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German Pages 268 Year 2014
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1281
Zweckveranlassung Ein Beitrag zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im Öffentlichen Recht
Von
Moritz Lange
Duncker & Humblot · Berlin
MORITZ LANGE
Zweckveranlassung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1281
Zweckveranlassung Ein Beitrag zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im Öffentlichen Recht
Von
Moritz Lange
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahr 2013 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die „Zweckveranlassung“ ist ein altes Rechtsproblem des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts, das bis heute nicht in befriedigender Weise gelöst ist. Allgemeingültige Grundsätze für die auf Veranlassung beruhende Zurechnung des Verhaltens Dritter existieren nicht. Zur Anwendung gelangen unterschiedliche, am jeweiligen Einzelfall ausgerichtete Zurechnungskriterien. Dies ist besonders bedauerlich, weil es eine Vielzahl aktueller Anwendungsfälle gibt, deren Bewältigung von einer rechtssicheren Zurechnungsdogmatik profitieren würde. Zudem findet die der Zweckveranlassung zugrunde liegende Zurechnungsfrage Parallelen in wichtigen Bereichen außerhalb des Polizei- und Ordnungsrechts, etwa im Rahmen der Indienstnahme Privater zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, bei mittelbaren Grundrechtseingriffen und im Staatshaftungsrecht. Eine überzeugende Dogmatik zur Zweckveranlassung würde die Entwicklung von Kriterien zur Lösung der Probleme, die sich in diesen Bereichen stellen, erleichtern. Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Meinem Doktorvater, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Andreas Voßkuhle, danke ich herzlich für die Betreuung der Arbeit und für die Aufgeschlossenheit, Unterstützungsbereitschaft und gute Arbeitsatmosphäre, die ich als sein Mitarbeiter erfahren durfte. Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der von ihm geleiteten Abteilung 1 des Instituts für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war für mich fachlich und persönlich in hohem Maße inspirierend und gewinnbringend. Sie wird mir als eine außergewöhnlich gute Zeit in Erinnerung bleiben. Herrn Professor Dr. Ralf Poscher danke ich sehr für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Stuttgart, im Januar 2014
Moritz Lange
Inhaltsverzeichnis A. Die „Zweckveranlassung“ – ein erster Zugriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit – vom Schaufensterfall zur Facebook-Party . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Die klassischen Rechtsprechungsfälle und ihre Rezeption in der Literatur . . . . . . 20 II. Die aktuellen Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Großveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Die Zurechnung störenden Drittverhaltens im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Die Veranlassung von Gegengewalt durch Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Facebook-Partys und Flashmobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5. Eigensicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Die Aktualität der Zurechnungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Die Zweckveranlassung – ein nach wie vor ungelöstes Rechtsproblem . . . . . . . . 31 II. Die über das Recht der Gefahrenabwehr hinausreichende Bedeutung der die Zweckveranlassung kennzeichnenden Zurechnungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Kennzeichen der in Rede stehenden Zurechnungsproblematik . . . . . . . . . . . . 33 2. Parallele Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Die Begründung gemeinwohlbezogener Handlungs- und Finanzierungslasten Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Durch Dritte vermittelte Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Staatshaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
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Inhaltsverzeichnis
D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Zum Einwand der Entbehrlichkeit der Zweckveranlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Effektivität der Gefahrenabwehr als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Effektivitätseinbußen durch Regressverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Zum Einwand der fehlenden gesetzlichen Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Zum Einwand der Verletzung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Selbstverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Zum Einwand der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Das Verständnis von Rechtswidrigkeit im Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Das herrschende „starke“ Verursachungsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Gegenentwurf eines „schwachen“ Verursachungsverständnisses . . . . . . . . . . . 57 4. Die Notwendigkeit einer Befreiung des Störerbegriffs von Rechtmäßigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Wortlaut und Systematik der Polizeigesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Fehlende Abstützung des Dogmas von der Rechtswidrigkeit der Verursachung im „starken“ Verursachungsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c) Die Rechtsordnung als lückenhafter Maßstab der polizeirechtlichen Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Pflichtenkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Nichtstörungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (2) Allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 bb) Kritik der Pflichtenkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (1) Nichtstörungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (2) Allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (3) Fehlender Nutzen der Pflichtenkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 d) Fehlende Konsistenz des Satzes von der Rechtswidrigkeit der Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
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e) Einengung polizeilicher Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 f) Die Betonung der Differenzierungsfunktion als primäre Funktion von Zurechnungsgründen auf Adressatenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Die Funktionen von Zurechnungsgründen im öffentlichen Recht . . . . 73 bb) „Verursachung“ als taugliches Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . . . 76 cc) Die notwendige Trennung der Differenzierungs- und der Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 dd) Erfüllung des „Mindestzurechnungszusammenhangs“ als hinreichende Voraussetzung der Einordnung einer Person als Störer . . . . . . . . . . . . 79 (1) Die Relevanz der Stärke des Zurechnungszusammenhangs im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (a) … im Zusammenhang mit der Funktion von Zurechnungsgründen als Zumutbarkeitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (b) … im Zusammenhang mit der Funktion von Zurechnungsgründen als Differenzierungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Die Maßgeblichkeit des „Mindestzurechnungszusammenhangs“ für die Störerbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (3) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (a) Abbildung des Unterschieds zwischen Differenzierungs- und Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen . . . . . . . . . . 83 (b) Die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer als „Vorfilter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 g) Denkbarer Einwand: Notwendigkeit der Entschädigung von Gefahrverursachern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 h) Ausnahme bei „Befugnis“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 V. Zum Einwand der Systemwidrigkeit der Zweckveranlassung . . . . . . . . . . . . . . . . 92 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
E. Die Zweckveranlassung als umfassende Figur für die auf Veranlassung beruhende Zurechnung des Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht . . . . . . . . . . 95 I. Die Unabhängigkeit der Zweckveranlassung von den gefahrenabwehrrechtlichen Verursachungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
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Inhaltsverzeichnis II. Die Unabhängigkeit der Zweckveranlassung von der „an sich“ gegebenen polizeirechtlichen Neutralität des Veranlasserverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Die Parallelität der „klassischen“ Zweckveranlassung zur erforderlichen Zurechnung zu einer schon „an sich“ störenden Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Die Irrelevanz der Rechtmäßigkeit des Veranlasserverhaltens bei der Zurechnung zu einem Störer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Die Anwendbarkeit der Zweckveranlassung auf die Verhaltens- und die Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
