Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens in China: Unter Berücksichtigung des § 266 StGB im deutschen Recht [1 ed.] 9783428535460, 9783428135462

In den letzten Jahren hat eine Reihe von Wirtschaftsskandalen, in denen Aktiengesellschaften aufgrund von fehlerhaften o

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Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens in China: Unter Berücksichtigung des § 266 StGB im deutschen Recht [1 ed.]
 9783428535460, 9783428135462

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Schriften zum Strafrecht Heft 224

Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens in China Unter Berücksichtigung des § 266 StGB im deutschen Recht

Von

Jiaru Liu

Duncker & Humblot · Berlin

JIARU LIU

Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens in China

Schriften zum Strafrecht Heft 224

Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens in China Unter Berücksichtigung des § 266 StGB im deutschen Recht

Von

Jiaru Liu

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13546-2 (Print) ISBN 978-3-428-53546-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83546-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten daher ausschließlich bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Meinen besonderen Dank möchte ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp, aussprechen, der mir in zahlreichen Gesprächen nicht nur konstruktive und wertvolle Vorschläge, sondern auch stets neuen Anstoß zum Durch- und Weiterdenken gegeben hat. Ohne seine geduldige und wohlwollende Betreuung wäre die Erstellung dieser Arbeit nicht denkbar gewesen. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Gerhard Dannecker für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank schulde ich auch Frau Milena Charnitzky für die sorgfältige Korrektur des Manuskripts und Frau Claudia Hess für die tatkräftige Mithilfe, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für die finanzielle Förderung der Arbeit aus Mitteln des Auswärtigen Amtes sowie dem DAAD und dem Deutsch-Chinesischen Rechtsinstitut in Nanjing, VR China. Schließlich gilt mein ganz persönlicher Dank Herrn Martin Strehle für seine Unterstützung und Ermutigungen während der gesamten Dauer der Arbeit. Gewidmet ist diese Arbeit in Dankbarkeit meinen Eltern. .

Heidelberg, im Februar 2011

Jiaru Liu

Inhaltsðbersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Notwendige Vorkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Einleitung: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Entwicklung der Aktiengesellschaft in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Die Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG wegen pflichtwidrigen Verhaltens in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder einer AG in China . . . . . . . . . . . 45 III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht und Treuepflicht durch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen bezüglich treuwidriger Handlungen der Organmitglieder im geltenden chinesischen Strafrecht und die Reformdiskussion im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Reformbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Kritische Bewertung der Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

8

Inhaltsðbersicht

E. Rechtsvergleichende Betrachtung – Die Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens im deutschen Recht . . . . . . . . . 194 I. Aktueller Zustand der Untreuenorm im deutschen Recht zur Bekämpfung des treuwidrigen Verhaltens von Organmitgliedern zulasten der Aktiengesellschaft . . . 194 II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG wegen treuwidrigen Verhaltens gemäß § 266 DStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 F. Eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Strafrecht als unverzichtbares Kontrollinstrument gegen treuwidrige Handlungen der Organmitglieder zu Lasten der Gesellschaft im künftigen chinesischen Recht . 278 II. Konkreter Reformvorschlag zur Schaffung einer Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Notwendige Vorkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Einleitung: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Entwicklung der Aktiengesellschaft in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Ausgangspunkt: Das Verschwinden der AG in China seit den 50er Jahren . . . 30 2. Anlass zur Entstehung der AG in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Ineffizienz und dauerhafter Verlust der Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . 32 b) Zum Sichern der politischen Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Entstehung und Entwicklung der chinesischen Aktiengesellschaften seit den 80er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Entstehung der chinesischen Aktiengesellschaft seit den 80er Jahren bis zum Ende der 90er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Neue Entwicklung der AG seit 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Anteilsstruktur der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. „Vermögensrechte“ der chinesischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Allgemein zum Eigentumsrecht der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Probleme des Eigentumsrechts der Aktiengesellschaft in China . . . . . . . . . 38 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Die Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG wegen pflichtwidrigen Verhaltens in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Ausgang: Principal-Agent-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Das zweistufige Prüfungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

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Inhaltsverzeichnis II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder einer AG in China . . . . . . . . 45 1. Gesetzliche Organfunktionen innerhalb der chinesischen AG . . . . . . . . . . . . . 46 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Funktion der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Funktion des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 aa) Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Amtsbefugnisse der Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 cc) Sonderprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (1) Funktion des Vorstandsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (2) Funktion der unabhängigen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 55 d) Funktion des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Amtsbefugnisse des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 cc) Sonderproblem: Kompetenzkonflikte zwischen dem Aufsichtsrat und den unabhängigen Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Gesellschaftsrechtliche Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Eigenschaften der Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder im chinesischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Die jüngere Geschichte der Treue- und Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Zentralisierte Treuepflichtnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Abstraktheit der Treue- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Treuepflichten der Organmitglieder (Zhongshi Yiwu) . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Definition und wesentliche Merkmale der Treuepflichten . . . . . . . . . . 65 bb) Entwicklung der Treuepflicht im chinesischen Recht . . . . . . . . . . . . . . 66 cc) Geltende Gesetzeslage der Treuepflicht im GeG 2005 . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Allgemeine Treuepflichtregelung: § 148 des GeG 2005 . . . . . . . . . 69 (2) Einzeltreuepflichten: § 149 des GeG 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (Zhuyi Yiwu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Definition und wesentliche Merkmale der Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . 70 bb) Entwicklung der Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht . . . . . . . . . . . 71 cc) Geltende Gesetzeslage zur Sorgfaltspflicht im GeG 2005: § 148 des GeG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) Probleme der Treue- und Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht . . . . . . . . 73 aa) Verhältnis zwischen Treue- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Die Berechtigten der Treue- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Die zur Treue- und Sorgfaltspflicht Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Die unabhängigen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Bezüglich der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht und Treuepflicht durch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Strafnormen aus dem Gesellschaftsgesetz (Fushu Xingfa) . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Sonderstrafgesetze (Danxing Xingfa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Eigenschaften strafrechtlicher Normen in China bezüglich der Pflichtverletzung durch Organmitglieder einer AG . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Hinsichtlich des Gesellschaftsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Hinsichtlich des sozialistischen Charakters des chinesischen Strafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Hinsichtlich der Straftatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Objekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die objektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Subjekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die subjektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zweck der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 96 96 96 97 98 99 99 99

b) Die einzelnen treu- und sorgfaltspflichtverletzenden Straftaten im chinesischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) § 169 Abs. 2 CStGB – Untreuedelikt, das die Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft benachteiligt (Beixin sunhai shangshigongsi liyizui) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte des § 169 Abs. 2 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . (3) Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs. 2 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Objektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Typische strafbare Handlungen des § 169 Abs. 2 CStGB . (a) Unentgeltliche Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen an fremde Einheiten oder Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 103 104 108 108 109 109

109

12

Inhaltsverzeichnis (b) Unter eindeutig unfairer Bedingung erfolgende Vergabe oder Annahme von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen der Gesellschaft . (c) Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen an Einheiten oder Individuen, welche offenkundig rückzahlungsunfähig sind . . . . . . . (d) Gewährung von Bürgschaften für fremde Einheiten oder Individuen, welche offenkundig rückzahlungsunfähig sind, sowie Gewährung von Bürgschaften für fremde Einheiten oder Individuen ohne gerechtfertigte Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Verzicht auf Forderungen oder Schuldübernahme ohne gerechtfertigte Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . (cc) Gravierender Vermögensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Subjekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Subjektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Problematik des § 169 Abs. 2 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einverständnis der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sorgfaltspflicht der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110

111

111 112 112 112 113 113 114 114 116

cc) § 165 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Tatbestandsmerkmale des § 165 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objekt der Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Objektive Seite der Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unter Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten . . . . . . . . . (bb) Betreiben von gleichartigen Geschäften für sich selbst oder für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gleichartige Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Betreiben für sich selbst oder für Dritte . . . . . . . . . . . (cc) Rechtswidrige Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Subjekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Subjektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sonderproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 119 119 119 119 120 120 120 120 122 122 124 124 124

dd) § 166 CStGB – das widerrechtliche Streben nach Vorteilen für Verwandte und Freunde (weiqinyou feifa mou li zui) . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatbestandsmerkmale des § 166 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objekt der Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Objektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Drei Arten der strafbaren Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . .

126 126 127 127 127 127 127

Inhaltsverzeichnis (a) Übertragung einer gewinnbringenden Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einkaufen zu eindeutig überteuerten Preisen oder Verkäufe zu eindeutig unterhalb des Marktwertes liegenden Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mangelhafte Waren einkaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Begriffe „Verwandte“ und „Freunde“ im § 166 CStGB . . (dd) Gravierende Vermögensverluste für die staatlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Subjekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Subjektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) § 169 Abs. 1 CStGB (staatliches Vermögen zu privaten Zwecken unter Wert in Anteile umrechnen oder veräußern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte des § 169 Abs. 1 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verhältnis des ersten zum zweiten Absatz des § 169 CStGB . . . . . (4) Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs. 1 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die zwei Tathandlungen im § 169 Abs. 1 CStGB – Unter-Wert-Umrechnung in Anteile oder Unter-Wert-Verkaufen – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Gravierender Verlust des Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) § 272 CStGB – zweckfremde Nutzung von Geldmitteln . . . . . . . . . . . (1) Entstehungsgeschichte des § 272 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Straftatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objekte der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Objektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Subjekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Subjektive Seite der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Problematik der zweckfremden Verwendung von Gesellschaftsmitteln im Namen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . gg) § 167 CStGB – wegen gravierender Unverantwortlichkeit beim Abschluss oder der Erfüllung betrügerisch zustande gekommener Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehung des § 167 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Objektive Seite der Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Schwerwiegende Unverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Gravierender Verlust für den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Subjekt der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis hh) § 168 CStGB – Unverantwortliche Amtsführung durch die Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, Unternehmen und institutioneller Einheiten – sowie Missbrauch der Amtsbefugnisse durch Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, Unternehmen und institutioneller Einheiten . . . . . . . . . . (1) Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte des § 168 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen bezüglich treuwidriger Handlungen der Organmitglieder im geltenden chinesischen Strafrecht und die Reformdiskussion im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Reformbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Die gemeinsame strafrechtliche Problematik der Strafnormen gegen treuwidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Unzureichender strafrechtlicher Schutz der nicht staatseigenen Gesellschaften gegen vermögensschädigendes treuwidriges Verhalten der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Ausgangspunkt: Koexistenz der Einteilung der Unternehmen nach der Eigentumsform und nach der Rechtsform in der chinesischen Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Gravierender Vermögensverlust des Staats seit der Wirtschaftsreform bis zum Jahr 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Wirtschaftspraxis vor dem Jahr 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (2) Wirtschaftspraxis nach 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Die Reformnotwendigkeit unter Berücksichtigung der chinesischen Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungsrechtliche Grundlagen für den privilegierten strafrechtlichen Schutz des staatseigenen Unternehmens im CStGB 1997 . . . (2) Verfassungsänderungen seit dem Jahr 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verfassungsänderungen im Jahr 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfassungsänderung im Jahr 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Auswirkungen auf den strafrechtlichen Schutz des Gesellschaftsvermögens vor treuwidrigem Verhalten der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Reformbedürfnis zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von nicht staatseigenen Gesellschaften . . . . . . . (bb) Sonderproblem – Diskussion zum verfassungsrechtlich gleichen Schutz der staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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(a) Auseinandersetzung bezüglich der Abschaffung des unterschiedlichen gesetzlichen Schutzes staatseigener und nicht staatseigner Unternehmen im chinesischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Hinsichtlich der empirischen und kasuistischen Technik der Gesetzgebung 164 aa) Empirische Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Kasuistische Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Hinsichtlich des Strafmaßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Unangemessen strenge Strafandrohung bei treuwidrigem Verhalten . . 170 bb) Festlegung des (besonders) gravierenden Vermögensverlusts . . . . . . . . 172 2. Auf das geltende chinesische Gesellschaftsgesetz bezogene Problematik . . . . 175 a) Die sich aus der Modifikation des GeG Chinas seit dem Jahr 1997 ergebenden Probleme der §§ 165 – 169 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Überflüssigkeit einzelner Strafnormen wegen des Wegfalls der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichtnormen . . . . . . . . . 177 b) Die sich aus der begrifflichen Unklarheit der gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen der Organmitglieder in §§ 165 – 169 CStGB ergebende Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Probleme bezüglich des Verhältnisses zwischen Treuepflicht und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Die Gläubiger der Treue- und Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Probleme bezüglich der Treue- und Sorgfaltspflicht unabhängiger Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Zwischenergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Erster Reformvorschlag: Beibehaltung der einschlägigen Strafnormen mit einigen inhaltlichen Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Ausgang: Gegen die Schaffung einer Untreuestrafnorm im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Gesellschaftsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Abschaffung des unterschiedlichen strafrechtlichen Schutzes bei staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) Erweiterung der tauglichen Täterkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Änderung des Taterfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Verminderung der Strafandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

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Inhaltsverzeichnis 2. Zweiter Reformvorschlag: Schaffung einer Untreuenorm . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Streitfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Unklarheit über das Verhältnis zwischen der Untreuestrafnorm und den vorhandenen treuwidrigen Strafnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 bb) Unklarheit bei der Schaffung eines allgemeinen Untreuetatbestands oder eines Sonderorganuntreuetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Kritische Bewertung der Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Ablehnung des Reformvorschlages mit Beibehaltung der einschlägigen Strafnormen als künftiger Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Problem des Reformvorschlags zur Schaffung einer Untreuenorm . . . . . . . . . 191

E. Rechtsvergleichende Betrachtung – Die Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens im deutschen Recht . . . . . . . . . 194 I. Aktueller Zustand der Untreuenorm im deutschen Recht zur Bekämpfung des treuwidrigen Verhaltens von Organmitgliedern zulasten der Aktiengesellschaft . 194 II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG wegen treuwidrigen Verhaltens gemäß § 266 DStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Ausgangspunkt: Verhältnis zwischen Untreuetatbestand und Zivilrecht . . . . . 197 a) Allgemeines Verhältnis des Strafrechts zu den außerstrafrechtlichen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Auswirkung auf das Verhältnis der Untreuenorm und die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Gesellschaftsrechtliche Grundlage der Organuntreue: Die Funktion des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Überblick über die Organstruktur einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 200 b) Vorstand als Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 200 aa) Abgrenzung zwischen Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Inhalt der Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Die allgemeinen Verhaltenspflichten des Vorstands nach deutschem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Konkretisierung der allgemeinen Verhaltenspflichten des Vorstands (a) Einhaltung der Satzung und Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Angemessene Gewinnerzielung als Unternehmensziel . . . . . . . (c) Wahrung der Unternehmensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Differenzierung von Sorgfaltspflicht und Treuepflicht . . . . . . . . . . (3) Sorgfaltspflicht und unternehmerisches Ermessen . . . . . . . . . . . . . (a) Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 204 204 205 205 207 207

Inhaltsverzeichnis (b) Anerkennung des Haftungsfreiraums des Vorstands in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Business Judgement Rule im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . (aa) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Annahme, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln . . . (c) Hinreichende Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Handeln in gutem Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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207 208 208 208 208 208 209 209

c) Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Entstehungsgeschichte des Aufsichtsrats einer AG im deutschen Recht 210 bb) Gegenstand und Zielgruppe der Überwachung des Aufsichtsrats . . . . . 211 cc) Einwirkungsmaßnahmen des Aufsichtsrats auf den Vorstand . . . . . . . . (1) Stellungnahme und Beanstandung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Personalkompetenz und Erlass der Geschäftsordnung . . . . . . . . . . (3) Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Verfolgungspflicht bei Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 214 214 215 215

dd) Allgemeine Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Analyse und Vergleich mit chinesischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Bedeutung des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Bezüglich der Organstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Machtstellung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Funktion des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Funktion des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 217 218 218

cc) Bezüglich der allgemeinen Verhaltenspflichten der Organmitglieder . . 219 3. Strafrechtliche Grundlage der Organuntreue: § 266 DStGB . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Geschichtliche Entwicklung der speziellen Organuntreuenorm . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anlass zur Entstehung der aktienrechtlichen Untreueregelung . . . . (a) Die unklare Fassung der allgemeinen Untreuenorm § 266 RStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) „Bevollmächtigte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Streit bezüglich des Wesens der Untreue . . . . . . . . . . . (b) Auswirkung des Streits auf die Organuntreue . . . . . . . (bb) „Verfügung über Forderungen oder Vermögensstücke des Auftragsgebers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220 221 222 222 223 223 224 225 225

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Inhaltsverzeichnis (b) Wirtschaftliche Missstände Ende des 19. Jahrhunderts . . . . . . . (3) Schaffung und Fortentwicklung der speziellen Organuntreuenorm . (a) Die erste aktienrechtliche Untreuebestimmung – Art. 249 ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) § 312 a. F. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) § 294 a. F. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Abschaffung der aktienrechtlichen Untreuenorm . . . . . . . . . . . . . . (5) Kritik an der Abschaffung der aktienrechtlichen Untreuenorm im deutschen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 227 227 228 229 230 230

bb) Das durch § 266 DStGB geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 cc) Strafgrund der Untreuestrafnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 dd) Die Gesetzesbestimmtheit der Untreuestrafnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Aufbau des Untreuetatbestandes gemäß § 266 DStGB . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Verhältnis zwischen Missbrauchstatbestand und Treubruchstatbestand. (1) „Dualistische Theorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Monistische Theorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „Neue dualistische Theorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237 238 239 239

cc) Täterqualifizierung – Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vermögensbetreuungspflicht der Organmitglieder einer AG . . . . . (a) Anwendung der allgemeinen Abgrenzungskriterien der Vermögensbetreuungspflicht auf den Vorstand und Aufsichtsrat (b) Abgrenzung der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht zu sonstigen gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unrechtskern der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schutzzweck der Untreuenorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Differenzierung zwischen den formellen und materiellen Pflichten der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240 240 241

dd) Tathandlung – Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . (1) Allgemeine Merkmale der Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Treubruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch die Organmitglieder einer AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei Konsens mit dem Vermögensinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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243 244 244 246 247 248 248 248 250 250 251

Inhaltsverzeichnis

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(c) Gravierende außerstrafrechtliche Pflichtverletzung als zusätzliche Voraussetzung für die Feststellung der untreuerelevanten Pflichtverletzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 ee) Taterfolg – Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Prinzip der Gesamtsaldierung und schadensausschließenden Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Gesamtsaldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einzelbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausnahme der Einzelbetrachtung: Gesamtbetrachtung (bb) Schadensausschließende Kompensation . . . . . . . . . . . . . . (b) Sonderprobleme im Rahmen der Feststellung des Vermögensnachteils bei der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Ausbleiben eines Vermögenszuwachses . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schadensgleiche Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258 259 260 260 261 261 261 262 263 263 263

ff) Kausalzusammenhang zwischen Untreuehandlung und dem Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 gg) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (1) Subjektive Restriktion des Untreuetatbestands? . . . . . . . . . . . . . . . 266 (2) Irrtum im Rahmen der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Analyse bezüglich der künftigen chinesischen Gesetzgebung . . . . . . . . . . . 269 aa) Verfassungsmäßigkeit der Untreuestrafnorm als Grundlage der Übertragungsmöglichkeit der deutschen Untreuenorm in das chinesische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Restriktive Auslegung als Grundlage der Schaffung einer gesellschaftsrechtlichen Sonderuntreuenorm im chinesischen Recht . . 270 cc) Geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 dd) Täterqualifizierung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer chinesischen Aktiengesellschaft bei der Untreuenorm . . . . . . . . . 273 ee) Der Konsens des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 F. Eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Strafrecht als unverzichtbares Kontrollinstrument gegen treuwidrige Handlungen der Organmitglieder zu Lasten der Gesellschaft im künftigen chinesischen Recht 278 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Unwirksamer Schutz des Gesellschaftsvermögens durch den Kontrollmechanismus der Corporate Governance in China . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Allgemein zum Kontrollmechanismus der Corporate Governance . . . . . . . 279

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Inhaltsverzeichnis b) Problem der internen Kontrollmechanismen der Corporate Governance in China – unausgewogene Aktionärsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Mangelhafte externe Kontrollmechanismen in China – unterentwickelte Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Unzulänglichkeit der zivilrechtlichen Haftungsinstrumente gegen treu- und sorgfaltspflichtwidriges Verhalten der Organmitglieder in China . . . . . . . . . . 284 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Allgemeine Probleme der zivilrechtlichen Haftung in China . . . . . . . . . . . 285 c) Spezielle Probleme des Schadensersatzanspruchs der Anleger . . . . . . . . . . 286 II. Konkreter Reformvorschlag zur Schaffung einer Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Spezielle Organuntreuenorm anstatt allgemeiner Untreuenorm . . . . . . . . . . . . 289 2. Systematische Stellung der speziellen Organuntreuenorm . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Im chinesischen Strafgesetzbuch oder im chinesischen Gesellschaftsgesetz? 289 b) Das Verhältnis der speziellen Untreuenorm zu den vorhandenen §§ 165 – 169, 272 CStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Tatbestand der gesellschaftsrechtlichen Organuntreuenorm . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Das geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Tathandlung und Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (1) Allgemeine Umschreibung der Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (2) Taterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 d) Strafe – kurze Freiheitsstrafe und Geldstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4. Zusammenfassung: Die konkrete Formulierung der gesellschaftsrechtlichen Organuntreuenorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Abkürzungsverzeichnis Abs. ADHGB a. F. AG AG AktG Art. AT Aufl. BGH BGHSt BT BT-Drs. BVerfGE bzgl. bzw. CCG-Kodex CP CSRC CStGB DB DCJV DDR ders. Diss. DJ DJZ DRiZ DStGB DStR etc. evtl. ff. Fn. GA GeG GG ggf. GmbH GmbHG HGB

Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch alte Fassung Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesellschaft Aktiengesetz Artikel Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches Auflage Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof in Strafsachen Besonderer Teil des Strafgesetzbuches Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Standard des Corporate Governance Kodex börsenzugelassener Gesellschaften Spanisches Strafgesetzbuch Chinesische Wertpapieraufsichtskomission Chinesisches Strafgesetzbuch Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsch-Chinesische Juristenvereinigung Deutsche Demokratische Republik derselbe Dissertation Deutsche Justiz (Zeitschrift) Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Richter Zeitung Deutsches Strafgesetzbuch Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) et cetera eventuell folgende Fußnote GoltdammerÌs Archiv für Strafrecht Gesellschaftsgesetz der VR China Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Handelsgesetzbuch

22 HRRS Hrsg. inkl. insbes. JR Jura JuS JZ KPC KU KWG m. A. Mio. Mrd. m.w.N. n. F. NJW Nr. NStZ NVK NZG OVG RG RGSt Rmb RStGB S. SASAC SEU sog. StGB StV vgl. VR wistra WM z. B. ZChinR ZGR ZHR ZIP ZIS ZJS ZStW z. T.

Abkürzungsverzeichnis Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht (www.hrr-strafrecht.de) Herausgeber inklusive insbesondere Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kommunistische Partei Chinas Kollektivunternehmen Kreditwesengesetz meiner Ansicht nach Millionen Milliarden mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Nationaler Volkskongress der VR China Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Chinesisches oberstes Volksgericht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Renminbi (Währung der Volksrepublik China) Reichsstrafgesetzbuch Seite State-owned Assets Supervision and Administration Commission of the State Council Staatsunternehmen sogenannt(e, er, es) Strafgesetzbuch Strafverteidiger (Zeitschrift) vergleiche Volksrepublik Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapiermitteilung zum Beispiel Zeitschrift für chinesisches Recht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil

A. Einführung I. Anlass der Untersuchung Die Rechtsform der Aktiengesellschaft, die ursprünglich aus der westlichen Welt stammt, verschwand nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 für mehr als 30 Jahre und tauchte erst im Jahr 1984 während der chinesischen Wirtschaftsreform wieder auf. Seitdem erfuhr die Aktiengesellschaft in China eine rasante Entwicklung. Die Statistiken zeigen, dass es im Jahr 2006 in der VR China insgesamt 17.427 Aktiengesellschaften, darunter 1.383 börsennotierte Aktiengesellschaften gab. Im Vergleich dazu existierten Ende April 2003 in der Bundesrepublik Deutschland 15.033 Aktiengesellschaften.1 Mit der schnellen Entwicklung der Aktiengesellschaft in China spielt die Aktiengesellschaft auch eine zunehmend wichtigere Rolle im chinesischen Wirtschaftsleben. Diese Bedeutung spiegelt sich zunächst darin wieder, dass sich die Aktiengesellschaft als typische Rechtsform für bedeutende Großunternehmen im Bank- und Versicherungswesen sowie der Industrie etabliert hat. Zweitens handelt es sich bei dem durch die Aktiengesellschaften geschaffenen Kapitalbetrag in der Regel um extrem hohe Summen. So betrug die Börsenkapitalisierung Ende November 2007 an den chinesischen Wertpapierbörsen (Shanghaier, Shenzhener und Hongkonger Wertpapierbörse) bei den notierten Aktiengesellschaften insgesamt 146.846 Mrd. Dollar.2 Über ihre überragende volkswirtschaftliche Bedeutung hinaus hat die Aktiengesellschaft in China große Bedeutung für die soziale Stabilität des Landes, da bis Ende 2007 mehr als 100 Millionen Chinesen3 an den Börsen aktiv tätig waren. Aufgrund der überragenden volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Aktiengesellschaft im gegenwärtigen China wirken sich Fehlentwicklungen in diesem Bereich oder der Zusammenbruch einer Aktiengesellschaft nicht nur auf den Aktionär der Gesellschaft, sondern auch auf die gesamte Wirtschaft und deren weitere Entwicklung aus. In den letzten Jahren haben vor allem eine Reihe von Wirtschaftsskandalen, in denen Aktiengesellschaften aufgrund von fehlerhaften oder sogar unerlaubten Verhaltens ihrer Manager in Krisen bzw. Insolvenzen geführt wur1

Hansen, AG 2001, S. 315, 316. Die Börsenkapitalisierung betrug an der Shanghaier Wertpapierbörse 74.825 Mrd. Dollar, an der Hongkonger Wertpapierbörse 60.997 Mrd. Dollar sowie an der Shenzhener Wertpapierbörse 11.024 Mrd. Dollar. Zu ausführlichen Informationen siehe: http://www.cs.com.cn/pl/ 05/200712/t20071228_1268811.htm. 3 Mehr dazu siehe: http://www.china.com.cn/international/txt/2007-12/27/content_943 8889.htm. 2

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A. Einführung

den, große Aufmerksamkeit in der chinesischen Öffentlichkeit und Fachliteratur erhalten. Aufgrund der Trennung des Vermögensinhabers und des Vermögensverwalters der Aktiengesellschaft haben die Organe – in China der Vorstand als Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft und der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft – eine besondere Machtstellung über das Gesellschaftsvermögen inne. Als Vermögensverwalter arbeiten sie mit dem Vermögen der Gesellschaft und können leicht das ihnen anvertraute Vermögen der Gesellschaft in unverantwortlicher oder rechtswidriger Weise beeinträchtigen. Um die Organe dazu zu veranlassen, die Interessen der Gesellschaft optimal wahrzunehmen, tragen die Organmitglieder der chinesischen Aktiengesellschaft neben der zivilrechtlichen auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, falls durch ihr treuloses Verhalten Schaden am Gesellschaftsvermögen verursacht wird. Die gesetzlichen allgemeinen Verhaltenspflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats gegenüber der Aktiengesellschaft – nämlich die Treu- und Sorgfaltspflichten und die zivilrechtliche Haftung bei deren Verletzung – werden in erster Linie im chinesischen Gesellschaftsgesetz geregelt. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder wegen ihres treuwidrigen Verhaltens zulasten der Aktiengesellschaft ergibt sich ausschließlich aus dem chinesischen Strafgesetzbuch, wobei vor allem die §§ 165 – 169, 272 CStGB von Relevanz sind. In der chinesischen Fachliteratur ist seit den letzten Jahren anerkannt, dass die gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Kontrollmechanismen des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft leider ineffektiv sind. Die Problematik der ineffektiven Kontrollmechanismen bestätigt sich auch in der chinesischen Wirtschaftspraxis. Die genaue Darstellung und Untersuchung der ineffektiven Kontrollmechanismen des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in China findet man in Kapitel C.4 und in Kapitel F.5 der vorliegenden Arbeit. Die ineffiziente Kontrolle der Organmitglieder hinsichtlich deren Handelns gemäß den Interessen der Gesellschaft ist dem chinesischen Gesetzgeber auch bekannt. Er versuchte daher, das hier genannte Problem durch gesetzliche Änderungen zu überwinden. Schließlich genießt die Rechtsform der Aktiengesellschaft eine überragende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung in China. Hinsichtlich des Gesellschaftsrechts wurden bei der Revidierung des chinesischen Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 die Überwachungsbefugnisse des Aufsichtsrats verstärkt und die allgemeinen 4

Zum Beispiel werden in Kapitel C. der vorliegenden Arbeit die Probleme der chinesischen gesellschaftsrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflicht, welche eine wichtige Rolle für die effektiven außerstrafrechtlichen Kontrollmechanismen des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft spielen behandelt, sowie die nicht mehr zeitgemäßen, reformbedürftigen strafrechtlichen Normen der §§ 165 – 169, 272 CStGB. 5 In Kapitel F. wird der bisherige ineffektive Schutz des Gesellschaftsvermögens durch außerstrafrechtliche Kontrollmechanismen, namentlich die Corporate Governance und das zivilrechtliche Haftungsinstrument, unter Berücksichtigung der Wirtschaftspraxis in China erläutert.

I. Anlass der Untersuchung

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Verhaltenspflichten der Organmitglieder erweitert. Hinsichtlich des Strafrechts wurde im Jahr 2006 in § 169 CStGB eine Strafnorm geschaffen, nach welcher die Organmitglieder einer börsennotierten Aktiengesellschaft wegen ihres absichtlich begangenen vermögensschädigenden, treuwidrigen Verhaltens mit Strafe sanktioniert werden. Die vom chinesischen Gesetzgeber bisher unternommenen Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstands- und Aufsichtsratstätigkeiten scheinen leider aber wenig erfolgreich zu sein.6 Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass die rechtlichen Kontrollmechanismen der Organtätigkeiten der Aktiengesellschaft in China in der kommenden Zeit weiter reformbedürftig sind. Von einigen chinesischen Rechtswissenschaftlern wurde die geltende Unternehmensverfassung der chinesischen Aktiengesellschaft sogar in Frage gestellt. Sie gehen davon aus, dass die Lösung zur Verbesserung der ineffektiven Kontrolle der Organtätigkeiten in erster Linie in der grundlegenden Veränderung der geltenden Organverfassung der chinesischen Aktiengesellschaft liegt. Da das chinesische Gesellschaftsgesetz erst im Jahr 2005 umfassend revidiert wurde, ist eine baldige grundsätzliche Veränderung des geltenden Organsystems der Aktiengesellschaft durch den Gesetzgeber eher unwahrscheinlich. Darüber hinaus herrscht über die Einzelheiten der Veränderung des geltenden Systems in der chinesischen Literatur bis heute noch Uneinigkeit.7 Im chinesischen Schrifttum fokussieren sich daher die Reformvorschläge zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft schwerpunktmäßig auf eine Verschärfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder gegenüber ihrer Gesellschaft durch künftige Gesetzgebung.8 6 Zum Beispiel betrug die Zahl der durch leitende Mitarbeiter ausgeübten Straftaten allein im Bezirk Caoyang in Peking im Jahr 2008 bis zum ersten Halbjahr 2009 mehr als 60. Mehr dazu siehe unter: http://news.xinhuanet.com/legal/2009-09/03/content_11987468.htm. In der Literatur wird das Problem der Corporate Governance im Hinblick auf das im Jahr 2005 modifizierte chinesische Gesellschaftsgesetz behandelt. He, Zejun, Xingongsifa dui gongsi zhilijiegou de wanshan yu buzuo, Qiye Huoli 2006, S. 29; Xu, Bo, Gongsi faren zhili jiegou yu woguo gongsifa de wanshan, Shandong shenpan 2008, S. 69, 70. 7 Während einige Stimmen eine grundsätzliche Veränderung der geltenden chinesischen Organverfassung befürworten, indem der im geltenden chinesischen Gesellschaftsrecht als Überwachungsorgan vorgesehene Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft durch unabhängige Vorstandsmitglieder nach dem angloamerikanischen Recht ersetzt werden soll, gehen andere davon aus, dass zur Optimierung der Kontrolleffizienz der Organtätigkeiten sowohl der Aufsichtsrat als auch die unabhängigen Vorstandsmitglieder für die Aktiengesellschaft einbezogen werden müssen. Dong, Baiyi, Lun woguo dulidongshihui yu jianshihui de chongtu yu xietiao, Hebei daxue xuebao (zhexue shehuikexue ban) 2008, S. 80, 81; nach einer dritten Ansicht sollten die Aktiengesellschaften selbst das Überwachungsorgan wählen. Chen, Guaihua, Lun woguo shangshi gongsi neibu jiandu jizhi moshi xuanye, Gansu zhengfa xueyuan xuebao 2009, S. 46. 8 Fan, Shiqian, Sixi gongsi songshi xingshi zeren de wanshan, Yuannan jingguan xueyuan xuebao 2008, S. 75, 76; Qiao, Jun, Gongsifa xiuding yu xiangguan xingshi lifa de wanshan, Xueshu jiaoliu 2006, S. 41, 42; Qu, Lingli, Shihen de gongsi liyi guanxi yu xingfa baoyhang,

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A. Einführung

II. Ziel der Untersuchung Mit präventiver Wirkung werden strafrechtliche Sanktionen weltweit als wirksame Maßnahme gegen das am Gesellschaftsvermögen begangene, treuwidrige Verhalten der Organmitglieder eingesetzt. Erstaunlicherweise ist bis heute noch keine umfassende Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vorstandes und Aufsichtsrats einer chinesischen Aktiengesellschaft wegen ihres absichtlich begangenen treuwidrigen Verhaltens nach geltendem chinesischem Strafrecht erfolgt. Die Darstellung der einschlägigen Strafnormen und ihrer Grenzen ist unentbehrlich, um Vorstand und Aufsichtsrat bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten nicht aus Angst vor strafbarem Handeln zu hemmen. Unentbehrlich ist die Untersuchung auch deshalb, weil sie als Grundlage für eine Reform der geltenden Strafnormen und zu einer Verbesserung der Kontrolle der Organtätigkeiten den Interessen der Gesellschaft in China dient. Über die fehlende Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in der gegenwärtigen chinesischen Strafrechtswissenschaft hinaus fällt auf, dass hinsichtlich des oben aufgezeigten Vorschlags zur Verschärfung der strafrechtlichen Haftung der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im chinesischen Schrifttum über den konkreten Inhalt einer solchen Verschärfung kaum diskutiert wird. Eine solche Verschärfung der strafrechtlichen Haftung der Organmitglieder birgt ferner die große Gefahr in sich, dass ein eigentlich strafloses Verhalten der Organmitglieder, das erst später einen Schaden am Gesellschaftsvermögen verursacht, vom Gesetzgeber als strafbares Handeln qualifiziert würde. Die Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem vermögensschädigenden Verhalten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft ist sehr schwierig. Es handelt sich dabei um ein sehr spannendes Feld. Auf der einen Seite ist, aufgrund der freien Stellung der Organe, dem Gesellschaftsvermögen ein erhöhter rechtlicher Schutz vor Eingriffen der Organmitglieder zu gewähren, auf der anderen Seite soll dem Vorstand und Aufsichtsrat als Geschäfts- und Überwachungsorgane beim unternehmerischen Handeln, welches eng mit Risiken verbunden ist, ein Haftungsfreiraum eingeräumt werden. Die vorliegende Arbeit wird die folgenden drei Fragen beantworten. Zunächst, wie sich die gegenwärtigen strafrechtlichen Kontrollmechanismen auf das treuwidrige Verhalten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in China auswirken. Zweitens, welche Probleme die gegenwärtige strafrechtliche Kontrolle mit sich bringt und drittens, wie die gegenwärtigen strafrechtlichen Kontrollmechanismen des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in der künftigen chinesischen Gesetzgebung verbessert werden können.

Hebei Faxue 2008, S. 139, 140; Wang, Lizhi, Qinfan shangshigongsi liyi fanzui zhi xingfa zhili, in: 2007 niandu zhongguo xingfaxue nianhui, S. 1860.

III. Gang der Untersuchung

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III. Gang der Untersuchung Obwohl in China zurzeit die Rechtsform der Aktiengesellschaft existiert, besitzt die chinesische Aktiengesellschaft im Vergleich zur Aktiengesellschaft im westlichen Sinne noch einige Besonderheiten, welche für die Effizienz der Kontrolle der Vorstands- und Aufsichtsratstätigkeit eine große Rolle spielt. Die besonderen Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft und deren Ursache werden im Kapitel B. der vorliegenden Arbeit kurz skizziert. In Kapitel C. wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder wegen treuwidrigen Verhaltens zulasten der Aktiengesellschaft nach geltendem chinesischen Strafrecht behandelt. Da die einschlägigen Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch in engem Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Rechten und Pflichten der Organmitglieder stehen, wird in diesem Kapitel zunächst die außerstrafrechtliche Grundlage – die Organfunktion und die Treu- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder der chinesischen Aktiengesellschaft – für die anschließende strafrechtliche Prüfung herausgestellt. In Rahmen der strafrechtlichen Prüfung werden die relevanten Strafnormen, welche sich auf die vorsätzlichen treuwidrigen Handlungen der Organmitglieder zulasten der Aktiengesellschaft beziehen können, im Einzelnen untersucht und dabei die möglichen Probleme bei der Anwendung in der Rechtspraxis aufgezeigt. Im Kapitel D. wird die Reformbedürftigkeit der in Kapitel C. erörterten Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch mit systematischen Aspekten dargestellt. Da das geltende chinesische Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1997 stammt, erweist es sich aufgrund der rasanten Wirtschaftsentwicklung teilweise als rückständig. Ein Beispiel hierfür ist der vernachlässigte strafrechtliche Schutz der nicht staatseigenen Unternehmen und Gesellschaften im geltenden chinesischen Strafrecht. Die Reformbedürftigkeit der einschlägigen Strafnormen ergibt sich auch aus dem Konflikt zwischen Strafrecht und Gesellschaftsrecht, welches erst vor kurzem, im Jahr 2005, revidiert wurde. Am Ende des Kapitels D. werden die verschiedenen Reformvorschläge mit Bezug auf den verbesserten Schutz des Gesellschaftsvermögens vor rechtswidrigem treuwidrigen Verhalten der Organmitglieder der Gesellschaft im aktuellen chinesischen Rechtsschrifttum zusammengefasst und kritisch bewertet. Unter den verschiedenen Reformüberlegungen wird in Kapitel D. die Überlegung angestellt, eine Untreuenorm nach dem Vorbild des deutschen Strafrechts für das künftige chinesische Strafrecht zu konzipieren. Die Übertragung von ausländischen Rechtsnormen in chinesisches Recht ist in der chinesischen gesetzgeberischen Praxis häufig. Daher wird in Kapitel E. die Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens im deutschen Recht unter Berücksichtigung des chinesischen Rechts untersucht. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht hier die in § 266 DStGB geregelte Untreuestrafnorm. Aufgrund der erhöhten Akzessorietät des § 266 DStGB zu den außerstrafrechtlichen Rechtsgebieten wird zunächst die aktienrechtliche Basis für die strafrechtliche Untersuchung näher beleuchtet. Hierbei werden die Funktion und die allgemeinen Pflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im deutschen Recht behandelt. Im Anschluss daran werden die Un-

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A. Einführung

treuestrafnorm (§ 266 DStGB), deren geschichtliche Entwicklung und Aufbau untersucht. In der rechtsvergleichenden Betrachtung innerhalb des Kapitels E. sind vor allem die Probleme der Untreuenorm von großer Bedeutung. Denn eine Übertragung der deutschen Untreuenorm ins chinesische Recht wäre von Anfang an ausgeschlossen, wenn die Untreuenorm keine Relevanz in der deutschen Rechtspraxis hätte oder sich selbst als dringend reformbedürftig erweisen würde. Im letzten Kapitel der vorliegenden Arbeit – Kapitel F. – wird ein eigener Reformvorschlag der Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch zur Verbesserung der Kontrolle der Tätigkeiten des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft vorgestellt. Dieser Teil des eigenen Reformansatzes gliedert sich in zwei gedankliche Schritte. Im ersten wird die Frage nach der Notwendigkeit, treuwidriges Verhalten der Organmitglieder zulasten der Aktiengesellschaft unter strafrechtliche Verantwortung zu stellen, beantwortet. Um die Individuen vor Willkürlichkeit der Staatsgewalt zu schützen, ist es zunächst unentbehrlich, die Anwendung strafrechtlicher Mittel zu rechtfertigen. Steht die Rechtfertigung fest, kommt als zweiter Schritt ein eigener Reformvorschlag hinsichtlich der Anwendung des Strafrechts in Betracht. Unter Berücksichtigung des in Kapitel E. herausgearbeiteten Ergebnisses wird vorgeschlagen, die Untreuestrafnorm nach deutschem Vorbild in modifizierter Weise ins künftige chinesische Recht zu übertragen.

B. Notwendige Vorkenntnis I. Einleitung: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsstrafrecht Wie Jescheck1 zu Recht festgestellt hat, sind Umfang und Ausgestaltung des Wirtschaftsstrafrechts von der Wirtschaftsordnung abhängig.2 In der Planwirtschaft wie sie in China noch bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts vorzufinden war, existiert kein freier Markt, auf dem Angebot und Nachfrage eine entscheidende Bedeutung zur Steuerung der Herstellung und Verteilung von Gütern und Leistungen des Wirtschaftssubjekts der Unternehmen haben. Der gesamte Wirtschaftsvorgang wird durch den Staat kontrolliert. Das Wirtschaftsstrafrecht in der Planwirtschaft soll dementsprechend dazu dienen, das System der Leitung und Planung der Staatswirtschaft zu gewährleisten. Aufgrund der Wirtschaftsform der Planwirtschaft kann ein großer Teil der in der Marktwirtschaft bekannten Wirtschaftsdelikte überhaupt nicht begangen werden3, zum Beispiel: die Gründung von Schwindelfirmen, Insolvenzdelikte, Wettbewerbsdelikte sowie die in der vorliegenden Arbeit behandelten strafbaren treuwidrigen Handlungen, die durch die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft verwirklicht werden und dabei den Vermögensschaden der Gesellschaft verursachen. In den letzten zwanzig Jahren wurde die im Zeitraum von 1949 bis in die 80er Jahre in China herrschende Planwirtschaft Schritt für Schritt in die Marktwirtschaft, oder genau gesagt in die sozialistische Marktwirtschaft transformiert4, nach welcher der Güterpreis nicht mehr durch den Staat festgelegt wird und die Unternehmen im Vergleich zu früher autonomer und selbständiger tätig sein können. Im Vergleich zur Marktwirtschaft im westlichen Sinne scheint die Selbständigkeit eines Unternehmens in der sozialistischen Marktwirtschaft in China „relativ“ zu sein. Der Staat besitzt nach wie vor einen hohen Einfluss auf die Wirtschaftstätigkeit der Unternehmen. Aufgrund der Besonderheit der chinesischen Wirtschaftsordnung werden in diesem 1

Jescheck, JZ 1959, S. 457. Die Abhängigkeit der Wirtschaftsdelikte von der Wirtschaftsordnung eines Systems wurde von Tiedemann bestätigt und mit einer Zusammenfassung des Strafrechts in der Marktwirtschaft dargestellt. Tiedemann, Strafrecht in der Marktwirtschaft, in: FS Stree/Wessels 1993, S. 527. 3 Das typische Beispiel hierfür ist die Ausgestaltung der Wirtschaftsdelikte in der DDR und der Bundesrepublik. Mehr dazu: Berckhauer, ZSA 1975, S. 788 (825); Schroeder, Das Strafrecht des realen Sozialismus – Eine Einführung am Beispiel der DDR, S. 105. 4 Taube, Wirtschaftliche Entwicklung und struktureller Wandel seit 1949, in: Länderbericht China, S. 248. 2

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B. Notwendige Vorkenntnis

Kapitel in groben Zügen die Eigenschaften der auf der sozialistischen Marktwirtschaft basierenden chinesischen Aktiengesellschaft, welche als Ergebnis aus der Transformation von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft entstanden sind, unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte dargestellt. Nur mit diesen grundlegenden Vorkenntnissen über die chinesische Aktiengesellschaft können die geltenden Strafnormen, welche sich auf das treuwidrige Verhalten der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft beziehen, verstanden werden. Nehmen wir ein Beispiel: warum werden die beherrschenden Aktionäre der Gesellschaft in § 169 Abs. 2 CStGB neben den Organmitgliedern auch als taugliche Täter einer Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens wegen treupflichtwidriger Handlungen bestraft?5 Die Beantwortung dieser Frage muss auf die hochkonzentrierte Anteilstruktur der chinesischen Aktiengesellschaft zurückgeführt werden, welche wiederum im engen Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der chinesischen AG steht. Darüber hinaus ist anzumerken, wenn ggf. ein vernünftiger Lösungsansatz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen ihrer Organmitglieder entwickelt werden soll, bildet die Besonderheit der chinesischen AG den Ausgangspunkt des Lösungsansatzes.6

II. Entwicklung der Aktiengesellschaft in China 1. Ausgangspunkt: Das Verschwinden der AG in China seit den 50er Jahren Als eine Organisationsform für Unternehmen stammt die Aktiengesellschaft ursprünglich aus der westlichen Welt.7 Die erste moderne Aktiengesellschaft, die niederländische Ostindien-Kompanie, geht aus dem Jahr 1602 zurück.8 Im 19. Jahrhundert erlebten die westlichen Staaten eine rasante Entwicklung der Aktiengesellschaft. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Aktiengesellschaft die bedeutsamste Unternehmensform der westlichen Staaten, vor allem ist sie die beliebteste Unternehmensform der großen Unternehmen.9 Während die Aktiengesellschaft in den westlichen

5 Dieser Sachverhalt wird später im Kapitel C. im Rahmen der einzelnen Strafnormen der § 169 Abs. 2 CStGB ausführlich behandelt. 6 Eine ausführliche Abhandlung folgt im Kapitel F. der vorliegenden Arbeit. 7 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 36. 8 In der chinesischen Literatur wird die Ostindien-Kompanie als die erste Aktiengesellschaft betrachtet. Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 33; im deutschen Schrifttum hingegen als „Vorläufer der modernen Kapitalgesellschaft“. Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 27. 9 Hueck, Gesellschaftsrecht, § 20 II. So existierten beispielsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA bereits über 100 Aktiengesellschaften, deren Vermögen jeweils mehr als 10 Milliarden Yen betrug. Zhou, Yousu, Gongsifa tonglun, S. 25.

II. Entwicklung der Aktiengesellschaft in China

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Staaten über vierhundert Jahre Geschichte hinter sich hat, hat sie in der Volksrepublik China eine sehr junge Geschichte.10 Mit der Machtübernahme durch die kommunistische Partei im Jahr 1949 wurden die Aktiengesellschaften, an denen bürokratische und ausländische Investoren beteiligt waren, unmittelbar verstaatlicht.11 Aktiengesellschaften mit Privatbeteiligung, die zu Privatunternehmen12 gehörten, wurden bis 1956 durch den Staat gefördert, um der Entwicklung des neuen Chinas zu dienen. In der chinesischen Verfassung von 1954 wurde das Privateigentum rechtlich anerkannt und geschützt.13 Die Angelegenheiten der Aktiengesellschaft wurden zu diesem Zeitpunkt ausschließlich in zwei Gesetzen erfasst, den „Vorläufigen Regeln für Privatunternehmen“14 und den „Ausführungsbestimmungen zu den vorläufigen Regeln“.15 Obwohl die zwei Gesetze bis zum heutigen Tage nicht formell außer Kraft gesetzt wurden, sind sie durch die in den Jahren 1952 von der Regierung veranlassten politischen Kampagnen der Beschränkung und Umgestaltung der nationalen privaten Industrie- und Handelsunternehmen gegenstandslos geworden.16 Durch die Kampagnen wurden alle nationalen privaten Unternehmen bis zum Jahr 1956 in gemischte staatlich-private Unternehmen umgewandelt, wobei der Staat innerhalb eines bestimmten Zeitraums einen Festzins an die privaten Teilhaber der Unternehmen zahlte und ihre Anteile am Unternehmen übernahm. Seit 1966 wurden alle staatlich-privaten Unternehmen in staatseigene Unternehmen umgewandelt. Vor Beginn der Wirtschaftsreform existierten in China aus10 Eigentlich existierte bereits seit dem 19. Jahrhundert in China die Unternehmensform der Aktiengesellschaft. Nach dem Opiumkrieg hatten die ausländischen Banken in China ihre Niederlassungen eingerichtet. Um das benötige Kapital zu beschaffen, wurden von den ausländischen Banken Aktien und Schuldverschreibungen ausgegeben. Im Jahr 1890 wurde die erste Wertpapierbörse in Shanghai gegründet. Gesetzlich wurde die Unternehmensform der Aktiengesellschaft erst mit dem Erlass des Handelsgesetzbuches Qings im Jahre 1904 anerkannt und rechtlich geschützt. Das Handelsgesetzbuch Qings war gültig bis zum Jahr 1914. Zum großteil lehnte sich das Handelsgesetzbuch von 1904 an das japanische Handelsgesetzbuch aus dem Jahr 1899 an, welches seinerseits überwiegend dem deutschen Handelsgesetzbuch nachgebildet war. Die Grundzüge der folgenden Handelsgesetzbücher, das Gesellschaftsgesetz aus dem Jahr 1914, 1929 und 1946, sind stark vom Handelsgesetzbuch von 1904 geprägt. Li, Zhiying, Waishang zai hua Gufengongsi de zuichu fazhan, Beijing shifan daxue xuebao (shehui kexue) 2001, S. 96 (100); Wei, Sujun, Gongsifa zai zhongguo de bainian licheng, Huadong zhengfa Xueyuan Xuebao 2005, S. 75. Aber mit der Gründung der Volksrepublik China ist die Aktiengesellschaft seit dem Jahr 1956 verschwunden. Dies wird im Abschnitt II. dieses Kapitels noch ausführlich geklärt. 11 Cheng, Jianying, Marktbeherrschende Staatsunternehmen in der VR China, S. 21, 23. 12 Fan, Jian/Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 23. 13 In Art. 10 der Verfassung der Volksrepublik China von 1954 wurde das Privateigentum mit folgendem Wort anerkannt: „der Staat nach Gesetz dem Recht der Kapitalisten, Eigentum an Produktionsmitteln zu schützen“. Zhonghua Renmin Gongheguo xianfa 1954, in: Guowuyuan fazhi bangongshi (Hrsg.), Zhonghua Renmin Gongheguo fagui huibian 1949 – 2004. 14 „Siying Qiye Zanxing Tiaoli“ wurde am 29. 12. 1950 erlassen. 15 „Siying Qiye Zanxing Tiaoli Shixing Banfa“ wurde am 30. März 1951 erlassen. 16 Cheng, Jianying, Marktbeherrschende Staatsunternehmen in der VR China, S. 24; Comberg, Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft in China, S. 21, 22.

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B. Notwendige Vorkenntnis

schließlich zwei nach dem Eigentümer am Unternehmen aufgeteilte Unternehmensformen17, Staatsunternehmen (SEU)18 und Kollektivunternehmen (KU)19. Während sich die KU auf die Konsumgüterindustrien und die Bauwirtschaft konzentrierten, haben sich die SEU stärker auf die Schwerindustrie ausgerichtet und spielten eine entscheidende Rolle in der Volkswirtschaft.20 Die SEU waren Haupteinnahmequelle des chinesischen Staates.21 Weder SEU noch KU waren vor der Wirtschaftsreform eigenständige Gesellschaften im Sinne der Marktwirtschaft.22 2. Anlass zur Entstehung der AG in China Mit der chinesischen Wirtschaftsreform wurde auch die erste Aktiengesellschaft, das Peking Tianqiao Warenhaus23, im Jahr 1984 gegründet. Vor der Darstellung der konkreten Entstehung und Entwicklung der Aktiengesellschaft seit der Wirtschaftsreform Chinas, wird zunächst der eigentliche Anlass zur Entstehung der AG in China erläutert. a) Ineffizienz und dauerhafter Verlust der Staatsunternehmen Die Staatsunternehmen als Funktionseinheiten des Staates wurden im Laufe der Zeit mit einer Reihe von Problemen konfrontiert.24 So wurden die Ressourcen irrational durch die Zentralregierung verteilt; ferner mischten sich die zuständigen Behör17 Die Aktiengesellschaft und GmbH sind die Unternehmensformen, die nicht nach dem Eigentum klassifiziert werden, sondern nach der Organisationsform. Bokeloh, Rechtliche Grundlagen der chinesischen Aktiengesellschaft, S. 11. 18 Bis zu den 80er Jahren wurden die Staatsunternehmen eigentlich „staatsbetriebene Unternehmen“ genannt. Zum Beispiel wurde in Art. 16 der chinesischen Verfassung von 1986 geregelt, dass der Staat nicht nur der Eigentümer von Unternehmen, sondern auch zuständig für die Geschäftsführung der Unternehmen war. Im Jahr 1993 wurde dieser Artikel geändert, indem die Bezeichnung der staatsbetriebenen Unternehmen durch Staatseigene Unternehmen ersetzt wurde. Die Namensänderung zeigte, dass der Staat die Unternehmensleitung nicht mehr direkt beeinflussen wollte, sondern die Unternehmensleitung allein dem Management überlässt, sog. Trennung des Eigentumsrechts und Betriebsrechts im Staatsunternehmen. 19 Diese werden auch als „township und village enterprises“ (TVE) bezeichnet. Sie bestehen aus ländlichen und städtischen Genossenschaften. Die Eigentumsrechte an den KU liegen normalerweise bei den Arbeitnehmern und dem Management. Priewe, Von der Unternehmensreform zur Massenprivatisierung – das Schicksal der Staatsunternehmen in China, in: Nachholende Entwicklung in China, S. 215. 20 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 39. 21 Li-Balling, Xiaoyi, Entwicklung des chinesischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, S. 10. 22 Fan, Jian/Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 25. 23 Die abweichende Ansicht geht davon aus, dass die Shanghai Feilüe Yinxiang Gongsi, die im November 1984 gegründet wurde, die erste AG nach der Wirtschaftsreform sei. Fan, Jian/ Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 25, 26. 24 Eine ausführliche Untersuchung über die Probleme der SEU siehe: Shi, Jichun, Guoyou Qiyefalun, S. 162 (171).

II. Entwicklung der Aktiengesellschaft in China

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den stark in die unternehmerischen Tätigkeiten ein.25 Darüber hinaus hatten die Staatsunternehmen Probleme mit Motivations- und Leistungsdefiziten des Managements sowie der Mitarbeiter im Unternehmen. Das Management war nicht vom Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem eigenen Unternehmen geprägt.26 Die oben aufgeführten Probleme der Staatsunternehmen führten zu einer Ineffektivität der Unternehmensproduktivität. Mit den dauerhaften Verlusten der Staatsunternehmen wurde der Staat unter enormen Finanzdruck gesetzt, da die Staatsunternehmen ausschließlich von der Kreditgewährung des Staats abhängig waren. Ende der 70er Jahre wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Performance der Staatsunternehmen unerlässlich. b) Zum Sichern der politischen Macht Wegen der von 1949 bis 1978 ständig herrschenden politischen Bewegungen und die dauerhafte wirtschaftliche Schwankung nahmen Verzweiflung und Ungeduld der Bevölkerung gegenüber den Machtinhabern zu. Mit dem Tod von Mao Zedong27 im Jahr 1976 wurde die Machtposition der Kommunistischen Partei weiter geschwächt. Um die innere Stabilität zu sichern und die eigene Machtstellung der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) zu stärken, gingen die Reformvertreter, welche im Jahr 1978 die politische Macht in China übernahmen, davon aus, dass der Schwerpunkt der politischen Regierungsarbeit nicht mehr der Kampf gegen die Klassenfeinde, sondern gegen die beklagenswerte Entwicklung der chinesischen Wirtschaft sein sollte. Die Wirtschaftsreform in China befasste sich dabei hauptsächlich mit zwei Maßnahmen: zum einen mit der Reform der Staatsunternehmen und zum anderen mit der Reform des Privatsektors, welcher wieder zugelassen und später sogar ausdrücklich von der Regierung gefördert wurde.28 Diese beiden Maßnahmen haben wesentlich zur Transformation des chinesischen Wirtschaftssystems von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft beigetragen. Zu beachten ist jedoch, dass die Regierung mit der Wirtschaftsreform ursprünglich nur die Performance der Staatsunternehmen verbessern wollte.29 Die erneute Zulassung der Privatunternehmen oder die Transformation in eine Marktwirtschaft waren nicht vorgesehen.

25

241. 26

Guo, Guanghui/Wang, Lijun, Woguo suoyouquan zhidu de bianqian yu chonggou, S. 204,

Ein bis heute nicht beseitigtes Problem in chinesischen Unternehmen: Ding, Yu, Die Umstrukturierung der Staatsunternehmen in China, 1999, S. 10 – 12. Nach Angabe eines Zeitungsberichtes wurden bis zum Jahr 2003 57,5 % des leitenden Personals der Staatsunternehmen nach wie vor von den zuständigen Behörden ernannt. Li, Xuhong, Guoqi Laozong yao na nianxin le, Rencai zhoukan shichangbao vom 09. 12. 2003, S. 40. 27 Mao Zedong war von 1949 bis 1976 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas. 28 Green, Unternehmensreform und Aktienmarktentwicklung in China, in: Deutsche Bank Research vom 09. 07. 2004, S. 1. 29 Taube, Wirtschaftliche Entwicklung und struktureller Wandel seit 1949, S. 255.

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B. Notwendige Vorkenntnis

3. Entstehung und Entwicklung der chinesischen Aktiengesellschaften seit den 80er Jahren a) Entstehung der chinesischen Aktiengesellschaft seit den 80er Jahren bis zum Ende der 90er Jahre Mit der Einführung von Marktelementen in die chinesische Wirtschaft wurde seit den 80er Jahren die Sozialisation der Produktionsmittel schrittweise aufgegeben. Zunächst legt Art. 11 der chinesischen Verfassung von 1982 die Zulässigkeit einer Individualwirtschaft fest und stellt diese unter staatlichen Schutz. Des Weiteren wurde auch die private Wirtschaft als Ergänzung der sozialistischen Wirtschaft im April 1988 durch eine entsprechende Änderung des Art. 11 zugelassen. Vor diesem Hintergrund wurde die Aktiengesellschaft Anfang der 80er Jahre zunächst in ländlichen Kollektivbetrieben, nicht im Staatsunternehmen30, eingeführt.31 Nach der erfolgreichen Einführung des Anteilssystems32 in ländlichen Unternehmen wurde das Anteilssystem versuchsweise auch in kleinen Staatsunternehmen eingesetzt.33 Im Jahr 1984 fand zum ersten Mal die Umwandlung eines Staatsunternehmens, des Tianqiao Warenhaus Peking, in eine Aktiengesellschaft statt.34 In den 90er Jahren wurden auch mittlere und große Staatsunternehmen in Aktiengesellschaften umgewandelt. Am 29. Dezember 1993 wurde das erste chinesische Gesellschaftsgesetz (im folgenden GeG 1993) verabschiedet, welches am 1. Juli 1994 in Kraft trat.35 Das Gesellschaftsgesetz gilt als die rechtliche Grundlage für die Aktiengesellschaft in China. Die große Bedeutung dieses Gesetzes liegt vor allem darin, dass zum ersten Mal alle Gesellschaften unabhängig vom Unternehmenseigentümer (Staat, kollektive Einheiten oder Privatpersonen) demselben Gesetz 30

Bis zu diesem Zeitpunkt lag der Schwerpunkt der Reform des Staatsunternehmens vor allem in der sog. Trennung der administrativen Verwaltung von der Betriebsautonomie. Damit war bezweckt, den Unternehmen mehr Selbständigkeit gegenüber den Verwaltungsbehörden zu verleihen. Um die Effizienz der Staatsunternehmen zu verbessern, versuchte die Regierung, ohne ihre Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln aufzugeben, die Staatsunternehmen zu ändern, indem sie einige konkrete Maßnahmen ausprobierte, durch die den Unternehmen gegenüber dem Staat größere Autonomien eingeräumt wurden. Zum Beispiel: den Unternehmen wurde erlaubt, einige Produkte außerhalb des staatlichen Plans auf dem Markt anzubieten. Guo, Guanghui/Wang, Lijun, Woguo Suoyouquan zhidu de bianqian yu chonggou, S. 240, 241. 31 Li, Hongru (Hrsg.), Zhongguo zhengquan shouce, S. 549. 32 Das Anteilssystem wurde zu Beginn der chinesischen Wirtschaftsreform landesweit verbreitet angewendet. Damit sind eigentlich die Unternehmensformen – Aktiengesellschaft und GmbH – gemeint. Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 40. 33 Im Jahr 1984 äußerte die Staatliche Kommission für Wirtschaftsstrukturreform die Ansicht, dass die Errichtung des Anteilssystems der einzige Weg ist, um die Effizienz der Produktivität der kleinen Staatsunternehmen zu verbessern. 34 Aktionäre waren nur staatseigene Einheiten und Betriebsangehörige, nicht jedoch Privatanleger. 35 Welches im Jahr 2005 umfassend modifiziert wurde. Die Anzahl der geänderten Regelungen beträgt 224. Nur 10 % aller Regelungen aus dem GeG 1993 wurden wörtlich ins GeG 2005 übernommen. Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa bijiao, S. 1.

II. Entwicklung der Aktiengesellschaft in China

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unterliegen.36 Später wurde auf dem 15. Parteitag der KPC am 12. 09. 1997 die Umwandlung der Betriebsmechanismen der Staatsunternehmen in moderne Unternehmensformen – GmbH und Aktiengesellschaft – als Unternehmensreformziele Chinas ausdrücklich festgelegt.37 Der Grund für diese offizielle Forderung hing stark mit der rasanten Entwicklung der Privatunternehmen in China zusammen. Die rasante Entwicklung der Privatunternehmen zu diesem Zeitpunkt erwies sich als eine starke Konkurrenz gegenüber den Staatsunternehmen. Obwohl eine Reihe von Reformmaßnahmen der Staatsunternehmen, welche ohne die Eigentumsrechte des Staates an den Produktionsmitteln in Unternehmen zu ändern, schwerpunktmäßig auf die Erweiterung der Autonomie der Geschäftsführung der Staatsunternehmen ausgerichtet waren, seit der Wirtschaftsreform eingesetzt wurden, konnte die wirtschaftliche Ineffizienz der großen und mittleren Staatsunternehmen nicht wesentlich verbessert werden. Im Jahr 1997 machten schätzungsweise 40 % aller Staatsunternehmen Verlust38 und 76 % aller Staatsunternehmen waren nicht in der Lage, die gewährten Kredite an die staatlichen Banken zurückzuzahlen.39 Um die herrschende Stellung der Staatsunternehmen zu bewahren und den erheblichen Einfluss des Staates in der Volkswirtschaft zu sichern, genügten offensichtlich die bisher durchgeführten Reformmaßnahmen zur Erweiterung der Autonomie der Staatsunternehmen nicht mehr. Daher war eine radikale Reform mit der Änderung der Eigentumsverhältnisse in den Staatsunternehmen, indem die Staatsunternehmen, vor allem mittlere und große Staatsunternehmen, in GmbHÌs und Aktiengesellschaften umgewandelt werden, als letzte Lösung zur Beseitigung der Ineffizienz der Staatsunternehmen notwendig. Vorteile der Umwandlung von Staatsunternehmen in Aktiengesellschaften oder GmbHÌs sind klar zu erkennen. Mit der Umwandlung wird die Geschäftsführung der Gesellschaft, im Gegensatz zu früher, vom fachlichen Management ausgeübt. Der Staat ist nun – wie die anderen Gesellschafter – Aktionär und nicht länger Eigentümer der Aktiengesellschaft. Anders als vor der Umwandlung haftet der Staat als Aktionär40 nun gegenüber der Gesellschaft lediglich mit dem von ihm gehaltenen Anteil und ist nicht mehr verantwortlich für die gesamten Verluste des Unternehmens. Die AG mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit haftet mit ihrem gesamten Vermögen gegenüber Dritten. Neben der finanziellen Entlastung des Staates besteht ein weiterer Vorteil der Umwandlung der Staatsunternehmen in Aktiengesellschaften darin, dass 36

Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 64. Ein bedeutender Grund für die endgültige Anerkennung der Marktwirtschaft im Sozialismus ist die Rede von Deng, Xiaoping im Jahr 1992 bei einer Reise nach Südchina. Er sagte, Planwirtschaft ist nicht gleichbedeutend mit dem Sozialismus, und Marktwirtschaft ist ebenso nicht gleichbedeutend mit dem Kapitalismus. Im Sozialismus existiert auch Markt. 38 Zhou, Fangsheng, Lixing Shishi Guoqi Chanquan Gaige, in: Fenghuang Zhoukan vom 05. 06. 2006 (2006/12). 39 Fan, Jian/Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 601. 40 Problematisch sind die Eigentumsrechte am Vermögen, welches der Staat in die Gesellschaft investiert hat. Mehr hierzu siehe: Abschnitt III. dieses Kapitels. 37

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B. Notwendige Vorkenntnis

durch die Vergabe von Gesellschaftsanteilen an die Bevölkerung das Problem des fehlenden Kapitals zur Entwicklung des Unternehmens gelöst wurde. b) Neue Entwicklung der AG seit 1997 Seit dem 15. Parteitag der KPC, welcher am 12. 09. 1997 stattfand, wird die Transformation der Staatsunternehmen in GmbHÌs und Aktiengesellschaften weiter fortgesetzt. Jedoch zeigen sich in den letzten Jahren neue Tendenzen, nämlich eine strategische Umstrukturierung des staatlichen Kapitals der Staatsunternehmen.41 Die traditionellen Staatsmonopole wurden in vielen Sektoren aufgehoben, so dass ein Marktzugang für private und ausländische Investoren ermöglicht wurde. Von tausenden kleineren und mittleren Staatsunternehmen möchte sich die Regierung sogar ganz trennen, indem der Staat seine Beteiligung an den Unternehmen auf Dritte überträgt. Die chinesische Regierung will das Staatskapital auf ca. 30 bis 50 Großkonzerne in sieben Schlüsselsektoren42 verlagern, die für die Volkswirtschaft, Infrastruktur, Ressourcen oder die Staatssicherheit besonders wichtig sind. In solchen wichtigen Kernbereichen und Schwerpunktbranchen der Volkswirtschaft sollen die Staatsmonopole weitestgehend bewahrt bleiben. Bis zum Jahr 2005 wurden schätzungsweise von den 2.903 staatseigenen Großunternehmen bereits 1.464 Großunternehmen in moderne Unternehmensformen, überwiegend in die Form der Aktiengesellschaft transformiert.43 Hierdurch wurde ein Kapitalbedarf zur Entwicklung der staatseigenen Unternehmen in Höhe von ca. 1.000 Milliarden Rmb (ca. 100 Milliarden Euro) befriedigt.44 Im Jahr 200645 existierten in der VR China insgesamt 17.42746 Aktiengesellschaften, darunter 1.383 börsennotierte Aktiengesellschaften.47

41

Eigentlich wurde bereits Ende der 90er Jahre vorgesehen, dass der Staat sich auf 1.000 bis 2.000 große Staatsunternehmen konzentrieren und dabei teilweise dem Wettbewerb ausgesetzt werden soll. Aber im Vergleich zu dem im Jahr 2005 gesteckten Ziel der Staatsunternehmensreform ist eindeutig zu sehen, dass der Staat einen erweiterten Umfang der großen Staatsunternehmen freigegeben hat. Über die Reformvorhaben der Staatsunternehmen in den 90er Jahren siehe: Priewe, Von der Unternehmenstransformation zur Massenprivatisierung – das Schicksal der Staatsunternehmen in China, S. 6. 42 Die sieben Schlüsselsektoren sind Rüstung, Stromherstellung und -verteilung, Öl, Chemie, Telekommunikation, Kohle, Luftfahrt und Schifffahrt. 43 Über 80 % der kleinen und mittleren Staatsunternehmen wurden in Kapitalgesellschaften, überwiegend in die Form der GmbH transformiert. Li, Xuhong, Guqi laozong yao na nianxin le, Rencai Zhoukan Shichangbao vom 12. 09. 2003. 44 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 255. 45 Die aktuelle Statistik zur Anzahl der Aktiengesellschaften in China für das Jahr 2009 liegt noch nicht vor. 46 China Statistical Yearbook 2006, S. 505. 47 Im Jahr 2007 sind weitere 227 börsennotierte Aktiengesellschaften in China entstanden.

III. Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft

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III. Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft 1. Anteilsstruktur der Aktiengesellschaft Die größte und auch wichtigste Eigenschaft der chinesischen Aktiengesellschaft ist ihre hochkonzentrierte Anteilsstruktur. Da die meisten der heutigen chinesischen Aktiengesellschaften umgewandelte Staatsunternehmen darstellen, ist der Staat bei chinesischen Aktiengesellschaften größter Aktionär. Dies lässt sich mit folgenden statistischen Zahlen belegen. Zurzeit beträgt der Anteil des staatlichen Kapitals an chinesischen Aktiengesellschaften 93 %.48 Der Staat ist auch der größte Aktionär von 65 % der im Inland notierten Aktiengesellschaften. Dabei besitzt der Staat bei den ca. 800 börsennotierten Aktiengesellschaften über 50 % der gesamten Anteile der Unternehmen.49 Hieraus resultiert das häufige Geschehen in der chinesischen Wirtschaftspraxis, nämlich dass der Staat als größter Aktionär der Gesellschaft die Hauptversammlung dominiert und daher auch indirekt den Vorstand und Aufsichtsrat unter seine Kontrolle bringt. Die chinesische Aktiengesellschaft mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung leidet dadurch unter folgenden beiden Problemen: Zum einen handelt es sich um das Missachten der Interessen der kleinen Aktionäre der Gesellschaft. Es kommt in der Praxis oft vor, dass die Mehrheitsaktionäre ihre herausragende Stellung in der Gesellschaft ausnutzen, lediglich ihre eigenen Interessen verfolgen und die Interessen der kleinen Aktionäre nicht berücksichtigen. Beim zweiten Problem handelt es sich darum, dass aufgrund der Problematik des Staates als Aktionär in der Gesellschaft50 die Machtausübung durch die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats nicht effektiv kontrolliert werden kann. Es gibt immer wieder Fälle, in denen die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats mangels effektiver Kontrolle ihre Macht missbrauchen und das Gesellschaftsvermögen schädigen. Die strafrechtliche Relevanz der hier dargestellten Probleme, welche sich aus der hochkonzentrierten Anteilsstruktur der chinesischen Aktiengesellschaft ergeben, zeigt sich vor allem im § 169 Abs. 2 CStGB. Um die Interessen der Kleinaktionäre gegenüber den Mehrheitsaktionären zu schützen, wurden in § 169 Abs. 2 CStGB neben den Organmitgliedern auch die beherrschenden Aktonäre der Gesellschaft als taugliche Täter bei Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens wegen treupflichtwidriger Handlungen bestraft.51

48

Li-Balling, Xiaoyi, Entwicklung des chinesischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, S. 12. 49 Liao, Li (Hrsg.), Gongsi zhili yu dulidongshi anli, S. 170. 50 Dieser Punkt wird im Kapitel F. vertiefend behandelt. 51 Dies wird später im Kapitel C. im Rahmen der einzelnen Strafnormen der § 169 Abs. 2 CStGB ausführlich behandelt.

38

B. Notwendige Vorkenntnis

2. „Vermögensrechte“ der chinesischen Aktiengesellschaft a) Allgemein zum Eigentumsrecht der Aktiengesellschaft Die Verleihung einer eigenen Rechtspersönlichkeit führt nur dann zur Selbständigkeit der Unternehmen, wenn ihnen gleichzeitig das Eigentumsrecht am Unternehmenskapital eingeräumt wird. Nur auf diese Weise können die Gesellschaften unabhängige Interessen verfolgen und zu selbständigen Wettbewerbsteilnehmern mit der Funktion der Profitmaximierung werden. Sie benötigen eine finanzielle Grundlage für ihre wirtschaftlichen Handlungen sowie für die Haftung für ihre Verbindlichkeiten.52 Nach deutschem Recht gibt der Investor bei einer Aktiengesellschaft mit Einzahlung seiner Einlage das Eigentum am Kapital zugunsten der juristischen Person auf. Diese erhält alle vier Teilrechte des Eigentumsrechts, nämlich Besitz-, Gebrauchs-, Fruchtziehungs- und Ausschlussrecht. Als Gegenleistung für die Investition erhalten die Aktionäre Aktionärsrechte, die ihnen im Verhältnis ihrer Beteiligung zustehen. Die Eigentumsrechte der Gesellschaft sowie die Aktionärsrechte bilden die Eigentumsstruktur der modernen Unternehmen. b) Probleme des Eigentumsrechts der Aktiengesellschaft in China Im Gesellschaftsgesetz Chinas wurden die Vermögensrechte der juristischen Person, folglich der Aktiengesellschaft selbst, eingeräumt. Fraglich ist hierbei, was unter „Vermögensrechten“ der Gesellschaft zu verstehen ist. Sind die im Gesetz genannten Vermögensrechte identisch mit den Eigentumsrechten im deutschen Sinne oder meint der Gesetzgeber hier ein völlig anderes Recht? Wer ist überhaupt der Eigentümer des Gesellschaftsvermögens, die Aktionäre oder die Gesellschaft? Die Beantwortung dieser Frage spielt eine entscheidende Rolle für die vorliegende Arbeit. Die vorliegende Untersuchung der treue-sorgfaltspflichtverletzenden Straftaten der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft in China setzt voraus, dass die in der Marktwirtschaft selbständig tätigen Wirtschaftssubjekte der Aktiengesellschaft im heutigen China gesetzlich anerkannt und deren Vermögensinteressen vor jedem rechtwidrigen Eingriff, selbstverständlich auch vor Eingriffen ihrer Organmitglieder, rechtlich geschützt werden. Die Definition des Vermögensrechts der juristischen Unternehmensperson wird in der chinesischen Rechtswissenschaft heftig diskutiert. Zusammengefasst werden drei Auffassungen in der chinesischen Literatur vertreten.53 Nach der ersten Auffassung54 ist das Vermögensrecht der juristischen Unternehmensperson ein Eigentumsrecht der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist Eigentümer des Gesellschaftsvermögens. Dieses 52

Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 41, 42. Für eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Ansichten siehe: Wu, Tianbao, Guoyou qiye gaige bijiao falü yanjiu, S. 218 – 221. 54 Li, Yiling, Gufenzhi yu xiandai shichang jingji, S. 259; Wang, Xin, Gongsi faren caichanquan yanjiu, Zejiang shehui kexue 2000, S. 63. 53

III. Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft

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Verständnis entspricht auch dem deutschen Recht. Nach der zweiten Ansicht55 ist das Vermögensrecht nur eine Art Betriebsrecht (jingyinquan). Konkret bedeutet dies, dass die Aktionäre mit Einzahlung ihres Kapitalanteils an der Gesellschaft dieser nicht das Eigentums-, sondern lediglich das Betriebsrecht an dem von ihnen investierten Vermögen übertragen. Von den vier Teilrechten des Eigentumsrechts verbleibt das Fruchtziehungsrecht bei den Aktionären und die restlichen drei Rechte, Besitz-, Verfügungs- und Gebrauchsrecht stehen der Gesellschaft zu. Nach der dritten Auffassung56 geht das Vermögensrecht der juristischen Unternehmensperson über das Eigentumsrecht am Gesellschaftsvermögen hinaus und ist ein Gegenbegriff des persönlichen Rechts der Unternehmen. Neben dem Eigentumsrecht werden auch andere zivilrechtliche Rechte genannt, wie, ein immateriales Recht und Nutzungsrecht an der staatlichen Ressource. Der Unterschied zwischen der ersten und dritten Auffassung besteht darin, dass das Vermögensrecht der Gesellschaft über das Eigentumsrecht hinausgeht. Einheitlich ist, dass das Eigentumsrecht zum Vermögensrecht gehört. Daher liegt der Streitpunkt eher in der Frage, ob das Vermögensrecht als Eigentumsrecht oder als Betriebsrecht qualifiziert werden sollte. Ein wichtiger Anlass für diese Meinungsverschiedenheit in der Wissenschaft ist die Regelung, die in § 4 GeG 1993 zu finden ist und im Wortlaut wie folgt lautet: „Abs. 1: Die Anteilseigener genießen als Einleger nach dem von ihnen eingebrachten Kapitalanteil an der Gesellschaft die Rechte des Eigentümers an der Gewinnerzielung am Kapital, der Entscheidung bei Fragen von grundlegender Bedeutung, der Wahl der Verwalter. Abs. 2: Die Gesellschaft genießt das Recht am gesamten Vermögen der juristischen Person, das durch die Investition der Anteilseigner gebildet wird. Die Gesellschaft genießt gemäß dem Recht zivile Rechte und übernimmt die zivile Haftung. Abs. 3: Das Eigentumsrecht am staatseigenen Vermögen in der Gesellschaft steht dem Staat zu.“57

Wenn man der ersten Meinung folgt und das Recht am Vermögen als ein Eigentumsrecht der juristischen Unternehmensperson ansieht, sind Widersprüche zu § 4 Abs. 3 GeG 1993 ersichtlich. Wenn man dieser Regelung folgt, nämlich dass der Staat als Aktionär das Eigentumsrecht am staatseigenen Vermögen in der Gesellschaft besitzt, bedeutet dies zwangsläufig, dass die Aktionäre mit ihrer Investition in die Gesellschaft gleichfalls nicht ihr Eigentumsrecht an dem investierten Kapital aufgeben.58 Darüber hinaus wurde in § 4 Abs. 1 GeG 1993 ausdrücklich geregelt, dass der Aktionär die „Rechte des Eigentümers“ hat. Daher kann man erkennen, dass die Auffassung, dass die Gesellschaft Eigentümer des Gesellschaftsvermögens ist, nicht mit der gesetzlichen Regelung im Einklang steht. Nun kommt die zweite Ansicht in 55

Jiang, Ping, Zhongguo gongsifa yuanli yu shiwu, S. 142. Fan, Jian/Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 355; Lei, Xinghu/Feng, Jun: Lun gudong de guquan yu gongsi de faren caichanquan, Faxue Pinglun 199, S. 78. 57 Übersetzung des chinesischen Gesellschaftsgesetzes aus dem Jahr 1993 in die deutsche Sprache: Steimann/Thümmel/Zhang, Kapitalgesellschaft in China, S. 101. 58 Wang, Xin, Gongsi faren caichanquan yanjiu, Zejiang shehui kexue, 2000, S. 63. 56

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B. Notwendige Vorkenntnis

Betracht, bei der davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft nur ein Betriebsrecht hat und das Fruchtziehungsrecht den Aktionären zusteht. Zuvor wurde erwähnt, dass die Unternehmensreform in China das Ziel verfolgte, Unternehmen als autonome Wirtschaftssubjekte zu errichten und den staatlichen Einfluss auf die operativen Geschäfte der Unternehmen zu verringern. Das bedeutet, dass die Unternehmen die Geschäftsführung als unabhängiges Wirtschaftssubjekt selbständig ausüben und die Entscheidung über die Neuinvestitionen treffen können. Wenn das Vermögensrecht als Betriebsrecht betrachtet wird, hat das Unternehmen kein eigenes Recht auf die Thesaurierung der Gewinne. Damit nimmt die Selbständigkeit der Unternehmen im Wirtschaftsleben wesentlich ab. Offensichtlich steht diese Auffassung im Widerspruch zu den Zielen der Unternehmensreform.59 Es ist fraglich, warum keine der Ansichten sowohl mit den gesetzlichen Regelungen als auch mit dem Ziel der Unternehmensreform im Einklang steht. Die Antwort auf diese Frage muss man vor dem Hintergrund des Erlasses des ersten chinesischen Gesellschaftsgesetzes suchen. Als im Jahr 1993 das Gesellschaftsgesetz in China verabschiedet wurde, befand sich China gerade in der Anfangsphase der Reform des Wirtschaftssystems von der traditionellen Planwirtschaft hin zur Marktwirtschaft. Auf der einen Seite wurden die Marktelemente eingeführt. Als eigene juristische Person ist die Gesellschaft, entweder in Form einer GmbH oder Aktiengesellschaft, selbst Trägerin von Rechten und Pflichten. Die Gesellschaften sind selbständige Subjekte im Wirtschaftsverkehr und für die Geschäftsführung verantwortlich. Der Staat soll nicht mehr mit administrativen Mitteln auf die unternehmerischen Angelegenheiten zugreifen. Auf der anderen Seite war in der damaligen Verfassung Chinas ausdrücklich vorgeschrieben, dass das öffentliche Eigentuman den Produktionsmitteln, nämlich volkseigenes (staatliches) und kollektives, den wesentlichen Bestandteil der sozialistischen Wirtschaft ausmacht. Hieraus resultierte die Befürchtung des Gesetzgebers, dass mit Einräumung der vier Teilrechte des Eigentumsrechts an die Gesellschaften der Staat zugleich als Aktionär sein Eigentumsrecht an dem von ihm eingezahlten Kapital verlieren würde. Entsprechend wäre die in der Verfassung vorgesehene führende Funktion des öffentlichen Eigentums in der Volkswirtschaft gefährdet. Neben der wissenschaftlichen Verwirrung bezüglich der unklaren gesetzlichen Formulierung über das Eigentumsrecht der Gesellschaft folgten auch zahlreiche Probleme in der Rechtspraxis. Es gab eine Vielzahl von Aktionären, die davon ausgingen, dass sie Eigentümer des Gesellschaftsvermögens waren. Es kam nicht selten vor, dass der Aktionär das Gesellschaftsvermögen für private Zwecke verwendete, zum Beispiel um eigene Schulden zurückzuzahlen. Einige Gerichte hatten sogar in das Gesellschaftsvermögen zwangsvollstreckt, um die Schulden der Aktionäre auszugleichen.60 Im Laufe der Zeit tauchte in der Rechtswissenschaft ein neuer Lösungsansatz auf. Mit diesem neuen Ansatz wird die Gefahr der Verfassungswidrigkeit, welche durch die Anerkennung der Eigentumsrechte der juristischen Unternehmenspersonen droh59 60

Wu, Tianbao, Guoyou qiye gaige bijiao falü Yanjiu, S. 236. Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa bijiao fenxi, S. 3, 4, 7.

IV. Zusammenfassung

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te, beseitigt. Nach der neuen Auffassung61 muss zunächst zwischen Eigentumsrecht und Eigentumssystem unterschieden werden. Das öffentliche Eigentum an Produktionsmitteln ist ein Eigentumssystem, welches unterschiedliche Formen hat. Das bedeutet, dass neben dem Eigentumsrecht an dem Kapital auch das Aktionärsrecht dazu gehört. Der Staat als Aktionär überträgt mit der Einzahlung der Einlage zwar sein Eigentumsrecht auf die Gesellschaft, dafür stehen ihm aber die Aktionärsrechte zu. Die Aktionärsrechte werden in Vermögens-, Verwaltungs- und Schutzrechte untergliedert. Daher kann der Staat als Aktionär durch die Ausübung seines Aktionärsrechts die gesamte Wirtschaft beeinflussen, wodurch er die führende Rolle des öffentlichen Eigentums in der Wirtschaft bewahrt. Der Gesetzgeber des Gesellschaftsgesetzes von 2005 hat den neuen Lösungsansatz mit der Differenzierung zwischen Eigentumsrecht und Eigentumssystem übernommen. Obwohl die Terminologie des Vermögensrechts der juristischen Person unverändert geblieben ist, erkennt der Gesetzgeber in der Tat das Eigentumsrecht der Gesellschaft an. Zunächst wurde der § 4 Abs. 3 GeG 1993, nämlich „Das Eigentumsrecht am staatseigenen Vermögen in der Gesellschaft steht dem Staat zu“ abgeschafft. Im § 3 Abs. 1 GeG 2005 wurde geregelt, dass „die Gesellschaft eine juristische Unternehmensperson ist, sie hat das unabhängige Vermögen einer juristischen Person und genießt die Vermögensrechte der juristischen Person“. Des Weiteren sieht der Gesetzgeber in § 4 GeG 2005 vor, dass Gesellschafter einer Gesellschaft „das Recht auf die Früchte des Vermögens und auf die Teilnahme an schwerwiegenden Entscheidungen und an der Auswahl der Manager“ genießen. Im Gegensatz zum § 4 Abs. 1 GeG 93 wurde die Formulierung „Anteilseigner … genießt … die Rechte des Eigentümers“ nicht mehr verwendet.

IV. Zusammenfassung Zwar wurden im Laufe der Zeit die wesentlichen Eigenschaften der Aktiengesellschaft im westlichen Sinn62 auch im chinesischen Gesetz anerkannt und geregelt. Zum Beispiel ist gemäß § 3 des chinesischen Gesellschaftsgesetzes aus dem Jahr 200563 (GeG 2005) die Aktiengesellschaft eine juristische Unternehmensperson, 61

Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 552, 553. Konkret gesagt: Als unabhängiges Wirtschaftssubjekt ist die Aktiengesellschaft neben anderen Unternehmensformen wie die GmbH auf dem Markt tätig. Einerseits ist die Geschäftsführung der Gesellschaft auf die Gewinnmaximierung ausgerichtet, andererseits besitzt die Aktiengesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit und eine starke Kapitalbeschaffungskompetenz. Darüber hinaus ist kennzeichnend für die Aktiengesellschaft die Haftungsbeschränkung auf ihr Vermögen und die Beschränkung der Haftung der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft auf die von ihnen gehaltenen Anteile. 63 Der Gesetzestext des § 3 des GeG 2005 lautet: „Die Gesellschaft ist eine juristische Unternehmensperson, sie hat das unabhängige Vermögen einer juristischen Person und genießt 62

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B. Notwendige Vorkenntnis

die das gesamte Kapital in Aktienanteile mit gleichem Betrag zerlegt. Auch beschränkt sich die Haftung der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft auf die von ihnen gehaltenen Aktienanteile. Die Gesellschaft selbst haftet für Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen.64 Aber anders als in den westlichen Ländern sind die Aktiengesellschaften in China, wie oben hinsichtlich der Entstehung und Entwicklung der chinesischen Aktiengesellschaft nach der Wirtschaftsreform aufgezeigt, nicht als ein Ergebnis aus der Entwicklung der Güterwirtschaft entstanden. Vielmehr sind sie das Resultat der Wirtschaftsreform der letzten zwanzig Jahre, genauer gesagt, ein Ergebnis von „oben“, nämlich durch künstlich eingesetzte Mittel der zentralen Regierung, „um eine Wiederbelebung der Staatsunternehmen zu schaffen“.65 Die Konsequenz des instrumentalen Charakters der chinesischen Aktiengesellschaft, dass wegen des unentwickelten Kapitalmarktes und der hoch konzentrierten Anteilstruktur der Aktiengesellschaft die in anderen Ländern wirkungsvollen außerstrafrechtlichen Maßnahmen zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen ihrer Organmitglieder, wie interne und externe Kontrollmechanismen über die Unternehmensleitung der Aktiengesellschaft, in China kaum Wirkung haben66, hat vor allem erhebliche Bedeutung für die Überlegung, strafrechtliche Mittel zur Bekämpfung des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft einzusetzen. Aufgrund der Subsidiarität des Strafrechts kommt der Einsatz der Androhung von Strafe nur dann in Betracht, wenn die außerstrafrechtlichen Maßnahmen die Rechtsgüter nicht effektiv schützen können. Auf die Einzelheiten der uneffektiven internen und externen Kontrollmechanismen der Unternehmensleitung in China wird später im Kapitel F. der vorliegenden Arbeit näher eingegangen.

die Vermögensrechte der juristischen Person. Die Gesellschaft haftet ihren Gläubigern mit ihrem gesamten Vermögen. Die Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung haften der Gesellschaft nur bis zum Betrag der von ihnen übernommenen Einlage; die Gesellschafter der Aktiengesellschaft haften der Gesellschaft nur bis zum Betrag der von ihnen übernommen Anteile.“ 64 Fan, Jian/Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 591. 65 Fan, Jian/Jiang, Daxing, Gongsifa lun (I), S. 6. 66 He, Jian, Woguo guoyou gufengongsi de suoyou zhitedian yu zhiliduice, Gaige yu zhanlüe 2005, S. 20. Dies spielt vor allem bezüglich der Überlegung zur Schaffung einer Untreuenorm im künftigen chinesischen Recht eine enorme Rolle. Weitere Ausführungen siehe F. I. 2.

C. Die Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG wegen pflichtwidrigen Verhaltens in China I. Einleitung 1. Ausgang: Principal-Agent-Beziehung Nach herrschender Meinung1 in der chinesischen Rechtswissenschaft besteht zwischen der Gesellschaft und den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats ein Treuhandverhältnis (sog. Principal-Agent-Beziehung). Genauer gesagt, fungieren die Gesellschaft als Treugeberin (Principal) und die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder als Treuhänder (Agent). In der Aktiengesellschaft sind Eigentum und Unternehmensführung getrennt. Demnach leiten die Eigentümer das Unternehmen nicht selbst, sondern überlassen dies dem Management. Positiv ist hierbei, dass der Aktiengesellschaft einerseits eine hohe Kapitalbeschaffungskompetenz verliehen wird und andererseits mit der Einführung eines professionellen Managements die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft optimiert wird.2 Neben den deutlichen Vorteilen der Unternehmensform einer Aktiengesellschaft ergibt sich aus der Trennung des Eigentums und der Unternehmensleitung das sog. Agency Problem3 zwischen der Gesellschaft als Eigentümer und dem Vorstand und Aufsichtsrat als Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung. Konkret sieht der Interessenkonflikt dieser beiden Gruppen wie folgt aus: Die Aktionäre als Prinzipal investieren einmal ihr Geld als Risikokapital in die Gesellschaft, anschließend kann die Geschäftsführung als Agent fast nach Belieben darüber verfügen, ohne dass die Investoren außerhalb der Hauptversammlung entscheidend darauf Einfluss nehmen können. Die Hauptversammlung selbst ist aber ein kollektives Organ ohne Geschäftsführungskompetenz und kann aus diesem Grunde nicht beziehungsweise wirksam in die strategische und operative Geschäftsführung eingreifen. Mit der Annahme individueller Nutzenmaximierung und asymmetrischer Informationsverteilung besteht die Gefahr, dass die Manager ihr Verhalten nicht an den Gesellschaftsinteressen ausrichten, sondern ihr Eigeninteresse verfolgen. Eine vermögensschädigende Handlung durch die Organmitglieder wird zum einen dadurch ermöglicht, dass dem Auftraggeber entscheidungsrelevante Informationen des Auftragnehmers fehlen. Zum anderen kann der Auftragnehmer 1

Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 383; Li, Yan, Toushi meiguofa shang de dongshi zhongshiyiwu, Xiandai faxue 2008, S. 126; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 426. 2 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 12. 3 Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 13.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Handlungen durchführen, die für den Auftraggeber nicht erkennbar sind und die tatsächliche Durchsetzung der erzielten Vertragsvereinbarung erschweren. 2. Das zweistufige Prüfungsschema Damit die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft ihre Machtbefugnisse im Interesse des Unternehmens gewissenhaft und sorgfältig ausüben, werden Leitlinien für das Verhalten der hier genannten Personen, entweder in der Gesellschaftssatzung oder im Gesellschaftsrecht, vorgeschrieben. Nach chinesischem Gesellschaftsrecht obliegt den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft die allgemeine Treue- und Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft (§ 148 Abs. 1 GeG 2005)4. Falls die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats ihre gesetzlichen Pflichten verletzen und damit einen Vermögensschaden für das Unternehmen verursachen, sind sie gegenüber der betreffenden Gesellschaft schadenersatzpflichtig.5 Neben der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit besteht auch die Möglichkeit, dass die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder eine strafrechtliche Verantwortlichkeit tragen müssen. Die Grundlage für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich aus § 216 des GeG: „Stellt eine Verletzung dieses Gesetzes eine Straftat dar, so wird nach dem Recht die strafrechtliche Verantwortung verfolgt.“ Die konkreten relevanten Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch, in dem das pflichtwidrige treuwidrige Verhalten der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft geregelt wird, sind §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB, welche von einigen chinesischen Rechtsgelehrten auch als „spezielle Untreuedelikte“ bezeichnet werden.6 Während in Abs. 2 des § 169 CStGB7 die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ausdrücklich als Bedingung für die Strafbarkeit der Organmitglieder und 4 § 148 Abs. 1 GeG 2005 lautet: „Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates und leitende Manager müssen sich an die Gesetze, die Verwaltungsnormen und die Gesellschaftssatzung halten und sind der Gesellschaft zu Treue und Fleiß verpflichtet.“ 5 § 150 GeG 2005 lautet: „Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrates und leitende Manager, welche bei der Ausführung ihrer Amtspflichten Gesetze, Verwaltungsnormen oder die Gesellschaftsatzung verletzen und damit der Gesellschaft Schaden verursachen, haften auf Ersatz“. 6 Chen, Hongbing/An, Wenlu, Beixin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhi lunchong 2005, S. 78; Liu, Yanhong, Zhonghuarenmin gongheguo xingfa xiuzhengan (6) zhi jiedu, Fashang yanjiu 2006, S. 33; Ren, Yanjun, Woguo xingfa zhong beixin fanzui de lifa wanshan, Lanzhou shangxueyuan xuebao 2008, S. 88, 89; Zhang, Mingkai, Buke zaici hulüe beixin zui, in: Gao, Mingxuan (Hrsg.), Xingfa xiugai jianyi wenji, 1997, S. 603. 7 § 169 Abs. 2 CStGB wird offiziell als „Treuwidrige Benachteiligung der Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft“ bezeichnet. Einige Autoren in der chinesischen Literatur bezeichnen den § 169 Abs. 2 CStGB aber als „Untreuedelikte der leitenden Personen in einer börsennotierten Aktiengesellschaft“. Liu, Yanhong, Zhonghuarenmin gongheguo xingfa xiuzhengan (6) zhi jiedu, Fashang yanjiu 2006, S. 33, 34. Ausführliche Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs. 2 CStGB siehe Abschnitt III. dieses Kapitels.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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weiterer bestimmter Personen8 wegen Benachteiligung der Vermögensinteressen der börsennotierten AG verlangt wird, ist die Verletzung der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten der Organmitglieder nach herrschender Ansicht9 im chinesischen Schrifttum als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der §§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs. 1 CStGB anzusehen. Man kann sagen, dass die gesellschaftsrechtliche Treue- oder Sorgfaltspflichtwidrigkeit die Untergrenze der oben genannten Strafnormen bildet. Diese Untergrenze darf nicht unterschritten werden. Aus diesem Grund folgt ohne Verstoß gegen die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten keine Strafbarkeit. Das Vorliegen einer Verletzung gegen die gesellschaftsrechtliche Treu- und Sorgfaltspflicht allein führt aber nicht zu strafrechtlicher Verantwortlichkeit gemäß §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB. Vielmehr müssen die in den einzelnen Strafnormen näher definierten Tatbestandsmerkmale geprüft werden, um die Strafbarkeit festzustellen. Dementsprechend wird das zweistufige Prüfungsschema im vorliegenden Kapitel zur Strafbarkeit des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im chinesischen Recht gebildet. Auf der ersten Prüfungsebene werden nachfolgend zunächst die allgemeinen gesetzlichen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in China, die Treueund Sorgfaltspflichten, behandelt. Im Anschluss daran wird die zweite Prüfungsebene behandelt, auf der weitere strafrechtlich spezifische Merkmale der hier genannten Strafvorschriften in Betracht zu ziehen sind.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder einer AG in China Die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer chinesischen AG werden auf der einen Seite durch das Gesellschaftsgesetz, vor allem die §§ 147 – 153 des Kapitels 6 des GeG 2005, geregelt. Auf der anderen Seite unterliegen sie zugleich den Bestimmungen der Gesellschaftssatzung (§ 11 GeG 2005).10 Im Ab8 Leitende Personen wie Direktoren, beherrschende Unternehmen oder verbundene Unternehmen. Eine ausführliche Erläuterung hierzu siehe § 169 Abs. 2 CStGB im Abschnitt III. dieses Kapitels. 9 Li, Yanbing, Shangshi gongshi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 172, 173, 260; Lu, Jianping/Li, Youxing, Feifa jingying tonglei yingye zui yanjiu, Henansheng zhenfa guanli ganbu xueyuan xuebao 2004, S. 39; Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Xingfaxue xindongxiang, S. 371. 10 § 11 GeG 2005 lautet: „Bei der Errichtung einer Gesellschaft ist nach dem Recht eine Gesellschaftssatzung zu bestimmen. Die Gesellschaftssatzung bindet die Gesellschaft, die Gesellschafter, Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und leitende Manager.“ Gesetzestext in deutscher Sprache siehe: ZChinR, 2006/3, S. 293. Die im § 11 GeG verwendete Formulierung „nach dem Recht“ bezieht sich auf das Gesellschaftsgesetz 2005. Fan, Jian/ Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 183. Die Begriffe wie „Ansichten“, „Mitteilungen“, „Maßnah-

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satz 1 des § 148 GeG ist vorgesehen: „Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates und leitende Manager müssen sich an die Gesetze, die Verwaltungsnormen und die Gesellschaftssatzung halten und sind der Gesellschaft zu Treue und Fleiß verpflichtet.“ Obwohl es sich hier um eine allgemeine Beschreibung handelt, sind ausdrücklich nicht die Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder einer Gesellschaft angesprochen. Allerdings wird in der chinesischen Rechtswissenschaft einheitlich anerkannt, dass § 148 Abs. 1 GeG als die gesetzliche allgemeine Grundlage der Treuepflicht (duty of loyalty) und Sorgfaltspflicht (duty of care) der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats gegenüber der Gesellschaft gilt.11 Um die Frage nach der Gesetzmäßigkeit des Verhaltens der Organmitglieder einer AG zu beantworten und damit auch ihre gesellschaftsrechtliche Pflichtmäßigkeit festzustellen, ist es unentbehrlich, die gesetzlich eingeräumten Funktionen des Vorstands und Aufsichtsrats einer chinesischen AG zu untersuchen.

1. Gesetzliche Organfunktionen innerhalb der chinesischen AG a) Überblick Da zurzeit weltweit grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Organstrukturen bei Aktiengesellschaften, nämlich dem sog. monistischen Modell und dem dualistischen Modell, unterschieden wird, bedarf zunächst der Erklärung, nach welcher Form sich der Organaufbau der chinesischen Aktiengesellschaft orientiert. Die unterschiedlichen Organstrukturen können zu unterschiedlichen Verhaltenspflichten der Organmitglieder führen. Typisches Beispiel des monistischen Modells (auch als „One-Tier-Board-System“ bezeichnet) ist das angloamerikanische Recht, wonach der Vorstand (Board of Directors) das einzige zuständige Organ für Leitungsaufgaben der Aktiengesellschaft ist und die Überwachungsaufgabe der Unternehmensleitung von unabhängigen Mitgliedern innerhalb des Vorstands ausgeübt wird.12 Insofern kann hier überhaupt nicht von den allgemeinen Pflichtnormen der Aufsichtsratsmitglieder gesprochen werden. Vertreter des dualistischen Modells der Organstruktur der Aktiengesellschaft (auch als „Two-Tier-Board-System“ bezeichnet) ist das deutsche Recht, wonach die Leitungsaufgaben der Gesellschaft von zwei Organen ausgeübt werden. Der Vorstand allein ist für die Geschäftsführung der Gesellschaft zuständig und der Aufsichtsrat wird als eigenständiges Organ eingerichtet, um die Geschäftsführung des Vorstandes zu kontrollieren.13 Nach deutschem Recht verpflichten sich men“ usw. werden in der verwaltungsrechtlichen Gesetzgebung Chinas oft verwendet. Ein Überblick über die Gesetzgebung und die Normenhierachie in China siehe: Heilmann/SchulteKulkmann/Shih, Gesetzgebung in der VR China 1998 – 2003: Einführung und Übersicht über ausgewählte Rechtsnormen, China Analysis No. 29 (2004). 11 Allerdings gelten die in § 149 GeG geregelten einzelnen Treuepflichten nur für die Mitglieder des Vorstands und für die leitenden Manager der Gesellschaft. 12 Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 40 – 43. 13 Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 37 – 39.

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die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, und tragen die Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft.14 Grundsätzlich wurde der chinesische Gesetzgeber des Gesellschaftsgesetzes aus dem Jahr 1993 stark vom deutschen Modell beeinflusst.15 Nach geltendem Gesellschaftsgesetz muss jede chinesische Aktiengesellschaft drei Organe aufweisen: Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat. Die Hauptversammlung ist Aktionärsversammlung und das höchste Machtorgan der Aktiengesellschaft16, durch das die Gesellschafter ihre Rechte ausüben können (§ 99 GeG). Die Hauptversammlung ist für die wesentlichen Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft verantwortlich. Dazu gehört die Personalkompetenz der Hauptversammlung, wonach die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes – soweit diese nicht Vertreter der Arbeitnehmer sind – von der Hauptversammlung bestellt oder abberufen werden. Darüber hinaus ist die Hauptversammlung auch zuständig für die Gewährung der Vergütung an die von ihr ausgewählten Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates der Gesellschaft.17 Sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat sind der Hauptversammlung gegenüber verantwortlich. Der Vorstand bildet das Leitungsorgan der Gesellschaft, welches für die Geschäftsführung der Gesellschaft zuständig ist.18 Bemerkenswert ist dabei, dass der chinesische gesellschaftsrechtliche Gesetzgeber auf eine Reglung, in der die pauschale Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes enthalten ist, verzichtet hat und stattdessen die Aufgaben der Geschäftsführung des Vorstandes in §§ 109, 47 des GeG einzeln aufgezählt werden.19 Nach Bedarf können allerdings die Einzelzuständigkeiten des Vorstands gemäß §§ 109, 47 Nr. 11 des GeG durch die Gesellschaftssatzung erweitert werden. Der Aufsichtsrat ist das Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft und besteht aus Vertretern der Gesellschafter und Vertretern der Beschäftigten der Gesellschaft.20 Er selbst ist jedoch nach der Konzeption des chinesischen Gesellschaftsgesetzes prin14

Hüffer, Komm. AktG, § 93/Rn. 1 und § 116/Rn. 1. Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 64. 16 Obwohl im Gesellschaftsgesetzbuch Chinas die Hauptversammlung nur als ein Machtorgan der Gesellschaft geregelt wird, wurde einheitlich in der chinesischen Rechtswissenschaft der Hauptversammlung die höchste Machtstellung zuerkannt. Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 348. 17 Die Befugnis für Personalentscheidungen der Hauptversammlung wird im § 100 GeG 2005 mit Verweis auf § 38 GeG 2005 geregelt. 18 Die Amtsbefugnis des Vorstands der Aktiengesellschaft wird in § 109 GeG 2005 mit Verweis auf § 47 GeG 2005 geregelt. 19 Die im Gesellschaftsgesetz genannten Zuständigkeitsbereiche des Vorstands werden nicht als abschließende Enumeration angesehen, sondern decken lediglich die wesentlichen Geschäftsführungsaufgaben ab. 20 § 118 GeG 2005. 15

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zipiell weder im Innenverhältnis zur Geschäftsführung noch im Außenverhältnis zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.21 Obwohl der Aufsichtsrat zwar gesetzlich als Überwachungsorgan der Gesellschaft vorgesehen ist, steht ihm kein Mittel zur Verfügung, um seiner Überwachungsaufgabe gegenüber dem Vorstand effektiv nachzukommen.22 Die dreigliedrige Organstruktur nach dem chinesischen Gesellschaftsrecht wird nachfolgend näher untersucht. b) Funktion der Hauptversammlung Die Hauptversammlung kann hinsichtlich verschiedener Aspekte23 wie beispielsweise ihre Zusammensetzung, Beschlüsse und Verfahren sowie die Aktionärsrechte in der Hauptversammlung untersucht werden. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf die gesetzlichen Kompetenzen der Hauptversammlung. Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft wird von der Gesamtheit der Gesellschafter gebildet und ist das Machtorgan der Aktiengesellschaft (§ 99 GeG 2005). Die Hauptversammlung wird nicht als ständiges, aber als zwingendes Organ angesehen.24 Gemäß § 101 GeG 2005 soll die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft jährlich mindestens einmal abgehalten werden. Beim Vorliegen besonderer Umstände25 findet eine außerordentliche Hauptversammlung statt. Nach chinesischem Recht 21 Eine Ausnahme für den Aufsichtsrat, die Gesellschaft im Außenverhältnis zu vertreten, ist die Anklagemöglichkeit des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandesmitgliedern oder leitenden Managern der Gesellschaft. Die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat wurde in diesem Fall zum ersten Mal bei der Modifikation des GeG in § 119 unter Verweis auf § 54 Nr. 6 des GeG 2005 aufgenommen. Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa bijiao fenxi, S. 247. 22 Über die Problematik des Aufsichtsrats in der chinesischen Rechtspraxis siehe den folgenden Abschnitt II. 1. d) dieses Kapitels. 23 Einen grundlegenden Überblick bezüglich der chinesischen Hauptversammlung in deutscher Sprache geben Bokeloh, Rechtliche Grundlagen der chinesischen Aktiengesellschaften, S. 238 – 276; Comberg, Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft in China, S. 75 – 126; Steimann/Thümmel/Zhang, Kapitalgesellschaften in China, S. 47 – 51. Allerdings ist zu beachten, dass die oben genannten drei Bücher vor der Modifikation des chinesischen Gesellschaftsgesetzes 2005 veröffentlicht wurden und manche Inhalte nicht mehr mit der aktuellen Gesetzeslage übereinstimmen. Vor allem für den Schutz der Interessen der kleinen Aktionäre ist die neu geschaffene sog. Kumulationswahl (§ 106 des GeG 2005) bei der Auswahl der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft und das außerordentliche Vorlagenrecht der Minderheitsaktionäre mit mindestens 3 % der Anteile der Gesellschaft (§ 103 des GeG 2005) von großer Bedeutung. Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 322, 333. 24 Nach überwiegender Ansicht ist die Hauptversammlung als zwingendes, nicht als ständiges Organ zu betrachten. Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 348; Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 309. Gegenansicht siehe: Ke, Fangzhi, Gongsifa lun, Zhongguo Zhengfa Daxue chubanshe, S. 129. 25 Die besonderen Umstände für die außerordentliche Hauptversammlung nach § 101 GeG 2005 lauten:

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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ist die direkte Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch die Hauptversammlung unzulässig. Die für die Hauptversammlung wichtigsten laufenden Angelegenheiten sowie die Grundlagenfragen der Aktiengesellschaft wurden in § 100 GeG 2005 unter Verweis auf § 38 GeG 2005, die Amtsbefugnisse der Gesellschaftsversammlung der GmbH,26 geregelt. Zur Personalkompetenz der Hauptversammlung gehört die in § 38 Nr. 2 GeG vorgesehene Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Wahl und die Abberufung der Aktionärsvertreter im Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Festsetzung deren Vergütung. Die Frage, ob die Hauptversammlung die Abberufung der von ihr ausgewählten Vorstandsmitglieder begründen muss, ist zu verneinen.27 Dies bedeutet, dass eine grundlose Abberufung der hier genannten Vorstandsmitglieder durch die Hauptversammlung zulässig ist. Neben der Personalkompetenz ist die Hauptversammlung gemäß § 38 Nr. 3 bis Nr. 6 GeG 2005 für die nachfolgend aufgeführten laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig: für die Berichte des Vorstands und des Aufsichtsrats, für den Entwurf des Jahreshaushalts und der Jahresabschlussrechnung sowie für die Prüfung, Diskussion und Genehmigung des Gewinnverteilungsplans und Verlustausgleichs„1) Wenn die Zahl der Vorstandsmitglieder nicht zwei Drittel der gesetzlich oder von der Gesellschaftssatzung bestimmten Zahl erreicht, 2) wenn nicht-ausgeglichene Verluste der Gesellschaft ein Drittel des insgesamt tatsächlich erhaltenen Kapitals erreichen, 3) wenn es von Gesellschaftern verlangt wird, die allein oder zusammen mindestens 10 % der Anteile der Gesellschaft innehaben, 4) wenn es der Vorstand für notwendig hält, 5) wenn es der Aufsichtsrat verlangt, 6) unter sonst in der Gesellschaftsatzung vorgesehenen Umständen.“ 26 Nach chinesischem Gesellschaftsrecht greifen die Amtsbefugnisse der Hauptversammlung und des Vorstandes der AG auf die Amtsbefugnisse der Gesellschaftsversammlung und des Vorstandes der GmbH zurück. In der Literatur wird die Kritik geäußert, dass der Gesetzgeber die unterschiedlichen Eigenschaften der AG und GmbH nicht berücksichtigt habe. Deshalb werden getrennte Gesetzbücher für die jeweiligen Unternehmensformen gefordert. Gan, Peizhong/Cao, Lili, Woguo gongsifa tixi chonggou, Huanqiu falü pinglun 2004, S. 45. 27 Mit Bezug auf Abs. 2 des § 115 GeG 1993, wonach vor Ablauf der Amtszeit eines Vorstandes die Hauptversammlung der Aktionäre ihn nicht ohne Grund von seinen Pflichten entbinden darf, sind einige chinesische Rechtswissenschaftler mit der Gegenansicht davon ausgegangen, dass für die Abberufung der Vorstandsmitglieder die Hauptversammlung Gründe angeben müsse. Um die Personalkompetenz der Hauptversammlung zu verstärken, wurde jedoch im GeG 2005 diese Regelung abgeschafft. Die positive Auswirkung der Änderung ist, dass die Hauptversammlung jeder Zeit im Interesse der Gesellschaft treulose Vorstandsmitglieder abberufen kann. Bedenklich ist jedoch, dass die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft gegenüber verantwortlich sind. Im Fall des konzentrierten Anteilbesitzes der Gesellschaft besteht auch die Gefahr, dass die größten Aktionäre die Hauptversammlung kontrollieren und dadurch die Vorstandsmitglieder, welche ihre Interessen und Wünsche nicht vertreten, entlassen. Vorstandsmitglieder ohne Begründung vorzeitig zu entlassen, verstärkt die Macht der größten Aktionäre in der Gesellschaft. Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 345.

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entwurfs. Über diese nachträgliche Kontrolle hinaus kommt der Hauptversammlung auch in Bezug auf die Zukunft der Unternehmensführung Gestaltungsspielraum zu. Gemäß § 38 Nr. 1 GeG hat die Hauptversammlung nämlich die Befugnis, über die Geschäftspolitik (jingying fangzhen) und Investitionsplanung (touzi jihua) der Gesellschaft zu entscheiden.28 Zu den Grundlagenentscheidungen, die in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fallen, gehören nach § 38 Nr. 10 GeG nicht nur Beschlüsse über Satzungsänderungen, sondern gemäß Nr. 7 und Nr. 8 auch Beschlüsse über Kapitalerhöhung und -herabsetzung sowie die Ausgabe von Schuldverschreibungen. Schließlich hat die Hauptversammlung nach § 38 Nr. 9 GeG auch Beschlüsse über Verschmelzung, Aufspaltung und Auflösung des Unternehmens sowie vergleichbare Angelegenheiten zu fassen. Darüber hinaus ist sie gemäß § 38 Nr. 11 GeG 2005 auch dafür zuständig, externe Rechnungsinstitute anzustellen oder zu wechseln. Außerdem steht der Hauptversammlung nach § 38 Nr. 12 GeG die Befugnis zu, über weitere, in der Satzung bestimmte Angelegenheiten zu entscheiden.29 c) Funktion des Vorstands Der Vorstand ist in China ein zwingendes und ständiges Organ der Aktiengesellschaft.30 Er ist ein Kollegialorgan, in dem die Mitglieder des Vorstandes gemeinschaftlich und gleichberechtigt die Geschäftsführung der Gesellschaft wahrnehmen.31 Der Vorstand übt seine Befugnis zur Geschäftsführung in Form von Vorstandsbeschlüssen aus.32 aa) Zusammensetzung Gemäß § 109 GeG ist der Vorstand mit 5 bis 19 Mitgliedern zu besetzen. Vorstandsmitglieder können auch die Vertreter der Beschäftigten der Gesellschaft sein.33 Im chinesischen Gesellschaftsrecht sind zwei Fragen bezüglich der persönlichen Voraussetzungen der Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft ungeklärt, zum einen die Frage ob die Vorstandsmitglieder Aktionäre der Gesellschaft sein müssen, zum anderen, ob auch juristische Personen Vorstandsmitglieder sein können. In der chinesischen aktienrechtlichen Literatur wird das Schweigen des Gesellschaftsgeset28

Zur Problematik der gesetzlichen Beschreibung der Geschäftspolitik (jingying fangzhen) und Investitionsplanung (touzi jihua) der Gesellschaft siehe im folgenden Abschnitt II. 1. c) dieses Kapitels. 29 Mit dieser Regelung überlässt der Gesetzgeber den Aktionären einen Freiraum, die Befugnisse der Hauptversammlung je nach Bedarf über ihre gesetzliche Zuständigkeit hinaus festzulegen. 30 Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 335. 31 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 364. 32 Es gibt zwei Arten von Vorstandssitzungen, die reguläre und die außerordentliche Sitzung. 33 Im Vergleich dazu muss der Aufsichtsrat auch aus Vertretern der Beschäftigten bestehen.

