Ausnahmesituation, in der sich der durch eine Vollstreckungshandlung Betroffene befindet). 1. Der durch das Fehlen einer dem § 240 Abs. 2 entsprechenden Regelung begründete erhöhte strafrechtliche Schutz der Vorschrift beschränkt sich — wie schon nach früherem Recht — auf zivile und militärische Vollstreckungsbeamte. Der besondere Schutz von Personen, die zu ihrer Unterstützung zugezogen werden (früher in Abs. 3 geregelt) sowie solcher Privatpersonen, deren sich der Staat sonst zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, wird durch die Neufassung des § 114 gewähr-
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Widerstand gegen die Staatsgewalt
§ 113
leistet. Die Pläne der CDU/CSU-Fraktion, den erhöhten strafrechtlichen Schutz allgemein auf Behörden, Beamte und Soldaten auszudehnen, und zwar auch hinsichtlich solcher Amts- und Diensthandlungen, die sich nicht als typische Vollstreckungs- und Vollzugshandlungen darstellen, fanden keine Mehrheit. 2. Der Begriff Amtsträger (Fassung des EGStGB in Anlehnung an § 11 Abs. 1 Nr. 2) stellt klar, daß nicht nur Beamte im staatsrechtlichen Sinn, die ihnen beamtenrechtlich gleichgestellten Richter sowie Angestelle des öffentlichen Dienstes zu dem geschützten Personenkreis gehören. Geschützt sind vielmehr alle Personen, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde, bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2c). In Betracht kommen insbesondere Polizei- und Zollbeamte, Gerichtsvollzieher, Feldhüter, Vollstreckungsbeamte der Finanz-, Post- und Bahnverwaltung (vgl. H a m m JMB1NRW 1960, 192; Stgt VerkMitt. 1973 Nr. 92) sowie der gesetzlichen Versicherungsanstalten (Ffm N J W 1972, 268), aber auch Richter in Ausübung der Sitzungspolizei (RG 15, 227). 3. Der Begriff Diensthandlung (Fassung des EGStGB in Anlehnung an § 11 Abs. 1 Nr. 4 E 1962) umfaßt alle Handlungen, die ein Amtsträger (s. o. 2) oder ein Soldat (s.u. 4) zur Erfüllung von Aufgaben des öffentlichen Dienstes wahrnimmt. Dem besonderen Schutz der Vorschrift unterliegen allerdings nur, wie jetzt auch die amtliche Überschrift klarstellt, typische V o l l s t r e c k u n g s h a n d l u n g e n (s.o. 1). Hierher gehören nur solche Handlungen, die auch gegen den Willen des durch sie Betroffenen e r z w u n g e n werden können, z.B. Beschlagnahmen, Durchsuchungen, die Entnahme von Blutproben und Pfändungen, n i c h t dagegen die polizeiliche Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen (BayObLG N J W 1962, 2072 = J R 1963, 68 m. zust. Anm. Dünnebier) und sonstige Ermittlungstätigkeiten, z.B. die Durchführung einer Dirnenkontrolle (vgl. Zweibrücken N J W 1966, 1086) oder die Überprüfung der Bereifung eines geparkten P K W (Ffm N J W 1973, 1806). Auch die Dienstfahrt eines Polizeistreifenwagens ist für sich allein keine Vollstreckungshandlung (Hamm JMB1NRW 1965, 44), wohl aber das anläßlich einer Verkehrskontrolle gegebene Stoppzeichen (vgl. B G H 25, 313; Celle N J W 1973, 2215; Dreher 1 A b ) , die Entfernung einer Minderjährigen aus einer Gaststätte oder das Einschreiten gegen einen offensichtlich angetrunkenen Kraftfahrer (vgl. F f m N J W 1974, 572), ferner die gewaltsame Entfernung einer Person aus der Polizeiwache oder aus einem Wartesaal zur Verhinderung der Fortsetzung eines Hausfriedensbruchs (vgl. BayObLG J R 1957, 148; H a m m N J W 1974, 1831; Dreher 2). 4. Soldaten der Bundeswehr genießen den erhöhten strafrechtlichen Schutz ebenfalls nur, soweit sie zu Vollstreckungen berufen sind. In Betracht kommen vor allem Feldjäger und militärische Wachen zur Sicherung militärischer Anlagen. Soldaten der in der B R D stationierten Truppen der nichtdeutschen NATO-Vertragsstaaten sind nach Art. 7 I I Nr. 5 des 4. StrRÄndG i.d.F. des 3. StrRG den deutschen Soldaten gleichgestellt. Wird die Widerstandshandlung nicht von einem Zivilisten, sondern einem Soldaten begangen, so gehen die spezielleren §§ 24, 25 WStG dem § 113 vor (vgl. Dreher 1 B m. weit. Nachw.). 5. Über den siehe § 114.
erhöhten strafrechtlichen Schutz nichtbeamteter Hilfspersonen
II. Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung ist, wie sich aus der speziellen Irrtumsregelung in Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 ergibt, kein Tatbestandsmerkmal, sondern 26*
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§ 113
W i d e r s t a n d gegen die Staatsgewalt
eine Voraussetzung der Rechtswidrigkeit, auf die sich der Vorsatz des T ä t e r s n i c h t beziehen m u ß (vgl. K G N J W 1972, 781 f.; D r e h e r 3 A, 5 B ; N J W 1970, 1153,1158; Lackner-Maassen 8, 9). Insoweit h a t sich a n der f r ü h e r e n Rechtslage (siehe hierzu vor allem B G H 4, 161ff.; 21, 334, 364f.) nichts g e ä n d e r t . Auch die sachlichen Voraussetzungen, u n t e r denen eine D i e n s t h a n d l u n g r e c h t m ä ß i g ist, sind die gleichen geblieben (vgl. D r e h e r N J W 1970, 1153, 1158). Insbesondere w ä r e es verfehlt, n u r nichtige Vollstreckungshandlungen als nicht r e c h t m ä ß i g zu behandeln (vgl. G ü n t h e r , N J W 1973, 309). 1. Zu den wesentlichen Voraussetzungen einer rechtmäßigen Diensthandlung gehören : a) die örtliche Zuständigkeit (vgl. B G H 4, 110; OLG H a m m N J W 1954, 206). So h a t z . B . die B a h n p o l i z e i polizeiliche Befugnisse n u r auf d e m B a h n g e b i e t (vgl. B G H a . a . O . 112). Z u m B a h n g e b i e t gehören a u c h die L a d e s t r a ß e n eines Güterb a h n h o f s , der B a h n h o f s v o r p l a t z jedoch n u r d a n n , wenn auf i h m ein Verladebetrieb d e r B u n d e s b a h n s t a t t f i n d e t (vgl. Stgt V e r k M i t t . 1973 N r . 92). Andererseits ist die polizeiliche A u f g a b e , Verbrechen zu v e r h ü t e n , allgemeiner A r t . E i n P o l i z e i b e a m t e r h a n d e l t d a h e r a u c h d a n n r e c h t m ä ß i g , w e n n er a u ß e r h a l b seines eigentlichen Amtsbezirks gegen eine s t r a f b a r e H a n d l u n g einschreitet. Ü b e r die L a n d e s g r e n z e n h i n a u s darf er jedoch n u r u n t e r den Voraussetzungen des § 167 GVG einschreit e n , d . h . wenn es d a r u m g e h t , die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines a n d e r e n B u n d e s l a n d e s f o r t z u s e t z e n u n d den Flüchtigen d o r t zu ergreifen. Weitere A u s n a h m e n können n u r d u r c h Landesgesetze oder S t a a t s v e r t r ä g e zwischen d e n einzelnen B u n d e s l ä n d e r n geschaffen w e r d e n (vgl. OLG H a m m a . a . O . ) ; b) die sachliche Zuständigkeit, d . h . die D i e n s t h a n d l u n g m u ß in den K r e i s d e r A m t s g e s c h ä f t e des B e a m t e n gehören. Diese Voraussetzungen fehlen z . B . bei einem Polizeibeamten, der sich in rein privatrechtliche Auseinandersetzungen einm i s c h t , ebenso bei einem R i c h t e r , der selbst einmal eine P f ä n d u n g v o r n e h m e n m ö c h t e . A n d e r e r s e i t s wird die R e c h t m ä ß i g k e i t der D i e n s t h a n d l u n g n i c h t d a d u r c h b e e i n t r ä c h t i g t , d a ß der B e a m t e gerade n i c h t im Dienst ist u n d d a h e r a u c h keine D i e n s t k l e i d u n g t r ä g t (vgl. B G H 4, 110, 111; OLG N e u s t a d t J R 1959, 28); c) die Beachtung der wesentlichen Förmlichkeiten, z . B . die E i n h a l t u n g v o n § 759 Z P O , w o n a c h der Gerichtsvollzieher, wenn er auf W i d e r s t a n d t r i f f t oder weder den Schuldner noch ein Familienmitglied vorfindet, zwei erwachsene P e r sonen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen hinzuzuziehen h a t (vgl. B G H 5, 93); o d e r : d a s Vorzeigen des H a f t b e f e h l s gem. § 909 S. 2 Z P O bei V e r h a f t u n g des Schuldners zur E r z w i n g u n g einer eidesstattl. Versicherung (Ddf J M B 1 N R W 1965, 271); o d e r : die Zuziehung von Zeugen zur Zwangsvollstreckung, w e n n nicht die Gefahr besteht, d a ß der Schuldner bis zum Eintreffen der Zeugen d e n Erfolg der P f ä n d u n g vereiteln wird (Hbg J R 1955, 272). E n t s p r e c h e n d e s gilt f ü r die Zuziehung von Zeugen bei einer D u r c h s u c h u n g im s t r a f r e c h t l . E r m i t t l u n g s v e r f a h r e n (Stgt N J W 1971, 629); d) pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, wenn die D i e n s t h a n d l u n g in d a s E r m e s s e n des B e a m t e n gestellt ist. So ist die A n o r d n u n g einer B l u t e n t n a h m e a u c h d a n n r e c h t m ä ß i g , wenn sich n a c h h e r ergibt, d a ß der Alkoholgehalt n u r unwesentlich w a r , d e r d u r c h die A n o r d n u n g betroffene K r a f t f a h r e r a b e r d u r c h seine Fahrweiae, d u r c h sein A u f t r e t e n oder auf sonstige Weise d e n V e r d a c h t einer stärkeren Alkoholeinwirkung h a t a u f k o m m e n lassen. E n t s c h e i d e n d ist allein, ob der A m t s t r ä g e r im Bewußtsein seiner V e r a n t w o r t u n g u n d u n t e r bestmöglicher pflichtgem ä ß e r A b w ä g u n g aller i h m e r k e n n b a r e r U m s t ä n d e die H a n d l u n g f ü r nötig u n d sachlich g e r e c h t f e r t i g t h a l t e n d u r f t e ( B G H V R S 1970, 115). H i e r a u s f o l g t : I r r t
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§
113
sich der A m t s t r ä g e r ü b e r die t a t s ä c h l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n seines E i n s c h r e i t e n s , z . B . n i m m t er infolge einer Personen Verwechslung oder eines sich später nicht bestätigenden T a t v e r d a c h t s einen Unschuldigen fest, s o w i r d d i e D i e n s t h a n d l u n g h i e r d u r c h g r u n d s ä t z l i c h n i c h t r e c h t s w i d r i g . Anders n u r d a n n , wenn der Amtsträgersein pflichtgemäßes Ermessen überschreitet, z.B. wenn er eine Person f e s t n i m m t , die ein einwandfreies Alibi nachweisen k a n n u n d f ü r jeden v e r n ü n f t i g e n Betrachter als T ä t e r ausscheiden m u ß . Liegt dagegen ein R e c h t s i r r t u m vor, d . h . irrt sich der Amtsträger über die rechtlichen Voraussetzungen seiner Amtsbefugnisse, so k a n n ein solcher I r r t u m die fragliche H a n d l u n g niemals zu einer rechtmäßigen m a c h e n ; sie ist vielmehr rechtswidrig, u n d ein Widerstand gegen sie ist nicht nach § 113 s t r a f b a r , sondern wird im allgemeinen durch Notwehr gerechtfertigt ( H a m m BA 1964, 558 betr. Widerstand gegen eine dem § 81a S t P O nicht entsprechende B l u t e n t n a h m e durch einen Medizinalassistenten). e) F ü h r t ein Amsträger einen f ü r ihn bindenden Befehl aus, der der materiellen Rechtslage nicht entspricht, so ist zunächst davon auszugehen, daß der Amtsträger stets rechtmäßig handelt, wenn er einen von dem örtlich u n d sachlich zuständigen Vorgesetzten erteilten, nicht offensichtlich rechtswidrigen Befehl im Vertrauen auf seine Rechtmäßigkeit in gesetzlicher Form vollzieht (KG N J W 1972, 781). I m übrigen gelten die u n t e r a) bis d) entwickelten Grundsätze, d . h . die Rechtmäßigkeit der Vollzugshandlung wird nicht dadurch b e r ü h r t , daß der ihr zugrundeliegende A u f t r a g (z.B. Haftbefehl, Vorführungsbefehl, Beschlagnahmebeschluß, P f ä n d u n g s befehl) von falschen Voraussetzungen ausging. Wenn z. B. A auf Grund eines H af t b e f e h l s zur Festnahme ausgeschrieben ist, so ist seine F e s t n a h m e auch d a n n rechtmäßig, wenn A unschuldig ist. Der Polizeibeamte, der m i t der F e s t n a h m e b e a u f t r a g t wird, ist grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet, die Rechtmäßigkeit des H a f t b e f e h l s zu prüfen. Sollte A allerdings behaupten, der H a f t b e f e h l sei inzwischen aufgehoben worden, so wäre der Polizeibeamte verpflichtet (unbeschadet der Pflicht, den Festgenommenen unverzüglich dem nächsten Amtsrichter vorzuführen), sich so schnell wie möglich (fernschriftlich oder fernmündlich) über die tatsächlichen Verhältnisse zu erkundigen. Noch eindeutiger liegt der Fall, wenn A durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift des entsprechenden Gerichtsbeschlusses nachweisen k a n n , daß der H a f t b e f e h l aufgehoben ist. Hier wäre die Festn a h m e auf Grund der Ausschreibung eine rechtswidrige Amtshandlung (es sei denn, daß der Verdacht der Fälschung besteht). Grundsätzlich anders ist die Rechtslage, wenn der b i n d e n d e B e f e h l nicht n u r auf einer Verkennung der Sachlage beruht, sondern bereits f o r m e l l r e c h t s w i d r i g ist, insbesondere wenn er von einer unzuständigen Stelle erlassen ist u n d die wesentlichen Förmlichkeiten nicht beachtet wurden (siehe oben a bis c). B e i s p i e l : Der Polizeibeamte P erhält von seinem Vorgesetzten den A u f t r a g , die W o h n u n g des X zur Nachtzeit zu durchsuchen, obwohl die Voraussetzungen des § 104 StPO offensichtlich nicht vorliegen. Hier ist die Durchsuchung ungeachtet der f ü r P bindenden Wirkung des Auftrags rechtswidrig. Hieraus folgt: Setzt X sich gegen die rechtswidrige Durchsuchung zur Wehr, so handelt er nicht rechtswidrig. Eine andere Frage ist, ob P sich seinerseits eines Hausfriedensbruchs schuldig gemacht h a t . Hierzu ist folgendes zu sagen: P h a t zwar t a t b e s t a n d s m ä ß i g gehandelt; sein Verhalten ist auch rechtswidrig. Eine Schuld t r i f f t ihn aber nur d a n n , wenn er die Rechtswidrigkeit seines A u f t r a g s und damit seiner eigenen T a t entweder e r k a n n t h a t oder h ä t t e erkennen können. Siehe hierzu auch die f ü r den militärischen Bereich geltende Sondervorschrift des § 5 W S t G (abgedruckt in Anhang 3). 2. Gegen eine rechtswidrige Vollstreckungshandlung gibt es keinen nach § 113 s t r a f b a r e n Widerstand (vgl. Abs. 3 S. 1). Die Formulierung „ n a c h dieser Vors c h r i f t " in Abs. 3 S. 1 weist jedoch darauf hin, daß der Widerstand n a c h anderen
405
§113
Widerstand gegen die Staatsgewalt
Vorschriften (in Betracht kommen vor allem die §§ 223ff.) auch bei Rechtswidrigkeit der Vollstreckungshandlung strafbar sein kann. Dies gilt insbesondere f ü r die Fälle, in denen der Täter die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungshandlung nicht erkannt hat, ihm also der Wille fehlte, sich gegen Unrecht zu wehren. Auch der (dogmatisch an sich entbehrliche) Hinweis in Abs. 3 S. 2 will nur die Strafbarkeit nach § 113, nicht aber auch die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften ausschließen. Werden durch die Widerstandshandlung andere Tatbestände verwirklicht (z.B. §§ 223ff.), so kann sich der Täter nur dann auf Notwehr berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungshandlung erkannt h a t und ihm nicht zuzumuten war, sich durch die Einlegung von Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen die Vollstreckungshandlung zu wehren (vgl. Dreher 3 D sowie N J W 1970, 1153, 1159 unter Hinweis auf die in Abs. 4 S. 2 getroffene Regelung). Keinesfalls aber darf der Täter bei der Abwehr über das erforderliche Maß der Verteidigung hinausgehen.
III. Die Tathandlung besteht entweder im Leisten von Widerstand oder in einem tätlichen Angriff. 1. Widerstand ist jede gegen den Amtsträger gerichtete Tätigkeit, die nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, die Durchführung der Vollstreckungshandlung zu verhindern oder zu erschweren. Der Widerstand muß durch Anwendung von G e w a l t oder durch B e d r o h u n g m i t G e w a l t geleistet werden. a) Gewalt ist jede gegen den Amtsträger gerichtete Kraftentfaltung. Rein passiver Widerstand genügt nicht.. Andererseits ist nicht erforderlich, daß die unter Aufwendung von Körperkraft vorgenommene, gegen den Amtsträger gerichtete Handlung u n m i t t e l b a r gegen dessen Person gerichtet ist, z. B. daß der Täter gegen den Amtsträger schlägt oder tritt oder sich loszureißen versucht. Auch eine nur m i t t e l b a r gegen die Person des Amtsträgers gerichtete Einwirkung kann den Tatbestand verwirklichen (vgl. B G H 18, 133; Dreher Anm. 4 A). B e i s p i e l e : Ein Schuldner A verbarrikadiert die Tür, um den Gerichtsvollzieher am Betreten der Wohnung zu hindern (vgl. BGH a.a.O.). — O d e r : A f ä h r t mit seinem P K W in schneller Fahrt durch die Stadt, um auf diese Weise den auf das Trittbrett seines Wagens gesprungenen Polizeibeamten abzuschütteln (vgl. B G H VRS 19, 188). — O d e r : A f ä h r t bei einer Verkehrskontrolle in voller F a h r t auf einen Beamten zu, so daß dieser sich nur durch einen Sprung zur Seite retten kann (vgl. BGH 14, 395; 15, 138, 145; H a m m N J W 1973, 1240). — O d e r : A klammert sich an seinem Wagen fest, so daß er nur mit Gewalt zwecks Entnahme einer Blutprobe zur Wache gebracht werden kann. — O d e r : Abgabe eines Schreckschusses (BGH 23, 126). Auch bei der Auflösung unfriedlicher D e m o n s t r a t i o n e n kann es zu Widerstandshandlungen kommen. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß nach der Auffassung des BT-Sonderausschusses f ü r die Strafrechtsreform der Begriff der Gewalt in § 113 enger auszulegen ist als beim Tatbestand der Nötigung in § 240 (vgl. S. 4 der BT-Drucksache VI/502; ebenso Schönke-Schröder 20; Maurach BT 632). Die Notwendigkeit einer solchen einschränkenden Auslegung ergibt sich schon aus der Gleichstellung der Gewalt mit dem tätlichen Angriff (vgl. Schönke-Schröder a.a.O.). So kann beispielsweise ein Sitzstreik, selbst wenn m a n ihn mit der sehr weitgehenden Entscheidung BGH 23, 46 ff. auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände als rechtswidrige Nötigung beurteilt, keinesfalls als strafbarer Widerstand nach § 113 behandelt werden (in B G H 23, 46, 51 offen gelassen). Andererseits h a t es der Sonderausschuß bewußt vermieden, den Ausdruck Gewalt durch den noch engeren Begriff „Gewaltätigkeit", wie er sich in Abs. 2 Nr. 2 und in § 125 findet, zu ersetzen (vgl. BT-Drucksache VI/502, S. 4).
406
W i d e r s t a n d gegen die S t a a t s g e w a l t
§
113
b) Bedrohung mit Gewalt erfüllt n u r d a n n d e n T a t b e s t a n d , wenn sie n a c h dem V o r s a t z des T ä t e r s von d e m B e a m t e n ernst g e n o m m e n werden soll. 2. Tätlicher Angriff ist jede u n m i t t e l b a r gegen d e n K ö r p e r des A m t s t r ä g e r s gerichtete K r a f t e n t f a l t u n g , wobei es auf den Erfolg n i c h t a n k o m m t . B e i s p i e l : A h e t z t seinen H u n d a u f den sich seinem H a u s n ä h e r n d e n Polizeibeamten oder Gerichtsvollzieher. — O d e r : A w i r f t einen Stein gegen den sich ihm n ä h e r n d e n Vollz u g s b e a m t e n . I n vielen Fällen wird dieselbe H a n d l u n g sowohl die Voraussetzungen des g e w a l t s a m e n W i d e r s t a n d s als a u c h die des t ä t l i c h e n Angriffs erfüllen. IV. S u b j e k t i v ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz g e n ü g t . Der T ä t e r m u ß insbesondere wissen, d a ß er es m i t einem Vollstreckungsbeamten zu t u n h a t u n d d a ß dieser eine Vollstreckungshandlung v o r n i m m t . A u f d i e R e c h t m ä ß i g k e i t d e r D i e n s t h a n d l u n g m u ß s i c h d e r V o r s a t z d a g e g e n n i c h t e r s t r e c k e n . Die R e c h t m ä ß i g k e i t d e r D i e n s t h a n d l u n g ist, wie bereits oben (Anm. I I ) e r w ä h n t , kein T a t b e s t a n d s m e r k m a l . H i e r a n h a t sich a u c h d u r c h die Neufassung der Vorschrift selbst d a n n n i c h t s g e ä n d e r t , wenn m a n die R e c h t m ä ß i g k e i t der A m t s h a n d l u n g in Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der h e u t e h . L. nicht m e h r als objektive S t r a f b a r k e i t s bedingung, sondern als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit ansieht (s. o. I I m . Nachw.). I m einzelnen: 1. D e r ü b e r die R e c h t m ä ß i g k e i t der Vollstreckungshandlung irrende T ä t e r k a n n sich n i e m a l s auf einen vorsatzauschließenden T a t b e s t a n d s i r r t u m berufen, wobei es k e i n e n Unterschied m a c h t , ob sich d e r I r r t u m auf die tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungshandlung oder ganz allgemein auf ihre rechtliche Zulässigkeit bezieht. I n beiden Fällen befindet sich der T ä t e r in einem Verbotsirrtum. N a c h der hier im Anschluß a n die R s p r . u n d die h. L . im S c h r i f t t u m v e r t r e t e n e n einges c h r ä n k t e n Schuldtheorie wäre der T ä t e r jedoch bei A n w e n d u n g der allgemeinen I r r t u m s g r u n d s ä t z e (vgl. § 16 A n m . 3) d a n n einem vorsatzlos h a n d e l n d e n T ä t e r gleichzustellen, wenn er bei seinem W i d e r s t a n d irrig T a t u m s t ä n d e a n n a h m , bei deren Vorliegen die V o l l s t r e c k u n g s h a n d l u n g rechtswidrig gewesen wäre. Zu einer so weitgehend t ä t e r f r e u n d l i c h e n I r r t u m s r e g e l u n g wollte u n d k o n n t e der Gesetzgeber sich jedoch m i t R ü c k s i c h t auf das berechtigte S c h u t z b e d ü r f n i s des r e c h t m ä ß i g h a n d e l n d e n Vollstreckungsorgans n i c h t entschließen. E s w u r d e deshalb in Abs. 4 eine ä u ß e r s t differenzierte I r r t u m s r e g e l u n g geschaffen, d u r c h die einerseits d a s Schuldprinzip gew a h r t , andererseits d u r c h die sog. Rechtsbehelfsklausel der Schutz der Volls t r e c k u n g s o r g a n e a u c h in Z u k u n f t hinreichend gewährleistet ist. 2. I m einzelnen sieht Abs. 4 folgende besondere Irrtumsregelung v o r : a) W a r der I r r t u m ü b e r die R e c h t m ä ß i g k e i t der Vollstreckungshandlung v e r m e i d b a r , so k a n n die S t r a f e n a c h § 49Abs. 2 gemildert werden. Bei geringer Schuld k a n n sogar ganz von S t r a f e abgesehen werden ( f a k u l t a t i v e r persönlicher S t r a f a u s schließungsgrund). Prozessual sind im l e t z t g e n a n n t e n Fall vor allem die §§ 153 b, 465 Abs. 1 S. 2 S t P O zu b e a c h t e n . b) W a r der I r r t u m u n v e r m e i d b a r , so e n t f ä l l t die Schuld, wenn d e m T ä t e r bei W ü r d i g u n g aller U m s t ä n d e nicht z u g e m u t e t werden k o n n t e , sich m i t Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Vollstreckungshandlung zu wehren (sog. Rechtsbehelfsklausel, vgl. Abs. 4 S. 2). Solange Rechtsbehelfe möglich u n d z u m u t b a r sind, darf der d u r c h eine vermeintlich rechtswidrige A m t s h a n d l u n g Betroffene grundsätzlich nicht zur gewaltsamen Selbsthilfe greifen (vgl. D r e h e r N J W 1970, 1153, 1159). E i n Rechtsbehelf ist d e m T ä t e r insbesondere d a n n zuzum u t e n , wenn i h m oder einem n a h e n Angehörigen aus der Vollstreckungshandlung kein irreparabler N a c h t e i l d r o h t oder w e n n der Schaden, den er d e m A m t s t r ä g e r bei
407
§
113
W i d e r s t a n d gegen die S t a a t s g e w a l t
erfolgreichem W i d e r s t a n d z u f ü g e n m ü ß t e , a u ß e r V e r h ä l t n i s Zu d e m i h m selbst d r o h e n d e n N a c h t e i l s t e h t (vgl. B G H 21, 334, 366; Dreher a a O ; Lackner-Maassen 8 c ; siehe a u c h Begr. zu § 419 E 1962). c) W a r der I r r t u m zwar u n v e r m e i d b a r , das Ergreifen von R e c h t s m i t t e l n jedoch z u m u t b a r , so bleibt die Schuld b e s t e h e n ; d a s Gericht k a n n jedoch — wie bei einem v e r m e i d b a r e n I r r t u m ü b e r die R e c h t m ä ß i g k e i t der Vollstreckungsh a n d l u n g — die S t r a f e n a c h seinem E r m e s s e n mildern oder ganz von S t r a f e a b sehen. E i n I r r t u m ü b e r die Z u m u t b a r k e i t ist n i c h t schlechthin u n b e a c h t l i c h (so jedoch Lackner-Maassen 8 c), sondern f ü h r t n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n (vgl. § 16 A n m . 4) d a n n z u m Schuldausschluß, w e n n er bei W ü r d i g u n g aller U m s t ä n d e f ü r den T ä t e r u n v e r m e i d b a r w a r . d) K e i n r e c h t l i c h r e l e v a n t e r I r r t u m liegt vor, w e n n der T ä t e r die R e c h t s lage zwar richtig einschätzt, sie jedoch f ü r falsch h ä l t (vgl. D r e h e r N J W 1970, 1153, 1159). Dies gilt insbesondere d a n n , w e n n er der bestehenden R e c h t s o r d n u n g m i t einer feindseligen H a l t u n g g e g e n ü b e r t r i t t . e) Verwirklicht der T ä t e r bei seinem W i d e r s t a n d in T a t e i n h e i t noch w e i t e r e T a t b e s t ä n d e (in B e t r a c h t k o m m e n vor allem die §§ 223ff.), so gelten die allgemeinen zur P u t a t i v n o t w e h r entwickelten G r u n d s ä t z e (vgl. § 32 A n m . IV). V. Absatz 2 bringt eine S t r a f s c h ä r f u n g f ü r besonders schwere Fälle, wobei zwei Regelbeispiele ausdrücklich hervorgehoben w e r d e n : 1. Zu d e n W a f f e n i.S. von Abs. 2 N r . 1 gehören nicht n u r Schußwaffen, s o n d e r n W a f f e n aller A r t , auch W a f f e n im nichttechnischen Sinn, z . B . Messer, Stöcke, Steine usw. I n allen Fällen ist jedoch die — z u m i n d e s t b e d i n g t e — A b s i c h t des betreffenden T ä t e r s oder Teilnehmers erforderlich, die W a f f e bei der T a t zu verwenden. Diese Z w e c k b e s t i m m u n g s k l a u s e l gilt a u c h — a n d e r s als in § 244 Abs. 1 Nr. 1 — f ü r Schußwaffen. Maßgeblich f ü r diese Regelung w a r die Ü b e r l e g u n g , d a ß Fälle d e n k b a r sind, in denen j e m a n d , der in d u r c h a u s r e c h t m ä ß i g e r Weise eine Schußwaffe m i t sich f ü h r t , z . B . ein J ä g e r , u n e r w a r t e t in eine K o n f r o n t a t i o n m i t einem Vollstreckungsbeamten gerät u n d im Falle eines W i d e r s t a n d s ohne die Zweckbestimmungsklausel n u r deshalb m i t einer Freiheitsstrafe n i c h t u n t e r 6 M o n a t e n b e s t r a f t werden m ü ß t e , weil er zufällig eine Schußwaffe m i t sich g e f ü h r t h a t (vgl. B e g r ü n d u n g des Sonderausschusses, S. 5 der B T - D r u c k s a c h e VI/502). 2. Der in Abs. 2 N r . 2 e n t h a l t e n e Begriff der Gewalttätigkeit ist wesentlich enger als der Gewaltbegriff in Abs. 1 oder gar in § 240 (vgl. B G H 23, 46 ff. u n d O L G Stgt N J W 1969, 1776 zu § 125 a.F.). G e w a l t t ä t i g h a n d e l t n u r , wer a g g r e s s i v gegen P e r s o n e n oder Sachen v o r g e h t u n d d a d u r c h den B e a m t e n , gegen den sich d e r W i d e r s t a n d richtet, in die (konkrete) Gefahr des Todes oder einer schweren K ö r p e r verletzung i.S. von § 224 b r i n g t (z. B. d u r c h Z u f a h r e n auf einen Polizeibeamten, u m die Freigabe der F a h r b a h n zu erzwingen, vgl. Koblenz D A R 1973, 219). Subj e k t i v ist erforderlich, d a ß der T ä t e r sich dieser G e f a h r b e w u ß t ist. Bedingter Vorsatz genügt. VI. I d K . ist insbesondere möglich m i t den §§ 123,142,185, 223ff., 303, ebenso m i t § 125 (vgl. Lackner-Maassen § 125 A n m . 9; a.A. D r e h e r 7). Gegenüber §§ 24f. W S t G t r i t t § 113 zurück. Mit § 240 ist I d K . n u r ausnahmsweise möglich, z . B . wenn der W i d e r s t a n d gegen eine bereits eingeleitete Vollstreckungshandlung zugleich d e r V e r h i n d e r u n g z u k ü n f t i g e r D i e n s t h a n d l u n g e n dient (vgl. Lackner-Maassen 11). I m übrigen jedoch geht § 113 als lex specialis v o r .
408
W i d e r s t a n d gegen die S t a a t s g e w a l t §
114
Widerstand gegen Personen, beamten gleichstehen
die
§§
114—ISO
Vollstreckungs-
( 1 ) D e r D i e n s t h a n d l u n g e i n e s A m t s t r ä g e r s i m Sinne des § 1 1 3 s t e h e n Volls t r e c k u n g s h a n d l u n g e n v o n P e r s o n e n gleich, die die R e c h t e u n d P f l i c h t e n eines P o l i z e i b e a m t e n h a b e n oder H i l f s b e a m t e der S t a a t s a n w a l t s c h a f t sind, o h n e A m t s t r ä g e r z u sein. ( 2 ) § 113 gilt entsprechend z u m Schutz v o n P e r s o n e n , die zur U n t e r s t ü t z u n g bei der D i e n s t h a n d l u n g z u g e z o g e n sind. 1. Zweck d e r d u r c h d a s 3. S t r R G n e u g e f a ß t e n Vorschrift ist es, a u c h solchen Personen, die zwar keine A m t s t r ä g e r sind, deren sich d e r S t a a t jedoch z u r E r f ü l l u n g hoheitlicher A u f g a b e n bedient u n d die er d a d u r c h einer e r h ö h t e n G e f a h r a u s s e t z t , den gleichen strafrechtlichen Schutz z u k o m m e n zu lassen wie d e n B e a m t e n i.S. des § 359 (vgl. B e g r ü n d u n g des Sonderausschusses, S. 6 der B T - D r u c k s a c h e VI/502). 2. Die geschützten Personengruppen im einzelnen: a) Die B e d e u t u n g des Abs. 1 ergibt sich in erster Linie aus der Streichung der f r ü h e r in d e n §§ 117, 118 e n t h a l t e n e n Vorschriften ü b e r den F o r s t w i d e r s t a n d , f ü r die § 114 einen gewissen E r s a t z darstellt. So h a b e n n a c h § 25 Abs. 2 Bundesjagdgesetz n e b e n den zuständigen öffentlichen Stellen die von d e r z u s t ä n d i g e n Behörde b e s t ä t i g t e n J a g d a u f s e h e r , sofern sie B e r u f s j ä g e r oder forstlich ausgebildet sind, innerhalb ihres Dienstbezirks in Angelegenheiten des J a g d s c h u t z e s die R e c h t e u n d Pflichten v o n Polizeibeamten u n d sind in dieser E i g e n s c h a f t H i l f s b e a m t e der S t a a t s a n w a l t s c h a f t . N e h m e n sie in A u s ü b u n g ihrer R e c h t e u n d Pflichten Vollstrekk u n g s h a n d l u n g e n vor, so sind diese im Falle eines W i d e r s t a n d s oder t ä t l i c h e n Angriffs d e n D i e n s t h a n d l u n g e n eines A m t s t r ä g e r s i.S. von § 113 gleichgestellt. E n t s p r e chendes gilt f ü r V o l l s t r e c k u n g s m a ß n a h m e n von Personen, die a u f g r u n d besonderer Vorschriften ü b e r den Forst-, Feld- oder Fischereischutz zur V e r h ü t u n g v o n S t r a f t a t e n oder Ordnungswidrigkeiten t ä t i g werden, ohne A m t s t r ä g e r zu sein. Sind sie A m t s t r ä g e r , so greift u n m i t t e l b a r § 113 ein. W i d e r s t a n d gegen d e n Jagdausübungsberechtigten selbst fällt nicht u n t e r § 113, s o n d e r n unterliegt d e m allgemeinen T a t b e s t a n d d e r N ö t i g u n g , so d a ß zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit auf § 240 Abs. 2 zurückgegriffen w e r d e n m u ß . b) U n t e r d e n besonderen Schutz des Abs. 2 fallen Personen aller A r t , insbesondere a u c h P r i v a t p e r s o n e n , die von einem Vollstreckungs- oder Vollzugsbeamten i.S. von § 113 oder einer in § 114 Abs. 1 a u f g e f ü h r t e n P e r s o n zur U n t e r s t ü t z u n g bei einer Vollstreekungshandlung zugezogen w o r d e n sind. N i c h t „zugezogen" in diesem Sinn ist eine Person, die freiwillig hilft (vgl. Lackner-Maassen 4). 3. Der s u b j . T b . e r f o r d e r t Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. D e r T ä t e r m u ß insbesondere die spezifische F u n k t i o n der Hilfsperson e r k a n n t h a b e n . §§ 115 — 119 § 120
[aufgehoben d u r c h das 3. S t r R G , vgl. V o r b e m . 2]
Gefangrenenbefreiungr
( 1 ) W e r e i n e n G e f a n g e n e n befreit, i h n z u m E n t w e i c h e n verleitet oder dabei fördert, wird m i t Freiheitsstrafe bis z u drei J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. ( 2 ) Ist der Täter als A m t s t r ä g e r oder als f ü r den öffentlichen D i e n s t besonders Verpflichteter gehalten, das E n t w e i c h e n des G e f a n g e n e n z u v e r h i n dern, s o ist die Strafe Freiheitsstrafe bis z u fUnf J a h r e n oder Geldstrafe. 409
§ ISO
W i d e r s t a n d gegen die S t a a t s g e w a l t
(3) Der Versuch ist strafbar. (4) Einem Gefangenen im Sinne der Absätze 1 und 2 steht gleich, wer sonst auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. 1. Die d u r c h d a s E G S t G B n e u gefaßte Vorschrift regelt in g e d r ä n g t e r F o r m die f r ü h e r in den §§ 120, 121, 122a, 122b u n d 347 behandelte Materie. Gleichzeitig w u r d e n die einzelnen T a t b e s t ä n d e d e m n e u e n Sprachgebrauch des 2. S t r R G angep a ß t . Geschütztes Bechtsgut ist die staatliche Verwahrungsgewalt, n i c h t die s t a a t liche Rechtspflege (vgl. B G H 9, 94; H ü b n e r L K 3; Lackner-Maassen 1). A u s d e m Schrifttum zur R e f o r m der T a t b e s t ä n d e siehe Siegert JZ 1973, 308. 2. Abs. 1 regelt den G r u n d t a t b e s t a n d der Gefangenenbefreiung, wobei die erste Begehungsform d e m f r ü h e r e n § 120 e n t s p r i c h t ; bei den beiden a n d e r e n Begehungsf o r m e n h a n d e l t es sich u m zu selbständigen T a t b e s t ä n d e n erhobenen Teilnahmeh a n d l u n g e n a n der — wie bisher straflosen — Selbstbefreiung des Gefangenen. a) Gefangener ist, wer in A u s ü b u n g von Polizei- oder Strafgewalt in zulässiger F o r m in s t a a t l i c h e m Gewahrsam gehalten wird (vgl. R G 39, 8; 48, 227; 73, 347; Lackner-Maassen 3). H i e r h e r gehören insbesondere S t r a f g e f a n g e n e , u n d zwar ohne R ü c k s i c h t auf die A r t der zu v e r b ü ß e n d e n Strafe (also a u c h Ersatzfreiheitsstrafe, J u g e n d s t r a f e g e m ä ß § 17 J G G , militärischer S t r a f a r r e s t gemäß § 9 W S t G sowie prozessuale Ordnungs- u n d Erzwingungsstrafen), U n t e r s u c h u n g s g e f a n g e n e , u n d zwar a u c h d a n n , wenn sie u n t e r A u f r e c h t e r h a l t u n g d e r H a f t im Interesse ihrer Gesundheit oder zur Vorbereitung eines G u t a c h t e n s (siehe hierzu § 81 S t P O ) vorübergehend in ein K r a n k e n h a u s verlegt w e r d e n (vgl. R G 19, 330; B G H GA 1965, 205; H ü b n e r L K 15), A r r e s t a n t e n im J u g e n d a r r e s t sowie im Disziplin a r a r r e s t n a c h der Wehrdisziplinarordnung (nicht dagegen im Schularrest, vgl. R G 39, 7). W e i t e r gehören hierher die Fälle der v o r l ä u f i g e n F e s t n a h m e gemäß §§ 127 Abs. 2 S t P O , 54 OWiG u n d 21 D A G (nicht jedoch die vorläufige F e s t n a h m e d u r c h eine P r i v a t p e r s o n g e m ä ß § 127 Abs. 1 S t P O , vgl. R G 67, 293), die Fälle der z w a n g s w e i s e n V o r f ü h r u n g a u f g r u n d prozessualer Vorschriften (vgl. z . B . §§ 51, 134, 230, 329 S t P O ) sowie die Fälle der A u s l i e f e r u n g s h a f t . Nicht hierher gehören die bereits e r w ä h n t e n Schularrestanten (vgl. R G 39, 7) sowie die von einer P r i v a t p e r s o n gemäß § 127 Abs. 1 S t P O vorläufig Festgenommen e n , vor allem a b e r alle Personen, die a u f g r u n d behördlicher A n o r d n u n g in einer A n s t a l t u n t e r g e b r a c h t sind u n d der Sonderregelung des Abs. 4 unterliegen. Kein „ G e f a n g e n e r " ist schließlich a u c h ein Strafgefangener, dem zur Regelung persönlicher Angelegenheiten S t r a f u n t e r b r e c h u n g oder U r l a u b g e w ä h r t wird. W i r d dieser d a z u verleitet, nicht m e h r in die Vollzugsanstalt zurückzukehren u n d sich dem weiteren Strafvollzug zu entziehen, so k o m m t nicht § 120, sondern allenfalls § 258 in Betracht. b) Unerheblich ist, ob die B e e i n t r ä c h t i g u n g der Freiheit des Gefangenen sachlich begründet w a r . Auch der zu U n r e c h t I n h a f t i e r t e darf nicht aus d e m staatlichen Gew a h r s a m befreit werden (vgl. R G 39, 189; B G H GA 1965, 205; h . L.). Entscheidend ist allein, d a ß der staatliche Gewahrsam in zulässiger Weise b e g r ü n d e t w o r d e n ist. c) Befreit ist der Gefangene, wenn er dem staatlichen Gewahrsam entzogen ist, so d a ß dieser n i c h t m e h r a u s g e ü b t werden k a n n . Der O r t der Befreiung ist unerheblich. T a t b e s t a n d s m ä ß i g ist a u c h die Befreiung aus einem K r a n k e n h a u s , in das der Gefangene zur B e o b a c h t u n g (siehe hierzu § 81 StPO) oder zur B e h a n d l u n g verlegt worden ist. Unerheblich ist weiter das M i t t e l zur Befreiung. I n B e t r a c h t k o m m e n insbesondere Gewalt, D r o h u n g , List u n d T ä u s c h u n g (z.B. Weglocken der Aufsichtspersonen w ä h r e n d einer A u ß e n a r b e i t ) . Unerheblich ist schließlich auch, ob der Gefangene von einem A m t s t r ä g e r oder einer P r i v a t p e r s o n beaufsichtigt wird (z.B. 410
Widerstand gegen die Staatsgewalt
§120
einem Krankenpfleger, der den Gefangenen während eines Krankenhausaufenthalts zu beaufsichtigen hat). d) Die 2. Begehungsform des Abs. 1, die das Verleiten zum Entweichen unter Strafe stellt, beseitigt die unbefriedigende Differenzierung des früheren Rechts, wonach zwar die Beihilfe zur Selbstbefreiung, nicht auch die Anstiftung hierzu unter Strafe gestellt war. Verleiten bedeutet Hervorrufen des Tatentschlusses. V o l l e n d e t ist der Tatbestand erst, wenn es dem Gefangenen gelingt, sich dem staatlichen Gewahrsam zu entziehen. Über V e r s u c h s. u. Anm. 5. e) Die 3. Begehungsform des Abs. 1, die unter Strafe stellt, wer einen Gefangenen beim Entweichen fördert, ersetzt sowohl den 2. Alternativtatbestand des § 120 a . F . als auch den Tb. des § 121 a . F . E s handelt sich um einen selbständig unter Strafe gestellten Fall der Beihilfe zur Selbstbefreiung, die als solche für den Gefangenen selbst — wie bisher — straflos ist. Die Tat kann sowohl durch aktives Tun (z.B. durch Einschmuggeln von Sägeblättern oder Ablenken einer Aufsichtsperson) als auch durch pflichtwidriges Unterlassen begangen werden. Bei Tatbegehung durch pflichtwidriges Unterlassen (siehe hierzu § 13 nebst Anm.) kommen, da Amtsträger und für den öffentlichen Dienst Verpflichtete unter Abs. 2 fallen, hauptsächlich private Unternehmer, Werkmeister und Vorarbeiter in Betracht, denen der Gefangene zur Arbeit zugewiesen ist (vgl. R G 36, 402; 53, 292), außerdem Pfleger in einem Krankenhaus, in dem sich der Gefangene zur Beobachtung oder Behandlung befindet (vgl. R G 19, 331). Vollendet ist die Tat erst, wenn es dem Gefangenen gelingt, sich dem staatlichen Gewahrsam zu entziehen und die Förderungshandlung für die geglückte Flucht mitursächlich, d.h. nicht ohne jeden Einfluß war. 3. Abs. 2 bringt eine erhöhte Strafdrohung für Amtsträger (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2) und solche Personen, die für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet sind (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 4). Die Vorschrift tritt an die Stelle des früheren § 347 Abs. 1, enthält jedoch nur noch einen Vergehenstatbestand. Als Täter kommen insbesondere Polizeibeamte und Bedienstete der Vollzugsanstalten in Betracht. Aber auch Richter und Staatsanwälte, die sich einen Gefangenen vorführen lassen, sind „gehalten", dessen Entweichen zu verhindern. Auch der Amtsträger, der den Gefangenen selbst in Gewahrsam genommen hat, kann Täter sein, wenn er ihm anschließend wieder pflichtwidrig zur Freiheit verhilft (vgl. Lackner-Maassen 2 zu § 347 a.F.). Die T a t h a n d l u n g entspricht der des Abs. 1. Nicht hierher gehört der Fall, daß ein Gefangener vor Ablauf der eigentlichen Strafzeit entlassen wird; die Entlassung ist kein „Befreien". Dasselbe gilt für die rechtswidrige Aufhebung eines Haftbefehls (vgl. Schönke-Schröder 3 zu § 347 a.F.). 4. Die Gleichstellungsklausel des Abs. 4 tritt an die Stelle der früheren §§ 122a und 122 b. Sie vermeidet es, die auf behördliche Anordnung in einer Anstalt Untergebrachten unmittelbar als Gefangene zu bezeichnen. Dies gilt auch für die Fälle der S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g , die noch in § 423 Abs. 3 E 1962 terminologisch nicht nur wie, sondern als Gefangene behandelt wurden. Als Folge der Gleichstellungsklausel sind die Absätze 1 und 2 auch auf Personen, die gemäß §§ 63—65 in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt oder — erst ab 1. 1. 1978 von Bedeutung — in einer sozialtherapeutischen Anstalt untergebracht sind, zu beziehen. Sie erstreckt sich weiterhin auf die Fälle der Fürsorgeerziehung und die Unterbringung aufgrund landesrechtlicher Unterbringungsgesetze (vgl. Begr. zu § 425 Abs. 4 E 1962). 5. Vollendet ist die Tat erst, wenn die Befreiung gelungen ist, d.h. wenn der staatliche Gewahrsam so weit aufgehoben ist, daß eine ordnungsmäßige Überwachung des Gefangenen nicht mehr gewährleistet ist. Ob eine nur vorübergehende Lockerung
411
§ lai
W i e d e r s t a n d gegen die Staatsgewalt
des Gewahrsams (z. B . bei Außenarbeiten) hierzu schon ausreicht, h ä n g t v o n den U m s t ä n d e n des Einzelfalls a b (vgl. R G 26, 52; K ö l n J M B 1 N R W 1958, 178). Der Versuch ist g e m ä ß Abs. 3 bei allen Begehungsformen des Abs. 1 s t r a f b a r . Bei d e r 2. u n d 3. Begehungsform des Abs. 1 f ü h r t dies dazu, d a ß abweichend v o n der allgemeinen Regelung des § 30 Abs. 1 a u c h Sonderfälle der v e r s u c h t e n A n s t i f t u n g bzw. Beihilfe zu einem Vergehen u n t e r S t r a f e gestellt sind. E i n versuchtes Verleiten zum E n t w e i c h e n liegt nicht n u r vor, w e n n der Gefangene sich weigert, einen F l u c h t v e r s u c h zu u n t e r n e h m e n , sondern a u c h d a n n , wenn er einen erfolglosen F l u c h t v e r s u c h u n t e r n i m m t (Schluß a maiori a d minus). E n t s p r e c h e n d ist die Rechtslage b e i m versuchten Fördern des E n t w e i c h e n s : W e n n A d e m Gefangenen G z u r Verwirklichung seines F l u c h t p l a n s ein Sägeblatt z u k o m m e n l ä ß t , liegt ein s t r a f b a r e r Versuch n i c h t n u r d a n n vor, w e n n G seinen F l u c h t p l a n a u f g i b t oder ohne B e n u t z u n g der Säge flieht, s o n d e r n a u c h d a n n , w e n n er vergeblich v e r s u c h t , die Säge zu Fluchtzwecken z u b e n u t z e n . 6. Die S t r a f b a r k e i t d e r Teilnahme eines A u ß e n s t e h e n d e n richtet sich n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n , wobei im Falle des Abs. 2 (unechtes Amtsdelikt) § 28 Abs. 2 zu b e a c h t e n ist. N a c h A u f f a s s u n g der R s p r . soll a u c h Teilnahme des Gefangenen a n seiner B e f r e i u n g n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n s t r a f b a r sein (vgl. B G H 4, 396, 400f. sowie B G H 17, 369, 373 zu § 120 a . F . ; ähnlich B G H 5, 75, 81 sowie B G H 17, 236 zu § 257 a . F . ) . Diese A u f f a s s u n g f ü h r t jedoch zu unbefriedigenden Ergebnissen u n d wird im S c h r i f t t u m zu R e c h t überwiegend abgelehnt. Materiell gesehen k a n n es nämlich keinen U n t e r s c h i e d m a c h e n , ob d e r Gefangene sich selbst befreit oder ob er sich hierzu der Hilfe eines D r i t t e n bedient, u n d zwar auch d a n n , wenn dieser ein A m t s t r ä g e r i.S. des Abs. 2 ist (sehr Str.; Einzelheiten siehe 5 vor § 25). Aus den gleichen E r w ä g u n g e n bleiben Gefangene auch d a n n straflos, wenn sie gemeinschaftlich fliehen u n d sich hierbei gegenseitig Hilfe leisten (vgl. B G H 17, 369). 7. IdK. ist möglich m i t §§ 257, 258, 258a, ferner m i t A n s t i f t u n g u n d Beihilfe zu d e n §§ 121, 303.