F. Das Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. „Verursachung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Äquivalente Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Äquivalente Kausalität als Grundvoraussetzung der Zurechnung . . . . . . . . . . 111 2. Äquivalente Kausalität als allein unzureichendes Zurechnungskriterium . . . . 114 a) Die Weite der Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Verhältnismäßigkeit als allein ungeeignetes Korrektiv der Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Subjektive Vorhersehbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium . . . . . . . . . 118 1. Die derzeitige Bedeutung der Vorhersehbarkeit für die Zurechnung im Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens als notwendiger Ausfluss des Prinzips der Selbstverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Subjektive Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
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IV. Zur Entbehrlichkeit eines die Vorhersehbarkeit ergänzenden Zurechnungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Die Ungeeignetheit der gängigen Zurechnungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Schutzzweckerwägungen und andere Wertungen der Rechtsordnung als Maßstab der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Beteiligung im Zeitpunkt der Gefahrentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) „Subjektive Theorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) „Objektive Theorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 e) Risikonutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 f) Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Die Angemessenheit der mittels Kausalität und subjektiver Vorhersehbarkeit gewonnenen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Funktionsentsprechende Ausgestaltung des Zurechnungsgrunds . . . . . . . . 145 b) Die Zurechnung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Vergleich mit ähnlichen Zurechnungskonstellationen in anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Der Fahrlässigkeitstäter hinter dem Täter im Strafrecht . . . . . . . . . . . . 147 bb) Die zivilrechtliche Problematik des mittelbaren Störers im Rahmen von § 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Die Handhabbarkeit des Kriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit . . . . . . 153 a) Zum Einwand der Unbestimmtheit des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Zum Einwand der übermäßigen Weite des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Die Unanwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Der Gewinn an Rationalität durch ein weites Zurechnungskriterium . 157 c) Zwischenergebnis zur Handhabbarkeit des Kriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Zwischenergebnis zur Entbehrlichkeit eines die Vorhersehbarkeit ergänzenden Zurechnungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 V. Modifikation für den Fall der Zurechnung künftigen Verhaltens Dritter . . . . . . . . 158
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Inhaltsverzeichnis VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
G. Überblick über die Neukonzeption der Zweckveranlassung und ihre Vorteile . . . 160 H. Die Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . 164 I. Großveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen auf der Primärebene . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Möglichkeiten der Heranziehung des Veranstalters zum Kostenersatz . . . . . . 169 a) Kostenverteilung nach den Polizeigesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Gebührenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Zurechnung störenden Drittverhaltens im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht 183 III. Die Veranlassung von Gegengewalt durch Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Facebook-Partys und Flashmobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Zurechnung zum Einladenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Zurechnung zum Plattformbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Zurechnung zu anderen Veranlassern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen auf Primärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Möglichkeiten der Heranziehung des Veranlassers zum Kostenersatz . . . . . . 210 V. Eigensicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Keine Zurechnung nach herkömmlichen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Zurechnung wegen Veranlassung durch Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Zurechnung wegen Veranlassung durch den beherrschten Sachzustand . . . 216
Inhaltsverzeichnis
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2. Verpflichtbarkeit zu Eigensicherungsmaßnahmen auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Die polizeiliche Generalklausel als hinreichend bestimmte Grundlage für die Auferlegung von Eigensicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Verhältnismäßigkeit der Auferlegung von Eigensicherungspflichten . . . . . 218 c) „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Konsequenzen für Einordnung und Auslegung der gesetzlichen Eigensicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Ausblick: Die Übertragbarkeit der Zurechnungskonzeption auf andere Fälle der Zurechnung des Verhaltens Dritter im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Die Begründung gemeinwohlbezogener Handlungs- und Finanzierungslasten Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand aufgrund Veranlassung 232 1. Die Zurechnung von durch Dritte vermittelten Grundrechtseingriffen . . . . . . 233 2. Staatshaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 III. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
J. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
A. Die „Zweckveranlassung“ – ein erster Zugriff Das traditionelle und eher altbacken wirkende Thema „Zweckveranlassung“ erweist sich bei näherer Untersuchung als durchaus brisant und vielschichtig.1 Nicht nur hat die Zweckveranlassung für die Lösung neuerer Fallgestaltungen eine überraschend aktuelle Bedeutung erlangt. Eine genauere Betrachtung ergibt, dass die Zweckveranlassung darüber hinaus einen Brennpunkt grundsätzlicher Fragen bildet, deren Relevanz weit über die Zweckveranlassung hinausreicht und Grundfragen nicht nur des Polizeirechts, sondern auch vieler anderer Bereiche des öffentlichen Rechts betrifft. Im ersten Zugriff auf die „Zweckveranlassung“ soll – auch wenn am Ende der Arbeit ein neues Verständnis stehen wird – der Begriff dargestellt werden, den die herrschende Auffassung gegenwärtig gebraucht. Die Zweckveranlassung betrifft die Verantwortlichkeit im Gefahrenabwehrrecht. Zur Abwehr einer Gefahr haben die Polizeibehörden nach den Polizeigesetzen in erster Linie den für die Gefahr Verantwortlichen, den Störer, in Anspruch zu nehmen. Die Polizeigesetze unterscheiden zwischen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit, bestimmen aber nur in sehr allgemeinen Worten, wodurch eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit begründet wird. So regelt das Polizeigesetz des Landes Baden-Württemberg2 die Verhaltensverantwortlichkeit lediglich mit den Worten: „Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch das Verhalten von Personen bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber demjenigen zu treffen, der die Bedrohung oder die Störung verursacht hat.“3 Ebenso unbestimmt sind die Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit: „Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächliche 1 Zur Auseinandersetzung mit der Zweckveranlassung in der neueren Literatur s. Gantner, S. 143 ff., insbes. S. 155 ff. und S. 171 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (461); Erbel, JuS 1985, 257 ff.; Bott, S. 31 ff.; Widder, passim; Muckel, DÖV 1998, 18 ff.; Schmelz, BayVBl. 2001, 550 ff.; Weidemann/Barthel, VR 2007, 217 ff.; Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 ff.; Hollands, S. 155 ff.; Poscher, Jura 2007, 801 (807); Schoch, Jura 2009, 360 ff.; Wobst/Ackermann, JA 2013, 916 ff. 2 Das Polizeigesetz des Landes Baden-Württemberg wird hier und im Folgenden stellvertretend für sämtliche Regelungen des allgemeinen Polizeirechts des Bundes und der Länder herangezogen. Deren Formulierung weicht teilweise von der des baden-württembergischen Polizeirechts ab. Inhaltlich ergeben sich daraus für die im Zentrum dieser Arbeit stehenden Fragen aber keine Unterschiede. 3 § 6 Abs. 1 PolG BW.