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zes bezüglich der ersten Frage überwiegend so interpretiert, dass die Mitglieder des Vorstands Aktionäre der Gesellschaft sein können, es aber nicht sein müssen. Diese Auffassung wird auch durch Art. 77 der Satzungsanleitung für börsennotierte Aktiengesellschaften (Satzungsanleitung)34 bestätigt, in der ausdrücklich geregelt wird, dass es für Vorstandsmitglieder nicht erforderlich ist, Anteilseigner der Gesellschaft zu sein.35 Zur zweiten Frage ist die Meinung in der Rechtswissenschaft sehr geteilt. In Art. 76 der Satzungsanleitung wird lediglich die natürliche Person als Vorstandsmitglied anerkannt. Hiernach ist es nicht möglich, dass eine juristische Person das Amt eines Vorstandsmitglieds in einer börsennotierten Aktiengesellschaft innehat. Diese Verneinung in der Satzungsleitung ist inzwischen zur herrschenden Ansicht in der chinesischen Literatur36 geworden. Allerdings lässt sich die Gegenmeinung vor allem mit der Autonomie der Aktionäre begründen.37 bb) Amtsbefugnisse der Vorstands Nach dem chinesischen Recht vertritt nur der gesetzliche Repräsentant die Aktiengesellschaft nach außen. Nach § 13 GeG 200538 kann der gesetzliche Repräsentant der Gesellschaft durch einschlägige Vereinbarung in der Gesellschaftssatzung aus dem Vorstandsvorsitzenden, dem geschäftsführenden Vorsteher oder einem Geschäftsführer ausgesucht werden. Dem Vorstand obliegt im Innenverhältnis die Geschäftsführung der Gesellschaft. Im chinesischen Gesellschaftsgesetz gibt es keine Regelung, nach der dem Vorstand pauschal die Aufgabe der eigenverantwortlichen Geschäftsführung vorgegeben wird. Stattdessen zählt der Gesetzgeber im § 109 GeG 2005 mit Verweis auf die Amtsbefugnisse des Vorstands der in § 47 GeG 2005 geregelten GmbH die Zuständigkeitsbereiche des Vorstands einzeln in elf Aspekten auf.39 Nach §§ 109, 47 GeG 2005 gehört zu den Aufgaben des Vorstands, auf der von ihm einzuberufenden Hauptversammlung über seine Tätigkeit zu berichten (Nr. 1) und die Beschlüsse der Hauptversammlung umzusetzen (Nr. 2). Des Weiteren hat er über die Geschäfts- und Investitionsplanung zu entscheiden (Nr. 3). In § 47 Nr. 4 bis 7 GeG 2005 ist es ebenso Aufgabe des Vorstandes, den Entwurf für den Jahreshaushalt, die Jahresabschlussrechnung, den Gewinnverteilungs- und Verlustver34

Diese wurde durch die chinesische Wertpapieraufsichtskommission (CSRC) im Jahr 1997 erlassen. 35 Guan, Xinrong, Duli dongshi zhidu yu gongsi zhili, S. 114. 36 Mei, Shenshi, Xiandai gongsi zhili jiegou guifan yunzuo lun, S. 459 – 460; Ye, Lin, Zhongguo gongsifa, S. 118; Guan, Xinrong, Duli dongshi zhidu yu gongsi zhili, S. 120. 37 Zhao, Xudong (Hrsg.), Shangshi gongsi dongshi zeren yu chufa, S. 5, 6. 38 Im § 113 Abs. 2 des GeG 1993 wurde der gesetzliche Repräsentant der Aktiengesellschaft ausdrücklich auf den Vorstandsvorsitzenden beschränkt. 39 Im Gegensatz dazu verleiht der deutsche Gesetzgeber (§ 76 AktG) dem Vorstand der Aktiengesellschaft die pauschale Zuständigkeit für die Geschäftsführungsaufgaben der Gesellschaft.

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gleichsplan zu erstellen sowie Pläne zur Kapitalerhöhung oder -senkung, zur Ausgabe von Schuldverschreibungen und zur Verschmelzung, Spaltung oder Auflösung der Gesellschaft sowie zur Änderung der Gesellschaftsform festzulegen. Über die Annahme oder Ablehnung dieser Planung entscheidet die Hauptversammlung, für deren Beschlusszuständigkeit nach § 100 GeG 2005 auf § 31 GeG 2005 verwiesen wird. Abschließend ist in § 47 Nr. 8 bis Nr. 10 GeG 2005 die Zuständigkeit des Vorstandes für die Einrichtung interner Leitungsorgane der Gesellschaft sowie die Festsetzung der Grundsätze für die Leitung der Gesellschaft geregelt. Nach Nr. 9 entscheidet der Vorstand über Anstellung, Kündigung und Vergütung des Geschäftsführers, des stellvertretenden Geschäftsführers sowie des vom Geschäftsführer nominierten Verantwortlichen für die Finanzen. In Nr. 11 wird ausdrücklich betont, dass auch andere Amtsbefugnisse des Vorstands in der Gesellschaftssatzung bestimmt werden können. Der Erklärung bedarf die ähnliche Formulierung über die Amtsbefugnisse des Vorstands in §§ 109, 47 Nr. 3 GeG 2005, wonach der Vorstand „den Geschäftsplan (jingying jihua), Investitionsvorschläge (touzifangan)“ für die Gesellschaft beschließt, und die in §§ 99, 38 Nr. 1 GeG 2005 vorgesehene Befugnis der Hauptversammlung, wonach der Hauptversammlung die Befugnis zusteht, über die Geschäftspolitik (jingying fangzhen) und die Investitionsplanung (touzi jihua) der Gesellschaft zu entscheiden. Diese ähnliche gesetzliche Formulierung bringt große Verwirrung mit sich. Es scheint, als ob die Begriffe „Geschäftspolitik und Geschäftsplanung“ sowie „Investitionsplanung und Investitionsentwürfe“ fließend ineinander übergingen und die Kompetenzen des Vorstandes und der Hauptversammlung insofern schlecht voneinander abzugrenzen und Aufgabenkonflikte unvermeidbar wären. Die herrschende Auffassung in der chinesischen Literatur40 geht davon aus, dass die Unterschiede zwischen beiden Begriffen darin liegen, dass mit den Begriffen „Geschäftspolitik“ (jingying fangzhen) und „Investitionsplanung“ (touzi jihua) der Gesellschaft, die der Zuständigkeit der Hauptversammlung unterfallen, die Festlegung der Leitlinien der Geschäftsführung gemeint ist, an denen sich der Vorstand der Gesellschaft bei konkretem Beschluss über die Geschäftspolitik und Investitionsplanung orientieren muss. Dennoch stellt diese herrschende Ansicht keinen befriedigenden Lösungsansatz für die Problematik zur Abgrenzung der hier genannten Aufgabe der Hauptversammlung und des Vorstandes in der Rechtspraxis dar. Um dieses Konfliktpotenzial zu vermeiden und um den Aktionären mehr Flexibilität zu verleihen, wurden §§ 109, 47 Nr. 11 des GeG 2005 geschaffen, wonach die nicht im Gesellschaftsgesetz vorgesehenen Befugnisse dem Vorstand durch Gesellschaftssatzung eingeräumt werden können.41 Mit dieser neuen Auffangnorm können die möglichen Konflikte bezüglich der oben erwähnten gesetzlichen Befugnisse der Hauptver-

40 Zhao, Xudong, Xingongsifa tiaowen jieshi, S. 79; Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 349. 41 Mit dieser neu geschaffen Auffangnorm bezüglich der Befugnisse des Vorstands zeigt das Gesellschaftsgesetz 2005 im Vergleich zum Gesellschaftsgesetz 1993 mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiraum für die Aktionäre.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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sammlung und des Vorstandes durch die Konkretisierung der Befugnisse in der Gesellschaftssatzung beseitigt werden. cc) Sonderprobleme Die anschließende Darstellung bezieht sich auf zwei besondere Typen von Vorstandsmitgliedern im chinesischen Gesellschaftsrecht. (1) Funktion des Vorstandsvorsitzenden Der Vorstand der Gesellschaft bestellt nach § 110 GeG 2005 einen Vorstandsvorsitzenden. Im Gesellschaftsgesetz von 1993 wurde dem Vorstandsvorsitzenden eine übermächtige Stellung eingeräumt. Die herausragende Stellung des Vorstandsvorsitzenden im GeG von 1993 zeigte sich vor allem in den folgenden drei Vorschriften: nach § 113 S. 3 GeG 1993 vertrat allein der Vorstandsvorsitzende als gesetzlicher Repräsentant42 die Aktiengesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Ohne Bevollmächtigung des Vorstandsvorsitzenden konnte keiner der Vorstandsmitglieder oder eine andere Person die Gesellschaft vertreten. Darüber hinaus übte der Vorstandsvorsitzende gemäß § 114 GeG 1993 die folgenden Befugnisse aus: (1) Leitung der Hauptversammlung sowie Einberufung und Leitung der Sitzungen des Vorstandes (2) Überprüfung der Ausführung der Beschlüsse des Vorstandes (3) Unterzeichnung der Aktienpapiere und Schuldverschreibungen der Gesellschaft. Letztlich wurde die übermächtige Stellung des Vorstandsvorsitzenden durch § 120 GeG 1993 verstärkt, wonach je nach den Erfordernissen der Gesellschaft der Vorstand den Vorstandesvorsitzenden ermächtigten kann, während der Sitzungsperioden Teile der Vorstandsbefugnisse auszuüben. Als gesetzlicher Repräsentant der Gesellschaft sind allein der Vorstandsvorsitzende und die von ihm ermächtigten Vorstandsmitglieder berechtigt, die Gesellschaft im Außenverhältnis zu vertreten. Dies beispielsweise, um Verträge im Namen der Ge42 Dass es nur eine Person als gesetzlichen Repräsentanten des Unternehmens gibt, ist eine chinesische Besonderheit. Im traditionellen Staatsunternehmen war der Fabrikdirektor, welcher direkt von der zuständigen staatlichen Verwaltungsbehörde des Staatsunternehmens ernannt wurde, der einzige gesetzmäßige Vertreter des Unternehmens im Außenverhältnis. Obwohl die überwiegende Anzahl der Staatsunternehmen bereits in Aktiengesellschaften oder GmbHs umgewandelt wurde, wurde das System der gesetzlichen Repräsentanten unverändert ins Gesellschaftsgesetz übernommen. Yang, Ji, Zhongguo gufen gongsi fading daibai ren zhidu de cunfei, Xiandaifaxue 2004, S. 126. Die Definition des gesetzlichen Repräsentanten wird in den Verwaltungsvorschriften festgelegt. Gemäß § 27 zur Ausführungsbestimmung der Eintragungsvorschrift über die Eintragung der Unternehmensrechtsperson, die vom Staat, der Industrie und der Handelsbehörde erlassen wurde, ist unter dem gesetzlichen Repräsentanten eine Person zu verstehen, welche allein die juristische Person vertritt und die gesetzlichen Unterlagen im Namen des Unternehmens unterschreibt. Zum gesetzlichen Repräsentanten in China siehe zusammenfassend Tu, Yiming, Guoqi fading daibiaoren quanli fubai xianxiang de falü toushi, Henandaxue xue bao (shehuikexueban) 2001, S. 45; Xu, Yanbing, Fading daibiaoren zhidu de biduan he wanshan, Faxue 2004, S. 27.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

sellschaft mit Dritten abzuschließen, zivilrechtliche Prozesse zu veranlassen und dabei die Gesellschaft zu vertreten sowie andere rechtliche Unterlagen zu unterzeichnen. Dies bedeutet, dass, wenn der Vorstandsvorsitzende die zivilrechtliche Klage unterlässt, die Gesellschaft keinen zivilrechtlichen Rechtsweg eröffnen kann.43 Umgekehrt bedeutet dies, dass, wenn der Vorstandsvorsitzende eigenwillig eine Anklage im Namen der Gesellschaft erhebt, die Gesellschaft keine Möglichkeit hat, diesen rechtlichen Prozess zu beenden oder zu vermeiden. Aufgrund der Bedingung, dass die Vorstandssitzung vom Vorstandsvorsitzenden zu leiten ist, kam es in der Rechtspraxis häufig vor, dass der Vorstandsvorsitzende sich absichtlich weigerte, die Vorstandssitzung einzuberufen. In solchen Fällen standen ihm die anderen Vorstandsmitglieder machtlos gegenüber.44 Auch dadurch, dass der Vorstandsvorsitzende im Außenverhältnis die Gesellschaft vertrat und Verträge für sie abschließen konnte, wurde das Gesellschaftsvermögen der großen Gefahr ausgesetzt, dass der Vorstandsvorsitzende willkürlich Darlehens- oder Sicherheitsverträge in Namen der Gesellschaft zum privaten Zweck abschloss. In der Tat beherrscht der Vorstandsvorsitzende in der Praxis durch seine Alleinvertretungsmacht im Außenverhältnis nahezu alle Bereiche der Geschäftsführung. So kam es oft vor, dass die Gesellschaft der Kontrolle des Vorstandsvorsitzenden unterstand und nicht der des kollegialen Organs des Vorstandes.45 Die Problematik der übermächtigen Stellung des Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft nahm der Gesetzgeber zur Kenntnis und sah die Notwendigkeit, die Macht des Vorstandsvorsitzenden durch eine Reihe gesetzlicher Änderungen im Gesellschaftsgesetz von 2005 in gewissem Maße einzuschränken. So wurde im Gesellschaftsgesetz 2005 der Vorstandsvorsitzende zunächst nicht als einziger gesetzlicher Repräsentant der Gesellschaft festgelegt. In der allgemeinen Vorschrift zum gesetzlichen Repräsentanten der Gesellschaft (§ 13 GeG) heißt es nach deren Wortlaut: „Als gesetzlicher Repräsentant der Gesellschaft tritt nach den Bestimmungen der Gesellschaftsatzung der Vorstandsvorsitzende, der geschäftsführende Vorsteher oder ein Geschäftsführer auf“. Der Versuch des Gesetzgebers, durch die Erweiterung der tauglichen gesetzlichen Repräsentanten die Macht des Vorstandsvorsitzenden zu beschränken, hatte nur eine geringe Wirkung. Für den rechtlichen Repräsentanten der Aktiengesellschaft kommen nur46 der Vorstandsvorsitzende und der Geschäftsführer in Betracht. Allerdings 43

Fang, Liufang, Guoqi fadingdaibiaoren de falü diwei, Quanli he liyichongti, in: Xu, Chuanxi (Hrsg.), Zhoongguo Shehui Zhuanxin Shiqi de Falüfazhan, 2004, S. 293 – 298. 44 Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa bijiao fenxi, S. 219, 220. 45 Fang, Liufang, Guoqi fadingdaibiaoren de falü diwei, Quanli he liyichongti, in: Xu, Chuanxi (Hrsg.), Zhoongguo Shehui Zhuanxin Shiqi de Falüfazhan, 2004, S. 293 (295); Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa bijiao fenxi, S. 223. 46 Gemäß § 51 GeG 2005 gibt es den geschäftsführenden Vorsteher anstatt des Vorstandes nur dann, wenn es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit verhältnismäßig wenig Gesellschaftern oder um eine Gesellschaft mit verhältnismäßig kleinem Umfang handelt.

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kann nach § 115 GeG 2005 die Position des Vorstandsvorsitzenden und des Geschäftsführers in einer Person vereinigt sein, wenn der Vorstand der Gesellschaft dies entsprechend beschlossen hat. In der Rechtspraxis ist es üblich, dass der Vorstandsvorsitzende zumeist auch Geschäftsführer ist. Daher entfaltet die Regelung in der Rechtspraxis kaum Bedeutung. Eine weitere Bemühung des Gesetzgebers, die Macht des Vorstandsvorsitzenden zu verringern, ist die Änderung der Amtsbefugnisse des Vorstandsvorsitzenden in § 110 des GeG 2005. Danach bestehen die Befugnisse des Vorstandsvorsitzenden ausschließlich in zwei Teilen, der Einberufung und Leitung der Vorstandssitzung und der Überwachung der Ausführung der Vorstandsentscheidungen. Kommt der Vorstandsvorsitzende seinen Amtsbefugnissen nicht nach, werden diese vom stellvertretenden Vorsitzenden ausgeführt. Neben der Abschaffung der Vorschrift, dass nur der Vorstandsvorsitzende als einziger gesetzlicher Repräsentant anerkannt wird, wurde auch § 120 des GeG 1993, wonach der Vorstand dem Vorstandsvorsitzenden Teile seiner Befugnisse während der Sitzungsperioden übertragen konnte, im modifizierten Gesellschaftsgesetz 2005 abgeschafft.47 (2) Funktion der unabhängigen Vorstandsmitglieder Das GeG 1993 enthielt keine Vorschrift über die unabhängigen Vorstandsmitglieder48 der Gesellschaft. Die Unternehmensleitung der Gesellschaft wurde vom Aufsichtsrat allein überwacht. Bei der Modifikation des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 wurde eine neue Regelung (§ 123 GeG 2005)49 geschaffen, wonach nunmehr die Ernennung unabhängiger Vorstandsmitglieder für alle börsennotierten Aktiengesellschaften erforderlich ist. Obwohl der Gesetzgeber im Gesellschaftsgesetz von 2005 die Notwendigkeit der Einführung des Systems der unabhängigen Vorstandsmitglieder in chinesischen börsennotierten AGs anerkennt, überlässt er die Konkretisierung des Systems der unabhängigen Vorstandsmitglieder der dem Staatsrat unterstehenden chinesischen Wertpapieraufsichtskommission (zhongguo zhengjianhui kurz „CSRC“).50 47

Zhao, Xudong, Xingongsi fatiaowen jiesi, S. 207. Die unabhängigen Vorstandsmitglieder kommen ursprünglich aus dem angloamerikanischen Recht, sog. „outside directors“ (oder auch „non-executive directors“). Anders als die „inside directors“, die in der Regel Aktionäre oder Beschäftigte der Gesellschaft sind, haben die „outside directors“ zugleich auch andere Ämter außerhalb der Gesellschaft. Das Kernmerkmal der unabhängigen Vorstandsmitglieder liegt in ihrer Unabhängigkeit. Daher ist unter dem unabhängigen Vorstandsmitglied lediglich zu verstehen, dass die „outside directors“ in keiner tatsächlichen Interessenverbindung mit der Gesellschaft stehen. Ausgenommen sind Personen wie Ex-Manager der Gesellschaft, Bekannte oder Verwandte von leitenden Personen der Gesellschaft usw. In der chinesischen Praxis wurden vor allem Ökonomen, Unternehmensberater und Buchhalter zu unabhängigen Vorstandsmitgliedern der börsennotierten AG berufen. Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 368, 369. 49 § 123 GeG 2005 lautet: „Börsennotierte Gesellschaften haben unabhängige Vorstandsmitglieder, konkrete Bestimmungen dazu trifft der Staatsrat“. 50 Zhao, Xudong, Xingongsifa tiaowen jieshi, S. 230. 48

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Die Einführung unabhängiger Vorstandsmitglieder in die börsennotierte Aktiengesellschaft wurde bereits in den 90er Jahren durch die CSRC umgesetzt. Zunächst wurde es börsennotierten Aktiengesellschaften durch die im Jahr 1997 von der Wertpapier-Aufsichtskommission erlassene Satzungsanleitung für börsennotierte Aktiengesellschaften erlaubt, im Bedarfsfall unabhängige Vorstandsmitglieder (duli dongshi zhidu) zur Überwachung der Geschäftsführung zu bestellen. Die Einführung von unabhängigen Vorstandsmitgliedern wurde zwei Jahre später für alle chinesischen Aktiengesellschaften, welche an ausländischen Börsen notiert wurden, vorgeschrieben.51 Im Jahr 2001 wurde mit dem Erlass der „Anleitung zur Errichtung eines Systems von unabhängigen Vorstandsmitgliedern in börsenzugelassenen Gesellschaften“ (im folgenden Anleitung genannt) die Bestellung von unabhängigen Vorstandsmitgliedern auf alle börsennotierten chinesischen Aktiengesellschaften ausgedehnt. Anschließend wurde im Jahr 2002 in einem eigenständigen Kapitel (Kapitel 3) im Standard der Corporate Governance börsenzugelassener Aktiengesellschaften (Standard) das System der unabhängigen Vorstandsmitglieder aller börsennotierten Aktiengesellschaften geregelt.52 Gemäß der Anleitung und dem Standard ist die Vorstandssitzung allein zuständig für die Bestellung der unabhängigen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft. Die Kandidaten der unabhängigen Vorstandsmitglieder sollen weder in Beziehung zu der Gesellschaft stehen, die sie angestellt hat, noch in Beziehung zu den führenden Aktionären.53 Die unabhängigen Vorstandsmitglieder haben gegenüber der Gesellschaft und allen Aktionären eine Treuepflicht.54 Sie müssen vor allem die Interessen des mittleren und kleinen Aktionärs wahren.55 Die unabhängigen Vorstandsmitglieder sollen ihre Amtspflichten unabhängig erfüllen und nicht von Hauptaktionären, tatsächlich kontrollierenden Personen und anderen Personen beeinflusst werden, die Interesse an der Gesellschaft haben.56 51 Im Jahr 1999 wurde „Die Ansicht zur fortgeschrittenen Standardisierung der Operation und Vertiefung der Reform der an ausländischen Börsen notierten chinesischen Aktiengesellschaft“ von der nationalen Wirtschafts- und Handelskommission zusammen mit der CSRC erlassen. 52 Gesetzestext: Pißler, Corporate Governance in der VR China: Neue Vorschriften für börsenzugelassene Gesellschaften, in: China Analysis No. 17 (Nov 2002), S. 29. 53 Anleitung § 1 Nr. 1; Standard § 49. 54 Anleitung § 1 Nr. 2, Satz 1; Standard § 50 Satz 1. 55 Während in der Anleitung § 1 Nr. 2, Satz 3 das Wort „wahren“ angewendet wurde, ist die Formulierung im Standard § 50 Satz 2 etwas anders: „insbesondere müssen sie (die unabhängigen Vorstandsmitglieder) darauf achten, dass die legalen Rechtsinteressen der mittleren und kleinen Aktionäre nicht verletzt werden“. Mit dieser Änderung betont der Gesetzgeber die Neutralität des unabhängigen Vorstandsmitglieds. Diese sollen nicht die Interessengruppe innerhalb der Gesellschaft vertreten, sondern die unternehmerischen Entscheidungen unabhängig und eigenständig treffen. Wu, Yue, Rechtsfragen der Unternehmensgruppen und transnationalen Gesellschaften in China, S. 259. 56 Anleitung § 1 Nr. 2, Satz 3; Standard § 50 Satz 3.

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Da der Aufsichtsrat sowohl nach chinesischem Gesellschaftsgesetz als auch in der Praxis eine schwache Stellung57 gegenüber dem übermächtigen Vorstand hat, versucht der Gesetzgeber durch die Einführung von unabhängigen Vorstandsmitgliedern die oftmals ineffiziente Kontrolle über die Geschäftsführung zu verbessern. Während einige58 die positiven Auswirkungen mit der Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder in der börsennotierten Aktiengesellschaft auf die Unternehmensführung betonten, nahmen die Gegenansichten in Laufe der Zeit zu. Die Kritik an den unabhängigen Vorstandsmitgliedern börsennotierter Aktiengesellschaften in der chinesischen Rechtswissenschaft lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bezüglich des Anwendungsbereichs der unabhängigen Vorstandsmitglieder sind einige59 der Ansicht, dass die Aufstellung eines unabhängigen Vorstandsmitglieds für alle chinesischen Gesellschaften erforderlich sein sollte. Dies wurde damit begründet, dass die Verletzung der Gesellschaftsinteressen und der Interessen der kleinen und mittleren Aktionäre durch den übermächtigen Vorstand nicht nur in der börsennotierten Aktiengesellschaft, sondern auch in der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft und GmbH existiere. Es sei daher unverständlich, dass sich der Anwendungsbereich der unabhängigen Vorstandsmitglieder ausschließlich auf die börsennotierte chinesische Aktiengesellschaft beschränke.60 Im Hinblick auf die Effizienz des unabhängigen Vorstandsmitglieds zur Wahrung der Unternehmensinteressen sind einige davon ausgegangen, dass es durch die Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder nicht zu einer effektiveren Kontrolle der Geschäftsführung in der börsennotierten AG kommen wird. In der Regel sind die unabhängigen Vorstandsmitglieder nebenamtlich tätig. Daraus resultiert das Problem, dass viele der angestellten unabhängigen Vorstandsmitglieder aufgrund von zeitlichen Konflikten an den Vorstandssitzungen nicht persönlich teilnehmen können.61 Darüber hinaus ist es den unabhängigen Vorstandsmitgliedern aufgrund des Informationsnachteils gegenüber dem Vorstand kaum möglich, die Unternehmenslei57 Die schwache Rolle des chinesischen Aufsichtsrats wird im folgenden Abschnitt behandelt. 58 Zum Beispiel versucht eine Autorin in ihrem Artikel die positive Auswirkung der Einrichtung der unabhängigen Vorstandsmitglieder in einer börsennotierten AG auf die Unternehmensperformance in den Jahren 2001 bis 2007 mit mathematischen Analysen zu beweisen. Ma, Shouli, 2001 – 2007 Dulidongshi zhidu yu shangshigongsi jingying yeji de shizheng fenxibijiao, Tequ jingji 2008, S. 106, 108. Unzutreffend ist jedoch die Annahme in der Untersuchung, dass die Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder für die verbesserte Performance der Unternehmen nur ein Grund von vielen sei. Es ist daher nicht akzeptabel, aus der verbesserten Unternehmensperformance den Schluss zu ziehen, dass sich dies allein auf die Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder zurückführen lässt. 59 Wu, Yue, Rechtsfragen der Unternehmensgruppen und transnationalen Gesellschaften in China, S. 259, 260. 60 Wu, Yue, Rechtsfragen der Unternehmensgruppen und transnationalen Gesellschaften in China, S. 259, 260. 61 Wu, Yue, Rechtsfragen der Unternehmensgruppen und transnationalen Gesellschaften in China, S. 260, Fn. 63.

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tung zu kontrollieren. Das gilt insbesondere deshalb, weil die Beurteilung auf den vom Vorstand vorgegebenen Informationen beruht, die dieser leicht zu seinen Gunsten manipulieren kann.62 Das letzte und größte Problem im Hinblick auf die unabhängigen Vorstandsmitglieder ist deren Beziehung zum Aufsichtsrat. So bestehen zwischen beiden Organen einige Kompetenzkonflikte in Bezug auf die Überwachung des Vorstandes. Nachfolgend werden die rechtlichen Grundlagen des Aufsichtsrats nach dem chinesischen Recht näher beleuchtet. .

d) Funktion des Aufsichtsrats Nach dem Vorbild des deutschen Rechts hat sich der Gesetzgeber des chinesischen Gesellschaftsgesetzes von 1993 für das dreigliedrige Modell, bestehend aus der Hauptversammlung, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat entschieden, welches später auch ins GeG 2005 übernommen wurde. Gemäß § 118 S. 1 des GeG hat jede chinesische Aktiengesellschaft einen Aufsichtsrat einzurichten.63 Er ist somit zwingendes Organ der Aktiengesellschaft. .

aa) Zusammensetzung Der Aufsichtsrat besteht aus Vertretern der Gesellschafter und Vertretern der Beschäftigten der Gesellschaft, wobei mindestens ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder Vertreter der Beschäftigten der Gesellschaft sein sollen (§ 118 S. 2 GeG). Die Vertreter der Aktionäre im Aufsichtsrat werden von der Hauptversammlung gewählt und abgelöst. Die Arbeitnehmervertreter werden von den Arbeitern und Angestellten der Gesellschaft durch Arbeiter- und Angestelltenkongresse ausgewählt.64 Die Vor62 Rong, Heping, Zhongguo gufen gongsi de jingying zuzhi jigou, Shanxi Daxue Xuebao (Zexue shehuikexue) 2007, S. 47. 63 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 380. 64 Zur Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats wurde im Gesellschaftsgesetz ausschließlich in § 109 GeG genannt, dass die Hauptversammlung für die Bestellung, Abberufung und Vergütung der Vertreter der Aktionäre im Aufsichtsrat zuständig ist. In der Literatur sind die Ansichten jedoch geteilt, einige sind der Meinung, dass die in der Gesellschaftssatzung von den Aktionären vereinbarten und festgelegten Vergütungsregeln nicht nur für die Vertreter der Aktionäre im Aufsichtsrat, sondern für alle Aufsichtsratsmitglieder und damit auch für die Arbeitnehmer gelten. Im Gegensatz dazu wird die Ansicht vertreten, dass wie bei der Bestellung und der Abberufung die jeweilig zuständigen Organe über die Vergütung entscheiden sollen. So sollen der Arbeitnehmer- und Angestellten-Kongress über die Vergütung der Vertreter der Arbeiternehmer im Aufsichtsrat bestimmen und die Hauptversammlung über die Vergütung der Vertreter der Aktionäre entscheiden. Die letzte Auslegung ist deshalb nicht akzeptabel, weil die Gesellschaft alleiniger Vermögensinhaber ist und ohne ihr Einverständnis die Arbeitnehmer nicht zu Lasten des Vermögens der Gesellschaft, die für die Vergütung aufkommt, entscheiden können. Comberg, Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft in China, S. 191.

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standsmitglieder und leitenden Manager dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder des Aufsichtsrats sein. bb) Amtsbefugnisse des Aufsichtsrats Dem Aufsichtsrat kommt im Organisationsgefüge der Gesellschaft die grundsätzliche Aufgabe zu, die Geschäftsführung zu überwachen. Die konkreten Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats wurden in § 119 mit Verweis auf §§ 54, 55 GeG 2005, den Amtsbefugnissen des Aufsichtsrats der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, geregelt. Danach gehört zunächst zur Aufgabe und Befugnis des Aufsichtsrats, die Finanzen der Gesellschaft zu überprüfen (§ 54 Nr. 1 GeG 2005). Nach dem Schrifttum bedeutet dies im Einzelnen, dass der Aufsichtsrat Finanz- und Geschäftsberichte, Gewinnverteilungs- und Verlustzuweisungspläne der Gesellschaft überprüft sowie Einsicht in die dafür erforderlichen Unterlagen verlangen kann. Nach § 54 Nr. 2 und 3 GeG 2005 hat der Aufsichtsrat weiterhin die Aufgabe zu kontrollieren, ob Handlungen der Vorstandsmitglieder und der Manager bei der Durchführung von Gesellschaftspflichten gegen Gesetze, Rechtsbestimmungen der Verwaltung oder die Gesellschaftssatzung verstoßen haben. Ferner muss er Abberufungsvorschläge hinsichtlich der Vorstandsmitglieder sowie Manager äußern, wenn Gesetze, Verwaltungsnormen, die Gesellschaftssatzung oder Entscheidungen der Gesellschaftsversammlung verletzt worden sind. Gemäß § 54 Nr. 3 GeG 2005 kann der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer zur Berichtigung auffordern, wenn ihre Handlungen die Interessen der Gesellschaft schädigen. In einem solchen Fall soll der Aufsichtsrat gemäß § 54 Nr. 4 GeG die Abhaltung einer außerordentlichen Hauptversammlung vorschlagen. Wenn der Vorstand seinen im Gesellschaftsgesetz bestimmten Obliegenheiten zur Einberufung und Leitung der Gesellschafterversammlung nicht nachkommt, beruft der Aufsichtsrat die Gesellschaftsversammlung ein und leitet sie. Nach § 54 Nr. 5 GeG hat der Aufsichtsrat die Aufgabe, der Gesellschaftsversammlung Vorschläge zu unterbreiten. Eine wichtige Änderung im Gesellschaftsgesetz 2005 ist, dass gemäß § 54 Nr. 6 GeG 2005 der Aufsichtsrat nach § 152 GeG 2005 Klage auf Schadensersatz gegen Vorstandsmitglieder und leitende Manager erheben soll, wenn die widerrechtlichen Handlungen der Mitglieder des Vorstandes und leitenden Personen die Vermögensinteressen der Gesellschaft benachteiligen. Der Gesetzgeber bezweckt durch diese Vorschrift, die bisher herrschende schwache Position des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu stärken und damit das Druckmittel gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder zu erhöhen. Schließlich hat der Aufsichtsrat gemäß § 54 Nr. 7 GeG 2005 die in der Gesellschaftssatzung vorgesehenen Befugnisse auszuüben.65 Das chinesische Gesellschaftsgesetz 2005 machte im Hinblick auf die Kompetenzen des Aufsichtsrats einen Fortschritt im Vergleich zum Gesellschaftsgesetz 1993.

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Comberg, Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft in China, S. 184.

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Nach § 54 GeG 2005 hat der Aufsichtsrat nun erstmals die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen die Abberufung der Vorstandsmitglieder und leitenden Manager vorzuschlagen, die Hauptversammlung einzuberufen und zu leiten, wenn der Vorstand seinen Obliegenheiten nicht nachkommt. Des Weiteren stellt das neue chinesische Gesellschaftsgesetz klar, dass der Aufsichtsrat der Aktionärsversammlung Vorschläge machen und unter bestimmten Umständen Klage gegen Vorstandsmitglieder und leitende Manager erheben kann. Die Aufsichtsratsmitglieder haben ein Recht zur Teilnahme an Sitzungen des Vorstandes und zu den Punkten, über die der Vorstand entscheidet, Fragen zu stellen und Vorschläge zu machen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Gesellschaftsgesetz erhebliche Schwächen zeigt, die relativ bedeutungslose Stellung des Aufsichtsrats zu verbessern. Der Aufsichtsrat spielt in der chinesischen Unternehmenspraxis kaum eine Rolle. Trotz der Erweiterung der einzelnen Kompetenzen des Aufsichtsrates fehlt dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft in China nach wie vor das wichtigste Mittel zur wirksamen Durchsetzung seiner Überwachungsaufgabe, nämlich die Personalentscheidungsrechte über die Vorstandsmitglieder entsprechend dem deutschen Recht.66 Das Recht, nach § 54 Nr. 3 GeG 2005 eine Korrektur des Verhaltens von Vorstandsmitgliedern und leitenden Managern zu fordern, bleibt so bei einer Verweigerung im Ergebnis wirkungslos. cc) Sonderproblem: Kompetenzkonflikte zwischen dem Aufsichtsrat und den unabhängigen Vorstandsmitgliedern Zusammengefasst bestehen die Hauptaufgaben des Aufsichtsrats der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsrecht aus zwei wesentlichen Aspekten, zum einen die Finanzangelegenheiten der Gesellschaft zu überwachen und zum anderen die Gesetzes- und Vorschriftsmäßigkeit der Handlungen der Mitglieder des Vorstandes und der Manager zu kontrollieren. Allerdings taucht bei der Konkretisierung der Überwachung der Finanzangelegenheiten der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat in der börsennotierten Aktiengesellschaft der Konflikt mit den Amtsbefugnissen des unabhängigen Vorstandsmitglieds auf. In § 52 des Standards wird vorgesehen, dass der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft Fachausschüsse einrichten kann. Die unabhängigen Vorstandsmitglieder sollen hierbei in vier Fachausschüssen67 die Mehrheit ausmachen. Während in § 59 des Standards ausdrücklich geregelt ist, dass der Aufsichtsrat die Finanzen der Gesellschaft zu überwachen hat, werden in § 54 des Standards dem Fachausschuss die Rechnungsprüfung und auch die Kontrollbefugnis über die Finanzen der 66

Cao, Fuguo, Zhongguo gufengongsi jiguan de fagouzao yu falügaige: Cong jizhong guquanjiegou de gongsi zhili minti zhankai, Faxue yanjiu 2006, S. 122. 67 Fachausschüsse für Strategie, für Rechnungsprüfung, für Nominierung sowie für Gehälter und Prüfung.

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Gesellschaft eingeräumt. Hieraus resultiert die Problematik, dass sich durch die doppelte Überwachung auch entsprechend die Kosten erhöhen.68 Darüber hinaus ist bis heute nicht geklärt, wie die konkreten Inhalte zur Überwachung der Finanzen der Gesellschaft durch die unabhängigen Vorstandsmitglieder und den Aufsichtsrat aussehen sollen. Ohne eine klare Festlegung bezüglich der Überwachungsaufgaben der beiden Organe wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit in der Praxis verursacht.69 Wenn man davon ausgeht, dass die unabhängigen Vorstandsmitglieder in gleicher Weise wie die anderen Mitglieder des Vorstandes unter der Überwachung des Aufsichtsrats stehen, ist fraglich, wie der Aufsichtsrat die unabhängigen Vorstandsmitglieder zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen überwachen kann, wenn die meisten unabhängigen Vorstandsmitglieder sowohl für die bestehenden Fachausschüsse für Gehälter und Prüfung des Vorstands als auch für die Gewährung der Gehälter der Aufsichtsratsmitglieder zuständig sind.70 2. Gesellschaftsrechtliche Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer AG Nach herrschender Meinung71 in der chinesischen Rechtswissenschaft resultiert der Rechtsgrund für die Treue- und Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung aus dem Treuhandverhältnis zwischen der Gesellschaft als Treugeberin und den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats als Treuhänder. Mit der Verletzung dieser Pflichten sind haftungsrechtliche Folgen für die betreffenden Personen verbunden.72 Die Treueund Sorgfaltspflicht der Organmitglieder in einer Aktiengesellschaft bilden die beiden Säulen der Verantwortlichkeit der Organmitglieder, welche weltweit anerkannt sind. Beim Blick auf die Gesetzgebung zur Treue- und Sorgfaltspflicht in anderen Ländern, gelangt man zu der Erkenntnis, dass die Treue- und Sorgfaltspflicht der Or68 Gemäß § 57 des Standards können die Fachausschüsse die Institute außerhalb der Gesellschaft zur Besorgung von Fachgutachten anstellen, wobei die entstehenden Kosten von der Gesellschaft getragen werden. 69 Bai, Xuchuan, Qianlun dulidongshi yu jianshihui zhidu zhi xietiao yu wansan, Zhengfa luntan qianyan 2005, S. 32. 70 In dem Entwurf des Standards wurde ausdrücklich geregelt, dass der Ausschuss für Gehälter und Prüfung der Richtlinien und Pläne für die Gehälter der Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und Geschäftsführungspersonals zuständig ist. In dem späteren Standard wurden in § 56 die Aufsichtsratsmitglieder weggelassen, stattdessen durch „hochrangige Manager“ ersetzt. In der Praxis jedoch ist es in der Regel der Fachausschuss für Gehälter und Prüfung der börsennotierten Aktiengesellschaft, der die Gehälter der Aufsichtsratsmitglieder untersucht und prüft. Ein Beispiel hierfür siehe: http://fund.stockstar.com/info/Darticle.as px?id=JI.20090313.00000116&columnid=1527,2437. 71 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 383; Li, Yan, Toushi meiguofa shang de dongshi zhongshiyiwu, Xiandai faxue 2008, S. 126; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 426. 72 Fleischer, Die Business Judgment Rules im Spiegel von Rechtsvergleichung und Rechtsökonomie, in: FS Wiedemann 2002, S. 828.

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ganmitglieder im common law – deren Vertreter das großbritannische und das amerikanische Recht sind – sowie im continental law, beispielweise dem deutschen und französischen Recht, gesetzlich verankert73 und weit entwickelt sind.74 a) Eigenschaften der Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder im chinesischen Recht Obwohl der chinesische Gesetzgeber unter starkem Einfluss des deutschen (und evtl. auch des amerikanischen) Rechts die Treuepflicht im Gesellschaftsgesetz 1993 (§§ 59, 123 GeG 1993)75 und im Gesellschaftsgesetz 2005 (§§ 148, 149 GeG 2005) normiert hat, zeichnen sich im Vergleich zu den oben aufgeführten westlichen Ländern die allgemeinen Verhaltensanforderungen an die Organmitglieder im chinesischen Gesellschaftsgesetz insbesondere durch folgende drei Eigenschaften aus: durch eine relativ junge Geschichte, zentralisierte Treuepflichtnormen und die Abstraktheit der Treue- und Sorgfaltspflichten. aa) Die jüngere Geschichte der Treue- und Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht Die Treue- und Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats, waren dem chinesischen Recht noch bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts fremd. Bis zu diesem Zeitpunkt existierten weder Verhaltenspflichten der Geschäftsführung gegenüber der SEU und KU, noch existierte eine rechtliche Verantwortlichkeit des Managements in den Betrieben. In der Praxis kam es häufig vor, dass die Manager trotz Unternehmenszusammenbrüchen oder Entstehung schwerer Verluste in Unternehmen durch eine in hohem Maße verantwortungslose Geschäftsführung, keine rechtlichen Konsequenzen auf sich nehmen mussten.76 Erst in den 90er Jahren wird durch die Einführung moderner Unternehmensformen die Macht der Geschäfts73 Für die konkreten Gesetzesregelungen in einzelnen Ländern siehe die Zusammenfassung von Fleischer. Fleischer, in: FS Wiedemann 2002, S. 828, 829. Die Treu- und Sorgfaltspflicht im deutschen Recht wird später im Kapitel E. der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt. 74 Zum Beispiel kann die Treuepflicht im amerikanischen Recht bis auf das Jahr 1880 zurückgeführt werden. Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 272, 273. 75 Zu klären sind hier zwei Sachverhalte: Zunächst wurde, obwohl im GeG 1993 keine Sorgfaltspflicht geregelt ist, in den späteren Verwaltungsvorschriften, die für die börsennotierten chinesischen AG gelten, die Sorgfaltspflicht geschaffen. Diese Thematik wird später bezüglich der Sorgfaltspflicht ausführlich behandelt. Zweitens vertreten einige chinesische Rechtswissenschaftler die Ansicht, dass im § 123 GeG 1993 nicht nur die Treuepflicht, sondern auch die Sorgfaltspflicht umfasst ist. Dies wird damit begründet, dass das im Gesetz genannte Ziel, die „Gesellschaftsinteressen zu bewahren“ auch Zweck der Sorgfaltspflicht sei. Ding, Ding, Shangye panduan guize yanjiu, S. 319; Yang, Ji, Gongsi dongsi „zhuyi yiwu“ yu „zhongsi yiwu“ bian, Bijiaofa yanjiu 2003, S. 26 – 31. 76 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 424.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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führung durch Trennung des Eigentums- und Betriebsrechts innerhalb der Gesellschaft enorm gestärkt. Im Rahmen dessen sind auch die allgemeinen Pflichtnormen geschaffen worden, insbesondere die Treuepflicht der Geschäftsführung als vorbeugende Maßnahme gegen die Unverantwortlichkeit und den Machtmissbrauch der Amtsführung durch die Organmitglieder und leitende Manager.77 bb) Zentralisierte Treuepflichtnormen Während im deutschen Recht die einzelnen Treuepflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im Aktiengesetz verstreut geregelt wurden (§§ 86, 87, 88, 89, 93 Abs. 3 Nr. 5 – 8, 112, 113, 114, 115 AktG), hat der chinesische Gesetzgeber die typischen einzelnen treuepflichtwidrigen Handlungen der Mitglieder des Vorstands und leitenden Manager in § 149 GeG 2005 aufzählend zusammengefasst.78 Damit versuchte der Gesetzgeber systematische Klarheit in die einzelnen Treuepflichten zu bringen. cc) Abstraktheit der Treue- und Sorgfaltspflicht Im Vergleich zum deutschen oder US-amerikanischen Recht steht die Ausarbeitung des Haftungsprinzips für Treue- und Sorgfaltspflichtwidrigkeit gerade erst am Anfang. Obwohl der chinesische Gesetzgeber in § 148 GeG 2005 ausdrücklich geregelt hat, dass die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft zur Treue und Sorgfalt verpflichtet sind, wurde eine Generalklausel entsprechend den oben dargestellten §§ 93, 116 des deutschen Aktiengesetzes, welche einen Verschuldensmaßstab und objektive Verhaltenspflichten enthalten, nicht im geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz vorgesehen. Der Verzicht auf eine allgemeine Regelung mit haftungsbegründenden Tatbestandselementen für die Treue- und Sorgfaltspflichtverletzung der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im geltenden Gesellschaftsgesetz Chinas bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Im chinesischen Schrifttum wurde dieser Verzicht des Gesetzgebers als „gesetzliche Lücke“ bezeichnet.79 Aufgrund des fehlenden Beurteilungsmaßstabs für die Pflichtverletzung spielt die im Gesellschaftsgesetz genannte Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer Gesellschaft in der Praxis kaum eine Rolle. Welche maßgebenden Beurteilungskriterien für die Sorgfaltspflichtverletzung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Gesellschaft herangezogen werden sollen, kann schlichtweg nicht festgestellt werden. 77

Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 424. Li, Yan, Toushi gongsifa shang de dongshi zhongshi yiwu, Xiandai faxue 2008, S. 126. 79 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 430; Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa jiedu, S. 264. 78

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Ohne festgestellte Pflichtverletzung kann folglich die Gesellschaft keine Schadenersatzansprüche gegen die betreffenden Organmitglieder geltend machen.80 Im Vergleich zur Sorgfaltspflicht scheint die Treuepflicht durch deren gesetzliche Aufzählung in § 149 GeG 2005 nur wenige Probleme hinsichtlich der fehlenden Beurteilungsregelung zu haben. Insofern täuscht aber der erste Eindruck, wenn die Strafrechtsnorm des § 169 Abs. 2 CStGB in Betracht gezogen wird. In § 169 Abs. 2 CStGB wurde die Verletzung der Treuepflicht ausdrücklich zu einer der Voraussetzungen zum Eintritt der Strafbarkeit erhoben. Anerkannt ist jedoch, dass der § 149 GeG 2005 die einzelnen Treuepflichtverletzungen nicht abschließend zusammenfasst.81 In diesem Fall vermag das geltende Gesellschaftsgesetz Chinas82 die Frage nicht zu beantworten, nach welchem Beurteilungsmaßstab die nicht gesetzlich geregelte Treuepflichtwidrigkeit festgelegt werden soll, selbst wenn diese möglicherweise zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen könnte. Meiner Ansicht nach verstößt in solchen Fällen der fehlende Beurteilungsmaßstab zur Treue- und Sorgfaltspflichtverletzung der Organmitglieder einer AG eindeutig gegen das Bestimmtheitsgebot des Strafrechts.83 Es ist eine dringende und notwendige Aufgabe des Gesetzgebers, künftig einen allgemeinen Haftungsstandard zur Beurteilung der Treue- und Sorgfaltspflichtverletzung der Organmitglieder im chinesischen Gesellschaftsgesetz zu normieren.84 Um einen systematischeren und vertieften Blick auf die allgemeine Treue- und Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht zu ermöglichen, werden nachfolgend die im chinesischen Gesellschaftsgesetz aus 2005 normierten einzelnen Treuepflichten und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder unter Berücksichtigung ihrer historischen Entwicklung und Problematik näher behandelt.

80 Bis heute existiert in der chinesischen Rechtsprechung keine zivilrechtliche Beurteilung zum Schadenersatz der Organmitglieder wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung. Fan, Jian/ Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 389. 81 Mei, Shenshi, Xiandai gongsi jiguan quanli gouzao lun-gongsi zhili jiegou de fazhi fenxi, S. 213. 82 Zu beachten ist, dass sich im GeG 1993, dem Vorgänger des geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetzes, eine Generalklausel mit den wesentlichen Merkmalen der Treuepflicht fand. 83 In § 3 CStGB wird ausdrücklich geregelt: „ist eine Handlung durch Gesetz ausdrücklich als strafbare Handlung bestimmt, wird sie entsprechend der gesetzlichen Festlegung als Straftat mit der dafür vorgesehenen Strafe geahndet; liegt eine ausdrückliche Bestimmung als strafbare Handlung durch Gesetz nicht vor, ist eine Festlegung der Handlung als Straftat und Verhängung von Strafe nicht statthaft“. 84 Ebenso in der chinesischen Literatur: Li, Yan, Lun xiandai gongsi zhi dongshi zhuyi yiwu, Xuesu luntan, 2007, S. 138, 140; zur Gegenansicht: Zhao, Xudong (Hrsg.), Xingongsifa zhidu sheji, S. 178, 179.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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b) Treuepflichten der Organmitglieder (Zhongshi Yiwu) aa) Definition und wesentliche Merkmale der Treuepflichten Nach chinesischem Gesellschaftsrecht verpflichten sich die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG, sich gegenüber der Gesellschaft loyal zu verhalten (sog. „Loyalitätspflichten“ oder „Treuepflichten“). Was unter den Treuepflichten der Organmitglieder zu verstehen ist, bleibt jedoch unklar. Während der Gesetzgeber des Gesellschaftsgesetzes 1993 (§ 123 GeG 1993) die allgemeine Treuepflicht in Form einer Generalklausel normiert hatte, wonach die Organmitglieder verpflichtet waren, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und ihre Amtsbefugnisse und Amtsstellung in der Gesellschaft nicht für persönlichen Gewinn auszunutzen, hat der Gesetzgeber des geltenden Gesellschaftsgesetzes die Generalklausel der Treuepflichten ersatzlos gestrichen. Weder in § 148 noch in § 149 GeG 2005, in denen die Treuepflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft geregelt sind, findet man die oben genannte Generalklausel der Treuepflichten der Organmitglieder. Der materielle Gehalt der Treuepflichten der Organmitglieder lässt sich dem geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz demnach nicht entnehmen. Leider vermag auch die chinesische Rechtswissenschaft keine klare Antwort auf die Bestimmung der Treuepflichten der Organmitglieder zu liefern. Der Kernstreitpunkt in der chinesischen Literatur bezüglich der Definition der Treuepflichten geht darum, ob die Treuepflichten und Sorgfaltspflichten zwei selbständige und getrennte Verhaltenspflichten der Organmitglieder sind oder ob die Treuepflichten vielmehr einen Sonderfall der Sorgfaltspflichten darstellen und diesen zugeordnet werden sollten.85 Trotz aller Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Definition der Treuepflichten im Schrifttum, herrscht Einigkeit über das wesentliche Merkmal der Treuepflicht: dass die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats sowie die leitenden Personen bei der Ausübung ihrer Befugnisse die Interessen der Gesellschaft vorrangig gegenüber den eigenen Interessen behandeln müssen.86 Die hier genannten Personen haben sich mit allen Kräften den Interessen der Gesellschaft zu widmen, sie in jeder Weise zu fördern und Schaden von ihr abzuwenden. Die typischen Treuepflichten sind das Wettbewerbsverbot für die Vorstandsmitglieder, das Verbot für die Geschäftsführung, die Geschäftschancen der Gesellschaft persönlich zu nutzen, das Verbot der In-sich-Geschäfte der Unternehmensleiter mit der Gesellschaft sowie die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführung.87

85 86 87

Ausführliche Untersuchung siehe II. 2. d) aa) dieses Kapitels. Wang, Wenyu, Xingongsi yu qitefa, S. 89. He, Hong, Dongshi de zhongshi yiwu yanjiu, Zhengfa conglun 2005, S. 58 – 63.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Wie die Treuepflichtnormen im geltenden chinesischen Gesellschaftsrecht genau geregelt sind, wird nachfolgend bezüglich der historischen Entwicklung der Treuepflicht in China beantwortet. bb) Entwicklung der Treuepflicht im chinesischen Recht Die Treuepflicht der Unternehmensleiter wurde erstmals in Form des Wettbewerbsverbots der Geschäftsführung in der im Jahr 1983 erlassenen Ausführungsbestimmung des Gesetzes über Equity Joint Ventures geregelt.88 Da die Tragweite dieser Vorschrift sich ausschließlich auf die in der Form der Equity Joint Venture organisierten Unternehmen mit ausländischen Anteilen beschränkte, hatte die hier normierte Treuepflicht nur geringe Auswirkung auf die Praxis. Die erste für die Praxis relevante Bestimmung der Treuepflichten bildet Art. 62 der Normierungsansicht über die Aktiengesellschaft89 (abgekürzt „Normierungsansicht“), die im Jahr 1992 von der chinesischen staatlichen Kommission zur Umstrukturierung der Wirtschaft erlassen wurde. Art. 62 der Normierungsansicht lautet: „Die Mitglieder des Vorstands und Manager, die gegenüber der Aktiengesellschaft eine Treuepflicht (Chenxin) und eine Fleißpflicht (Qinmian)90 haben, dürfen keine mit der Gesellschaft in Wettbewerb stehenden oder ihre Interessen schädigenden Aktivitäten betreiben“. Bei einer Verletzung der hier vorgesehenen Pflichten, die einen Vermögensschaden der Gesellschaft verursacht, macht sich die entsprechende Person gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig (was ggf. auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit zur Folge hat).91 Im Vergleich zur Vergangenheit macht der Gesetzgeber dabei einen großen Fortschritt. Zum ersten Mal ist eine zwingende Pflicht für die Unternehmensleitung und die rechtliche Verantwortlichkeit bei Verletzung der Treuepflichtnormen gesetzlich festgelegt.92 Die Treuepflicht der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wurde im Gesellschaftsgesetz 1993 in Anlehnung an die Treuepflichtregelung in der Normierungsansicht geschaffen.93 88

Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 113, 114. Auch erwähnt in: Comberg, Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft in China, S. 33. 90 Fleißpflicht ist hier ein der Sorgfaltspflicht entsprechender Ausdruck. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 116. 91 Art. 110 der Normierungsansicht: „Wenn die Vorstandsmitglieder oder Manager gegen Art. 62 der vorliegenden Vorschrift handeln, und dadurch schwerwiegende Vermögensschäden der Gesellschaft herbeigeführt werden, haften die Mitglieder des Vorstands und Manager gegenüber der Gesellschaft auf Schadenersatz; falls eine Straftat vorliegt, verfolgt die Justiz die entsprechenden Personen strafrechtlich“. 92 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 117. 93 Im GeG 1993 wurde vor allem die allgemeine Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung nicht geregelt. In der Literatur wird dies als gesetzliche Lücke bezeichnet. 89

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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In § 59 Abs. 1 GeG 1993 wurde die allgemeine Treuepflicht der Geschäftsführung einer Gesellschaft94 vorgesehen, wonach „den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern und Managern die Pflicht zur Einhaltung der Gesellschaftssatzung obliegt und sie ihre Pflichten treu zu erfüllen sowie die Interessen der Gesellschaft zu bewahren haben“. Im Anschluss an diesen Absatz wurde der wesentliche Charakter der Treuepflicht wie folgt beschrieben: „Die oben genannten Personen verpflichten sich, ihre Befugnisse und Stellung im Unternehmen nicht dazu zu nutzen, nach privatem persönlichen Gewinn zu streben.“ Neben der allgemeinen Treuepflicht wurden aufgrund der Appellfunktion die einzelnen treupflichtwidrigen Fälle95 in § 59 Abs. 2 bis § 62 des GeG 199396 geregelt. Zusammengefasst handelt es sich bei den Einzeltreuepflichten im GeG 1993 um die folgenden Aspekte: 1) Verbot der zweckentfremdeten Nutzung der Geldmittel der Gesellschaft (§ 60), 2) Wettbewerbsverbot (§ 61) und 3) Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführung (§ 62). Während Abs. 2 des § 59 und § 62 GeG 1993 Anwendung auf die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats und auf leitende Personen fand, wurden die §§ 60, 61 des GeG ausschließlich auf die Vorstandsmitglieder und leitenden Personen der Gesellschaft beschränkt. Obwohl die gesetzgeberische Technik bezüglich der Treuepflichten der Organmitglieder im GeG 1993 unverändert in das GeG von 2005 aufgenommen wurde, wurden die Einzeltreuepflichtennormen im GeG 2005 deutlich geändert. Die Änderungen wurden teilweise durch Vervollständigung der Einzeltreuepflicht im GeG 1993 erreicht, zum Beispiel wurde die Wahrnehmung der der Gesellschaft zustehenden Geschäftschance als eine der typischen Treuepflichthandlungen im § 149 Abs. 5 GeG 2005 neu hinzugefügt.97 Zu den im GeG 2005 neu normierten Ein94 Obwohl es sich hier um die Treuepflicht der Geschäftsführung der GmbH handelt, fand gemäß § 123 Abs. 2 und § 128 Abs. 2 des GeG 1993 die für die GmbH geltende Treuepflicht auch ihre Anwendung auf die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft. 95 Wang, Bing/Sheng, Honghua, Jingji yufa 1994, S. 16. 96 In § 59 Abs. 2 GeG 1993 wurde untersagt, dass die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats sowie Manager ihre Befugnis dazu nutzen, um Bestechungsgegenstände oder anderes unerlaubtes Einkommen anzunehmen und sich Vermögen der Gesellschaft widerrechtlich anzueignen. Unzulässig ist nach § 60 GeG 1993, Geldmittel für andere Zwecke abzuzweigen oder aus Geldmitteln der Gesellschaft anderen Personen Darlehen zu gewähren. Ferner enthält § 61 GeG 1993 ein Wettbewerbsverbot und untersagt, sich an Aktivitäten zu beteiligen, welche die Interessen der Gesellschaft schädigen. Außerdem dürfen Vorstandsmitglieder und Manager nach § 61 GeG 1993 mit der eigenen Gesellschaft weder Verträge abschließen noch Geschäfte betreiben, es sei denn, es ist in der Gesellschaftssatzung bestimmt worden oder die Hauptversammlung hat zugestimmt. § 62 GeG 1993 schließt den gesamten Komplex mit dem Verbot ab, Geheimnisse der Gesellschaft nicht enthüllen zu dürfen, es sei denn, dies ist gesetzlich zugelassen oder geschieht mit Zustimmung der Hauptversammlung. 97 Die Wahrnehmung einer bestehenden Geschäftschance wurde als eine der typischen Treuepflichthandlungen in Abs. 5 des Art. 149 GeG 2005 hinzugefügt. Darüber hinaus wird im

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

zeltreuepflichten zählt auch das Provisionsverbot der Organmitglieder (§ 149 Abs. 6 des GeG 2005). Teilweise wurde die von der Planwirtschaft geprägte Einzeltreuepflicht abgeschafft. Zum Beispiel wurden Unter-Wert-Verkäufe des Staatsvermögens durch die Organmitglieder98 im modifizierten GeG gestrichen. Letztlich wurden auch einige Treuepflichtnormen umformuliert. Zum Beispiel spielt das Einverständnis der Hauptversammlung nach dem GeG 2005 eine entscheidende Rolle bei der Festlegung der Treuepflichtverletzung nach § 149 Abs. 3, 4, 5 und 7 GeG 2005. Das Einverständnis der Hauptversammlung ist hier Ausschlussgrund für die Treuepflichtverletzung der Vorstandsmitglieder und Manager in einer Aktiengesellschaft. Weitere bedeutsame Änderungen der Treuepflichtnormierung im GeG 2005 lassen sich in folgenden zwei Aspekten zusammenfassen. Hinsichtlich der allgemeinen Treuepflichtnorm wurde die im GeG 1993 genannte wesentliche Eigenschaft der Treuepflicht, die Organstellung nicht für private Interessen zu nutzen, im GeG 2005 abgeschafft. Der Grund hierfür ist, dass in derselben Regelung des GeG 2005 neben der allgemeinen Treuepflicht, auch noch die allgemeine Sorgfaltspflicht geschaffen wurde. Das das in Abs. 1 des § 59 GeG 1993 geregelte Gesellschaftsinteresse Vorrang gegenüber dem privaten Interesse hat, betrifft nur den wesentlichen Charakter der Treuepflicht. Dies kann jedoch nicht als ein gemeinsames Merkmal auch für die Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung gelten. Außerdem wurde bei der Konkretisierung der Treuepflichten der Mitglieder des Vorstands und der leitenden Personen eine neue Auffangnorm geschaffen. Im Abs. 8 des § 149 GeG 2005 wird ausdrücklich geregelt: „(Mitglieder des Vorstands und leitende Manager dürfen nicht), andere Handlungen begehen, welche ihre Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verletzen.“ Diese Regelung zeigt, dass das in § 149 GeG 2005 genannte treuepflichtwidrige Verhalten der Vorstandsmitglieder und leitenden Personen nicht als abschließend anzusehen ist.99 Wenn die hier genannten Personen eine nicht in § 149 des GeG 2005 erwähnte treuepflichtwidrige Handlung begehen und einen Vermögensschaden für die Gesellschaft verursachen, dann haften sie gegenüber der Gesellschaft auf Schadenersatz. Mit der neuen Auffangnorm versucht der Gesetzgeber eine klare Anspruchsgrundlage für Schadensersatz wegen solcher treuepflichtwidriger Handlungen zu schaffen, welche in der Praxis häufig auftreten, jedoch im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sind.100 Abs. 6 des GeG 2005 eine andere typische Einzelpflicht eingefügt. Sie lautet: „(Vorstandsmitglieder und leitende Manager) dürfen nicht für sich selbst Provisionen für Geschäfte anderer mit der Gesellschaft einstreichen.“. 98 Zutreffend ordnet Li, Yanbing den § 81 des GeG 1993 als eine der Einzeltreuepflichten der Organmitglieder ein, wonach es der Geschäftsführung der Gesellschaft untersagt wird, das Staatsvermögen unter Wert zu verkaufen. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 120, 121. 99 Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 380; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 437. 100 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 387.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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cc) Geltende Gesetzeslage der Treuepflicht im GeG 2005 (1) Allgemeine Treuepflichtregelung: § 148 des GeG 2005 In § 148 des GeG 2005 wurde zum ersten Mal die Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer Gesellschaft normiert. Der erste Satz des § 148 des GeG 2005 lautet: „Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates und leitende Manager müssen sich an die Gesetze, die Verwaltungsnormen und die Gesellschaftssatzung halten und sind der Gesellschaft zu Treue und Fleiß verpflichtet“. Anschließend werden im zweiten Satz derselben Regelung drei einzelne Treuepflichten der Geschäftsführung wie folgt geregelt: „Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats und leitende Manager dürfen ihre Amtsbefugnisse nicht nutzen, um Bestechungsgegenstände oder sonstige illegale Einkünfte zu erhalten und sie dürfen kein Gesellschaftsvermögen unterschlagen“101. Darüber hinaus wird in § 149 des GeG 2005 eine Reihe von einzelnen Treuepflichten der Vorstandsmitglieder und leitenden Manager der Gesellschaft zusammengefasst. Die hier genannten Einzeltreuepflichten sind die in der Praxis am häufigsten aufgetretenen Erscheinungsformen der treuepflichtwidrigen Handlungen und werden als Konkretisierung der im ersten Satz des § 148 des GeG 2005 beschriebenen abstrakten Treuepflichten bezeichnet.102 (2) Einzeltreuepflichten: § 149 des GeG 2005 Bis jetzt wurden bereits die allgemeinen relevanten Änderungen der Treuepflichten im GeG 2005 gegenüber den Treuepflichten im GeG 1993 untersucht. Die folgende Darstellung bezweckt nun, näher auf die Inhalte der konkreten einzelnen Treuepflichten im geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz einzugehen. Die ersten drei für die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft geltenden Einzeltreuepflichten ergeben sich aus dem Satz 2 des § 148 GeG 2005.103 Danach ist es unzulässig, dass Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrates sowie leitende Personen bei Ausübung ihrer Amtsbefugnisse Bestechungsleistungen oder sonstige illegale Einkünfte annehmen und das Vermögen der Gesellschaft unterschlagen. Weitere Einzelpflichten, deren geregelter Anwendungsbereich gesetzlich ausschließlich auf die Vorstandsmitglieder und leitende Personen beschränkt wurde, sind in § 149 des GeG 2005 zusammengefasst. Danach sind Vorstandsmitglieder und leitende Manager verpflichtet, Mittel der Gesellschaft zweckmäßig zu nutzen. Sie dürfen Mittel der Gesellschaft nicht auf Konten einzahlen, die auf ihren eigenen 101 Gesetzestext des § 148 GeG in deutscher Sprache siehe: ZChinR, 2006/3, S. 323. Hier wird auf eine abweichende Übersetzung hingewiesen: Statt der dort angewendeten Übersetzung „Bestechungen … zu bekommen“ wird hier „Bestechungsgegenstände … zu erhalten“ verwendet. 102 Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 380; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 437. 103 Zhao, Xudong, Xingongsifa Tiaowen Jieshi, S. 290.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Namen oder auf einen Namen einer anderen Einzelperson eröffnet wurden (§ 149 Abs. 1, 2 GeG 2005). Darüber hinaus dürfen Vorstandsmitglieder und leitende Manager keine Provisionen für Geschäfte anderer mit der Gesellschaft einstreichen (§ 149 Abs. 6 GeG 2005). Diese beiden Verbotsnormen sind zusammen mit den Verschwiegenheitspflichten für die Mitglieder des Vorstands und leitenden Personen aus § 149 Abs. 7 GeG 2005 sog. absolute Verbotsnormen der Treuepflicht.104 Das Einverständnis der Hauptversammlung oder des Vorstands sowie eine Vereinbarung in der Gesellschaftssatzung spielt keine Rolle bei der Festlegung der Treuepflichtwidrigkeit. Im Gegensatz dazu wurden in § 149 GeG 2005 auch die relativen Verbotsnormen105 vorgesehen. Dazu gehört die in § 149 Abs. 5 GeG 2005 vorgesehene Verbotsnorm, dass Mitglieder des Vorstands und leitende Personen ihr Amt nicht ohne Einverständnis der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung dafür nutzen dürfen, um für sich oder andere der Gesellschaft zustehende Geschäftschancen zu nutzen, um selbst oder für andere gewerbliche Tätigkeit gleicher Art wie die der Gesellschaft, bei der sie ein Amt innehaben, zu betreiben. Ferner ist es auch unzulässig, dass Mitglieder des Vorstands und leitende Personen entgegen der Gesellschaftsatzung oder ohne das Einverständnis der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung (in der vorliegenden Arbeit handelt es sich ausschließlich um die Hauptversammlung) selbst Gesellschaftsverträge schließen oder Geschäfte betreiben (§ 149 Abs. 4 GeG 2005). Schließlich sollen die Mitglieder des Vorstands und die leitenden Personen Handlungen unterlassen, die der Gesellschaftssatzung zuwiderlaufen bzw. es unterlassen, ohne das Einverständnis der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung oder des Vorstands Mittel der Gesellschaft als Darlehen an andere zu vergeben oder für andere mit dem Gesellschaftsvermögen zu bürgen (§ 149 Abs. 3 GeG 2005).106 c) Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (Zhuyi Yiwu) aa) Definition und wesentliche Merkmale der Sorgfaltspflicht Wie bei der Treuepflicht gibt es im chinesischen Recht keine gesetzliche Definition der Sorgfaltspflicht der Organmitglieder der Aktiengesellschaft.107 In Anlehnung an das angloamerikanische Recht definiert die herrschende Ansicht in der chinesischen Literatur die Sorgfaltspflicht als eine Verpflichtung der Organmitglieder der 104

Li, Yan, Toushi meiguo gongsifa shang de dongshi zhongshi yiwu, Xiandai Faxue 2008, S. 127. 105 Li, Yan, Toushi meiguo gongsifa shang de dongshi zhongshi yiwu, Xiandai Faxue 2008, S. 127. 106 Die strafrechtliche Bedeutung der relativen Verbotsnormen wird im Abschnitt III. dieses Kapitels bezüglich der einzelnen Strafnormen erläutert. 107 Eine abweichende Ansicht in der Literatur bezeichnet die im § 148 GeG 2005 geregelte Sorgfaltspflicht als „Fleißpflicht“ (Qinmian Yiwu). Li, Yan, Lun xiandai gongsi zhi dongshi zhuyi yiwu, Xuesu luntan 2007, S. 138.

II. Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder

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Gesellschaft, bei ihrer Amtsführung sorgfältig und fleißig zu handeln, wie es eine vernünftige und sorgsame Person unter gleichen Umständen täte.108 Die Sorgfaltspflicht unterscheidet sich von der Treuepflicht vor allem dadurch, dass bei der Sorgfaltspflicht die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ihre Fähigkeiten bei der Ausübung ihrer Amtsbefugnisse sorgfältig einzusetzen haben, um die Unternehmensinteressen zu wahren und zu maximieren. Hingegen stellt die Treuepflicht eher eine moralische Loyalitätsanforderung109 an die Organmitglieder dar, indem die hier genannten Personen die Interessen der Gesellschaft als vorrangig gegenüber ihren persönlichen Interessen behandeln müssen und ihre Amtsstellung und Amtsbefugnisse nicht zum eigenen Vorteil ausnützen dürfen. Im chinesischen Gesellschaftsgesetz ist keine allgemeine Regelung zur Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung zu finden. Um Rechtssicherheit und Rechtsbestimmtheit zu schaffen, soll diese gesetzliche Lücke in der künftigen Gesetzgebung beseitigt werden. bb) Entwicklung der Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht Der Gesetzgeber des GeG 1993 verzichtete darauf, die Sorgfaltspflicht im Gesetz zu verankern. Nach dem Erlass des GeG 1993 wurde in der Folgezeit die Sorgfaltspflicht der Organmitglieder der Aktiengesellschaft zunächst in § 115 der zwingenden Satzungsklausel für an ausländischen Börsen notierte Gesellschaften (abgekürzt „zwingende Satzungsklausel“),110 die im Jahr 1994 erlassen wurde, geregelt. Demnach sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, Sorgfalt, Fleiß und Geschick in dem Maße anzuwenden, wie es ein vernünftiger und sorgsamer Mensch unter gleichen Umstände täte. Später wurde diese Sorgfaltspflichtnorm von der in dem Jahr 1997 erlassenen Satzungsanleitung für die börsennotierten Aktiengesellschaften (abgekürzt „Satzungsleitung“) aufgenommen. Gemäß § 81 der Satzungsanleitung müssen die Mitglieder des Vorstands ihre Amtsbefugnisse umsichtig, sorgfältig und fleißig ausführen. Anschließend werden in derselben Bestimmung die einzelnen Sorgfaltspflichten aufgezählt. Dazu zählt zunächst das Gebot, die unternehmerischen Handlungen der staatlichen Gesetze, die Verwaltungsnormen und die staatlichen politischen Maßnahmen im Bereich der Wirtschaft einzuhalten. Darüber hinaus ist es für die Mitglieder des Vorstands unzulässig, Handlungen außerhalb des Geschäftsrahmens vorzunehmen (§ 81 Abs. 1 Satzungsanleitung). Vorstandsmitglieder sollen alle Aktionäre fair behandeln (§ 81 Abs. 2 Satzungsanleitung) und die Überwachung der Vorschläge des Aufsichtsrats akzeptieren (§ 81 Abs. 5 Satzungsanleitung). Ferner sind die hier genannten Personen auch verpflichtet, die geschäftlichen und finanziellen Berichte der Gesellschaft gewissenhaft zu studieren und sich rechtzeitig über die Geschäftsleitung der Gesellschaft zu informieren. Die Vorstandsmitglieder müssen 108 Fan, Jian/Wan, Jianwen, Gongsifa, S. 387; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 430; Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 379, 380. 109 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 430. 110 Zhonghua renmin gonghe guo falü huibian, S. 20.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

ihre gesetzlich eingeräumten Amtsbefugnisse persönlich ausüben, es sei denn, die Ausführung ihrer Amtsbefugnisse durch andere Personen wird durch Gesetze, Verwaltungsnormen oder die Hauptversammlung genehmigt (§ 81 Abs. 4 der Satzungsanleitung). cc) Geltende Gesetzeslage zur Sorgfaltspflicht im GeG 2005: § 148 des GeG Im Gesellschaftsgesetz 2005 wurde in § 148 des GeG neben der Treuepflicht die Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats sowie der leitenden Personen normiert. Im Vergleich zum Gesellschaftsgesetz 1993 machte der Gesetzgeber im GeG von 2005 damit einen großen Fortschritt, da hierdurch eine klare Rechtsgrundlage für die einschlägigen Sorgfaltspflichtnormen außerhalb des Gesellschaftsgesetzes geschaffen und die Uneinheitlichkeit zwischen dem Gesellschaftsgesetz und anderen gesellschaftsrechtlichen Gesetzen teilweise beseitigt wurde. Ein typisches Beispiel dafür ist § 13 der Anleitung der börsennotierten Aktiengesellschaft (abgekürzt „Anleitung“).111 In § 13 der Anleitung wurden die Sorgfaltspflicht und die Treuepflicht der Mitglieder des Vorstands der börsennotierten Aktiengesellschaft geregelt, wonach die Vorstandsmitglieder bei einer schwerwiegenden (Zhongda) oder dauerhaften (Chixu) Verletzung ihrer Amtsbefugnisse gemäß den Gesetzen und Gesellschaftssatzung die entsprechende Verantwortung zu tragen haben. Dies bedeutet, dass in diesem Fall für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegen die betreffenden Organmitglieder nur auf den Haftungstatbestand im Gesellschaftsgesetz oder die Bestimmung in der Gesellschaftssatzung zurückgegriffen werden kann. Da das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Gesellschaftsgesetz aus dem Jahre 1993 keine allgemeine Sorgfaltspflicht der Organmitglieder enthielt, existierte für die Gesellschaft auch keine Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung von Schadensersatz für den Fall, dass die Organmitglieder durch ihr sorgfaltspflichtwidriges Verhalten Schaden an der Gesellschaft verursachten.112 Vor diesem Hintergrund konnte die rechtliche Verantwortung bei einem Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht ausschließlich auf der Gesellschaftssatzung beruhen. In der Tat war es jedoch unwahrscheinlich, in die Gesellschaftssatzung eine zusätzliche Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung aufzunehmen, da die Vorstandsmitglieder in der Regel die Interessen der großen Aktionäre vertreten, die wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesellschaftssatzung haben. Mit der Schaffung der Sorgfaltspflicht im GeG 2005 wurde die hier dargestellte Uneinheitlichkeit zwischen dem Gesellschaftsgesetz und § 13 Anleitung beseitigt und die Interessen der Aktionäre, insbesondere der kleinen, besser geschützt. Obwohl der Gesetzgeber die Sorgfaltspflicht als eine der allgemeinen Verhaltensnormen der Organmitglieder im GeG 2005 neu einfügte, verzichtete er auf die Nor111 112

Welche vom Shanghai-Wertpapierhandelshaus im Okt. 2000 erlassen wurde. Ding, Ding, Shangye panduan guize yanjiu, S. 327, 328.

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mierung des für die Amtsführung der hier genannten Personen geltenden Sorgfaltsmaßstabs. Diese gesetzliche Lücke macht die Anwendung der Sorgfaltspflicht und die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bei der Verletzung der Sorgfaltspflicht in der Praxis kaum möglich und sorgt auch für Probleme bei der Anwendung der Strafrechtsnormen, die im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht stehen.113 d) Probleme der Treue- und Sorgfaltspflicht im chinesischen Recht Da die Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz sehr abstrakt geregelt ist, hat sich die chinesische Rechtswissenschaft zur Aufgabe gemacht, den allgemeinen Verhaltensstandard für Unternehmensleiter auszulegen und zu diskutieren. Es soll und kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, alle mehr oder minder bedeutenden zweifelhaften Fragen, die bei der Auslegung der treue- und loyalitätspflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder auftreten, aufzuzeigen oder gar zu erklären. Die notwendige Einschränkung bei der Erläuterung ergibt sich bereits durch das gestellte Thema dieser Arbeit. Daher soll im Folgenden die Problematik der Treue- und Sorgfaltspflicht nur in dem Umfang dargestellt werden, der zum Verständnis der einschlägigen Strafrechtsnormen zur Strafbarkeit treuwidriger Organmitglieder im chinesischen Recht relevant und notwendig ist. In der folgenden Darstellung werden drei Problematiken bezüglich der Treue- und Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft in der chinesischen Literatur und Gesetzgebung behandelt: das Verhältnis zwischen der Treuepflicht und der Sorgfaltspflicht, die Berechtigten und die Verpflichteten. Zu beachten ist, dass sich die chinesische gesellschaftsrechtliche Literatur bereits mit den ersten beiden Problemen auseinandergesetzt hat. Allerdings wurde im chinesischen Schrifttum das letzte Problem bezüglich der unabhängigen Vorstandsmitglieder als Verpflichtete der Treue- und Sorgfaltspflicht noch kaum behandelt. aa) Verhältnis zwischen Treue- und Sorgfaltspflicht Bei der Untersuchung der Treue- und Sorgfaltspflicht im US-amerikanischen und deutschen Recht, kommt man zu der Erkenntnis, dass bei der Verantwortung der Unternehmensleitung zwischen Treue- und Sorgfaltspflicht differenziert wird.114 Die Differenzierung zwischen beiden Verhaltenspflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft ist deshalb notwendig, weil der unternehmerische Ermessensspielraum im Rahmen der Treuepflichten der Organmitglieder keineswegs zur Anwendung kommt; für die im engen Zusammenhang mit den unternehmerischen 113

Dies wurde zuvor bereits ausführlich behandelt. Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 436; Fleischer, in: FS Wiedemann 2002, S. 828. 114

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Entscheidungen stehende Sorgfaltspflicht der Organmitglieder wird er hingegen zur Haftungsmilderung benötigt.115 Wenn die Organmitglieder innerhalb ihres Ermessensspielraums handeln, tragen sie keine rechtliche Verantwortlichkeit, weder zivilrechtliche noch strafrechtliche. Schließlich sind die sorgfaltswidrige Amtsführung und die treuwidrige Aneignung fremder Vermögenswerte ganz unterschiedliche Wesenserscheinungen, weswegen die Inhalte des Haftungsprinzips für die jeweilige Pflichtverletzung und deren Konkretisierung nicht identisch sind. Chinesische Rechtswissenschaftler haben heutzutage überwiegend116 zutreffend die Treue- und Sorgfaltspflicht in den oben aufgeführten Ländern als Vorbild genommen und vertreten die Ansicht, dass Treue- und Sorgfaltspflicht zwei getrennte, voneinander unabhängige Verhaltensanforderungen an die Organmitglieder einer Gesellschaft sind.117 Allerdings hat der chinesische Gesetzgeber im Bereich des Strafrechts die herrschende Ansicht nicht übernommen. In § 169 Abs. 2 CStGB wurde ausdrücklich die „Treuepflicht“ normiert, in dem einige Handlungen, bei denen es sich eigentlich um Grenzfälle zur Sorgfaltspflicht handelt, der Treuepflichtwidrigkeit zugeordnet und bestraft werden. Das den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern bei der Geschäftsführung zustehende Unternehmensermessen wurde dabei überhaupt nicht berücksichtigt. Die Verrechtlichung von unternehmerischen Entscheidungen wie in diesem Fall, stellt einen starken Eingriff in die notwendige Autonomie von Unternehmensleitern einer börsennotierten Aktiengesellschaft dar. Darüber hinaus steht diese Strafbestimmung auch im Widerspruch zum Gesellschaftsgesetz, weil das chinesische Gesellschaftsgesetz dem Vorstand die eigenständigen Geschäftsführungsbefugnisse einräumt und die Aufsicht als Überwachungsorgan der Gesellschaft festlegt.118 Vor diesem Hintergrund bedarf es hier einer Stellungnahme über das Verhältnis zwischen der Treu- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder. Je nachdem, wie man die Treuepflicht auslegt – extensiv oder restriktiv –, führt dies zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sieht man die Treuepflicht als eine allgemeine Treuepflicht an, folglich das ein Vertrauensverhältnis in seiner Gesamtheit charakterisierende Gebot, dann wird die Sorgfaltspflicht als Konkretisierung dieser Treuepflicht und entsprechend auch als Unterfall der Treuepflicht eingeordnet. Sieht man die Treuepflicht hier nicht als allgemeine, sondern als besondere Treuepflicht, nämlich als Pflicht, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, dann steht die Sorgfaltspflicht, die auch die Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen durch die Organmitglieder umfasst, unabhängig neben der Sorgfaltspflicht. Wenn es um die präzise und klare Begrifflichkeit geht – wie bei den speziellen gesellschaftsrechtlichen Pflichtnormen oder einschlägigen strafrechtlichen Tatbe115 116 117 118

Fleischer, in: FS Wiedemann 2002, S. 836, 843. Anderer Ansicht: Wang, Kaiping, Yinmei gongsi dongshi falü zhidu yanjiu, S. 237. Liu, Junhai, Gufenyouxian gonsi gudongquan de baohu, S. 465. Ausführlich zur Untersuchung siehe Kapitel D. der vorliegenden Arbeit.

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standsmerkmalen – die zu unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen führen, wird in der vorliegenden Arbeit eine restriktive Auslegung der Treuepflicht vorgeschlagen. Im Allgemeinen kann jedoch die Verletzung der Treue- und Sorgfaltspflicht durch die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats bei der Wahrung fremder Gesellschaftsvermögensinteressen zusammen als „treuwidriges Verhalten“ bezeichnet werden, wie dies auch im Titel der vorliegenden Arbeit geschehen ist. bb) Die Berechtigten der Treue- und Sorgfaltspflicht Hier ist die Frage zu beantworten, wem gegenüber der Unternehmensleiter zur Treue und Sorgfalt verpflichtet ist. In der chinesischen Literatur ist vor allem strittig, ob den Organmitgliedern die Treue- und Sorgfaltspflicht neben der Gesellschaft auch gegenüber den Aktionären obliegt.119 Bejaht man dies, so ist daran direkt die Frage geknüpft, wie die Interessenhierarchie zwischen der Gesellschaft und den Aktionären aussieht. Die strafrechtliche Relevanz der hier diskutierten Frage liegt darin, dass die Strafbarkeit nach den einschlägigen spezifischen Untreuedelikten, die durch die Organmitglieder verwirklicht werden, die gesellschaftsrechtliche Verletzung gegen die Treue- oder Sorgfaltspflicht voraussetzt. Im chinesischen Schrifttum geht die Mehrheit120 davon aus, dass der Geschäftsführung ausschließlich gegenüber der Gesellschaft die Treue- und Sorgfaltspflicht obliegt. Vereinzelte Rechtswissenschaftler121 orientieren sich am angloamerikanischen Recht und sind der Meinung, dass die Gesellschaft grundsätzlich alleiniger Profiteur der allgemeinen Verhaltenspflichten der Geschäftsführung ist. Allerdings könnte im Ausnahmefall122 auch gegenüber den Aktionären eine Treuepflicht der Vorstandsmitglieder bestehen. Die Treue- und Sorgfaltspflichtnorm wurde im einschlägigen chinesischen Gesetz wie in der Normierungsansicht, im Gesellschaftsgesetz 1993 und im modifizierten Gesellschaftsgesetz 2005 widersprüchlich geregelt. Während in Art. 62 der Normierungsansicht ausdrücklich vorgesehen wurde, dass die Vorstandsmitglieder und Manager gegenüber der Gesellschaft die Treue- und 119

Zur Zusammenfassung der verschiedenen Ansichten: Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 428, 429; Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 387. 120 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 108, 109; Zhao, Xundong, Xinjiu gongsifa tiaowen jieshi, S. 257, 258. 121 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 428, 429. 122 Eine solche Ausnahme besteht dann, wenn der Aktionär bei Ausübung seiner Aktionärsrechte sich auf die Information und Beratung der Vorstandsmitglieder verlässt und dadurch einen Vermögensschaden verursacht. In diesem Fall hat die Handlung der Vorstandsmitglieder unmittelbar die Interessen der Aktionäre beeinflusst. Daher tragen in diesem Fall die Vorstandsmitglieder eine Treuepflicht gegenüber den Aktionären. Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 429.

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Sorgfaltspflicht tragen, wurde in § 59 Abs. 1 GeG 1993 bezüglich der Treuepflicht nur geregelt, dass sich die Geschäftsführung verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu bewahren. Nicht zuletzt wird wiederum in § 148 GeG 2005 betont, dass den Vorstands-, Aufsichtsratsmitglieder und leitenden Personen gegenüber der Gesellschaft die Treuepflicht und Sorgfaltspflicht obliegen. Eigentlich scheint mit dem § 148 GeG 2005 das Problem bezüglich der durch die Treue- und Sorgfaltspflicht Begünstigten endgültig geklärt zu sein. Allerdings täuscht dieser Eindruck, wenn die Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder in der chinesischen börsennotierten Aktiengesellschaft in Betracht gezogen wird. Die börsennotierten Aktiengesellschaften in China unterliegen neben dem Gesellschaftsgesetz noch weiteren speziellen Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften. Relevant für die Untersuchung der allgemeinen Verhaltenspflichten der Organmitglieder sind vor allem die folgenden drei vom staatlichen Wertpapieraufsichtsrat erlassenen Vorschriften: Satzungsanleitung der börsennotierten Gesellschaft (abgekürzt „Satzungsanleitung“), Ansicht über die Errichtung der unabhängigen Vorstandsmitglieder (abgekürzt „Ansicht“) sowie Standard der Corporate Governance Kodex börsenzugelassener Gesellschaften (abgekürzt „CCG-Kodex“). Die einschlägigen Bestimmungen in den oben genannten Vorschriften haben folgenden Inhalt: Gemäß Art. 80 der Satzungsanleitung verpflichten sich die Vorstandsmitglieder, den Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre maßgeblich zu folgen und diese wahrzunehmen, wenn ihre eigenen Interessen mit den Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre im Konflikt stehen. Ferner sagt der Gesetzgeber in Art. 2, dass den Vorstandsmitgliedern gegenüber der börsennotierten Aktiengesellschaft und allen Aktionären die Treue- und Sorgfaltspflicht obliegt. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch in § 33 des CCG-Kodex, wonach die Handlungen der Vorstandsmitglieder sich auf die Gewinnmaximierung der Gesellschaft und aller Aktionäre richten und dabei ihre Amtsbefugnisse treu, loyal und fleißig auszuüben haben. In allen oben aufgeführten drei Vorschriften wird ausdrücklich geregelt, dass die Unternehmensleiter einer börsennotierten Aktiengesellschaft neben der Gesellschaft auch noch gegenüber den Aktionären der Gesellschaft die Treuepflicht (ggf. Sorgfaltspflicht) tragen. Das Hinzufügen der Aktionäre der Gesellschaft als durch die allgemeinen Verhaltenspflichten der Organmitglieder in einer börsennotierten AG Begünstigten durch den Gesetzgeber gründet in der Überlegung, den Interessensschutz der kleinen Aktionäre in China zu verstärken. Um die Überlegung des Gesetzgebers zu verstehen, muss man auf eine der Eigenschaften der chinesischen Aktiengesellschaft, insbesondere der börsennotierten Aktiengesellschaft, zurückgreifen. In Kapitel B. wurde bereits erwähnt, dass viele der (börsennotierten) Aktiengesellschaften in China aus ehemaligen Staatsunternehmen entstanden sind und der Staat als größter Aktionär einer solchen Aktiengesellschaft erheblichen Einfluss auf den Vorstand bzw. die Geschäftsführung ausüben kann. Die

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unternehmerischen Entscheidungen wurden häufig zugunsten der Mehrheitsaktionäre und gegen die Interessen der Kleinaktionäre getroffen und umgesetzt. Die massive Verletzung der Interessen der Kleinaktionäre durch den Vorstand und das Untätigsein des Aufsichtsrats der börsennotierten Aktiengesellschaft stellt ein schwerwiegendes Problem in der Praxis dar, welches langfristig gesehen die Entwicklung der Aktiengesellschaft in China behindern könnte.123 Vor diesem Hintergrund bezweckte der Gesetzgeber durch die ausdrückliche Normierung in speziellen Gesetzen, wonach die Organmitglieder nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern zugleich auch gegenüber allen Aktionären (einschließend der kleinen Aktionäre) die Treuepflicht (Sorgfaltspflicht) tragen, das Verhalten der Organmitglieder im Interesse aller Aktionäre zu steuern und dadurch die Interessen der Kleinaktionäre effektiv zu schützen.124 Obwohl der Gesetzgeber von einem guten Willen ausgegangen ist, erwies sich die Erweiterung der Treue- und Sorgfaltspflichtempfänger von der Gesellschaft auf die Aktionäre als wenig durchdacht. Dabei übersah der Gesetzgeber, dass die Interessen der Aktionäre nicht gleichlaufend mit denen der Gesellschaft sind. Im Wesentlichen sind die Unternehmensinteressen zwar mit den Interessen aller Aktionäre identisch. Mehr Gewinn des Unternehmens bringt auch mehr Gewinn für die Anteilseigner.125 Jedoch gehen die Unternehmensinteressen über die Aktionärsinteressen hinaus, indem sie auch die Interessen der Gläubiger und der Arbeitnehmer umfassen.126 Die Interessenskonflikte zwischen Aktionären und der Gesellschaft tauchen erst dann auf, wenn zum Beispiel bei weit verstreutem Anteilsbesitz der Gesellschaft die Aktionärsinteressen sich auf eine kurzfristige Gewinnmaximierung richten, während sich die Gesellschaftsinteressen längerfristig an der strategischen Entwicklung der Gesellschaft orientieren.127 Wenn dem Vorstand zugleich gegenüber der Gesellschaft und allen Aktionären die Treue- und Sorgfaltspflicht obliegt, ist in diesen Fällen das gegenläufige Interesse problematisch, welche pflichtwidrigen Verhaltensweisen für die Beurteilung der Unternehmensleitung maßgeblich sein sollen. Hierbei hat die Differenzierung zwischen beiden Interessenarten für die Beurteilung der Verletzung der Sorgfaltspflicht bei der Amtsführung durch den Vorstand entscheidende Bedeutung. Die oben für börsennotierte Aktiengesellschaften aufgeführten geltenden Treue- und Sorgfaltspflichtnormen bergen große Unsicherheiten für die Organmitglieder bei deren Geschäftsführung.128 123 Yang, Cheng, Shang shi gongsi renyuan beixin fanzui tanxi, Xiandai qiye jiaoyü 2007, S. 125. 124 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 134. 125 Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozhang, S. 39; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 429. 126 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 429. 127 Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozhang, S. 40. 128 Peng, Chasan, Gongsi dongshi yiwu jiqi lifa wanshan, Lilun tansuo 2006, S. 154.

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Meiner Ansicht nach obliegt den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern nur gegenüber der Gesellschaft die allgemeine Treue- und Sorgfaltspflicht. Ihre Handlungen müssen sich ausschließlich am Interesse der Gesellschaft orientieren. Dies liegt darin begründet, dass die Rechtsgrundlage für die Treue- und Sorgfaltspflicht sich aus dem, dem Anstellungsvertrag innewohnenden Treuhandverhältnis (sog. PrincipalAgent-Beziehung) ergibt. Die Vertragsparteien sind die Gesellschaft und die bestellten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Daher tragen die Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft eine unmittelbare Treue- und Sorgfaltspflicht. Darüber hinaus wäre es fraglich, falls die Aktionäre als alleinige Begünstigten der allgemeinen Verhaltenspflichten der Geschäftsführung angesehen würden, warum die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den anderen Interessengruppen, wie den Arbeiternehmern oder Gläubigern, keine eigenständigen Verpflichtungen zu tragen haben sollten.129 cc) Die zur Treue- und Sorgfaltspflicht Verpflichteten Nachdem im Jahr 2005 das chinesische Gesellschaftsgesetz 1993 umfassend modifiziert wurde, bleibt klärungsbedürftig, ob und wie die neu eingeführten unabhängigen Vorstandsmitglieder in der börsennotierten Aktiengesellschaft einer Treue- und Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft unterliegen. Darüber hinaus sind einige chinesische Rechtswissenschaftler130, unter Berücksichtigung der neu im GeG 2005 eingefügten Maßnahmen zur Verstärkung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats innerhalb der Gesellschaft, davon ausgegangen, dass die Aufsichtsratsmitglieder auch als Verpflichtete der in § 149 GeG geregelten Einzeltreuepflichten anerkannt werden sollen. (1) Die unabhängigen Vorstandsmitglieder Die unabhängigen Vorstandsmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft wurden gesetzlich ausdrücklich als Verpflichtete der Treue- und Sorgfaltspflicht normiert. Zum Beispiel wird in der Ansicht bezüglich der Errichtung der unabhängigen Vorstandmitglieder in börsennotierten Aktiengesellschaften die Treue- und Sorgfaltspflicht der unabhängigen Vorstandsmitglieder ausdrücklich festgelegt. Dabei blieb jedoch ungeklärt, ob die unabhängigen Vorstandsmitglieder inhaltlich die gleichen Treuepflichten wie die anderen Mitglieder des Vorstands der Aktiengesellschaft, die in §§ 148, 149 des GeG 2005 geregelt sind, gegenüber der Gesellschaft tragen.

129 Zustimmung in der chinesischen Literatur: Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 429. 130 Zhao, Xundong (Hrsg.), Xinjiu gongsifa bijiao, S. 263.

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In letzter Zeit wird in der chinesischen Literatur die Treue- und Sorgfaltspflicht der unabhängigen Vorstandsmitglieder in der börsennotierten Aktiengesellschaft in einem beschränkten Umfang131 diskutiert. Bezüglich der oben dargestellten gesetzlichen Unklarheiten über die Inhalte der Treuepflichten der unabhängigen Vorstandsmitglieder, vertreten einige die Ansicht, dass bezüglich des Inhalts der Treuepflicht zwischen unabhängigen Vorstandsmitgliedern und den anderen Vorstandsmitgliedern unterschieden werden muss, da die unabhängigen Vorstandsmitglieder in der Praxis zugleich in mehreren Gesellschaften ein Nebenamt innehaben. Darüber hinaus würden sich die Kandidaten für unabhängige Vorstandsmitglieder mit dieser strengen Verpflichtung vor der rechtlichen Verantwortung fürchten und dieses Amt nicht annehmen.132 Inwiefern sich der Inhalt der Treuepflicht der unabhängigen Mitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft von der der normalen Vorstandsmitglieder letztlich unterscheidet, wurde in der dargestellten Auffassung nicht behandelt. Die Zurückhaltung im chinesischen Schrifttum ist verständlich, weil – wie oben bezüglich der Funktion des Vorstands einer chinesischen AG bereits geklärt – die Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft in China eine sehr junge Geschichte hat. Die aktuelle Diskussion um die Treuepflichten der unabhängigen Vorstandsmitglieder ist in der chinesischen Rechtswissenschaft noch nicht sehr weit fortgeschritten. Der Hauptstreitpunkt bezüglich der unabhängigen Vorstandsmitglieder bleibt dabei nach wie vor die Frage, ob die Einführung unabhängiger Vorstandsmitglieder in die chinesische börsennotierte Aktiengesellschaft überhaupt notwendig ist und in welcher Beziehung diese zum Aufsichtsrat stehen.133 Meiner Ansicht nach begegnet die zwingende Einführung unabhängiger Vorstandsmitglieder in die chinesische börsennotierte Aktiengesellschaft, wie das geltende Gesellschaftsgesetz sie vorsieht, schwerwiegenden Bedenken. Bedenklich ist zunächst, dass dies einen staatlichen Eingriff in die Autonomie der Aktionäre der Gesellschaft darstellt. Darüber hinaus bleibt auch unklar, welche tatsächliche Auswirkung die Einführung unabhängiger Vorstandsmitglieder auf die Effektivität der Kontrolle der Machtausübung des Vorstands entfalten kann. Wenn der Aufsichtsrat als spezielles Überwachungsorgan innerhalb der Gesellschaft nicht in der Lage ist, den Machtmissbrauch des Vorstands effektiv zu verhindern, wie können die von außen kommenden unabhängigen Vorstandsmitglieder eine effektive Kontrolle des Vorstands gewährleisten? Nicht selten wurden in der Fachliteratur die unabhängigen Vorstandsmitglieder wegen ihrer geringen Bedeutung für die Praxis als

131 Ding, Ding, Shangye panduan guize yanjiu, S. 333, 334; Fa, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 370. 132 Ding, Ding, Shangye panduan guize yanjiu, S. 333. 133 Zu, Ciyun, Gongsi neibu jiandu zhidu, S. 128.

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„dekorierte Blumenvase“ bezeichnet.134 Skepsis ruft auch der Kompetenzkonflikt zwischen Aufsichtsrat und den unabhängigen Vorstandsmitgliedern hervor. Anlass für die Forderung nach unabhängigen Vorstandsmitgliedern in China gab letztlich die ineffektive Überwachung des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand und die sich daraus ergebenden Probleme mit dem zum Vermögensschaden der Gesellschaft führenden Machtmissbrauch durch den Vorstand. In diesem Fall würde ich eher die Lösung befürworten, die ursprüngliche Organstruktur zu bewahren und zugleich aber die Überwachungsbefugnisse des Aufsichtsrats zu stärken. Die drei Organe der Aktiengesellschaft- Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat- müssten nebeneinander eine echte „Check and Balance“ bilden. Dies ist ein längerfristiges Ziel und kann nur im Laufe der Zeit progressiv entwickelt werden. Eine grundlegende Änderung der Organstruktur als Reaktion auf die aktuellen Probleme in der Praxis, wie durch die Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder, bricht mit der Kontinuität und Stabilität der Organstruktur. Der Gesetzgeber hat sich leider für den anderen Weg entschieden. Es bedarf demnach einer Erläuterung, ob und wenn ja, welche Treuepflichten der unabhängigen Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft bestehen. Aufgrund der Zurückhaltung in der chinesischen Literatur, wie dies oben aufgezeigt wurde, kann jedoch keine überzeugende Antwort hierauf gefunden werden. Meiner Ansicht nach müssen die unabhängigen Vorstandsmitglieder eine nach Inhalt und Grad bei normalen Vorstandsmitgliedern vergleichbare Treuepflicht tragen. Die unabhängigen Vorstandsmitglieder sind nicht ehrenamtliche Berater der Gesellschaft, sondern beteiligen sich an der Geschäftsführung und überwachen die normalen Vorstandsmitglieder und die leitenden Personen. Zugegeben handelt es sich bei diesem Amt um ein Nebenamt, es liegt jedoch in der Hand des jeweiligen Kandidaten, ob sie diese verantwortungsvolle Stellung annehmen oder nicht.135 (2) Bezüglich der Aufsichtsratsmitglieder Obwohl in § 148 des GeG 2005 die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats als Verpflichtete der Treue- und Sorgfaltspflicht anerkannt wurden, wird die Anwendbarkeit der gesetzlich geregelten Einzeltreuepflichten, die in § 149 des GeG 2005 zusammengefasst wurden, ausschließlich auf die Mitglieder des Vorstands und leitende Personen beschränkt. Der Klärung bedarf zunächst die Frage, warum sich die einzelnen Treuepflichten in § 149 des GeG 2005 nicht auf die Mitglieder des Aufsichtsrats beziehen. Der Gesetzgeber und die herrschende Meinung in der Literatur136 sind davon ausgegangen, dass die in § 149 des GeG 2005 normierten Verbote der Einzeltreuepflicht134

Zhao, Xudong (Hrsg.), Xingongsifa tiaowen shijie, S. 231. Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 502, 503. 136 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsifa, S. 384; Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 381. 135

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verletzung in der Regel nur im Rahmen der Geschäftsführungstätigkeiten des Vorstands und der leitenden Manager, nicht aber im Rahmen einer Überwachungstätigkeit auftreten könnten. Im chinesischen Gesellschaftsrecht wird ausdrücklich geregelt, dass der Vorstand für die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft und der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan für die finanziellen Angelegenheiten und die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Handlungen der Vorstandsmitglieder zuständig sind. Der Aufsichtsrat kann sich nicht direkt in die Geschäftsführung der Gesellschaft einmischen. Daher haben die Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den Vorstandsmitgliedern einen nur sehr beschränkten Zugang zu Informationen bezüglich der Geschäftsleitung und Betriebsgeheimnisse.137 Einzelne Treuepflichten wie die Zweckentfremdung der Mittel der Gesellschaft (§ 149 Abs. 1 GeG), die Vergabe von Mitteln der Gesellschaft als Darlehen an andere sowie das Bürgen gegenüber Dritten mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 149 Abs. 3 GeG) können daher nur durch den für die Geschäftsführung zuständigen Vorstand oder durch die leitenden Manager verwirklicht werden. Außerdem ist die Einfügung der Aufsichtsratsmitglieder zu den Adressaten der in § 149 GeG 2005 geregelten Einzeltreuepflichten bereits deswegen nicht notwendig, weil im Bedarfsfall die Aktionäre in der Gesellschaftssatzung vereinbaren können, dass die in § 149 des GeG 2005 vorgesehenen Einzeltreuepflichten für die Mitglieder des Vorstands und leitende Personen auch für die Aufsichtsratsmitglieder gelten sollen.138 Der Gesetzgeber des GeG 2005 legt hierbei großes Gewicht auf die Stärkung der Autonomie und Flexibilität der Aktionäre.139 Die Aktionäre sollen in der Gesellschaftssatzung selbst darüber entscheiden, ob und welche Treuepflichten den Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft obliegen. Allerdings kann sich die hier aufgeführte freie Entscheidung der Aktionäre über die einzelnen Treuepflichten der Aufsichtsratsmitglieder nachteilig auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens auswirken. Man sollte sich immer das wesentliche Merkmal der chinesischen Aktiengesellschaft in der Praxis vor Augen halten. In den meisten chinesischen Aktiengesellschaften haben die großen Aktionäre die Kontrolle über die Hauptversammlung. Es ist unwahrscheinlich, dass Großaktionäre wie der Staat von sich aus ihre Interessenvertreter im Aufsichtsrat an einzelne Treuepflichten binden. Schließlich wird der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft inoffiziell als Ort angesehen, an dem sich die ehemaligen hochrangigen Kader der Partei profilieren sollen.140 Zusammengefasst: obwohl in vielen Fällen die Aufsichtsratsmitglieder das Gesellschaftsvermögen durch treuepflichtwidrige Handlungen schädigen, müssen sie sich nicht vor zivilrechtlicher Schadensersatzhaftung fürchten, da es keine An137 138 139 140

Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 381. Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 386. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 137. Zheng, Ruoshan, Gongsi zhi de yihua, S. 167.

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spruchsgrundlage für die Treuepflichtverletzung gibt, weder aus den unmittelbaren gesetzlichen Verbotsregelungen noch aus der Gesellschaftssatzung selbst.141 In der Literatur befürworten einige Rechtswissenschaftler142 zu Recht, dass die beiden in § 149 des GeG 2005 geregelten einzelnen Treuepflichten der Geschäftsführung, nämlich das Wettbewerbsverbot und das Verbot, die Geschäftschance der Gesellschaft persönlich zu nutzen, auch auf die Aufsichtsratsmitglieder anwendbar sein sollen. Als Begründung wird ausgeführt, dass mit der Verstärkung der Überwachungsmacht des Aufsichtsrats im GeG 2005 die Mitglieder des Aufsichtsrats verbesserte Möglichkeiten haben, unternehmerische Informationen zu erlangen und es darüber hinaus ermöglicht wird, dass diese die Geschäftschancen der Gesellschaft für persönliche Zwecke nutzen.143 Die oben angesprochene Hauptargumentation ist daher für die Beschränkung der Tragweite der in § 149 des GeG 2005 genannten einzelnen Treuepflichten auf die Mitglieder des Vorstands und leitende Personen insoweit unzutreffend, denn die hier genannten Personen sind für die Geschäftsführung der Gesellschaft zuständig und als Überwachungsorgan haben die Aufsichtsratsmitglieder keine Möglichkeit, dieses treuepflichtwidrige Verhalten zu verwirklichen. Darüber hinaus sollten die Aufsichtsratsmitglieder auch deshalb gegenüber der Gesellschaft der hier diskutierten Treuepflicht unterliegen, weil von der in § 148 des GeG 2005 geregelten allgemeinen Treuepflicht sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch die des Aufsichtsrates umfasst werden. Beide, sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch des Aufsichtsrats, haben als Treuhänder ein Treuhandverhältnis mit der Gesellschaft.144 Diese Ansicht in der Literatur fand auch Eingang in einige chinesische Vorschriften. Zum Beispiel weichen die für die börsennotierte Aktiengesellschaft geltende Satzungsanleitung und zwingende Satzungsklausel insofern von 141 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 137; Shi, Tiantao, Gongsifa lun, S. 381. 142 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 446; Zhao, Xudong, Xinjiu gongsifa bijiao, S. 263; während Liu und Zhao davon ausgehen, dass das Wettbewerbsverbot selbstverständlich auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats gilt, lässt sich nach Ansicht von Liu, Zhe das Wettbewerbsverbot der Aufsichtsratsmitglieder nicht direkt aus den für die Vorstandsmitglieder und leitenden Personen vorgesehenen Treupflichtnormen ableiten. Die fehlende gesetzliche Regelung bezüglich der Wettbewerbsverbote der Aufsichtsratsmitglieder kann nur durch die künftige Gesetzgebung gelöst werden. Liu, Zhe, Jianshi de jingye jinzhi yiwu yanjiu, Haerbing gongye daxue xuebao (Shehui Kexue Ban) 2003, S. 89, 90. 143 Gemäß §§ 55, 119 des GeG 2005 können die Aufsichtsratsmitglieder an den Vorstandssitzungen teilnehmen und zu den Punkten, über die der Vorstand entscheidet, Fragen stellen, Vorschläge machen sowie unter bestimmten Umständen eigene Untersuchungen über die Geschäfte der Gesellschaft durchführen. In § 54 des GeG 2005 sieht der Gesetzgeber eine Reihe einzelner Überwachungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats vor, so zum Beispiel die Überprüfung finanzieller Angelegenheiten der Gesellschaft. Alle hier genannten Befugnisse der Aufsichtsratsmitglieder zeigen, dass bei Ausübung ihrer Amtsbefugnisse sie die geschäftlichen Informationen und Geheimnisse erhalten können. Zhao, Xudong, Xinjiu Gongsifa Bijiao, S. 248. 144 Xu, Wusheng (Hrsg.), Gongsifa anli pingxi yu shiwu, S. 169.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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dem geltenden Gesellschaftsgesetz ab, als die konkreten Einzelpflichten nicht nur für die Vorstandsmitglieder und leitenden Manager, sondern auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats gelten.145 Aus der Bejahung, dass die Aufsichtsratsmitglieder als Adressaten dem in § 149 GeG 2005 geregelten Wettbewerbsverbot und dem Verbot, die Geschäftschance der Gesellschaft persönlich zu nutzen, unterliegen, folgt die Frage, ob die hier genannten, für die Vorstandsmitglieder und leitenden Personen geltenden Treuepflichtverletzungsverbote uneingeschränkt auch auf die Aufsichtsratsmitglieder übertragbar sind. Ebenso wie die Treuepflicht der unabhängigen Vorstandsmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft wird die Frage der inhaltlichen Differenzierung zwischen der Treuepflicht der Mitglieder des Vorstands und der des Aufsichtsrats bisher in der chinesischen Rechtswissenschaft kaum diskutiert. Hinsichtlich der einschlägigen Gesetzgebung ist offensichtlich, dass der chinesische Gesetzgeber bei der Konkretisierung der allgemeinen Treuepflichten für die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats inhaltlich keine Unterschiede macht. Zum Beispiel wurde in Art. 91 der Satzungsanleitung bestimmt: „Die im vorliegenden Abschnitt geregelten Pflichtnormen der Vorstandsmitglieder gelten auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats, Manager und die anderen leitenden Personen der Gesellschaft“.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht und Treuepflicht durch Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder Bis heute existieren in China drei Formen wirtschaftsstrafrechtlicher Gesetzgebung.146 Die erste Form der Gesetzgebung wird. „Fushu Xingfa“ genannt, wonach die Straftaten nicht direkt im Strafgesetzbuch, sondern in bestimmten Paragraphen der außerstrafrechtlichen Gesetze festgelegt werden, so beispielsweise im Gesellschaftsgesetz, im Umweltgesetz etc. Bei der zweiten Form handelt es sich um die Novellierung eines Gesetzes, welches die speziellen Typen der Wirtschaftsdelikte in einem Gesetz zusammenfasst und hierdurch die einzelnen strafrechtlichen Normen bezüglich bestimmter Wirtschaftsstraftaten im Strafgesetzbuch ergänzt und abändert. Diese Novellierung wird als Danxing Xingfa147 bezeichnet. Die letzte typischerweise 145

Zum Beispiel wurde Art. 91 der Satzungsanleitung wie folgt geregelt, dass „im vorliegenden Abschnitt geregelte Pflichtnormen der Vorstandsmitglieder auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats, Manager und andere leitende Personen der Gesellschaft gelten.“ 146 Ausführliche Zusammenfassung in: Li, Jianhua, Jingji xingfa lifa yuanjiu, S. 150 – 211; Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 21; erwähnt in deutscher Sprache bei Ge, Bingyao, Gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von staatlichem Arbeitspersonal, in: Albrecht/Eser/Richter, Drittes deutsch-chinesisches Kolloquium über Strafrecht und Kriminologie, S. 118. 147 Diese werden als „Danxing Xingshi Falü“ bezeichnet. Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 21, Fn. 10.

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angewendete Form der wirtschafts-strafrechtlichen Gesetzgebung in China ist die unmittelbare Normierung der Straftaten im besonderen Teil des Strafgesetzbuches (einschließlich des Änderungsgesetzes des Strafgesetzbuches).148 Unter Berücksichtigung dieser drei Formen der Gesetzgebung zu chinesischen Wirtschaftsstraftaten setzt sich die folgende Untersuchung zu den für die Strafbarkeit bei pflichtwidrigem Verhalten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft relevanten Strafnormen entsprechend mit jeder einzelnen Form der Gesetzgebung auseinander. 1. Strafnormen aus dem Gesellschaftsgesetz (Fushu Xingfa) Obwohl sich die strafrechtlichen Normen in China aus den nebenstrafrechtlichen Gesetzen ergeben können, handelt es sich hierbei nicht um echte Straftatbestände. In solchen strafrechtlichen Normen wird weder der unmittelbare Straftatbestand noch das Strafmaß festgelegt.149 In der Regel ist die Formulierung der außerstrafrechtlichen Strafnormen sehr allgemein und abstrakt, indem sich ihre konkrete Anwendung mit der Verweisungstechnik von den einschlägigen Straftatbeständen im Strafgesetzbuch abhängig macht. Zum Beispiel: Gemäß §§ 211, 214 GeG 1993 sind vier treuepflichtwidrige Handlungen der Organmitglieder der Gesellschaft mit Strafe bedroht, wenn für diese „gemäß dem Recht die strafrechtliche Verantwortung verfolgt150 oder wenn es sich „dabei um Straftaten handelt“.151 Im Gesellschaftsgesetz 2005 wurden die oben genannten einzelnen strafrechtlichen Vorschriften bei der Verletzung der Treuepflichten durch die allgemeine Vorschrift des § 216 des GeG 2005 mit folgendem Wortlaut ersetzt: „Stellt eine Verletzung dieses Gesetzes (Gesellschaftsgesetz) eine Straftat dar, so wird nach dem Recht die strafrechtliche Verantwortung verfolgt“.152 Eine Gemeinsamkeit der Strafrechtsnorm im GeG 1993 und 2005 besteht darin, dass die hier erwähnte, im Gesellschaftsgesetz normierte strafrechtliche Vorschrift keinen direkten Straftatbestand und keine Strafmaßnahme enthält. Die Strafbarkeit der pflichtwidrigen Handlungen ist allein abhängig von Strafnormen im Strafgesetzbuch und Sonderstrafgesetz. Allerdings wurden im Strafgesetzbuch von 1979 keine Wirtschaftsdelikte zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Benachteiligung durch die Organmitglieder der Gesellschaft normiert. Aufgrund der Abhängigkeit der außerstrafrechtlichen Strafnormen vom Strafgesetzbuch und dem Sonderstrafge148

Li, Jianhua, Jingji xingfa lifa yanjiu, S. 201, 202. Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 21. 150 § 211 GeG 1993: „Bestechung zu erhalten, das Gesellschaftsvermögen zu unterschlagen, Mittel der Gesellschaft zweckfremd zu nutzen und Mittel der Gesellschaft auf das eigene Konto oder auf ein unter fremdem Namen eröffnetes Konto einzuzahlen wurden als treuwidrige Handlungen mit strafrechtlicher Verantwortlichkeit geregelt.“ 151 § 214 GeG 1993. 152 Gesetzestext in deutscher Sprache: ZChinR, 2006/3, S. 337. 149

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setz, waren die in den §§ 211, 214 GeG 1993 geregelten strafbaren treupflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder bis zum Jahr 1995 mit Erlass des entsprechenden Sonderstrafgesetzes – Beschluss betreffend die Bestrafung von Straftaten bei Verstoß gegen das Gesellschaftsgesetz – straflos. Die Wirkung der im Außerstrafrechtsbereich geregelten strafrechtlichen Normen wird wegen ihrer fehlenden unabhängigen Anwendung enorm abgeschwächt und spielt daher in der chinesischen Rechtspraxis nur eine geringe Rolle.153 Trotz der geringen praktischen Bedeutung der außerstrafrechtlichen Strafnormen wird in der chinesischen Literatur ihr Fortbestand befürwortet. Die Notwendigkeit der im Gesellschaftsrecht vorgesehenen strafrechtlichen Normen wird zunächst mit dem doppelten Charakter des Gesellschaftsrechts begründet, welches das Gesellschaftsgesetz sowohl als Privatrecht als auch als öffentliches Recht bezeichnet. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Gesellschaftsgesetzes zeigt sich vor allem darin, dass aufgrund der Bedeutung der Gesellschaft in der Volkswirtschaft die zivilrechtliche Haftung der betreffenden Organmitglieder allein nicht ausreichend ist, um das Gesellschaftsvermögen zu schützen, sondern vielmehr das staatliche Eingreifen in Form der strafrechtlichen Sanktion eingesetzt werden soll.154 Eine weitere Begründung für das Beibehalten der gesellschaftsrechtlichen Strafnorm liegt in § 216 GeG 2005. Bei § 216 GeG 2005 handelt es sich um eine allgemeine Strafnorm. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Erscheinungsbilder der Pflichtverletzung in der Praxis vielfältig sind und diese sich im Laufe der Wirtschaftsentwicklung weiter verändern würden. Entsprechend bleibt auch das strafrechtlich relevante Fehlverhalten der Organmitglieder nicht immer gleich. Mit der allgemeinen Strafnorm § 216 GeG 2005 kann auf der einen Seite mehr Raum und Flexibilität für die künftige strafrechtliche Gesetzgebung geschaffen werden, auf der anderen Seite bietet die allgemeine Strafnorm im Gesellschaftsgesetz durch das strafrechtliche Mittel eine Eingriffsgrundlage für künftige staatliche Kontrolle über die Unternehmensleitung der Gesellschaft.155 . .

153

Zutreffend kennzeichnet der Rechtswissenschaftler Sun die Problematik der geltenden außerstrafrechtlichen Strafnormen mit folgenden Worten: dass „solchen Strafnormen die Grundlage für eine unabhängige Anwendung fehlt (fei Xingshifa zhong de Xingshi guifan … Quefa duli Shiyong de Jichu), Sun, Guoxiang, Jingji xingfa yuanli yu shiyong, S. 11. 154 Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozhang, S. 7; Liang, Yuxian, Gongsifa lun, S. 8; allerdings geht die abweichende Ansicht davon aus, dass es sich beim Gesellschaftsrecht ausschließlich um Zivilrecht handelt und daher die zivilrechtliche Konsequenz als einziges Mittel gegen gesetzwidrige Handlungen eingesetzt werden solle. Zhao, Xudong, Gongsi faxue, S. 36. 155 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 146.