§ 131
Gefangrenenmeuterei*
( 1 ) Gefangene, die s i c h z u s a m m e n r o t t e n u n d m i t vereinten K r ä f t e n 1. e i n e n A n s t a l t s b e a m t e n , e i n e n anderen Amtsträger oder e i n e n m i t ihrer B e a u f s i c h t i g u n g , B e t r e u u n g oder U n t e r s u c h u n g B e a u f t r a g t e n n ö t i g e n ( § 2 4 0 ) oder tätlich angreifen, 2. g e w a l t s a m a u s b r e c h e n oder 3. g e w a l t s a m e i n e m v o n i h n e n oder e i n e m anderen G e f a n g e n e n z u m A u s bruch verhelfen, w e r d e n m i t Freiheitsstrafe v o n drei M o n a t e n bis z u f ü n f J a h r e n bestraft. ( 2 ) D e r V e r s u c h ist strafbar. ( 3 ) I n besonders s c h w e r e n F ä l l e n wird die Meuterei m i t Freiheitsstrafe v o n sechs M o n a t e n bis z u z e h n J a h r e n bestraft. E i n besonders schwerer Fall liegt i n der R e g e l vor, w e n n der Täter oder ein anderer Beteiligter * Siehe § 65 A n m . I 412
W i d e r s t a n d gegen die Staatsgewalt
§
131
1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung (§ 224) bringt. ( 4 ) Gefangener i m Sinne der A b s ä t z e 1 bis 3 ist a u c h , w e r in einer sozialtherapeutischen Anstalt oder i n S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g untergebracht ist. 1. Die d u r c h d a s E G S t G B neu g e f a ß t e Vorschrift e n t s p r i c h t im wesentlichen d e m f r ü h e r e n § 122, erweitert jedoch in A n l e h n u n g a n § 423 E 1962 den Anwendungsbereich insofern, als der geschützte Personenkreis weiter gefaßt ist u n d in Abs. I N r . 3 m i t der Ausbruchshilfe für Meuterer u n d andere Gefangene eine neue T a t b e s t a n d s a l t e r n a t i v e h i n z u k o m m t . Andererseits w u r d e auf die f r ü h e r e S t r u k t u r des T b . als sog. U n t e r n e h m e n s d e l i k t verzichtet. Der Versuch ist zwar n a c h wie vor s t r a f b a r (vgl. Abs. 2), jedoch b e s t e h t n u n m e h r in d e n Fällen des Versuchs die Möglichkeit der S t r a f m i l d e r u n g g e m ä ß §§ 23 Abs. 3, 49 Abs. 2. Völlig n e u gefaßt w u r d e a u c h Abs. 3. Geschützt w e r d e n in erster Linie das f ü r die staatliche Verwahrungsgewalt zuständige Personal, a u ß e r d e m die Verwahrungseinrichtungen selbst (vgl. H ü b n e r L K 1). A u s dem Schrifttum zur R e f o r m des T b . siehe Schomaker, D e r T a t b e s t a n d der G e f a n g e n e n m e u t e r e i u n t e r Berücksichtigung des E n t w u r f s eines S t G B E 1962, Diss. Berlin 1967. 2. Täter einer Meuterei k ö n n e n n u r Gefangene sein (siehe hierzu § 120 A n m . 2a). A u f g r u n d der Sonderregelung des Abs. 4 gelten als Gefangene i. S. der Vorschrift auch Personen, die in einer sozialtherapeutischen A n s t a l t (vgl. § 65) oder in Sicherungsv e r w a h r u n g (vgl. § 66 (untergebracht sind. Die übrigen Unterbringungsfälle gehören jedoch — a b w e i c h e n d von der Regelung des § 120 Abs. 4 — n i c h t hierher. 3. E i n Zusammenrotten liegt vor, wenn mindestens zwei Gefangene (BGH 20, 305, 307; h . L.) in d e r Absicht z u s a m m e n t r e t e n , d u r c h ihr geschlossenes Vorgehen gegen d a s Personal oder die E i n r i c h t u n g e n der A n s t a l t ein gemeinsames Ziel auf unfriedliche Weise zu erreichen. N i c h t erforderlich ist, d a ß sie bereits im Z e i t p u n k t ihres Zusammenschlusses die Absicht h a b e n , eine der in Abs. 1 u n t e r Strafe gestellten G e w a l t h a n d l u n g e n v o r z u n e h m e n (vgl. H ü b n e r L K 6). Von der M i t t ä t e r s c h a f t u n t e r scheidet sich die Z u s a m m e n r o t t u n g d a d u r c h , d a ß zwischen den beteiligten Gefangen e n ein u n m i t t e l b a r e r räumlicher Z u s a m m e n h a n g bestehen m u ß . E r s t durch ihr „räumliches Z u s a m m e n t r e t e n oder Z u s a m m e n h a l t e n " (vgl. R G 50, 85f.; B G H 20, 305, 307) e n t s t e h t eine f ü r das Personal u n d die E i n r i c h t u n g e n der A n s t a l t typische Gefahrenlage, aus der h e r a u s die in § 121 u n t e r Strafe gestellten Gewalthandlungen b e v o r z u g t begangen w e r d e n . Nicht ausreichend ist deshalb das konspirative Zus a m m e n w i r k e n m e h r e r e r Gefangener, die von ihren Einzelzellen aus d u r c h Kassiber, Klopfzeichen usw. m i t e i n a n d e r V e r b i n d u n g a u f n e h m e n (vgl. R G 50, 86; H ü b n e r L K 7). D a s Z u s a m m e n r o t t e n m u ß ernstlich gewollt sein; beteiligt sich von zwei Gef a n g e n e n einer a n d e n Ausbruchsplänen n u r zum Schein, so k a n n von einer Zusamm e n r o t t u n g nicht gesprochen w e r d e n (vgl. H a m m J Z 1953, 342 m . zust. A n m . M a u r a c h ; h. L.). 4. E i n Vorgehen m i t vereinten Kräften setzt n i c h t voraus, d a ß mehrere oder gar alle a n der Z u s a m m e n r o t t u n g Beteiligten gewalttätig werden. Siehe hierzu § 125 A n m . 2 b, ec. 5. Die eigentliche Meuterei des Abs. 1 Nr. 1 e n t s p r i c h t im wesentlichen dem früheren § 122, erweitert jedoch in A n l e h n u n g an § 423 Abs. 1 E 1962 den geschützten Personenkreis.
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§
131
Widerstand gegen die Staatsgewalt
a) Geschützt sind Anstaltsbeamte und andere Amtsträger (z.B. Haftrichter, Staatsanwälte oder Polizeibeamte, die in der Vollzugsanstalt Vernehmungen durchführen), außerdem alle mit der Beaufsichtigung, Betreuung oder Untersuchung Beauftragten, auch wenn sie weder Aufsichtsbeamte noch sonstige Amtsträger sind (z.B. Sozialarbeiter und ärztliches Pflegepersonal). b) Die Tathandlung besteht entweder in einer Nötigung oder in einem tätlichen Angriff. Die Verweisung auf § 240 stellt klar, daß tatbestandsmäßig jedes Vorgehen ist, durch das ein Anstaltsbeamter usw. durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel rechtswidrig (vgl. § 240 Abs. 2) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt wird. Insbesondere besteht keine Veranlassung, den Gewaltbegriff in § 121 enger auszulegen als in § 240 (siehe dort Anm. 3 a). Ein Sitzstreik in den Gängen der Anstalt kann deshalb ebenso als Gewalt angesehen werden wie eine durch Sitzstreik verursachte Verkehrsblockade (vgl. Hübner L K 16). Richtet sich die Meuterei gegen eine rechtswidrige Amtshandlung oder erstrebt sie die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands (z. B. ungesetzlichen Essensentzug), so sind bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit gemäß § 240 Abs. 2 alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen (siehe hierzu § 240 Anm. 4 —5 a). Bei Gewaltanwendung wird die Meuterei allerdings in aller Regel als rechtswidrig anzusehen sein (vgl. B G H 23, 46, 54f. zu § 240). — Über tätlichen Angriff siehe § 113 Anm. I I I 2. c) Tatort muß nicht die Anstalt selbst sein. Die Meuterei kann auch bei Außenarbeiten oder im Gerichtssaal während der Verhandlung ausbrechen. d) Vollendet ist die Tat erst, wenn es zu der von den Meuterern angestrebten Handlung, Duldung oder Unterlassung gekommen ist. Im Falle des tätlichen Angriffs wird der Tb. allerdings bereits durch die Vornahme der Handlung verwirklicht. Zur Strafbarkeit des Versuchs siehe Abs. 2. 6. Ein gewaltsamer Ausbruch i.S. von Abs. 1 Nr. 2 liegt nicht nur vor, wenn die Gefangenen die ihrer Flucht entgegenstehenden s a c h l i c h e n Verwahrungsmittel gewaltsam beseitigen, z.B. durch Zersägen der Gitter oder Beschädigung des Mauerwerks (nicht ausreichend ist dagegen die Öffnung der Zellentür mit einem Dietrich, vgl. B G H 16, 36); der Tb. ist vielmehr auch dann verwirklicht, wenn Gefangene sich der Verwahrung dadurch entziehen, daß sie Gewalt gegen A u f s i c h t s b e a m t e verüben (vgl. B G H 16, 34; Hübner L K 21). Die Nr. 2 ist in diesem Fall gegenüber der Nr. 1 die speziellere Regelung (vgl. Hübner L K 43). V o l l e n d e t ist der Tb. erst mit dem Gelingen des Ausbruchs. Der Versuch ist strafbar (Abs. 2). 7. In Abs. 1 Nr. 3 wird sie sog. Ausbruchshilfe selbständig unter Strafe gestellt. Die 1. Alt. des Tb. erfaßt solche Beteiligten der Zusammenrottung, die selbst nicht fliehen, sondern nur die Flucht anderer Beteiligten fördern, also ohne eigenes Tatinteresse handeln. Die 2. Alt. enthält einen unter erhöhte Strafdrohung gestellten Sonderfall des § 120. 8. In Abs. 2 wird der Versuch unter Strafe gestellt. Diese Regelung wurde dadurch erforderlich, daß die Neufassung durch das EGStGB auf die früheren Unternehmenstatbestände verzichtet hat. Die neue Regelung ist gegenüber der früheren insofern täterfreundlicher, als jetzt die früher nicht gegebene Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch besteht. Außerdem kann die Strafe im Falle des Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 gemildert werden. 9. Teilnahme Außenstehender richtet sieh nach allgemeinen Grundsätzen. Da die Eigenschaft als Gefangener nur die Positionsnähe zum Rechtsgut charakterisiert, findet § 28 Abs. 1 keine Anwendung (vgl. Blauth, Handeln für einen anderen nach geltendem und kommendem Strafrecht, 1968, S. 77, 107; Lackner-Maassen 2).
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Widerstand gegen die Staatsgewalt
§
123
10. Die in Abs. 3 getroffene Regelung für besonders schwere Fälle entspricht der durch das 3. StrRG in § 125 a Nr. 1-—3 für den Landfriedensbruch getroffenen Regelung (Einzelheiten siehe § 125 a Anm. 1—3). 11. Abs. 4 entspricht der in § 120 Abs. 4 getroffenen Regelung, weicht von dieser aber insoweit ab, als die in Sicherungsverwahrung bzw. meiner sozialtherapeutischen Anstalt Untergebrachten (erst ab 1.1.1978 von Bedeutung) den Gefangenen nicht nur „gleichgestellt", sondern unmittelbar in den Gefangenenbegriff einbezogen werden. Außerdem ist der Personenkreis enger gefaßt. So können z. B. die in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt Untergebrachten (da weder,,Gefangene" noch in Abs. 4 erfaßt) nicht wegen Meuterei bestraft werden. Die Möglichkeit einer Bestrafung wegen Nötigung, Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung usw. bleibt hiervon allerdings unberührt. 12. IdK. ist möglich mit §§ 123, 125, 211 ff., 223ff., 249ff., 303. Gegenüber den §§ 113, 240 geht § 121 vor. Innerhalb des § 121 ist zwischen Nr. 2 und Nr. 3 IdK. möglich. Gegenüber Nr. 1 gehen Nr. 2 und Nr. 3 vor (s. o. 6).
§ 122
[aufgehoben]
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Siebenter Abschnitt: Straftaten gegen die öffentliche Ordnung (§§ 123—145 d) § 133
Hausfriedensbruch
(1) Wer i n die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. X. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift schützt das Hausrecht, d.h. das Recht, in bestimmten Örtlichkeiten frei schalten und walten zu können. Zur Wahrung des Hausrechts kann auch ein minderjähriger Familienangehöriger berechtigt sein, und zwar selbst dann, wenn er hierzu keine ausdrückliche Vollmacht besitzt (BGH 21, 224). Die Anhebung der Strafobergrenze von drei Monaten auf ein J a h r Freiheitsstrafe durch das EGStGB machte es möglich, auf die früheren Tatbestände des erschwerten Hausfriedensbruchs (§ 123 Abs. 2 a. F.) und des Hausfriedensbruchs im Amt (§ 342) ersatzlos zu verzichten. 2. Zu den geschützten Räumlichkeiten gehören: a) die Wohnung, d.h. alle Räumlichkeiten, die einer Einzelperson oder einer Personengruppe zum Aufenthalt dienen oder zur Benutzung freistehen (vgl. RG 12, 132; h.L.), und zwar auch dann, wenn sie zur Tatzeit nicht benutzt werden, z.B. Wochenendhäuser, Sommerhäuser, Jagdhütten, nicht jedoch Rohbauten, Häuser oder Wohnwagen, die noch nicht bezogen sind oder durch den Auszug der Mieter leer stehen. Die letztgenannten Räumlichkeiten fallen jedoch in der Regel unter den Begriff des ebenfalls durch § 123 geschützten Besitztums (vgl. Schäfer LK 9). Nicht erforderlich ist, daß die Räumlichkeit ihren Benutzern zum ständigen Aufenthalt, insbesondere zum Übernachten dient. Als „Wohnung" geschützt sind deshalb auch Hotelzimmer, Obdachlosenunterkünfte, Schlafstätten und Campingzelte (vgl. Schäfer L K 8f.; Maurach BT 181). Unerheblich ist weiter, ob die „Wohnung" fest mit dem Boden verbunden oder beweglich ist. Geschützt sind deshalb auch Wohnwagen, Zirkuswagen, Wohnschiffe, Camping-Busse und Campingzelte, nicht jedoch Kraftfahrzeuge, die keine besonderen Vorrichtungen zum „Wohnen" haben. Zur Wohnung gehören schließlich auch Nebenräume wie Treppenhäuser, Keller, Flure, Toiletten usw., aber auch Hausgärten und Höfe (vgl. BayObLG J R 1965, 265; Schäfer L K 7); b) Geschäftsräume, z.B. Läden, Verkaufsstände, Verkaufswagen (vgl. RG 13, 315), Tankstellen, Büros, Fabrikhallen, Zirkuszelte, Festzelte, Baubuden;
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S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g
§
183
c) das befriedete Besitztum, z. B. leerstehende H ä u s e r u n d W o h n u n g e n , R o h b a u t e n , Ställe u n d Scheunen, Sportplätze, K i r c h h ö f e , Friedhöfe, eingezäunte Lagerplätze u n d G ä r t e n , n i c h t jedoch Äcker, Wiesen, Weinberge, W e i d e n , Schonungen u s w . „ B e f r i e d e t " ist ein B e s i t z t u m z u n ä c h s t d a n n , w e n n es von seinem berechtigten I n h a b e r in äußerlich e r k e n n b a r e r Weise d u r c h z u s a m m e n h ä n g e n d e Schutzwehren gegen d a s willkürliche B e t r e t e n d u r c h a n d e r e gesichert worden ist (vgl. B a y O b L G J R 1970, 466 m . weit. Nachw.). Solche z u s a m m e n h ä n g e n d e n Schutzwehren sind jedoch entbehrlich, w e n n d a s B e s i t z t u m f ü r j e d e r m a n n e r k e n n b a r zu einer W o h n u n g oder einem G e s c h ä f t s r a u m gehört, z . B . d e r z u einem G e s c h ä f t s h a u s gehörende H o f r a u m (vgl. B a y O b L G a . a . O . m i t zust. A n m . Schröder). d) abgeschlossene Bäume, die z u m öffentlichen Dienst oder Verkehr b e s t i m m t sind. aa) A b g e s c h l o s s e n ist ein R a u m , w e n n er eine d e m befriedeten B e s i t z t u m e n t sprechende bauliche Begrenzung aufweist, die d a s beliebige B e t r e t e n d u r c h Außenstehende v e r h i n d e r n soll (vgl. Schäfer L K 16; D r e h e r 2 D). N i c h t hierher gehört also d e r Fall, d a ß ein „ I n t e r n e r " R ä u m e b e t r i t t , zu denen i h m der Z u g a n g a u f g r u n d einer dienstlichen A n o r d n u n g v e r b o t e n ist, z . B . w e n n ein Angestellter der S t a a t s a n w a l t s c h a f t in d e n A s s e r v a t e n r a u m eindringt, u m sich P o r n o h e f t e „auszuleihen", oder wenn ein Reisender der 2. Klasse u n b e f u g t ein Abteil der 1. Wagenklasse b e n u t z t oder wenn ein Gefangener sich nach d e m H o f g a n g u n b e f u g t in die Zelle eines a n d e r e n Gefangenen begibt (vgl. R G 28, 192; Schäfer L K 16; D r e h e r 2 D). bb) Z u m ö f f e n t l i c h e n D i e n s t b e s t i m m t sind alle R ä u m e , deren Zweck d a r i n besteht, d a ß in ihnen n a c h den Vorschriften des öffentlichen R e c h t s öffentliche Angelegenheiten v e r r i c h t e t werden. H i e r h e r gehören insbesondere Behörden- u n d P a r l a m e n t s g e b ä u d e (RG 47, 278), aber auch Strafvollzugsanstalten ( R G 28, 193), Wahllokale ( R G 46, 406) u n d Schulhäuser (RG GA B d . 49, 121) sowie K i r c h e n . cc) Z u m ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r b e s t i m m t sind alle Betriebsgebäude u n d Bef ö r d e r u n g s m i t t e l d e r öffentlichen Verkehrsbetriebe. Öffentlich ist der Verkehr, wenn er der Allgemeinheit zugänglich ist, d . h . von j e d e r m a n n in A n s p r u c h g e n o m m e n w e r d e n k a n n . Unerheblich ist, ob Träger des Verkehrsbetriebs die öffentliche H a n d (z.B. B u n d e s b a h n , Bundespost, Gemeinde usw.) oder ein p r i v a t e r U n t e r n e h m e r ist. Geschützt sind insbesondere Betriebsgebäude einschließlich der Nebeng e b ä u d e v o n P o s t , B a h n u n d öffentlichen N a h v e r k e h r s b e t r i e b e n , E i s e n b a h n - u n d S t r a ß e n b a h n w a g e n ( R G 75, 357), Linienomnibusse sowie Schiffe u n d F ä h r e n des öffentlichen Linienverkehrs (nicht jedoch, wenn die l e t z t g e n a n n t e n V e r k e h r s m i t t e l zur T a t z e i t v o n p r i v a t e n Gesellschaften zu p r i v a t e n Zwecken gemietet sind). Z u r P r o b l e m a t i k des B a h n h o f s v e r b o t s siehe Celle M D R 1965, 595; 1966, 944. 3. Die T a t h a n d l u n g rechtlichen Eindringen.
der 1. A l t e r n a t i v e d e s T a t b e s t a n d s b e s t e h t im wider-
a) E i n d r i n g e n ist jedes B e t r e t e n der geschützten R ä u m l i c h k e i t e n gegen d e n ausdrücklichen oder m u t m a ß l i c h e n Willen des B e r e c h t i g t e n . Gewaltsames Vorgehen ist n i c h t erforderlich; es genügt vielmehr die Ü b e r w i n d u n g „geistiger B a r r i e r e n " (vgl. M a u r a c h B T 182; Schäfer L K 21; Dreher 3 A). H a u s f r i e d e n s b r u c h begeht deshalb a u c h , wer sich den Zugang in ein befriedetes B e s i t z t u m d u r c h T ä u s c h u n g verschafft, obwohl er weiß, d a ß der Berechtigte i h m in K e n n t n i s der tatsächlich verfolgten Absichten d e n Z u t r i t t verweigern w ü r d e (vgl. R G GA B d . 49, 287; O L G München N J W 1972, 2275 m . A n m . O t t o N J W 1973, 668), oder wer a u f der Suche n a c h einem P a r k p l a t z seinen W a g e n einfach im H o f r a u m eines f r e m d e n G e b ä u d e s abstellt, obwohl er d o r t keine Geschäfte zu erledigen h a t u n d deshalb d a m i t r e c h n e n m u ß , d a ß der Berechtigte m i t d e m Abstellen des P k w nicht e i n v e r s t a n d e n ist (vgl. B a y O b L G J R 1970, 467 m . zust. A n m . Schröder). Auch d a s K a u f h a u s öffnet 27
Freiaendanz, StGB, 29. Aufl.
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§ 123
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
seine Tore nur für Personen, die Waren kaufen oder sieh über das Angebot informieren wollen, nicht jedoch für Diebe. Hausfriedensbruch begeht daher, wer das Kaufhaus in der Absicht des Diebstahls betritt (vgl. Maurach BT 182; Schäfer L K 25; a.A. Welzel 333; Schönke-Schröder 15b; Lackner-Maassen 3: Hausfriedensbruch in derartigen Fällen nur dann, wenn schon das äußere Erscheinungsbild von dem generell gestatteten Verhalten abweicht, z.B. wenn ein maskierter Bankräuber mit vorgehaltener Pistole die Schalterhalle einer Bank betritt). Nach der hier vertretenen Ansicht liegt Hausfriedensbruch weiter dann vor, wenn jemand ein öffentliches Verkehrsmittel in der Absicht betritt, den üblichen Fahrpreis nicht zu entrichten (wichtig für die Fälle, in denen der Täter sich — etwa aus politischen Gründen, um den „Nulltarif" zu demonstrieren — offen weigert, den Fahrpreis zu entrichten, § 265a also nicht in Betracht kommt; vgl. § 265a Anm. 3). — In allen Fällen ist nicht erforderlich, daß der Täter mit seinem ganzen Körper eindringt. So genügt es beispielsweise, wenn ein Bettler seinen Fuß zwischen die Tür stellt (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1955, 144). b) W i d e r r e c h t l i c h bedeutet soviel wie r e c h t s w i d r i g . Die Rechtswidrigkeit ist ausgeschlossen, wenn das Hausrecht einem stärkeren Recht weichen muß. So handelt ein G e r i c h t s v o l l z i e h e r , der in eine Wohnung eindringt, um zu pfänden, zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig (vgl. §§ 758ff. ZPO). Dasselbe gilt für einen P o l i z e i b e a m t e n , der in eine Wohnung eindringt, um eine Beschlagnahme vorzunehmen (§§ 94, 98 StPO). Das Recht, gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Hausrechtsinhabers dessen Räume zu betreten, kann sich auch aus dem P r i v a t r e c h t ergeben, z.B. wenn ein Einzelhändler sich seinem Lieferanten gegenüber vertraglich verpflichtet, die kartellrechtlich zulässigen Preisbindungsabsprachen einzuhalten, d.h. die preisgebundenen Artikel nicht unter Preis zu verkaufen. Er ist in diesem Fall verpflichtet, sogenannten T e s t k ä u f e r n (Personen, die sich durch Probekäufe von der Einhaltung der Absprachen überzeugen wollen) den Zutritt zu gestatten (vgl. LG Frankfurt N J W 1963, 1022 m. Anm. Hanack JuS 1964, 355; im Ergebnis übereinstimmend auch Schönke-Schröder Rn. 15c). Für P r e s s e v e r t r e t e r beachte § 6 Abs. 2 VersammlG (Anhang 5). — Die Rechtswidrigkeit kann schließlich auch durch r e c h t f e r t i g e n d e n N o t s t a n d ausgeschlossen werden (vgl. OLG München N J W 1972, 2275 m. krit. Anm. Otto N J W 1973, 668 betr. Kontaktpersonen der Polizei, die sich zwecks Vornahme von Testkäufen Zutritt in die Unterkünfte von Rauschgifthändlern verschafft hatten). c) Der Tb. kann auch durch U n t e r l a s s e n verwirklicht werden. Diese Form der Tatbestandsverwirklichung kommt dann in Betracht, wenn das widerrechtliche Eindringen als solches aus irgendeinem Grund nicht strafbar war, z.B. weil es ohne Vorsatz erfolgte, der Täter sich dann aber nach Wegfall der die Strafbarkeit ausschließenden Umstände pflichtwidrig nicht unverzüglich wieder entfernt (vgl. BGH 21, 224; Schäfer L K 23; Schröder JR 1967, 304; JR 1970, 467f.). 4. Die 2. Alternative des Tatbestands, die gegenüber der 1. Alt. des Tb. nur subsidiäre Bedeutung hat (vgl. BGH 21, 224; Schäfer L K 51), stellt das unbefugte Verweilen in einer Wohnung usw. unter Strafe. a) Auch hier ist der e n t g e g e n s t e h e n d e W i l l e des B e r e c h t i g t e n (ungeschriebenes) T a t b e s t a n d s m e r k m a l . Er muß hier allerdings in einer ausdrückl i c h e n E r k l ä r u n g d e s B e r e c h t i g t e n (z.B. Aufforderung, das Lokal zu verlassen) seinen Niederschlag finden. b) U n b e f u g t ist das Verweilen dann, wenn der Täter kein besonderes Recht zum Verweilen hat, hinter dem das Hausrecht zurücktreten muß (s. o. Anm. 3b). So können z.B. Pressevertreter, die sich durch ihren Presseausweis ordnungsgemäß
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S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g
§
133
ausweisen, nicht v o n einer öffentlichen V e r s a m m l u n g ausgeschlossen werden (vgl. § 6 Abs. 2 VersammlG, a b g e d r u c k t in A n h . 5). c) B e i s p i e l e : A weist den Malergesellen M a u s d e m H a u s , d a dieser seine H a u s a n g e s t e l l t e belästigt. K o m m t M der A u f f o r d e r u n g n i c h t n a c h , so begeht er H a u s f r i e d e n s b r u c h . E r k a n n sich insbesondere n i c h t d a r a u f b e r u f e n , er h a b e von seinem Meister d e n A u f t r a g erhalten, die W o h n u n g zu t ü n c h e n . — O d e r : A weist seine H a u s a n g e s t e l l t e H wegen ständiger H e r r e n b e s u c h e oder Diebereien aus dem H a u s . I n diesem F a l l m a c h t sich die H eines H a u s f r i e d e n s b r u c h s schuldig, wenn sie das H a u s n i c h t unverzüglich v e r l ä ß t . A m u ß allerdings dulden, d a ß die H ihre Sachen in aller R u h e p a c k t u n d notfalls noch eine N a c h t bleibt, bis sie eine a n d e r e U n t e r k u n f t g e f u n d e n h a t . — O d e r : E i n G a s t w i r t ist berechtigt, einen Gast, der sich ungebührlich b e n i m m t , a u c h d a n n a u s dem Lokal zu weisen, w e n n er die bestellten Speisen u n d G e t r ä n k e n o c h n i c h t v e r z e h r t h a t . E r ist f e r n e r b e r e c h t i g t , b e s t i m m t e n , i h m u n e r w ü n s c h t e n P e r s o n e n von v o r n h e r e i n das L o k a l zu v e r b i e t e n . Die betreffenden P e r s o n e n k ö n n e n sich in diesem Fall n i c h t d a r a u f b e r u f e n , d a s Lokal sei doch öffentlich. d) S c h w i e r i g k e i t e n k ö n n e n sich ergeben, w e n n d a s H a u s r e c h t m e h r e r e n P e r s o n e n z u s t e h t , die sich ü b e r die G e l t e n d m a c h u n g n i c h t einigen k ö n n e n . B e i s p i e l : E h e m a n n A b r i n g t seinen F r e u n d F m i t n a c h H a u s e in die eheliche W o h n u n g . Als F im L a u f e des A b e n d s i m m e r l a u t e r w i r d u n d a n f ä n g t , obszöne R e d e n z u f ü h r e n , weist ihn F r a u A a u s d e m H a u s . F bleibt jedoch u n t e r B e r u f u n g auf die v o n A ausgesprochene E i n l a d u n g . A selbst h a t n i c h t s dagegen, d a ß F bleibt. Hier ist z u n ä c h s t festzustellen, d a ß das H a u s r e c h t beiden E h e g a t t e n z u s t e h t (vgl. H a m m N J W 1955, 761; 1965, 2067), u n d zwar a u c h d a n n , wenn der Mietvertrag n u r m i t einem E h e g a t t e n abgeschlossen w u r d e (vgl. Stgt D J 1972, 156). D a s bed e u t e t a b e r nicht, d a ß beide E h e g a t t e n das H a u s r e c h t n u r gemeinsam a u s ü b e n k ö n n t e n . Vielmehr ist jeder berechtigt, u n e r w ü n s c h t e Gäste a u s dem H a u s zu weisen. Gegen d e n Willen des Mitberechtigten k a n n er dies allerdings n u r , w e n n sich die G e l t e n d m a c h u n g n i c h t als R e c h t s m i ß b r a u c h darstellt (vgl. Stgt a . a . O . ) D a hiervon n a c h Sachlage keine R e d e sein k a n n , h a t F sich d u r c h sein weiteres Verweilen eines H a u s f r i e d e n s b r u c h s schuldig g e m a c h t . Siehe hierzu a u c h B G H N J W 1952, 975 u n d u n t e n A n m . 6. e) Sehr b e s t r i t t e n ist die Frage, ob sich j e m a n d d a d u r c h eines H a u s f r i e d e n s b r u c h s schuldig m a c h e n k a n n , d a ß er sich zwar m i t Billigung des Mieters, a b e r gegen den Willen des Vermieters in einer Mietwohnung a u f h ä l t . Die F r a g e wird von einigen Oberlandesgerichten (vgl. K ö l n M D R 1954, 359; N J W 1966, 265; Braunschweig N J W 1966, 263 m . abl. A n m . Schröder) f ü r den Fall b e j a h t , d a ß der Vermieter von seinem Mieter verlangen k a n n , d a ß die i h m u n e r w ü n s c h t e n Besuche unterbleiben. Ähnlich W e i m a r J R 1970, 58, der d e m H a u s e i g e n t ü m e r das R e c h t zuspricht, gegenü b e r d e m Besucher eines Mieters d a n n ein rechtsverbindliches H a u s v e r b o t auszusprechen, w e n n der Mieter d u r c h den E m p f a n g des Besuchers gegen seine v e r t r a g lichen Pflichten v e r s t ö ß t , z . B . wenn er seinen K i n d e r n in der Zeit v o n 14—16 U h r in der M i e t w o h n u n g d u r c h einen Musiklehrer K l a v i e r u n t e r r i c h t erteilen l ä ß t , obwohl n a c h der H a u s o r d n u n g w ä h r e n d dieser Zeit jedes Klavierspielen u n t e r s a g t ist. Dies erscheint jedoch bedenklich. D e r Mieter m u ß das R e c h t h a b e n zu b e s t i m m e n , wen er bei sich in der W o h n u n g h a b e n will oder n i c h t . F ü h l t sich der Vermieter hierd u r c h in seinen Interessen verletzt, so k a n n er gegen d e n Mieter auf U n t e r l a s s u n g klagen (vgl. § 550 B G B ) oder i h m k ü n d i g e n (vgl. Schröder a . a . O . ; Welzel 333). f) S t r a f b a r w i r d d a s u n b e f u g t e Verweilen erst, w e n n der T ä t e r die geschützten Räumlichkeiten trotz A u f f o r d e r u n g nicht verläßt. Einmalige Aufforderung genügt. N i c h t erforderlich ist, d a ß die A u f f o r d e r u n g in ausdrücklicher F o r m erfolgt. E s genügt, d a ß der T ä t e r aus d e m schlüssigen V e r h a l t e n des Berechtigten die 27
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§
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
Rechtswidrigkeit seines weiteren Verweilens erkennen kann (z. B. durch ein Glockenzeichen am Ende der Öffnungszeit eines Museums, Friedhofs usw., vgl. LacknerMaassen 5; Schäfer L K 53). 5. S t ö r u n g e n d e s H a u s f r i e d e n s , die weder als widerrechtliches Eindringen noch als unbefugtes Verweilen angesehen werden können, z.B. nächtliche Anrufe, lautes Poltern gegen Tür oder Fensterläden, Steinwürfe usw., fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Vorschrift, können jedoch u.U. durch andere Straftatbestände erfaßt werden. In Betracht kommen hier vor allem Beleidigung, Körperverletzung, außerdem die Bußgeldtatbestände des §§117 OWiG (unzulässiger Lärm) und 118 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit). 6. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß insbesondere wissen (oder billigend in Kauf nehmen), daß er gegen den erklärten Willen des Berechtigten in dessen Wohnung usw. eindringt oder darin verweilt. Im Falle des Verweilens muß der Täter außerdem wissen, daß er aufgefordert wurde, das Lokal zu verlassen. Der Vorsatz bleibt dagegen bestehen, wenn der Täter in Kenntnis aller Tatumstände nur irrig glaubt, er habe ein besonderes Recht zum Eindringen oder Verweilen. Ein derartiger Irrtum ist nach den Grundsätzen des V e r b o t s i r r t u m s zu beurteilen (vgl. Vorbem. AT, Abschn. B V I I 2c, S. 26f.). So könnte sich in dem oben unter 4d gebrachten Beispiel F nicht auf fehlenden Vorsatz berufen, wenn er zu seiner Verteidigung vorbringt, er habe geglaubt, Frau A sei nicht berechtigt gewesen, ihn aus dem Haus zu weisen. 7. Konkurrenzen. a) § 123 tritt zurück hinter §§ 124, 243 Nr. 1. b) Delikte, die g e l e g e n t l i c h eines Hausfriedensbruchs begangen werden, z.B. ein Diebstahl oder eine Körperverletzung, treten zum Hausfriedensbruch grundsätzlich in Realkonkurrenz. Dies gilt nach BGH 18,29 auch dann, wenn der Hausfriedensbruch z u m Z w e c k e i n e r a n d e r e n S t r a f t a t , z.B. einer Vergewaltigung oder eines Diebstahls, begangen wird. Siehe hierzu V vor § 62. c) Wegen des Verhältnisses zu § 106b siehe dort Anm. 3. 8. Die T a t wird nur auf A n t r a g verfolgt. Beachte ferner § 374 StPO (Privatklagedelikt).
§ 124 Schwerer Hausfriedensbruch Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Bäume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher a n diesen Handlungen teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Die durch das 3. StrRG und das EGStGB nicht berührte V o r s c h r i f t enthält einen qualifizierten Fall des Hausfriedensbruchs. 420
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2. Über Menschenmenge siehe § 125 Anm, 2b, aa, über Zusammenrotten § 121 Anm. 3. Ergänzend ist hervorzuheben, daß eine friedliche Versammlung nicht schon dadurch zu einer „zusammengerotteten Menschenmenge" wird, daß einzelne Teilnehmer Gewalttätigkeiten begehen, ohne daß die übrigen Teilnehmer sich hiermit solidarisch erweisen (vgl. Dreher 1 B mit Nachw.). — Über öffentlich siehe § 111 Anm. 2. 3. Das Eindringen (siehe hierzu § 123 Anm 3) muß in der Absicht erfolgen, mit vereinten K r ä f t e n Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen zu begehen. Gewalttätigkeit ist enger als Gewalt. Siehe hierzu sowie über das Tb.-Merkmal mit vereinten Kräften § 125 Anm. 2 a. 4. Die Tathandlung besteht in der Teilnahme an den vorstehend beschriebenen Handlungen, und zwar sowohl an der Zusammenrottung als auch am Eindringen. Persönliches Eindringen ist nicht erforderlich, sofern die Voraussetzungen der Mittäterschaft vorliegen, der Täter sich also das Eindringen der anderen als eigenes Verhalten zurechnen lassen muß (KG 55, 35; h.L.), z.B. wenn er vor dem Gebäude „Schmiere" steht oder das Gebäude gegen anrückende Polizeikräfte verteidigt. Auch Mitläufer, die sich nur als Neugierige an der Zusammenrottung und dem Eindringen beteiligen, handeln tatbestandsmäßig, nicht jedoch Ärzte, Sanitäter oder sog. Abwiegler (BGH N J W 1954, 1694), ferner nicht Journalisten, die sich rein aus beruflichen Gründen in der Menge aufhalten, ohne dabei selbst in die geschützten Räumlichkeiten einzudringen (vgl. Dreher 2; Janknecht GA 1969, 38). 5. Der Vorsatz erfordert das Bewußtsein, an einer unfriedlichen Menschenmenge teilzunehmen, die mit vereinten Kräften in eine der geschützten Räumlichkeiten eindringt. Der Täter muß auch erkennen (bedingter Vorsatz genügt), daß die Menge die Absicht verfolgt, Gewalttätigkeiten zu begehen. Nicht erforderlich ist dagegen, daß auch er selbst diese Absicht verfolgt (wichtig f ü r Mitläufer). 6. IdK. ist möglich mit §§ 125, 223ff., 239, 250, 255.
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Liandfriedensbruch
(1) Wer sich an 1. Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder 2. Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, u m ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, w e n n die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. 1. Die Neufassung der Vorschrift über den Landfriedensbruch bildet das Kernstück des 3. StrRG, stellt gleichzeitig aber dessen umstrittenste Vorschrift dar. Sowohl in den parlamentarischen Gremien als auch unter den vom Sonderausschuß gehörten Sachverständigen und Auskunftspersonen in dem am 12./13. 1. 1970 durchgeführten öffentlichen Hearing fehlte es nicht an warnenden Stimmen, die sich mit
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
ernst zu nehmenden Argumenten dafür einsetzten, in weitgehender Übereinstimmung mit dem früheren Recht bereits das bloße Verbleiben in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Menschenmenge, aus der heraus erkennbar Gewalttätigkeiten begangen werden, unter strafrechtliche Sanktion zu stellen. Gegen die ursprünglich im SPD/FDP-Entwurf (BT-Drucksache VI/139) vorgesehene Beschränkung der Strafbarkeit auf Personen, die unmittelbar als Täter oder Teilnehmer an Gewalttätigkeiten in Erscheinung treten, wurde insbesondere geltend gemacht, bei einer solchen Beschränkung werde der Tatbestand praktisch bedeutungslos, da Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen bereits nach den allgemeinen Vorschriften des Strafrechts als Tötung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung oder Sachbeschädigung bestraft werden könnten (vgl. z . B . Bockelmann und Lackner in der Sitzung des Sonderausschusses am 12./13. 1. 1970, S. 171, 203 der stenographischen Niederschriften). Eine solche Beschränkung wäre vor allem aber auch nicht in der Lage gewesen, die nach den Theorien der Massenpsychologie und den Erfahrungen der letzten Jahren hinreichend bekannte Sog- und Schutzwirkung der hinter den eigentlichen Gewalttätern stehenden Masse in befriedigender Weise strafrechtlich zu erfassen: Die angeheizte Masse vergrößert die Bereitschaft zu Gewaltakten, ihre Anonymität fördert die potentielle Täterschaft; die Verfolgung des radikalen Kerns, der die eigentlichen Gewalttätigkeiten verübt, wird erschwert. Hinzu kommt, daß selbst offensichtliche Agitatoren, die die Masse durch Sprechchöre oder auf ähnliche Weise anheizen, nur in den seltensten Fällen als Täter und meist auch nicht als Gehilfen erfaßt werden können, da es für die Annahme von Beihilfe nicht ausreicht, daß die Unzufriedenheit der Menge gesteigert wird. Für die Annahme von Beihilfe ist vielmehr erforderlich, daß die Voraussetzungen für ganz konkrete Gewalttätigkeiten nachweisbar verbessert werden (vgl. Lackner a.a.O.). Andererseits mußte eine Lösung gefunden werden, die verhindert, daß Demonstranten, die ihre Demonstration fortführen wollen, ohne selbst an Gewalttätigkeiten beteiligt zu sein, sowie unbeteiligte Passanten, Presseleute, Neugierige, vor allem aber auch Ärzte, Sanitäter und sog. Abwiegler ebenfalls in Gefahr geraten, allein wegen ihrer Anwesenheit in der Menge wegen Landfriedensbruchs in ein Strafverfahren gezogen zu werden. Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte wurde dann schließlich die vom Bundestag am 18. 3. 1970 verabschiedete Fassung des Sonderausschusses herausgearbeitet, wonach neben Tätern und Teilnehmern auch die sog. Anheizer bestraft werden, d.h. solche Personen, die auf die Menschenmenge einwirken, um ihre Bereitschaft zu Gewalttätigkeiten und Bedrohungen zu fördern. Friedliches Demonstrieren ist dagegen nicht mehr mit der Gefahr einer Strafverfolgung verbunden. Selbst bei einer polizeilichen Auflösung einer Demonstration kann deren Fortsetzung nach § 113 OWiG (abgedruckt in Anh. 4) nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. 2. Die Tathandlung des Abs. 1 Ziff. 1 besteht entweder in der VerÜbung von Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen o d e r in der Teilnahme an solchen Gewalttätigkeiten o d e r in der Einwirkung auf eine Menschenmenge mit dem Ziel, deren Bereitschaft zu solchen Gewalttätigkeiten zu fördern. I m einzelnen: a) Der Begriff der Gewalttätigkeit ist wesentlich enger als der in letzter Zeit von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehr weit gezogene Gewaltbegriff bei Nötigung und Raub. Tatbestandsmäßig sind nur solche Handlungen, durch die der Täter a g g r e s s i v gegen Personen oder Sachen vorgeht, vor allem, wenn strafbare Handlungen wie Mord und Totschlag, Körperverletzimg und Sachbeschädigung begangen werden. Aber auch die Errichtung von Straßensperren zur Lahmlegung des Verkehrs oder eines bestimmten Betriebs muß nach inzwischen gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechimg als Gewalttätigkeit beurteilt werden (vgl. BayObLG N J W 1969, 63; Stgt N J W 1969, 1543; Celle N J W 1970, 206 zu § 125 a . F . ) . Nach B G H 23, 46, 53 genügt sogar schon das Wegdrängen eines Polizeibeamten oder das
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§ 135
Umwerfen eines Gegenstands. Folgt man dieser sehr weitgehenden Rechtsprechung, so muß m a n konsequent auch das Werfen von Eiern, Farbbeuteln oder Tomaten als Gewalttätigkeit beurteilen. Keinesfalls ausreichend ist jedoch ein rein passives Verhalten, z. B. ein Sitzstreik auf den Schienen einer Straßenbahn, auch wenn dieser nach B G H 23, 46fF. eine mit den Mitteln der Gewalt begangene rechtswidrige Nötigung darstellt. Auch das gewaltlose Besetzen einer Dienststelle durch Demonstranten wird nicht dadurch zur Gewalttätigkeit, daß der Dienstbetrieb durch die mit der großen Zahl der Demonstranten verbundenen Störungen zum Erliegen kommt (vgl. Stgt N J W 1969, 1776). Zum Ganzen siehe auch Ott N J W 1969, 454, 2023 und Kreuzer N J W 1970, 670 (nachgeschobene Anmerkung zu Celle N J W 1970, 206).
b) Die Gewalttätigkeit muß aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen worden sein. aa) Menschenmenge ist eine größere Ansammlung von Personen, die man nicht auf den ersten Blick zählen kann. Nach einer nicht veröffentlichten Entscheidung des B G H vom 13. 7. 1960 (2 StR 291/60) kann bereits eine Ansammlung von 11 Jugendlichen eine solche Menschenmenge darstellen. bb) Die Gewalttätigkeiten müssen „ a u s " der Menschenmenge begangen werden. Nicht erforderlich ist, daß die Menge als ganze sich mit den Ausschreitungen identifiziert oder solidarisch fühlt. cc) Die Gewalttätigkeiten müssen mit vereinten Kräften begangen werden. Mittäterschaft i.S. von § 47 ist ebensowenig erforderlich wie eine vorherige Absprache. Es genügt, daß die Gewalttätigkeiten von einzelnen Teilnehmern verübt werden, die Ausschreitungen aber der psychischen Grundhaltung der versammelten Menge entsprechen (vgl. Schönke-Schröder 11). Selbst die Ausschreitungen eines einzelnen können den Tatbestand verwirklichen, wenn die anderen billigend zu ihm stehen (vgl.RG J W 1933, 4 2 9 ; B a y O b L G N J W 1955, 1806; Schönke-Schröder 11). — B e i s p i e l : A schlägt bei einer Demonstration die Scheiben eines Gebäudes ein. Eine Gruppe von 10 bis 15 weiteren Demonstranten sichert ihn gegen Identifizierung und Festnahme in der Weise ab, daß sie sich mit Fahnen und Transparenten schützend hinter ihn stellt. N i c h t ausreichend sind andererseits Aktionen einzelner, die vom Willen der übrigen Teilnehmer nicht getragen werden. dd) Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, wenn die Ausschreitungen geeignet sind, in der Bevölkerung das Bewußtsein aufkommen zu lassen, daß Ruhe und Friede nicht mehr gewährleistet sind. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sich die Aktion nur gegen bestimmte Personen, Personengruppen oder Objekte richtet. Ist die öffentliche Sicherheit in dieser Weise gefährdet, so ist die Friedlichkeitsschranke des Art. 8 Abs. 1 GG überschritten; die versammelte Menge kann sich im Falle einer polizeilichen Auflösung nicht mehr auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. c) Täter ist zunächst jeder, der selbst oder durch einen anderen (mittelbare Täterschaft) Gewalttätigkeiten verübt. Ein Fall der Täterschaft liegt aber auch f ü r den vor, der sich an den Gewalttätigkeiten nur als T e i l n e h m e r beteiligt. Durch die besondere Struktur des Tatbestands werden Anstiftung und Beihilfe zu einem besonderen Fall der Täterschaft erhoben. B e i h i l f e ist — wie auch sonst — jede vorsätzliche Unterstützung fremder Tat. Sie kann nach allgemeinen Grundsätzen entweder durch Verbesserung der äußeren Bedingungen geleistet werden (sog. physische oder technische Beihilfe) oder dadurch, daß der eigentliche Täter durch Ratschläge oder auf sonstige Weise in seinem Tatentschluß bestärkt wird (sog. psychische oder intellektuelle Beihilfe). — B e i s p i e l e f ü r physische Beihilfe: Anfertigung sogen. Molotow-Cocktails, Verteilung von Eiern, Farbbeuteln und ähnlichen Wurfgeschossen; — oder: Abschirmen eines gewalttätigen Demonstranten, um ihn vor Identifizierung und Festnahme zu sichern und ihm die ungestörte Fortsetzung seines Treibens zu
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§
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
ermöglichen. — B e i s p i e l e für psychische Beihilfe: Erteilen von Ratschlägen, wie man Molotow-Cocktails herstellt und verwendet; — oder: Zurufe an den radikalen Kern der Menge, um die dort agierenden Täter zur Fortsetzung bereits begonnener Gewaltakte zu ermuntern. d) In allen Erscheinungsformen setzt die Beihilfe, wie bereits oben unter Anm. 1 dargelegt, wesensmäßig voraus, daß die G e w a l t t ä t i g k e i t e n durch den als Beihilfe zu wertenden Tatbeitrag n a c h w e i s b a r g e f ö r d e r t werden und der Gehilfe einen solchen Erfolg n a c h w e i s b a r g e w o l l t , zumindest aber billigend in seine Vorstellung einbezogen hat. Ein derartiger Nachweis ist in der Praxis erfahrungsgemäß nur schwer zu führen. Dies gilt vor allem für den Nachweis des Vorsatzes. Andererseits besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, auch diejenigen strafrechtlich verfolgen zu können, die durch Sprechchöre, Zurufe und Gesten oder durch ähnliche Agitationen in gefährlicher Weise die Menge anheizen. Diese Erwägungen führten schließlich dazu (s. o. Anm. 1), daß der Bundestag sich entschloß, über den ursprünglichen SPD/FDP-Entwurf hinausgehend auch den als Täter eines Landfriedensbruchs zu behandeln, der —- ohne selbst nachweisbar als Täter oder Teilnehmer an Gewalttätigkeiten beteiligt zu sein — auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu Gewalttätigkeiten zu fördern. Einwirken in diesem Sinn ist jede Beeinflussung von Teilnehmern der versammelten Menge, mit dem Ziel, diese „aufzuheizen", z.B. durch Mitführen von aggressiven, zu Gewalttaten auffordernden Spruchbändern, durch Verteilen von entsprechend aggressiven Hetzflugblättern, vor allem aber durch Anstimmen von Sprechchören, in denen zu Gewaltakten aufgefordert wird. Die bloße Anwesenheit in der Menge reicht dagegen nicht mehr aus, um den Tatbestand des Landfriedensbruchs zu verwirklichen. Wer sich nur als Neugieriger in der Menge aufhält oder lediglich die friedlich begonnene Demonstration friedlich fortführen möchte, kann nicht mehr wegen Landfriedensbruch bestraft werden, sondern begeht allenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach § 113 OWiG (Anh. 4). Das friedliche Demonstrieren soll nicht mehr mit dem Risiko einer Strafverfolgung verbunden sein (s. o. Vorbem. I I ) . Andererseits setzt das Tatbestandsmerkmal „einwirken" nicht voraus, daß der Täter sich selbst in der Menge aufhält. Die Einwirkung kann auch von außen erfolgen, z.B. in der Weise, daß die eigentlichen Agitatoren sich im Hintergrund halten und von dort aus die Aktionen durch ihre Mittelsmänner steuern. e) Der subj. Tb. erfordert bei allen Tatbestandsalternativen Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz grundsätzlich ausreicht. Lediglich bei der letzten Tb-Alternative ist die A b s i c h t des Täters erforderlich, die Bereitschaft der Menge zu unfriedlichem Verhalten zu fördern, d.h. es muß dem Täter auf diesen Erfolg ankommen. Bei einem bestreitenden oder die Aussage verweigernden Beschuldigten kann das Vorliegen der aufwieglerischen Absicht auch aus den äußeren Umständen geschlossen werden. 3. In Abs. 1 Nr. 2 wird die Bedrohung mit einer Gewalttätigkeit der VerÜbung von Gewalttätigkeiten gleichgestellt. Die angedrohte Gewalttätigkeit kann sich auch gegen Sachen richten, z . B . Drohung, die Einsatzfahrzeuge der Polizei in Brand zu setzen. Die Ausführungen unter Anm. 2 gelten im übrigen entsprechend. 4. Teilnahme: Anstiftung und Beihilfe zu Gewalttätigkeiten und Bedrohung mit Gewalttätigkeiten sind aufgrund der besonderen Struktur des Tatbestands zu selbständigen Formen der Täterschaft erhoben (s. o. 2). Im übrigen richtet sich die Teilnahme nach allgemeinen Vorschriften. Wenn z . B . A den X dazu anstiftet, bei einer Demonstration aggressive Hetzflugblätter zu verteilen und auf diese Weise die Menge anzuheizen, so liegt hierin eine nach den §§ 125, 26 strafbare Anstiftung zum
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§ 125 a
Landfriedensbruch, falls nicht aufgrund besonderer Umstände nach allgemeinen Grundsätzen ein Fall der Mittäterschaft anzunehmen ist. 5. Abs. 2 bezieht sich auf die Fälle, in denen die nach § 125 Abs. 1 tatbestandsmäßigen Handlungen zugleich Widerstandshandlungen i.S. von § 113 sind. Die Verweisung auf § 113 Abs. 3 stellt klar, daß aus der Menge heraus verübte Gewalttätigkeiten gegen Polizeibeamte und sonstige Vollstreckungsbeamte bzw. deren Bedrohung mit Gewalttätigkeiten nur dann nach § 125 als Landfriedensbruch strafbar sind, wenn die Beamten sich in rechtmäßiger Ausübung ihres Amtes befunden haben. Die Verweisung auf Abs. 4 des § 113 gibt die Möglichkeit, den Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung des angegriffenen oder bedrohten Beamten als schuldausschließend oder schuldmildernd zu behandeln und gegebenenfalls von Strafe abzusehen. 6. Konkurrenzen: Idealkonkurrenz ist vor allem möglich mit §§ 113, 223, 303. I m Verhältnis zu den §§ 211,212,223 a, 224,226 wirkt sieh dagegen die S u b s i d i a r i t ä t s k l a u s e l aus, d.h. § 125 kommt neben diesen Vorschriften nicht zur Anwendung.