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Gewalt über die Sache ausübt.“4 Verbreitet wird es als zu weitgehend empfunden, jeden, der durch sein Verhalten oder den Zustand seiner Sache einen nur im Sinne der Äquivalenztheorie kausalen Beitrag zum Eintritt einer Gefahr leistet, für diese verantwortlich zu machen.5 In Literatur und Rechtsprechung wurden daher verschiedene Theorien über die polizeirechtliche Verantwortlichkeit entwickelt.6 Sie sollen die gesetzlichen Regelungen konkretisieren und praktisch handhabbar machen. Überwiegend wird die Theorie der unmittelbaren Verursachung7 vertreten, die, ebenso wie die Zweckveranlassung, im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Verhaltensverantwortlichkeit diskutiert wird.8 Unter unmittelbarer Verursachung wird entgegen dem Wortsinn nur selten das Setzen der zeitlich letzten Ursache für den Eintritt einer Gefahr verstanden.9 Nach vorherrschendem Verständnis liegt unmittelbare Verursachung vor, wenn eine wertende Betrachtung des Verhaltens einer Person ergibt, dass diese mit ihrer Handlung die polizeirechtliche „Gefahrenschwelle“ überschritten und dadurch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts begründet oder erhöht hat.10 Auf diese Weise soll, unter Rückgriff auf Kriterien wie das Fehlen von Zwischenursachen, die Rechtmäßigkeit des betreffenden Verhaltens und seine Sozialadäquanz, die wesentliche Ursache für die Entstehung einer Gefahr identifiziert werden.11 Die Zweckveranlassung soll dort ins Spiel kommen, wo eine Person die Gefahrenschwelle für sich gesehen nicht überschreitet, aber durch ihr Verhalten einen solchen Einfluss auf eine andere, die Gefahrenschwelle überschreitende Person ausübt, dass bei wertender Betrachtung auch sie als Gefahrverursacherin anzusehen ist. Eine gängige Definition beschreibt den Zweckveranlasser auf dieser Grundlage als jemanden, „der sich selbst zwar rechtmäßig verhält und durch sein Verhalten auch 4
§ 7 PolG BW. Siehe dazu im Einzelnen unten F. II. 2. a). 6 Überblick bei Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 312 ff.; W.-R. Schenke, POR, Rn. 241 ff.; Schoch, POR, Rn. 177 ff., jeweils m. w. N. 7 Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 313; W.-R. Schenke, POR, Rn. 242; Götz, POR, § 9 Rn. 11 ff.; Schoch, Rn. 178 (mit Rechtsprechungsnachweisen). 8 In dieser Arbeit wird auch die Bedeutung der Zweckveranlassung für die Zustandsverantwortlichkeit untersucht (s. E. III.). Die in der Arbeit aufgestellten Grundsätze gelten gleichermaßen für die Verursachung durch Verhalten wie für die Verursachung durch einen Sachzustand. Der besseren Lesbarkeit halber und wegen ihrer herausragenden praktischen Bedeutung wird im Folgenden aber sprachlich auf die Verursachung durch Verhalten abgestellt. 9 So etwa von Selmer, JuS 1992, 97 (99); Weidemann/Barthel, VR 2007, 217 (217); tendenziell auch Kugelmann, 8. Kap. Rn. 29. 10 W.-R. Schenke, POR, Rn. 242 m. w. N.; vgl. auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 316. Zur wertenden Betrachtungsweise s. beispielsweise auch VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 108; DVBl. 2013, 119 (120); OVG Münster, GewArch 2012, 265 (266); VG Saarland, NVwZ-RR 2009, 998 (999). 11 W.-R. Schenke, POR, Rn. 243; Götz, POR, § 9 Rn. 12 ff.; ebenso bereits PrOVGE 40, 216 (217). 5
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keine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unmittelbar herbeiführt, durch sein Verhalten aber den Eintritt einer solchen Gefährdung oder Störung herausfordert, indem er eine Lage schafft, in der sich Dritte dazu entschließen, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu gefährden oder zu stören“12. Dabei ist es irrelevant, ob es um die Zurechnung des störenden Verhaltens eines Einzelnen geht oder um das Verhalten mehrerer, das – wie im sogenannten Schaufensterfall13 – zwar je für sich gesehen ungefährlich, im Zusammenwirken mit anderen Veranlassten aber gefährlich ist. Zweckveranlassung ist nach diesem herrschenden Verständnis mithin als Bezeichnung für die Problematik der Zurechenbarkeit des im polizeirechtlichen Sinne störenden Verhaltens eines Dritten zu einer anderen, ihn zu diesem Verhalten veranlassenden, „an sich“14 nicht polizeipflichtigen Person zu verstehen.15 Dabei wird die Zweckveranlassung üblicherweise auf solche Fallgestaltungen bezogen, in denen ein Dritter gegenwärtig handelt oder bereits gehandelt hat und es erst dadurch zu der Entstehung einer Gefahr oder Störung kommt oder gekommen ist. In diesem Fall muss dem Veranlasser das gegenwärtige oder vergangene Verhalten des Dritten zugerechnet werden, damit überhaupt von einer Verursachung der Gefahr oder Störung durch ihn gesprochen werden kann. Oft übersehen wird, dass noch eine weitere Konstellation die Problematik der Zweckveranlassung betrifft, die sich von der erstgenannten nur dem zeitlichen Betrachtungswinkel nach unterscheidet. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass lediglich die Gefahr störenden Verhaltens Dritter besteht, der Dritte also noch nicht gehandelt hat. Ein Beispiel hierfür bildet die geplante Veranstaltung eines Großereignisses, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu Störungen der öffentlichen Sicherheit durch Dritte führen wird. In Betracht kommt, dass die Polizei hier, ihrer präventiven Aufgabenstellung entsprechend, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schon im Vorhinein Auflagen erlassen oder ein Veranstaltungsverbot aussprechen will. Hierzu muss nach der Zurechenbarkeit des künftigen störenden Verhaltens Dritter zum Veranstalter gefragt werden. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn die Frage nach den Voraussetzungen der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter in dieser Konstellation für irrelevant gehalten und erst gestellt würde, wenn es tatsächlich zur gefährlichen Handlung oder Störung durch Dritte gekommen ist. Eine Verantwortlichkeit für 12 VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 113; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. April 2006 – 2 M 174/06 –, juris, Rn. 5. Ähnliche Umschreibungen der Zweckveranlassung etwa bei BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 – 7 B 30/06 –, juris, Rn. 4; OVG Münster, Beschluss vom 11. April 2007 – 7 A 678/07 –, juris, Rn. 4; OVG Münster, Urteil vom 9. Februar 2012 – 5 A 2382/10 –, juris, Rn. 45; von Mutius, Jura 1983, 298 (305); Schoch, Jura 2009, 360 (361). Zu der Frage, ob der Zweckveranlasser ein Unterfall der Theorie der unmittelbaren Verursachung oder eine Ausnahme von derselben ist, s. unten E. I. 13 Siehe zu diesem sogleich B. I. 14 Schoch, JuS 1994, 932 (933); Jura 2009, 360 (361); Schneider/Kensbock, VBlBW 1999, 168 (169); Schmelz, BayVBl. 2001, 550 (551); vgl. auch von Mutius, Jura 1983, 298 (305). 15 Zu dem in dieser Arbeit vertretenen, weiter reichenden Anwendungsbereich der Zweckveranlassung s. unten E. II.
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Gefahren, die erst durch Drittvermittlung zu einem Schaden führen können, darf vielmehr nur dann angenommen werden, wenn das künftige Verhalten des Dritten im Fall seiner Vornahme zurechenbar wäre. Dass es bei der Zweckveranlassung um die Zurechnung störenden Drittverhaltens geht, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Zweckveranlasser, anders als etwa ein nach den Gefahrenabwehrgesetzen als Aufsichtspflichtiger oder Geschäftsherr Zusatzverantwortlicher16, als Gefahrverursacher für polizeirechtlich verantwortlich gehalten wird.17 Der Zweckveranlasser ist Verursacher, weil sein eigenes (veranlassendes) Verhalten den Zurechnungsgrund bildet. Dies ändert aber nichts daran, dass es sowohl bei der Zweckveranlassung als auch bei der Haftung des Zusatzverantwortlichen, dessen Verhalten mit der Gefahrverursachung durch Dritte nicht notwendigerweise18 in kausaler, aber aus anderen Gründen in enger Verbindung steht, um die Zurechnung fremden Verhaltens geht. Das zeigt sich schon daran, dass in beiden Konstellationen bei Hinwegdenken des Drittverhaltens eine Gefahr oder Störung gar nicht zur Entstehung gelangen würde.19 Der Begriff „Zweckveranlassung“ vermittelt den Eindruck, er sei nicht nur die Bezeichnung eines Zurechnungsproblems, sondern enthalte bereits eine Aussage darüber, welches Kriterium neben der Veranlassung über die Zurechnung entscheidet: der Zweck, den der Veranlasser verfolgt. Dies mag ein Grund dafür sein, dass „Zweckveranlassung“ teilweise mit einer anderen als der geschilderten Bedeutung belegt und als Bezeichnung eines tatsächlichen Geschehens verstanden wird. Zweckveranlassung ist danach die Provokation eines Dritten zu störendem Verhalten. Eine rechtliche Bewertung ist bei diesem Begriffsverständnis mit der Bezeichnung einer Person als Zweckveranlasser nicht verbunden.20 Einer solchen auf die bloße Faktizität beschränkten Begrifflichkeit ist nicht zu folgen. Der Zweckveranlasser ist kein tatsächliches, sondern ein rechtliches Phänomen. In tatsächlicher Hinsicht gibt es nur den Veranlasser.21 Dieser kann, wenn man die Zurechnungsfigur anerkennt und der Veranlasser bestimmte Voraussetzungen erfüllt, rechtlich als Zweckveranlasser einzustufen sein und infolgedessen gegebenenfalls als Störer herangezogen werden. Untersuchungen, die auf Klärung der Frage gerichtet sind, ob der Zweckveranlasser Störer ist oder nicht, sind daher widersprüchlich.22 Erfüllt der „Zweckveranlasser“ nicht die Voraussetzungen, um Störer zu sein, so ist er kein 16
§ 6 Abs. 2 und 3 PolG BW. Siehe dazu M. Peine, passim. A. A. Bott, S. 26. 18 Nach M. Peine, S. 222 ff., soll die Leistung eines Verursachungsbeitrags die Zusatzverantwortlichkeit sogar ausschließen. 19 Zum hier zugrunde gelegten Verständnis von Zurechnung s. näher C. II. 1. 20 So offenbar das Verständnis von Widder, passim. 21 Siehe schon W. Jellinek, S. 310 f., der zwischen dem Veranlasser und dem Verursacher als polizeirechtlich Verantwortlichem unterscheidet; ebenso Wolff/Bachof, VerwR III, § 127 Rn. 10; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 315. 22 So aber Widder, S. 24: „Der Zweckveranlasser wäre nach dieser Theorie Störer“. Ähnlich, aber in der Sache richtig Hurst, AöR 83 (1958), 43 (90). 17
A. Die „Zweckveranlassung“ – ein erster Zugriff
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Zweckveranlasser. Welche die Voraussetzungen der Zweckveranlassung sind, ist dabei nicht dem Begriff zu entnehmen – der ohnehin durch einen anderen ersetzt werden sollte23 – sondern unabhängig von diesem zu bestimmen.