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2. Sonderstrafgesetze (Danxing Xingfa) Die wirtschaftliche Öffnung und Reform hat durch die Veränderung des Wirtschaftssystems in China neue Formen von Wirtschaftsstraftaten mit sich gebracht. Da das bis zum Jahre 1997 geltende Strafgesetzbuch von 1979 in den Zeiten der Planwirtschaft erlassen wurde, wurden die Wirtschaftsdelikte dort nur sehr knapp behandelt. Mit insgesamt 17 Bestimmungen zu den Wirtschaftsstraftaten im Strafgesetzbuch von 1979 erwies sich die strafrechtliche Gesetzgebung zu diesem Zeitpunkt als mangelhaft, um die neu aufgetretenen Wirtschaftsstraftaten wirksam zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund wurde die Unvollständigkeit des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch den Erlass strafrechtlicher Sondergesetze einigermaßen beseitigt.156 In den Sonderstrafgesetzen werden die speziellen Typen von Wirtschaftsdelikten zusammengefasst, wobei die Straftatbestände und das Strafmaß der jeweiligen Wirtschaftsstraftaten direkt festgelegt werden. Bevor das Strafgesetzbuch im Jahr 1997 revidiert wurde, hatte der chinesische Gesetzgeber insgesamt 24 strafrechtliche Sondergesetze verkündet.157 Eines davon ist der im Jahr 1995 erlassene „Beschluss betreffend die Bestrafung von Straftaten bei Verstoß gegen das Gesellschaftsgesetz“158 (nachfolgend „Beschluss“ genannt). In diesem Beschluss wurden elf typische schwerwiegende Straftaten, die gegen das Gesellschaftsgesetz verstoßen, normiert. Dabei handeln drei Straftaten von der Verletzung der im Gesellschaftsgesetz geregelten Treuepflichten der Organmitglieder. Diese sind: die in Art. 9 des Beschlusses159 geregelte kommerzielle Bestechung, die in Art. 10 des Beschlusses160 genannte Unterschlagung und die in Art. 11 des Be156

Li, Jianxin, Jingji xingfa lifa yanjiu, S. 186. Sun, Li/Liu, Zhongfa, Woguo xingfa shinian huigu zu Zhanwang, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexie shehui yu Zhongguo xiandai xingfa de jianshe, 2007, S. 202, 203. Erwähnt auch in deutscher Sprache, Zhang, Guirong, Wirtschaftsverbrechen in China und die entsprechenden Strafmaßnahmen, in: Albrecht/Eser/Richter (Hrsg.), Drittes deutsch-chinesisches Kolloquium über Strafrecht und Kriminologie, S. 130, 131. 158 Zhang, Guirong, Wirtschaftsverbrechen in China und die entsprechenden Strafmaßnahmen, S. 131. 159 Art. 9 des Beschlusses lautet: „Nutzen Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats sowie die Mitarbeiter der Gesellschaft ihre Befugnisse aus, um Bestechungsgegenstände zu verlangen oder anzunehmen, wobei es sich um relativ große Wertsummen handelt, werden diese mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Gewahrsam bestraft; handelt es sich um eine erhebliche Wertsumme, wird mit Freiheitsstrafe von über fünf Jahren bestraft, zugleich wird die Entziehung des Vermögens verhängt“ in: Gao, Mingxuan/Zhao, Bingzhi (Hrsg.): Zhongguo xingfa lifa wenxian ziliao jingxuan, 2007, S. 469. 160 Art. 10 des Beschlusses lautet: „Nutzen Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats sowie die Mitarbeiter der Gesellschaft ihre Befugnisse aus, um sich Vermögen der Gesellschaft anzueignen, wobei es sich um relativ große Wertsummen handelt, werden diese mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Gewahrsam bestraft; handelt es sich um erhebliche Wertsummen, wird mit Freiheitsstrafe von über fünf Jahren bestraft, zugleich wird die Entziehung des 157

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schlusses161 geregelte zweckentfremdete Nutzung der Mittel der Gesellschaft. Grundlage für die hier genannten Strafnormen ist § 214 GeG 1993.162 Ein wichtiger Grund für den Erlass des Beschlusses ergibt sich aus der zuvor dargestellten Problematik bei Strafnormen im Gesellschaftsgesetz. Obwohl in §§ 213, 214 des GeG 1993 einige treuwidrige Verhaltensweisen der Organmitglieder mit Strafe bedroht werden, waren aufgrund der fehlenden Beschreibung des Straftatbestands und deren Sanktionsmaßnahmen im Strafgesetzbuch 1979 die gesellschaftsrechtlichen Strafnormen für die Rechtspraxis unzugänglich.163 Die Organmitglieder der Gesellschaft wurden demnach nicht mit Strafe sanktioniert, selbst wenn die in §§ 213, 214 des GeG 1993 vorgesehene treuwidrige Handlung verwirklicht und dadurch ein Vermögensschaden für die Gesellschaft herbeigeführt wurde.164 Aus diesem Grund sollte der Beschluss die hier genannten strafrechtlichen Lücken schließen und eine effektive Durchsetzung des Gesellschaftsgesetzes 1993 gewährleisten.165 Mit den Art. 9, 10 und 11 des Beschlusses wurde in China zum ersten Mal das pflichtwidrige Verhalten der Organmitglieder der Gesellschaft konkret mit Strafe sanktioniert und zugleich die Grundlage für einige der späteren Strafnormen im Strafgesetzbuch 1997 geschaffen.166 Trotz der symbolischen Bedeutung des Beschlusses Vermögens verhängt“ in: Gao, Mingxuan/Zhao, Bingzhi (Hrsg.): Zhongguo xingfa lifa wenxian ziliao jingxuan, 2007, S. 469. 161 Art. 11 des Beschlusses lautet: „Nutzen Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats sowie die Mitarbeiter der Gesellschaft ihre Befugnisse aus, die Geldmittel der Gesellschaft zur persönlichen Zweckentfremdung zu verwenden oder an andere als Darlehen zu verleihen, wobei es sich um relativ große Wertsummen handelt und die Summe innerhalb einer Frist von drei Monaten noch nicht zurückerstattet ist, oder zwar eine Frist von drei Monaten noch nicht überschritten ist, es sich aber bei der Wertsumme um verhältnismäßig große Summen und den Gegenstand profitorientierter Aktivitäten oder rechtswidriger Aktivitäten handelt, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Gewahrsam bestraft; wenn die Wertsumme der zweckentfremdeten Geldmittel verhältnismäßig groß und nicht zurückerstattet worden ist, wird dies als in Art. 10 des vorliegenden Beschlusses vorgesehene Unterschlagung verurteilt und bestraft.“ In: Gao, Mingxuan/Zhao, Bingzhi (Hrsg.): Zhongguo xingfa lifa wenxian ziliao jingxuan, 2007, S. 469. 162 Die Strafnormen bezüglich der Treuepflichtverletzung orientierten sich im Beschluss grundsätzlich an § 214 des GeG 1993, wenn auch mit einigen Änderungen. Zum Beispiel: In diesem Beschluss wird das im Gesellschaftsgesetz als treuepflichtwidriges Verhalten angesehene eigenwillige Einzahlen von Mitteln der Gesellschaft auf das eigene Konto oder auf andere Konten sowie der Unter-Wert-Verkauf von staatlichem Vermögen in der Gesellschaft nicht als Straftat behandelt. 163 Qu, Lingli, Lu gongsi liyi de xingfa baohu, Faxue luntan 2002, S. 81. 164 In einer offiziellen Rede von Bian, Yaowu, dem Vizedirektor des Rechtskomitees, wurde bei dem ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses die fehlende Rechtsgrundlage im Strafgesetzbuch bezüglich der strafrechtlichen Verfolgung wegen der Verletzung der einschlägigen Strafnormen im Gesellschaftsgesetz erwähnt. Bian, Yaowu, Guanyu dui zhonghuarenmin gongheguo gongsifa (caoan) de yijian de huibao, in: Gao, Mingxuan/Zhao, Binzhi (Hrsg.), Zhongguo xingfa lifa wenxian ziliao jinxuan, S. 470. 165 Qu, Lingli, Lin gongsi liyi de xingfa baohu, Faxue luntan 2002, S. 80. 166 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 147, 148.

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für die Strafbarkeit des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder im chinesischen Recht, sollte man sich auch die Nachteile des Beschlusses vor Augen halten. Der im Jahr 1995 erlassene Beschluss war sehr stark von der Planwirtschaft geprägt. Der Status des Täters, nämlich, ob er zum staatlichen Arbeitspersonal oder zum nicht staatlichen Arbeitspersonal gehörte, konnte bei Verletzungen derselben gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu unterschiedlicher strafrechtlicher Verantwortlichkeit führen. In Art. 12 des Beschlusses167 wurden die Straftaten als ein Amtsdelikt der Korruption168 angesehen, wenn das staatliche Arbeitspersonal die in Art. 9, 10 und 11 des Beschlusses normierten treuwidrigen Handlungen begangen hat. Die im Beschluss eingeführte Differenzierung zwischen beiden Tätergruppen wurde später auch in das Strafgesetzbuch 1997 übernommen. Das Problem mit der im Beschluss geregelten unterschiedlichen strafrechtlichen Verfolgung bei staatlichem und nicht-staatlichem Arbeitspersonal im Fall kommerzieller Bestechung, Unterschlagung und zweckentfremdeter Nutzung von Gesellschaftsmitteln, ist, dass solche Regelungen eindeutig im Widerspruch zu den Gleichheitsprinzipen des Gesellschaftsgesetzes stehen. Eine wesentliche Eigenschaft des Gesellschaftsgesetzes liegt gegenüber dem vorherigen in der Planwirtschaft erlassenen Betriebsgesetz nämlich darin, dass das Gesellschaftsgesetz bei den Gesellschaften nicht nach Eigentümern – staatlichen oder nicht-staatlichen – unterscheidet, sondern alle Gesellschaften dem gleichen Gesetz unterfallen.169 Einerseits stand die Differenzierung zwischen staatlichem und nicht-staatlichem Arbeitspersonal bei den oben genannten Strafvorschriften im Beschluss damit im Widerspruch zum Gesellschaftsgesetz; andererseits wurde das Gewährleisten der Durchführung des Gesellschaftsgesetzes als Zweck des Beschlusses ausdrücklich festgelegt.170 Dies zeigt, wie schwierig es für den Gesetzgeber ist, ein widerspruchfreies Gesetz in der Transformationsphase von der Planwirtschaft hin zur Marktwirtschaft zu schaffen. Bei einem weiteren Problem des Beschlusses handelt es sich um den eingeschränkten Umfang des strafbaren treuepflichtwidrigen Verhaltens der Organmitglieder.171 Es wurden im Beschluss ausschließlich drei einzelne treuepflichtwidrige Verhaltensweisen der Organmitglieder mit Strafe bedroht. In der Praxis waren viele 167

Art. 12 des Beschlusses lautet: „Wenn die Mitarbeiter des Staats die in Art. 9, 10, 11 geregelten Straftaten des vorliegenden Beschlusses begehen, so werden diese nach der „Ergänzenden Vorschrift bezüglich der Bekämpfung gegen die Korruptions- und Bestechungsdelikte“ mit Strafe verfolgt“. In: Gao, Mingxuan/Zhao, Bingzhi (Hrsg.): Zhongguo xingfa lifa wenxian ziliao jingxuan, 2007, S. 469. 168 Strafzumessung ist dann viel strenger als sonst, es droht auch eine mögliche Todesstrafe. 169 Für die strafrechtliche Bedeutung des Gleichheitsprinzip der modernen Gesellschaft siehe: Kou, Caifei/Chen, Wenfei, Xiandai gongsi qiye chanquan zhidu dui xingshi sifa rending de yongxiang, in: Shehui zhuanxing shiqi de xingshifa lilun, S. 513, 514. 170 Gao, Mingxuan/Zhao, Bingzhi (Hrsg.): Zhongguo xingfa lifa wenxian ziliao jingxuan, 2007, S. 469, 470. 171 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 149.

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durch die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft verwirklichte Handlungen, die gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstießen und einen gravierenden Vermögensschaden der Gesellschaft verursachten, wegen fehlender Strafbestimmungen straflos geblieben. Die Unvollständigkeit des Beschlusses bezüglich der treuepflichtwidrigen Verhaltensweisen der Organmitglieder ist historisch bedingt.172 Da sich der Beschluss hauptsächlich am Gesellschaftsgesetz 1993 orientierte, wurde auch die Problematik des Gesellschaftsgesetzes von 1993 entsprechend übernommen. Als erstes Gesellschaftsgesetz Chinas seit dem Jahre 1949 sollte das Gesetz ursprünglich der Staatsunternehmensreform dienen, weswegen es in nur kurzer Zeit erlassen wurde. Eine Reihe von Regelungen im Gesellschaftsgesetz 1993 ist daher unvollständig und entspricht nicht den Prinzipen einer modernen Gesellschaft. Der Widerspruch zum Grundsatz einer modernen Gesellschaft wurde bereits im Kapitel B. bezüglich des Eigentumsrechts der Gesellschaft dargestellt. Gemäß § 4 GeG 1993 ist der Staat Eigentümer am Vermögen, welches er als Aktionär in die Gesellschaft investiert. Mit solchen Regelungen hatte der Gesetzgeber die Aktionäre der Gesellschaft nicht gleich behandelt und gesetzlich geschützt, sondern den Staat bevorzugt und ihm erhöhten gesetzlichen Schutz verliehen. Die Unvollständigkeit des GeG 1993 lässt sich mit den fehlenden allgemeinen und konkreten Regelungen über die Sorgfaltspflicht der Organmitglieder der Gesellschaft belegen.173 Darüber hinaus sind die einzelnen Treuepflichtnormen im GeG 1993 unvollständig und unflexibel, indem die Aufzählung konkreter Treuepflichten einige typische Pflichten der Organmitglieder, wie das Verbot, die Geschäftschancen der Gesellschaft persönlich auszunutzen, überhaupt nicht im GeG 1993 erwähnt. 3. Strafgesetzbuch a) Eigenschaften strafrechtlicher Normen in China bezüglich der Pflichtverletzung durch Organmitglieder einer AG aa) Hinsichtlich des Gesellschaftsgesetzes Das erste chinesische Strafgesetzbuch von 1979 wurde erheblich vom Strafrecht der Sowjetunion beeinflusst. Der Gesetzgeber hatte aufgrund des damaligen Wirtschaftssystems keine Strafnormen bezüglich der pflichtwidrigen Handlungen von Organmitgliedern einer Gesellschaft festgelegt. Mit der Entstehung der chinesischen Gesellschaft und ihrer zunehmenden Bedeutung in der Volkswirtschaft seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts erkannte der chinesische Gesetzgeber die Notwendigkeit, das Gesellschaftsvermögen vor Benachteiligungen durch deren Unter-

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Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 70. Siehe II. 2. dieses Kapitels bezüglich der Sorgfaltspflicht.

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nehmensleitung und Überwachungsorgane zu schützen und das vermögensschädigende treuelose Verhalten der hier genannten Personen mit Strafe zu sanktionieren.174 Bei der Modifikation des Strafgesetzbuches von 1979 im Jahr 1997 wurden eine Reihe von Straftatbeständen bezüglich der Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflicht geschaffen. Dabei hatte der Gesetzgeber auch den oben angesprochenen Beschluss von 1995 berücksichtigt. Der Einfluss des Beschlusses von 1995 im CStGB 1997 zeigt sich wie folgt: Die Art. 9, 10 und 11 des Beschlusses wurden unmittelbar in drei Strafbestimmungen des Strafgesetzbuches 1997 übernommen. Beachtlich ist allerdings, dass im Strafgesetzbuch von 1997 neben den neu geschaffenen Strafnormen, deren Anwendbarkeit sich auf Gesellschaften (Unternehmen) beschränkte – nämlich die dienstliche Unterschlagung (§ 271 CStGB), die zweckentfremdende Nutzung der Geldmittel der Gesellschaft (§ 272 CStGB) sowie die gewerbliche Bestechlichkeit (§ 163 CStGB) – noch andere entsprechende Amtsdelikte existierten: die Amtsunterschlagung (§ 382 CStGB), die zweckentfremdende Nutzung öffentlicher Geldmittel (§ 384 CStGB) und die Amtsbestechung (§ 385 CStGB). Die Hauptunterschiede zwischen beiden Gruppen liegt darin, dass die §§ 382, 384, 385 CStGB nur durch Mitarbeiter des Staates verwirklicht werden können, während die tauglichen Täter der §§ 163, 271, 272 CStGB Mitarbeiter der Gesellschaft (des Unternehmens) sind. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus dem Strafmaß. Für die zweite Gruppe kann das Strafmaß sogar bis zur Todesstrafe gehen.175 Bei der Übernahme der im Beschluss aus dem im Jahr 1995 geregelten einschlägigen Strafbestimmungen in das CStGB 1997 war der Gesetzgeber sehr stark von den gesellschaftsrechtlichen Pflichtennormen beeinflusst worden.176 Aufgrund des Wettbewerbsverbots im Gesellschaftsgesetz wurde zum Beispiel im § 165 CStGB normiert, dass es den Vorstandsmitgliedern oder Managern von staatseigenen Gesellschaften untersagt ist, gleiche Geschäfte wie die der Gesellschaft zu betreiben. Aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Verbots der Unternehmensleitung, mit der eigenen Gesellschaft Verträge zu schließen oder Geschäfte zu betreiben, sieht der Gesetzgeber in § 166 CStGB vor, dass es unzulässig ist, wenn Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften ihre dienstlichen Angelegenheiten widerrechtlich ausnutzen, um die Interessen ihrer eigenen Verwandten oder Freunde zu verfolgen. Ferner werden gemäß § 169 Abs. 1 CStGB die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder einer staatlichen Aktiengesellschaft bestraft, wenn diese aus Rücksicht auf Verwandte und Freunde bzw. zu privatem Nutzen das staatliche Vermögen unter Wert in Aktienanteile umrechnen oder unter Wert verkaufen.

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Qu, Lingli, Lun gongsi liyi de xingfa baohu, Faxue luntan, S. 81. Zum Beispiel die §§ 382, 385 CStGB. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 150.

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Diese Strafnorm lehnt sich an eine der Treuepflichten der Organmitglieder im Gesellschaftsgesetz von 1993 an, nach der über das Staatsvermögen in der Gesellschaft nicht unter Wert disponiert werden darf.177 Neben den treupflichtverletzenden Delikten hatte der Gesetzgeber im modifizierten Strafgesetzbuch Chinas von 1997 auch zwei Strafbestimmungen (§§ 167, 168 CStGB), die von der Sorgfaltspflichtverletzung der Organmitglieder handeln, aufgenommen. Bevor die einzelnen Strafnormen dargestellt werden, wird zunächst die Frage gestellt, ob die hier angesprochenen die Sorgfaltspflichten betreffenden Straftaten auf außerstrafrechtliche Bestimmungen zurückgeführt werden können. Offensichtlich kann der Ursprung der im Strafgesetzbuch 1997 geregelten §§ 167, 168 CStGB nicht im Gesellschaftsgesetz 1993 liegen. In der oben aufgeführten Untersuchung bezüglich der Sorgfaltspflicht in China wurde bereits dargestellt, dass im Gesellschaftsgesetz Chinas von 1993 keine Sorgfaltspflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft vorgesehen waren. Dort wurde ebenfalls erwähnt, dass der Verzicht auf die Schaffung der Sorgfaltspflicht der Organmitglieder im GeG 1993 als Gesetzeslücke betrachtet wird. Diese Lücke wurde später durch den Erlass der für die börsennotierte AG geltenden Vorschriften178, in denen die Sorgfaltspflicht der Organmitglieder normiert ist, einigermaßen beseitigt. Daher ist festzustellen, dass sich der Gesetzgeber des chinesischen Strafgesetzbuches von 1997 an den Sorgfaltspflichtnormen, die in den gesellschaftsrechtlichen speziellen Vorschriften geregelt sind, orientierte. Die beiden im Strafgesetzbuch von 1997 normierten sorgfaltspflichtverletzenden Delikte sind: zum einen der § 167 CStGB179, wonach die leitenden Personen staatseigener Unternehmen mit Strafe sanktioniert werden, wenn aufgrund schwerwiegender Verantwortungslosigkeit im Verlauf des Abschlusses oder der Erfüllung von Verträgen betrogen und dadurch ein schwerwiegender Vermögensschaden gegenüber dem Staat verursacht wurde. Zum anderen regelt § 168 CStGB180 den Fall, dass leitende Personen der staatlichen Gesellschaft aus Rücksicht auf eigene Freunde oder Verwandte ihre Amtspflichten gravierend verletzen und missbrauchen, wodurch der Konkurs der Gesellschaft oder ein gravierender Vermögensverlust der Gesellschaft herbeigeführt wird. Bis heute wird das Verhältnis zwischen den im geltenden CStGB geregelten Delikten bezüglich der Treue- und Sorgfaltspflichtwidrigkeit der Organmitglieder der Gesellschaft und den gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder diskutiert. In der folgenden Darstellung wird kurz die sys-

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Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 202. § 115 zwingende Satzungsklausel für an ausländischen Börsen notierte Gesellschaften (1994) und § 81 Satzungsanleitung für börsennotierte Aktiengesellschaft (1997). Siehe II. dieses Kapitels. 179 Ausführlich siehe III. 3. b) hh) dieses Kapitels. 180 Weitere Ausführungen siehe III. 3. b) hh) dieses Kapitels. 178

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tematische Stelle der hier genannten Delikte im besonderen Teil des CStGB 1997 geklärt. Die oben genannten pflichtverletzenden Delikte sind auf zwei Kapitel des besonderen Teils181 des geltenden chinesischen Strafgesetzbuches verteilt. Davon ausgenommen sind die dienstliche Unterschlagung (§ 271 CStGB) und die zweckentfremdende Nutzung der Geldmittel (§ 272 CStGB), da diese im Kapitel 5 unter dem Titel „Straftaten, die das Eigentum verletzen“ geregelt sind. Die übrigen organpflichtverletzenden Delikte (§§ 163, 165, 166, 167, 168, 169 CStGB) sind im Kapitel 3182 unter der Überschrift „Straftaten, die die Ordnung der sozialistischen Marktwirtschaft schädigen“ normiert. Während in Kapitel 5 des geltenden Strafgesetzbuches das Vermögen als eigenständiges Rechtsgut geschützt wird, sind die geschützten Rechtsgüter im Kapitel 3 neben dem Vermögen des Staates oder des Unternehmens auch die sozialistische Marktwirtschaftsordnung. Die herrschende Ansicht im chinesischen Schrifttum sieht Kapitel 3 als das chinesische Wirtschaftsstrafrecht an.183 bb) Hinsichtlich des sozialistischen Charakters des chinesischen Strafgesetzbuches Das geltende Strafgesetzbuch Chinas ist im Vergleich zu seinem Vorgänger, dem Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1979, von der Sozialismusideologie nur wenig geprägt. Während das Strafgesetzbuch von 1979 unter starkem Einfluss des sowjetischen Strafrechts eine seiner Aufgaben im Klassenkampf sah und entsprechend im ersten Kapitel des besonderen Teils des Strafgesetzbuches die sog. Konterrevolutionsdelikte festgelegt hatte,184 hat sich das revidierte chinesische Strafgesetzbuch von 1997 von dem als Klassenkampfmittel bezeichneten politischen Charakter des Strafrechts distanziert und weist keinerlei Strafbestimmungen mehr zu den Konterrevolutionsdelikten auf.185 . . 181 Der besondere Teil des CStGB besteht aus zehn Kapiteln. Die Straftaten, die gleiche oder ähnliche Rechtsgüter verletzen, werden im selben Kapitel zusammengefasst. Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 492, 493. 182 Vor allem wird dies im dritten Abschnitt des Kapitels drei unter dem Titel „Straftaten, die die Ordnung des Managements von Gesellschaften und Unternehmen beeinträchtigen“, geregelt. 183 Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 81, Im Vergleich mit dem alten Strafgesetzbuch 1979; Zhang, Guirong, Wirtschaftsverbrechen in China und die entsprechenden Strafmaßnahmen, S. 131. Neben dem Vergleich mit dem Strafgesetzbuch von 1979 wird auch die Entwicklung der Gesetzgebung der Wirtschaftsstraftaten vor 1997 angesprochen. 184 Herrenkirchen, Das Strafrecht der VR China unter besonderer Berücksichtigung des sowjetischen Strafrechts, S. 109 – 121. 185 Mehr zur Umwandlung des sozialistischen Strafrechts in China seit 1979 siehe: Chen, Xingliang, Xingfazhishi lun, S. 42 – 57.

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Trotz alledem ist China nach wie vor ein sozialistisches Land, in dem das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln sowie das Volks- (auch als Staats-) und Kollektiveigentum die Grundlage der sozialistischen Volkswirtschaft bilden.186 Im revidierten Strafgesetzbuch von 1997 hatte der Gesetzgeber die in der Verfassung verankerte Grundlage der sozialistischen Wirtschaftsordnung in China eingehalten und ist davon ausgegangen, dass das sozialistische Eigentum gegenüber dem Privateigentum im Strafgesetzbuch einen höheren Rang genießen und besser geschützt werden solle.187 Der unterschiedliche gesetzliche Schutz zwischen dem sozialistischen Eigentum und dem Privateigentum lässt sich insbesondere durch die im Strafgesetzbuch 1997 neu geschaffenen Delikte der Organmitglieder der Gesellschaft gegen Treu- und Sorgfaltspflichten unter Beweis stellen. Zum Beispiel tritt die Strafbarkeit für Straftaten – ausgenommen davon sind § 169 Abs. 2 CStGB, die dienstliche Unterschlagung (§ 271 CStGB) und die zweckentfremdende Nutzung der Geldmittel der Gesellschaft (§ 272 CStGB) sowie die gewerbliche Bestechlichkeit (§ 163 CStGB) – die in §§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs. 1 CStGB geregelt sind, nur dann ein, wenn diese durch die Mitarbeiter der staatseigenen Gesellschaft (Unternehmen)188 begangenen pflichtwidrigen Handlungen einen schwerwiegenden Vermögensschaden für den Staat verursacht haben. Im überwiegenden chinesischen Schrifttum und der Rechtsprechung189 wird unter einer staatseigenen Aktiengesellschaft nur eine AG mit 100 % Staatsanteil verstanden. Die Aktiengesellschaften mit staatlich herrschender oder einfacher Beteiligung sind keine staatseigenen Aktiengesellschaften und ent186

Art. 1, 6, 7 der chinesischen Verfassung. Die Problematik der gesetzlich vorrangigen Behandlung des Staatseigentums wird später im Kapitel D. der vorliegenden Arbeit dargestellt. 188 Die Mitarbeiter der Staatsunternehmen bzw. Staatsgesellschaften gehören zu den „Mitarbeitern des Staates“. In § 93 CStGB werden die „Mitarbeiter des Staates“ definiert. 189 Grundsätzlich liegt gemäß Art. 67 Nr. 4 der chinesischen Verfassung die Kompetenz zur Gesetzesauslegung beim Staatsrat. Laut Art. 33 des chinesischen Gerichtsverfassungsgesetzes hat das oberste Volksgericht (OVG) die Kompetenz, zu sich ergebenden Fragen nach seinem Ermessen Gesetze zu erlassen. Die Ansicht des obersten Volksgerichts besitzt zwar formell keine Gesetzeskraft, ist aber in der Praxis von erheblicher Bedeutung, da sie oft Reglungen beinhalten, die aus dem Gesetzestext allein nicht zu entnehmen sind. Sie gehen dabei auch über die reine Auslegung des Gesetzes hinaus, indem sie Gesetzeslücken füllen und gesetzlich gänzlich ungeregelte Bereiche regeln. Derartige Ansichten entfalten keine direkte Bindungswirkung für den Bürger, sondern sind als Anweisung an die Untergerichte zu sehen. Dabei stellen sie, mehr als die normale Gesetzgebung dies tut, Entscheidungen in das Ermessen des zuständigen Gerichts. Siehe die ausführliche Darstellung der Grundlagen und Bedeutung der Ansichten des obersten Volkgerichtes in: Newsletter der DCJV 8. Jahrgang Heft 2 (Juni 2001), S. 60. Siehe unter: http://www.dcjv.org/upload/30/News-01-2.pdf. Im Urteil des obersten Volksgerichts vom 22. 05. 2001 über die Strafbarkeit von Verwaltungspersonen, die in der staatlich beherrschten Aktiengesellschaft oder jener mit Staatsbeteiligung beschäftigt sind und die unter Ausnutzung ihrer dienstlichen Angelegenheiten rechtswidrig Teile des Gesellschaftsvermögens unterschlagen, wurden die hier genannten Personen im Allgemeinen nicht als Mitarbeiter des Staates bezeichnet. 187

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sprechend werden die Mitarbeiter in einer solchen Gesellschaft auch nicht unmittelbar190 als Mitarbeiter des Staates qualifiziert.191 Dies bedeutet, dass, wenn die Mitarbeiter (inkl. Organmitglieder) der nicht staatseigenen Gesellschaft (Unternehmen) die in §§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs. 1 CStGB normierten pflichtwidrigen Handlungen verwirklicht haben, diese straflos bleiben. Die Einschränkung der Tragweite der hier genannten Strafnormen auf die Mitarbeiter der staatseigenen Gesellschaft (Unternehmen) wirkt sich nachteilig auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens des nicht staatseigenen Unternehmens aus.192 cc) Hinsichtlich der Straftatbestandsmerkmale Obwohl sich die Strafrechtswissenschaft nach dem Erlass des modifizierten chinesischen Strafgesetzbuches 1997 sehr stark am nicht-sozialistischen Recht, wie dem US-amerikanischen, japanischen und deutschen Recht orientierte, sind die chinesische Rechtsprechung und auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum bezüglich der strafrechtlichen Grundbegriffe, wie Straftat oder Strafbarkeit, nach wie vor dem sowjetischen Strafrecht treu geblieben. Das sowjetische und deutsche Strafrecht sind zwei sich stark unterscheidende Strafrechtssysteme. Daher werden in der nachfolgenden Darstellung die pflichtverletzenden Delikte hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Straftat nach chinesischem Recht analysiert. Die rechtliche Definition der Straftat im chinesischen Recht193 ergibt sich aus § 13 des CStGB. Im Wortlaut: „Alle Handlungen, die die Souveränität, territoriale Integrität und Sicherheit des Staates gefährden, den Staat spalten, Subversion der politischen Macht der demokratischen Diktaturen des Volkes und den Umsturz des sozialistischen Systems betreiben, die Zerstörung der gesellschaftlichen Ordnung und der Wirtschaftsordnung betreiben, das Staatseigentum oder das Kollektiveigentum der 190 Gemäß § 93 CStGB gibt es zwei Arten von Mitarbeitern des Staates: die Personalangehörigen in staatseigenen Gesellschaften und Unternehmen mit öffentlichen Angelegenheiten, und die Personalangehörigen, die von der Staatsbehörde, den Staatsgesellschaften (Unternehmen) und nichtstaatseigenen Gesellschaften zur Erledigung öffentlicher Angelegenheiten abgestellt sind. 191 He, Fan, Xingfa Xiuzhenganzhong de jingji fanzui yinan Jiexi, S. 38. 192 Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozheng, S. 291. 193 Die gesetzliche Bestimmung des Begriffs der Straftat im chinesischen Strafgesetzbuch wurde nach dem Vorbild des sowjetischen Strafrechts geschaffen. Auch in anderen sozialistischen Ländern wurde auch die gesetzliche Definition der Straftat im Strafgesetzbuch, zum Beispiel im §§ 1, 3 des StGB der DDR, geregelt. In der chinesischen Strafrechtsliteratur wird die gesetzliche Definition der Straftat, in sozialistischen Ländern wird die „materielle Definition der Straftat“ im Gegensatz zu der in dem nicht sozialistischen Strafrecht angewendeten „formalen Definition der Straftat“ genannt, weil die erste ausdrücklich die Beziehung der Straftat zu den sozialistischen Gesellschaftsverhältnissen darstellt. Auch in der Strafrechtslehre der DDR wurde die gesetzliche Definition der Straftat als „materieller Verbrechensbegriff“ bezeichnet. Mehr dazu: Brunner, Einführung in das Recht der DDR, S. 180; Lyon, Der Verbrechensbegriff in der Strafrechtswissenschaft der DDR, 1960, S. 23.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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werktätigen Massen verletzen, das Privateigentum der Bürger verletzen, persönliche Rechte, demokratische Rechte und sonstige Rechte der Bürger verletzen, sowie andere, für die Gesellschaft gefährliche Handlungen, soweit sie gemäß Gesetz mit Kriminalstrafe bedroht sind, sind Straftaten, jedoch gelten (derartige Handlungen) nicht als Straftaten, wenn sie den Tatumständen nach eindeutig geringfügig sind und keine große Gefährdung darstellen“.194 In Anlehnung an die gesetzliche Bestimmung der Straftat ist die herrschende chinesische Strafrechtslehre195 davon ausgegangen, dass eine strafbare Handlung nach chinesischem Recht drei Merkmale196 haben muss: erstens muss die Handlung sozialgefährlich sein, zweitens muss diese sozialgefährliche Handlung gegen das Gesetz verstoßen (Rechtswidrigkeit) und schließlich muss die Handlung vom Gesetz mit Strafe bedroht sein (Strafbarkeit). Der eng mit der Definition der Straftat verbundene Begriff ist der Straftatbestand. Im täglichen Leben gibt es nur konkrete und keine abstrakten Straftaten, bei Vorliegen einer konkreten Straftat wird vom Straftatbestand ausgegangen. Der Straftatbestand spiegelt die Gesamtheit der im Strafgesetzbuch geregelten wesentlichen objektiven und subjektiven Elemente einer Handlung wieder, die deren Rechtswidrigkeit und Sozialgefährlichkeit begründen und stellt die ausreichende Notwendigkeit heraus, weswegen diese Handlung zur Straftat erklärt und strafrechtlich sanktioniert wird. Daher wird der Straftatbestand als die Summe der Verbrechensmerkmale bezeichnet.197 Nach chinesischem Strafrecht besteht der Straftatbestand aus vier Teilen: der objektiven Seite, dem Objekt, der subjektiven Seite und dem Subjekt der Straftat.198 Objekt und objektive Seite der Straftat werden durch das geschützte Rechtsgut und äußere Merkmale der Handlung gekennzeichnet. Die subjektive Seite und das Subjekt werden durch innere psychische und durch Merkmale, die die Persönlichkeit des Subjekts betreffen, gekennzeichnet. Im Einzelfall sind sie für die Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit entscheidend. In der folgenden Darstellung werden die grundlegenden Eigenschaften der gesellschaftsrechtlichen, pflichtverletzenden Straftaten im Hinblick auf die oben genannten vier Aspekte der Straftatbestandsmerkmale behandelt. 194 Übersetzung in die deutsche Sprache: Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 107. 195 Sun, Guoxiang, Xingfa de jiben wenti, S. 67; in deutscher Sprache: Herrenkirchen, Das Strafrecht der VR China unter besonderer Berücksichtigung des sowjetischen Strafrechts, S. 27. 196 Nach den verschiedenen abweichenden Ansichten in der chinesischen Strafrechtsliteratur soll die Straftat nur zwei Merkmale – die Gesetzeswidrigkeit und die Sozialgefährlichkeit – erfüllen. He, Bingsong (Hrsg.), Xingfa Jiaocheng, S. 37; Li, Hong, Zuixing fading yuanze xia fanzui gainian de tezheng, Faxue pinglun 2002, S. 10. 197 Herrenkirchen, Das Strafrecht der VR China unter besonderer Berücksichtigung des sowjetischen Strafrechts, S. 30. 198 Chen, Xingliang, Xingfa jiaoke shu, S. 32.

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(1) Objekt der Straftat Unter dem „Objekt der Straftat“ wird das im Strafrecht geschützte und durch die Straftat verletzte Rechtsgut verstanden, welches in § 13 und dem besonderen Teil des Strafgesetzbuches von 1997 geregelt ist. Wie oben bereits bei der Darstellung der systematischen Stellung der treu- und sorgfaltspflichtverstoßenden Delikte im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch gezeigt, verstößt die überwiegende Anzahl der strafbaren pflichtwidrigen Handlungen als Wirtschaftsdelikte gegen das Vermögensinteresse der Staatsgesellschaft (Unternehmen) und zugleich auch gegen die sozialistische Marktwirtschaftsordnung. Dazu gehören die §§ 163, 165, 166, 167, 168 und 169199 CStGB. Die dienstliche Unterschlagung gemäß § 271 CStGB und die zweckfremde Nutzung der Geldmittel gemäß § 272 CStGB betreffen ausschließlich die Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens. (2) Die objektive Seite der Straftat Mit der „objektiven Seite der Straftat“ werden alle Umstände des äußeren Tatgeschehens, die im gesetzlichen Tatbestand bezeichnet sind, erfasst. Zur objektiven Seite der Straftat gehören im Einzelnen: die im gesetzlichen Tatbestand beschriebene Tathandlung in Form eines bestimmten Tuns oder Unterlassens; die vom Tatbestand gekennzeichneten Folgen der Straftat in Gestalt bestimmter Schäden oder Gefahren; der Kausalzusammenhang zwischen dem äußeren Verhalten und dessen Folgen; die tatbestandsmäßigen Mittel und Methoden und die vom Tatbestand geforderten Bedingungen von Raum und Zeit. Die objektive Seite der Straftat charakterisiert die Art und Weise der schädigenden Einwirkung auf das strafrechtlich geschützte Objekt.200 Die Strafbarkeit des treuelosen Verhaltens der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats im chinesischen Strafrecht setzt einige besondere Merkmale der Tathandlung und der Tatfolge voraus. (a) Tathandlung Mit Ausnahme von §§ 167, 168 CStGB kommt die Strafbarkeit der anderen treuelosen Straftaten erst dann in Betracht, wenn der Täter bei Verwirklichung der strafbaren Handlung die sich ihm bietenden dienstlichen Gelegenheiten ausnutzt.201 Während die Ausnutzung dienstlicher Gelegenheit in §§ 165, 166, 169 Abs. 2 CStGB gesetzlich ausdrücklich aufgeführt ist, wird nach der herrschenden Ansicht im chinesischen Schrifttum die Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten durch den Täter in

199 Ausgenommen ist Abs. 2 des § 169 StGB; hier werden die Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft geschützt. 200 Chen, Minghua (Hrsg.), Xingfa xue, S. 149. 201 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 216.

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§ 169 Abs. 1 CStGB als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit vorausgesetzt.202 (b) Taterfolg Die Folgen der strafbaren Handlungen sind die durch die Verhaltensweisen (Tun oder Unterlassen) verursachten Schäden bzw. konkreten Gefahren.203 Die real eingetretenen Schäden oder konkreten Gefahren sind unmittelbar an dem strafrechtlich geschützten Objekt entstanden, auf das der Täter durch die Tathandlung eingewirkt hat. Die Schäden sind der konkrete sachlich-gegenständliche Ausdruck der Objektverletzung. Ob die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge der Straftat eintritt beziehungsweise inwiefern sich der Schweregrad der Sozialgefährlichkeit der begangenen Strafen darstellt, ist für die Festsetzung der Strafbarkeit der pflichtwidrigen Handlungen von großer Relevanz. Nach geltendem chinesischen Strafrecht sind alle Straftaten gegen die Treu- und Sorgfaltspflichten (§§ 163, 165, 166, 167, 168, 169, 271, 272 CStGB) sog. Erfolgsdelikte.204 Die Strafbarkeit aller hier genannten Strafnormen setzt den durch die pflichtwidrigen Handlungen verursachten gravierenden Verlust bei der (staatseigenen) Gesellschaft voraus.205 Dabei ist in den §§ 163, 165, 271, 272 CStGB neben dem Vermögensschaden der (staatseigenen) Gesellschaft für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit auch noch geregelt, dass der Täter durch seine Tathandlung rechtswidrigerweise eine bestimmte Geldsumme206 erhalten hat.207

202 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 216; Zhang, Mingkai, Xingfa de biben wenti, S. 144. 203 Chen, Minghua (Hrsg.), Xingfa xue, S. 158; Zhang, Mingkai, Xingfa de biben wenti, S. 162. 204 Bei den Erfolgsdelikten setzt der Tatbestand für den Eintritt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit die Herbeiführung bestimmter schädlicher Rechtsfolgen voraus. Nur wenn der Handelnde durch die Tathandlung diese gesetzlich gekennzeichneten Folgen verursacht hat, ist er wegen einer vollendeten Straftat verantwortlich. Sind diese Folgen aus irgendeinem Grunde nicht eingetreten, kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen Versuchs oder Vorbereitung in Betracht (§§ 22, 23 CStGB), Gao, Mingxuan/Ma, Kechang (Hrsg.), Xingfaxue (I), S. 265. 205 Nicht nur für die Strafbarkeit, auch für die Strafzumessung relevant. Für Details siehe die Untersuchung des konkreten Straftatbestands in der folgenden Darstellung. 206 Im Strafgesetzbuch ist die einschlägige Formulierung sehr allgemein: „erhebliche Summe“ (§§ 271, 272, 163 CStGB) und „besonders erhebliche Summe“ (§ 165 CStGB). Was hier genau mit (besonders) erheblicher Summe der Straftaten gemeint ist, überlässt der Gesetzgeber der Konkretisierung durch die Rechtsprechung. Darüber hinaus wird diese Problematik auch in den kommenden Untersuchungen bezüglich der jeweiligen einzelnen Straftatbestände erläutert. 207 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 225, 226.

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(3) Subjekt der Straftat Unter dem Subjekt der Straftat sind die Personen zu verstehen, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen ihrer begangenen Handlungen tragen müssen208 Es wird zwischen allgemeinen und besonderen Strafsubjekten unterschieden. Die Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit des allgemeinen Tatsubjekts knüpft an das gesetzliche Mindestalter und die Zurechnungsfähigkeit des Subjekts an.209 Beim besonderen Strafsubjekt treten neben diese Voraussetzungen noch qualifizierte Merkmale, wie ein bestimmter Status oder eine bestimmte Identität des Täters, die eine strengere Bestrafung nach sich zieht oder überhaupt zur Strafbarkeit führt.210 Die im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch geregelten pflichtverletzenden Straftaten können nicht von jedem verwirklicht werden, stattdessen wird ein bestimmter Status des Täters verlangt. Zum Beispiel werden die tauglichen Täter des § 169 Abs. 2 CStGB auf die Organmitglieder oder leitenden Personen einer börsennotierten Aktiengesellschaft beschränkt. Ferner wird in §§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs. 1 CStGB vorausgesetzt, dass der Täter Mitarbeiter des Staats ist. Zu beachten ist, dass es sich in § 165 CStGB um einen sog. Doppelstatus des Täters handelt, wobei die tauglichen Täter nicht nur als Mitarbeiter des Staates, sondern zugleich auch als Vorstandsmitglieder oder leitende Manager der staatseigenen Gesellschaft tätig sind.211 In anderen Fällen hat der Status des Täters als Mitarbeiter des Staates eine verschärfte Strafandrohung zur Folge. Zum Beispiel werden gemäß § 163 Abs. 3 CStGB, § 271 Abs. 2 CStGB und § 272 Abs. 2 CStGB die gewerbliche Bestechlichkeit, die dienstliche Unterschlagung sowie die zweckentfremdete Nutzung der Geldmittel der Gesellschaft als Amtsdelikte angesehen und entsprechend als Amtsunterschlagung, zweckfremde Nutzung öffentlicher Geldmittel oder Amtsbestechung bestraft, wenn die Täter in diesen Fällen Mitarbeiter des Staates sind. Im Vergleich zu dem im Gesellschaftsrecht geregelten Adressatenkreis der Treueund Sorgfaltspflicht, nämlich den Mitgliedern des Vorstands, Aufsichtsrats und leitenden Personen der GmbH oder Aktiengesellschaft, wurde im Strafrecht der Umfang des tauglichen Täterkreises bei den pflichtverletzenden Delikten dahingehend geändert, dass gegenüber dem Gesellschaftsrecht der Umfang der Pflichtadressaten verengt wird.212 Bespiele hierfür sind §§ 165, 166, 167, 168, Abs. 1 des 169 CStGB, in denen der taugliche Täter ausschließlich auf die Unternehmensleitung der staatseigenen Gesellschaften beschränkt wird. Ein weiteres Beispiel ist der im Jahr 2006 geschaffene § 169 Abs. 2 CStGB, wonach tauglicher Täter nur ein Organmitglied, eine leitende Person oder herrschender Aktionäre einer börsennotierten Aktiengesell208

Chen, Minghua (Hrsg.), Xingfa xue, S. 113. Chen, Minghua (Hrsg.), Xingfa xue, S. 113. 210 Sun, Guoxiang, Xingfa de jiben wenti, S. 93. 211 Problematik des Doppelstatus im Fall des Interessenkonflikts siehe: Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 217, 218. 212 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 236. 209

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schaft sein kann. Auf der anderen Seite ist die Tragweite der pflichtverletzenden Delikte über die im Gesellschaftsgesetz geregelten allgemeinen Verhaltensstandards der Organmitglieder der GmbH und Aktiengesellschaft hinausgegangen, indem nun auch andere Unternehmensformen wie die staatlichen Betriebe oder institutionellen Einheiten umfasst sind. (4) Die subjektive Seite der Straftat Ist die objektive Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit dadurch gegeben, dass eine vom Gesetz als strafbar bezeichnete Handlung begangen wurde, so tritt nach chinesischem Recht die Strafbarkeit nur ein, wenn das jeweilige Verhalten dem Handelnden als Ergebnis der Selbstbestimmung zu diesem Verhalten zugerechnet werden kann. Es ist ein Grundprinzip im chinesischen Strafrecht, dass es ohne Schuld213 des Straftäters keine strafrechtliche Verantwortlichkeit gibt. Bei der Schuld werden zwei Hauptarten unterschieden: der Vorsatz und die Fahrlässigkeit.214 Zur subjektiven Seite der Straftat gehören auch der Beweggrund oder das Motiv sowie das Ziel der Straftat. (a) Vorsatz Während in den §§ 167, 168 CStGB, welche von den sorgfaltspflichtwidrigen Handlungen der Unternehmensleitung handeln, als subjektives Element der Strafbarkeit eine Fahrlässigkeit der Handlung genügt, setzt die Strafbarkeit der treupflichtverletzenden Straftaten Vorsatz, genauer gesagt, direkten Vorsatz voraus. Der direkte Vorsatz wird im § 14 des CStGB als das Wissen um die sozialgefährlichen Folgen einer Handlung und das Wollen des Eintritts dieser gesellschaftsgefährlichen Folgen definiert.215 Bezüglich des strafbaren treuepflichtwidrigen Verhaltens der Organmitglieder bedeutet dies, dass der Täter die Tatfolge seiner Handlungen vorhersehen muss. Obwohl ihm auch die Rechtswidrigkeit seiner Tat bewusst ist, will er die strafbaren Handlungen vornehmen. (b) Zweck der Straftat Neben dem Vorsatz sind andere subjektive Elemente wie die Absicht, nach einem bestimmten Vorteil zu streben, für die Strafbarkeit mancher pflichtwidrigen Verhaltensweisen der Organmitglieder erforderlich (sog. Absichtsdelikte).216 In § 165 213 In der chinesischen Literatur der Strafrechtswissenschaft wird die Schuld überwiegend als „Zuiguo“ bezeichnet. Teilweise wird die Schuld auch als „Zeren“ bezeichnet. Ausführliche Erläuterung zum Grund der unterschiedlichen Bezeichnung: Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 204, Fn. 4. 214 Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 203. 215 Zum genauen Wortlaut des § 14 StGB siehe: Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 107, 108. 216 Unter den Absichtsdelikten werden die Vorsatzdelikte verstanden, in denen der Täter durch seine Handlungen nach bestimmten Vorteilen oder einem bestimmten Zweck strebt. Darunter fallen die Zueignungsabsicht bei Diebstahl oder die Bereicherungsabsicht bei Betrug.

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CStGB wird beispielsweise ausdrücklich geregelt, dass der Erhalt rechtswidriger Vorteile als subjektives Element des Täters für die strafrechtliche Verfolgung erforderlich ist. Ferner wird das Streben nach persönlichen oder Drittinteressen im § 169 Abs. 1 CStGB als subjektive Voraussetzung der Strafbarkeit angesehen. Während die Bereicherungsabsicht des Täters in den hier genannten zwei Strafnormen gesetzlich normiert ist, fehlt in den anderen gesellschaftspflichtverletzenden Delikten die ausdrückliche gesetzliche Anforderdung an die Bereicherungsabsicht der Straftat. In der chinesischen Literatur wird davon ausgegangen, dass, obwohl die gesetzliche ausdrückliche Anforderung hier fehlt, durch Analyse des jeweiligen Straftatbestands die konkreten subjektiven Anforderungen des jeweiligen Straftatbestandes abgeleitet werden können. Bei der dienstlichen Unterschlagung hat der Täter eine Zueignungsabsicht.217 Bei der zweckentfremdeten Nutzung der Geldmittel hat der Täter vor, die Geldmittel der Gesellschaft für eine gewisse Zeit zu gebrauchen und später zurückzugeben.218 Für die kommerzielle Bestechung bezweckt der Täter durch seine Handlung die Erlangung eines widerrechtlichen Vorteils219 und Ziel des Täters muss es sein, nach Vorteilen für Verwandte und Freunde zu streben.220 b) Die einzelnen treu- und sorgfaltspflichtverletzenden Straftaten im chinesischen Recht aa) Einleitung Im nachfolgenden Abschnitt werden die einzelnen Strafnormen des chinesischen Strafrechts, wonach die treue- oder sorgfaltspflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft mit Strafe sanktioniert werden, untersucht. Zunächst ist es notwendig, den Umfang der nachfolgenden Untersuchung einzugrenzen. Obwohl in den §§ 163, 165, 166, 167, 168, 169, 271, 272 CStGB die strafbaren pflichtwidrigen Verhaltensweisen der Organmitglieder geregelt wurden, werden die §§ 163, 271 CStGB im nachfolgenden Abschnitt nicht behandelt. Die Begründung liegt darin, dass die herrschende Ansicht in der chinesischen Strafrechtwissenschaft221 davon ausgeht, dass, obwohl die §§ 163, 271 CStGB von den gesellschaftsrechtlichen treuepflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder handeln, die Grundlage dieser zwei Strafnormen die Amtsdelikte der §§ 382, 385 CStGB sind. Die gesellschaftliche Unterschlagung und die gewerbliche Bestechung stellen einen Sonderfall der Amtsunterschlagung (§ 382 CStGB) und Amtsbestechung Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 239; Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 250. 217 Su, Huiyu (Hrsg.), Xingfa xue, S. 669. 218 Zhao, Changqing (Hrsg.), Xinbian xingfaxue, S. 699. 219 Chen, Zexian, Jingji xingfa xinlun, S. 136. 220 Zhao, Changqing (Hrsg.), Xinbian xingfaxue, S. 499. 221 Chen, Xingliang, Xingfa shuyi, S. 444; Gao, Mingxuan (Hrsg.), Xinxing jingji fanzui yanjiu, S. 258.

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(§ 385 CStGB) dar. Die Tatbestandsmerkmale der §§ 163, 271 CStGB werden stark von den §§ 382, 385 CStGB beeinflusst. Es ist und kann aber nicht die Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, die komplexen Amtsdelikte des chinesischen Strafrechts aufzuzeigen und zu diskutieren. Nach der Eingrenzung des Umfangs der nachfolgenden Untersuchung stellt sich nun die Frage, in welcher Reihenfolge die Untersuchung der Vielzahl von pflichtwidrigen Strafnormen – §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB – durchgeführt werden soll. Im geltenden chinesischen Strafrecht ist der § 169 Abs. 2 CStGB die relevanteste Strafnorm zu treuepflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder einer AG, weswegen diese zuerst untersucht werden soll. § 169 Abs. 2 CStGB ist insbesondere deswegen relevant, weil diese, erst im Jahr 2006 geschaffene, Strafnorm nicht zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Gesellschaften unterscheidet, sondern gleichermaßen für alle chinesischen börsennotierten Aktiengesellschaften gilt. Darüber hinaus sind in § 169 Abs. 2 CStGB zum ersten Mal die Organmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft als taugliche Täter und die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als Tathandlung im Gesetz ausdrücklich normiert worden. Im Vergleich dazu erstreckt sich der Anwendungsbereich der anderen Strafnormen (§§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs.1 CStGB)222 ausschließlich auf die staatseigene Gesellschaft, im Rahmen dessen in der Regel (auch) Mitarbeiter223 der staatlichen institutionellen Einheiten oder Betriebe sowie Mitarbeiter der Gesellschaft224 taugliche Täter der pflichtverletzenden Straftaten sein können. Im Anschluss an den § 169 Abs. 2 CStGB wird die im § 165 CStGB ausdrücklich geregelte, durch die Vorstandsmitglieder oder leitenden Manager der staatseigenen Gesellschaft (Unternehmen) ausgeübte strafbare Handlung, die gegen die gesellschaftsrechtlichen Einzeltreuepflichten – in diesem Fall gegen die Wettbewerbsverbote – verstößt, behandelt. Die weiteren strafbaren treuepflichtwidrigen Handlungen, die auch durch die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats staatseigener Gesellschaften verwirklicht werden können, umfassen das in § 166 CStGB normierte rechtswidrige Streben nach Vorteilen für Verwandte oder Freunde durch die Mitarbeiter der staatseigenen Gesellschaft (Unternehmen), die in § 169 Abs. 1 CStGB geregelte Unter-Wert-Umrechnung des Staatsvermögens in Gesellschaftsanteile beziehungsweise das Unter-Wert-Verkaufen des Staatsvermögens sowie die in § 272 CStGB genannte zweckentfremdete Nutzung der Geldmittel der Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit diesen drei Strafnormen folgt im Anschluss an § 165 222 Obwohl § 212 CStGB für alle Gesellschaften oder Unternehmen in China gleichermaßen gilt, werden die Organmitglieder der Gesellschaft hier nicht ausdrücklich als taugliche Täter genannt. Taugliche Täter in § 212 CStGB sind die Mitarbeiter der Gesellschaft oder des Unternehmens, daher stellt diese Strafnorm keine spezielle Organuntreue dar, sondern ein allgemeines gesellschaftliches Untreuedelikt. 223 §§ 166, 169 Abs. 1 CStGB. 224 §§ 163, 211, 212 CStGB.

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CStGB. Zuletzt sollen diejenigen strafbaren sorgfaltspflichtwidrigen Handlungen dargestellt werden, die in den §§ 167, 168 CStGB geregelt sind. Zu beachten ist, dass alle oben angesprochen gesellschaftsrechtlichen pflichtverletzenden Straftaten erst im Jahr 1997 bei der Modifikation des ersten chinesischen Strafgesetzbuches 1979 geschaffen wurden. Wegen der unklaren und unvollständigen gesetzlichen Formulierung225 treten bei der Auslegung der oben erwähnten Strafnormen eine Reihe von Zweifelsfragen auf. Daher ist es notwendig, dass sich die vorliegende Arbeit bei der Erläuterung der einzelnen Merkmale der jeweiligen pflichtverletzenden Straftaten Grenzen setzt. Die einzelnen Strafvoraussetzungen sollen im Folgenden nur in dem Umfang dargestellt werden, der zum allgemeinen Verständnis der chinesischen Strafnormen erforderlich ist. bb) § 169 Abs. 2 CStGB – Untreuedelikt, das die Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft benachteiligt (Beixin sunhai shangshigongsi liyizui) Bevor eine Auseinandersetzung mit § 169 Abs. 2 CStGB226 erfolgt, soll zunächst ein kurzer Blick auf den Aufbau des § 169 CStGB geworfen werden. § 169 CStGB besteht aus zwei Absätzen227. Der erste Absatz wurde bereits im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch geregelt. Der zweite Absatz – der hier behandelt 225

Siehe die folgende Untersuchung zu den einzelnen Straftatbeständen. Diese Überschrift des Straftatbestands (§ 169 Abs. 2 CStGB) ist erst am 06. November 2007 durch den Beschluss des obersten Volksgerichts und der obersten Staatsanwaltschaft offiziell in Kraft getreten. Dies bedeutet, dass seit dem Erlass des Änderungsgesetzes zum chinesischen Strafgesetzbuch (6) im Jahr 2006 bis zu diesem Zeitpunkt für den § 169 Abs. 2 keine einheitliche Straftatbestandsüberschrift existierte und der § 169 Abs. 2 CStGB in der chinesischen Literatur verschiedene Bezeichnungen hatte. Manche nannten den § 169 Abs. 2 CStGB beispielsweise „shangshi gongsi gaoguan beixin zui“ („Untreuedelikt der Unternehmensleiter einer börsennotierten Aktiengesellschaft“), Liu, Yanhong, Zhonghua renmingongheguo xingfa xiuzhenan (6) zhi jiedu, Fashangyanjiu 2006, S. 33; teilweise wurde der § 169 Abs. 2 CStGB „Taokong shangshigongshi zui“ („Entleeren der börsennotierten Aktiengesellschaft“) genannt, Zen, Jingying (Hrsg.), Xingfa lici xiuzheng beijing shiyi yingyong, S. 180; teilweise wurde er auch als „weifan zhongshi yiwuzui“ („Delikt, das die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt“) bezeichnet, Wang, Haitao (Hrsg.), Xingfa xiuzhengan (6) zuiming tujie yu anli cankao, S. 117, ferner wurden auch andere Namen wie „weibei zhongshi yiwu chaozong shangshi gongsi zui“ („treuepflichtwidrige Manipulation der börsennotierten Aktiengesellschaft“) oder „böswillige Benachteiligung der Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft“. Liu, Zhiwei (Hrsg.), Xingfa guifan zongzhengli (2), S. 180; He, Zehong, Jiedu xingfa xiuzheng an (6), Xiandaifaxue 2006, S. 165. Der endgültige offizielle Name des § 169 Abs. 2 CStGB ist im Wesentlichen identisch mit der oben dargestellten ersten Ansicht in der chinesischen Literatur. Diese sieht den § 169 Abs. 2 CStGB auch als vermögensschädigendes Untreuedelikt an. 227 Im Änderungsgesetz des Strafrechts (6) wurde nur geregelt, dass der Artikel 9 am Ende des § 169 CStGB eingefügt wird. In der vorliegenden Arbeit wird dies jedoch als Absatz 2 des § 169 CStGB bezeichnet. Zustimmung findet diese Annahme auch in der chinesischen Lite226

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wird – wurde durch das Änderungsgesetz zum Strafgesetzbuch am 26. 06. 2006 in den § 169 CStGB eingefügt. Jeder Absatz behandelt eine eigenständige Straftat. Während im ersten Absatz die Strafbarkeit für die Unter-Wert-Umrechnung des Staatsvermögens in Anteile der Gesellschaft und das Unter-Wert-Verkaufen zu Privatzwecken geregelt ist, sind im zweiten Absatz die durch die Organmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft begangenen strafbaren treuepflichtwidrigen Verhaltensweisen normiert, die zu einem Vermögensschaden bei der jeweiligen Gesellschaft geführt haben.228 Im chinesischen Schrifttum wird der § 169 Abs. 2 CStGB bei den Rechtswissenschaftlern zunehmend als „Untreuedelikt der leitenden Personen229 in der börsennotierten Aktiengesellschaft“ bezeichnet.230 (1) Gesetzestext Der § 169 Abs. 2 CStGB, der in Artikel 9 des Änderungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (6) aus dem Jahr 2006 normiert ist, lautet wie folgt: „Wenn Vorstandsmitglieder und leitende Manager einer börsennotierten Gesellschaft ihre Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verletzen, ihre dienstlichen Angelegenheiten ausnutzen und die Gesellschaft manipulieren, um eine der folgenden Handlungen vorzunehmen, sodass den Interessen der Gesellschaft gravierende Verluste entstehen, werden sie mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Gewahrsam bestraft, zugleich oder in selbständiger Weise werden sie mit Geldstrafe belegt; wenn es sich um besonders gravierende Verluste hinsichtlich der Interessen der Gesellschaft handelt, beläuft sich die Freiheitsstrafe auf drei bis zu sieben Jahren, zugleich wird Geldstrafe verhängt“. 1. Unentgeltliche Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen an fremde Einheiten oder Individuen. 2. Unter einer deutlich unfairen Bedingung Vergabe oder Annahme von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen der Gesellschaft. 3. Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistung oder sonstigem Vermögen an eine Einheit oder ein Individuum, welches offenkundig rückzahlungsunfähig ist. 4. Ohne gerechtfertigte Begründung Gewährung von Vermögensbürgschaften oder Bürgschaften für fremde Einheiten oder Individuen, welche offenkundig rückzahlungsunfähig sind. ratur: Wang, Lizhi, Qinfan shangshi gongsi liyi fanzui zhi xingfa zhili, in: 2007 niandu zhongguo xingfaxue nianhui, S. 1858, Fn. 2. 228 Die Beziehung zwischen dem ersten und zweiten Absatz des § 169 CStGB wird später bei der Untersuchung des § 169 Abs. 1 CStGB erläutert. 229 Unter den leitenden Personen sind vor allem die Organmitglieder der AG gemeint, darüber hinaus umfasst der Begriff auch die leitenden Manager, Vorstandssekretäre, die für finanzielle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständige Manager usw., welche großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 21. 230 Gu, Xiaorong, Chengzhi zhengquan fanzui jiang chuxian wudabianhua-Xingfa xiuzhengan (6) jiedu, Zhongguo renquanbao vom 30. 06. 2006; Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Bexin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 737.

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5. Ohne gerechtfertigte Begründung Verzicht auf Forderungen oder Schuldübernahme. 6. Auf eine andere Art und Weise, welche die Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft beeinträchtigt. Wenn Gesellschafter mit beherrschendem Anteil oder Personen, welche die Gesellschaft tatsächlich kontrollieren, die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats oder leitende Manager zur Vornahme einer im vorhergehenden Absatz bestimmten Straftat anstiften, werden diese gemäß den Bestimmungen des vorhergehenden Absatzes bestraft. Wenn der Gesellschafter mit beherrschendem Anteil oder Personen, welche die Gesellschaft tatsächlich kontrollieren, bei Begehung der im vorhergehenden Absatz bestimmten Straftat eine Einheit darstellt, wird gegen die betreffende Einheit Geldbuße verhängt, zugleich werden die für die Einheit unmittelbar verantwortlichen leitenden Personalangehörigen und sonstige unmittelbar haftende Personalangehörige nach der Bestimmung im vorhergehenden Absatz 1 bestraft.

(2) Entstehungsgeschichte des § 169 Abs. 2 CStGB Grund für die Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB ist die in der letzten Zeit fehlerhafte Entwicklung der chinesischen Aktiengesellschaft. Mit der rasanten Entwicklung der AG, insbesondere der börsennotierten AG, tauchen in der Praxis zunehmend und verschärft Probleme auf. So kommt es häufig vor, dass die Organmitglieder, leitenden Manager und Aktionäre mit herrschendem Anteil ihre Machtstellung in der Aktiengesellschaft ausnutzen und die Interessen der kleinen Aktionäre und der Gesellschaft gravierend beeinträchtigen.231 Darunter stellt die Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens durch die oben genannten Personen das größte und schwerwiegendste Problem bezüglich des Machtmissbrauchs der Unternehmensleiter und der herrschenden Aktionäre dar. Dies lässt sich auch durch die folgenden statistischen Angaben belegen. Vor der Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB im Jahr 2006 wurde bis zum ersten Halbjahr 2005232 in 480 börsennotierten Aktiengesellschaften233 das Gesellschaftsvermögen durch den beherrschenden Aktionär und die Organmitglieder veruntreut; insgesamt betrug das Volumen des veruntreuten Gesellschaftsvermögens 48 Mrd. Rmb.234 Dabei beträgt das durch die beherrschenden Aktionäre veruntreute Gesell231

Zen, Jingying (Hrsg.), Xingfa lici xiuzheng beijing shiyi yingyong, S. 181. Bis zum 30. Juni 2006 existierten in 149 börsennotierten chinesischen Aktiengesellschaften noch Probleme mit der Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens durch die herrschenden Aktionäre oder die verbundenen Unternehmen. Bei dem veruntreuten Gesellschaftsvermögen handelte es sich um Rmb 32,8 Mrd. Yuan. Qu, Lingli, Lun beixin qinfan shangshi gongsi liyiui, in: 2007 nian zhongguo xingfa xue nianhui lunwen ji, S. 1824. 233 Ende 2005 existierten 1.381 börsennotierte Aktiengesellschaften in China. Dies bedeutet, dass ein Drittel der chinesischen börsennotierten Aktiengesellschaften ein Problem mit Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens durch den Unternehmensleiter oder herrschenden Aktionäre hatte. Zhongguo tongji nianjian 2005, S. 1987. 234 Nach einer anderen Angabe ist die betreffende Summe hier auf Rmb 50,9 Mrd. Yuan zu beziffern. Qiao, Jun, Gongsifa xiuding yu xiangguan xingshi lifa de wanshan, Xueshu jiaoliu 2006, S. 41. 232

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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schaftsvermögen allein in den 108 börsennotierten Aktiengesellschaften schon eine Höhe von mehr als 100 Millionen Rmb. Bei der Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens in den börsennotierten Aktiengesellschaften unterscheidet man in der Praxis zwei Arten. Zum einen kann es sich um eine willkürliche, ohne Gegenleistung erfolgende Vergabe eines Darlehens aus dem Gesellschaftsvermögen an Dritte handeln, zum anderen kann eine Bürgschaft für Dritte mit dem Gesellschaftsvermögen übernommen worden sein, ohne dass das Einverständnis des Vorstands oder der Hauptversammlung eingeholt worden ist. Im Folgenden werden zwei Beispiele bezüglich der gesetzwidrigen Bürgschaft an Dritte durch die Organmitglieder und herrschenden Aktionäre der Gesellschaft aus der chinesischen Praxis dargestellt. Im ersten Beispiel geht es darum, dass der Vorstandsvorsitzende der HongZhi Technik AG, Lin Qitai mit dem Gesellschaftsvermögen in Höhe von 70 Millionen für eine Gesellschaft bürgte, in der sein Bruder der beherrschende Aktionär war.235 Die Bürgerschaftsübernahme hatte später den Zusammenbruch der HongZhi Technik AG zur Folge.236 Ein anderes Beispiel für die Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens durch die herrschenden Aktionäre ist der bekannte Bürgschaftsskandal der börsennotierten AG Houwang gegenüber ihrer Muttergesellschaft, dem Konzern Houwang. Im Jahr 2001 brach die Tochtergesellschaft Houwang AG zusammen, da die Tochtergesellschaft dem Mutterkonzern ein Darlehen in Höhe von 800,9 Millionen Rmb gewährt hatte. Darüber hinaus hatte die Houwang AG noch eine Sicherheit in Höhe von 200,44 Millionen Rmb für die Unternehmensgruppe zugesagt. Zusammengerechnet hatte die Muttergesellschaft gegenüber der Houwang AG Schulden in Höhe von 1.100,3 Millionen Rmb, obwohl das gesamte Vermögen der Houwang AG nur 900,34 Millionen Rmb betrug. Durch die Insolvenz der Muttergesellschaft im Februar 2001 war die Existenz der Houwang AG bedroht und führte schließlich zu deren Untergang.237 In den oben aufgezeigten Fällen nahmen die beherrschenden Aktionäre die Stellung von Hintermännern bei der gesetzeswidrigen Gewährung von Darlehen oder der Verbürgung mit Gesellschaftsvermögen durch die Vorstandsmitglieder oder leitenden Manager ein. In der Praxis hatten die beherrschenden Aktionäre aufgrund ihrer herausragenden Stellung in vielen Gesellschaften den Vorstand und damit auch die Geschäftsführung der Gesellschaft kontrolliert. Die Vorstandsmitglieder wurden von den beherrschenden Aktionären benannt und vertraten demzufolge die 235 Ausführliche Sachverhalte siehe unter: http://www.jrj.com.cn/NewsRead/Detail. asp?NewsID=526344. 236 Gegen die hier betreffenden Personen wurden später verwaltungsrechtliche Disziplinarmaßnahmen verhängt. Siehe unter: http://old.csrc.gov.cn/n575458/n776436/n3376288/ n3376382/n3418730/n3418940/3440183.html. 237 Guan, Xingrong, Dulidongshi zhidu yu gongsi zhili, S. 285 – 295; Liu, Li, Lun shangshigongsi de bugongping guanlianjiaoyi, Chongqing daxue xuebao (shehuikexueban) 2006, S. 31, 33.

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Interessen der beherrschenden Aktionäre im Vorstand. Die börsennotierte Aktiengesellschaft wurde zum „Geldautomaten der beherrschenden Aktionäre“.238 Neben der Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens durch die beherrschenden Aktionäre und Organmitglieder liegen in der Praxis noch zahlreiche andere Erscheinungsbilder der rechtswidrigen Verwendung des Gesellschaftsvermögens durch die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie die leitenden Manager vor. Dazu zählt zum Beispiel der Fall, dass mit dem Gesellschaftsvermögen private Ausgaben (typischerweise Privat- oder Familienurlaub im Ausland, Übernachtung in einem Luxushotel, …) beglichen wurden.239 Der Ex-Vorstandsvorsitzende der Jianli Bao AG, Jingwei Li, der auch gleichzeitig Generalmanager der Gesellschaft ist, hatte sich zum Beispiel zunächst ein Luxusauto für die private Nutzung auf Firmenkosten gekauft, später hatte er die eigenwillige Entscheidung getroffen, ein modernes Gebäude im Wert von 100 Millionen Rmb im Namen der Gesellschaft zu kaufen. Mit diesem unüberlegten Immobiliengeschäft stürzte er die Gesellschaft in große finanzielle Schwierigkeiten.240 Darüber hinaus ist die Vergabe einer unangemessenen Vergütung für die Organmitglieder und leitenden Manager der Gesellschaft241 ein anderes häufiges Erscheinungsbild der Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen durch Organmitglieder und leitende Personen der Gesellschaft. So erlitt die börsennotierte chinesische Aktiengesellschaft Kelong im Geschäftsjahr 2001 einen Verlust in Höhe von 155,56 Millionen Rmb und gehörte damit in diesem Jahr zu den vier verlustbringendsten börsennotierten Aktiengesellschaften in China. In diesem Zusammenhang ist es jedoch erstaunlich, dass das durchschnittliche Managergehalt der Kelong AG im Jahr 2001 trotz dieser Umstände 1,6 Millionen Rmb betrug. Einige Vorstandsmitglieder dieser AG erhielten sogar eine Vergütung von mehr als 4,8 Millionen Rmb. Das durchschnittliche Managergehalt aller chinesischen börsennotierten Aktiengesellschaften lag hingegen in diesem Jahr nur bei 157.400 Rmb (weniger als ein Fünftel des durchschnittlichen Managergehalts in der Kelong AG). Hier ist eindeutig zu sehen, wie die Unternehmensleiter ihre Machtstellung innerhalb der Gesellschaft für ihre eigenen Interessen ausnutzen und die Interessen der Aktionäre benachteiligen. Die Vergabe einer unangemessenen Vergütung an Organmitglieder lässt sich in der chinesischen Praxis häufig beobachten. Ein bekanntes Bespiel hierfür ist der sog. Tiane-Skandal. Die börsennotierte Aktiengesellschaft Tiane machte im Jahr 2002 einen Verlust in Höhe von 400 Millionen Rmb, das durchschnittliche Managementgehalt wurde jedoch von 333.000 Rmb im Jahr 2001 auf 422.000 Rmb im Jahr 2002 erhöht. Ein Vorstandsmitglied der Tiane AG zählte mit 690.000 Rmb zu den am besten bezahlten Managern aller chinesischen börsennotierten Gesellschaften in jenem 238

http://news.xinhuanet.com/stock/2006 – 10/16/content_5207491.htm. Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, 2007, S. 734. 240 http:/www.lifeweek.com.cn/2002-11-01/000532504.html. 241 Siehe unter: http:/www2.sdnews.com.cn/fortune/qiye/2005 – 9/23_65261.html. 239

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Jahr. Im Gegensatz zur Gehaltserhöhung fand aufgrund des gravierenden Verlusts der Gesellschaft in jenem Jahr keine Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre statt.242 Die negativen Auswirkungen der oben aufgeführten treuelosen Handlungen der Unternehmensleiter und herrschenden Aktionäre sind offensichtlich. Das Misstrauen der chinesischen Anleger in die börsennotierte AG wächst stetig. Da zu dieser Zeit keine entsprechende strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit gegen die Unternehmensleitung oder die beherrschenden Personen wegen Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens existierte, waren die kleinen Aktionäre nur in einem sehr schwachen Umfang geschützt.243 Die massive Beeinträchtigung der Interessen der kleinen Aktionäre durch das unverantwortliche Verhalten der hier genannten Personen kann zu einer sozialen Unruhe führen. Ein besonderes Merkmal des chinesischen Kapitalmarktes244 ist, dass Privatinvestoren darin eine wichtige Rolle spielen. Laut eines offiziellen statistischen Berichts245 waren bis zum Ende des Jahres 2006 insgesamt über 80 Millionen Chinesen an den Börsen aktiv tätig. Die meisten gehören niedrigen Einkommensgruppen an, wie Bauern, Fabrikarbeiter oder Rentner, die ihre gesamten Ersparnisse investieren. Die durch Kleinanleger investierten Aktiendepots belaufen sich auf 100 Millionen Rmb. Die Stabilität des Aktienmarkts spielt nicht nur eine wichtige und große Rolle für die gesunde Wirtschaftsentwicklung, sondern hat aufgrund des hoch versteuerten Anteilsbesitzes der Aktien in China auch besondere Bedeutung für die soziale Stabilität. Manche sagen sogar, dass der instabile Aktienmarkt zu einer sozialen Zerreißprobe für China werden könnte.246 Im Hinblick auf die Vergangenheit sind solche Behauptungen nicht ohne Grund, bedenkt man, dass in China Anfang der 90er Jahre aufgrund des heftigen Aktiencrashs viele soziale Unruhen entstanden.247 Im Jahre 2001 stieg die Anzahl der Selbstmorde aufgrund der heftigen Kursabstürze dramatisch an.248 Um eine gesunde Entwicklung des chinesischen Börsenmarkts zu gewährleisten und um das Vertrauen der Bevölkerung für den Finanzsektor zu gewinnen, sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, durch staatliche Eingreife auf diese Entwicklung der Aktiengesellschaft zu reagieren. Zunächst bemühte sich die staatliche Behörde 242

Siehe unter: http://finance.sina.com.cn/roll/20030618/1148354026.shtml. Liu, Xianquan, Xingfa xiuzhengan (6) caoan pingxi, Faxue 2006, S. 25. 244 Im Gegensatz zum deutschen Kapitalmarkt, in dem die institutionellen Anleger, wie Versicherungsgesellschaften und Bankgesellschaften dominieren. 245 Siehe unter: http://news.xinhuanet.com/stock/2007 – 01/26/content_5655474.htm. 246 Auch ein deutscher Bericht steht zur Verfügung, siehe: http://www.welt.de/finanzen/ article921330/Ein_ganzes_Land_vom_Boersenfieber_befallen.html. 247 Siehe den entsprechenden Bericht in deutscher Sprache: http://www.handelsblatt.com/ finanzen/marktberichte/chinas-nervoese-boersen;2025079;2. 248 Siehe unter: http://www.welt.de/finanzen/article921330/Ein_ganzes_Land_vom_Boer senfieber_befallen.html. 243

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die hier dargestellten Probleme mit Verwaltungssanktionen zu beseitigen. Dies blieb allerdings ohne Erfolg.249 Vor diesem Hintergrund wurde der Art. 9 des Änderungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (6), welches beim ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses am 20. Juni 2006 in Kraft getreten ist, geschaffen, wonach die veruntreuende Verletzung der Vermögensinteressen der börsennotierten AG durch Organmitglieder, leitende Personen oder herrschende Aktionäre als strafbare Handlung in den § 169 CStGB eingefügt und bestraft wurde. Der § 169 Abs. 2 CStGB wurde als notwendiges Mittel für die Bekämpfung der Veruntreuung durch beherrschende Aktionäre und Unternehmensleiter eingesetzt und zielte darauf ab, das Vertrauen der chinesischen Anleger zurück zu gewinnen. Letzteres versprach man sich dadurch, dass der neu eingefügte § 169 Abs. 2 CStGB die beherrschenden Aktionäre und leitenden Personen zur Einhaltung ihrer allgemeinen Verhaltenspflichten im Interesse der Gesellschaft bewegen würde.250 Die Schaffung des zweiten Absatzes des § 169 CStGB hat insgesamt große Bedeutung für das chinesische Wirtschaftsstrafrecht, da eine Gesellschaft, unabhängig, ob staatlich oder nicht-staatlich, zum ersten Mal seit Gründung der Volksrepublik Chinas, strafrechtlich gleichermaßen geschützt wird.251 (3) Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs. 2 CStGB (a) Objekt der Straftat Nach der herrschenden Ansicht252 im Schrifttum sind die staatliche Verwaltungsordnung der börsennotierten AG, die Vermögensinteressen der börsennotierten AG sowie die Aktionärsinteressen der börsennotierten AG253 geschützte Rechtsgüter des § 169 Abs. 2 CStGB.254 249

Im Oktober 2005 hatte der Staatsrat die von der staatlichen Wertpapieraufsichtskommission erlassene „Ansicht zur Verbesserung der Qualität der börsennotierten Aktiengesellschaft“ genehmigt. Im November 2006 wurde die „Mitteilung zur fortgeschrittenen Beseitigung der Veruntreuung des börsennotierten Gesellschaftsvermögen durch den beherrschenden Aktionär“ erlassen. Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), 2007 Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, 2007, S. 739, 740. 250 An, Wenlu, Xingfa de 169 tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 52. 251 An, Wenlu, Xingfa de 169 tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 54. 252 Wan, Haitao (Hrsg.), Xingfa xiuzheng an (6) zuimin tujie yu anli cankao, S. 110; An, Wenlu, Xingfa de 169 tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 54; Yang, Chen, Shangshigongsi renyuan fanzui tanxi, Xiandai qiye jiaoyu 2007, S. 125. 253 Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexie shehui yu Zhongguo xiandai xingfa de jianshe, Beijing, S. 189. 254 Einige in der Literatur gehen davon aus, dass das hier geschützte Rechtsgut ausschließlich die staatliche Verwaltungsordnung über die Gesellschaft ist. Liu, Yanhong, Zhongguo xingfa xiuzheng an (6) zhi jiedu, Fashang yanjiu 2006, S. 33. Einzelne Rechtswissenschaftler vertreten sogar die Ansicht, dass hier neben den Vermögensinteressen auch der Ruf der betreffenden börsennotierten Aktiengesellschaft als Rechtsgut im § 169 Abs. 2 CStGB geschützt werden sollte. Qu, Lingli, Lun beixin qinfan shangshi gongsi liyiui in: 2007 nian zhongguo xingfa xue nianhui lunwen ji, S. 1825.

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(b) Objektive Seite der Straftat Zur Bejahung der Strafbarkeit gemäß § 169 Abs. 2 CStGB müssen folgende Elemente im Bereich der objektiven Seite des Straftatbestands erfüllt werden: die Treuepflichtwidrigkeit der Handlungen, die Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten und der gravierende Vermögensverlust der betreffenden börsennotierten Aktiengesellschaft. Schwerpunktmäßig handelt es sich bei der objektiven Seite des § 169 Abs. 2 CStGB um die Treuepflichtwidrigkeit. Der Begriff der Treuepflicht ist in § 169 Abs. 2 CStGB gleichlaufend zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.255 Der Gesetzgeber sah den Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Organmitglieder und leitenden Manager als eine der Voraussetzungen für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit an. Unter Berücksichtigung der in § 149 GeG 2005 vorgesehenen einzelnen Treuepflichten der Vorstandsmitglieder und leitenden Manager und der in der Praxis häufig aufgetretenen Erscheinungsformen des treuelosen Verhaltens der Unternehmensleiter, hatte der Gesetzgeber zunächst fünf einzelne treuepflichtwidrige Strafhandlungen in § 169 Abs. 2 CStGB aufgezählt. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Erscheinungsformen des treuewidrigen Verhaltens der Organmitglieder und leitenden Personen im Wirtschaftsleben vielfältig sind. Daher findet sich im Anschluss an diese fünf einzelnen strafbaren Handlungen eine Auffangnorm. In der Auffangnorm wurde ausdrücklich betont, dass die anderen, das Gesellschaftsvermögen schädigenden treuepflichtwidrigen Handlungen der Unternehmensleiter auch gemäß § 169 CStGB Abs. 2 bestraft werden. Nachfolgend werden die fünf im Abs. 2 des § 169 CStGB normierten strafbaren treuepflichtwidrigen Handlungen der Unternehmensleiter oder beherrschenden Aktionäre zusammengefasst. (aa) Typische strafbare Handlungen des § 169 Abs. 2 CStGB (a) Unentgeltliche Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen an fremde Einheiten oder Individuen Dies ist in der Praxis eine der häufigsten Erscheinungsformen der treuepflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder und leitenden Personen.256 Unter „unentgeltlich“ wird hier verstanden, dass die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder oder Manager der Gesellschaft anderen Personen oder Einheiten ohne Gegenleistung das Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung stellen.257 Die häufigsten 255 Wang, Lizhi, Qinfan shangshigongsi liyi fanzui zhi xingfa zhili, in: 2007 niandu zhongguo xingfaxue nianhui, S. 1857. 256 Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 737. 257 Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 737; eine abweichende Ansicht ist davon ausgegangen, dass die Vergabe von Geldmitteln, Waren und Dienstleistungen der Gesellschaft unter unfairen Bedingungen auch zur ersten typischen Handlung des § 169

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Formen sind die durch die Unternehmensleitung erfolgende Veräußerung oder Schenkung des Gesellschaftsvermögens an Dritte beziehungsweise dessen mietoder leihweise Zur-Verfügung-Stellung. Unter den „Einheiten“ werden alle Unternehmen, Gesellschaften und öffentliche Institutionen außerhalb der betreffenden börsennotierten Aktiengesellschaft erfasst.258 In der Praxis sind die Empfänger der gesellschaftlichen Vermögensinteressen in der Regel die Muttergesellschaften der betreffenden börsennotierten Aktiengesellschaft oder ihrer verbundenen Unternehmen.259 Die hier genannte Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens wird in der Praxis mit folgenden Handlungen konkretisiert: (1) Unter Ausnutzung ihrer Machtstellung oder ihres erheblichen Einflusses in der Gesellschaft geben die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder oder Manager unentgeltlich das Vermögen der Gesellschaft an eine andere Gesellschaft ab. Zum Beispiel veruntreuten im Rahmen einer der letzten Wirtschaftsskandale die Vorstandsmitglieder das Gesellschaftsvermögen der börsennotierten Aktiengesellschaft der Fujiansanlong, ST Kejian, ST Jiarui, ST Lanbao, Xintai Keji, indem die hier genannten Personen das Geld der Gesellschaft dem beherrschenden Aktionär ohne irgendeine Gegenleistung zur Verfügung stellten. (2) Die Leitungsorgane bezahlten mit dem Gesellschaftsvermögen die entstandenen Werbungs- oder Personalkosten einer anderen Gesellschaft, die in einem Verbundverhältnis zur bezahlenden Gesellschaft stand und in der der Täter ein Amt als Vorstandsoder Aufsichtsratsmitglied innehatte. (b) Unter eindeutig unfairer Bedingung erfolgende Vergabe oder Annahme von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen der Gesellschaft Die häufigsten Erscheinungsformen bei der Vergabe oder Annahme von Waren, Geld-, oder Dienstleistungen unter eindeutig unfairen Bedingungen in der Praxis stellen sich wie folgt dar: Die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer börsennotierten AG üben ihren Einfluss aus, um die Produkte eines verbundenen Unternehmens zu einem überteuerten Preis zu kaufen oder im umgekehrten Falle Waren oder Dienstleistungen der börsennotierten Aktiengesellschaft zu einem sehr günstigen Preis zu verkaufen. Als Maßstab für die Feststellung, ob die hierbei genannten Preise überteuert oder zu niedrig sind, gelten die aktuellen durchschnittlichen Marktpreise.260 Das Wesen der „eindeutig unfairen Bedingung“ liegt darin, dass die Geschäftsbedingun-

Abs. 2 CStGB gehört. Diese Ansicht ist deshalb unzutreffend, weil danach der Umfang der ersten Untreuehandlung auf die zweite gesetzlich genannte Handlung erweitert würde. Wang, Haitao (Hrsg.), Xingfa xiuzheng an (6) zuimin tuijie yu anli cankao, S. 112. 258 Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 737. 259 Die Definition wird in der vorliegenden Untersuchung des § 169 Abs. 2 CStGB bezüglich des Subjekts der Straftat erläutert. 260 Zen, Jingying (Hrsg.), Xingfa lici xiuzheng beijing shiyi yingyong, S. 180.

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gen, in den meisten Fällen handelt es sich um den Kaufpreis, im eindeutigen Widerspruch zu den marktwirtschaftlichen Prinzipien und Grundsätzen stehen.261 (c) Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen an Einheiten oder Individuen, welche offenkundig rückzahlungsunfähig sind Rückzahlungsunfähigkeit von Einheiten oder Personen liegt dann vor, wenn diese als Schuldner offenkundig nicht in der Lage sind, das Darlehen zurückzuzahlen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen der Schuldner absichtlich nicht zurückzahlt, obwohl es seine finanzielle Lage erlauben würde, oder die Zahlungsunfähigkeit lediglich durch eine kurzzeitige Finanzierungsschwierigkeit bedingt ist.262 Bevor die Organmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft eine Darlehensentscheidung treffen, müssen diese sorgfältig die Rückzahlungsfähigkeit der Geschäftspartner überprüfen, um die Gefahr der Schädigung des Gesellschaftsvermögens zu vermeiden.263 (d) Gewährung von Bürgschaften für fremde Einheiten oder Individuen, welche offenkundig rückzahlungsunfähig sind, sowie Gewährung von Bürgschaften für fremde Einheiten oder Individuen ohne gerechtfertigte Begründung In letzter Zeit hat sich die gesetzeswidrige Gewährung von Bürgschaften mit dem Gesellschaftsvermögen in großem Umfang verschärft. Die negative Auswirkung jener gesetzeswidrigen Sicherheitengewährung hinterlässt deutliche Spuren. Eine Reihe von börsennotierten chinesischen Aktiengesellschaften ist wegen der auf den Sicherheitsverträgen beruhenden gesamtschuldnerischen Verpflichtung in finanzielle Schwierigkeiten geraten, zum Teil sogar zusammengebrochen. Die Problematik der gesetzeswidrigen Gewährung von Bürgschaften wurde bereits oben bezüglich der Entstehungsgeschichte des § 169 Abs. 2 CStGB dargestellt. Mit Verhängung von strafrechtlichen Sanktionen gegen die gesetzeswidrige Verbürgung gegenüber Dritten mit dem Gesellschaftsvermögen bezweckte der Gesetzgeber, die Geschäftsführung dazu zu bringen, den allgemeinen Verhaltenspflichten umfassend nachzukommen und das Gesellschaftsvermögen effektiv zu schützen. Was hier jedoch unter „ohne gerechtfertigte Begründungen“ zu verstehen ist, wird in der chinesischen Literatur kaum diskutiert. Vereinzelte Rechtswissenschaftler sind der Ansicht, dass „ohne gerechtfertigte Begründungen“ hier bedeutet, keine oder nur

261 Wang, Haitao (Hrsg.), Xingfa xiuzheng an (6) zuimin tuijie yu anli cankao, S. 113; Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 738. 262 Wan, Haitao (Hrsg.), Xingfa xiuzheng an (6) zuimin tujie yu anli cankao, S. 113. 263 Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 738.

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eine schwache Begründung im Gegensatz dessen zu liefern, was ein durchschnittlicher Mensch in dieser Situation als überzeugende Begründung ansehen würde.264 (e) Verzicht auf Forderungen oder Schuldübernahme ohne gerechtfertigte Begründung Das Vermögensinteresse der Gesellschaft kann auch dadurch beeinträchtigt werden, dass ohne gerechtfertigte Begründung auf Forderungen verzichtet oder eine Übernahme von Schulden durch die Unternehmensleitung vereinbart wird. In Ausnahmefällen aber können aufgrund langfristiger strategischer Gesellschaftsinteressen die Organmitglieder der börsennotierten Aktiengesellschaft auch auf Forderungen gegenüber Geschäftspartnern verzichten, ohne hierfür bestraft zu werden, da der Gesellschaft in diesem Fall kein Vermögensschaden entstanden ist.265 (bb) Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten Die Strafbarkeit der Organmitglieder und leitenden Manager setzt gemäß § 169 Abs. 2 CStGB voraus, dass die hier genannten Personen bei Verwirklichung der strafbaren Untreuehandlungen die Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit ihren Befugnissen stehen, ausnutzen. Unter dienstlichen Angelegenheiten sind hierbei die Stellung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats sowie die der leitenden Manager in der börsennotierten Aktiengesellschaft gemeint. Der Umfang der Befugnisse sowie die Leitlinien für die Ausübung der Befugnisse durch die hier genannten Personen werden insbesondere durch das Gesellschaftsgesetz festgelegt. Die Organmitglieder und leitenden Manager sind verpflichtet, ihre jeweiligen Befugnisse gesetzesgemäß auszuüben.266 (cc) Gravierender Vermögensschaden Für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit wegen spezieller Organuntreue wird ein dadurch entstandener gravierender Vermögensverlust für die betreffende börsennotierte Aktiengesellschaft vorausgesetzt. Als „gravierender“ Vermögensverlust im Sinne des § 169 Abs. 2 CStGB wird nach Auslegung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde ein Betrag von mehr als 1,5 Millionen Rmb angesehen. Darüber hinaus kann eine Strafverfolgung auch dann zulässig sein, wenn gegen die betreffende börsennotierte Aktiengesellschaft wegen der Untreuehandlung ihrer Unternehmensleitung langfristig oder zeitweilig das Verbot ergeht, die Aktien der Gesellschaft an der Börse zu handeln.267 264

Zen, Jingying (Hrsg.), Xingfa lici xiuzheng beijing shiyi yingyong, S. 185. Zen, Jingying (Hrsg.), Xingfa lici xiuzheng beijing shiyi yingyong S. 185. 266 Qu, Lingli, Lun beixin qinfan shangshi gongsi liyiui, in: 2007nian zhongguo xingfa xue nianhui lunwen ji, S. 1827. 267 Dies wird in „Ergänzende Bestimmung zum Maßstab der Strafverfolgung der Wirtschaftsdelikte durch die oberste Staatsanwaltschaft und das Ministerium für öffentliche Sicherheit“ geregelt. Siehe unter: http://www.gov.cn/jrzg/2008-05/13/content_968914.htm. 265

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(c) Subjekt der Straftat Bei § 169 Abs. 2 CStGB handelt es sich um ein sog. Sonderdelikt. Taugliche Täter können hier nur die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats, leitende Manager, beherrschende Aktionäre oder tatsächliche Kontrollinhaber der Gesellschaft sein. Hierbei ist zu beachten, dass im GeG 2005 die Treuepflicht für die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats und leitende Manager nur gegenüber der Gesellschaft, in der sie ein Amt innehaben, vorgesehen ist. In § 169 Abs. 2 CStGB hingegen ist der Gesetzgeber über den im Gesellschaftsgesetz geregelten Adressatenkreis für die Treuepflichten hinausgegangen und hat auch die beherrschenden Aktionäre oder tatsächlichen Kontrollinhaber der Gesellschaft als Adressaten der Treuepflicht erfasst. Grund hierfür ist, dass in der Praxis in vielen Gesellschaften die beherrschenden Aktionäre aufgrund ihrer herausragenden Stellung den Vorstand und Aufsichtsrat kontrollieren und damit auch die Geschäftsführung der Gesellschaft maßgeblich bestimmen. In vielen Fällen sind sie die Hintermänner der Organmitglieder oder leitenden Manager, die durch ihr treueloses Verhalten den Vermögensschaden der börsennotierten Aktiengesellschaft herbeigeführt haben.268 Die Bestellung und Abberufung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft wurde im Gesellschaftsgesetz geregelt.269 Weitere taugliche Täter werden auch im Gesellschaftsgesetz definiert. Unter „leitenden Managern“ werden der Geschäftsführer, der Stellvertreter der Geschäftsführung, Finanzmanager, Vorstandssekretäre und die anderen Personen verstanden, die in der Gesellschaftssatzung als leitende Personen bezeichnet werden. Gemäß § 218 Abs. 2 GeG 2005 sind die Gesellschafter mit beherrschendem Anteil unter Bezugnahme auf die Aktiengesellschaft gemeint, demnach die Gesellschafter, die Anteile in Höhe von mindestens 50 % des Betrags aller Anteile halten, sowie Gesellschafter, deren Einlage oder Anteile 50 % nicht erreichen, die mit den Stimmen aufgrund dieser Einlagen bzw. Anteile aber die Entscheidungen der Hauptversammlung ganz erheblich beeinflussen können. Im folgenden Absatz desselben Artikels wurde der Begriff des tatsächlichen Kontrolleurs der Gesellschaft geregelt. Es handelt sich um „Personen, welche die Gesellschaft tatsächlich kontrollieren: Personen, die nicht Gesellschafter der Gesellschaft sind, aber über Investitionsbeziehungen, Vereinbarungen oder andere Dispositionen tatsächlich die Handlungen der Gesellschaft dirigieren können“. (d) Subjektive Seite der Straftat Der Täter muss die treuepflichtwidrige Handlung vorsätzlich verwirklichen. Ihm ist sein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten und der dadurch entstandene Vermögensschaden für die Gesellschaft bewusst. Trotzdem will er diese Handlung durchführen und den Schaden des Gesellschaftsvermögens in

268

Zeng, Jingying (Hrsg.), Xingfa lii xiuzheng beijing shiyi yingyong, S. 185, 186. Für eine ausführliche Darstellung der Befugnisse des Vorstands und Aufsichtsrats siehe II. dieses Kapitels. 269

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Kauf nehmen. Weitere subjektive Elemente wie die Selbst- oder Drittbereicherungsabsicht sind für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit nicht erforderlich.270 (4) Problematik des § 169 Abs. 2 CStGB (a) Einverständnis der Hauptversammlung Wie oben bereits bezüglich der Treuepflichten im chinesischen Recht dargestellt, hatte der chinesische Gesetzgeber des Gesellschaftsgesetzes unter Berücksichtigung der Autonomie der Aktionäre der Gesellschaft die relative Verbotsnormen zu den einzelnen Treuepflichten der Vorstandsmitglieder und leitenden Personen der Gesellschaft (§ 149 GeG 2005) hinzugefügt. Demnach wird die Treuepflichtwidrigkeit der hier genannten Personen verneint, wenn diese für die Vergabe von Darlehen an Dritte oder die Verbürgung für Dritte mit dem Gesellschaftsvermögen sowie die Nutzung von den der Gesellschaft zustehenden Geschäftschancen das Einverständnis der Hauptversammlung271 erhalten haben. Bezüglich des § 169 Abs. 2 CStGB stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen der gesellschaftsrechtliche Ausschließungsgrund der Treuepflichtwidrigkeit, nämlich das Einverständnis der Hauptversammlung oder das des Vorstands auf die in § 169 Abs. 2 CStGB ausdrücklichen normierten treuepflichtwidrigen Handlungen bei der Darlehensvergabe oder der Bürgschaftsgewährung hat. Genauer gesagt geht es um die Frage, ob die hier genannten treuepflichtwidrigen Handlungen der Vorstandsmitglieder und leitenden Manager straflos bleiben würden, wenn ihr Verhalten von der Hauptversammlung (ggf. dem Vorstand) Zustimmung erhalten hätte. In der aktuellen chinesischen Literatur wird das Verhältnis zwischen den relativen Verbotsnormen zu den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten und den §§ 169 Abs. 2, 165272 CStGB kaum diskutiert. Bezüglich der Treuepflicht in § 169 Abs. 2 CStGB ist die herrschende Ansicht273 in der chinesischen Rechtswissenschaft bisher davon ausgegangen, dass bei der 270 Qu, Lingli, Lun beixin qinfan shangshi gongsi liyiui, in: 2007 nian zhongguo xingfa xue nianhui lunwen ji, S. 1829. 271 Bei der Vergabe von Darlehen oder der Gewährung von Sicherheiten kommt auch der Vorstandsbeschluss in Betracht (Abs. 3 des § 149 GeG 2005). 272 Da diese Strafbestimmung das strafbare Wettbewerbsverbot der Organmitglieder behandelt, besteht auch hier das Problem der Auswirkung des gesellschaftsrechtlichen Einverständnisses für die Strafbarkeit des § 165 CStGB. 273 Nennenswert sind hier zwei Mindermeinungen in der Literatur. Die erste besagt, dass in § 169 Abs. 2 CStGB auch die von der Hauptversammlung bewilligte Vergabe von Darlehen oder Verbürgungen mit dem Gesellschaftsvermögen durch die Vorstandsmitglieder und leitenden Manager als spezielle Untreuedelikte mit Strafe bedroht werden. Obwohl sie die richtige Schlussfolgerung zieht, ist die Problematik bei dieser Ansicht, dass sie die absolute Abhängigkeit der strafrechtlichen Treuepflicht von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht anerkennt. Demnach steht die Schlussfolgerung im Widerspruch zur Prämisse. Deng, Duowen, Gongsi gaoguan zhongshi yiwu xingfa tiaokong jizhi de lifa wanshan, Shangchang xiandaihua 2008, S. 274, 275; die zweite Mindermeinung geht davon aus, dass die „Treuepflicht“ in § 169 Abs. 2 CStGB nicht identisch mit den im Gesellschaftsgesetz geregelten Treuepflichten ist, sondern auch die Sorgfaltspflichten erfasst. Tian, Zhonggong/Sheng, Xun, Beixin qinfan

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB der Gesetzgeber sich an den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten orientierte und daher die in § 169 Abs. 2 CStGB ausdrücklich genannten Treuepflichten identisch mit denen der §§ 148, 149 GeG 2005 sind.274 Wenn man dieser Ansicht folgen würde, wäre auch die Strafbarkeit der von der Hauptversammlung und dem Vorstandsbeschluss gebilligten Vergabe von Darlehen und Übernahme von Bürgschaften durch die Vorstandsmitglieder oder leitenden Manager zu verneinen, da in diesem Fall keine gesellschaftsrechtliche Treuepflichtverletzung vorliegt, welche als Voraussetzung für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit gemäß Abs. 2 des § 169 CStGB erforderlich wäre. Diese Schlussfolgerung widerspricht jedoch eindeutig dem Willen des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB. Nach offiziellen Angaben275 sollte die Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB im Wesentlichen den Zweck verfolgen, die Interessen der Aktionäre zu schützen. Im Kapitel B. wurde erwähnt, dass die überwiegende Anzahl der heutigen chinesischen Aktiengesellschaften aus ehemaligen Staatsunternehmen entstanden sind. Im Bereich der börsennotierten Aktiengesellschaften beträgt die Anzahl sogar 90 %.276 Dies bedeutet, dass die Anteilsstruktur der chinesischen börsennotierten Aktiengesellschaft sehr konzentriert ist und die üblichen Mehrheitsaktionäre die Kontrolle über die Hauptversammlung und die Geschäftsführung haben. In der Praxis wurden in den meisten Fällen die Darlehensvergabe oder Bürgschaftsgewährung durch die Vorstandsmitglieder oder leitenden Manager von der Hauptversammlung oder dem Vorstand bewilligt. Wenn man die Auswirkung des Einverständnisses der Hauptversammlung oder des Vorstands als Ausschließungsgrund bei der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichtverletzung ohne weiteres auf die einschlägigen strafrechtlichen Treuepflichtverletzungen übertragen hätte, würden viele strafwürdige treuwidrige Verhaltensweisen der hier genannten Personen nicht von Abs. 2 des § 169 CStGB umfasst und entsprechend bestraft werden. Hierdurch könnten die Vermögensinteressen der kleinen Aktionäre und shangshi gongsi liyi zui zhong de „yiwu“ yanjiu, in: 2007 niandu zhongguo xinfaxue nianhui, S. 1837, 1838. 274 An, Wenlu, Xingfa de 169 tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 55, 56; Liu, Yanhong, Zhongguo xingfa xiuzheng an (6) zhi jiedu, Fashang yanjiu, 2006, S. 34; Zen, Jingying (Hrsg.): Xingfa lici xiuzheng beijing shiyi yingyong, S. 182, 183. 275 Lang, Sheng, Direktor der Strafrechtsabteilung des Rechtsausschusses des ständigen nationalen Volkskongresses von China hatte bei der Pressekonferenz zum Erlass des Änderungsgesetzes des Strafgesetzbuches (6) im Hinblick auf die Schaffung der Auffangnorm des Abs. 2 des § 169 CStGB erklärt, dass mit der Schaffung dieser Norm die Interessen der Aktionäre in China besser geschützt werden können. Siehe unter: http://www.sars.gov.cn/chinese/ PI-c/1260682.htm. Dieser gesetzgeberische Zweck wurde auch in der chinesischen Literatur einheitlich anerkannt. Liu, Xianquan, Xingfa xiuzhen an (6) caoanpingxi, Faxue 2006, S. 25; Qu, Linglin, Lun beixin qinfan shangshigongshi lizizui, in: 2007niandu xingfaxue nianhui, S. 1825; Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, S. 734, 735; Zeng, Jingyin (Hrsg.), S. 181. 276 Qu, Linglin, Lun beixin qinfan shangshigongshi lizizui, in: 2007 niandu xingfaxue nianhui, S. 1824.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

der betreffenden börsennotierten Aktiengesellschaft auch nicht effektiv vor willkürlichem Machtmissbrauch der Unternehmensleitung und den beherrschenden Aktionären geschützt werden. (b) Sorgfaltspflicht der Organmitglieder Aufgrund der Abhängigkeit des § 169 Abs. 2 CStGB von den im Gesellschaftsrecht normierten Treuepflichten wird die Problematik der unklaren Abgrenzung der Treuepflicht von der Sorgfaltspflicht im chinesischen Gesellschaftsrecht auch auf den § 169 Abs. 2 CStGB übertragen. Dies zeigt sich vor allem in der in § 169 Abs. 2 CStGB geregelten ersten und zweiten typischen Untreuehandlung, nämlich der unentgeltlich und unter eindeutig unfairen Bedingungen erfolgenden Vergabe von Geldmitteln, Waren, Dienstleistungen oder sonstigem Vermögen der Gesellschaft an andere Einheiten oder Individuen. Genauer gesagt liegt das Problem darin, dass es sich hier nicht ausschließlich um die Treuepflicht der Organmitglieder handelt, sondern vielmehr auch ein Teil der Sorgfaltspflicht der Organmitglieder umfasst wird. Wie oben bereits dargestellt277, hat die Differenzierung zwischen der Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder vor allem im Bereich des Unternehmensermessens eine entscheidende Bedeutung. Während der unternehmerische Ermessensspielraum der Organmitglieder bei der Treuepflicht von Anfang an verneint wurde, steht ihnen im Bereich der Sorgfaltspflicht ein solcher zu. Wenn die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft innerhalb dieses Ermessensspielraumes tätig werden, dann müssen Pflichtverletzung und zivilrechtliche Haftung verneint werden, selbst wenn durch die Handlungen ein Schaden an der Gesellschaft verursacht wird.278 Aufgrund der fehlenden Differenzierung zwischen Treue- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder im § 169 Abs. 2 CStGB besteht die Gefahr, dass die Strafbarkeit gemäß § 169 Abs. 2 CStGB sich auf die Handlungen der Organmitglieder, die sich innerhalb ihres eingeräumten Ermessensspielraums bewegten, erweitert wird. Nehmen wir die sozialbezogene Führungsentscheidung des Vorstands als Beispiel. Einen typischen Fall bilden die sog. Unternehmensspenden, durch die der Vorstand eine kulturelle Veranstaltung, politische Parteien oder gemeinnützige Einrichtungen durch Zahlung von Geldern oder durch sonstige Leistungen aus dem Vermögen des Unternehmens unterstützt. Im angloamerikanischen und deutschen Recht werden die Unternehmensspenden durch den Vorstand im Rahmen der Sorgfaltspflicht diskutiert, wonach dem Vorstand hierbei ein Ermessensspielraum eingeräumt wird.279 Eine Pflichtverletzung des Vorstands ist insoweit zu verneinen, wenn er in-

277

Siehe II. dieses Kapitels. Fleischer, in: FS Wiedemann 2002, S. 836, 843. 279 Überblick siehe unter: http://big5.xinhuanet.com/gate/big5/news.xinhuanet.com/fortu ne/200805/28/content_8266084.htm. 278

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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nerhalb seiner Kompetenzen nach bestem Wissen und Gewissen die Spenden aus dem Unternehmensvermögen für das Gemeinwohl ausgibt.280 Obwohl die Zulässigkeit der Vergabe von Spenden durch den Vorstand an Dritte nicht im geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz geregelt wurde, wird in der Regel die Vergabe von Unternehmensspenden durch den Vorstand in einer Aktiengesellschaft in der Gesellschaftssatzung als Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands anerkannt und erlaubt, wobei die Art und Höhe der Spenden durch den Vorstand begrenzt werden.281 Dies bedeutet, dass keine Pflichtverletzung vorliegt, wenn die Vergabe von Spenden an Dritte aus dem Gesellschaftsvermögen innerhalb des den Vorstandsmitgliedern eingeräumten Ermessensspielraums erfolgt und nicht auf eigennützigen Zwecken beruht. Nach geltendem chinesischen Strafrecht machen sich die Vorstandsmitglieder dennoch strafbar, weil in § 169 Abs. 2 CStGB jegliche unentgeltliche und unter unfairen Bedingungen entstandene Vergabe von Geldern, Waren usw. der börsennotierten Aktiengesellschaft durch die Vorstandsmitglieder unter die treuepflichtwidrige Handlung subsumiert wird. In diesem Fall stellt die strafrechtliche Verfolgung offensichtlich einen übermäßigen staatlichen Eingriff in die Unternehmensführung der Gesellschaft dar. Darüber hinaus steht der § 169 Abs. 2 CStGB auch im Widerspruch mit § 5 GeG 2005, wonach „die Gesellschaft bei ihrer Geschäftstätigkeit … die gesellschaftliche Verantwortung zu tragen hat“. Dies bedeutet, dass gemäß dem hier genannten § 5 GeG 2005 sich der Vorstand und Aufsichtsrat verpflichten, bei der Ausführung ihrer Befugnisse die Sozialverantwortung der Gesellschaft zu berücksichtigen. Dazu gehört ohne Frage auch die Unterstützung von kulturellen Veranstaltungen und sozialen Einrichtungen durch Geldspenden oder sonstige Leistungen aus dem Vermögen des Unternehmens durch die Unternehmensleitung. Nach § 169 Abs. 2 CStGB ist die Strafbarkeit der Organmitglieder im diesem Fall jedoch zu bejahen, weil diesen Handlungen keine (gleichwertige) vertragliche oder sonstige wirtschaftliche Gegenleistung durch den Empfänger gegenübersteht und diese sich für das Unternehmen demnach unmittelbar vermögensmindernd auswirken.282 280

Brauns, wistra 1983, S. 248; Volk, wistra 1983, S. 219. Für eine vergleichende Darstellung siehe: Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 97. 282 In der deutschen Literatur werden solche Spenden im engeren Sinne als „echte“ Spenden bezeichnet. Es gibt auch sog. Spenden im weiteren Sinne. Diese werden als Spenden mit dem Ziel eines Werbeeffekts zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, die dem Wohl des Unternehmensinteresses entspricht, verstanden. Zum Beispiel: Verträge mit Gegenleistung, die mittelbar dem Unternehmensgegenstand dienen, mit Werbung verbundenes Sponsoring oder Maßnahmen im Bereich der Public Relations. Bei dieser Untersuchung handelt es sich ausschließlich um echte Spenden, weil die mit einem Werbeeffekt verbundene Spende den Vermögensschaden der Gesellschaft auch ausgleichen kann. Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 203. Wie groß der Werbeeffekt von Unternehmensspenden sein kann, lässt sich mit dem am 12. Mai 2008 in Südwest China herrschenden Erdbeben zeigen. Nach einer Umfrage bevorzugen 79 % der Befragten die Produkte solcher Unternehmen, die für die Erdbebenopfer ge281

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Es ist eindeutig, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB die im Gesellschaftsgesetz normierte gesellschaftliche Verantwortung der Geschäftsführung nicht ausreichend berücksichtigt hat und jegliche unentgeltliche oder (evident nicht gleichwertige) Vergabe von Gesellschaftsvermögen oder von Dienstleistungen als strafrechtlich relevant behandelt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf der einen Seite mit der Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB ein großer Fortschritt gemacht wurde, indem die chinesische Strafgesetzgebung erstmals die börsennotierten Gesellschaften nicht nach Eigentumsform mit Strafe sanktioniert und ferner die Notwendigkeit erkannt wurde, die Interessen der Aktionäre und der börsennotierten Gesellschaften durch staatliches Eingreifen in Form des Strafrechts zu schützen. Auf der anderen Seite ist auch die Problematik der Gesetzgebung in § 169 Abs. 2 CStGB ersichtlich. Diese zeigt sich vor allem in der in § 169 Abs. 2 CStGB ausdrücklich genannten „Treuepflicht“, deren Verletzung die Strafbarkeit gemäß § 169 Abs. 2 CStGB begründet. So sind viele Fragen wie die Definition der Begriffe Treue- und Sorgfaltspflicht, die Abgrenzung zwischen beiden sowie der Beurteilungsmaßstab hinsichtlich der Anforderungen an die Sorgfaltspflicht weder gesetzlich klar geregelt, noch hat sich hierzu in der Literatur eine einheitliche Meinung herauskristallisiert. Folglich wurden jene Unklarheiten im Gesellschaftsrecht auf den § 169 Abs. 2 CStGB übertragen und manche Fehlentscheidungen bei der Geschäftsführung durch die Organmitglieder danach als Straftat qualifiziert. Die Erweiterung der Strafbarkeit auf unternehmerische Fehlentscheidungen, die einen Vermögensschaden bei der Gesellschaft verursachen, stellt nicht nur eine willkürliche Einmischung des Staates in die eigenständige Geschäftsführung des Vorstands dar, sondern birgt auch große Unsicherheiten für das Wirtschaftsleben. So ermöglicht die fehlende gesetzliche Normierung eines Beurteilungsmaßstabs für die Sorgfaltsanforderungen – wie es § 93 Abs. 1 des deutschen Aktiengesetzes vorsieht – jede das Vermögen schädigende Maßnahme der Organmitglieder als treuepflichtwidrige Handlung im Sinne des § 169 Abs. 2 CStGB zu qualifizieren. Die Organmitglieder wissen aufgrund dieser Unbestimmtheit bei unternehmerischen Entscheidungen nicht um deren mögliche rechtliche Konsequenzen.

spendet hatten. Ferner tendierten 70 % der Befragten zum Erwerb von Aktien derjenigen börsennotierten Aktiengesellschaften, die bei den Spenden für die Erdbebenopfer sehr aktiv sind. 65 % der Befragten überlegten sich sogar, die Aktien derjenigen börsennotierten Aktiengesellschaften, die bei dem Erdbebenspenden sehr zurückhaltend waren, zu verkaufen. Diese Umfrage macht deutlich, dass obwohl durch diese Spenden keine direkten Geschäftsgewinne der Unternehmen herbeigeführt wurden, die kommerziellen langfristigen Auswirkungen der Unternehmensspenden für die betreffenden Unternehmen enorm sind. Zhong, Hongwu, 5.12 wenchuan dizhen qiye juanzeng de gongzhong tiao cha baogao, siehe unter: http://www.casscsr.org/index.php?option=com_content&module=28&sortid=0&artid=198.

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cc) § 165 CStGB (1) Historische Entwicklung Mit der Entstehung der AG und GmbH in China Anfang der 90er Jahre wurde die Problematik verschärft, die daraus resultiert, dass die Unternehmensleitung ein Gewerbe für sich oder Dritte betreibt, das dem der Gesellschaft gleich ist. Um dieses Problem zu beseitigen, wurde zunächst die rechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und Manager wegen widerrechtlichen Betreibens eines gleichartigen Gewerbes in § 215 GeG 1993 geregelt. In Anlehnung an den § 215 GeG 1993283 wurde im Jahr 1997 der § 165 CStGB im Rahmen der Modifikation des Strafgesetzbuches 1979 geschaffen. Danach machen sich Vorstandsmitglieder und Manager staatseigener Gesellschaften oder Unternehmen strafbar, wenn sie unter Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten für sich selbst oder Dritte Geschäfte betreiben, die denen der eigenen Gesellschaft gleichstehen, und sie hierdurch persönliche Vorteile ziehen. (2) Gesetzestext Der § 165 CStGB lautet wie folgt: „Wenn Vorstandsmitglieder oder Manager von staatseigenen Gesellschaften oder Unternehmen unter Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten für sich selbst oder für andere geschäftlich handeln und die selben Geschäfte betreiben, wie sie derjenigen Gesellschaft oder demjenigen Unternehmen eigen sind, bei welcher/welchem sie selbst eine Funktion bekleiden, und dadurch rechtswidrig Vorteile erlangen, werden sie beim Vorliegen einer erheblich großen Summe mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Gewahrsam bestraft, zugleich oder in selbständiger Weise werden sie mit Geldstrafe belegt; wenn es sich um eine besonders erhebliche Summe handelt, ergeht Freiheitsstrafe in Höhe von drei bis sieben Jahren, zugleich wird Geldstrafe verhängt“.284

(3) Tatbestandsmerkmale des § 165 CStGB (a) Objekt der Tatbestandsmerkmale Welches Rechtsgut genau von § 165 CStGB geschützt werden soll, ist in der Literatur nicht einheitlich geklärt.285 Die meisten Autoren vertreten hierzu die Ansicht, dass die durch § 165 CStGB geschützten Rechtsgüter die soziale Wirtschafts-

283 Xiao, Zhichuan, Lun feifa jingying tonglei yingze zui de goucheng ji lifa wanshan, Zhenfaxuekan 2004, S. 37. 284 Deutsche Übersetzung: Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 152. 285 Während einige Autoren davon ausgegangen sind, dass die staatliche Verwaltungsordnung der Gesellschaft oder des Betriebs, die sog. soziale Wirtschaftsordnung, das Rechtsgut des § 165 CStGB sei, vertreten andere die Auffassung, dass die Interessen der staatlichen Gesellschaft, des Unternehmens oder Betriebs das Rechtsgut der § 165 CStGB sei. Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Xingfaxue xindongxiang, S. 160.