§ 125 a Besonders schwerer Fall des Iiandlriedensbrucbs In besonders schweren Fällen des § 125 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe bei sich führt, u m diese bei der Tat zu verwenden, 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung (§ 224) bringt oder 4. plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet. 1. Die Vorschrift bringt — ähnlich wie §§ 113 Abs. 2, 121 Abs. 3 — eine Strafschärfung f ü r besonders schwere Fälle. Der Vergehenscharakter der Tat wird durch die Annahme eines besonders schweren Falls nicht berührt. 2. Zu den vier Regelbeispielen: a) Abweichend von der Regelung des § 113 Abs. 2 (siehe dort Anm. V) genügt bei S c h u ß w a f f e n das Bewußtsein des Mitsichführens. Eine Gebrauchsabsicht ist nicht erforderlich. § 125 a Nr. 1 entspricht damit insoweit der Regelung des § 244 Abs. 1 Nr. 1, so daß wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen unter § 244 Anm. I I 1 verwiesen werden kann. Abweichend von der Regelung des § 244 trifft die Strafschärfung jedoch immer nur den Täter, der s e l b s t die Schußwaffe bei sich geführt hat. b) Bei s o n s t i g e n W a f f e n (Waffen im technischen Sinn, soweit nicht schon unter Nr. 1 fallend, sowie Waffen im nicht technischen Sinn) ist wie in § 113 Abs. 2 und § 244 Abs. 1 Nr. 2 eine — mindestens bedingte — Gebrauchsabsicht erforderlich. Die Strafschärfung trifft (wie auch in Nr. 1) nur den Täter, der die Waffe selbst mit sich führt. c) Zu Nr. 3 siehe § 113 Anm. V 2. 425
§ § 1 3 6 , 12V
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
d) Nr. 4 enthält Elemente des früheren § 125 Abs. 2, ohne daß die Tat dadurch jedoch zum Verbrechen wird. P l ü n d e r n ist die in Zueignungsabsicht erfolgte Wegnahme oder Abnötigung von Sachen unter Ausnutzung der durch die Unruhen entstandenen Verwirrung (vgl. RG 52, 34f.; Hübner LK 7; Lackner-Maassen 3). 3. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage (§ 125 Abs. 2 a.F.) sowie entgegen dem CDU/CSU-Entwurf (BT-Drucksache VI/261) und gegen die Stellungnahme des Riehterbundes sowie einiger Landesjustizverwaltungen hat man darauf verzichtet, den Fall des sog. Rädelsführers in den Katalog des § 125 a aufzunehmen. Dies schließt allerdings nicht aus, die Agitation eines Rädelsführers auch ohne Erwähnung im Katalog des § 125 a als besonders schweren Fall zu werten, wenn sie sich im Einzelfall tatsächlich als besonders strafwürdig erwiesen hat (vgl. Begründung des Sonderausschusses, S. 10 der BT-Drucksache VI/502).
§ 126 Androhung? eines gemeingefährlichen Verbrechens Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens den öffentlichen Frieden stört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Der öffentliche Frieden ist gestört, wenn mindestens ein Teil der Bevölkerung in seinem Sicherheitsbewußtsein erschüttert ist. Siehe hierzu § 130 Anm. 1 sowie Berkemann und Hesselberger, Die strafrechtliche Beurteilung anonymer Bomben drohungen, N J W 1972, 1789. 2. Die Vorschrift verlangt keinen bestimmten Adressaten. Die Drohung kann daher auch einem Privatmann, einer Zeitungsredaktion oder anderen „Anlaufstellen" übermittelt werden (vgl. Berkemann und Hesselberger a.a.O. 1789). 3. Zu den gemeingefährlichen Verbrechen gehören alle Verbrechen (nicht auch Vergehen) des 27. Abschnitts, z.B. Brandstiftung und vorsätzliche Überschwemmung, aber auch die Verbrechen des Atomgesetzes sowie alle sonstigen Verbrechen, durch deren Androhung der öffentliche Friede erheblich gestört wird (z.B. Mord, Totschlag oder Geiselnahme, vgl. Schönke-Schröder Rn. 3; a.A. Dreher l b ; Hübner LK 4). Unerheblich ist, ob das angedrohte Verbrechen überhaupt realisierbar ist oder ob es so früh angedroht wird, daß die Ausführung auf jeden Fall rechtzeitig verhindert werden kann (vgl. Berkemann und Hesselberger a.a.O. 1970). 4. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß wissen, zumindest aber damit rechnen und billigend in Kauf nehmen, daß seine Drohung ernst genommen wird und geeignet ist, Unruhe zu stiften. Hieran fehlt es, wenn er nicht mit der Weitergabe seiner an bestimmte Einzelpersonen gerichteten Drohung rechnet.
§ 12V Bildung: bewaffneter Haufen (1) Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugnis gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen anschließt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§§ 138,
139
1. Ein H a u f e n ist eine Mehrheit von Personen, die sieh zu einem gemeinsamen bedrohlichen oder gewalttätigen Zweck zusammenschließt. 2. Eine M a n n s c h a f t setzt im Gegensatz zu einem Haufen eine militärähnliche Disziplin sowie eine gewisse Organisation voraus. 3. Als W a f f e n kommen nur Waffen im technischen Sinn in Betracht, z.B. Gewehre, Pistolen. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den gleichzeitig aufgeführten K r i e g s b e d ü r f n i s s e n . 4. Mit § 81 ist IdK. möglich. Siehe auch § 16 KriegswaffenG vom 20. 4. 1961 (BGBl. I 444). § 138
[aufgehoben durch das 8. StrRÄndG]
§ 1 3 9
Bildung: krimineller
Vereinigungen
(1) W e r eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich a n einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, f ü r sie wirbt oder sie unterstützt, wird m i t Freiheitsstrafe bis zu f ü n f J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, 1. w e n n die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht f ü r verfassungswidrig erklärt h a t , 2. w e n n die Begehung von Straftaten n u r ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder 3. soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten n a c h den §§ 84 bis 87 betreffen. (3) Der Versuch, eine in Abs. 1 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar. (4) Gehört der Täter zu den R ä d e l s f ü h r e r n oder H i n t e r m ä n n e r n oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu f ü n f J a h r e n zu erkennen. (5) D a s Gericht k a n n bei Beteiligten, deren Schuld gering u n d deren Mitw i r k u n g von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung n a c h den Absätzen 1 u n d 3 absehen. (6) Das Gericht k a n n die Strafe n a c h seinem Ermessen mildern ( § 4 9 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter 1. sich freiwillig u n d ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren P l a n u n g er kennt, noch verhindert werden können; erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein B e m ü h e n erreicht, so wird er nicht bestraft. 1. Die Vorschrift wurde in letzter Zeit wiederholt geändert. Die derzeitige Fassung geht auf das EGStGB zurück, nachdem zuvor durch das 1. StrRG der Straf427
§ 1 3 9
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
rahmen des Abs. 4 gemildert und die Absätze 5 und 6 dem damaligen § 15 (jetzt = § 49 Abs. 2) angepaßt wurden. Sachliche Änderungen wurden bereits durch das Vereinsgesetz vom 5. 8. 1964 und durch das 8. StrRÄndG vom 25. 6. 1968 vorgenommen. 2. Wie bei den §§ 84, 85 handelt es sich bei § 129 um ein sog. Organisationsdelibt. I m Gegensatz zu den Fällen der §§ 84, 85 ist es jedoch bei § 129 nicht erforderlich, daß die Vereinigung von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde zunächst als verfassungswidrig oder als verboten erklärt werden muß. 3. Über den Begriff der Vereinigung siehe § 85 Anm. 2b. Z w e c k der Vereinigung muß die Begehung strafbarer Handlungen sein. Dieser Zweck muß jedoch nicht identisch sein mit dem Endziel oder dem hauptsächlichen Zweck der Vereinigung (vgl. B G H 15, 261). E s genügt vielmehr, daß die geplanten strafbaren Handlungen das Endziel nur vorbereiten sollen oder daß sie nur einen Nebenzweck der Vereinigung bilden (BGH a.a.O.). Die Art der strafbaren Handlung ist unerheblich. Auch Straftaten nach den §§ 185—187 können den Gegenstand einer nach § 129 strafbaren Tätigkeit einer Vereinigung bilden (vgl. B G H 20, 88 betr. einer Vereinigung, die eine planmäßige Hetze gegen die Bundesregierung und die Justizorgane betrieben hat). Über wichtige Ausnahmen siehe Abs. 2. 4. Die Tathandlung besteht in der Gründung der Vereinigung. Als G r ü n d u n g gilt jede Neubildung. Dem gleichgestellt ist der Fall, daß sich jemand in der Vereinigung als H i t g l i e d betätigt. Siehe hierzu ausführlich § 84 Anm. 6a. Weiterhin gleichgestellt sind W e r b u n g und U n t e r s t ü t z u n g . Siehe hierzu § 84 Anm. 6b. 5. Abs. 2 bringt eine Reihe wichtiger Ausnahmen, bei deren Vorliegen eine strafbare Handlung i . S . von Abs. 1 nicht vorliegt. Politische Parteien können nach Abs. 2 Nr. 1 erst dann unter § 129 fallen, wenn sie das BVerfG für verfassungswidrig erklärt hat. Nach Abs. 2 Nr. 2 scheiden auch die Fälle aus, in denen die Begehung strafbarer Handlungen für die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung nur von untergeordneter Bedeutung ist. Allerdings können auch verhältnismäßig geringfügige Delikte wie Sachbeschädigungen, Beleidigungen usw. dann den T b . des Abs. 1 verwirklichen, wenn sie fortgesetzt und planmäßig betrieben werden, um bestimmte Personen oder Gruppen zu terrorisieren (siehe auch oben Anm. 3). Nach Abs. 2 Nr. 3 sind weiter ausgenommen die Tatbestände der §§ 84—87, zu denen noch die nur aus technischen Gründen nicht aufgenommenen Verstöße nach § 20 Abs. 1 Nr. 1—4 VereinsG treten (vgl. S. 13 des BT-Ausschußberichts vom 6. 3. 1964 sowie Dreher Anm. 3). 6. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz.Dieser muß sich vor allem auf die kriminellen Zwecke der Vereinigung erstrecken. Bedingter Vorsatz genügt. 7. Der Versuch ist nur bei der Gründung der Vereinigung strafbar (Abs. 3). 8. Abs. 4 bringt eine Strafschärfung für Rädelsführer und Hintermänner sowie für besonders schwere Fälle. Über Rädelsführer und Hintermänner siehe § 84 Anm. 5. Der Strafrahmen wurde durch das 1. S t r R G erheblich gemildert. Die Tat ist jetzt auch im Falle des Abs. 4 nur noch als V e r g e h e n strafbar. 9. Die Mitläuferklausel des Abs. 5 entspricht der in § 84 Abs. 4 getroffenen Regelung. Abs. 6 enthält — ähnlich wie § 84 Abs. 5 — einen Sonderfall der tätigen Reue. Beide Absätze wurden zuletzt durch das E G S t G B redaktionell geändert.
428
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung § § 1 2 9 a ,
130
10. IdK. ist möglich mit §§ 84, 85. Mit den Straftaten, die dem Zweck der Vereinigung entsprechend begangen werden, kommt IdK. in Betracht, soweit der Täter als tätiges Mitglied verurteilt wird; bei allen übrigen Tatbestandsalternativen ist B K anzunehmen (vgl. Schönke-Schröder Rn. 28; Dreher 7). § 129 a
[aufgehoben]
§ 130 Volksverheizungr Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er 1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt, 2. z u Gewalt- oder Willktirmaßnahmen gegen sie auffordert oder 3. sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 1. Geschütztes Rechtsgut der durch das 6. StrRÄndG vom 30. 6. 1960 neu gefaßten Vorschrift ist — ebenso wie in den §§ 126, 131 und 166 — der ö f f e n t l i c h e F r i e d e , d.h. das Bewußtsein der Bevölkerung, in Ruhe und Frieden leben zu können. Daneben dient die Vorschrift dem Schutz der politischen, sozialen und religiösen Minderheiten, die erfahrungsgemäß immer wieder Angriffen ausgesetzt sind (z.B. Juden, aber auch Gastarbeiter, vgl. Celle MDR 1970, 940; Schultz MDR 1971, 21; Lohse N J W 1971, 1245ff. und Römer N J W 1971, 1735). Aber auch Hetzkampagnen gegen Bundeswehr und Polizei können hierher gerechnet werden. 2. Als T a t h a n d l u n g kommen in Betracht: a) Aufstacheln zum H a ß ; b) Auffordern zu Gewalt- oder anderen Willkürmaßnahmen; c) Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen (siehe § 90a Anm. 3). 3. Der Tatbestand ist nur dann erfüllt, wenn durch eine der oben genannten Handlungen die M e n s c h e n w ü r d e anderer in besonders schwerwiegender Form angegriffen wird. Beleidigungen geringerer Art genügen nicht, wohl aber Äußerungen wie: „Die Kerle hat man vergessen zu vergasen." Diskriminierende Schilder mit der Aufschrift „Gastarbeiter unerwünscht", wie sie verschiedentlich von Gastwirten an ihren Lokalen angebracht werden, enthalten zwar eine nach § 185 strafbare Kollektivbeleidigung, erfüllen aber noch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung (vgl. Römer N J W 1971, 1735 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). 4. Weitere Tatbestandsvoraussetzung ist, daß die T a t g e e i g n e t i s t , den ö f f e n t l i c h e n F r i e d e n zu s t ö r e n (s.o. 1). Ob dies der Fall ist, ist Tatfrage. Äußerungen im engeren Kreis werden in aller Regel nicht ausreichen, wohl aber öffentlich gemachte Äußerungen, Schriften und Filmvorführungen. 5. Aus der R e c h t s p r e c h u n g des BGH siehe vor allem BGH 17, 28 und BGH 19, 63 (NS-Film „ J u d Süß" als verfassungsfeindlich und volksverhetzend), ferner BGH 21, 371: Wer im Wahlkampf einen jüdischen Bewerber auf einem Plakat durch Hinzufügen des Wortes „Jude" kennzeichnet und damit die Forderung nach Ausschluß des Juden von öffentl. Ämtern zum Ausdruck bringt, erfüllt den Tb. der Volksverhetzung nach § 130 Nr. 1. 6. IdK. ist möglich mit §§ 111, 131, 185—187a. § 140 ist subsidiär.
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§ 131 § 131
S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g Verherrlichung Rassenhaß
von Gewalt; Auistachelungr
zum
( 1 ) W e r Schriften ( § 11 Abs. 3 ) , die G e w a l t t ä t i g k e i t e n g e g e n M e n s c h e n i n g r a u s a m e r oder sonst u n m e n s c h l i c h e r W e i s e schildern u n d dadurch e i n e Verherrlichung oder V e r h a r m l o s u n g solcher Gewalttätigkeiten a u s d r ü c k e n oder die z u m R a s s e n h a ß a u f s t a c h e l n , 1. verbreitet, 2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst z u g ä n g l i c h m a c h t , 3 . einer P e r s o n unter a c h t z e h n J a h r e n anbietet, überläßt oder z u g ä n g l i c h m a c h t oder 4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, a n k ü n d i g t , anpreist, i n den r ä u m l i c h e n Geltungsbereich dieses Gesetzes e i n z u f ü h r e n oder daraus a u s z u f ü h r e n u n t e r n i m m t , u m sie oder a u s i h n e n g e w o n n e n e Stücke i m Sinne der N u m m e r n 1 bis 3 z u v e r w e n d e n oder e i n e m a n d e ren e i n e solche V e r w e n d u n g z u e r m ö g l i c h e n , wird mit Freiheitsstrafe bis z u e i n e m J a h r oder m i t Geldstrafe bestraft. ( 2 ) E b e n s o wird bestraft, wer eine D a r b i e t u n g des in Absatz 1 b e z e i c h n e t e n I n h a l t s durch B u n d f u n k verbreitet. ( 3 ) D i e Absätze 1 u n d 2 g e l t e n nicht, w e n n die H a n d l u n g der Berichters t a t t u n g über V o r g ä n g e des Z e i t g e s c h e h e n s oder der Geschichte dient. ( 4 ) Abs. 1 Nr. 3 ist n i c h t a n z u w e n d e n , w e n n der zur Sorge f ü r die P e r s o n B e r e c h t i g t e handelt. 1. Die d u r c h das 4. StrRG n e u eingeführte Vorschrift t r i t t a n die Stelle des alten § 131 (Staatsverleumdung), der m i t B ü c k s i c h t auf andere T a t b e s t ä n d e m i t gleicher Zielsetzung (z.B. §§ 90a, 9 0 b , 109d, 187, 187a Abs. 2) entbehrlich erschien (vgl. Ber. B T - D r u c k s . VI/3521 S. 4). Anliegen der Vorschrift ist es, den einzelnen u n d die Allgemeinheit vor Gewalttätigkeiten zu schützen, u n d zwar in der Weise, d a ß schon d e m A u f k o m m e n aggressiver Verhaltensweisen oder Einstellungen entgegengew i r k t wird (vgl. Ber. a . a . 0 . S. 6). Geschütztes Rechtsgut ist somit zunächst — ähnlich wie in den §§ 126, 130, 166 — der ö f f e n t l i c h e F r i e d e (d.h. das Bewußtsein der Bevölkerung, in R u h e u n d F r i e d e n leben zu können), a u ß e r d e m die E r h a l t u n g d e r H u m a n i t ä t in einer Gesellschaft, in der d e n B ü r g e r n täglich vor Augen g e f ü h r t wird, d a ß die Lösung eines Konflikts letztlich n u r d u r c h Rücksichtslosigkeit u n d Gewalt möglich sein soll (vgl. E y r i c h P r o t . V I I S. 45). D e r Nachweis, d a ß bes t i m m t e Gewalttätigkeiten u n d rassistische Progrome auf den ungünstigen E i n f l u ß v o n Gewaltdarstellungen in Schriften, Filmen usw. z u r ü c k z u f ü h r e n sind, w i r d sich zwar im Einzelfall n u r schwer f ü h r e n lassen. Andererseits d ü r f t e a u f g r u n d der j ü n g s t e n Forschungsergebnisse feststehen, d a ß Gewaltdarstellungen z u m i n d e s t geeignet sind, eine l a t e n t v o r h a n d e n e Aggressionsbereitschaft zu wecken bzw. zu v e r s t ä r k e n u n d zu aktivieren (vgl. Ber. a . a . O . S. 6). Die Vorschrift stellt sich somit als abstraktes Gefährdungsdelikt d a r . E r g ä n z e n d zu beachten ist § 6 GjS i. V. m i t der in § 21 GjS e n t h a l t e n e n S t r a f d r o h u n g f ü r b e s t i m m t e Vertriebs- u n d W e r b e v e r b o t e (abgedruckt in A n h . 1 C). Aus den Gesetzesmaterialien siehe insbesondere den Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. VI/1552), die schriftlichen Berichte (Ber.) des Sonderausschusses f ü r die S t r a f r e c h t s r e f o r m (BT-Drucks. VI/3521 u n d 7/514) sowie die Protokolle ü b e r die B e r a t u n g e n des Sonderausschusses w ä h r e n d d e r 6. u n d 7. Legislaturperiode (Prot. V I u n d P r o t . V I I ) .
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S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g
§
131
2. Tatobjekte sind Schriften usw. (siehe hierzu § 41 A n m . 1), die in g r a u s a m e r oder sonst unmenschlicher Weise Gewalttätigkeiten gegen Menschen schildern. a) D e r Begriff der Gewalttätigkeit, d e r bereits in den §§ 113 Abs. 2 N r . 2 u n d 125 Abs. 2 begegnet, ist enger als der Gewaltbegriff in d e n §§ 113 Abs. 1, 240, 249. Gew a l t t ä t i g h a n d e l t , wer aggressiv gegen einen a n d e r e n v o r g e h t u n d diesen d a d u r c h der u n m i t t e l b a r e n Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen oder seelischen I n t e g r i t ä t aussetzt. Nicht erforderlich ist, d a ß d a s Opfer gefoltert oder geschlagen u n d hierdurch verletzt oder gar g e t ö t e t wird. A u c h das Einsperren in einen ü b e r h i t z t e n oder u n t e r k ü h l t e n R a u m , das A n b i n d e n a n einen B a u m oder das gewaltsame Teeren u n d F e d e r n eines Menschen sind Gewalttätigkeiten. N i c h t ausreichend ist dagegen ein pflichtwidriges Unterlassen (z.B. E r t r i n k e n - , Verbrennen- oder Erfrierenlassen, vgl. Blei J A 1973, S t R 32f.) oder E i n w i r k u n g e n auf das menschliche Gehirn, u m die Persönlichkeit zu v e r ä n d e r n (vgl. K r ü g e r P r o t . V I S. 1870). b) N u r Gewalttätigkeiten gegen Menschen verwirklichen den T a t b e s t a n d . A u f die A u f n a h m e von Gewalttätigkeiten gegen Sachen u n d Tiere w u r d e b e w u ß t verzichtet (vgl. Ber. S. 7). c) D e r Grund der Gewalttätigkeit ist unerheblich. A u c h die Schilderung gerechtfertigter G e w a l t a n w e n d u n g ( z . B . b e i einem r e c h t m ä ß i g e n oder als r e c h t m ä ß i g d a r gestellten Polizeieinsatz) k a n n den T b . verwirklichen, sofern dessen übrige Voraussetzungen vorliegen (vgl. L a u f h ü t t e P r o t . V I S. 1866f.; Blei J A 1973, S t R 38). d) Die Schilderung der Gewalttätigkeit m u ß „ i n g r a u s a m e r oder sonst unmenschlicher W e i s e " erfolgen. E s genügt also nicht, d a ß eine g r a u s a m e oder sonst u n menschliche Gewalttätigkeit (z.B. eine B o m b a r d i e r u n g oder eine Folterszene) ü b e r h a u p t dargestellt wird. E n t s c h e i d e n d ist somit n i c h t der I n h a l t der Darstellung, sondern deren F o r m (wenngleich andererseits nicht d a r a u f verzichtet werden k a n n , d a ß auch der I n h a l t eine g r a u s a m e oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeit b e t r i f f t , vgl. Blei a . a . O . ; u n k l a r Ber. S. 7). e) Grausam oder sonst unmenschlich ist die Schilderung, w e n n sie die Gewaltt ä t i g k e i t e n in allen Einzelheiten „ g e n ü ß l i c h " darstellt (vgl. S t u r m P r o t . V I S. 1872), wobei beide Begriffe sich weitgehend decken. „ G r a u s a m " ist die Schilderung insbesondere d a n n , wenn die Leiden des Opfers u n d die rohe oder rücksichtslose E i n stellung des T ä t e r s in allen Details dargestellt w e r d e n (z.B. genaue Schilderung einer F o l t e r - oder Vergewaltigungsszene). U n t e r d e m Begriff „sonst unmenschlich" fallen Darstellungen, die — a u c h wenn das Merkmal des Quälens oder Schmerzz u f ü g e n s fehlt —• ebenso bedenklich erscheinen, weil sie eine m e n s c h e n v e r a c h t e n d e u n d rücksichtslose Tendenz zum A u s d r u c k bringen (z.B. Filme, in denen j e m a n d aus roher u n d u n b a r m h e r z i g e r Gesinnung oder einfach deshalb, weil es i h m „ S p a ß " m a c h t , bedenkenlos u n d k a l t b l ü t i g Menschen erschießt, vgl. Ber. S. 7; H o r s t k o t t e P r o t . V I S. 1869). N i c h t t a t b e s t a n d s m ä ß i g ist dagegen die „distanzierte oder verf r e m d e t e " Beschreibung eines a n sich g r a u s a m e n u n d unmenschlichen Vorgangs (vgl. Ber. S. 7). f) D e r Anwendungsbereich der Vorschrift wird weiterhin d a d u r c h eingeschränkt, d a ß d u r c h die Schilderung eine Verherrlichung oder Verharmlosung der Gewalttätigkeit z u m A u s d r u c k k o m m t . aa) E i n e „Verherrlichung" liegt insbesondere d a n n vor, w e n n die Schilderung eine offene oder v e r d e c k t e W e r b u n g f ü r Gewalthandlungen z u m A u s d r u c k bringt (vgl. S t u r m P r o t . V I S. 1872), z . B . d a d u r c h , d a ß diese als reizvoll oder als besond e r s geeignete Möglichkeit zur E r l a n g u n g von A n e r k e n n u n g u n d R u h m oder zur Lösung schwieriger K o n f l i k t s i t u a t i o n e n geschildert werden. Teilweise k a n n inso-
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§ 1 3 3
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
weit auf die Auslegung des § 1 Abs. 1 S. 2 GjS in den Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sowie auf Rspr. und Schrifttum zu dieser Vorschrift zurückgegriffen werden (vgl. Ber. S. 7). bb) Eine „Verharmlosung" liegt vor, wenn die Gefährlichkeit und die unheilvollen Folgen der Gewalt „heruntergespielt werden", z . B . daß dadurch, die Gewalt als akzeptable, jedenfalls nicht verwerfliche Möglichkeit zur Lösung von Konflikten hingestellt wird (vgl. Ber. S. 7). cc) Nicht erfaßt werden dagegen nüchterne Berichterstattung (besonders klargestellt in Abs. 3) sowie solche Darstellungsformen, denen es darauf ankommt, die unheilvollen Auswirkungen der Gewalt mitsamt den zugrundeliegenden Ursachen dem kritischen Bewußtsein des Betrachters (Lesers, Hörers) näherzubringen. dd) Unerheblich ist, ob der Autor der Darstellung mit dieser eine verherrlichende oder verharmlosende Tendenz verfolgte; es genügt, daß diese Tendenz durch die Darstellung „zum Ausdruck kommt". Unerheblich ist schließlich auch, ob die Darstellung im Einzelfall geeignet war, verrohend zu wirken, zu korrumpieren oder ganz allgemein zu aggressivem Verhalten anzureizen. Der Gesetzgeber wollte bewußt vermeiden, daß der Streit über die Wirkung von Gewaltdarstellung in jedem Einzelfall durch die Anhörung von Sachverständigen in den Gerichtssaal getragen wird (vgl. Ber. S. 7). Die exzessiven Gewaltdarstellungen sind vielmehr schon deshalb unter Strafe gestellt worden, weil man das R i s i k o einer brutalisierenden oder rassendiskriminierenden Wirkung ausschalten will. g) Den verherrlichenden und verharmlosenden Gewaltdarstellungen gleichgestellt sind solche, die zum Rassenhaß aufstacheln. Die Vorschrift ergänzt insoweit den Tb. des § 130. 3. Der äußerst weit gefaßte Kreis der Tathandlungen (Herstollen, Verbreiten, öffentlich Ausstellen usw.), die auf ein totales Verbreitungsverbot abzielen (vgl. Ostman von der Leye, Prot. V I I S. 47), entspricht dem des § 184 Abs. 3 und dürfte bei der Auslegung in der Praxis keine Schwierigkeiten bereiten. Hinsichtlich der Ein- und Ausfuhr handelt es sich um sog. Unternehmensdelikte, d.h. der Versuch ist der Vollendung gleichgestellt (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6). Der Einfuhr gleichzustellen ist die Durchfuhr (vgl. Schleswig N J W 1971, 2319). Über „öffentlich" in Abs. 1 Nr. 2 siehe § 80 Anm. 2, § 111 Anra. 2. 4. Der auf der subj. Tatseite erforderliche Vorsatz muß sich insbesondere auf die als straf bedürftig angesehene Tendenz der Darstellung erstrecken, wobei bedingter Vorsatz genügt. Nicht erforderlich ist dagegen, daß der Täter selbst diese Tendenz verfolgt (vgl. Ber. S. 8). Erkennt der Täter die Tendenz der Darstellung, so kann er sich auch nicht durch „Tricks" entlasten, z . B . dadurch, daß er sich zu Beginn oder am Ende des Werks von den geschilderten Gewalttätigkeiten distanziert oder vor ihnen warnt (vgl. Ber. S. 8). 5. Unter den Begriff Rundfunk in Abs. 2 fallen sowohl der Tonfunk als auch der Bildfunk. Die besondere Hervorhebung des Rundfunks erschien erforderlich, da sich während der Beratungen Zweifel ergaben, ob auch Live-Sendungen als „Darstellungen" anzusehen sind. Als Täter kommt grundsätzlich nur in Betracht, wer für die Sendung verantwortlich bzw. mitverantwortlich ist, insbesondere also Autor, Produzent und Regisseur. Personen, die allein mit der technischen Vorbereitung und Durchführung einer Sendung befaßt sind, scheiden als Täter aus (vgl. Ber. S. 8), kommen jedoch u.U. als Gehilfen in Betracht. 6. Das Berichterstatterprivileg des Abs. 3 führt bereits nach den Grundsätzen der Sozialadäquanz zum Tatbestandsausschluß. I m übrigen dürfte es in den Fällen der
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§133
nüchternen Berichterstattung bereits an der verherrlichenden bzw. verharmlosenden Tendenz der Schilderung fehlen. Das Erzieherprivileg des Abs. 4 entspricht der in den §§ 180 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 4 getroffenen Regelung. Einzelheiten s. § 180 Anm. 5. 7. IdK. ist möglich mit §§ 130, 184 Abs. 3. Die Strafvorschriften des GjS sind demgegenüber subsidiär.
§ 133
Amtsanmaßung:
Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Ö f f e n t l i c h e s A m t ist jede h o h e i t l i c h e T ä t i g k e i t im unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst. Nicht hierher gehören Kirchenämter sowie fiskalische Tätigkeiten (vgl. B G H 12, 30 betr. Einkauf von Waren unter der Vorspiegelung, das Geschäft im Auftrag einer bestimmten Strafanstalt zu tätigen). 2. Die 1. Alternative des Tatbestands ( u n b e f u g t e A u s ü b u n g e i n e s ö f f e n t l i c h e n A m t e s ) setzt voraus, daß sich der Täterais Inhaber eines öffentlichen Amts ausgibt, das er in Wirklichkeit nicht bekleidet. B e i s p i e l : Agibt sich als Kriminalbeamter aus und nimmt in Ausnutzung des bei den betroffenen Personen entstehenden Irrtums Handlungen vor, die nur von der Polizei vorgenommen werden dürfen, z . B . Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Personenkontrollen. 3. Die 2. Alternative des Tatbestands setzt im Gegensatz zur 1. Alternative nicht voraus, daß der Täter sich wahrheitswidrig als Amtsträger ausgibt. E s genügt, daß er eine Handlung vornimmt, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf. B e i s p i e l e : E i n Privatdetektiv nimmt eine Personenkontrolle vor. — O d e r : E i n Straßenwart kassiert wegen falschen Parkens 5 , — DM als Verwarnungsgeld. 4. I n beiden Alternativen kann auch ein Amtsträger als Täter in Betracht kommen, nämlich dann, wenn er sich Befugnisse anmaßt, die ihm nicht zustehen. 5. N i c h t h i e r h e r g e h ö r t d e r A m t s m i ß b r a u c h e i n e s A m t s t r ä g e r s , d.h. wenn ein Amtsträger im Kähmen seiner Zuständigkeit eine unzulässige oder sachwidrige E n t scheidung trifft. 6. aber (vgl. oder
N i c h t hierher gehört ferner der Fall, daß jemand zwar als Amtsträger auftritt, k e i n e A m t s h a n d l u n g vornimmt, zumindest keine solche hoheitlicher Art B G H 12, 3 0 ; GA 1967, 114). I n solchen Fällen kommt je nach Sachlage § 132 a ein Verstoß gegen das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen in Betracht.
7. Subjektiv ist V o r s a t z erforderlich. 8. I d K . kommt in Betracht mit §§ 132a, 242, 253, 263. 28
Preisendanz, StGB, 29. Aufl.
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§ 133a § 133 a
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen
(1) Wer unbefugt 1. inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt, 2. die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter führt, 3. die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder 4. inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Den i n Absatz 1 genannten Bezeichnungen, akademischen Graden, Titeln, Würden, Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts. (4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 4, allein oder in Verbindung mit Absatz 2 oder 3, bezieht, können eingezogen werden. I. Die Neugestaltung der Vorschrift durch das EGStGB unterscheidet sich von der früheren Rechtslage insbesondere dadurch, daß fast alle, früher in den strafrechtlichen Nebengesetzen als Vergehen unter Strafe gestellten Fälle dea Mißbrauchs einer Berufsbezeichnung jetzt in Abs. 1 Nr. 2 zusammengefaßt sind. Diese Neuregelung führte nicht nur zu einer einheitlichen Behandlung vergleichbarer Fälle, sondern gleichzeitig zu einer beachtlichen Entlastung des ohnehin nur schwer überschaubaren Nebenstrafrechts. Neu aufgenommen wurde in Abs. 1 Nr. 3 der Schutz der Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger. Die bisherige Nr. 3 des Abs. 1 {Schutz von Berufstrachten und Berufsabzeichen) wurde andererseits zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft (vgl. § 125 OWiG, abgedruckt in Anh. 4). II. Zu den schon nach früherem Recht in Abs. 1 Nr. 1 geschützten (in- oder ausländischen) Amts- oder Dienstbezeichnungen, Titeln und Würden sind seit der Neufassung durch das EGStGB noch die akademischen Grade getreten. 1. Zu den geschützten Amts- und Dienstbezeichnungen gehören seit der Neufassung durch das EGStGB nur noch die mit einem bestimmten (staatlichen oder kommunalen) Amt verbundenen Bezeichnungen wie Richter am Amts- oder Landgericht, Staatsanwalt, Amtsanwalt, Bürgermeister, Landrat, Regierungsrat, Forstrat, Studienrat usw. sowie militärische Amts- und Dienstbezeichnungen. Nicht erforderlich ist, daß der Täter unter einer speziellen Bezeichnung auftritt; es genügt vielmehr, daß er sich z.B. als Richter oder Polizeibeamten ausgibt (vgl. Mösl LK 3; Schönke-Schröder 3). Ausreichend sind auch Phantasietitel und- bezeichnungen, sofern diese auf ein bestimmtes Amt oder eine bestimmte Dienststellung hinweisen (vgl. BGH GA 1966, 279; Mösl LK 2). Entgegen der früheren Rechtslage erstreckt sich der Anwendungsbereich der Nr. 1 jedoch nicht mehr auf die Bezeichnung von Berufen, die zwar nicht mit einem Amt verbunden sind, aber nur auf Grund öffentlich- rechtlicher Zulassung ausgeübt werden können. Die Einbeziehung auch dieser Berufsbezeichnungen unter den Anwendungsbereich der Nr. 1 ist, nachdem
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§ 133 a
die besonders schutzbedürftigen Berufsbezeichnungen in Nr. 2 zusammengefaßt wurden, nicht mehr möglich und würde auf eine unzulässige Analogie hinauslaufen (vgl. R e g E , S. 222 BT-Drucks. 7/550). Der Schutz von Berufsbezeichnungen ist nunmehr ausschließlich in Abs. 1 Nr. 2 und, soweit es sich um Ordnungswidrigkeiten handelt, in den einschlägigen Nebengesetzen geregelt. 2. Akademische Grade sind Grade, die von Universitäten und Hochschulen verliehen werden (z.B. Bezeichnung als Doktor, Diplomvolkswirt und Diplomkaufmann, vgl. B G H N J W 1955, 839; OVG Berlin N J W 1967, 1053). Entscheidend ist dabei, daß der Grad auch tatsächlich verliehen werden kann (vgl. K G J R 1964, 68). Wer sich dagegen eine Bezeichnung zulegt, die einem akademischen Grad zwar ähnelt, aber nirgends als akademischer Grad verliehen wird, kann nicht nach Abs. 2 strafbar sein (vgl. K G a.a.O.). Durch die Aufnahme des Schutzes akademischer Grade (nicht auch Grade anderer staatlichen Lehranstalten) konnte die bisher in § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade von 7. 6. 1939 ( R G B l . I 985) enthaltene Strafdrohung gestrichen werden. Nach § 5 dieses Gesetzes ist jetzt nur noch strafbar, wer sich anbietet, gegen Vergütung den Erwerb eines ausländischen akademischen Grades zu vermitteln (vgl. Art. 85 E G S t G B ) . 3. Titel sind die ohne Amt als Ehrung verliehenen Bezeichnungen wie Geheimrat, Justizrat, Pharmazierat, Professor, Sanitätsrat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie nach geltendem Recht noch verliehen werden können (vgl. Mösl L K 7). 4. Zu den geschützten öffentlichen Würden gehören z . B . die Würde des Ehrenbürgers einer Gemeinde oder des Ehrensenators einer Universität. III. I n Abs. 1 Nr. 2 werden jetzt alle wesentlichen, früher meist in Nebengesetzen als Vergehen unter Strafe gestellten Fälle des Mißbrauchs einer Berufsbezeichnung erfaßt. 1. Durch die Aufnahme dieser Fälle konnten die einschlägigen Straftatbestände der Nebengesetze durch das E G S t G B teils aufgehoben, teils auf andere Sachverhalte beschränkt werden. So wurden durch die Neufassung betroffen: a) für Ärzte § 13 Abs. 1 Nr. 1 BÄO i . d . F . vom 4. 2. 1970 (BGBl. I 237), vgl. Art. 52 E G S t G B ; b) für Zahnärzte § 18 Nr. 2 d. Ges. üb. d. Ausübung der Zahnheilkunde v. 31. 3. 1952 (BGBl. I 221, 251); die bisher in dieser Vorschrift ebenfalls geschützten Berufsbezeichnungen Zahnpraktiker und Zahnheilkundiger wurden, da hierfür kein praktisches Bedürfnis mehr besteht, nicht in 132a aufgenommen, sind jetzt also nicht mehr geschützt. Strafbar bleibt jedoch die unberechtigte Ausübung der Zahnheilkunde (vgl. § 18 Nr. 1 a.a.O. i . d . F . des Art. 54 E G S t G B ) ; c) für Tierärzte § 14 Nr. 1 BTierärzteO vom 17. 5. 1965 (BGBl. I 416), vgl. Art. 209 E G S t G B ; d) für Apotheker § 13 BApothekerO vom 5. 6. 1968 (BGBl. I 601), vgl. Art. 45 EGStGB; e) für Rechtsanwälte und Patentanwälte die bisher vorgenommene, dogmatisch jedoch zweifelhafte Subsumtion dieser Fälle unter Abs. 1 Nr. 1 (vgl. R e g E S. 222 BT-Drucks. 7/550); über Rechtsbeistände s.u. 3 g; f) für Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte § 133 WirtschaftsprüferO vom 24. 7. 1961 (BGBl. I . 1049) sowie § 12 SteuerberatungsG vom 16. 8. 1961 (BGBl. I 1301), vgl. Art. 163, 172 E G S t G B . 28*
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§
132a
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
2. Die Aufnahme der Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger in Nr. 3 erfolgte mit Rücksicht darauf, daß diese Gruppe nach ihrer Bedeutung f ü r die Gemeinschaft der Tätigkeit der in Nr. 2 genannten Personen vergleichbar ist. Gleichzeitig wurde diese Materie durch d a s E G S t G B erstmals bundeseinheitlich geregelt, so daß die früheren landesrechtlichen Sonderbestimmungen gegenstandslos geworden sind (vgl. Art. 292 Abs. 2 Nr. 8 EGStGB f ü r Bayern). 3. Unberührt von der Reform des § 132a bleiben die in bestimmten Nebengesetzen enthaltenen Bußgeldtatbestände, die eine gesetzlich geregelte Ausbildung voraussehen und deshalb sowohl im Interesse der Allgemeinheit als auch im Interesse der betroffenen Berufsgruppen nicht von jedermann geführt werden dürfen. Hierbei sind insbesondere zu beachten: a) f ü r Handwerksmeister §§ 51, 117 Abs. 1 Nr. 3 HandwerksO vom 28. 12. 1965 BGBl. 1966 I 1); b) f ü r Heilpraktiker § 1 HeilpraktikerG vom 17. 2. 1939 (RGBl. I 251); c) f ü r Krankenpfleger §§ 1, 16 KrankenpflegeG vom 20. 9. 1965 (BGBl. I 1443); d) f ü r Masseure, medizinische Bademeister und Krankengymnasten § 14 Ges. vom 21. 12. 1958 (BGBl. I . 985); e) für medizinisch-technische Assistenten § 12 Ges. vom 8. 9. 1971 (BGBl. I 1515); f) f ü r pharmazeutisch-technische Assistenten § 10 Ges. vom 18. 3. 1968 (BGBl. I 228); g) für Rechtsbeistände § 8 Abs. 1 Nr. 3 RechtsberatungsG vom 13. 12. 1935 (RGBl. I 1478) i . d . F . des Art 97 EGStGB; h) für Wochenpflegerinnen § 7 VO über Wochenpflegerinnen vom 7. 2. 1942 (RGBl. I 87) i . d . F . des Art 56 EGStGB; i) für Architekten und Ingenieure landesrechtliche Bestimmungen, z.B. § 2 ArchitektenG f ü r Bad.-Wttbg vom 5. 12 1955 (GBl. 265). 4. Nicht geschützt sind Berufsbezeichnungen, die mit keinerlei öffentlich-rechtlichen Befugnissen oder Funktionen verbunden sind und keine bestimmte Ausbildung voraussetzen, z. B. Direktor, Fabrikant, Gastwirt, Großhändler, Jurist, Privatgelehrter, Schüler, Student usw. IV. Die Tathandlung der Nr. 1—3 besteht im unbefugten „ F ü h r e n " der Amtsbezeichnung usw. Eine Amtsbezeichnung usw. führt, wer sie für sich in Anspruch nimmt. Nicht ausreichend ist eine bloße Duldung der Anrede durch andere (vgl. R G 33, 205). Da die Vorschrift in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit dient (h.L., vgl. Schönke-Schröder R n . 1), ist der Gebrauch einer dem Täter nicht zustehenden Amts- oder Dienstbezeichnung im p r i v a t e n B e r e i c h nur dann tatbestandsmäßig, wenn er in einer Weise erfolgt, die nach Art und Intensität die Interessen der Allgemeinheit berührt (vgl. Stgt N J W 1969, 1777; Blei J A 1969 StR S. 231). Einmaliger und vorübergehender Gebrauch genügen deshalb nur dann, wenn dadurch bei einer Mehrzahl von Personen die Vorstellung hervorgerufen werden soll, dem Täter stehe die Dienstbezeichnung zu. Hierzu fehlt es z.B., wenn sich jemand im rein privaten Bereich einer Bekannten, um dieser zu imponieren, als Major der Bundeswehr ausgibt, obwohl er in Wirklichkeit n u r Feldwebel ist (vgl. Stgt a.a. O.).
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§
133a
V. Abs. 1 Nr. 4 schützt Uniformen, Amtskleidungen und Amtsabzeichen. 1. Zu den U n i f o r m e n gehören vor allem die Uniformen der Polizei, der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes, aber auch die Dienstkleidungen von Zoll, Bundesbahn, Bundespost und Feuerwehr. Einheitliche Berufskleidungen sonstiger Berufe (Taxifahrer, Dienstmänner) sind nur dann geschützt, wenn sie durch polizeiliche Vorschriften geregelt sind. 2. Zu den A m t s k l e i d u n g e n gehören vor allem die Roben und Barette der Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Hochschullehrer. Auch hier ist erforderlich, daß die Kleidung durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen geregelt ist. 3. A m t s a b z e i c h e n sind Zeichen, die, ohne zur Uniform oder Amtstracht zu gehören, den Träger als Inhaber eines bestimmten Amts kenntlich machen, z.B. die Armbinden von Hilfspolizisten oder Luftschutzwarten. 4. Die T a t h a n d l u n g besteht im Tragen der Uniform usw. Dem Zweck der Vorschrift entsprechend (Schutz der Allgemeinheit vor Täuschung) ist das Tragen n u r dann strafrechtlich relevant, wenn es in der Öffentlichkeit erfolgt. VI. Nach Abs. 2 erstreckt sich das Verbot auch auf solche Bezeichnungen usw. (Nr. 1—3), Uniformen usw. (Nr. 4), die den in Abs. 1 geschützten zum Verwechseln ähnlich sind. Hierbei ist ein o b j e k t i v e r M a ß s t a b anzulegen. So sind eine Skimütze und ein Regenmantel bei objektiver Betrachtungsweise den Uniformen des Zolldienstes auch dann nicht zum Verwechseln ähnlich, wenn sie in der Dunkelheit tatsächlich für Uniformen gehalten werden (vgl. BGH N J W 1953, 753). Andererseits dürfen nicht zu strenge Anforderungen an die Verwechslungsfähigkeit gestellt werden. Entscheidend ist der Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Beurteilers (KG J R 1964, 68; Lackner-Maassen 4; Mösl L K 12). Aus den Gesetzesmaterialien ist hervorzuheben, daß die Bezeichnungen Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigter wegen ihrer spezifischen Bedeutung so klar abgegrenzt sind, daß sie grundsätzlich nicht mit anderen Berufen verwechselt werden können. Abs. 2 darf nicht dazu führen, daß Personen, die einer sonstigen wirtschaftsberatenden Tätigkeit nachgehen, in ihrer Berufsausübung beeinträchtigt werden (vgl. RegE S. 223 BT-Drucks. 7/550). VII. Nach Abs. 3 erstreckt sich der Schutz der Vorschrift auch auf Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtszeichen von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Geschützt sind z.B. die Berufsbezeichnung Pfarrer, Priester oder Pastor sowie die Talare der Geistlichen. Ergänzend zu beachten ist § 125 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (vgl. Anh. 4). VIH. Rechtswidrig ist die Tat nur, wenn bei einer Mehrzahl von Personen der Anschein erweckt wird, daß der Träger der Dienstkleidung usw. einem bestimmten Beruf usw. angehört (vgl. Stgt N J W 1969, 1777 sowie oben Anm. IV). Hierauf muß sich auch der Vorsatz erstrecken (bedingter Vorsatz genügt, vgl. RG 61,9; BayObLG GA 1961, 152). Die Rechtswidrigkeit entfällt daher, wenn eine Verwechslungsgefahr nicht besteht, insbesondere wenn der Träger offensichtlich nur einen „Spaß" macht, z.B. als Schauspieler auf der Bühne oder bei Faschingsveranstaltungen (vgl. R G 61, 8; Schönke-Schröder 12; Welzel 513; teilweise a.A. Mösl L K 16). IX. Abs. 4 gibt die Möglichkeit, die Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht (Uniformen, Amtskleidungen, Amtsabzeichen), einzuziehen. Da ein Hinweis auf § 74 a fehlt, ist die Einziehung täterfremder Gegenstände (z.B. Uniformen, die im Eigent u m eines Kostümverleihers stehen) nur unter den Voraussetzugen des § 74 Abs. 2 Nr. 2 zulässig.
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§ 133
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung Verwahrungrsbruch
( 1 ) W e r Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden oder ihm oder einem anderen dienstlich in Verwahrung gegeben worden sind, zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der dienstlichen Verfügung entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Dasselbe gilt für Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in amtlicher Verwahrung einer Kirche oder anderen Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts befinden oder von dieser dem Täter oder einem anderen amtlich in Verwahrung gegeben worden sind. (3) W e r die Tat an einer Sache begeht, die ihm als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Die durch das E G S t G B neu gefaßte Vorschrift schützt nicht nur die staatliche Verfügungsgewalt über die in dienstlichem Gewahrsam befindlichen Sachen, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in deren zuverlässigen Verwahrung (BGH 5, 155, 159). 2. Tatobjekt können nicht nur Schriftstücke, sondern alle beweglichen Sachen sein, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden oder dem Täter oder einem anderen dienstlich in Verwahrung gegeben worden sind. a) Durch die Verwendung des Ausdrucks dienstlich anstelle des früheren Begriffs „amtlich" wird klargestellt, daß auch Verwahrungsverhältnisse der Bundeswehr erfaßt werden (vgl. RegE S. 224 BT-Drucks. 7/550). b) Der Begriff Verwahrung soll noch deutlicher als der frühere Begriff „Aufbewahrung" zum Ausdruck bringen, daß § 133 nur eingreift, wenn sich in dem Gewahrsam die besondere dienstliche Herrschafts- und Verfügungsgewalt äußert, die den jeweiligen staatlichen Aufgaben der verwahrenden Dienststelle entspringt. N i c h t h i e r h e r gehören deshalb Gegenstände des allgemeinen Amtsbesitzes, insbesondere Sachen, die einer Behörde zum Gebrauch oder Verbrauch zugewiesen sind, z . B . Brennstoffe, Formulare, Schreibmaterial, aber auch Geld in einer öffentlichen Kasse, das zur Auszahlung bestimmt ist (vgl. B G H 18, 312). Hier kommt nur Diebstahl oder Unterschlagung in Betracht. 3. Der Kreis der Tathandlungen wurde durch das E G S t G B dem Sprachgebrauch der §§ 87 Abs. 2 Nr. 2, 90a Abs. 2, 109e und 316b Abs. 1 angeglichen. a) Zerstört ist eine Sache, wenn sie aufhört zu bestehen, z.B. Verbrennen von Akten. b) Als Beschädigen genügt jede Handlung, durch die die Brauchbarkeit der Sache beeinträchtigt wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies mit einer Verletzung oder Veränderung der Substanz verbunden ist. B e i s p i e l e : Der Tatbestand ist erfüllt, wenn jemand an einer Urkunde Radierungen oder Streichungen vornimmt und dadurch den Inhalt der Urkunde verändert. — Der Tatbestand ist dagegen nicht erfüllt, wenn jemand in einer Gerichtsakte Notizen macht oder den unbeschriebenen Teil eines Schriftsatzes herausreißt, um diesen zu Notizen oder als Lesezeichen zu verwenden, oder wenn jemand aus alten, abgelegten Akten interessante Briefmarken ablöst.
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§134
c) Unbrauchbar gemacht ist eine Sache, wenn sie ihre bestimmungsgemäße Funktion auf nicht nur vorübergehende Zeit nicht mehr erfüllen kann; eine Beeinträchtigung ihrer Substanz ist nicht erforderlich. d) Der dienstlichen Verfügung entzogen ist die Sache, wenn sie dem Verfügungsberechtigten im Bedarfsfall nicht sofort zur Verfügung steht, und zwar an dem Ort, an dem sie üblicherweise verwahrt wird. Eine Unterform dieser Tatbestandsalternative ist das früher ausdrücklich hervorgehobene Beiseiteschaffen der Sache. Beiseitegeschafft ist ein Gegenstand, wenn er von der Stelle entfernt wird, an der er sich zur amtlichen Verwahrung befand. Auch eine nur v o r ü b e r g e h e n d e Entfernung kann genügen, z . B . wenn ein Anwalt, dem nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens noch keine Akteneinsicht gewährt werden kann, die Akten heimlich für ein paar Stunden entwendet, um sie einzusehen oder zu fotokopieren. Nicht erforderlich ist ferner, daß die Sache aus den Amtsräumen entfernt wird. Der Tatbestand wäre daher in dem zuletzt gebrachten Beispiel selbst dann erfüllt, wenn der Anwalt die in der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft verwahrten Akten nur auf das im selben Gebäude gelegene Anwaltszimmer nimmt. Der Tatbestand kann schließlich auch dadurch verwirklicht werden, daß ein Beamter oder Angestellter einen bei seiner Behörde eingehenden Schriftsatz absichtlich falsch einordnet, so daß er nicht mehr rechtzeitig verwertet werden kann. 4. Die Neufassung der Vorschrift durch das E G S t G B hat in Übereinstimmung mit der Rspr. zum früheren Recht (vgl. BGH 5, 155) klar gestellt, daß Täter auch derjenige sein kann, dem die Sache selbst dienstlich in Verwahrung gegeben worden ist. Ist der Täter ein Amtsträger (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2) oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 4) und war ihm die Sache dienstlich anvertraut oder zugänglich, so greift der Erschwerungstatbestand des Abs. 3 ein (ein unechtes Amtsdelikt, das an die Stelle des früheren § 348 Abs. 2 getreten ist und bei dem im Falle der Teilnahme § 28 Abs. 2 zu beachten ist). Ein Amtsträger scheidet jedoch dann als Täter aus, wenn es in seinem Ermessen steht, ob er die Sache weiter in amtlichem Gewahrsam halten oder freigeben soll, und wenn er sie dann — wenngleich pflichtwidrig — an den berechtigten Empfänger freigibt (vgl. BGH a.a.O. 161). B e i s p i e l : Der Polizeibeamte A beschlagnahmt den Führerschein des Kraftfahrers X unter dem Verdacht der Trunkenheit am Steuer. Als X jammert, läßt A sich schließlich erweichen und gibt den Führerschein wieder zurück. Hier käme zwar eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt (§ 258 a), aber kein Verwahrungsbruch in Betracht. Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn bereits ein richterlicher Beschlagnahmebeschluß vorgelegen hätte. In diesem Fall hätte A schon formell keinen Ermessensspielraum gehabt. 5. Die in Abs. 2 enthaltene Ausdehnung der Vorschrift auf Sachen, die sich in amtlicher Verwahrung einer Kirche oder anderen Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts befinden, entspricht der Rspr. zu § 133 a . F . (vgl. R G 56, 399; Mösl L K 6). 6. IdK. ist insbesondere möglich mit §§ 136, 242, 246, 267, 268, 274 Nr. 1, 203.