23 Zur Kritik am Begriff „Zweckveranlassung“ s. etwa Erbel, JuS 1985, 257 (258). Zu dem in dieser Arbeit vorgeschlagenen neuen Begriff s. unten G.
B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit – vom Schaufensterfall zur Facebook-Party I. Die klassischen Rechtsprechungsfälle und ihre Rezeption in der Literatur Die Problematik der Verhaltensverantwortlichkeit der hinter einem Polizeipflichtigen stehenden Person stellte sich in der Rechtsprechung erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Allerdings wurde sie damals nicht bereits unter dem Etikett der Zweckveranlassung diskutiert und auch nicht als eigene Kategorie der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit angesehen, die eines eigenen Namens bedürfte. Dennoch kommt den damaligen Entscheidungen erhebliche Bedeutung zu. Nicht nur dienen einige der ihnen zugrunde liegenden Fallkonstellationen auch gegenwärtig noch zur Erläuterung der Zweckveranlassung.24 Auch die damals angewandten Kriterien bestimmen die Diskussion um den Zweckveranlasser bis heute.25 Die Grundlagen der Zweckveranlassung wurden von den Gerichten im Wesentlichen anhand von Fällen entwickelt, die verschiedene Formen aufsehenerregender Schaufenstergestaltung oder sonstiger Reklame betrafen. Diese Werbeaktionen konnten unter Umständen Ansammlungen von Schaulustigen hervorrufen, durch die die Straße blockiert oder der Verkehr behindert wurde.26 Es stellte sich dann die Frage, ob die Polizei ihre Maßnahmen nicht nur gegen die Schaulustigen, sondern auch gegen den Werbenden richten durfte, etwa indem sie ihm aufgab, die auffällige Reklame zu entfernen. Weitgehend Einigkeit bestand unter den Gerichten darüber, dass nicht nur derjenige, der die letzte Ursache einer Gefahr setzt, für diese verantwortlich ist, sondern dass die Verantwortlichkeit auch andere Personen treffen kann, die durch ihr Verhalten wesentlich ursächlich geworden sind. Zugleich sollte aber nicht jedes für das Verhalten Dritter ursächliche Tun eines Hintermanns seine Polizeipflichtigkeit be24 So etwa die „Schaufensterfälle“ (s. die Nachweise in Fn. 26 und dazu etwa Götz, POR, § 9 Rn. 19 f.) und der „Borkumliedfall“ (PrOVGE 80, 176 ff.), der heutzutage überwiegend als falsch entschieden angesehen wird, s. dazu Doerfert, JA 2003, 385 ff. m. w. N. 25 Sie leben in der heute sog. „subjektiven“ und „objektiven Theorie“ weiter, s. zu diesen F. IV. 1. c) und d). 26 OLG Hamburg, Hanseatische Gerichtszeitung, Beiblatt 1898, S. 93; 1905, S. 149, jeweils zitiert nach W. Jellinek, S. 311 Fn. 37; PrOVGE 40, 216 (217); 85, 270 (271); s. auch die weiteren Nachweise bei W. Jellinek, S. 311.
I. Die klassischen Rechtsprechungsfälle
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gründen. Denn anderenfalls „müssten zahlreiche, an sich vollkommen zulässige Handlungen und Vorgänge im täglichen Leben von der Polizei lediglich aus dem Grunde untersagt werden können, weil sie die Neugierde und Schaulust und deshalb eine Ansammlung des Publikums zu erregen pflegen […]. Diesem Gebahren des Publikums entgegenzutreten, ist […] Aufgabe der Polizei […].“27 Als entscheidendes Kriterium für die Verantwortlichkeit des Hintermanns wurde der von ihm verfolgte Zweck angesehen: Bezweckte der Hintermann die Herbeiführung eines polizeiwidrigen Zustands durch Dritte, so war er Störer, tat er dies nicht, so schied er als Verursacher eines lediglich „unwesentlichen äußeren“28 Anlasses regelmäßig als Störer aus. Relativiert wurde dies allerdings dadurch, dass die subjektive Einstellung des Hintermannes nur ein, wenn auch meist entscheidendes, Indiz für die letztlich wertend zu beurteilende Wesentlichkeit seines Verursachungsbeitrags sein sollte.29 Entlang diesen Grundsätzen entwickelte sich eine durchaus stringente Rechtsprechung. In den genannten Schaufensterfällen wurde die Verantwortlichkeit des werbenden „Hintermanns“ in aller Regel bejaht, da sein Handeln gerade darauf abzielte, Menschen zum Stehenbleiben zu veranlassen.30 In den meisten anderen Fällen, mit denen sich die Gerichte zu befassen hatten, sah dies anders aus: Oft ging es dort um die Verursachung einer den Straßenverkehr behindernden Ansammlung als Nebenfolge einer Tätigkeit, etwa durch den Betrieb eines Kinematographentheaters31, oder das Abhalten von Versammlungen in überfüllten Versammlungsräumen32. Zum Teil betrafen die Fälle auch die Verursachung politisch motivierter Reaktionen durch ein bestimmtes Verhalten, sei es in Form von Ausschreitungen Dritter als Reaktion auf die Aufführung eines Theaterstücks von Kleist33, den Protest gegen einen Krankenhausskandal34 oder das Singen des verbotenen Borkumlieds durch Kurgäste auf eine für sich gesehen harmlose, von der Kurkapelle intonierte Melodie35. In all diesen Fällen wurde die Verantwortlichkeit des Hintermanns abgelehnt.