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ordnung und die Vermögensinteressen der staatlichen Unternehmen (Gesellschaften) sind.286 (b) Objektive Seite der Tatbestandsmerkmale Die Strafbarkeit für das widerrechtliche Betreiben gleichartiger Geschäfte durch die Unternehmensleitung setzt folgende Tatbestandsmerkmale auf der objektiven Seite der Straftat voraus: (aa) Unter Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten Die Formulierung „unter Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten“ ist gleichbedeutend mit der in § 169 Abs. 2 CStGB geregelten „Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten“.287 Allerdings ist sie von der in § 166 CStGB genannten „Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten“ zu unterscheiden. Während in § 165 CStGB die Ausnutzung der gesetzlich eingeräumten Befugnisse beschränkt wird, umfasst der § 166 CStGB jede Ausnutzung der Gelegenheit bei der Arbeit (gongzuo shang de bianli).288 (bb) Betreiben von gleichartigen Geschäften für sich selbst oder für Dritte Die anderen objektiven Tatbestandsmerkmale des § 165 CStGB sind, dass der Täter unter Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten der eigenen Gesellschaft gleich stehende Geschäfte für sich selbst oder für Dritte betreibt. Dabei bedarf es zunächst der Klärung, was unter „gleichartigen Geschäften“ zu verstehen ist. (a) Gleichartige Geschäfte Die herrschende Meinung289 geht davon aus, dass die einschlägige Registrierung bei der Handelsregistrierbehörde, wie bezüglich des Geschäftszweigs und Geschäftsbereichs, als maßgeblicher Beurteilungsmaßstab für die Beurteilung des Vorliegens eines „gleichartigen Geschäfts“ im Sinne des § 165 CStGB dienen soll.290 Wenn die Mitglieder des Vorstands und Manager Geschäfte, die im gleichen oder ähnlichen Geschäftszweig ihrer amtierenden und offiziell eingetragenen Gesellschaft angesiedelt 286

Liu, Shengrong (Hrsg.), Puhuai shichang jingji zhixu fanzui de lilun yu shijian, S. 175. Qu, Lingli, Lun beixin qinfan shangshi gongsi liyiui, in: 2007 nian zhongguo xingfa xue nianhui lunwen ji, S. 1827. 288 Yu, Bo/Zhou, Zhiwen, Wei qingyou feifa moulizui de sifa rending, Zhongguo jiancha guan 2006, S. 52. 289 Lin, Wei, Fanghai dui gongsi qiye guanli zhixu zui de rending he chuli, S. 217. 290 Li, Qi/Li, Jiangming, Feifa jingying tongleiyingye zui de gainian ji fanzui goucheng tezheng in: Xinxingfa shixing yinan wenti yanjiu yu shiyong, S. 59; Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingying tonglei yingzezui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38; Yang, Fangquan, Guoyou gongsi, qiye renyuan duzhi fanzui de sifa shiyong, Xueshu yanjiu 2004, S. 84, 85. 287

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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sind, ausüben, ist ein gleichartiges Geschäft im Sinne des § 165 CStGB zu bejahen. In der Rechtspraxis ist jedoch zu beachten, dass viele Gesellschaften auch in anderen Geschäftszweigen tätig sind oder die Gesellschaft völlig von ihrem eingetragenen Geschäftsbereich abweicht und in einem nicht eingetragenen Geschäftszweig tätig wird. In den hier genannten beiden Fällen stimmt der eingetragene Geschäftsbereich oder Geschäftszweig der Gesellschaft mit den tatsächlich betriebenen Geschäften oder Geschäftszweigen der Gesellschaft nicht überein. Die herrschende Ansicht ist demnach zutreffend davon ausgegangen, dass keine gleichartigen Geschäfte im Sinne des § 165 CStGB vorliegen, wenn die Mitglieder des Vorstands und Manager Geschäfte ausüben, die nicht zum registrierten Geschäftszweig der Gesellschaft, aber zu den tatsächlichen Geschäften der Gesellschaft gehören. Begründet wird dies damit, dass die von der offiziellen Eintragung abweichenden Geschäfte oder Geschäftszweige der Gesellschaft keinen strafrechtlichen Schutz genießen und entsprechend bei solchen Geschäften auch kein Wettbewerbsverbot für die Mitglieder des Vorstands und Manager gegenüber der Gesellschaft bestehen soll.291 Diese Auffassung begegnet jedoch erheblichen Bedenken. Als Anknüpfungspunkt für die „gleichartigen Geschäfte“ allein die verfahrensrechtliche Eintragung gelten zu lassen, überzeugt nicht. Um zu prüfen, ob ein gleichartiges Geschäft im Sinne des § 165 CStGB vorliegt, muss vielmehr auf den ursprünglichen Zweck des Wettbewerbsverbots im Gesellschaftsrecht zurückgegriffen werden. Das Wettbewerbsverbot ist deshalb sinnvoll, weil sich die Mitglieder im Vorstand und in der Geschäftsführung mit allen Kräften den Interessen der Gesellschaft widmen müssen und ihre besondere Stellung in der Gesellschaft nicht zum persönlichen Vorteil ausnutzen sollen. Daher kommt es für die Festlegung der gleichartigen Geschäfte in den beiden oben genannten Fällen alleine darauf an, ob durch die Geschäfte der oben genannten Personen das Interesse der Gesellschaft gefährdet wird. Die Interessen der Gesellschaft, in der der Täter als Mitglied des Vorstands oder Manager tätig ist, werden nur dann gefährdet, wenn das Betreiben der Geschäfte durch die oben genannten Personen mit denen der Gesellschaft in Konkurrenz tritt. Dies bedeutet, dass, wenn die Gesellschaft über ihren registrierten Geschäftszweig hinausgeht und Geschäfte in anderen Geschäftszweigen tätigt – wie im ersten Fall dargestellt – die tatsächlich betriebenen Geschäfte der Gesellschaft entscheidendes Kriterium für die Qualifizierung eines gleichartigen Geschäfts sein müssen. Dies gilt auch für den oben dargestellten zweiten Fall.

291 Liu, Zhiwei (Hrsg.), Xingfaxue de xin dongxiang 2008, S. 370; Lu, Jianping/Liu, Youxing, Feifa jingying tonglei yingyezui yanjiu, Henansheng zhengfa guanliganbu xueyuan xuebao 2004, S. 69, 74; Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingying tonglei yingzezui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38.

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(b) Betreiben für sich selbst oder für Dritte Das Betreiben von gleichartigen Geschäften für sich selbst oder für Dritte im Sinne des § 165 CStGB hat in der Praxis verschiedene Erscheinungsformen. So ist beispielsweise in einigen Fällen von außen erkennbar, dass die Vorstandsmitglieder und Manager in eigenem Namen oder im Namen von Verwandten eine Firma im selben oder ähnlichen Geschäftszweig der Gesellschaft gründen, in denen sie auch eine offizielle Stellung als Vorstandsmitglied oder Manager innehaben und gleichartige Geschäfte betreiben. Häufig ist es auch der Fall, dass das Betreiben gleichartiger Geschäfte durch Vorstandsmitglieder oder Manager für sich selbst oder für Dritte nicht erkennbar nach außen tritt, weil die Vorstandsmitglieder oder Manager die offizielle Stellung, die im Zusammenhang mit der Geschäftsleitung steht, absichtlich ausschlagen, um der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 165 CStGB zu entgehen. Es ist letztlich irrelevant, ob das Betreiben gleichartiger Geschäfte durch Mitglieder des Vorstands oder Manager nach außen erkennbar ist oder nicht. Sobald die hier genannten Personen tatsächlich gleichartige Geschäfte im Bereich des eingetragenen Geschäftszweigs für eigene oder fremde Interessen ausüben, muss dies für die Bejahung der im § 165 CStGB normierten Tathandlung ausreichen.292 (cc) Rechtswidrige Vorteile Eine weitere Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 165 CStGB ist, dass die Vorstandsmitglieder oder Manager durch das Betreiben gleichartiger Geschäfte illegal Vorteile erwerben.293 Erklärungsbedürftig ist zunächst, dass nach der herrschenden Ansicht294 in der chinesischen Strafrechtswissenschaft § 165 CStGB die Entstehung eines Vermögensschadens an der staatseigenen Gesellschaft oder dem staatseigenen Unternehmen selbst für die Strafbarkeit nicht voraussetzt. Dies wird damit begründet, dass in § 215 GeG aus dem Jahr 1993, der die Grundlage für § 165 CStGB bildet, die Verletzung der Vermögensinteressen der Gesellschaft für die Feststellung des Wettbewerbsverbotes durch die Vorstandsmitglieder und Manager irrelevant ist.295 Darüber hinaus lässt sich der Verzicht auf die Entstehung eines Vermögensschadens als Voraussetzung der Strafbarkeit hier auch mit der einschlägigen Verordnung bekräftigen296, 292

Ni, Yeren (Hrsg.), Jingji fanzui xingfa shiyong yhidao, S. 155; Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingying tonglei yingzezui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38. 293 Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingying tonglei yingzezui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38; eine abweichende Ansicht geht davon aus, dass hiervon alle rechtswidrigen Interessen umfasst sind. Lu, Jianping/Li, Youxing, Feifa jingying tonglei yingyezui yanjiu, Henansheng zhengfa guanli ganbu xueyan xuebao, 2004, S. 76. 294 Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingyin tionglei yingye zui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 37. 295 Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingyin tionglei yingye zui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38. 296 Verordnung über den Maßstab für die Ermittlung und Anklageerhebung bei Wirtschaftsdelikten.

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die von der obersten Volksstaatsanwaltschaft und dem Ministerium für öffentliche Sicherheit erlassen wurde. Danach ist die Strafverfolgung der in § 165 CStGB geregelten Straftaten nur dann zulässig, wenn die Vorstandsmitglieder und Manager von staatseigenen Gesellschaften ihr Amt nutzen, um gleichartige Geschäfte zu betreiben und dabei einen rechtswidrigen Vorteil in Höhe von mindestens 100.000 Rmb erzielen. Dabei ist ersichtlich, dass der Eintritt des Vermögensschadens an der staatseigenen Gesellschaft oder des Betriebs für die Strafbarkeit der Wettbewerbsdelikte in § 165 CStGB nicht Voraussetzung ist. Der Vermögensschaden spielt allerdings bei der Strafzumessung eine große Rolle. Was unter rechtswidrigen Vorteilen zu verstehen ist, ist umstritten. Die Kernfrage des Streits dreht sich um den Bezugspunkt des rechtswidrigen Vorteils. Einige in der Literatur297 vertreten die Ansicht, dass sich die rechtswidrigen Vorteile in § 165 CStGB auf die durch die treuwidrigen Handlungen erhaltenen persönlichen Interessen des Täters beziehen. Im Gegensatz dazu sehen andere im Schrifttum298 die rechtswidrigen Vorteile in dem durch das Betreiben gleichartiger Geschäfte geschaffenen Gewinn der betreffenden Unternehmen oder Personen. Die durch die treuwidrigen Handlungen der Täter persönlich erlangten Vorteile und die durch diese Handlungen geschaffenen Gewinne können sich in manchen Fällen decken, müssen es aber nicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter die gleichartigen Geschäfte ohne irgendeine Gegenleistung in der anderen Gesellschaft ausübt und dadurch den Gewinn der Gesellschaft, in denen die Nebentätigkeit ausgeübt wird, herbeiführt. In diesem Fall erhält der Handelnde keinen persönlichen Vorteil. Zutreffend ist die oben dargestellte erste Ansicht. Dies lässt sich vor allem299 mit der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmung bekräftigen. Der § 215 GeG von 1993 wurde wie folgt gefasst: „Betreiben Vorstandsmitglieder oder Manager unter Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes für sich selbst oder für andere ein gleichartiges Gewerbe wie das der Gesellschaft, für die sie tätig sind, fällt das von ihnen auf diese Weise erworbene Einkommen der Gesellschaft zu. Ferner kann die Gesellschaft Maßregeln verhängen“.300 Dabei ist zu sehen, dass hier mit dem rechtswidrigen Vorteil das erworbene Einkommen der Vorstandsmitglieder und leitenden Manager gemeint ist. Zu beachten ist, dass es sich für die Strafbarkeit gemäß § 165 CStGB bei dem rechtswidrig erlangten Vorteil des Täters um eine erhebliche Summe handeln muss. Was unter einer erheblichen Summe zu verstehen ist, wurde durch die Recht297

Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingying tonglei yingzezui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38; Yang, Fangquan: Guoyougongsi, qiye renyuan duzhi fanzui de sifa shiyong, Xueshu yanjiu 2004, S. 84. 298 Ni, Yeren (Hrsg.), Jingji fanzui xingfa shiyong zhidao, S. 156; Zeng, Yueyin, Feifa jingying tonglei yingyezui de jige wenti, Zhongguo xingshifa zazhi 1998, S. 38. 299 Ist bezüglich der Praxis auch zu bejahen, da die zweite Ansicht den Anwendungsbereich des § 165 einengt. Wang, Zuofu (Hrsg.), Xingfa fenze shiwu yanjiu (I), S. 371. 300 Übersetzung siehe in: Steinmann/Thümmel/Zhang, Kapitalgesellschaften in China, S. 170.

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sprechung301 geklärt, nach deren Auslegung die Strafbarkeit nach § 165 CStGB erst dann in Betracht kommt, wenn durch das Betreiben der gleichartigen Geschäfte der Täter einen materiellen Geldwert in Höhe von mindestens 100.000 Rmb erlangt hat. Allerdings vertreten einige Rechtswissenschaftler302 bezüglich der Auslegung der erheblichen Summe die Ansicht, dass, wenn der Handelnde selbst durch die Handlung keinen persönlichen Vorteil erhält, er trotzdem gemäß § 165 CStGB mit Strafe sanktioniert werden soll, wenn ein erheblicher Schaden an der staatseigenen Gesellschaft oder des Betriebes verursacht wurde. Diese Ansicht bezweckt zwar, das Staatsvermögen in der staatlichen Gesellschaft oder des Betriebes besser zu schützen, ist aber nicht akzeptabel, weil diese Ansicht offensichtlich gegen die Bestimmtheitsprinzipien des Strafrechts verstößt. Wenn die geltende Strafbestimmung wie § 165 CStGB keinen effektiven Schutz des Staatsvermögens bieten kann, muss dieses Problem durch künftige entsprechende Gesetzesänderungen beseitigt werden, und nicht durch fast willkürlich erscheinende Auslegung im Schrifttum. Selbst wenn durch die Ausübung gleichartiger Geschäfte das Vermögen der staatseigenen Gesellschaft und Unternehmen geschädigt wird, der Täter durch die treuwidrige Handlung aber keine persönlichen Vorteile oder persönliche Vorteile unter dem Schwellenwert von 100.000 Rmb erhält, bleibt dieser straflos.303 (c) Subjekt der Straftat Nicht jeder kann tauglicher Täter des § 165 CStGB sein. Taugliche Täter des § 165 CStGB können ausschließlich Vorstandsmitglieder und Manager staatseigener Gesellschaften oder Betriebe sein. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden vom Täterkreis des § 165 CStGB nicht erfasst. (d) Subjektive Seite der Straftat Der Täter muss sich der Rechtswidrigkeit und Sozialgefährlichkeit seiner Handlung bei Tatbegehung bewusst sein. Darüber hinaus ist für die Erfüllung des § 165 CStGB auch ein weiteres subjektives Merkmal in Form der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern, erforderlich. (4) Sonderproblematik Es ist weitgehend anerkannt, dass die Verletzung des gesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbots durch die Vorstandsmitglieder und Manager eine der Vorausset-

301 Die im Jahr 2001 durch die oberste Staatsanwaltschaft und dem Ministerien für öffentliche Sicherheit erlassene „Bestimmung bezüglich des Maßstabs der Strafverfolgung der Wirtschaftsdelikten“. 302 Lu, Jianping/Li, Youxing, Feifa jingying tonglei yingyezui yanjiu, Henansheng zhengfa guanli ganbu xueyan xuebao 2004, S. 65, 75. 303 Xiao, Zhiyong, Lun feifa jingying tonglei yingzezui de goucheng ji lifa wanshan, Zhengfa xuekan 2004, S. 38.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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zungen für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit in § 165 CStGB ist.304 Allerdings wurde mit der Modifikation des Gesellschaftsrechts im Jahre 2005 ein neues Problem bei der Festlegung der Strafbarkeit des § 165 CStGB geschaffen. Während im Gesellschaftsgesetz von 1993 das absolute Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder und leitende Personen305 vorgesehen wurde, unterliegen nach dem § 149 Abs. 5 GeG 2005 die oben genannten Personen dann keinem Wettbewerbsverbot gegenüber der Gesellschaft, in der sie ein Amt innehaben, wenn die Gesellschaft – im Fall der AG die Hauptversammlung – in deren Handlungen eingewilligt hat. Obwohl der Umfang und die Inhalte des Wettbewerbsverbotes im geltenden Gesellschaftsgesetz massiv geändert wurden, wurden bis heute noch keine entsprechenden strafrechtlichen Änderungen im § 165 CStGB vorgenommen. Es besteht insoweit ein rechtlicher Konflikt zwischen dem § 149 Abs. 5 GeG 2005 und dem § 165 CStGB, wenn die Vorstandsmitglieder und Manager staatseigener Aktiengesellschaften mit dem Einverständnis der Hauptversammlung gleichartige Geschäfte betreiben. Nach dem Gesellschaftsrecht liegt in diesem Fall keine Pflichtwidrigkeit der oben genannten Personen vor. Im Gegensatz dazu spielt die Zustimmung der Hauptversammlung bei der strafrechtlichen Beurteilung des § 165 CStGB keine Bedeutung, da diese Strafnorm sich ausschließlich an dem absoluten Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsgesetz 1993 orientiert, wonach der Wille der Hauptversammlung nicht berücksichtigt wird. Es ist demnach dringliche Aufgabe des Gesetzgebers, dass der § 165 CStGB an die gesellschaftsrechtliche Änderung bezüglich des Wettbewerbsverbotes angepasst und entsprechend reformiert wird. Dies gilt vor allem im Blick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung, wonach eine Handlung nicht mit Strafe sanktioniert werden darf, wenn diese in anderen Rechtsgebieten für zulässig erachtet wird. Der Reformbedarf des § 165 CStGB mit der Unzugänglichkeit des absoluten Wettbewerbsverbotes lässt sich auch mit der Rechtspraxis begründen. Während der Entstehung der AG in China haben sich zahlreiche Mutter- und Tochtergesellschaften entwickelt. Üblicherweise sind die beiden Gesellschaften mehr oder weniger in denselben oder zumindest ähnlichen Geschäftszweigen tätig. Um die Tochtergesellschaft besser zu kontrollieren, werden in den meisten Fällen die Vorstandsmitglieder einer Muttergesellschaft auch zugleich Vorstandsvorsitzende oder Vorstandsmitglieder der Tochtergesellschaft. Nach Schaffung des absoluten Wettbewerbsverbots aus dem Gesellschaftsgesetz von 1993 besteht die Gefahr, dass die hier genannten Personen staatseigener Aktiengesellschaften gemäß § 165 CStGB mit Strafe bedroht würden, wenn weitere Tatbestandsmerkmale des § 165 CStGB vorlägen. Offensichtlich entspricht diese Bestimmung nicht der chinesischen Realität. 304

Liu, Zhiwei (Hrsg.), Xingfaxue de xin dongxiang 2008, S. 371. Dies bedeutet, dass selbst wenn die Hauptversammlung die Vorstandsmitglieder dem Betreiben des gleichartigen Gewerbes und der Nutzung der der Gesellschaft zustehenden Geschäftschancen zustimmt, die Vorstandsmitglieder trotzdem gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig handeln würden. 305

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Ein anderes Beispiel für die Unzulänglichkeit des absoluten Wettbewerbsverbotes ergibt sich im Falle der unabhängigen Vorstandsmitglieder.306 Die unabhängigen Vorstandsmitglieder üben normalerweise einen Nebenberuf aus. Darüber hinaus haben die meisten von ihnen in mehr als einer Aktiengesellschaft ein Amt als unabhängiges Vorstandsmitglied inne. In Bezug auf das absolute Wettbewerbsverbot müssten sich demnach alle unabhängigen Vorstandsmitglieder, die für verschiedene, in gleichen oder ähnlichen Geschäftszweigen aktive Gesellschaften tätig sind, davor fürchten, gesellschaftsrechtlich oder strafrechtlich nach § 165 CStGB dafür gerade stehen zu müssen.307 Der Gesetzgeber des modifizierten Gesellschaftsgesetzes 2005 erkannte die oben dargestellten Probleme des absoluten Wettbewerbsverbotes und berücksichtigte bei der Änderung in erhöhtem Maße den Willen der Aktionäre. Hinsichtlich der oben dargestellten Problematik des § 165 CStGB schlagen manche chinesische Rechtswissenschaftler308 vor, dass das Betreiben der gleichartigen Geschäfte durch die Vorstandsmitglieder und Manager mit Einverständnis der Hauptversammlung als Ausnahmenfall nicht unter § 165 CStGB subsumiert werden soll. Mit diesem Lösungsansatz können die oben dargestellten Probleme beseitigt werden. Es fehlt jedoch eine überzeugende Begründung. dd) § 166 CStGB – das widerrechtliche Streben nach Vorteilen für Verwandte und Freunde (weiqinyou feifa mou li zui) Neben dem speziellen Organuntreuedelikt in der börsennotierten Aktiengesellschaft (§ 169 Abs. 2 CStGB) und dem in § 165 CStGB geregelten Wettbewerbsverbot wird noch eine andere strafbare treuepflichtwidrige Handlung von Mitarbeitern staatseigener Gesellschaften in § 166 CStGB geregelt. Die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats staatseigener Gesellschaften sind auch von den in § 166 CStGB genannten Mitarbeitern der staatseigenen Gesellschaft umfasst. (1) Gesetzestext § 166 CStGB wurde zum ersten Mal im Jahr 1997 ins chinesische Strafgesetzbuch eingeführt. Der Wortlaut des § 166 CStGB ist wie folgt: „Wenn Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, Unternehmen oder institutioneller Einheiten unter Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten einen der nachfolgenden Sachverhalte schaffen, wodurch die Interessen des Staates gravierende Verluste erleiden, werden sie mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Gewahrsam bestraft, zugleich oder in selbständiger Weise werden sie mit Geldstrafe belegt; wird bewirkt, dass Interessen des Staates be306 Die Treue- und Sorgfaltspflichten der unabhängigen Vorstandsmitglieder im chinesischen Recht wurden ausführlich im II. dieses Kapitels behandelt. 307 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 447. 308 Liu, Zhiwei (Hrsg.), Xingfaxue de xin dongxiang 2008, S. 372; Lu, Jianping/Li, Youxing, Feifa jingying tonglei yingyezui yanjiu, Henansheng zhengfa guanli ganbu xueyan xuebao 2004, S. 79.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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sonders gravierende Verluste erleiden, ergeht Freiheitsstrafe von drei Jahren bis sieben Jahren, zugleich wird Geldstrafe verhängt: (1) Wenn die gewinnbringende Geschäftstätigkeit der betreffenden Einheit den eigenen Verwandten oder Freunde zur Betriebsführung übertragen worden ist; (2) Wenn zu offenkundig über dem Markt liegenden Preisen bei Einheiten, die dem betrieblichen Management von Verwandten oder Freunden unterstehen, Waren eingekauft werden oder wenn zu offenkundig unter dem Marktwert liegenden Preisen an Einheiten, die dem betrieblichen Management von Verwandten oder Freunden unterstehen, Waren verkauft werden; (3) Wenn bei Einheiten, die dem betrieblichen Management eigener Verwandte oder Freunde unterstehen, Waren eingekauft werden, die nicht den Qualitätsnormen entsprechen.“

(2) Tatbestandsmerkmale des § 166 CStGB (a) Objekt der Tatbestandsmerkmale Die im § 166 CStGB geschützten Rechtsgüter sind zum einen die Vermögensinteressen der staatseigenen Gesellschaften, Unternehmen sowie institutioneller Einheiten309, zum anderen die staatliche Verwaltungsordnung.310 (b) Objektive Seite der Straftat (aa) Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten Für die Strafbarkeit des § 166 CStGB ist es erforderlich, dass die Täter ihre dienstliche Gelegenheit nutzen, um Vorteile für Verwandte und Freunde zu schaffen. Die dienstliche Gelegenheit im Sinne des § 166 CStGB umfasst dabei diejenigen Gelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Arbeit innerhalb der staatseigenen Gesellschaft stehen.311 (bb) Drei Arten der strafbaren Handlungen Nicht jedes widerrechtliche Streben nach Vorteilen für Verwandte und Freunde durch den Mitarbeiter einer staatseigenen Gesellschaft wird von § 166 CStGB umfasst. In § 166 CStGB werden ausschließlich drei bestimmte Arten des widerrechtlichen Strebens nach persönlichen Vorteilen normiert. Nachfolgend werden diese drei in § 166 CStGB gesetzlich normierten Handlungen dargestellt:

309 Da der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sich auf die Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen ihrer treulosen Handlungen beschränkt, wird nachfolgend nur „Gesellschaft“ erwähnt. Unberücksichtigt sind die im § 166 CStGB genannten anderen Mitarbeiter der staatlichen Betriebe und der institutionell Einheiten. 310 Zhang, Minkai, Xingfa xue, S. 573. 311 Ni, Zeren (Hrsg.), Jingji fanzui xingfa shiyong zhidao, S. 164.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

(a) Übertragung einer gewinnbringenden Geschäftstätigkeit Die erste strafrelevante Handlung im § 166 CStGB behandelt die Übertragung der gewinnbringenden Geschäftstätigkeit durch Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften an ihre Verwandten oder Freunde. Zu beachten ist, dass den „gewinnbringenden“ Charakter hier die übertragene Geschäftstätigkeit haben muss. Dies bedeutet, dass, wenn die Mitarbeiter verlustbringende Geschäftstätigkeiten staatseigener Gesellschaften an ihre Verwandten oder Freunde zum Betreiben übertragen, die in § 166 CStGB geregelte strafbare Handlung nicht erfüllt wird. Ob die Geschäftstätigkeiten gewinn- oder verlustbringend sind, lässt sich in der Praxis schwer feststellen. In der Literatur wurden viele Lösungsansätze hierfür entwickelt. Nach der herrschenden Ansicht gilt eine Geschäftstätigkeit dann als gewinnbringend, wenn zum Zeitpunkt ihrer Übertragung312 eine eindeutige Gewinnmöglichkeit bei der Durchführung der Geschäftstätigkeit besteht. Die Gewinnmöglichkeit wird hier hinsichtlich der im Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaft vorliegenden geschäftlichen Lage und deren Betriebskompetenz sowie hinsichtlich der voraussichtlichen Marktentwicklung beurteilt.313 Darüber hinaus gilt auch die historische Gewinnentwicklung der übertragenen Geschäfte als maßgeblicher Anhaltspunkt für die Beurteilung des in § 166 CStGB normierten „gewinnbringenden“ Charakters der Geschäfte. Wenn die übertragenen Geschäfte in der Vergangenheit immer Gewinn mit sich brachten, dann ist der gewinnbringende Charakter im Sinne des § 166 CStGB zu bejahen.314 (b) Einkaufen zu eindeutig überteuerten Preisen oder Verkäufe zu eindeutig unterhalb des Marktwertes liegenden Preisen Neben der ersten strafrelevanten Handlung der Übertragung gewinnbringender Geschäftstätigkeiten der betreffenden Gesellschaft an Verwandte oder Freunde durch Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften wird im § 166 CStGB eine zweite strafbare Handlung geregelt. Danach machen sich die Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften strafbar, wenn sie zu einem überteuerten Preis von der Gesellschaft, in welcher Verwandte oder Freunde geschäftsführend tätig sind, Waren für die betreffende Gesellschaft einkaufen. Gleiches gilt, wenn zu einem eindeutig unterhalb des Marktwertes liegenden Preis an die Gesellschaft, die unter dem betrieblichen Ma312 Eine Ansicht in der chinesischen Wissenschaft geht davon aus, dass für die Beurteilung des gewinnbringenden Geschäfts der maßgebliche Zeitpunkt der Vollendung der Ausführung der Geschäfte sei. Unzutreffend ist jedoch, dass die Ansicht hinsichtlich des Beurteilungskriteriums allein an der Geschäftsfolge anknüpft. Vertreter dieser Ansicht: Yu, Zhigang, Chengzhi zhiqu fanzui zinan wenti sifa duiche, S. 685. 313 Yu, Bo/Zhou, Zhiwen, Weiqinyou feifa mouli zui de sifa rending, Zhongguo jiancha guan 2006, S. 52. Einer anderen Ansicht zufolge ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der gewinnbringenden Geschäfte neben dem Zeitpunkt der Übertragung noch derjenige der Beendigung der Ausführung der Geschäfte. Wu, Ping, Weiqininyou feifa moulizui de liangge wenti tantao, in: 2007 nianduyhongguo xingfaxue nianhui lunwenji, S. 1535. 314 Liu, Zhiwei (Hrsg.), Xingfaxue de xin dongxiang, S. 374.

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nagement von Verwandten oder Freunden steht, Waren der betreffenden Gesellschaft verkauft werden. Zur Feststellung, wann ein eindeutig überteuerter Preis im Fall des Einkaufens beziehungsweise ein zu niedriger Preis im Fall des Verkaufens im Sinne des § 166 CStGB vorliegt, gibt es in der Literatur keine einheitliche Lösung. Während einige zutreffend davon ausgehen, dass die objektiven durchschnittlichen Marktpreise der eingekauften oder verkauften Waren zum Zeitpunkt der Tatausführung als maßgebliches Beurteilungskriterium heranzuziehen sind315, vertreten andere die Ansicht, dass nicht die tatsächlichen Marktpreise, sondern die von dem Täter angenommenen höchsten und niedrigsten Marktpreise als Maßstab entscheidend sind.316 Die Täter müssen die Waren zu eindeutig überteuerten Preisen zulasten der Gesellschaft einkaufen oder zu eindeutig zu niedrigem Preis an die Gesellschaft verkaufen, in denen die Verwandte oder Freunde der Täter für die Geschäftsführung zuständig sind. Dabei ist fraglich, ob die Gesellschaften, in denen die Verwandten und Freunde der Täter tätig sind, aber keine Geschäftsführungsbefugnisse innehaben, zu den Gesellschaften im Sinne des § 166 CStGB zählen können. Dies ist ein verbreitetes Phänomen in der chinesischen Praxis. Die Beantwortung dieser Frage ist nach der überwiegenden Ansicht im chinesischen Schrifttum auf der Grundlage einer extensiven Auslegung zu bejahen.317 (c) Mangelhafte Waren einkaufen Die letzte strafbare Handlung im § 166 CStGB ist das absichtliche Einkaufen mangelhafter Waren durch die Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften von Einheiten, die unter dem betrieblichen Management von Verwandten oder Freunden stehen. Maßstab zur Feststellung der Mangelhaftigkeit der Waren sind in erster Linie die §§ 26 – 32 des chinesischen Produktqualitätsgesetzes.318 (cc) Begriffe „Verwandte“ und „Freunde“ im § 166 CStGB In § 166 CStGB ist der Begriff der Verwandten und Freunde für den Eintritt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von großer Bedeutung. Die Täter machen sich nur dann strafbar, wenn sie die oben dargestellten drei strafbaren Handlungen zur Begünstigung ihrer Verwandten oder Freunde ausüben. Die Formulierung „Verwandte oder Freunde“ in § 166 CStGB erweist sich aber als höchst problematisch. Zunächst stellt sich die Frage nach der Definition der „Verwandten“ in § 166 CStGB. Die Verwandtschaft wird im geltenden Strafgesetzbuch nicht definiert. 315

Yang, Fangquan, Guoyou gongsi qiye renyuan duzhifanzui de sifa shiyong, S. 85. Yu, Bo/Zhou, Zhiwen, Weiqinyou feifa mouli zui de sifa rending, Zhongguo jiancha guan 2006, S. 53. 317 Wu, Ping, Weiwinyou feifa moulizui de liangge wenti tantao, in: 2007 nianduyhongguo xingfaxue nianhui lunwenji, S. 1536. 318 Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozhang, S. 204, 205. 316

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Die Bestimmungen zur Verwandtschaft in anderen chinesischen Gesetzen widersprechen sich. Zum Beispiel werden nach § 82 des Strafprozessgesetzes unter Verwandtschaft folgende Personen erfasst: Ehemann, Ehefrau, Vater, Mutter, Sohn, Tochter und Geschwister. Im chinesischen Zivilrecht ist der Gesetzgeber bei dem Begriff der Verwandtschaft über den oben genannten Personenkreis hinausgegangen und hat auch die Großeltern und Enkelkinder erfasst.319 Im Vergleich zur zivilrechtlichen Verwandtschaftsdefinition wird der Umfang der Verwandtschaft im chinesischen Verwaltungsrecht320 sogar auf die Personen erweitert, gegenüber denen der Betreffende eine Unterhaltspflicht trägt. Wenn man der Bestimmung der Verwandtschaft im Strafprozessgesetz gefolgt wäre, dann beschränkte sich der Anwendungsbereich des § 166 CStGB auf einen sehr engen Umfang. Deshalb wird in der Literatur größten Teils davon ausgegangen, dass für die Verwandtschaft in § 166 CStGB auf die verwaltungsrechtliche Definition abgestellt werden muss.321 Während der in § 166 CStGB vorgesehene Begriff der Verwandtschaft unter Berücksichtigung der außerstrafrechtlichen Bestimmungen noch eine gewisse Kontur erhält, scheitert jeder Versuch, den Begriff der „Freunde“ im § 166 CStGB zu definieren. Bei der Freundschaft handelt es sich um ein subjektives Empfinden und ein Gefühl. Es ist kaum möglich, einen für alle geltenden gesetzlichen Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Freundschaft zu schaffen. Aus diesem Grunde schlagen manche Autoren vor, dass die in § 166 CStGB genannten Freunde mit den Personen, die nicht zu den Verwandten des Täters gehören, gleichzustellen und demnach auch Fremde gemeint sind.322 Die Gegenansicht äußerte zutreffend dahingehend Bedenken, dass die Erweiterung des Begriffs „Freunde“ auch auf fremde Personen offensichtlich dem Wortlaut des § 166 CStGB widerspricht, da der Gesetzgeber ausdrücklich in § 166 CStGB die Begrifflichkeit der „Freunde“ verwendet hat und schlägt vor, das unbestimmte Tatbestandsmerkmal der „Freunde“ gänzlich zu streichen.323 (dd) Gravierende Vermögensverluste für die staatlichen Interessen Da der § 166 CStGB ein Erfolgsdelikt ist, setzt die Strafbarkeit nach § 166 CStGB voraus, dass die durch die Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften ausgeübten oben genannten drei Handlungen einen gravierenden Verlust für die betreffende staatsei319 Vgl. die Ansichten zu einigen Problemen bezüglich der Durchführung des Grundsatzes des chinesischen Zivilrechts (§ 12), die durch das oberste Volksgericht erlassen wurden. 320 § 24 des Verwaltungsgesetzes Chinas. 321 Ke, Gezhuang/Wei, Rensi, Guoyou zican liushi fanzui sifa rending wenti yanjiu, Fanzui yanjiu, 2007, S. 18, 19. 322 Yang, Fangquan, Guoyou gongsi qiye renyuan duzhifanzui de sifa shiyong, S. 85; Yu, Bo/ Zhou, Zhiwen, Weiqinyou feifa mouli zui de sifa rending, Zhongguo jiancha guan 2006, S. 52, 53. 323 Ke, Gezhuang/Wei, Rensi, Guoyou zican liushi fanzui sifa rending wenti yanjiu, Fanzui Yanjiu 2007, S. 20; Li, Ke/Chen, Danping, Weiqinyou feifa moulizui ruogan wenti tanxi, Xiangtan shifan xueyuan xuebao (shehuikexueban) 2004, S. 75.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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gene Gesellschaft (sog. staatliche Vermögensverluste) verursacht. Nach Auslegung der Rechtsprechung324 liegt ein gravierender Vermögensverlust des § 166 CStGB dann vor, wenn, 1) der unmittelbar durch die Straftat verursachte Verlust des Staates mehr als 100.000 Rmb beträgt, 2) die Einstellung der Produktion sowie der Konkurs der Gesellschaft durch die Straftat verursacht wird, oder 3) eine schwerwiegende soziale Auswirkung durch die Straftat (e nie yingxiang) verursacht wird. (c) Subjekt der Straftat Taugliche Täter können hier nur das Arbeitspersonal der staatseigenen Gesellschaft, Unternehmen sowie institutionelle Einheiten sein. Daher gehören auch die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats staatseigener Aktiengesellschaft zum Täterkreis des § 166 CStGB. (d) Subjektive Seite der Straftat Eine weitere Voraussetzung für die Strafbarkeit des § 166 CStGB ist, dass der Täter die strafrelevanten Handlungen vorsätzlich begeht. Darüber hinaus muss als zusätzliches subjektives Element das widerrechtliche Streben nach Vorteilen für Verwandte und Freunde hinzukommen. ee) § 169 Abs. 1 CStGB (staatliches Vermögen zu privaten Zwecken unter Wert in Anteile umrechnen oder veräußern) Die nächste relevante Strafbestimmung bezüglich des treuepflichtwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im geltenden chinesischen Strafrecht ist § 169 Abs. 1 CStGB. (1) Gesetzestext § 169 Abs. 1 CStGB lautet: „Wenn leitende Personalangehörige, die für staatseigene Gesellschaften oder Unternehmen oder für deren auf höherer Stufe zuständigen Ämter bzw. Abteilungen unmittelbar verantwortlich sind, aus Rücksicht auf Verwandte und Freunde bzw. zu privatem Nutzen Betrug oder Untreue begehen, sodass staatliche Vermögenswerte unter Wert ausgesetzt bzw. börsenmäßig notiert werden oder unter Wert losgeschlagen werden und somit bewirkt wird, dass die Interessen des Staates gravierende Verluste erleiden, werden die Betreffenden mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Gewahrsam bestraft; wird bewirkt, dass die Interessen des Staates besonders gravierende Verluste erleiden, wird auf Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu sieben Jahren erkannt“.325

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Die im Jahr 2001 durch die oberste Staatsanwaltschaft und das Ministerium für öffentliche Sicherheit erlassene „Bestimmung bezüglich des Maßstabs der Strafverfolgung für Wirtschaftsdelikte“. 325 Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 153.

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(2) Entstehungsgeschichte des § 169 Abs. 1 CStGB In § 169 Abs. 1 CStGB wird die durch die leitenden verantwortlichen Personen staatseigener Gesellschaften und Unternehmen326 begangene Unter-Wert-Umrechnung des Staatsvermögens in Aktienanteile oder das Unter-Wert-Verkaufen des Staatsvermögens mit Strafe sanktioniert. Anlass für die Schaffung dieser Strafnorm liegt in den §§ 81, 213 GeG 1993.327 Der § 213 GeG 1993 wurde als unmittelbare Rechtsquelle des § 169 Abs. 1 CStGB bezeichnet.328 Wie bereits im Kapitel B. zur Entstehungsgeschichte der Aktiengesellschaft in China erklärt wurde, wurden in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die chinesischen Staatsunternehmen in großem Umfang in GmbHs oder Aktiengesellschaften umgewandelt. Um einer Benachteiligung des Staatsvermögens durch die Betriebsleitung der Staatsunternehmen während des Transformationsprozesses zu verhindern, wurde der oben genannte § 213 GeG 1993 geschaffen. Dessen Verletzung führte zu Disziplinarmaßnahmen oder hatte eine strafrechtliche Verantwortlichkeit zur Folge. Bezüglich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen der Verletzung des § 213 GeG von 1993 bestand zu diesem Zeitpunkt noch eine gesetzliche Lücke. Das damalige geltende Strafgesetzbuch Chinas von 1979 enthielt keine entsprechende Strafnorm mit Bezug auf die Unter-Wert-Umrechnung des Staatsvermögens in Aktienanteile oder auf das Unter-Wert-Verkaufen des Vermögens. Um diese Gesetzlücke zu schließen und um das Staatsvermögen bei der Staatsunternehmensreform effektiv zu schützen, wurde § 169 Abs. 1 CStGB bei der Modifikation des Strafgesetzbuches aus dem Jahr 1997 eingefügt. (3) Verhältnis des ersten zum zweiten Absatz des § 169 CStGB Die Kernfrage des Verhältnisses zwischen beiden Absätzen des § 169 CStGB ist, weswegen der Gesetzgeber die oben dargestellte spezielle Organuntreue in der börsennotierten Aktiengesellschaft nicht als eigenständigen Straftatbestand, sondern als Bestandteil des § 169 CStGB festgelegt hat. Denn die geschützten Rechtsgüter des ersten und des zweiten Absatzes in § 169 CStGB sind nicht identisch. Neben der staatlichen Wirtschaftsverwaltungsordnung, die durch beide Absätze geschützt wird, werden im ersten Absatz des § 169 CStGB noch das Staatsvermögen und im zweiten Ab326 Da die vorliegende Arbeit ausschließlich die Aktiengesellschaft behandelt, wird diese nachfolgend als „Gesellschaft“ bezeichnet. 327 § 81 GeG 1993 lautet: „Wenn staatseigene Unternehmen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden, ist es streng untersagt, staatseigenes Vermögen unter Wert in Aktienanteile umzurechnen, unter Wert zu verkaufen oder unentgeltlich an Einzelpersonen zu verteilen“. § 213 GeG 1993 lautet: „Wird unter Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes Staatsvermögen unter Wert in Anteile umgewandelt, unter Wert verkauft oder an Einzelpersonen unentgeltlich verteilt, werden gegen die unmittelbar verantwortliche, zuständige Person und andere unmittelbar verantwortliche Personen gemäß dem Recht Verwaltungsmaßregeln getroffen. Handelt es sich dabei um Straftaten, wird gemäß dem Recht die strafrechtliche Verantwortung verfolgt.“ 328 An, Wenlu, Xingfa di 169tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 51.

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satz des § 169 CStGB die Vermögensinteressen der Aktionäre und der börsennotierten Aktiengesellschaft als Rechtsgüter geschützt. Die verbreitete Ansicht in der Rechtswissenschaft geht davon aus, dass es sich bei Absatz 1 und Abs. 2 des § 169 CStGB um Pflichtdelikte (weibei renwu fanzui) handelt und die Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten als Voraussetzung der Strafbarkeit in Abs. 1 und Abs. 2 des § 169 CStGB geregelt wird.329 Die beiden Absätze im § 169 CStGB stehen in einem ergänzenden Verhältnis. Genauer gesagt, der Abs. 2 des § 169 CStGB ergänzt den Abs. 1 des § 169 CStGB, da sich der Anwendungsbereich, der sich letztlich nur auf die am Staatsvermögen begangenen Handlungen bezieht, als zu eng erwies.330 Obwohl die beiden Absätze in § 169 CStGB den Pflichtdelikten zugeordnet werden, verzichtete der Gesetzgeber darauf, eine einheitliche Überschrift für den § 169 CStGB zu schaffen; stattdessen wurde für jeden Absatz des § 169 CStGB eine eigene Überschrift festgelegt.331 Meiner Ansicht nach ist die oben dargestellte Begründung zur Aufnahme der Untreuedelikte in börsennotierten Aktiengesellschaften insoweit unzutreffend. Pflichtdelikte, die gegen die Treue- oder Sorgfaltspflicht verstoßen, können nicht nur von § 169 Abs. 1 CStGB, sondern auch von den §§ 165, 166, 167, 168 CStGB erfasst werden. Wenn der Absatz 2 des § 169 CStGB nur aufgrund seines Pflichtdeliktscharakters in den § 169 CStGB eingefügt worden wäre, dann müssten die hier genannten Strafbestimmungen alle in den § 169 CStGB aufgenommen werden.332 Nachfolgend werden die Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs. 1 CStGB behandelt. (4) Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs. 1 CStGB Die nachfolgende Untersuchung bezüglich des Straftatbestands des § 169 Abs. 1 CStGB richtet sich schwerpunktmäßig auf die objektive Seite der Tatbestandsmerkmale und deren Problematik. In § 169 Abs. 1 CStGB sind die geschützten Rechtsgüter die staatliche Verwaltungsordnung und die Vermögensinteressen staatseigener Gesellschaften. Bei § 169 Abs. 1 CStGB handelt es sich um ein Sonderdelikt. Die tauglichen Täter können hier nur die leitenden Personalangehörigen in staatseigenen Gesellschaften bzw. 329

An, Wenlu, Xingfa di 169tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 53. An, Wenlu, Xingfa di 169tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 52. 331 Für Zustimmung in der Literatur siehe: Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 736. Gegenansicht siehe: An, Wenlu, Xingfa di 169tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü 2007, S. 52, 53. 332 Es werden auch einzelne Rechtswissenschaftler erwähnt. Allerdings wurden diese nur als Argumentation gegen die Ansicht eingewandt, dass der Gesetzgeber eine einheitliche Überschrift für beide Absätze des § 169 CStGB schaffen solle. Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 736. 330

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Unternehmen oder die unmittelbar verantwortlich leitenden Funktionäre sowie deren zuständige Behörden sein. Die Strafbarkeit nach § 169 Abs. 1 CStGB setzt voraus, dass die hier genannten tauglichen Täter absichtlich die darin normierten strafrelevanten Handlungen verwirklicht haben, und zwar zu privaten Zwecken oder aus Rücksicht auf Freunde oder Verwandte. (a) Objektive Seite der Straftat (aa) Die zwei Tathandlungen im § 169 Abs. 1 CStGB – Unter-Wert-Umrechnung in Anteile oder Unter-Wert-Verkaufen – Zunächst scheint es Klärungsbedarf dahingehend zu geben, weshalb ausschließlich die beiden Handlungen des § 169 Abs. 1 CStGB mit Strafe sanktioniert werden. Es wurde oben bereits aufgezeigt, dass diese Strafbestimmung auf dem § 213 GeG 1993 beruht und mit der Schaffung dieser Strafnorm der Gesetzgeber einen effektiven Schutz des Staatsvermögens bei der Umwandlung von ehemaligen Staatsunternehmen in moderne Unternehmensformen wie die GmbH und Aktiengesellschaft bezweckt hatte. Bei der Umwandlung von Staatsunternehmen in eine GmbH oder Aktiengesellschaft sind die Unter-Wert-Umrechnung des Staatsvermögens in Gesellschaftsanteile und das Unter-Wert-Verkaufen des Staatsvermögens die zwei häufigsten Handlungen, wodurch die leitenden Personen staatseigener Unternehmen das Staatsvermögen benachteiligen. Zur Verdeutlichung wird nachfolgend die Umwandlung eines Staatsunternehmens in eine Aktiengesellschaft in China dargestellt.333 Vor der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft oder GmbH wird zunächst das gesamte Vermögen jedes Staatsunternehmens festgestellt und bewertet. Die Bewertung des Staatsvermögens hat eine große Bedeutung für den Fall, dass das Staatsunternehmen mit einem Privatunternehmen zu einer Aktiengesellschaft verschmolzen wird oder das Staatsunternehmen seinen Anteil an andere Investoren verkauft. Im ersten Fall werden das Vermögen des Staatsunternehmens nach der Bewertung zu Staatsanteilen und das Vermögen des Privatunternehmens zu Anteilen natürlicher Personen qualifiziert. Falls das Staatsvermögen bei der Umwandlung unterbewertet wird, vermindern sich entsprechend die Anteile des Staats in der neuen Aktiengesellschaft und dadurch die Möglichkeit der Kontrolle und des Einflusses auf die Gesellschaft. Im zweiten Fall bringt das Verkaufen des unterbewerteten Staatsvermögens enorme Verluste für den Staat mit sich. In der Vergangenheit wurde in der chinesischen Praxis das Staatsvermögen bei der Umwandlung häufig unterbewertet oder illegal übertragen. Es ist fast immer zur Ausgabe von Anteilen gekommen, deren Ausgabepreis nicht 333 Ausführlich zur Umwandlungsmethode siehe: Bokeloh, Rechtliche Grundlagen der chinesischen Aktiengesellschaften, S. 174 – 177; ein Beispiel zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft findet sich bei: Cheng, Jianying, Marktbeherrschende Staatsunternehmen in der Volksrepublik China, 1993, S. 66, 67.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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dem tatsächlichen Wert des Unternehmens entsprach.334 Vor diesem Hintergrund erachtete der Gesetzgeber die Überprüfung und Bewertung des Staatsvermögens bei der Umwandlung als besonders notwendig. (bb) Gravierender Verlust des Staats Die Strafbarkeit des § 169 Abs. 1 CStGB setzt voraus, dass durch die Unter-WertUmrechnung des Staatsvermögens in Anteile oder das Unter-Wert-Verkaufen des Staatsvermögens ein gravierender Vermögensverlust für den Staat verursacht wird. Der Maßstab für die Feststellung des gravierenden Vermögensverlustes335 lautet: „wenn durch die in Abs. 1 des § 169 CStGB geregelten strafrelevanten Handlungen 1) ein unmittelbarer Verlust des Staats von mehr als 300.000 Rmb, 2) die Einstellung der Produktion staatseigener Gesellschaften oder Unternehmen oder 3) eine beträchtliche negative soziale Auswirkung verursacht wird. Falls durch die Handlungen die hier ausgeführten Tatfolgen nicht erfüllt werden, bleibt der Handelnde straflos“.

(5) Problematik Da die anerkannte unmittelbare Rechtsquelle des § 169 Abs. 1 CStGB, nämlich der § 213 GeG von 1993 bei der Modifikation des GeG aus dem Jahr 2005 ersatzlos abgeschafft wurde, stellt sich nun die Frage nach dem Fortbestand des § 169 Abs. 1 CStGB. Eine Aufgabe des Gesellschaftsgesetzes von 1993 war es, die in den 90er Jahren ausgeführte Staatsunternehmensreform zu gewährleisten. Darin ist der Planwirtschaftscharakter des GeG 1993 eindeutig zu erkennen. Ein typisches Beispiel dafür ist der § 4 Abs. 3 GeG 1993, wonach der Staat Eigentümer am Staatsvermögen in der Gesellschaft ist.336 Hierdurch wird deutlich, dass im GeG von 1993 das Staatsvermögen einen besonderen gesetzlichen Schutz genießt. Der Sonderschutz des Staatsvermögens lässt sich auch mit dem § 213 GeG 1993 belegen. Allerdings wurde nach über 10 Jahren Wirtschaftsentwicklung der Planwirtschaftscharakter im GeG 2005 abgeschwächt, indem der Gesetzgeber das Eigentumsrecht der Gesellschaft anerkannte und die Gleichheit der Aktionäre betonte. Vor diesem Hintergrund wurden die Bestimmungen im GeG 1993, die von der Planwirtschaft geprägt waren – wie die §§ 4 Abs. 3, 81, 213 GeG 1993 – im GeG 2005 ersatzlos gestrichen. In der Literatur wird diese Änderung im GeG 2005 positiv bewertet und als ein großer Fortschritt für die Marktwirtschaft bezeichnet. Allerdings sind die Bestimmungen im geltenden Strafrecht, welche auf den von der Planwirtschaft geprägten 334 Cui, Qinzhi, Qiye farengu de chiyou yu zhuanrang, Faxue Yanjiu 1993, S. 16, 21; Bokeloh, Rechtliche Grundlagen der chinesischen Aktiengesellschaften, S. 172. 335 Die im Jahr 2001 durch die chinesische oberste Staatsanwaltschaft und das Ministerium für öffentliche Sicherheit erlassene „Bestimmung bezüglich des Maßstabs der Strafverfolgung für Wirtschaftsdelikte“ (§ 15). 336 Über das Eigentumsrecht der Aktiengesellschaft siehe die Darstellung im Kapitel B. der vorliegenden Arbeit.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beruhten wie der hier diskutierte § 169 Abs. 1 CStGB, nach wie vor unverändert geblieben. Aufgrund der Änderungen im GeG 2005 ist es eine dringende Aufgabe des Gesetzgebers im Bereich des Strafrechts, die von der Planwirtschaft geprägten Strafnormen dem modifizierten Gesellschaftsgesetz anzupassen und dabei die unterschiedliche Behandlung zwischen dem Staatsvermögen und sonstigem Privatvermögen aufzuheben.337 ff) § 272 CStGB – zweckfremde Nutzung von Geldmitteln Eine für die Untersuchung der Strafbarkeit der Organuntreue der Aktiengesellschaft im geltenden chinesischen Strafrecht relevante Strafnorm ist auch § 272 CStGB, in dem die zweckentfremdete Nutzung von Geldmitteln der Gesellschaft durch Mitarbeiter mit Strafe bedroht wird. (1) Entstehungsgeschichte des § 272 CStGB Die zweckentfremdete Nutzung von Geldmitteln wurde erst unter dem Einfluss des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 1995 als eigenständige Strafnorm von der zweckfremden Nutzung der öffentlichen Geldmittel getrennt und in Art. 11 des Beschlusses von 1995 geregelt.338 Bei der späteren Modifikation des Strafgesetzbuches im Jahr 1997 wurde die oben genannte Regelung im Beschluss fast wörtlich in § 272 CStGB unter Kapitel 5 der Vermögensdelikte übernommen. Im Vergleich zum Beschluss hat es im Wesentlichen zwei Änderungen im § 272 des CStGB gegeben. Zum einen dahingehend, dass, wenn die Wertsumme der zweckentfremdeten Geldmittel der betreffenden Gesellschaft erheblich groß und nicht zurückerstattet worden ist, gemäß § 272 CStGB mit Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu zehn Jahren bestraft wird. Die zweckfremde Verwendung von Geldmitteln der Gesellschaft gemäß Art. 11 des Beschlusses hingegen wird als Unterschlagung (Art. 10 des vorliegenden Beschlusses) beurteilt und bestraft.339 Zum anderen wurden die tauglichen Täterkreise des § 272 CStGB auf die Mitarbeiter aller Gesellschaften, Unternehmen oder anderer Einheiten erweitert. Gemäß § 272 Abs. 2 CStGB werden die Mitarbeiter der staatseigenen Gesellschaften bei Begehung der hier genannten Straftat gemäß § 384 CStGB bei zweckentfremdeter Nutzung von öffentlichen Geldmitteln strenger bestraft.

337 338 339

An, Wenlu, Xingfa de 169 tiao lifa wenti yanjiu, Zhengzhi yu falü, S. 52. Siehe C. III. 2. unter dem Titel „Sonderstrafgesetze“. Siehe C. III. 2. unter dem Titel „Sonderstrafgesetze“.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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(2) Straftatbestandsmerkmale (a) Objekte der Straftat Durch § 272 CStGB wird das Vermögen der Gesellschaften, Unternehmen und Einheiten geschützt. Einer abweichenden Meinung340 nach gilt die staatliche Vermögens- und Finanzverwaltungsordnung neben dem Vermögensrecht der betreffenden Gesellschaft auch als geschütztes Rechtsgut des § 272 CStGB. Diese Ansicht lässt sich bezüglich der systematischen Stellung des § 272 CStGB im besonderen Teil des Strafgesetzbuches nicht halten, da der Gesetzgeber § 272 CStGB nicht in Kapitel 3, in dem die wirtschaftliche Verwaltungsordnung des Staats als eigenständiges Rechtsgut besonders geschützt wird, sondern in Kapitel 5 unter den Vermögensdelikten regelt.341 In § 272 CStGB wird ausdrücklich geregelt, dass die Täter sich strafbar machen, wenn die Geldmittel der Gesellschaft oder Einheiten zweckentfremdet verwendet werden. In der Praxis existieren aber auch Fälle, in denen der Täter die Maschinen der Gesellschaft zweckentfremdet verwendet hatte, indem der Handelnde diese an andere Personen verkaufte, um Geld zu erhalten. Später gab der Täter der Gesellschaft eine entsprechende Entschädigung beziehungsweise eine neue Maschine zurück. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob man in solchen Fällen die zweckentfremdete Nutzung der Materialien oder Maschinen der Gesellschaft auch unter § 272 CStGB subsumieren kann. Einige Rechtswissenschaftler342 vertreten die Ansicht, dass der Täter sich in der Regel nur bei zweckentfremdeter Verwendung von Geldmitteln der Gesellschaft strafbar macht. Sollten die Umstände der zweckentfremdeten Nutzung aber schwerwiegend sein und ein Bedürfnis nach strafrechtlicher Sanktionierung bestehen, dann sollen die von dem Täter zweckentfremdet verwendeten Sachen in Geld umgerechnet und nach § 272 CStGB bestraft werden. Mit Bezug auf die oben genannten Fälle kann § 272 CStGB auch Anwendung bei zweckentfremdeter Verwendung von Maschinen der Gesellschaft finden. Aufgrund der im § 3 CStGB geregelten Gesetzmäßigkeit, darunter wird auch das Analogieverbot erfasst, ist dieser Lösungsansatz trotz seiner Flexibilität nicht annehmbar. (b) Objektive Seite der Straftat Bei zweckentfremdeter Verwendung von Geldmitteln muss der Handelnde eine dienstliche Gelegenheit ausnutzen. Die Ausnutzung der dienstlichen Gelegenheit wird extensiv ausgelegt und mit der Ausnutzung der dienstlichen Gelegenheit in § 166 CStGB gleichgesetzt. Dies wurde bereits in der vorangegangenen Untersuchung dargestellt und wird hier nicht wiederholt.343 Nachfolgend wird auf die beiden

340 341 342 343

Zhang, Qiong (Hrsg.), Xin xingfa zui yufeizui cuizui yu pizui de jiexian, S. 263. Zhao, Bingzhi, Qinfan caichan zui, S. 389. Zhao, Bingzhi, Qinfan caichan zui, S. 390, 391. Siehe III. dieses Kapitels bezüglich des § 166 CStGB.

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ausdrücklich genannten Handlungsalternativen der zweckentfremdeten Verwendung von Geldmitteln näher eingegangen. Die erste Handlungsalternative ist jene, dass der Täter eine verhältnismäßig große Wertsumme von Geldmitteln der betreffenden Gesellschaft zur persönlichen Verwendung zweckentfremdet oder an Dritte in Form eines Darlehens verliehen und die betreffende Summe nach Überschreitung einer Frist von drei Monaten nicht zurückerstattet hat. Nach Auslegung des obersten Volksgerichts344 ist hier als „eine verhältnismäßig große Wertsumme“ der zweckentfremdeten Verwendung der betreffenden Geldmittel der Gesellschaft ein Betrag von 10.000 bis 30.000 Rmb anzusetzen. Die zweite Handlungsalternative liegt dann vor, wenn der Täter Geldmittel der betreffenden Gesellschaft zur persönlichen Verwendung zweckentfremdet oder an Dritte als Darlehen verliehen hat und dabei eine Frist von drei Monaten noch nicht überschritten ist, aber es sich um eine verhältnismäßig große Wertsumme handelt und der Täter einen Gegenstand zum Zweck profitorientierter Aktivitäten oder rechtswidriger Aktivitäten angewendet hat. Die verhältnismäßig große Wertsumme ist hier mit der oben genannten Summe identisch, folglich 10.000 bis 30.000 Rmb. Unter „profitorientierten Aktivitäten“ wird üblicherweise das Geschäftsbetreiben, Investieren oder der Wertpapierhandel verstanden.345 Hier wird nicht zwischen einer direkt profitorientierten Aktivität und der Vorbereitung profitorientierter Aktivitäten unterschieden. Der Täter macht sich demnach strafbar, wenn er Geldmittel der Gesellschaft Dritten gewährt, um die für die offizielle Registrierung erforderliche Kapitalbescheinigung bei einer Gesellschaftsgründung zu bekommen.346 (c) Subjekt der Straftat Während die in der vorangegangenen Untersuchung behandelten Straftatbestände ihre Anwendbarkeit fast347 ausschließlich auf Mitarbeiter des Staats beschränken, können taugliche Täter des § 272 CStGB alle Mitarbeiter der Gesellschaften, Unternehmen und Einheiten sein. In der Praxis sind die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft aufgrund ihrer Machtstellung innerhalb der Gesellschaft die häufigsten Täter des § 272 CStGB.348 (d) Subjektive Seite der Straftat Der Handelnde muss die Geldmittel der Gesellschaft vorsätzlich zweckentfremdet verwenden. Hier unterscheidet sich der § 272 CStGB insoweit von der Unterschlagung, als es sich im ersten Fall nicht darum handelt, dass die Geldmittel der Gesellschaft für immer entwendet werden, sondern eine Zurückerstattungsabsicht besteht. 344 „Auslegung zu einigen Fragen bezüglich der Rechtsanwendung der Strafnormen der Bestechung, Unterschlagung und zweckfremden Nutzung“. 345 Zhao, Bingzhi, Qinfan caichan zui, S. 388. 346 Zhao, Bingzhi, Qinfan caichan zui, S. 389. 347 Ausgenommen ist § 169 Abs. 2 CStGB. 348 Zhang, Qiong (Hrsg.), Xin xingfa zui yufeizui cuizui yu pizui de jiexian, S. 269.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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Falls der Täter die Geldmittel überhaupt nicht zurückerstatten will, sollte die Strafnorm der Unterschlagung angewendet werden. (3) Problematik der zweckfremden Verwendung von Gesellschaftsmitteln im Namen der Gesellschaft Im Schrifttum wird zwischen der zweckentfremdeten Verwendung von Geldmitteln im Namen der Täter oder im Namen der betreffenden Gesellschaft unterschieden. Einheitlich ist anerkannt, dass die in § 272 CStGB geregelte zweckentfremdete Verwendung von Geldmitteln im ersten Fall zu bejahen ist. Zur Strafbarkeit des § 272 CStGB im zweiten Fall gibt es bis heute noch keine einheitliche Meinung, obwohl der hier genannte zweite Fall große Bedeutung in der Praxis hat. So kommt es häufig vor, dass die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG die Geldmittel der Gesellschaft im Namen der Gesellschaft willkürlich an andere Personen vergeben. Die herrschende Meinung in der Literatur geht davon aus, dass die Anwendbarkeit des § 272 CStGB sich ausschließlich auf den oben genannten ersten Fall beschränkt, nämlich dass der Handelnde in eigenem Namen die Geldmittel der Gesellschaft zweckentfremdet an Dritte weitergibt. Mit der Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB können die Organmitglieder und leitenden Personen einer börsennotierten AG wegen der zweckentfremdeten Vergabe von Geldmitteln der Gesellschaft in Form eines Unternehmensbeschlusses im Namen der Gesellschaft an die jeweiligen Dritten mit Strafe sanktioniert werden. Wenn es sich dabei aber um nicht börsennotierte Aktiengesellschaften handelt, bleibt der Handelnde bei Ausübung der gleichen Handlung straflos.349 gg) § 167 CStGB – wegen gravierender Unverantwortlichkeit beim Abschluss oder der Erfüllung betrügerisch zustande gekommener Verträge Bis jetzt wurden die Strafnormen im geltenden chinesischen Strafrecht, die für die Strafbarkeit wegen treuepflichtwidriger Verhaltensweisen von Organmitgliedern einer Aktiengesellschaft relevant sind, behandelt. Nachfolgend werden die strafbaren sorgfaltspflichtwidrigen Handlungen des leitenden Personals staatseigener Gesellschaften gemäß §§ 167, 168 CStGB untersucht, worunter auch die Organmitglieder staatseigener Aktiengesellschaften erfasst werden. Zunächst ist § 167 CStGB350 zu erörtern. 349 Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexieshehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, S. 740, 741. 350 Die Überschrift des § 167 CStGB ist sehr umstritten in der Literatur. Die hier angewendete Überschrift des § 167 CStGB beruht auf der Auslegung des OVGs und der Staatsanwaltschaft. Mehr zur Auseinandersetzung über die Bezeichnung des § 167 CStGB siehe bei: Zhang, Jingli, Qianding lüxing hetong shizhi beipian zui ruogan zhengyi wenti yanjiu, Henan sifa jingguan zhiye xueyuan xuebao 2008, S. 60.

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(1) Gesetzestext § 167 CStGB lautet wie folgt: „Wenn leitende Personalangehörige, die für staatseigene Gesellschaften, Unternehmen oder institutionelle Einheiten unmittelbar verantwortlich sind, im Verlauf des Abschlusses oder der Erfüllung von Verträgen infolge ihnen zur Last liegender ernster und schwerwiegender Verantwortungslosigkeit betrogen werden, so dass die Interessen des Staates gravierende Verluste erleiden, so werden die Betreffenden mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Gewahrsam bestraft; wenn bewirkt wird, dass die Interessen des Staates besonders gravierende Verluste erleiden, werden sie mit Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu sieben Jahren bestraft.“

(2) Entstehung des § 167 CStGB In der Planwirtschaft wurde der Wirtschaftsverkehr durch die Verwaltungsbehörde organisiert und gesteuert. Im Verlauf der Wirtschaftsreform erhielten die Staatsunternehmen zunächst mehr Autonomie und später wurden sie selbständige Wirtschaftssubjekte.351 Dabei haben Verträge, welche die Basis des Wirtschaftsverkehrs in der Marktwirtschaft bilden, eine zunehmende Bedeutung im chinesischen Wirtschaftsleben gewonnen. Anfang der 90er Jahre tauchten zahlreiche Fälle auf, in denen unverantwortliches Verhalten beim Abschluss und der Erfüllung von Verträgen durch die dafür zuständigen Personen in staatlichen Unternehmen zu einem gravierenden Verlust von Staatsvermögen geführt hat.352 Um das Verantwortungsbewusstsein der zuständigen Personen in staatlichen Unternehmen zu stärken und damit die Vermögensinteressen des Staates effektiv zu schützen, wurde im Jahr 1997 der § 167 CStGB im modifizierten Strafgesetzbuch Chinas geschaffen. Im Jahr 1998 wurde der § 167 CStGB ein weiteres Mal durch das Sonderstrafgesetz modifiziert.353 Während der Anwendungsbereich des § 167 CStGB 1997 sich auf die direkt zuständigen Personen staatseigener Gesellschaften (Unternehmen) und Einheiten beschränkte, wurde im Sonderstrafgesetz aus dem Jahr 1998 der Anwendungsbereich des § 167 CStGB auf die Mitarbeiter von Finanzinstituten oder Gesellschaften, die im Bereich des Außenhandels tätig sind, erweitert.

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beit. 352

beit.

Ausführlich über die Staatsunternehmensreform siehe Kapitel B. der vorliegenden ArAusführlich über die Staatsunternehmensreform siehe Kapitel B. der vorliegenden Ar-

353 § 7 der „Decision of the Standing Committee of the National PeopleÌs Congress on Punishing Crimes of Fraudulently Purchasing, Evading and Illegally Trading in Foreign Exchange“. Dieser Beschluss wurde am 29. 12. 1998 erlassen.

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(3) Tatbestandsmerkmale Die durch § 167 CStGB geschützten Rechtsgüter sind die Staatsvermögensinteressen und die sozialistische Marktwirtschaftsordnung.354 Hinsichtlich des subjektiven Elements genügt für die Strafbarkeit nach § 167 CStGB Fahrlässigkeit.355 Die Fahrlässigkeit ist dann zu bejahen, wenn der Täter die Folgen seines Handelns erkennt, er aber sicher ist, dass die Folgen vermeidbar sind.356 Die Problematik des § 167 CStGB liegt vor allem auf der objektiven Seite der Tatbestandsmerkmale. (a) Objektive Seite der Tatbestandsmerkmale (aa) Schwerwiegende Unverantwortlichkeit Nicht jedes Fehlverhalten der zuständigen Personen staatseigener Gesellschaften während des Abschlusses und während der Erfüllung der Verträge, welches einen Vermögensschaden des Staates zur Folge hat, wird gemäß § 167 CStGB mit Strafe sanktioniert. Das Fehlverhalten ist erst dann für § 167 CStGB strafrelevant, wenn der Handelnde sich in gravierendem Maße unverantwortlich (yanzhong bufu zeren) im Hinblick auf seine Pflichten und Amtsbefugnisse im Rahmen des Abschlusses und der Erfüllung von Verträgen verhält. Hier stellt sich nun die Frage, was unter gravierender Unverantwortlichkeit im Sinne des § 167 CStGB zu verstehen ist. Nach der herrschenden Meinung sind zwei Anhaltspunkte bei der Festlegung der schwerwiegenden Unverantwortlichkeit der oben genannten Personen maßgeblich. Beim ersten Anhaltspunkt handelt es sich darum, ob der Handelnde die gesetzlich vorgesehenen prozessualen Überprüfungspflichten gegenüber dem Vertragspartner beim Abschluss des Vertrags eingehalten hat. Der zweite Anhaltspunkt ist, ob der Handelnde alle notwendigen Maßnahmen beim Abschluss und der Erfüllung des Vertrags ergriffen hat, um einen Vermögensschaden des Staates zu vermeiden.357 Die gravierenden unverantwortlichen Handlungen beim Abschluss und der Erfüllung des 354 In der Literatur wird das andere durch § 167 CStGB geschützte Rechtsgut als „staatliche Verwaltungsordnung über das staatseigene Unternehmen (Gesellschaft) oder die Einheiten“ bezeichnet. Zhang, Shiqi, Zhongguo xinxingfa 418 ge zuimin lijie, S. 122. Diese Ansicht ist insoweit unzutreffend, als im Jahr 1998 der Anwendungsbereich des § 167 CStGB auch auf die nicht-staatlichen Unternehmen erweitert wurde. Gong, Houjun, Lun qianding lüxing hetongshizhi beipianzui, Shanxi gaodeng xuexiao shehui kexue xuebao 2002, S. 79. Es blieb aber noch Klärungsbedarf dahingehend, wie das in § 167 CStGB geschützte Rechtgut innerhalb der sozialistischen Marktwirtschaftsordnung eingegrenzt werden soll, da die sozialistische Marktwirtschaftsordnung als geschütztes Rechtsgut sehr abstrakt ist. Ma, Kechang, Jingji fanzui xinlun-pohuai shehuizhuyi jingji zhixu zui yanjiu, S. 122. 355 Einige vertreten die Meinung, dass in § 167 CStGB neben der Fahrlässigkeit auch der bedingte Vorsatz subjektives Element sein kann. Wang, Zuofu, Xingfa fenze shiwu yanjiu (I), S. 127; Zeng, Yueyin, Gongsi, qiye fanzui yanjiu, S. 124. 356 Liu, Jiachen, Juan shuofa changjian jingji fanzui anli jie, S. 128; Xing, Zizhen, Shouweituo qianding lüxing hetong shizhi beipian nengfou goucheng fanzui, Renmin jiancha 1998, S. 65. 357 Jiang, Yanshao/Guan, Yanhong, Qianding lücxing hetong shizhi beipian zui fanui jiexian de yanjiu, Shangye yanjiu 2001, S. 147.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

Vertrags durch die zuständigen Personen staatseigener Gesellschaften können sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen erfolgen.358 Die typischen Erscheinungsformen des strafrelevanten Untätigbleibens in § 167 CStGB bezüglich des Abschlusses von Verträgen sind die Fälle, in denen die zuständigen Personen ohne Überprüfung der Kreditwürdigkeit, Zahlungsfähigkeit und Produktionskapazitäten des Vertragspartners oder unter Verzicht auf erforderliche Gutachten und Beglaubigungen den Vertrag abschließen. Das strafrelevante Unterlassen in § 167 CStGB bei der Erfüllung des Vertrags ist beispielsweise das Unterlassen der Materialeingangsprüfung. Entscheidend für die Beurteilung strafrelevanten Unterlassens ist hier, ob der Handelnde die ihm zustehenden gesetzlich vorgesehenen oder branchenüblichen Pflichten bei Vertragsabschluss oder Vertragserfüllung nicht erfüllt hat.359 Die Bejahung des § 167 CStGB setzt voraus, dass die Täter vom Vertragspartner betrogen wurden. Unter „Betrug“ wird hier nicht nur der Betrugsdelikt im strafrechtlichen Sinne, sondern auch die zivilrechtliche Täuschung beim Vertragsabschluss erfasst.360 (bb) Gravierender Verlust für den Staat Für den Eintritt strafrechtlicher Verantwortlichkeit des § 167 CStGB wird vorausgesetzt, dass durch schwerwiegende unverantwortliche Handlungen der zuständigen Personen staatseigener Gesellschaften bei Vertragsabschluss und -erfüllung ein gravierender Vermögensverlust für den Staat herbeigeführt wurde. Nach Auslegung der Rechtsprechung361 ist ein gravierender Vermögensverlust nach § 167 StGB gegeben, wenn (1) die unmittelbar durch die Straftat verursachten Verluste des Staates mehr als 500.000 Rmb betragen oder (2) die unmittelbar durch die Straftat verursachten Verluste des Staats mehr als 30 % des registrierten Kapitals der betreffenden Gesellschaft (Unternehmen) betragen. Zu beachten ist, dass neben der Festsumme des durch die Straftat verursachten Vermögensschadens des Staats auch eine im Punkt 2 genannte Prozentzahl festgelegt wird.362

358 Gong, Houjun, Lun qianding lüxing hetongshizhi beipianzui; Shanxi gaodeng xuexiao shehui kexue xuebao, 2002, S. 56; Der abweichenden Ansicht nach ist § 167 CStGB ein Unterlassungsdelikt. Chen, Xingliang, Xingshi yian pingxi, S. 79. 359 Gong, Houjun, Lun qianding lüxing hetongshizhi beipianzui, Shanxi gaodeng xuexiao shehui kexue xuebao 2002, S. 57. 360 Zhang, Mingkai, Xingfa xue, S. 574. 361 „Bestimmung bezüglich des Maßstabs der Strafverfolgung der Wirtschaftsdelikte“ (§ 12). 362 Diese Regelung hat große Bedeutung für die GmbH, da das gesetzlich erforderliche Mindestkapital der GmbH 30.000 Rmb beträgt (§ 26 des GeG 2005). In der Rechtspraxis besteht eine Vielzahl der in § 167 CStGB geregelten Straftaten, die keine Vermögensverluste des staatlichen Unternehmens in Höhe von 50.000 Rmb verursachen, aber zum Konkurs des Unternehmens führten. Für solche Fälle ist die Festlegung der Prozentzahlen der verursachten Vermögensverluste für staatliche Unternehmen notwendig. Für die staatseigene Aktiengesellschaft kommt aber ausschließlich Punkt 1) in Betracht. Nach § 81 GeG 2005 beträgt das registrierte Kapital einer Aktiengesellschaft in China mindestens 5 Millionen Rmb.

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(b) Subjekt der Straftat Taugliche Täter des § 167 CStGB sind die zuständigen Personen staatseigener Gesellschaften (Unternehmen) und Einheiten sowie die Mitarbeiter von Finanzinstituten oder Gesellschaften, die sich mit Geschäften im Bereich des Außenhandels beschäftigen. Streitig ist, ob unter den zuständigen Personen staatseigener Gesellschaften in § 167 CStGB alle Mitarbeiter der staatseigenen Gesellschaft oder ausschließlich das leitende Personal gemeint ist. Die überwiegende Meinung im Schrifttum geht davon aus, dass taugliche Täter des § 167 CStGB nicht alle Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, sondern lediglich das leitende Personal sein kann.363 Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 167 CStGB bezweckte, die leitenden Personen staatseigener Unternehmen, die für die Geschäftsführung zuständig sind, wegen schwerwiegender unverantwortlicher Amtsführung mit Strafe zu bedrohen. Wenn man den § 167 CStGB auf alle Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften erweitert hätte, könnten die leitenden Personen die Schuld einfach den unter ihnen stehenden Mitarbeitern zuweisen. Denn die Mitarbeiter handeln ausschließlich auf Weisung der leitenden Personen bezüglich des Abschlusses und der Erfüllung von Verträgen.364 hh) § 168 CStGB – Unverantwortliche Amtsführung durch die Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, Unternehmen und institutioneller Einheiten – sowie Missbrauch der Amtsbefugnisse durch Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, Unternehmen und institutioneller Einheiten Während in § 167 CStGB schwerwiegende unverantwortliche Handlungen der leitenden Personalangehörigen beim Abschluss und der Erfüllung des Vertrags, die einen Vermögensschaden der betreffenden staatlichen Gesellschaft (Einheiten) verursachen, geregelt sind, werden die übrigen gravierenden unverantwortlichen Handlungen der Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften (Einheiten), die die Insolvenz der betreffenden Gesellschaften (Einheiten) oder gravierende Vermögensverluste des Staats zur Folge haben haben, gemäß § 168 CStGB mit Strafe sanktioniert. Da § 168 CStGB in der Praxis kaum Anwendung findet, wird er nachfolgend nur kurz zusammengefasst.

363 Liu, Jiachen, Jingjifanzui zuimin jieshi yu falü shiyong, Zhongguojianchachubanshe, S. 146; Zhu, Minshan (Hrsg.), Dianxin anli yu falü shiyong – fanhai dui gongsi qiye de guanli zhixuzui, S. 10. 364 Chen, Xingliang, Xingshi yinan pingxi, S. 197. Zustimmung findet dies auch in der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung und einige Stimmen in der Literatur bejahen ausnahmsweise auch die unmittelbar verantwortlichen Mitarbeiter staatlicher Unternehmen als taugliche Täter des § 167 CStGB, wenn sie willkürlich gegen die Entscheidung oder Weisungen der leitenden Personen beim Abschluss oder der Erfüllung des Vertrags handeln. Guan, Houjun, Lun qianding lüxing hetongshizhi beipianzui, Shanxi gaodeng xuexiao shehui kexue xuebao 2002, S. 67.

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C. Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG

(1) Gesetzestext Der § 168 CStGB lautet wie folgt: „Wenn die in den staatseigenen Gesellschaften oder Unternehmen tätigen Personalangehörigen aufgrund ihrer schwerwiegenden Unverantwortlichkeit oder des Missbrauchs ihrer Amtsbefugnisse den Konkurs oder ernste und schwerwiegende Verluste staatseigner Gesellschaften oder Unternehmen verursachen und bewirkt wird, dass die Interessen des Staates gravierende Verluste erleiden, werden die Betreffenden mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Gewahrsam bestraft, wenn die Interessen des Staats besonders gravierende Verluste erleiden, werden die Betreffenden mit Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu sieben Jahren bestraft. Wer als Mitarbeiter institutioneller Einheiten eine der im vorhergehenden Absatz geregelte Strafhandlung begeht und somit bewirkt wird, dass die Interessen des Staates gravierende Verluste erleiden, wird nach Maßgabe der Bestimmung im vorhergehenden Absatz bestraft. Wer als Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften, Untenehmen oder institutioneller Einheiten aus Rücksicht auf Verwandte und Freunde bzw. zu privatem Nutzen Betrug oder Untreue bezüglich der in den vorhergehenden zwei Absätzen bestimmten Straftat begeht, wird nach Maßgabe der Bestimmung in Absatz 1 mit Strafe schweren Grades belegt.“

(2) Entstehungsgeschichte des § 168 CStGB Der § 168 CStGB wurde im Jahr 1997 zum ersten Mal ins chinesische Strafgesetzbuch eingefügt und im Jahr 1999 durch das Änderungsgesetz des Strafgesetzbuchs geändert. Im modifizierten § 168 CStGB aus dem Jahr 1999 wurden als taugliche Täter neben den leitenden Personalangehörigen staatseigener Gesellschaften, Unternehmen und Einheiten auch deren Mitarbeiter erfasst.365 Außerdem wurde die Voraussetzung des subjektiven Elements der Strafbarkeit des § 168 CStGB 1997, nämlich ein Handeln aus Rücksicht auf Verwandte oder Freunde sowie zu privatem Nutzen, im Änderungsgesetz 1999 abgeschafft und als Grund für die Straferhöhung geregelt. In § 168 CStGB von 1999 sind zwei sorgfaltspflichtwidrige Handlungsalternativen enthalten, nämlich die gravierende Unverantwortlichkeit der Mitarbeiter staatseigener Gesellschaften bei Ausübung ihrer Amtsbefugnisse und der Missbrauch von Amtsbefugnissen durch den Mitarbeiter der Gesellschaft. (3) Tatbestandsmerkmale Bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale werden auf der einen Seite die Interessen staatseigener Gesellschaften, Unternehmen und institutionellen Einheiten, auf der anderen Seite die sozialistische Wirtschaftsordnung durch § 168 CStGB geschützt. Im Hinblick auf die objektive Seite der Tatbestandsmerkmale des § 168 CStGB sind zwei gesetzlich normierte Handlungsalternativen von großer Bedeutung. 365 Zum Anlass zur Erweiterung des tauglichen Täterkreises aus dem Jahr 1999 siehe: Hou, Guoyun, Lun xingfa xiuzhengan dui xingfa di 168 tiao de xiuzheng, Faxue zazhi 2003, S. 12.

III. Strafrechtliche Normen bezüglich der Verletzung der Sorgfaltspflicht

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Unter schwerwiegender Unverantwortlichkeit wird die Handlung des Täters verstanden, die nicht oder in inkorrekter Weise ausgeübt wird. Die Nichtausübung der Befugnisse setzt voraus, dass der Täter in der Lage ist, die Befugnis zu erfüllen, aber trotzdem untätig bleibt. Unter einer inkorrekten Ausübung der Befugnisse wird ferner verstanden, dass der Täter in einer unverantwortlichen Weise seine Befugnis nicht ernsthaft erfüllt oder flüchtig und leichtsinnig verwirklicht. Der Missbrauch der Befugnisse wird in § 168 CStGB als Überschreiten der eingeräumten Befugnisse oder als zweckwidrige Ausübung der Befugnisse definiert. Typische Fallkonstellationen, in denen der Täter über seine eingeräumten Befugnisse gegenüber der staatseigenen Gesellschaft hinausgeht, sind beispielsweise das Treffen und die Durchsetzung geschäftlicher Entscheidungen, obwohl diese nicht in seine Zuständigkeit fallen. Eine zweckwidrige Ausübung der Befugnisse ist dann gegeben, wenn der Täter bei der Ausübung der Befugnisse alle relevanten Faktoren nicht grundsätzlich in Betracht zieht und gegen gesetzliche Regelungen verstößt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es sich bei dem § 168 CStGB um ein Erfolgsdelikt handelt. Allein die schwerwiegende Unverantwortlichkeit und der Missbrauch der Befugnisse genügt nicht, um die Strafbarkeit zu erfüllen, vielmehr muss durch eine sorgfaltspflichtwidrige Handlung ein gravierender Vermögensverlust für den Staat entstanden sein. Nach Auslegung der Rechtsprechung366 ist eine Strafverfolgung bezüglich des § 168 CStGB dann zulässig, wenn durch die sorgfaltspflichtwidrigen Handlungen des Täters (1) ein direkter wirtschaftlicher Verlust des Staats von mehr als 300.000 Rmb, (2) die Einstellung der Produktion staatseigener Gesellschaften, Unternehmen oder (3) eine beträchtliche negative soziale Auswirkung verursacht werden.

366

(§ 14).

„Bestimmung bezüglich des Maßstabs der Strafverfolgung der Wirtschaftsdelikte“

D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen bezüglich treuwidriger Handlungen der Organmitglieder im geltenden chinesischen Strafrecht und die Reformdiskussion im Schrifttum I. Einleitung Seit dem Erlass des ersten chinesischen Strafgesetzbuches nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1979 sind nun dreißig Jahre vergangen. Mit der Modifikation des ersten chinesischen Strafgesetzbuchs im Jahr 1997 wurden der ideologische und planwirtschaftliche Charakter des Strafrechts enorm abgeschwächt. Dies ist insbesondere für die vorliegende Arbeit von großer Bedeutung, da erstmals Handlungen, die das Vermögensinteresse von Gesellschaften1 schädigen, strafrechtlich sanktioniert werden. Begrüßenswert ist vor allem die Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB im Jahr 2006, welcher die neue Tendenz der chinesischen Strafgesetzgebung zeigt, namentlich die Stärkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes der nicht staatseigenen Gesellschaften zu bewirken. Trotz des Fortschritts des chinesischen Strafgesetzbuches sind die Strafnormen zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Beeinträchtigungen durch ihre Organmitglieder im geltenden chinesischen Strafrecht dringend reformbedürftig. Die Problematik der Tatbestandsmerkmale der Strafnormen (§§ 165 – 169, 272 CStGB) wurde bereits im Kapitel C. vereinzelt behandelt. In diesem Kapitel wird die Reformbedürftigkeit der genannten Strafnormen jedoch hinsichtlich zweier systematischer Aspekte untersucht: zum einen werden die sich aus den Strafnormen ergebenden gemeinsamen Probleme im Rahmen des Strafrechts zusammengefasst und erörtert. Zum anderen werden die Probleme der einschlägigen Strafnormen unter Berücksichtigung des geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetzes näher beleuchtet. Als Mittel zum Zweck liegt aber die wesentliche Funktion der Auseinandersetzung mit der Reformbedürftigkeit in der vorliegenden Arbeit darin, auf der Grundlage der ermittelten Kenntnisse bezüglich der Problematik der Strafnormen Lösungsansätze für die Zukunft zu entwickeln. Daher werden im Anschluss an die Reformbedürftigkeit noch die aktuellen Reformvorschläge der chinesischen Rechtswissenschaft zusammengefasst und kritisch bewertet.

1

Vor allem das Vermögen der Staatsunternehmen vor rechtswidrigen Eingriffen schützen.

II. Reformbedürftigkeit

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II. Reformbedürftigkeit 1. Die gemeinsame strafrechtliche Problematik der Strafnormen gegen treuwidriges Verhalten Die folgende Untersuchung geht über die speziellen Probleme der einzelnen Untreuenormen hinaus und versucht mit einem systematischen Blick die gemeinsamen Probleme der §§ 165 – 169, 272 CStGB herauszufinden. Diese sind zum einen der unzureichende strafrechtliche Schutz der nicht staatseigenen Gesellschaften vor Eingriffen ihres Verwaltungspersonals in den §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB. Die Reformbedürftigkeit der oben genannten Strafvorschriften lässt sich mit Blick auf die Änderungen in der Wirtschaftsrealität und in der chinesischen Verfassung seit dem Jahr 1997 begründen. Zum anderen ergeben sich Probleme aus der in den §§ 165 – 169, 272 CStGB angewendeten empirischen und kasuistischen gesetzgeberischen Technik. Mit der rasanten Wirtschaftsentwicklung in China haben sich viele neue Erscheinungsformen der durch Organmitglieder ausgeübten treuwidrigen Handlungen zulasten der Gesellschaft hervorgetan. Vor diesem Hintergrund wird die Effektivität der traditionellen empirischen und kasuistischen Gesetzgebung im Strafrecht zur Bekämpfung vermögensschädigenden Verhaltens der Organmitglieder in Frage gestellt. Die unangemessene strenge Strafandrohung und die vage gesetzliche Ausformulierung bezüglich der Tatfolge mit „(besonders) gravierendem Verlust des Staates“ in den §§ 165 – 169, 272 CStGB führt zum letzten Aspekt der Reformbedürftigkeit in diesem Kapitel. a) Unzureichender strafrechtlicher Schutz der nicht staatseigenen Gesellschaften gegen vermögensschädigendes treuwidriges Verhalten der Organmitglieder Im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch haben sich innerhalb des strafrechtlichen Schutzes des Gesellschaftsvermögens zwei Klassen herausgebildet, der vorrangige Schutz des Vermögens der staatseigenen Gesellschaften und die nachrangige Stellung des Vermögens der nicht staatseigenen Gesellschaften. Zum Beispiel beziehen sich die §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB ausschließlich auf die staatseigenen Gesellschaften. Hier ist zunächst zu klären, warum der chinesische Gesetzgeber im Strafrecht ein so großes Gewicht auf den Schutz der staatseigenen Gesellschaften gegenüber den nicht staatseigenen Unternehmen gelegt hat und was im Laufe der Wirtschaftsreform Anlass zur Änderung des vorhandenen Zweiklassenaufbaus bezüglich des Vermögensschutzes gegeben hat.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

aa) Ausgangspunkt: Koexistenz der Einteilung der Unternehmen nach der Eigentumsform und nach der Rechtsform in der chinesischen Gesetzgebung Die differenzierte Behandlung der staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen (Gesellschaften) im chinesischen Strafgesetzbuch ist nicht nur ideologisch bedingt, sondern auch unvermeidbare Folge der Umwandlung von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Dabei existieren zurzeit in China sowohl die auf der Planwirtschaft basierende Einteilung der Unternehmen als auch die der Marktwirtschaft zugrunde liegende Unternehmensklassifizierung. Traditionell werden die Unternehmen in China je nach Eigentumsinhaber in staatseigene, kollektiveigene oder private Unternehmen eingeteilt, wobei letztere bis zum Jahr 1982 aus ideologischen Gründen nicht erlaubt waren und deshalb auch keinen rechtlichen Schutz genossen. Im ersten chinesischen Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1979 wurden ausschließlich die Staats- und Kollektivunternehmen geschützt. Das Betreiben einer „nicht sozialistischen Wirtschaft“ – namentlich einer privaten Wirtschaft – wurde sogar mit Strafe sanktioniert.2 Im Laufe der Wirtschaftsreform wurden Privatunternehmen zunächst erlaubt, später auch gefördert.3 Mit dem Erlass des chinesischen Gesellschaftsgesetzes wurden die Unternehmen aber auch nach deren Organisationsform eingeteilt. In China existierten jedoch nach wie vor die nach Eigentumsinhaber bestimmten Unternehmen. In der chinesischen Literatur wird die uneinheitliche Klassifizierung der Unternehmensform als „Zwei-Spuren Unternehmensgesetzgebung“ bezeichnet.4 Das im Jahr 1997 erlassene, revidierte Strafgesetzbuch Chinas wurde sehr stark von den „zwei Spuren“ der Unternehmensgesetzgebung geprägt, indem es neben einer Reihe von Strafvorschriften zum Schutz der modernen Gesellschaft überwiegend Strafnormen zum Schutz der staatseigenen Gesellschaft enthielt. Hierfür sind §§ 165 – 169 Abs. 1 gute Beispiele. Durch die vorrangige Stellung der staatseigenen Gesellschaft gegenüber den nicht staatseigenen Gesellschaften im revidierten Strafgesetzbuch von 1997 versucht der chinesische Gesetzgeber einerseits, den sozialistischen Charakter des chinesischen Strafgesetzbuches5 abzubilden, andererseits, die sich aus der damaligen Zeit ergebenden Probleme aus dem zunehmend gravierenden Vermögensverlust des Staats bei der Wirtschaftsreform, wirksam zu bekämpfen. Da China ein sozialistisches Land unter 2 Das (gewinnsüchtige) Betreiben von Spekulationsgeschäften von Privatpersonen (Touji daoba) des CStGB 1979. Allerdings sind die sog. „Touji daoba“ Delikte sehr unpräzise ausformuliert. Diese Strafregelung diente dazu, die zentrale Planwirtschaft zu sichern und das Betreiben der Individualwirtschaft zu unterbinden. Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 81; im Vergleich zum alten Strafgesetzbuch 1979; Zhang, Guirong, Wirtschaftsverbrechen in China und die entsprechenden Strafmaßnahmen, S. 131. 3 Nähere Informationen siehe Kapitel B. 4 He, Lianhong, Woguo qiye shuanggui lifa de chongtu xietiao yu qianzhan, Heibei faxue 2000, S. 54. 5 Siehe C. III.

II. Reformbedürftigkeit

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der Führung der KPC ist, ist der sozialistische Charakter des chinesischen Strafgesetzbuches unproblematisch. Die Frage nach den Auswirkungen des gravierenden Verlusts des Staats seit der Wirtschaftsreform im Jahr 1979 auf die Gesetzgebung zum revidierten Strafgesetzbuch im Jahr 1997 wurde bis heute sehr wenig diskutiert. Genau diese Fragestellung wird in der folgenden Untersuchung näher beleuchtet. bb) Gravierender Vermögensverlust des Staats seit der Wirtschaftsreform bis zum Jahr 1997 (1) Wirtschaftspraxis vor dem Jahr 1997 Eine und auch entscheidende Erklärung für den schwerpunktmäßigen strafrechtlichen Schutz der staatseigenen Unternehmen beruht auf der Tatsache, dass bis zum Jahr 1997 der Vermögensverlust des Staats6 im Laufe der Staatsunternehmensreform rapide anstieg. Dies lässt sich durch die nachfolgenden einschlägigen statistischen Angaben belegen. Zu Beginn der Wirtschaftsreform betrug der jährliche durchschnittliche Staatsvermögensverlust von 1982 bis 1992 in China ca. 50 Milliarden Rmb. Seit Einführung der Staatsunternehmensreform Ende der 90er Jahre in China hat sich der Staatsvermögensverlust im Vergleich zu den vorherigen Jahren fast verdoppelt und betrug schätzungsweise 80 bis 100 Milliarden Rmb jährlich.7 Es gab immer mehr Fälle, in denen Funktionäre ihre Machtstellung innerhalb des Staatsunternehmens unkorrekt ausübten oder missbrauchten, in den meisten Fällen zum eigenen Vorteil, und dadurch die Staatsunternehmen einen enormen Schaden erlitten. Insbesondere hatte die sog. Bewertungsproblematik bei der Transformation der chinesischen Staatsunternehmen in moderne Unternehmensformen das Staatsvermögen schwer beeinträchtigt.8 Dies geschah, obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich vorschreibt, dass, wenn das Staatsunternehmen selbst oder zusammen mit anderen Rechtspersonen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, es vor der Umwandlung erforderlich ist, das Vermögen des Staatsunternehmens zu bewerten und dies anschließend bei der Bildung der Aktiengesellschaft als Vermögensanteil einzubringen.9 Aufgrund der fehlenden Transparenz beim Unternehmensbewertungsverfahren und aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bewertung von Grund und Boden sowie 6

Nach herrschender Ansicht wird unter Staatsvermögensverlusten jeglicher von Personen verursachter Staatsvermögensschaden verstanden. Die Maßnahmen zu Staatsvermögensverlusten in der Wirtschaftspraxis sind vielfältig und die schwerwiegendsten staatsvermögensschädigenden Maßnahmen ergaben sich aus der Staatsunternehmensreform seit den 90er Jahren. Siehe Yang, Zhiliang, Zhongguo guoyou yichan xingfa baohu yanjiu, in: Han, Yusheng (Hrsg.), Xingfaxue boshi lunwen jingcui, 2007, S. 353, 359. 7 Yang, Zhiliang, Zhongguo guoyou yichan xingfa baohu yanjiu, in: Han, Yusheng (Hrsg.), Xingfaxue boshi lunwen jingcui, 2007, S. 354, 355. 8 Mao, Zhonghua, Guoqi gaigezhong guoyou zichan liushi de falü shikao, Fazhi yu shehui 2008, S. 128. 9 Yu, Ding, Guoqi gufenzhi gaige guochengzhong de zichan liushi wenti, S. 55.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

des immateriellen Vermögens der Staatsunternehmen10 kam es häufig vor, dass das Verwaltungspersonal der Staatsunternehmen aufgrund seiner persönlichen Interessenlage das Vermögen der Staatsunternehmen enorm unterbewertete und folglich der Staat als Aktionär in der neuen Aktiengesellschaft nur einen verkleinerten Anteil erhielt.11 Als die chinesische Regierung im Jahr 1995 die Reformmaßnahmen mit der Privatisierung von kleinen staatseigenen Betrieben in verbreitetem Umfang begann, hatten sich die Bewertungsprobleme weiter zugespitzt. Es gab sogar Fälle, in denen die Funktionäre das Vermögen der Staatsunternehmen gesetzwidrig überhaupt nicht oder extrem unter dem tatsächlichen Wert bewerteten.12 Die unkontrollierte Privatisierung kleiner Staatsbetriebe auf Kosten des Staats hat sich erst mit der Errichtung der staatlichen Aufsichtsratsbehörde, einem staatlichen Komitee zur Überwachung und Verwaltung des Staatsvermögens,13 im Jahr 2000 verbessert.14 Da bei der Revidierung des chinesischen Strafgesetzbuches im Jahr 1997 eine solche Überwachungsbehörde fehlte, sah der Gesetzgeber die Anwendung von strafrechtlichen Mitteln zur Bekämpfung der vermögensschädigenden Handlungen der Funktionäre der Staatsunternehmen als unentbehrlich an. Darüber hinaus wirkt sich der Einsatz strafrechtlicher Mittel gegen das treuwidrige Verhalten der staatseigenen Unternehmen nicht nur positiv auf den Schutz des Staatsvermögens, sondern auch mittelbar auf das friedliche Miteinander in der Gesellschaft aus. Da die Staatsunternehmen in China als Gesamtheit auch für alle sozialen Belange der Beschäftigten wie Wohnung, Schulen, Krankenhäuser und soziale Absicherung verantwortlich sind, könnten durch die enormen Staatsvermögensverluste bei der Staatsunternehmensreform und den damit verbundenen massiven Entlassungen von Beschäftigten soziale Unruhen die Folge sein. (2) Wirtschaftspraxis nach 1997 Auch wenn der Gesetzgeber den bevorzugten strafrechtlichen Schutz der staatseigenen Unternehmen im CStGB aus dem Jahr 1997 unter Berücksichtigung der sozialen und politischen Bedeutung der staatseigenen Unternehmen im damaligen China noch rechtfertigen konnte, erscheint die Sonderstellung der staatseigenen Gesellschaften im heutigen Strafrecht doch sehr fragwürdig.

10

Yu, Ding, Guoqi gufenzhi gaige guochengzhong de zichan liushi wenti, S. 55. Xu, Weimin, Shilun guoqi gufenzhi gaige guochengzhong de zichan liushi wenti, Shengji yu lichai, 2009, S. 51. 12 Hou, Xiaoguo/Gao, Wenyong, Guoqi gaige 30nian luxiantu, Zhongguo jingji baogao vom 03. 11. 2008. 13 Im Jahr 2003 wurde es in das Komitee zur Überwachung und Kontrolle von Staatseigentum umbenannt. Eine seiner Aufgaben ist es, das Management der Staatsunternehmen zu überwachen. 14 Hou, Xiaoguo/Gao, Wenyong, Guoqi gaige 30nian luxiantu, Zhongguo jingji baogao vom 03. 11. 2008. 11

II. Reformbedürftigkeit

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Mit der Vertiefung der Staatsunternehmensreform, durch die die Regierung seit 1997 in großem Umfang die Umwandlung von mittleren und großen Staatsunternehmen in GmbHs und Aktiengesellschaften durchführte, hat sich die Anzahl von Staatsunternehmen dramatisch verkleinert und zugleich die der Unternehmen mit pluralisierten Anteilsstrukturen (staatlichen, kollektiven, privaten, ausländischen Anteilen) entsprechend vermehrt. Nach den statistischen Angaben sind bis zum Jahr 2006 über 80 % der kleinen oder mittelständischen sowie 64,2 % der großen (im Jahr 2002 lag die Anzahl noch bei 30,4 %) staatseigenen Unternehmen in moderne Gesellschaftsformen mit verschiedenen Aktionären umgewandelt worden. Die Anzahl der Gesellschaften, in denen der Staat noch alleiniger oder herrschender Aktionär ist, sank von 65 000 im Jahr 2002 auf 25 000 im Jahr 2006.15 In der kommenden Zeit wird die Anzahl der staatseigenen Unternehmen weiter sinken. Der Staat möchte letztlich nur in 30 bis 50 Großkonzernen aus dem Bereich der Staatssicherheit und bei den Lebensadern der Volkswirtschaft seine Monopolstellung beibehalten. Dies bedeutet wiederum, dass der Staat anstrebt, seine Anteile an den ehemaligen Staatsunternehmen künftig auf Dritte zu übertragen.16 Mit der steigenden Anzahl nicht staatseigener Unternehmen nimmt auch deren wirtschaftliche Bedeutung entsprechend zu. Nach offiziellen Angaben kamen im Jahr 2000 ungefähr 30 % der staatlichen Einnahmen aus nicht öffentlichen Unternehmen.17 Im Jahr 2003 betrug das chinesische Bruttoinlandsprodukt 110 Mrd. Rmb, über 30 % (40 Mrd. Rmb) davon entfielen auf nicht öffentliche – weder staatseigene noch kollektive – Unternehmen. Die Beschäftigungszahl betrug im Jahr 2000 landesweit ca. 744 Millionen, fast die Hälfte davon (313 Millionen) sind außerhalb von staatseigenen und kollektiven Unternehmen beschäftigt.18 Aufgrund der steigenden Anzahl von nicht staatseigenen Unternehmen (Gesellschaften) nehmen in der Wirtschaftspraxis auch die Fälle zu, in denen das Verwaltungspersonal, wie z. B. die Organmitglieder einer Aktiengesellschaft mit gemischten Anteilsformen, das Vermögen der Unternehmen durch ihre pflichtwidrigen Handlungen absichtlich beeinträchtigt. Der unverantwortliche Umgang mit dem Unternehmensvermögen durch das Verwaltungspersonal der Unternehmen und seine gesellschaftliche Auswirkung ist in den letzten Jahren vor allem im Bereich der (börsennotierten) Aktiengesellschaften erkennbar. Typische Beispiele sind die

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Hu, Chi, Guoqi gaige- jianjin shi daolu fansi, Zhongguo jingji shibao vom 08. 09. 2008. Siehe unter: http://news.xinhuanet.com/fortune/2007-01/06/content_5571439.htm. 17 Sun, Changjun/Gao, Wenting, Si lun siyoujingji xingfa baohu xianzhuang yu wanshan, in: Zhongguo xingfaxue nianhui wenji 2003, S. 827. Einige chinesische Autoren sprechen sogar davon, dass über 50 % der staatlichen Einnahmen in einigen chinesischen Provinzen aus nicht öffentlichen Unternehmen stammen. Chen, Weibin, Lun woguo fei gongyouzhi jingji de gaosu fazhan, Shehui kexuejia 2002, S. 70. 18 Die staatseigenen Unternehmen haben ca. 68 Mio. Beschäftigte und in den kollektiveigenen Unternehmen wurden ca. 10 Mio. beschäftigt. In: Zhongguo feigongyouzhi jingji fazhan qianyan yanjiu, 2003, S. 14. 16

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

unangemessene Höhe der Vergütung der Organmitglieder und das Betreiben von Spekulationsgeschäften mit Gesellschaftsvermögen.19 Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der börsennotierten Aktiengesellschaften für die gesunde Entwicklung der chinesischen Wirtschaft wurde im Jahr 2006 die Strafbarkeit der Organmitglieder einer börsennotierten Aktiengesellschaft wegen ihres treupflichtwidrigen Verhaltens zulasten der Gesellschaft vom chinesischen Gesetzgeber normiert. Abgesehen von der Problematik der Tatbestandsmerkmale des neu geschaffenen § 169 Abs. 2 CStGB ist hier zu erwähnen, dass die Aufnahme des treupflichtwidrigen Verhaltens zulasten der börsennotierten Aktiengesellschaften als strafbare Handlung im chinesischen Strafrecht zwar ein positiver Schritt, aber nicht ausreichend ist, um das Vermögen der nicht staatseigenen Unternehmen (Gesellschaften) vor Eingriffen durch ihre Verwaltungspersonen zu schützen. Als Beispiel hierfür soll die Aktiengesellschaft dienen. Im Jahr 2006 existierten in China insgesamt 17.427 Aktiengesellschaften, darunter waren jedoch nur 1.383 börsennotierte Aktiengesellschaften (dies entspricht einem Anteil von 8 %).20 Dies bedeutet, dass der treupflichtwidrige, unverantwortliche Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen in nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (entspricht einem Anteil von 92 % der gesamten Aktiengesellschaften in China) straflos bleibt, weil die Anwendbarkeit der §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB sich ausschließlich auf die staatseigenen Unternehmen – in diesem Fall auf die staatseigenen Aktiengesellschaften21 – bezieht und § 169 Abs. 2 CStGB nur für die börsennotierten Aktiengesellschaften gilt. Einige chinesische Rechtswissenschaftler beschreiben diese Situation wie folgt: „In China befindet sich das Vermögen der Aktiengesellschaft seit langer Zeit in einem strafrechtlich schutzlosen Zustand.“22 Es herrscht zur Zeit ein widersprüchlicher Zustand in der chinesischen Rechtspraxis: auf der einen Seite erhalten die meisten Gesellschaften keinen strafrechtlichen Schutz vor dem treuwidrigen Verhalten ihrer Organmitglieder, auf der anderen Seite finden die ausdrücklich geregelten Strafnormen wie §§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs. 1 CStGB in der Rechtspraxis kaum noch Anwendung.23 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass mit der Wirtschaftsentwicklung seit dem Jahr 1997 ein Großteil der staatseigenen Unternehmen in Gesellschaften mit gemischten Eigentumsformen umgewandelt wurde. Daraus ergibt sich eine neue Forderung an den Gesetzgeber des chinesischen Strafgesetzbuchs, auch dem Vermögen 19 Diese Thematik ist im Kapitel C. III 3. b) bb) (2) bezüglich der Entstehungsgeschichte des § 169 Abs. 2 CStG dargestellt. 20 Chinas Statistical Yearbook 2006, S. 505. 21 Die konkrete Anzahl der staatseigenen Aktiengesellschaften bis zum Jahr 2010 konnte leider nicht ermittelt werden. 22 Zhang, Miao/Dong, Xu, Bexin qingfan shangshi gongsi liyi fanzui de bijiaofenxi, in: 2007niandu xingfaxue nianhui, S. 185. 23 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 84.

II. Reformbedürftigkeit

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der nicht staatseigenen Gesellschaft einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz zu verleihen. Leider ist der chinesische Gesetzgeber dieser Forderung bis heute nur in sehr beschränktem Umfang – Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB – nachgekommen. Die in der Planwirtschaft traditionell angewandte Unternehmenseinteilung nach der Eigentumsform wird immer mehr von der modernen Unternehmenseinteilung nach der Organisationsform ersetzt. Der chinesische Gesetzgeber muss erkennen, dass das sich stark an die frühere Planwirtschaft anlehnende geltende Strafgesetzbuch sich an die Realität anpassen sollte, wie beispielsweise die bisherige differenzierte strafrechtliche Behandlung zwischen staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen schrittweise aufzuheben ist. Der Schutz des Gesellschaftsvermögens mit strafrechtlichen Mitteln sollte im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch hauptsächlich an der Klassifizierung der Unternehmen nach deren Organisationsform anknüpfen. Die Unternehmenseinteilung nach dem Eigentümer sollte nur im Bedarfsfall24 die vorrangig maßgebliche Einteilung ergänzen. Die folgende Untersuchung wird einen Schritt über die empirische Untersuchung hinausgehen und versuchen, die Problematik des unzureichenden strafrechtlichen Schutzes der nicht staatseigenen Gesellschaft im Hinblick auf die Verfassungsänderung seit dem Jahr 1997 näher zu beleuchten. cc) Die Reformnotwendigkeit unter Berücksichtigung der chinesischen Verfassungsänderungen Gemäß § 3 des geltenden chinesischen Gesetzgebungsgesetzes (lifa fa)25 muss sich die Gesetzgebung in China nach den Grundsätzen der Verfassung richten. Die Gesetze und Verordnungen dürfen nicht mit der Verfassung im Widerspruch stehen 24 Obwohl die Anzahl der staatseigenen Unternehmen (Gesellschaften) im Laufe der Staatsunternehmensreform dramatisch gesunken ist, existieren in China nach wie vor staatseigene Unternehmen (Gesellschaften). Eine ausschließliche Orientierung an der Organisationsform ist im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch nicht akzeptabel, weil es sich hier um die in der chinesischen Verfassung verliehene Sonderstellung der staatseigenen Unternehmen handelt. Obwohl in letzter Zeit die Stimmen, die unter Berücksichtigung der Verfassungsänderungen seit dem Jahr 1997 nach der Abschaffung der vorrangigen Stellung der staatseigenen Unternehmen rufen, immer lauter geworden sind, ist die Diskussion bei weitem noch nicht beendet. In der Rechtsliteratur herrscht hierzu Uneinigkeit. Aber solange in der chinesischen Verfassung nicht ausdrücklich die Gleichstellung der staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen vorgesehen wird, kann dem staatseigenen Unternehmen ggf. ein erhöhter Schutz im Strafrecht gegenüber den nicht staatseigenen Unternehmen eingeräumt werden. Zu beachten ist hier, dass der erhöhte strafrechtliche Schutz der staatseigenen Unternehmen nicht bedeutet, dass deswegen kein strafrechtlicher Schutz der nicht staatseigenen Unternehmen wie in den §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB eingeräumt werden soll. Diese Thematik wird ausführlich in der folgenden Untersuchung bezüglich der chinesischen Verfassungsänderung seit dem Jahr 1997 behandelt. 25 Das geltende Gesetzgebungsgesetz Chinas wurde am 15. März 2000 auf der 3. Sitzung des 9. NVK verabschiedet. Die deutsche Übersetzung steht unter: http://lehrstuhl.jura.unigoettingen.de/chinarecht/000315b.htm zur Verfügung.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

(§ 78 des Gesetzgebungsgesetzes). In der Präambel der geltenden chinesischen Verfassung wird die Verfassung als das Grundgesetz Chinas bezeichnet und ihre höchste Geltungswirkung anerkannt.26 Die Überlegung bezüglich der verfassungsbezogenen Prüfung geht davon aus, dass die Verfassung in China die höchste Geltungswirkung hat und die anderen Rechtsordnungen sich an der Verfassung ausrichten und neue verfassungsrechtliche Änderungen ebenfalls widerspiegeln sollen. Der Begriff des staatseigenen Unternehmens wird ausschließlich in Art. 16 der chinesischen Verfassung27 bezüglich der Autonomie der staatseigenen Unternehmen erwähnt. Allerdings ist dieser Verfassungsartikel für die vorliegende Untersuchung irrelevant. Relevant ist jedoch der Verfassungsartikel bezüglich des chinesischen Wirtschaftssystems und des rechtlichen Schutzes des Eigentums. Innerhalb der chinesischen Wirtschaftssektoren wird verfassungsrechtlich zwischen den Wirtschaftssektoren, die sich auf das Gemeineigentum (Volkseigentum – auch Staatseigentum und Kollektiveigentum genannt –) beziehen28 und den Wirtschaftssektoren, die nicht auf dem Gemeineigentum basieren29, unterschieden. Die staatseigenen Unternehmen gehören zu den ersten Wirtschaftssektoren und die nicht staatseigenen Unternehmen (außerhalb der kollektiven Unternehmen) zu den zweiten Wirtschaftssektoren. Im Laufe der Zeit wurde die verfassungsrechtliche Stellung der nicht auf dem Gemeineigentum beruhenden Wirtschaftssektoren immer wieder verbessert, wobei ihre wesentliche Aufwertung erst seit dem Jahr 1997 stattfand. Neben dem Wirtschaftssystem ist die verfassungsrechtliche Änderung bezüglich des Privateigentums auch für die vorliegende Arbeit von großer Bedeutung. Durch die Verfassungsänderung im Jahr 2004 wird verfassungsrechtlich ausdrücklich geregelt, dass dem Privateigentum rechtlicher Schutz eingeräumt wird (Artikel 13). Hieraus ergibt sich auch eine Notwendigkeit der Anpassung des geltenden chinesischen Strafgesetzbuches. Im Laufe der Wirtschaftsreform wurde die aus dem Jahr 1982 stammende Verfassung Chinas viermal geändert, in den Jahren 1988, 1993, 1999 und 2004. Die Anlässe für die verfassungsrechtlichen Änderungen waren, dass einige Artikel in der chinesischen Verfassung, die ursprünglich in den Anfangsphasen der Wirtschaftsreform erlassen wurden, nicht mehr der Realität entsprachen.30 In der folgenden Untersuchung 26 Die oberste Rechtskraft der Verfassung wird auch in Artikel 5 der chinesischen Verfassung geregelt. 27 In Art. 16 der geltenden chinesischen Verfassung wird geregelt, dass das staatseigene Unternehmen das Recht hat, innerhalb des gesetzlich eingeräumten Umfangs das Unternehmen selbständig zu betreiben und zu führen (Art. 16). Das staatseigene Unternehmen soll nach dem Gesetz vor allem in Form der Versammlung der Angestelltenvertreter das Unternehmen demokratisch verwalten (Art. 16 Abs. 2). 28 Art. 6 der geltenden chinesischen Verfassung. 29 Art. 11 der geltenden chinesischen Verfassung. 30 In einer öffentlichen Rede von Jiang, Zemin im Jahr 1999, der von 1993 – 2003 Staatspräsident der Volksrepublik China und von 1989 – 2002 Generalsekretär der kommunistischen Partei Chinas war, hatte er betont, dass es notwendig ist, einige Inhalte in der chinesischen Verfassung, die mit der Realität im Widerspruch stehen, wegen des Bedürfnisses zur politi-

II. Reformbedürftigkeit

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werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen zur Zeit der Gesetzgebung des geltenden chinesischen Strafgesetzbuches im Jahr 1997 und die einschlägigen verfassungsrechtlichen Änderungen in den Folgejahre 1997 dargestellt, um die Notwendigkeit zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der nicht staatseigenen Gesellschaften vor treuwidrigem Verhalten ihrer Organmitglieder zu verdeutlichen. (1) Verfassungsrechtliche Grundlagen für den privilegierten strafrechtlichen Schutz des staatseigenen Unternehmens im CStGB 1997 Vor Erlass des geltenden chinesischen Strafgesetzbuches im Jahr 1997 wurde die aus dem Jahr 1982 stammende Verfassung Chinas im Jahr 1988 und 1993 zweimal revidiert. Bei den substantiellen Änderungen bezüglich des Status der nicht staatseigenen Unternehmen handelt es sich vor allem um die folgenden Verfassungszusätze. Während in Art. 11 der Verfassung von 1982 die Individualwirtschaft schlicht zugelassen wurde, wurden die nicht auf dem Gemeineigentum beruhenden Wirtschaftssektoren31 im Jahr 1988 durch die entsprechenden Änderungen des Art. 11 als Ergänzung der sozialistischen Wirtschaft anerkannt. Bei der Verfassungsänderung im Jahr 1993 wurde die in Art. 15 der Verfassung von 1982 geregelte Planwirtschaft als das grundsätzliche Volkswirtschaftssystem Chinas durch die Etablierung der sozialistischen Marktwirtschaft ersetzt. Die Verfassungsänderungen in den Jahren 1988 und 1993 zeigen, dass im Laufe der Reform die nicht auf dem Gemeineigentum basierten Unternehmen wie Privatunternehmen oder GmbHs und Aktiengesellschaften mit gemischten Anteilseignern an Bedeutung in der Volkswirtschaft gewonnen hatten. Trotz ihrer zunehmenden Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung in China haben die nicht auf dem Gemeineigentum basierten Unternehmen im Vergleich zu den staatseigenen Unternehmen aber lediglich mit ihrer ergänzenden Funktion eine nachrangige Stelle. Bei der Modifizierung des Strafgesetzbuches im Jahr 1997 wurden die oben aufgeführten Verfassungsänderungen der Jahre 1988 und 1993 berücksichtigt. Zum Beispiel wurden die aus der zentralen Planwirtschaft stammenden Strafvorschriften, beispielsweise Spekulationsdelikte, in denen das Betreiben von Privatwirtschaft als Straftat sanktioniert wurde,32 abgeschafft. schen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu ändern. Yu Peilin, Jingji tizhi gaige yu zhongguo xianxing xianfa de sici xiugai, Dalian haishidaxue xuebao 2008, S. 3. 31 Z. B. die Individualwirtschaft und Privatwirtschaft. Auf der Grundlage der Individualwirtschaft (geti jingji) und Privatwirtschaft (siying jingji) werden die Unternehmen den Einzelunternehmen (Geti gongshanghu) und den Privatunternehmen (siyingqiye) zugeordnet. Zu den Unterschieden zwischen beiden siehe Heuser, Einführung in die chinesische Rechtskultur, S. 385; mehr dazu: Hebel, Chinesische Staatsbetriebe zwischen Plan und Markt, S. 62. 32 Die Spekulation wurde in § 117 CStGB 1979 geregelt und hatte einen starken planwirtschaftlichen Charakter. Bei der Spekulation handelte es sich um einen gegen die Verwaltungs- oder Gesellschaftsordnung verstoßenden Ankauf oder Weiterverkauf von Waren und anderen Gegenständen zum Zwecke der Gewinnerzielung. Dies war eine große Hemmung zur

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

In Anlehnung an die im Jahr 1988 durch die chinesischen Verfassungsänderungen anerkannte Ergänzungsfunktion der nicht auf dem Gemeineigentum für die chinesische Volkswirtschaft beruhenden Wirtschaftssektoren hatte der Gesetzgeber des CStGB 1997 Strafnormen geschaffen, welche überwiegend oder ausschließlich am Schutz der staatseigenen Unternehmen ausgerichtet waren33, zum Beispiel die Beschränkung der Anwendbarkeit der §§ 165, 166, 167, 168, 169 Abs. 1 CStGB34 auf ausschließlich staatseigene Unternehmen. (2) Verfassungsänderungen seit dem Jahr 1997 Bezüglich der Wirtschaftsänderungen seit dem Jahr 1997 wurde bereits zuvor erwähnt, dass sich die nicht staatseigenen Unternehmen seit Ende der 90er Jahre aufgrund der Vertiefung der Staatsunternehmensreform mit einem rasanten Tempo entwickelten. Auf Grund der markanten Bedeutung der nicht staatseigenen Unternehmen für die chinesische Volkswirtschaft, wie Privatunternehmen oder Gesellschaften mit gemischten Eigentumsformen, wurde ihre verfassungsrechtliche Stellung durch die Verfassungsänderungen in den Jahren 1999 und 2004 entsprechend verbessert. (a) Verfassungsänderungen im Jahr 1999 Im Jahr 1999 wurde Art. 6 der chinesischen Verfassung wie folgt geändert: Zunächst wurde hinzugefügt, der Charakter des heutigen Chinas sei „im Anfangsstadium des Sozialismus“. Entsprechend wurde diesen Artikel auch ergänzt, dass neben dem als die Grundlage des sozialistischen Wirtschaftssystems Chinas bezeichneten Gemeineigentum auch noch weitere Wirtschaftssektoren mit verschiedenen Eigentumsformen existieren. Hierdurch wurde die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Privatunternehmen, Unternehmen mit Anteilssystemen, wie z. B. die Aktiengesellschaft, betont und ihre künftige Entwicklung auch durch eine verfassungsrechtliche Grundlage gewährleistet. Die im Jahr 1988 in Art. 11 der Verfassung Chinas festgelegte Ergänzungsfunktion der nicht-staatlichen und kollektiven Wirtschaft gegenüber der sozialistischen Gemeineigentumswirtschaft wurde im Jahr 1999 geändert, in dem die nicht-staatlichen und kollektiven Wirtschaftssektoren nun als „wichtige Bestandteile der sozialistischen Marktwirtschaft“ anerkannt werden und „der Staat die gesetzmäßigen Rechte und Interessen der Individual- und Privatwirtschaft oder sonstiger nicht auf dem Gemeineigentum beruhender Wirtschaftssektoren“ schützt. Diese verfassungsEntwicklung von Privatunternehmen. Sun, Changjun/Gao, Wenting, Shilun siyou jingji xingfa baohu xianzhuang yu wanshan, in: Zhongguo xingfaxuehui wenji 2003, S. 822; mehr zur Spekulation im chinesischen Strafgesetzbuch 1979 siehe: Herrenkirchen, Das Strafrecht der VR China unter besonderer Berücksichtigung des sowjetischen Strafrechts, S. 132 – 133. 33 Zhang, Jun, Fei gongyouzhi jingji xingfa baohu de fenxi he fansi, in: Zhao, Bingzhi (Hrsg.), Hexie shehui yu zhongguo xiandai xingfa jianshe, 2007, S. 395, 396. 34 Die gegen das Gesellschaftsgesetz verstoßenden Straftaten wurden zunächst in den im Jahr 1995 erlassenen Beschluss betreffend die Bestrafung von Straftaten bei Verstoß gegen das Gesellschaftsgesetz geregelt und später im CStGB 1997 übernommen. Siehe C. III. 2.