§ 134
Verletzung: amtlicher
Bekanntmachungren
W e r wissentlich ein dienstliches Schriftstück, das zur Bekanntmachung öffentlich angeschlagen oder ausgelegt ist, zerstört, beseitigt, verunstaltet, unkenntlich macht oder in seinem Sinn entstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem J a h r oder mit Geldstrafe bestraft.
439
§§ 134 a—136
S t r a f t a t e n gegen die öffentliche Ordnung
1. Die durch das E G S t G B in Anlehnung an § 428 E 1962 neu gefaßte Vorschrift schützt die I n t e g r i t ä t dienstlicher Informationen, sofern diese öffentlich angeschlagen oder ausgelegt sind. Die Neufassung enthält gegenüber dem alten R e c h t nicht n u r verschiedene Verdeutlichungen u n d Erweiterungen (früher erstreckte sich der Schutz der Vorschrift z.B. nicht auf ausgelegte Bekanntmachungen, vgl. R G 36,184), sondern auch eine E r h ö h u n g des Strafrahmens. 2. Ein Schriftstück ist dienstlich, wenn es von einer staatlichen oder kommunalen Behörde oder einer Dienststelle der Bundeswehr s t a m m t . Entgegen der früheren Rechtslage (vgl. Mösl L K 1) fallen kirchliche B e k a n n t m a c h u n g e n nicht mehr u n t e r den Anwendungsbereich der Vorschrift, was sich aus dem Fehlen einer dem § 133 Abs. 2 entsprechenden Gleichstellungsklausel ergibt (siehe jedoch §§ 267, 274 Nr. 1, 303). Nicht erforderlich ist, daß das Schriftstück eine „ B e k a n n t m a c h u n g " i.e.S. enthält. E s genügen Informationen jeder Art, sofern diese „dienstlichen" Charakter haben. 3. Öffentlich angeschlagen oder ausgelegt ist ein Schriftstück, wenn es an einer Stelle angebracht oder ausgelegt ist, an der es von einem n a c h H e r k u n f t u n d Zahl u n b e s t i m m t e n Personenkreis wahrgenommen werden k a n n (z.B. auf Straßen u n d P l ä t z e n , in öffentlichen Gebäuden, Gaststätten, T h e a t e r n oder Zügen). 4. Der Kreis der Tathandlungen e r f a ß t jede Beeinträchtigung ohne Rücksicht, darauf, ob diese mit einer Beeinträchtigung der Substanz verbunden ist. 5. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz nicht genügt (vgl. „wissentlich"). Auf das frühere Gesinnungsmerkmal „böswillig" wurde bei der Neufassung verzichtet. 6. IdK. ist möglich m i t §§ 267, 274 Nr. 1; gegenüber § 303 geht § 134 als lex specialis vor. §§ 134 a—135
§ 136
[aufgehoben]
Verstrickungrsbruch;
Sicgclbruch
( 1 ) W e r eine Sache, die gepfändet oder sonst dienstlich i n B e s c h l a g g e n o m m e n ist, zerstört, beschädigt, unbrauchbar m a c h t oder in anderer W e i s e g a n z oder z u m Teil der Verstrickung entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis z u e i n e m Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. ( 2 ) Ebenso wird bestraft, wer ein dienstliches Siegel beschädigt, ablöst oder unkenntlich m a c h t , das angelegt ist, u m Sachen in Beschlag z u n e h m e n , dienstlich z u verschließen oder z u bezeichnen, oder w e r den durch e i n solches Siegel bewirkten Verschluß ganz oder z u m Teil u n w i r k s a m macht. ( 3 ) Die Tat ist nicht n a c h den Absätzen 1 und 2 strafbar, w e n n die P f ä n dung, die B e s c h l a g n a h m e oder die A n l e g u n g des Siegels nicht durch eine rechtm ä ß i g e Diensthandlung v o r g e n o m m e n ist. Dies gilt a u c h dann, w e n n der Täter irrig a n n i m m t , die Diensthandlung sei rechtmäßig. ( 4 ) § 113 Abs. 4 gilt sinngenmäß. 1. Die durch das E G S t G B grundlegend umgestaltete Vorschrift ersetzt die f r ü heren §§ 136 u n d 137, wobei Abs. 1 d e m früheren § 137 u n d Abs. 2 dem früheren 440
S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g
§ 136
§ 136 e n t s p r i c h t . N e u ist die in Abs. 3 u n d Abs. 4 getroffene I r r t u m s r e g e l u n g , die d e r I r r t u m s r e g e l u n g in § 113 e n t s p r i c h t . 2. Abs. 1 (Verstrickungsbruch) s c h ü t z t die d u r c h P f ä n d u n g oder Beschlagnahme b e g r ü n d e t e staatliche H e r r s c h a f t s g e w a l t . a) Tatobjekte k ö n n e n n u r Sachen, n i c h t a u c h R e c h t e sein. N i c h t hierher g e h ö r t deshalb der Fall, d a ß j e m a n d rechtswidrig ü b e r eine g e p f ä n d e t e F o r d e r u n g v e r f ü g t (vgl. R G 24, 49; Celle N d s R p f l . 1958, 163; h . L . ; a.A. Schönke-Schröder R n . 4 zu § 137 a.F.). Zu den Sachen gehören auch Bestandteile eines G r u n d s t ü c k s , noch n i c h t a b g e e r n t e t e F r ü c h t e , B ä u m e , Maschinen usw. b) Täter k a n n jeder sein, vor allem der E i g e n t ü m e r der Sache, a b e r a u c h d e r B e a m t e , der die g e p f ä n d e t e Sache in Besitz h a t (es sei d e n n , es s t e h t in seinem E r messen, ob er die Sache wieder freigibt, vgl. B G H 5, 156ff. sowie § 133 A n m . 4 ; Lackner-Maassen 3). c) D e r Kreis der Tathandlungen e n t s p r i c h t d e m des § 133 (siehe d o r t A n m . 3). E i n e Verstrickungsentziehung liegt vor, wenn die g e p f ä n d e t e oder b e s c h l a g n a h m t e Sache d e r Verfügungsgewalt der berechtigten Stelle ganz oder teilweise, d a u e r n d oder v o r ü b e r g e h e n d entzogen wird, z . B . d u r c h T ä u s c h u n g ü b e r d e n Verbleib oder d u r c h A u s t a u s c h m i t einer anderen, geringerwertigen Sache, n i c h t dagegen d u r c h Verkauf ohne gleichzeitige B e s i t z ü b e r t r a g u n g (vgl. H a m m N J W 1956, 1889). d) Auf d e r s u b j . Tatseite ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz g e n ü g t . Der Vorstz m u ß sich n i c h t auf die R e c h t m ä ß i g k e i t d e r P f ä n d u n g bzw. Beschlagn a h m e e r s t r e c k e n ; diese ist vielmehr eine v o m V o r s a t z u n a b h ä n g i g e Voraussetzung der Rechtswidrigkeit (vgl. Abs. 3). F ü r die B e h a n d l u n g der I r r t u m s f r a g e n gelten g e m ä ß Abs. 4 die zu § 113 entwickelten G r u n d s ä t z e e n t s p r e c h e n d . e) IdK. ist möglich m i t Abs. 2 sowie §§ 133, 242, 246, 263, 288f. 3. Abs. 2 (Siegelbruch) s c h ü t z t die d u r c h das Siegel manifestierte staatliche A u t o r i t ä t (Lackner-Maassen 1; Schönke-Schröder 1). a) Siegel ist jede dienstliche (siehe hierzu § 133 A n m . 2 a ) K e n n z e i c h n u n g m i t Beglaubigungscharakter (vgl. Lackner-Maassen 2 zu § 136 a . F . ; M a u r a c h B T 664), u n d zwar ohne R ü c k s i c h t auf die A r t des Materials (vgl. Schönke-Schröder 1 z u § 136 a.F.). I n B e t r a c h t k o m m e n z . B . Verschlußplomben der B a h n u n d der städtischen Versorgungsbetriebe, Siegelmarken des Gerichtsvollziehers sowie Stempelabdrucke. b) D a s Siegel m u ß angelegt, d . h . m i t der Sache, die b e s c h l a g n a h m t , dienstlich verschlossen oder bezeichnet w e r d e n soll, mechanisch v e r b u n d e n sein (vgl. R G 61, 101; h.L.). c) Die Tathandlung b e s t e h t im Beschädigen (vgl. § 133 A n m . 3b), Ablösen oder U n k e n n t l i c h m a c h e n des Siegels (z.B. Überkleben einer Siegelmarke, vgl. K ö l n N J W 1968, 2116). D e m gleichgestellt ist der Fall, d a ß der d u r c h d a s Siegel b e w i r k t e Verschluß „ganz oder z u m Teil u n w i r k s a m g e m a c h t " wird. Diese F o r m der T a t b e standsverwirklichung ist a n die Stelle der f r ü h e r e n Tb.-Alternative „ A u f h e b e n " des Verschlusses g e t r e t e n . E n t s p r e c h e n d der R s p r . z u m „ A u f h e b e n " des Verschlusses ist der d u r c h d a s Siegel b e w i r k t e Verschluß „ u n w i r k s a m " g e m a c h t , w e n n die m i t der Siegelung v e r b u n d e n e dienstliche Sperre m i ß a c h t e t wird, z . B . d u r c h B e t r e t e n einer amtlich geschlossenen u n d m i t einem Sperrschild versehenen Trinkhalle (vgl. F f m . N J W 1959, 1288; Lackner-Maassen 3 zu § 136 a . F . ; Mösl L K 7 zu 136 a . F . ; a.A. Schönke-Schröder 7 zu § 136 a.F.) oder d u r c h F o r t f ü h r e n v o n B a u a r b e i t e n , obwohl die B a u b e h ö r d e die Einstellung d e r B a u a r b e i t e n v e r f ü g t u n d die
441
§§ 137, 138
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
Versiegelungsverfügung an der Baubude hat anhaften lassen hat (vgl. Köln MDR 1971, 67; Mösl a.a.O.). d) Der subjektiv erforderliche V o r s a t z (bedingter genügt) muß sich auf die Versiegelung und die durch sie bedingte Beschlagnahme usw. erstrecken, nicht jedoch auf die Rechtmäßigkeit der Versiegelung. Insoweit gelten die Ausführungen unter 2d entsprechend. e) IdK. ist möglich mit Abs. 1 sowie mit §§ 133, 267, 274 Nr. 1, 303. 4. Pfändimg, Beschlagnahme und Versiegelung müssen aufgrund einer rechtmäßigen Diensthandlung vorgenommen worden sein. Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung ist —-wie in § 113 (siehe dort Anm. II) — kein Tatbestandsmerkmal, sondern eine Voraussetzung der Rechtswidrigkeit, auf die sich der Vorsatz des Täters nicht beziehen muß. Hierzu ist im einzelnen folgendes zu beachten: a) Die Diensthandlung muß von einem zuständigen Beamten unter Beachtung der wesentlichen Formvorschriften vorgenommen worden sein. So liegt eine ordnungsgemäße Pfändung nur dann vor, wenn der Gerichtsvollzieher die Sache in Besitz nimmt oder, wenn er sie im Gewahrsam des Schuldners beläßt, mit einem Siegel versieht (vgl. § 808 ZPO). Fällt das Siegel nachträglich ab, so bleibt die Pfändung hierdurch unberührt (vgl. Hamm N J W 1956, 1889). Nicht erforderlich ist, daß das Pfandsiegel sofort ins Auge fällt. Es genügt, wenn es bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt von Dritten erkannt werden kann, z.B. im Innern eines P K W neben der Tür (vgl. Oldenburg J R 1954, 33). b) Die öffentlich-rechtliche Verstrickung wird nicht dadurch berührt, daß sie m a t e r i e l l - r e c h t l i c h n i c h t g e r e c h t f e r t i g t i s t . E s gelten hier dieselben Grundsätze wie für die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung in § 113 (siehe dort Anm. II). Eine ordnungsgemäße Pfändung kann daher auch dann vorliegen, wenn der Gerichtsvollzieher eine gemäß § 811 ZPO unpfändbare Sache pfändet oder wenn er eine Sache pfändet, die dem Schuldner nicht gehört, oder wenn er eine Pfändung vornimmt, obwohl der Schuldner inzwischen die Forderung beglichen hat. Der Schuldner darf in diesen Fällen weder Widerstand leisten noch die Siegelmarke entfernen noch eine der in § 136 unter Strafe gestellten Handlungen vornehmen. Es bleibt ihm oder dem sonst durch die Pfändung zu Unrecht Betroffenen nichts anderes übrig, als die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe zu ergreifen (vgl. §§ 766, 767, 771 ZPO). 5. Abs. 4 vorweist auf die Irrtumsregelung des § 113 (siehe dort Anm. IV).
§137
[aufgehoben]
§138
Nichtanzeige geplanter Straftaten
(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung 1. einer Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80), 2. eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1, 3. eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der § § 9 4 bis 96, 97a oder 100, 4. einer Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151 oder 152, 5. eines Menschenhandels in den Fällen des § 181 Nr. 2,
442
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§ 138
6. eines Mordes, Totschlags oder Völkermordes (§§ 211, 212, 220a), 7. einer Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 234, 234 a, 239 a oder 239b, 8. eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251, 255) oder 9. einer gemeingefährlichen Straftat in den Fällen der §§ 306 bis 308, 310 b Abs. 1 bis 3, des § 311 Abs. 1 bis 3, des § 311a Abs. 1 bis 3, der §§ 311b, 312, 313, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, der §§ 316a, 316c oder 324 zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren odermit Geldstrafe bestraft. (2) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem verbrecherischen Vorhaben glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift dient dem Schutz der Rechtsgüter, die durch die anzeigepflichtigen Verbrechen verletzt werden (vgl. Heimann Trosien L K 3; Lackner-Maassen 2; Schönke-Schröder 1; bestr.). 2. Nur bevorstehende Verbrechen unterliegen der Anzeigepflicht des § 138. Unerheblich ist, ob das Verbrechen tatsächlich begangen -wird. (Siehe jedoch § 139 Abs. 1.) Die unterlassene Anzeige bereits b e g a n g e n e r V e r b r e c h e n kann sich unter Umständen als Strafvereitelung gemäß § 258, 258 a darstellen. Nicht alle Verbrechen unterliegen der Anzeigepflicht, sondern nur die in § 138 ausdrücklich erwähnten. 3. Als Täter kommt j e d e r in Betracht, der glaubhaft von dem geplanten Verbrechen Kenntnis erlangt. A u s g e n o m m e n sind Personen, die selbst als Täter oder Teilnehmer der geplanten Tat in Betracht kommen. Es wäre abwegig, auch diese Personen in den Kreis der Anzeigepflichtigen einzubeziehen. Anzeigepflichtig ist somit nur, wer mit der geplanten Tat selbst nichts zu tun hat (vgl. BGH 19, 167 m. Anm. Schröder JR 1964, 227; Schönke-Schröder Rn. 14ff.). Wegen weiterer Ausnahmen siehe § 139 Abs. 2 und 3. 4. Zum Umfang der Anzeigepflicht: a) Die Pflicht zur Anzeige b e g i n n t , sobald jemand g l a u b h a f t von einem geplanten Verbrechen Kenntnis erlangt. Ein Gerücht, an das man selbst nicht glaubt, verpflichtet noch nicht zur Anzeige. Keine Pflicht zur Anzeige besteht auch dann, wenn das geplante Verbrechen überhaupt nicht ausführbar ist. b) Die Pflicht zur Anzeige e n t f ä l l t , wenn Ausführung oder Erfolg des Verbrechens ohnehin nicht mehr abgewendet werden können. c) Wer r e c h t z e i t i g von einem geplanten Verbrechen Kenntnis erlangt, muß auch rechtzeitig Anzeige erstatten. d) Die Anzeige ist entweder der Behörde oder dem B e d r o h t e n gegenüber zu erstatten. 5. Der s u b j e k t i v e T a t b e s t a n d erfordert Vorsatz. Der Anzeigepflichtige muß wissen, mindestens aber für möglich halten, daß ein bestimmtes Verbrechen geplant ist. Er muß weiter wissen, daß er noch die Möglichkeit hat, den Bedrohten oder die Polizei in Kenntnis zu setzen.
443
§ 139
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
6. Nach Abs. 3 macht sich strafbar, wer die Anzeige leichtfertig, d.h. grob f a h r l ä s s i g unterläßt, obwohl er von dem Verbrechen glaubhaft erfahren hat. Leichtfertig handelt vor allem, wer ohne vernünftigen Grund zu lange mit der Anzeige zögert oder wer, ohne sich überhaupt zu bemühen, eine Anzeige für zwecklos betrachtet. 7. Ein Irrtum über die Pflicht zur Anzeige ist nach den Grundsätzen des Verbotsirrtums zu behandeln (BGH 19, 296).
§ 139
Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten
(1) Ist in den Fällen des § 138 die Tat nicht versucht worden, so kann von Strafe abgesehen werden. (2) Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist. ( 3 ) Wer eine Anzeige unterläßt, die er gegen einen Angehörigen erstatten müßte, ist straffrei, wenn er sich ernsthaft bemüht hat, ihn von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, es sei denn, daß es sich um einen Mord oder Totschlag (§§ 211, 212) oder einen Völkermord in den Fällen des § 2 2 0 a Abs. 1 Nr. 1 handelt. Unter denselben Voraussetzungen ist ein Rechtsanwalt, Verteidiger oder Arzt nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in dieser Eigenschaft anvertraut worden ist. (4) Straffrei ist, wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch Anzeige abwendet. Unterbleibt die Ausführung oder der Erfolg der Tat ohne Zutun des zur Anzeige Verpflichteten, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg abzuwenden. 1. Abs. 1 gibt die Möglichkeit, von Strafe abzusehen, wenn die Tat nicht ins Versuchsstadium getreten ist. Es handelt sich hier um einen f a k u l t a t i v e n S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d , für den prozessual § 153b StPO zu beachten ist (siehe auch D vor § 1). 2. K e i n e A n z e i g e p f l i c h t besteht für Geistliche im Rahmen ihrer seelsorgerischen Tätigkeit (Abs. 2), ferner für Ärzte, Rechtsanwälte und Verteidiger, sofern es sich nicht um Mord, Totschlag oder Völkermord handelt und sofern sie sich ernstlich bemüht haben, den Täter von der geplanten Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden (Abs. 3 Satz 2). Die hier genannten Personen scheiden bereits tatbestandsmäßig aus dem Kreis der Täter aus (vgl. Schönke-Schröder 2f.; str.). 3. Angehörige der Täter und Teilnehmer an der geplanten Tat sind im Gegensatz zu den unter 2) genannten Personen an sich anzeigepflichtig, aber e n t s c h u l d i g t , wenn sie sich ernstlich bemühen, die Tat zu verhindern, und wenn es sich nicht um Mord oder Totschlag handelt (vgl. Abs. 3 Satz 1). 4. Eine weitere privilegierende Sonderregelung enthält § 139 Abs. 4 für den Fall, daß der Anzeigepflichtige die Tat selbst verhindert. B e i s p i e l : A bittet seinen Freund F um Gift, um damit seine Frau umzubringen. F verhindert die Tat dadurch, daß er A ein absolut harmloses Pulver gibt. — Oder : A erfährt von einem Sprengstoffanschlag. Da er die in Frage kommenden Täter kennt, aber nicht an-
444
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§§
140—143
zeigen will, entfernt oder vernichtet er einfach den Sprengkörper. — Die R e c h t s n a t u r der Vorschrift ist umstritten. Während die h . L . in ihr einen persönlichen Strafaufhebungsgrund sieht (vgl. Lackner-Maassen 3 ; Welzel 518), entfällt nach Schönke - Schröder (Rn. 6) bereits die Tatbestandsmäßigkeit. Dieser Ansieht ist der Vorzug zu geben, da die Abwendung des drohenden Verbrechens als gleichwertige Alternative zur Anzeige behandelt werden muß. Die Bedeutung des Unterschieds zwischen beiden Auffassungen zeigt sich vor allem auf dem Gebiet der Teilnahme. Die in Abs. 4 Satz 2 getroffene Regelung entspricht § 24 Abs. 1 S. 2 sowie einigen Sondervorschriften des Besonderen Teils, z.B. den §§ 83a Abs. 3, 129 Abs. 6, 239a Abs. 3 S. 2 und 316a Abs. 2 S. 2.
§ 140
Belohnung; u n d Rilligxuig; von S t r a f t a t e n
( 1 ) Wer eine der in § 138 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten belohnt oder öffentlich billigt, nachdem sie begangen oder ihre Begehung versucht worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu f ü n f J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. 1. Die durch das E G S t G B im Strafverfahren geänderte und dem neuen Sprachgebrauch angepaßte Vorschrift schützt das Gefühl der Rechtssicherheit (BGH 22, 282, 285; Heimann-Trosien L K 2). 2. Nur die ö f f e n t l i c h e Belohnung oder Billigung bestimmter Kapitalverbrechen ist strafbar. Wegen öffentlich siehe § 80 Anm. 2a. B i l l i g e n bedeutet „gutheißen" (BGH 22, 282, 286). Um nicht jede entfernte Form des Beifalls bereits als tatbestandsmäßige Handlung erfassen zu müssen, ist eine einschränkende Auslegung erforderlich. Der Tb. ist nur dann erfüllt, wenn der Täter in klarer, eindeutiger Form bestimmte konkrete Straftaten gutheißt, z. B . das Attentat auf einen bestimmten Politiker. Nicht ausreichend ist deshalb ein allgemeines Bekenntnis zu einem „politischen Widerstandsrecht" und zur angeblichen Rechtmäßigkeit tatsächlich geleisteten Widerstands, sofern nicht gleichzeitig bestimmte Straftaten ausdrücklich gebilligt werden (BGH a.a.O. 288). 3. Zu beachten ist die S u b s i d i a r i t ä t s k l a u s e l . § 130 geht vor. § 141
[aufgehoben]
§ 143
Verlsehrsirnfallflucht*
(1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung a n dem Unfall durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in F r a g e k o m m t , daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) I n besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten. * Wegen der beabsichtigten Neufassung durch das 14. StrRÄndG siehe Anhang 9. 445
§ 1 4 3
S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g
1. Vorbemerkung. E s ist h e u t e allgemein a n e r k a n n t , d a ß d e r Gesetzeszweck der Vorschrift n i c h t d a r i n b e s t e h t , d e r Polizei eine u m f a s s e n d e Verfolgung aller m i t einem U n f a l l v e r b u n d e n e n Verkehrsdelikte zu ermöglichen. Die Vorschrift d i e n t vielmehr ausschließlich d e m Schutz der Unfallbeteiligten ( B G H 8, 263; 12, 253; B V e r f G V e r k M i t t . 1963, 77; B a y O b L G N J W 1970, 717). J e d e r Unfallbeteiligte h a t ein berechtigtes Interesse d a r a n , d a ß die d u r c h d e n U n f a l l e n t s t a n d e n e n Schäden o r d n u n g s g e m ä ß geklärt u n d der materiellen Rechtslage e n t s p r e c h e n d reguliert werden. Dieses Interesse k a n n grundsätzlich n u r d a d u r c h g e w a h r t w e r d e n , d a ß sämtliche Unfallbeteiligten sich a n Ort u n d Stelle auseinandersetzen u n d f ü r den Fall, d a ß eine sofortige E i n i g u n g nicht erreicht w e r d e n k a n n , die Polizei hinzuziehen. Wegen der Möglichkeit v o n A u s n a h m e n siehe u n t e n A n m . 6. Ü b e r Gesetzesgeschichte u n d R e f o r m b e s t r e b u n g e n siehe Lackner D A R 1972, 263 sowie Spiegel D A R 1972, 291, vor allem aber den kritischen Aufsatz v o n H ä n d e l D A R 1973, 60. 2. Verkehrsunfall ist jedes Ereignis im S t r a ß e n v e r k e h r (nicht auch a u f W a s s e r s t r a ß e n , B G H N J W 1960, 829), d u r c h d a s ein Mensch g e t ö t e t oder verletzt w u r d e oder das zu einer nicht völlig belanglosen Sachbeschädigung g e f ü h r t h a t (vgl. B G H 8, 263f.; 24, 382f.). I m einzelnen: a) E i n S a c h s c h a d e n b e g r ü n d e t n u r d a n n wegen G e r i n g f ü g i g k e i t keine W a r t e pflicht, w e n n die d u r c h i h n wirklich oder möglicherweise e n t s t a n d e n e n R e c h t s beziehungen so u n b e d e u t e n d sind, d a ß E r s a t z a n s p r ü c h e üblicherweise n i c h t geltend g e m a c h t w e r d e n . Schäden ü b e r 10,— DM k ö n n e n im allgemeinen n i c h t m e h r als b e l a n g l o s angesehen werden (vgl. B a y O b L G N J W 1970, 717; H a m m N J W 1971, 1470; a . A . D d f VerkMitt. 1972 N r . 29: angesichts der fortschreitenden Geldentw e r t u n g u n d der sich hieraus ergebenden V e r t e u e r u n g der K f z - R e p a r a t u r e n m u ß die Mindestschadenshöhe ü b e r 10,— DM liegen; zw.). b) Ob d e r U n f a l l v e r s c h u l d e t w u r d e , ist u n e r h e b l i c h . E i n Verkehrsunfall i.S. der Vorschrift liegt selbst d a n n vor, wenn sich j e m a n d in e r k e n n b a r s e l b s t m ö r d e r i s c h e r A b s i c h t v o r die R ä d e r eines h e r a n n a h e n d e n F a h r z e u g s w i r f t (vgl. B G H 12, 253, 255). E i n U n f a l l liegt schließlich a u c h d a n n vor, wenn d a s Schadensereignis v o r s ä t z l i c h h e r b e i g e f ü h r t w u r d e (st. R s p r . , vgl. B G H 24, 382 m . N a c h w . : a . A . C r a m e r 12; D ü n n e b i e r GA 1957, 33, 4 2 ; E i c h M D R 1973, 814; J a g u s c h 4 ; R o x i n N J W 1969, 1261), es sei d e n n , d a ß d a s F a h r z e u g ausschließlich als W e r k z e u g z u r Verwirklichung eines a u ß e r h a l b des S t r a ß e n v e r k e h r s liegenden Erfolgs b e n u t z t wird, z . B . u m den N e b e n b u h l e r zu t ö t e n oder das G a r t e n t o r des feindlichen N a c h b a r n zu zerstören (vgl. B G H a . a . O . 384). Unfallflucht b e g e h t deshalb a u c h , wer das ihn wegen a n d e r e r S t r a f t a t e n verfolgende Polizeifahrzeug vorsätzlich r a m m t u n d d a n n w e i t e r f ä h r t , u m sich a u c h hinsichtlich dieses Vorfalls d e n Feststellungen zu entziehen (Sachverhalt v o n B G H 24, 382). 3. Täter k a n n jeder sein, dessen V e r h a l t e n n a c h d e n U m s t ä n d e n des Einzelfalls zur V e r u r s a c h u n g des Unfalls beigetragen h a b e n k a n n . Die W a r t e p f l i c h t r i c h t e t sich insbesondere n i c h t n u r a n die F a h r e r von K r a f t f a h r z e u g e n , sondern a u c h a n R a d f a h r e r u n d F u ß g ä n g e r . O b die Beteiligung s c h u l d h a f t w a r , ist unerheblich (s.o. 2 b ) . E s ist sogar n i c h t einmal erforderlich, d a ß die V e r u r s a c h u n g eindeutig f e s t s t e h t ; es genügt, d a ß sie n a c h den U m s t ä n d e n in F r a g e k o m m t (vgl. K r h e D J 1974, 133 b e t r . einen K r a f t f a h r e r , der auf nächtlicher L a n d s t r a ß e einen infolge eines vorangegangenen Unfalls auf der F a h r b a h n liegenden Menschen ü b e r f a h r e n h a t t e , der zu diesem Z e i t p u n k t möglicherweise bereits t o t war). Z u r Frage, u n t e r welchen Voraussetzungen sich auch ein F a h r z e u g h a l t e r , der selbst nicht gefahren ist, einer Unfallflucht schuldig m a c h e n k a n n , sieho B a y O b L G N J W 1966, 557, K G V R S 46 [1974], 434 sowie u n t e n A n m . 13.
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4. Die Tathandlung besteht in der Flucht. Als Flucht gilt j e d e r ä u m l i c h e E n t f e r n u n g v o m U n f a l l o r t , durch die der Unfallbeteiligte die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung vereitelt oder erschwert. a) Auch eine nur geringe Ortsveränderung kann als „Flucht" angesehen werden, wenn sie bewirkt, daß der Täter nicht mehr oder nicht mehr ohne weiteres als Unfallbeteiligter erkennbar oder feststellbar ist (vgl. BGH VRS 5, 287; 9, 136; BayObLG J R 1969, 429). Hieran fehlt es, wenn ein Unfallbeteiligter, der dem anwesenden anderen Unfallbeteiligten persönlich bekannt ist, mit dessen Kenntnis — gleich aus welchen Gründen — eine nahegelegene Gaststätte aufsucht (vgl. BayObLG a . a . O . mit zust. Anm. Schröder; ähnlich H b g YerkMitt. 1973 Nr. 93). b) Die Flucht erfolgt normalerweise von der Unfallstelle aus. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Unfallflucht kommt z.B. auch dann in Betracht, wenn der Täter nach zunächst zulässiger Entfernung nicht mehr zum Unfallort zurückkehrt (siehe unten 8) oder wenn er sich heimlich aus der Polizeiwache entfernt, bevor es gelungen ist, seine Personalien festzustellen (vgl. Schröder N J W 1966,1001). c) S o n s t i g e H a n d l u n g e n des Unfallbeteiligten, die den gleichen Zweck erstreben, fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Vorschrift. So kann insbesondere N a c h t r u n k zur Verschleierung der Alkoholeinwirkung im Zeitpunkt des Unfalls nicht als Unfallflucht bestraft werden (BayObLG J R 1969, 429). E r wirkt sich jedoch, wenn aus anderen Gründen Unfallflucht vorliegt, f ü r diese strafschärfend aus (BGH 17, 143). Auch die Reparatur beschädigter Fahrzeugteile und die E n t f e r n u n g e i n e s H i n w e i s z e t t e l s , den der Unfallbeteiligte nach dem Unfall (z.B. einem Parkschaden) an dem von ihm beschädigten Fahrzeug angebracht hat, fällt für sich allein nicht unter § 142 (siehe jedoch § 274 Anm. I 7). 5. Nicht jede Flucht nach einem Unfall erfüllt den Tatbestand. Hinzukommen muß, daß der Unfallbeteiligte eine Wartepflicht hatte, d.h. daß er verpflichtet war, solange an der Unfallstelle zu verbleiben, bis die im Interesse der Geschädigten erforderlichen Feststellungen über den Unfallhergang getroffen worden sind. Diese Wartepflicht ist u n g e s c h r i e b e n e s T a t b e s t a n d s m e r k m a l der Vorschrift und wird deren Sinn und Zweck entnommen (BGH 8, 263, 265). Sie wird nicht dadurch berührt, daß der Verursacher des Unfalls bei den zu erwartenden Feststellungen der Polizei mit einer Strafverfolgung wegen einer anderen Straftat rechnen muß. Wartepflichtig ist deshalb auch, wer mit einem von ihm gestohlenen P K W einen Unfall verursacht. Dies gilt selbst dann, wenn nur das gestohlene Fahrzeug beschädigt worden ist (vgl. BayObLG bei R ü t h DAR 1973, 204). 6. Die Wartepflicht entfällt, a) f ü r Verkehrsteilnehmer, die nur s i c h s e l b s t v e r l e t z t oder e i g e n e s E i g e n t u m b e s c h ä d i g t haben und an andere Unfallbeteiligte keine Ansprüche stellen wollen; b) wenn alle Unfallbeteiligten a u s d r ü c k l i c h auf sofortige Feststellungen an Ort und Stelle v e r z i c h t e n ; c) wenn der V e r z i c h t des durch den Unfall Geschädigten u n t e r s t e l l t werden kann, z.B. wenn dieser selbst pflichtwidrig die Unfallstelle verlassen h a t (BayObLG N J W 1958, 511) oder wenn bei dem Unfall lediglich eine im Eigentum eines Angehörigen, Freundes, Nachbarn oder des Arbeitgebers stehende Sache beschädigt worden ist und der Schadensverursacher damit rechnen kann, daß der Geschädigte keine sofortigen Feststellungen an Ort und Stelle wünscht, sondern sich mit der späteren Regulierung des Schadens begnügen wird (vgl. H b
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N J W 1960, 1482; Hamm N J W 1971, 1470). Minderjährige können auf sofortige Feststellungen am Unfallort nur dann rechtswirksam verzichten, wenn sie eine genügende Vorstellung von der Bedeutung und Tragweite des Verzichts haben; bei Kindern unter 12 Jahren sind diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht gegeben (vgl. Krhe, Urt. v. 22. 6. 1972— 3 Ss 72/72). d) bei B a g a t e l l u n f ä l l e n , wenn der Geschädigte nicht sofort erreichbar ist u n d der Täter in der ernstlichen Absicht, den Schaden zu regulieren, dem Geschädigten durch eine schriftliche Mitteilung oder durch eine zuverlässige Mittelsperson seinen Namen und seine Anschrift hinterläßt oder ihn wenig später selbst von dem Unfall in Kenntnis setzt (BayObLG N J W 1968, 1896; N J W 1970, 717; Hamm N J W 1971, 1470). Andererseits ist der Unfallbeteiligte nicht berechtigt, den am Unfallort anwesenden Geschädigten einfach auf das amtliche Kennzeichen seines Fahrzeugs hinzuweisen. Entfernt er sich vom Unfallort, ohne dem Geschädigten auf dessen Verlangen seinen Namen und seine Anschrift zu nennen und durch Vorzeigen des Führerscheins oder eines Personalausweises zu belegen, so begeht er auch dann Unfallflucht, wenn er das Fahrzeug an der Unfallstelle zurückläßt und die Art seiner Unfallbeteiligung keiner Klärung bedarf (BGH 16, 139). Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß sich auf Grund des amtlichen Kennzeichens die Person des verantwortlichen Fahrers nicht immer rasch und zuverlässig ermitteln läßt (vgl. B G H a.a.O.). Selbstverständlich bleibt auch bei Bagatellunfällen die Wartepflicht dann bestehen, wenn einer der Beteiligten darauf besteht, daß die erforderlichen Feststellungen durch die Polizei an Ort und Stelle getroffen werden (BayObLG J R 1966, 145). Wegen Ausnahmen siehe den folgenden Abschnitt e. e) wenn der Unfallverursacher bei einem einfach liegenden Sachverhalt dem Geschädigten gegenüber die S c h u l d a n e r k e n n t und sich bereit erklärt hat sowie willens und fähig ist, den Schaden zu ersetzen (vgl. Oldenburg N J W 1968, 2019). E r ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, polizeiliche Feststellungen, insbesondere eine Blutentnahme, abzuwarten und zwar selbst dann nicht, wenn der Geschädigte dies verlangen sollte (vgl. Oldenburg a . a . O . ; Krhe N J W 1973, 378). Die Wartepflicht bleibt jedoch bestehen, wenn die Identität des Schädigers, seiner Haltereigenschaft oder seiner Haftpflichtversicherung nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht und zu erwarten ist, daß durch eine polizeiliche Unfallaufnahme die erforderlichen Feststellungen ermöglicht oder erleichtert werden (Krhe a.a.O.). Dasselbe gilt, wenn der Unfallverursacher sich weigert, seine Schuld an dem Unfall schriftlich anzuerkennen, und sich der Geschädigte mit einem mündlichen Schuldanerkenntnis nicht begnügt (Schleswig VerkMitt. 1973 Nr. 83). I m letztgenannten Fall liegt Unfallflucht selbst dann vor, wenn der Unfallverursacher die Unfallstelle unter Zurücklassung seines Fahrzeugs und seines Führerscheins verläßt (Schleswig a.a.O.). 7. Die Dauer der Wartepflicht kann nicht einheitlich beurteilt werden. Grundsätzlich ist jeder Unfallbeteiligte verpflichtet, so lange an der Unfallstelle zu verbleiben, bis der Feststellungsberechtigte oder die in seinem Interesse handelnden Personen (Polizei, Sachverständige u.a.m.) alle zur Aufklärung erforderlich erscheinenden Maßnahmen getroffen haben. Ist der Feststellungsberechtigte zunächst nicht erreichbar, so richtet sich die Dauer der Wartepflicht nach Art und Umfang des Schadens. J e g e r i n g e r d e r S c h a d e n , d e s t o g e r i n g e r d i e A n f o r d e r u n g e n a n d i e W a r t e p f l i c h t . So kann man bei einem unbedeutenden Parkschaden, insbesondere zur Nachtzeit, nicht verlangen, daß der Schädiger stundenlang auf das Eintreffen des ihm unbekannten Geschädigten oder der Polizei wartet. E r darf sich andererseits auch in solchen Fällen nur dann von der Unfallstelle entfernen, wenn er in der ernstlichen Absicht, den Schaden zu ersetzen, dem Geschädigten auf andere Weise die Möglichkeit gibt, sich mit ihm zwecks Regulierung des Schadens in
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Verbindung zu setzen (s.o. 6d). Wie er das tut, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. So hat das OLG Schleswig eine Wartezeit von 15 Minuten als ausreichend angesehen, wenn bei einem Unfall zur Nachtzeit lediglich an einem Zaun und an der Gartenbepflanzung leichter Sachschaden entstanden ist und der Verursacher des Unfalls das unfallbeteiligte Fahrzeug an der Unfallstelle zurückläßt (vgl. D A R 1969, 49). Bei einem Unfall mit Sachschaden von 5 0 0 , — DM an einer Straßenlaterne ist jedoch selbst bei Nacht eine Wartezeit von 20 Minuten nicht ausreichend (Koblenz V R S 43 [1972], 423). Bei schweren Unfällen, insbesondere bei Unfällen, in deren Verlauf ein Mensch schwer verletzt oder getötet wurde, sind strengere Anforderungen zu stellen. Hier ist den Unfallbeteiligten u . U . stundenlanges Warten, auch zur Nachtzeit, ohne weiteres zumutbar. 8. Eine Pflicht zur alsbaldigen (unverzüglichen) Rückkehr besteht, wenn sich ein Unfallbeteiligter zunächst aus einem rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund von der Unfallstelle entfernt hat, z . B . um Verletzte fortzuschaffen oder sich selbst in ärztliche Behandlung zu begeben (vgl. B G H 18, 114, 118 m. weit. Nachweisen) odfer um von einem in der Nähe gelegenen Telefonanschluß aus die Polizei zu verständigen (Ffm N J W 1967, 2072) oder um einer drohenden körperlichen Mißhandlung zu entgehen (BGH V R S 36, 20ff.). Eine Pflicht zur Rückkehr besteht auch dann, wenn ein Unfallbeteiligter e r s t a u f d e r W e i t e r f a h r t Kenntnis von seiner Unfallbeteiligung erlangt (BGH a . a . O . ; Koblenz V R S 45 [1973], 33). Kehrt der Unfallbeteiligte pflichtgemäß an die Unfallstelle zurück, so ist er weiter verpflichtet, die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. E s genügt also nicht, daß er sich unter die Schar der Neugierigen drängt, er muß sich als Unfallbeteiligter zu erkennen geben und die zur Aufklärung seiner Beteiligung notwendigen Feststellungen dulden (vgl. B G H a . a . O . ; Krhe DAR 1965, 24). Dasselbe gilt, wenn ein Unfallbeteiligter, der sich in Unkenntnis seiner Beteiligung vom Unfallort entfernt hat, durch Zufall wieder an diesen zurückkehrt und jetzt erst mit seiner Unfallbeteiligung rechnet (BGH 20, 258 betr. einen Omnibusfahrer, der nach 2 Stunden aus einer Entfernung von 25 km wieder an die Unfallstelle zurückkam und diese in Gegenrichtung passierte). Die B e g r ü n d u n g der Pflicht zur Rückkehr ergibt sich aus der Erwägung, daß der Unfallbeteiligte, der durch seine — vorsatzlose, gerechtfertigte oder entschuldigte — Entfernung von der Unfallstelle die berechtigten Interessen der übrigen Unfallbeteiligten gefährdet hat, verpflichtet ist, den Zustand wiederherzustellen, den er durch seine Entfernung vom Unfallort beseitigt hat. Die Rückkehrpflicht ist somit keine zusätzliche, in § 142 nicht erfaßte Pflicht, sondern ergibt sich unmittelbar aus der durch § 142 geschützten Wartepflicht (vgl. Saarbrücken N J W 1968, 1890). Zum Ganzen siehe auch Schröder N J W 1966, 1001 sowie Bindokat N J W 1966, 1906. 9. Die Pflicht zur Rückkehr entfällt, wenn ein r ä u m l i c h e r und z e i t l i c h e r Z u s a m m e n h a n g m i t d e m U n f a l l g e s c h e h e n n i c h t m e h r g e g e b e n ist, z . B . wenn ein Unfallbeteiligter erst nach Tagen von seiner Unfallbeteiligung Kenntnis erlangt. In diesem Fall besteht auch keine Pflicht, den Unfall bei der Polizei zu melden (vgl. B G H 7, 112, 117; 18, 114, 118). D a s F l u c h t v e r b o t d a r f n i c h t in e i n M e l d e g e b o t u m g e s t a l t e t w e r d e n (BGH 7, 117). 10. Die Flucht ist vollendet, wenn sich der Täter so weit entfernt hat, daß er nicht ohne weiteres erreichbar oder als Beteiligter feststellbar ist (vgl. B G H LM Nr. 3). Bis dahin liegt Versuch vor. 29
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11. Der Versuch ist gemäß Abs. 2 strafbar. Ein solcher liegt vor, a) wenn die Flucht nicht gelingt, b) wenn jemand nur irrig annimmt, er sei an einem Unfall beteiligt gewesen. K e i n V e r s u c h , sondern ein (strafloses) W a h n d e l i k t liegt vor, wenn jemand flieht in der irrigen Annahme, er sei auch dann zum Warten verpflichtet, wenn nur er selbst bei dem Unfall verletzt oder geschädigt wurde (vgl. B G H 8, 263). Nur eine (straflose) Vorbereitungshandlung liegt vor, wenn der Unfallverursacher in der Absicht, anschließend die Flucht zu ergreifen, sein beschädigtes Fahrzeug wieder startklar macht oder wenn er einen bei der Schwere des Unfalls keineswegs ausreichenden Zettel mit seinem Namen und seiner Anschrift an der Windschutzscheibe des beschädigten Wagens befestigt (vgl. Hamm N J W 1971, 1470). 12. Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz, wobei b e d i n g t e r V o r s a t z hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale g e n ü g t . Der V o r s a t z fehlt, wenn der Täter den Unfall gar nicht bemerkt hat oder wenn er ihn zwar bemerkt hat, aber irrig annimmt, es sei lediglich ein belangloser Schaden entstanden, der keine Wartepflicht begründet. I n diesen Fällen ist dann aber immer zu prüfen, ob der Beschuldigte nicht wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß § 34 StVO zu verfolgen ist (wegen der Bußgelddrohung siehe § 24 StVG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 29 StVO). Da sich der Vorsatz auch auf das Tb-Merkmal „ F l u c h t " (s.o. 4) erstrecken muß, ist erforderlich, daß der Täter durch seine Entfernung vom Unfallort die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung vereiteln oder erschweren will. Hieran kann es fehlen, wenn er aus Verwirrung oder Bestürzung handelt oder wenn er den Unfallort verläßt, um sich in ärztliche Behandlung zu begeben ( F f m V R S 28 [1965] 262) oder um einer drohenden körperlichen Mißhandlung zu entgehen ( B G H V R S 36 [1969] 20ff.). Dasselbe gilt, wenn der Unfallbeteiligte sich nur deshalb entfernt, weil er von einem in der Nähe gelegenen Telefonanschluß aus die Polizei verständigen will ( F f m N J W 1967, 2072). I n diesen Fällen wird dann allerdings wieder die oben unter Anm. 8 erörterte Rückkehrpflicht von Bedeutung. Der Vorsatz entfällt schließlich auch dann, wenn es dem Täter ausschließlich darum geht, sich den Feststellungen der Polizei zu entziehen, ohne daß er dadurch gleichzeitig die Feststellungsinteressen des Geschädigten verletzt (vgl. K G V R S 1967, 275; Krhe N J W 1973, 378, 380). Glaubhaft ist eine solche Einlassung des Unfallverursachers in der Regel allerdings nur, wenn er den Geschädigten vor oder unverzüglich nach der Flucht wahrheitsgetreu über seine Person und den Unfall unterrichtet hat (vgl. Hamm V R S 41, 108; Mühlhaus 5). Verletzt der Unfallverursacher im Bestreben, sich den Feststellungen der Polizei zu entziehen, gleichzeitig auch das Feststellungsinteresse des Geschädigten (Regelfall), so kann er sich nicht darauf berufen, es sei ihm nur darum gegangen, sich der drohenden Blutprobe zu entziehen (vgl. Koblenz V R S 43 [1972], 181, 432). Der Vorsatz bleibt schließlich auch dann bestehen, wenn ein Unfallbeteiligter in Kenntnis aller tatbestandserheblichen Umstände lediglich glaubt, er sei zum Warten oder, wenn er sich bereits entfernt hat, zur Rückkehr an die Unfallstelle nicht verpflichtet. Ein solcher Irrtum wäre ein Verbotsirrtum. Dasselbe gilt, wenn der Täter nach Verursachung eines größeren Schadens irrig annimmt, es genüge, an der Windschutzscheibe des beschädigten P k w einen Zettel mit dem Kennzeichen des eigenen Fahrzeugs anzubringen (vgl. Krhe Urt. vom 3. 12. 1970 — 1 Ss 299/70). 13. Teilnahme ist nach allgemeinen Grundsätzen strafbar. M i t t ä t e r kann nur sein, wer selbst warte- und duldungspflichtig ist ( B G H 15, 1). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so kommt — auch bei eigenem Interesse an dem Gelingen
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der Flucht — nur Anstiftung oder Beihilfe in Betracht. Beihilfe liegt schon dann vor, wenn der wartepflichtige Unfallbeteiligte in seinem Entschluß, sich durch Flucht seiner Verantwortung zu entziehen, durch Zurufe oder auf andere Weise bestärkt wird. Beihilfe durch U n t e r l a s s e n ist nach allg. Grundsätzen nur dann strafbar, wenn eine Rechtspflicht besteht, die Flucht zu verhindern. Eine solche Pflicht trifft insbesondere den Fahrzeughalter (Ddf VerkMitt. 1966 N r . 76). 14. Ein besonders schwerer Fall (Abs. 3) kommt insbesondere in Betracht, a) wenn bei dem Unfall ein M e n s c h s c h w e r v e r l e t z t o d e r g e t ö t e t wurde und der Täter die Möglichkeit einer solchen Folge e r k a n n t hat ( B G H 12, 253, 256); ein s i c h e r e s W i s s e n um die Schwere der Folgen ist dagegen n i c h t e r f o r d e r l i c h ( B G H V R S 23, 286, 288; 28, 359, 361); b) wenn die Flucht ungewöhnlich hartnäckig, rücksichtslos und gefährlich durchgeführt wurde ( B G H 18, 9). Entscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. So ist z.B., auch wenn die Voraussetzungen von a) oder b) gegeben sind, das Vorliegen eines besonders schweren Falles abzulehnen, wenn der Flüchtige später zur Unfallstelle zurückgekehrt ist und zur Unfallaufklärung beigetragen hat (vgl. B G H V R S 44 [1973], 266). 15. Neben der Strafe kann auf E n t z i e h u n g d e r F a h r e r l a u b n i s (vgl. § 69 Abs. 2), in ausgesprochen leichten Fällen auch auf ein F a h r v e r b o t nach § 44 erkannt werden. Das Fahrzeug, das zur Flucht benutzt wurde, kann e i n g e z o g e n werden (vgl. B G H 10, 337). 16. Konkurrenzen a) I d e a l k o n k u r r e n z kommt in Betracht mit unterlassener Hilfeleistung (§ 330c) und Verlassen Hilfloser (§ 221), ferner mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113) und Nötigung (§ 240). b) R e a l k o n k u r r e n z besteht zwischen der Unfallflucht und dem vorausgegangenen Unfall, der sich normalerweise als fahrlässige Tötung oder Körperverletzung (§§ 222, 230), gegebenenfalls i.V. mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdimg (§ 315c Abs. 1 Nr. l a ) oder einem Verstoß gegen die StVO darstellt. Unfall und Unfallflucht werden auch dann nicht zu einer Tateinheit i.S. von § 52 zusammengefaßt, wenn beide Delikte in angetrunkenem Zustand oder ohne Führerschein begangen wurden. Hierbei macht es nach B G H 21, 203 keinen Unterschied, ob der Täter nach dem Unfall anhält und aussteigt, um sich die Folgen zu betrachten, oder ob er, durch den Unfallablauf nicht zum Halten gezwungen, die Unfallfolgen im Fahren erkennt und in sein Bewußtsein aufnimmt. Entscheidend ist allein seine innere Willensrichtung, die in allen Fällen dadurch gekennzeichnet ist, daß der Täter sich trotz des Unfalls und den erkannten Folgen entschließt, die Fahrt fortzusetzen. Dieser Entschluß ist ein neuer, selbständiger Entschluß (ebenso schon früher S t g t N J W 1964,1913undKrüger N J W 1966,489). Dem steht nicht entgegen, daß zwischen dem alkoholbedingten Unfall einerseits und der nachfolgenden Unfallflucht andererseits p r o z e s s u a l T a t i d e n t i t ä t i.S. von § 264 StPO besteht (vgl. B G H N J W 1970, 255; Saarbrücken N J W 1974, 375) und in den H V keine Nachtragsanklage erforderlich ist, sondern ein Hinweis nach § 265 StPO genügt, wenn in der Anklage zunächst nur der Vorwurf der Straßenverkehrsgefährdung erhoben worden war (Saarbrücken a.a.O.). Die Tatindentität erstreckt sich dann allerdings nicht mehr auf eine nach Beendigung der Unfallflucht während der weiteren Trunkenheitsfahrt begangene neue fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung B G H a.a.O.). 29»
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§§ 143, 144
S t r a f t a t e n gegen die öffentliche O r d n u n g
o) Die grundsätzlich subsidiäre OWi gemäß § 34 StVO b e k o m m t d a n n p r a k t i s c h e B e d e u t u n g , w e n n sich Vorsatz n i c h t nachweisen läßt. Wegen der B u ß g e l d d r o h u n g siehe §§ 49 Abs. 1 N r . 29 StVO, 24 StVG. 17. A u s d e r prozessualen T a t i d e n t i t ä t v o n Unfall u n d Unfallflucht (s.o. A n m . 16) w u r d e verschiedentlich der Schluß gezogen, d a ß eine Rechtsmittelbeschränkung auf die F r a g e der Unfallflucht unzulässig sei (vgl. K ö l n N J W 1971, 156; H a m m N J W 1971, 770). Dieser Schluß ist jedoch n i c h t zwingend, d a sich Unfall u n d Unfallflucht u n g e a c h t e t d e r prozessualen T a t i d e n t i t ä t materiellrechtlich als selbständige H a n d lungen i. S. v o n § 53 darstellen (vgl. B G H 21, 203) u n d sich die F r a g e der Unfallflucht u n a b h ä n g i g d a v o n beurteilen l ä ß t , ob der Unfall s c h u l d h a f t v e r u r s a c h t w u r d e oder n i c h t . E i n e R e c h t s m i t t e l b e s c h r ä n k u n g auf die F r a g e der Unfallflucht ist d a h e r grundsätzlich zulässig ( B G H 24, 185). E i n e einheitliche Beurteilung v o n U n f a l l u n d Unfallflucht ist n u r in den Fällen geboten, in denen der Angeklagte den U n f a l l in f a h r u n t ü c h t i g e m Z u s t a n d verschuldet h a t u n d a u c h die anschließende Unfallflucht in T a t e i n h e i t m i t T r u n k e n h e i t a m Steuer s t e h t ( B G H 25, 72). E r g i b t n ä m l i c h die e r n e u t e V e r h a n d l u n g , d a ß eine Unfallflucht n i c h t vorliegt (z.B. aus s u b j e k t i v e n Gründen), so w ä r e die W e i t e r f a h r t n a c h d e m U n f a l l gegenüber d e m Unfallgeschehen keine rechtlich selbständige H a n d l u n g m e h r u n d k ö n n t e deshalb im Falle einer w i r k s a m v o r g e n o m m e n e n R e c h t s m i t t e l b e s c h r ä n k u n g ü b e r h a u p t nicht m e h r berücksichtigt werden. Dies w ü r d e vor allem d a n n zu einer unbilligen Privilegierung des Angeklagten f ü h r e n , w e n n dieser n a c h d e m U n f a l l noch eine größere Strecke in f a h r u n t ü c h t i g e m Z u s t a n d zurückgelegt h a t (vgl. B G H a . a . O . ) .