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PrOVGE 31, 409 (411); 50, 370 (373 f.). PrOVGE 40, 126 (217). 29 Vgl. PrOVGE 40, 216 (217): „Wenn die Ansammlungen über das von ihm an sich gewollte Maß hinausgingen, so bleibt immer – worauf es allein ankommt – bestehen, daß die Ausstellung der Figuren […] gerade die wesentliche Ursache der Ansammlungen gebildet hat.“ 30 OLG Hamburg, Hanseatische Gerichtszeitung, Beibl. 1905, S. 149 ff., zitiert nach W. Jellinek, S. 311 Fn. 37; PrOVGE 40, 216 (217); 85, 270 (271). 31 PrOVGE 50, 370. 32 PrOVGE 6, 370; 11, 387; 31, 410. 33 PrOVGE 78, 272. 34 PrOVGE 103, 139. 35 PrOVGE 80, 176. 28
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B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit
Allerdings wurde der klare Ausgangspunkt bald verlassen. Möglicherweise auch deshalb, weil die Anknüpfung an die gelegentlich schwer zu erforschenden36 „inneren“ Kriterien Probleme bereitete37, flossen in die Urteile neben subjektiven auch objektive Kriterien in die Bewertung des Verhaltens des Hintermanns ein: So begründete das Preußische Oberverwaltungsgericht die Verantwortlichkeit des Inhabers eines Schaufensters in einer seiner späteren Entscheidungen damit, dass „die Schaustellung objektiv geeignet ist, ja sogar mit der ausdrücklichen Absicht erfolgt, die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zu ziehen“38. Dieses Nebeneinander von subjektiv und objektiv geprägten Kriterien findet sich auch bei Walter Jellinek. Jellinek unternahm es im Jahr 1913 als erster, unter Rückgriff auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung diejenigen Fälle der Veranlassung Dritter zu störendem Verhalten zu benennen, die polizeirechtlich die Stellung als Mitverursacher begründete.39 Dabei stellte er zwar das „Bezwecken“ der Reaktion Dritter in den Mittelpunkt. Allerdings formuliert er, dass nicht nur Personen, sondern auch Gegenstände ein polizeiwidriges Drittverhalten bezwecken könnten.40 An den Beitrag Jellineks schloss eine sich bis heute immer weiter verästelnde Diskussion um den Zweckveranlasser an, die nicht nur das richtige Zurechnungskriterium betrifft, sondern auch Notwendigkeit und rechtliche Zulässigkeit der Rechtsfigur überhaupt.41
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Siehe dazu im Einzelnen F. IV. 1. c). Siehe etwa die widersprüchlichen Judikate des OLG Hamburg, Hanseatische Gerichtszeitung, Beibl. 1905, S. 149 ff., einerseits und Hanseatische Gerichtszeitung, Beibl. 1898, S. 93 f., andererseits, jeweils zitiert nach W. Jellinek, S. 311 Fn. 37. 38 PrOVGE 85, 270 (271). 39 W. Jellinek, S. 310 f. Der Begriff der „Zweckveranlassung“ stammt allerdings nicht von Jellinek. Jellinek bezeichnete den Zweckveranlasser schlicht, wie jeden anderen polizeirechtlich Verantwortlichen auch, als „Verursacher“. In der Folgezeit wurde teilweise vom „bezweckenden Veranlasser“ gesprochen (Troitzsch, S. 31). Die Bezeichnung als „Zweckveranlassung“ fand erst einige Jahre später breite Verwendung (früher Gebrauch des Begriffs etwa bei Hurst, AöR 83 [1958], 43 [52]). 40 W. Jellinek, S. 311. 41 Hingewiesen sei auf die teilweise speziell der Zweckveranlassung gewidmeten, teilweise aber auch umfassend mit dem polizeilichen Störerbegriff befassten Beiträge von Schultzenstein, VerwArch 14 (1906), 1 ff., insbes. S. 31 ff.; Scholz-Forni, VerwArch 30 (1925), 11, insbes. S. 50 ff.; Troitzsch, S. 28 ff.; Hurst, AöR 83 (1958), 43, insbes. S. 84 ff.; Schnur, DVBl. 1962, 1 (7 f.); Klaudat, S. 31 ff.; Löhnert, S. 81 ff., insbes. S. 148 ff.; Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 ff.; Gantner, S. 143 ff., insbes. S. 155 ff. und S. 171 ff.; Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (461); Erbel, JuS 1985, 257 ff.; Bott, S. 31 ff.; Widder, passim; Muckel, DÖV 1998, 18 ff.; Beaucamp/ Seifert, JA 2007, 577 ff.; Hollands, S. 155 ff.; Poscher, Jura 2007, 801 (807); Schoch, Jura 2009, 360 ff. 37
II. Die aktuellen Fallgestaltungen
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II. Die aktuellen Fallgestaltungen Dass diese Diskussion keine eindeutigen Ergebnisse hervorgebracht hat, ist misslich. Dies insbesondere deshalb, weil abgesehen von einer Vielzahl jeweils neuartiger Einzelfälle42 mehrere aktuelle, sich wiederholende Fallgruppen existieren, die in ihrer gefahrenabwehrrechtlichen und gesellschaftlichen Relevanz über die Bedeutung der Schaufenster- und sonstigen Fälle von damals43 hinausreichen und deren Behandlung von einer etablierten Zurechnungsdogmatik profitieren würde.