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rechtliche Änderung zeigt deutlich die offizielle Aufwertung des Status der nicht staatseigenen Unternehmen. In Art. 11 der Verfassung von 1988 wurde nur geregelt, „der Staat schützt die gesetzmäßigen Rechte und Interessen der Privatwirtschaft“. Im Vergleich zur Verfassungsänderung 1999 wird der rechtliche Schutzumfang der nicht auf dem Gemeineigentum beruhenden Wirtschaftssektoren erheblich erweitert. Zum ersten Mal wird ein rechtlicher Schutz der gesamten nicht staatlichen und kollektiven Wirtschaft verfassungsrechtlich garantiert. Diese verfassungsrechtliche Anerkennung der wichtigen Bedeutung von Unternehmen, die nicht auf Staats- und Kollektiveigentum basieren, wird in der chinesischen Literatur sehr begrüßt.35 (b) Verfassungsänderung im Jahr 2004 Die bisher markanteste Verfassungsänderung bezüglich der Besserstellung von nicht staatseigenen Unternehmen ist die Verankerung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Privateigentums in Art. 13 der Verfassung aus dem Jahr 2004. Er lautet: „Das legale Privateigentum der Bürger darf nicht verletzt werden. Der Staat schützt gemäß den gesetzlichen Bestimmungen das Recht der Bürger auf Privateigentum und die Erbschaft. Der Staat kann, wenn öffentliche Interessen es fordern, in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen das Privateigentum der Bürger einziehen oder zur Nutzung beanspruchen und leistet eine Entschädigung“.36 Darüber hinaus werden gemäß der Verfassungsänderung des Art. 13 im Jahr 2004 die nicht auf Gemeineigentum beruhenden Wirtschaftsformen vom Staat „ermuntert“ und „unterstützt“.37 Im Vergleich dazu schützt der im Jahr 1999 geänderte Art. 11 der Verfassung Chinas lediglich die gesetzmäßigen Rechte und Interessen der Individual- und Privatwirtschaft. (c) Auswirkungen auf den strafrechtlichen Schutz des Gesellschaftsvermögens vor treuwidrigem Verhalten der Organmitglieder (aa) Reformbedürfnis zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von nicht staatseigenen Gesellschaften In der chinesischen Literatur ist anerkannt, dass sich durch die oben aufgezeigten Verfassungsänderungen in den Jahren 1999 und 2004 die Stellung der nicht öffentli-

35 Teng, Hongqing/Li, Jianbo, Jingji lixian yu zhongguo feigongyouzhi jingji fazhan, Hebei faxue 2005, S. 109; Wei, Dingren, Xiuxian yu wuguo feigongyou jingji de fazhan, Shanggai caijing daxuexuebao 2004, S. 61. 36 Art. 13 der chinesischen Verfassung von 2004. Deutsche Übersetzung siehe: SchulteKulkmann/Shih/Heilmann, Änderungen der Verfassung der Volksrepublik China (2004): Übersetzung und Kommentar, in: China Analysis Nr. 32. (unter: http://www.chinapolitik.de/ studien/china_analysis/abstracts/no_32_kurz.pdf). 37 Darüber hinaus lässt sich die erneute Aufwertung der Privatwirtschaft auch durch die Verfassungsänderung des Art. 11 eindeutig sehen.

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chen Unternehmen wesentlich verbessert hat und andere Gesetze sich entsprechend an die neuen verfassungsrechtlichen Änderungen anpassen müssen.38 Bezüglich der Strafbarkeit aufgrund von vermögensschädigenden treuwidrigen Handlungen von Organmitgliedern einer Aktiengesellschaft stellt sich in der vorliegenden Arbeit nun die Frage, ob die strafrechtliche Behandlung der nicht staatseigenen Unternehmen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch im Einklang mit der verfassungsrechtlichen neuen Tendenz zur Aufwertung der rechtlichen Stellung der nicht staatlichen Wirtschaftsformen steht. Im Fall der §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB ist dies zu verneinen. Da sich die Anwendbarkeit der hier genannten Strafnormen ausschließlich auf staatseigene Unternehmen (Gesellschaften) bezieht, ist klar zu erkennen, dass das Vermögen von nicht staatseigenen Unternehmen überhaupt nicht durch strafbewehrte Normen vor Eingriffen seines Verwaltungspersonals geschützt wird. Der schutzlose Zustand der nicht staatseigenen Unternehmen entspricht in diesem Fall insbesondere nicht dem im Jahr 1999 durch Verfassungsartikel 13 eingefügten rechtlichen Schutz für die nicht auf Gemeineigentum beruhenden Unternehmen. Mit dem fehlenden strafrechtlichen Schutz der nicht staatseigenen Unternehmen läuft auch die im gleichen Artikel ausdrücklich genannte Ermutigung und Unterstützung der nicht staatlichen und kollektiven Unternehmen ins Leere. Aus diesem Grund ist eine Strafrechtsreform zur Verbesserung des strafrechtlichen Vermögensschutzes wegen treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer nicht staatseigenen Unternehmen (Gesellschaft) zulasten der Gesellschaft unvermeidbar. (bb) Sonderproblem – Diskussion zum verfassungsrechtlich gleichen Schutz der staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaft Bis hierhin wurde die Reformnotwendigkeit der geltenden Strafnormen bezüglich des treuwidrigen Verhaltens zulasten der nicht staatseigenen Unternehmen hinsichtlich der Verfassungsänderung seit dem Jahr 1997 unter Beweis gestellt. Eine unbeantwortete Frage ist jedoch, wie konkret die künftige Reform aussehen soll. Sollen die staatseigenen Unternehmen und die nicht staatseigenen Unternehmen im künftigen Strafrecht gleich geschützt werden oder soll den staatseigenen gegenüber den nicht staatlichen Unternehmen ein erhöhter strafrechtlicher Schutz zukommen? Die hier gestellten Fragen knüpfen an die heftigen Diskussionen in der chinesischen Literatur an, welche wegen ihres Umfangs und deren Auswirkungen von einigen Rechtsgelehrten sogar als eines der drei großen ideologischen Streitthemen seit der chinesischen Wirtschaftsreform39 und als ein Kampf zwischen dem Liberalismus und „Neolinkskräften“40 bezeichnet werden. 38 Wei, Dingren, Xiuxian yu wuguo fei gongyou jingji de fazhan, Shanggai caijing daxuexuebao 2004, S. 61. 39 Die anderen beiden ideologischen Streitpunkte sind 1. die nach der Kulturrevolution Ende der 70er Jahre stattgefundenen Diskussionen zur Frage, was die maßgeblichen Kriterien für die Prüfung der Wahrheit sind. Hinter dieser Diskussion steht die politische Auseinander-

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Der Streit behandelt im Kernpunkt die Frage, ob mit der in der letzten Zeit verfassungsrechtlich erfolgten Aufwertung der nicht öffentlichen Wirtschaftsformen das Staatseigentum staatseigener Unternehmen und das Vermögen nicht staatlicher Unternehmen nun rechtlich gleichwertigen Schutz erfahren sollen. In Bezug auf Unternehmen wird oft diskutiert, ob die Privilegierung des staatseigenen Unternehmens aus verfassungsrechtlichen Gründen abgeschafft werden soll. Eine kurze Skizzierung der Auseinandersetzung im chinesischen Schrifttum ist hier deshalb notwendig, weil angesichts des höchsten Rangs der chinesischen Verfassung es in der künftigen Gesetzgebung im Strafrecht zu unterlassen ist, den Schutz an der Eigentumsform der Unternehmen anzuknüpfen, wenn tatsächlich – wie die Vertreter der Abschaffung der vorrangigen Stellung des Staatseigentums behaupten – aus der Verfassungsänderung ein gewollter gleichwertiger Schutz von staatseigenen und nicht staatlichen Unternehmen herauszulesen ist. (a) Auseinandersetzung bezüglich der Abschaffung des unterschiedlichen gesetzlichen Schutzes staatseigener und nicht staatseigner Unternehmen im chinesischen Schrifttum Die meisten Unternehmer und ein großer Teil der chinesischen Rechtswissenschaftler vertreten die Ansicht, dass die Ungleichheit zwischen öffentlichem Eigentum und nicht öffentlichem Eigentum in allen chinesischen Gesetzen abgeschafft werden sollte. Durch die oben dargestellten Verfassungsänderungen in den Jahren 1999 und 2004 bezüglich des Eigentums- und Wirtschaftssystems Chinas wurde den öffentlichen und nicht öffentlichen Wirtschaftssektoren nun die gleiche Rechtssetzung, ob China weiter auf dem radikalen Linkskurs bleiben soll oder nicht. Letztlich ist die reformierte Gruppe, deren Vertreter Deng, Xiaoping ist, an die Macht gekommen und hat ihre Ansicht durchgesetzt, welche die ideologische Hemmung für die Wirtschaftsreform China beseitigte. Im Laufe der Wirtschaftsreform tauchte Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre wieder eine landesweite 2. Diskussion auf, wobei diese von der Zulässigkeit der Errichtung der Marktwirtschaft handelte. Die konservative Gruppe hielt ihre Ansicht aufrecht, dass die Markwirtschaft und auch die Aktiengesellschaft nur in den kapitalistischen Ländern existieren sollten. Folglich steht diese im Widerspruch zum sozialistischen Charakter Chinas. Diese Diskussion wurde im Jahr 1992 mit einer offiziellen Rede von Deng, Xiaopings beendet. Als Befürworter der Wirtschaftsreform sagte er, die Markwirtschaft sei nicht das Patent des Kapitalismus, da der Sozialismus auch Marktelemente habe. Das Wesen des Sozialismus sei es, die Produktivität zu befreien, zu fördern und die Ausbeutung sowie die Kluft zwischen Arm und Reich zu beseitigen, um schließlich das Gemeinwohl zu erreichen. In Anlehnung an seine Rede wurde im Jahr 1997 die Errichtung der Marktwirtschaft und eine verbreitete Reform des Staatsunternehmens in moderne Gesellschaftsformen von der KPC beschlossen. Mehr dazu: Fu, Zhongxian/Yi, Jiangying; Gaige kaifang 30nian: Woguo sanci sixiang dajiefang de bibiao yanjiu, Sichuan wenlixueyuan xuebao (Shehuikexue) 2009, S. 9 – 11; Gao, Lunyuan, Gaige kaifang 30nian sanci sixiang jiaofeng de huigu yu qishi, Sichuan shifan daxue xuebao (shehui kexueban) 2008, S. 5 – 7. 40 Mehr über die Entstehungsgeschichte des Liberalismus und die neoliberalen Kräfte und deren Diskussion siehe: Xu, Youyu, Dangdai zhongguo shehui sixiang: Ziyou zhuyi he xinzoupai, Shehui kexuelun 2006, S. 101 – 105.

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stellung eingeräumt41 und folglich sollen das Staatseigentum, Kollektiveigentum und Privateigentum ohne Differenzierung rechtlich gleich geschützt werden.42 Im chinesischen strafrechtlichen Schrifttum findet diese Ansicht auch zahlreiche Anhänger, die schwerpunktmäßig den Schutz der staatseigenen gegenüber den nicht staatseigenen Unternehmen im geltenden Strafgesetzbuch als verfassungswidrig und als im Widerspruch mit der Aufwertung des verfassungsrechtlichen Status des nicht öffentlichen Eigentums stehend bezeichnen und dessen Abschaffung fordern.43 Sie argumentieren weiter, dass der differenzierte Schutz nach der Eigentumsform gegen die in der geltenden Verfassung vorgeschriebene „Entwicklung der sozialistischen Marktwirtschaft“44 verstößt, da in der Marktwirtschaft alle Unternehmen als Wettbewerber rechtlich gleich geschützt sind. Einige chinesische Rechtswissenschaftler45 vertreten hingegen nach wie vor die Ansicht, dass der rechtlich gleiche Schutz von Gemeineigentum und nicht öffentlichem Eigentum, wie Privateigentum, nicht dem sozialistischen Charakter Chinas entspreche. Sie argumentieren wie folgt: Die unterschiedlichen Aussagen zum öffentlichen Eigentum und Privateigentum in der geltenden chinesischen Verfassung seien der beste Beweis für den differenzierten rechtlichen Schutz zwischen öffentlichem und privatem Eigentum. Konkret wird im Art. 12 der geltenden chinesischen Verfassung das öffentliche Eigentum nach wie vor ausdrücklich als „heilig und unantastbar“ bezeichnet, während in Art. 13 der Verfassung keine solche Aussage über das Privateigentum gemacht wird, sondern lediglich, dass legales Privateigentum gesetzlichen Schutz genießt. Die unterschiedliche Wortwahl in der Verfassung mache deutlich, dass das öffentliche Eigentum gegenüber dem privaten Eigentum eine höhere verfassungsrechtliche Stellung genieße. Vor diesem Hintergrund sei es verfassungsgemäß, wenn im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch dem Staatseigentum gegenüber dem nicht staatlichen Eigentum in verstärkter Intensität strafrechtlicher Schutz eingeräumt wird.46 Höhepunkt dieser Diskussion ist der Erlass des ersten Sachenrechtsgesetzes Chinas. Im Juli 2005 hatte der Rechtsprofessor Gong, Xiantian einen Brief bezüglich des Entwurfs des Sachenrechts im Internet veröffentlicht und dabei behauptet, dass der bisherige Entwurf des Sachenrechts verfassungswidrig sei. Zur Begründung führte er aus, dass im Entwurf zunächst die in der Verfassung ausdrücklich genannte Hei41

Wei, Dingren, Xiuxian yu wuguo fei gongyou jingji de fazhan, Shanggai caijing daxuexuebao 2004, S. 61. 42 Wang, Liming, Xianfa yu siyou caichan de baohu, Faxue zazhi 2004, S. 10. 43 Sun, Changjun/Gao, Wenting, Shilun siyou jingji xingfa baohu xianzhuang yu wanshan, S. 826, 827; Sun, Changjun/Liu,Qixiang, Lun siyou caichan souyouquan de xingfa baohu, in: Zhongguo xingfa xuenianhui wenji 2003, S. 813. 44 Sun, Changjun/Gao, Wenting, Shilun siyou jingji xingfa baohu xianzhuang yu wanshan, S. 826, 827; Zhang, Jun, Fei gongyouzhi jingji xingfa baohu de fenxi he fansi, S. 407. 45 Vertreter sind Gong, XianTian und Li, Shuguang. 46 Lin, Weixing/Li, Li, Woguo xingfa dui feigongyouzhi jingji qubie baohu de yuanyin tanxi, Zhegfa conglun 2007, S. 35.

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ligkeit und Unantastbarkeit des öffentlichen Eigentums weggefallen sei und darüber hinaus dem Privateigentum neben dem öffentlichen Eigentum gleicher rechtlicher Schutz eingeräumt werde. Neben der breiten Unterstützung durch die Bevölkerung waren auch über tausend hochrangige ehemalige Parteikader und Militäroffiziere auf seiner Seite.47 Die herrschende Meinung in der aktuellen chinesischen Rechtswissenschaft hat ihre Auffassung dennoch erfolgreich durchgesetzt. Es wurde nämlich in § 4 des Sachenrechtsgesetzes, das durch den nationalen Volkskongress („NVK“) der Volksrepublik China am 16. März 2007 erlassen wurde und am 1. Oktober 2007 in Kraft trat, geregelt: „Die Sachenrechte48 von Staat, Kollektiven und Privatpersonen und die Sachenrechte sonstiger Berechtigter werden vom Recht geschützt, keine Einheit und kein Einzelner darf sie verletzen“.49 Mit der Festlegung des gleichen Rechtsschutzes von öffentlichem Eigentum und Privateigentum im Sachenrecht scheint auch die Diskussion um die Verfassungswidrigkeit des gleichen Schutzniveaus für öffentliches und privates Eigentums beendet, sodass folglich die Ungleichheit von Staatsunternehmen und nicht-staatlichen Unternehmen im Strafgesetzbuch aufgehoben werden sollte. Davon sind auch viele chinesische Strafrechtswissenschaftler ausgegangen und haben entsprechend die rechtliche Gleichstellung von öffentlichem und nichtöffentlichem Eigentum im geltenden Strafrecht gefordert.50 Ganz so einfach ist dies aber nicht. Als Leiter des Entwurfsausschusses des chinesischen Sachenrechts hatte der bekannte chinesische Rechtswissenschaftler Jiang, Ping sich über die Gleichheit in § 4 des Sachenrechtsgesetzes geäußert: Da die besondere Stellung des öffentlichen Eigentums bereits in der Verfassung mit den Begriffen der Heiligkeit und Unantastbarkeit umschrieben wurde, sei eine Wiederholung der Heiligkeit und Unantastbarkeit des öffentlichen Eigentums im Sachenrecht nicht nötig. Ferner begründete er das Erfordernis, das Gleichheitsprinzip ins Sachenrecht aufzunehmen damit, dass das Sachenrecht die Vermögensverteilung auf die sozialistische Marktwirtschaft behandelt.51 Das wichtigste Signal der Äußerung von Ping ist letztlich, dass die Aufnahme gleichen Rechtsschutzes für das öffentliche und private Eigentum im Sachenrecht auf 47 Zhou, Jun, Yichang weixian he xingzhixingshe de zhenglun, Jiancha fengyun 2007, S. 8, 9. 48 Die Arten der Sachenrechte umfassen das Eigentumsrecht, den Nießbrauch und die sachenrechtlichen Sicherungsmittel. 49 Eine deutsche Übersetzung zum chinesischen Sachenrecht steht unter folgendem Link zur Verfügung: http://www.unil.ch/webdav/site/cda/users/mlerach/public/sachenrechtsg2007. pdf. 50 Li, Huiying, Qianghua dui siyou caichan de xingshi falübaohu, Xingzheng yu fa 2009, S. 109, 110; Zhang, Jun, Feigongyouzhi jingji xingfabaohu de fenxi yu fansi, S. 402, 403; Zhu, Xiaoping, Pingdeng yuanze xia hunhe suoyouzhi qiye guoyou zichan de xingfa baohu, Zhengfa Conglun 2007, S. 67, 68. 51 Zhou, Jun, Yichang weixian he xingzhixingshe de zhenglun, Jiancha fengyun 2007, S. 8, 9.

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der besonderen Aufgabe und dem Inhalt des Sachenrechts beruhe und die aus der Verfassung hergeleitete allgemeine Gleichheit des Staatseigentums und nicht-staatlichen Eigentums hier nicht betroffen sei. Der verwirrende Zustand bezüglich des gleichwertigen Rechtsschutzes von öffentlichem und nichtöffentlichem Eigentum wird durch die widersprüchlichen offiziellen Äußerungen zuständiger hochrangiger Politiker noch verstärkt. Während der damalige amtierende Leiter des obersten Volksgerichtes Chinas Xiao, Yang52 von der schlüssigen Rolle der gleichen rechtlichen Behandlung aller Marktbeteiligten für die Gerechtigkeit im Justizwesen sprach53, betonte Wu, Bangguo54, dass das grundlegende Element des Wirtschaftssystems des Sozialismus das öffentliche Eigentum an Produktionsmitteln sei, welches sich vom Privateigentum der westlichen Länder wesentlich unterscheide. (b) Bewertung Die heftige und verwirrende Diskussion bezüglich des gleichen Rechtsschutzes der staatseigenen und nicht-staatseigenen Unternehmen wird in China noch eine lange Zeit fortdauern, weil es sich dabei um ein Legitimationsproblem der KPC sowie des erlaubten Umfangs der Staatsunternehmensreform handelt, die sich bis heute als sehr schwer und schmerzhaft darstellt. Wie sich die Diskussion in der kommenden Zeit weiter entwickeln wird, hängt sehr stark von der wirtschaftlichen Entwicklung und den politischen Leitlinien ab. Aufgrund der Komplexität dieser Auseinandersetzung kann und soll es auch nicht Ziel der vorliegenden Arbeit sein, eine endgültige Schlussfolgerung zu ziehen. Hinsichtlich der großen Bedeutung dieser Diskussion für die künftige Gesetzgebung zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der nicht staatseigenen Gesellschaft vor treuwidrigem Verhalten ihrer Organmitglieder ist es dennoch notwendig, Stellung zu beziehen. Zunächst ist die Ansicht zur Abschaffung des unterschiedlichen rechtlichen Schutzes der staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen in Anlehnung an § 4 Sachenrechtsgesetzbuch abzulehnen. Zwar wird in § 4 des Sachenrechtsgesetzbuchs den verschiedenen Eigentumspositionen gleicher Rechtsschutz eingeräumt, kann aber das Schutzniveau aus einem einzelnen Gesetz nicht für alle Rechtsgebiete verallgemeinernd gelten. Die neue Entwicklung im chinesischen Sachenrecht hat lediglich die Aufwertung der nicht-staatlichen Eigentümer durch die chinesische Verfassung bestätigt. Vor allem wegen der in der chinesischen Verfassung ausdrücklich normierten Heiligkeit und Unantastbarkeit des Gemeineigentums ist die Annahme von der Gleichheit der staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen (Gesellschaften) wenig überzeugend. 52

Er war von 1998 bis 2008 Präsident des obersten Volksgerichts in der VR China. Zhou, Wei, Guanyu guoyou zichan xingfa tebie baohu de sibian, Hebei faxue 2002, S. 98. 54 Er ist zurzeit der Vorsitzende des ständigen Ausschusses des NVK. Diese Äußerung wurde auf einer Sitzung am 26. 09. 2005 bezüglich des Sachenrechtsentwurfs getätigt. http:// news.xinhuanet.com/politics/2005-09/26/content_3548205.htm. 53

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Ferner ist, obwohl die Verfassungsänderungen in den Jahren 1999 und 2004 die Stellung der nicht staatseigenen Unternehmen verbesserten, dennoch zu erkennen, dass in der Verfassung den staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen in der Volkswirtschaft unterschiedliches Gewicht zukommt. Während in Art. 7 der geltenden chinesischen Verfassung der Staatswirtschaftssektor, welcher die staatseigenen Unternehmen mit umfasst, als führende Kraft der Volkswirtschaft (zhudao liliang) bezeichnet und seine Festigung und Entwicklung durch den Staat gewährleistet (baozhang) wird, werden die nicht staatlichen und kollektiven Wirtschaftsektoren lediglich als wichtiger Bestandteil (zhongyao zuchengbufen) der Volkswirtschaft definiert, deren gesetzmäßige Rechte und Interessen vom Staat geschützt werden (baohu). Obwohl es wünschenswert ist, den gleichen Schutz für die staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen in der chinesischen Verfassung zu verankern, ist hinsichtlich der geltenden chinesischen Verfassung die differenzierte Rechtsstellung zwischen beiden Unternehmensarten jedoch unverkennbar festgeschrieben. Darüber hinaus ergibt sich der erhöhte strafrechtliche Schutz staatseigener Unternehmen wegen treuwidrigen Verhaltens ihres Verwaltungspersonals nicht nur aus der geltenden Verfassung, sondern auch aus dem Instrumentalcharakter des chinesischen Rechts. Zurzeit soll das Recht in China die Wirtschaftsentwickelung gewährleisten.55 Die ideologische Grundlage des Instrumentalcharakters des Rechts ergibt sich aus dem von Marx entwickelten Konzept, dass der Unterbau, damit sind das Produktionsverhältnis und die Produktivkräfte gemeint, den Überbau – das politische System und die Rechtsordnung – bestimme. Heute werden solche ideologischen Begriffe im chinesischen Alltag kaum noch verwendet, es wird aber das Rechtswesen, insbesondere das Strafrecht, sehr stark von diesem ideologischen Konzept geprägt.56 Hinsichtlich des instrumentalen Charakters des Strafrechts zur Gewährleistung einer gesunden chinesischen Wirtschaft muss man für die Notwendigkeit einer erhöhten Strafandrohung gegen die in staatseigenen Unternehmen ausgeübten vermögensschädigenden Handlungen durch ihr Verwaltungspersonal gegenüber denen an nicht staatseigenen Unternehmen auf die chinesische Wirtschaftspraxis zurückgreifen. Mit Bezug auf die neue Wirtschaftsentwicklung in China seit dem Jahr 1997 wird die Rückständigkeit der Strafnormen, wie die in §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB aufgrund des unzureichenden Schutzes des Vermögens nicht staatseigener Unternehmen, unter Beweis gestellt. Diese Darstellung besagt aber keinesfalls, dass mit der Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von nicht staatseigenen Unternehmen ein verschärfter strafrechtlicher Schutz der staatseigenen Unternehmen ausgeschlossen werden soll. 55 Wu, Bangguo, Vorsitzender des NVK sagte auf der Sitzung am 26. 09. 2005 bezüglich des Sachenrechtsgesetzesentwurfs: Das Gesetz steht im Dienst der Wirtschaft (falü wie jingjijichu fuwu). Auch in der Rechtslehre wird die Instrumentalisierung des Strafrechts anerkannt: Yang, Jianjun, Lun woguo jinxiandai xingfa zhi gongjuxing, Guojia jianchaguan xueyuan xuebao 2008, S. 69. 56 Zum Instrumentalcharakter des chinesischen Strafrechts siehe: Yang, Jianjun, Lunguoguo jinxiandai xingfa zhi gongjuxing, Guojia jianchaguan xueyuan xuebao 2008, S. 69.

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Vielmehr sollte der staatseigene Unternehmer weiterhin einen höheren strafrechtlichen Schutz genießen. Da 80 % der kleinen und mittelständischen Staatsunternehmen bis zum Jahr 2006 bereits in moderne Gesellschaftsformen, vor allem in die Unternehmensform der GmbH umgewandelt wurden, liegt die zukünftige Vertiefung der Staatsunternehmensreform schwerpunktmäßig auf der Transformation der großen Staatsunternehmen, z. B. der staatlichen Banken, der Schwerindustrie etc., welche für die Stabilität der Volkswirtschaft von großer Bedeutung sind.57 Des Weiteren ist es notwendig, einem derart schädigenden Verhalten an staatseigenen Unternehmen mit schärferer Strafandrohung als bei nicht staatseigenen Unternehmen zu begegnen. Im Vergleich zu den nicht staatseigenen Unternehmen hat das staatseigene Unternehmen einen strukturellen Fehler bei der Überwachung seiner Funktionäre. Der Staat als Eigentümer (im Fall der Aktiengesellschaft als Aktionär) kann nicht selbst Rechte ausüben, da der Begriff „Staat“ in dieser Hinsicht nur abstrakt gemeint ist; er muss seine Rechte durch die zuständigen Behörden58 ausüben, welche für die Überwachung der Unternehmensfunktionäre zuständig sind. In der Praxis ist diese Art von Überwachung jedoch sehr ineffizient, weil die Funktionäre und einschlägigen Beamten sich häufig persönlich kennen. Dieses Problem wird oft im Rahmen der „suoyouzhe quewei“ (Abwesenheit des Eigentümers) von der chinesischen Literatur diskutiert.59 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter Berücksichtigung der Fortführung der Staatsunternehmensreform und der strukturell bedingten Überwachungsineffizienz gegenüber dem Verwaltungspersonal der staatseigenen Unternehmen durch den Staat die Notwendigkeit einer verschärften strafrechtlichen Sanktion für das treuwidrige Verhalten der Organmitglieder einer staatseigenen Gesellschaft (Unternehmen) zu bejahen und bei der künftigen Gesetzgebung entsprechend zu berücksichtigen ist. b) Hinsichtlich der empirischen und kasuistischen Technik der Gesetzgebung Bis jetzt wurde die Notwendigkeit eines erhöhten strafrechtlichen Schutzes des Vermögens der nicht staatseigenen Gesellschaft vor Eingriffen ihrer Organmitglieder 57 Die wirtschaftliche Bedeutung der großen staatseigenen Unternehmen lässt sich durch folgendes Bespiel aus der chinesischen Industriestadt Dalian im Jahr 2005 zeigen: Laut eines Nachrichtenberichts sind bis Juni 2005 38 der 66 lokalen staatseigenen Unternehmen Dalians in Gesellschaften umgewandelt worden. Bei den restlichen nicht transformierten 28 großen Staatsunternehmen handelte es sich überwiegend um frühere Industrieunternehmen mit einem Gesamtwert von 50 Mrd. Rmb, welche 20 % der gesamten Vermögenswerte der großen Staatsunternehmen Dalians ausmachen, siehe unter: http://chinaneast.xinhuanet.com/2005-06/ 21/content_4478271.htm; Wang, Runfu, Mianxiang shichang yingjin zhanlüe touzhizhe „dalian zhizhao“ gaizhi yuejin, Lianshen wanbao vom 10. 08. 2005. 58 Xu, Xiaosong, Guoyou qiye zhili falü wenti yanjiu, S. 70. 59 Wu, Jinglian, Jianli youxiao de gongsi zhili jiegou, Tianjin shehui kexue 1996, S. 16 – 18; Wu, Tianbao, Guoyou qiye gaige bijiaofa yanjiu, S. 97.

II. Reformbedürftigkeit

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im geltenden chinesischen Strafrecht behandelt. Nachfolgend wird nun die Reformnotwendigkeit der empirischen und kasuistischen Gesetzgebung im Rahmen der §§ 165 – 169 CStGB untersucht. aa) Empirische Gesetzgebung Bei der Revidierung des chinesischen Strafgesetzbuches im Jahr 1997 kritisierten einige Rechtswissenschaftler60 die traditionelle empirische Gesetzgebung des Strafrechts (jingyan lifa)61, wonach das im Strafgesetzbuch geregelte strafbare Verhalten sich auf die bisherigen in der Praxis entstandenen Erscheinungsformen der das Gemeinschaftsleben schädigenden Handlungen bezieht. Die empirische Gesetzgebung wird durch den Satz gekennzeichnet: „Eine Strafnorm ist nur dann zu schaffen, wenn die von ihr geregelte strafbare Handlung in der Praxis ausgereift entwickelt ist (Chengshu yitiao zhiding yitiao)“.62 Der chinesische Gesetzgeber des Strafrechts versucht den wirklichen Missstand im aktuellen Gesellschaftsleben mit strafrechtlichen Mitteln zu steuern. Die Anhänger der empirischen Gesetzgebung im chinesischen Schrifttum sehen diese Technik der Gesetzgebung zur Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten als sinnvoll an, weil China sich in einer wirtschaftlichen Übergangsphase befindet und der Gesetzgeber noch über keine ausreichenden Erfahrungen und Kenntnisse über die Wirtschaftsdelikte in der Marktwirtschaft verfügt. Ob in diesen Übergangsphasen ein bestimmtes Verhalten für die wirtschaftliche Entwicklung vorteilhaft ist oder nicht, kann nicht immer im Voraus festgestellt werden. Bei der Gesetzgebung des Wirtschaftsstrafrechts sollte der Gesetzgeber sich an den aktuellen Erscheinungsformen der Straftaten in der Praxis ausrichten.63 Die Gegner der empirischen Gesetzgebung des Wirtschaftsstrafrechts, welche als wegweisende Gesetzgebung des Wirtschaftsstrafrechts (jingji xingfa lifa de qianzhanxing)64 bezeichnet wird, sehen zutreffend die traditionelle empirische Gesetzgebung des chinesischen Strafgesetzbuches aufgrund der folgenden zwei Aspekte als nicht akzeptabel an: Zunächst begründet das Strafrecht mit seiner empirischen Gesetzgebung lediglich eine kurzfristige Effektivität zur Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten, da im Laufe 60 Chen, Xingliang, Woguo xingfa lifa zhidao sixiang de fansi, Faxue 1992, S. 67; Chen, Zexian, Xingshi fazhi zhi qiusuo, S. 209, 210; Hu, Chuan, Lifa kexiandao buke chaoqian, Faxue 1991, S. 10; Li, Jianhua, Jingji xingfa lifa yuanjiu, S. 113, 114; Sun, Guoxiang, Chulun zhongguo xingfa de xianzhuang yu gaige, Nanjingdaxue xuebao 1988, S. 63; Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 77 – 84. 61 Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 77. 62 Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 77. 63 Gao, Mingxuan, Zhonghuarenmin gongheguo xingfa de yunyu he dansheng, S. 20, 178. 64 Chen, Zexian, Xingshi fazhi zhi qiusuo, S. 209; In der chinesischen Literatur wird dies auch als „Xiandao lifa“ bezeichnet. Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 82, 83; Hu, Chuan, Lifa kexiandao buke chaoqian, Faxue 1991, S. 10.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

der wirtschaftlichen Entwicklung die festgelegten Strafnormen von den in der Praxis auftauchenden Erscheinungsformen neuer Wirtschaftsdelikte überholt werden. Um sich an die neue Wirtschaftspraxis anzupassen, müssen die überholten Strafnormen modifiziert werden, wobei die Gefahr besteht, dass diese in kurzer Zeit aufgrund der rasanten Änderungen in der Wirtschaft wieder hinfällig werden. Die ständigen Gesetzesänderungen verursachen einerseits einen enormen ökonomischen Aufwand65, andererseits bringt die empirische Gesetzgebung das Problem der Instabilität des Strafrechts mit sich. Zweitens werden sich aus der empirischen Gesetzgebung Lücken bei der Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten ergeben. Da das Hinzufügen neu entstandener Wirtschaftsdelikte im Strafgesetzbuch einige Zeit benötigt, bleiben neue Erscheinungsformen der Wirtschaftsstraftaten, die eigentlich strafwürdig und auch strafbedürftig sind, aufgrund fehlender entsprechender Verbotsnormen straffrei.66 Um die Stabilität des Strafrechts gewährleisten und langfristig die Wirtschaftsdelikte wirksam bekämpfen zu können, vertreten die Anhänger der wegweisenden Gesetzgebung die Ansicht, dass bei der strafrechtlichen Gesetzgebung von Wirtschaftsdelikten nicht nur diejenigen strafwürdigen Handlungen, welche in der bisherigen Wirtschaftspraxis in verbreitetem Umfang entstanden sind, sondern auch jene aufzunehmen sind, welche bisher noch nicht oder nur in kleinem Umfang aufgetaucht sind, welche aber im Laufe der Entwicklung der Marktwirtschaft mit Sicherheit67 aufkommen werden.68 Das Strafgesetzbuch muss sich an der Gegenwart orientieren, zugleich aber auch die zukünftige Entwicklung mit berücksichtigen. Trotz der überzeugenden Argumentation der Gegenansicht in der chinesischen Literatur hatte der Gesetzgeber im modifizierten Strafgesetzbuch von 1997 die empirische Gesetzgebung angewendet. Die Befürchtung der Kritiker gegen diese empirische Gesetzgebung, wie oben dargestellt, wurde im Laufe der Zeit leider dennoch verwirklicht. Die Instabilität des chinesischen Strafrechts lässt sich vor allem durch die häufigen Änderungen des chinesischen Strafgesetzbuches belegen. Innerhalb von zwölf Jahren seit dem Erlass des geltenden Strafgesetzbuches im Jahr 1997 wurde das geltende chi65 Liu, Hua, Xingfa dui jingji shifan xianxiang de pingpan he kangzhi, in: Chen, Xingliang (Hrsg.), Xingshi fa pinglun (5), 1999, S. 375. 66 Liu, Hua, Xingfa dui jingji shifan xianxiang de pingpan he kangzhi, in: Chen, Xingliang (Hrsg.), Xingshi fa pinglun (5), 1999, S. 375. 67 Ein typisches Beispiel ist das Insolvenzdelikt. Als das Strafgesetzbuch Chinas im Jahr 1997 revidiert wurde, hatten viele Rechtswissenschaftler unter Berücksichtigung der ausländischen Rechtspraxis vorgeschlagen, dass das Insolvenzdelikt in das Strafgesetzbuch eingefügt werden sollte. Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag jedoch abgelehnt, mit der Begründung, dass es sich um eine zurzeit in der chinesischen Praxis nur selten aufgetauchte Erscheinungsform der Wirtschaftsdelikte handele und daher noch nicht reif für die Gesetzgebung sei. 68 Chen, Zexian, Xingshi fazhi zhi qiusuo, S. 209, 210; Cheng, Baosu/Feng, Rui (Hrsg.), Shichangjingji yu xingfa wanshan, S. 15.

II. Reformbedürftigkeit

167

nesische Strafgesetzbuch sieben Mal69 modifiziert. Dabei wurden insgesamt 58 Strafnormen geändert. Darunter sind auch zwei Strafnormen bezüglich pflichtwidrigen treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft. § 168 CStGB wurde im Jahr 1999 und § 169 CStGB im Jahr 2006 revidiert. Die ständigen Änderungen des Strafgesetzbuches in der vergangenen Zeit gibt Anlass zu Bedenken, ob sich hierdurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Strafwesen nachteilig auswirkt, da sich die Bevölkerung nicht rechtzeitig über die häufigen Änderungen der Strafnormen informieren kann und damit die strafrechtliche Konsequenz ihrer Handlungen falsch einschätzt.70 Aufgrund der rasanten Entwicklung der Wirtschaftspraxis erwiesen sich eine Reihe von Strafnormen, die im Jahr 1997 ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurden, als veraltet. Typische Beispiele hierfür sind die §§ 165, 166, 167, 169 Abs. 1 CStGB. Als das revidierte Strafgesetzbuch Chinas im Jahr 1997 erlassen wurde, hatte der Gesetzgeber auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt häufig in der Praxis aufgetreten Erscheinungsformen von Wirtschaftsdelikten, die das Vermögen der bis dahin anerkannten Hauptbestandteile der chinesischen Unternehmen – Staatsunternehmen – schwer geschädigt hatten, als Straftaten im Strafgesetzbuch normiert. Allerdings ist anzumerken, dass mit dem Vorantreiben der Staatsunternehmensreform seit dem Jahr 1997, wobei der überwiegende Teil der staatseigenen Unternehmen in Gesellschaften mit gemischten Anteilseignern transformiert wurde, die oben genannten Strafnormen ihre Bedeutung in der Praxis erheblich verloren haben. Die §§ 165, 166, 169 Abs. 1 CStGB finden in der Rechtspraxis kaum noch Anwendung.71 Die §§ 167, 168 werden in der Praxis zwar noch angewendet, allerdings nur in einem engen Umfang. Nach einer statistischen Angabe bezüglich der durch die staatseigenen Unternehmensfunktionäre begangenen gerichtlich festgestellten Straftaten in den letzten zwölf Jahren handelte es sich nur in 3 Fällen von insgesamt 178 um den § 167 CStGB und in 4 Fällen um den § 168 CStGB.72 Neben der geringen praktischen Bedeutung der §§ 165, 166,167, 168, 169 Abs. 1 CStGB existierte zugleich das verbreitete Phänomen, dass die Organmitglieder einer Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen durch ihr pflichtwidriges Verhalten absichtlich schädigen und trotzdem straflos bleiben, weil diese Handlungen im geltenden Strafgesetzbuch nicht als Straftat geregelt sind. Die empirische Gesetzgebung im chinesischen Strafgesetzbuch stellt eine Gelegenheitsgesetzgebung dar, indem das Strafgesetz ausschließlich als Mittel zur Lö69

Im Jahr 1999, 2001 (zwei Mal), 2002, 2005, 2006, 2009. Zhou, Shaohua, Xingfa zhi quedingxing jiqi fazhiyiyi, Falü kexue 2008, S. 60. 71 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 316, 317. Nach den statistischen Angaben bezüglich der durch die Organmitglieder und leitenden Manager ausgeübten Wirtschaftsdelikte in den Jahren 2000 bis 2005 in seinem Buch wurde keine der hier genannten Personen wegen Verletzung der §§ 165, 166, 167, 168 CStGB bestraft. Von den insgesamt 114 durch leitende Personen verwirklichten Fällen handeln 5 von der zweckentfremdeten Nutzung von Geldern der Gesellschaft. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 85. 72 Siehe unter: http://www.legaldaily.com.cn/zmbm/2009-01/02/content_1011991.htm. 70

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

sung eines aktuellen gravierenden Missstands in der Gesellschaft eingesetzt wird. In der Planwirtschaft ist die empirische Gesetzgebung auf Grundlage der relativ stabilen Typen von Wirtschaftsdelikten akzeptabel, allerdings stößt sie in der Markwirtschaft aufgrund der sich rasant verändernden Wirtschaftsverhältnisse sofort an ihre Grenzen, weil die Erscheinungsformen der Wirtschaftsdelikte vielfältig und veränderbar sind. Daher sollte der Gesetzgeber sich nicht an den Erscheinungsformen der Wirtschaftsdelikte in der aktuellen Wirtschaftspraxis, sondern vielmehr am Schutzzweck der Strafnormen orientieren. Unter Einhaltung des Bestimmtheitsprinzips sollte die Tathandlungen des einzelnen Straftatbestands nicht im Detail, sondern allgemein geregelt werden, wodurch auch die neuen Erscheinungsformen der künftigen Wirtschaftspraxis umfasst werden könnten. Die empirische Gesetzgebung steht im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch in engem Zusammenhang mit der kasuistischen Gesetzgebung. Mit der Reformüberlegung zur Abschaffung der empirischen Gesetzgebung wird auch der Fortbestand der kasuistischen Gesetzgebung in den §§ 165 – 169, 272 CStGB in Frage gestellt. bb) Kasuistische Gesetzgebung Das treuwidrige Verhalten von Organmitgliedern zulasten der Gesellschaft wird im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch vereinzelt, vor allem in §§ 165 – 169, 272 CStGB, geregelt. Häufig wird in den einzelnen Strafnormen ein übersichtlicher Katalog von treuwidrigem Verhalten der Handelnden aufgelistet, wie in den §§ 166, 169 Abs. 2 CStGB. Allgemein kann festgehalten werden73, dass die Strafnormen bezüglich der pflichtwidrigen Handlungen der Organmitglieder ausführlich und präzise festgelegt wurden und somit keine unbestimmten Begriffe dem rechtsanwendenden Richter die Subsumtion und damit die Rechtsfindung erschweren. Die präzise geregelten Straftatbestände ermöglichen den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, die an ihr Verhalten geknüpften Rechtsfolgen im Voraus abschätzen zu können.74 So wird auch im chinesischen Schrifttum für die Beibehaltung der kasuistischen gesetzgeberischen Methode argumentiert. Zustimmend gilt, dass die kasuistisch gefassten Einzelstrafnormen der §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB dem judizierenden Richter die Urteilsfindung erleichtern und eine Übersichtlichkeit und Klarheit der Tatbestände schaffen. Allerdings versteckt sich in dem großen Vorteil der kasuistischen Gesetzgebung auch ihr größter Nachteil, nämlich, dass den hier genannten Strafnormen eine Starre innewohnt. Die rasante Wirtschaftsentwicklung bringt für die Organmitglieder einer Aktiengesellschaft bisher nicht erkannte Möglichkeiten mit sich, das Gesellschaftsvermögen pflichtwidrig zu schmälern. Um eine lückenhafte strafrechtliche Regelung und die 73

Vereinzelt finden sich undeutliche Ausformulierungen in einigen Strafnormen – wie in § 166 CStGB der Begriff „Verwandtschaft und Freunde“, welcher zuvor bereits im Kapitel C. behandelt wurde. 74 Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 91.

II. Reformbedürftigkeit

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daraus resultierende Straflosigkeit einiger strafwürdiger und strafbedürftiger Untreuehandlungen zu vermeiden, ist die Änderung oder Erweiterung der einschlägigen chinesischen Straftatbestände beim Auftreten neuer Deliktsmöglichkeiten eine unvermeidliche Folge. Im Laufe der Zeit hatte der chinesische Gesetzgeber diese Problematik auch erkannt und entsprechend bei dem im Jahr 2006 erlassenen § 169 Abs. 2 CStGB eine generalklauselartige Bestimmung vorgesehen, die neben den dort festgelegten fünf Formen strafrelevanter treupflichtwidriger Handlungen auch Handlungen , die „auf eine andere Art und Weise, welche die Vermögensinteressen der börsennotierten Aktiengesellschaft beeinträchtigen“, unter Strafe stellte. Die gleichzeitige Anwendung der kasuistischen und generalklauselartigen Ausformulierung des Straftatbestands, trifft auch in der chinesischen Literatur auf Zustimmung und wurde zwischenzeitlich auch zur herrschenden Ansicht. Die herrschende Auffassung argumentierte, dass durch die gemischte Anwendung beider Gesetzgebungsformen einerseits die Starre und der fragmentarische Charakter der kasuistischen Gesetzgebung vermieden wird75 und andererseits die Nachteile bei der ausschließlichen Anwendung der generalklauselartigen Tatbestandsformulierung – die Unklarheit des Tatbestands und dessen Unzugänglichkeit in der Rechtspraxis – beseitigt werden können.76 Die generalklauselartige Formulierung hat jedoch gegenüber der kasuistischen gesetzgeberischen Technik lediglich eine ergänzende Funktion. Obwohl die Unflexibilität der kasuistischen Gesetzgebung durch das Hinzufügen der auffangartigen Gesetzgebung vermindert werden kann, ist zu beachten, dass die Hinzufügung einer Auffangbestimmung im Tatbestand nicht immer zu einer befriedigenden Lösung führt, sondern im Gegenteil oft auf Kosten der Bestimmtheit der Strafvorschrift geht. Als Beispiel soll wieder der oben genannte § 169 Abs. 2 CStGB dienen. Gemäß der Auffangbestimmung in § 169 Abs. 2 CStGB werden alle absichtlichen gesellschaftstreupflichtwidrigen Verhaltensweisen der Organmitglieder börsennotierter Aktiengesellschaften, welche einen Vermögensschaden bei der Gesellschaft verursachen, strafrechtlich sanktioniert. Als Anknüpfungspunkt spielt die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Organmitglieder zur Festlegung der Strafbarkeit treuwidriger Handlungen eine entscheidende Rolle. Allerdings herrscht noch bis heute im chinesischen Gesellschaftsrecht Unklarheit bezüglich des Inhalts der Treuepflichten und des maßgeblichen Beurteilungsmaßstabs hinsichtlich deren Verletzung.77 Vor diesem Hintergrund führt die generalklauselartige Formulierung der strafbaren, gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßenden Handlungen in § 169 Abs. 2 CStGB zu einer erweiterten gesetzlichen Unbestimmtheit, die bei der Festle-

75 76 77

Luo, Suzhong, Xingfa zhiyuelun, S. 14. Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 91, 92. Dies wird in C. II. 2. behandelt.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

gung der treuwidrigen Straftat in der Rechtspraxis zu großer Rechtsunsicherheit geführt hat. c) Hinsichtlich des Strafmaßes aa) Unangemessen strenge Strafandrohung bei treuwidrigem Verhalten Bevor wir uns mit der unangemessen strengen Strafandrohung in den §§ 165 – 169, 272 CStGB beschäftigen, folgt zunächst eine Darstellung des allgemeinen Charakters der strengen Strafandrohung im chinesischen Strafrecht. Die strenge Strafandrohung im chinesischen Strafrecht lässt sich im Hinblick auf die hauptsächlich angewendeten Sanktionsarten und deren Strafrahmen erläutern. Mit Bezug auf die Sanktionsarten78 sind die hauptsächlich angewendeten Strafarten im besonderen Teil des chinesischen Strafgesetzbuches die langfristige Freiheitsstrafe79 und die lebenslange Freiheitsstrafe. Die mittel- oder kurzfristige Freiheitsstrafe sowie die anderen Sanktionsarten werden lediglich eingeschränkt angewendet.80 Hier ist zu beachten, dass die Geldstrafe im chinesischen Strafgesetzbuch lediglich zur Nebenstrafe gehört, weswegen sie nur eine geringe Bedeutung in der Rechtspraxis spielt. Der Grund für die strenge Strafdrohung im chinesischen Strafrecht liegt am Zweck der Strafe in China. In der chinesischen Literatur81 ist der Primärzweck der Strafe in der Vergeltung für die durch den Täter begangenen sozialgefährlichen Straftaten verbreitet anerkannt. Der Vergeltungscharakter der Strafe lässt sich durch § 5 CStGB belegen, wonach „Maß und Schwere der Kriminalstrafe sich am kriminellen Handeln des Täters und an der ihn treffenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu orientieren“ haben. Neben dem primären Zweck der Strafe werden auch die Generalprävention, worunter die Abschreckung potentieller Täter verstanden wird, sowie die Spezialprävention, also der Gedanke, die Straftäter von künftigen Straftaten abzuhalten, bei der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens herangezogen. Dabei legte der Gesetzgeber bisher ein besonderes Gewicht auf den Strafzweck der Generalprävention.

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Die Sanktionsarten bestehen aus den Hauptstrafen: Überwachung, Gewahrsam, zeitige Freiheitsstrafe, lebenslange Freiheitsstrafe, Todesstrafe, sowie den Nebenstrafen: Vermögensstrafe, Geldstrafe, Vermögenskonfiskation und Rechtsentzugsstrafe, nach welcher die politischen Rechte entzogen werden. Herrenkirchen, Das Strafrecht der VR China unter besonderer Berücksichtigung des sowjetischen Strafrechts, S. 87. Ein zweispuriges Sanktionssystem wie mit Maßregeln der Sicherung und Besserung ist dem chinesischen Strafrecht fremd. 79 Wenn der Freiheitsentzug mehr als drei Jahre beträgt. Liu, Yan, Guanyu xingfa jiazhi lilun wenti de sikao, in: Liu, Jiachen (Hrsg.), Dangdai xingfa jiazhi yanjiu, 2003, S. 194. 80 Liu, Yan, Guanyu xingfa jiazhi lilun wenti de sikao, in: Liu, Jiachen (Hrsg.), Dangdai xingfa jiazhi yanjiu, S. 194, 195. 81 Sun, Guoxiang, Xingfa jiben wenti, S. 482.

II. Reformbedürftigkeit

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Die Anwendung des chinesischen Strafrechts wird durch die Bewertung der Strafe als Instrument zur Bekämpfung sozial negativer Erscheinungen geprägt.82 Um die potentiellen Täter in der Gesellschaft von der Begehung von Straftaten abzuschrecken, geht der Gesetzgeber folglich davon aus, dass die gesetzliche Strafe entsprechend streng festgelegt werden müsse.83 Der allgemeine Charakter der strengen Strafdrohung im chinesischen Strafrecht gilt auch für die Wirtschaftsdelikte, wovon auch die das Gesellschaftsvermögen schädigenden treuwidrigen Handlungen der Organmitglieder erfasst werden. Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die gesetzlich festgelegte Höhe der Strafdrohung gegen Wirtschaftsdelikte enorm gesteigert. Im geltenden chinesischen Strafrecht werden bei den 90 gesetzlich vorgesehenen Wirtschaftsdelikten 83 % (75 Wirtschaftsdelikte) mit einer Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren sanktioniert und ca. 11 % davon (10 Wirtschaftdelikte) mit der Todesstrafe bedroht.84 Im Hinblick auf die §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB bezüglich treuwidriger pflichtwidriger Handlungen, die durch Organmitglieder der Gesellschaft verwirklicht werden, besteht insofern die Gemeinsamkeit, dass alle genannten Straftaten mit Freiheitsstrafe bedroht werden. Hierbei wird bei den einzelnen Strafnormen zwischen dem Strafrahmen des Grundtatbestands und dem erhöhten Strafrahmen der Qualifikation85 unterschieden. Der Strafrahmen des Grundtatbestands in den §§ 165 – 169, 272 CStGB beträgt ein bis drei Jahre. Abgesehen von dem Fall der zweckentfremdeten Nutzung von Geldmitteln der Gesellschaft (§ 272 CStGB), in denen der Täter bei Vorliegen des qualifizierenden Umstands mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bedroht wird, beträgt die höchste Strafdrohung der oben genannten restlichen Strafnormen in schweren Fällen bis zu sieben Jahre Freiheitsentzug. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsdelikten scheint die gesetzlich festgelegte Strafdrohung bei treuwidrigen strafbaren Handlungen in §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB relativ niedrig. Trotzdem vertreten viele chinesische Strafrechtswissenschaftler die Ansicht, dass die Strafandrohung bei den oben genannten Straftaten im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch unangemessen streng ist.86 Die verbreitete Verhängung langer Freiheitsstrafen bei Wirtschaftsdelikten ist auf der einen Seite nachteilig für die Resozialisierung des Täters, auf der anderen Seite hat sie auch keine effektive Auswirkung bei der Bekämpfung der steigenden treue82

Hui, Xiaomei, Lun xingfa de qin xinghua, Fazhi yu shehui 2008, S. 32. Kong, Ming, Xingfa duijingji fanzui guiding de qianyixing queshi fenxu, Hunan Shehui kexue 2008, S. 206. 84 Liu, Hua, Lun jingji fanzui de xingshi zhengce, Faxue 2003, S. 72. 85 Zum Beispiel werden in §§ 166, 167, 168 CStGB die Täter mit höchstens 7 Jahren Freiheitsstrafe bestraft, wenn die Handlung einen gravierenden Schaden beim Staat verursacht hatte. Die Höchststrafen der jeweiligen Strafnormen bezüglich des treulosen Verhaltens der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wurden bereits im Kapitel C. behandelt. 86 Xing, Zhong/Yu, Xiangjing, Lun jingji fanzui de qinxinghua, Fanzui yanjiu 2005, S. 47. 83

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

oder sorgfaltspflichtverletzenden Straftaten in den letzten Jahren87, welche durch Organmitglieder oder leitende Personen einer Gesellschaft verwirklicht wurden. Man muss erkennen, dass wegen des chinesischen wirtschaftlichen Übergangscharakters die Zunahme von Wirtschaftsdelikten unvermeidbar ist und diese sich auch nicht durch verschärfte Strafandrohung unterbinden lassen.88 Es wird vorgeschlagen, die Geldstrafe als Hauptstrafe gegen Wirtschaftsdelikte einzusetzen.89 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich des sekundären Charakters des Strafrechts die Anwendung der strafrechtlichen Sanktionen gegen Wirtschaftsdelikte nur auf eine ergänzende Funktion beschränkt werden sollte.90 bb) Festlegung des (besonders) gravierenden Vermögensverlusts Neben der unangemessen strengeren Strafdrohung handelt es sich um ein weiteres Problem in den §§ 165 – 169, 272 CStGB bezüglich der Schadensfolge der Handlung, die als Voraussetzung der Strafbarkeit des treuwidrigen Verhaltens und ggf. zur verschärften Strafandrohung in den oben genannten Strafnormen vorgesehen ist. Im chinesischen Strafrecht kann nicht jede sozialgefährliche Handlung als Straftat qualifiziert werden, vielmehr setzt die Straftat eine schwerwiegende Sozialgefährlichkeit voraus. Gemäß § 13 CStGB91 stellt eine Handlung nur dann eine Straftat dar, wenn die Tathandlung sozialgefährlich ist, und zwar handelt es sich hier um eine nicht geringfügige Sozialgefährlichkeit der Handlung. Unter Berücksichtigung des § 13 CStGB gehen chinesische Rechtswissenschaftler davon aus, dass zur Bejahung der Straftat zwei Elemente erforderlich sind. Zum einen erfordert sie die Sozialgefährlichkeit der Handlung (Dingxing – Festlegung der Qualität der Handlung), zum anderen darf diese Sozialgefährlichkeit nicht geringfügig sein (Dingliang – Festlegung der Quantität der Sozialgefährlichkeit).92 Der Grad der Sozialgefährlichkeit entscheidet somit, ob eine Straftat vorliegt, wobei diese nach objektiven und subjek87 Dabei haben sich die durch die Organmitglieder börsennotierter Aktiengesellschaften ausgeübten Straftaten allein in den ersten vier Monaten im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 64, 66. Bezogen auf die gesamten Wirtschaftsdelikte ist deren Anzahl nach statistischen Angaben im Jahr 2007 gegenüber den letzten Jahren um 6,8 % gestiegen und insgesamt ist die Summe der Wirtschaftdelikte gegenüber dem letzten Jahr um 89,5 % gestiegen. Kong, Ming, Xingfa dui jingji fanui guiding de qianyixing queshi fenxi, Hunan shehui kexue 2008, S. 208. 88 Gao, Mingxuan, Xingfa siyan, S. 481; Xing, Zhong/Yu, Xiangjing, Lun jingji fanzui de qinxinghua, Fanzui yanjiu 2005, S. 48. 89 Xing, Zhong/Yu, Xiangjing, Lun jingji fanzui de qinxinghua, Fanzui yanjiu 2005, S. 49; Zhao, Bingzhi, Xingfa gaige wenti yanjiu, S. 104. 90 Xing, Zhong/Yu, Xiangjing, Lun jingji fanzui de qinxinghua, Fanzui yanjiu 2005, S. 48, 49; Zhang, Guixia, Lüe lun dangqian woguo jingji fanzui zhi xingfa tiaokong; Jingjishi 2005, S. 57. 91 Bestimmung des § 13 CStGB siehe C. III. 3. a) cc). 92 Huang, Jingping/Chen, Pengzhan, Xingshi caipan guochengzhong jiazhi panduan wenti yanjiu, Faxuejia 2005, S. 56 – 64.

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tiven Elementen festgestellt wird. Nur ein relativ hohes Maß an Sozialgefährlichkeit, welches die Gesellschaft gefährdet oder schädigt, wird mit Strafe geahndet.93 Je sozialgefährlicher die Tathandlung, desto höher die Strafandrohung. Im einzelnen Straftatbestand wird der erforderliche Grad der Sozialgefährlichkeit der jeweiligen Straftat durch den Gesetzgeber konkretisiert. Zum Beispiel kommt die Bestrafung des Täters mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wegen treuwidrigen Verhaltens gemäß §§ 166, 167, 168, 169, 272 CStGB nur dann in Betracht, wenn durch seine pflichtwidrigen Handlungen ein gravierender Vermögensverlust des Staats (oder staatseigener Gesellschaften) verursacht wird. Wenn es sich dabei um einen besonders gravierenden Verlust beim Staat handelt, liegt ein erhöhter Grad von Sozialgefährlichkeit bei den treuwidrigen Handlungen vor, sodass der Täter innerhalb des qualifizierenden Strafrahmens mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu sieben (§§ 166, 167, 168, 169 CStGB) oder sogar zehn Jahren (§ 272 CStGB) sanktioniert wird. Obwohl der Gesetzgeber in einzelnen Straftatbeständen zur Bejahung der Strafbarkeit oder Verhängung einer erhöhten Freiheitsstrafe beim Vorliegen der qualifizierenden Umstände das erforderliche Maß an Sozialgefährlichkeit mit Definitionen wie „gravierender Verlust des Staats“ und „besonders gravierender Verlust des Staats“ (§ 165 CStGB) geregelt hat, fehlt im Strafgesetzbuch die Konkretisierung einer solchen abstrakten Formulierung. Weder gibt es in den jeweiligen Straftatbeständen, noch im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches eine entsprechende Formulierung. Ungeklärt bleibt auch, nach welchem Beurteilungskriterium das Vorliegen des (besonders) gravierenden Verlusts beim Staat festgelegt wird. Die Abstraktheit der nicht geringfügigen Sozialgefährlichkeit als Voraussetzung der Strafbarkeit im chinesischen Strafgesetzbuch macht die Anwendung der einschlägigen Strafnormen in der Rechtspraxis nahezu unmöglich. Die Richter können sich bei der Festlegung der Strafbarkeit und Höhe der Strafandrohung nicht auf den abstrakten Begriff im jeweiligen Tatbestand, wie „gravierend“ und „besonders gravierend“ berufen und den Angeklagten verurteilen. Vor diesem Hintergrund legte der oberste Volksgerichtshof (evtl. auch oberste Staatsanwaltschaft) Chinas94 eine bestimmte Geldsumme als Voraussetzung für die Einleitung der Strafverfolgung gegen bestimmte Straftaten fest, wozu auch die Straftaten in den §§ 165 – 169, 272 gehören.95 Beispielsweise wird in § 166 CStGB die Rechtsfolge an das objektive Tatbestandsmerkmal „gravierender Verlust des Staats“ geknüpft. Nach der Auslegung des obersten Volksgerichtshofs Chinas ist eine Strafverfolgung in diesem Fall nur dann möglich, wenn der durch die treuwidrigen Handlungen des Täters verursachte

93

Wang, Zhixiang, Fanzui goucheng de dingliang yinsu lungang, Hebei faxue 2007, S. 87. Die Auslegung der §§ 165 – 169 CStGB wird vom obersten Volksgericht, der obersten Staatanwaltschaft sowie dem Ministerium für öffentliche Sicherheit Chinas vorgenommen. 95 Zhang, Yong, Lun woguo fanzui shue biaozhun de lifa wanshan, Zhongzhou xuekan 2006, S. 107. 94

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

Verlust des Staats mehr als 10.000 Rmb beträgt.96 Bei einem „besonders gravierenden Verlust“ des Staats beginnt die Untersuchung und Verfolgung der in § 166 CStGB geregelten Delikte erst dann, wenn der durch die Tathandlung herbeigeführte Verlust des Staats mehr als 30.000 Rmb beträgt. Obwohl durch die Auslegung der Rechtsprechung die oben ausgeführte vage Formulierung bezüglich der für die Festlegung der Strafbarkeit und Verhängung verschärfter Strafe vorausgesetzten Tatfolge konkretisiert und die Rechtsanwendung der einschlägigen Strafnormen erleichtert wird, hat die Auslegung dennoch eine Reihe von Problemen mit sich gebracht. Zunächst stellt sich die Frage, ob das oberste Volksgericht überhaupt die Befugnis hatte, die Unklarheiten und Unvollständigkeiten der strafrechtlichen Normen durch die erfolgte Auslegung zu beseitigen.97 Nach der herrschenden Ansicht ist eine Befugnisüberschreitung des obersten Volksgerichtshofs in diesem Fall zu bejahen.98 Das zweite Problem ist die Festlegung der konkreten Geldsumme. Als Maßstab für die Zulässigkeit der Untersuchung und Verfolgung der Delikte wird der im Straftatbestand allgemein geregelte Grad der Sozialgefährlichkeit mit einer bestimmten Geldsumme gleichgesetzt. Die Starre und Unflexibilität bei der Anknüpfung der Sozialgefährlichkeit der Straftaten an eine bestimmte Geldsumme zeigt sich, wenn man die schnelle Entwicklung der chinesischen Wirtschaft betrachtet. In letzter Zeit leidet die chinesische Wirtschaft an Inflation und Geldabwertung. Folglich haben 10.000 Rmb heute einen verminderten Wert als die gleiche Summe vor zehn Jahren. Bezüglich der Sozialgefährlichkeit ist daher fraglich, ob der durch die Tathandlung verursachte Verlust des Staats in Höhe von mehr als 10.000 Rmb im Laufe der Zeit unverändert einen gleichen Grad der Sozialgefährlichkeit des § 166 CStGB darstellt. Die starre Gleichstellung der Sozialgefährlichkeit mit einer bestimmten Geldsumme lässt sich noch mit folgendem Beispiel verdeutlichen.

96 Es werden drei Alternativen des gravierenden Verlusts des Staats in der Auslegung des obersten Volksgerichtshofs geregelt. Für die anderen beiden Alternativen siehe C. III. 3. b) dd) (2). 97 Ceng, Yuexing, Xingfaxue fangfa de yiban lilun, S. 192; Zhang, Yong, Lun woguo fanzui shue biaozhun de lifa wanshan, Zhongzhou xuekan 2006, S. 107. Ein großes Problem des heutigen chinesischen Strafrechts ist, dass die Unklarheiten oder Unvollständigkeiten der Strafnormen im Strafgesetzbuch nicht vom Gesetzgeber des Strafrechts – dem nationalen Volkskongress-, sondern durch die vom Obersten Volksgerichtshof oder der Obersten Staatsanwaltschaft erlassenen Auslegungen beseitigt werden. Eigentlich steht dem Obersten Volksgerichtshof ausschließlich die Befugnis zu, die Auslegung bezüglich der bei der Anwendung der gesetzlichen geregelten Strafnormen aufgetauchten Probleme in der Rechtspraxis vorzunehmen. In der chinesischen Literatur vertritt die Mehrheit der Rechtswissenschaftler die Ansicht, dass die Befugnisüberschreitung der Justiz sich im Widerspruch zu dem seit dem Jahr 1997 im chinesischen Strafgesetzbuch verankerten Bestimmtheitsgebot (§ 3 CStGB) steht. Lin, Wei, Lun xingfa lifajieshi quan yu lifaquan he sifaquan de jiuge, Dangdai faxue 2006, S. 63. 98 Hu, Xiangyong/Sun, Changjun, Lun Xingfa sifa jieshi yu xingfa lifa jieshi zhi chongtu, in: Xingfaxue yanjiuhui 2003 nian nianhui lunwenji, S. 526.

II. Reformbedürftigkeit

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Zwei Täter haben vorsätzlich die gleiche Tathandlung des § 166 CStGB begangen. Dabei liegt der einzige Unterschied nur im durch die Tathandlung verursachten Verlust des Staats, im einen Fall handelt es sich um 10.000 Rmb und im anderen Fall um 9.999 Rmb. Nach der Auslegung des Obersten Volksgerichts wird die Untersuchung und Verfolgung wegen Verstoßes gegen § 166 CStGB im letzteren Fall von Anfang an abgelehnt, weil durch die Handlung der „gravierende Verlust des Staats“ mit einer erforderlichen Geldsumme in Höhe von 10.000 Rmb nicht erreicht wird. Ohne die Strafverfolgung erfolgt auch keine gerichtliche Verurteilung bezüglich der Strafbarkeit. Folglich bleibt der Täter straflos. Es ist absurd, dass die mögliche Strafbarkeit oder Straflosigkeit bei Begehung der gleichen Tathandlungen wie bei den oben dargestellten zwei Fällen allein von 1 RMB abhängig ist. Kann in solchen Fällen wirklich gesagt werden, dass die Handlung, die einen Staatsverlust von nur 9.999 Rmb verursacht, im Vergleich zu einer Straftat, die einen Verlust des Staats in Höhe von 10.000 Rmb verursacht, eine geringfügigere Sozialgefährlichkeit aufweist und daher der Täter straflos bleiben soll? 2. Auf das geltende chinesische Gesellschaftsgesetz bezogene Problematik Bis jetzt wurde die Reformbedürftigkeit der §§ 165 – 169, 272 CStGB bezüglich des unzureichenden Schutzes nicht staatseigener Gesellschaften und der Technik der Gesetzgebung behandelt. Nachfolgend wird das Problem der genannten Strafnormen im Lichte des geltenden Gesellschaftsgesetzes Chinas betrachtet. Der starke Einfluss der gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Treu- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer Gesellschaft auf die Gesetzgebung bezüglich der einschlägigen Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch wurde bereits im Kapitel C. ausführlich erläutert.99 Die im Gesellschaftsgesetz China aus dem Jahr 1994 geregelten allgemeinen Verhaltenspflichtnormen der Organmitglieder wurden im Wesentlichen von den Strafnormen der §§ 165 – 169, 272 CStGB im Jahr 1997 übernommen. Vor diesem Hintergrund können die auf das Gesellschaftsgesetz bezogenen Probleme in den oben genannten Strafnormen in zwei Gruppen eingeteilt werden, in Probleme hinsichtlich der Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen der Organmitglieder seit dem Erlass des CStGB im Jahr 1997 [nachfolgend a)], sowie in Probleme, welche sich aus der begrifflichen Unklarheit der Verhaltensnormen im Gesellschaftsgesetz ergeben [nachfolgend b)].

99 Zusammenfassung siehe C. III. 3. a) aa); der Einfluss der gesellschaftsrechtlichen Pflichtennormen auf die jeweiligen einzelnen Strafnormen siehe C. III. 3. b).

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

a) Die sich aus der Modifikation des GeG Chinas seit dem Jahr 1997 ergebenden Probleme der §§ 165 – 169 CStGB Obwohl die allgemeinen Verhaltenspflichtnormen der Organmitglieder durch die Modifikation des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 enorm geändert wurden, folgte bis heute noch keine entsprechende Änderung in den entsprechenden Strafnormen. Die Rückständigkeit der einschlägigen Strafnormen im Hinblick auf die Modifikation des neuen Gesellschaftsgesetzes hat einige Probleme mit sich gebracht. So stellen die sich widersprechenden Bestimmungen in beiden Gesetzen einen Verstoß gegen das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung dar. Darüber hinaus wird auch die Notwendigkeit des Fortbestandes einiger Straftatbestände in Frage gestellt. Da im Kapitel C. bereits im Zusammenhang mit den einzelnen Strafnormen die konkreten Probleme unter Berücksichtigung des Gesellschaftsgesetzes Chinas teilweise behandelt wurden, wird in der folgenden Untersuchung das Problem nur kurz skizziert. aa) Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung Auf der Grundlage der Einheit der Rechtsordnung dürfen nicht Handlungen, die im außerstrafrechtlichen Bereich erlaubt sind, im Strafrecht mit Strafe sanktioniert werden. Wenn man die hier einschlägigen Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch unter dem Blickwinkel der Einheitlichkeit der Rechtsordnung betrachtet, ist festzustellen, dass in manchen Strafnormen gesellschaftsrechtlich zulässige pflichtgemäße Handlungen als strafbare Handlungen sanktioniert werden. Dies betrifft insbesondere Fälle des Einverständnisses der Hauptversammlung (ggf. des Vorstands). Bei der Modifikation des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 wird das Einverständnis der Hauptversammlung in § 149 Abs. 5 GeG 2005 als Ausschlussgrund der Treupflichtwidrigkeit wegen widerrechtlichen Betreibens gleichartiger Geschäfte durch die Vorstandsmitglieder und Manager anerkannt. Im Gegensatz dazu hat der Gesetzgeber des geltenden chinesischen Strafgesetzbuches in § 165 CStGB jegliches Betreiben gleichartiger Geschäfte durch die Vorstandsmitglieder und Manager, selbst wenn die Hauptversammlung zugestimmt hat, als strafwürdiges treuwidriges Verhalten angesehen.100 Eine ähnliche gegen die Einheit der Rechtsordnung verstoßende Regelung findet sich in § 166 CStGB. In § 149 Abs. 4 GeG 2005 (§ 61 Abs. 2 GeG 1993), welcher die Grundlage des § 166 CStGB darstellt, wird der Abschluss von Verträgen und das Betreiben von Geschäften mit der eigenen Gesellschaft durch die Vorstandsmitglieder und Manager dann als zulässig anerkannt, wenn die Gesellschaftssatzung dies bestimmt oder die Hauptversammlung zustimmt. Insofern schließt die Ermächtigung durch die Gesellschaftssatzung oder die Hauptversammlung in diesem Fall eine Treupflichtverletzung aus. Im Vergleich dazu spielt für § 166 CStGB das Übereinstimmen mit der Gesellschaftssatzung oder der Hauptversammlung keine 100

Ausführliche Informationen siehe Kapitel C. III. 3. b) cc) (4).

II. Reformbedürftigkeit

177

Rolle bei der Festlegung der Strafbarkeit wegen widerrechtlichen Strebens nach Vorteilen für Verwandte und Freunde. Dies bedeutet, dass, selbst wenn die Vorstandsmitglieder oder Manager mit Einverständnis der Aktionäre der Gesellschaft für sich oder für Dritte Verträge mit der eigenen Gesellschaft abschließen oder Geschäfte betreiben, sie gemäß § 166 CStGB dennoch mit Strafe bedroht werden können, sofern die restlichen Tatbestandsmerkmale101 erfüllt werden. Die Problematik, dass von den Strafnormen bezüglich des treuwidrigen pflichtwidrigen Verhaltens im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch teilweise auch die gesellschaftsrechtlich zulässigen Handlungen erfasst werden, ist in der jüngsten Zeit auch in der chinesischen Strafrechtswissenschaft erkannt worden. Dies wird als „Radikalisierung des Strafrechts (xingfa de jijin)“ bezeichnet,102 wonach im Strafrecht es im Gesellschaftsrecht nicht als rechtswidrig eingestufte Handlungen als Straftat qualifiziert werden und dadurch einen Widerspruch zwischen dem Strafrecht und dem Gesellschaftsrecht verursachen.103 bb) Überflüssigkeit einzelner Strafnormen wegen des Wegfalls der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichtnormen Da im modifizierten Gesellschaftsgesetz Chinas die Regelungen mit ideologischem und planwirtschaftlichem Charakter im GeG 1993 abgeschafft wurden, wird das Existenzbedürfnis einiger strafrechtlicher Normen, welche auf der Gesellschaft beruhten, in Frage gestellt. Dazu gehört auch § 169 Abs. 1 CStGB. Der Gesetzgeber des Gesellschaftsgesetzes 2005 hat sich an der aktuellen Wirtschaftspraxis und an den Verfassungsänderungen bezüglich des Privateigentumsschutzes orientiert und dabei den Sonderschutz des Staatsvermögens in § 213 GeG 1993 ersatzlos gestrichen. Vor diesem Hintergrund verliert § 169 Abs. 1 CStGB nicht nur seine außerstrafrechtliche Grundlage, sondern steht auch im Widerspruch mit dem im Gesellschaftsgesetz verankerten gleichen Schutz aller Gesellschaften mit unterschiedlichen Eigentumsformen.104 b) Die sich aus der begrifflichen Unklarheit der gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen der Organmitglieder in §§ 165 – 169 CStGB ergebende Problematik Neben den oben genannten Problemen der geltenden Strafbestimmungen, die durch die Modifikation der einschlägigen Treue- und Sorgfaltspflichtvorschriften verursacht wurden, ergeben sich weitere Probleme aus der Unvollständigkeit und Unklarheit der chinesischen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften im Bereich der allgemeinen Verhaltenspflichtnormen der Organmitglieder. 101 102 103 104

Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 166 CStGB siehe C. III. 3. b) dd). Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 309. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 310, 311. Reformbedürftigkeit des § 169 Abs. 1 CStGB siehe auch C. III. 3. b) ee).

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

Wie in Kapitel C. bereits erwähnt, hat das chinesische Gesellschaftsgesetz eine relativ junge Geschichte. Das erste Gesellschaftsgesetz Chinas wurde erst im Jahr 1993 erlassen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, dass das chinesische Gesellschaftsgesetz sich noch in einer Entwicklungsphase befindet. Bei einigen gesellschaftsrechtlichen Begriffen bzw. deren Bedeutung herrscht noch Unklarheit. Dazu gehören auch die Treu- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft. Bis heute sind mehrere Fragen noch nicht abschließend geklärt. So bleibt unklar, was genau unter Treue- und Sorgfaltspflichten zu verstehen ist und nach welchen maßgeblichen Kriterien diese bemessen werden; ferner, wem gegenüber eine allgemeine Verhaltenspflicht der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft besteht – gegenüber der Gesellschaft oder neben der Gesellschaft auch gegenüber den Aktionären. Da sich die geltenden Strafnormen stark an die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Treu- und Sorgfaltspflichten anlehnen, wird die Anwendung der betreffenden treuwidrigen Strafbestimmungen aufgrund der oben ausgeführten begrifflichen Unklarheiten bezüglich der gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichtnormen der Organmitglieder einer Gesellschaft erheblich erschwert. Die Probleme hinsichtlich der allgemeinen Treu- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder einer Gesellschaft wurden im Kapitel C. ausführlich behandelt, sodass eine Wiederholung nicht notwendig ist. Die folgende Darstellung bezieht sich ausschließlich auf die Auswirkung der oben aufgezeigten gesellschaftsrechtlichen Probleme bezogen auf die entsprechenden Strafnormen. aa) Probleme bezüglich des Verhältnisses zwischen Treuepflicht und Sorgfaltspflicht Über das Verhältnis zwischen Treu- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder herrscht in der chinesischen gesellschaftsrechtlichen Literatur bis heute keine Einigkeit. Der chinesische Gesetzgeber des Strafrechts befürwortet die Ansicht, nach der die Sorgfaltspflicht Bestandteil der Treuepflicht ist und hat entsprechend im Jahr 2006 bei der Schaffung des § 169 Abs. 2 CStGB ausdrücklich den Begriff der „Treuepflicht“ aufgenommen, wovon nun auch einige Handlungen, bei denen es sich eigentlich um Grenzfälle zur Sorgfaltspflicht handelt, erfasst werden. Gemäß § 169 Abs. 2 CStGB werden die Organmitglieder einer börsennotierten Aktiengesellschaft mit Strafe sanktioniert, wenn sie ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht absichtlich verletzen und dadurch Schaden am Gesellschaftsvermögen verursachen. Das Problem dieser Strafvorschrift ist, dass der Gesetzgeber damit auch die unternehmerische Fehlentscheidung der Organmitglieder innerhalb ihres ihnen bei der Geschäftsführung zustehenden Unternehmensermessens als Verletzung der Treuepflicht qualifiziert, was möglicherweise auch die Verhängung einer Strafe zur Folge hat. Um den Verwaltungsorganen der Gesellschaft das Treffen unternehmerisch risikobereiter Entscheidungen zu ermöglichen, wird den Organmitgliedern in der Regel eine Haftungsbefreiungsmöglichkeit bei unternehmerischen Entscheidungen

II. Reformbedürftigkeit

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wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht eingeräumt, wie beispielsweise im Business Judgement Rule im amerikanischen Recht oder §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2 im deutschen Aktiengesetz.105 Diese Haftungsbefreiungsmöglichkeit im Rahmen der Sorgfaltspflicht im ausländischen Recht wird weder vom chinesischen Gesellschaftsrecht, noch vom chinesischen Strafrecht berücksichtigt. Die unklare Differenzierung zwischen Treuepflicht und Sorgfaltspflicht im chinesischen Strafgesetzbuch stellt nicht nur einen unangemessenen und unerlaubten Eingriff in die notwendige Autonomie von Unternehmensleitern einer börsennotierten Aktiengesellschaft dar, weil im chinesischen Gesellschaftsgesetz die eigenständigen Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands und die eigenverantwortliche Überwachung des Aufsichtsrats vorgeschrieben wird.106 Die unklare Trennung zwischen Sorgfaltspflicht und Treuepflicht wirkt sich letztlich auch negativ auf die Unternehmen aus, indem sich die Organmitglieder der Gesellschaft bei unternehmerischen Entscheidungen aufgrund der Befürchtung strafrechtlicher Verantwortlichkeit nicht risikobereit, sondern eher zurückhaltend verhalten und hierdurch die Entwicklung der Gesellschaft hemmen. bb) Die Gläubiger der Treue- und Sorgfaltspflicht Der chinesische Gesetzgeber des Strafrechts hat sich an den für börsennotierte Aktiengesellschaften geltenden Vorschriften107 orientiert und entsprechend die Interessen der börsennotierten Aktiengesellschaft und die Interessen ihrer Aktionäre gleichzeitig als geschützte Rechtsgüter in § 169 Abs. 2 CStGB festgelegt. Da in § 169 Abs. 2 CStGB die Verletzung der Treuepflicht als eine der Strafbarkeitsbedingungen wegen treuwidrigen Verhaltens vorgeschrieben ist, ist festzustellen, dass die tauglichen Täter des § 169 Abs. 2 CStGB nicht nur gegenüber der börsennotierten Aktiengesellschaft, in der sie tätig sind, sondern auch gegenüber allen Aktionären der Gesellschaft die Treuepflicht tragen. Obwohl der Gesetzgeber von einem guten Willen zum verstärkten Schutz der Aktionärsinteressen ausgegangen ist, erwies sich die Erweiterung der Treue- und Sorgfaltspflichtbegünstigten von der Gesellschaft auf die Aktionäre als wenig durchdacht. Dabei übersah der Gesetzgeber, dass die Interessen der Aktionäre nicht gleichlaufend mit denen der Gesellschaft sind. Im Wesentlichen sind die Unternehmensinteressen zwar mit den Interessen aller Aktionäre identisch. Eine Gewinnsteigerung des Unternehmens bringt auch eine Gewinnsteigerung für die Anteilseigner.108 Jedoch gehen die Unternehmensinteressen über die Aktionärsinteressen hinaus, indem sie 105

Dies wird später bezüglich der Strafbarkeit der treulosen Verhaltensweisen der Organmitglieder einer AG im deutschen Recht ausführlich behandelt. 106 Eine ausführliche Behandlung hierzu siehe C. II. 107 Siehe Kapitel C. dieser vorliegenden Arbeit. 108 Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozhang, S. 39; Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 429.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

auch die Interessen der Gläubiger und der Arbeitnehmer umfassen.109 Die Interessenkonflikte zwischen Aktionären und der Gesellschaft tauchen erst dann auf, wenn zum Beispiel bei weit verstreutem Anteilsbesitz der Gesellschaft die Aktionärsinteressen sich auf eine kurzfristige Gewinnmaximierung richten, während sich die Gesellschaftsinteressen längerfristig an der strategischen Entwicklung der Gesellschaft orientieren.110 Wenn dem Vorstand zugleich gegenüber der Gesellschaft und allen Aktionären die Treue- und Sorgfaltspflicht obliegt, ist in diesen Fällen bei gegenläufiger Interessenlage problematisch, welche pflichtwidrigen Verhaltensweisen für die Beurteilung der Unternehmensleitung maßgeblich sein sollen. Hierbei hat die Differenzierung zwischen beiden Interessenarten für die Beurteilung der Verletzung der Sorgfaltspflicht bei der Amtsführung durch den Vorstand entscheidende Bedeutung. Die oben für börsennotierte Aktiengesellschaften aufgeführten geltenden Treue- und Sorgfaltspflichtnormen bergen große Unsicherheiten für die Organmitglieder bei deren Geschäftsführung.111 cc) Probleme bezüglich der Treue- und Sorgfaltspflicht unabhängiger Vorstandsmitglieder Im geltenden chinesischen Strafrecht wird zwischen den unabhängigen Vorstandsmitgliedern und den restlichen Vorstandsmitgliedern einer börsennotierten Aktiengesellschaft bezüglich deren treuwidrigen Verhaltens nicht differenziert. Die jüngere Ansicht im chinesischen Schrifttum fordert jedoch hierbei eine inhaltliche Differenzierung bei den Vorstandsmitgliedertypen, welche Anlass zur Überlegung neuer Aspekte bei der Auslegung der §§ 165, 169 Abs. 2 CStGB gab. Da das unabhängige Vorstandsmitglied erst seit 2006 im chinesischen Gesellschaftsgesetz geregelt ist, kann aktuell die Frage noch nicht beantwortet werden, inwieweit sich der Inhalt der allgemeinen Verhaltenspflichten beider Vorstandsmitglieder unterscheidet. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass auf der Grundlage des nebenberuflichen Charakters der Stellung der unabhängigen Vorstandsmitglieder die Kandidaten aus Angst vor einer strengen zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf ihr Amt als unabhängiges Vorstandsmitglied möglicherweise verzichten können. Dies wird letztlich die Entwicklung des Systems der unabhängigen Vorstandsmitglieder zur Verstärkung der Überwachung der Unternehmensleitung einer börsennotierten Aktiengesellschaft beeinträchtigen. 3. Zwischenergebnisse Die Wirtschaftsreform seit dem Jahr 1979, die auf Mikroebene die Staatsunternehmensreform und auf Makroebene die Etablierung des Marktwirtschaftssystems be-

109 110 111

Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 429. Li, Yüfu/Qu, Lingli/Wang, Duanzou (Hrsg.), Gongsi yunzuo de xingfa baozhang, S. 40. Peng, Chasan, Gongsi dongshi yiwu jiqi lifa wanshan, Liluntansuo 2006, S. 154.

II. Reformbedürftigkeit

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handelt, hat erhebliche Auswirkungen auf das chinesische Strafgesetzbuch, die vor allem aus den folgenden drei Aspekten bestehen.112 Erstens tauchten durch die Wirtschaftsentwicklung zahlreiche neue Typen von Wirtschaftsdelikten auf, welche im bisherigen Strafgesetzbuch noch nicht geregelt worden sind. Dabei handelt es sich insofern um gesetzliche Lücken. Zweitens wurde, um die Umwandlung staatseigener Unternehmen in moderne Unternehmensformen zu gewährleisten, im Jahr 1994 das chinesische Gesellschaftsgesetz erlassen. Obwohl die §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB in engem Zusammenhang mit dem Gesellschaftsgesetz stehen, bestehen trotzdem einige Widersprüche zwischen beiden Gesetzen. Der widersprüchliche Zustand zwischen dem geltenden chinesischen Strafrecht und dem Gesellschaftsrecht wird durch die Revidierung des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 noch weiter verschärft. Die widersprüchlichen gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Regelungen sind das Ergebnis unterschiedlicher Zielsetzung der Gesetze. Während die Aufgabe des chinesischen Gesellschaftsgesetzes die Gewährleistung der Entwicklung der sozialistischen Marktwirtschaft ist, hat das chinesische Strafrecht über die Sicherung der Wirtschaftsordnung hinaus noch die politische Aufgabe, die Grundlage des sozialistischen Wirtschaftssystems, folglich das Gemeineigentum und insbesondere das Staatseigentum zu schützen.113 Da das Gesellschaftsgesetz Chinas noch relativ jung ist und sich gerade in der Entwicklungsphase befindet, ist vorherzusehen, dass die einschlägigen Strafnormen von den nicht ausgereiften gesellschaftsrechtlichen allgemeinen Verhaltenspflichtnormen belastet werden. Hierdurch wird der potenzielle Problembereich der Strafbarkeit der Organmitglieder einer AG wegen ihres treuwidrigen Verhaltens bei der künftigen Gesetzgebung eröffnet. Drittens wird neben den gesetzlichen Lücken der geltenden Strafnormen zur Bekämpfung der neuen Wirtschaftsdelikte und dem Konflikt der gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Regelungen die Anwendbarkeit der veralteten Strafnormen wie §§ 165 – 169 CStGB wegen der Gesetzgebungstechnik des geltenden Strafgesetzbuches Chinas, der empirischen und kasuistischen Gesetzgebung, auf einen engen Umfang beschränkt und wird kaum noch Bedeutung in der Rechtspraxis haben. Durch die aktuelle und zukünftige Staatsunternehmensreform, durch die vor allem die großen staatseigenen Unternehmen in Aktiengesellschaften transformiert werden 112

In der chinesischen Literatur wurden bereits im Jahr 1993 die Auswirkungen der wirtschaftlichen Systemänderungen auf die Gesetze untersucht und dabei wurden die folgenden vier Probleme herausgefunden: die fehlenden gesetzlichen Regelungen, die Konflikte innerhalb der Gesetze, die Rückständigkeit des Gesetzes und die Überflüssigkeit des Gesetzes. Chen, Xingliang/Liu, Hua, Jinji lingyu zhong shifanxingwei de falü pinfpan jiqi kangzhi, Zhongwai faxue 1993, S. 15; Liu, Hua, Xingfa dui jingji shifan xianxiang de pingpan he kangheng, Xingshifa pinglun 1999, S. 366 – 376. Hier wird nicht dieser Klassifizierung der aus der Wirtschaftsentwicklung sich ergebenden gesetzlichen Probleme gefolgt, da die Probleme nicht klar getrennt sind, sondern sich überschneiden. So stellen beispielsweise die Entbehrlichkeit des Gesetzes und die fehlende Gesetzesregelung die Rückständigkeit des Gesetzes dar. 113 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 336, 337.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

sollen, wird die Aktiengesellschaft zunehmende Bedeutung in der chinesischen Volkswirtschaft gewinnen. Es ist eine dringende Aufgabe des chinesischen Gesetzgebers, die einschlägigen Strafnormen in §§ 165 – 169, 272 CStGB zu reformieren und zu modernisieren, um das Gesellschaftsvermögen vor gesetzeswidrigen Eingriffen ihrer Organmitglieder zu schützen. Die Einräumung des strafrechtlichen Schutzes des Vermögens aller Aktiengesellschaften in der künftigen Gesetzgebung allein reicht aber noch nicht zur effektiven Bekämpfung der treuwidrigen Handlungen der Organmitglieder aus. Aufgrund der sich schnell verändernden Erscheinungsformen der Wirtschaftsdelikte sollten die künftigen Strafnormen bezüglich des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer AG eine generalklauselartige Strafbestimmung als Ergänzung zur kasuistischen Aufzählung der Tathandlungen aufweisen, die aber mit dem in § 3 CStGB geregelten Bestimmtheitsgebot in Einklang steht. Nur so kann die Strafnorm im Laufe der Zeit auf die Änderungen der Erscheinungsformen der Straftaten in der Rechtspraxis angewendet werden. Darüber hinaus sollte der chinesische Gesetzgeber wegen des engen Zusammenhangs des Wirtschaftsstrafrechts mit dem Wirtschaftsrecht die relevanten Verhaltensnormen im chinesischen Gesellschaftsrecht künftig auf diesen Zusammenhang besser abstimmen und vervollständigen.

III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum In der chinesischen Literatur besteht bezüglich der Strafbarkeit der treuwidrigen Verhaltensweisen der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft insoweit Einigkeit, als dass die nicht staatseigenen Gesellschaften im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch unzureichend geschützt werden. Streitig ist jedoch die Frage, ob eine neue Untreuenorm, die sich an dem japanischen Recht anlehnt, welches wiederum die deutsche Untreuenorm als Vorbild nahm, geschaffen werden soll. Dabei haben sich zwei Ansichten herausgebildet. Nach der ersten Auffassung ist die Schaffung eines neuen Untreuetatbestandes im chinesischen Strafgesetzbuch nicht notwendig. Sie sieht das größte Problem beim strafrechtlichen Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen der Organmitglieder eher in der Ausklammerung der nicht staatseigenen Unternehmen in den §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB. Diese Auffassung erkennt die Auswirkungen der Wirtschaftsentwicklung auf das Strafrecht und befürwortet eine entsprechende punktuelle Änderung der einschlägigen Strafnormen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der systematische Aufbau der §§ 165 – 169, 272 CStGB nicht angetastet wird. Im Gegensatz dazu hält die zweite Auffassung eine radikale Modifikation der Strafnormen der §§ 165 – 169, 272 CStGB für notwendig. Sie geht davon aus, dass die hier genannten Strafvorschriften keine befriedigende Lösung zur Bekämpfung der zunehmenden, das Gesellschaftsvermögen schädigenden treuwidrigen Handlungen durch deren Organmitglieder darstellt und vielmehr eine umfassende Strafnorm

III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum

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der Untreue geschaffen werden sollte. Nachfolgend werden die Einzelheiten der oben dargestellten zwei Ansichten näher beleuchtet. 1. Erster Reformvorschlag: Beibehaltung der einschlägigen Strafnormen mit einigen inhaltlichen Änderungen Die Kernaussage dieses Lösungsansatzes im chinesischen Schrifttum lautet wie folgt: a) Ausgang: Gegen die Schaffung einer Untreuestrafnorm im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch Dieser Reformvorschlag geht zunächst davon aus, dass die Schaffung einer Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch nicht notwendig ist. Hierfür werden zwei Begründungen angeführt: Zum einen stellen nach dieser Ansicht die §§ 165, 166, 167, 168, 169, 272 CStGB, obwohl im geltenden Strafgesetzbuch keine umfassenden Untreuedelikte geregelt wurden, die typischen Untreuefällen der japanischen oder deutschen Untreuenorm dar.114 Im Gegensatz zu der abstrakten, sogar als vage bezeichneten Ausformulierung des Untreuetatbestands im ausländischen Recht seien die Vorteile der kasuistischen Umschreibung typischer Untreuefälle im geltenden chinesischen Strafrecht klar zu erkennen. Auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe erschwerten den Richtern die Subsumtion unter die einschlägigen Strafnormen.115 Ferner befürchten die Vertreter dieser Ansicht hinsichtlich des unbestimmten Untreuetatbestands im ausländischen Recht, dass, wenn der Gesetzgeber eine Untreuestrafnorm im chinesischen Strafgesetz aufnehmen würde, die Gefahr bestünde, dass sich die strafbaren Untreuehandlungen auf das normale rechtswidrige treuwidrige Verhalten der betreffenden Personen erweitern könnten. Ein typisches Beispiel hierfür ist, dass beim Vorschlag zur Schaffung einer neuen Untreuenorm im revidierten Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1997 einige Rechtswissenschaftler vorschlugen, die Nichtrückzahlung eines Darlehens als strafbare Untreuehandlung mit Strafe zu sanktionieren.116 Trotz der ablehnenden Haltung zur Schaffung einer Untreuestrafnorm im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch wird es, um den schutzlosen Zustand des Gesellschaftsvermögens zu verbessern, für notwendig erachtet, einige Änderungen im geltenden Strafrecht vorzunehmen.

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Chen, Hongbing/An, Wenlu, Beixin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhi luncong 2005, S. 81. Chen, Hongbing/An, Wenlu, Beixin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhi luncong 2005, S. 81. 116 Diese Beispiele werden von Chen, Hongbing und An, Wenlu im Artikel „Beixin xingwei de xingfa tanjiu“ bezüglich der herrschenden Ansicht zum Verzicht auf die Schaffung der Untreuenorm kurz erwähnt. 115

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

b) Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Gesellschaftsinteressen Vertreter dieser Ansicht versuchen die aktuellen Probleme der Strafnormen bezüglich des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft durch punktuelle inhaltliche Änderungen der einzelnen Strafbestimmungen zu beseitigen, vor allem die Beseitigung der Ungleichheit beim strafrechtlichen Schutz staatseigener und nicht staatseigener Unternehmen. aa) Abschaffung des unterschiedlichen strafrechtlichen Schutzes bei staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaften Die Reformbedürftigkeit hinsichtlich des unterschiedlichen strafrechtlichen Schutzes der staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaft wird dieser Ansicht nach in erster Linie mit den einschlägigen Verfassungsänderungen in den Jahren 2004 begründet. Dies wurde zuvor bereits ausführlich diskutiert. In der nachfolgenden Untersuchung werden die konkreten Reformvorschläge in der chinesischen Literatur zur Abschaffung des unterschiedlichen strafrechtlichen Schutzes der staatseigenen und nicht staatseigenen Unternehmen bezüglich der §§ 165 – 169 CStGB zusammengefasst. (1) Erweiterung der tauglichen Täterkreise Als das geltende chinesische Strafgesetzbuch im Jahr 1997 erlassen wurde, sah der Gesetzgeber den Schutz des Staatsvermögens als die Hauptaufgabe des Strafrechts an. Vor diesem Hintergrund wurden in §§ 165 – 169 CStGB die tauglichen Täter ausschließlich auf die Mitarbeiter der staatseigenen Unternehmen, Gesellschaften oder Einheiten beschränkt. Der unzureichende Schutz der nicht staatseigenen Unternehmen in den Strafnormen der §§ 165 – 169 CStGB soll dadurch beseitigt werden, dass die geltende Beschränkung der tauglichen Täter in §§ 165 – 169 CStGB als Mitarbeiter der staatseigenen Unternehmen künftig durch die Mitarbeiter aller Unternehmen (Gesellschaften), ohne Berücksichtigung der Eigentumsformen der Unternehmen, ersetzt werden soll.117 (2) Änderung des Taterfolgs Durch die Erweiterung des Täterkreises der §§ 165 – 169 CStGB auf Mitarbeiter aller Unternehmen müssen die anderen Tatbestandsmerkmale in den oben genannten Strafnormen entsprechend geändert werden. Nach Ansicht dieser Reformgruppe soll der Taterfolg in den künftigen §§ 165 – 169 CStGB nicht ein gravierender (erheblicher) Verlust des Staats, sondern ein Vermögensschaden am Unternehmen (Gesellschaft) für die strafrechtliche Verantwortlichkeit verlangt werden.118 117 118

Qu, Lingli, Shiheng de gongsi liyi guanxi yu xingfa baozhang, Hebei Faxue 2008, S. 141. Qu, Lingli, Shiheng de gongsi liyi guanxi yu xingfa baozhang, Hebei Faxue 2008, S. 141.

III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum

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bb) Verminderung der Strafandrohung Über die Abschaffung des differenzierten strafrechtlichen Schutzes der staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaften und die Beibehaltung der geltenden treuwidrigen Strafnormen hinaus kritisieren die Vertreter dieses Lagers auch die in §§ 165 – 169, 272 CStGB angewendeten Sanktionsarten. Sie gehen davon aus, dass die Strafandrohung der geltenden Untreuestrafnormen mit Freiheitsstrafe unangemessen streng ist und schlagen deshalb vor, dass neben der Freiheitsstrafe die Geldstrafe als Hauptstrafe in den oben genannten Strafnormen eingeführt wird. Darüber hinaus ist es auch sinnvoll, das Berufsverbot als Sanktion gegen Wirtschaftsdelikte im chinesischen Strafgesetzbuch zu etablieren. Beide Vorschläge orientierten sich an der ausländischen einschlägigen Gesetzgebung. So handele es sich bei den meisten Wirtschaftsdelikten, darunter auch die das Gesellschaftsvermögen schädigenden treuwidrigen Handlungen, welche durch Organmitglieder einer Aktiengesellschaft ausgeübt wurden, um Bereicherungsdelikte. Die Täter haben in der Regel die Absicht, sich durch vermögensschädigende Handlungen einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Aus diesem Grund ist die Geldstrafe im Vergleich zur Freiheitsstrafe ein effektiveres Mittel, um den unkorrekten Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen durch ihre Organmitglieder zu bekämpfen. Die Bedeutsamkeit der Einführung eines Berufsverbotes in den künftigen §§ 165 – 169 CStGB lässt sich mit folgenden zwei Aspekten begründen: zum einen ist dies wichtig unter Berücksichtigung der auf den Täter ausgerichteten Spezialpräventionsfunktion. Zum anderen hat das Verbot, dass die Täter nicht weiter als Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats oder in einer leitenden Position in einer Aktiengesellschaft tätig werden dürfen, eine Warnfunktion für die anderen leitenden Mitarbeiter.119 2. Zweiter Reformvorschlag: Schaffung einer Untreuenorm Gegenüber dem soeben aufgezeigten Reformvorschlag zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Gesellschaftsinteressen vor treuwidrigem Verhalten der Organmitglieder vertreten chinesische Rechtslehrer in letzter Zeit zunehmend die Ansicht, dass der Gesetzgeber künftig eine Untreuenorm nach dem Vorbild des ausländischen Rechts schaffen sollte. a) Überblick Der Vorschlag zur Schaffung einer allgemeinen Untreuenorm im chinesischen Strafgesetzbuch wurde nach dem Beginn der Wirtschaftsreform im Jahr 1997 bei der Diskussion zur Revidierung des chinesischen Strafgesetzbuches 1979 vom chinesischen Rechtswissenschaftler, Mingkai Zhang,120 vertreten, der sich wiederum 119 120

Qu, Lingli, Shiheng de gongsi liyi guanxi yu xingfa baozhang, Hebei Faxue 2008, S. 142. Zhang, Mingkai, Guanyu zengshe beixinzui de tantao, Zhongguo Faxue 1997, S. 67.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

am deutschen und japanischen Recht orientierte. Dieser Vorschlag wurde jedoch vom chinesischen Gesetzgeber nicht übernommen121, sondern es wurden stattdessen die sich aus der damaligen Wirtschaftspraxis ergebenden typischen treuwidrigen Handlungen am Vermögen der staatseigenen Unternehmen verstreut in zahlreichen Strafnormen angesiedelt. Hinsichtlich zahlreicher neuer Erscheinungsformen treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder einer Gesellschaft vertreten chinesische Strafrechtswissenschaftler122 in letzter Zeit zunehmend die Ansicht, dass die Probleme der §§ 165 – 169, 272 CStGB – der strafrechtlich unterschiedliche Schutz staatseigener und nicht staatseigener Unternehmen, die vage Tatbestandsformulierung, die Widersprüche der oben erwähnten Strafnormen mit dem revidierten Gesellschaftsrecht sowie die Unwirksamkeit der geltenden Strafnormen zur Bekämpfung der vielfältigen neu aufgetauchten treuwidrigen vermögensschädigenden Handlungen der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft123 – durch Schaffung eines neuen Untreuetatbestands beseitigt werden könnten. Nicht zuletzt greifen die Anhänger der Schaffung einer neuen Untreuenorm auf die geschichtliche Entwicklung der Untreuenorm in China zurück. Bereits im Jahr 1910 existierte in China eine allgemeine Untreuenorm im Strafgesetzbuch Qings, das sich im Wesentlichen an japanisches Strafrecht anlehnte, welches wiederum seinerseits überwiegend dem deutschen Recht nachgebildet war. Diese Untreuenorm wurde fast unverändert in den folgenden Strafgesetzbüchern der Kuomingtang Regierung übernommen124 und wurde erst mit der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 außer Kraft gesetzt.125

121 Einige vertreten die Ansicht, dass der Gesetzgeber den Vorschlag zur Schaffung einer allgemeinen Untreuenorm teilweise doch angenommen habe, indem die zahlreichen einzelnen Strafnormen, welche eigentlich von speziellen Untreuefällen handeln, im revidierten Strafgesetzbuch 1997 festgelegt wurden. Ren, Yanjun, Woguo xingfa zhong beixin fanzui de lifa wanshan, Lanzhou Shangxue yuan xuebao 2008, S. 89. 122 Chen, Hongbing/An, Wenlu, Bexin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhiconglun 2005, S. 80; Deng, Duowen, Gongsi gaoguan zhongshi yiwu xingfa tiaokong jizhi de lifa wanshan, Shangchang xiandaihua 2008, S. 275; Zhang, Mingkai, Guanyu zengshe beixinzui de tantao, Zhongguo Faxue 1997, S. 67. 123 Chen, Hongbing/An, Wenlu, Bexin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhiconglun 2005, S. 80; Deng, Duowen, Gongsi gaoguan zhongshi yiwu xingfa tiaokong jizhi de lifa wanshan, Shangchang xiandaihua 2008, S. 275. 124 Nämlich in das Strafgesetzbuch 1912, das Strafgesetzbuch von 1928 und das Strafgesetzbuch von 1935. Die erste Untreuenorm wurde in § 383 des Strafgesetzbuches 1912 geregelt. Sie hatte folgenden Wortlaut: „Die Personen, die für andere die Geschäfte erledigen, werden, wenn sie gegen ihre Pflicht absichtlich zum Vermögensnachteil der anvertrauten Person handeln, um sich selber oder dritte Personen zu bereichern oder die anvertrauende Person zu benachteiligen, mit Gefängnis oder mit Geldstrafe von 100 bis zu 1000 Yuan bestraft.“ Zhang, Mingkai, Guanyu zengshe beixinzui de tantao, Zhongguo Faxue 1997, S. 68.

III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum

187

Da sich der Reformvorschlag zur Schaffung einer Untreuenorm im chinesischen Strafgesetzbuch im Wesentlichen an das japanische (und auch das deutsche) Recht anlehnt, werden die Inhalte des vorgeschlagenen Untreuetatbestands in der chinesischen Literatur fast eins zu eins aus dem Untreuetatbestand der beiden oben genannten Länder übernommen. Während es sich beim Untreuedelikt im japanischen Recht um ein Delikt mit Bereicherungsabsicht handelt, ist die Bereicherungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal der Untreuenorm im deutschen Recht nicht erforderlich. Je nachdem, ob man sich am japanischen oder am deutschen Recht orientiert, gehen manche Rechtsgelehrte davon aus, dass eine Bereicherungsabsicht des Täters keine Voraussetzung der Strafbarkeit der Untreue in einer künftigen chinesischen Untreuenorm darstellt, während andere hingegen die Bereicherungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal der Untreue verlangen.126 Die zuerst genannte Meinung ist die herrschende Meinung innerhalb des Reformvorschlages zur Schaffung einer Untreuenorm.127 Laut Vorschlag von Prof. Zhang, Mingkai sollte die Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch wie folgt geregelt werden: „Personen, die für andere Angelegenheiten erledigen, werden, wenn sie gegen ihre Pflicht handeln und dabei einen Schaden des anvertrauten Vermögens verursachen , um sich selbst oder dritte Personen zu bereichern oder den Treugeber zu benachteiligen, mit Freiheitsstrafe bis zu 7 Jahren oder mit Gewahrsam bestraft, zugleich oder in selbständiger Weise mit Geldstrafe belegt“.128

Abgesehen vom Strafrahmen, für den Prof. Zhang eine Freiheitsstrafe von bis zu 7 Jahren vorschlägt, während andere Rechtsgelehrte einen Strafrahmen von bis zu 5 Jahren bei Untreudelikten für angemessen halten, stimmen die übrigen vorgeschlagenen Untreuenormen mit der hier dargestellten Untreuebestimmung überein. Alle Reformvorschläge setzen die Bereicherungsabsicht als das notwendige subjektive Element für die Strafbarkeit der Untreue voraus. Die treuwidrigen Handlungen zulasten des ihnen von der Person anvertrauten Vermögens werden in der Untreuenorm nicht aufgezählt, sondern allgemein beschrieben. Daher ist der Umfang seiner Anwendbarkeit weitgehender als der des ersten Reformvorschlags unter Beibehaltung der §§ 165 – 169, 272 CStGB. Ein weiterer Unterschied zum ersten Reformvorschlag ist, dass der Untreuetatbestand auf den Taterfolg des „gravierenden Vermögensschadens“ zulasten der anvertrauenden Personen – im 125

Herrenkirchen, Das Strafrecht der VR China unter besonderer Berücksichtigung des sowjetischen Strafrechts, S. 18; Yang, Qingwen, Dangdai zhongguo xingfashi yanjiu, S. 19, 20. 126 Sun, Mingxian, Beixinzui de bijiao yanjiu, Tongjifaxue xuebao (Shehuikexueban) 2004, S. 53. 127 Chen, Hongbing/An, Wenlu, Bexin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhiconglun 2005, S. 81; Zhang, Mingkai, Buke zaici hulüe beixinzui, in: Gao, Mingxuan (Hrsg.), Xingfa xiugai jianyi wenji, S. 603, 608. 128 Zhang, Mingkai, Buke zaici hulüe beixinzui, in: Gao, Mingxuan (Hrsg.), Xingfa xiugai jianyi wenji, S. 608.

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D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

Fall der Organuntreue ist dies die Aktiengesellschaft – verzichtet. Die Gemeinsamkeit beider Reformvorschläge besteht jedoch darin, dass ebenfalls wie beim ersten Reformvorschlag in der neu vorgeschlagenen Untreuenorm die differenzierte strafrechtliche Behandlung der staatseigenen und nicht staatseigenen Gesellschaft aufgehoben wird. b) Streitfragen Da der Vorschlag zur Schaffung einer neuen Untreuenorm im chinesischen Schrifttum relativ neu ist, herrscht noch Unklarheit bezüglich einiger wichtiger Fragen, beispielsweise, wie das Verhältnis zwischen der neu geschaffenen Untreuenorm und den vorhandenen §§ 165 – 169, 272 CStGB im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch aussehen soll. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Frage, ob mit der Schaffung der neuen Untreuenormen die geltenden §§ 165 – 169, 272 abgeschafft werden sollen. Nicht geklärt ist aber auch, ob eine allgemeine oder spezielle Organuntreuenorm geschaffen werden soll. Falls eine spezielle Organuntreuenorm geschaffen werden soll, stellt sich die weitere Frage, wo diese Untreuenorm festgelegt werden soll, ob im Gesellschaftsgesetz oder im Strafgesetzbuch. aa) Unklarheit über das Verhältnis zwischen der Untreuestrafnorm und den vorhandenen treuwidrigen Strafnormen Die Frage, ob mit der Schaffung der neuen Untreuenormen der Fortbestand der geltenden §§ 165 – 169, 272 CStGB überflüssig wird, wird bis heute von den überwiegenden Befürwortern der Schaffung eines Untreuestraftatbestands im chinesischen Schrifttum übergangen.129 Die vereinzelten Aussagen zu dieser Frage sind in der Literatur widersprüchlich. Teilweise130 wird vorgeschlagen – da es sich bei den §§ 165 – 169 Abs. 1 CStGB um treupflichtwidriges Verhalten der Organmitglieder handele –, dass die oben genannten Strafnormen in der Organuntreue der börsennotierten Aktiengesellschaft (§ 169 Abs. 2 CStGB) zusammengefasst werden sollten. Dabei soll der Anwendungsbereich des § 169 Abs. 2 CStGB über die börsennotierte Aktiengesellschaft hinaus auf alle Gesellschaften erweitert werden. Im Gegensatz dazu vertreten andere die Auffassung, dass die §§ 165 – 169, 272 CStGB ersatzlos gestrichen werden sollten. Das Fortbestehen der vorhandenen Strafnormen der §§ 165 – 169, 272 CStGB werde mit der Schaffung einer neuen Untreuestrafnorm überflüssig, da unter der neuen Untreuenorm die speziellen Untreuefälle, die in den oben genannten Strafnormen geregelt sind, bereits erfasst werden.131 129

Chen, Hongbing/An, Wenlu, Bexin xingwei de xingfa tanjiu, Fazhiconglun 2005, S. 81. Wang, Zhiwen, Qingfan shangshigongsi liyi fanzui zhi xingfa zhili, in: 2007 niandu zhongguo xingfaxue nianhui, S. 1860, 1861. 131 Wang, Lizhi, Qinfan shangshi gongsi liyi fanzui zhi xingfa zhili, in: 2007 niandu zhongguo xingfaxue nianhui, S. 1860. 130

III. Reformvorschläge im chinesischen Schrifttum

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Zuletzt gehen einzelne Rechtsgelehrte132 davon aus, dass die §§ 165 – 169, 272 CStGB als spezielle Untreuetatbestände auch weiterhin im künftigen chinesischen Strafgesetzbuch beibehalten werden sollten. Um die vorhandenen gesetzlichen Lücken und die Rückständigkeit gegen die treuwidrigen Straftaten der Organmitglieder einer Gesellschaft, die zu Vermögensschäden an der Gesellschaft führen, zu beseitigen, sollte der Gesetzgeber eine allgemeine Untreuestrafnorm als Auffangtatbestand im künftigen Strafrecht schaffen. Das Verhältnis zwischen den herkömmlichen Strafbestimmungen und der Untreuestrafnorm ist das der Spezialität. Bei der Anwendung haben die ersteren eine vorrangige Stelle gegenüber der letzteren.133 Die Koexistenz der speziellen und allgemeinen Untreuetatbestände zeige einerseits die große Anpassungsfähigkeit an die vielfältige Wirtschaftsrealität, in der die neuen vielfältigen Untreuestraftaten entstehen könnten. Andererseits könne hierdurch die Stabilität des geltenden Strafgesetzbuches gewährleistet werden. bb) Unklarheit bei der Schaffung eines allgemeinen Untreuetatbestands oder eines Sonderorganuntreuetatbestands Bei der Schaffung der Untreuestrafnorm empfiehlt die Mehrheit134, einen allgemeinen Untreuetatbestand zu schaffen, vereinzelt wird dagegen auch die Schaffung eines Sonderuntreuetatbestands befürwortet. Der Sonderuntreuetatbestand ist nicht gleichzusetzen mit den oben genannten „speziellen Untreuetatbeständen“ der §§ 165 – 169, 272 CStGB, vielmehr wird darunter verstanden, dass der allgemeine Untreuetatbestand sich in seiner Anwendbarkeit ausschließlich auf die Organuntreue einer Gesellschaft beschränkt. Dabei können nur bestimmte Personen innerhalb der Gesellschaft, wie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Gründer oder Manager als taugliche Täter wegen Untreue bestraft werden.135 Anders als die „speziellen Untreuetatbestände“ werden die für die strafrechtliche Verantwortlichkeit erforderlichen Untreuetathandlungen in der Sonderuntreuenorm nicht aufgezählt, sondern allgemein geregelt.