§
143
[aufgehoben d u r c h d a s 4. S t r R G ]
§ 144
Aiiswanderungrsbetrugr
Wer es sich zum Geschäft macht, Deutsche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder 'wissentlich mit unbegründeten Angaben oder durch andere auf Täuschimg berechnete Mittel zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. V e r l e i t e n setzt v o r a u s , d a ß der T ä t e r sein O p f e r d u r c h T ä u s c h u n g zur A u s w a n d e r u n g b e s t i m m t , z . B . i n d e m er i h m Verdienstmöglichkeiten vorspiegelt, die in Wirklichkeit g a r n i c h t v o r h a n d e n sind. W e r z u r A u s w a n d e r u n g ohnehin schon fest entschlossen w a r , k a n n n i c h t m e h r verleitet w e r d e n . 2. N u r d i e g e s c h ä f t s m ä ß i g e T a t b e g e h u n g ist m i t S t r a f e b e d r o h t . Geschäftsm ä ß i g h a n d e l t , wer beabsichtigt, die T a t z u wiederholen u n d sie zu einem wiederk e h r e n d e n B e s t a n d t e i l seiner B e s c h ä f t i g u n g zu m a c h e n . Sind s u b j e k t i v diese Voraussetzungen gegeben, so g e n ü g t o b j e k t i v bereits eine einzige H a n d l u n g , u m den T a t b e s t a n d z u erfüllen. 3. Siehe e r g ä n z e n d §§ 45ff. des A u s w a n d e r u n g s G v o m 9. 8. 1897 (RGBl. 463), zuletzt g e ä n d e r t d u r c h A r t 82 des E G S t G B , sowie die V O ü b e r Mißstände im Auswanderungswesen v o m 14. 2. 1924 (RGBl. I 107), zuletzt g e ä n d e r t d u r c h A r t . 83 E G S t G B . I d K . ist möglich m i t §§ 180a Abs. 3, 181 N r . 2.
452
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung § 145
§
145
M i ß b r a u c h v o n N o t r u f e n u n d Ileeintrüclitigrung; von Unfallverhütiuigs- u n d Nothilfemitteln
( 1 ) Wer absichtlich oder wissentlich 1. Notrufe oder Notzeichen mißbraucht oder 2. vortäuscht, daß wegen eines Unglücksfalles oder wegen gemeiner Gefahr oder Not die Hilfe anderer erforderlich sei, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. ( 2 ) Wer absichtlich oder wissentlich 1. die zur Verhütung von Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr dienenden Warn- oder Verbotszeichen beseitigt, unkenntlich macht oder in ihrem Sinn entstellt oder 2. die zur Verhütung von Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr dienenden Schutzvorrichtungen oder die zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr bestimmten Bettungsgeräte oder anderen Sachen beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 303 oder 304 mit Strafe bedroht ist. I. Die durch das EGStGB neu eingeführte Vorschrift wurde erforderlich, weil mit dem Inkrafttreten des EGStGB der früher in § 360 Abs. 1 Nr. 11 enthaltene Übertretungstatbestand des groben Unfugs, unter den der Mißbrauch von Notrufen bis dahin subsumiert werden konnte (vgl. BGH 13, 241), in Wegfall gekommen ist. Die Fassung des Abs. 1 deckt sich mit Art. 1 Nr. 13 des 2. StrRG, der wiederum mit § 300 E 1962 übereinstimmt. § 17 des Ges. über Fernmeldeanlagen wurde durch Abs. 1 Nr. 1 gegenstandslos und konnte durch Art. 262 Nr. 3 EGStGB aufgehoben werden. In der Endphase der parlamentarischen Beratungen wurde dann noch die der Sache nach vergleichbare Materie des Abs. 2 mit in die Vorschrift aufgenommen. II. Anliegen des Abs. 1 ist es sicherzustellen, daß vor allem in Fällen, in denen eine Pflicht zur Hilfeleistung besteht, Notrufe oder Notzeichen nicht mißbraucht werden und fremde Hilfe nur in echten Notfällen in Anspruch genommen wird. Die Vorschrift ist damit ein notwendiges Gegenstück zu § 330 c (vgl. S. 471 Begr. § 300 E 1962). 1. Notrufe und Notzeichen i.S. der Nr. 1 sind technische Anlagen und Einrichtungen, mit deren Hilfe auf eine Not, eine Gefahr oder auf ein sonstiges Bedürfnis nach fremder Hilfe aufmerksam gemacht werden kann. In Betracht kommen insbesondere Notrufanlagen der Polizei und der Autobahnmeisterei, Feuermelder sowie die in der Schiffahrt und der Luftfahrt gebräuchlichen Notzeichen. Nicht hierher gehören unbegründete Hilferufe (die jedoch u.U. unter Nr. 2 fallen können). —• Ein Mißbrauch liegt vor, wenn die Notrufe und Notzeichen gebraucht werden, obwohl die nach Gesetz, behördlicher Anordnung, Vereinbarung oder allgemeiner Übung für ihre Benutzimg festgelegten Voraussetzungen fehlen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn weder eine Not oder Gefahr besteht noch sonst ein Bedürfnis nach fremder Hilfe ersichtlich ist. Unerheblich ist, ob der Täter mit der Gefahrenmeldung zugleich eine Gefahr oder Notlage vortäuscht. Strafbar ist bereits der Mißbrauch der Anlage als solcher. 2. Im Falle der Nr. 2 genügt es nicht, daß ein Unglücksfall (§ 330 c Anm. 2 a), eine gemeine Gefahr oder Not (§ 330 c Anm. 2 b) vorgetäuscht wird. Der Täter muß vielmehr weiter vortäuschen, daß aus dem angeblichen Anlaß Hilfe erforderlich ist (siehe hierzu § 330 c Anm. 3). Unerheblich ist, ob sich der Täter für seinen fingierten
453
§
145
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
Hilferuf einer der in Nr. 1 geschützten Anlagen und Einrichtungen bedient oder ob er z . B . grundlos auf der Straße in ernst zu nehmender Weise laut um Hilfe ruft. Weitere B e i s p i e l e : A täuscht auf freier Strecke einen Verkehrsunfall vor, um in Erfahrung zu bringen, wie lange es dauert, bis sich jemand um ihn kümmert. — O d e r : A hat zwar einen Unfall erlitten, benötigt aber nicht den von ihm gerufenen Sanka, sondern ruft diesen nur, weil er den Fußmarsch in die nächste Stadt scheut. 3. Zum subj. Tb. (absichtlich oder wissentlich) siehe § 15 Anm. 1. III. Abs. 2, der erst in der Endphase der parlamentarischen Beratungen auf Vorschlag des Bundesrats in die Vorschrift aufgenommen wurde, bringt eine Ergänzimg des in Abs. 1 Nr. 1 unter Strafe gestellten Mißbrauchs von Notrufen und Notzeichen. Da der Eintritt einer konkreten Gefahr zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist, handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. 1. Über Unglücksfall und gemeine Gefahr siehe § 330 c Anm. 2a, b. 2. Zu den in Nr. Verkehrszeichen Bahn-, Schiffs- und gründe, Badestellen
1 geschützten Warn- und Verbotszeichen gehören insbesondere zur Erhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs sowie des Luftverkehrs, außerdem W a r n t a f e l n , die auf gefährliche Aboder Baustellen oder auf eine besondere Brandgefahr hinweisen.
Zu den in Nr. 2 geschützten Schutzvorrichtungen gehören z . B . zur Sicherung von Baustellen, Steinbrüchen, Truppenübungsplätzen oder Unfallstellen angebrachte Schutzgeländer, Abschrankungen usw. Zu den Bettungsgeräten und „anderen Sachen" gehören z . B . Rettungsboote, Schwimmwesten und Schwimmringe, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese an Bord eines Schiffes oder an Land aufbewahrt werden, außerdem alle Fahrzeuge und Gerätschaften, die zur Bekämpfung eines Brandes bereit gehalten werden. Bei allen geschützten Tatobjekten ist es unerheblich, ob sie von einer staatlichen oder kommunalen Institution oder von privater Seite bereit gestellt worden sind. 3. Täter kann auch der Eigentümer der geschützten Vorrichtung sein, sofern er zu deren Bereitstellung oder Aufbringung verpflichtet ist (z. B . ein Bauherr oder Bauunternehmer, der die auf Weisung des Bauaufsichtsamts angebrachten Warntafeln und Absperrungen vorzeitig entfernt). 4. Die Tathandlung des Abs. 2 besteht im Beseitigen (Nr. 1 und Nr. 2), Unkenntlichmachen und Sinnentstellen (nur Nr. 1) bzw. Verändern und Unbrauchbarmachen (nur Nr. 2). Mit Ausnahme des Merkmals Beseitigen handelt es sich um besondere Erscheinungsformen des Beschädigens, so daß die Subsidiaritätsklausel zu beachten ist. 5. Der subj. Tb. entspricht dem des Abs. 1 (s.o. I I 3). Nicht erforderlich ist, daß sich die Absicht bzw. der Vorsatz auch auf den Eintritt eines Unglücksfalls bzw. einer gemeinen Gefahr erstreckt (abstraktes Gefährdungsdelikt). E s genügt, daß der Täter den Zweck der geschützten Einrichtung kennt. 6. Das Beseitigen einer in Abs. 2 geschützten Sache kann in IdK. mit §§ 242, 246, 274 Nr. 1, 315, 315b stehen; mit § 303 ist I d K . nur möglich, wenn gleichzeitig eine andere Sache (z.B. der Sockel, auf dem eine Warnvorrichtung befestigt war, beschädigt wird). Bei den übrigen Tatbestandsalternativen, bei denen es sich um besondere Erscheinungsformen des Beschädigens handelt (s.o. I I I 4), wirkt sich die Subsidiaritätsklausel gegenüber §§ 303, 304 aus, durch die der Anwendungsbereich
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Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
§ 145 a
der Vorschrift erheblich eingeschränkt wird (eine verfehlte, vom Gesetzgeber jedoch ausdrücklich gewollte Folge, vgl. Ber. des Sonderausschusses, S. 12 BT — Drucks. 7/1261). Da die Vorschrift dem Schutz der Öffentlichkeit dient, ist die Subsidiaritätsklausel in den mit § 303 konkurrierenden Fällen dahin auszulegen, daß § 145 Abs. 2 immer dann zur Anwendung kommt, wenn eine Bestrafung nach § 303 nicht möglich ist, z.B. wenn der Eigentümer selbst die Tat begeht (s.o. I I I 3) oder gegen den Täter keinen Strafantrag stellt.
§ 145 :i Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsichtf Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68 b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt. 1. Die durch das EGStGB neu eingeführte Vorschrift entspricht Art. 1 Nr. 14 des 2. StrRG, der seinerseits auf § 429 E 1962 zurückgeht. Anliegen der Vorschrift ist es, den vom Gericht gemäß § 68 b Abs. 1 für die Dauer der Führungsaufsicht (oder auch für eine kürzere Zeit) erteilten Weisungen durch eine entsprechende Strafdrohung den erforderlichen Nachdruck zu verleihen. Dies ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen der Verurteilte nicht oder nicht mehr unter Bewährung steht, ihm also nicht der Widerruf der Aussetzung des Strafrests oder der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel droht. Steht der Verurteilte unter Bewährung, so tritt die Strafdrohung des § 145 a flankierend neben die Möglichkeit, die Aussetzung des Strafrests oder einer freiheitsentziehenden Maßregel zu widerrufen (siehe hierzu §§ 56f, 67g). Die Vorschrift übernimmt damit die Aufgaben des ehemaligen durch das EGStGB aufgehobenen Ubertretungstatbestands des § 361 Nr. 1 (Verstöße gegen auferlegte Beschränkungen bei Polizeiaufsicht), ist allerdings wesentlich enger gefaßt als dieser (s. u. 4). 2. Unerheblich ist, ob die Führungsaufsicht auf einer Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 beruht (flankierende Maßregel neben einer Freiheitsstrafe bei Rückfalltätern bzw. neben einer längeren Freiheitsstrafe wegen bestimmter Straftaten, z.B. §§ 228, 245, 256, 262), ob sie im Zusammenhang mit einer Entscheidung gemäß §§ 67 b, 67 c bzw. § 67 d steht (Aussetzung der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel) oder ob ein Fall des § 68f vorliegt (Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrests bei Freiheitsstrafen von mindestens zwei Jahren wegen Begehimg einer Vorsatztat). 3. Geschützt sind nur die in § 68b Abs. 1 erteilten Weisungen, die tatbestandsmäßig hinreichend genau umrissen sind und deshalb Grundlage einer Strafdrohung sein können. Durch eine Strafdrohung nicht abgesichert sind dagegen die aufgrund der allgemeinen Ermächtigung des Abs. 2 erteilten weiteren Weisungen (vgl. Begr. § 429 E 1962). 4. Tatbestandsmäßig sind nur solche Verstöße gegen Weisungen, durch die der Zweck der Maßregel gefährdet wird. Hierzu bedarf es in der Regel eines groben oder beharrlichen Verstoßes (siehe hierzu § 56 f). Verstöße, die der Verurteilte nur aus Nachlässigkeit oder menschlicher Schwäche begeht, gefährden den Zweck der Maßregel dagegen nur ausnahmsweise. Insoweit ist § 145a wesentlich enger gefaßt als der frühere § 361 Nr. 1.
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§ § 1451», 1 4 5 C
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
5. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz (vgl. § 15), wobei bedingter Vorsatz genügt. 6. Die Strafverfolgung tritt gemäß S. 2 nur auf Antrag der Aufsichtsstelle ein, die vor der Antragstellung den Verurteilten zu hören hat (vgl. § 68a Abs. 2). 7. IdK. ist möglich mit den Tatbeständen, in deren Verwirklichung der Verstoß gegen die Weisungen zu sehen ist. Prozessual ist in diesen Fällen allerdings § 154a StPO zu beachten.
§ 1 4 5 t>
[aufgehoben]
§ 145 c Verstoß gregren d a s Berufsverbot W e r einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen für sich oder einen anderen ausübt oder durch einen anderen üben läßt, obwohl dies ihm oder dem anderen strafgerichtlich wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe
Gewerbezweig für sich ausuntersagt ist, bestraft.
1. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift stimmt mit Art. 1 Nr. 15 des 2. StrRG überein, der seinerseits auf § 430 Abs. 1 E 1962 zurückgeht. Anliegen der Vorschrift ist es, einem gerichtlich angeordneten Berufsverbot durch eine entsprechende Strafdrohung Nachdruck zu verleihen. Der Täterkreis ist durch die Neufassung erheblich erweitert worden. 2. Strafgerichtlich untersagt ist die Berufsausübung sowohl dann, wenn eine rechtskräftige Entscheidung gemäß § 70 vorliegt, als auch im Falle des § 132 a StPO (vorläufiges Berufsverbot). 3. Abweichend von der früheren Rechtslage kann Täter nicht nur sein, wer für sich selbst einen Beruf usw. ausübt oder durch eine andere, von seinen Weisungen abhängige Person (vgl. Begr. § 430 E 1962) für sich ausüben läßt, obwohl gegen ihn selbst ein Berufsverbot besteht; tatbestandsmäßig handelt jetzt auch, wer für einen Verurteilten, der unter Berufsverbot steht, auf dem betreffenden Gebiet, auf das sich das Berufsverbot bezieht, Tätigkeiten ausübt, oder wer den Verurteilten für sich solche Tätigkeiten ausüben läßt. „ F ü r " einen anderen wird tätig, wer nach seinen Weisungen tätig wird, z.B. als Angestellter oder sog. Strohmann. 4. Als Tathandlung genügt ein einmaliges Ausüben bzw. Ausübenlassen des Berufs. Eine Wiederholungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl. Ddf N J W 1966, 410; Lackner-Maassen 1; Schönke-Schröder 2). 5. Für Teilnehmer, die selbst keinem Berufsverbot unterliegen und auch nicht als Strohmänner oder Angestellte für eine unter Berufsverbot stehende Person tätig werden, sondern für die nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen nur Anstiftung oder Beihilfe in Betracht kommt, ist § 28 Abs. 1 zu beachten. N i c h t s t r a f b a r ist jedoch, wer mit dem Täter lediglich ein Geschäft abschließt, z.B. wer einem Handelsvertreter, von dem er weiß, daß er Berufsverbot hat, aus Mitleid Ware liefert oder abkauft (sog. notwendige Teilnahme, vgl. 5 vor § 25 sowie Lackner-Maassen 2; Lang-Hinrichsen L K 3). 6. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz (vgl. § 15), wobei bedingter Vorsatz genügt.
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S t r a f t a t e n gegen die öffentliche Ordnung
§ 145 d
7. IdK. ist möglich mit § 136, m i t § 263 (vgl. B G H bei Dallinger M D R 1973, 370; h. L.) sowie mit Verstößen gegen Entscheidungen der berufsgerichtlichen Gremien, durch die einem Arzt, Zahnarzt usw. die Ausübung seines Berufs untersagt worden ist (vgl. z . B . §§ 13 BÄO, § 18 des Ges. über d. Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. 3. 1952 i . d . F . des EGStGB). Ergänzend zu beachten sind gewerberechtliche Ordnungswidrigkeiten bei Verstößen gegen Verbote, die von Verwaltungsbehörden aufg r u n d des Gewerberechts erlassen worden sind (vgl. z . B . § 35, 146 Abs. 1 N r . 6 GewO).
§ 145 d
Vortäuschen einer
Straftat
W e r wider besseres W i s s e n 1. einer Behörde oder einer zur E n t g e g e n n a h m e v o n A n z e i g e n zuständigen Stelle vortäuscht, daß eine rechtswidrige Tat begangen worden sei, oder 2. eine der in N u m m e r 1 bezeichneten Stellen über die Person eines a n einer rechtswidrigen Tat Beteiligten z u täuschen sucht, wird mit Freiheitsstrafe bis z u e i n e m Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, w e n n die Tat nicht in den §§ 164, 258 oder 258 a mit Strafe bedroht ist. 1. Die durch das E G S t G B umgestaltete Vorschrift schützt die staatliche Rechtspflege (vgl. B G H 6, 251, 255; 19, 305; h. L.). Sie will verhindern, daß der Strafverfolgungsapparat, insbesondere die Polizei, sinnlos in Anspruch genommen oder in falsche Richtung gelenkt wird. Nicht geschützt ist dagegen die Polizei in ihrer F u n k tion als Sicherheits- u n d Ordnungsbehörde. Die Ankündigung künftiger S t r a f t a t e n fällt deshalb n u r d a n n u n t e r den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn der Täter gleichzeitig wahrheitswidrig b e h a u p t e t , er habe die angekündigte S t r a f t a t bereits in s t r a f b a r e r Weise begonnen (vgl. Berkemann u n d Hesselberger, Die strafrechtliche Beurteilung anonymer Bombendrohungen, N J W 1972, 1789). 2. Über Behörde siehe § 11 Abs. 1 Nr. 7. — Zur Entgegennahme von Anzeigen zuständig sind die Staatsanwaltschaft, die Behörden u n d B e a m t e n des Polizeidienstes sowie die Amtsgerichte (vgl. § 158 StPO). 3. Der Tb. der Nr. 1 erfaßt die Vortäuschung einer rechtswidrigen T a t . a) Ü b e r rechtswidrige Tat siehe § 11 Abs. 1 Nr. 5. Hierher gehören auch Teilnahme u n d Versuch. Entscheidend ist allein, d a ß T a t u m s t ä n d e vorgebracht werden, bei deren Vorliegen eine m i t Strafe bedrohte, nicht von einem Rechtfertigungsgrund gedeckte H a n d l u n g gegeben wäre. N i c h t a u s r e i c h e n d ist deshalb die Vortäuschung einer N o t w e h r t a t (vgl. Dreher 2 A ; Lackner-Maassen 3 a ; Willms L K 7; a.A. Oldenburg N J W 1952, 1225 sowie hier die Vorauf!.), wobei allerdings zu beachten ist, daß in der Regel die angebliche T a t des Angreifers, gegen die sich die Notwehrhandlung gerichtet haben soll, eine rechtswidrige T a t darstellt u n d die Strafverfolgungsbehörden zur A u f n a h m e von E r m i t t l u n g e n veranlassen wird. B e i s p i e l : A r ü h m t sich der Polizei gegenüber zwecks E r k l ä r u n g seiner bei einem Einbruch erlittenen Verletzungen, er sei von einem U n b e k a n n t e n überfallen worden, habe diesen d a n n aber in Notwehr niedergeschlagen u n d dabei schwer verletzt. — Nicht hierher gehören weiter aa) die Ankündigung k ü n f t i g e r S t r a f t a t e n (s. o. A n m . 1); bb) die Vortäuschung eines S e l b s t m o r d s , u m eine tatsächlich begangene Straft a t , z . B . eine fahrlässige Tötung oder eine Körperverletzung mit Todesfolge, zu verdecken. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß der Selbstmord keine S t r a f t a t
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§ 145 d
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
darstellt und daher auch keine weiteren polizeilichen Ermittlungen mit dem Ziel einer Strafverfolgung auslöst. Der Täter will hier gerade verhindern, daß polizeiliche Ermittlungen eingeleitet werden; cc) eine Sachdarstellung, die absolut ungeeignet ist, ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden nach sich zu ziehen, z.B. wenn jemand anzeigt, er habe vor 15 Jahren, also in längst verjährter Zeit, eine Sachbeschädigung oder einen Diebstahl begangen (siehe auch § 164 Anm. 5 sowie Maurach B T 704f.); dd) bloße Ü b e r t r e i b u n g e n (z.B. Verdoppelung des Gestohlenen oder Aufbauschung des Schadens beim Betrug) oder die Vortäuschung einer qualifizierten Form einer tatsächlich begangenen Straftat (Hamm N J W 1971, 1324). Der Tb. des § 145d ist in solchen Fällen nur dann erfüllt, wenn durch Weglassen oder Hinzudichten von Tatumständen die tatsächlich begangene Tat in ihrem Charakter völlig verändert wird, z B. wenn eine Körperverletzung als schwerer Raub dargestellt wird (vgl. H a m m a.a.O.). b) Vorgetäuscht ist eine Tat, wenn der Anschein ihrer Begehung erregt wird. Unerheblich ist, ob der Täter diesen Anschein durch eine ausdrückliche schriftliche oder mündliche Erklärung oder nur durch schlüssiges Verhalten erregt, z.B. durch Einwerfen von Scheiben und Durchwühlen der Schreibtische, um durch Vortäuschung eines Einbruchs eigene Unterschlagungen zu verdecken (vgl. Willms L K 7; zu eng dagegen B G H 6, 251, 255, wonach im letztgenannten Fall nur der 2. Alternativtatbestand des § 145d erfüllt sein soll, wenn dem Plan des Täters entsprechend durch nicht eingeweihte Dritte wegen des angeblichen Diebstahls bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt erstattet wird). c) Vollendet ist die Tat, wenn eine Behörde usw. (s. o. 2) dienstlich mit der angeblich begangenen rechtswidrigen Tat befaßt wird. Nicht erforderlich ist, daß die Täuschung gelingt. Es genügt, daß die Sachdarstellung bei Unterstellung ihrer Richtigkeit geeignet gewesen wäre, Ermittlungen auszulösen. Über Berichtigung der falschen Angaben siehe unten 6. 4. Die 2. Alternative des Tatbestands stellt die Täuschung Uber die Person eines Tatbeteiligten unter Strafe. Während die 1. Alternative jede grundlose Inanspruchnahme der Strafverfolgungsbehörden verhindern will, geht es in der 2. Alternative darum zu verhindern, daß die Ermittlungen in falsche Richtung gelenkt werden. B e i s p i e l : A behauptet bewußt der Wahrheit zuwider, nicht X , sondern eine nach bestimmten, erfundenen Merkmalen beschriebene unbekannte Person komme für einen bestimmten Diebstahl in Betracht. Auch die f a l s c h e S e l b s t b e z i c h t i g u n g gehört hierher, ferner die A n z e i g e g e g e n U n b e k a n n t , wenn der Täter tatsächlich bekannt ist. N i c h t hierher gehört der Fall, daß jemand lediglich den Verdacht von dem eigentlichen Täter a b l e n k t , ohne positiv auf andere Fährten hinzuweisen, z . B . durch die bewußt wahrheitswidrige Angabe, von nichts zu wissen oder den Täter nicht zu kennen, oder durch Verschaffen eines falschen Alibis. (Hier kommen jedoch die Tatbestände der §§257, 258 in Betracht.) Auch der T ä t e r d e r S t r a f t a t selbst kann sich eines Vergehens gemäß § 145d, 2. A l t . schuldig machen, wenn er bestimmte positive Handlungen vornimmt, um die Polizei auf falsche Spuren zu setzen, z.B. wenn er selbst zur Polizei geht und dort Anzeige gegen Unbekannt erstattet (vgl. B G H 6, 255). Nicht ausreichend ist jedoch, wenn der Täter lediglich die ihm zur Last gelegte T a t bestreitet. In diesem Fall macht er nur von einem prozessualen Recht Gebrauch. Auch die Berufung auf den berühmten „Unbekannten" ist nicht tatbestandsmäßig (vgl. Maurach B T 705 f.). N i c h t h i e r h e r gehört schließlich der Fall, daß der Täter einer Straftat den Sachverhalt wahrheitswidrig so darstellt, daß der Verdacht auf eine andere Person
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§ 145
d
fällt, f ü r die sich derselbe Sachverhalt a b e r n i c h t als s t r a f b a r e H a n d l u n g darstellt ( B G H 19, 305). B e i s p i e l : N a c h einem unverschuldet erlittenen Verkehrsunfall b e h a u p t e t A, d e r keine F a h r e r l a u b n i s besitzt, n i c h t er, sondern sein Beifahrer B , der im Besitz einer F a h r e r l a u b n i s ist, h a b e d e n W a g e n g e f ü h r t . 5. D e r subj. Tb. e r f o r d e r t hinsichtlich d e r T ä u s c h u n g s h a n d l u n g f ü r beide T a t b e s t a n d s a l t e r n a t i v e n u n b e d i n g t e n Vorsatz („wider besseres Wissen"). D e r T ä t e r m u ß also wissen, d a ß die T a t n i c h t bzw. n i c h t von der P e r s o n begangen w u r d e , auf die seine A n g a b e n hinweisen. Hinsichtlich des U m s t a n d s , d a ß die falschen A n g a b e n einer Behörde usw. z u r K e n n t n i s g e b r a c h t werden, g e n ü g t dagegen bedingter Vorsatz (vgl. K ö l n N J W 1953, 1843; Braunschweig N J W 1955, 1935; D r e h e r 2 C; L a c k ner-Maassen 4 ; Willms L K 16). D a s T a t m o t i v ist unerheblich. S t r a f b a r ist deshalb auch, wer sich z . B . d e r Teilnahme a n einem L a n d f r i e d e n s b r u c h bezichtigt, u m f ü r einen z u r gleichen Zeit v o n i h m a n a n d e r e r Stelle begangenen Mord ein Alibi zu haben. 6. Ü b e r die Tatvollendung s. o. A n m . 3 c. W i r d die falsche Sachdarstellung so rechtzeitig berichtigt, d a ß es zu keiner E r m i t t l u n g s t ä t i g k e i t k o m m t , k a n n in analoger A n w e n d u n g v o n § 158 die S t r a f e gemildert oder von S t r a f e abgesehen werden (vgl. Schönke-Schröder 12; Willms L K 17). 7. K o n k u r r e n z e n : A u f g r u n d der d u r c h d a s E G S t G B n e u g e f a ß t e n Subsidiaritätsklausel ist § 145d n u r gegenüber d e n d a s gleiche R e c h t s g u t schützenden §§ 164, 258, 258a subsidiär. I d K . ist dagegen möglich m i t §§ 142, 153ff„ 263, 267, 268, 274 N r . 1, ferner m i t § 126 (vgl. B e r k e m a n n u n d Hesselberger, Die strafrechtliche Beurteilung a n o n y m e r B o m b e n d r o h u n g e n , N J W 1972, 1789, 1792).
459
Achter Abschnitt: Geld- und Wertzeichenfalschung (§§ 146—152)
Vorbemerkungen 1. Der 8. Abschnitt des StGB, der früher die ungenaue Überschrift „Münzverbrechen und Münz vergehen" trug, ist durch das EGStGB grundlegend umgestaltet worden. Anlaß zu dieser Reform war die in § 148 erfolgte Einbeziehung des Tatbestands der Wertzeichenfälschung, durch die vor allem das Nebenstrafrecht entlastet werden sollte. Aus dem Bestreben, die Tathandlungen der Geldfälschung und der Wertzeichenfälschung aufeinander abzustimmen, ergab sich zunächst die Notwendigkeit, die früheren §§ 146 und 147 neu zu fassen. I m Interesse eines umfassenden Schutzes der amtlichen Wertzeichen, deren Bedeutung mit zunehmender Rationalisierung der öffentlichen Verwaltung wächst, war es weiter folgerichtig, die früher in § 151 (a.F.) enthaltene Vorschrift über die Vorbereitung der Fälschung in § 149 der Neufassung auch auf die Wertzeichen auszudehnen. Der frühere § 148 (Abschieben von Falschgeld nach erkannter Unechtheit) wurde durch die Neufassung des § 147 entbehrlich. Der frühere § 150, in dem das sog. Kippen und Wippen von Münzen unter Strafe gestellt war, wurde als nicht mehr zeitgemäß gestrichen (vgl. RegE S. 226 BT-Drucks. 7/550). Aus den Gesetzesmaterialien siehe insbesondere den in der 7. Legislaturperiode eingebrachten RegE zum EGStGB (BT-Drucks. 7/550) und den Bericht des BTSonderausschusses für die Strafrechtsreform (BT-Drucks. 7/1261). Aus dem neueren Schrifttum siehe Schmiedl-Neuburg, Die Falschgelddelikte, 1968; — Gerold Schmidt, Probleme der Wertzeichenfälschung, GA 1966, 326; — Zielinski, Geld- und Wertzeichenfälschung nach dem Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB), J Z 1973, 193. 2. Geschütztes Rechtsgut der Tatbestände des 8. Abschnitts ist das öffentliche Interesse an der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Verkehrs mit Zahlungsmitteln, Wertzeichen und Wertpapieren. 3. Die Geld- und Wertzeichenfälschung sowie deren Vorbereitung (§§ 146, 149, 151 und 152) unterliegen nach § 6 Nr. 7 dem sog. Weltrechtsprinzip. 4. Eine Anzeigepfiicht besteht nur in den Fällen der §§ 146, 151 und 152 (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 4). 5. Ergänzend zu beachten sind die §§ 127, 128 OWiG (abgedruckt in Anh. 4).
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Geld- und Wertzeichenfälsohung
§146
§ 146 «eldfälschuiigr (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer 1. Geld in der Absicht nachmacht, daß es als echt in den Verkehr gebracht oder daß ein solches Inverkehrbringen ermöglicht werde, oder Geld in dieser Absicht so verfälscht, daß der Anschein eines höheren Wertes hervorgerufen wird, 2. falsches Geld in dieser Absicht sich verschafft oder 3. falsches Geld, das er unter den Voraussetzungen der Nummern 1 oder 2 nachgemacht, verfälscht oder sich verschafft hat, als echt in Verkehr bringt. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. 1. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift tritt an die Stelle der ehemaligen §§ 146 und 147, wobei die einzelnen Tatbestände sprachlich vereinfacht und präziser gefaßt wurden. Anliegen der Vorschrift ist es, einen möglichst umfassenden Schutz von Sicherheit und Zuverlässigkeit des Geldverkehrs zu gewährleisten. Über Gesetzesmaterialien und Schrifttum siehe Vorbem. 1. 2. Geld ist jedes vom Staat oder einer von ihm ermächtigten Stelle als Wertträger beglaubigte und zum Umlauf im öffentlichen Verkehr bestimmte Zahlungsmittel (BGH 23, 231). A u s l ä n d i s c h e s G e l d steht nach § 152 dem inländischen gleich. 3. Der 1. Alternativtatbestand des Abs. 1 Nr. 1 erfaßt die eigentliche Geldfälschung, d.h. das Nachmachen von Geld. a) I n Anlehnung an den 1. Alternativtatbestand der Urkundenfälschung erfüllt jede Herstellung unechten Geldes den Tb. der Geldfälschung. Eine Geldnote oder Münze ist unecht, wenn sie nicht in der vorliegenden Form von dem stammt, der als ihr Aussteller erscheint. Tatbestandsmäßig ist deshalb auch die Herstellung von sog. Systemnoten, d.h. von Geldscheinen, die nach einem bestimmten System aus mehreren Teilstücken echter Banknoten gleichen Werts zusammengesetzt sind (vgl. BGH 23, 229; Herdegen L K 5; Lackner-Maassen 2a). b) Das nachgemachte Geld muß echtem zum Verwechseln ähnlich sein. Unter Berücksichtigung der Erfahrungstatsache, daß im täglichen Leben kaum jemand das erhaltene Geld näher auf seine Echtheit untersucht, sind an die Verwechslungsfähigkeit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen (vgl. BGH N J W 1954, 564 betr. Papiergeldnachahmungen mit gleicher Vorder- und Rückseite). Lediglich plumpe Fälschungen scheiden aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift aus (vgl. BGH MDR 1952, 563 m. Anm. Dreher). Hier kommt jedoch V e r s u c h in Betracht, wenn der Täter möglichst vorbildgetreue Stücke herstellen wollte. c) Der subj. Tb. erfordert neben dem Vorsatz die Absicht, das nachgemachte Geld als echtes in Verkehr zu bringen oder ein solches Inverkehrbringen zu ermöglichen. aa) In Verkehr gebracht ist das Geld, wenn der Täter es derart aus seinem Gewahrsam entläßt, daß ein anderer in die Lage versetzt wird, sich seiner zu bemächtigen und nach seinem Belieben damit umzugehen (RG 67, 167; h.L.). Während die erste Alternative des subj. Tb. den Fall erfaßt, daß der Täter die Absicht hat, das von ihm hergestellte Falschgeld selbst als echtes Geld in Verkehr zu bringen, z.B. durch Ausgabe im täglichen Geschäftsverkehr, aber auch durch Einwurf in einen 461
§
14«
Geld- und Wertzeichenfälschung
Automaten (BGH MDR 1952, 563) oder einen Opferstock (vgl. Herdegen L K 11), bezieht sich die zweite Alternative des subj. T b . vor allem auf die Absicht, das nachgemachte Geld an Wiederverkäufer zu vertreiben, die es nicht „als echtes", sondern als falsches erwerben (vgl. R e g E S. 226 BT-Drucks. 7/550). bb) Absicht ist der auf den Erfolg gerichtete Wille, d.h. es muß dem Täter darauf ankommen, das nachgemachte Geld als echtes in Verkehr zu bringen oder ein solches Inverkehrbringen zu ermöglichen (vgl. Herdegen L K 9; Lackner-Maassen 3). Nicht erforderlich ist, daß das nachgemachte Geld dann auch tatsächlich in Verkehr gebracht wird. Auch eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Tatbestandsmäßig handelt deshalb auch, wer Falschgeld herstellt in der Absicht, es zu verschenken oder einer gemeinnützigen Vereinigung zu spenden. ce) Nicht ausreichend ist die Absicht, zunächst nur einige Probestücke herzustellen, die nicht ausgegeben werden sollen (RG 69, 3; Herdegen L K 11). Hier kommt dann allerdings § 149 in Betracht. Auch wer nur seine Kunst zeigen will, etwa um eine Wette zu gewinnen, handelt nicht mit der in § 146 erforderten Absicht. 4. Der 2. Alternativtatbestand des Abs. 1 Nr. 1, der dem 2. Alternativtatbestand der Urkundenfälschung entspricht, erfaßt die Verfälschung echten Geldes. Tatbestandsmäßig ist jede Einwirkung oder Behandlung echten Geldes, durch die der Anschein eines höheren Werts hervorgerufen wird. Der subj. Tb. entspricht dem des ersten Alternativtatbestands (s.o. 3c). Abweichend von § 146 a . F . wird nicht mehr ausdrücklich unter Strafe gestellt, daß verrufenem (d.h. echtem, aber ungültig gewordenem) Geld durch ensprechende Veränderungen das Aussehen eines noch geltenden Zahlungsmittels gegeben wird. Dieser Fall wird bereits durch die 1. Alt. des Tb. erfaßt (vgl. R e g E S. 226 BT-Drucks. 7/550). Wird verrufenes Geld ohne Veränderung als echtes in den Verkehr gebracht, so liegt Betrug vor. 5. Abs. 1 Nr. 2 erfaßt den früher in § 147 unter Strafe gestellten Fall, daß der Täter sich Falschgeld verschafft, das von dritter Seite hergestellt wurde. Abweichend von der früheren Rechtslage ist zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich, daß der Täter das Geld auch in Verkehr bringt. a) Sichverschaffen bedeutet die Begründung einer eigenen Verfügungsgewalt (BGH 2, 117; 3, 156), und zwar zu eigenen Zwecken (vgl. § 147 Anm. 1 d). Nicht ausreichend ist deshalb die Entgegennahme als Bote (BGH 3, 154; Herdegen L K 4 zu § 147 a . F . ; Lackner-Maassen 3 zu § 147 a.F.). Andererseits ist unerheblich, auf welche Weise der Täter die Verfügungsgewalt über das Falschgeld erlangt hat. Der Tb. ist auch dann erfüllt, wenn der Täter das Falschgeld gefunden oder durch strafbare Handlung, z . B . durch Diebstahl, Raub oder Betrug, in seine Verfügungsgewalt gebracht hat. Nicht mehr ausdrücklich unter Strafe gestellt ist die E i n f u h r von Falschgeld. Der Gesetzgeber glaubte, auf eine selbständige Strafdrohung insoweit verzichten zu können, da der Täter nach § 6 Nr. 7 auch dann dem Anwendundungsbereich des S t G B unterliegt, wenn er sich das Falschgeld im Ausland zwecks Einfuhr in das Inland verschafft hat (RegE S. 226 BT-Drucks. 7/550). Diese Konstruktion versagt allerdings, wenn der Täter das Falschgeld nur als Bote über die Grenze bringt. In diesem Fall kommt dann nur Beihilfe zu einem Verbrechen nach § 146 Abs. 1 Nr. 3 in Betracht (s.u. 6a). b) Der subj. Tb. entspricht dem der Nr. 1 (s.o. 3c). Nicht tatbestandsmäßig handelt deshalb z . B . , wer Falschgeld lediglich für seine Münzsammlung erwirbt. 6. Der Tb. des Abs. 1 Nr. 3, der dem 3. Alternativtatbestand des § 267 nachgebildet ist, stellt das Inverkehrbringen von Falschgeld unter Strafe, das der Täter
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Geld- u n d Wertzeichenfälschung
§147
u n t e r d e n Voraussetzungen der N r . 1 oder 2 n a c h g e m a c h t , v e r f ä l s c h t oder sich verschafft hat. a) Die p r a k t i s c h e Bedeutung der Vorschrift d ü r f t e ä u ß e r s t gering sein, d a das I n v e r k e h r b r i n g e n f ü r den T ä t e r eines n a c h Nr. 1 oder N r . 2 s t r a f b a r e n Verbrechens als Realisierung seines ursprünglichen T a t p l a n s m i t b e s t r a f t e N a c h t a t ist. F ü r d e n T ä t e r selbst k a n n der T b . deshalb n u r in Ausnahmefällen zu einer S t r a f b a r k e i t f ü h ren, z. B. w e n n er n a c h V e r b ü ß u n g seiner wegen eines Verbrechens n a c h N r . 1 oder N r . 2 ausgesprochenen S t r a f e das noch u n e n t d e c k t gebliebene Geld in Verkehr b r i n g t (vgl. Ber. S. 13 B T - D r u c k s . 7/1261). Von größerer B e d e u t u n g k a n n die Vorschrift jedoch f ü r T e i l n e h m e r sein, die bei d e r Herstellung bzw. d e m Sichverschaffen des Falschgelds noch nicht beteiligt w a r e n . H i e r h e r gehört insbesondere der Fall des Verteilergehilfen (vgl. Zielinski a.a.O. 197; u n z u t r e f f e n d dagegen R e g E S. 227 B T - D r u c k s . 7/550, w o n a c h f ü r den Verteilergehilfen n u r § 147 zur A n w e n d u n g k o m m e n soll, d a er sich d a s Falschgeld n i c h t selbst v e r s c h a f f t h a t , worauf es a b e r b e i m Gehilfen g a r n i c h t a n k o m m t ) . b) Ü b e r „als echt Inverkehrbringen" s . o . 3c. H a n d e l t e der T ä t e r i m Z e i t p u n k t der in N r . 1 oder N r . 2 u n t e r Strafe gestellten T a t h a n d l u n g ohne Vorsatz oder ohne die d o r t geforderte Absicht, so ist d a s I n v e r k e h r b r i n g e n nicht n a c h § 146 Abs. 1 N r . 3, sondern n a c h § 147 s t r a f b a r . 7. D e r Versuch ist, d a es sich u m ein Verbrechen h a n d e l t , in allen Fällen s t r a f bar. 8. Konkurrenzen: Zwischen d e n einzelnen Herstellungs-, Erwerbs- u n d Verb r e i t u n g s a k t e n i s t i.d.R. F o r t s e t z u n g s z u s a m m e n h a n g gegeben ( B G H U r t . v . 17. 3. 1970 [1 S t R 491/69], i n B G H 23, 229 n i c h t m i t a b g e d r u c k t ) . Mit § 263 ist I d K . möglich ( B G H M D R 1952, 563; H e r d e g e n L K 15 m . weit. Nachw.). Gegenü b e r § 267 g e h t § 146 vor, d a die Vorschrift einen Sonderfall d e r U r k u n d e n f ä l schung e r f a ß t ( B G H 22, 229, 231; h.L.). 9. Beachte ergänzend § 138 Abs. 1 N r . 4 (Anzeigepflicht), § 149 (Vorbereitungsh a n d l u n g e n ) , § 150 (Einziehung) sowie § 127 OWiG (abgedruckt in A n h . 4).
§ 147 Inverkehrbringen von Falschgreld (1) Wer, abgesehen von den Fällen des § 146, falsches Geld als echt in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. D e r Anwendungsbereich der d u r c h das E G S t G B n e u g e f a ß t e n Vorschrift (vgl. 1 v o r § 146) e r f a ß t alle Fälle, i n denen der T ä t e r Falschgeld i n Verkehr bringt, a) das e r ohne die Absicht des Inverkehrbringens hergestellt h a t . B e i s p i e l : A stellt Falschgeld h e r , u m eine W e t t e zu gewinnen. N a c h d e m d a s E x p e r i m e n t gelungen ist, gibt er d a s Geld bei E i n k ä u f e n a u s ; b) d a s er in K e n n t n i s der U n e c h t h e i t , a b e r ohne die Absicht des Inverkehrbringens sich verschafft h a t . B e i s p i e l : A h a t f ü r seine M ü n z s a m m l u n g eine gefälschte
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§
147
Geld- und Wertzeichenfälschung
Münze erworben. Als er später eine echte Münze gleicher Prägung erwerben kann, setzt er die gefälschte wieder in Umlauf; c) das er in Unkenntnis der Unechtheit in seine Verfügungsgewalt gebracht hat. Hierher gehören alle Fälle, die früher von dem durch das E G S t G B aufgehobenen Sondertatbestand des Abschiebens von Falschgeld (§ 148 a.F.) erfaßt waren. B e i s p i e l : Der Einzelhändler A gibt einen gefälschten 20,—-DM-Schein, der auf ungeklärte Weise in seine Ladenkasse geraten ist, beim nächsten Einkauf bei seinem Großhändler in Zahlung. Da die frühere Strafobergrenze von 3 Monaten weggefallen ist, bedeutet die Neuregelung der Materie für diese Fallgruppe eine nicht unwesentliche Verschärfung, die sich vor allem dann auswirken kann, wenn der Täter das Falschgeld durch strafbare Handlung (z.B. durch Diebstahl, Betrug oder Raub) in seine Verfügungsgewalt gebracht hat. I n Übereinstimmung mit der Rspr. zu § 148 a.F. ist es nämlich, wie die Fassung des § 147 jetzt klar erkennen läßt, unerheblich, auf welche Weise der Täter das Falschgeld in seine Verfügungsgewalt gebracht hat; d) dessen Unechtheit er zwar kennt, über das ihm aber keine eigene Verfügungsgewalt zusteht oder über das er nicht zu eigenen Zwecken verfügen will. B e i s p i e l e : I n dem unter lit. c) erörterten Fall übernimmt es die von.A gerügte Kassiererin K , den gefälschten Geldschein wieder einem Kunden unterzuschieben. — O d e r : S übernimmt es für seine Mutter M, die beim Einkauf mit einem gefälschten 5 0 , — DM-Schein geprellt worden ist, diesen Schein wieder unter die Leute zu bringen. Hier wäre es unbillig, S wegen eines Verbrechens nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 zu bestrafen. Auf der Grundlage eines subjektiv bestimmten Täterbegriffs ließe sich dieses imbefriedigende Ergebnis dadurch vermeiden, daß man S lediglich wegen Beihilfe zu dem von seiner Mutter in mittelbarer Täterschaft begangenen Vergehen nach § 147 bestraft. Bei Zugrundelegung des hier vertretenen, an der Tatherrschaft ausgerichteten objektiven Täterbegriffs (vgl. Vorbem. 2 b, bb vor § 25) verbietet sieh jedoch eine derartige Konstruktion, da man einerseits der M keine Tatherrschaft zusprechen kann und S, der alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person vorsätzlich verwirklicht hat, sich andererseits nicht darauf berufen kann, die Tat „als fremde" gewollt zu haben. Eine befriedigende Lösung derartiger Grenzfälle läßt sich nur dadurch erzielen, daß man das Merkmal „Sichverschaffen" in § 146 Abs. 1 Nr. 2 restriktiv auslegt und auf die Fälle beschränkt, in denen der Täter eine selbständige Verfügungsmacht zu eigenen Zwecken anstrebt. Dann ist im vorliegenden Fall der Weg zu § 147 offen. A ist als Täter zu bestrafen, die M wegen Beihilfe (keine Täterschaft, da sie dem S das Falschgeld nicht „als echtes" überlassen hat). Dagegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken, S als Täter eines Verbrechens nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 zu behandeln, wenn es ihm bei Übernahme des Falschgelds darum ging, einen Gewinn zu erzielen, z . B . wenn er sich vorgefaßtem Tatentschluß entsprechend von der M die Hälfte des Erlöses geben läßt. Für die M müßte es allerdings auch bei dieser Fallkonstellation bei einer Bestrafung aus § 147 verbleiben. Sie darf nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß S sich von ihr eine Belohnung geben läßt. Aus dem früheren Schrifttum siehe Doli N J W 1952, 290; — Dreher 1 B zu § 148 a . F . ; — Herdegen L K 2 zu § 148a.F.; — Lackner-Maassen 4 zu § 148 a . F . ; — Maurach B T 506. e) Über die rechtliche Beurteilung des dolosen Verteilergehilfen siehe § 146 Anm. 6 a. 2. Auf der subj. Tatseite ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß spätestens beim Inverkehrbringen das Bewußtsein haben, daß das von ihm aus der Hand gegebene Geld unecht ist und nunmehr ein anderer das Geld für echt hält, sich seiner bemäch-
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Geld- u n d W e r t z e i c h e n f ä l s c h u n g
§
148
t i g e n u n d n a c h s e i n e m B e l i e b e n d a m i t u m g e h e n k a n n (vgl. § 146 A n m . 3c). B e d i n g t e r V o r s a t z g e n ü g t in j e d e r H i n s i c h t . Diese f r ü h e r hinsichtlich d e r K e n n t n i s d e r U n e c h t h e i t u m s t r i t t e n e F r a g e d ü r f t e n u n m e h r d u r c h die N e u f a s s u n g des Gesetzes e i n d e u t i g i.S. des T e x t e s e n t s c h i e d e n sein. 3. Konkurrenzen: T a t e i n h e i t ist i n s b e s o n d e r e m i t § 263 m ö g l i c h ( B G H 3, 156; Herdegen L K 4 m. weit. Naehw.). Gegenüber d e m letzten A l t e r n a t i v t a t b e s t a n d d e s § 267 g e h t § 147 als d a s speziellere Gesetz v o r . H a t d e r T ä t e r d a s F a l s c h g e l d d u r c h eine s t r a f b a r e H a n d l u n g e r l a n g t (z. B . d u r c h D i e b s t a h l , R a u b o d e r B e t r u g ) , so s t e h t diese z u § 147 in T a t m e h r h e i t .