1. Großveranstaltungen Einen nach wie vor aktuellen Anwendungsbereich der Zweckveranlassung bildet die Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens der Besucher von Großereignissen zu deren Veranstalter44. Im Zentrum stehen dabei Störungen durch Personen, die von Fußballbundesligaspielen angezogen werden. Mit den während der Saison allwöchentlichen Fanströmen gehen normalerweise erhebliche Verkehrsbehinderungen einher. Eine noch größere und sehr aktuelle Herausforderung für das Polizeirecht bilden aber die Gefahren, die von inner- und außerhalb der Fußballstadien randalierenden „Problemfans“ ausgehen. In der Saison 2011/2012 wurde mit 1.142 verletzten Personen ein neuer Höchststand verzeichnet.45 Die Polizei versucht, ge42 An dieser Stelle kann nur ein kurzer Einblick in die Vielfalt der Fallgestaltungen gegeben werden: Zur Frage, ob „Freier“ als Zweckveranlasser angesehen werden können s. Finger, VBlBW 2007, 139 f.; auch die Frage, ob der Vermieter bei Prostitution im Geltungsbereich einer Sperrgebietsverordnung (VGH Kassel, NVwZ 1992, 1111 ff.) oder ohne Arbeitserlaubnis (VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 663 f.) als Zweckveranlasser verantwortlich ist, hat die Rechtsprechung bereits beschäftigt. Zur Verantwortlichkeit des Lebensmittelhändlers für ruhestörende nächtliche Warenanlieferungen s. OVG Münster, NVwZ-RR 2008, 12 f., und VG Hamburg, Beschluss vom 17. April 2012 – Au 5 S 12.105 –, juris, Rn. 29 ff. Eine bedeutende Rolle spielt die Zweckveranlassung im Abfallrecht: Zur Verantwortlichkeit eines Entsorgungsunternehmens, das privaten Abfallbesitzern Blaue Tonnen zur Verfügung stellt, für deren Verstoß gegen die abfallrechtliche Überlassungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG s. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. 12. 2009 – OVG 11 S 50.08 –, juris, Rn. 27, und VG Hamburg, Urteil vom 9. August 2012 – 4 K 1905/10 –, juris, Rn. 71. Zur Verantwortlichkeit eines Entsorgungsfachbetriebs für rechtswidrige Abfallablagerungen durch Dritte s. OVG Koblenz, UPR 2012, 234 (238 f.). Zur Haftung des Domaininhabers für den Inhalt verlinkter Seiten VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, juris, Rn. 37 ff. 43 Auch die damaligen Fälle, beispielsweise die Schaufensterkonstellation, sind aber weiterhin aktuell. Siehe nur Schaaf, Die Spitze des Prenzlbergs, in: FAZ vom 24. April 2013, S. 7, zum Fall der Berliner Eisdiele „Hokey Pokey“, deren Inhaber einem ordnungsbehördlichen Einschreiten wegen des den Gehsteig blockierenden Kundenansturms durch deutliche Preiserhöhungen vorbeugen möchte. 44 „Veranstalter“ ist nach Wahlen, S. 19 m. w. N., wer die Organisation der Veranstaltung in der Hand hat und das finanzielle Risiko trägt. Im Fall von Fußballspielen sind dies die Vereine. 45 Siehe dazu und zu detaillierten aktuellen Zahlen den jährlich herausgegebenen „Jahresbericht Fußball“ der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) (http://www.poli-
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B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit
meinsam mit Verbänden und Vereinen Strategien gegen Randalierer umzusetzen, die schon im Vorfeld greifen sollen.46 Wo solche Vorfeldmaßnahmen aber nicht genügen, stellt sich die bis heute sehr umstrittene47 Frage, inwieweit das Gefahrenabwehrrecht es erlaubt, den Veranstalter für das störende Verhalten Dritter als Störer verantwortlich zu machen, wobei insbesondere unklar ist, ob die Grundrechte der Veranstalter, namentlich deren Berufs- (Art. 12 GG) und Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG), die Zurechnung des Verhaltens randalierender Fans verbieten.48 Diese Zuzei.nrw.de/artikel__68.html [abgerufen am 19. Januar 2014]), nach deren Ausgabe für die Saison 2011/12 „[g]ewalttätige Ausschreitungen durch Fußballfans sich seit Jahren auf einem seit der Spielzeit 2000/01 saisonal schwankenden, jedoch zunehmend höheren Niveau“ bewegen. In der Saison 2012/13 ging die Zahl der Verletzten wegen des Abstiegs mehrerer Vereine auf 788 zurück. Siehe auch die Antwort der Bundesregierung vom 2. 12. 2011 auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/8051. Von Relevanz sind auch die bei der An- und Abreise von Fangruppen verursachten Gefahren: Nach Angaben der Deutschen Bahn bedürfen fast alle Züge, mit denen Fußballfans transportiert werden, danach der Sonderreinigung oder Reparatur, wodurch der Bahn pro Saison ein Schaden in einstelliger Millionenhöhe entsteht, s. FAZ vom 25. Mai 2012, S. 30 – „Bahn bittet zur Kasse“. 46 Siehe dazu vor allem den „Zehn-Punkte-Plan“ von DFB und DFL (abrufbar unter http:// www.bundesliga.de/de/liga/news/2009/zehn-punkte-plan-fuer-mehr-sicherheit-im-fuss ball_0000152731.php [abgerufen am 19. Januar 2014]), der folgende Maßnahmen vorsieht: „1. Verbesserung der strukturellen Kommunikation, 2. Intensivierung der atmosphärischen Kommunikation (Fandialog), 3. Ausbau der Fanarbeit, 4. Qualifizierungsoffensive, 5. Wissenschaftliche Begleitung, 6. Flexibilisierung und Abwicklung von Risiko-Spielen, 7. Verzicht auf Profifußball am 1. Mai 2011, 8. Progressiver Ausbau der Frühprävention, 9. Öffentliche Ächtung von Fehlverhalten durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit, 10. Bewährungsmodelle bei Stadionverboten“. Siehe aber außerdem auch das am 12. Dezember 2012 beschlossene neue Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL), das insbesondere verstärkte Einlasskontrollen in den Stadien vorsieht (http://static.bundesliga.de/media/native/autosync/antragspa ket_1_sicheres_stadion_-_antraege_001_-_016_-_final.pdf [abgerufen am 19. Januar 2014]). 47 Der Streit wird vorwiegend in der Literatur geführt (s. die Beiträge von Lege, VerwArch 89 [1998], 71 ff.; Wahlen, passim; Gädeke, S. 168 ff.; allgemein zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit bei Großveranstaltungen Schmidt, ZRP 2007, 120 [120 f.]; Braun, Finanzierung, S. 156 ff.), während es – was die Aktualität der Problematik verdeutlicht – erst seit 2012 eine erste Äußerung der Rechtsprechung zu der Thematik gibt, s. das Eilverfahren zu dem „Hochrisikospiel“ zwischen dem 1. FC St. Pauli und Hansa Rostock, aus dessen Anlass die Stadt Hamburg zur Verhinderung von Auseinandersetzungen zwischen Fangruppierungen gegenüber dem 1. FC St. Pauli ein Verbot der Abgabe von Eintrittskarten an Gästefans aussprach: VG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2012 – 15 E 756/12 –, juris, und nachgehend OVG Hamburg, NJW 2012, 1975 ff. Die Frage nach dem Umgang mit randalierenden Fans ist seit dem „Skandalspiel“ in der Relegation zwischen Hertha Berlin und Fortuna Düsseldorf vom 15. Mai 2012, bei dem tausende Fortuna-Fans – wenn auch überwiegend aus dem Bedürfnis zu feiern – vor Abpfiff das Spielfeld stürmten, von besonderer Aktualität. Siehe dazu Leipold, Düsseldorf versinkt im Chaos, in: FAZ vom 16. Mai 2012, S. 27, und Ashelm, Böses Erwachen in der Traumwelt, in: FAS vom 21. Mai 2012, S. 15. Nur einen Tag zuvor war es beim Relegationsspiel der Zweiten Fußball-Bundesliga zwischen Karlsruhe und Regensburg zu schweren Ausschreitungen gekommen, bei denen 76 Personen verletzt wurden, s. FAZ vom 16. Mai 2012, S. 4 – „Randale nach KSC-Abstieg“. 48 Für Unanwendbarkeit der Zweckveranlassung im Zusammenhang mit Großveranstaltungen Deusch, S. 142 f.; Braun, Finanzierung, S. 161 f.; W.-R. Schenke, NJW 1983, 1882 (1883); POR, Rn. 246; Müller/Warg, Rn. 132; Siegel, NJW 2013, 1035 (1038).