132 Gao, Qingguo, Zhengshe beixinzui de lifa jianyi, Zhengzhou jingji guanli ganbu xueyuan xuebao 2004, S. 58; Ren, Yanjun, Woguo xingfa zhong beixin fanzui de lifa wanshan, Lanzhou Shangxue yuan xuebao 2008, S. 88. 133 Ren, Yanjun, Woguo xingfa zhong beixin fanzui de lifa wanshan, Lanzhou Shangxue yuan xuebao 2008, S. 90. 134 Bao, Jian, Woguo xingfa ying zengshe beixinzui zhi tantao, Shangdong faxue 1996, S. 31; Deng, Duowen, Gongsi gaoguan zhongshi yiwu xingfa tiaokong jizhi de lifa wanshan, Shangchang xiandaihua 2008, S. 275; Sun, Mingxian, Beixinzui de bijiao yanjiu, Tongji faxue xuebao (Shehuikexueban) 2004, S. 53; Wu, Jinshui, Sheli beixinzui zhi tantao, Zhengzhiyufalü 1995, S. 54; Yin, Jianfeng/Zhang, Yong, Beixin caozhong shangshigongsi zui yanjiu, S. 742. 135 Diese haben sich vor allem an den Sonderuntreuetatbestand im japanischen Handelsgesetzbuch angelehnt. Qiao, Jun, Gongsifa xiuding yu xiangguan xingshi lifa de wanshan, Xueshu Jiaoliu 2006, S. 42.

190

D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

Die Uneinheitlichkeit bezüglich der Auswahl zwischen allgemeinem oder besonderem Untreuetatbestand ergibt sich im chinesischen Schrifttum aus der unterschiedlichen Gesetzgebung bei den Untreuenormen im ausländischen Recht. Je nach Fokussierung der jeweiligen chinesischen Autoren auf das deutsche oder japanische Recht wurden der allgemeine oder der Sonderuntreuetatbestand als künftiger Lösungsansatz entwickelt. Während nach geltendem deutschem Strafrecht ein allgemeiner Untreuetatbestand festgelegt ist, besteht im japanischen Recht neben einer allgemeinen Untreuenorm im Strafgesetzbuch noch eine spezielle Organuntreuenorm im Handelsgesetzbuch. Eine tief greifende Begründung zum künftigen Modell der Untreue – allgemeine oder spezielle Untreuestrafnorm – gibt es in der bisherigen chinesischen Literatur leider nicht.

IV. Kritische Bewertung der Reformvorschläge 1. Ablehnung des Reformvorschlages mit Beibehaltung der einschlägigen Strafnormen als künftiger Lösungsansatz Wenn beim Reformvorschlag auf die Schaffung der Untreuenorm verzichtet und stattdessen einige punktuelle Änderungen der einschlägigen Strafnormen betrachtet werden, ist ihre positive Auswirkung im Vergleich zu den gegenwärtigen Strafnormen auf jeden Fall zu bejahen. Gegenüber den geltenden Strafnormen bezüglich des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder machen die oben ausgeführten Reformvorschläge einen großen Fortschritt, indem dem Vermögen der nicht staatseigenen Unternehmen der gleiche strafrechtliche Schutz wie bei staatseigenen Unternehmen eingeräumt wird. Systematisch betrachtet scheint der oben genannte Vorschlag jedoch keine optimale Lösungsalternative zu sein. Es wird davon ausgegangen, dass der systematische Aufbau der Strafnormen der §§ 165 – 169, 272 CStGB unverändert beibehalten wird und die einzelnen Probleme wie der strafrechtlich vernachlässigte Schutz der nicht staatseigenen Unternehmen durch die Änderungen der betreffenden Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Strafnorm zu beseitigen sind. Allerdings übersehen die Vertreter dieses Reformvorschlages, dass die einschlägigen Strafnormen im geltenden chinesischen Strafgesetzbuch nicht nur ein Problem bei der Vernachlässigung des strafrechtlichen Schutzes der nicht staatseigenen Unternehmen darstellen, sondern darüber hinaus noch Probleme der Gesetzgebungstechnik bestehen. So können die durch die kasuistische Strafbestimmung verursachten gesetzlichen Lücken nicht vollständig durch die vereinzelten Änderungen der §§ 165 – 169, 272 CStGB beseitigt werden. Darüber hinaus konzentriert sich der oben genannte Reformvorschlag nur auf die einzelnen Strafnormen ohne Berücksichtigung der außerstrafrechtlichen Änderungen, wie im Gesellschaftsrecht. Im Kapitel C. und auch im vorliegenden Kapitel wurde bereits das enge Verhältnis der Strafnormen zu dem treuwidrigen Verhalten der

IV. Kritische Bewertung der Reformvorschläge

191

Organmitglieder und den gesellschaftsrechtlichen allgemeinen Verhaltensnormen erklärt. Letztere bilden die Grundlage für die einschlägige strafrechtliche Gesetzgebung, wobei deren Änderungen auch zu Änderungen der entsprechenden Strafnormen führen. Insoweit muss ein solch isolierter und fragmentarischer Reformvorschlag abgelehnt werden und es ist zu überlegen, ob der systematische Aufbau der geltenden §§ 165 – 169, 272 CStGB geändert werden soll. 2. Problem des Reformvorschlags zur Schaffung einer Untreuenorm Im Vergleich zum vorherigen Reformvorschlag, der sich mit der künftigen Änderung der einzelnen Strafnormen der §§ 165 – 169, 272 CStGB beschäftigt, liegt der Vorteil des hier genannten Reformansatzes zur Schaffung eines Untreuedeliktes darin, dass die lückenhaften Strafnormen vervollständigt werden und eine große Anpassungsfähigkeit an die künftige Entstehung vielfältiger neuer Untreuehandlungen unter Berücksichtigung der rasanten Wirtschaftsentwicklung in China bestehen würde. In dieser Hinsicht zeigt der Reformvorschlag zur Schaffung der Untreuenorm auch eine positive Auswirkung auf die Stabilität des künftigen Strafgesetzbuches. Trotz Zustimmung zu den positiven Aspekten dieser Reformvorschläge ist aber zu erkennen, dass der Reformvorschlag zur Schaffung einer Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafrecht keine durchdachte Lösung darstellt. Der Reformvorschlag stellt deshalb keine durchdachte Lösung dar, weil die Anhänger bis heute noch nicht die grundsätzliche Frage beantwortet haben, warum in China überhaupt strafrechtliche Mittel zur Bekämpfung von vermögensschädigenden treuwidrigen Verhalten der Organmitglieder einer AG eingesetzt werden sollen. Schließlich gehört die strafrechtliche Sanktion zur Staatsgewalt und im Wesentlichen handelt es sich bei der Strafe um ein Übel, da sie einen Eingriff in die Rechtssphäre des Täters darstellt. Um die Individuen vor willkürlicher Staatsgewalt zu schützen, muss der Einsatz strafrechtlicher Mittel gerechtfertigt sein. Hinsichtlich des Totalitäts- und Instrumentalcharakters des chinesischen Strafrechts ist es insbesondere wichtig, die Notwendigkeit der strafrechtlichen Androhung gegen das Individuum zu prüfen. Eine durchdachte Lösung ist dieser Ansatz auch deshalb nicht, weil die Anhänger in der bisherigen chinesischen Literatur nicht nach der Wirksamkeit der Untreuenorm im deutschen (oder japanischen) Recht zur Bekämpfung von vermögensschädigenden Handlungen des Treunehmers gefragt haben. Es kann sein, dass die Rechtsnorm, obwohl sie im ausländischen Recht bis heute existiert, kaum praktische Bedeutung besitzt (vergleichbar mit der praktischen Bedeutungslosigkeit der §§ 165 – 169 CStGB). Mann nennt solche Rechtsnormen „Dead Letter Law“. Aus diesem Grund sollten die Vertreter vor Übertragung der ausländischen Rechtsnorm in eigenes Recht zunächst die Möglichkeit ausschließen, dass es sich hier um ein dead letter law handelt.

192

D. Reformbedürftigkeit der Strafnormen

Letztlich ist es auch deshalb keine durchdachte Lösung, weil die Anhänger keine sorgfältige und systematische Untersuchung des Untreuetatbestands im ausländischen Recht durchgeführt haben. Die Voraussetzung für einen erfolgreichen Transfer des ausländischen Rechts in eigenes Recht ist eine grundsätzliche, systematische Analyse der ausländischen Rechtsnorm. Dies betrifft zum Beispiel: das geschützte Rechtsgut, den Aufbau und die Eigenarten des Tatbestandes, die Probleme bei der Auslegung der Rechtsnorm oder bei deren Anwendung. All diese Erkenntnisse schaffen die Grundlage zur Beurteilung der Übertragungsmöglichkeit der ausländischen Rechtsnorm in eigenes Recht. Bezüglich der vorliegenden Arbeit lässt sich die unzureichende Untersuchung der Untreuenorm im ausländischen Recht durch ein kleines Beispiel belegen. Während nach deutschem Strafrecht das durch den Untreuetatbestand des § 266 DStGB als geschützte Rechtsgut allein „das fremder Hand anvertraute Vermögen“ des Treugebers136 ist, wird von vielen chinesischen Rechtswissenschaftlern bei der Behandlung der Untreueregelungen im deutschen Recht angenommen, dass nach deutschem Recht das Vertrauen des Treugebers und die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs137 als Rechtsgüter durch die strafrechtliche Untreuenorm geschützt werden sollen.138 Einige Befürworter der Schaffung einer Untreuenorm in der chinesischen Literatur begründen die Notwendigkeit der Untreue in China sogar damit, dass die strafrechtliche Sanktionierung der Verletzung des Vertrauens und der Redlichkeit sich positiv auf die Verbesserung der Glaubwürdigkeit des Individuums in der Marktwirtschaft auswirkt.139 Hinter dieser falschen Auslegung steht folgendes: Während in Deutschland das Verhältnis zwischen Moral und Recht seit langem geklärt ist, gehen viele chinesische Rechtsgelehrte davon aus, dass unmoralische Handlungen auch strafrechtlich sanktioniert werden sollten. Aufgrund dieser Problematik des Reformvorschlags zur Schaffung einer Untreuenorm in der gegenwärtigen chinesischen Fachliteratur wird im nachfolgenden Kapitel (Kapitel E.) eine systematische und sorgfältige Untersuchung der Untreuenorm im deutschen Recht durchgeführt. Die Notwendigkeit einer Strafandrohung gegen vermögensschädigendes treuwidriges Verhalten von Organmitgliedern einer AG wird in Kapitel F. bezüglich des eigenen Lösungsansatzes näher behandelt. Für die vorliegende Arbeit wurde die Untreuenorm im deutschen Recht deshalb ausgewählt, weil sich die Untreuenorm des japanischen Rechts ausschließlich am deutschen Recht anlehnt. Ein Grundsatz der Rechtsvergleichung lautet, dass auf136 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 30; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 28; Wessels/Hillenkamp, BT II, Rn. 747. 137 Zur früher abweichenden Meinung. Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“ im Rahmen des Missbrauchstatbestandes der Untreue, 1976, S. 42. Heute wird diese Ansicht im deutschen Schrifttum nicht mehr vertreten. 138 Huang, Xin, Zhongguo xingshifa zhazhi 2009, S. 49; Zhang, Mingkai, Guanyu zengshe beixinzui de taolun, Zhongguo faxue 1997, S. 68. 139 Ren, Yanjun, Woguo xingfazhong beixin fanzui de lifa wanshan, Lanzhou shangxue xuebao, S. 89; Yin, Jianfeng, Beixin caozhong shangshi gongshizui shiwu wentiyanjiu, in: 2007 niandu zhongguo xingfaxue niandu lunwenji, S. 1823.

IV. Kritische Bewertung der Reformvorschläge

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grund der höheren Qualität und Ursprünglichkeit der Mutterordnung ein Vergleich in der Regel mit der Mutterordnung unter Außerachtlassung der Tochterrechte durchgeführt werden sollte.140 Bei der nachfolgenden Untersuchung sind schwerpunktmäßig folgende Fragen zu klären: (1) Ob die Untreuenorm in der deutschen Rechtspraxis wirksam das durch Organmitglieder einer AG gegenüber dem Gesellschaftsvermögen verwirklichte treuwidrige Verhalten bekämpfen kann? (2) Wie die Untreuenorm im deutschen Recht geregelt ist und welche Eigenarten die deutsche Untreuenorm aufweist? (3) Ob es Probleme oder Streitfragen bei der Auslegung der Untreuenorm im deutschen Schrifttum gibt und falls ja, welche es sind? Ferner, welche Auswirkung die ungeklärte Rechtslage auf die Übertragung der Untreuenorm in künftiges chinesisches Recht hat? Die erste und dritte Frage haben eine Filterfunktion. Falls die Untreuenorm im deutschen Recht kaum praktische Bedeutung hat oder erhebliche Probleme bei der Auslegung bzw. Anwendung auftauchen und sich die Norm dabei als reformbedürftig erweist, wäre dem chinesischen Gesetzgeber zu empfehlen, die Übertragung der deutschen Untreuenorm ins künftige chinesische Recht zunächst zu unterlassen.

140

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1996, S. 40.

E. Rechtsvergleichende Betrachtung – Die Strafbarkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens im deutschen Recht I. Aktueller Zustand der Untreuenorm im deutschen Recht zur Bekämpfung des treuwidrigen Verhaltens von Organmitgliedern zulasten der Aktiengesellschaft In Deutschland ergibt sich die Organuntreue1, also die strafrechtliche Verantwortung des Vorstandes und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft für treupflichtwidrige schädigende Maßnahmen gegenüber dem Gesellschaftsvermögen, ausschließlich aus der Untreuenorm des § 266 DStGB. Nach § 266 DStGB macht sich strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht oder wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrag, Rechtsgeschäfts oder Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem Vermögen des Treugebers einen Nachteil zufügt. In der deutschen Strafrechtswissenschaft wird nach der überwiegenden Ansicht die Effizienz der strafrechtlichen Untreuenorm zur Bekämpfung des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft bejaht. Ransiek bezeichnet die Untreue als vielgestaltige Strafvorschrift, auf die in einem Strafrecht, welches sich auch gegen die „Großen und Mächtigen“ wende, nicht verzichtet werden könne.2 Auch Seier sieht § 266 DStGB als praktisch unverzichtbares Mittel für eine wirksame Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.3 In der aktuellen deutschen Rechtspraxis gibt es eine Reihe spektakulärer Strafverfahren zur Untreue. In der Strafrechtsliteratur sprechen einige Strafrechtswissenschaftler sogar von einer „Hochkonjunktur des Untreuetatbestands“.4 Nennenswerte Untreueprozesse im Rahmen der Organuntreue sind beispielsweise der Mannes1 Im Schrifttum werden die Untreuefälle, in denen die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zum Nachteil ihrer eigenen Gesellschaft handeln, als „Organuntreue“ bezeichnen. Organuntreue ist keine strafrechtliche Bezeichnung. Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 89; Schilha, Die Aufsichtsratstätigkeit in der AG im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung, S. 212. Fn. 1; Schünemann, Organuntreue. 2 Ransiek, ZStW 2004, S. 634, 677. 3 Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 19. 4 Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 113.

I. Aktueller Zustand der Untreuenorm im deutschen Recht

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mann-Prozess5, die Untreue bei der Bankgesellschaft Berlin AG6, bei der Siemens AG7 sowie bei der Volkswagen AG8. Im Vergleich zu anderen Vermögensdelikten, wie dem Betrug, unterscheidet sich die Untreue durch die enormen Schadenssummen, die sich auf alle Lebensbereiche erstreckende umfangreiche Anwendbarkeit sowie die zur hohen sozialen Schicht gehörenden Täter, beispielsweise bei der Organuntreue die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats einer AG. Letztere haben Untreuedelikte zur echten Wirtschaftskriminalität gemacht.9 Mit den spektakulären Untreueprozessen rückt der Straftatbestand der Untreue gegenwärtig in den Mittelpunkt der Diskussion in der Öffentlichkeit und der Fachliteratur. Trotz des Vorwurfs einiger Rechtswissenschaftler, dass mit der gestiegenen Anwendungshäufigkeit in der deutschen Rechtspraxis die Untreue für sachfremde politische10 und moralische11 Zwecke instrumentalisiert werde, ist feststellbar, dass es sich bei der Untreuenorm im deutschen Recht in keinem Fall um ein dead letter law handelt, sondern in der Rechtspraxis als Mittel zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor rechtswidrigen Eingriffen der Organmitglieder einer Gesellschaft eingesetzt wird. Die große Bedeutung der Untreue für die Aktiengesellschaft lässt sich mit dem Strafzweck der Untreue und der mächtigen Stellung der Organmitglieder innerhalb der Gesellschaft erklären. Der Strafgrund der Untreue ist die Abhängigkeit und Verletzbarkeit des Vermögensinhabers, der seine Vermögenswerte in fremde Hände legt. Anderes als bei den Vermögensdelikten des Diebstahls, der Erpressung und des Betrugs, greift der Täter nach § 266 DStGB nicht in rechtswidriger Weise von außen auf das Vermögen zu, sondern nutzt die ihm zu einem bestimmten Zweck übertragene Verfügungsbefugnis über Vermögen zur Schädigung aus.12 Untreue ist die Schädigung fremden Vermögens „von innen heraus“.13 Da aufgrund der Trennung von Eigentum und Verwaltung moderner Aktiengesellschaften die Organmitglieder ihre Machtstellung leicht zum Nachteil der eigenen Gesellschaft missbrauchen können, ist die Gefahr für die Aktiengesellschaft groß, dass deren Vermögensinteressen durch ihre Vermögensverwalter beeinträchtigt werden.

5

3. Strafsenat, Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 Strafsenat 470/04, ZIP 2006, S. 72. FAZ vom 16. 03. 2004, S. 6. 7 FAZ vom 17. 11. 2006, S. 18. 8 FAZ vom 26. 01. 2007, S. 11. 9 Seier, Die Untreue als „Allzweckwaffe“, in: Kohlmann (Hrsg.), Entwicklung und Probleme des Strafrechts an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 106. 10 Hamm, NJW 2005, 1993. 11 Matt, NJW 2005, S. 389, 390. Die Moralkritik an der Untreuenorm wird später bei der geschichtlichen Entwicklung der Untreue behandelt. 12 Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 266/Rn. 10. 13 Dierlamm, in: Münchener Komm. StGB, § 266/Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/ Rn. 1. 6

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Die große gesellschaftliche Auswirkung der Anwendung des Untreuetatbestandes in der Rechtspraxis ist nicht zu übersehen. In einigen Fällen wurde sogar die Schaffung neuer Gesetzesregelungen veranlasst. Ein typischer Fall hierfür ist das Mannesmann-Verfahren, in dem es sich um eine rechtswidrige Vergütungsentscheidung des Aufsichtsrats in Bezug auf die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft handelt. In den deutschen Medien wurde das Mannesmann-Verfahren aufgrund der extrem hohen Schadenssumme14 sowie des hohen Bekanntheitsgrades einiger Angeklagter15 als „eines der spektakulärsten Wirtschaftsstrafverfahren der Nachkriegsgeschichte“16 in Deutschland bezeichnet. Durch den Mannesmann-Strafprozess17 wurde auf der einen Seite die Diskussion über die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen im aktienrechtlichen Fachschrifttum angefacht. Auf der anderen Seite hat das Strafverfahren zu einer Reaktion des Gesetzgebers geführt. Beispielsweise wird in den Corporate Governance Kodex18 und das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütungen19 eingefügt, dass die Zukunftsaussichten des Unternehmens und die Üblichkeit der Vergütung auch als maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit der Vorstandsvergütung gelten. Im Kapitel D. der vorliegenden Arbeit zur kritischen Bewertung der Reformvorschläge im aktuellen chinesischen Schrifttum wurde erwähnt, dass eine Übertragung der Untreuenorm aus dem deutschen Recht ins künftige chinesische Recht von Anfang an ausgeschlossen werden sollte, wenn die deutsche Untreuenorm als Dead Letter Law in der deutschen Rechtspraxis kaum angewendet würde. Nach der hier soeben skizzierten Wirksamkeit der Untreuenorm zur Bekämpfung treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft, ist die erste Voraussetzung für eine Übertragung der deutschen Untreue in chinesisches Recht erfüllt. Nachfolgend wird der Aufbau der Untreuenorm im deutschen Recht behandelt, wobei schwerpunktmäßig zu prüfen ist, ob bei der Auslegung oder Anwendung der Untreuenorm Probleme existieren, aus denen sich eine Reformnotwendigkeit des Untreuetatbestands ergibt. Darüber hinaus ist bei der Untersuchung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG wegen treuwidrigen Verhaltens gemäß § 266 DStGB im Falle einer Befürwortung der Übernahme dieser Vorschrift in das chinesische Recht zu klären, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die

14

16 Mio. Euro Anerkennungsprämie und daneben noch die Abfindungen in Höhe von 17 Mio. Euro. 15 Angeklagter Josef Ackermann, aktueller Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Joachim Zwickel, damaliger Aufsichtsrats- und früherer Vorstandschef von Mannesmann; Klaus Esser, damaliger Vorstandsvorsitzender der Mannesmann AG. 16 Baums, in: FS Huber 2006, S. 657; Günther, in: FS Weber 2004, S. 311. 17 Mehr dazu: http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/mannesmann_ab findungen/prozess/interview_kort.jhtml?rubrikenstyle=wirtschaft&rubrikenstyle=wirtschaft. 18 Gesetztext: http://bundesjustizministerium.biz/files/-/3023/Corporate%20Governance %20Kodex_180609.pdf. 19 BGB1, I, 2009, S. 2509.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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Wirksamkeit der Untreuenorm zur Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten bewahren zu können.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG wegen treuwidrigen Verhaltens gemäß § 266 DStGB 1. Ausgangspunkt: Verhältnis zwischen Untreuetatbestand und Zivilrecht Da § 266 DStGB keine genaue Beschreibung der Tathandlung aufweist, muss für die Feststellung der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht auf außerstrafrechtliche Pflichtnormen zurückgegriffen werden. Für die Beurteilung der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft sind in erster Linie die im Aktienrecht geregelten Rechte und Pflichten der hier genannten Personen von Relevanz. Vor der Untersuchung der gesellschaftsrechtlichen Funktion von Vorstand und Aufsichtsrat wird zunächst das Verhältnis zwischen den gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft zum Untreuetatbestand im deutschen Strafrecht geklärt. Im deutschen Schrifttum knüpft die Untersuchung des Verhältnisses der gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft und dem Untreuetatbestand an das allgemeine Verhältnis des Strafrechts zu den außerstrafrechtlichen Rechtsordnungen an.20 Die Grundsätze, die sich in der Diskussion über das Verhältnis des Strafrechts zu außerstrafrechtlichen Rechtsgebieten entwickelt haben, sollen auch für das Verhältnis des Untreuetatbestands zum Gesellschaftsrecht gelten. a) Allgemeines Verhältnis des Strafrechts zu den außerstrafrechtlichen Rechtsgebieten Die Diskussion über das Verhältnis des Strafrechts zum Zivilrecht hat in der deutschen Strafrechtswissenschaft eine lange Tradition und ist bis zum heutigen Tag noch nicht beendet.21 Unter Berücksichtigung des rechtsvergleichenden Charakters der vorliegenden Arbeit werden nachfolgend nicht alle Meinungsstände22 zu diesem Thema untersucht, sondern lediglich die herrschende Ansicht im heutigen deutschen Schrifttum skizziert. Nach der herrschenden Auffassung steht das Strafrecht in relativer Abhängigkeit zu den anderen Rechtsgebieten. Maurach führt aus, dass das Strafrecht „gegenüber den anderen Rechtsgebieten in seinen Folgen grundsätzlich unabhängig, in seinen

20 21 22

Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 37. Dierlamm, StraFo 2005, S. 398. Mehr dazu siehe: Dierlamm, StraFo 2005, S. 397 – 398; Flum, Schutz der GmbH, S. 6 – 8.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Voraussetzungen dagegen bedingt abhängig“ sei.23 Grundsätzlich folgt das Strafrecht eigenen Regeln und Prinzipien. Die außerstrafrechtlichen Normen und Wertungen werden nur unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der jeweiligen Strafrechtsnorm übernommen.24 Das Strafrecht kann bei der Verwendung zivilrechtlicher Begriffe als Tatbestandsmerkmale durchaus von der zivilrechtlichen Auslegung abweichen.25 In dieser Hinsicht ist das Strafrecht autonom. Allerdings stößt die Selbständigkeit des Strafrechts dort an ihre Grenzen, wo Widersprüche zwischen dem Strafrecht und anderen Rechtsgebieten auftreten, da das Strafrecht verpflichtet ist, die Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass das, was in anderen Rechtsgebieten erlaubt ist, nicht strafrechtlich geahndet werden darf. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit des Strafrechts zu anderen Rechtsgebieten wird als Kerninhalt der Einheit der Rechtsordnung bezeichnet.26 Die Abhängigkeit des Strafrechts von anderen Rechtsgebieten liegt vor allem darin, dass viele Strafnormen mit der in den außerstrafrechtlichen Bereichen normierten Wertordnung verbunden sind (sog. Sekundärmaterie).27 Obwohl das Strafrecht die Verbote und Gebote, die nicht in außerstrafrechtlichen Gebieten normiert wurden, autonom regeln könnte (Primärmaterie), geschieht dies nur in Ausnahmenfällen.28 Die Sekundärmaterie des Strafrechts wird nicht dadurch geändert. Hinsichtlich des „Ultima ratio“ Charakters strafrechtlicher Sanktionen29, die als letztes Mittel der staatlichen Reaktionsformen gelten, darf das Strafrecht erst dann und nur insoweit zur Anwendung kommen, als die Handlungen nach ihrer Gefährlichkeit und Vorwerfbarkeit im Interesse des Gesellschaftsschutzes den Tadel öffentlicher Strafe erfordern und andere weniger beeinträchtigende Mittel, insbesondere eine zivilrechtliche Haftung zum Schutz der Rechtsgüter nicht ausreicht.30 Als sekundäres Interessenschutzrecht knüpft ein überwiegender Teil der strafrechtlichen Normen an die Werteordnung an, die in außerstrafrechtlichen Rechtsgebieten normiert ist. Aus diesem Grund haben die vorgegebenen außerstrafrechtlichen Normen einen wesentlichen Einfluss auf die

23 24 25 26

S. 41. 27

S. 40.

Maurach/Zipf, AT 1, § 2/Rn. 17. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 53, 54. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 53, 54. Schilha, Die Aufsichtsrattätigkeit in der AG im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung, Schilha, Die Aufsichtsrattätigkeit in der AG im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung,

28 Ein originärer strafrechtlicher Rechtsgüterschutz ist dann zu gewährleisten, wenn der Gesetzgeber bei der Schaffung von Verboten oder Geboten in anderen Rechtsgebieten einen bestimmten Rechtsgüterschutz nicht in Betracht zieht, im Laufe der Zeit jedoch ein dringender Bedarf entsteht. Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 40. 29 Höffner, Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortung, S. 77. 30 Busch, Konzernuntreue, S. 32.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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Ausprägung strafrechtlicher Verhaltensbestimmungen.31 Zugleich ist zu betonen, dass wegen der oben dargestellten Selbständigkeit des Strafrechts nicht jede in anderen Rechtsgebieten als rechtswidrig angesehene Handlung auch strafrechtlich sanktioniert wird.32 b) Auswirkung auf das Verhältnis der Untreuenorm und die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft Das Verhältnis der Untreuenorm zu den im Gesellschaftsrecht normierten Pflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft unterliegt ebenfalls der relativen Abhängigkeit des Strafrechts von anderen Rechtsgebieten. Aufgrund der Selbständigkeit des Strafrechts hat nicht jede gegen das Gesellschaftsrecht verstoßende Pflichtverletzung, welche durch Organmitglieder begangen wird, notwendigerweise strafrechtliche Folgen. In diesem Sinne hat beispielsweise der BGH im Fall des „Sport-Sponsoring“ entschieden, dass für die Annahme der untreuerelevanten Pflichtwidrigkeit nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung genügt, sondern diese vielmehr gravierend sein müsse.33 Aufgrund der Abhängigkeit des Strafrechts haben die im Gesellschaftsrecht normierten Verhaltensnormen der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft erheblichen Einfluss auf die Beurteilung der Verletzung strafrechtlicher Verhaltensnormen. Darüber hinaus muss die Einheit der Rechtsordnung berücksichtigt werden. Eine Handlung, die durch den Vorstand und Aufsichtsrat als gesellschaftsrechtlich rechtmäßig anerkannt ist, kann nicht als Untreue bewertet werden. In diesem Fall verlangt eine strafbare Untreuehandlung auch eine gesellschaftsrechtlich pflichtwidrige Handlung. 2. Gesellschaftsrechtliche Grundlage der Organuntreue: Die Funktion des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft Zuvor wurde die Bedeutung der außerstrafrechtlichen Verhaltensnormen, im Fall der Organuntreue die der gesellschaftsrechtlichen Pflichten und Rechte des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, für das strafrechtliche Urteil geklärt, wonach man zu der Erkenntnis gelangt ist, dass „die gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen als wichtige Erkenntnisquelle einen richtungweisenden Charakter für die Statuierung der strafrechtlichen Verhaltensbestimmungen annehmen können“34 und aufgrund der Einheit der Rechtsordnung35 eine im Gesellschaftsrecht nicht ausdrücklich als unerlaubt normierte Handlung nicht strafrechtlich sanktioniert werden 31

Schilha, Die Aufsichtsrattätigkeit in der AG im Spiegel strafrechtlicher Verantwortung, S. 40, 41. 32 Busch, Konzernuntreue, S. 35; Wodicha, GmbH-Untreue, S. 275. 33 BGHSt 47, 187, 193. 34 Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 40. 35 Poseck, Die strafrechtliche Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, S. 22 (24).

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darf. Daher ist es für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder wegen vermögensschädigender Handlungen zu Lasten der AG im deutschen Recht von erheblicher Bedeutung, die Funktion des Vorstands als Leitungsorgan und die Funktion des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan einer Aktiengesellschaft im deutschen Recht zu klären. Die Frage, ob die durch die Organmitglieder einer Aktiengesellschaft verwirklichte gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung auch strafrechtliche Relevanz besitzt, richtet sich nach einer eigenen strafrechtlichen Bewertung und wird im nächsten Abschnitt bezüglich des Untreuetatbestands beantwortet. a) Überblick über die Organstruktur einer Aktiengesellschaft Die Organstruktur einer Aktiengesellschaft und die Aufgaben der jeweiligen Organe werden zentral im deutschen Aktiengesetz (verkürzt: AktG) geregelt. Eine Aktiengesellschaft ist eine eigenständige juristische Person, die gemäß § 1 Abs. 1 AktG neben den Rechten und Pflichten auch Inhaberin des Gesellschaftsvermögens sein kann. Obligatorische Organe der Aktiengesellschaft sind die Hauptversammlung, der Vorstand und der Aufsichtsrat.36 Die Hauptversammlung ist als Mitgliederversammlung und Satzungsgeber das Organ, durch das die Aktionäre ihre Rechte nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG ausüben. Der Vorstand ist das Leitungsorgan der Gesellschaft und gemäß § 76 Abs. 1 AktG für die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft zuständig. Der Aufsichtsrat hingegen ist gemäß § 111 Abs. 1 AktG das Überwachungs- und Kontrollorgan der Gesellschaft. Aufgrund der strikten Aufgabentrennung stehen die Organe der Aktiengesellschaft grundsätzlich unabhängig und nicht im Rangverhältnis nebeneinander.37 Sie sind jedoch insbesondere durch die Bestellungs- und Abberufungskompetenzen verbunden. So bestellt die Hauptversammlung die Mitglieder des Aufsichtsrats gem. §§ 101, 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Der Aufsichtsrat wiederum bestellt die Mitglieder des Vorstandes gemäß § 84 Abs. 1 AktG. Durch das gesetzliche Kompetenzgefüge soll sichergestellt werden, dass in der Gesellschaft eine Machtbalance zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung besteht.38 b) Vorstand als Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft Eine zentrale Vorschrift für die Aufgaben des Vorstands ist § 76 Abs. 1 AktG, wonach der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Gemäß §§ 77, 78 AktG führt der Vorstand die Geschäfte der Gesellschaft und vertritt die Aktiengesellschaft nach außen. Der Vorstand ist das Geschäftsführungsorgan der Gesell36

Kort, in: Großkomm. AktG, vor § 76/Rn. 2; Spindler, in: Münchener Komm. AktG, vor § 76/Rn. 4. 37 Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 8; Spindler, in: Münchener Komm. AktG, vor § 76/Rn. 38. 38 Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 4.

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schaft und frei von Weisungen der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats sowie den Aktionären.39 Die Geschäftsführung steht im Grundsatz dem Vorstand als Kollegialorgan zu. aa) Abgrenzung zwischen Leitung und Geschäftsführung40 Gemäß § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Gesellschaft eigenständig. Allerdings ist umstritten, was hier unter Leitung zu verstehen ist. Es gibt keine nähere gesetzliche Bestimmung über die Leitungsaufgaben des Vorstands.41 Deren Feststellung wird ferner noch durch die unterschiedliche Wortwahl im Aktiengesetz erschwert. In § 77 AktG weist das Gesetz dem Vorstand die Aufgaben der Geschäftsführung zu. In § 111 Abs. 1 AktG wird der Überwachungsumfang des Aufsichtsrats auf „die Geschäftsführung“ beschränkt. Fraglich ist demnach, welches Verhältnis zwischen der Leitung des Vorstandes in § 76 Abs. 1 AktG und der Geschäftsführung in §§ 77, 111 Abs. 1 AktG besteht, oder anders formuliert, ob trotz der unterschiedlichen Wortwahl beide Begriffe inhaltlich übereinstimmen. Unter dem Begriff „Geschäftsführung“ in § 77 AktG ist jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die Gesellschaft gemeint, folglich nicht nur die Leitung der Gesellschaft, sondern auch jede Einzelmaßnahme, welche der Vorstand intern oder im Außenverhältnis trifft.42 Nach der überwiegenden Ansicht im deutschen Schrifttum wird die Leitungsaufgabe in § 76 Abs. 1 AktG als herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung aus § 77 AktG betrachtet.43 Die Unternehmensleitung des Vorstands wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur auch als „Führungsaufgabe des Vorstands“44 oder „Originäre Führungsfunktion“45 bezeichnet. Zu beachten ist, dass, obwohl in § 111 Abs. 1 AktG der Gegenstand der Überwachung des Auf39

Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 10. Über die Abgrenzung der Begriffe der Leitung und Geschäftsführung herrscht in der deutschen Literatur Streit. Während manche die Geschäftsführung als einen Ausschnitt der Leitung sehen, gehen wiederum andere davon aus, dass die Leitung einen Teilbereich der Geschäftsführung darstellt (herrschende Meinung). Nicht zuletzt werden Leitung und Geschäftsführung als deckungsgleich verstanden. Obwohl im Schrifttum zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, soll sie in der vorliegenden Arbeit nicht vertieft werden. Für einen zusammenfassenden Überblick über die unterschiedlichen Meinungsstände siehe: Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 76/Rn. 6 (8); Selmer, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, S. 6, Fn. 8. 41 Selmer, Leitung und Überwachung, § 1/Rn. 3. 42 Hüffer, Komm. AktG, § 77/Rn. 3. 43 Dies ist die herrschende Meinung im Schrifttum, deren Vertreter sind: Fleischer, ZIP 2003, S. 3; Hüffer, Komm. AktG, § 77/Rn. 3; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77/Rn. 3; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 43; der abweichenden Ansicht nach stimmen Geschäftsleitung und Geschäftsführung inhaltlich überein. Deren Vertreter sind: Mutter, Unternehmerische Entscheidung, S. 31; Selmer, Leitung und Überwachung, § 1/Rn. 6. 44 Fleischer, ZIP 2003, S. 1, 3, 4; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 90. 45 Selmer, Leitung und Überwachung, § 1/Rn. 11. 40

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sichtsrats ausdrücklich als „Geschäftsführung“ bezeichnet wird, hier die „Geschäftsführung“ mit den Leitungsaufgaben in § 76 Abs. 1 AktG gemeint ist.46 Im Anschluss an die Abgrenzung der Leitungsaufgaben von der Geschäftsführung des Vorstands werden in der nachfolgenden Untersuchung der Inhalt der Leitungsfunktion des Vorstands und damit auch der Gegenstand der Überwachung des Aufsichtsrats näher konkretisiert. bb) Inhalt der Unternehmensleitung Wie oben bereits erwähnt, gibt es im geltenden deutschen Aktiengesetz keine näheren Erläuterungen zum Inhalt der Unternehmensleitung. Als herausgehobener Teilbereich der allgemeinen Geschäftsführung handelt es sich bei der Unternehmensleitung des Vorstandes einer AG ausschließlich um Maßnahmen, die für die Lage und Entwicklung des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind.47 Nach Ansicht Raisers bedeutet Leitung, „dass der Vorstand die Richtlinien der Unternehmenspolitik festlegt und die geschäftlichen Initiativen ergreift, d. h. die eigentlich unternehmerische Funktion wahrnimmt“.48 Angelehnt an die betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse wird in der Fachliteratur davon ausgegangen, dass die Unternehmensplanung, die Unternehmenskoordination, die Unternehmenskontrolle, die Besetzung der Führungspositionen sowie die Kontrolle der Durchführung und des Erfolgs delegierter Geschäfte als Leitungsaufgaben des Vorstands den wesentlichen Inhalt der Unternehmensleitung bilden.49 Die Delegation der hier genannten unternehmerischen Führungsfunktion des Vorstands an Dritte ist unzulässig.50 Nicht zu den Leitungsaufgaben des Vorstands und damit auch nicht zum Gegenstand der Überwachung des Aufsichtsrats gehören daher im Regelfall51 reine Vollzugsentscheidungen und die Erledigung der laufenden Tagesgeschäfte.52 Die Beschränkung des Überwachungsgegenstandes auf die Leitungsfunktion des Vorstands ist durchaus verständlich, da der Aufsichtsrat, um die Leitungsautonomie des Vorstands zu bewahren, 46

Dreiset, Überwachungsfunktion, S. 81; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 3/Rn. 63, 64. 47 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 64, 65. 48 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, S. 139. 49 Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 8; ausführlich zu den Leitungsaufgaben des Vorstands siehe: Selmer, Leitung und Überwachung, § 1/Rn. 16 (20). 50 Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 7; Selmer, Leitung und Überwachung, § 1/Rn. 23. 51 Im Ausnahmefall können einzelne Entscheidungen, Rechtsgeschäfte oder Vorgänge, die der Geschäftsführung des Vorstands außerhalb der Leitungsfunktion zugerechnet werden, auch Gegenstand der Überwachung des Aufsichtsrats sein, wenn sie von wesentlichem Einfluss auf Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft oder aus anderen Gründen von wesentlicher Bedeutung sind. Zum Beispiel: § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 90 Abs. 1 Satz 3. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 65; Spindler, in: Münchener Komm. AktG, vor § 76/Rn. 41. 52 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 66; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 48.

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nicht alle Tätigkeiten des Vorstands kontrollieren darf.53 Neben dem Aufgabenbereich, der dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG zugewiesen ist, und den oben genannten vier ungeschriebenen typologischen Leitungsaufgaben, können sich Leitungsaufgaben des Vorstands ferner aus dem Gesetz ergeben.54 Zu den Leitungsaufgaben des Vorstands zählen in diesem Fall die gesetzlich normierten einzelnen Pflichten des Vorstands wie die Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 83 AktG), die Berichterstattungspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90 AktG), die Buchführungspflicht sowie die Etablierung eines Überwachungssystems (§ 91 AktG), die in § 92 AktG normierten Pflichten bei Verlust, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der AG, die Einberufungspflicht des Aufsichtsrats (§ 110 Abs. 1 AktG), die Teilnahmepflicht an der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 2 AktG) und die Vorlage des Geschäftsabschlusses und Lageberichts (§ 170 Abs. 1 AktG).55 cc) Die allgemeinen Verhaltenspflichten des Vorstands nach deutschem Aktiengesetz Obwohl der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet, sind die Mitglieder des Vorstands gemäß § 93 Abs. 1 AktG verpflichtet, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Da es sich bei § 93 Abs. 1 AktG um eine umfassende und allgemeine Pflichtnorm des Organmitglieds handelt, wird in der folgenden Untersuchung zunächst ein Konkretisierungsversuch unternommen. Anschließend sind die zwei getrennten Pflichtarten innerhalb der in § 93 Abs. 1 AktG geregelten allgemeinen Verhaltensnormen der Vorstandsmitglieder – Sorgfaltspflicht und Treuepflicht – darzustellen. Abschließend wird das Sonderproblem hinsichtlich des unternehmerischen Ermessens des Vorstands einer AG bei der Feststellung einer Sorgfaltspflichtverletzung behandelt. (1) Konkretisierung der allgemeinen Verhaltenspflichten des Vorstands Die Verletzung des § 93 AktG ist nicht nur Grundlage für Schadensersatzansprüche gegen die betroffenen Vorstandsmitglieder, sondern hat auch eine besondere Bedeutung für die Festlegung der strafrechtlichen Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB. Da die allgemeinen Verhaltenspflichten des Vorstands allgemeine und abstrakte Regelungen sind56, wird der allgemeine Beurteilungsmaßstab für die Geschäftsführung des Vorstands wie folgt konkretisiert. 53 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 66; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111/Rn. 12. 54 Fleischer, ZIP 2003, S. 6, Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 8. 55 Die gesetzlich normierten Pflichten des Vorstands werden hier nicht abschließend aufgezählt. Zu einer ausführlichen Aufzählung siehe: Fleischer, ZIP 2003, S. 6. 56 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 93/Rn. 7; Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93/Rn. 20. Es ist und kann auch nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, eine Sorgfaltspflicht

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(a) Einhaltung der Satzung und Gesetze Bei der Geschäftsführung soll der Vorstand zunächst den durch die Aktionäre in der Satzung bestimmten Gegenstand der Gesellschaft einhalten.57 Ebenso versteht es sich von selbst, dass der Vorstand bei Ausübung der Geschäftstätigkeit die gesetzlichen Vorschriften einhält. (b) Angemessene Gewinnerzielung als Unternehmensziel Obwohl das Gesetz nicht ausdrücklich die Zielsetzung des Unternehmens vorgibt, kann aus der Berichterstattungspflicht des Vorstands in § 90 Abs. 1 Nr. 2 AktG,58 die den Vorstand verpflichtet, dem Aufsichtsrat über die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere der des Eigenkapitals zu berichten, geschlossen werden, dass die Gewinnerzielung und die damit verbundene Wahrung der Rentabilität ein Unternehmensziel darstellt. Nur so kann das Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und dauerhaft in der Marktwirtschaft existieren.59 Als Unternehmensziel ist die Gewinnerzielung auf dauerhafte Rentabilität und nicht auf die kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet.60 Als Beurteilungsmaßstab der Verhaltenspflichten für die Geschäftsführung des Vorstands wird die Gewinnerzielung hier auf eine angemessene Gewinnerzielung als Unternehmensziel beschränkt. Das bedeutet, dass der Vorstand verpflichtet ist, mit seiner Geschäftsführung einen Gewinn zu erzielen, der eine substantielle Kapitalerhaltung und eine das Risiko seiner Kapitalanlage berücksichtigende Verzinsung gewährleistet.61 Mit der angemessenen Gewinnerzielung als Unternehmensziel wird dem Vorstand ein Entscheidungsspielraum eingeräumt, sodass er Beiträge aus dem Gesellschaftsvermögen für gemeinnützige oder kulturelle Einrichtungen spenden kann, solange die angemessene Gewinnerzielung der Gesellschaft durch derartige Zuwendungen nicht in Frage gestellt wird und die Zuwendung der Lage und finanziellen Situation der Gesellschaft entspricht.62

mit konkreten Inhalten im Gesetzt festzuschreiben. Vielmehr gehört die Konkretisierung der Sorgfaltspflicht zu den Aufgaben der Rechtswissenschaft. Junge, in: FS Caemmerer 1978, S. 547, 554. 57 Selmer, Leitung und Überwachung, § 3/Rn. 33. 58 Selmer, Leitung und Überwachung, § 3/Rn. 34. 59 Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 12; Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 34; Selmer, Leitung und Überwachung, § 3/Rn. 38. 60 Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 14; Junge, in: FS Caemmerer 1978, S. 547, 555. 61 Clemm, in: FS Ritter 1997, S. 680; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 52; Selmer, Leitung und Überwachung, § 3/Rn. 46. 62 Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 13; Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 35; Selmer, Leitung und Überwachung, § 3/Rn. 56.

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(c) Wahrung der Unternehmensinteressen Die Verwaltungsorgane der Aktiengesellschaft, Vorstand und Aufsichtsrat, sind verpflichtet, bei der Geschäftsführung die Unternehmensinteressen zu wahren.63 Eine nähere Definition von Unternehmensinteressen findet man weder im Gesetz noch in der einschlägigen Rechtsprechung. Nach weit verbreiteter Ansicht in der Literatur wird das Unternehmensinteresse als Ergebnis des Ausgleichs zwischen den verschiedenen Interessen der betroffenen Unternehmensbeteiligten definiert. Diese Definition ist stark vom Stakeholder-Value geprägt, wobei im Gegensatz zum Shareholder-Value bei der Geschäftsführung der Vorstand nicht nur die Interessen der Anteilseigner, sondern auch die Interessen der Arbeitnehmer, Führungsorgane, Kunden, Gläubiger sowie das der Öffentlichkeit berücksichtigen muss.64 Bei der Geschäftsführung stellt sich dem Vorstand die Frage nach dem Rang der Interessen, was vor allem im Interessenkonfliktfall von großer Bedeutung ist. In erster Linie muss sich der Vorstand an den Interessen der Anteilseigner orientieren. Zugleich hat er die Interessen der anderen Unternehmensbeteiligten zu wahren.65 Die Berücksichtigung der abweichenden Interessen, vor allem der Arbeitnehmerinteressen, ist nur dort möglich, wo sie nicht im Konflikt mit der Maximierung der Interessen der Anteilseigner stehen.66 Die Festlegung der Unternehmensinteressen hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der spezifischen Unternehmenssituation ab. Allerdings ist zu betonen, dass die Ausrichtung an den Unternehmensinteressen vor allem bedeutet, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft dauerhaft rentabel hält.67 (2) Differenzierung von Sorgfaltspflicht und Treuepflicht Die in § 93 AktG normierten Verhaltenspflichten der Vorstandsmitglieder lassen sich in die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung68 und die Treue- oder Loyalitätspflicht69 unterteilen.70 „Mit der Sorgfaltspflicht und der Treupflicht hat man zwei 63 Die Ausrichtung der Geschäftsführung des Vorstands erfolgt an den Unternehmensinteressen und wird durch die Rechtsprechung betont. BGHZ 36, 296 (306), BGHZ 64, 325 (330), BVerfGE 50, 290 (374). 64 Hüffer, ZHR 1997, S. 217; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 10/Rn. 765; Werder, ZGR 1998, S. 77, 78. 65 Kort, in: Großkomm. AktG, § 76/Rn. 64. 66 Geßler, in: Geßler/Hefermehl AktG Komm., § 76/Rn. 26; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76/Rn. 64. Zu betonen ist aber, dass bezüglich der Rangfolge der Interessen in der deutschen Fachliteratur noch keine Einigkeit herrscht. Einige Gesellschaftsrechtswissenschaftler sprechen sich ausdrücklich gegen eine bestimmte Rangfolge der verschiedenen Interessen aus, Hüffer, Komm. AktG, § 76/Rn. 126; Ritter, in: FS Geßler 1971, S. 139. 67 Clemm, in: FS Ritter 1997, S. 675, 685; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 56. 68 Im US-amerikanischen Recht wird sie als „duty of care“ bezeichnet. 69 Im US-amerikanischen Recht wird sie als „duty of loyalty“ bezeichnet.

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granitene Säulen der Geschäftsleiterverantwortung ausgemacht“.71 Einheitlich anerkannt ist, dass § 93 Abs. 1 AktG nicht nur eine allgemein normierte objektive Verhaltenspflicht, sondern auch Verschuldensmaßstab ist.72 Die Sorgfaltspflicht umfasst eine Vielzahl konkreter Einzelpflichten. Pflichtwidrig ist jede Art von nachlässiger und oberflächlicher Amtsführung.73 Die Vorstandsmitglieder haben ihre Entscheidungen angemessen vorzubereiten und sich über deren Grundlagen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu informieren. Die Feststellung dieser Sorgfaltspflichtverletzung ist einzelfallbezogen und vor allem von der Größe des Unternehmens, seines Gegenstands, seiner Geschäftslage sowie der Marktsituation abhängig. Neben der Sorgfaltspflicht tragen die Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft eine Treuepflicht. Der Kerninhalt der Treuepflicht beinhaltet, dass die Vorstandsmitglieder mit allen Kräften die Interessen der Gesellschaft zu wahren und die Interessen des Unternehmens vor allen persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder Vorrang haben.74 Daher ist es unzulässig, wenn Vorstandsmitglieder ihre Amtsstellung ausnutzen, um persönliche Interessen zu verfolgen, welche sich auf die Gesellschaft nachteilig auswirken.75 So verhält es sich bei Ausnutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft für eigene Zwecke.76 Die durch die Treuepflicht geprägten einzelnen gesetzlichen Regelungen sind das Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) und die Verschwiegenheitspflicht des Vorstands (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG).77 Beide, sowohl die Sorgfaltspflicht, als auch die Treuepflicht der Vorstandsmitglieder haben die Aufgabe, das Vermögen der Gesellschaft zu schützen. Die Wesensinhalte dieser beiden Pflichten sind jedoch sehr unterschiedlich. Während sich die Verletzung der Sorgfaltspflicht auf die unsorgfältige Geschäftsführung des Vorstands bezieht, handelt es sich beim Verstoß gegen die Treuepflicht um die Aneignung fremder Vermögenswerte.78 Die klare Trennung zwischen beiden Pflichten ist deshalb notwendig, weil die in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG geregelte Haftungsfreistellungsklausel, 70 Einer Ansicht nach wird bei den in § 93 Abs. 1 normierten allgemeinen Verhaltenspflichten der Vorstandsmitglieder zwischen Sorgfalts-, Treue- und Verschwiegenheitspflichten unterschieden. Bosch/Lange, JZ 2009, S. 225, Fn. 7; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93/Rn. 72. 71 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 828. 72 Hüffer, Komm. AktG, § 93/Rn. 3a. 73 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14/Rn. 70. 74 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Komm. AktG, § 93/Rn. 92; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 184. 75 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 10/Rn. 843; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 183. 76 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 844. 77 Schilha sieht die Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder als eigenständige Verhaltenspflicht neben der Treupflicht an, Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 101, 102. 78 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 844.

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welche sich auf die unternehmerische Entscheidung des Vorstandes bezieht, keineswegs im Rahmen der Verletzung der Treuepflichten Anwendung findet.79 (3) Sorgfaltspflicht und unternehmerisches Ermessen (a) Problematik Der Vorstand leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG). Dies bedeutet, dass dem Vorstand ein Kompetenzbereich zugewiesen ist, in welchem er die unternehmerischen Entscheidungen innerhalb der aus dem Gesetz und der Satzung herzuleitenden Grenzen eigenständig treffen kann.80 In einer Marktwirtschaft ist die unternehmerische Tätigkeit jedoch immer mit geschäftlichen Risiken verbunden. Nicht jede unternehmerische Entscheidung des Vorstands mit nachteiligen Folgen für die Gesellschaft bedeutet eine Sorgfaltspflichtverletzung. Bereits in der amtlichen Begründung des Aktiengesetzes aus dem Jahr 1937 wurde erkannt, dass den Vorstandsmitgliedern nicht durch eine allzu strenge Haftung „jeder Mut zur Tat genommen“ werden darf.81 Obwohl die Rechtsprechung82 diese Rechtsidee in der Folgezeit übernahm, bestand nach wie vor ein erhöhtes Haftungsrisiko für die Vorstandsmitglieder, weil bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung der Organmitglieder nachträglich Umstände, die zur Entscheidung geführt haben, rekonstruiert wurden. Es liegt eine Diskrepanz zwischen Verhaltens- und Nachprüfungsstandard vor83, da die Vorstandsmitglieder in der Realität oft unter komplett anderen Umständen, beispielsweise unter extremem Zeitdruck84, Entscheidungen treffen müssen. (b) Anerkennung des Haftungsfreiraums des Vorstands in der Rechtsprechung Erst in der höchstrichterlichen Entscheidung des „ARAG/Garmenbeck“ Falles hat der BGH dem Vorstand „einen weiteren Handlungsspielraum“ zugebilligt. Der BGH schreibt in dieser Entscheidung, dass eine Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder einer AG „erst in Betracht kommen [könne], wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittelung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstandes aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss“.85 Damit wird eine Pflichtverletzung gegen § 93 Abs. 1 79

Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 843, 844. Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 4. 81 Amtliche Begründung zu § 84 AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, zitiert von Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 836, Fn. 46. 82 BGHZ 69, 207, 213; BGHZ 75, 96, 113. 83 Schäfer, ZIP 2005, S. 1253 (1254). 84 Fleischer, in: FS Wiedemann 2002, S. 827. 85 BGHZ 135, 244. 80

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S. 1 AktG insoweit verneint, als die Vorstände Entscheidungen im Rahmen ihrer Entscheidungsspielräume bezüglich der unternehmerischen Tätigkeiten treffen, selbst wenn sich diese später als Fehlentscheidung erweisen sollten. (c) Business Judgement Rule im deutschen Recht (aa) Einführung Die dem US-amerikanischen Rechtsinstitut entstammende Business Judgement Rule, welche in der Entscheidung des BGH („ARAG/Garmenbeck“) enthalten war,86 wurde schließlich durch das UMAG 200587 als § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ins deutsche Recht aufgenommen.88 Danach verstößt ein Vorstandsmitglied nicht gegen seine Sorgfaltspflicht, wenn es bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Dem handelnden Organmitglied wird auf diese Weise bei unternehmerischen Entscheidungen ein weiterer Beurteilungsspielraum zugebilligt. Damit sich ein Organmitglied erfolgreich auf die Business Judgement Rule berufen kann, müssen mehrere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. (bb) Tatbestandsvoraussetzungen (a) Unternehmerische Entscheidung Als erste Voraussetzung gilt, dass es sich um eine unternehmerische Entscheidung89 handeln muss. Der Begriff „Entscheidung“ setzt voraus, dass eine bewusste Auswahl des Handelns oder Unterlassens des Organmitglieds vorliegt. Dies bedeutet, dass der Vorstand zwischen mehreren tatsächlich möglichen oder rechtlich zulässigen Handlungsalternativen auswählen können muss, damit von einer unternehmerischen Entscheidung gesprochen werden kann.90 Daher wird die rechtlich gebundene Entscheidung, beispielsweise die gesetzlich, statuarisch oder arbeitsvertraglich geregelte Verpflichtung, die dem Organmitglied keinen Beurteilungsspielraum gewährt, aus der unternehmerischen Entscheidung und entsprechend auch aus dem Anwendungsbereich der Business Judgement Rule ausgenommen.91 (b) Annahme, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln Die zweite Voraussetzung, um sich auf die Business Judgement Rule zu berufen, ist, dass das Organmitglied annehmen muss, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. 86

Kindler, ZHR 162 (1998), S. 107. Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) trat am 01. 11. 2005 in Kraft. 88 Arnold, Jura 2005, S. 847. 89 Genaue Definition siehe: Schneider, DB 2005, S. 711. 90 Lutter, ZIP 2007, S. 843; Schneider, DB 2005, S. 707, 709. 91 Goette, in: FS 50 Jahre BGH 2000, S. 123, 125; Lutter, ZIP 2007, S. 841, 843; Schneider, DB 2005, S. 711, Bosch/Lange, JZ 2009, S. 230. 87

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In der deutschen Literatur werden die Begriffe Unternehmensinteresse und Gesellschaftswohl praktisch synonym verwendet.92 Die Inhalte der Unternehmensinteressen wurden oben im Rahmen der Konkretisierung der allgemeinen Verhaltenspflichten der Vorstandmitglieder bereits ausführlich diskutiert. Als Orientierungsmaßstab wird das Unternehmensinteresse bei einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes bzw. nachhaltiger Rentabilität herangezogen.93 (c) Hinreichende Information Drittens muss das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Informationen zu handeln. Dabei bezweckt der Gesetzgeber, das Gesellschaftsvermögen vor einem unbesonnenen Organmitglied, das „über die Voraussetzungen und Auswirkungen seines Handelns nicht rechtzeitig und sorgfältig Rechenschaft abgelegt hat“ zu schützen.94 Da es sich bei der Angemessenheit der Informationsgrundlage um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, wird den Organmitgliedern bei der Beschaffung der Informationen ein erheblicher Abwägungsspielraum eingeräumt. Von den Organmitgliedern wird nicht verlangt, dass sie alle denkbaren Informationen beschaffen.95 Die Anforderungen an die Informationspflicht der Organmitglieder hängen von den Bedeutungen und Risiken der Entscheidungen ab.96 Genauer gesagt, „je erheblicher die Auswirkung und Risiken der Entscheidungen sind, desto höher sind die Anforderungen an die Informationsbeschaffung“.97 Umgekehrt gilt für Eilentscheidungen oder Entscheidungen über reine Routinemaßnahmen bzw. Entscheidungen von untergeordneter Bedeutung, dass die Anforderungen an die Informationspflicht der Organmitglieder vergleichsweise gemindert sind. Entscheidend ist dabei, dass die Beurteilung des Vorstands zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung aus Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters vertretbar erscheint.98 (d) Handeln in gutem Glauben Ferner muss das Vorstandsmitglied in gutem Glauben gehandelt, also auf die Richtigkeit seiner Entscheidung vertraut haben. Wenn die Organmitglieder selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Entscheidungen glauben, sind sie auch nicht schutzwürdig.99 Ein guter Glaube der Organmitglieder wird ausgeschlossen, wenn das Gesellschaftsvermögen ohne jede relevante Gegenleistung verschwendet wird, wie beispielweise 92

Schüppen, in: FS Tiedemann 2008, S. 756, Fn. 30. Bosch/Lange, JZ 2009, S. 230. 94 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 840. 95 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 841; Spindler, NZG 2005, S. 872. 96 Lutter, ZIP 1997, S. 844. 97 Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 278. 98 Bosch/Lange, JZ 2009, S. 231. 99 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 843; Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 63. 93

210

E. Rechtsvergleichende Betrachtung

beim Abschluss eines wertlosen Beratervertrages durch den Vorstand100, der Bezahlung nicht bestehender Verbindlichkeiten101 oder Unternehmensspenden ohne erkennbaren Vorteil für das Unternehmen.102 In solchen Fällen wird der unternehmerische Ermessensspielraum des Vorstands überschritten.103 Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass, liegen die oben aufgezeigten Tatbestandsvoraussetzungen vor, das Handeln des Vorstands einer AG, selbst im Falle des wirtschaftlichen Scheiterns, nicht pflichtwidrig ist. Die Organentscheidung ist nur dann anzuerkennen, wenn sie auf Unbefangenheit und Unabhängigkeit beruht und auf der Grundlage angemessener Informationen zustande kommt. Verfolgt das handelnde Organmitglied persönliche Interessen, verfügt es nicht über eine angemessene Informationsgrundlage oder wird es nicht zum Wohle des Unternehmens tätig, verlässt es den sicheren Hafen der Business Judgement Rule. c) Funktion des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft Der Aufsichtsrat als institutionell getrenntes obligatorisches Organ zur Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands in einer Aktiengesellschaft stellt eine Eigenart des deutschen Aktienrechts dar. Nachfolgend wird die gesetzliche Entwicklung des Aufsichtsrats kurz skizziert. aa) Entstehungsgeschichte des Aufsichtsrats einer AG im deutschen Recht Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB), das im Jahr 1862 in Kraft trat, sah der Gesetzgeber vor, dass die obligatorischen Organe der Aktiengesellschaft ausschließlich aus der Generalversammlung und dem Vorstand bestehen (Art. 224 ADHGB).104 Der Gesetzgeber überließ den Aktionären selbst die Entscheidung, ob sie einen Aufsichtsrat errichten möchten. In der Anfangszeit hatte der Aufsichtsrat oft mehrere Funktionen, als Gesellschafterausschuss, der die fachliche Inkompetenz und Schwerfälligkeit der Hauptversammlung ausgleichen sollte, als Ort für Großaktionäre, um Einfluss auf die Geschäftsführung auszuüben oder den Vorstand zu beraten.105

100

Bosch/Lange, JZ 2009, S. 231. Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 278, Fn. 405. 102 Fleischer, in: FS Herbert Wiedemann 2002, S. 845. 103 Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 63; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 278. 104 Wiethoelter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, S. 74. 105 Raiser/Verl, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13/Rn. 8. 101

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

211

Die Aktiennovelle im Jahr 1870 machte den Aufsichtsrat dann zu einem obligatorischen Organ der Aktiengesellschaft.106 Als obligatorisches Organ soll der Aufsichtsrat als Ersatz für die Abschaffung der Staatsaufsicht dienen.107 Seit diesem Zeitpunkt wird der Aufsichtsrat als Kontrollorgan der Gesellschaft betrachtet.108 Die klare Kompetenzverteilung der Organe, die Generalversammlung als Willensorgan, der Vorstand als Geschäftsführungsorgan und der Aufsichtsrat als Kontrollorgan wurde durch die Aktiennovelle von 1884 geschaffen, welche die Grundzüge der Kompetenzverteilung der gesellschaftlichen Organe im heutigen deutschen Aktiengesetz festlegt.109 bb) Gegenstand und Zielgruppe der Überwachung des Aufsichtsrats Die zentrale Vorschrift für die Aufgaben des Aufsichtsrats ist § 111 Abs. 1 AktG, wonach der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen hat. Neben der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats umfassen die Aufgaben des Aufsichtsrats die Beratung des Vorstands sowie die Einwirkungsmöglichkeit des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung.110 Ebenso wie der Vorstand ist der Aufsichtsrat ein Kollegialorgan. Dies bedeutet, dass der Aufsichtsrat durch Beschlüsse und sonstige Maßnahmen des Kollegiums seine Rechte wahrnimmt und seine Pflichten ausübt. Es ist weitgehend anerkannt, dass die oben genannte zentrale Aufgabenzuweisung des Aufsichtsrats aufgrund ihrer Abstraktheit konkretisierungsbedürftig ist.111 Der Gegenstand der Überwachung des Aufsichtsrats ist die Geschäftsführung. Bezüglich der Funktion des Vorstands wurde oben bereits geklärt, dass der Inhalt der Geschäftsführung mit der Unternehmensleitung in § 76 Abs. 1 AktG übereinstimmt. Der Aufsichtsrat soll nicht die Geschäftsführung „in allen Zweigen der Verwaltung“ kontrollieren, vielmehr ist dessen Kontrolle auf „bedeutsame Schwerpunkte der Vorstandstätigkeit“ aufzurichten.112

106

Raiser/Verl, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13/Rn. 8. Der Aufsichtsrat muss aus den Aktionären bestehen. Art. 209 Nr. 6. Diese Beschränkung wurde durch die Aktiennovelle 1884 aufgehoben. Wiethoelter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, S. 74. 107 Raiser/Verl, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13/Rn. 8; einige Autoren hielten die Begründung zur Etabilierung des Aufsichtsrats als obligatorisches Organ in der Reformnovelle 1870 wegen des Wegfalls der Staatsaufsicht für unzutreffend, siehe: Wiethoelter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, S. 286. 108 Raiser/Verl, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13/Rn. 8. 109 Die Geschäftsführung unter eigener Verantwortung des Vorstands in § 70 des heutigen Aktiengesetzes geht auf das Aktiengesetz 1937 zurück. Wiethoelter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, S. 75. 110 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 61. 111 Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 25; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 42. 112 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 65.

212

E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Der § 111 Abs. 1 AktG bildet eine allgemeine Kompetenzregelung des Aufsichtsrats. Im Aktiengesetz wird ausdrücklich eine Reihe von Überwachungsobjekten des Aufsichtsrats normiert. Darunter sind folgende Einzelpflichten in der Praxis von großer Bedeutung: Die Prüfungspflicht im Rahmen des Jahresabschlusses, des Konzernabschlusses, des Lageberichts, des Gewinnverwendungsvorschlages (§ 171 Abs. 1 AktG) und die Prüfung des Abhängigkeitsberichts (§ 341 Abs. 1 AktG). Weitere konkrete Gegenstände der Überwachung des Aufsichtsrats können sich vor allem aus den Berichterstattungspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat ergeben. Was dem Aufsichtsrat zu berichten ist, ist zugleich Gegenstand seiner Prüfung.113 Dazu gehört vor allem die Kontrollpflicht bei der künftigen Unternehmenspolitik sowie andere wesentliche Fragen der Unternehmensplanung wie die Finanz-, Investitions- und Personalplanung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG). Letztlich hat der Aufsichtsrat den Gang der Geschäfte und die Lage der Gesellschaft (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG) zu kontrollieren. Einzelne Entscheidungen oder Rechtsgeschäfte des Vorstands, die nicht zu seinen Leitungsaufgaben gehören, sind in Ausnahmefällen ebenfalls durch den Aufsichtsrat zu kontrollieren, wenn diese einen wesentlichem Einfluss auf die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft haben können (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG) oder diese aus anderen Gründen von erheblicher Bedeutung sind (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AktG).114 Zum Personenkreis, der durch den Aufsichtsrat überwacht wird, gehören ausschließlich die Vorstandsmitglieder. In § 76 Abs. 1 AktG weist das Gesetz dem Vorstand als Geschäftsleitungsorgan die originäre Führungsfunktion zu. Die leitenden Angestellten115 und die Hauptversammlung116 unterliegen somit keiner unmittelbaren Kontrolle durch den Aufsichtsrat. . 113

Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 64; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 37; Selmer, Leitung und Überwachung, § 5/Rn. 103. 114 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 3/Rn. 65. 115 Die Leitungsaufgabe des Vorstands darf nicht an Dritte, hier auch nicht an die Angestellten übertragen werden. Zulässig ist aber, die Vorbereitung und Ausführung der Leitungsmaßnahmen an Angestellte zu delegieren. In diesem Fall werden die Angestellten durch den Vorstand überwacht, der weiter durch den Aufsichtsrat kontrolliert wird. Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 26. 116 Die Hauptversammlung kann in manchen Fällen auch die Geschäftsführung wahrnehmen; dazu gehören beispielsweise Entscheidungen über die Frage der Geschäftsführung auf Verlangen des Vorstandes (§ 119 Abs. 2 AktG) und die Ersetzung der vom Aufsichtsrat verweigerten Zustimmung (§ 111 Abs. 4 Satz 3 AktG). Außer von vereinzelten abweichenden Stimmen wird in der Literatur überwiegend eine Überwachung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat verneint. Es ist systemwidrig, da die Hauptversammlung nach §§ 101, Abs. 1, 120 AktG das zuständige Organ für die Personalentscheidung der Mitglieder des Aufsichtsrats ist. Eine Überwachung des Aufsichtsrates würde den Zweck der vorgeschriebenen Personalkompetenzen der Hauptversammlung ins Leere laufen lassen. Abweichende Ansicht: Duden, in: FS Fischer 1979, S. 101; herrschende Ansicht: Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 27; Selmer, Leitung und Überwachung, § 5/Rn. 130.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

213

Der Aufsichtsrat soll die Pflichtmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands beurteilen. Für die Bewertung hat die allgemeine Verhaltenspflicht des Vorstands, die in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG geregelt ist, entscheidende Bedeutung. Der Aufsichtsrat soll feststellen, ob der Vorstand bei der Unternehmensleitung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers angewendet hat. Aufgrund der Abstraktheit dieser Verhaltenspflichtnorm wurde diese im vorangegangenen Abschnitt konkretisiert und es wurden die Grenzen für unternehmerisches Handeln des Vorstands herausgearbeitet. So muss der Vorstand bei der Geschäftsleitung den durch die Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand verfolgen, sich auf die Unternehmensziele und angemessenen Gewinn ausrichten sowie die Unternehmensinteressen berücksichtigen. Darüber hinaus wird dem Vorstand ein weiterer Ermessensspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen eingeräumt. Wenn der Aufsichtsrat die Geschäftsleitung daraufhin überwacht, ob das unternehmerische Handeln des Vorstands der allgemeinen Verhaltenspflicht des § 93 Abs. 1 AktG entspricht, muss er die oben dargestellten Grenzen und den unternehmerischen Ermessensspielraum des Vorstands beachten. Wenn die Führungsmaßnahmen des Vorstands sich innerhalb der hier genannten Grenzen halten, soll der Aufsichtsrat das unternehmerische Handeln anhand vier konkreter Prüfungsmaßstäbe kontrollieren, nämlich der Rechtsmäßigkeit, der Ordnungsmäßigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung.117 cc) Einwirkungsmaßnahmen des Aufsichtsrats auf den Vorstand Das deutsche Aktiengesetz118 verleiht dem Aufsichtsrat eine Reihe von Einflussmöglichkeiten auf den zu überwachenden Vorstand unter Berücksichtigung der Führungsautonomie des Vorstands.119 Die vielfältigen Einflussmaßnahmen ermöglichen dem Aufsichtsrat eine effektive Durchsetzung seiner Überwachungsaufgaben gegenüber dem Vorstand. Die einzelnen Einwirkungsmittel des Aufsichtsrats auf den Vorstand sind hierbei: (1) Stellungnahme und Beanstandung Wenn die Geschäftsführung des Vorstands nicht ordnungsgemäß, rechtswidrig oder unzweckmäßig ist, hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit, gegenüber dem Vorstand eine Stellungnahme abzugeben. Wenn diese Stellungnahme des Aufsichtsrats keine Änderung der Geschäftsführung bewirkt, kann der Aufsichtsrat den Vorstand 117 Die Auswirkung dieser Überwachungsmittel des Aufsichtsrats in der Praxis darf nicht unterschätzt werden. Mehr dazu siehe: Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 74. 118 Einwirkungsmittel der Stellungnahme und Beanstandung sind gesetzlich nicht ausdrücklich normiert, vielmehr ergibt sich Sinn und Zweck der Aufsichtsratstätigkeit implizit aus dem Wortlaut des § 90 AktG. Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 43. 119 Die Eingriffsmaßnahmen des Aufsichtsrats sind eher passivisch ausgestaltet, da sie auf die Verhinderung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen, nicht jedoch auf die Erzwingung dieser gerichtet sind. Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 35.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

durch eine formelle Beanstandung darauf hinweisen. Die Stellungnahme und Beanstandung des Aufsichtsrats binden den Vorstand rechtlich jedoch nicht.120 (2) Personalkompetenz und Erlass der Geschäftsordnung Das bedeutsamste Überwachungsmittel des Aufsichtsrats ist die Personalkompetenz des Aufsichtsrats.121 Gemäß § 84 AktG liegt die Personalkompetenz ausschließlich122 beim Aufsichtsrat. Er hat die Mitglieder des Vorstands zu bestellen und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ihre Bestellung zu widerrufen. Die Personalentscheidung über Vorstandsmitglieder ermöglicht dem Aufsichtsrat eine wesentliche Einwirkung auf die Geschäftsführung.123 Gemäß § 84 Abs. 1 S. 5 AktG ist der Aufsichtsrat neben der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder auch für schuldrechtliche Anstellungsverträge zuständig. Gegenüber dem Vorstandsmitglied vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei Vertragsschlüssen (§ 112 AktG). Die Personalkompetenzen des Aufsichtsrats werden des Weiteren durch Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand ergänzt. Dabei handelt es sich ausschließlich um formelle Richtlinien zur Gestaltung des Organisationsgefüges, beispielsweise der Geschäftsverteilung im Vorstand (§ 77 Abs. 1 S. 2 AktG)124 sowie Bestimmungen über die Vorstandssitzungen.125 (3) Zustimmungsvorbehalte Zwar wird im Aktiengesetz eine klare Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verfolgt, damit der Aufsichtsrat grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Jedoch wird im Gesetz zugleich ausdrücklich geregelt, dass zur Durchführung bestimmter Arten von Geschäftsmaßnahmen der Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen hat (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG).126 Der Aufsichtsrat darf jedoch nicht nach Belieben seine Zustimmung verweigern, sondern muss die gesetzlichen Grenzen einhalten und darf dies nur bei „bestimmten Arten von Geschäften“. Daraus folgt, dass die Festlegung einer Zustimmungspflicht für 120

Die Auswirkung dieser Überwachungsmittel des Aufsichtsrats dürfen in der Praxis nicht unterschätzt werden. Mehr hierzu siehe: Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 74. 121 Mache bezeichnen die Personalkompetenz sogar als die wichtigste bzw. eigentliche Aufgabe des Aufsichtsrats BGH WM 1993 S. 1330; mehr dazu siehe: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 7/Rn. 331; Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 36 – 38; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 81 – 82. 122 Daher kann die Personalkompetenz des Aufsichtsrats keinem anderen Organ übertragen werden. Hüffer, Komm. AktG, § 84/Rn. 5. 123 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 7/Rn. 331; Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 36. 124 Hüffer, Komm. AktG, § 77/Rn. 21; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77/Rn. 15. 125 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 77/Rn. 39. 126 Neben der zentralen Vorschrift der Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats in § 111 Abs. 3 S. 2 wird auch die Zustimmung des Aufsichtsrats vereinzelt im Gesetz geregelt, § 59 Abs. 3, § 204 Abs. 1 S. 2. AktG geregelt.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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alle wichtigen Maßnahmen der Geschäftsführung (sog. Generalklausel) abzulehnen ist.127 Darüber hinaus werden Zustimmungsvorbehalte ausschließlich für grundlegende Entscheidungen, unter Berücksichtigung des Gegenstands, Umfangs oder Risikos des Geschäfts betrachtet128, vorgesehen. (4) Einberufung der Hauptversammlung Gemäß § 111 Abs. 3 AktG ist der Aufsichtsrat verpflichtet, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft dies erfordert. Eigentlich ist es grundsätzlich die Pflicht des Vorstands, die Hauptversammlung einzuberufen. Die Beurteilung des „Wohls der Gesellschaft“ liegt grundsätzlich in der Hand des Aufsichtsrats und hängt vom Einzelfall ab.129 Ein typischer Grund zur Einberufung der Hauptversammlung ist ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gemäß § 84 Abs. 3 S. 2 AktG. (5) Verfolgungspflicht bei Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder Gemäß §§ 111 Abs. 1, 112 AktG ist der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber deren Vorstandsmitgliedern geltend zu machen, wenn der Vorstand gegenüber der Gesellschaft eine Pflichtverletzung begangen hat und daraus ein Schadenersatzanspruch erwächst.130 dd) Allgemeine Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats Die allgemeine Verhaltenspflicht des Vorstands (§ 93 AktG) lässt sich sinngemäß auch auf das Überwachungsorgan des Aufsichtsrats übertragen (§ 116 AktG). Dies bedeutet, dass die oben dargestellten, in § 93 Abs. 1 AktG geregelten allgemeinen Verhaltenspflichten der Vorstandsmitglieder im Grundsatz auch für den Aufsichtsrat gelten. Folglich hat die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats unter Berücksichtigung der Unternehmensinteressen zur Maxime, einen angemessenen Gewinn zu erzielen.131 Ebenso wie der Vorstand unterliegen auch die Aufsichtsratsmitglieder zwei Pflichten, zum einen der Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung der Überwachungsaufgaben, zum anderen der Loyalitäts- oder Treuepflicht. Danach sind die Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet, das Unternehmen nicht durch aktives Verhalten zu beeinträchtigen und den Vorteil der Gesellschaft zu wahren, sowie

127

Götz, ZGR 1990, S. 640; Hüffer, Komm. AktG, § 111/Rn. 18. Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 41. 129 Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111/Rn. 58. 130 BGHZ 135, 244-ARAG/Garmenbeck; Götz, NJW 1997, S. 3275; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten, § 7/Rn. 421; Mertens, in: Kölner Komm. AktG, § 111/Rn. 37; Selmer, in: Münchener Komm. AktG, § 116/Rn. 331; Thümmel, DB 1997, S. 1117. 131 Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 261. 128

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

durch Dritte drohende Schädigungen zu verhindern.132 Darüber hinaus gilt der Haftungsfreiraum der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierten Business Judgement Rule auch für Aufsichtsratsmitglieder, wenn diese unternehmerische Entscheidungen treffen. Ferner ist zu beachten, dass gemäß § 116 AktG die allgemeinen Verhaltenspflichten des Vorstands ausschließlich „sinngemäß“ für die Aufsichtsratsmitglieder gelten. Hieraus leitet sich ab, dass es bei den allgemeinen Verhaltenspflichten der Mitglieder des Aufsichtsrats einige Abweichungen von denen der Vorstandsmitglieder gibt. Die Abweichung ergibt sich vor allem aus dem nebenberuflichen Charakter der Aufsichtsratsmitglieder133 und aus dem unterschiedlichen Kompetenzbereich134 von Vorstand und Aufsichtsrat. Ein typischer Unterschied zwischen den allgemeinen Verhaltenspflichten beider Organe ist, dass das für Vorstandsmitglieder geltende Wettbewerbsverbot keine Anwendung bei Aufsichtsratsmitgliedern findet.135 d) Analyse und Vergleich mit chinesischem Recht aa) Bedeutung des Vergleichs Hinsichtlich des aktuellen Reformvorschlags im chinesischen Schrifttum zur Schaffung einer Untreuenorm nach dem Vorbild des deutschen Rechts bezweckt dieses Kapitel, durch die systematische Untersuchung der deutschen Untreuenorm die Übertragbarkeit des Untreuetatbestands ins chinesische Recht zu überprüfen. Da die Tathandlung in § 266 DStGB nicht näher beschrieben ist, haben die außerstrafrechtlichen Verhaltensnormen eine erhebliche Bedeutung für die strafrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB. Der enge Zusammenhang zwischen der Untreuenorm und anderen Rechtsbereichen wird in der Fachliteratur als Akzessorietät des Untreuetatbestandes136 zum Zivilrecht, bei der Organuntreue vor allem zum Aktienrecht, bezeichnet. Davon wird auch im vorliegenden Abschnitt ausgegangen und entsprechend werden die für die Organuntreue relevanten Rechte und Pflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG im deutschen Recht näher behandelt.

132

BGHZ 21, 354; Hopt, in: Großkomm. AktG, § 93/Rn. 72. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116/Rn. 11. 134 Habersack, in: Kölner Komm. AktG, § 116/Rn. 68; Hüffer, Komm. AktG, § 111/Rn. 1. 135 Zur Beurteilung der Pflichtmäßigkeit des Verhaltens der Aufsichtsratsmitglieder in §§ 116, 93 AktG bildet der Interessenkonflikt eine besondere Fallkonstellation. Da die Aufsichtsratsmitglieder hauptsächlich nebenberuflich tätig werden, stellt sich die Frage, ob die Unternehmensinteressen immer Vorrang vor privaten Interessen haben. Im Schrifttum wird bei der Beantwortung zwischen zwei Umständen unterschieden, einmal zwischen Interessenkonflikten innerhalb der Aufsichtsratstätigkeit und den Interessenkonflikten außerhalb der Organtätigkeit. Mehr dazu siehe: Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 93 – 95. Zu weiteren Unterschieden bezüglich der Sorgfalts- und Treuepflichten des Vorstands und Aufsichtsrats siehe: Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 261, 262. 136 Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 729. 133

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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Obwohl im Kapitel C. der vorliegenden Arbeit bereits die Organstruktur und die Rechte und Pflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft im chinesischen Gesellschaftsrecht zusammengefasst wurden, wird nachfolgend der Versuch unternommen, auf die Unterschiede der Organstruktur und gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten der Organmitglieder im deutschen und chinesischen Recht aufmerksam zu machen und damit eine gesellschaftsrechtliche Basis für eine künftige chinesische Gesetzgebung bei der Schaffung einer Untreuenorm zu finden. bb) Bezüglich der Organstruktur Die Gemeinsamkeit der Organstruktur einer Aktiengesellschaft im deutschen und chinesischen Recht besteht darin, dass der Gesetzgeber sich in beiden Ländern für ein dualistisches Modell bestehend aus drei Organen, der Hauptversammlung, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, entschied. Allerdings darf man die Unterschiede in den Organstrukturen einer deutschen und chinesischen Aktiengesellschaft hierbei nicht aus den Augen verlieren. (1) Machtstellung der Hauptversammlung Der größte Unterschied zwischen beiden Ländern bezüglich der Organstruktur einer Aktiengesellschaft liegt in der Stellung der Hauptversammlung. Im deutschen Recht war die Hauptversammlung ursprünglich das oberste Entscheidungsorgan der Aktiengesellschaft137, mit deren Stellung weitreichende Möglichkeiten zu Eingriffen in die Geschäftsführungs- und Verwaltungskompetenzen des Vorstands einhergingen. Die Macht der Hauptversammlung wurde durch die Aktienrechtsreform von 1937 allerdings eingeschränkt. Seither sind die entsprechenden Befugnisse im Bereich der Verwaltung und der Verfügung über das Gesellschaftsvermögen auf einen engen Umfang beschränkt.138 Obwohl die Hauptversammlung heute im deutschen Recht immer noch als oberstes Organ bezeichnet wird, besitzt sie eine andere Bedeutung als vor der Aktienrechtsreform von 1937. Die aktuelle Organisationsverfassung der deutschen Aktiengesellschaft kennt keine hierarchische Ordnung, sondern ist von der Machtbalance zwischen den einzelnen Organen geprägt.139 Daher hat die Hauptversammlung nur in Ausnahmenfällen die Möglichkeit, auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. Die Hauptversammlung nach chinesischem Recht hat eine wesentlich größere Machtposition inne. Insbesondere aufgrund ihrer Personalkompetenz hat sie eine unmittelbare und erhebliche Möglichkeit der Einflussnahme auf den Vorstand und damit auf die geschäftliche Leitung der Gesellschaft. Im Vergleich zu den Organfunk137

Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft, S. 13,

138

Kaufmann, Organuntreue, S. 5. Hüffer, Komm. AktG, § 118/Rn. 4.

18. 139

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tionen einer Aktiengesellschaft im deutschen Recht lassen sich die Organfunktionen im chinesischen Recht wie folgt beschreiben: eine übermächtige Stellung der Hauptversammlung, ein relativ unselbständiger Vorstand und ein machtloser Aufsichtsrat. Diese differenzierte Machtstellung der Hauptversammlung hat einen entscheidenden Einfluss auf diejenigen Pflichten und Rechte des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, welche für die strafrechtliche Haftung der Organmitglieder wegen treuwidriger vermögensschädigender Verhaltensweisen relevant sind. Nachfolgend werden die Funktionen des Vorstands und Aufsichtsrats sowie ihre allgemeinen Verhaltenspflichtennormen im chinesischen und deutschen Recht verglichen. (2) Funktion des Vorstands Bezüglich der Funktion des Vorstands einer Aktiengesellschaft zeigen sich im chinesischen Gesellschaftsgesetz und im deutschen Aktienrecht einige wesentliche Unterschiede. Während das deutsche Gesetz dem Vorstand einen allgemeinen Kompetenzbereich bei der Geschäftsführung zuweist, werden im chinesischen Recht (§§ 109, 47 GeG) die Einzeltätigkeiten des Vorstands aufgezählt. Obwohl die vom chinesischen Gesetzgeber aufgezählten Einzeltätigkeiten die Kernbereiche der Geschäftsführungstätigkeit abdecken und darüber hinaus um weitere Einzelzuständigkeiten in der Satzung erweitert werden können, hat der Vorstand in einer chinesischen Aktiengesellschaft im Vergleich zu Deutschland eine wesentlich schwächere Funktion. Einige der im deutschen Recht dem Vorstand zugewiesenen Befugnisse, wie die Festlegung der Geschäftspolitik und der Investitionsplanung, werden nach chinesischem Recht dem Kompetenzbereich der Hauptversammlung zugeordnet. Die Abhängigkeit des Vorstands von der Hauptversammlung im chinesischen Recht zeigt sich vor allem in der Personalkompetenz der Hauptversammlung, die Mitglieder des Vorstands selbst zu wählen. Eine vollständige Führungsautonomie des Vorstands wie im deutschen Recht existiert im chinesischen Recht nicht. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen beiden Ländern besteht in der Verantwortung des Vorstands als Kollegialorgan. Zwar sieht der chinesische Gesetzgeber den Vorstand als Kollegium vor. Im Gegensatz zum deutschen Gesamtvertretungsprinzip ist jedoch im chinesischen Recht allein ein gesetzlicher Repräsentant, im Regelfall der Vorstandsvorsitzende der Aktiengesellschaft, befugt, die Aktiengesellschaft nach außen hin zu vertreten. (3) Funktion des Aufsichtsrats Obwohl der Aufsichtsrat sowohl im deutschen als auch im chinesischen Recht als obligatorisches Kollegialorgan für die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands zuständig ist, bestehen dennoch einige wesentliche Unterschiede. Der chinesische Gesetzgeber hat zwar bei der Modifikation des Gesellschaftsgesetzes im Jahr 2005 versucht, die Durchsetzung der Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat zu verbessern. So ist der Aufsichtsrat im Gegensatz zum früheren Gesetz

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nicht nur berechtigt, die außerordentliche Hauptversammlung vorzuschlagen, sondern sie auch selbst einzuberufen, wenn der Vorstand seiner Pflicht diesbezüglich nicht nachkommt.140 Darüber hinaus ist nach dem modifizierten chinesischen Gesellschaftsgesetz der Aufsichtsrat verpflichtet, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, wenn seine Handlung die Vermögensinteressen der Gesellschaft schädigt.141 Trotz der Bemühung des chinesischen Gesetzgebers, hat sich die Machtlosigkeit des Aufsichtsrats bei der Durchsetzung seiner Überwachungsaufgaben gegenüber dem Vorstand in der Rechtspraxis aber nicht geändert. Während im deutschen Recht ausschließlich der Aufsichtsrat die Personalentscheidungen bezüglich der Vorstandsmitglieder trifft, wird diese Personalkompetenz im chinesischen Recht der Hauptversammlung zugewiesen. Dies bedeutet, dass für den Aufsichtsrat in einer chinesischen Aktiengesellschaft ein wichtiges Einwirkungsmittel auf den Vorstand wegfällt und somit keine große Einflussnahme auf die Geschäftsführung besteht. Darüber hinaus kommt ein weiteres wichtiges Überwachungsmittel des Aufsichtsrats im deutschen Recht, der Zustimmungsvorbehalt, im chinesischen Recht nicht in Frage. In der Unternehmenspraxis spielt der Aufsichtsrat somit kaum eine Rolle. So verwundert es auch nicht, dass im chinesischen Schrifttum in letzter Zeit, unter Berücksichtigung der Einführung der unabhängigen Vorstandsmitglieder, der Fortbestand des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan einer chinesischen Aktiengesellschaft in Frage gestellt wird. cc) Bezüglich der allgemeinen Verhaltenspflichten der Organmitglieder Bezüglich der allgemeinen Verhaltenspflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG existieren erhebliche Unterschiede zwischen dem deutschen Recht und dem chinesischen Recht. Im deutschen Recht wird die allgemeine Verhaltenspflicht in § 93 AktG durch die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft konkretisiert. Mit der Einführung der aus dem US-amerikanischen Recht stammenden business judgement rule in § 93 Abs. 1, S. 2 AktG im Jahr 2005 bezweckte der Gesetzgeber, den Organmitgliedern einer AG einen erweiterten Haftungsfreiraum bei unternehmerischen Entscheidungen zu verleihen und dadurch die Entschlussfreudigkeit der Organmitglieder zu fördern. Anders als im deutschen Recht leidet die allgemeine Verhaltenspflicht der Organmitglieder im chinesischen Recht noch an der gesetzlichen Unvollständigkeit. Die Problematik der allgemeinen Verhaltensnorm der Organmitglieder im chinesischen Recht wurde bereits im Kapitel C. ausführlich diskutiert. Nachfolgend werden die relevanten Probleme der allgemeinen Verhaltensnorm der Organmitglieder im chinesischen Recht nochmals kurz zusammengefasst. Im Vergleich zum deutschen Aktienrecht ist die allgemeine Verhaltenspflicht der Organmitglieder im chinesischen Recht sehr abstrakt und unverständlich geregelt. 140 141

§ 54 Nr. 4 GeG. § 152 GeG.

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Weder objektives Verhalten der Organmitglieder noch der Verschuldensmaßstab werden zur Beurteilung der Pflichtverletzung normiert. Damit ist es praktisch unmöglich, die Verletzung gegen die nicht im Gesetz oder in der Satzung ausdrücklich geregelten Treuepflichten, geschweige denn überhaupt eine Verletzung gegen die Sorgfaltspflicht durch die Organmitglieder festzustellen. Leider gilt im geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz auch die weltweit anerkannte Haftungsfreistellung der Organmitglieder bei unternehmerischen Entscheidungen nicht. Aus der Untersuchung der gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichtnormen einer AG im deutschen Recht lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass, sollte der chinesische Gesetzgeber künftig eine Untreuenorm schaffen wollen, er die abstrakt geltenden allgemeinen Verhaltensnormen der Organmitglieder weiter konkretisieren und ergänzen muss. Ohne eine gesellschaftsrechtliche Basis für die Beurteilung der Pflichtmäßigkeit der Entscheidungen und Maßnahmen der Organmitglieder läuft die Untreuenorm zur Bekämpfung des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft ins Leere. 3. Strafrechtliche Grundlage der Organuntreue: § 266 DStGB Im vorangegangenen Abschnitt wurden diejenigen gesellschaftsrechtlichen Pflichten des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft im deutschen Recht untersucht, die eine große Relevanz für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen treuwidrigen Verhaltens gemäß § 266 DStGB haben. Ebenfalls wurde im vorigen Abschnitt verdeutlicht, dass die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Verhaltenspflichten durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, die dem Gesellschaftsvermögen einen Schaden zugefügt haben, eine notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung für die Bejahung einer strafrechtlichen Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB darstellt. Die folgende Untersuchung wird über die gesellschaftsrechtlichen Pflichtennormen hinausgehen und die speziellen strafrechtlichen Voraussetzungen für die Bejahung der Organuntreue behandeln. a) Grundsätzliches aa) Geschichtliche Entwicklung der speziellen Organuntreuenorm Da im deutschen Recht über lange Zeit Sonderuntreuenormen existierten, darunter auch die für die Aktiengesellschaft geltende Organuntreuenorm, werden zunächst die Schaffung und Abschaffung der speziellen Organuntreuenormen im deutschen Recht behandelt. Diese Untersuchung hat für die Entwicklung eines Lösungsansatzes zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen der Organmitglieder im künftigen chinesischen Recht erhebliche Bedeutung, da, wie bereits oben aufgezeigt, auch in der chinesischen Literatur von einzelnen Rechtsgelehrten vorgeschlagen wird, in Zu-

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kunft eine gesellschaftsrechtliche Sonderuntreuenorm zu schaffen. Durch die Untersuchung wird nicht nur der Anlass zur Schaffung und Abschaffung der Sonderuntreuenorm, sondern auch deren Auswirkungen geklärt, was für den chinesischen Gesetzgeber künftig behilflich sein könnte. Die geschichtliche Untersuchung der Untreuenorm ist auch deshalb notwendig, weil in jüngster Zeit, in erster Linie von deutschen Strafverteidigern, dem Untreuetatbestand des § 266 DStGB eine unzulässige Vermischung von Recht und Moral vorgeworfen wird. Das Untreueverbot würde – so wird gesagt – zur Bestrafung moralisch vorwerfbaren Verhaltens missbraucht.142 Die Kritiker behaupten, dass der heutige Untreuetatbestand, zu dem es seit dem Jahr 1933 keine wesentlichen Änderungen gab, vom nationalistischen Zeitgeist beeinflusst sei, „zu dessen Grundelementen eine Gradlinigkeit und Redlichkeit des deutschen Menschen gehört. Wer im geschäftlichen oder privaten Leben wie auch immer zu definierenden und detaillierenden Pflichten im Vermögensbereich zuwiderhandelt, sollte bestraft werden“.143 Eine Bewertung dieser kritischen Stimmen in der deutschen Literatur setzt eine historische Untersuchung der geltenden Untreuenorm voraus. (1) Überblick Die geltende Untreuenorm hat sich nach heutigem Verständnis erst in neuerer Zeit herausgebildet. Allerdings sind bereits im römischen wie auch im älteren deutschen Recht verwandte Normen zu finden, die für das Untreuedelikt des § 266 DStGB von prägender Bedeutung waren.144 Die strafrechtliche Sanktion gegen die an anvertrauten Sachen begangene Treulosigkeit lässt sich im deutschen Recht auf die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 zurückführen. In Art. 170 Constitutio Criminalis Carolina145 wurde zum ersten Mal der sorglose und den Eigentümer schädigende Umgang mit einer anvertrauten Sache unter strafrechtliche Sanktion gestellt.146 Der Vorgänger der heutigen Untreuenorm im deutschen Recht ist die im Jahr 1871 in § 266 des Reichsstrafgesetzbuches (nachfolgend als „RStGB“ bezeichnet) eingefügte Untreuenorm.

142

Dahs, NJW 2002, S. 273; Matt, NJW 2005, S. 389. Dahs, NJW 2002, S. 273. 144 Keuffel-Hospach, Die Grenzen der Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB) aufgrund eines (tatsächlichen) Treueverhältnisses, S. 4. 145 Gesetzestext Art. 170 Constitutio Criminalis Carolina lautet: „Straff der Ihennen, so mit vertrauter oder hinderlegter habe vngetreulich handeln. Item wellicher mit eins anndern guttern, die jme jnn gutem glaubenn zu behallten vnnd verwaren gegeben sein, williger vnnd geferrlicher weise dem glaubiger zu schadenn handellt: solliche Missennthat jst einem diepstall gleich zu straffenn.“ Zitiert von: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht, Anhang II. 146 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht, S. 88; Keuffel-Hospach, Die Grenzen der Strafbarkeit wegen Untreue, S. 10. 143

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Die historische Entwicklung der Untreuenorm147 im deutschen Recht wird in der Fachliteratur als „Ergebnis eines historischen Wechselspiels“148 des allgemeinen Untreuetatbestands und der speziellen Untreuenormen bezeichnet. Neben der allgemeinen Untreuestrafnorm existierten im deutschen Recht über lange Zeit hinaus noch zusätzlich verschiedene spezifische Untreueregelungen, die außerhalb des Strafgesetzes festgeschrieben waren. Zum Beispiel existierte für das untreue Verhalten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft bis zum 01. 01. 1966 eine spezielle aktienrechtliche Untreuenorm, die zuletzt in § 294 a. F. AktG stand. Die aktienrechtliche Untreuenorm genoss dabei als lex specialis Vorrang gegenüber dem allgemeinen Untreuetatbestand als lex generalis. (2) Anlass zur Entstehung der aktienrechtlichen Untreueregelung (a) Die unklare Fassung der allgemeinen Untreuenorm § 266 RStGB Als Vorgänger des heutigen Untreuetatbestandes erwies sich der § 266 RStGB wegen seiner unpräzisen Formulierung als unverständlich, was die Organuntreue gegenüber der Gesellschaft anbetraf. Der Untreuetatbestand des § 266 RStGB lautete: (1) Wegen Untreue werden mit Gefängnis, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, bestraft: 1. Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Sequester, Massenverwalter, Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Verwalter von Stiftungen, wenn sie absichtlich zum Nachteile der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sache handeln; 2. Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nachteile desselben verfügen; 3. Feldmesser, Versteigerer, Mäkler, Güterbestätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauer und andere zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Personen, wenn sie bei den ihnen übertragenen Geschäften absichtlich diejenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen. (2) Wird die Untreue begangen, um sich oder einem Anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnisstrafe auf Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern erkannt werden.149

Da der Täterkreis in Ziffer 1 und 3 ausdrücklich aufgezählt wurde, werden der Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft aus diesen zwei Fallkonstellationen 147 Über den Ursprung der Untreue herrscht heute noch Streit. Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass die Untreuenorm auf die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 (Art. 170) zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu sieht die abweichende Meinung den Ursprung der Untreue in der Vorschrift der Vormundsuntreue (Titel 32 § 3), die in der Reichspolizeiordnung aus dem Jahre 1577 geregelt war. Mehr zum Streit über den Ursprung der Untreue siehe: Keuffel-Hospach, Die Grenzen der Strafbarkeit wegen Untreue, S. 10 – 13. 148 Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, S. 20. 149 Zitiert von: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht, Anhang, VI – VII.

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ausgeschlossen. Demzufolge kommt nur Ziffer 2 in Betracht. In Ziffer 2 wurde der Bevollmächtigte, welcher über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nachteile desselben verfügt, mit Strafe bedroht. Bezüglich der Organuntreue zulasten der Aktiengesellschaft ergaben sich aus Ziffer 2 des § 266 RStGB vor allem zwei Probleme. (aa) „Bevollmächtigte“ Nach Erlass des § 266 RStGB entbrannte eine heftige Diskussion über die Auslegung des „Bevollmächtigten“. Dabei wurden die sog. Missbrauchstheorie und die sog. Treuebruchstheorie bezüglich des Wesens der Untreue entwickelt. (a) Streit bezüglich des Wesens der Untreue Die Missbrauchstheorie150, deren Vertreter Binding war, sah in der Untreue eine Schädigung fremden Vermögens durch den Missbrauch einer durch Gesetz oder einer durch Vertrag eingeräumten Machtstellung. Ein solcher Machtmissbrauch kam nur dann in Betracht, wenn die Machtstellung rechtlich wirksam verliehen wurde, da sonst keine Rechtsmacht bestand, die überschritten werden konnte. Eine Überschreitung setzte nach Binding wiederum voraus, dass der Bevollmächtigte die ihm im Innenverhältnis gezogenen Grenzen missachtete, während er im Außenverhältnis den Vermögensinhaber rechtsgeschäftlich wirksam verpflichten konnte. Damit wurden die unwirksamen Rechtsgeschäfte, die rein tatsächlichen Handlungen und das bloße Unterlassen aus § 266 RStGB ausgeklammert. Als Gegner der Missbrauchstheorie empfand die Treuebruchstheorie151 die Anwendbarkeit der Missbrauchstheorie für die Praxis als unzureichend, da nach ihr das rein tatsächlich schädigende Verhalten nicht als Untreue erfasst werden konnte. Das Wesen der Untreue bestehe darin, dass der Täter seine Treuepflicht verletzt. Innerhalb der Treuebruchstheorie haben sich zwei Meinungen zu den Anforderungen der Treuepflicht entwickelt. Während nach der ersten Ansicht152 die Treuepflicht rechtlich wirksam eingeräumt werden sein musste, geht die zweite Ansicht153 davon aus, dass die Vermögensbetreuungspflicht des Täters auch erst durch ein tatsächliches Vertrauensverhältnis begründet werden konnte. Abgesehen von der unterschiedlichen Beurteilung der Anforderungen an die Treuepflicht einigten sich die beiden Ansichten insoweit, als jede Verletzung einer dem Täter aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses obliegenden Pflicht zur Vermögensfürsorge genügte, 150 Binding, Lehrbuch des gemeinen Deutschen Strafrechts, BT, 1. Band, S. 396; ausführliche Literaturhinweise siehe: Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht, S. 65, Fn. 2; Labsch, Untreue (§ 266StGB): Grenzen und Möglichkeiten einer Deutung, S. 60. 151 Draheim, Untreue und Unterschlagung, S. 49; Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, § 266 DStGB, S. 1435. 152 Draheim, Untreue und Unterschlagung, S. 58, 65. 153 Vor allem die Rechtsprechung des Reichsgerichts: RGSt 20, 262, 264; 32, 26.

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womit nunmehr die tatsächlichen Schädigungshandlungen ausreichten, um den Untreuetatbestand zu erfüllen. „Verfügen“ umfasst nicht nur die wirksamen Rechtsgeschäfte, sondern auch unwirksame und tatsächliche Handlungen bezüglich der Forderung und des Vermögens des Auftragsgebers. Die Missbrauchstheorie bezog das Wesen der Untreue auf die wirksamen Handlungen im Außenverhältnis, die Treuebruchstheorie legte dagegen den Schwerpunkt auf das Innenverhältnis, aus dem sich die Treuepflicht ergibt. Die Anhänger der Treubruchstheorie sagten zutreffend, dass mit der Beschränkung des treuwidrigen Verhaltens auf das rechtsgeschäftliche Handeln gerade das in der Praxis häufig auftauchende tatsächlich schädigende Verhalten aus dem Anwendungsbereich der Untreuenorm herausgenommen würde. Andererseits stellte die Treubruchstheorie auch keine zufriedenstellende Lösung dar, da die beiden Auslegungen innerhalb der Treubruchstheorie zu den Anforderungen an die Treuepflicht des Täters entweder zu weit reichten, beispielsweise die normale Vertragsverletzung auch als Verletzung der strafrechtlichen Treuepflicht erfassten154, oder unpräzise waren, so zum Beispiel bei dem tatsächlichen Vertrauensverhältnis. Keine der beiden oben dargestellten Theorien kann eine optimale Lösung bei der Auslegung des § 266 Abs. 1 Nr. 2 RStGB liefern. Mit der Zusammenfassung der Missbrauchs- und Treubruchstheorie im Jahr 1933 in § 266 DStGB endete auch der Streit zwischen beiden Theorien. (b) Auswirkung des Streits auf die Organuntreue Die Befürworter der beiden oben genannten Theorien hatten bezüglich der Tätertauglichkeit der Aufsichtsratsmitglieder155 in § 266 RStGB zwei Meinungen gebildet. Als die herrschende Meinung im damaligen Schrifttum sind die Anhänger der Missbrauchstheorie davon ausgegangen, dass der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nur ausnahmsweise tauglicher Täter der Untreue sein kann. Unter „Bevollmächtigten“ im Sinne des § 266 RStGB ließen sich nach dem Gesetzeswortlaut und wegen der Verknüpfung des Begriffs der Bevollmächtigung mit dem Auftraggeber im Grundsatz nur rechtsgeschäftliche Bevollmächtigte einordnen. Da die Haupttätigkeiten des Aufsichtsrats Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten sind, also nicht rechtsgeschäftliche Tätigkeiten, konnte ein Aufsichtsratsmitglied nur dann und nur in demjenigen Umfang als „Bevollmächtigter“ angesehen werden, in dem es von den eng begrenzten Befugnissen zu Handlungen mit Rechtswirkungen nach außen Gebrauch machte.156 Reine Überwachungstätigkeiten erfüllten gerade nicht die Erfordernisse des rechtsgeschäftlichen Handelns, welche in Ziffer 2 des § 266 Abs. 1 154

Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 16. Weniger problematisch ist die Anwendbarkeit von Ziffer 2 des § 266 RStGB auf den Vorstand. Die Vorstandsmitglieder wurden sowohl von der Rechtsprechung als auch in der Literatur im Ergebnis einhellig als Bevollmächtigte der Gesellschaft eingestuft. Nelles, Untreue, S. 33; RGSt 7, 279, 280. 156 Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, S. 77; Seher, Die aktienrechtliche Untreue in rechtsvergleichender Darstellung, S. 16. 155

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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RStGB vorausgesetzt wurden. Allerdings sah das Reichsgericht157 als Vertreter der Treubruchstheorie die Aufsichtsratsmitglieder als taugliche Täter des Untreuetatbestands an, wobei die Aufsichtsratsmitglieder als „Bevollmächtigte“ der Gesellschaft – also der Aktionäre – in ihrer Gesamtheit und nicht als Bevollmächtigte der einzelnen Aktionäre zu betrachten waren.158 Für das Bejahen der Untreue genügte die Verletzung der Treuepflicht durch tatsächliches Handeln. Neben dem Streit über die Tätertauglichkeit der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft wurde die Auslegung des § 266 Abs. 1 Nr. 2 RStGB des Weiteren durch die Benennung der Tathandlung als „Verfügung über Forderungen oder Vermögensstücke des Auftragsgebers“ erschwert. (bb) „Verfügung über Forderungen oder Vermögensstücke des Auftragsgebers“ Mit Bezug auf die Organuntreue war insbesondere die Beantwortung der Frage, ob die Erfüllung des Untreuetatbestands bejaht werden kann, wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht nur einzelne Vermögensstücke, sondern das ganze Vermögen der Gesellschaft mit einer Verbindlichkeit belastet, von großer Bedeutung. Wenn man sich streng an die Gesetzesformulierung hielt, musste eine Strafbarkeit des Vorstands in solchen Fällen abgelehnt werden, da sich die Tathandlung als eine der Tatbestandsvoraussetzungen in Ziffer 2 ausdrücklich auf Verfügungen über Forderungen und andere Vermögensstücke beschränkte.Tatsächlich stellte die Belastung des Gesamtvermögens der Gesellschaft durch den Vorstand auch einen Nachteil der Gesellschaft dar und war somit strafwürdig. Die in Ziffer 2 aufgeführte Tathandlung erwies sich daher als nicht ausreichend, um den Unrechtsgehalt der Tat zu decken und der Unternehmensrealität zu entsprechen. (cc) Zusammenfassung Wie oben bereits aufgezeigt, hat sich die für die Organuntreue zulasten einer Aktiengesellschaft relevante Ziffer 2 des § 266 RStGB nicht nur hinsichtlich der Tauglichkeit der Aufsichtsratsmitglieder als potentielle Täter, sondern auch bezüglich der Tathandlung – Verfügung über einzelne Forderungen oder Vermögensstücke – als zu eng herausgestellt. Die Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 266 RStGB im allgemeinen und bezogen auf Gesellschaftsorgane, trugen mit dazu bei, dass der Gesetzgeber sich veranlasst sah, einerseits die Schwäche der Norm durch die Neufassung des Tatbestands der Untreue zu beseitigen und andererseits einen Sonderstraftatbestand in das Handelsrecht einzufügen, um die Erfassung der Untreuehandlungen durch die Organe der Gesellschaft, vor allem durch die Mitglieder des Aufsichtsrats, zu erleichtern. Neben der unzulänglichen Fassung des § 266 RStGB spielten auch die wirt-

157 158

RGSt. 32, 26, 27; 38, 363, 366; 61, 1, 3; 62, 15, 18. RGSt. 7, 279, 280, 281.

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schaftlichen Missstände bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine ebenso wichtige Rolle bei der Schaffung der spezifischen Organuntreuenorm. Die geschichtliche Entwicklung der Untreuenorm macht aber auch deutlich, dass die heutige Untreuenorm einen bedeutenden historischen Ursprung im deutschen Recht hat und bereits seit dem Erlass des § 266 DStGB im Jahr 1871 wegen deren unpräziser Formulierung Reformdiskussionen auslöste. Die Behauptung, dass die Untreuenorm vom nationalsozialistischen Strafrecht stark geprägt sei und auch den moralischen Unwert bestrafe, ist daher nicht akzeptabel. Inakzeptabel ist dies deshalb, weil die Treunehmer nicht wegen unmoralischer Handlungen, sondern wegen vorsätzlich begangener pflichtwidriger Handlungen bestraft werden, die zum Vermögensschaden bei ihrem Treugeber geführt haben. Nur unmoralische Handlungen bleiben insofern straflos, als die Moral kein gesetzlich geschütztes Rechtsgut – im Fall des § 266 DStGB ist Schutzgut das Vermögen des Treugebers – darstellt. Die Aufgabe des Rechts, insbesondere des Strafrechts, ist es, die für ein freies und friedliches Zusammenleben notwendigen Rechtsgüter zu schützen. (b) Wirtschaftliche Missstände Ende des 19. Jahrhunderts Durch die Aktiennovelle vom 11. Juni 1870 wurden der zuvor eingeführte Konzessionszwang159 und die staatliche Oberaufsicht zur Aktiengesellschaft durch Normativbestimmungen ersetzt. In den Normativbestimmungen waren die gesetzlichen Voraussetzungen festgelegt, von deren Erfüllung es abhing, ob die handelsgerichtliche Eintragung der Aktiengesellschaft, durch die sie rechtlich erst existent wurde, vorgenommen werden konnte. Damit sich möglichst viele aus der Bevölkerung an den neu gegründeten Unternehmen beteiligen konnten, wurde durch gesetzliche Bestimmungen der Betrag der Namens- und Inhaberaktien herabgesetzt.160 Diese erleichterte Voraussetzung zur Gründung einer Aktiengesellschaft im Handelsgesetzbuch und das schnelle Wirtschaftswachstum161 führte zu einer geradezu explosionsartigen Vermehrung der Aktiengesellschaften. Bis zum Jahr 1870 gab es in Deutschland nur 203 Aktiengesellschaften. Drei Jahre später wurden bereits 843 Aktiengesellschaften neu gegründet, während das durchschnittliche Grundkapital der Gesellschaft von ca. 10.800.000 Mark auf ca. 295.000 Mark zurückging.162 Unter den neu gegründeten Unternehmen war jedoch auch eine große Anzahl von Schwindelgesellschaften. Bis zum Jahr 1884 erlitten allein die Aktionäre einen Verlust von über 35.000.000 Mark, vor allem wegen des Konkurses zahlreicher Aktien-

159 Nach dem Konzessionssystem wird die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person durch staatliche Verleihung oder Genehmigung erworben, wobei die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Nelles, Untreue, S. 27; Zech, Untreue durch Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft, S. 28, Fn. 6. 160 Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 12. 161 Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 13. 162 Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 10.

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gesellschaften.163 Neben den Verlusten der Aktionäre waren die Vermögenseinbußen der Gläubiger der zusammengebrochenen Gesellschaften noch härter, da sie bei den meisten Konkursen völlig leer ausgingen. Die Bevölkerung verlor dabei in großem Umfang das Vertrauen in die Aktiengesellschaften und die Wirtschaft stand kurz vor einem Zusammenbruch. Um die Interessen der bisher schutzlosen Aktionäre und Gläubiger vor den Machenschaften der aktienrechtlichen Organe zu schützen und die gesamte Wirtschaft vor Krisen zu bewahren, sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit der Stärkung der Verantwortlichkeit der bei der Gründung und Verwaltung einer Aktiengesellschaft beteiligten Personen. Die Straftatbestände, darunter auch der Untreuetatbestand, wurden als Instrumente zur Bekämpfung des Gründungsschwindels eingeführt.164 (3) Schaffung und Fortentwicklung der speziellen Organuntreuenorm Auf der Grundlage des vage formulierten § 266 RStGB sowie der Missstände der Wirtschaftslage zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die erste Organuntreuenorm im deutschen Recht geschaffen. (a) Die erste aktienrechtliche Untreuebestimmung – Art. 249 ADHGB Die erste aktienrechtliche Untreuebestimmung wurde in Art. 249165 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) vom 18. 07. 1884 normiert. Unter Art. 249 der Aktiennovelle sollten als Täter bei untreuem Verhalten zum Nachteil der Gesellschaft „zweifelsfrei persönlich haftende Gesellschafter, Mitglieder des Aufsichtsrats und Liquidatoren einer Kommanditgesellschaft mit Aktien“ und „Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats und Liquidatoren einer Aktiengesellschaft“ subsumiert werden können.166 Die Tathandlung wurde hier durch die weitläufigere Formulierung „Handeln zum Nachteil der Gesellschaft“ umschrieben. Damit konnten auch Belastungen des Vermögens mit Verbindlichkeiten strafrechtlich geahndet werden, die vorher nicht unter die in Ziffer 2 des § 266 RStGB normierte Tathandlung der Untreue – Verfügung über Forderungen oder Vermögensstücke – fielen. Mit Aufnahme dieser Sonderstrafbestimmung in das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch war es möglich, die Organe einer Aktiengesellschaft wegen Untreuehandlungen gegenüber der Gesellschaft strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

163

Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 13. Nelles, Untreue, S. 57. 165 Art. 249 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) lautete: „Persönlich haftende Gesellschafter, Mitglieder des Aufsichtsrats und Liquidatoren einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sowie Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats und Liquidatoren einer Aktiengesellschaft werden, wenn sie absichtlich zum Nachteil der Gesellschaft handeln, mit Gefängnis und zugleich mit Geldstrafe bis zu 20.000 Mark bestraft. Zugleich kann auf Verlust des bürgerlichen Ehrenrechts erkannt werden“. 166 Nelles, Untreue, S. 45. 164

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

(b) § 312 a. F. HGB Der wesentliche Inhalt der Sonderstrafbestimmung des Art. 249 ADHGB wurde zunächst mit der Reform des Aktienrechts in den § 312 des neu geschaffenen Handelsgesetzbuchs vom 10. 05. 1897, das am 01. 01. 1900 in Kraft trat167, übertragen. Gegenüber Art. 249 ADHGB bestand die wesentliche Änderung des § 312 a. F. HGB darin, dass nach dem neuen Spezialtatbestand bei mildernden Umständen im Falle der aktienrechtlichen Untreue auch nur eine Geldstrafe verhängt werden konnte. Der Grund für die Einführung dieser fakultativen Strafmilderung war, dass man nach dem Abflauen der Gründungswelle die obligatorische Freiheitsstrafe für unangemessen hielt.168 Angesichts der schweren wirtschaftlichen Missstände im Deutschen Reich wurde die bisherige aktienrechtliche Untreue durch die Schaffung der besonders schweren Fälle der Untreue (Ahndung mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe), die in Art. 9 der Notverordnung des Reichspräsidenten aus dem Jahre 1931 geregelt wurde, verschärft. Allerdings fehlte für die Prüfung, ob ein besonders schwerer Fall von aktienrechtlicher Untreue im Sinne der Verordnung von 1931 vorlag, eine nähere Definition des Gesetzgebers.169 § 312 a. F. HGB wurde zwei Jahre später abermals durch die Abänderung und Ergänzung strafrechtlicher Vorschriften vom 26. 05. 1933 geändert. Eine Verschärfung erfuhr der abgeänderte § 312 a. F. HGB dadurch, dass eine erhöhte Freiheitsstrafe – Zuchthaus bis zu zehn Jahre (vorher fünf Jahre) – für besonders schwere Fälle angedroht wurde. Eine Ergänzung fand die Fassung des bisherigen aktienrechtlichen Untreuetatbestandes dahingehend, dass der Begriff des besonders schweren Falles durch beispielhafte Aufzählung von Tathandlungen näher definiert wurde.170 Die oben dargestellte Fortentwicklung der speziellen Organuntreuenormen zeigt, dass vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts die wirtschaftliche Lage einen großen Einfluss auf die gesetzlichen Änderungen der Organuntreuenorm hatte. Sobald sich die Wirtschaft wieder normalisierte und verbesserte, wurden auch die strafrechtlichen Sanktionen wegen Untreue wie § 312 a. F. HGB aus dem Jahr 1897 entschärft. Kam hingegen eine Wirtschaftskrise, wurde auch die Untreue härter sanktioniert, wie Art. 9 der Notverordnung des Reichspräsidenten aus dem Jahre 1931 zeigt. 167 Das neue Handelsgesetzbuch enthielt das Aktienrecht im III. Abschnitt des 2. Buches in den §§ 178 bis 319. Davon waren Strafe und Ordnungsbestimmungen im 6. Titel des III. Abschnitts in den §§ 312 bis 319 niedergelegt. Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 18; Zech, Untreue, S. 33. 168 Schneider, Die Untreue nach dem neuen Aktienrecht, S. 7. 169 Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 20, 21. 170 § 312 a. F. HGB im Jahr 1933: „Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.“ Zitiert von: Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 23.