§ 148
Wertzeiehenfälschungr
( 1 ) Mit F r e i h e i t s s t r a f e bis z u f ü n f J a h r e n o d e r m i t Geldstrafe w i r d b e s t r a f t , wer 1. a m t l i c h e W e r t z e i c h e n i n der A b s i c h t n a c h m a c h t , d a ß s i e als e c h t v e r w e n d e t oder i n V e r k e h r g e b r a c h t w e r d e n o d e r d a ß e i n s o l c h e s V e r w e n d e n o d e r I n v e r k e h r b r i n g e n e r m ö g l i c h t w e r d e , oder a m t l i c h e W e r t z e i c h e n i n dieser A b s i c h t s o v e r f ä l s c h t , d a ß der A n s c h e i n e i n e s h ö h e r e n W e r t e s hervorgerufen wird, 2. f a l s c h e a m t l i c h e W e r t z e i c h e n i n dieser A b s i c h t s i c h v e r s c h a f f t oder 3. f a l s c h e a m t l i c h e W e r t z e i c h e n als e c h t v e r w e n d e t , f e i l h ä l t oder i n V e r k e h r bringt. ( 2 ) W e r bereits v e r w e n d e t e a m t l i c h e W e r t z e i c h e n , a n d e n e n d a s E n t w e r t u n g s z e i c h e n b e s e i t i g t w o r d e n ist, a l s g ü l t i g v e r w e n d e t oder i n V e r k e h r b r i n g t , w i r d m i t F r e i h e i t s s t r a f e bis z u e i n e m J a h r o d e r m i t Geldstrafe bestraft. ( 3 ) D e r V e r s u c h ist s t r a f b a r . 1. D i e d u r c h d a s E G S t G B h i e r eingestellte Vorschrift ü b e r n i m m t n i c h t n u r die F u n k t i o n e n d e r e h e m a l i g e n §§ 275 u n d 276 a . F . , s o n d e r n h a t gleichzeitig d a s i m m e r u n ü b e r s i c h t l i c h e r g e w o r d e n e N e b e n s t r a f r e c h t b e r e i n i g t . So k o n n t e n u . a . die ehem a l i g e n §§ 399 R A O , 1432 R V O u n d 153 A V G e r s a t z l o s a u f g e h o b e n w e r d e n (vgl. A r t . 161 N r . 5, A r t . 252 N r . 48, A r t . 253 N r . 6 E G S t G B ) . Gleichzeitig w u r d e d e r A n w e n d u n g s b e r e i c h d e r V o r s c h r i f t d a d u r c h , d a ß u n t e r V e r z i c h t a u f eine Einzela u f z ä h l u n g alle a m t l i c h e n W e r t z e i c h e n g e s c h ü t z t w e r d e n , ü b e r d e n K r e i s d e r a u f gehobenen Vorschriften hinaus erheblich erweitert. Geschütztes Rechtsgut ist n e b e n d e n fiskalischen I n t e r e s s e n v o r a l l e m die Sicherh e i t des R e c h t s v e r k e h r s i m U m g a n g m i t a m t l i c h e n W e r t z e i c h e n , die m i t z u n e h m e n d e r R a t i o n a l i s i e r u n g d e r ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t u n g in d e r P r a x i s i m m e r m e h r a n Bedeutung gewinnen. Gesetzesmaterialien siehe 1 v o r § 146; — Schrifttum: K i e n a p f e l , U r k u n d e n i m S t r a f r e c h t , 1967, S. 143 ff.; — Gerold S c h m i d t , P r o b l e m e d e r W e r t z e i c h e n f ä l s c h u n g , GA 1966, 3 2 6 ; — Zielinski, Geld- u n d W e r t z e i c h e n f ä l s c h u n g n a c h d e m E n t w u r f eines E i n f ü h r u n g s g e s e t z e s z u m S t r a f g e s e t z b u c h , J Z 1975, 193. 2. Wertzeichen sind Z a h l u n g s m i t t e l in d e r F o r m spezifischer M a r k e n , die üblicherweise gegen E n t g e l d a u s g e g e b e n w e r d e n u n d e i n e n b e s t i m m t e n G e l d w e r t r e p r ä s e n t i e r e n (vgl. K i e n a p f e l a . a . O . 144). V o n d e n U r k u n d e n u n t e r s c h e i d e n sie sich d a d u r c h , d a ß sie k e i n e n u r k u n d l i c h e n G e d a n k e n i n h a l t , s o n d e r n als „ G e w ä h r s c h a f t s t r ä g e r " eigener A r t einen b e s t i m m t e n W e r t v e r k ö r p e r n (vgl. K i e n a p f e l 30 PreiseDdanz, StGB, 29. Aufl.
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§148
Geld- u n d Wertzeichenfälschung
a.a.O. 144; Tröndle L K 3 zu § 275 a . F . ) . U r k u n d e n c h a r a k t e r ist deshalb abzulehnen ( R G 18, 289; 62, 203; h.L.). a) Amtlich ist ein Wertzeichen, wenn es v o n einer Dienststelle des Bundes, des L a n d e s , einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen K ö r p e r s c h a f t des öffentlichen R e c h t s ausgestellt w o r d e n ist m i t d e m Ziel, die E n t r i c h t u n g b e s t i m m t e r Abg a b e n , Steuern u n d Beiträge zu erleichtern oder zu ü b e r w a c h e n (vgl. R G 63, 380; h.L.). Zu den amtlichen Wertzeichen gehören insbesondere die f r ü h e r in § 275 a . F . geschützten S t e m p e l m a r k e n (z.B. Gerichtskostenmarken u n d G e b ü h r e n m a r k e n der k o m m u n a l e n Verwaltung) sowie Postwertzeichen einschließlich der diesen gleichgestellten F r e i s t e m p e l a b d r u c k e u n d i n t e r n a t i o n a l e n Antwortscheine, a u ß e r d e m S t e u e r m a r k e n sowie B e i t r a g s m a r k e n der Sozialversicherung. N i c h t hierher gehören dagegen p r i v a t e Wertzeichen, z . B . B e i t r a g s m a r k e n eines Sportvereins u n d R a b a t t m a r k e n eines E i n k a u f s z e n t r u m s . b) Gemäß § 152 erstreckt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf Wertzeichen fremder Währungsgebiete, z . B . auf ausländische Gebühren- oder Briefmarken. c) Nicht a n w e n d b a r ist die Vorschrift auf ungültige, verfallene oder entwertete Wertzeichen (vgl. Begr. S. 491 zu § 315 E 1962; K G J R 1966, 307; Tröndle L K 6 zu § 275 a . F . ; siehe jedoch Abs. 2 sowie § 25 Abs. 1 Nr. 3 P o s t G , w o n a c h das N a c h m a c h e n u n d Verfälschen von ungültig e r k l ä r t e n in- u n d ausländischen P o s t w e r t zeichen sowie deren Feilhalten u n d I n v e r k e h r b r i n g e n als OWi g e a h n d e t wird). 3. Die Tathandlung der Nr. 1 des Abs. 1 e n t s p r i c h t der T a t h a n d l u n g des § 146 Abs. 1 Nr. 1, so d a ß auf die A u s f ü h r u n g e n zu § 146 (siehe d o r t A n m . 3) g r u n d s ä t z lich verwiesen w e r d e n k a n n . Ü b e r § 146 Abs. 1 N r . 1 hinausgehend wird a u c h der Fall e r f a ß t , d a ß der T ä t e r Wertzeichen in der Absicht n a c h m a c h t , sie als echte z u v e r w e n d e n oder ein solches Verwenden zu ermöglichen. Diese E r w e i t e r u n g ergibt sich d a r a u s , d a ß die b e s t i m m u n g s g e m ä ß e V e r w e n d u n g nicht notwendig m i t einem I n v e r k e h r b r i n g e n v e r b u n d e n sein m u ß . U m g e k e h r t gibt es Fälle, in denen das I n v e r k e h r b r i n g e n nicht der b e s t i m m u n g s g e m ä ß e n V e r w e n d u n g entspricht, z . B . w e n n j e m a n d B r i e f m a r k e n fälscht, u m sie einem Sammler zu v e r k a u f e n . D a die Gefahr besteht, d a ß das in Verkehr gebrachte gefälschte Wertzeichen s p ä t e r nicht n u r als S a m m e l o b j e k t , sondern seiner eigentlichen B e s t i m m u n g gemäß weiterv e r w e n d e t wird, soll auch dieser Fall d u r c h § 148 e r f a ß t w e r d e n (RegE S. 228 B T Drucks. 7/550). Die T a t h a n d l u n g der Nr. 2 des Abs. 1 e n t s p r i c h t der des § 146 Abs. 1 N r . 2 (vgl. § 146 A n m . 5). Die T a t h a n d l u n g der Nr. 3 des Abs. 1 deckt sich im wesentlichen m i t der des § 146 Abs. 1 N r . 3, jedoch wird neben d e m I n v e r k e h r b r i n g e n noch zusätzlich d a s Verwenden u n d Feilhalten e r f a ß t . Wegen der zusätzlichen A u f n a h m e des Merkm a l s „ v e r w e n d e n " s.o. die A u s f ü h r u n g e n zur T a t h a n d l u n g d e r Nr. 1. „Als e c h t " v e r w e n d e t w i r d ein Wertzeichen, wenn es b e s t i m m u n g s g e m ä ß v e r w e n d e t wird, z . B . zum F r a n k i e r e n eines Briefs. D a s „ F e i l h a l t e n " w u r d e in den T b . aufgenomm e n , u m die Streitfrage auszuschalten, ob das Feilhalten bereits einen n a c h Abs. 2 s t r a f b a r e n Versuch des I n v e r k e h r b r i n g e n s oder n u r eine straflose Vorbereitungsh a n d l u n g darstellt (vgl. R e g E S. 228 B T - D r u c k s . 7/550). 4. Abs. 2 ü b e r n i m m t die F u n k t i o n e n des ehemaligen § 276 (a.F.). „Bereits verw e n d e t " ist ein Wertzeichen n u r , w e n n es o r d n u n g s m ä ß i g e n t w e r t e t w a r u n d das E n t w e r t u n g s z e i c h e n v o m T ä t e r oder einem D r i t t e n beseitigt worden ist. Die A r t der „Beseitigung" ist u n e r h e b l i c h . N i c h t hierher gehört dagegen der Fall, d a ß ein Wertzeichen v e r w e n d e t w i r d , dessen E n t w e r t u n g versehentlich unterblieben war.
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Geld- u n d Wertzeichenfälschung
§14»
H i e r k o m m t jedoch B e t r u g in B e t r a c h t (vgl. D r e h e r 3 zu § 276 a.F.). Nicht t a t b e s t a n d s m ä ß i g ist weiter der Fall, d a ß ein e n t w e r t e t e s Wertzeichen ohne E n t f e r n u n g des Entwertungszeichens wiederverwendet wird, z . B . wenn eine n u r a m ä u ß e r s t e n R a n d e n t w e r t e t e B r i e f m a r k e bei der W i e d e r v e r w e n d u n g a n der entscheidenden Stelle m i t einer a n d e r e n , z u r E r g ä n z u n g der F r a n k a t u r benötigten B r i e f m a r k e überklebt wird, so d a ß der Stempel n i c h t m e h r sichtbar ist. Auch das Ü b e r s t e m p e l n der alten E n t w e r t u n g (etwa d u r c h d e n a n der W i e d e r v e r w e n d u n g mitbeteiligten Post- oder G e b ü h r e n b e a m t e n ) ist keine „ B e s e i t i g u n g " (a.A. Tröndle L K 4 zu § 276 a . F . m . weit. Nachw.). 5. K o n k u r r e n z e n : Abs. 1 k a n n m i t § 263 in T a t e i n h e i t t r e t e n (vgl. B G H LM § 263 N r . 10; Tröndle L K 14 zu § 275 a.F.), Abs. 2 g e h t jedoch gegenüber § 263 vor, d a § 263 insoweit i m m e r notwendige Begleittat ist (vgl. R G 68, 303; Lackner-Maassen 2 zu § 276 a . F . ; Tröndle L K 8 zu § 276 a.F.). E n t s p r e c h e n d e s gilt f ü r d a s Verhältnis zwischen Abs. 2 u n d § 274 Abs. 1 N r . 1, falls der E n t w e r t u n g s s t e m p e l U r k u n d e n c h a r a k t e r h a t (vgl. R G 59, 321, 325; K i e n a p f e l a.a.O. 158; Tröndle L K 8 zu § 276 a.F.). Zwischen Abs. 2 u n d den Delikten, die zur Beschaffung des Wertzeichens begangen w u r d e n (z.B. §§ 133, 242, 246), ist T a t m e h r h e i t a n z u n e h m e n (vgl. R G 68, 208 in Abweichung v o n R G 59, 321; B G H 3, 289, 292; h.L.). 6. Beachte ergänzend § 149 (Vorbereitungshandlungen), § 150 (Einziehung) sowie § 127 OWiG (abgedruckt in A n h . 4).
§ 149
Vorbereitung der Fälschung: von Geld und Wert« zeichen (1) Wer eine Fälschung von Geld oder Wertzeichen vorbereitet, indem er 1. Platten, Formen, Drucksätze, Druckstöcke, Negative, Matrizen oder ähnliche Vorrichtungen, die ihrer Art nach zur Begehung der Tat geeignet sind, oder 2. Papier, das einer solchen Papierart gleicht oder zum Verwechseln ähnlich ist, die zur Herstellung von Geld oder amtlichen Wertzeichen bestimmt und gegen Nachahmung besonders gesichert ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überläßt, wird, wenn er eine Geldfälschung vorbereitet, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe, sonst mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird nicht bestraft, wer freiwillig 1. die Ausführung der vorbereiteten Tat aufgibt und eine von ihm verursachte Gefahr, daß andere die Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder die Vollendung der Tat verhindert und 2. die Fälschungsmittel, soweit sie noch vorhanden und zur Fälschung brauchbar sind, vernichtet, unbrauchbar macht, ihr Vorhandensein einer Behörde anzeigt oder sie dort abliefert. (3) Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr, daß andere die Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abgewendet oder die Vollendung der Tat verhindert, so genügt an Stelle der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 1 das freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters, dieses Ziel zu erreichen. 1. Die d u r c h das E G S t G B hier eingestellte Vorschrift t r i t t a n die Stelle des ehemaligen § 151, ersetzt a b e r gleichzeitig die einschlägigen Vorschriften des Neben 30»
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§149
Geld- und Wertzeichenfälschung
strafrechts. Hierbei ist zu beachten, daß jetzt, abweichend von der früheren Rechtslage, auch die Vorbereitung der Wertzeichenfälschung nicht nur bei bestimmten Wertzeichen, sondern allgemein unter Strafe gestellt ist. Hierdurch ist eine gewisse Erweiterung des Strafbarkeitsbereichs eingetreten (kritisch hierzu Zielinski JZ 1973, 193). Zu beachten ist auch die Erhöhung der Strafobergrenze bei der Vorbereitung einer Geldfälschung von zwei auf fünf Jahre Freiheitsstrafe. Ergänzt wird § 149 durch den OWi-Tb. des § 127 O W i G (siehe Anh. 4). 2. Die unter Strafe gestellten Tathandlungen sind (ähnlich wie bei § 311 b) entsprechend der Schutzrichtung der Vorschrift so weit gefaßt, daß sie jede nur denkbare Fälschung von Geld, Wertzeichen und Wertpapieren bereits im Vorbereitungsstadium erfassen. Unerheblich ist, ob der Täter selbst oder ein Dritter die in Aussicht genommene Fälschung vornehmen will oder soll. 3. Zur Tatbegehung geeignet sind die in Nr. 1 neben Platten, Formen usw. genannten „ähnlichen Vorrichtungen" nur dann, wenn ihnen eine spezifische Verwendbarkeit zur Ausführung von Fälschungen zukommt (RegE S. 229 BT-Drucks. 7/ 550). Hieran fehlt es z . B . bei einem Hammer oder Meisel (RegE a.a.O.). Die Ausführungen zum Tb.-Merkmal „besondere Vorrichtungen" in § 311b (siehe dort Anm. 4) gelten insoweit entsprechend. Auch Nr. 2 ist ähnlich restriktiv auszulegen. Nur solche Papiersorten werden vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfaßt, die auf Grund ihrer spezifischen Besonderheiten, z.B. durch Wasserzeichen oder Einstreuung von unsichtbaren Fasern, Seidenfäden u.a.m., einer besonders gesicherten Papierart gleichen oder zum Verwechseln ähnlich sind (vgl. R e g E S. 229 BT-Drucks. 7/550). „Zum Verwechseln ähnlich" sind solche Produkte, die nach ihrem Gesamtbild oder Gesamteindruck trotz vorhandener Abweichungen geeignet sind, bei einem durchschnittlichen, über besondere Sachkunde nicht verfügenden Betrachter oder Beurteiler, der sie keiner näheren Prüfung unterzieht, die irrige Vorstellung zu erwecken, daß er es mit einem der im Gesetz genannten Gegenstände zu tun hat (RegE a.a.O.). 4. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz. Nicht erforderlich ist, daß der Täter die Absicht hat, sich selbst an der Fälschungshandlung zu beteiligen. Es genügt, daß er weiß oder damit rechnet, daß eine Fälschung von Geld, Wertzeichen oder Wertpapieren geplant ist und sein Verhalten geeignet ist, die in Aussicht genommene T a t zu fördern. 5. Konkurrenzen: K o m m t es unter Verwendung der in § 149 genannten Gegenstände zu einer Fälschung von Geld, Wertzeichen oder Wertpapieren, so ist § 149 gegenüber den §§ 146, 148, 151 subsidiär. Dies gilt auch dann, wenn die Fälschung im Stadium des Versuchs zurückbleibt und der an dem Vergehen Beteiligte wegen seiner Beteiligung an dem Versuch als Täter oder Teilnehmer strafbar ist. I m Falle eines strafbefreienden Rücktritts von diesem Versuch lebt die Strafbarkeit nach § 149 Abs. 1 wieder auf (sog. qualifizierter Versuch, vgl. § 24 Anm. 8), sofern kein Fall des Abs. 2 oder 3 vorliegt. 6. Die Abs. 2 und 3 sind den §§ 24 und 31 nachgebildet und enthalten Sonderfälle strafbefreienden Rücktritts nach vollendetem Delikt. Zu beachten ist, daß Abs. 2 N r . 2 über die Aufgabe des Tatplans hinaus verlangt, daß der Täter etwa noch vorhandene und zur Fälschung brauchbare Fälschungsmittel vernichtet oder auf sonstige im Gesetz näher beschriebene Weise unschädlich macht (kritisch hierzu Zielinski a.a.O. 197f.).
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Geld-und Wertzeichenfälschung
§§ ISO,
151
7. Ergänzend zu beachten ist § 127 OWiG (ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das gemäß § 21 OWiG gegenüber § 149 subsidiär ist und nur dann Bedeutung erlangt, wenn der Täter nicht nachweisbar den in § 149 geforderten Vorsatz hat, die Fälschung von Geld, Wertzeichen oder Wertpapieren vorzubereiten, oder wenn er unter den Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 oder Abs. 3 mit straf befreiender Wirkung zurückgetreten ist).
§ ISO
Einziehung:
Ist eine Straftat nach diesem Abschnitt begangen worden, so werden das falsche Geld, die falschen oder entwerteten Wertzeichen und die in § 149 bezeichneten Fälschungsmittel eingezogen. 1. Die durch das E G S t G B hier eingestellte Vorschrift tritt an die Stelle des ehemaligen § 152 und bezieht sich auf alle Tatbestände des 8. Abschnitts (§§ 146 bis 149). 2. Die Einziehung ist zwingend vorgeschrieben. Sie umfaßt sowohl die producta sceleris als auch die in § 149 genannten instrumenta sceleris. Bei täterfremden Gegenständen ist die Einziehung nur unter den Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 2 oder des § 74 Abs. 3 zulässig (vgl. § 74 Abs. 4). I n der Geriehtspraxis dürfte diese Beschränkung allerdings keine Schwierigkeiten bereiten, da bei den in Frage stehenden Gegenständen grundsätzlich die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten besteht. § 74 a ist dagegen nicht anwendbar. 3. Ist der Täter unbekannt, so kann die Einziehung im sog. objektiven Verfahren betrieben werden (vgl. § 76a i.V. mit § 440 StPO).
§ 1 5 1
Wertpapiere
Dem Geld im Sinne der §§ 146, 147, 149 und 150 stehen folgende Wertpapiere gleich, wenn sie durch Druck und Papierart gegen Nachahmung besonders gesichert sind: 1. Inhaber- sowie solche Orderschuldverschreibungen, die Teile einer Gesamtemission sind, wenn in den Schuldverschreibungen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird; 2. Aktien; 3. von Kapitalanlagegesellschaften ausgegebene Anteilscheine; 4. Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine zu Wertpapieren der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art sowie Zertifikate über Lieferung solcher Wertpapiere; 5. Reiseschecks, die schon im Wertpapiervordruck auf eine bestimmte Geldsumme lauten. 1. Die durch das E G S t G B neu gefaßte und hier eingestellte Vorschrift übernimmt die Funktion des ehemaligen § 149, über dessen Anwendungsbereich sie jedoch insofern hinausgeht, als nicht nur Inhaberpapiere geschützt werden, sondern auch solche Wertpapiere, die im Geschäftsverkehr wegen ihres massenhaften Vor-
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§ 153
Geld- und Wertzeichenfälschung
kommens und ihrer damit zusammenhängenden, dem Papiergeld ähnlichen Ausstattung besonderes Vertrauen genießen und deshalb zu einer gewissen Oberflächlichkeit bei der Echtheitsprüfung verleiten (vgl. RegE S. 229 BT-Drucks. 7/550). 2. Dem Anwendungsbereich der Vorschrift unterliegen a) Inhaberschuldverschreibungen sowie Orderschuldverschreibungen, soweit sie Teile einer Gesamtemission sind und das Versprechen der Zahlung einer bestimmten Geldsumme enthalten (Nr. 1). Siehe hierzu §§ 793ff. B G B , insbesondere die in den §§ 795 und 808a B G B geforderte Pflicht staatlicher Genehmigung; b) Aktien (Nr. 2), und zwar — insofern abweichend vom früheren Recht — ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Inhaber- oder Namensaktien handelt. Die in § 149 a . F . neben den Aktien aufgeführten Interimsscheine (Zwischenscheine) und Quittungen, die den Aktionären vor der Ausgabe von Aktienurkunden erteilt werden, fallen nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Vorschrift, da sie nicht in Massen auftreten und im allgemeinen auch keine dem Papiergeld ähnliche Ausstattung haben (RegE S. 230 BT-Drucks. 7/550). Ihr Rechtsschutz vor Fälschungen ergibt sich nunmehr aus § 267; c) Investmentzertifikate (Nr. 3); d) Zins- und Gewinnanteilscheine (sog. Koupons) sowie Erneuerungsscheine der in den Nr. 1—-3 bezeichneten Wertpapiere (Nr. 4). Bei den Zertifikaten über Lieferung solcher Wertpapiere handelt es sich um Schuldverschreibungen, in denen die Lieferung eines Wertpapiers versprochen wird. Sie fallen nicht unter Nr. 1, weil sie nicht auf eine bestimmte Geldsumme lauten. Derartige Zertifikate haben in letzter Zeit dadurch immer größere Bedeutung erlangt, daß sie anstelle der zugrundeliegenden Wertpapiere gehandelt werden; e) Reiseschecks, die schon im Wertpapiervordruck auf eine bestimmte Geldsumme lauten (Nr. 5). Diese Voraussetzungen liegen bei den z.Zt. von den Kreditinstituten und Reisebüros ausgegebenen Reiseschecks in aller Regel vor und begründen ihren geldähnlichen Charakter. 3. Gegen Nachahmung besonders gesichert ist ein Wertpapier, wenn bei seiner Herstellung durch die besondere Art des Drucks sowie des Papiers (z.B. durch Wasserzeichen oder Einstreuung von Fasern, Seidenfäden usw.) wirksame Vorkehrungen gegen Fälschung getroffen worden sind. 4. Wegen der Konkurrenzen siehe § 146 Anm. 8. § 153
Geld, Wertzeichen und Wertpapiere eines fremden Währungsgebietes
Die §§ 146 bis 151 sind auch auf Geld, Wertzeichen und Wertpapiere eines fremden Währungsgebietes anzuwenden. Die durch das E G S t G B neu eingefügte Vorschrift stellt in Übereinstimmung mit den §§ 146—148 a . F . und der h. A. zu §§ 275, 276 a . F . ausdrücklich klar, daß die Vorschriften des 8. Abschnitts auch auf Geld, Wertzeichen und Wertpapiere eines fremden Währungsgebiets anzuwenden sind. Für Geld ergibt sich die Verpflichtung zu unterschiedslosem Strafschutz aus Art. 5 des Internationalen Abkommens zur Bekämpfung der Falschmünzerei v. 20. 4. 1929 (RGBl. 1933 I I S. 913), für Postwertzeichen aus Art. 14 des Weltpostvertrags v. 10. 7. 1964 (BGBl. 1965 I I S. 1609). Für eine abweichende Behandlung der übrigen Wertzeichen sowie der Wertpapiere besteht kein begründeter Anlaß.
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Neunter Abschnitt: Falsche uneidliche Aussage und Meineid (§§ 153—163) Vorbemerkung 1. G e s c h ü t z t e s R e c h t s g u t aller Tatbestände des 9. Abschnitts ist die staatliche Rechtspflege. Dies gilt auch für die eigentlichen E i d e s d e l i k t e , nämlich den Meineid (§ 154), die falsche Versicherung an Eides Statt (§§ 156, 163) und den fahrlässigen Falscheid (§ 163). Siehe hierzu vor allem BGH 8, 301, 309. 2. Da die staatliche Rechtspflege nur durch solche Aussagen beeinträchtigt werden kann, die objektiv der Wirklichkeit widersprechen, ist die Frage, ob eine Aussage falsch ist, o b j e k t i v zu beurteilen (sog. objektive Theorie, vgl. BGH 7, 148; h.L ; a.A. Gallas GA 1957, 315 m. Nachw.). Auf die innere Einstellung des Täters kommt es für die Frage, ob eine Aussage falsch ist, nur dort an, wo gerade die Überzeugung oder Erinnerung den Gegenstand der Aussage bildet. Hieraus folgt: a) Beschwört jemand eine Aussage, die objektiv falsch ist, die er aber für richtig hält, so kommt zwar kein Meineid gemäß § 154, wohl aber f a h r l ä s s i g e r F a l s c h e i d (§ 163) in Betracht, sofern der Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht. b) Beschwört jemand eine objektiv richtige Aussage in der Meinung, sie sei falsch, so kommt nur v e r s u c h t e r , nicht vollendeter Meineid in Betracht. Vollendeter Meineid jedoch, wenn der Täter ausdrücklich über seine Überzeugung oder Erinnerung auszusagen hatte. 3. Nur der Meineid gemäß § 154 ist ein V e r b r e c h e n . Alle übrigen Straftatbestände des Abschnitts (§§ 153, 156, 160, 163) enthalten nur V e r g e h e n . 4. Der Versuch ist nur beim Meineid und im Falle des § 160 strafbar. Immer strafbar ist die v e r s u c h t e A n s t i f t u n g (vgl. § 159). § 160 enthält einen Ersatz f ü r die fehlende Möglichkeit, m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t anzunehmen. 5. Aus dem neueren Schrifttum über die Reform der Aussagedelikte siehe Engelmann, Glaubensfreiheit und Eidespflicht, MDR 1973, 365 im Anschluß an BVerfG N J W 1972, 1183; Hirsch, Über die Gesellschaftsbezogenheit des Eides, HeinitzFestschr. S. 139; Zipf, Die Problematik des Meineids innerhalb der Aussagedelikte, Maurach-Festschr. S. 415.
§ 153 Falsche uneidliche Aussage Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 1. Als Täter der durch das EGStGB im Strafrahmen neu gefaßten Vorschrift kommen nur Zeugen und Sachverständige in Betracht, nicht die Partei im Zivilprozeß (siehe jedoch § 154), ferner nicht der Beschuldigte im Strafprozeß.
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§
154
Falsche uneidliche Aussage und Meineid
2. Die Aussage muß falsch sein. Siehe hierzu Vorbem. 2. 3. Die Aussage muß erfolgen vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständigen Stelle. Hierzu ist erforderlich, daß die Aussage in einem Verfahren erfolgt, in dem das Gesetz eine eidliehe Vernehmung überhaupt zuläßt. Nicht zuständig sind Polizei und Staatsanwaltschaft, wohl aber die Untersuchungsausschüsse des Bundestags gemäß Art. 44 GG. 4. S u b j e k t i v ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß wissen, daß er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wird, daß seine Aussage falsch ist und unter die Wahrheitspflicht fällt und daß die ihn vernehmende Stelle zur Abnahme von Eiden zuständig ist. Bedingter Vorsatz genügt hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale. 5. Teilnahme ist nach allgemeinen Grundsätzen strafbar. B e i h i l f e kann auch durch U n t e r l a s s e n begangen werden, sofern eine besondere Rechtspflicht zur Verhinderung der Falschaussage besteht. (Siehe hierzu ausführlich § 154 Anm. 6.) Sagt der zum Meineid Angestiftete entgegen der Vorstellung des Anstifters nur uneidlich falsch aus, so ist der Anstifter wegen erfolgloser Anstiftung zum Meineid (§§ 154, 30) in I d K . mit Anstiftung zur vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage (§§ 153, 26) zu bestrafen (vgl. B G H 9, 131). 6. Mittelbare Täterschaft ist b e g r i f f l i c h a u s g e s c h l o s s e n , da § 153 — wie alle übrigen Tatbestände dieses Abschnitts — ein e i g e n h ä n d i g e s D e l i k t enthält (vgl. B I 6 vor § 1). Die fehlende Möglichkeit, mittelbare Täterschaft anzunehmen, wird jedoch durch § 160 ersetzt. 7. Vollendet ist die Tat nach Beendigung der jeweiligen Vernehmung, spätestens mit dem Schluß der Verhandlung im jeweiligen Rechtszug (vgl. B G H [GrS] 8, 301). Der Versuch ist mangels ausdrücklicher Strafdrohung nicht strafbar, wohl aber die versuchte Anstiftung (vgl. § 159). 8. Konkurrenzen. a) M e h r e r e f a l s c h e A u s s a g e n können untereinander in F o r t s e t z u n g s z u s a m m e n h a n g stehen, und zwar auch dann, wenn sie in verschiedenen Instanzen erfolgen. Die Annahme von Fortsetzungszusammenhang wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die eine Aussage beschworen wurde, die andere nicht (BGH 8, 301). b) I d K . ist möglich mit §§ 164, 186, 187, 257, 258, 263, mit fahrlässigem Falscheid (§ 163) dagegen nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn jemand vorsätzlich falsch aussagt und dabei fahrlässig der irrigen Auffassung ist, diese Aussage werde vom Eid nicht umfaßt, z . B . wenn ein Zeuge in der irrigen Meinung, der Eid beziehe sich nicht auch auf die Angaben zur Person, bewußt der Wahrheit zuwider aussagt, er sei ledig, während er in Wirklichkeit geschieden ist. 9. Siehe auch §§ 157, 158.
§ 1 5 4 Meineid (1) Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
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Falsche uneidliehe Aussage u n d Meineid
§ 154
1. I m Gegensatz zur uneidlichen Falschaussage g e m ä ß § 153 k o m m e n als Täter eines Meineids n i c h t n u r Z e u g e n u n d S a c h v e r s t ä n d i g e in B e t r a c h t , s o n d e r n a u c h die P a r t e i im Zivilprozeß. Beseitigt w u r d e jedoch der O f f e n b a r u n g s e i d n a c h d e n Vorschriften des B G B , der Z P O , der K O u n d der VerglO. An seine Stelle ist m i t W i r k u n g v o m 1. 7. 1970 die A b g a b e einer eidesstattlichen Versicherung get r e t e n (vgl. §§ 259—261, 2006, 2028, 2057 B G B , 807, 883, 889, 899ff. Z P O , 125 K O , 69 VerglO, jeweils in der F a s s u n g des Gesetzes zur Ä n d e r u n g des KechtspflegerG v o m 27. 6. 1970, B G B l . I 911). Wegen E i d e s u n m ü n d i g e n siehe u n t e n A n m . 7. 2. Die Aussage m u ß falsch sein (vgl. V o r b e m . 2 v o r § 153). 3. F ü r die Eidesleistung genügt, d a ß d e r T ä t e r die W o r t e s p r i c h t : „Ich schwöre". N i c h t erforderlich ist, d a ß er dabei die H a n d zum Schwur e r h e b t . Auch die religiöse B e t e u e r u n g s f o r m e l ist verzichtbar (vgl.§§ 66c I I / I I I S t P O ; 481 I I / I I I Z P O ) . Ü b e r die R e f o r m b e d ü r f t i g k e i t der Eidesformel siehe Woesner N J W 1973, 169. 4. D e r E i d m u ß vor Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle geleistet werden. Siehe hierzu § 153 A n m . 3. 5. S u b j e k t i v ist Vorsatz erforderlich. Siehe hierzu § 153 A n m . 4, f e r n e r : D e r T ä t e r m u ß wissen, d a ß die falsche Aussage von seinem E i d u m f a ß t wird. D e r V o r s a t z e n t f ä l l t d a h e r , wenn ein Zeuge falsche Personalien a n g i b t u n d s p ä t e r d e n E i d leistet in der irrigen A n n a h m e , dieser beziehe sich n u r auf die A n g a b e n z u r Sache, n i c h t a u c h auf die A n g a b e n zur Person. H i e r k o m m t n u r fahrlässiger Falscheid in I d e a l k o n k u r r e n z m i t vorsätzlicher uneidlicher Falschaussage in B e t r a c h t . 6. Teilnahme ist n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n s t r a f b a r . B e i h i l f e k a n n a u c h d u r c h U n t e r l a s s e n geleistet werden, sofern eine besondere R e c h t s p f l i c h t b e s t e h t , die Aussageperson v o m Meineid a b z u h a l t e n . E i n e d e r a r t i g e R e c h t s p f l i c h t k a n n jedoch n u r ausnahmsweise a n g e n o m m e n w e r d e n . So k ö n n e n f ü r eine P a r t e i i m Z i v i l p r o z e ß weder die sich aus § 138 Z P O ergebende W a h r h e i t s p f l i c h t noch die B e n e n n u n g eines Zeugen f ü r eine u n w a h r e B e h a u p t u n g noch d a s wahrheitswidrige Bestreiten des gegnerischen Vorbringens f ü r sich allein die R e c h t s p f l i c h t b e g r ü n d e n , die Falschaussage bzw. d e n Meineid eines Zeugen zu v e r h i n d e r n (vgl. B G H 4, 327; 5, 322; 17, 321). Vielmehr müssen noch besondere U m s t ä n d e h i n z u k o m m e n , die die G e f a h r einer Falschaussage bzw. eines Meineids b e g r ü n d e n oder v e r s t ä r k e n , z . B . w e n n die P a r t e i einem zum Meineid entschlossenen Zeugen zu v e r s t e h e n gegeben h a t , d a ß sie keine E r k l ä r u n g abgegeben h a b e oder abgeben werde, die der b e a b sichtigten Aussage e n t g e g e n s t e h t ( B G H 2, 129), oder w e n n eine P a r t e i noch w ä h r e n d des Scheidungsverfahrens ihre ehewidrigen Beziehungen m i t d e m Zeugen fortsetzt, n a c h d e m dieser v o n der Gegenpartei als E h e b r u c h s z e u g e b e n a n n t w o r d e n ist ( B G H 14, 229). Beihilfe d u r c h p o s i t i v e s T u n liegt dagegen vor, w e n n eine P a r t e i im Zivilprozeß oder ein Beschuldigter im S t r a f p r o z e ß vor der Vereidigung des Zeugen auf F r a g e des Gerichts ausdrücklich e r k l ä r t , er h a b e zu der Aussage des Zeugen keine E r k l ä r u n g a b z u g e b e n (vgl. B G H N J W 1958,956). Die Beihilfe ist hier d a r i n zu sehen, d a ß der Zeuge in seinem E n t s c h l u ß , die falsche Aussage a u c h auf seinen E i d zu n e h m e n , b e s t ä r k t wird. I n krassem Gegensatz zu der allgemeinen Tendenz, die Fälle der Meineidsbeihilfe d u r c h Unterlassen möglichst einzuschränken, s t e h t die E n t s c h e i d u n g K G J R 1969, 27 m . A n m . L a c k n e r , derzufolge ein V a t e r , der wegen einer Ü b e r t r e t u n g als Angeklagter vor Gericht s t a n d , f ü r verpflichtet gehalten wurde, seinen Sohn d a v o n a b z u h a l t e n , m i t R ü c k s i c h t auf die v e r w a n d t s c h a f t l i c h e n Beziehungen zu seinen G u n s t e n
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s 154
Falsche uneidliche Aussage und Meineid
falsch auszusagen. Die Entscheidung ist entschieden abzulehnen (vgl. Lackner a . a . O . sowie Blei J A 1969, StR S. 50). Zum Ganzen siehe auch Ebert J u S 1970, 400. 7 Die Strafbarkeit eines Meineids wird nicht dadurch berührt, daß die V e r e i d i g u n g p r o z e s s u a l u n z u l ä s s i g war, z.B. wenn ein Zeuge wegen E i d e s u n m u n d i g k e i t oder V e r d a c h t s d e r T a t b e t e i l i g u n g nicht hätte vereidigt werden dürfen (vgl. § 60 StPO). Bei Eidesunmündigen ist jedoch gemäß § 3 JGG genau zu prüfen, ob sie schon in der Lage waren, die Bedeutung des Eides und den Unrechtsgehalt der Tat zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln (vgl. R G [GrSen] 36, 284, 295; Willms L K 11; Dreher 3 B vor § 153; Lackner-Maassen 1; a.A. Schönke-Schröder R n . 30 vor § 153: bei eidesunmündigen Personen h a t das Verständnis vom Wesen des Eides kraft unwiderlegbarer Vermutung als ausgeschlossen «u gelten). Zum Ganzen siehe neuerdings auch Quedenfeld JZ 1973, 238. Eine S t r a f m i l d e r u n g gemäß § 154 Abs. 2 kommt vor allem in Betracht, wenn der Meineid von einer Person geleistet wird, die sich in einem G e w i s s e n s k o n f l i k t befindet, z.B. wenn der Meineid zugunsten eines Angehörigen geleistet wird oder wenn der Täter im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage berechtigte Interessen nätte aufs Spiel setzen müssen. Hierher gehören auch die Fälle, in denen ein Zeuge, dem ein Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g s r e c h t gemäß §§ 52 StPO, 383 ZPO zustand, hierüber versehentlich nicht belehrt wurde, ferner der Fall, daß die Belehrung gemäß § 55 StPO unterblieben ist oder ein T a t v e r d ä c h t i g e r entgegen der zwingenden Vorschrift des § 60 Nr. 2 StPO vereidigt worden ist (vgl. BGH N J W 1958, 1832; BGH 8, 186; 19, 115; 23, 30). Siehe auch § 157 8. Konkurrenzen. a) Mehrere Eidesverletzungen können untereinander in F o r t s e t z u n g s z u s a m m e m h a n g stehen. B e i s p i e l : A bekundet als Zeuge vorgefaßtem Tatentschluß zufolge sowohl in erster als auch in zweiter Instanz bewußt der Wahrheit zuwider, sein Bruder B sei zur fraglichen Zeit zusammen mit ihm im Kino gewesen. Fortsetzungszusammenhang wäre hier auch dann möglich, wenn A in einer der beiden Verhandlungen als Angehöriger des A gemäß § 61 Nr. 2 StPO unvereidigt geblieben wäre. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß der M e i n e i d kein eigenständiges Delikt mit selbständigem Unrechtsgehalt, sondern lediglich eine e r s c h w e r t e F o r m d e r u n e i d l i c h e n F a l s c h a u s s a g e darstellt (vgl. BGH [GrSen] 8, 301 unter Aufgabe der früheren Rspr.). b) I d K . ist möglich mit §§ 145d, 164, 186f., 257f., 263. 9. Wahlfeststellung a) Kann das Gericht nicht feststellen, welche von m e h r e r e n e i d l i c h e n A u s s a g e n desselben Täters falsch ist, so hindert dies eine Verurteilung wegen Meineids nicht. In den Urteilsgründen ist dann lediglich festzustellen, daß entweder diese oder jene Aussage falsch ist. b) Ist von zwei Aussagen e n t w e d e r d i e e i d l i c h e o d e r d i e u n e i d l i c h e f a l s c h , so erfolgt die Verurteilung nach den Grundsätzen der Wahlfeststellung. Die Strafe ist in diesem Fall dem milderen Gesetz, normalerweise also dem Tatbestand des § 153, zu entnehmen (vgl. BGH N J W 1957,1886). Ausnahmsweise ist jedoch die eidliche Aussage zugrunde zu legen, wenn dies zu einer milderen Bestrafung führen kann, z.B. wenn sich der Angeklagte zwar hinsichtlich der eidlichen Aussage, nicht aber hinsichtlich der uneidlichen auf den Eidesnotstand des § 157 berufen könnte (vgl. BGH 13, 70). 474
Falsche uneidliche Aussage und Meineid
§ § 1.55, I S O
c) Bleibt unklar, ob jemand einen Falscheid v o r s ä t z l i c h oder f a h r l ä s s i g geleistet hat, so ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, daß er nur fahrlässig gehandelt hat (vgl. BGH 4, 340; 17, 210). d) Zur Zulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen Meineid und falscher Versicherung an Eides statt siehe Hamm GA 1974, 84 m. krit. Anm. Blei JA 1974, StR 85. e) Wahlfeststellung ist schließlich auch dann möglich, wenn sich nicht mehr feststellen läßt, ob jemand einen anderen zunächst wissentlich f a l s c h a n g e s c h u l d i g t oder bei einer späteren richterlichen Vernehmung als Z e u g e d i e U n w a h r h e i t g e s a g t hat (vgl. Braunschweig N J W 1959, 1144). B e i s p i e l : Die A erstattet Anzeige bei der Polizei unter der Behauptung, ihr Vater habe sie vergewaltigt. Später bekundet sie vor Gericht, alles sei gelogen.
§ 155
Eidesgrleiche B e t e u e r u n g e n
Der Ableistung eines Eides wird gleichgeachtet, wenn 1. ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln anstelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Beteuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgibt; 2. derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgibt, oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein für allemal vereidigt ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid abgibt; 3. ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgibt. 1. Zu Nr 1 siehe §§ 66e StPO, 484 ZPO. In Betracht kommen z. Z. nur Landesgesetze. Zur Eidesverweigerung aus religiösen Gründen siehe im übrigen BVerfG N J W 1972, 1183 sowie das in Vorbem. 5 vor § 153 zitierte Schrifttum. 2. B e i s p i e l zu Nr. 2: In einem Strafverfahren gegen A wird X zunächst in der Hauptverhandlung 1 Instanz vor dem Schöffengericht, dann nochmals in der Berufungsinstanz vor der Großen Strafkammer des Landgerichts als Zeuge vernommen. Wurde er in 1. Instanz auf seine Aussage vereidigt, so genügt in der Berufungsinstanz die B e r u f u n g auf den b e r e i t s g e l e i s t e t e n E i d , um die Aussage einer eidlichen Aussage gleichzuachten. Eine nochmalige Vereidigung ist nicht erforderlich (vgl. § 67 StPO). Ist die Aussage falsch, so hat sich X eines Meineids oder eines fahrlässigen Falscheids schuldig gemacht (§ 154 i.V m. § 155 Nr 2). Siehe ferner §§ 72, 79 Abs. 3 StPO, 398 I I I , 402, 410 I I , 451 ZPO. 3. Nr. 3 kommt außer dem (ebenfalls seltenen) Fall des § 386 Abs. 2 ZPO (Glaubhaftmachung bei Zeugnisverweigerung) in der Praxis kaum vor § 156
F a l s c h e Versicherung: a n E i d e s Statt
W e r vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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§
156
Falsche uneidliche Aussage u n d Meineid
1. Die Form der eidesstattlichen Versicherung ist u n e r h e b l i c h . Die A b g a b e k a n n m ü n d l i c h o d e r s c h r i f t l i c h erfolgen. D e r T a t b e s t a n d ist dagegen n o c h n i c h t erfüllt, -wenn j e m a n d die eidesstattliche Versicherung seinem A n w a l t vorlegt u n d dieser vorsichtshalber die E r k l ä r u n g n o c h n i c h t a n d a s Gericht oder die sonst zuständige Stelle weiterleitet, s o n d e r n lediglich e r k l ä r t , er besitze eine eidesstattliche Versicherung m i t einem b e s t i m m t e n I n h a l t . Dies gilt selbst d a n n , w e n n der A n w a l t eine A b s c h r i f t der in seinen H ä n d e n befindlichen eidesstattlichen Ver. Sicherung vorlegt (vgl. R G 70, 133). 2. Die Zuständigkeit der Behörde ist ein o b j e k t i v e s T a t b e s t a n d s m e r k m a l , auf d a s sich d e r Vorsatz beziehen m u ß ( B G H 24, 38). I m einzelnen: a) Die B e h ö r d e m u ß z u n ä c h s t a l l g e m e i n z u r A b n a h m e v o n eidesstattlichen Versicherungen z u s t ä n d i g sein. Diese Voraussetzimg ist a u c h ohne besondere gesetzliche B e s t i m m u n g e n d a n n gegeben, w e n n e i n e B e h ö r d e a u f G r u n d e i n e s f ö r m l i c h e n B e w e i s v e r f a h r e n s s e l b s t ä n d i g e E n t s c h e i d u n g e n zu t r e f f e n h a t . Allgemein z u s t ä n d i g in diesem Sinn sind insbesondere die Gerichte d e r Zivil- u n d S t r a f g e r i c h t s b a r k e i t , die Verwaltungs-, Sozial- u n d Arbeitsgerichte, F i n a n z ä m t e r u n d Finanzgerichte, N o t a r e , L a n d r a t s ä m t e r , Landesversicherungsa n s t a l t e n , A r b e i t s ä m t e r im Kindergeldverfahren (vgl. § 36 Satz 2 K G K G ) , n i c h t jedoch Polizei u n d S t a a t s a n w a l t s c h a f t , K r a n k e n k a s s e n , W o h n u n g s - u n d Fürsorgeämter. b) D a r ü b e r h i n a u s ist erforderlich, d a ß die eidesstattliche Versicherung r e c h t l i c h n i c h t v ö l l i g w i r k u n g s l o s ist (vgl. B G H 5, 69; 13, 154; 17, 303; B G H J R 1962,464). Wirkungslos ist die eidesstattliche Versicherung d a n n , w e n n sie in d e m V e r f a h r e n , zu d e m sie eingereicht wird, oder ü b e r d e n Gegenstand, auf d e n sie sich bezieht, n i c h t a b g e n o m m e n w e r d e n d a r f , z . B . w e n n ein Angeklagter im S t r a f prozeß z u m Beweis seiner U n s c h u l d dem Gericht eine eidesstattliche Versicherung vorlegt ( B G H 24, 38) oder wenn eine P a r t e i im Zivilprozeß ihre K l a g e b e h a u p t u n g d u r c h eine eidesstattliche Versicherung e r h ä r t e n will. c) W e i t e r e B e i s p i e l e : I m Bereich d e r ZPO ist die A b g a b e einer eidesstattlichen Versicherung überall d o r t zulässig, wo es g e n ü g t , eine t a t s ä c h l i c h e B e h a u p t u n g g l a u b h a f t z u m a c h e n (vgl. § 294 ZPO), z . B . wenn es d a r u m g e h t , ein Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g s r e c h t g l a u b h a f t zu m a c h e n (vgl. §§ 386, 44 Z P O ) , v o r allem a b e r im A r m e n r e c h t s v \ e r f a h r e n (vgl. § 118a Z P O ) , im Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g s v e r f a h r e n (vgl. §§ 707, 719, 769, 771, 813a Z P O ) u n d bei der e i n s t w e i l i g e n V e r f ü g u n g (vgl. § 936 i.V. m i t § 920 Abs. 2 Z P O ) . A u s n a h m e n : §§ 44 Abs. 2, 406 Abs. 3, 5 1 1 a Abs. 3, 546 Abs. 3 Z P O . I m Bereich der StPO g i b t es eine d e m § 294 Z P O e n t s p r e c h e n d e B e s t i m m u n g f ü r die Zulässigkeit v o n eidesstattlichen Versicherungen zur G l a u b h a f t m a c h u n g n i c h t . Dies b e d e u t e t n u n allerdings n i c h t , d a ß eidesstattliche Versicherungen im Bereich der S t P O generell unzulässig u n d wirkungslos sind. So ist es zulässig, d a ß ein Zeuge zur G l a u b h a f t m a c h u n g seines Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g s r e c h t s (vgl. § 56 S t P O ) eine eidesstattliche Versicherung abgibt (vgl. R G 58, 147). G e h t es u m die G l a u b h a f t m a c h u n g eines W i e d e r e i n s e t z u n g s g r u n d s (vgl. § 45 S t P O ) oder eines Gesuchs u m A b l e h n u n g e i n e s R i c h t e r s , so w i r d in der R e c h t sprechung zwar die eidesstattliche Versicherung von Zeugen, n i c h t a b e r eine solche des Beschuldigten als zulässig angesehen (vgl. R G 57, 53; 70, 268; B a y O b L G N J W 1954, 204). E n t s p r e c h e n d e s gilt im B u ß g e l d v e r f a h r e n ( H a m m N J W 1974, 327). Unzulässig sind eidesstattliche Versicherungen im W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n (vgl. B G H 17, 303). 3. E i n e besondere B e d e u t u n g h a t die seit d e m 1. 7. 1970 a n die Stelle des f r ü h e r e n Offenbarungseids getretene eidesstattliche Versicherung in den Fällen der
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Falsche uneidliche Aussage und Meineid
§ 156
§§ 259—261, 2006, 2028, 2057 BGB, 807, 883, 899ff. ZPO, 125 KO, 69 VerglO (jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des RechtspflegerG usw. vom 27. 6. 1970, BGBl. I 911). In der Praxis werden in diesem Zusammenhang, wie bisher, die Fälle des § 807 ZPO im Vordergrund stehen. Nach § 807 Abs. 2 ZPO hat der Schuldner zu Protokoll des Rechtspflegers (über dessen Zuständigkeit siehe § 20 Nr. 17 RechtspflegerG) an Eides Statt zu versichern, daß er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen r i c h t i g und v o l l s t ä n d i g gemacht hat. Die eidesstattliche Versicherung (EV) kann daher auch dann „falsch" sein, wenn das Vermögensverzeichnis unvollständig ist. Im einzelnen: a) Die E V erfaßt Angaben des Schuldners über seine p e r s ö n l i c h e n V e r h ä l t nisse (Personalien) nur, soweit sie für den Gläubiger von Interesse sind, z.B. wenn jemand ein Arbeitsverhältnis verschweigt und dadurch den Zugriff des Gläubigers erschwert (BGH 11, 223). Der Tatbestand des § 156 ist dagegen nicht erfüllt, wenn ein arbeitsloser Eisenanstreicher sich der Wahrheit zuwider als Malermeister bezeichnet (vgl. BGH a.a.O.). Auch falsche Angaben über die b e r u f l i c h e T ä t i g k e i t sind ganz allgemein dann unschädlich, wenn sich aus der richtigen Berufsangabe für den Gläubiger kein Zugriff auf greifbare Vermögensstücke des Schuldners ergeben würde (BGH N J W 1968,2251). Ob die irrige Annahme des Schuldners, er müsse auch insoweit wahre Angaben machen, einen Versuch begründet (so BGH 11, 226) oder ob es sich nur um ein Wahndelikt handelt (so BGH 14, 345), kann nach der Umwandlung des Offenbarungseids in eine eidesstattliche Versicherung auf sich beruhen, da der Versuch in § 156 nicht mit Strafe bedroht ist. b) Auch u n p f ä n d b a r e Sachen müssen angegeben werden. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß in der Regel keineswegs alles, was der Schuldner für unpfändbar hält, wirklich unpfändbar ist und in manchen Fällen auch die Möglichkeit einer sogenannten Austauschpfändung besteht, vgl. § 811a ZPO. Der Gläubiger hat also ein berechtigtes Interesse daran, daß auch die unpfändbaren Gegenstände des Schuldners im Vermögensverzeichnis aufgeführt werden. (Siehe hierzu RG 71, 300; BGH N J W 1956, 756; BGH 13, 345, 349; 14, 345, 348.) c) Auch unter E i g e n t u m s v o r b e h a l t gekaufte Gegenstände müssen angegeben werden. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß der Abschluß eines Kaufvertrags unter Eigentumsvorbehalt dem Käufer ein A n w a r t s c h a f t s r e c h t verschafft, das als Bestandteil seines Vermögens anzusehen ist. Das Anwartschaftsrecht ist auch dann anzugeben, wenn zu seiner Ausübung mehr aufgewendet werden muß, als das Recht selbst oder die hinter ihm stehende Sache wert ist. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß die wirtschaftliche Verwertbarkeit eines solchen Rechts Wandlungen unterworfen ist (BGH 13, 345). Entsprechendes gilt für Sachen, die zur Sicherung ü b e r e i g n e t sind. d) Völlig w e r t l o s e Sachen, z.B. ein alter, unbrauchbarer Ofen, müssen nicht angegeben werden. e) F o r d e r u n g e n unterliegen auch dann der Offenbarungspflicht, wenn sie zweifelhaft, bestritten oder mit Rechten Dritter belastet sind und daher z.Z. der Eidesleistung nicht oder nur mit Schwierigkeiten geltend gemacht werden können (vgl. BGH 13, 345, 350). f ) F a l s c h e A n g a b e n zu F r a g e n , die gemäß § 807 Z P O n i c h t b e a n t w o r t e t w e r d e n müssen, begründen keine Strafbarkeit (BGH 19,126 m. weit. Nachw.) B e i s p i e l : Hat der Schuldner ein früher in seinem Besitz befindliches Radio vor der Eidesleistung an einen Freund veräußert, so ist er gemäß § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht verpflichtet, hierüber Angaben zu machen. Gibt er bei Abgabe der EV der Wahrheit zuwider an, er habe das Radio verloren oder vernichtet, so liegt lediglich ein strafloses Wahndelikt vor (vgl. BGH 14, 345).
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§ 157
Falsche uneidliche Aussage und Meineid
g) Eine falsche Versicherung an Eides Statt liegt auch dann vor, wenn der Schuldner Sachen als sein Eigentum angibt, die ihm gar nicht gehören. Hier l ä u f t der Gläubiger nämlich Gefahr, daß er Pfändungen vornehmen läßt, die der Gefahr einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO ausgesetzt sind, während gleichzeitig wertvolle Zeit für den Zugriff auf schuldnereigene Gegenstände verloren geht (vgl. BGH 7, 375). 4. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Der Täter muß wissen, daß seine Erklärung falsch oder unvollständig ist und daß er sie vor einer zuständigen Stelle abgibt. Bedingter Vorsatz genügt. Bei f a h r l ä s s i g e r Begehungsweise siehe § 163 Abs. 1. 5. Der Versuch ist nicht strafbar, wohl aber die v e r s u c h t e (vgl. § 159).
Anstiftung
6. Teilnahme ist nach allgemeinen Grundsätzen s t r a f b a r . B e i h i l f e liegt z . B . dann vor, wenn A für B eine Dissertation anfertigt, obwohl er weiß, daß B bei Abgabe der Arbeit der Fakultät gegenüber eidesstattlich versichern muß, daß er die Arbeit ohne fremde Hilfe gefertigt habe (vgl. R G 75, 112). Wegen v e r s u c h t e r A n s t i f t u n g siehe § 159; die V e r l e i t u n g e i n e s G u t g l ä u b i g e n o d e r G e i s t e s k r a n k e n ist gemäß § 160 strafbar. 7. Konkurrenzen: I d K . ist vor allem denkbar mit §§ 169, 171, 263, 272. 8. Siehe auch § 158.
§ 15 V Aussagenotstand (1) Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern ( § 4 9 Abs. 2) und i m Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, u m von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden. (2) Das Gericht kann auch dann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder ganz von Strafe absehen, w e n n ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat. 1. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift gilt n u r f ü r Zeugen und Sachverständige, nicht auch f ü r die Partei im Zivilprozeß. Auch A n s t i f t e r und Geh i l f e n können, da sie nicht unter Aussagezwang stehen, die Vergünstigungen der Vorschrift nicht f ü r sich in Anspruch nehmen (BGH 1, 23; 3, 320; Dreher 1; Lackner-Maassen 2; Maurach BT 699f.; a. A. Bemmann, Mayer-Festschrift 485, 491 m. weit. Nachw.). 2j I m Falle einer u n e i d l i c h e n F a l s c h a u s s a g e (§ 153) kann d a s Gericht von Strafe absehen, bei einer E i d e s v e r l e t z u n g kann die Strafe nur gemildert werden. Die Art der Milderung richtet sich nach § 49 Abs. 2. Auf § 156 bezieht sich die Vorschrift seit der Neufassung durch das EGStGB nicht mehr. Hierzu besteht auch kein Anlaß mehr, da § 156 ohnehin nur das gesetzliche Mindestmaß der Freiheitsstrafe androht und nach Art. 11 Abs. 1 EGStGB neben die Freiheitsstrafe die wahlweise Androhung der Geldstrafe t r i t t . 478
F a l s c h e uneidliche Aussage u n d Meineid
§ 158
3. D e r T ä t e r m u ß i n der Absicht h a n d e l n , die Gefahr einer gerichtlichen Bestrafung o d e r einer freiheitsentziehenden Maßregel ( F a s s u n g des E G S t G B ) v o n sich oder einem Angehörigen a b z u w e n d e n . N i c h t ausreichend ist die Gefahr, wegen einer O r d n u n g s w i d r i g k e i t verfolgt z u w e r d e n (vgl. B a y O b L G N J W 1971, 630 sowie Begr. d. Sonderausschusses, S. 13 B T - D r u c k s . 7/1261). Unerheblich ist, ob t a t s ä c h lich die G e f a h r einer gerichtlichen B e s t r a f u n g b e s t e h t . E n t s c h e i d e n d ist die V o r s t e l l u n g d e s T ä t e r s ( B G H 8, 3 0 1 ; h . L . ) . Der Begriff des A n g e h ö r i g e n ist § 11 Abs. 1 N r . 1 zu e n t n e h m e n . 4. Als Vortaten k o m m e n alle s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n in B e t r a c h t , a u c h Aussagedelikte g e m ä ß §§ 153ff. Auf § 157 k a n n sich d a h e r a u c h der b e r u f e n , der in 2. I n s t a n z n u r deshalb a n seiner schon in 1. I n s t a n z g e m a c h t e n falschen Aussage festh ä l t , weil e r f ü r c h t e t , i m Falle einer w a h r h e i t s g e m ä ß e n Aussage wegen seiner falschen Aussage i n 1. I n s t a n z zur V e r a n t w o r t u n g gezogen zu w e r d e n . Dies gilt allerdings n i c h t , w e n n die Voraussetzungen des F o r t s e t z u n g s z u s a m m e n h a n g s gegeben sind. I n diesem Fall m ü ß t e n die Aussagen in 1. u n d 2. I n s t a n z als e i n h e i t l i c h e F a l s c h a u s s a g e gewertet w e r d e n , s o d a ß f ü r §157 kein R a u m bleibt ( B G H [GrSen] 8,319). Ebensowenig k a n n sich auf § 157 b e r u f e n , wer in derselben I n s t a n z eine z u n ä c h s t uneidlich g e m a c h t e Falschaussage n u r deshalb beschwört, weil e r f ü r c h t e t , wegen der uneidlichen Falschaussage b e s t r a f t z u werden. Dies ergibt sich a u s der E r w ä g u n g , d a ß die Falschaussage ihre eigenständige B e d e u t u n g v e r l i e r t , sobald der T ä t e r sie auf seinen E i d n i m m t (vgl. B G H a . a . O . ) . 5. Die Vorschrift findet a u c h d a n n A n w e n d u n g , w e n n der T ä t e r die Zwangslage verschuldet h a t . Beispiel: A sagt als Zeuge falsch aus, weil er b e f ü r c h t e t , bei wahrh e i t s g e m ä ß e n A n g a b e n wegen falscher Anschuldigung zur V e r a n t w o r t u n g gezogen z u w e r d e n (vgl. B G H 7, 332). 6. Die Möglichkeit, die S t r a f e zu mildern oder ganz von S t r a f e abzusehen, bes t e h t g e m ä ß Abs. 2 a u c h f ü r u n e i d l i c h e F a l s c h a u s s a g e n von Eidesunmündigen, d . h . Personen, die zwar das 14., a b e r noch n i c h t das 16. L e b e n s j a h r vollendet h a b e n (vgl. § 60 N r . 1 S t P O ) . § 157 ist hier a b e r n u r zu p r ü f e n , wenn sich n i c h t bereits a u s § 3 J G G ergibt, d a ß der J u g e n d l i c h e m a n g e l s Reife f ü r die T a t s t r a f rechtlich n i c h t v e r a n t w o r t l i c h ist. Wegen einer e i d l i c h e n F a l s c h a u s s a g e eines E i d e s u n m ü n d i g e n siehe § 154 A n m . 7. 7. A n d e r e S t r a f t a t e n , die m i t einer u n t e r d e n Voraussetzungen des § 157 b e g a n g e n e n Falschaussage t a t e i n h e i t l i c h zusammentreffen, z . B . Betrug, B e g ü n s t i g u n g , falsche Anschuldigung, b e h a l t e n ihre eigenständige B e d e u t u n g . Die S t r a f e k a n n n a t ü r l i c h a u c h hier n a c h allgemeinen G r u n d s ä t z e n gemildert werden. Die Möglichkeit, von S t r a f e ganz abzusehen, b e s t e h t dagegen n i c h t . 8. Prozessual b e a c h t e §§ 153b, 465 Abs. 1 S. 2 S t P O .
§ 158 Berichtigung; einer falschen Angrabe (1) Das Gericht kann die Strafe wegen Meineids, falscher Versicherung an Eides Statt oder falscher uneidlicher Aussage nach seinem Ermessen mildern ( § 4 9 Abs. 2) oder von Strafe absehen, wenn der Täter die falsche Angabe rechtzeitig berichtigt. 479
§ 158
Falsche uneidliche Aussage und Meineid
(2) Die Berichtigung ist verspätet, wenn sie bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Tat ein Nachteil für einen anderen entstanden ist oder wenn schon gegen den Täter eine Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet worden ist. (3) Die Berichtigung kann bei der Stelle, der die falsche Angabe gemacht worden ist oder die sie im Verfahren zu prüfen hat, sowie bei einem Gericht, einem Staatsanwalt oder einer Polizeibehörde erfolgen. 1. Die durch das E G S t G B nur redaktionell geänderte Vorschrift enthält einen persönlichen Strafaufhebungs- bzw. Strafmilderungsgrund. Sie bezieht sich auf alle Fälle der §§ 153, 154, 156. Ihre Besonderheit besteht darin, daß der Täter sich durch tätige Reue ausnahmsweise auch noch n a c h V o l l e n d u n g d e s D e l i k t s Straffreiheit verschaffen kann. Blieb die Tat im V e r s u c h s s t a d i u m , so ist nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob der Täter sich mit strafbefreiender Wirkung auf § 24 berufen kann. B e i s p i e l : A bekundet als Zeuge vor dem Schöffengericht bewußt der Wahrheit zuwider, der Angeklagte X habe sich zur Tatzeit in seiner Wohnung aufgehalten, könne also die ihm zur Last gelegte T a t nicht begangen haben. Nachdem er zum Nachsprechen der Eidesformel angesetzt hat, kommen ihm Bedenken. Wenn er nun seine Aussage freiwillig berichtigt, so ist zunächst festzustellen, daß er sich eines versuchten Meineids schuldig gemacht hat, dieser aber gemäß § 24 Abs. 1 straflos bleibt. Eine Bestrafung wegen uneidlicher Falschaussage nach § 153 kann ebenfalls nicht erfolgen, da ein Aussagedelikt in jedem Fall nur der Würdigung unter dem Blickwinkel des § 154 unterliegt, sobald es zum Versuch dieses Verbrechens gekommen ist. 2. Auch Teilnehmer (Anstifter und Gehilfen) können sich auf die Vergünstigungen des § 158 berufen, allerdings nur dann, wenn sie selbst mit Erfolg auf eine rechtzeitige Berichtigung hingewirkt haben. Die Tatsache, daß der Täter die Aussage rechtzeitig berichtigt hat, genügt für sich allein noch nicht, um auch dem Teilnehmer Straffreiheit oder Strafmilderung zu verschaffen. Einzelheiten siehe B G H N J W 1951, 727 und B G H 4, 172. 3. Auf die versuchte Tat ist § 158 nur dann anwendbar, wenn sich die Straffreiheit nicht schon aus § 24 ergibt (BGH 4, 173). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die Aussage zwar rechtzeitig, aber nicht freiwillig berichtigt worden ist (vgl. B G H a . a . O . ; Willms L K 3). 4. Die Berichtigung verlangt eine e i n d e u t i g e u n d a u s d r ü c k l i c h e E r k l ä r u n g . Die unrichtige Darstellung muß in allen nicht völlig nebensächlichen Punkten durch Mitteilung der Wahrheit ersetzt werden. E s genügt daher nicht, daß der Täter seine unrichtige Darstellung nur widerruft oder bei einer späteren Vernehmung sich darauf beschränkt, nach Belehrung gemäß § 55 StPO die weitere Aussage zu verweigern (vgl. B G H 18, 348). Da die Berichtigung mehr ist als ein Widerruf, genügt es auch nicht, daß der Täter sich darauf beschränkt, bei einer erneuten Vernehmung eine richtige Darstellung zu geben. Dies wäre lediglich ein Widerspruch zu der früheren Aussage. E r muß vielmehr eindeutig zu erkennen geben, daß die frühere Aussage falsch war (BGH 21, 115). 5. Die Berichtigung ist verspätet (vgl. Abs. 2), wenn sie a) bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder
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Falsche uneidliche Aussage und Meineid
§ 159
b) bereits ein Nachteil für einen anderen entstanden ist oder c) bereits Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet worden ist. Zu a): Eine r e c h t s k r ä f t i g e Entscheidung ist nicht erforderlich; es muß aber eine Entscheidung ergangen sein, die die jeweilige Instanz abschließt. Zu b): Als N a c h t e i l gilt jede Beeinträchtigung der Rechtsstellung, die über die bloße Verschlechterung der Beweislage hinausgeht (vgl.BGHNJW 1962,2164 mit weit. Nachweisen und Beispielen). Zu o): Ob der Täter w e i ß , daß bereits eine Anzeige gegen ihn vorliegt bzw. daß ein Verfahren gegen ihn eingeleitet ist, ist unerheblich, da es bei § 158 — anders als bei §§ 24, 31 — nicht auf die Freiwilligkeit, sondern nur auf die Rechtzeitigkeit ankommt (vgl. BGH 4, 172, 175; Lackner-Maassen 4; Willms LK 3) 6. Ob das Gericht die Strafe mildert oder ganz von Strafe absieht, steht in seinem Ermessen (vgl. § 49 Abs. 2). 7. Prozessual zu beachten sind §§ 153 b, 465 Abs. 1 Satz 2 StPO.
§ 159
Versuch der Anstiftung; zur Falschaussagre
Für den Versuch der Anstiftung zu einer falschen uneidlichen Aussage (§ 153) und einer falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156) gelten § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 entsprechend. 1. Anliegen der durch das EGStGB dem 2. StrRG angepaßten und bei dieser Gelegenheit neu gefaßten Vorschrift ist es, den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 auf die Vergehenstatbestände der §§ 153, 156 auszudehnen. Die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zum Meineid ergibt sich dagegen unmittelbar aus § 30. Kommt es aufgrund der Einwirkung des Anstifters zu einem Versuch der §§ 153, 156, der jedoch mangels Strafdrohung nicht strafbar ist, so findet § 159 keine Anwendung. § 30 kommt zwar auch dann in Betracht, wenn die Tat im Falle ihrer Ausführung nur zu einem Versuch hätte führen können; dieser Gedanke darf jedoch nicht auf § 159 übertragen werden, da § 30 sich nur auf Verbrechen bezieht, bei denen der Versuch immer strafbar ist, während er bei den §§ 153, 156 nie strafbar ist (BGH 24, 38 m. zust. Anm. Blei J A 1971, StR S. 79; Wiilms LK 2; a.A. Dreher MDR 1971, 410; Lackner-Maassen 3; Schröder JZ 1971, 564). 2. Wie bei § 30 muß auch bei § 159 der Vorsatz des Anstifters darauf gerichtet sein, daß der von ihm Aufgeforderte v o r s ä t z l i c h falsch aussagt bzw. v o r s ä t z l i c h eine falsche Versicherung an Eides Statt abgibt. Hält er die Aussageperson für gutgläubig, so kommt nicht § 159, sondern § 160 in Betracht. 3. B e i s p i e l : Der Angeklagte A fordert seinen Bruder B auf, ihm als Zeuge vor Gericht der Wahrheit zuwider zu bestätigen, er sei zur fraglichen Tatzeit zu Hause gewesen, könne also den ihm zur Last gelegten Diebstahl nicht begangen haben. A weiß, daß B als Angehöriger nicht vereidigt werden wird (vgl. § 61 Nr.2 StPO). Sagt B tatsächlich falsch aus, so ist A wegen Anstiftung zur vorsätzlichen uneidlichen Falschaussage gemäß §§ 153, 26 zu bestrafen. § 159 ist ohne Bedeutung. § 159 kommt jedoch dann in Betracht, wenn B sich entweder weigert, Angaben zu machen (vgl. § 62 StPO), oder wenn er entgegen der Erwartung des A wahre Angaben macht. 31
Preisendanz, StGB, 29. Aufl.
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§ 160
Falsche uneidliche Aussage u n d Meineid
§ 160 Verleitung: z u r Falschaussagre (1) Wer einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; wer einen anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage verleitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. Die Vorschrift bezieht sich nicht n u r auf d e n Meineid, sondern a u c h auf die T a t b e s t ä n d e der §§ 153, 156. Sie ersetzt die fehlende Möglichkeit, m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t a n z u n e h m e n (vgl. B I 6 vor § 1), u n d setzt im Normalfall voraus, d a ß die Aussageperson gutgläubig ist und derjenige, der sie zur Aussage verleitet, dies a u c h weiß. Der Begriff des V e r l e i t e n s ist also — ähnlich wie in § 144 — in aller Regel m i t einer T ä u s c h u n g v e r b u n d e n . Aus d e m neueren Schrifttum siehe insbesond e r e Gallas, Engisch-Festschr. S. 600; H r u s c h k a J Z 1967, 210. B e i s p i e l : A b i t t e t B, i h m als Zeuge vor Gericht zu bestätigen, er sei a m 10. 1. m i t i h m im K i n o gewesen. B k a n n sich zwar nicht m e h r recht erinnern, l ä ß t sich a b e r von A überzeugen u n d sagt vor Gericht d e m e n t s p r e c h e n d aus. I n Wirklichkeit w a r e n A u n d B nicht a m 10. 1., sondern erst a m 11. 1. im Kino, wie A genau w u ß t e . W i r d B auf seine in g u t e m Glauben gemachte, o b j e k t i v falsche Aussage vereidigt, so k o m m t f ü r ihn S t r a f b a r k e i t wegen fahrlässigen Falscheids (§ 163 Abs. 1) in B e t r a c h t ; A ist gemäß § 160 zu b e s t r a f e n . 2. § 160 k o m m t ferner d a n n in B e t r a c h t , w e n n die Aussageperson zwar nicht gutgläubig, d a f ü r a b e r geisteskrank ist u n d der H i n t e r m a n n dies weiß. Hier k ä m e normalerweise m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t in B e t r a c h t . D a a b e r alle Aussagedelikte eigenhändige Delikte sind, m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t somit ausscheidet, k a n n auch dieser Fall n u r d u r c h § 160 e r f a ß t werden (vgl. Schönke-Schröder 1; Mezger-Blei B T 277; sehr bestr., vgl. Gallas a . a . O . ; W ü l m s L K 5). 3. D e r Versuch ist g e m ä ß Abs. 2 u n t e r S t r a f e gestellt. Versuch k o m m t vor allem d a n n in B e t r a c h t , wenn die Aussageperson, die zu einer Falschaussage verleitet werden soll, entweder ü b e r h a u p t nicht v e r n o m m e n wird oder entgegen der Vorstellung des H i n t e r m a n n s richtig aussagt. 4. B e h a n d l u n g der Irrtumsprobleme: a) § 160 k o m m t a u c h d a n n zur A n w e n d u n g , wenn die A u s s a g e p e r s o n e n t gegen der Vorstellung des H i n t e r m a n n s nicht gutgläubig, sondern v o r s ä t z l i c h f a l s c h a u s s a g t , z . B . einen Meineid schwört. A n s t i f t u n g zum Meineid scheidet aus, d a der H i n t e r m a n n nicht den A n s t i f t e r v o r s a t z h a t t e . Die Frage, ob die B e s t r a f u n g wegen A n s t i f t u n g zum Meineid oder g e m ä ß § 160 zu erfolgen h a t , w i r k t sich hier besonders deshalb aus, weil der S t r a f r a h m e n des § 160 f ü r den T ä t e r wesentlich günstiger ist als eine B e s t r a f u n g wegen A n s t i f t u n g z u m Meineid. G e n a u g e n o m m e n ist die vorsätzliche T a t b e g e h u n g seitens der Aussageperson aus der Sicht des H i n t e r m a n n s ein T a t u m s t a n d , f ü r den der H i n t e r m a n n nach allgemeinen Grundsätzen (§ 16) nicht h a f t e t . Anders ist zu entscheiden, wenn der H i n t e r m a n n bei der E i n w i r k u n g auf die Aussageperson d a m i t gerechnet h a t , diese werde die wahre Sachlage erkennen u n d dennoch falsch aussagen. D a n n b e s t ü n d e n keine B e d e n k e n , den H i n t e r m a n n wegen A n s t i f t u n g zum Meineid zu bestrafen. So aber k o m m t n u r § 160 in B e t r a c h t . Verfehlt wäre es auch, wollte m a n d e n H i n t e r m a n n m i t der B e g r ü n d u n g , der T a t b e s t a n d des § 160 sei mangels Gut-
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Falsche uneidliche Aussage u n d Meineid
§ § 161—163
gläubigkeit der Aussageperson n i c h t erfüllt, n u r wegen Versuchs (§§ 160, 23) bes t r a f e n . E i n e derartige B e s t r a f u n g k ö n n t e den o b j e k t i v e n U n r e c h t s g e h a l t d e r T a t n i c h t erfassen. Der H i n t e r m a n n darf d u r c h den U m s t a n d , d a ß die Aussageperson entgegen seiner Vorstellung m e h r g e t a n , nämlich vorsätzlich falsch ausgesagt h a t , nicht schlechter, andererseits auch nicht besser gestellt werden (vgl. B G H 21, 116; Schönke-Schröder 12; Lackner-Maassen A n m . 4; a . A . Maurach B T 698; Dreher 3 ; Gallas, Engisch-Festschr. S. 600 sowie Welzel 534, die n u r Versuch a n n e h m e n ) . b) § 160 k o m m t schließlich a u c h d a n n zur A n w e n d u n g , w e n n die A u s s a g e p e r s o n e n t g e g e n d e r V o r s t e l l u n g d e s H i n t e r m a n n s g u t g l ä u b i g ist. Auch hier scheidet A n s t i f t u n g aus, d a A n s t i f t u n g o h n e vorsätzliche H a u p t t a t begrifflich n i c h t d e n k b a r ist (vgl. § 26). Die B e s t r a f u n g n u r gemäß § 160 ist in diesem Fall jedoch n i c h t geeignet, auch den s u b j e k t i v e n U n r e c h t s g e h a l t der T a t zu erfassen. D e r H i n t e r m a n n wollte m e h r erreichen, als er erreicht h a t : er wollte einen Meineid, nicht n u r einen fahrlässigen oder g a r schuldlosen Falscheid. Bei dieser Sachlage erscheint es geboten, n e b e n § 160 idealkonkurrierend noch wegen versuchter Anstift u n g z u m Meineid (§§ 154, 30) zu b e s t r a f e n . N u r so k ö n n e n sowohl der objektive als a u c h der s u b j e k t i v e Unrechtsgehalt der T a t e r f a ß t werden (vgl. H r u s c h k a J Z 1967, 210; H r u s c h k a / K ä s s e r J u S 1972, 709, 713; sehr Str., vgl. Gallas, Engisch-Festschr. S. 600).
§§
161, 162
[aufgehoben]
§ 163
Fahrlässiger Falscheid; fahrlässig:« falsche Versicherung: an Eides Statt (1) Wenn eine der in §§ 154 bis 156 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen worden ist, so tritt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe ein.
(2) Straflosigkeit tritt ein, wenn der Täter die falsche Angabe rechtzeitig berichtigt. Die Vorschriften des § 158 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend. 1. N u r der fahrlässige Falscheid u n d die fahrlässige falsche Versicherimg a n Eides S t a t t sind s t r a f b a r , nicht a u c h die fahrlässige uneidliche Falschaussage. Seit der E r s e t z u n g des Offenbarungseids d u r c h eidesstattliche Versicherungen s t e h t in der P r a x i s vor allem dieser K o m p l e x im V o r d e r g r u n d . Hierbei ist zu b e a c h t e n , d a ß jeder, d e r eine eidesstattliche Versicherung abgibt, bei A u f t r e t e n etwaiger Zweifel ü b e r die Richtigkeit seiner Angaben verpflichtet ist, i n geeigneter Weise E r k u n d i gungen einzuholen (vgl. K r h e GA 1971, 59). Demgegenüber ist ein Zeuge weder im Strafprozeß noch im Zivilprozeß verpflichtet, sich auf die V e r n e h m u n g besonders vorzubereiten. 2. Die Vorschrift k o m m t a u c h d a n n zur A n w e n d u n g , w e n n u n k l a r bleibt, ob der T ä t e r vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt h a t (vgl. B G H 4, 341; 17, 210). 3. Wegen I d K . m i t § 153 siehe oben § 154 A n m . 5.
31»
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Zehnter Abschnitt: Falsche Verdächtigung (§§ 164f.)
§ 164
Falsche Verdächtigung:
( 1 ) W e r e i n e n anderen bei einer B e h ö r d e oder e i n e m zur E n t g e g e n n a h m e v o n A n z e i g e n z u s t ä n d i g e n A m t s t r ä g e r oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres W i s s e n einer rechtswidrigen Tat oder der Verl e t z u n g einer Dienstpflicht i n der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verf a h r e n oder andere behördliche M a ß n a h m e n g e g e n i h n herbeizuführen oder fortdauern z u lassen, wird m i t Freiheisstrafe bis z u f ü n f J a h r e n oder mit Geldstrafe bestraft. ( 2 ) Ebenso wird bestraft, w e r in gleicher Absicht bei einer der i n A b s a t z 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres W i s s e n eine sonstige B e h a u p t u n g tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche M a ß n a h m e n g e g e n i h n herbeiz u f ü h r e n oder fortdauern z u lassen. 1. Die d u r c h d a s E G S t G B u m g e s t a l t e t e Vorschrift s c h ü t z t z u n ä c h s t — wie § 145d — die staatliche Rechtspflege. D a n e b e n dient sie dem Schutz des einzelnen gegen Mißgriffe irregeleiteter B e h ö r d e n (vgl. B G H 5, 66, 68; 9, 240, 242; h . L.). Die Änder u n g e n d u r c h das EGStGB h a b e n im wesentlichen n u r zu einer technischen Anpass u n g an den Sprachgebrauch u n d die S y s t e m a t i k des 2. S t r R G g e f ü h r t . Von sachlicher B e d e u t u n g ist lediglich die E r s e t z u n g des f r ü h e r e n A u s d r u c k s „ s t r a f b a r e H a n d l u n g " d u r c h den Begriff der „rechtswidrigen H a n d l u n g " (s. u. 5). Die f r ü h e r in Abs. 3 getroffene Regelung (Zurückstellung der E n t s c h e i d u n g über die falsche Anschuldigung, bis das a u f g r u n d der Anschuldigung eingeleitete V e r f a h r e n abgeschlossen ist) findet sich j e t z t in § 154e S t P O . Die ursprünglich im R e g E vorgesehene weitergehende Ä n d e r u n g der Vorschrift (siehe hierzu S. 18, 232 B T — D r u c k s . 7/550 sowie Britsch J Z 1973, 351) w u r d e einer späteren R e f o r m vorbehalten. 2. Die Tathandlung des Abs. 1 b e s t e h t im Verdächtigen. Verdächtigen ist jede H a n d l u n g , d u r c h die der V e r d a c h t einer rechtswidrigen H a n d l u n g erregt oder vers t ä r k t wird. Dies k a n n a u c h d u r c h schlüssiges Verhalten erfolgen, z . B . d u r c h U n terschieben von Belastungsmaterial (vgl. B G H 9, 240) oder d u r c h a n o n y m e Zuleitung gefälschter U r k u n d e n a n eine Behörde. Nicht ausreichend ist dagegen die Weiterleitung einer n i c h t als u n w a h r e r k a n n t e n f r e m d e n V e r d ä c h t i g u n g an die zur P r ü f u n g der in ihr e n t h a l t e n e n V o r w ü r f e zuständige Stelle (vgl. B G H 14, 240, 244). D a der T b . auch durch Unterlassen verwirklicht werden k a n n , b e s t e h t jedoch im l e t z t g e n a n n t e n Fall die Pflicht, alle den V e r d ä c h t i g t e n e n t l a s t e n d e n T a t s a c h e n n a c h deren B e k a n n t w e r d e n unverzüglich der Stelle mitzuteilen, d e r die V e r d ä c h t i g u n g z u g e f ü h r t w u r d e (vgl. B G H a . a . O . 246; H e r d e g e n L K 14). 3. Die V e r d ä c h t i g u n g m u ß sich gegen einen anderen richten. Dieser m u ß z w a r n i c h t n a m e n t l i c h b e n a n n t , aber doch immerhin so genau bezeichnet werden, d a ß er 484
Falsche Verdächtigung
§ 164
identifiziert u n d verfolgt werden k a n n (vgl. B G H 13, 219f.; h . L.). Nicht ausreichend sind Anzeigen gegen Verstorbene (vgl. B G H a . a . O . ; siehe jedoch § 189), Anzeigen gegen U n b e k a n n t sowie Selbstbezichtigungen (siehe jedoch § 145 d). 4. Die V e r d ä c h t i g u n g m u ß falsch, d . h . o b j e k t i v u n w a h r sein. Hierbei ist im einzelnen folgendes zu b e a c h t e n : a) Falsch ist die V e r d ä c h t i g u n g nicht n u r , wenn die b e h a u p t e t e T a t . bzw. Dienstpflichtverletzung ü b e r h a u p t nicht begangen wurde, sondern a u c h d a n n , wenn sie zwar begangen wurde, a b e r nicht von d e m Verdächtigten. b) E n t s c h e i d e n d ist i m m e r , ob sich d a s t a t s ä c h l i c h e Vorbringen des Anzeigers als falsch erweist. Falsche R e c h t s a u s f ü h r u n g e n sowie falsche rechtliche Schlüsse aus richtig vorgetragenen T a t s a c h e n erfüllen dagegen den T b . nicht (vgl. B a y O b L G N J W 1957, 1644; N e u s t a d t GA 1961, 184; K G J R 1963, 351; h. L.). c) Ü b e r t r e i b u n g e n u n d E n t s t e l l u n g e n sind u n w a h r e Verdächtigungen, w e n n sie zu einer rechtlichen W ü r d i g u n g f ü h r e n , d u r c h die der Verdächtigte zu U n r e c h t belastet wird. Dies ist insbesondere d a n n d e r Fall, wenn das Verhalten des Verdächtigten e r s t d u r c h die Ü b e r t r e i b u n g zu einer rechtswidrigen T a t oder Dienstpflichtverletzung wird. Ausreichend ist a b e r auch, wenn das vorgeworfene Verhalten den T b . eines schweren Delikts verwirklicht oder wenn d u r c h die Ü b e r t r e i b u n g zu dem tatsächlich verwirklichten T b . ein weiterer h i n z u t r i t t (vgl. B G H bei Dallinger M D R 1956, 270; Herdegen L K 10; Lackner-Maassen 5). N i c h t ausreichend ist dagegen das u n w a h r e Vorbringen von U m s t ä n d e n , die n u r f ü r die Strafzumessung v o n Bedeut u n g sind (h. L.). 5. Gegenstand der Verdächtigung muß eine rechtswidrige T a t oder eine Dienstpflichtverletzung sein. a) Ü b e r rechtswidrige Tat siehe § 11 Abs. 1 N r . 5 sowie § 145d A n m . 3 a . Seit der N e u f a s s u n g der Vorschrift d u r c h das E G S t G B ist also nicht m e h r erforderlich, d a ß die b e h a u p t e t e T a t nicht n u r t a t b e s t a n d s m ä ß i g und rechtswidrig, sondern a u c h s c h u l d h a f t u n d verfolgbar ist. B e i s p i e l : A bezichtigt den X zu U n r e c h t der Teiln a h m e a n einem L a n d f r i e d e n s b r u c h , der jedoch wegen einer inzwischen in K r a f t getretenen Amnestie nicht m e h r verfolgt werden k a n n . — Die A u s d e h n u n g des Anwendungsbereichs d e r Vorschrift ist vor allem d a n n von B e d e u t u n g , w e n n es d e m T ä t e r d a r u m g e h t , ein V e r f a h r e n herbeizuführen, in d e m Maßregeln der Besserung u n d Sicherung a n g e o r d n e t werden k ö n n e n (vgl. Begr. d . Sonderausschusses, S. 14 B T — D r u c k s . 7/1261). B e i s p i e l : A b e h a u p t e t b e w u ß t wahrheitswidrig, B h a b e den X im Z u s t a n d geistiger U m n a c h t u n g überfallen u n d niedergeschlagen. b) Verletzung der Dienstpflicht ist jedes Verhalten, das disziplinarisch g e a h n d e t werden k a n n (vgl. D r e h e r 1 A b ; H e r d e g e n L K 16; Lackner-Maassen 4 a ) . I n Bet r a c h t k o m m e n insbesondere Verfehlungen von A m t s t r ä g e r n u n d Soldaten, a b e r auch von R e c h t s a n w ä l t e n (RG J W 1936, 1604), Ärzten u n d a n d e r e n Personen, die z u r B e r u f s a u s ü b u n g einer besonderen A p p r o b a t i o n b e d ü r f e n , die in einem berufsgerichtlichen V e r f a h r e n entzogen w e r d e n k a n n (vgl. Lackner-Maassen 4 a ; SchönkeSchröder 10; a. A. Dreher 1 A b ; H e r d e g e n L K 16, die bei Ärzten usw. n u r Abs. 2 anwenden). 6. Adressat der V e r d ä c h t i g u n g k ö n n e n jede Behörde (siehe hierzu § 11 Abs. 1 Nr. 7) sowie jeder zur E n t g e g e n n a h m e von Anzeigen zuständige Amtsträger (vgl. § 158 S t P O ) oder militärische Vorgesetzte sein. D e m gleich s t e h t die öffentliche Verd ä c h t i g u n g (siehe hierzu § 8 0 a A n m . 2 a , § 111 A n m . 2).
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§
164
Falsche Verdächtigung
7. Der Tb. des Abs. 2 erweitert den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Verdächtigungen, die zwar weder eine rechtswidrige Tat noch eine Dienstpflichtverletzung enthalten (sonst Abs. 1), aber dennoch geeignet sind, gegen den Verdächtigten ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Haßnahmen herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. a) Zu den behördlichen Verfahren oder Maßnahmen gehören z.B. Bußgeldverfahren nach dem OWiG (vgl. Herdegen L K 19), vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen zur Entziehung des Personensorgerechts (vgl. BayObLG N J W 1958, 1103) oder zur Anordnung der Fürsorgeerziehung, ferner Verfahren, die zur Entziehung einer Konzession oder Approbation oder zur Unterbringung eines Geistes- oder Suchtkranken führen können. b) Nur Behauptungen tatsächlicher Art erfüllen den Tatbestand. „ B e h a u p t e n " ist enger als „Vermuten" und bedeutet „als wahr hinstellen" (vgl. B G H 14, 240, 243). Die Ausführungen unter Anm. 3, 4 gelten im übrigen entsprechend. 8. Der subj. Tb. erfordert sowohl in Abs. 1 als auch in Abs. 2, daß der Täter a) die Unwahrheit der Verdächtigung bzw. Behauptung kennt („wider besseres Wissen"), während hinsichtlich der übrigen Tb.-Merkmale (bei einer Behörde usw.) bedingter Vorsatz genügt (vgl. Köln N J W 1953, 1843; Braunschweig N J W 1955, 1935; h. L.). Fällt der Verdacht auf eine andere Person als auf diejenige, die der Täter verdächtigen wollte, so bleibt der Vorsatz hiervon unberührt (unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs, vgl. BGH 9, 240, Herdegen L K 28); b) die Absicht verfolgt, ein behördliches Verfahren usw. gegen den Verdächtigen herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Diese Absicht muß nicht das Motiv gewesen sein; direkter Vorsatz genügt (vgl. BGH 13, 219; 18, 204, 206; h. L.). Die tatbestandsmäßige Absicht wird insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, daß es dem Täter darum geht, den Verdacht von sich selbst abzulenken (vgl. RG 69, 173, 175; BayObLG JZ 1960, 707; H a m m N J W 1965, 62; Herdegen LK 30; LacknerMaassen 6 b). Die in diesem Verhalten liegende Selbstbegünstigung kann sich nicht schuldausschließend, sondern allenfalls strafmildernd auswirken. Straflos bleibt der Täter in solchen Fällen nur dann, wenn die Verdächtigung ausschließlich darin besteht, daß der Täter die ihm zur Last gelegte Tat leugnet oder von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht. Diese Rechte muß er auch dann haben, wenn durch ihre Wahrnehmung zwangsläufig ein anderer (mit) verdächtigt wird (vgl. H a m m a.a.O.; Celle N J W 1964, 733). 9. Da § 164 nicht nur die Interessen des zu Unrecht Verdächtigten, sondern auch die staatliche Rechtspflege schützt (s. o. 1), ist die Einwilligung des Verdächtigten unerheblich (BGH 5, 66; h. L.). Dieser macht sich u . U . sogar der Teilnahme schuldig. Auch das Petitionsrecht des Art. 17 GG gibt keinen Freibrief zu falschen Verdächtigungen im Rahmen von Eingaben und Beschwerden (vgl. Herdegen LK 32 m. Nachw.). 10. IdK. ist möglich mit §§153ff., 187, 187a, 239, 257ff., 344; — § 1 4 5 d t r i t t als subsidiär zurück. 11. Prozessual beachte § 154e StPO anstelle der früher in Abs. 3 enthaltenen Regelung (s. o. 1).
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Falsche Verdächtigung
§165
§ 165 Bekanntgabe der Verurteilung: (1) Ist die Tat nach § 164 öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften ( § 1 1 Abs. 3) begangen und wird ihretwegen auf Strafe erkannt, so ist auf Antrag des Verletzten anzuordnen, daß die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung auf Verlangen öffentlich bekanntgemacht wird. Stirbt der Verletzte, so geht das Antragsrecht auf die in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen über. § 77 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. (2) Für die Art der Bekanntmachung gilt § 200 Abs. 2 entsprechend. Die durch das EGStGB neu gefaßte Vorschrift ist zwingendes Recht. Sie findet keine Anwendung, wenn der Verdächtigte in die Verdächtigung eingewilligt hatte (BGH 5, 66).
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Elfter Abschnitt: Straftaten, welche sich auf Religion und Weitab schauung beziehen (§§ 166—168)
§ 166 Beschimpfung: von Bekenntnissen, Religrionsgresellschaften und Weltanschauung'svereinigung'en (1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu diei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. I. Die durch das 1. StrRG neu gefaßte, durch das EGStGB nur redaktionell dem neuen Sprachgebrauch des 2. StrRG angepaßte Vorschrift verzichtet bewußt auf den früheren Tatbestand der G o t t e s l ä s t e r u n g . Hierdurch wird dem Mißverständnis vorgebeugt, Gott könne Gegenstand eines weltlichen Schutzes sein; außerdem werden vor Gericht unnötige Diskussionen über den Gottesbegriff vermieden (Begründung des Sonderausschusses). Die Neufassung der Vorschrift geht davon aus, daß geschütztes Rechtsgut nicht das religiöse Empfinden des einzelnen, sondern der ö f f e n t l i c h e F r i e d e ist, der durch grobe Verletzungen des Toleranzgebots in Form von Beschimpfungen einer Kirche, Religionsgesellschaft, Weltanschauungsvereinigung usw. gefährdet wird. Dies kann auch in der Weise geschehen, daß der von Angehörigen einer solchen Gemeinschaft verehrte Gott beschimpft wird (Begründung des Sonderausschusses). Zum Ganzen siehe auch Zipf N J W 1969, 1944. IT. Die einzelnen Tatbestände: 1. Abs. 1 schützt den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses. a) Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfaßt nicht nur Bekenntnisse kollektiver Natur, d.h. die Bekenntnisse von Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen ; geschützt ist auch das Bekenntnis desjenigen, der sich zu bestimmter Überzeugimg bekennt, aber keine organisatorischen Bindungen eingehen will. b) Die Tathandlung besteht im Beschimpfen des Bekenntnisses. Beschimpfend sind alle abfälligen Äußerungen, die sich durch Form und Inhalt als roh und besonders verletzend darstellen. Der Begriff entspricht in etwa dem Tb.-Merkmal „verunglimpfen" in den §§ 90, 90a und 90b.
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Straftaten, welche sieh auf Religion usw. beziehen
§ 167
c) Die Tat muß unter bestimmten erschwerenden Umständen, nämlich öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften usw., begangen worden sein. Über öffentlich siehe § 80a Anm. 2a. Eine Schrift usw. ist verbreitet, sobald sie einer größeren Anzahl von Personen zugegangen ist. Unerheblich ist, ob diese Personen der Zahl oder dem Namen nach bekannt und bestimmt sind. d) Die Beschimpfung muß geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Dieser Begriff ist bereits aus den §§ 126, 130 bekannt. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, das friedliche Zusammenleben aller Rechtsgenossen zu garantieren, ohne Rücksicht auf die Art ihrer Herkunft sowie ihrer politischen, weltanschaulichen oder religiösen Anschauungen. Die besondere Aufgabe des § 166 besteht darin, die friedliche Koexistenz der verschiedenen Bekenntnisse zu gewährleisten. Hieraus folgt, daß nicht jede beschimpfende Äußerung in der Öffentlichkeit oder durch Verbreiten von Schriften usw. den Tb. erfüllt. Der öffentliche Friede i.S. des § 166 ist vielmehr nur dann gestört, wenn die Äußerung bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls geeignet ist, in bestimmten Kreisen der Bevölkerung, insbesondere bei den durch die Äußerung unmittelbar betroffenen Personen oder Gruppen, das Gefühl aufkommen zu lassen, ihr Bekenntnis werde nicht mehr toleriert. Nicht erforderlich ist, daß tatsächlich ein solches Gefühl der Unsicherheit aufkommt. Es genügt schon die Eignung schlechthin. 2. Abs. 2 schützt die Kirchen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vor Beschimpfung. Die Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der früheren Fassung des § 166 und auch gegenüber dem E 1962 beruht auf der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung von religiösen und weltanschaulichen Bekenntnissen (vgl. Art. 4 I GG) sowie von Religionsgesellschaften und Weltansehauungsvereinigungen (vgl. Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 VII der Weimarer Reichsverfassung). Hinsichtlich der Tathandlung (Beschimpfen) und ihrer Form (öffentlich usw.) sowie ihre Eignung, den öffentlichen Frieden zu gefährden, siehe oben Anm. I I 1. HI. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Täter muß insbesondere auch wissen und billigend in Kauf nehmen, daß seine Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Bei einer unbedachten, impulsiven Äußerung kann dieses Bewußtsein fehlen. IV. Idk. ist möglich mit §§ 167, 167a, 168, 185, 303f.
§ 16V Störung: der Religionsausübung: (1) Wer 1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder 2. an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
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§ 16V
Straftaten, welche sich auf Religion usw. beziehen
I. Die durch das 1. StrRG eingeführte Neufassung verzichtet in Abweichung von der früheren Fassung und entgegen dem Entwurf 1962 bewußt auf eine Strafdrohung für den Fall, daß jemand einen anderen gewaltsam oder durch Androhung eines Übels daran hindert, einen Gottesdienst abzuhalten oder an einem Gottesdienst teilzunehmen. Der Verzicht auf eine besondere Strafdrohung erfolgte mit Rücksicht darauf, daß der strafrechtliche Schutz gegen Nötigungen dieser Art bereits durch andere Straftatbestände, insbesondere durch § 240, hinreichend gewährleistet ist (Begründung des Sonderausschusses in Anlehnung an die Begründung des AE). II. Die einzelnen Tatbestände: 1. Der 1. Alternativtatbestand (Abs. 1 Nr. 1) will den ungestörten Verlauf des Gottesdienstes und einzelner gottesdienstlicher Handlungen gewährleisten. a) Gottesdienst ist die Vereinigung der Mitglieder einer Kirche oder Religionsgesellschaft zur religiösen Erbauung durch Verehrung und Anbetung Gottes nach den Vorschriften, Gebräuchen und Formen ihrer Gemeinschaft (vgl. SchönkeSchröder R n . 2, Dreher 2 A). Gottesdienste einer im Inland nicht bestehenden, d . h . ausländichen Kirche oder Religionsgemeinschaft sind wie im früheren Recht in den Schutz der Vorschrift nicht mit einbezogen, wohl aber Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung (vgl. Abs. 2). Zu den im Inland bestehenden Religionsgesellschaften gehören z.B. die Baptistengemeinde (vgl. RG 31, 237) und die Heilsarmee (vgl. RG 39, 388). Unerheblich ist der Ort, an dem der Gottesdienst abgehalten wird. Nicht nur der Gottesdienst in einer Kirche, sondern auch ein Wald- oder Feldgottesdienst sind geschützt. b) Zu den ebenfalls geschützten gottesdienstlichen Handlungen gehören vor allem Taufe, Trauung und Beerdigung sowie kirchliche Prozessionen, nicht dagegen Andachtsübungen einzelner. Auch bei dieser Tatbestandsalternative ist unerheblich, an welchem Ort die gottesdienstliche Handlung vorgenommen wird (wichtig für Straßen- und Feldprozessionen). c) Die Tathandlung besteht in der groben Störung des Gottesdienstes oder der gottesdienstlichen Handlung. I m Gegensatz zur früheren Fassung ist die Strafbarkeit nicht auf Störungen bestimmter Art beschränkt; erfaßt werden vielmehr Störungen aller Art, insbesondere die schon früher hervorgehobene Erregung von Lärm oder Unordnung. Da nur grobe Störungen den Tatbestand verwirklichen, scheiden unwesentliche Beeinträchtigungen aus. d) Absichtlich handelt, wem es darauf ankommt, den Gottesdienst zu stören. Erfaßt werden soll vor allem der böswillige Störer, der sich aus niedrigen Beweggründen, z.B. aus H a ß oder einer atheistischen Aversion heraus zur T a t hinreißen läßt. Böswillig wäre z.B. eine Demonstration kirchenfeindlicher Gruppen während des Gottesdienstes, um diesen in eine politische Diskussion,,umzufunktionieren". Nicht böswillig wäre dagegen z.B. das Bestreben einer grundsätzlich kirchenfreundlich eingestellten Gemeindegruppe, durch Zwischenrufe während der Predigt eine Diskussion über geforderte Reformen zu erreichen. Entgegen dem Vorschlag des Sonderausschusses wurde der Tb. aber nicht auf böswillige Störungen beschränkt. Der Begriff „absichtlich" geht über „böswillig" hinaus. Er erfaßt auch solche Fälle, in denen der Täter an sich durchaus billigenswerte Ziele erstrebt, dabei aber einen Weg wählt, der von der Allgemeinheit mißbilligt wird. Tatbestandsmäßig kann daher auch das Verhalten der in dem letzten Beispiel erwähnten kirchenfreundlichen Gruppe sein, sofern man die Störung als „grob" bezeichnen muß. Abgrenzungsschwierigkeiten werden sich in diesem Zusammenhang gerade in subj. Hinsicht kaum vermeiden lassen.
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Straftaten, welche sich auf Religion usw. beziehen
§ 167a
e) Die Rechtswidrigkeit kann entfallen durch Notwehr (z.B. bei Erwiderung auf beleidigende Angriffe durch den Geistlichen während dessen Predigt, vgl. R G 21, 168), ferner durch übergesetzlichen Notstand (z.B. wenn der Gottesdienst wegen eines in der Gemeinde ausgebrochenen Brandes gestört wird oder wenn wegen eines Unfalls ein am Gottesdienst teilnehmender Arzt gesucht wird). 2. Der 2. Alternativtatbestand (Abs. 1 Nr. 2) schützt die Stätten des Gottesdienstes vor beschimpfendem Unfug. Die Vorschrift ersetzt den letzten Alternativtatbestand des früheren § 166. a) Wie beim 1. Alternativtatbestand sind nur inländische Religionsgesellschaften geschützt (s.o. l a ) . Örtlich gesehen umfaßt der Schutz vor allem Kirchen, aber auch Kapellen, Betsäle und sonstige Räume, deren ausschließliche, zumindest aber überwiegende Bestimmung darin besteht, dem Gottesdienst zu dienen. Nicht erfaßt werden Orte, die nur einzelnen gottesdienstlichen Handlungen gewidmet oder zu religiösen Versammlungen bestimmt sind. Hier kommt nur § 166 in Betracht (vgl. Begründung zu § 189 E 1962). b) Die Tathandlung besteht im Verüben beschimpfenden Unfugs. Hierher gehört jede Handlung, durch die der Andachtscharakter des Ortes roh herabgewürdigt wird, z.B. durch Verunreinigung oder Verwüstimg, aber auch durch Vornahme sexueller Handlungen (vgl. BGH 9, 140). c) Der subj. Tb. erfordert Vorsatz. Dieser muß sich insbesondere darauf erstrecken, daß die Handlung als rohe Herabwürdigung des Andachtscharakters empfunden wird. Bedingter Vorsatz genügt. m . IdK. ist möglich mit §§ 166, 167 a, 303, 304.
§ 1 6 ? a Störung: einer Bestattungsfeier
Wer eine Bestattungsfeier absichtlich oder wissentlich stört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1. Soweit eine Bestattungsfeier sich als gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft darstellt (Normalfall), fällt ihre absichtliche Störung bereits unter § 167 Abs. 1 Nr. 1. Anliegen des § 167 a ist es, auch weltlichen Bestattungsfeiern strafrechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Außerdem umfaßt der Begriff der Bestattungsfeier nicht nur die Vorgänge, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Beerdigung oder Einäscherung stehen, sondern auch einen Leichenzug oder eine im Trauerhaus abgehaltene Bestattungsfeierlichkeit (Begründung zu § 190 E 1962). 2. Die Tathandlung besteht wie bei § 167 Abs. 1 Nr. 1 in der Störung. Siehe hierzu § 167 Anm. I I l c . 3. Der subjektive Tb. erfordert Vorsatz. Der Täter muß absichtlich oder wissentlich handeln. Absichtlich handelt, wem es darauf ankommt, die Feier zu stören; wissentlich handelt, wer weiß oder als sicher voraussieht, daß die Feier gestört wird (vgl. § 17 E 1962). 4. IdK. ist möglich mit §§ 166, 167, 168, 189.
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§ 168
Straftaten, welche sich auf Religion usw. beziehen
§ 168 Störung: d e r T o t e n r u h e (1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten eine Leiche, Leichenteile oder die Asche eines Verstorbenen wegnimmt, wer daran oder an einer Beisetzungsstätte beschimpfenden Unfug verübt oder wer eine Beisetzungsstätte zerstört oder beschädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 1. Die Vorschrift enthält drei Tatbestände. 2. Der erste Tatbestand stellt die Wegnahme von Leichen, Leichenteilen sowie der Asche eines Verstorbenen ans dem Gewahrsam des Berechtigten unter Strafe. a) Leichen kommen als Tatobjekte nur dann in Betracht, wenn sie nicht in fremdem Eigentum stehen. Wer also eine an die Anatomie überlassene Leiche entwendet, kann sich wegen Diebstahls, nicht aber gemäß § 168 strafbar machen. Zu den Leichenteilen gehören auch Transplantate. b) Wegnahme bedeutet wie beim Diebstahl Gewahrsamsbruch. Nicht hierher gehört daher eine Sektion gegen den Willen der Hinterbliebenen. Dasselbe gilt für die Transplantation von Organen eines im Krankenhaus Verstorbenen (vgl. SchönkeSchröder 5). Stellt sich eine Organtransplantation — ausnahmsweise — als tatbestandsmäßige Wegnahme dar, so dürfte sie in der Regel durch übergesetzlichen Notstand gerechtfertigt sein (vgl. Heinitz, Rechtliche Fragen der Organtransplantation, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft Berlin, Heft 35, S. 25f.). Zum Ganzen siehe auch v. Bubnoff GA 1968, 65; Bockelmann, Das Strafrecht des Arztes, 1968, S. 97 sowie Geilen, Probleme der Organtransplantation, JZ 1971, 41 (zugleich Besprechung des „Gütgemann-Urteils", LG Bonn, JZ 1971, 56ff.). c) Als Berechtigte kommen nicht nur die Hinterbliebenen in Betracht (diese können sogar selbst Täter sein), sondern auch die Polizei, die Krankenhaus- oder Friedhofsverwaltung. 3. Der zweite Tatbestand schützt die im ersten Tatbestand geschützten Leichen usw. sowie die Beisetzungsstätten vor beschimpfendem Unfug. Beispiele: Anbringung nationalsozialistischer Embleme am Grab eines Widerstandskämpfers, Absingen obszöner Lieder bei einer Beerdigung, Abladen von Unrat auf einem Grab usw. 4. Der dritte Tatbestand stellt die Zerstörung oder Beschädigung einer Beisetzungsstätte unter Strafe. Geschützt sind nicht nur der Grabhügel als solcher, sondern auch das Grabmal und die eingepflanzten Gewächse, nicht dagegen die lose aufgelegten Kränze und Blumen. Im letztgenannten Fall kommt jedoch je nach Sachlage Diebstahl oder Sachbeschädigung in Betracht, u.U. auch der zweite Tatbestand des § 168. Das gleiche gilt, wenn jemand auf einem Grab Blumen pflückt, ohne dadurch das Grab als solches zu beschädigen. 5. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. 6. IdK. ist möglich mit §§ 166ff., 304. Ergänzend zu beachten sind die landesrechtlichen Gesetze über das Friedhofs- und Leichenwesen, z.B. in Bad.-Wttbg das BestattungsG vom 21. 7. 1970 (GBl. S. 395ff.).