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(c) § 294 a. F. AktG Obwohl im Jahr 1933 § 266 DStGB171 neu gefasst wurde, in dem die Missbrauchstheorie und Treuebruchstheorie aufgenommen wurde,172 hielt der Gesetzgeber am speziellen gesellschaftsrechtlichen Untreuestraftatbestand noch eine Zeit lang fest. Im Jahr 1937 wurde das Aktienrecht durch die Reichsregierung umfassend reformiert. Das Aktiengesetzbuch wurde aus dem Handelsgesetzbuch herausgelöst und trat als selbstständiges Gesetzbuch am 01. 10. 1937 in Kraft.173 Der Sondertatbestand der Untreue wurde in § 294 dieses neuen Aktiengesetzbuches geregelt. § 294 a. F. AktG lautete: „(1) Wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler vorsätzlich zum Nachteil der Gesellschaft handelt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Zugleich kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (3) In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus von bis zu zehn Jahren; ein besonders schwerer Fall liegt dann namentlich vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.“174

Der Wortlaut des § 294 a. F. AktG entsprach im Wesentlichen § 312 a. F. HGB aus dem Jahr 1933.175 Im Vergleich zur vorherigen speziellen Untreuenorm ist nur der Taterfolg geändert worden. Die Geldstrafe, die früher neben der Gefängnisstrafe zusätzlich verhängt werden musste, wurde gestrichen.

171

Obwohl dieser Untreuetatbestand im Laufe der Zeit mehrfach durch die Reformen des Strafrechts geändert wurde, blieben die wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Untreue unverändert. Der Untreuetatbestand von 1933 hatte folgende Fassung: (1) Wer vorsätzlich die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird wegen Untreue mit Gefängnis und mit Geldstrafe bestraft. (2) Daneben kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (3) In besonders schweren Fällen tritt an die Stelle der Gefängnisstrafe Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Tat das Wohl des Volkes geschädigt oder einen besonders großen Schaden zur Folge gehabt oder der Täter besonders arglistig gehandelt hat.“ Zitiert von Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht, Anhang IX. 172 Weber, in: FS Dreher 1977, S. 558, 559. 173 Zech, Untreue, S. 33. 174 Gesetztext in: Nelles, Untreue, S. 632. 175 Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 24.

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(4) Abschaffung der aktienrechtlichen Untreuenorm Die ersatzlose Streichung der aktienrechtlichen Untreueregelung erfolgte im Zuge der Aktienrechtsreform von 1965. Begründet wurde diese Streichung damit, dass die vormalige spezielle aktienrechtliche Untreue vom allgemeinen Untreuetatbestand des § 266 DStGB mitumfasst sei und daher keiner besonderen Regelung mehr bedürfe.176 Später wurde im Jahr 1970 auch der Spezialtatbestand des § 81 a. F. GmbHG, in dem das untreue Handeln durch die Organe einer GmbH geregelt wurde, abgeschafft. Nachdem nun seit 1965 keine spezifische Untreuenorm mehr besteht, muss eine Organuntreue ausschließlich nach der allgemeinen Untreuenorm des § 266 DStGB beurteilt werden. In den Jahren 1969, 1975 und 1998177 wurde der aus dem Jahr 1965 stammende § 266 DStGB mehrfach geändert. Die Modifikationen betrafen vor allem den Taterfolg des § 266 DStGB, der wesentliche Inhalt der Untreuenorm blieb unberührt. (5) Kritik an der Abschaffung der aktienrechtlichen Untreuenorm im deutschen Schrifttum Die Abschaffung der aktienrechtlichen Untreuenorm wurde im deutschen Schrifttum im Hinblick auf den unterschiedlichen Schutzumfang des § 266 DStGB und des § 294 a. F. AktG sowie die verminderte Präventionswirkung des allgemeinen Untreuetatbestandes kritisiert. Zuvor wurde bereits erwähnt, dass der Gesetzgeber die Streichung des § 294 a. F. AktG damit begründete, dass durch den § 266 DStGB die speziellen Untreuenormen hinreichend abgedeckt würden und dementsprechend der § 294 a. F. AktG als überflüssig anzusehen sei. Dies ist jedoch insoweit inakzeptabel, als der § 294 a. F. AktG auch die Aufgabe hatte, neben dem Gesellschaftsvermögen die Aktionärsinteressen, die Interessen der Gesellschaftsgläubiger sowie die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen,178 wogegen § 266 DStGB ausschließlich den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezweckte, ohne sich dabei von Drittinteressen abhängig zu machen.179 Dass in § 294 a. F. AktG nicht ausschließlich die Vermögensinteressen der Gesellschaft geschützt werden sollten, sondern auch die Interessen verschiedener Personengruppen Berücksichtigung fanden, ergab sich aus dem Wortlaut des § 294 Abs. 3 a. F. AktG. Dort würde eine erhöhte Strafe angedroht, wenn die Tat das Wohl des Volkes schädigt oder einen anderen besonders großen Schaden zur Folge gehabt hat. In dieser Formulierung zeigte sich, dass nicht nur das Gesellschaftsvermögen als solches vor treuwidrigen Eingriffen durch die Mitglieder der Organe geschützt würde, sondern auch die 176 Regierungsentwurf, Vor § 385 AktG, BT-Drs. IV/171 S. 260; Begründung zum Regierungsentwurf des Aktiengesetzes vom 06. 09. 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S. 498; Kaufmann, Organuntreue, S. 11. 177 Mehr dazu siehe, Zech, Untreue, S. 39, 40. 178 Schneider, Die Untreue nach dem neuen Aktienrecht, S. 1, 38; Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 1 – 3. 179 Loeck, Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue, S. 12.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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Vermögensinteressen anderer, in den Funktionsbereich einer Aktiengesellschaft eintretender Personengruppen vor Schädigungen bewahrt werden sollten. Wäre man der Begründung des Gesetzgebers zur Streichung des § 294 a. F. AktG gefolgt, hätte diese bedeutet, dass sich mit Abschaffung der aktienrechtlichen Untreuevorschrift aus § 266 DStGB die Möglichkeit der Bestrafung wegen gleicher vermögensschädigender gesellschaftsrechtlicher Pflichtverletzungen der Organe ergäbe, wodurch der allgemeine Untreuetatbestand auch eine gläubigerschützende Funktion wahrnehmen würde.180 Diese Schlussfolgerung steht jedoch in Widerspruch zu dem einheitlich anerkannten Schutzzweck des § 266 DStGB, nach welchem ausschließlich das Vermögen des Vermögensinhabers erfasst wird – in der vorliegenden Arbeit also das der Aktiengesellschaft. Mit dem Ersatz der aktienrechtlichen Untreuenorm durch § 266 DStGB wurden die aus der fehlenden Beschreibung der Tathandlung und der nicht näher definierten Vermögensbetreuungspflicht des § 266 DStGB resultierenden Probleme181 auch auf die Organuntreue übertragen. Darüber hinaus könne die allgemeine Untreuenorm keine stärkere generalpräventive Wirkung erreichen, da sich die Organmitglieder einer AG naturgemäß intensiver mit einem aktienrechtlichen Spezialtatbestand beschäftigten als mit einer allgemeinen strafrechtlichen Bestimmung.182 Im Rahmen dieser Argumentation gegen die Abschaffung der aktienrechtlichen Untreue fordern in letzter Zeit einige deutsche Rechtswissenschaftler183, beispielsweise Tiedemann184, die Wiedereinführung einer gesellschaftsrechtlichen Sonderuntreuenorm, um eine Schädigung der Gesellschaft nicht generell mit Strafe zu bedrohen, sondern nur konkret definierte Tathandlungen zu sanktionieren. Mit Bezug auf die künftigen gesetzlichen Änderungen zur Verbesserung des Vermögensschutzes der AG vor unrechtmäßigen Eingriffen ihrer Organmitglieder hat die Gegenmeinung, die eine Wiedereinführung der Sonderuntreuenorm im deutschen Recht befürwortet, wie oben aufgezeigt, einiges für sich. Zustimmend gilt, dass die gesellschaftsrechtliche Untreuenorm eine höhere Präventionswirkung als die allgemeine strafrechtliche Untreuenorm innehat. Andererseits liegt der Nachteil einer außerstrafrechtlichen speziellen Untreuenorm darin, dass die Gefahr der Zersplitterung des Strafrechts besteht. Die Lösung der Frage, ob im künftigen chinesischen Recht eine Norm nach der früheren deutschen aktienrechtlichen Organuntreuenorm oder nach der geltenden allgemein strafrechtlichen Untreuenorm geschaffen werden sollte, kann sich daher nicht aus der geschichtlichen Entwicklung der Untreuenorm ergeben. Vielmehr liegt sie in den Tatbestandsmerkmalen des § 266 DStGB selbst. Abgesehen von der Kritik be180

Hirsch, Strafrechtsschutz, S. 36. Matt, NJW 2005, S. 389. 182 Flum, Schutz der GmbH, S. 22; Geilen, in: Kölner Komm. AktG, vor § 399/Rn. 10. 183 Schramm, Untreue und Konsens, S. 256. 184 Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 319, 320; ders., in: FS Würtenberger 1978, S. 241, 249, 251. 181

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

züglich der Abschaffung der speziellen Untreuenormen in der gegenwärtigen deutschen Literatur hat der Untreuetatbestand wegen seiner Unbestimmtheit und Offenheit große Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Literatur ausgelöst. Während die Untreuenorm von einigen als unvereinbar mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG oder als „nahe an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit“ bezeichnet wird,185 bejahen demgegenüber andere Stimmen im Schrifttum die hinreichende Bestimmtheit der Untreuenorm. So sagt Schünemannn, dass § 266 DStGB „schärfer konturiert ist als der bis heute von jeder Grundsatzkritik freie Betrugstatbestand“.186 Ist die Untreuenorm im deutschen Recht verfassungswidrig, wie einige Kritiker behaupten, oder nicht? Wo liegen die Gründe für die großen Meinungsverschiedenheiten? Und welche Strukturprobleme ergeben sich aus der Untreuenorm überhaupt? Diese Fragen sind entscheidend für die künftige Gesetzgebung in China. Zur Begründung wird ausgeführt, dass im Jahr 1997 bei der Revidierung des chinesischen Strafgesetzbuchs das Gesetzlichkeitsprinzip in § 3 CStGB verankert worden ist.187 § 3 CStGB lautet: „Ist (eine Handlung) durch Gesetz ausdrücklich als strafbare Handlung bestimmt, wird diese entsprechend der gesetzlichen Festlegung als Straftat mit (der dafür vorgesehenen) Strafe geahndet; liegt eine ausdrückliche Bestimmung als strafbare Handlung durch Gesetz nicht vor, ist eine Festlegung (der Handlung) als Straftat und Verhängung von Strafe nicht statthaft“.188 In der chinesischen Literatur ist einheitlich anerkannt, dass § 3 CStGB das Gebot der Gesetzesbestimmtheit189 enthält.190 Nach dem Bestimmtheitsgebot müssen die strafrechtlichen 185 Diese Kritik bezieht sich vor allem auf die fehlende Beschreibung der Tathandlung und auf die aus der nicht näher definierten Vermögensbetreuungspflicht resultierende Vagheit der Gesetzesfassung. Matt, NJW 2005, S. 389; Kargl, ZStW 2001, S. 589; Perron, GA 2009, S. 219. 186 Schünemann, NStZ 2005, S. 473 (474); auch Englisch sieht den § 266 als hinreichend konkret und damit nicht reformbedürftig an. Englisch, NJW 2005, S. 2974. 187 Zur Entstehung des in § 3 CStGB verankerten Gesetzlichkeitsprinzips in China in deutscher Sprache siehe: Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 16 – 20. 188 Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 105. 189 In der chinesischen Fachliteratur wird angenommen, dass § 3 CStGB im Wesentlichen mit dem Gesetzlichkeitsprinzip in westlichen Ländern wie Art. 103 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes übereinstimmt. Einige Rechtsgelehrte gingen noch einen Schritt weiter, indem sie die Unterschiede des Gesetzlichkeitsprinzips in chinesischen und westlichen Ländern untersuchten und dabei die Besonderheit des Gesetzlichkeitsgebots im geltenden chinesischen Recht herausfanden. Genauer gesagt stellt das Gesetzlichkeitsgebot im chinesischen Recht den Schutz des Individuums vor Richterwillkür dar, der im zweiten Satz des § 3 CStGB geregelt ist; im ersten Satz des § 3 CStGB hingegen ist der Schutz der Bevölkerung durch die staatliche Verfolgung strafbarer Handlungen verankert, der vor dem Schutz des Individuums aus Satz 2 des § 3 CStGB Vorrang hat. Hier ist klar erkennbar, dass der chinesische Gesetzgeber dem Schutz der Interessen der Bevölkerung vor dem Schutz der Rechte des Individuums höheres Gewicht verleiht. Fu, Liqing, Shandai zuixing fading, in: Faxue pinglun 2005/3, S. 43; He, Bingsong (Hrsg.), Xingfa jiaoke shu, 1997, S. 63 – 68; Wu, Yühong, Shilun zuixing fading yuanze de zhongguo tese, in: Zhengzhi yu falü, 2002 (2), S. 55; Wu, Yühong/Xu, Jianfeng,

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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Normen so konkret sein, dass der einzelne von vornherein erkennen kann, was strafrechtlich verboten ist, um in der Lage zu sein, sein Verhalten danach zu richten.191 Unabhängig von der teilweise unbefriedigenden Durchsetzung des Bestimmtheitsgebots in der aktuellen chinesischen Rechtspraxis192 zeigt die Verankerung des Gesetzlichkeitsprinzips im chinesischen Strafrecht den Versuch des Gesetzgebers, sich dem Rechtsstaatsprinzip anzunähern.193 Hinsichtlich des im chinesischen Strafrecht festgelegten Bestimmtheitsgebots wäre eine Ausrichtung an der geltenden Untreuenorm im deutschen Recht für das künftige chinesische Strafrecht ausgeschlossen, wenn die deutsche Untreuenorm sich bereits als verfassungswidrige, weil zu unbestimmte Norm erwiese. bb) Das durch § 266 DStGB geschützte Rechtsgut Über die Schutzrichtung des § 266 DStGB gibt es zwei Meinungen. Die erste Meinung194, die zwischenzeitlich auch herrschend ist, geht davon aus, dass es sich beim geschützten Rechtsgut des § 266 DStGB ausschließlich um das einer fremden Hand anvertraute Vermögen handelt. Hingegen sah eine frühere Meinung, deren Vertreter Dunkel195 und Gallas196 waren, die Redlichkeit im Rechts- und Wirtschaftsverkehr oder das Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Geschädigtem als ein selbständiges Rechtsgut an, welches neben dem Vermögen durch den Untreuetatbestand geschützt werden sollte. Die abweichende Meinung ist deshalb nicht akzeptabel, weil ein Vertrauensbruch nur das Angriffsmittel für die Vermögensschädigung darstellt. Die Verletzung des Vertrauens führt nicht automatisch dazu, dass bei der Untreue das eingesetzte Mittel zum Zweck als Rechtsgut anerkannt wird.197 Hinsichtlich der Organuntreue einer Aktiengesellschaft ist in der deutschen Rechtsprechung198 und auch in der Literatur199 einheitlich anerkannt, dass der Aktiengesellschaft selbst als juristische Person die für § 266 DStGB erforderliche Opferqualität Yingran de lunshuo yu shiran de pingshuodui xinxingfa zuxingfading yuanzhe zhongguot tese der touxi yu zhiyi, in: Zhejiang zhengfa guanli ganbu xueyuan yuanbao, 2001/3, S. 6. 190 Su, Guoxiang, Xingfa jiben wenti, S. 21; Zhang, Mingkai, Xing faxue, S. 51. 191 Zhang, Mingkai, Xing faxue, S. 52. 192 Ruan, Fangmin, Zuixingfading yuanzhe sifahua de zhangai jiqi kefu, in: Huazheng zhengfa xuebao, 2002/6, S. 31. 193 Xu, Famin, Xingfa de shehui wenhua fenxi, S. 152. 194 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 30; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 45/ Rn. 1; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 28; Wessels/Hillenkamp, BT 2, § 18/Rn. 747. 195 Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht, S. 42. 196 Gallas, in: FS Eb. Schmidt 1961, S. 401. 197 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 45/Rn. 1. 198 Rechtsprechung: RGSt. 42, 278; BGHSt 3, 23, 32; 34, 379; 35, 333; BGH wistra 1983, 71; 1990, 99. 199 In der Literatur: Nelles, Untreue, S. 178; Otto, JZ 1985, S. 69, 74; Reiß, wistra 1989, S. 1671.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

zukommt. Die Aktiengesellschaft als taugliches Opfer im Sinne des § 266 DStGB ergibt sich zunächst aus § 1 Abs. 1 AktG. Hier wird die AG als juristische Person und damit als Trägerin von Rechten und Pflichten angesehen. Entsprechend ist damit auch gemeint, dass die Aktiengesellschaft Inhaber des Gesellschaftsvermögens ist. Darüber hinaus wird die Aktiengesellschaft als taugliches Opfer auch durch die geschichtliche Entwicklung der Organuntreue bestätigt: in der mittlerweile gestrichenen aktienrechtlichen speziellen Untreuenorm des § 294 a. F. AktG wurde die Aktiengesellschaft als Opfer ausdrücklich anerkannt. Zu beachten ist, dass die Annahme abgelehnt werden muss, dass § 266 DStGB neben dem Vermögen der Gesellschaft auch die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft unmittelbar schützt. Die unmittelbare Funktion des Gläubigerschutzes wird durch den Insolvenzstraftatbestand in § 283 DStGB erfüllt.200 Obwohl durch die Untreuevorschrift unmittelbar nur die Vermögensinteressen der Gesellschaft geschützt sind, zieht der Schutz des Gesellschaftsvermögens auch einen Vorteil für die Gläubiger und die Arbeitnehmer nach sich. Als Reflex werden mittelbar auch die Gläubigerund Arbeitnehmerinteressen durch den Untreuetatbestand geschützt.201 cc) Strafgrund der Untreuestrafnorm In der modernen Wirtschaft wird die Stellung des Eigentümers (Treugeber) von derjenigen des Vermögensverwalters (Treunehmer) getrennt. Das Vermögen des Treugebers vor dem Handeln des Treunehmers strafrechtlich zu schützen, ist deshalb notwendig, weil die dem Treunehmer zugewiesene Machtposition über das fremde Vermögen zugleich das Risiko birgt, dass dieser seine Machtstellung pflichtwidrig missbraucht und das Vermögen des Treugebers schädigt.202 Der Handlungsunwert der Untreue liegt folglich darin, dass der Täter die ihm anvertraute interne Machtstellung zur pflichtwidrigen Schädigung fremder Vermögensinteressen ausnutzt.203 Als eine von wenigen Strafnormen wird die Untreuestrafnorm hauptsächlich gegen die „Großen und Mächtigen“204 der Gesellschaft eingesetzt. dd) Die Gesetzesbestimmtheit der Untreuestrafnorm § 266 DStGB enthält zwei Tathandlungsalternativen, zum einen den Missbrauch, welcher als Überschreitung des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis und einem Handeln im Rahmen des rechtlichen Könnens im Außenverhältnis definiert wird, zum anderen die Treubruchshandlung, welche sich in der Verletzung der Vermögens200

Busch, Konzernuntreue, S. 38. Höf, Untreue im Konzern, S. 28. 202 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 3; Schramm, Untreue und Konsens, S. 33. 203 Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 2. 204 Ransiek, ZStW 2004, S. 636. 201

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betreuungspflicht erschöpft. Mangels näherer Vorgaben zur Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen der Treuebruchsuntreue im Innenverhältnis ist die Untreuestrafnorm abhängig von der gesamten Rechtsordnung. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle Rechtsnormen als taugliche Quellen einer untreuerelevanten Pflichtverletzung in Betracht kommen.205 Durch diese Akzessorietät des Untreuetatbestands zu anderen Rechtsbereichen wird der Untreuenorm zwar eine große Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verliehen, zugleich ist die Untreuenorm hierdurch aber sehr extensionsfähig206 und unbestimmt207 geworden.Dementsprechend kritisieren einige Rechtswissenschaftler208, dass die Untreue, insbesondere die Tathandlungsvariante des Treuebruchs zum Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG in Widerspruch stehe. Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der Untreuenorm wird jedoch von der überwiegenden Ansicht im deutschen Schrifttum abgelehnt.209 Bislang besteht auch in der deutschen Rechtsprechung kein Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Untreuenorm.210 Es mag sein, dass sich der Treubruchstatbestand im Sinne des § 266 DStGB aufgrund der nicht näher umschriebenen Tathandlung nicht als ideale Strafvorschrift im Sinne des Bestimmtheitsgebots erweist. Dennoch ist die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Untreuenorm zu bejahen. So hat hinsichtlich der pragmatischen Probleme bei der Auslegung des Bestimmtheitsgebots das Bundesverfassungsgericht betont, das Strafrecht könne nicht vollständig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig umschrieben werden könnten, da diese Formulierungen unentbehrlich seien, um der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte Herr zu werden.211 In jüngster Zeit wurde diese Formel vom Bundesverfassungsgericht noch dahingehend ergänzt, dass Art. 103 Abs. 2 GG für den einzelnen die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit staatlicher Strafen dadurch gewährleisten solle, dass in Grenzfällen zumindest das Risiko der Strafbarkeit aus dem Gesetz und dessen richterlicher Auslegung erkennbar ist.212 Auf der Grundlage dieser Aussagen ist die Verfassungsmäßigkeit der Untreuenorm dadurch zu begründen, dass die Tatbestandsmerkmale wie Vermögensbetreuungspflicht und Missbrauchshandlung auf spezifische Regeln aus dem jeweiligen Lebensbereich verweisen. Wegen der erhöhten Akzessorietät der Untreuestrafnorm zu außerstrafrechtlichen Normen ist die Un205

Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 31. Saliger, HRRS 2006, S. 12. 207 Ransiek, ZStW 2004, S. 678; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 4. 208 Dierlamm, in: Münchener Komm. StGB, § 266/Rn. 3; Kargl, ZStW 2001, S. 576, 589; Labsch, Untreue (§ 266): Grenzen und Möglichkeiten, S. 177; Lesch, DRiZ 2004, S. 135. 209 Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 2; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 22; Ransiek, ZStW 2004, S. 639, 640; Rentrop, Untreue und Unterschlagung, S. 285; Rönnau, ZStW 2007, S. 892; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 29(30). 210 Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 30. 211 BVerfGE 71, 108 (115); 73, 206 (235); 75, 329 (341); Schünemann, in: LK-StGB, § 266/ Rn. 30. 212 Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 30, Fn. 119 mit weiteren Nachweisen, Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 44. 206

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treuenorm zwar vielgestaltig, aber dennoch verfassungskonform interpretierbar. Im Schrifttum hat Schünemann anhand der Unterschiede zwischen reinem Wertbegriff und Funktionsbegriff die Verfassungswidrigkeit im Sinne des § 266 DStGB verneint.213 Die Verletzung des Bestimmtheitsgebots durch eine Strafnorm wird erst bei einem reinen Wertbegriff angenommen. Richtig ist jedoch, die Vermögensbetreuungspflicht als Funktionsbegriff zu qualifizieren, weil der Treubruchstatbestand sich auf eine spezifische Macht- und Einflussstellung auf das fremde Vermögen bezieht, die die ungehinderte Schädigung des fremden Vermögens von innen heraus ermöglicht. Ein reiner Wertbegriff wäre die Vermögensbetreuungspflicht nur, wenn man sie als eine Erscheinungsform der bloßen Moral begreifen müsste. Das Reichsgericht214 hat jedoch genau dies verneint. Obwohl die Verfassungswidrigkeit des § 266 DStGB von der herrschenden Ansicht im deutschen Schrifttum abgelehnt wird, besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass die gesetzliche Ausformulierung des Untreuetatbestandes (vor allem des Treubruchstatbestands) zu weit geraten ist.215 Diese Weite der Untreuenorm soll im Wege der restriktiven Auslegung beseitigt werden.216 Die restriktive Auslegung wird in der nachfolgenden Untersuchung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale der Untreue näher beleuchtet. b) Aufbau des Untreuetatbestandes gemäß § 266 DStGB aa) Einleitung Im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung der Organuntreuenorm wurde bereits zuvor erwähnt, dass die Missbrauchs- und Treubruchstheorie im Jahr 1933 in § 266 DStGB ineinander verschmolzen sind und daher bis heute noch gelten. Der Tatbestand des heutigen § 266 Abs. 1 DStGB besteht aus drei Satzteilen und enthält zwei Tatbestandsalternativen, den Missbrauchstatbestand und den Treubruchstatbestand. Der erste Satzteil betrifft den Missbrauchstatbestand: „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäfts eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht …“. Der zweite Satzteil betrifft die Treubruchsuntreue: „… oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt …“. Der dritte Satzteil ist aufgrund seines Anwendungsumfangs äußerst umstritten und lautet: „… und da213

Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 31; Zustimmung findet man auch bei: Rentrop, Untreue und Unterschlagung, S. 285. 214 RGSt, 69, 58 ff. 215 Weber, in: FS Dreher 1977, S. 559. 216 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 22; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 4; ders., HRRS 2006, S. 17.

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durch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Beim Missbrauchstatbestand wird das Vermögen vor Gefahren geschützt, die sich aus der Einräumung von Dispositionsbefugnissen im Außenverhältnis ergeben.217 Demgegenüber knüpft der Treubruchstatbestand nicht an die formale Stellung des Täters zum betroffenen Vermögen an, sondern an die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit, wobei dieser Einwirkungsmacht ein besonderes Vertrauen zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugrunde liegen muss.218 Die Differenzierung zwischen speziellem Missbrauchs- und allgemeinem Treubruchstatbestand bezweckt nach der strafrechtlichen Literatur vor allem, die Fallgruppen der Untreue zu charakterisieren.219 bb) Verhältnis zwischen Missbrauchstatbestand und Treubruchstatbestand Obwohl der Gesetzgeber durch die Zusammenfassung der Missbrauchs- und Treubruchstheorie bezweckte, die Auseinandersetzung im Schrifttum bezüglich des Unrechtskerns der Untreue zu beseitigen, wurde dieses Ziel nicht erfüllt. Die Diskussion im Schrifttum hat sich seit dem Erlass des neuen Untreuetatbestandes fortgesetzt, wobei sich der Schwerpunkt der Diskussion auf das Verhältnis zwischen Missbrauchstatbestand und Treubruchstatbestand verschoben hat. Kernpunkt der Diskussion ist die Frage, ob die Verletzung inhaltsgleicher Vermögensbetreuungspflichten für beide Tatbestandsalternativen vorausgesetzt werden soll? Bezüglich der Beantwortung dieser Frage wurden im Laufe der Zeit nachfolgende Theorien entwickelt. (1) „Dualistische Theorie“ Bis zum Jahr 1972 setzte sich im Schrifttum220 und der Rechtsprechung221 mit der Aufnahme der Missbrauchs- und Treubruchstheorie in § 266 DStGB die „dualistische Theorie“ zur Auslegung des Untreuetatbestandes als herrschende Ansicht durch. Nach der dualistischen Theorie enthält die Untreue zwei selbständige und voneinander unabhängige Straftatbestände. Die Vertreter der dualistischen Theorien begründen die Ansicht insbesondere mit der Entstehungsgeschichte des Untreuetatbestands. Als angeblicher Untreuenormverfasser unterscheidet Schäfer hinsichtlich beider Tatbestände und bezieht den Relativsatz in § 266 Abs. 1 DStGB („dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“) nur auf die Treubruchsalternative.222 Darüber hinaus ist anerkannt, dass die gesetzliche Formulierung des Treubruchstatbestandes zu weit ge217

Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 2. Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 28. 219 Kaufmann, Organuntreue, S. 7. 220 Schwinge/Siebert, Das neue Untreuestrafrecht, S. 17. 221 RGSt 69, 59; 70, 169; BGHSt 1, 187; 5, 62; BGH NJW 1953, 1601; BGH 1954 NJW 1616; OLG Hamm NJW 1968, 1940. 222 Heimann-Trosien, JZ 1976, S. 550; Schäfer, DJZ 1933, S. 794. 218

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raten ist, in dem sie nach ihrem Wortlaut auch eine unerhebliche vertragliche Nebenpflicht erfasst und bereits deren Verletzung mit Strafe bedroht.223 Aus diesem Grunde versuchen Rechtsprechung und Literatur, dem Tatbestand durch restriktive Auslegung der Vermögensbetreuungspflicht klare Konturen zu verleihen. Das einschränkende Kriterium der Vermögensbetreuungspflicht sei aber nicht als zusätzliches Merkmal für den Missbrauchstatbestand nötig, da dieser im Vergleich zum Treubruchstatbestand klar formuliert sei. (2) „Monistische Theorie“ Seit dem Scheck-Karten Urteil des BGH aus dem Jahr 1972224, in dem die Vermögensbetreuungspflicht auch für den Missbrauchstatbestand vorausgesetzt wurde, ist die von Hübner225 vertretene strengere „monistische Theorie“ weitestgehend übernommen worden und hat sich inzwischen zur herrschenden Meinung in der Literatur226 und auch der Rechtsprechung entwickelt.227 Nach der monistischen Theorie werden die beiden Tatbestandsalternativen nicht mehr als selbständige Tatbestände betrachtet. Als „ausgestanzter Spezialfall“228 ist der Missbrauchstatbestand lex specialis zum allgemeineneren Treubruchstatbestand. Der Grund hierfür ist, dass der Unrechtskern beider Tatbestandsalternativen gleich ist, nämlich die Verletzung fremdnütziger Vermögensbetreuungspflichten erfasst.229 Die im Missbrauchstatbestand vorausgesetzte Vermögenswahrnehmungspflicht ist identisch mit der Vermögensbetreuungspflicht des Treubruchstatbestands.230

223

S. 22. 224

Wegenast, Missbrauch und Treubruch – Zum Verhältnis der Tatbestände in § 266 StGB,

BGH 24, 386. Hübner, in: LK-StGB, § 266/Rn. 18; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 22 (26); Maurach/Schröder/Maiwald, BT I, § 45/Rn. 11; Meyer, Jus 1973, S. 215; Lackner/Kühl, Komm. StGB, § 266/Rn. 4; Schreiber/Beulk, Jus, 1977, S. 657; Wessels/Hillenkamp, BT 2, § 18/Rn. 749. 226 Kindhäuser, in: NK- StGB, § 266/Rn. 22 (26); Lackner/Kühl, Komm. StGB, § 266/ Rn. 4; Maurach/Schröder/Maiwald, BT I, § 45/Rn. 11; Meyer, Jus 1973, S. 215; Schreiber/ Beulke, Jus, 1977, S. 657; Wessels/Hillenkamp, BT 2, § 18/Rn. 749. Ausführlich, Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“, S. 7. 227 BGH, 35, 224 (227); 47, 187 (192); 50, 331 (332). 228 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 6; Hübner, in: LK-StGB, § 266/Rn. 17; Meyer, Jus 1973, S. 215; Wegenast, Missbrauch und Treubruch, S. 34; Wessels/Hillenkamp, BT 2, § 18/ Rn. 749. 229 Arzt/Weber, BT, § 22/Rn. 68; Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 6. 230 Wegenast, Missbrauch und Treubruch, S. 34. 225

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(3) „Neue dualistische Theorie“ In letzter Zeit tauchte auch eine dritte Ansicht (die sog. „neue dualistische Theorie“)231 auf, wonach in § 266 DStGB zwei sich ergänzende und keine über- oder untergeordneten Tatbestandsalternativen geregelt werden. Denn bildete der Missbrauchstatbestand einen Unterfall des Treubruchstatbestands, wäre die Missbrauchsalternative gegenüber dem umfassenderen Treubruchstatbestand überflüssig. Dieser Ansicht zufolge bezieht sich die Vermögensbetreuungspflicht auf beide Tatbestandsalternativen. Allerdings könne die Vermögensbetreuungspflicht der Missbrauchsuntreue nicht mit den bisher im Rahmen der Treubruchsalternative entwickelten Einschränkungskriterien der Vermögensbetreuungspflicht gleichgesetzt werden, da im Gegensatz zur Treubruchsalternative der Missbrauchstatbestand bereits per se hinreichend konkret und fest umrissen sei. (4) Bewertung Die dualistische Ansicht, dass sich die Vermögensbetreuungspflicht ausschließlich auf den Treubruchstatbestand beziehe, vermag nicht zu überzeugen. Anerkannt ist, dass das Nachteilerfordernis im Treubruchstatbestand im angeführten Halbsatz („dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt …“) für beide Tatbestandsvarianten der Untreue vorausgesetzt wird. Aus sprachlich-logischer Hinsicht ist feststellbar, dass sich der Relativsatz („dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“) auf beide Tatbestandsalternativen bezieht. Eine Ablehnung der Vermögensbetreuungspflicht für den Missbrauchstatbestand würde nicht der Sinneinheit des Halbsatzes entsprechen.232 Daher muss man die dualistische Theorie, die vor dem Scheckkarten-Urteil im Jahr 1972 in der Literatur und Rechtsprechung überwiegend Zustimmung fand, ablehnen. Wenig überzeugend ist auch die neue dualistische Theorie. Die Argumentation dieser Theorie gegen die monistische Theorie lautet, dass, wenn der Missbrauchstatbestand einen Unterfall des Treubruchstatbestandes darstellte, die Missbrauchstatbestandsvariante letzten Endes einen überflüssigen Anwendungsfall des umfassenderen Treubruchstatbestandes bilden würde. Die Kritik der neuen dualistischen Theorie greift zu kurz und verkennt, dass das Mittel der Gesetzgebung, mit einer spezielleren Tatvariante generalklauselartig umschriebene Tathandlungen zu verdeutlichen, anerkannt und gängig ist.233 Dies bedeutet, dass, obwohl alle relevanten Fälle der Untreue durch den Treubruchstatbestand erfasst werden, der Missbrauchstatbestand gerade eine „exemplarische“ Funktion 231 Bringewat, NStZ 1985, S. 537; Labsch, Jura, 1987, S. 346; Ranft, Jus, 1988, S. 673; in manchen Stellungnahmen wird dies als sog. „modifizierte dualistische Untreuetheorie“ bezeichnet. Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 6. 232 Höf, Untreue, S. 33; Nelles, Untreue, S. 219; Wegenast, Missbrauch und Treubruch, S. 51, 24. 233 Höf, Untreue, S. 32; Kindhäuser, in: FS Lampe 2003, S. 709, 712.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

wahrnimmt.234 Wenn der Täter die Tatbestandsmerkmale des Missbrauchstatbestands erfüllt, tritt der Treubruchstatbestand als lex generalis zurück. Die herrschende Ansicht erkennt zutreffend, dass der Missbrauchstatbestand gegenüber der Treubruchsalternative lex specialis ist und die Vermögensbetreuungspflicht für beide Tatbestandsalternativen gleichermaßen vorausgesetzt wird. Nach der strukturellen Erklärung bezüglich des Missbrauchs- und Treubruchstatbestands innerhalb des § 266 DStGB werden nun die Täterqualifizierung, die Tathandlung, der Taterfolg, der Kausalzusammenhang sowie die subjektiven Elemente des Untreutatbestands näher beleuchtet. Bei der Täterqualifizierung handelt es sich hauptsächlich um die Vermögensbetreuungspflicht. Im Rahmen der Tathandlung wird die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in der Form des Missbrauchs oder des Treubruchs behandelt. Bezüglich des Taterfolgs ist der Vermögensnachteil der Treugeber zu diskutieren. Die Strafbarkeit des § 266 DStGB setzt auch einen Zusammenhang zwischen Vermögensnachteil und vermögensbetreuungspflichtwidrigem Verhalten des Treunehmers voraus. Schließlich verlangt § 266 DStGB vorsätzliches Handeln. cc) Täterqualifizierung – Vermögensbetreuungspflicht Nicht jeder kann tauglicher Täter des Untreuetatbestands sein, sondern lediglich Personen, die eine besondere Machtposition hinsichtlich des Vermögens des Treugebers innehaben und zugleich verpflichtet sind, die Vermögensinteressen des Treugebers zu wahren. Die Anforderung an das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht bezüglich der Täterqualifizierung ist für die Strafwürdigkeit des § 266 DStGB von zentraler Bedeutung. Entstehungsgründe der Vermögensbetreuungspflicht für Missbrauchs- und Treubruchsalternativen werden in § 266 DStGB festgeschrieben. Für beide Untreuealternativen sind Vermögensbetreuungspflichten aus Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft genannt. Darüber hinaus kann sich die Vermögensbetreuungspflicht bei der Treubruchsalternative aus einem tatsächlichen Treueverhältnis ergeben. Eindeutig ist jedoch die gesetzliche Formulierung des Untreuetatbestandes zu weit geraten und eine restriktive Auslegung der Vermögensbetreuungspflicht daher notwendig. Im deutschen Recht haben sich verschiedene Kriterien zur Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht herausgebildet. (1) Allgemein Die restriktive Auslegung einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 DStGB geht bereits auf das Reichsgericht zurück. In einer Reichsgerichtsentschei-

234 Dunkel weist dem Missbrauchstatbestand eine „richtungsweisende Funktion“ für die Auslegung des Treubuchstatbestands zu, Dunkel, GA 1977, S. 332; Hübner bezeichnet den Missbrauchstatbestand als „Probe aufs Exempel“. Hübner, JZ 1973, S. 410; Labsch, Untreue (§ 266 StGB): Grenzen und Möglichkeiten, S. 204; Sax, JZ 1977, S. 702.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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dung aus dem Jahr 1934235 verlangt die Rechtsprechung, dass der Verpflichtete innerhalb eines ihm vorgegebenen Rahmens selbständig tätig werden müsse, wobei der das Vermögen berührenden Pflicht wesentliche Bedeutung dafür zukomme, ob dieses Innenverhältnis als Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestands zu qualifizieren sei. In späteren Urteilen wurden weitere Wesensmerkmale der Vermögensbetreuungspflicht entwickelt. So müsse zum Beispiel die Vermögensbetreuungspflicht als Hauptpflicht den Hauptgegenstand, folglich den wesentlichen Inhalt des Innenverhältnisses ausmachen.236 Eine bloße Nebenpflicht reiche für die Bejahung der Vermögensbetreuungspflicht nicht aus.237 Darüber hinaus wird für die Vermögensbetreuungspflicht vorausgesetzt, dass der Verpflichtete eine gewisse Selbständigkeit oder Bewegungsfreiheit hat238 und die Pflichten über eine gewisse Zeit bestehen.239 Somit kann sich aus einer Botentätigkeit oder Einzelaufträgen keine untreuerelevante Vermögensbetreuungspflicht ergeben.240 Die in der Rechtsprechung entwickelten wesentlichen Kriterien zur Festlegung der Vermögensbetreuungspflicht des § 266 DStGB werden vom Schrifttum241 übernommen, jedoch setzen die Rechtswissenschaftler unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der oben dargestellten „Gesamtschau“ der Vermögensbetreuungspflicht. (2) Vermögensbetreuungspflicht der Organmitglieder einer AG Da eine Verbandsstrafe dem deutschen Strafrecht fremd ist, kann sich eine juristische Person oder ein Organ der juristischen Person nicht als tauglicher Täter der Straftat schuldig machen.242 Dies bedeutet, dass die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats wegen Organuntreue bestraft werden. Die Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft wird im deutschen Fachschrifttum243 und der Rechtsprechung244 unter schlichtem Verweis auf ihre Organfunktion einheitlich anerkannt. Trotz der im Ergebnis richtigen Bejahung der un235

RGSt 69, 58, 60; RGSt 71, 90. BGHSt, 1, 186 (189); 5, 187 (188); BGH, 13, 315 (317). 237 BGHSt 1, 186; 4, 170; 13, 315 (317); RGSt 69, 58 (62). 238 BGHSt 3, 289, 13, 315 (317); RGSt, 69, 58, 62. 239 BGHSt, 1, 186 (189); RGSt, 69, 58. 240 BGHSt, 41, 224 (229); RGSt, 69, 58 (62). 241 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 18; Kinderhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 32; Lüderssen, in: FS Lampe 2003, S. 727, 729; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 73; Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 752, 769. 242 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 242. 243 Eine Vermögensbetreuungspflicht der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft wird von Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 36; Kindhäuser, in: LPK-StGB, § 266/Rn. 36; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 25; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 126 bejaht; zur ausführlichen Diskussion der Vermögenspflicht des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft siehe: Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 231 – 264. 244 BGH ZIP 2006, S. 72; BGHSt 47, 187 (201); BGH wistra 1999, S. 418. 236

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

treuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft durch Literatur und Rechtsprechung wird nachfolgend die Annahme, die Organmitglieder einer AG seien taugliche Täter, im Spiegel der allgemeinen grundlegenden Merkmale der Vermögensbetreuungspflicht in § 266 DStGB hier noch einmal untersucht. Da nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflicht der Organmitglieder als Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 DStGB qualifiziert werden kann, wird im Anschluss hieran versucht, maßgebliche Kriterien zu entwickeln, um die konkreten untreuerelevanten Pflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats aus ihren gesellschaftsrechtlichen Aufgabenkreisen herauszuheben. (a) Anwendung der allgemeinen Abgrenzungskriterien der Vermögensbetreuungspflicht auf den Vorstand und Aufsichtsrat Zuvor wurde bereits im Rahmen der Funktion des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft im deutschen Recht aufgezeigt, dass Vorstand und Aufsichtsrat ihr Verhalten am Unternehmensziel der angemessenen Gewinnerzielung und der nachhaltigen Rentabilität auszurichten haben und Schaden von der Gesellschaft abwenden müssen. Die Hauptpflicht der Organmitglieder ist es, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen. Dies entspricht dem oben an erster Stelle genannten wesentlichen Merkmal der allgemeinen untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht. Die Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands und Aufsichtsrats lässt sich des Weiteren auch durch andere in der oben dargestellten Rechtsprechung und den in der Literatur entwickelten wesentlichen Merkmalen der Vermögensbetreuungspflicht begründen. Der Vorstand leitet das Unternehmen gemäß § 76 Abs. 1 AktG und übt gemäß § 77 AktG weisungsfrei und unter eigener Verantwortung die Geschäftsführungsbefugnis aus und hat mithin die entsprechenden Entscheidungskompetenzen inne. Mit weiteren Entscheidungskompetenzen wird dem Vorstand eine Vermögensherrschaft über die Gesellschaft verliehen. In diesem Fall ist festzustellen, dass der Vorstand bei Wahrnehmung seiner Geschäftsführungsaufgaben auch die weiteren Wesensmerkmale der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne der Untreuenorm, wie die Selbständigkeit oder die Bewegungsfreiheit, erfüllt. Der Aufsichtsrat kann selbst die Einwirkungsmittel auf Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands wählen und weist dabei eine relative Selbständigkeit in der Ausübung seiner Überwachungstätigkeiten auf, indem er die Entscheidungsmacht über das Gesellschaftsvermögen und damit die Herrschaftsposition über das Gesellschaftsvermögen innehat.245 Allerdings ist im Vergleich zum Vorstand festzustellen, dass die Vermögensbetreuungspflicht des Aufsichtsrats von der des Vorstands abweicht. Dem Aufsichtsrat kommt nur eine relative Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit zu.246 Genauer gesagt, hat der Aufsichtsrat als Kontrollorgan im Innenverhält245 246

Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 234, 235. Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 53.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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nis keine echte Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Verfügung über Vermögen der Gesellschaft. (b) Abgrenzung der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht zu sonstigen gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten der Organmitglieder Es wurde bereits geklärt, dass der Vorstand und Aufsichtsrat in einem tatbestandsmäßigen Vermögensbetreuungsverhältnis zur Aktiengesellschaft stehen. Die konkreten Vermögensbetreuungspflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft werden nicht ausdrücklich vom Strafrecht vorgegeben, sondern außerhalb des Strafrechts, vor allem im Gesellschaftsrecht247 geregelt. Ungeklärt ist jedoch die Frage, nach welchen maßgeblichen Kriterien die untreuerelevanten Pflichten der Organmitglieder einer AG aus den gesellschaftsrechtlichen Verhaltenspflichten des Vorstands und Aufsichtsrats insgesamt herauszufiltern sind. Schließlich kann nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung der Organmitglieder auch strafrechtliche Konsequenzen im Sinne von § 266 DStGB nach sich ziehen. Hier ist eine strafrechtsautonome Betrachtung erforderlich. Die maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflichten der Organmitglieder sind vor allem deren Unrechtskern und der Schutzzweck der Untreuestrafnorm.248 Zu betonen ist aber, dass es sich bei dem in der folgenden Untersuchung aufgezeigten Abgrenzungskriterium nicht um ein abschließendes und im deutschen Schrifttum einheitlich anerkanntes Kriterium zur Feststellung der tatbestandsmäßigen Vermögensbetreuungspflicht bei der Organuntreue handelt, sondern vielmehr als Abgrenzungsversuch dient.

247 Neben dem Gesetz können sich die untreuerelevanten Pflichten der Organmitglieder im Einzelfall auch durch die Gesellschaftssatzung, die Geschäftsordnung des Gremiums sowie die individuellen Vereinbarungen im Anstellungsvertrag ergeben. Hier werden ausschließlich die sich aus dem Aktiengesetz ergebenden Pflichten der Organmitglieder diskutiert, mit der Begründung, dass lediglich die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Organmitglieder eine allgemeine Gültigkeit für alle Aktiengesellschaften besitzen. Schmid, in: Müller-Gugenberger/ Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31/Rn. 27 ff.; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/ Rn. 217 (223). 248 Eine systematische Untersuchung zu den Abgrenzungskriterien der Vermögensbetreuungspflicht in Sinne von § 266 bei der Organuntreue hat Schilha im Zusammenhang mit den Aufgabenkreisen des Aufsichtsrats geliefert. Zunächst werden die Voraussetzungen der allgemeinen Kriterien entwickelt, nämlich der Schutzzweckzusammenhang zwischen § 266 und den qualifizierten Verhaltenspflichten, der funktionale Zusammenhang zu der Vermögensherrschaft. Anschließend werden unter Berücksichtigung der allgemeinen Kriterien die gesellschaftsrechtlichen Einzelpflichten des Aufsichtsrats daraufhin geprüft, ob sie eine untreuerelevante Vermögensbetreuungspflicht darstellen. Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 235 – 264.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

(aa) Unrechtskern der Untreue Das spezifische Handlungsunrecht der Untreue besteht im zweckwidrigen Gebrauch eingeräumter Entscheidungsmacht über fremdes Vermögen und damit in einer Schädigung „von innen heraus“. Der Täter ist in die Vermögenssphäre des Treugebers funktional eingebunden und hat eine Macht- bzw. Herrschaftsposition über dessen fremdes Vermögen inne.249 Da der Täter jederzeit auf das ihm anvertraute Vermögen des Treugebers zugreifen kann, bedarf das Vermögen in diesem Fall besonderen strafrechtlichen Schutzes durch das Untreueverbot. Aus diesem Unrechtskern und Strafgrund der Untreue heraus wird das erste maßgebliche Kriterium zur Abgrenzung der untreuerelevanten Vermögenspflichten der Organmitglieder zu deren sonstigen Rechtspflichten gebildet: zwischen anvertrauter Vermögensherrschaft und Vermögensbetreuungspflicht muss ein Zusammenhang bestehen.250 Daher sind lediglich solche den Organmitgliedern gegenüber der Gesellschaft obliegenden gesellschaftsrechtlichen Pflichten als untreuerelevante Pflichten anzusehen, die sich als spezifische Ausübung der eingeräumten Vermögensverwaltungsmacht darstellen oder von ihr wesentlich geprägt sind.251 Hierzu zählt nicht die bloße Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen oder die allgemeinen vertraglichen Schuldnerpflichten. (bb) Schutzzweck der Untreuenorm Hinsichtlich der Feststellung der untreuerelevanten Pflichten der Organmitglieder stellt sich die Frage, ob die untreuerelevante Vermögensbetreuungspflicht auch die Verhaltensnormen der Organmitglieder umfasst, die in erster Linie nicht auf den Schutz des Gesellschaftsvermögen ausgerichtet sind. Die Beantwortung dieser Frage wird im Zusammenhang mit den in der jüngeren Zeit ergangenen beiden Entscheidungen des BGH zur sog. Bankuntreue252 im Schrifttum heftig diskutiert. In den letzten beiden BGH-Urteilen zur Kredituntreue durch Vorstandsmitglieder einer Bank (AG) spielte das Kreditwesengesetz (KWG), vor allem § 18 KWG253, nach dem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers offen zu legen sind, eine entscheidende Rolle bei der Festlegung der Untreue. Während in der BGH-Entschei-

249 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 11; Sax, JZ 1977, S. 666; Schramm, Untreue und Konsens, S. 33. 250 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 38; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 321. 251 Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 244. 252 Fallkonstellation der Untreue in der Rechtspraxis, dabei handelt es sich um die Kreditvergabe einer Bank an Unternehmensfremde. Mehr zu dieser Fallkonstellation siehe: Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 97. 253 Im ersten Satz des § 18 KWG wird geregelt, dass sich das Kreditinstitut von Kreditnehmern, denen Kredite von insgesamt mehr als 500.000 DM gewährt werden, die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offen legen lassen kann. Das KWG schützt vor allem das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bankwesen und § 18 KWG schützt vor allem das Vermögen der Gläubiger und Anleger. Martin, Bankuntreue, S. 141.

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dung aus dem Jahr 2000254 die Verletzung des § 18 KWG nur ein Indiz für eine unzureichende Risikoprüfung bezüglich der untreuerelevanten Pflichtwidrigkeit bedeutete, hielt das Urteil des BGH im Jahre 2001 dagegen, dass die Verletzung der in § 18 KWG vorgeschriebenen Pflicht vor dem Hintergrund der Feststellung der untreuerelevanten Pflichtverletzung zu betrachten sei. Hierbei müsse der Verstoß allerdings gravierend sein.255 Die Entscheidung aus dem Jahr 2000 findet überwiegend Zustimmung in der Literatur.256 Die Ablehnung des § 18 KWG als Quelle einer untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht, wie es die Entscheidung im Jahr 2001 sieht, lässt sich vor allem mit dem unterschiedlichen Schutzzweck des außerstrafrechtlichen § 18 KWG und des § 266 DStGB begründen. Während § 266 DStGB ausschließlich das Vermögen des Treugebers, in diesem Fall der Kreditinstitute, unmittelbar schützt, sind das Vermögen des Kreditinstitutes und das Vermögen der Gläubiger die Rechtsgüter des § 18 KWG. Wenn in diesem Fall die außerstrafrechtliche Norm mit der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht gleichgesetzt würde, so wäre dann die nur relative Akzessorietät das Strafrecht entgegenzuhalten. Akzessorietät des Strafrechts bedeutet, dass auf der einen Seite das Strafrecht verpflichtet ist, die Einheit der Rechtsordnung einzuhalten und auf der anderen Seite der Schutzzweck der jeweiligen Regelung berücksichtigt werden muss, wenn das Strafrecht Tatbestandsmerkmale, in diesem Fall die Vermögensbetreuungspflicht des § 266 DStGB, aus anderen Rechtsgebieten übernimmt. Das Strafrecht folgt grundsätzlich eigenen Prinzipien und Wertungen. Bezüglich der relativen Akzessorietät des Strafrechts zu anderen Rechtsbereichen wurde zuvor bereits erwähnt, dass die außerstrafrechtlichen Normen und Wertungen nur unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der jeweiligen Strafrechtsnorm übernommen werden können. Eine Gleichsetzung der Verletzung des § 18 KWG und der Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB könnte zu einer Überdehnung der Strafbarkeit wegen Untreue führen. Darüber hinaus wird im KWG der Verstoß gegen § 18 KWG gemäß § 56 Abs. 3 Nr. 4 KWG auch mit Bußgeld geahndet. Angenommen, die Verletzung des § 18 KWG bei entstandenem Vermögensschaden würde als Pflichtwidrigkeit im Rahmen der Untreue behandelt, liefe die Bußgeldvorschrift weitgehend leer. Zusammengefasst ist demnach festzuhalten, dass nicht jede Verhaltenspflicht der Organmitglieder einer AG eine untreuerelevante Vermögensbetreuungspflicht darstellt, sondern es für die Festlegung der Vermögensbetreuungspflicht des § 266 DStGB vielmehr erforderlich ist, dass die Einzelpflichten der Organmitglieder den 254 BGH wistra 1985, 190. Loeck, Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue, S. 35; nach der Ansicht von Waßmer wird auch in dieser Rechtsprechung eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB bejaht. Die Autoren, die eine Abweichung in dieser Rechtsprechung von der Pflichtwidrigkeit beim Verstoß gegen § 18 KWG sahen, irren sich. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 55. 255 BGHSt 47, 148. 256 Dierlamm/Links, NStZ 2000, S. 656; Knauer, NStZ 2002, S. 400; Otto, JR 2000, S. 517; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 258.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

gleichen Schutzzweck wie § 266 DStGB verfolgen, nämlich, das Gesellschaftsvermögen zu schützen.257 Wenn die Organmitglieder die Verhaltensnormen verletzen, die ausschließlich dem Schutz der Aktionäre, der Öffentlichkeit oder sonstigen Dritten dienen – wie beispielsweise das KWG – oder gegen gewerbliche Schutzrechte, Steuer- oder Umweltgesetze verstoßen, begründet dies keine tatbestandsmäßige Pflicht(verletzung) im Sinne des § 266 DStGB.258 (cc) Differenzierung zwischen den formellen und materiellen Pflichten der Organmitglieder Bisher wurden die Abgrenzungskriterien hinsichtlich untreuerelevanter Vermögensbetreuungspflichten unter Berücksichtigung des Unrechtskerns und Schutzzwecks der Untreue behandelt. Nachfolgend wird die konkrete untreuerelevante Pflicht hinsichtlich der formellen und materiellen Pflichten im Bereich der Einzelpflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats diskutiert. Innerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einzelpflichten der Organmitglieder wird zwischen „Formellen Pflichten“ und „Materiellen Pflichten“ unterschieden.259 Unter formellen Pflichten werden in erster Linie die in den einschlägigen Vorschriften geregelten Verfahrens-, Kompetenz- und Organisationsregeln der Organmitglieder verstanden260, so beispielsweise die oben dargestellte Bankuntreue nach § 18 KWG. Die formellen Pflichten der Organmitglieder orientieren sich an der Schutzrichtung des § 266 DStGB und bilden damit zwei Gruppen, die formellen Pflichten ohne vermögensbezogenen Schutzzweck261 und die formellen Pflichten mit vermögensbezogenem Schutzzweck.262 Die erste Art der formellen Pflichten der Organmitglieder wird wegen ihres fehlenden Zwecks, dass Gesellschaftsvermögen zu schützen, von Anfang an aus den Vermögensbetreuungspflichten des § 266 DStGB ausgenommen. Obwohl die zweite Art der formellen Pflichten im Zusammenhang mit dem Vermögensschutz steht, beinhalten sie nur eine mittelbare Vermögensschutzfunktion.263 Daher kann diese Art der formellen Pflichten der Organmitglieder auch nicht unmit-

257

Rönnau, NStZ 2006, S. 218, 21. Kubiciel, NStZ 2005, S. 360; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 239, 240. 259 Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 114; Zech, Untreue, S. 212, 213. Die Differenzierung zwischen formeller Pflichtverletzung und materieller Pflichtverletzung wird auch von Schilha erwähnt: Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 247. 260 Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 247. 261 Zu den im Aktiengesetz normierten Pflichtennormen des Aufsichtsrats gehören §§ 105, 107 Abs. 2, 108 Abs. 1, 110 Abs. 1, 114 Abs. 4 S. 1 AktG zu formellen Pflichten ohne vermögensbezogene Schutzrichtung. Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 248, 249. 262 Zu den im Aktiengesetz normierten Pflichtennormen des Aufsichtsrats gehören §§ 107, 108 Abs. 2, 109 Abs. 1, 110 Abs. 3, 161 S. 1, 171 Abs. 2, 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG zu formellen Pflichten mit vermögensbezogener Schutzrichtung. Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 250 – 255. 263 Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 254. 258

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telbar als Vermögensbetreuungspflichten des § 266 DStGB qualifiziert werden.264 Zu betonen ist hierbei, dass, obwohl die formellen Pflichten nicht direkt als Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 DStGB bejaht werden können, die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Organmitglieder – wie im oben genannten Bankuntreuefall gezeigt – ein wichtiger Anhaltspunkt für die Festlegung der materiellen Pflichtverletzung sein können. Unter materiellen Pflichten sind die Pflichten zu verstehen, die zum einen in funktionalem Zusammenhang zur Amtsführung der Organe stehen und die zum anderen einen unmittelbar vermögensschützenden Charakter aufweisen, indem sie über den Inhalt eines Organbeschlusses unter dem Aspekt der Gesellschaftsvermögenswahrnehmung oder Vermögensvermehrung maßgeblich entscheiden.265 Anders als die formellen Pflichten werden die materiellen Pflichten der Organmitglieder in geringer Anzahl im Aktiengesetz geregelt. Die zentralen Vorschriften der materiellen Pflichten der Organmitglieder sind die in §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG geregelten allgemeinen Verhaltenspflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats. Neben der zentralen Verhaltensnorm gibt es noch einige ausdrücklich gesetzlich normierte materielle Pflichten, nämlich § 76 AktG bzgl. der eigenständigen Geschäftsleitung des Vorstands, § 111 AktG für die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, § 87 Abs. 1 AktG zur Gewährung angemessener Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat, die Verschwiegenheitspflicht der Organmitglieder266 gemäß §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 3 AktG sowie das Wettbewerbsverbot für die Vorstandsmitglieder. Die hier genannten materiellen Pflichten der Organmitglieder einer Aktiengesellschaft, die sich unmittelbar auf das Gesellschaftsvermögen auswirken, bilden die untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflichten im Rahmen des § 266 DStGB. dd) Tathandlung – Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht Die Vermögensbetreuungspflicht und deren Verletzung im Sinne von § 266 DStGB müssen getrennt geprüft werden. Nicht jede Pflichtverletzung eines vermögensbetreuungspflichtigen Täters wird als Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 DStGB gewertet. Ob eine untreuerelevante Pflichtverletzung vorliegt, bedarf eigenständiger Prüfung. Nachfolgend wird die Verletzung der 264

Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 254, 255; auch Zech, Untreue, S. 212. Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 255. 266 Dies ist streitig; während Schilha dies als untreuerelevante Vermögensbetreuungspflicht ansieht, haben andere Autoren dies als Organnebenpflicht qualifiziert und behaupten, dass die Organnebenpflichten keine tatbestandsmäßige Vermögensbetreuungspflicht(-verletzung) begründen können. Zum Beispiel gehören zur untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht nicht solche Organnebenpflichten wie verbotene Eigengeschäfte, Provisionsannahmen, Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht, Aushandeln überhöhter Vergütungen (§§ 113, 113 AktG), unzulässige Kreditgewährung (§ 115 AktG). Nelles, Untreue S. 555; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 225; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 327; Zech, Untreue, S. 53. 265

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Vermögensbetreuungspflicht bei der Organuntreue einer AG unter Berücksichtigung grundlegender Kenntnisse von der tatbestandsmäßigen Pflichtverletzung beleuchtet. (1) Allgemeine Merkmale der Tathandlungen In § 266 DStGB sieht der Gesetzgeber zwei mögliche Tathandlungen der Untreue vor, nämlich den Missbrauch der Verfügungs- oder der Verpflichtungsbefugnis sowie die sonstige Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht. (a) Missbrauch Die Tathandlung des Missbrauchs ist ein Fehlgebrauch von Rechtsmacht im Sinne der Ausübung der Befugnis durch rechtsgeschäftlich wirksame Verfügung oder Verpflichtung.267 Missbrauch der Befugnis bedeutet eine Abweichung im Außenverhältnis von den im Innenverhältnis bestehenden Pflichten.268 Aus den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, dem behördlichen Auftrag oder den betreffenden Rechtsgeschäften kann sich auch die Beschränkung des rechtlichen Dürfens des Täters im Außenverhältnis ergeben, indem der Täter seine eingeräumte Befugnis nur in bestimmter Weise ausüben darf. Die drei Quellen der Befugnis können sich insoweit überschneiden, als die durch behördlichen Auftrag oder durch Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnisse in ihrem Inhalt und Umfang ggf. auch gesetzlich geregelt werden können.269 Die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, ist eine Rechtsposition, die den Täter in die Lage versetzt, Vermögensrechte eines anderen inhaltlich zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben, oder dessen Vermögen mit Verbindlichkeiten zu belasten.270 Damit die Rechtsfolgen im Außenverhältnis den Vermögensinhaber wirksam binden, muss dem Täter die entsprechende Dispositionsbefugnis eingeräumt worden sein.271 Ein Missbrauch im § 266 Abs. 1 DStGB ist dann zu bejahen, wenn der Verfügungs- und Verpflichtungsbefugte wirksame Rechtsgeschäfte vornimmt, die er nach dem der Befugnis zugrunde liegenden Innenverhältnis nicht hätte vornehmen dürfen. Beachtlich ist hier, dass der Täter die ihm zustehende Befugnis auch tatsächlich gebraucht. Die Vermögensbetreuungspflicht bei Missbrauch kann nicht nur durch eine Handlung in Form eines aktiven Tuns, sondern auch durch bloßes Unterlassen verletzt werden. (b) Treubruch Tathandlung des Treubruchs bedeutet eine Abweichung des Verhaltens des Treunehmers von seinem rechtlichen Dürfen im Innenverhältnis. Der Täter des Treubruchstatbestandes fügt dem Vermögensinhaber einen Vermögensnachteil zu, indem 267

Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 20. Lackner/Kühl, § 266 Rn. 6; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 18. 269 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 12. 270 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 4. 271 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 12. 268

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er eine ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder einer ihm aus dem Treueverhältnis obliegende sonstige Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt.272 Grenze und Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht werden hierdurch ebenfalls bestimmt. Die ersten drei Entstehungsgründe des Treubruchs sind identisch mit den Entstehungsgründen des Missbrauchstatbestands. Streitig ist die vierte Alternative, das sogenannte „Treueverhältnis“, welches eine spezielle Grundlage für den Treubruchstatbestand bildet. Unter Treueverhältnis werden im Wesentlichen zwei Fallgruppen273 verstanden: Bei der ersten Fallgruppe274 handelt es sich um das Betreuungsverhältnis, welches durch ein unwirksames Rechtsgeschäft begründet ist, zum Beispiel im Fall der faktischen Geschäftsführung. Fraglich ist hier, ob ein wegen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit nichtiges Auftragsverhältnis eine Vermögensbetreuungspflicht begründen kann. Aufgrund der Einheit der Rechtsordnung ist es nicht akzeptabel, einem Verhältnis einen strafrechtlichen Vermögensschutz zu gewähren und dies dadurch letztlich auch zu billigen, obwohl dies von der übrigen Rechtsordnung ausdrücklich missbilligt wird.275 Die zweite Fallgruppe276 ist ein Treuverhältnis, das auch nach Beendigung des durch die Treuepflicht begründeten Rechtsverhältnisses tatsächlich fortbesteht. In diesem Fall ergibt sich eine Vermögensbetreuungspflicht aus dem erloschenen Treuverhältnis, wenn eine tatsächliche Dispositionsbefugnis vorhanden ist. Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis sind zwar erloschen, der Treunehmer hat aber weiterhin eine faktische Zugriffsmöglichkeit auf das fremde Vermögen.277 Mit dem „Treueverhältnis“ geht der Treubruchstatbestand einerseits über den engen Umfang des Missbrauchstatbestandes hinaus und erweitert den Tatbestand auf rein tatsächliches Verhalten des Treunehmers. Andererseits bereitet die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Untreue erhebliche Probleme, weil diese durch die offene Formulierung des Treubruchstatbestands bereits die Gefahr der ausufernden Strafbarkeit birgt. Jede Pflichtverletzung mit Einwirkung auf das fremde Vermögen kann aufgrund des Treubruchstatbestands als Untreue qualifiziert werden. Die deutsche Literatur und Rechtsprechung haben die Unbestimmtheit der Treubruchsalternative seit langem zur Kenntnis genommen278 und entsprechend versucht, durch eine restriktive Auslegung der Vermögensbetreuungspflicht und auch der Verletzungshandlungen dieses Problem zu beseitigen.279 Zuvor wurde bereits die Restriktion der Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen der Untreue und schließlich auch der Organuntreue im deutschen Recht behandelt. Hier ist jedoch zu betonen, dass das 272 273 274 275 276 277 278 279

Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 38. Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 32. Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 32; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 63. Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 65. Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 32; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 62. Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 32. Weber, in: FS Dreher 1977, S. 559. Weber, in: FS Dreher 1977, S. 566.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

vor allem das in Rechtsprechung und Literatur entwickelte Kriterium der Haupt- oder Nebenpflichten nur eines von vielen Anhaltspunkten bei der Feststellung der Vermögensbetreuungspflicht im Einzelfall ist, aber nicht allein maßgebend sein kann.280 Es ist immer eine einzelfallbezogene Prüfung notwendig, ob eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 DStGB vorliegt.281 (2) Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch die Organmitglieder einer AG (a) Überblick Der Vorstand wird zwar durch Rechtsgeschäft bestellt, dessen Befugnisse sind jedoch im Gesetz (§§ 76, 78 AktG) abschließend und unabänderlich festgeschrieben. Gemäß §§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG ist die Vertretungsmacht des Vorstandes einer Aktiengesellschaft umfassend und unbeschränkt. Als das Außenvertretungsorgan der Gesellschaft wird der Vorstand als „Musterbeispiel für eine Missbrauchstäterschaft“ bezeichnet.282 Hingegen ist der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG für die Überwachung der Geschäftsführung zuständig.283 Das gesetzlich vorgeschriebene Einwirkungsmittel des Aufsichtsrats auf den Vorstand hat keine direkte Auswirkung im Außenverhältnis. Der Aufsichtsrat wird weder dazu ermächtigt, aktiv Handlungen im Außenverhältnis vorzunehmen, noch durch eine verweigerte Zustimmung die Wirksamkeit eines vorgenommenen Geschäfts zu verhindern.284 Deshalb kommt für den Aufsichtsrat in der Regel nur die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in Form des Treubruchs in Sinne von § 266 DStGB in Betracht.285 Der Aufsichtsrat ist nur in Ausnahmefällen als tauglicher Täter der Missbrauchsalternative denkbar.286 So zum Beispiel, wenn er nach § 112 AktG die Aktiengesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich vertritt, wie etwa beim Abschluss des Anstellungsvertrags mit den Vorstandsmitgliedern und der Erhebung von Schadensersatzklagen gegen Mitglieder des Vorstandes. Die Beschränkung des rechtlichen Dürfens des Vorstands und Aufsichtsrats im Innenverhältnis können einerseits auf Gesetz – für Vorstand § 76 AktG und Aufsichtsrat § 112 AktG – sowie auf der für beide geltenden allgemeinen Verhaltensnorm der §§ 116, 93 Abs. 1 AktG beruhen, im Einzelnen auch auf Satzung, Gesellschaftsvertrag, Beschlüssen der Hauptversammlung und anderer Organe sowie auf Vereinbarungen im Anstellungsvertrag. Ob eine treu280

Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 24; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 88. 281 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 29. 282 Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 217. 283 Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 223. 284 Poseck, Die strafrechtliche Haftung, S. 66. 285 Schramm, Untreue und Konsens, S. 133, 134. 286 Zur allgemeinen Ablehnung der Täterqualität des Aufsichtsrats bei der Missbrauchsalternative und deren Gegenargumentation siehe: Kiethe, WM 2005, S. 2122, 2128; Zech, Untreue, S. 46.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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pflichtwidrige Handlung im Sinne des § 266 DStGB missbräuchlich ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls untersucht werden. .

(b) Keine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei Konsens mit dem Vermögensinhaber Eine untreuerelevante Pflichtverletzung durch den Vorstand und Aufsichtsrat bei unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen wird von Anfang an ausgeschlossen, wenn der Vermögensinhaber mit dem vermögensschädigenden Verhalten seiner Treuepflichtigen einverstanden ist.287 Das Vorliegen des Konsenses des Vermögensinhabers als Abgrenzungskriterium für die Verletzung der untreurelevanten Pflicht wird vor allem hinsichtlich des sog. Risikogeschäfts diskutiert. In der deutschen Rechtsprechung und ebenso in der Literatur besteht bis heute noch keine Einigkeit über die Definition des Risikogeschäfts.288 Hillenkamp sieht ein Risikogeschäft als „eine geschäftliche Disposition, die eine Fehlentscheidung sein kann“.289 Waßmer fasst die Risikogeschäfte als „eine geschäftliche Disposition, bei der ungewiss ist, ob Konsequenz eine Vermögensschädigung ist“ zusammen.290 Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen, wird nachfolgend nicht näher auf den hier genannten Definitionsversuch des Risikogeschäfts eingegangen. Relevant ist, dass es sich bei Risikogeschäften im Wesentlichen um unternehmerische Entscheidungen und Maßnahmen des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG handelt.291 Typische Fallgruppen eines Risikogeschäfts sind beispielsweise die Vorleistungsoder Spekulationsgeschäfte.292 Zu den bekannten Organuntreuefällen mit Bezug auf Risikogeschäfte in der Rechtsprechung gehören z. B. die riskante Kreditvergabe durch den Vorstand einer Bank293, unangemessene Spenden an Vereine294 sowie eine unangemessene Vergabe von Anerkennungsprämien durch den Aufsichtsrat.295 Die unternehmerischen Entscheidungen sind mit der schwer zu treffenden Prognose verbunden, ob geschäftliche Dispositionen zu einem Gewinn oder Verlust füh287 BGH wistra 1985,190, 191; Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 20; Nelles, Untreue, S. 569; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161, 165; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 21. 288 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 7. Zur Bejahung einer einheitlichen Definition des Risikogeschäfts; Rose, Wistra 2005, S. 282. Das Risikogeschäft bedeutet das geschäftsimmanente Risiko des Vermögensverlustes für den Treuherrn. 289 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161, 165. 290 Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 8. 291 Arnold, Jura 2005, S. 846; Bosch/Lange, JZ 2009, S. 227; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 281. 292 Bosch/Lange, JZ 2009, S. 228. 293 BGH St 46, 30; 47, 148. 294 BGH St 47, 187. 295 LG Düsseldorf ZIP 2004, S. 204; BGH Urt. v. 21. 12. 2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, S. 72.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

ren.296 Daher ist weit anerkannt, dass nicht jede Eingehung eines Risikos als eine Verletzung der untreuerelevanten Pflicht gilt.297 Um auf der einen Seite „gesundes Gewinnstreben und wagemutige Unternehmensinitiative“ nicht zu hemmen, auf der anderen Seite aber „hemmungslose Spekulation zu unterbinden“298, bemühen sich die Rechtswissenschaftler im deutschen Schrifttum, zwischen straflosen und den nach § 266 DStGB strafbaren Risikogeschäften im Wege der restriktiven Auslegung der untreurelevanten Tathandlung zu unterscheiden. Der Lösungsansatz, bei der Abgrenzung zwischen erlaubten und strafbaren Risikogeschäften den Willen des Vermögensinhabers bei der Feststellung der Pflichtwidrigkeit entscheiden zu lassen, wird als „der einzig gangbare und zu vernünftigen Ergebnissen führende Weg“ bezeichnet.299 Hillenkamp hatte in einem „wegweisenden Aufsatz“300 diesen Lösungsansatz entwickelt. Die Kernaussage lautet: „In erster Linie geht es nämlich gar nicht um die Frage, ob ein riskantes Verhalten nach den Anschauungen einer gewachsenen Gesellschafts- oder Wirtschaftsordnung oder denen eines ehrbaren Kaufmannes an sich noch zu legitimieren sein könnte, sondern vielmehr darum, ob es gegenüber einem vitalen Vermögensinhaber zu legitimieren ist“ und „Strafbarkeit oder Nichtstrafbarkeit des Risikogeschäfts ist also in erster Linie eine aus dem Innenverhältnis zu lösende Frage des tatbestandsrelevanten Einverständnisses“.301 Ein Risikogeschäft sei erst dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 DStGB, wenn sich die Treuepflichtigen über die risikopolitischen Beschränkungen des Vermögensinhabers hinwegsetzen.302 Die Treuepflichtigen sind somit an die Vorgaben des Vermögensinhabers bezüglich des einzugehenden Risikos gebunden, sofern der Inhaber die Grenzen festgelegt hat.303 Das Einverständnis des Vermögensinhabers bei der Eingehung von Risiken oder dessen Verbot wird als „risikopolitische Anweisung“ bezeichnet.304 Bei der Untreue ist die Einwilligung des Vermögensinhabers in das vermögensschädigende Verhalten seiner Treuepflichtigen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis.305 Als Rechtsinhaber des Vermögens kann der Ver296 Zur Definition: Loeck, Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue, S. 25; Martin, Bankuntreue, S. 97; Thomas, in: FS Riess 2002, S. 795, 800. 297 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 5. 298 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161. 299 Ayasse, Untreue im Bankbereich bei der Kreditvergabe, S. 40; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 30. 300 Zech, Untreue, S. 256. 301 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 165. 302 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166. 303 Höf, Untreue, S. 42. 304 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 167; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 32. 305 Siehe, Einwilligung als Teil der vorliegenden Arbeit. Ebenso: Hillenkamp, S. 165; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 170; die Gegenmeinung, welche in der Rechtsprechung z. B. in BGH GA 1977, S. 3 42, oder in der Literatur z. B. Flum, Der strafrechtliche Schutz, S. 76 vertreten wird, unterscheidet zwischen dem Begriff des Einverständnisses und der (An)Weisung. Sobald die Anweisung vorliege, sei das Einverständnis für die Pflichtgemäßheit unbeachtlich.

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mögensinhaber über sein Vermögen frei verfügen. Er kann entscheiden, welche Risiken er eingehen möchte und welche nicht. Wenn die Treuepflichtigen nach dem Willen des Vermögensinhabers handeln, muss eine Strafbarkeit wegen Untreue verneint werden, da sich der Unwertgehalt der Untreue nicht in der Verursachung eines Vermögensschadens erschöpft, sondern diese zwingend voraussetzt, dass dies jemand unter Missbrauch oder Verletzung seiner Stellung als Treuepflichtiger gegenüber dem Vermögensinhaber tut. Die Herbeiführung eines Vermögensschadens durch einen Treuepflichtigen ist bei § 266 DStGB Ausdruck des Verstoßes gegen ein „Nicht-sein-sollen“.306 Ob der Treuepflichtige bei einem riskanten Geschäft seine Pflicht, die Vermögensinteressen des Treugebers zu wahren, verletzt, ist zutreffend eine Frage der Pflichtwidrigkeit, die in erster Linie an dem Innenverhältnis zu messen ist. Dabei sind drei Fallkonstellationen denkbar, welche nach den Erscheinungsformen der Einwilligung des Vermögensinhabers in Betracht kommen könnten: 1. Der Vermögensinhaber hat eine ausdrückliche Aussage über das einzugehende Risiko getroffen. 2. Der Vermögensinhaber hat zwar eine Aussage gemacht, jedoch ist die Risikovorgabe unklar oder unvollständig. 3. Der Vermögensinhaber hat überhaupt keine Aussage über das Risikogeschäft getroffen.307 In der ersten Fallgruppe ist die Frage nach der Strafbarkeit der riskanten Geschäfte des Treuepflichtigen eher unproblematisch. Wenn der Vermögensinhaber eine eindeutige Aussage getroffen hat, welche Risikogeschäfte auf welche Weise geschlossen werden dürfen, dann bildet dies den Maßstab bei der strafrechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Treuepflichtigen. In zweiten Fall, in welchem die Vorgabe des Vermögensinhabers über die Risikopolitik undeutlich ist, wird der mutmaßliche Wille des Vermögensinhabers zu der Risikopolitik mit Hilfe der vorhandenen auslegungsrelevanten Tatsachen bestimmt, z. B. der Sinn und Zweck des erteilten Auftrags sowie die bei dem jeweiligen Geschäft übliche Sorgfalt.308 In der letzten Fallkonstellation liegt überhaupt keine Anweisung zu zulässigen Risikogeschäften vor.309 In diesem Fall ist die branchenübliche Sorgfalt des Treunehmers bei Feststellung der untreuerelevanten Pflichtverletzung von Relevanz.310 Da die im Verkehr üblichen oder im Interesse des Treugebers erforderlichen Sorgfaltspflichten teilweise auch im Gesetz normiert sind, muss auf die einschlägigen gesetzlichen Sorgfaltsmaßstäbe bei der Feststellung der untreuerelevanten Pflichtverlet306

Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, Vorbem. §§ 13 ff./Rn. 49. Rose, Wistra 2005, S. 286. 308 Höf, Untreue, S. 42; Nelles, Untreue, S. 571; Rose, wistra 2005, S. 286; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 49; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 37. 309 Rose, wistra 2005, S. 286. 310 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 48, 49. 307

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zung des Treunehmers zurückgegriffen werden.311 Für die Organuntreue einer AG hat die in §§ 93 Abs. 1, 116 AktG geregelte Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters oder Überwachers zentrale Bedeutung. (c) Gravierende außerstrafrechtliche Pflichtverletzung als zusätzliche Voraussetzung für die Feststellung der untreuerelevanten Pflichtverletzung? Oben wurde bereits erwähnt, dass nur sehr wenig konkrete Verhaltenspflichten der Organmitglieder einer AG unmittelbar im Aktiengesetz normiert werden. Die Verhaltenspflichten der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats werden vor allem aus den in §§ 93, 116 AktG geregelten allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflichten der Organmitglieder hergeleitet. Bei der Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Pflichtwidrigkeit ist zu beachten, dass nicht jede, sich auf das Gesellschaftsvermögen nachteilig auswirkende Handlung der Organmitglieder eine Pflichtwidrigkeit darstellt, liegen die Voraussetzungen der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierten business judgment rule vor, ist eine Pflichtwidrigkeit ausgeschlossen. Im deutschen Schrifttum wird heftig diskutiert, ob die untreuerelevante Pflichtverletzung in jeder gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung, oder ausschließlich in einer „gravierenden“ gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung begründet liegen kann. Zahlreiche Rechtswissenschaftler im deutschen Schrifttum312 vertreten die Ansicht, dass die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 DStGB mehr als eine gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung verlangt. Eine untreuerelevante Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch die Organmitglieder einer AG läge nur dann vor, wenn deren gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung gravierend ist. Diese Diskussion über das Erfordernis einer gravierenden gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung bei der Feststellung der Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB geht auf zwei grundlegende höchstrichterliche Entscheidungen zurück. Bei der ersten handelt es sich um einen Fall der Bankuntreue (Untreue durch Kreditvergabe)313 und bei der zweiten um Spendenuntreue.314 In der ersten Entscheidung gingen die Richter davon aus, dass für die Bejahung der untreuerelevanten Pflichtverletzung der Organmitglieder bei Vergabe eines Kredits die gravierende Verletzung der banküblichen Informations- und Prüfungspflicht maßgebend sei.315 Im Fall der Spendenuntreue vertraten die Richter die Ansicht, dass nur die gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB begründen könne.316 In dieser Entscheidung wurde 311

Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 31, 49. Dierlamm, StraFo 2005, S. 402; Kiethe, WM 2005, S. 2129; Mosiek, wistra 2003, S. 374; Salditt, NStZ 2005, S. 270; Spindler, ZIP 2006, S. 353; Wollburg, ZIP 2004, S. 656. 313 BGHSt 47, 148. 314 BGH 47, 187. 315 BGHSt 47, 148. 316 BGHSt 47, 187. 312

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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die Gesamtschau, insbesondere die der gesellschaftsrechtlichen Kriterien, als maßgebend für die Beurteilung der gravierenden Pflichtverletzung angesehen. Während in der Literatur viele Autoren sich an diese zwei Entscheidungen anlehnen und die gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung als zusätzliches Erfordernis zur Bejahung der untreuerelevanten Pflichtverletzung verlangen, halten einige Autoren mit der Auffassung dagegen, dass eine generelle spezifische Verengung des strafrechtlichen Handlungsunrechts auf gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen nicht gerechtfertigt sei.317 Die Argumente sind hierbei, dass die gravierende Pflichtverletzung für die Annahme einer Kredituntreue und oder einer Spendenuntreue keine zusätzliche strafrechtliche Prüfungsstufe darstelle, sondern nur auf die spezifischen Fallkonstellationen bezogen sei. Eine allgemeingültige Voraussetzung für die Feststellung einer untreuerelevanten Pflichtwidrigkeit könne hieraus nicht abgeleitet werden. Diese Ansicht wurde auch durch ein späteres BGH-Urteil bestätigt. Im Revisionsurteil vom 21. 12. 2005 im Fall Mannesmann/ Vodafone vertrat der 3. Strafsenat318 des BGH die Ansicht, dass eine gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung als Erfordernis zur Begründung der strafbewehrten Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 DStGB abzulehnen sei. In der vorliegenden Arbeit wird der Ansicht gefolgt, die eine gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung als Voraussetzung für jede untreuerelevante Pflichtwidrigkeit ablehnt. Bei den oben genannten drei BGH-Entscheidungen, die eine Untreue durch Kreditvergabe, eine Untreue durch Unternehmensspenden sowie eine Untreue durch die Gewährung einer Vergütung in unangemessener Höhe betreffen, handelt es sich immer um unternehmerische Entscheidungen mit weitem Ermessensspielraum des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG. In den oben genannten Entscheidungen der Spendenuntreue und Bankuntreue ging der BGH davon aus, dass gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestands des § 266 DStGB notwendig seien. Ob eine Pflichtverletzung gravierend sei, bestimme sich in der Gesamtschau insbesondere durch gesellschaftsrechtliche Kriterien. Bedeutsam seien dabei die fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, die Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, die fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie das Vorliegen sachwidriger Motive. Wenn bei der Spendenvergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt seien, liege eine untreuerelevante Pflichtverletzung vor.319 Zu überlegen ist aber zunächst, ob die gravierende Pflichtverletzung hier als Voraussetzung zur Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Pflichtwidrigkeit oder als 317

Schünemann, NStZ 20005, S. 476; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 291. BGHSt 50, 331, 343; zustimmend: Ransiek, ZGR 2009, S. 170; ders., HRRS 2006, S. 19, 20; Rönnau, ZStW 2007, S. 887, 911; Zech, Untreue, S. 192. 319 BGH 47, 148. 318

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

zusätzliches Erfordernis zur Bejahung der untreuerelevanten Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB dient. Richtigerweise sollte „gravierend“ in den beiden oben genannten Untreuefällen, in denen es um unternehmerische Entscheidungen der Organmitglieder geht, sich nicht auf die strafrechtliche, sondern auf die gesellschaftsrechtliche Prüfung beziehen. Bei den unternehmerischen Entscheidungen steht dem Vorstand und Aufsichtsrat ein weiter Handlungsspielraum zu. Bei der Feststellung, ob eine gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG vorliegt, muß dieser Haftungsfreiraum, welcher in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich normiert ist, berücksichtigt werden. Gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt keine Pflichtwidrigkeit vor, wenn die Organmitglieder bei unternehmerischen Entscheidungen vernünftigerweise annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Eine gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung ist dann feststellbar, wenn die unternehmerischen Entscheidungen oder Maßnahmen eindeutig auf die Verschwendung des Gesellschaftsvermögens abzielen – wie im Mannesmann Fall –, hierbei hat die außervertragliche Sonderzahlung ausschließlich belohnenden Charakter und kann der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen mehr bringen.320 In diesem Fall wird bereits kein unternehmerischer Ermessensspielraum eröffnet und der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierte Haftungsausschließungsgrund des Vorstands und Aufsichtsrats bei der unternehmerischen Entscheidung findet auch keine Anwendung. Die gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung kann dann auch zu strafrechtlichen Folgen führen, wenn diese den oben genannten strafrechtlichen Kriterien entspricht. Die Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung der Organmitglieder ist jedoch nicht immer so einfach. Ob die unternehmerischen Entscheidungen oder Maßnahmen sich am Unternehmenswohl ausrichten, kann von Fall zu Fall sehr schwierig zu ermitteln sein. So beispielsweise im Fall der Zuwendung von Gesellschaftsvermögen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft oder Zuwendungen im Sozialwesen durch die Organmitglieder. Es liegt eine Pflichtwidrigkeit der Organmitglieder vor, wenn die Spenden ausschließlich der persönlichen Bereicherung anderer Personen dienen. Dann haben die Organmitglieder die Grenze des ihnen zustehenden unternehmerischen Ermessenspielraums überschritten.321 Allerdings kann in einigen Fällen die Motivation der Organmitglieder, nämlich, ob es sich bei der Vergabe der Spenden ausschließlich um Unternehmensinteressen oder sachwidrig um eigene Interessen der Organmitglieder handelt, schwer ermittelbar oder der wirtschaftliche Nutzen der Spenden nicht genau messbar sein.322 Daher stellt sich die Frage, wie

320

BGHSt, 50, 331 (336). Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 202. 322 Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 202; Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 287; Zech, Untreue, S. 192. 321

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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in solchen Fällen die gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit festgestellt werden kann. Die Beantwortung der zivilrechtlichen Rechtsprechung lautet, dass Organmitglieder nur dann gesellschaftsrechtlich pflichtwidrig handeln, „wenn die Grenzen, in denen sich ein vom Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältige Ermittelung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist“.323 Diese Aussage des BGH wird später in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als Haftungsbegrenzung der Organmitglieder bei der unternehmerischen Entscheidung verankert. So ist eine Sorgfaltswidrigkeit nur dann zu begründen, wenn die Organmitglieder die ihnen zustehenden Grenzen des unternehmerischen Handlungsspielraums deutlich überschritten haben. Zusammengefasst, in den Grenzfällen im Bereich der unternehmerischen Entscheidungen durch die Organmitglieder, wie oben aufgezeigt bei Kreditgewährung und Vergabe der Spenden aus dem Unternehmensvermögen, kommt schon bei der Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Pflichtwidrigkeiten ausschließlich das „gravierende“ Fehlverhalten in Betracht. Nach der Klärung der gesellschaftsrechtlichen Relevanz des Begriffs „gravierend“ für die Feststellung der Pflichtwidrigkeit gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 S. 1 AktG wird nun eine weitere Frage gestellt, nämlich ob, wenn die unternehmerische Entscheidung, die nach dem oben dargestellten zivilrechtlichen Maßstab als gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit angesehen wird, man diese ohne weiteres auch als untreuerelevante Pflichtverletzung werten kann? Aufgrund der Abstraktheit des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs wird im deutschen Schrifttum unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebots in Art. 103 Abs. 2 GG eine restriktive Auslegung des zu einem Vermögensschaden führenden gesellschaftsrechtlichen Verstoßes bei unternehmerischen Entscheidungen im Strafrecht gefordert. In der Literatur vertritt Tiedemann die Ansicht, dass nur „eindeutig unvertretbare Handlungsweisen“324 der Organmitglieder bei unternehmerischen Entscheidungen als untreuerelevant zu behandeln seien. Keine untreuerelevante Vermögensbetreuungspflicht liege dann vor, wenn sich die Geldzahlung oder andere vermögensmindernde Maßnahmen der Organmitglieder als „wirtschaftlich irgendwie sinnvolles oder vertretbares Ziel“325 erweisen. Diese Ansicht findet in letzter Zeit auch zahlreiche Zustimmung im Schrifttum.326 Während Otto327 den einheitlichen Konsens der 323

BGHZ 135, 244, 252. Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 319, 328. 325 Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 319, 328. 326 Günther, in: FS Weber 2004, S. 311, 316; Jakobs, in: FS Dahs 2005, S. 49, 60; Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 187, 200; Saliger, HRRS 2006, S. 10, 20; Schilha, Strafrechtliche 324

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einschlägigen Fachleute als Voraussetzung zur Feststellung einer unvertretbaren Entscheidung der Organmitglieder verlangt, will Schramm328 die Unvertretbarkeit an einem überwiegenden Konsens festmachen. Die konkreten Kriterien zur Ermittelung der Unvertretbarkeit wurden dabei leider nicht endgültig geklärt.329 Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass sich die strafrechtliche Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB dann auf die „gravierende“ außerstrafrechtliche Pflichtverletzung stützt, wenn die vermögensmindernde Handlung nach „Gesamtwürdigung der Umstände evident unvertretbar und/oder willkürlich“ ist.330 Ein zusätzliches Erfordernis, um die gravierende Pflichtverletzung als strafbewehrte Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht anzusehen, wird nicht verlangt. Wegen der Akzessorietät des Untreuetatbestandes zur gesamten Rechtsordnung wird die unklare Rechtslage im außerstrafrechtlichen Bereich auch auf die Untreuenorm übertragen, wie oben dargestellt bei der Feststellung der gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG. Die eigentliche Ursache für die Problematik in der Rechtspraxis liegt im Gesellschaftsrecht, nicht im Untreuetatbestand. Dabei ist aber bedenklich, ob, wenn im außerstrafrechtlichen Bereich die gesetzliche Lage noch nicht oder nicht vollständig geklärt ist, man den strafrechtlichen Vermögensschutz auf Kosten der Angeklagten mit einem Untreuevorwurf durchsetzen kann.331 ee) Taterfolg – Vermögensnachteil Zur Erfüllung des § 266 DStGB muss durch die treupflichtwidrige Missbrauchsoder Treubruchshandlung dem Treugeber ein Vermögensnachteil zugefügt werden. Obwohl die gesetzliche Terminologie des Erfolgs der Tathandlung in § 263 DStGB mit „das Vermögen eines anderen … beschädigt“ (Vermögensschaden) und in § 266 DStGB mit „Nachteil zufügt“ (Vermögensnachteil) unterschiedlich formuliert wird, ist nach deutscher herrschender Ansicht der Vermögensbegriff bei Untreue und Betrug inhaltlich identisch332, sodass sich Vermögensnachteil und Vermögensschaden in beiden Delikten im Grundsatz entsprechen.333 Verantwortung, S. 282, 283; Schramm, Untreue und Konsens, S. 139; Wollburg, ZIP 2004, S. 646, 657. 327 Otto, in: FS Kohlmann 2003, S. 202. 328 Schramm, Untreue und Konsens, S. 139; auch Schilha, Strafrechtliche Verantwortung, S. 283. 329 Zech, Untreue, S. 174. 330 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 42. 331 In diesem Fall verneinen einige Autoren die Strafbarkeit des Angeklagten. Zech, Untreue, S. 216, 217. 332 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 263/Rn. 78b; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 51. 333 BGHSt 15, 342, 343; 40, 287, 295; Arzt/Weber, BT, § 22/Rn. 75; Dierlamm, in: Münchener Komm. StGB, § 266/Rn. 177; Lackner/Kühl, Komm. StGB, § 266/Rn. 17; Lenckner/

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(1) Vermögensbegriff Der Vermögensbegriff wird vor allem im Rahmen des Tatbestands des Betrugs (§ 263 DStGB) diskutiert. Im Laufe der Zeit wurden unterschiedliche Vermögensbegriffe entwickelt.334 Ausgangpunkt ist der sog. rein juristische Vermögensbegriff, dessen Vertreter vor allem Binding335 war. Nach dem rein juristischen Vermögensbegriff wird das Vermögen mit den subjektiven Rechten einer Person gleichgesetzt. Das Vermögen wird als Summe der Vermögensrechte und Vermögenspflichten einer Person verstanden. Hierbei wird der wirtschaftliche Wert nicht berücksichtigt.336 Diese Ansicht wird nicht mehr im deutschen Schrifttum vertreten. Begründungen: Einerseits ist der Vermögensbegriff zu weit geraten, indem wirtschaftlich wertlose Vermögenspositionen auch zum Rechtsgut Vermögen gezählt werden337, andererseits wird dieser Ansicht zufolge der Vermögensbegriff zu sehr eingeschränkt, da die schutzwürdige wirtschaftliche Werte nicht mit einbezogen werden.338 Aufgrund der Problematik des rein juristischen Vermögensbegriffs hatte das Reichsgericht339 den rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff entwickelt. Ihn hat später auch der Bundesgerichtshof aufgenommen.340 Der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff geht von dem Grundsatz aus, dass es kein strafrechtlich ungeschütztes Vermögen geben kann.341 Das Vermögen wird als die Summe aller geldwerten Güter und Positionen einer natürlichen oder juristischen Person angesehen, auch wenn diese auf rechts- oder sittenwidrige Art und Weise erlangt wurden. Die Ausdehnung des Vermögensbegriffs auf die tatsächliche Position mit wirtschaftlichem Wert stellt einen Fortschritt gegenüber dem rein juristischen Vermögensbegriff dar. Nachteil dieser Begrifflichkeit ist jedoch insbesondere, dass sitten- und gesetzwidrige Positionen ebenfalls vom geschützten Vermögen mit umfasst werden. Dies ist jedoch nicht hinnehmbar, weil das im Widerspruch zur Einheit der Gesamtrechtsordnung steht.342 In der Zwischenzeit wird der sog. juristisch-ökonomische Vermögensbegriff Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 39; Saliger, in: Satzger/Schmitt/ Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 53; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 132; Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 775. 334 Überblick über die verschiedenen Vermögensbegriffe siehe: Otto, Grundkurs Strafrecht, BT, § 51/Rn. 53. 335 Binding, Strafrecht BT, S. 238, 341; RGSt 16, 1 (3). 336 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 263/Rn. 79. 337 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 263/Rn. 91. 338 Loeck, Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue, S. 17. 339 RGSt 44,230, (233). 340 BGHSt 2, 364 (365); 12, 220, 221; 16, 220. 341 RGSt 44, 230 (232); Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/ Rn. 51. 342 Höf, Untreue, S. 165; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 263/ Rn. 91.

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vom überwiegenden Schrifttum343 und auch teilweise in der Rechtsprechung344 vertreten. Die vorliegende Arbeit lehnt sich ebenfalls an den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff an. Der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff nimmt den wirtschaftlichen Vermögensbegriff zum Ausgangpunkt, erfasst also anders als die juristischen Begriffe auch die tatsächliche Position mit wirtschaftlichem Wert.345 Es werden aber zum Teil auch von der Rechtsordnung missbilligte Wirtschaftsgüter oder Erlangungsweisen346 aus dem Vermögensbegriff ausgenommen, wodurch die Einheit der Rechtsordnung gewahrt und eine Verbindung zum juristischen Vermögensbegriff hergestellt wird.347 (2) Vermögensnachteil Es wurde aber schon angedeutet, dass der Vermögensnachteil bei der Untreue in § 266 DStGB dem Schadensbegriff des Betruges in § 263 DStGB im Grunde entspricht. Wegen der strukturellen Besonderheiten der Untreue wird der Vermögensnachteil gegenüber dem Vermögensschaden beim Betrug einschränkend ausgelegt.348 Nachfolgend wird zunächst die inhaltliche Gemeinsamkeit von Vermögensnachteil und Vermögensschaden behandelt. Anschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit den speziellen Problemen bezüglich des Vermögensnachteils im Sinne von § 266 DStGB. (a) Prinzip der Gesamtsaldierung und schadensausschließenden Kompensation Die maßgeblichen Grundprinzipien zur Feststellung des Vermögensschadens und des Vermögensnachteils sind das Prinzip der Gesamtsaldierung und der einen Schaden ausschließenden Schadenskompensation.349 Bei der Feststellung des Vorliegens eines Vermögensschadens wird der Vermögensstand des Treugebers vor und nach dem untreuen Verhalten verglichen.350 Wenn der Gesamtwert des Vermögens nach wirtschaftlicher Betrachtung durch die Untreuehandlung vermindert wird, liegt ein Vermögensnachteil vor. Dies wird als sog. Prinzip der Gesamtsaldierung bezeichnet.351 Ein Vermögensschaden wird dann abgelehnt, wenn der durch die Untreuehand343 Lenckner, JZ 1967, S. 105 (107); Tiedemann, in: LK-StGB, § 263/Rn. 132; Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 535. 344 „Dirnenlohn“ BGH, JR 1988 S. 125; BGHSt 26, 346, 347; BGH NStZ 2000 S. 534. 345 Arnold, Untreue im GmbH- und Aktienkonzern, S. 88. 346 Zum Beispiel „Dirnenlohn“ JR 1988 S. 125. 347 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 263/Rn. 83. 348 Zur ausführlichen Darstellung der strukturellen Besonderheiten der Untreue siehe Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 53. 349 Arnold, Jura 2005, S. 844,846; Küper, Strafrecht BT, S. 382; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 775; BGH NJW 1982, 190,192; BGH wistra 2004, 25. 350 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 40; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 164, 165; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 136. 351 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 54; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 164.

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lung bewirkte Vermögensabfluss durch einen gleichzeitig erlangten Gewinn kompensiert wird.352 Dies wird als „schadensausschließende Kompensation“ bezeichnet.353 (aa) Gesamtsaldierung (a) Einzelbetrachtung Bei der Gesamtsaldierung wird der Grundsatz der unmittelbaren Einzelbetrachtung verfolgt. Die Einzelbetrachtung wird in der Rechtsprechung mit folgendem Satz umschrieben: „Wertmindernde und werterhöhende Faktoren die sich gegenseitig aufheben. Das ist aber grundsätzlich nur dann der Fall, wenn die Untreuehandlung selbst Vorteil und Nachteil zugleich hervorbringt, so dass Verlust und Gewinn sich die Waage halten“.354 Die Einzelbetrachtungslehre wird in der Literatur ebenfalls mit der Begründung anerkannt, dass im Strafrecht die Einzeltat unabhängig von anderen Taten zu bestimmen ist. Mit Bezug auf die Saldierung bedeutet dies, dass Vorteil und Nachteil nur dann verrechnet werden können, wenn beide auf derselben und isoliert betrachteten Maßnahme beruhen.355 Eine solche Einzelbetrachtung erweist sich im Wirtschaftsverkehr als sehr unrealistisch und macht kaufmännische und industrielle Investitionen unmöglich, da es in der Wirtschaft üblich ist, dass Investitionen aus einem Bündel einzelner Maßnahmen bestehen, die erst auf mittelfristige oder längere Sicht wirtschaftlich rentabel sind.356 Dies bedeutet, dass viele unternehmerische Handlungen zunächst einen Vermögensverlust des Unternehmens zur Folge haben. Langfristig sind diese Handlungen für einen Vermögenszuwachs jedoch notwendig. Wenn in solchen Fällen nach der Einzelbetrachtung ein Vermögensschaden im Sinne des § 266 DStGB bejaht würde, würden die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Unternehmens erheblich eingeschränkt. (b) Ausnahme der Einzelbetrachtung: Gesamtbetrachtung Eine Durchbrechung der Einzelbetrachtung des Vermögensschadens ist daher notwendig, wenn die für sich betrachtete verlustbringende Handlung den Teil eines wirtschaftlichen Vorhabens bildet, in dessen Verlauf zwar Verluste entstehen, im Ergebnis aber Gewinne erzielt werden. In der Rechtsprechung entwickelte sich die Gesamtbetrachtung zur Feststellung des Vermögensschadens, wenn „sich ein aus mehreren Einzelhandlungen bestehendes Verhalten bei natürlicher Betrachtung derart als äußere und innere Einheit [dar352

Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 164. Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 59; Küper, Strafrecht BT, S. 382. 354 BGH NStZ 1986,455, 456; BGHSt 17, 147, 149; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 57. 355 Arnold, Untreue, S. 96; RG, DJ 1938, 231. 356 Arnold, Untreue, S. 98; Höf, Untreue, S. 176. 353

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stellt], dass es unzulässig ist, aus diesem Gesamtverhalten bestimmte Einzelhandlungen willkürlich herauszugreifen und unabhängig von den anderen zu beurteilen.“357 Diese in der Rechtsprechung entwickelte Gesamtbetrachtungslehre wird inzwischen als Ausnahme von der Einzelbetrachtung als herrschende Meinung im Schrifttum358 anerkannt. Die Einbeziehung anderer als die unmittelbar zur Vermögensminderung führenden Maßnahmen ist immer dann möglich, wenn ein wirtschaftlich vernünftiger Gesamtplan vorliegt, der ein auf einen einheitlichen Erfolg gerichtetes Handlungsbündel vorsieht und der einheitliche Erfolg nur über zunächst für sich nachteilige Maßnahmen erreicht werden kann.359 In der Literatur sehen einige Autoren eine solche Modifikation der Einzelbetrachtung des Vermögensschadens jedoch als inakzeptabel an, weil die Gesamtbetrachtung nicht den strafrechtlichen Grundlagen der Unabhängigkeit der Einzeltat von anderen Taten entspreche.360 Dieser Vorwurf ist jedoch unzutreffend, da das aus einzelnen Handlungen bestehende Handlungsbündel sich als natürliche Einheit erweist. Es werden nicht willkürlich mehrere Handlungen zusammengestellt, vielmehr gehört die Einzeltat zum Teil der Gesamtmaßnahmen. (bb) Schadensausschließende Kompensation Zuvor wurde bereits kurz erwähnt, dass ein Vermögensschaden dann zu verneinen ist, wenn eine Schadenskompensation erfolgt ist. Bezüglich der Schadenskompensation ist zunächst zu klären, welche Elemente überhaupt als kompensationsfähig bei der Untreue anerkannt werden. Streitig ist hierbei vor allem die Frage, ob der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch als taugliches Kompensationselement bei der Feststellung des Vermögensnachteils in § 266 DStGB betrachtet werden kann. Im Betrug ist anerkannt, dass die gesetzlichen Ansprüche wie Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche nicht kompensationsfähig sind.361 Die Begründung liegt darin, dass der Ersatzanspruch gerade auf der betrügerischen Handlung des Täters beruht. Ziel des Täters ist es, durch Täuschung das eigene Vermögen zu vermehren, ohne einen Schadensausgleich zu schaffen. Falls diese Ansprüche als kompensationsfähiger Schaden angesehen würden, könnte es einige Arten des Betrugs gar nicht mehr geben. Kompensationsfähig sind ausschließlich die vertraglichen Ansprüche362, die durch Rechtsgeschäft begründet werden. Anders als beim Betrug werden in der

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RGSt 65, 422(430); RGSt 75,227; 230; BGH NJW 1975, 1234, 1235. Bringewat, JZ 1977, S. 671; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 41; Schünemann in: LK-StGB, § 266/Rn. 137; Tholl, Wistra 2002, S. 182. 359 Arnold, Untreue, S. 99; Bringewat, JZ 1977, S. 671; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/ Rn. 137. 360 Wolf, Kritische Justiz 2002, S. 534. 361 RGSt 41, 27, 29; BGHSt 21, 384, 386; Labsch, Jura 1987, S. 411, 417. 362 Küper, Strafrecht BT, S. 383. 358

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Rechtsprechung363 und zum Teil auch in der Literatur364 die zivilrechtlichen Ersatzansprüche dann als tauglicher Kompensationsgegenstand der Untreue anerkannt, wenn der Täter ersatzfähig und -willig ist, wenn er also ständig ausreichende eigene liquide Mittel bereithält und gleichzeitig zahlungsbereit ist.365 (b) Sonderprobleme im Rahmen der Feststellung des Vermögensnachteils bei der Untreue Im Rahmen der Sonderprobleme bei der Feststellung des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 DStGB werden die unterlassene Vermögensvermehrung und die schadensgleiche Vermögensgefährdung behandelt. (aa) Ausbleiben eines Vermögenszuwachses Der Eintritt eines Vermögensnachteils in § 266 DStGB kann auch durch Ausbleiben eines Vermögenszuwachses verursacht werden. Nach Ansicht der früheren Rechtsprechung366 sollte eine Vermehrungspflicht dann vorliegen, wenn es die bloße Wahrscheinlichkeit eines Vermögenszuwachses gab. In der Zwischenzeit ist allgemein anerkannt, dass ungewisse Chancen und bloße Hoffnungen auf einen Vermögenszuwachs bei der Feststellung der Pflicht nicht ausreichen, vielmehr wird eine gesicherte Aussicht des Treugebers auf einen Vermögensvorteil vorausgesetzt.367 Die Chance muss sich danach derart zu einer tatsächlichen Anwartschaft, einer sog. vermögenswerten Expektanz368, verdichtet haben, dass die Wahrnehmung der Chance auch sicher zu einer Vermögensmehrung geführt hätte.369 (bb) Schadensgleiche Gefährdung In der deutschen Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob man den im Rahmen des Betrugs entwickelten Grundsatz zum Eintritt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auch auf das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils bei der Un363 RGSt 73, 283, 285; BGHSt 15, 342, 343; BGH wistra 1982, 150, 152; wistra 1988, 225; 1990, 352; NStZ 1995, 233. 364 Bockelmann, Strafrecht BT I, § 18 IV; Lackner/Kühl, Komm. StGB, § 266/Rn. 17; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 139. Dagegen Blei, Strafrecht BT II, § 65 V; Labsch, Untreue: Grenzen und Möglichkeiten, S. 323; ders., wistra 1985, S. 8. 365 RGSt 73, 283, 285; BGHSt 15, 342, 343; BGH wistra 1982, 150, 152; wistra 1988, 225; 1990, 352; NStZ 1995, 233; Höf, Untreue, S. 181. 366 RGSt 75, 92; BGHSt 2, 367;17, 147. 367 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 60; Hamm, NJW 1968, S. 1940; BGH 17, 148; 20, 145; 31, 232; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 46; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 145. 368 Unter Expektanz wird eine zukünftig zu erwartende Erwerbs- oder Gewinnaussicht verstanden. Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 64; Höf, Untreue, S. 169; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 135. 369 Zum Begriff siehe: Arnold, Untreue, S. 90; Hefendehl, Vermögensgefährdung und Expektanz, S. 121.

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treue übertragen soll. Die Rechtsprechung370 und die herrschende Ansicht in der Literatur371 hat den Vermögensnachteil im Sinne von § 266 DStGB auch bei Vorliegen einer Vermögensgefährdung bejaht und die schadensgleiche Vermögensgefährdung von der Betrugsdogmatik auf die Untreue übertragen. Danach soll eine Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil begründen, wenn nach wirtschaftlicher Betrachtung bereits durch die Gefährdung eine gegenwärtige Minderung des Vermögenswerts eingetreten ist.372 Jedoch soll nicht jede, sondern nur eine konkrete Vermögensgefährdung unter bestimmten Voraussetzungen als Vermögensschaden anzunehmen sein. Eine konkrete Gefährdung des Vermögens ist dann als Vermögensnachteil anzusehen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls „der Vermögensverlust nahe liegt“.373 Beispielsweise bejaht die Rechtsprechung einen Gefährdungsschaden in Fällen der Kreditvergabe ohne hinreichende Sicherheit und Umleitung der Umsätze der Firma auf ein verdecktes Konto374 als Nachteil im Sinne von § 266 DStGB. In der Literatur wird der Versuch unternommen, den oben genannten nahe liegenden Vermögensverlust weiter zu konkretisieren. Daraus wurde das Unmittelbarkeitsprinzip375 als Leitlinie zur Konkretisierung der schadensgleichen Vermögensgefährdung entwickelt, wonach nur solche Gefährdungslagen eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung begründen, bei denen die Gefahr unmittelbar in einen effektiven Güterverlust umschlagen kann. Danach soll zunächst eine schadensgleiche Gefährdung unmittelbar durch die Untreuehandlung herbeigeführt werden. Zweitens muss die schadensgleiche Vermögensgefährdung konkret sein. Eine konkrete Vermögensgefahr ist dann gegeben, wenn sie unmittelbar in einen endgültigen Schaden übergehen kann.376 Die Anerkennung der schadensgleichen Gefährdung wird im Schrifttum auch kritisiert. Vertreter dieser Kritik sind Otto377 und Labsch.378 Sie lehnen die Gleichsetzung von Vermögensgefährdung und Vermögensschaden mit der Argumentation ab, dass eine willkürliche Gleichsetzung der Rechtsgutsgefährdung und der Rechtsgutsverletzung nicht erlaubt sei. Die Vermögensgefahr bilde lediglich das Vorstadium des eigentlichen Schadens und die strafrechtliche Sanktion dürfe nicht auf dieses Stadium 370 RGSt 16, 77 (81); BGHSt 20, 304 (305); 40, 287 (296); 44, 376 (384); 48, 354 (356); 52, 182 (186). 371 Dierlamm, in: Münchener Komm. StGB, § 266/Rn. 186; Lenckner/Perron, in: Schönke/ Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 45; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 135; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 24, 177. 372 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 66. 373 BGHSt 48, 354 (356). 374 BGH wistra 2000, 136. 375 Brüning/Wimmer, ZJS 2009 S. 98; Dierlamm, in: Münchener Komm. StGB, § 266/ Rn. 197; Matt, NJW 2005, S. 391; Mosenheuer, NStZ 2004, S. 181; Saliger, HRRS 2006, S. 20. 376 Saliger, HRRS 2006, S. 20; ders., in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/ Rn. 71. 377 Otto, Grundkurs Strafrecht, BT § 51/Rn. 70. 378 Labsch, Untreue: Grenzen und Möglichkeiten, S. 321.

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vorverlegt werden. Dies verstoße gegen das in der Verfassung geregelte Bestimmtheitsgebot.379 Es mag sein, dass auf den ersten Blick in logischer Hinsicht die „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ fragwürdig erscheint. Die Gefahr des Schadenseintritts ist nicht identisch mit dem Schadenseintritt und die Rechtsgutsverletzung ist nicht gleichbedeutend mit einer Rechtsgutsgefährdung. Aber die Rechtfertigung der schadensgleichen Gefährdung liegt in der Struktur des Vermögens. Oftmals stellt die vermeintliche Gefährdung des Vermögens bereits einen tatsächlichen Schaden dar. Es wird in derartigen Fällen nämlich die gesicherte Vermögensposition durch eine gefährdete ersetzt, der Wert eines einzelnen Vermögensgutes im Gesamtvermögen gemindert und die Vermögensstruktur damit eindeutig verschlechtert.380 In diesem Sinn gibt es zwischen schadensgleicher Gefährdung und Schaden keinen qualitativen, sondern lediglich einen quantitativen Unterschied; beide sind Erscheinungsformen eines einheitlichen Schadensbegriffs.381 Trotz der Bejahung der Zulässigkeit der schadensgleichen Gefährdung sind die Probleme hinsichtlich der Untreuenorm im Auge zu behalten. Es ist äußerlich schwierig, die strafbare, vollendete Verletzungshandlung im Sinne von § 266 DStGB, welche eine dem Vermögensnachteil gleichgestellte Vermögensgefährdung verursacht, vom straflosen Versuch der Untreue, der möglicherweise auch bei der Vermögensgefährdung anzuwenden ist, abzugrenzen. Es besteht insoweit die Gefahr, dass mit der schadensgleichen Gefährdung die Strafbarkeit der Untreue in das straflose Versuchsstadium vorverlagert wird und dies eine „Pönalisierung des Untreueversuchs“ zur Folge hat.382 Um diese Gefahr zu bannen, wird in den jüngsten Entscheidungen und auch Literaturstimmen der Versuch der restriktiven Auslegung unternommen, bisher besteht hierüber jedoch noch keine Einigkeit.383 ff) Kausalzusammenhang zwischen Untreuehandlung und dem Vermögensnachteil Aus dem Wortlaut des § 266 DStGB („dadurch“) ist eindeutig zu sehen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und des Vermögensschadens für die Erfüllung des objektiven Tatbestands der Untreue erforderlich ist. Das Eintreten der Vermögensbeeinträchtigung des Treugebers bedeutet nicht ohne weiteres, dass die Verwirklichung des Untreuetatbestands zu bejahen ist. Vielmehr muss der Vermögensschaden unmittelbar durch die treuwidrige Handlung des Treunehmers herbeigeführt worden sein.384 379

Arnold, Untreue, S. 92; Höf, Untreue, S. 168. Arnold, Untreue, S. 92, Fn. 88. 381 Matt, NJW 2005, S. 389, 390. 382 Saliger, HRRS 2006, S. 12, 13. Dort werden auch die Beispiele aus der Rechtsprechung für eine gesetzeswidrige Pönalisierung des Versuchs der Untreue dargestellt. 383 Mehr dazu siehe: Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Komm. StGB, § 266/Rn. 68, 69. 384 Der Kausalzusammenhang zwischen Verletzung von Vermögensbetreuungspflicht und Vermögensnachteil wird auch in der Rechtsprechung betont, BGHSt 46, 30, 34. 380

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gg) Subjektiver Tatbestand Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes der Untreue ist Vorsatz385 des Täters erforderlich. Eine fahrlässige Pflichtverletzung, die einen Vermögensschaden des Treugebers herbeigeführt hat, wird vom Anwendungsbereich des § 266 DStGB ausgenommen. Es ist heute386 weitgehend anerkannt387, dass der bedingte Vorsatz für das Bejahen der Untreue genügt. Anders als der Betrug stellt die Untreue ein „einfach kongruentes Delikt“388 dar. Das bedeutet, dass für die Untreue eine überschießende Innentendenz etwa in Form einer Bereicherungsabsicht nicht erforderlich ist.389 Falls allerdings eine Bereicherungsabsicht gegeben ist, kann diese in der Strafzumessung zur Strafschärfung führen.390 (1) Subjektive Restriktion des Untreuetatbestands? Um der Unbestimmtheit der Untreue, insbesondere in der Treubruchsalternative, entgegenzuwirken, stellt die Rechtsprechung391 bei der subjektiven Tatseite ständig strengere Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung392, vor allem, wenn es sich um den bedingten Vorsatz und die Unterlassungshandlung (nicht zu eigenen Gunsten) handelt.393

385 Im deutschen Strafrecht besteht der Vorsatz aus drei Arten, der Absicht, dem direkten Vorsatz und dem bedingten Vorsatz. Der Unterschied zwischen den drei Erscheinungsformen des Vorsatzes liegt darin, dass die Vorsatzelemente, Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, unterschiedliche Intensitätsgrade aufweisen. 386 Vor der Neufassung des § 266 im Jahre 1933 herrschte in der Rechtsprechung und im Schrifttum Streit darüber, ob „absichtlich“ im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 2 RStGB Absicht erforderte. Die überwiegende Meinung war der Ansicht, dass „absichtlich“ inhaltlich gleichzusetzen sei mit „vorsätzlich“ und entsprechend auch der bedingte Vorsatz den subjektiven Tatbestand der Untreue erfüllte. RGSt 66, 255; Schwinge/Siebert, Untreuestrafrecht, S. 56; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 152. 387 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 49; RG 75 85; 76, 116; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 150. 388 Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT, § 45/Rn. 51. 389 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 49. 390 BGH wistra 1987, 27; Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 30. 391 BGH NJW 1975, 1234, 1236; BGH NStZ 1986,455, 456; BGH JR 2000,515, 516; BGHSt 47, 295,302; über die historische Quelle der „besonderen Anforderungen“ an den subjektiven Tatbestand der Untreue in den heutigen Rechtsprechungen siehe die ausführliche Behandlung von: Hillenkamp, Zur Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand der Untreue, in: FS Maiwald 2010, S. 326 – 334. In der Literatur stößt dies teilweise auf Zustimmung. Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 22/Rn. 78; Lackner/Kühl, Komm. StGB, § 266/Rn. 19; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT, § 45/Rn. 51. 392 Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 660. 393 RGSt 68, 371 (374); 71, 90 (92); später wurde dies vom BGH übernommen, BGHSt 3, 23 (24); BGH NJW 1975, 1234 (1236); 1990, 3219 (3220).

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Die in der Rechtsprechung geforderte besonders sorgfältige Feststellung der inneren Tatseite bei der Untreue wird in der Literatur zu Recht abgelehnt.394 Die Weite des Untreuetatbestandes könne nicht durch überhöhte Anforderungen an die innere Tatseite korrigiert werden.395 Das Problem sei der zu weit geratene § 266 Abs. 1, 2. Alt. DStGB und liege im objektiven Tatbestand und nicht im subjektiven.396 Eine derartige Restriktion des subjektiven Tatbestands sei nur eine „Notlösung“.397 Die Rechtsfrage, eine unklare Tatbestandsformulierung, dürfe nicht als Tatfrage, folglich durch die Anwendung der Regelungen durch den Richter in der Praxis, behandelt werden.398 Dabei stößt die Restriktion des BGH an die Grenzen der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungen.399 Darüber hinaus führen die strengen Anforderungen an die innere Tatseite bei der Untreue zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Delikten.400 Es ist fragwürdig, aus welchen Gründen die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des § 266 DStGB, anders als bei den übrigen Vermögensdelikten, wie dem Betrug oder der Unterschlagung, sein sollen. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, nach welchen Maßstäben sich der Inhalt der zusätzlichen Beweisanforderungen bestimmt.401 (2) Irrtum im Rahmen der Untreue Neben der Diskussion über die restriktive Auslegung des subjektiven Tatbestands besteht ein weiterer Streitpunkt über den Umfang des Vorsatzes in der deutschen Literatur, nämlich inwiefern der Vorsatz sich auf die Pflichtwidrigkeit beziehen muss, wenn der Täter einer Fehlvorstellung über sein Verhalten unterliegt. Konkret gesagt handelt es sich dabei um Fälle, in denen der Täter behauptet, er habe sich keine Gedanken über die Pflichtwidrigkeit gemacht oder sei nach Überlegung zu einer unzutreffenden Vorstellung über die Pflichtwidrigkeit gelangt. In Bezug auf die Untreue des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft zeigen sich die Problemfelder insbesondere darin, dass der Vorstand und Aufsichtsrat sein Handeln fälschlicher-

394 Dierlamm, NStZ 1997, S. 534, 535; Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 78; Saliger, HRRS 2006, S. 10, 22; Schünemann, Organuntreue, S. 65; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 779. 395 Hillenkamp, in: FS Maiwald 2010, S. 341, 342. 396 Dierlamm, NStZ 1997, S. 534, 535; Kubiciel, NStZ 2005, S. 356. 397 Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 86; Ransiek, ZStW 2004, S. 640. 398 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 78; Feigen, in: FS Rudolphi 2004, S. 445, 459; Schünemann, Organuntreue, S. 65; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 153. 399 Dierlamm, NStZ 1997, S. 534, 535; Zech, Untreue, S. 114. 400 Dierlamm, NStZ 1997, S. 534, 535; Feigen, in: FS Rudolphi 2004, S. 445, 459; die Gegenauffassung meint, dass die Kritik wegen der Ungleichbehandlung in der Rechtsprechung nicht zutreffend sei. Das Erfordernis strenger Anforderungen beim bedingten Vorsatz ergibt sich von selbst, nicht aus der Untreue. Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, S. 153. 401 Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 78; Dierlamm, NStZ 1997, S. 535; dieses Argument erscheint wenig überzeugend zu sein, siehe: Hillenkamp, in: FS Maiwald 2010, S. 340, 341.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

weise als pflichtmäßig ansah402 und dadurch einen Vermögensschaden der Gesellschaft herbeiführte. Damit stellt sich die Frage, welche Auswirkung eine Fehlvorstellung des Täters für die Feststellung des subjektiven Tatbestandes im Rahmen des § 266 DStGB hat. Um diese Frage zu beantworten, werden nachfolgend zunächst die Irrtumslehren im deutschen Strafrecht kurz angerissen. Der Tatbestandsirrtum ist in § 16 DStGB geregelt. Gegenstand des Irrtums ist ein Tatumstand. Die Rechtsfolge des Irrtums ist der Ausschluss des Vorsatzes, mit der Folge, dass mangels Erfüllung des (subjektiven) Tatbestands die Strafbarkeit Täters entfällt. Falls die Nichtkenntnis vom Tatumstand vermieden werden konnte, kommen nur einige gesetzlich ausdrücklich geregelte fahrlässige Delikte in Betracht.403 Von der Nichtkenntnis vom Tatbestand ist das Fehlen der Einsicht, „Unrecht zu tun“, zu unterscheiden. Diese fehlende Unrechtseinsicht wird als Verbotsirrtum nur in § 17 DStGB geregelt. Der Gegenstand dieses Irrtums ist die Rechtswidrigkeit der Tat.404 Die Rechtsfolge dieses Verbotsirrtums betrifft nur die Schuld. Die Schuld ist dann ausgeschlossen, wenn der Täter diesen Irrtum nicht vermeiden konnte und gemäß § 17 S. 1 DStGB infolgedessen nicht mit Strafe sanktioniert wird. Falls jedoch der Irrtum über die Rechtswidrigkeit vermeidbar war, zieht dies nach § 17 S. 2 DStGB nur eine fakultative Strafmilderung nach sich. Bezogen auf die Untreue kann die Fehlvorstellung des Täters über die Pflichtwidrigkeit entsprechend in zwei Fallkonstellationen aufgeteilt werden. Die erste liegt dann vor, wenn der Täter eine Nichtkenntnis über den Sachverhalt hat, auf welchem die Vermögensbetreuungspflicht des Täters beruht. Die zweite kommt dann in Betracht, wenn der Täter die irrtümliche Annahme der Pflichtmäßigkeit seines Verhaltens aus fehlerhafter rechtlicher Subsumtion zieht, sodass nach seiner Vorstellung sein Verhalten nicht unter den Untreutatbestand fällt.405 Aufgrund der oben ausgeführten Grundkenntnis von der Irrtumslehre ist das Vorliegen eines Tatbestandsirrtums in der ersten Fallkonstellation zu bejahen. Weiter umstritten in der deutschen Literatur ist aber das Vorliegen eines Tatbestandsirrtums oder Verbotsirrtums der Organuntreue in der zweiten Fallkonstellation. Die herrschende Meinung406 lehnt im Allgemeinen den Verbotsirrtum bei der Organuntreue ab und bejaht im Fall der fälschlichen Annahme pflichtgemäßen Verhaltens einen Tatbestands402

Zum Beispiel: unzutreffenderweise nimmt der Vorstand an, dass sein Verhalten pflichtmäßig sei, weil er die Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung erhalten hat. 403 Kühl, Strafrecht AT, S. 463, 465. 404 Kühl, Strafrecht AT, S. 463, 483. 405 Kühl, Strafrecht AT, S. 486. 406 BGH wistra 1986, 25; LG Mainz NJW 2001, 9 06, 907; Arzt/Weber, Strarecht BT, § 22/ Rn. 69; Jakobs, NStZ 2005, S. 277; ders., in: FS Dahs 2005, S. 52, 53; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 266/Rn. 49; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 656, 660. Die Gegner sehen darin einen Verbotsirrtum, Fischer, Komm. StGB, § 266/Rn. 77; Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266/Rn. 176; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 150; ders., Organuntreue, S. 66.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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irrtum des Täters, da hier das Wissenselement über die Pflichtwidrigkeit beim Täter fehle und er dementsprechend ohne Vorsatz handele. In § 266 DStGB müsse der Vorsatz sich auf die Pflichtwidrigkeit beziehen.407 c) Analyse bezüglich der künftigen chinesischen Gesetzgebung Bis jetzt wurden die strafrechtlichen Grundlagen der Strafbarkeit des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder zulasten der Gesellschaft im deutschen Recht behandelt. Nachfolgend wird die Übertragungsmöglichkeit der geltenden deutschen allgemeinen Untreuenorm und der sich ggf. ergebenden Probleme in der künftigen chinesischen Gesetzgebung diskutiert. aa) Verfassungsmäßigkeit der Untreuestrafnorm als Grundlage der Übertragungsmöglichkeit der deutschen Untreuenorm in das chinesische Recht Hierbei ist zunächst zu klären, dass zwei Fragen voneinander abgegrenzt werden müssen: Die Möglichkeit der Übertragung der deutschen Untreuenorm auf China und die Notwendigkeit der Schaffung der Untreuenorm im künftigen chinesischen Recht. Die Verfassungsmäßigkeit der Untreuenorm im deutschen Recht bezieht sich ausschließlich auf die erste Fragestellung. Die Frage nach der Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen ihrer Organmitglieder bedarf einer eigenständigen Untersuchung, die in Kapitel F. bezüglich des eigenen Lösungsansatzes vorgenommen wird. Das Erfordernis der Verfassungsmäßigkeit der Untreuestrafnorm als Grundlage für die Übertragung der deutschen Untreuenorm in das chinesische Recht ergibt sich einerseits aus dem Gesetzlichkeitsprinzip im geltenden chinesischen Strafrecht, andererseits aus der Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit im künftigen China. Im Folgenden werden die zwei Aspekte einzeln behandelt. Auch wenn das Gesetzlichkeitsprinzip in China anders als das in Deutschland nicht im Verfassungsrecht, sondern lediglich als strafrechtliche Norm im Strafgesetzbuch (§ 3CStGB) festgeschrieben ist, muss die neue strafrechtliche Norm in China trotzdem dem aus dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip abgeleiteten Bestimmtheitsgebot entsprechen. Die Verfassungsmäßigkeit der Untreuenorm im geltenden deutschen Strafrecht bildet daher eine grundlegende Voraussetzung408 für die Schaffung einer Untreuenorm nach dem Vorbild des deutschen Rechts im künftigen chinesischen Recht.

407

Lackner/Kühl, Komm. StGB, § 266/Rn. 19. Eine weitere Voraussetzung ist die Relevanz der Untreuenorm in der deutschen Rechtspraxis. Diese Thematik wurde bereits zu Beginn dieses Kapitels diskutiert. 408

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Ferner bedeutet Rechtsstaatlichkeit, dass der Staat nur auf Grund von Gesetzen in Rechte des Individuums eingreifen darf. Die Gesetzmäßigkeit bei der Anwendung der Staatsgewalt sollte sich vorzugsweise nicht wie in der aktuellen chinesischen Gesetzgebungspraxis ausschließlich auf das Gebiet des Strafrechts beschränken, sondern als Verfassungsprinzip mit höchster Geltung statuiert werden, an dem alle Gesetze gemessen werden müssen. Die Verankerung des Gesetzlichkeitsprinzips in der Verfassung hätte vor allem große Bedeutung für die Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte in China, welche ein Grundprinzip des Rechtsstaats ausmachen. Offen bleibt, wie das Ziel der Rechtsstaatlichkeit409 in die Tat umzusetzen ist, wenn die Gesetzesbestimmungen derart unbestimmt sind, dass der Einzelne von den Inhalten der Gesetzesverbote keine Kenntnis haben kann und dementsprechend es ihm nicht möglich ist, sein Verhalten danach einzurichten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist hinsichtlich der Übertragungsmöglichkeit der deutschen Untreuenorm in künftiges chinesisches Recht erforderlich, deren Bestimmtheit zu überprüfen. Die vorherige Untersuchung der Untreuenorm in deutschen Recht zeigt, dass, obwohl die Untreuenorm aufgrund der Akzessorietät des Untreuetatbestands gegenüber außerstrafrechtlichen Normen stark unter struktureller Unbestimmtheit leidet, es doch möglich ist, dieses Problem durch verfassungskonforme Auslegung zu beseitigen. Daher wird der Vorwurf, die allgemeine Untreuenorm stehe aufgrund der fehlenden Beschreibung der Tathandlung und der nicht näher definierten Vermögensbetreuungspflicht, insbesondere in der Treubruchstatbestandsalternative, nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot, vom bisherigen deutschen Schrifttum und der Rechtsprechung abgelehnt. Mit der Bejahung der Bestimmtheit der Untreuenorm im deutschen Recht wird auch deren Übertragungsmöglichkeit in das künftige chinesische Recht begründet. bb) Restriktive Auslegung als Grundlage der Schaffung einer gesellschaftsrechtlichen Sonderuntreuenorm im chinesischen Recht In der deutschen Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die Untreuenorm restriktiv ausgelegt werden muss. Über den konkreten Inhalt der Restriktion der Tatbestandsmerkmale der Untreue herrscht in Deutschland noch keine Einigkeit. Bezogen auf die künftige chinesische Gesetzgebung stellt sich jedoch die Frage, ob dann, wenn sich der chinesische Gesetzgeber an § 266 DStGB anlehnt und auch eine allgemeine Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafrecht schafft, es wirk409

Bereits auf dem 15. Parteitag der KPC am 1997 wurde zum ersten Mal ausdrücklich genannt, dass man das Land nach den Gesetzen regieren muss und einen sozialistischen Rechtsstaat aufbaut. Im März 1999 wurde ein ausdrückliches Bekenntnis zu einer „auf Gesetze gestützten Regierung“ und zu einem „sozialistischen Rechtsstaat“ in die Verfassung Chinas aufgenommen.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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lich realistisch und machbar wäre, der Untreuenorm auch in China durch restriktive Auslegung durch die Richter und Rechtsgelehrten eine klare Kontur zu verleihen. Unter Berücksichtigung der jüngeren Geschichte der chinesischen modernen Strafrechtswissenschaft und der mangelnden Fachkompetenz mancher chinesischer Richter sowie der fehlenden effektiven Überwachung der Staatsanwaltschaft und der Richter muss die Idee einer Übertragung der geltenden allgemeinen Untreuenorm des deutschen Rechts, deren einzelne Kriterien durch einschränkende Auslegung der Rechtsprechung und Fachliteratur noch herausgearbeitet werden müssen, auf China abgelehnt werden. Dies würde anderenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer willkürlichen und extensiven Anklagepraxis in Untreuebereichen führen. Vor diesem Hintergrund kommt eine Übertragung der Untreuenorm nach China nur in Form einer speziellen Untreuenorm in Betracht, im Fall des treuwidrigen Verhaltens der Organmitglieder zulasten der Aktiengesellschaft beispielweise eine auf die AG bzw. die Gesellschaften bezogene Organuntreuenorm. Auch in der deutschen Fachliteratur des Wirtschaftsstrafrechts wird von einigen Autoren410 eine Wiedereinführung gesellschaftsrechtlicher Sonderuntreuenormen gefordert.411 Neben der im Rahmen der Kritik an der Abschaffung der Sonderuntreuenormen bereits aufgezeigten Vorteile der speziellen Untreuenormen, nämlich durch sie eine erhöhte generalpräventive Wirkung zu erreichen, lassen sich die weiteren Vorteile der Sonderuntreuenorm im Vergleich zur allgemeinen Untreuenorm wie folgt zusammenfassen: Aufgrund der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollte eine das Gesellschaftsvermögen schädigende Handlung der Organmitglieder nur dann mit Strafe sanktioniert werden, wenn die Handlung vor ihrer Begehung genau und klar im Strafrecht definiert ist. Darüber hinaus kann mit Schaffung der speziellen Untreuenorm die Instrumentalisierungstendenz der Untreue verringert werden. Die Anwendung der Untreuenorm zeigt in der letzen Zeit in der deutschen Rechtspraxis eine gestiegene Instrumentalisierungstendenz. So handelt es sich bei der Untreuenorm grundsätzlich um ein reines Vermögensdelikt zum Schutz des Vermögens des Treugebers. In der Rechtspraxis wird das Untreuestrafrecht jedoch immer mehr von politischen oder öffentlichen Faktoren beeinflusst, wie Beispiele der Parteispendenuntreue und der Gewährung von Anerkennungsprämien an Vorstandsmitglieder zei-

410

Foffani, in: FS Tiedemann 2008, S. 786, 787; Perron, GA 2009, S. 223; Schramm, Untreue und Konsens, S. 251, 257; Tiedemann, in: FS Tröndle 1989, S. 319, 320; ders., in: FS Würtenberg 1977, S. 241, 249; Weber, in: FS Dreher 1977, S. 555. Dagegen Englisch, NJW 2005, S. 2974; Haas, Die Untreue (§ 266 StGB): Vorschläge de lege ferenda und geltendes Recht, S. 10. 411 Auch H. Mayer weist auf die Unentbehrlichkeit der Beibehaltung einer speziellen Untreuenorm im Aktienrecht hin, da sich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung „aus dem im Aktiengesetz geregelten Pflichtenkreis“ der betreffenden Personen ergebe. Für Rechtsprechung und Auslegung ist es leichter, wenn der Tatbestand der aktienrechtlichen Untreue im unmittelbaren Anschluss an die privatrechtlichen Normen des Aktienrechts geregelt ist. Mayer, Untreue, S. 85.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

gen.412 Nach den hier überzeugenden Argumentationen im deutschen Schrifttum wird die Schaffung der speziellen Organuntreuenorm im künftigen chinesischen Recht damit begründet, dass eine Sonderuntreuenorm Vorläufer für eine allgemeine Untreuenorm sein kann. Der Gesetzgeber kann die notwendigen Erkenntnisse über die Probleme und Wirksamkeit der Untreuenorm zur Bekämpfung der Vermögensdelikte durch die Sonderuntreuenorm erlangen, welche eine Indizfunktion für die künftige Gesetzgebung hat. Dies gilt auch für die Rechtsprechung und das Schrifttum. Letztlich kann die Schaffung einer Sonderuntreuenorm auch Anstoß für eine neue Rechtsentwicklung in anderen europäischen Ländern geben. So hatte der spanische Gesetzgeber im Jahr 1995 zum ersten Mal eine Untreuenorm eingeführt, genauer gesagt eine gesellschaftsrechtliche Untreuenorm in Art. 295 des spanischen Strafgesetzbuches.413 cc) Geschütztes Rechtsgut Nach herrschender Ansicht in der deutschen Literatur ist das durch § 266 DStGB geschützte Rechtsgut allein das Vermögen des Treugebers, im Fall der Organuntreue das Vermögen der Aktiengesellschaft. Dabei werden die Interessen der Arbeitnehmer und Gläubiger lediglich indirekt durch § 266 DStGB geschützt. Folgt man dem Vorschlag, in China anstatt einer allgemeinen Untreuestrafnorm eine spezielle Organuntreuenorm im künftigen chinesischen Gesellschaftsgesetz zu schaffen, ist zu überlegen, was als Rechtsgut unmittelbar durch die gesellschaftsrechtliche Sonderuntreuenorm geschützt werden soll: ausschließlich das Vermögensinteresse der Gesellschaft oder daneben auch noch die Vermögensinteressen der Gesellschaftsgläubiger und Arbeitnehmer. Anlass für diese Überlegung ist die früher in § 294 a. F. AktG normierte aktienrechtliche Sonderuntreuenorm im deutschen Recht, durch die neben den Vermögensinteressen der Gesellschaft auch die Interessen verschiedener anderer Personengruppen als Rechtsgüter geschützt wurden.414 Da die Feststellung des Vermögensnachteils im Fall der Verletzung einer der genannten Interessengruppen oft schwierig war, wurde in der Literatur der Lösungsansatz entwickelt, dass die verschiedenen in § 294 a. F. AktG geschützten Interessengruppen eine unterschiedliche Rangfolge innehatten. Im Mittelpunkt standen die Vermögensinteressen der Aktiengesellschaft. Die Verletzung von Vermögensinteressen anderer Personengruppen wurde nur dann als Vermögensnachteil im Sinne vom § 294 a. F. AktG gewertet, wenn dies gleichzeitig auch einen Nachteil der Gesellschaft darstellte.415 Dieser Lösungsvorschlag könnte für die Schaffung der künftigen chinesischen gesellschaftsrechtlichen Sonderuntreuenorm hilfreich sein, falls der chinesische Gesetzgeber bei der Schaf412

Foffani, in: FS Tiedemann 2008, S. 787; Saliger, HRRS 2006, S. 16. Mehr dazu siehe Foffani, in: FS Tiedemann 2008, S. 781, 782; auch erwähnt von Perron, GA 2009, S. 232, 233. 414 Schneider, Die Untreue, S. 17, 18; Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 32. 415 Seher, Die aktienrechtliche Untreue, S. 33. 413

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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fung der speziellen Untreuestrafnorm die Vermögensinteressen der Gesellschaft, der Arbeitnehmer und der Gläubiger als Rechtsgüter der neuen Untreuenorm betrachten würde. dd) Täterqualifizierung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer chinesischen Aktiengesellschaft bei der Untreuenorm Nach der deutschen Untreuenorm kann nicht jeder tauglicher Täter der Untreue sein, sondern nur derjenige, der gegenüber dem Treugeber eine Vermögensbetreuungspflicht inne hat. In der deutschen Rechtsprechung wurde ein Indizienkatalog zur Feststellung der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht entwickelt. Maßgeblich sind danach Art und Weise der Tätigkeit des Treunehmers, Umfang und Dauer seiner Pflichten sowie Spielraum, Selbständigkeit und Maß seiner Verantwortung bei der Pflichterfüllung. Nach diesen Kriterien werden die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats hinsichtlich ihrer im Aktiengesetz normierten Rechte und Pflichten als Vermögensbetreuungspflichtige gegenüber der AG in Deutschland qualifiziert. Hier stellt sich im Fall der Übertragung der deutschen Untreuenorm auf China nun die Frage, ob die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer chinesischen Aktiengesellschaft taugliche Täter im Sinne der deutschen Untreuenorm sein können. Es wurde bereits erwähnt, dass die einzelnen gesellschaftsrechtlichen Aufgabenstellungen des Vorstands und Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft im deutschen und chinesischen Recht zum Teil unterschiedlich geregelt sind und dass diese Unterschiede für die Feststellung der Täterqualifizierung im Sinne von § 266 DStGB möglicherweise relevant sein können. Wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt, ist eine Besonderheit der chinesischen Organstruktur einer AG die übermächtige Stellung der Hauptversammlung. Eine vollständige Führungsautonomie des Vorstands im Sinne des deutschen Rechts existiert im chinesischen Recht nicht. Der chinesische Gesetzgeber verzichtet auf eine allgemeine Regelung bezüglich des Kompetenzbereichs zur Geschäftsführung für den Vorstand. Darüber hinaus werden einige der im deutschen Recht dem Vorstand zugewiesenen Befugnisse wie die Festlegung der Geschäftspolitik und die Investitionsplanung nach chinesischem Recht dem Kompetenzbereich der Hauptversammlung zugeordnet. Unter dieser starken Abhängigkeit des Vorstands von der Hauptversammlung sind die für die Bejahung der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht erforderliche Selbständigkeit und der weitere Umfang im Sinne vom § 266 DStGB in China in Frage gestellt. Besonderes fraglich ist die Vermögensbetreuungspflicht des Aufsichtsrats einer chinesischen AG, da der Aufsichtsrat zur Durchsetzung seiner Überwachungsaufgaben gegenüber dem Vorstand aufgrund der fehlenden Einwirkungsmöglichkeit fast machtlos ist. Er hat weder Personalkompetenz noch einen Zustimmungsvorbehalt.

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

Zugestandenermaßen sind die Kompetenzen des Vorstands und des Aufsichtsrats einer chinesischen AG im Vergleich zu den Organkompetenzen im deutschen Recht stark eingeschränkt. Dennoch muss die Tauglichkeit der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer chinesischen AG als Täter einer Untreue bejaht werden. Entscheidend ist hier vor allem der Strafgrund der Untreuenorm. Strafgrund der Untreue ist die vorsätzliche pflichtwidrige und mit Vermögensnachteilen verbundene Ausübung einer anvertrauten internen Machtstellung in einer fremden Vermögenssphäre durch den Treunehmer. Der taugliche Täter hat eine Macht- und Einflussstellung auf das fremde Vermögen, die eine ungehinderte Schädigung dieses Vermögens von innen heraus ermöglicht. Obwohl der Einfluss und Machtumfang des chinesischen Vorstands und Aufsichtsrats gegenüber dem deutschen wesentlich geringer ist, ist in jedem Fall zu bejahen, dass Vorstand und Aufsichtsrat einer chinesischen AG eine Machtstellung über das Gesellschaftsvermögen inne haben. Es ist im chinesischen Schrifttum anerkannt, dass Vorstand und Aufsichtsrat von der Gesellschaft als Prinzipal beauftragt sind, in ihrem Interesse tätig zu sein (sog. Prinzipal-Agent-Verhältnis). Sie tragen die eigenverantwortliche Sorge um das Gesellschaftsvermögen und diese Pflicht ist der wesentliche Inhalt ihrer Pflichtbeziehung zum Vermögensinhaber der Gesellschaft. Die abgeschwächte Stellung des Vorstands und Aufsichtsrats im chinesischen Recht erschüttert nicht die Selbständigkeit und den Handlungsspielraum im Rahmen ihrer Geschäftsführung. Sie können mit ihren unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen in Gefahr bringen. Der Aufsichtsrat kann auch das Gesellschaftsvermögen benachteiligen, beispielsweise indem er es unterlässt, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, wenn seine Handlung die Vermögensinteressen der Gesellschaft schädigt. ee) Der Konsens des Vermögensinhabers Die Problematik der Zustimmung der Hauptversammlung für die Feststellung der Organuntreue im geltenden chinesischen Strafrecht wurde bereits im Rahmen des § 169 Abs. 1 CStGB416 der vorliegenden Arbeit erwähnt. Dabei handelt sich vor allem um die potenziellen Konflikte zwischen strafrechtlicher Regelung (§ 169 Abs. CStGB) und gesellschaftsrechtlichen Normen (§ 149 Nr. 3, 4, 5 GeG): In letzteren wird gesetzlich ausdrücklich geregelt, dass keine Pflichtwidrigkeit der Organmitglieder vorliegt, falls die Hauptversammlung den dort genannten, durch die Organmitglieder ausgeübten Geschäften, selbst wenn dadurch Schaden am Gesellschaftsvermögen verursacht wird, zugestimmt hatte. Strafrechtliche Konsequenz dieser Vorschriften ist, dass in solchen Fällen auch eine Treuepflichtverletzung im Sinne des § 169 Abs. 2 CStGB – trotz ihrer Strafbedürftigkeit und Strafwürdigkeit – verneint werden muss. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, anhand der Lehre des tatbestandsausschließenden Einverständnisses im Fall der Organuntreue einer Aktiengesellschaft im deutschen Recht die oben erwähnten Probleme in China zu lösen. Bezogen auf eine Aktiengesellschaft hat ein Verfasser im deutschen 416

Kapitel C. III. 3. b) bb) (4) (a).

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

275

Schrifttum417 die für die Feststellung der Pflichtverletzung im Sinne von § 266 DStGB relevanten tatbestandsausschließenden Einverständnisse in vier Fallgruppen418 aufgeteilt, unter denen vor allem die Möglichkeit einer Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung zu pflichtwidrigen Maßnahmen des Vorstands als tatbestandsausschließendes Einverständnis beim Organuntreuedelikt diskutiert wurden. Hinsichtlich der unterschiedlichen Kompetenzen der aktiengesellschaftlichen Organe in beiden Ländern hat eigentlich nur eine der oben genannten Fallkonstellationen für China große Relevanz, nämlich die Zustimmungsproblematik der Hauptversammlung bei der Organuntreue. Bevor man sich mit dieser Fallkonstellation beschäftigt, ist zunächst notwendig, die grundlegenden Kenntnisse des tatbestandausschließenden Einverständnisses im Fall der Untreuedelikte, welche im Rahmen der Tathandlung im Zusammenhang mit den Risikogeschäften in der vorliegenden Arbeit bereits diskutiert wurden, kurz zusammenzufassen. Die Pflichtverletzung des Treunehmers im Sinne von § 266 DStGB muss verneint werden, wenn im Rahmen des Eigenverantwortlichkeitsprinzips die Gefährdung oder Verletzung des Vermögens auf den Vermögensinhaber zurückzuführen ist. Schließlich bezweckt § 266 DStGB, das Vermögen(sinteresse) des Treugebers zu schützen. Zu beachten ist aber, dass das durch den Vermögensinhaber oder seine gesetzlichen Vertreter erteilte tatbestandsausschließende Einverständnis für § 266 DStGB wirksam sein muss.419 Die Wirksamkeit des Einverständnisses setzt voraus, dass der Zustimmende die Macht besitzt, über das jeweilige Vermögen zu verfügen. Die Wirksamkeit des Einverständnisses ist dann abzulehnen, wenn die Zustimmung des Vermögensinhabers gegen das Gesetz verstößt oder eine „Pflichtverletzung im Sinne des § 266 darstellt“.420 Andernfalls würde sich das Strafrecht in einen Wertungswiderspruch zu der übrigen Rechtsordnung setzen. Bedeutsam ist im Hinblick auf die Zustimmungsproblematik bei der Hauptversammlung im Fall der Organuntreue die Frage, ob die von der Hauptversammlung erteilte Zustimmung zu pflichtwidrigen Maßnahmen des Vorstands und Aufsichtsrats als tatbestandsausschließendes Einverständnis gewertet werden kann. Dies hängt von der Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung ab. Im deutschen Schrifttum wird dabei vor allem die Gesetzmäßigkeit der Beschlüsse der Aktionärsversammlung untersucht.421 Soweit es das Aktienrecht oder die Satzung zulässt, dass Aktionäre die im Innenverhältnis bestehenden Pflichten des Vorstands und Aufsichtsrats neu oder anders definieren, ist der Hauptversammlung die Kompetenz zuzusprechen,

417

Schramm, Untreue und Konsens, S. 141 – 144. Zur konkreten Darstellung dieser vier Fallgruppen siehe: Schramm, Untreue und Konsens, S. 141. 419 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 758. 420 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 761; Schünemann, in: LK-StGB, § 266/Rn. 100. 421 Schramm, Untreue und Konsens, S. 142, 144. 418

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E. Rechtsvergleichende Betrachtung

in pflichtwidrige Maßnahmen des Vorstands und Aufsichtsrats einzuwilligen, mit der Folge, dass damit die Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB entfällt. Wenn man diese an das Gesellschaftsrecht angelehnte Lösung im deutschen Recht bei der Bewältigung der oben genannten Problematik in China zwischen § 149 Nr. 3, 4, 5 GeG und § 169 Abs. 2 CStGB anwendet, dann muss dementsprechend zunächst die Gesetzes- oder Satzungsmäßigkeit der durch die Hauptversammlung erteilten Zustimmung, auf die sich die Organmitglieder zu ihrer Entlastung berufen können, untersucht werden. Die Gesetzwidrigkeit oder Unwirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung ist im Gesellschaftsgesetz Chinas insbesondere zum Schutz der Gesellschaftsinteressen und des Schutzes der Minderheitsaktionäre vor den Mehrheitsaktionären geregelt. § 20 GeG lautet: „Die Gesellschafter … dürfen Gesellschaftsrechte nicht missbrauchen, um Interessen der Gesellschaft oder andere Gesellschafter zu schädigen … Wenn ein Gesellschafter Gesellschaftsrechte missbraucht und damit der Gesellschaft oder anderen Gesellschaftern Schaden zufügt, haftet er nach dem Recht auf Ersatz …“422.

Obwohl der Gesetzgeber hier keine Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft und im Verhältnis zueinander statuiert hat, sind den (Mehrheits)aktionären bei der Ausübung ihrer Stimmrechte rechtliche Grenzen gesetzt. Wenn die Mehrheitsaktionäre gegen ihre Treuepflicht verstoßen und mit Hilfe des von ihnen beherrschten Organs der Hauptversammlung durch Beschlüsse die Interessen der Gesellschaft oder andere Aktionäre schädigen, führt dies zur Nichtigkeit solcher Beschlüsse.423 Folglich kann ein solches durch Beschlüsse der Hauptversammlung erteiltes unwirksames Einverständnis die Pflichtwidrigkeit der Organmitglieder im Fall des § 169 Abs. 2 CStGB nicht beseitigen, weil hier das Einverständnis an rechtlicher Nichtigkeit scheitert. Das Verbot für Mehrheitsaktionäre, mit Hilfe der von ihnen beherrschten Hauptversammlung die Interessen der Gesellschaft und anderer Aktionäre zu schädigen, ist nicht im chinesischen, sondern auch im deutschen Gesellschaftsrecht verankert. Bereits in einer Entscheidung des RG424 wurde darauf hingewiesen, dass für das Rechtsverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und einzelnen Aktionären – und damit auch die Mehrheitsaktionäre – die allgemeinen Gebote aus Treu und Glauben gelten. Die Mehrheitsaktionäre haben im Rahmen ihrer Beschlussmacht die Gesellschaftsinteressen und auch die Interessen der Minderheitsaktionäre zu berücksichtigen.425 In der gegenwärtigen Fachliteratur Deutschlands ist anerkannt426, dass die

422 423 424 425

Gesetzestext in deutscher Sprache zitiert aus: ZChinR, 2006/3, S. 294. Liu, Junhai, Gufen youxian gongsi gudongquan de baohu, S. 529, 530. RGZ 108, 43; 112, 14, 18. Lutter, JZ 1976, S. 232.

II. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organmitglieder einer AG

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Mehrheitsaktionäre Treuepflichten gegenüber der Aktiengesellschaft und gegenüber anderen Aktionären haben. § 243 AktGB sieht vor, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung einer materiellen Kontrolle unterzogen werden. Falls die Mehrheitsaktionäre ihre Treuepflicht verletzen und die Interessen der Gesellschaft und/oder die der Minderheitsaktionäre schädigen, sind Beschlüsse dieser Art anfechtbar. Strafrechtliche Konsequenz ist, dass die Organmitglieder sich nicht auf ein solches gesetzwidriges oder rechtlich unwirksames Einverständnis der Hauptversammlung berufen können, um ihre vermögensschädigenden Handlungen als pflichtmäßig zu qualifizieren. Daher liegt in diesem Fall eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 DStGB vor. Die oben aufgeführte Darstellung zeigt, dass das tatbestandsausschließende Einverständnis gerade im Fall der gesellschaftlichen Organuntreue sehr stark vom Gesellschaftsrecht als außerhalb des Strafrechts liegendem Gebiet bestimmt ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich sagen, dass die Lösung für die vorhandenen Konflikte zwischen § 169 Abs. 2 CStGB und § 149 Nr. 3, 4, 5 GeG eher außerhalb des Strafrechts liegt. Es ist dem chinesischen Gesetzgeber zu empfehlen, in die oben aufgeführten gesellschaftsrechtlichen Treuepflichtennormen die „Interessen der Aktiengesellschaft“ als Grenze für die Handlungen der Aktionäre einzufügen und dadurch ein klares Feststellungsmerkmal für die strafrechtliche Organuntreue wie § 169 Abs. 2 CStGB zu ermöglichen.

426 Hüffer, Komm. AktG, § 243/Rn. 21, 22; Raiser, Thomas, Recht der Kapitalgesellschaft, § 11/Rn. 59, 61. Ablehnung der allgemeinen Treupflicht der Großaktionäre im Verhältnis zu Minderheitsaktionären von Lutter, JZ 1976, S. 233.

F. Eigener Reformvorschlag I. Strafrecht als unverzichtbares Kontrollinstrument gegen treuwidrige Handlungen der Organmitglieder zu Lasten der Gesellschaft im künftigen chinesischen Recht 1. Einleitung Aufgrund des Subsidiaritätscharakters des Strafrechts, der nicht nur im deutschen, sondern auch im chinesischen Recht anerkannt ist1, kommt das Strafrecht als Instrument des Rechtsgüterschutzes nur dann zum Einsatz, wenn die anderen außerstrafrechtlichen Mittel zum Schutz des Rechtsgutes nicht ausreichend sind. Die eingeschränkte Anwendung der strafrechtlichen Androhung bezweckt, die individuellen Rechte vor unverhältnismäßigen Eingriffen der Staatsgewalt zu schützen. Mit Bezug auf den eigenen Reformvorschlag bedeutet dies, dass die Anwendung der Strafandrohung gegen Organmitglieder aufgrund ihrer treuwidrigen Verhaltensweisen zulasten der Gesellschaft für den Fall verneint werden muss, dass andere Mittel das Gesellschaftsvermögen wirksam vor Eingriffen ihrer Organmitglieder bewahren können. In der Regel kommen zwei außerstrafrechtliche Mittel als Kontrollinstrumente gegen das treuwidrige Verhalten der Organmitglieder zu Lasten der Gesellschaft in Betracht. Beim ersten handelt es sich um den Kontrollmechanismus der Corporate Governance und beim zweiten um die zivilrechtliche Haftung. Nachfolgend wird aufgrund der Problematik dieser beiden außerstrafrechtlichen Mittel die Notwendigkeit des Strafrechts als Kontrollinstrument zum Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen der Unternehmensleitung und der Unternehmenskontrolle herausgestellt.

1 Zhang, Mingkai, Zur Diskussion des Wirtschaftsstrafrechts – Statement, in: Drittes deutsch-chinesisches Kolloquium über Strafrecht und Kriminologie, S. 98.

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2. Unwirksamer Schutz des Gesellschaftsvermögens durch den Kontrollmechanismus der Corporate Governance in China a) Allgemein zum Kontrollmechanismus der Corporate Governance In Kapitel C. der vorliegenden Arbeit wurde das sich aus der Trennung des Eigentums und der Unternehmensleitung ergebende sog. Agency Problem2 zwischen Eigentümer und Unternehmensleitung geklärt. Mit der Annahme individueller Nutzenmaximierung und asymmetrischer Informationsverteilung besteht die Gefahr, dass die Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft ihr Verhalten nicht am Gesellschaftsinteresse ausrichten, sondern Eigeninteressen verfolgen. Daraus folgt für die Aktionäre die Notwendigkeit der Entwicklung einer optimalen Kontrollstruktur über das Verhalten der Unternehmensleitung, um überwachen zu können, ob die spezialisierten Manager wirklich im Unternehmensinteresse handeln. Vor diesem Hintergrund wurde der Kontrollmechanismus der Corporate Governance entwickelt.3 In China wurde die Corporate Governance erstmalig im Jahre 1994 von dem bekannten chinesischen Wirtschaftswissenschaftler Wu, Jinglian hinsichtlich der Umwandlung von Staatsunternehmen in moderne Anteilssysteme wie die GmbH und die AG eingeführt. Trotz der unterschiedlichen Definitionen von Corporate Governance lässt sich die Corporate Governance als eine auf Maximierung des Gewinns gerichtete pflichtmäßige Unternehmensleitung und Unternehmenskontrolle bezeichnen.4 Das Corporate Governance System besteht aus internen und externen Kontrollmechanismen.5 Die interne Corporate Governance bezeichnet die Kontrolle, die durch eine Struktur innerhalb des Unternehmens bewirkt wird und die ihren Ausdruck in der Unternehmensverfassung findet. Sie versteht die Corporate Governance als ein Problem der rechtlichen Binnenverhältnisse der Aktiengesellschaft und betrifft Rollen, Kompetenzen, Funktionsweisen und das Zusammenwirken der Unternehmensorgane wie Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb der Unternehmensverfassung.6 Neben der unternehmensinternen ist auch die unternehmensexterne Kontrolle im Rahmen von Corporate Governance von Bedeutung. Die externe Corporate Governance beschreibt ka2

Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 13. Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 70. 4 Die deutsche Übersetzung von Corporate Governance lautet oftmals auch „angemessene Unternehmensorganisationen“. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 27. 5 Die externe Corporate Governance beschreibt kapitalorientierte Mechanismen eines Corporate Governance Systems. Zur Kontrolle der Unternehmensleitung setzen diese auf die von außen auf das Unternehmen wirkenden Marktkräfte. Damit werden insbesondere die außerhalb des Unternehmens selbst liegenden Elemente der Unternehmenskontrolle erfasst. Die internen und externen Kontrollmechanismen sind beide für die Corporate Governance unentbehrlich. Sie finden jeweils unterschiedlich starke Berücksichtigung in den zahlreichen Corporate Governance-Modellen, deren Vertreter die amerikanischen und deutschen Corporate Governance-Modelle sind. Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 45. 6 Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 45. 3

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pitalorientierte Mechanismen eines Corporate Governance Systems. Zur Kontrolle der Unternehmensleitung setzen diese auf die von außen auf das Unternehmen wirkenden Marktkräfte. Davon sind insbesondere die außerhalb des Unternehmens liegenden Elemente der Unternehmenskontrolle umfasst.7 Beide Elemente sind für die Corporate Governance unentbehrlich. In den unterschiedlichen Corporate Governance-Modellen, deren Vertreter die amerikanischen und deutschen Corporate Governance-Modelle sind, haben die beiden Kontrollmechanismen eine unterschiedliche Gewichtung.8 Im amerikanischen Corporate Governance-Modell ist die externe Corporate Governance von großer Bedeutung. Interne Mechanismen zur Kontrolle der Unternehmensleitung sind nur sehr schwach ausgeprägt. Da der Anteilsbesitz der Gesellschaft weit verstreut verteilt ist, haben die Anteilseigner nur sehr geringen unmittelbaren Einfluss auf die Unternehmensleitung. Die Kontrolle der Unternehmensleitung funktioniert vor allem über den Finanzmarkt, auf den die Investoren durch Drohung mit Abwanderung (Exit-Option) Druck auf die Unternehmenspolitik ausüben können.9 Der interne Kontrollmechanismus tritt im Allgemeinen in den Wirtschaftsordnungen auf, in denen – wie in Deutschland – der Anteilsbesitz in den Händen von Groß- oder Mehrheitsaktionären konzentriert ist. Hier ist die Kontrolle der Unternehmensleitung über die Finanzmarktmechanismen als sekundär zu betrachten, da die Aktionäre aufgrund der höheren Beteiligung mehr Kontrolle über das Unternehmen haben. b) Problem der internen Kontrollmechanismen der Corporate Governance in China – unausgewogene Aktionärsstrukturen Die Konzentration des Anteilsbesitzes hat schwerpunktmäßig interne Kontrollmechanismen über die Unternehmensleitung zur Folge, indem die großen Aktionäre ihren Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. In Kapitel B. wurde bereits erwähnt, dass das wesentliche Merkmal der Aktionärsstruktur der chinesischen Aktiengesellschaft die hohe Konzentration des Anteilsbesitzes in den Händen des Staats als Großaktionär ist. Nach offiziellen Angaben befinden sich zwei Drittel der Anteile der Aktiengesellschaft in Staatsbesitz. Dabei sollte der interne Kontrollmechanismus das wichtigste Mittel zur Kontrolle der Unternehmensleitung in China sein. Nachfolgend wird die Problematik der internen Kontrollmechanismen bei einer hoch konzentrierten Anteilsstruktur in der chinesischen börsennotierten AG betrachtet. Das Untersuchungsergebnis soll auch als Indiz für die Probleme in der nicht-börsennotierten AG in China dienen.

7 8 9

Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 53. Yin, Wenquan, Gongsi zhili jiegou de lilun heshijian, S. 404, 405, 427. Sick, Corporate Governance in Deutschland und Großbritannien, S. 90, 92.

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In China werden die Aktien einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach handelbaren Aktien (sog. Liu tonggu)10 und nichthandelbaren Aktien (sog. Fei liutongguo)11 unterschieden. Bis zum Jahr 2004 betrug der Anteil der nichthandelbaren Aktien aller börsennotierten Aktiengesellschaften in China 63,55 %, hiervon machten die Staatsaktien 74 % aus. Dies bedeutet, dass 47 % der Anteile aller chinesischen börsennotierten Gesellschaften sich in staatlicher Hand befinden.12 Da die institutionellen Anleger in China noch unterentwickelt sind13, befinden sich die Anteile außerhalb der größten Aktionäre überwiegend im Besitz von privaten Kleinaktionären. Die größten und zweitgrößten Aktionäre stehen in einem extremen Ungleichgewicht. Zwischen beiden besteht ein durchschnittlicher Abstand in Höhe von 36 %. Vor diesem Hintergrund können die kleinen Aktionäre in China die dominierende Stellung des Staats als größter Aktionär überhaupt nicht bedrohen. Darüber hinaus haben die kleinen Aktionäre auch nur einen geringen Einfluss auf die Unternehmensleitung, da die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats oft durch die von den größten Aktionären kontrollierte Hauptversammlung bestellt werden. Unter diesen Umständen ist die Kontrolle der Unternehmensverwaltung durch die Hauptversammlung, genauer gesagt durch den Staat als größtem Aktionär der Gesellschaft, häufig unwirksam. Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigte, dass der Anteilsbesitz des Staates und das von leitenden Personen der Gesellschaft ausgeübte, gegen das Interesse aller Aktionäre der Gesellschaft verstoßende Verhalten in einer positiven Proportion steht. Je höher der Anteil der Gesellschaft im Staatsbesitz ist, desto häufiger findet sich pflichtwidriges Verhalten der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, das den Interessen der gesamten Aktionäre zuwiderläuft.14 Um die internen Kontrollmechanismen der Corporate Governance zu verbessern, ist eine Änderung der unausgewogenen Aktionärsstruktur in China unvermeidbar. In letzter Zeit erkannte auch die chinesische Regierung die offensichtliche Reformnotwendigkeit der unausgewogenen Anteilsstruktur der börsennotierten Aktiengesellschaft an. Im Jahr 2001 wurde die vorläufige Verwaltungsmethode zur Verringerung der Staatsanteile und zur Finanzierung des Fonds zur sozialen Sicherung15 erlassen, wonach die Staatsanteile in einer börsennotierten Aktiengesellschaft an die Bevölkerung und andere institutionelle Anleger übertragen werden. Damit begann die Um10 Unter handelbaren Aktien werden diejenigen Aktien verstanden, die an den Börsen gehandelt werden. 11 Nichthandelbare Aktien können nicht bzw. nur unter sehr strengen Einschränkungen an den Börsen erworben oder veräußert werden. 12 http://news.stockstar.com/info/darticle.aspx?id=SS,20051220,30309643&columnid= 1973. 13 Bis Ende der 90er Jahre war es für Banken und Versicherungsgesellschaften in China verboten, direkt in den Kapitalmarkt zu investieren. Pißler, Corporate Governance in der VR China S. 8 – 9. 14 Pang, Jinyong/Yang, Yancun, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu jingji fanzui yu gongsi zhili jiegou xiangguanxing yanjiu, Xingshi faxue 2007, S. 65. 15 In deutscher Sprache: http://lehrstuhl.jura.uni-goettingen.de/chinarecht/010612.htm.

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wandlung der unhandelbaren Aktien in handelbare Aktien. Noch bevor die Verwaltungsmethode in der Praxis durchgeführt wurde, reagierte jedoch der Aktienkurs in China mit einem erheblichen Kurssturz.16 Unter diesen Umständen hatte die chinesische Regierung die Durchführung der Verwaltungsmethode eingestellt.17 Aufgrund dieser nicht gelungenen Maßnahme bezüglich der Umwandlung der nichthandelbaren Aktien in handelbare Aktien war die chinesische Behörde seitdem sehr zurückhaltend bei der Reformierung der Anteilsstruktur von börsennotierten Aktiengesellschaften. Im Jahr 2003 äußerte der Direktor der Staatsvermögen-Verwaltungskommission Li, Rongrong, dass „die Verringerung des Staatsanteils eine experimentelle Arbeit ist. Der chinesische Kapitalmarkt befindet sich noch in einer Entwicklungsphase und der Aufbau des Rechtssystems und die Marktwirtschaftsmechanismen müssen noch weiter verbessert werden. Die Differenzierung zwischen handelbaren und nichthandelbaren Aktien für die börsennotierte Aktiengesellschaft besteht fort. Es ist schwierig, auf lange Zeit einen systematischen und für den Markt weitgehend akzeptablen Ausführungsplan für die Verringerung der Staatsanteile festzulegen“.18 Obwohl zwei Jahre danach (im Jahr 2005) die Reform der getrennten Allokation der Anteilsrechte in der börsennotierten AG erneut begann,19 war eine eindeutig positive Auswirkung auf die internen Kontrollmechanismen über die Unternehmensleitung noch nicht zu verzeichnen. Laut des aktuellsten Untersuchungsberichts der Corporate Governance in 100 chinesischen börsennotieren Aktiengesellschaften im Jahr 2008 haben sich ineffiziente Unternehmensleitung und Unternehmenskontrolle durch die Reformierung der Anteilsstruktur nicht spürbar verbessert. Zusammengefasst liegt die wesentliche Verbesserung der internen Kontrollmechanismen der Corporate Governance in der grundlegenden Änderung der Aktionärsstruktur der börsennotierten chinesischen Aktiengesellschaft. Die bisherige Erfahrung zeigt allerdings, dass die Reform der hoch konzentrierten Anteilsstruktur in China nur Schritt für Schritt über lange Zeit hinweg realisiert werden kann. c) Mangelhafte externe Kontrollmechanismen in China – unterentwickelte Marktwirtschaft Da die Errichtung der chinesischen Marktwirtschaft erst im Jahr 1997 von der Regierung offiziell anerkannt wurde, benötigt die chinesische Marktwirtschaft trotz der 16 Zu den Gründen für den erheblichen Kurssturz siehe Amerkung von F. Münzel unter: http://lehrstuhl.jura.uni-goettingen.de/chinarecht/010612.htm. 17 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 560. 18 Im: ZhongguoZhenquanbao vom 03. 06. 2003 unter dem Titel: „Li, Rongrong biaoshi: guozi jiaoyi jiang quanbu naru shichang“. 19 Die CSRC erließ im April 2005 die „Mitteilung zu Fragen im Zusammenhang mit Versuchen zur Reform der getrennten Allokation von Anteilsrechten in börsennotierten Gesellschaften“ und die Ausführungsregel „Verwaltungsmaßnahmen zur Reform der Aktienkonvertierung in börsennotierten Gesellschaften“; Li-Balling, Entwicklung des chinesischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, S. 49.

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mehr als zehnjährigen Entwicklung noch einige Zeit, um den Standard der westlichen Märkte zu erreichen. Der gegenwärtige chinesische Markt hat nur geringen Einfluss auf die Unternehmensleitung. Um dies zu verdeutlichen, wird nachfolgend hinsichtlich des Finanz- und Arbeitsmarktes die üblich wirkende Marktkraft für die Unternehmensführung untersucht. In der Regel ist ein durch die Aktienkurse beeinflussbares Druckmittel der Markt der Unternehmensübernahme. Bei sinkenden Aktienkursen verringert sich die Börsenkapitalisierung. Dadurch werden Unternehmen anfällig für Übernahmen. Ein hoher Börsenkurs erschwert dagegen Übernahmen. Ferner eröffnet ein hoher Börsenkurs zugleich günstige Finanzierungsmöglichkeiten. Die Gefahr einer Übernahme und die Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung am Markt steuern das Verhalten der Unternehmensleitung, die die Folgen ihrer Entscheidung für den Aktienkurs berücksichtigen muss. Denn die Geschäftsleitung hat im Allgemeinen ein Interesse daran, eine Übernahme zu verhindern, da Käufer häufig die bisherige Geschäftsleitung ersetzen. Allerdings reduziert sich diese Befürchtung der Unternehmensleitung in China dadurch, dass in China der Staat als größter Aktionär der Aktiengesellschaft den Kauf und Verkauf staatlicher Anteile einer Gesellschaft nur unter strengen Bedingungen zulässt. Damit besteht selten eine ernstzunehmende Bedrohung durch Unternehmensübernahmen. Darüber hinaus sind die meisten Aktiengesellschaften in China ehemalige Staatsunternehmen, denen Kredite von staatlichen Banken zugewiesen wurden. Der Staat ist einerseits größter Aktionär und andererseits größter Gläubiger von solchen, in Aktiengesellschaften umgewandelten, ehemaligen Staatsunternehmen. Im Bereich des Arbeitsmarktes haben sich zurzeit noch keine professionellen Manager herausgebildet. Die Auswahl kompetenzfähiger und professioneller Kandidaten für Organmitglieder und Manager regelt sich in erster Linie nicht durch Marktmechanismen, die Kandidaten werden in der Praxis vielmehr durch die Regierung ernannt oder bestimmt. Aufgrund der fehlenden Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und der von administrativen Mitteln geprägten Personalentscheidung einer Aktiengesellschaft mit staatlicher Anteilsbeteiligung kann der Arbeitsmarkt die Handlung der Organmitglieder nicht wesentlich beeinflussen. Darüber hinaus wird das Versagen der externen Kontrollemechanismen auch durch einige zusätzliche Probleme auf dem Markt verschlechtert. So hat im Rahmen der Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften der gesetzliche Abschlussprüfer die Aufgabe, Ordnungsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Rechnungslegung zu kontrollieren. Um die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der Prüfung zu gewährleisten, wird eine Unabhängigkeit der Abschlussprüfer vorausgesetzt. In China ist die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer jedoch relativ. So lässt sich durch die in den letzten Fällen unwahre Berichterstattung der Gesellschaft nachweisen, dass die Abschlussprüfer den Bericht der Gesellschaft als wahrhaftig bestätigten.20 20

Liao, Li (Hrsg.), Gongsi zhili yu duli dongshi anli, S. 88, 89.

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d) Zusammenfassung Die bisherige Untersuchung bezüglich der Problematik der Kontrollmechanismen der Corporate Governance in China zeigt, dass effektive interne und externe Kontrollmechanismen, die weitestgehend erfolgreich in den westlichen Ländern zur Überwachung der Unternehmensleitung im Interesse der Gesellschaft eingesetzt werden, wegen der Eigenart der chinesischen Aktiengesellschaft – die meisten wurden aus früheren Staatsunternehmen umgewandelt – und wegen der unterentwickelten Marktwirtschaft in China gegenwärtig scheitern. Die Verbesserung der Anteilsstruktur der Gesellschaft und die weitere Entwicklung der Marktwirtschaft in China werden noch über eine lange Zeit hinweg andauern. Vor diesem Hintergrund kommen zunächst andere Kontrollmaßnahmen über die Unternehmensleitung in Betracht, beispielweise die rechtlichen Haftungsmechanismen. Nachfolgend wird die Problematik der zivilrechtlichen Sanktion des vermögensschädigenden unverantwortlichen Verhaltens von Organmitgliedern einer chinesischen AG aufgezeigt. 3. Unzulänglichkeit der zivilrechtlichen Haftungsinstrumente gegen treu- und sorgfaltspflichtwidriges Verhalten der Organmitglieder in China a) Überblick Schadensersatzklagen von Anlegern gegen führende Personen der Gesellschaft21 sind ein weit verbreitetes und effektives Mittel zur Optimierung des Verhaltens der Leitung und der Überwachung im Interesse aller Aktionäre der Gesellschaft. Zum Beispiel wurde in Japan eine Schadensersatzklage von Anlegern gegen Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen ihrer pflichtwidrigen und schädigenden Handlungen am Gesellschaftsvermögen in den 90er Jahren erfolgreich von den Aktionären durchgesetzt.22 Im revidierten Gesellschaftsgesetz 2005 verlieh der Gesetzgeber den Aktionären ein Klagerecht für den Fall, dass die Gesellschaft die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen deren Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder verweigerte, obwohl diese gesetzeswidrig gehandelt und das Vermögensinteresse der Gesellschaft geschä21

Im GeG 1993 wurden neben der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Verletzung der Treu- und Sorgfaltspflicht durch die Organmitglieder der AG noch verwaltungsrechtliche Disziplinarmaßnahmen geregelt. In der Rechtspraxis aber wurden diese seit dem Erlass des Gesellschaftsgesetzes Chinas im Jahr 1993 nur selten angewendet. Daher kann gesagt werden, dass die verwaltungsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen des GeG 1993 keine praktische Bedeutung hatten. Im GeG 2005 wurden die verwaltungsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen im Fall der pflichtwidrigen Handlung der Organmitglieder einer AG abgeschafft. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 328, Fn. 3. 22 Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 327.

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digt hatten. Nach dieser Regelung können Ersatzansprüche der Gesellschaft durch Aktionäre im eigenen Namen geltend gemacht werden, nachdem die Aktionäre, deren Anteile zum Zeitpunkt der Antragstellung zusammen 1 % des Grundkapitals (§ 151 GeG 2005) erreichen, erfolgreich ein Klagezulassungsverfahren betrieben haben. Mit der Möglichkeit der Klageerhebung der Anleger gegen Organmitglieder einer Aktiengesellschaft aufgrund ihres pflichtwidrig schädigenden Verhaltens im chinesischen Gesellschaftsgesetz 2005 wurde die rechtliche Grundlage für den Anleger bei Schadenersatzklagen geschaffen und dadurch die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende gesetzliche Lücke bezüglich Schadenersatzklagen von Anlegern in China beseitigt. Es liegt klar auf der Hand, dass der chinesische Gesetzgeber ernsthaft darum bemüht ist, die Interessen der mittleren und kleinen Aktionäre der Aktiengesellschaft besser vor willkürlichen Eingriffen der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats zu schützen. Trotz dieser großen Bemühung des chinesischen Gesetzgebers hat das neu geschaffene Schadensersatzklagerecht für den Anleger zum Schutz des Gesellschaftsvermögens in der Rechtspraxis nur eine geringe Bedeutung. Gründe hierfür sind zum einen die schwierige Umsetzungsmöglichkeit der zivilrechtlichen Haftung im Allgemeinen und zum anderen die Tatsache, dass die neue Regelung aufgrund ihrer Abstraktheit und Ungenauigkeit in der Praxis nicht handhabbar ist. b) Allgemeine Probleme der zivilrechtlichen Haftung in China Die chinesische Rechtskultur ist zivilrechtlich, insbesondere haftungstechnisch, nur sehr schwach ausgeprägt. Im zivilrechtlichen Konfliktfall ist die Schlichtung eine vorrangige Alternative für die beteiligten Parteien.23 Darüber hinaus hat die heutige chinesische Rechtspraxis noch Schwierigkeiten mit dem Vollzug zivilrechtlicher Urteile.24 Der zivilrechtliche Schadensersatz setzt voraus, dass der Beklagte in der Lage ist, mit seinem Vermögen die Schadenersatzhaftung zu befriedigen. Falls der Beklagte weder über ausreichendes Privatvermögen noch sonstige Sicherheitsleistungen verfügt, um die entstehende Schadenersatzhaftung zu begleichen, ist trotz des zivilrechtlichen Urteils dessen Durchsetzung nicht möglich. Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 200225, in der die Einkommen der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie der leitenden Manager in 1.016 börsennotierten chinesischen Aktiengesellschaften26 untersucht wurden, beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen von Organmitgliedern und leitenden Managern 23

Li, Yanbing, Shangshi gongsi gaoguan zhiwu fanzui wenti yanjiu, S. 327. Wang, Yanming, Gongi ziben zhidu de xingfa baohu, S. 49, 50. 25 Fan, Bingqing, Shangshi Gongsi Jingying zhe chouxin jili xianzhuang fenxi yu duiche jianyi, Qiye gaige yu fazhan 2002, S. 124. 26 Im Jahr 2002 betrug die Gesamtzahl der börsennotierten Aktiengesellschaft 1.175. 24

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einer börsennotierten AG nur 78.990 Rmb.27 Im Vergleich zu dem durch pflichtwidriges Verhalten von Organmitgliedern verursachten Vermögensschaden der Gesellschaft, der in der Regel extrem hohe Summen umfasst, sind die einschlägigen Organmitglieder mit ihren niedrigen Einkommen nicht fähig, die Schadensersatzpflicht zu erfüllen.28 .

c) Spezielle Probleme des Schadensersatzanspruchs der Anleger Über die allgemeinen Probleme der zivilrechtlichen Haftung in China hinaus werden nachfolgend die speziellen Probleme des neu im chinesischen Gesellschaftsgesetz geschaffenen Schadenersatzanspruchs der Anleger untersucht. Zunächst bekommen die Anleger, falls diese eine Schadensersatzklage gegen die Organmitglieder vor Gericht einreichen und den Prozess gewinnen, als Kläger keinen Schadensersatz, sondern allein die Gesellschaft. Die Prozesskosten müssen jedoch von den Klägern übernommen werden. Wenn der Anleger den Prozess verliert, besteht die Gefahr, mit einem zusätzlichen Schadensersatz gegenüber den Beklagten und der Gesellschaft zu haften.29 Zweitens wird die Klagemöglichkeit der Aktionäre gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder aufgrund der enormen Verfahrenskosten erheblich erschwert. Nach geltendem chinesischen Recht30 muss der Kläger die anfallenden Kosten im Voraus bezahlen. Wenn es sich um einen Vermögensrechtsfall handelt, hängen die Verfahrenskosten vom Streitwert ab und werden nach dem Streitwert proportional hierzu berechnet. So betragen die Verfahrenskosten nach der Verfahrenkostenordnung, wenn durch das treuwidrige Verhalten der betreffenden Organmitglieder 27

Der Grund für das durchschnittlich sehr niedrige Einkommen der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats börsennotierter Aktiengesellschaften in China ergibt sich aus der Tatsache, dass nur die Hälfte der Mitglieder der Organe und leitenden Manager der Gesellschaft ihr Einkommen in Form von Geldmitteln von der jeweiligen Gesellschaft bekommen. Eine Vielzahl der Unternehmensleiter von börsennotierten Aktiengesellschaften werden von der zuständigen staatlichen Behörde ernannt und besitzen den Status „staatlicher Funktionär“. Demzufolge wird die Vergütung nach ihrem politischen Rang gewährt. Fan, Bingqing, Shangshi Gongsi Jingying zhe chouxin jili xianzhuang fenxi yu duiche jianyi, Qiye gaige yu fazhan 2002, S. 125. 28 Darüber hinaus hat die in westlichen Ländern verbreitet angewendete sog. D&O liability insurance, welche zur Haftungsentlastung der Organmitglieder wegen ihrer pflichtwidrigen und vermögensschädigenden Handlungen führt, kaum praktische Bedeutung in der gegenwärtigen chinesischen Praxis. Zhu, Xiaojun, Gufengongsi dongshi e zhi falä yizhi, Zhengfa luntan 2004, S. 57. 29 Wang, Jianwen, Woguo gudongdaibiao susong zhidu pingpan yu shiyong – jianping gongsifa sifajieshi (2) de xiangguan guiding, Beifang faxue 2007, S. 63. 30 Die Verfahrenskosten von Zivilangelegenheiten werden in den „Vorschriften zur Berechnung der Verfahrenskosten durch das Volksgericht“, die vom obersten Volksgerichtshof erlassen wurden, geregelt.

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ein Schaden der Gesellschaft von zwei Millionen Rmb31 verursacht wird, 100.000 Rmb32 (wenn der Streitwert über eine Millionen Rmb beträgt, werden die Kosten nach der folgenden Formel berechnet: Streitwert mal 0.5 %). Die kleinen Aktionäre in China33 sind überhaupt nicht in der Lage, solche Summen im Voraus zu bezahlen.34 Darüber hinaus kommen die Anwaltskosten hinzu. Drittens wurden im GeG 2005 nur einige grundsätzliche Elemente des Klagerechts der Aktionäre geregelt, zum Beispiel, ob der Aktionär überhaupt als Antragsteller zugelassen ist, oder unter welchen besonderen Voraussetzungen einzelne Aktionäre die Anspruchsverfolgung in die Hand nehmen können. Jedoch bestehen noch eine Reihe gesetzlicher Unklarheiten bei der Anwendung des Schadensersatzanspruchs in der Rechtspraxis. Hier kann zum Beispiel das zuständige Gericht für die Haftungsklage der Anleger genannt werden. Das Gesellschaftsgesetz 2005 selbst enthielt keine klare Regelung über das zuständige Gericht bei Schadensersatzklagen von Aktionären. Später wurde in § 29 der Auslegung (3) im Entwurf des Gesellschaftsgesetzes (Entwurf für Kommentar) geregelt, dass für Klagen, die Anleger aufgrund § 152 des GeG 2005 eingereicht haben, dasjenige Volksgericht zuständig sein solle, welches am Sitz der Gesellschaft zuständig ist.35 Allerdings handelt es sich hierbei nur um den gesetzlichen Entwurf. Ob diese Regelung später auch tatsächlich bei der Auslegung des Gesellschaftsgesetzes übernommen wird, bleibt zunächst abzuwarten. Bis dahin herrscht in der Praxis weiterhin Rechtsunsicherheit. Viertens bleibt ungeklärt, ob es sich beim Schadensersatzanspruch gegenüber Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern um eine Verschuldenshaftung oder eine vermutete Verschuldenshaftung handelt. Die Beantwortung dieser Frage hat große Bedeutung für die Beweislast. Wäre die Haftung eine Verschuldenshaftung, müsste der Antragsteller – in diesem Fall der Aktionär – beweisen, dass die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats widerrechtlich gehandelt haben und der Gesellschaft daraus ein Vermögensschaden entstanden ist. Umgekehrt besteht bei der vermuteten Verschuldenshaftung eine Darlegungs- und Beweislastumkehr, sodass nicht der Antragsteller, sondern die Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder beweisen müssten, dass sie gesetzeskonform die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organmitglieds angewandt haben. In der Literatur und auch in Teilen der chinesischen Rechtsprechung wird die Schadensersatzhaftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder 31

Ca. 200.000 Euro. Ca. 10.000 Euro. 33 Laut Angaben der chinesischen Statistik Behörde betrug das durchschnittliche Pro-KopfEinkommen in China im Jahr 2006 1.041,73 Rmb – ungefähr 100 Euro (pro Monat) http://www. stats.gov.cn/tjsj/jdsj/t20060306_402309067.htm. 34 Daher schlagen manche Rechtsexperten vor, dass die Schadensersatzklage als Nichtvermögensprozess behandelt werden solle, dann würden die Prozesskosten deutlich gesenkt, weil nach der im Jahr 2007 erlassenen „Maßnahmen zur Bezahlung der zivilrechtlichen Verfahrenskosten“ die Kosten des Nichtvermögensprozesses nur zwischen 50 bis 100 Rmb betragen. 35 Fan, Jian/Wang, Jianwen, Gongsi fa, S. 306, 307. 32

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als Verschuldenshaftung betrachtet.36 In diesem Fall sind die Antragsteller – die Aktionäre – meistens überhaupt nicht in der Lage, dem Gericht die Beweise vorzulegen, dass ein betreffendes Organmitglied aufgrund seines gesetzwidrigen Verhaltens für denjenigen Schaden haftet, der der Gesellschaft entstanden ist. Denn die mittleren oder kleinen Aktionäre der Gesellschaft haben kaum Gelegenheiten, auf Geschäftsunterlagen zuzugreifen, um sich über die einzelnen Aktivitäten der Geschäftsführung und über die Umstände und den Sachverhalt bei Geschäftsentscheidungen zu informieren. Zusammengefasst bedeutet die Einführung von Schadensersatzklagen der Anleger gegen Organmitglieder und leitende Manager von Aktiengesellschaften im chinesischen Gesellschaftsgesetz nicht ohne weiteres, dass ein sofort wirksames Mittel zur Steuerung und Kontrolle der Unternehmensleitung geschaffen worden ist. Bei der gesellschaftsrechtlichen Regelung bezüglich des Klagerechts der Aktionäre einer chinesischen AG handelt es sich nur um eine grobe Rahmenregelung. Wie oben aufgezeigt, besteht noch ein weiteres Ergänzungs- und Konkretisierungsbedürfnis, dessen Erfüllung wiederum eine lange Zeit benötigen kann. Zum Beispiel wurden in Japan bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die Treuepflicht und die Schadensersatzklage der Anleger im Handelsrecht festgelegt. Erst 40 Jahre danach kam diese in der Rechtspraxis jedoch erst zur Anwendung. Hinsichtlich der oben dargestellten unwirksamen außerstrafrechtlichen Kontrollmechanismen der Corporate Governance (sowohl der internen als auch der externen Kontrollmechanismen) und der zivilrechtlichen Haftungsinstrumente bezüglich der von Organmitgliedern am Gesellschaftsvermögen ausgeübten pflichtwidrigen Handlungen, ist im gegenwärtigen China feststellbar, dass die Kontrolle des Vorstands und Aufsichtsrats der chinesischen Aktiengesellschaft zum Schutz des Gesellschaftsvermögens durch strafrechtliche Androhungen notwendig ist. Die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats zeichnen sich innerhalb einer Aktiengesellschaft dadurch aus, dass ihnen innerhalb der Gesellschaft eine bedeutende Machtposition eingeräumt wird, aus der gesteigerte Sorgfalts- und Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft resultieren. Daher sollen die Gesellschaftsorgane einer erhöhten strafrechtlichen Verantwortung unterworfen werden. Nachfolgend wird versucht, einen eigenen konkreten Reformvorschlag bezüglich der Untreuenorm für die künftige chinesische Gesetzgebung herauszuarbeiten.

36 Liu, Junhai, Gufenyouxian gongsi gudongquan de baohu, S. 469; Shi, Tiantao, Gongsi falun, S. 437.

II. Konkreter Reformvorschlag zur Schaffung einer Untreuenorm

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II. Konkreter Reformvorschlag zur Schaffung einer Untreuenorm im künftigen chinesischen Strafrecht 1. Spezielle Organuntreuenorm anstatt allgemeiner Untreuenorm In Kapitel E. wurde gezeigt, dass sich in Deutschland eine restriktive Auslegung der allgemeinen Untreuenorm als auch verfassungsrechtlich begründbare Notwendigkeit erwiesen hat. Es wurde aber ebenfalls dargelegt, dass solch eine restriktive Auslegung zurzeit in der chinesischen Rechtspraxis nicht geleistet und erwartet werden kann. Schon deshalb zielt der hier gemachte Vorschlag zur Reform des chinesischen Rechts nicht auf eine allgemeine Untreuenorm nach deutschem Vorbild ab, sondern auf eine spezielle Regelung, wie sie vormals in Deutschland gegolten hat. Von einer solchen Regelung lässt sich einerseits eine gesteigerte präventive Wirkung erwarten. Andererseits kann sie durch die enge Anbindung an ihren Geltungsbereich mit größter Bestimmtheit ausgestattet werden und so die Rechtssicherheit fördern. Zu klären gilt abschließend, wo eine solche spezielle Untreuenorm anzusiedeln wäre und in welchem Verhältnis sie zu den bisherigen Tatbeständen des chinesischen Strafrechts stünde sowie insbesondere, welche Form und welchen Inhalt eine solche Norm aufweisen sollte. Diese Fragen werden im Folgenden beantwortet. 2. Systematische Stellung der speziellen Organuntreuenorm a) Im chinesischen Strafgesetzbuch oder im chinesischen Gesellschaftsgesetz? Wie in Kapitel D. aufgezeigt, herrscht über die systematische Stellung der Organuntreuenorm in der chinesischen Literatur noch Uneinigkeit. Während die überwiegende Mehrheit davon ausgeht, dass die Untreuenorm im chinesischen Strafgesetzbuch niedergeschrieben werden sollte, gibt es auch vereinzelte Stimmen für die Verankerung der speziellen Untreuenorm im Gesellschaftsgesetz Chinas. Die Beantwortung der Frage nach der systematischen Stellung einer speziellen Organuntreuenorm der Aktiengesellschaft kann nur innerhalb der allgemeinen Diskussion in der chinesischen strafrechtlichen Literatur über die systematische Stellung der Wirtschaftsdelikte bei der Wirtschaftsstrafrechtsgesetzgebung gefunden werden. Nach der herrschenden Ansicht soll die Wirtschaftsgesetzgebung dem Modell von „Konzentration und Dezentralisierung“ folgen.37 So soll eine Neugliederung der Wirtschaftsdelikte stattfinden, auf deren Grundlage die gewöhnlichen und immer wiederkehrenden rechtswidrigen Taten im Strafgesetzbuch auf „die Gefährdung der Ordnung der sozialistischen Marktwirtschaft“ konzentriert werden, während die „atypischen“ Straftaten bzw. fachspezifischen Tatbestände wie Börsendelikte, 37 Ge, Bingyao, Gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von staatlichem Arbeitspersonal, S. 120; Zhang, Mingkai, Zur Diskussion des Wirtschaftsstrafrechts-Statement, S. 100.

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Verstöße juristischer Personen etc. in die entsprechenden wirtschaftsrechtlichen und die die Wirtschaftsverwaltung betreffenden Nebengesetze eingearbeitet werden sollten. Die Wahl der erwähnten Formen der Gesetzgebung beruht auf der Einsicht der Besonderheiten und der Überlegenheit der Nebengesetze. Diese Nebengesetze gehören zu verschiedenen wirtschaftlichen Hauptgesetzen und weisen deutliche fachliche Besonderheiten auf. Die Präventionsfunktion der im Nebengesetz geregelten Strafnormen erweise sich als effektiver als diejenige im Strafgesetzbuch, da sich die Fachleute mit den Sondergesetzen zumeist besser auskennen, als mit dem Strafgesetz. In den Wirtschaftsstrafnormen, die im Nebengesetz geregelt werden, sollten unmittelbar der Tatbestand und das Strafmaß festgelegt werden.38 Dadurch würden sich die Wirtschaftsstrafnormen von den bisherigen unechten Wirtschaftsdelikten im Nebengesetz unterscheiden. Dieser Ansicht zufolge sollte die Strafnorm, in der die ungetreuen Verhaltensweisen der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats einer AG zulasten der Gesellschaft mit Strafe sanktioniert werden, im chinesischen Gesellschaftsgesetz verortet werden. Dies folge daraus, dass die Organstrukturen sowie die Rechte und Pflichten der Organmitglieder einer AG ebenfalls im chinesischen Gesellschaftsgesetz geregelt sind. Wenn man die hier dargestellte Auffassung mit dem Reformvorschlag zur Schaffung einer gesellschaftsrechtlichen speziellen Untreuenorm im deutschen Schrifttum vergleicht, ist zu erkennen, dass die chinesischen und deutschen Autoren gemeinsam zutreffend der stärkeren generalpräventiven Funktion der strafrechtlichen Vorschriften im Nebengesetz zustimmen und großes Gewicht darauf legen. Die vorliegende Arbeit stimmt deshalb diesen Auffassungen zu und schlägt entsprechend vor, dass die spezielle auf die Aktiengesellschaft gerichtete Organuntreuenorm künftig in das chinesische Gesellschaftsgesetz eingefügt werden sollte. Die Beschränkung des Umfangs der Anwendbarkeit der Untreuenorm auf die chinesische Aktiengesellschaft lässt sich mit folgenden zwei Aspekten begründen: Zunächst stehen die Interessen der Aktiengesellschaft in der gegenwärtigen Wirtschaftspraxis fast schutzlos den Eingriffen ihrer Organmitglieder gegenüber. Im Hinblick auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Aktiengesellschaft ist dringende Aufgabe des Gesetzgebers, die strafwürdigen, das Gesellschaftsvermögen schädigenden Untreuehandlungen zu bekämpfen. Ferner ist Zweck der Untreuenorm, das Vermögen zu schützen. Der Wille des Vermögensinhabers spielt eine entscheidende Rolle bei der Festlegung der Strafbarkeit des Untreuedelikts. Im deutschen Recht hat die allgemeine Lehre das tatbestandsausschließende Einverständnis entwickelt und im konkreten Fall des § 266 DStGB findet dieses grundlegende Prinzip der allgemeinen Einwilligungslehre auch Anwendung. Die Einwilligungslehre aber ist dem chinesischen Strafrecht fremd. Wenn man die spezielle Untreuenorm auch für die GmbH gelten ließe, würden der chinesische Gesetzgeber und die Rechtsprechung mit einer unzumutbaren Herausforderung konfrontiert: nicht nur hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der neuen Tatbestandsmerkmale der Untreuenorm, son38

Zhang, Mingkai, Zur Diskussion des Wirtschaftsstrafrechts-Statement, S. 100.

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dern auch hinsichtlich der möglichen Übertragung der Einwilligungslehre aus dem deutschen Recht – welche gerade im Bereich der GmbH-Untreue umstritten ist. Es ist unwahrscheinlich, dass Gesetzgeber und Rechtspraxis dies bewerkstelligen können. b) Das Verhältnis der speziellen Untreuenorm zu den vorhandenen §§ 165 – 169, 272 CStGB Mit der Schaffung einer gesellschaftsrechtlichen, speziellen AG-Untreuenorm wird der Fortbestand der §§ 165 – 169, 272 CStGB, die für die treuwidrigen Verhaltensweisen der Organmitglieder gegenüber der AG anwendbar sind, in Frage gestellt. Klar ist, dass die Reichweite der Anwendbarkeit einer neu geschaffenen Organuntreuenorm mit der der §§ 165 – 169, 272 CStGB nicht identisch ist. In Kapitel C. der vorliegenden Arbeit wurde bereits geklärt, dass der Anwendungsbereich der §§ 165, 166, 167, 168 und 169 Abs. 1 CStGB ausschließlich auf staatseigene Unternehmen und institutionelle Einheiten beschränkt wird. § 169 Abs. 2 CStGB findet Anwendung auf die börsennotierte Aktiengesellschaft und § 272 CStGB gilt für alle Unternehmen und Einheiten. Die neue Organuntreuenorm bezöge sich ausschließlich auf die Aktiengesellschaft. Dies bedeutet, dass die neue, spezielle Untreuenorm nur die Reichweite des § 169 Abs. 2 CStGB umfasst. In diesem Fall scheint eine Abschaffung der restlichen Strafnormen unbegründet. Dieses Problem könnte dadurch gelöst werden, dass die geltenden Strafnormen der §§ 165 – 169, 272 CStGB wie folgt reformiert werden. Die vorliegenden Strafnormen, die die gegenüber dem Gesellschaftsvermögen ausgeübten treuwidrigen Handlungen der Organmitglieder betreffen, wie beispielsweise §§ 165, 169Abs. 2 CStGB, müssten in die spezielle Untreuenorm aufgenommen und in dieser zusammengefasst werden. Die Strafbarkeit des Treunehmers wegen ungetreuen Verhaltens zulasten des Vermögens des Treugebers – beispielsweise der staatlichen Einheit oder Institution – sollte verstreut in den einschlägigen außerstrafrechtlichen Nebengesetzen geregelt werden. Kurz gesagt bedeutet die Abschaffung der geltenden §§ 165 – 169, 272 CStGB mit der gleichzeitigen Einführung der speziellen Untreuenorm im Nebengesetz bezüglich der Organuntreue der AG die Schaffung einer Sonderuntreuenorm im chinesischen Gesellschaftsgesetz. Die Vorteile dieses Gesetzgebungsmodells liegen zunächst darin, dass die Reichweite der Anwendbarkeit der geltenden Strafnormen nichts durch die Schaffung der neuen Sonderuntreuenorm einbüßt. Darüber hinaus kann die spezielle Untreuenorm in außerstrafrechtlichen Rechtsbereichen viel flexibler auf das sich schnell verändernde Wirtschaftsleben reagieren und dadurch die in Kapitel D. der vorliegenden Arbeit dargestellten, durch die kasuistische Gesetzgebung der hier genannten Strafnormen verursachten Probleme beseitigen. Letztlich, wie oben bereits erwähnt, haben solche Sonderuntreuenormen eine bessere generalpräventive Wirkung. Dies bedeutet, dass hierdurch mehr Rechtsklarheit für den Handelnden geschaffen wird.

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3. Tatbestand der gesellschaftsrechtlichen Organuntreuenorm a) Das geschützte Rechtsgut Das geschützte Rechtsgut der speziellen gesellschaftsrechtlichen Sonderuntreuenorm ist das Vermögen der Gesellschaft. Strafgrund der Organuntreuenorm ist, dass dem Täter von der Gesellschaft als Vermögensinhaberin die Machtposition über das Vermögen der Gesellschaft eingeräumt wird. Damit wird der jederzeitige Zugriff auf das Vermögen des Treugebers durch den Treunehmer eröffnet. In diesem Fall bedarf das Vermögen des Treugebers eines besonderen strafrechtlichen Schutzes vor der aus dem Innenverhältnis heraus erfolgenden Schädigung. Erklärungsbedürftig ist dabei, ob diese spezielle Untreuenorm auch unmittelbar die Interessen der Gesellschaftsgläubiger schützt, wie die damalige in § 294 a. F. AktG normierte aktienrechtliche Sonderuntreuenorm im deutschen Recht39, in der sich der Begriff der Vermögensinteressen der Gesellschaft weit auf die Interessen der verschiedenen Interessengruppen der Aktiengesellschaft erstreckte.40 Obwohl der hier gezielte Reformvorschlag sich für den Weg der Schaffung einer gesellschaftsrechtlichen, speziellen Untreuenorm entschieden hat, muss ein unmittelbarer Gläubigerschutz durch die Sonderuntreuenorm aus folgenden Gründen abgelehnt werden: Zunächst tragen die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder aufgrund ihrer besonderen Herrschaftsposition über das Gesellschaftsvermögen eine Treuepflicht gegenüber der Vermögensinhaberin – der Gesellschaft. Treugeber ist in diesem Fall die Gesellschaft, nicht die Gläubiger der Gesellschaft. Ferner stehen41 die Interessen der Gesellschaft und die Interessen der Gläubiger nicht im Widerspruch. Dies bedeutet, dass, wenn die Treunehmer die Interessen der Gesellschaft wahrnehmen und die Gewinnmaximierung der Gesellschaft bezwecken, dadurch mittelbar auch das Interesse der Gläubiger gesichert wird. Hierbei bleibt zu betonen, dass eine effektive Stärkung des Schutzes der Gläubigerinteressen der Gesellschaft besser erfüllt werden würde durch Vervollständigung spezieller Strafnormen wie beispielweise von Insolvenzstrafnormen im künftigen chinesischen Recht. Da das geschützte Rechtsgut der Untreuenorm ausschließlich das fremder Hand anvertraute Vermögen ist, muss hier aufgezeigt werden, dass die Vermögensinteressen der Gesellschaft nicht identisch mit den Vermögensinteressen der einzelnen beherrschenden Aktionäre sind. Vielmehr handelt es sich beim Gesellschaftsvermögen um ein Bündel von Belangen, das die Vermögensinteressen sämtlicher Aktionäre berührt. Darüber hinaus ist aufgrund der besonderen, verfassungsrechtlich verankerten Stellung des Staatsvermögens eine Strafschärfung für den Fall vorzusehen, dass 39

Für eine ausführliche Behandlung siehe E. 3. c) cc) der vorliegenden Arbeit. Auch in Frankreich werden neben den Gesellschaftsinteressen in der der deutschen Untreue ähnlichen gesellschaftsrechtlichen Untreuenorm auch die Interessen der Gläubiger und der Arbeitnehmer erfasst. Schramm, Untreue und Konsens, S. 259, 260. 41 Eine Ausnahme gilt im Fall der Insolvenz. 40

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die Organmitglieder, leitenden Manager sowie herrschenden Aktionäre einer staatseigenen Gesellschaft untreue Handlungen zulasten der Gesellschaft begehen. b) Objektiver Tatbestand aa) Täterkreis Aufgrund des Strafgrundes beim Untreuetatbestand kann nicht jeder Mitarbeiter der Gesellschaft tauglicher Täter im Sinne der Untreuenorm sein. Vielmehr muss der Täter eine Machtstellung über das Gesellschaftsvermögen innehaben. Um Rechtsklarheit zu schaffen, wird hier vorgeschlagen, dass in der gesellschaftsrechtlichen Untreuenorm künftig die tauglichen Täter explizit aufgelistet werden. Keine Probleme bereitet die Täterqualifikation der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Zwischen diesen Verwaltungspersonen und der Gesellschaft besteht ein sog. Prinzipal-Agent-Verhältnis. Auch das unabhängige Vorstandsmitglied soll als tauglicher Täter des Untreuedeliktes qualifiziert werden. Diese Thematik wurde schon in Kapitel E. bezüglich der Vermögensbetreuungspflicht der Organmitglieder einer AG behandelt. Es bleibt zu überlegen, ob auch die leitenden Manager und Anteilseigner mit beherrschendem Anteil oder Personen, welche die Gesellschaft tatsächlich kontrollieren, ebenfalls als potenzielle Täter der Sonderuntreuenorm der Gesellschaft gelten sollen. In § 169 Abs. 2 CStGB werden beide als taugliche Täter der auf die börsennotierte AG bezogenen Untreuenorm anerkannt. Bejahen lässt sich in der künftigen Organuntreuenorm zunächst die Täterqualifikation der leitenden Manager. Dies gründet nicht nur in ihrer mächtigen Stellung in der chinesischen Wirtschaftspraxis, sondern vielmehr auch in den gesellschaftsrechtlichen Verhaltensnormen. In § 148 GeG werden neben den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats auch bei den leitenden Managern die Sorgfalts- und Loyalitätspflicht gegenüber der Gesellschaft bejaht. Problematisch im Fall der gesellschaftsrechtlichen Organuntreue ist jedoch die Täterqualifikation des Aktionärs der Gesellschaft. Ob die Aktionäre taugliche Täter der Sonderuntreuenorm sein können, hängt davon ab, ob diese gegenüber der Gesellschaft die Pflicht innehaben, deren Vermögensinteressen wahrzunehmen. Obwohl in der deutschen Strafrechtsliteratur die Tauglichkeit des Aktionärs als Täter im Sinne des § 266 DStGB kaum42 diskutiert wird, wird hier der Versuch unternommen, dieses Problem anhand der im deutschen Recht entwickelten relativen Abhängigkeit der Untreuenorm von anderen Rechtsbereichen zu lösen. Daher liegen hier zwei Prüfungsebenen vor: Zum Einen ist zu untersuchen, ob das Gesellschaftsrecht eine Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft statuiert. Bejaht

42

Vereinzelte Behandlung siehe: Seier, in: Achenbach/Ransiek, HWSt, V2/Rn. 229 – 232.

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man dies, ist weiter zu fragen, ob diese Treuepflicht auch als strafrechtlich relevante Vermögensbetreuungspflicht qualifiziert werden kann. Die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Aktionäre in der chinesischen Aktiengesellschaft wurden bereits oben43 behandelt; eine Anerkennung der Treuepflicht der Aktionäre in diesem Fall ist zu bejahen. Eine gesellschaftsrechtliche Treuepflichtverletzung der Aktionäre liegt dann vor, wenn sie als Großaktionäre im Rahmen des Beschlusses der Hauptversammlung ihre beherrschende Stellung gesetzwidrig ausnutzen und einen Vermögensschaden herbeiführen. Obwohl die Aktionäre gegenüber der Gesellschaft eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht tragen, erfüllt diese Pflicht die Anforderungen der untreurelevanten Vermögensbetreuungspflicht nicht. Denn die Vermögensbetreuungspflicht bezieht sich auf fremdes Vermögen. Wirtschaftlich gesehen sind Vermögensinhaber der Gesellschaft die Aktionäre. Insofern stellt sich die Frage, ob das Vermögen für sie tatsächlich „fremd“ im Sinne des Untreuetatbestandes ist. Darüber hinaus soll die Betreuung des fremden Vermögens Hauptpflicht des Treunehmers sein. Im Gesellschaftsgesetz wird als Hauptpflicht der Aktionäre jedoch nur die Einlagepflicht festgelegt. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft beruht vor allem auf dem allgemeinen Treu- und Glauben-Prinzip, welches in § 4 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts Chinas44 (verkürzt: CAGZ) geregelt ist. Auf der Grundlage der beiden oben genannten Prüfungsebenen wird in der vorliegenden Arbeit die Täterqualität der Aktionäre einer Aktiengesellschaft im Grundsatz abgelehnt. Unter Berücksichtigung der hoch konzentrierten Anteilsstruktur in der gegenwärtigen chinesischen Aktiengesellschaft kann man allerdings nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass in vielen börsennotierten chinesischen Aktiengesellschaften die beherrschenden Aktionäre Kontrolle über die Hauptversammlung und damit sowohl über den Vorstand als auch über den Aufsichtsrat haben. Vor diesem Hintergrund könnte man vertreten, dass die Aktionäre auch taugliche Täter der Organuntreue sind. Diese mögliche Tätertauglichkeit im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Untreuenorm wird im Folgenden näher untersucht. Betrachtet man die Art und Weise, mit der die beherrschenden Aktionäre das Gesellschaftsinteresse zum eigenen oder Drittvorteil schädigen, kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Zum einen können die Aktionäre faktisch Einfluss auf die dem Vorstand zustehende Befugnis der Gesellschaftsführung ausüben, da Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund der Personalkompetenz der Hauptversammlung im chinesischen Gesellschaftsrecht stark abhängig von der Hauptversammlung sind. Zum anderen können sie die Interessen der Gesellschaft dadurch schädigen, dass sie die Hauptversammlung kontrollieren und die gesellschaftsschädigenden Maßnahmen 43

Siehe E. II. 3. c) ee). § 4 CAGZ lautet: „Zivilgeschäfte müssen sich an die Grundsätze der Freiwilligkeit, der Gerechtigkeit, der wertmäßigen Entgeltlichkeit und Treu und Glauben halten“. Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts der VR China in deutscher Sprache siehe unter: http://lehrstuhl.jura. uni-goettingen.de/chinarecht/zivilrecht.htm. 44

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durch die Hauptversammlung beschließen, die danach vom Vorstand und Aufsichtsrat ausgeführt werden. Im ersten Fall werden die treupflichtverletzenden Maßnahmen der Organmitglieder eigentlich vom „Hintermann“ – den beherrschenden Aktionären – manipuliert. In diesem Fall ist eine Mittäterschaft der herrschenden Aktionäre als Anstifter zu bejahen. § 29 CStGB regelt insofern: „Wer andere zu einer Straftat anstiftet, ist entsprechend der Rolle, die er bei der gemeinschaftlich begangenen Straftat spielt, zu bestrafen.“ Dies bedeutet, dass, wenn die beherrschenden Aktionäre nur eine Nebenrolle bei der Begehung des Untreudelikts spielen, sie als Nebentäter nach § 27 CStGB45 eine Strafmilderung erfahren oder sogar straffrei bleiben. Ansonsten werden sie als Haupttäter nach Maßgabe der Gesamtheit der Straftaten bestraft (§ 26 CStGB). Allerdings bereiten die Anwendung der Vorschriften über die Anstiftung und die entsprechenden Normen für Haupt- und Nebentäter große Schwierigkeiten bei der Organuntreue, insbesondere im Bereich der Feststellung der Rolle der beherrschenden Aktionäre bei der Begehung der Untreuehandlung. Daher wird in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagen, dass der beherrschende Aktionär als Anstifter zu den durch Vorstand und Aufsichtsrat ausgeübten, das Gesellschaftsvermögen schädigenden Untreuehandlungen ebenso wie die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats bestraft werden soll. Eine Strafmilderung ist in diesem Fall ausgeschlossen. Dadurch wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit der beherrschenden Aktionäre einer Aktiengesellschaft im Fall der durch sie veranlassten Organuntreue erheblich erhöht. Diese gesetzgeberische Technik – die Bestrafung der Anstifter wird im einzelnen Straftatbestand unmittelbar geregelt – hat der chinesische Gesetzgeber im geltenden Strafgesetzbuch nicht selten verwendet, vergleiche zur Veranschaulichung §§ 103, 104, 105 CStGB. Im zweiten Fall können Vorstand und Aufsichtsrat die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns nicht durch Berufung auf den Beschluss der Hauptversammlung beseitigen, da hier der Beschluss der Hauptversammlung unwirksam oder ggf. gesetzwidrig ist. Dies bedeutet für die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats vielmehr selbst eine mögliche Strafbarkeit wegen Untreue. Da die Täterqualifikation der Aktionäre im Fall der gesellschaftsrechtlichen Organuntreue wie oben bereits dargestellt im Allgemeinen verneint wird, besteht in diesem Fall für die beherrschenden Aktionäre ausschließlich eine gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit wegen Verletzung der im Gesellschaftsrecht normierten Treupflicht gegenüber der Gesellschaft.

45 § 26 CStGB lautet: „Wer bei einer gemeinschaftlich begangenen Straftat eine Nebenrolle oder helfende Rolle spielt, ist Nebentäter. Der Nebentäter ist mit einer Strafe leichteren Grades oder abgemildert leichten Strafe zu belegen oder er bleibt straffrei“. Strupp, Das neue Strafgesetzbuch der VR China, S. 111.

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bb) Tathandlung und Taterfolg (1) Allgemeine Umschreibung der Tathandlung In einem Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches aus dem Jahr 1977 in Deutschland wurde in § 18346 eine Sonderstrafnorm für den Missbrauch gesellschaftsrechtlicher Befugnisse durch die Organe von AG und GmbH geschaffen. Auch in der gesellschaftsrechtlichen Untreuenorm des geltenden spanischen Rechts wird die Tathandlung auf die Missbrauchshandlung beschränkt.47 Es gibt daher Anlass zur Überlegung, ob die Tathandlung in einer künftigen chinesischen Sonderstrafnorm ebenso auf die Missbrauchshandlung eingegrenzt werden sollte. Schließlich findet mit der europaweiten Ausdehnung wirtschaftlicher Bestätigung eine Europäisierung des Wirtschaftsstrafrechts statt, zu der auch das deutsche Wirtschaftsstrafrecht zählt.48 Obwohl bislang der deutsche Untreuetatbestand noch nicht durch Rechtsetzung von Seiten der Europäischen Union beeinflusst wurde, ist anzunehmen, dass im Laufe der Zeit die Verflechtung des nationalen und des europäischen Rechts zunehmen wird. Die Einschränkung der Tathandlung auf die Missbrauchshandlung ist aufgrund der gesetzlich normierten Rechte und Pflichten der gesellschaftlichen Organe in China nicht hinnehmbar. Nach dem chinesischen Gesellschaftsgesetz vertreten im Gegensatz zum deutschen Recht nicht der Vorstand, sondern einzelne Personen, in der Regel der Vorstandsvorsitzende, die Gesellschaft im Außenverhältnis. Die Beschränkung der Tathandlung auf rechtsgeschäftliches, nicht tatsächliches Handeln, würde für die anderen Vorstandsmitglieder und die Mitglieder des Aufsichtsrats, die primär gesellschaftsintern tätig werden, eine erhebliche Minimierung ihres Strafbarkeitsrisikos bedeuten. Es sollte daher bei der Tathandlung nicht nur auf die Beschränkung der Strafbarkeit auf rechtsgeschäftliches Handeln, sondern auch auf die exakte Auflistung einzelner ungetreuer Verhaltensweisen, wie in § 169 Abs. 2 CStGB, verzichtet werden. Aufgrund der Mannigfaltigkeit der möglichen treuwidrigen Verhaltensweisen muss die gesellschaftsvermögensschädigende Tathandlung auf alle denkbaren Konstellationen anwendbar sein. Es sollte allerdings nicht jede vermögensschädigende Handlung von Organmitgliedern als strafbare ungetreue Handlung in der neuen Sonderuntreuenorm angesehen werden. Vielmehr ist eine gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit des Gesellschaftsvermögensverwalters und dessen Überwachung vorauszusetzen. Ob eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflichten durch die Organmitglieder vorliegt, wird nicht in einer speziellen Untreuenorm, sondern im Rahmen der Rechte und Pflichten der Organmitglieder im Gesellschaftsgesetz geregelt. Daher hat die gesell46

Gesetzestext in: Alternativentwurf, S. 60; erwähnt bei Zech, Untreue, S. 41. Foffani, in: FS Tiedemann 2008, S. 781. 48 Zur ausführlichen Untersuchung des Einflusses des Rechts der Europäischen Union auf das deutsche materielle Strafrecht siehe: Dannecker, ZStW 117 (2005), S. 697 (748); ders, in: FS Hans-Otto Mühleisen 2006, S. 522 (535). 47

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schaftsrechtliche Verhaltenspflichtnorm eine erhebliche Relevanz für die strafrechtliche Feststellung der Untreuehandlung. Die Problematik der Verhaltenspflichtnormen der Organmitglieder einer AG im geltenden chinesischen Gesellschaftsrecht wurde bereits in Kapitel C. behandelt. Hier ist nochmals zu betonen, dass allein die Schaffung einer speziellen Untreuenorm ohne die Verbesserung und Ergänzung der geltenden allgemeinen Pflichtnormen der Organmitglieder in China nicht zu einem wirksamen Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Eingriffen der Organmitglieder führen wird. Wie bereits im Rahmen der Rechte und Pflichten der Organmitglieder einer AG im deutschen Recht im vorangegangen Kapitel E. aufgezeigt, ist die Feststellung der Verletzung der Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats meistens problematisch. Da unternehmerische Entscheidungen und Maßnahmen immer mit einem Risiko verbunden sind, ist eine Haftungsfreistellung der Organmitglieder bei der Unternehmensentscheidung weltweit anerkannt, um den Vorstand und Aufsichtsrat zu Entscheidungen zu ermutigen. Dies hat zur Folge, dass für den Fall, dass die Organmitglieder innerhalb ihres unternehmerischen Ermessensspielraums Entscheidungen treffen, die sich später als fehlerhaft herausstellen und das Gesellschaftsvermögen schädigen, dieses Verhalten nicht als pflichtwidrig angesehen werden kann. Leider ist im geltenden chinesischen Gesellschaftsgesetz diese Haftungsfreistellung der Organmitglieder noch nicht verankert. Es ist daher eine dringende Aufgabe des chinesischen Gesetzgebers, die gesellschaftsrechtlichen Pflichtnormen weiter zu konkretisieren und zu vervollständigen, indem beispielsweise objektive Maßstäbe der Treu- und Sorgfaltspflicht der Organmitglieder sowie eine Haftungsfreistellung gemäß der Business Judgement Rule im chinesischen Gesellschaftsgesetz eingeführt werden. (2) Taterfolg Nicht jede pflichtwidrige treuwidrige Handlung der Organmitglieder soll mit Strafe sanktioniert werden, vielmehr soll ein Taterfolg – nämlich ein durch sie verursachter Vermögensschaden der Gesellschaft – als Strafbarkeitsvoraussetzung dienen. Fraglich ist allein, ob in einer neuen speziellen Organuntreuenorm in China schlicht der „Vermögensschaden der Gesellschaft“ oder der „gravierende Vermögensschaden der Gesellschaft“ als Taterfolg festgelegt werden soll. Als Maßstab für die Abgrenzung der strafbaren von der nicht strafbaren Handlung dient § 13 CStGB, nach welchem die sozialschädigende Handlung dann nicht als Straftat angesehen wird, wenn es sich um einen besonders geringfügigen Sachverhalt und geringen Schaden handelt. Entsprechend stellt der „gravierende“ oder „erhebliche“ Schadenseintritt in §§ 165 – 169, 272 CStGB einen wesentlichen Faktor für die Strafbarkeit dar. Der nicht geringfügige Sachverhalt und große Schaden als Maßstab zur Abgrenzung der nicht strafbaren von den strafbaren Handlungen trägt jedoch eine Reihe von Problemen in sich, insbesondere hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots. Bei „geringfügig“ oder „groß“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Um die

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Unzulänglichkeit der Begriffe „gravierend“, „erheblich“ sowie „schwer“ für die Anwendung der Strafvorschrift in der Rechtspraxis zu beseitigen, wurde in erster Linie eine konkretisierende Auslegung durch den höchsten Volksgerichtshof vorgenommen. Die Problematik der Auslegung wurde im Rahmen der kritischen Bewertung der geltenden Strafnormen in Kapitel D. der vorliegenden Arbeit behandelt. Meiner Ansicht nach sollte der Begriff „gravierend“ beim Taterfolg in der künftigen gesellschaftsrechtlichen, speziellen Untreuenorm schlichtweg ausgelassen werden.49 Ob der durch die ungetreuen Handlungen der Organmitglieder zugefügte Vermögensschaden sich im Rahmen der Geringfügigkeit bewegt, hängt vom Einzelfall ab und bedarf einzelfallbezogener Prüfung. c) Subjektiver Tatbestand Die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats, die leitenden Manager sowie die herrschenden Aktionäre machen sich nur dann strafbar, wenn sie vorsätzlich die ungetreuen Handlungen zur Schädigung der Gesellschaft verwirklicht haben. Nach § 14 CStGB wird Vorsatz wie folgt definiert: „Wer wissentlich und in Kenntnis dessen, dass die eigene Handlung für die Gesellschaft gefährliche Folgen haben kann, eine Straftat begeht und den Eintritt dieser Folgen wünscht oder in Kauf nimmt, handelt vorsätzlich“. Dies bedeutet, dass für die Untreuedelikte hier der Vorsatz neben dem sog. „direkten“ Vorsatz auch den „indirekten“ Vorsatz50 umfasst. Nicht bestraft wird fahrlässig treuwidriges Verhalten durch die hier genannten Personen. Neben dem Vorsatz sollte es kein anderes subjektives Element als Strafbarkeitsvoraussetzung für die Untreue geben. Die gesellschaftsrechtliche Untreuenorm schützt das Gesellschaftsvermögen vor pflichtwidrigen Eingriffen seiner Verwalter. Die Bereicherungsabsicht stellt ausschließlich ein Motiv im Rahmen der Benachteiligungshandlung dar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die treuwidrigen Verhaltensweisen der hier genannten Personen bei Nichtvorliegen einer Bereicherungsabsicht strafunwürdig sind. Daher sollte die Bereichungsabsicht des Täters nicht als subjektives Element für die Strafbarkeit vorausgesetzt werden. Das Vorliegen der Bereichungsabsicht beim Täter stellt jedoch eine Strafschärfung dar.

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Vereinzelte chinesische Rechtsgelehrte schlagen sogar vor, dass § 13 CStGB ersatzlos abgeschafft werden soll. Xiong, Qi, Lun woguo xingfa de yige tixi xing kunjing, Wuhan daxue xuebao 2008, S. 546 – 551; die herrschende Ansicht ist aber nach wie vor für die Beibehaltung dieser Norm. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Eigenschaft der chinesischen Straftatlehre, die in der chinesischen Rechtspraxis auch weitgehend anerkannt wird. In der vorliegenden Arbeit wird auf eine Stellungnahme zu diesen Diskussionen verzichtet. 50 Für die genaue Erklärung beider Begriffe in deutscher Sprache siehe: Steinberg, Der Tatbestand der vollendeten Straftat nach dem reformierten chinesischen Strafrecht von 1997, S. 153, 154.

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d) Strafe – kurze Freiheitsstrafe und Geldstrafe Letztlich wird noch kurz der Strafrahmen der speziellen Untreuenorm im Gesellschaftsrecht behandelt. Sinnvoll wäre eine kurze Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, in qualifizierten Fällen, wie an staatseigenen Gesellschaftsvermögen ausgeübter Untreue oder einer Untreuehandlung mit Bereicherungsabsicht, bis zu fünf Jahren. Neben der kurzen Freiheitsstrafe sollte auch eine Geldstrafe verhängt werden. 4. Zusammenfassung: Die konkrete Formulierung der gesellschaftsrechtlichen Organuntreuenorm Die konkrete Ausformulierung der gesellschaftsrechtlichen Sonderuntreuenorm sollte wie folgt aussehen: „§ 217 GeG: Wenn die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats oder leitende Personen einer Gesellschaft vorsätzlich unter Verletzung ihrer Pflichten zum Nachteil der Gesellschaft handeln und dadurch einen Vermögensschaden der Gesellschaft verursachen, werden diese mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und zugleich mit Geldstrafe bestraft. Wenn die Mitglieder des Vorstands, Aufsichtsrats oder leitende Personen vorsätzlich unter Verletzung ihrer Pflichten zum Nachteil der staatseigenen Gesellschaft handeln und dadurch einen Vermögensschaden der staatseigenen Gesellschaft verursachen oder der Täter in der Absicht handelt, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, werden diese mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und zugleich mit Geldstrafe bestraft. Wenn die herrschenden Aktionäre der Gesellschaft zu den am Gesellschaftsvermögen ausgeübten, schädigenden treuwidrigen Handlungen der oben genannten Personen anstiften, werden diese gemäß den vorhergehenden Bestimmungen bestraft.“

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Sachwortverzeichnis § 13 CStGB 172 § 165 CStGB 119 – Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten in ~ 120 – geschützte Rechtsgüter des ~ 119 – rechtswidrige Vorteile in ~ 123 – Wettbewerbsverbot in ~ 125 § 166 CStGB 126 – Ausnutzung dienstlicher Gelegenheiten in ~ 127 – Begriff der Verwandten und Freunde in ~ 129 – geschützte Rechtsgüter des ~ 127 – gravierender Vermögensverlust in ~ 131 § 167 CStGB 139 – geschützte Rechtsgüter 141 – gravierender Vermögensverlust in ~ 142 – schwerwiegende Unverantwortlichkeit in ~ 141 – taugliche Täter des ~ 143 § 168 CStGB 143 – als Erfolgsdelikt 145 – inkorrekte Ausübung der Befugnisse in ~ 145 – schwerwiegende Unverantwortlichkeit in ~ 144 § 169 Abs. 1 CStGB – § 213 GeG 1993 als unmittelbare Rechtsquelle des ~ 132 – als Sonderdelikt 133 – geschützte Rechtsgüter des ~ 133 – gravierender Verlust des Staats in ~ 135 – Verhältnis zwischen ~ und § 213 GeG 1993 135 § 169 Abs. 2 CStGB 102 – Ausnutzung dienstlicher Angelegenheiten in ~ 112 – Einheiten in ~ 110 – Einverständnis der Hauptversammlung oder des Vorstands in ~ 114 – geschützte Rechtsgüter des ~ 108

– gesetzeswidrige Gewährung von Bürgschaften in ~ 111 – gravierender Vermögensverlust in ~ 112 – Problematik der unklaren Abgrenzung der Treue- und Sorgfaltspflicht in ~ 116 – „unentgeltlich“ in ~ 109 – Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens in ~ 110 § 266 DStGB – geschütztes Rechtsgut des ~ 233 – Konsens des Vermögensinhabers 251 – Missbrauch 248 – Missbrauchstatbestand 237 – Tathandlungsalternativen des ~ 234 – Treubruch 248 – Treubruchstatbestand 237 – Vermögensbetreuungspflicht 240 § 266 RStGB 222 § 272 CStGB 136 – Ausnutzung der dienstlichen Gelegenheit in ~ 137 – geschütztes Rechtsgut des ~ 137 § 283 DStGB 234

Abwesenheit des Eigentümers 164 Aktien – handelbare 281 – nichthandelbare 281 Aktiengesellschaft 30 – Anteilsstruktur der ~ 37 – Entstehung der ~ in China 32 – mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung – moderne 30 Aktienkurse 283 aktienrechtliche Untreuenorm 222 Aktionärsinteresse 179 Aktionärsrecht 41 allgemeine Untreuenorm – als Auffangstatbestand 189 – im Strafgesetzbuch Qings 186

37

328

Sachwortverzeichnis

allgemeine Verhaltenspflichten im deutschen Recht 203, 215 – Beurteilungsmaßstab der ~ 204 Anteilsbesitz, hohe Konzentration des ~ 37, 280 Arbeitsmarkt 283 Aufsichtsrat im chinesischen Recht 58 – Amtsbefugnisse des ~ 59 – Mitglieder des ~ 58 Aufsichtsrat im deutschen Recht 210 – Aufgaben des ~ 211 – Entstehungsgeschichte des ~ 210 – Personalkompetenz des ~ 214 Ausschlussgrund der Treupflichtwidrigkeit 176 Bankuntreue 244, 254 Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) 235 Betriebsrecht 39 Board of Directors 46 Business Judgement Rule 208 Corporate Governance – externe 280 – interne 279

278

Danxing Xingfa 84, 86 Dead Letter Law 191 duty of care 46 duty of loyalty 46 Eigentumsrecht 38 Eigentumssystem 41 einfach kongruentes Delikt 266 Einheitlichkeit der Rechtsordnung 176 Einverständnis der Hauptversammlung 176 empirische Gesetzgebung des Strafrechts 165 Erfolgsdelikte im chinesischen Recht 97 Fleißpflicht 66 Formelle Pflichten 246 Fushu Xingfa 83 f. Gemeineigentum 154 Geschäftsführung 201

Gesellschafter mit beherrschendem Anteil im chinesischen Recht 113 Gesellschaftswohl 209 gesetzlicher Repräsentant der Gesellschaft (§ 13 GeG) 54 Gesetzlichkeitsprinzip (§ 3 CStGB) 232 gravierender Verlust 173 Güterwirtschaft 42 Hauptversammlung der chinesischen AG 48 – Personalkompetenz der ~ 49 – weitere Zuständigkeiten der ~ 49 Kasuistische Gesetzgebung des Strafrechts 168 Klagezulassungsverfahren 285 Kollektivunternehmen 32 kompensationsfähiger Schaden 262 Konsens des Vermögensinhabers 274 Konterrevolutionsdelikte 92 Konzentration und Dezentralisierung 289 leitender Manager im chinesischen Recht 113 Leitungsaufgabe 201 – Inhalt der ~ 202 Liberalismus 158 Loyalitätspflichten 65 Materielle Pflichten 246 Missbrauchstheorie 223 moderne Unternehmensformen Neolinkskräfte

35 f.

158

öffentliches Eigentum 40 One-Tier-Board-System 46 Organe der chinesischen AG 47 Organstruktur der AG – dualistisches Modell 46 – monistisches Modell 46 Organstruktur einer AG im deutschen und chinesischen Recht 217 Organuntreue 194, 254 Organuntreuenorm im deutschen Recht – § 294 a. F. AktG 229

Sachwortverzeichnis – § 312 a. F. HGB 228 – Art. 249 ADHGB 227 Planwirtschaft 29 Primärmaterie 198 private Wirtschaft 34 Privatunternehmen, Entwicklung der ~ in China 35 Rechtsstaatlichkeit 270 relative Akzessorietät des Strafrechts Risikogeschäfte 252 risikopolitische Anweisung 252

245

Sachenrechtsgesetz Chinas 160 Sanktionsarten im chinesischen Strafrecht 170 Schadensausschließende Kompensation 262 Schadensersatzklage 284 schadensgleiche Vermögensgefährdung 264 Schlüsselsektoren 36 Sekundärmaterie 198 Shareholder-Value 205 Sonderstrafgesetze 86 Sonderuntreuetatbestand 189 Sorgfaltenspflichten im chinesischen Recht 70 – § 148 GeG 2005 72 – Definition der ~ 70 – Entwicklung der ~ 71 – wesentliche Merkmale der ~ 71 Sozialgefährlichkeit der Handlung 172 Sozialistische Marktwirtschaft 29 spezielle Organuntreuenormen 220 spezielle Untreuetatbestände 189 Staat als Aktionär der Gesellschaft 35, 37 staatsbetriebene Unternehmen 32 Staatsunternehmen 32 – Probleme der ~ 33 – Reform der ~ 33 – Umwandlung der ~ 34 f. Stakeholder-Value 205 Strafgesetzbuch Chinas – sozialistischer Charakter des ~ 92 – vom Jahr 1979 89 – vom Jahr 1997 90

329

Strafrecht, Subsidiarität des ~ 42 Straftat im chinesischen Recht – drei Merkmale der ~ 95 – formale Definition der ~ 94 – gesetzliche Definition (§ 13 CStGB) 94 – materielle Definition der ~ 94 – vier Bestandteile der ~ 95 Straftatbestandsmerkmale im chinesischen Recht – Objekt 96 – objektive Seite 96 – Subjekt 98 – subjektive Seite 99

Tatbestandsirrtum 268 tatsächlicher Kontrolleur der Gesellschaft 113 Treubruchstheorie 224 Treue- und Sorgfaltspflichten im chinesischen Recht 62 – § 148 GeG 2005 als deren allgemeine Regelung 69 – Berechtigte der ~ 75 – der unabhängigen Vorstandsmitglieder 78, 180 – im Vergleich zum deutschen oder US-amerikanischen Recht 63 – Verhältnis zwischen beiden 73, 178 Treue- und Sorgfaltspflichten im deutschen Recht 205 – § 93 Abs. 1 AktG 203 – Beurteilung der Pflichtverletzung 207 Treuebruchstheorie 223 Treuepflichten im chinesischen Recht – § 149 GeG 2005 69 – § 169 Abs. 2 CStGB 109 – absolute Verbotsnormen 70 – Auffangnorm der ~ 68 – Definition und Merkmale der ~ 65 – einzelne Regelungen der ~ 63 – Entwicklung der ~ 66 – relative Verbotsnormen 70 Treueverhältnis 249 Treugeberin 43 Treuhänder 43 Treuhandverhältnis 43 Two-Tier-Board-System 46

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Sachwortverzeichnis

unabhängige Vorstandsmitglieder 55 – Einführung des Systems der ~ 55 – Treuepflicht der ~ 56 Unrechtskern der Untreue 244 Unternehmen 31 – Eigentumsstruktur der modernen ~ 38 – staatlichprivate 31 Unternehmensinteresse 179, 205, 209 Unternehmensklassifizierung in China – nach deren Organisationsform 148 – nach Eingentumsinhaber 148 Unternehmensreform – Ziel der ~ in China 40 unternehmerische Entscheidung 208 Untreuedelikte, spezielle ~ in China 44 untreuerelevante Pflichtverletzung, „gravierende“ gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung 254 Verbotsirrtum 268 verfassungsrechtliche Änderung in China 154 Verhältnis des Strafrechts zum Zivilrecht 197 Vermögensbegriff 259 – juristisch-ökonomischer 259 – rein juristischer 259 – rein wirtschaftlicher 259 Vermögensbetreuungspflicht 242

Vermögensnachteil 260 Vermögensrecht 38, 40 Verpflichtete der Treue- und Sorgfaltspflichten – Aufsichtsratsmitglieder als ~ 80 – unabhängige Vorstandsmitglieder als ~ 78 Vertiefung der Staatsunternehmensreform 151 Vorstand im chinesischen Recht 50 – Amtsbefugnisse des ~ 51 Vorstand im deutschen Recht, Aufgabe des ~ 200 Vorstandsmitglieder, persönliche Voraussetzungen der ~ 50 Vorstandsvorsitzende der chinesischen AG 53 – Änderung dessen Befugnisse 55 – übermächtige Stellung der ~ 54 Wesen der Untreue 223 Widerspruchsfreiheitsgebot des Strafrechts 198 Wirtschaftsstrafrechtliche Gesetzgebung, drei Formen der ~ in China 83 zwei Spuren der Unternehmensgesetzgebung 148