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Zwölfter Abschnitt: Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie (§§ 169—173)
§
169
Personenstandsfälschung:
( 1 ) W e r ein K i n d unterschiebt oder den Personenstand e i n e s anderen g e genüber einer zur F ü h r u n g v o n Personenstandsbüchern oder zur Feststellung des P e r s o n e n s t a n d e s z u s t ä n d i g e n Behörde f a l s c h angibt oder unterdrückt, wird m i t Freiheitsstrafe bis z u z w e i J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. ( 2 ) D e r Versuch ist strafbar. 1. Die d u r c h das 4. StrRG n e u g e f a ß t e Vorschrift erstreckt sich n u r noch auf solche Manipulationen, d u r c h welche die behördliche Feststellung des P e r s o n e n s t a n d s gef ä h r d e t wird. Falsche A n g a b e n im p r i v a t e n Bereich werden also nicht m e h r e r f a ß t . E i n e weitere K o r r e k t u r bezieht sich auf den S t r a f r a h m e n , der u n t e r gleichzeitiger Beseitigung der S t r a f s c h ä r f u n g bei gewinnsüchtiger Absicht auf eine H ö c h s t s t r a f e von zwei J a h r e n Freiheitsstrafe b e s c h r ä n k t wurde. 2. Der Personenstand ist das f a m i l i e n r e c h t l i c h e V e r h ä l t n i s e i n e r l e b e n d e n Person zu einer a n d e r e n lebenden Person (RG 25, 189; 56, 134), u n d zwar o h n e R ü c k s i c h t d a r a u f , auf welche Weise die rechtlichen Beziehungen z u s t a n d e g e k o m men sind. Die Rechtsbeziehungen k ö n n e n d a h e r sowohl durch die (eheliche oder nichteheliche) A b s t a m m u n g als auch d u r c h Eheschließung, L e g i t i m a t i o n , Adoption oder Ehelichkeitserklärung b e g r ü n d e t worden sein. 3. Die Tathandlung b e s t e h t a) im Unterschieben eines Kindes, d . h . Herstellen eines Z u s t a n d s , der ein K i n d als leibliches K i n d einer F r a u erscheinen läßt, die es n i c h t geboren h a t (z.B. d u r c h Austausch in einer E n t b i n d u n g s s t a t i o n ) ; b) in falschen Angaben über den P e r s o n e n s t a n d eines a n d e r e n gegenüber einer zur F ü h r u n g von P e r s o n e n s t a n d s b ü c h e r n (Familienbuch, G e b u r t e n b u c h , Sterbebuch, vgl. §§ 1 , 1 2 f . P S t G ) zuständigen Behörde. B e i s p i e l e : F r a u A v e r a n l a ß t aus Mitleid, d a ß das nichteheliche K i n d ihrer Hausgehilfin beim Geburtsregister als ihr eigenes K i n d angemeldet wird (vgl. R G 36, 137). — O d e r : Die ledige Hausangestellte H b e n e n n t b e w u ß t wahrheitswidrig den X als V a t e r ihres Kindes (vgl. R G 72, 114). —• O d e r : Todeserklärung einer Person, die in Wirklichkeit noch lebt (OLG Kassel N J W 1949, 518); c) in der Unterdrückung des Personenstands, d . h . w e n n ein Z u s t a n d herbeigeführt wird, der verhindert oder wenigstens erschwert, d a ß das wirkliche familienrechtliche Verhältnis einer Person zur Geltung k o m m t (RG 77, 51ff.). B e i s p i e l : Die A beschwört im Unterhaltsprozeß ihres nichtehelichen K i n d e s gegen ihren f r ü h e r e n F r e u n d F b e w u ß t der W a h r h e i t zuwider, sie habe n u r m i t F Verkehr g e h a b t (vgl. R G a . a . O . ) . H a t t e die A w ä h r e n d der Empfängniszeit Mehrverkehr, so m ü ß t e die
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§ § I V O — I V O b S t r a f t a t e n gegen den P e r s o n e n s t a n d usw. F r a g e n a c h der V a t e r s c h a f t u n g e k l ä r t bleiben. Die U n a u f k l ä r b a r k e i t der Vaters c h a f t wäre d a n n der wahre P e r s o n e n s t a n d . Dieser wird d u r c h das Verschweigen dea Mehrverkehrs u n t e r d r ü c k t . — Auch die A u s s e t z u n g eines Kindes sowie die Unterlassung der gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungen stellen eine E r s c h w e r u n g der behördlichen Feststellungen u n d d a m i t eine U n t e r d r ü c k u n g des P e r s o n e n s t a n d s d a r (vgl. S. 11 d. B T - D r u c k s . VI/1552). — E i n e U n t e r d r ü c k u n g des P e r s o n e n s t a n d s k a n n schließlich a u c h d a r i n gesehen werden, d a ß die M u t t e r eines nichtehelichen K i n d e s wahrheitswidrig b e h a u p t e t , den Erzeuger nicht zu kennen oder m i t mehr e r e n M ä n n e r n Verkehr g e h a b t zu h a b e n (vgl. R G 41, 304; 70, 19). 4. Keine strafbare Handlung liegt vor, a) wenn ein in der E h e geborenes, jedoch nicht v o n dem E h e m a n n s t a m m e n d e s K i n d als ehelich angemeldet wird (vgl. Ber. S. 11 der B T - D r u c k s . VI/3521). Dies folgt aus der E r w ä g u n g , d a ß das K i n d g e m ä ß §§ 1591, 1593 B G B als ehelich gilt u n d keine Pflicht zur A n f e c h t u n g der Ehelichkeit b e s t e h t ; b) wenn der von der M u t t e r eines nichtehelichen K i n d e s als Erzeuger b e n a n n t e M a n n wahrheitswidrig die V a t e r s c h a f t a n e r k e n n t (vgl. Ber. S. 11 a . a . O . u n t e r B e z u g n a h m e auf die k o n s t i t u t i v e B e d e u t u n g der A n e r k e n n u n g ; ebenso LacknerMaassen 3 b ; die in R G 70, 237 u n d von der h . L . f r ü h e r v e r t r e t e n e Gegenansicht ist d u r c h die Neufassung des R e c h t s der nichtehelichen A b s t a m m u n g ü b e r h o l t ) ; c) wenn die K i n d e s m u t t e r sich weigert, den Erzeuger zu n e n n e n (vgl. Ber. S. 12 a . a . O . ) oder wenn sie in d e m v o m J u g e n d a m t als Pfleger des Kindes (siehe hierzu § 1706 B G B ) angestrengten Zivilrechtsstreit zur Feststellung der V a t e r s c h a f t von ihrem sich aus § 383 Abs. 1 Z P O ergebenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. 5. S u b j e k t i v ist Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt. D e r Vorsatz m u ß d a r a u f gerichtet sein, die w a h r e n Verhältnisse falsch darzustellen oder zu v e r d u n k e l n . D a s M o t i v i s t u n e r h e b l i c h . Vorsatz liegt d a h e r a u c h d a n n vor, wenn es z . B . der M u t t e r eines nichtehelichen K i n d e s n u r d a r u m geht, d e n U n t e r h a l t f ü r ihr K i n d zu sichern oder d a s blutschänderische Verhältnis zu ihrem V a t e r zu verschleiern (vgl. R G 70, 18; Schönke-Schröder R n . 12; M a u r a c h B T 410; u n k l a r R G 72, 114; 77, 52). 6. I d K . ist möglich m i t §§ 153ff., 271, 263.
§
lTO,
§
l ? O b
1 7 0 a
[Ehebetrug, Verschleuderung der F a m i l i e n h a b e ; aufgehoben d u r c h das 4. S t r R G , vgl. S. 12 der B T - D r u c k s . VI/1552]
Verletzung: der
Unterhaltspflicht
W e r sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, s o daß der L e b e n s bedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder o h n e die H i l f e anderer gefährdet w ä r e , wird m i t Freiheitsstrafe bis z u drei J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. Die Neufassung der Vorschrift d u r c h d a s 4. StrRG b r a c h t e in sachlicher H i n s i c h t folgende Ä n d e r u n g e n gegenüber der f r ü h e r e n Rechtslage: Die Strafobergrenze wurde v o n f ü n f auf drei J a h r e h e r a b g e s e t z t ; a u ß e r d e m w u r d e die in der P r a x i s ohnehin
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S t r a f t a t e n gegen den Personenstand usw.
§ IVOb
bedeutungslose S t r a f b a r k e i t des Versuchs aufgehoben. Die übrigen Änderungen brachten lediglich eine sprachliche Vereinfachung ohne sachliche Änderungen. 1. E i n e gesetzliche Unterhaltspflicht besteht a) gegenüber dem E h e g a t t e n , u n d zwar auch d a n n , wenn die E h e geschieden ist (vgl. §§ 1359ff. BGB, 58ff. EheG); b) gegenüber allen V e r w a n d t e n i n g e r a d e r L i n i e (Eltern, Großeltern, K i n der, Enkel), vgl. §§ 1601 ff. B G B ; c) gegenüber dem n i c h t e h e l i c h e n K i n d , sobald die Vaterschaft durch Anerkennung (vgl. §§ 1600 b ff. BGB) oder durch gerichtliche Entscheidung (vgl. § 1600n BGB) festgestellt ist oder einstweilige Anordnungen gemäß § 1615 o B G B oder §§ 641 d ff. ZPO getroffen worden sind (vgl. Lackner-Maassen 3 b); d) bei der sogenannten S c h e i n v a t e r s c h a f t , d . h . bei der nicht auf blutmäßiger A b s t a m m u n g beruhenden Unterhaltspflicht des Ehemanns, der die Ehelichkeit eines von ihm nicht gezeugten, aber in der E h e geborenen Kindes nicht oder erfolglos angefochten h a t (vgl. § 1591 B G B sowie B G H 12, 166; B a y O b L G N J W 1961 1415); e) gegenüber dem A d o p t i v k i n d (vgl. § 1766 B G B ; B G H 12, 172). 2. Eine Bindung des Strafrichters an vorausgegangene U r t e i l e i m Z i v i l p r o z e ß t r i t t nach h . A . n u r bei sogenannten S t a t u s u r t e i l e n ein, d . h . Urteilen, die rechtsgestaltende Wirkungen haben (vgl. §§ 640, 644 ZPO), n i c h t dagegen bei U n t e r h a l t s u r t e i l e n . Der Strafrichter ist daher grundsätzlich nicht gehindert, das Bestehen einer Unterhaltspflicht zu verneinen, obwohl der Angeklagte im Zivilprozeß rechtskräftig zur Unterhaltszahlung verurteilt worden ist (BGH 5, 106) ; umgekehrt kann er die Unterhaltspflicht bejahen, obwohl der U n t e r h a l t s a n s p r u c h rechtskräftig abgewiesen wurde (Stgt N J W 1960, 2204; L K 9). Besonderheiten gelten f ü r die Unterhaltspflicht gegenüber n i c h t e h e l i c h e n Kindern. Sowohl die Anerkennung als auch die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft stehen seit der Neuregelung der Materie in den §§ 1600a ff. B G B durch das NichtEhelKG einem Statusurteil, a n das der Strafrichter gebunden ist, gleich (vgl. Stgt N J W 1973, 2305; Heimann-Trosien L K 12f.). Keine Bindungswirkung besteht jedoch in den Fällen, in denen sich die Unterhaltspflicht zivilrechtlich lediglich aus einer einstweiligen Verfügung oder Anordnung gemäß den §§ 1615 o B G B u n d 641 d Z P O ergibt (vgl. Heimann-Trosien L K 14; Lackner-Maassen 2a). 3. Die größte Schwierigkeit bietet in der Praxis die Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Die meisten Beschuldigten wenden ein, sie seien u n t e r Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen ohne Gefährdung ihres eigenen U n t e r h a l t s nicht in der Lage gewesen, ihrer Unterhaltspflicht nachzukommen. Hierbei ist im einzelnen folgendes zu beachten: a) Der T a t b e s t a n d ist schon dann erfüllt, wenn der Beschuldigte bei gutem Willen wenigstens t e i l w e i s e in der Lage gewesen wäre, seiner Unterhaltspflicht nachz u k o m m e n , ohne seine eigene Existenz zu gefährden. b) Der Beschuldigte ist v e r p f l i c h t e t , s e i n e A r b e i t s k r a f t z w e c k m ä ß i g e i n z u s e t z e n u n d jede ihm z u m u t b a r e Arbeit anzunehmen. Auch ein B e r u f s o d e r A r b e i t s p l a t z W e c h s e l , der die Leistungsfähigkeit erhöht, ist grundsätzlich z u m u t b a r (vgl. OLG Celle N J W 1971, 718 sowie h . L . , vgl. Schönke-Schröder 16). E s gibt selbstverständlich auch Ausnahmen. So ist es z . B . dem erwachsenen Sohn eines Landwirts, der allein den ererbten elterlichen Hof bewirtschaftet, nicht ohne
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§ 170 b
S t r a f t a t e n gegen d e n P e r s o n e n s t a n d u s w .
weiteres z u m u t b a r , den Hof aufzugeben u n d einer unselbständigen Tätigkeit n a c h zugehen (vgl. Ddf J M B 1 N R W 1964, 166; Schönke-Schröder R n . 16). Andererseits ist jeder Berufswechsel zu vermeiden, der die Leistungsfähigkeit auf n i c h t n u r v o r ü b e r g e h e n d e Zeit b e e i n t r ä c h t i g t (vgl. Stgt J R 1963, 29). c) Sind mehrere Unterhaltsberechtigte v o r h a n d e n , so richtet sich die R a n g f o l g e n a c h d e m Zivilrecht, insbesondere den §§ 1609 Abs. 1 B G B u n d 850 d Abs. 2 Z P O . D e r f r ü h e r bestehende V o r r a n g der ehelichen gegenüber den nichtehelichen K i n d e r n ist d u r c h das N i c h t E h e l K G beseitigt worden. 4. Die T a t h a n d l u n g b e s t e h t darin, d a ß der Unterhaltspflichtige sich seiner U n t e r h a l t s p f l i c h t entzieht. E i n Sichentziehen liegt vor allem d a n n vor, w e n n d e r T ä t e r bei bestehender Leistungsfähigkeit nicht zahlt, seinen g u t bezahlten A r b e i t s p l a t z a u f g i b t oder ständig d e n A r b e i t s p l a t z w e c h s e l t , u m sich drohenden L o h n p f ä n d u n g e n zu entziehen. Der T a t b e s t a n d ist a b e r auch d a n n erfüllt, wenn der Unterhaltspflichtige seine z u k ü n f t i g e L e i s t u n g s u n f ä h i g k e i t v o r s ä t z l i c h h e r b e i f ü h r t , z . B . wenn er einen aufwendigen L e b e n s w a n d e l f ü h r t , d e m Glücksspiel f r ö n t u n d seinen Beruf immer m e h r vernachlässigt (vgl. B G H 14, 165). Die (eheliche oder nichteheliche) M u t t e r erfüllt ihre gesetzliche Unterhaltspflicht bereits d a d u r c h , d a ß sie die K i n d e r b e t r e u t u n d versorgt. E i n e Verletzung d e r Unterhaltspflicht k o m m t f ü r sie vor allem d a n n in B e t r a c h t , wenn sie den von ihr g e f ü h r t e n H a u s h a l t im Stich läßt, ohne in a n d e r e r Weise z u m U n t e r h a l t der K i n d e r beizutragen (vgl. H a m m N J W 1964, 2316; Schönke-Schröder 13f.; a . A . K r h e N J W 1973, 108: n u r die Unterlassung einer U n t e r h a l t s z a h l u n g , die d u r c h Geldrente zu erbringen ist, erfüllt den Tb., nicht auch die Verletzung anderer familienrechtlicher Fürsorge- u n d Betreuungspflichten; zw.), oder wenn sie ihre K i n d e r in ein H e i m gibt, ohne sich u m die finanzielle Seite der U n t e r b r i n g u n g zu k ü m m e r n (vgl. Heimann-Trosien L K 25). 5. Der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten m u ß ohne die Hilfe anderer gefährdet sein. Der in der P r a x i s wichtigste, seit der Neufassung d u r c h das 4. S t r R G allerdings nicht m e h r ausdrücklich hervorgehobene Fall ist die U n t e r s t ü t z u n g des U n t e r haltsberechtigten d u r c h das J u g e n d a m t oder andere öffentliche I n s t i t u t i o n e n . E i n „ a n d e r e r " i.S. der Vorschrift ist auch die (eheliche oder nichteheliche) M u t t e r , die über ihren Anteil hinaus f ü r den Lebensbedarf a u f k o m m t . Keine G e f ä h r d u n g ist gegeben, wenn der U n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e ü b e r e i g e n e , a u s r e i c h e n d e E i n k ü n f t e v e r f ü g t . I n diesem Fall h a t die Verletzung n u r zivilrechtliche, n i c h t aber s t r a f r e c h t l i c h e B e d e u t u n g . Eigene E i n k ü n f t e sind n u r d a n n a u ß e r B e t r a c h t zu lassen, wenn d e r U n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e — insbesondere in den Fällen, in denen das Ausbleiben der Leistungen des Unterhaltspflichtigen ihn dazu zwingt — u n t e r A u f b i e t u n g aller K r ä f t e über das z u m u t b a r e Maß h i n a u s a r b e i t e t (vgl. § 58 E h e G sowie B a y O b L G F a m R Z 1962, 120). 6. L e b t ein unterhaltsberechtigtes Kind in der DDR, so richtet sich die U n t e r haltspflicht des n i c h t e h e l i c h e n V a t e r s in entsprechender A n w e n d u n g von A r t . 21 E G B G B n a c h den d o r t geltenden Gesetzen, wenn die K i n d e s m u t t e r z.Z. der G e b u r t des K i n d e s d o r t ihren gewöhnlichen A u f e n t h a l t h a t t e (vgl. B a y O b L G J R 1966, 2 2 6 = N J W 1966,1173 m . weit. Nachw.). D a auch in der D D R die U n t e r h a l t s a n s p r ü c h e des nichtehelichen K i n d e s denen des ehelichen K i n d e s angeglichen sind, richtet sich die U n t e r h a l t s p f l i c h t des Vaters ausschließlich n a c h seiner L e i s t u n g s f ä h i g k e i t , wobei nach der R s p r . der D D R - G e r i c h t e die beiden Eiternteile nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig h a f t e n ( B a y O b L G a . a . O . ) . I n d e r Regel
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S t r a f t a t e n gegen den Personenstand usw.
§§ lTOc,
1 7 0 d
e r f ü l l t die n i c h t e h e l i c h e M u t t e r i h r e n A n t e i l a n d e r U n t e r h a l t s p f l i c h t (wie bei ehelichen K i n d e r n ) d a d u r c h , d a ß sie die P f l e g e u n d E r z i e h u n g d e s K i n d e s ü b e r n i m m t . J e n a c h i h r e n w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n k a n n sie a b e r d a r ü b e r h i n a u s n o c h zu G e l d l e i s t u n g e n v e r p f l i c h t e t sein, w a s sich z u g u n s t e n d e s n i c h t e h e l i c h e n V a t e r s a u s w i r k t . I s t d e r u n t e r h a l t s p f l i c h t i g e V a t e r n i c h t in d e r L a g e , d e n U n t e r h a l t o h n e G e f ä h r d u n g seines e i g e n e n s t a n d e s g e m ä ß e n ( = a n g e m e s s e n e n ) U n t e r h a l t s z u leisten, so ist § 1603 B G B a n z u w e n d e n , u n d z w a r a u c h die g e s t e i g e r t e U n t e r h a l t s p f l i c h t d e s A b s . 2 (vgl. B a y O b L G a . a . O . ) . 7. S u b j e k t i v ist Vorsatz e r f o r d e r l i c h ; b e d i n g t e r V o r s a t z g e n ü g t . D e r T ä t e r m u ß die U m s t ä n d e k e n n e n , die seine U . - P f l i c h t b e g r ü n d e n , z u m i n d e s t a b e r m i t i h r e m Vorliegen r e c h n e n . E r m u ß a u ß e r d e m wissen, d a ß er in d e r L a g e ist, seiner U . P f l i c h t z u m i n d e s t teilweise n a c h z u k o m m e n . D e r V o r s a t z e n t f ä l l t d a h e r , w e n n d e r T ä t e r infolge F a h r l ä s s i g k e i t k e i n e M ö g l i c h k e i t s i e h t , wie er seiner U . - P f l i c h t n a c h k o m m e n k a n n , z. B . d u r c h B e r u f s - o d e r A r b e i t s p l a t z w e c h s e l . D a g e g e n b l e i b t d e r V o r s a t z u n b e r ü h r t , w e n n d e r T ä t e r irrig g l a u b t , eine Ä n d e r u n g seiner L e b e n s f ü h r u n g , i n s b e s o n d e r e ein B e r u f s - o d e r A r b e i t s p l a t z w e c h s e l , sei n i c h t z u m u t b a r . I m m e r wieder tragen rechtskräftig zur Unterhaltszahlung verurteilte Beschuld i g t e i m S t r a f v e r f a h r e n z u i h r e r V e r t e i d i g u n g v o r , sie seien g a r n i c h t d e r V a t e r d e s u n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e n K i n d e s . D i e s e r E i n w a n d ist bei e h e l i c h e n K i n d e r n u n e r heblich, solange die Ehelichkeit nicht m i t Erfolg angefochten ist; er l ä ß t den Vors a t z n i c h t e n t f a l l e n . D i e s e r g i b t sich a u s d e r E r w ä g u n g , d a ß d i e gesetzliche U n t e r h a l t s p f l i c h t b e r e i t s d u r c h d i e T a t s a c h e b e g r ü n d e t w i r d , d a ß d a s K i n d in d e r E h e g e b o r e n w u r d e (s.o. A n m . l d ) . E n t s p r e c h e n d z u b e u r t e i l e n ist die R e c h t s l a g e bei n i c h t e h e l i c h e n K i n d e r n , bei d e n e n sich die V a t e r s c h a f t des B e s c h u l d i g t e n a u s einer A n e r k e n n u n g o d e r g e r i c h t l i c h e n F e s t s t e l l u n g e r g i b t (s. o. A n m . 2). I n diesen F ä l l e n ist die E i n h o l u n g eines e r b b i o l o g i s c h e n G u t a c h t e n s w e d e r e r f o r d e r l i c h n o c h zulässig (vgl. H a m m N J W 1973, 2306). 8. Konkurrenzen: W e r sich seiner gesetzlichen U . - P f l i c h t g e g e n ü b e r m e h r e r e n , n i c h t z u s a m m e n l e b e n d e n U n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e n e n t z i e h t , b e g e h t m e h r e r e selbs t ä n d i g e H a n d l u n g e n i . S . v o n § 53 (vgl. B G H 18, 376). I d K . ist m ö g l i c h m i t §§ 170 d .
§
l T O c
[Verlassen S c h w a n g e r e r ; a u f g e h o b e n d u r c h d a s 4. S t r R G ]
§
l V O d
Verletzung: der Fürsorge- oder
Erziehungrspfliclit
W e r s e i n e F ü r s o r g e - oder E r z i e h u n g s p f l i c h t g e g e n ü b e r e i n e r P e r s o n u n t e r s e c h z e h n J a h r e n g r ö b l i c h v e r l e t z t u n d d a d u r c h d e n S c h u t z b e f o h l e n e n i n die Gefahr bringt, i n seiner körperlichen oder psychischen E n t w i c k l u n g erheblich geschädigt z u werden, einen kriminellen Lebenswandel z u f ü h r e n oder der P r o s t i t u t i o n n a c h z u g e h e n , w i r d m i t F r e i h e i t s s t r a f e bis z u drei J a h r e n oder m i t Geldstrafe bestraft. 1. Geschütztes Rechtsgut d e r d u r c h d a s 4. StrRG n e u g e f a ß t e n V o r s c h r i f t ist die normale Entwicklung v o n K i n d e r n u n d Jugendlichen, wobei d a s Schutzalter von 14 a u f 16 J a h r e h e r a u f g e s e t z t w u r d e . D e r E i n t r i t t einer n a c h w e i s b a r e n F e h l e n t w i c k l u n g ist n i c h t e r f o r d e r l i c h . E s h a n d e l t sich s o m i t u m ein abstraktes Gefährdungsdelikt. A u s d e n Gesetzesmaterialien siehe i n s b e s o n d e r e d e n R e g i e r u n g s e n t w u r f (BTD r u c k s . V I / 1 5 5 2 ) u n d d e n s c h r i f t l i c h e n B e r i c h t (Ber.) des S o n d e r a u s s c h u s s e s f ü r die Strafrechtsreform (BT-Drucks. VI/3521). 32 Preisendanz, StGB, 29. Aufl.
497
§ 171
S t r a f t a t e n gegen den P e r s o n e n s t a n d usw.
2. Als Täter k o m m e n insbesondere die E l t e r n des K i n d e s bzw. Jugendlichen in B e t r a c h t , a u ß e r d e m Adoptiv- u n d Pflegeeltern, ferner Heimleiter u n d V e r a n s t a l t e r v o n Ferienlagern (vgl. Ber. S. 15), n i c h t jedoch K i n d e r m ä d c h e n oder sonstige P e r s o n e n , denen d a s K i n d bzw. der Jugendliche n u r vorübergehend a n v e r t r a u t ist. 3. Die T a t h a n d l u n g b e s t e h t in einer gröblichen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht. „Gröblich" ist die Verletzung insbesondere, wenn sie v o n längerer D a u e r ist oder systematisch betrieben wird. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen k a n n sich a u c h eine einmalige Verfehlung als „gröblich" d a r stellen (vgl. Ber. S. 16). 4. Tatfolge m u ß die Gefahr einer erheblichen Entwicklungsschädigung sein. a) Die G e f a h r einer Schädigung der k ö r p e r l i c h e n E n t w i c k l u n g b e s t e h t insbesondere, wenn das K i n d bzw. der Jugendliche längere Zeit u n t e r schlechten hygienischen Voraussetzungen in primitiven U n t e r k ü n f t e n leben m u ß , wenn es a n der erforderlichen N a h r u n g fehlt, wenn K r a n k h e i t e n nicht b e h a n d e l t werden oder die Gefahr einer I n f e k t i o n d u r c h ansteckende K r a n k h e i t e n b e s t e h t (vgl. Ber. S. 15). b) Die G e f a h r einer Schädigung der p s y c h i s c h e n E n t w i c k l u n g besteht, w e n n d a s K i n d bzw. der Jugendliche einer ständigen oder außergewöhnlichen seelischen B e l a s t u n g ausgesetzt wird, z . B . d u r c h ständigen oder häufigen K o n t a k t m i t kriminellen oder asozialen E l e m e n t e n oder d a d u r c h , d a ß eine F r a u im selben Zimmer, in d e m ihre 13jährige T o c h t e r schläft, s t ä n d i g m i t verschiedenen Männern d e n Geschlechtsverkehr a u s ü b t (vgl. B G H 3, 56); a u c h ständige Isolierung von der U m welt k a n n zu psychischen S t ö r u n g e n f ü h r e n (vgl. Ber. S. 15). c) Die G e f a h r eines k r i m i n e l l e n L e b e n s w a n d e l s oder des Abgleitens in die P r o s t i t u t i o n d ü r f t e in vielen Fällen die Folge einer psychischen Fehlentwicklung sein, setzt eine solche a b e r nicht v o r a u s (vgl. Ber. S. 16). D u r c h die Einbeziehung des Schutzes vor krimineller Verwahrlosung schließt § 170d zumindest teilweise die Lücke, die d u r c h die gleichzeitige A u f h e b u n g des § 143 e n t s t a n d e n ist. Die G e f a h r des Abgleitens in einen kriminellen Lebenswandel ist vor allem d a n n gegeben, wenn der Jugendliche sich häufig in Zuhälter- oder Hehlerkreisen oder in der Drogenszene a u f h ä l t . 5. Der s u b j . T b . e r f o r d e r t Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. D e r T ä t e r m u ß insbesondere die U m s t ä n d e kennen (oder m i t ihrem Vorliegen rechnen), a u s denen sich die G e f a h r einer Fehlentwicklung ergibt. E r m u ß sich a u ß e r d e m dieser Gefahren b e w u ß t sein. Die falsche B e w e r t u n g , insbesondere die U n t e r b e w e r t u n g der Gefahren, b e r ü h r t dagegen nicht den Vorsatz, sondern n u r das U n r e c h t s b e w u ß t s e i n . E n t g e g e n der f r ü h e r e n Rechtslage ist auch nicht m e h r erforderlich, d a ß der T ä t e r gewissenlos h a n d e l t . 6. Konkurrenzen: D a der T b . keine Subsidiaritätsklausel m e h r e n t h ä l t , b e s t e h t die Möglichkeit der Tateinheit m i t den §§ 223ff., aber a u c h m i t §§ 222, 230, f e r n e r m i t Beihilfe zu solchen S t r a f t a t e n , die der Jugendliche m i t Wissen des E r ziehungsberechtigten begeht. E r g i b t sich die G e f ä h r d u n g erst aus einer Mehrzahl v o n H a n d l u n g e n , so stellt deren Gesamtheit eine einheitliche S t r a f t a t d a r ( B G H 8,92).
§ 191 Doppelehe Wer eine Ehe schließt, obwohl er verheiratet ist, oder wer mit einem Verheirateten eine Ehe schließt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
498
Straftaten gegen den Personenstand usw.
§ § 173,
173
1. Die Neufassung der Vorschrift durch das 4. StrRG brachte eine wesentliche Einschränkung des Strafrahmens (die Tat ist jetzt nur noch Vergehen) unter gleichzeitiger Aufhebung der Strafbarkeit des Versuchs; außerdem wurde früher die in Abs. 3 enthaltene Sonderregelung für die Verjährung, wonach der Beginn der Verjährung bis zur Auflösung oder Nichtigerklärung einer der beiden bigamischen Ehen aufgehoben wurde, ersatzlos gestrichen. Die übrigen Änderungen brachten nur eine sprachliche Vereinfachung. Geschütztes Bechtsgut ist die staatliche Eheordnung, die auf dem Grundsatz der Monogamie beruht (vgl. § 5 EheG). Aus den Gesetzesmaterialien siehe besonders den Regierungsentwurf (BT-Drucks. VI/1552) sowie den schriftlichen Bericht (Ber.) des Sonderausschusses f ü r die Strafrechtsreform (BT-Drucks. VI/3521). 2. Verheiratet ist, wer in einer formell gültigen Ehe lebt, solange diese weder durch Tod oder Scheidung aufgelöst noch rechtskräftig für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist. Formell gültig ist die Ehe, wenn sie unter Beachtung des § 11 EheG geschlossen wurde. Auf den materiellen Bestand der Ehe kommt es nicht an. Über Nichtigkeit der Ehe siehe §§ 16ff. EheG, über Aufhebung der Ehe §§ 28ff. EheG, über Scheidung §§ 41ff. EheG. B e s o n d e r h e i t e n sind zu beachten bei einer Wiederverheiratung im Falle der Todeserklärung eines früheren Ehegatten (siehe hierzu § 38 Abs. 2 EheG), bei Ausländerehen im Ausland (siehe hierzu Art. 11 EGBGB), aber auch im Inland (siehe hierzu Art. 13 Abs. 3 EGBGB und § 15a EheG) sowie f ü r die Ehe eines Deutschen im Ausland (siehe hierzu das Ges. v. 4. 5. 1870 i.d.F. vom 14. 5. 1936, RGBl. I 447). 3. Die Tathandlung besteht im Sehließen einer neuen, formell gültigen Ehe zu einem Zeitpunkt, zu dem die frühere Ehe noch besteht. Da die Vorschrift kein Dauerdelikt, sondern ein sog. Zustandsdelikt enthält (nur die Herstellung, nicht auch die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands ist mit Strafe bedroht), ist das Führen der bigamischen oder polygamischen Ehe als solches nicht strafbar. Vollendet ist die Tat mir dem Zustandekommen einer formell gültigen Ehe (siehe hierzu § 11 EheG sowie oben 2). Der Versuch ist seit der Neufassung der Vorschrift durch das 4. StrRG nicht mehr strafbar. 4. Der subj. Tb. erfordert Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt (vgl. Ber. S. 17). 5. F ü r Teilnehmer findet § 28 Abs. 1 keine Anwendung, da der Unrechtsgehalt der Tat nicht durch besondere persönliche Merkmale, sondern durch den Verstoß gegen die staatliche Eheordnung begründet wird (vgl. Lackner-Maassen 7; a.A. Dreher 2 B; Heimann-Trosien L K 8). 6. IdK. ist möglich mit §§ 156, 169, 271. § 173
[Ehebruch; aufgehoben durch das 1. StrRG]
§ 173
Beischlaf zwischen Verwandten
(1) Wer mit einem Verwandten absteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer mit einem Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso werden Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen. 32*
499
§
193
S t r a f t a t e n gegen d e n P e r s o n e n s t a n d usw.
( 3 ) Verwandte absteigender Linie u n d Geschwister w e r d e n nicht n a c h dieser Vorschrift bestraft, w e n n sie zur Zeit der Tat n o c h nicht a c h t z e h n Jahre alt w a r e n . 1. Die N e u f a s s u n g der Vorschrift d u r c h das 4. StrRG b r a c h t e zunächst f ü r den a m Inzest beteiligten V e r w a n d t e n aufsteigender Linie (Vater, G r o ß v a t e r usw.) eine wesentliche E r m ä ß i g u n g des S t r a f r a h m e n s (die T a t ist j e t z t n u r noch ein Vergehen). A u ß e r d e m w u r d e die S t r a f b a r k e i t des Inzests u n t e r Verschwägerten ersatzlos beseitigt. A u s d e n Gesetzesmaterialien siehe besonders den Regierungsentwurf (BT-Drucks. VT/1552), d e n schriftlichen Bericht (Ber.) des Sonderausschusses f ü r die Strafrechtsreform (BT-Drucks. VI/3521) sowie die Protokolle ü b e r die B e r a t u n g e n des Sonderausschusses u n t e r besonderer Berücksichtigung des SachverständigenH e a r i n g s a m 23., 24. u n d 25. 11. 1970 (Prot. V I S. 844ff.). Geschütztes Rechtsgut ist der d u r c h A r t . 6 GG g a r a n t i e r t e Schutz v o n E h e u n d Familie. N a c h d e n vorliegenden wissenschaftlichen U n t e r s u c h u n g e n b e d e u t e n Inzestbeziehungen in der Regel eine schwere B e l a s t u n g f ü r die Familie. Sie f ü h r e n a u ß e r d e m o f t , vor allem bei d e m jüngeren I n z e s t p a r t n e r , zu erheblichen psychischen Störungen (vgl. B T - D r u c k s . VI/1552 S. 14 sowie Ber. V I S. 17 u n t e r B e z u g n a h m e auf die Ergebnisse des Sachverständigen-Hearings). H i n z u k o m m t die n a c h den Ergebnissen der wissenschaftlichen F o r s c h u n g außerordentlich große Gefahr, d a ß K i n d e r , die aus einer Inzestbeziehung hervorgegangen sind, infolge der e r h ö h t e n Möglichkeit der S u m m i e r u n g rezessiver E r b a n l a g e n eine ä u ß e r s t ungünstige E n t wicklung n e h m e n u n d d a d u r c h die Familie noch weiter belasten. Mit R ü c k s i c h t auf ihren S c h u t z g e d a n k e n w u r d e die Vorschrift aus d e m 13. A b s c h n i t t des S t G B herausg e n o m m e n u n d systematisch k o n s e q u e n t d e m 12. A b s c h n i t t zugeordnet. 2. Die S t r a f d r o h u n g des Abs. 1 richtet sich gegen Verwandte aufsteigender Linie (sog. Aszendenten). Sie ist höher als die des Abs. 2, weil das Gesetz d a v o n ausgeht, dnß die I n i t i a t i v e in der Regel von d e m älteren I n z e s t p a r t n e r ausgeht u n d dieser a u c h in erster Linie die V e r a n t w o r t u n g f ü r die Beziehungen zu t r a g e n h a t . N a c h den vorliegenden wissenschaftlichen U n t e r s u c h u n g e n ist der weitaus häufigste Fall des Inzests der Beischlaf des 30-bis 40jährigenVaters m i t der 13-bis 17jährigen Tochter (vgl. Ber. V I S. 17). Unerheblich ist, ob die V e r w a n d t s c h a f t auf einer ehelichen oder einer nichtehelichen A b s t a m m u n g b e r u h t . E n t s c h e i d e n d ist allein die Blutsverwandtschaft. 3. Beischlaf ist die Vereinigung der Geschlechtsorgane in d e r Weise, d a ß das m ä n n l i c h e Glied mindestens teilweise in die Scheide eingedrungen ist ( B G H 16, 175; h . L . ) . Unerheblich ist, ob es dabei z u m Samenerguß g e k o m m e n ist. A n d e r e sexuelle H a n d l u n g e n fallen n i c h t u n t e r d e n Anwendungsbereich der Vorschrift, k ö n n e n aber g e m ä ß §§ 174, 175, 176 s t r a f b a r sein. Der Versuch ist seit der Neuf a s s u n g der Vorschrift d u r c h das 4. S t r R G n i c h t m e h r s t r a f b a r . 4. Die S t r a f d r o h u n g des Abs. 2 richtet sich gegen Verwandte absteigender Linie (sog. Deszendenten) u n d Geschwister. Zu den Geschwistern gehören a u c h die sog. Halbgeschwister (Geschwister, die n u r e i n e n Elternteil gemeinsam h a b e n ) . N i c h t m e h r e r f a ß t w i r d der Beischlaf zwischen Verschwägerten a u f - u n d absteigender Linie (z.B. zwischen Schwiegervater u n d Schwiegertochter oder zwischen Stiefv a t e r u n d Stieftochter). N i c h t hierher g e h ö r t schließlich d e r Beischlaf zwischen V e r w a n d t e n in d e r Seitenlinie v o m 3. G r a d a b (z.B. zwischen Onkel u n d N i c h t e oder zwischen V e t t e r u n d Base). 5. D e r auf der subj. Tatseite erforderliche Vorsatz m u ß sich auf die tatsächlichen b l u t s m ä ß i g e n A b s t a m m u n g s v e r h ä l t n i s s e beziehen, wobei bedingter Vorsatz g e n ü g t .
500
S t r a f t a t e n gegen den P e r s o n e n s t a n d usw.
§
173
N i c h t vorsätzlich h a n d e l t z . B . ein V a t e r , der irrig a n n i m m t , seine Tochter e n t s t a m m e einer vorehelichen oder außerehelichen Beziehung seiner F r a u zu einem anderen Mann. 6. Abs. 3 b r i n g t f ü r I n z e s t p a r t n e r u n t e r 18 J a h r e n einen persönlichen S t r a f a u s schließungsgrund, der auf der E r w ä g u n g b e r u h t , n a c h A u f d e c k u n g des belastenden Inzestverhältnisses von d e m Jugendlichen jede zusätzliche B e l a s t u n g f e r n z u h a l t e n (vgl. Ber. V I S. 18). 7. F ü r Teilnehmer ist § 28 Abs. 1 zu b e a c h t e n (vgl. Lackner-Maassen 7 m . weit. Nachw.). 8. I d K . ist möglich m i t §§ 170d, 174, 176, 177.
501
Dreizehnter Abschnitt: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§174—184c) Vorbemerkungen: 1. Der 13. Abschnitt, der f r ü h e r die Überschrift „Verbrechen u n d Vergehen wider die Sittlichkeit" t r u g , f a ß t eine Reihe von heterogenen T a t b e s t ä n d e n z u s a m m e n , die es schwer m a c h t e n , eine neue gemeinsame Ü b e r s c h r i f t zu finden (vgl. Ber. S. 19 der B T - D r u c k s . VI/3521 u n d S. 5 der B T - D r u c k s . 7/514). Alle n e u e n Vorschriften h a b e n gemeinsam, d a ß sie sich d a r a u f beschränken, u n t e r Berücksichtigung des in den letzten J a h r e n — tatsächlich oder vermeintlich — vollzogenen Wandels in den sittlichen A n s c h a u u n g e n der Allgemeinheit n u r noch solche Verhaltensweisen u n t e r S t r a f e zu stellen, die nach den Ergebnissen der wissenschaftlichen F o r s c h u n g als wirklich sozialschädlich angesehen werden. 2. Hinsichtlich des Aufbaus u n d der Reihenfolge der einzelnen T a t b e s t ä n d e h a t sich der Gesetzgeber u n g e a c h t e t verschiedener kritischer S t i m m e n (vgl. Ber. S. 19 der B T - D r u c k s . VI/3521) im wesentlichen a n das f r ü h e r geltende R e c h t a n g e l e h n t , obwohl die einzelnen T a t b e s t ä n d e teilweise r e c h t erheblich u m g e s t a l t e t w u r d e n . Die §§ 174—174b verfolgen d a s Anliegen, d e n sexuellen Mißbrauch b e s t i m m t e r Autoritätsverhältnisse zu v e r h i n d e r n (lediglich in § 174 Abs. 1 N r . 1 u n d N r . 3 w u r d e auf eine Mißbrauchsklausel verzichtet), § 175 regelt die S t r a f b a r k e i t d e r H o m o s e x u a l i t ä t , die jetzt n u r noch u n t e r d e m Gesichtspunkt des J u g e n d s c h u t z e s verfolgt wird, § 176 s c h ü t z t e n t s p r e c h e n d der f r ü h e r in § 176 Nr. 3 getroffenen Regelung K i n d e r bis z u m 14. L e b e n s j a h r vor v e r f r ü h t e r K o n f r o n t a t i o n m i t d e r Sexualität, die §§ 177—179 schützen die sexuelle Selbstbestimmung gegen Gewalt usw., die §§ 180—181a, die als das K e r n s t ü c k der R e f o r m bezeichnet werden (vgl. Ber. S. 2 der B T - D r u c k s . VI/3521), bringen eine u m f a s s e n d e Neuregelung der S t r a f v o r s c h r i f t e n über Kuppelei, P r o s t i t u t i o n u n d Zuhälterei; 182 b e h a n d e l t wie bisher die V e r f ü h r u n g Minderjähriger, die §§ 183,183a bringen eine Neuregelung des Exhibitionismus, § 184 regelt m i t der Pornographie einen der bis zuletzt am meisten u m s t r i t t e n e n Komplexe, in den §§ 184a, 1 8 4 b werden b e s t i m m t e Auswüchse der P r o s t i t u t i o n e r f a ß t , § 184 c schließlich b r i n g t eine Legaldefinition des Begriffs der sexuellen H a n d l u n g e n , d e r d e n f r ü h e r verwendeten Begriff der U n z u c h t a b löst. 3. A u s den Gesetzesmaterialien siehe insbesondere den 1970 vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. VI/1552), den noch in der 6. Legislaturperiode vorgelegten schriftlichen Bericht (Ber. VI) des Sonderausschusses f ü r die S t r a f r e c h t s r e f o r m (BT-Drucks. VI/3521), der d u r c h die vorzeitige Auflösung des B u n d e s t a g s im P l e n u m nicht m e h r in 2. u n d 3. Lesung b e h a n d e l t werden konnte, jedoch zur Grundlage des in der 7. Legislaturperiode von d e n F r a k t i o n e n der S P D u n d F D P neu eingebrachten Gesetzentwurfs w u r d e (BT-Drucks. 7/80), u n d schließlich den a m 7. 5. 1973 vorgelegten Bericht (Ber. V I I ) des Sonderausschusses f ü r die S t r a f r e c h t s r e f o r m (BT-Drucks. 7/514) sowie die Protokolle ü b e r die B e r a t u n g e n dieses Ausschusses in der 6. u n d 7. Legislaturperiode (Prot. V I bzw. P r o t . V I I ) u n t e r besonderer Berücksichtigung des a m 23.—25. 11. 1970 d u r c h g e f ü h r t e n Sachverständigen-Hearings (Prot. V I S. 843ff.).
502
S t r a f t a t e n gegen die sexuelle Selbstbestimmung
§ 1V4
Aus d e m Schrifttum z u r R e f o r m der Sexualdelikte siehe insbesondere das Guta c h t e n von H a n a c k z u m 47. D e u t s e h e n J u r i s t e n t a g i n N ü r n b e r g (1968); ferner B o c k e l m a n n , Z u r R e f o r m d e s Sexualstrafrechts, M a u r a c h - F e s t s c h r i f t , S. 391; Dreher, Die Neuregelung des S e x u a l s t r a f r e c h t s eine geglückte R e f o r m ? , J R 1974, 45; Eser, D i e S e x u a l i t ä t in d e r S t r a f r e c h t s r e f o r m , J u r A 1970, 218; H a n a c k , Die R e f o r m des S e x u a l s t r a f r e c h t s u n d der Familiendelikte, N J W 1974, 1; Kohlhaas, E m p f i e h l t es sich, die Grenzen des S e x u a l s t r a f r e c h t s n e u zu bestimmen?, D R i Z 1968, 281; Schroeder, Die S t r a f t a t e n gegen die sexuelle Selbstbestimmung n a c h d e m E n t w u r f eines 4. S t r R G , Z R P 1971, 14; — ders.; Systematische Stellung u n d R e c h t s g u t der S e x u a l s t r a f t a t e n n a c h dem 4. S t r R G , Welzel-Festschr., 1974, S. 859; — Wahle, Z u r R e f o r m des Sexualstrafrechts, 1969.
§ 174 Sexueller mißbrauch von Schutzbefohlenen (1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, 2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Mißbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienstoder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder 3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten Kind oder Adoptivkind vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt oder 2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens des Schutzbefohlenen das Unrecht der Tat gering ist. 1. Die d u r c h das 4. S t r R G neu g e f a ß t e Vorschrift dient dem Schutz Jugendlicher gegen sexuellen Mißbrauch in b e s t i m m t e n Abhängigkeitsverhältnissen. Sie berücksichtigt die wissenschaftlich gesicherte E r k e n n t n i s , d a ß Jugendliche häufig nicht reif, e r f a h r e n , selbstbewußt oder sicher genug sind, u m sich etwaigen sexuellen W ü n s c h e n ihrer d u r c h ihre Position überlegenen E l t e r n , Erzieher, Ausbilder oder Betreuer z u widersetzen, was häufig z u psychischen Konfliktsituationen f ü h r e n k a n n (vgl. Ber. V I S. 20). Ü b e r die Gesetzesgeschichte u n d die Gesetzesmaterialien siehe Vorbem. 1—3. 2. Die einzelnen Gruppen der Schutzbefohlenen. a) Zu Abs. 1 Nr. 1: Jugendliche unter 16 Jahren, die j e m a n d e m zur Erziehung, Ausbildung oder B e t r e u u n g a n v e r t r a u t sind, w e r d e n im R a h m e n dieses besonderen Lebensbereichs uneingeschränkt geschützt.
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§ 174
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
aa) In sachlicher Übereinstimmung mit der früheren Rechtslage (siehe hierzu vor allem BGH 13, 352ff., 22, 315) geht das Gesetz davon aus, daß die Vornahme sexueller Handlungen an oder vor Jugendlichen unter 16 Jahren im Rahmen der hier in Frage stehenden Lebensbereiche schlechthin einen Mißbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses darstellt, ohne daß es einer besonderen Mißbrauchsklausel bedarf. Der Täter kann sich demnach nicht darauf berufen, er habe seine Stellung als Vater, Lehrer usw. nicht ausgenutzt, sondern der Jugendliche habe freiwillig mitgemacht oder sogar den Anstoß zu den sexuellen Handlungen gegeben (vgl. Ber. VI S. 21). Ist letzteres allerdings tatsächlich der Fall, so kann unter Umständen ein Absehen von Strafe gemäß Abs. 4 in Betracht kommen. B e i s p i e l : eine 15jährige Schülerin verführt auf dem Landheim einen 25jährigen Referendar. bb) Die Umschreibung der von sexuellen Handlungen schlechthin freizuhaltenden Lebensbereiche knüpft im wesentlichen an das frühere Recht an. Die Jugendlichen müssen dem Täter zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung anvertraut sein. Durch die neu aufgenommene Formulierung „in der Lebensführung" wurde in sachlicher Übereinstimmung mit der Rspr. zu § 174 Nr. 1 a . F . klargestellt, daß ein B e t r e u u n g s v e r h ä l t n i s (hierzu gehört auch das nicht mehr ausdrücklich erwähnte Aufsichtsverhältnis) nur dann relevant ist, wenn sich der Betreuer f ü r die Lebensführung, die sittliche Haltung und die geistige Entwicklung des Jugendlichen verantwortlich fühlen muß (vgl. Ber. VI S. 21). Dasselbe gilt auch für die A u s b i l d u n g s v e r h ä l t n i s s e (vgl. Ber. a . a . O . sowie B G H 21, 196, 199 zu § 174 Nr. 1 a.F.). Ein Unterordnungsverhältnis, das rein von der Sacher her begründet ist (z.B. die Einweisung in eine mechanische Tätigkeit an einer Maschine), reicht für sich allein nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß das Verhältnis der Über- und Unterordnimg über die rein sachlichen Beziehungen hinaus in den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich eingreift. Hierbei sind immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend. So kann z . B . ein minderjähriger Fahrschüler seinem F a h r l e h r e r zur Ausbildung anvertraut sein, wenn der Fahrlehrer über den eigentlichen Unterricht hinaus die Pflicht zu einer gewissen Obhut für den ihm anvertrauten Fahrschüler h a t (BGH a.a.O. unter Ablehnung der zu engen Entscheidung OLG Stgt N J W 1961, 2171). Zum Ganzen siehe auch Seibert N J W 1962, 61 und Lackner J R 1968, 190 ff. Als Täter kommen in B e t r a c h t : a) E l t e r n , A d o p t i v - und P f l e g e e l t e r n , der V o r m u n d ; S t i e f e l t e r n n u r dann, wenn sie sich wie leibliche Eltern um Erziehung und Ausbildung des Kindes kümmern;
ß ) L e h r e r , G e i s t l i c h e , H e i m l e i t e r , soweit sie eine geistige und sittliche Überordnung über den Schüler haben. Diese Voraussetzungen liegen i . d . R . auch bei einem P r i v a t l e h r e r vor (vgl. BGH 1 StR 562/64 — U r t . v. 2. 2. 1965), z.B. einem Klavierlehrer, oder einem Studenten, der Nachhilfeunterricht gibt, nur ausnahmsweise jedoch bei einem Fahrlehrer (s. o. vor a); y) L e h r m e i s t e r (u.U. auch Rechtsanwälte gegenüber ihren Lehrlingen, B G H 8, 278);