II. Die aktuellen Fallgestaltungen
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rechnungsproblematik betrifft einerseits die Primärebene, wo es um die Anordnung von Schutzmaßnahmen gegenüber dem Veranstalter bis hin zum Veranstaltungsverbot geht. Sie kann aber auch Auswirkungen auf die Sekundärebene haben, auf der zu untersuchen ist, inwieweit der Veranstalter mit den hohen Kosten des Einsatzes der Polizei bei Fußballbegegnungen49 – sei es auf Grundlage polizeirechtlicher Kostenregelungen oder des allgemeinen Gebührenrechts – belastet werden kann. Besondere Aktualität erhält diese Frage dadurch, dass die Innenminister des Bundes und der Länder nach jüngsten exzessiven Ausschreitungen angekündigt haben, ihre in den 1980er Jahren getroffene politische Entscheidung, keinen Kostenersatz von Veranstaltern von Sportgroßveranstaltern zu verlangen,50 überprüfen zu wollen.51
2. Die Zurechnung störenden Drittverhaltens im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht Die Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter betrifft auch das besondere Gefahrenabwehrrecht. Soweit dort keine Spezialregelungen zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit vorhanden sind, ist auf die im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltenden Grundsätze zurückzugreifen.52 Die Fallgestaltungen, in denen die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im besonderen Gefahrenabwehrrecht von Relevanz ist, sind vielfältig – ebenso wie die Zurechnungskriterien, die zu ihrer Bewältigung Anwendung finden. Einen klassischen Anwendungsbereich bildet das Immissionsschutz- und Gaststättenrecht, wo die Zurechnungsproblematik insbesondere Lärm und andere Belästigungen betrifft, die von den Benutzern einer immissionsschutzrechtlichen Anlage oder einer Gaststätte ausgehen.
49 Nach dem Jahresbericht der ZIS (Fn. 45) fielen allein in der Saison 2012/2013 durch Polizeieinsätze bei Fußballspielen 1.756.190 Arbeitsstunden an. 50 Siehe dazu W.-R. Schenke, NJW 1983, 1882 Fn. 2, wonach die Innenministerkonferenz im Jahr 1982 beschloss, die Angelegenheit „Kosten vollzugspolizeilicher Einsätze bei Großveranstaltungen“ nicht weiter zu verfolgen. 51 Die Innenministerkonferenz zeigte sich bei ihrer im Anschluss an die in Fn. 47 geschilderten Ereignisse stattfindenden Sitzung besorgt über die zunehmende Gewaltbereitschaft beim Fußball und forderte von Vereinen und Verbänden eine konsequente Umsetzung bestehender Sicherheitskonzepte. Für den Fall, dass diese Forderung nicht umgesetzt werden sollte, behielten sich die Innenminister vor, „alle rechtlichen und operativen Möglichkeiten zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in Betracht zu ziehen. In diesem Zusammenhang wäre dann auch eine finanzielle Inanspruchnahme der Vereine für entstehende Zusatzkosten zu prüfen.“ (Pressemitteilung Nr. 78 des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2012, http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_ prod/Regierungsportal/de/im/_Service/Presse/Archiv_Pressemitteilungen/index. jsp?&pid=35431 [abgerufen am 19. Januar 2014]). 52 W.-R. Schenke, POR, Rn. 228.
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B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit
Die Frage nach der Zurechenbarkeit von Gästelärm zum Betreiber einer Gaststätte beschäftigt die Rechtsprechung schon seit Langem.53 Durch die Liberalisierung von Sperrzeiten und ein geändertes, in die Nachtstunden verlagertes Ausgehverhalten hat der Konflikt zwischen Gastwirten und ruhebedürftigen Anwohnern besonders in den Altstadtbereichen studentisch geprägter Städte wie beispielsweise Münster und Heidelberg in jüngerer Zeit an Aktualität gewonnen. Die Auflösung dieser Konfliktlage bereitet den Städten Schwierigkeiten. Sie suchen den Ausweg im Wesentlichen über ein Vorgehen gegen die Gastwirte.54 Hierzu werden unterschiedliche Instrumente genutzt. So werden etwa Auflagen zur Straßenreinigung nach dem Gaststättengesetz55 erteilt oder es wird den Wirten auf straßenrechtlicher Grundlage aufgegeben, den Getränkekonsum der Gäste vor ihrer Gaststätte zu unterbinden56. Die Rechtmäßigkeit solcher Verfügungen setzt die Zurechenbarkeit des Gästeverhaltens zum Wirt voraus. Einheitliche Zurechnungskriterien existieren aber nicht. Insbesondere wird nur selten auf die Kriterien zur Zweckveranlassung zurückgegriffen. Zur Anwendung gelangen andere Zurechnungserwägungen.57 Häufig lehnt sich die Rechtsprechung beispielsweise an die für das Immissionsschutzrecht entwickelten besonderen Kriterien an, die für die Zurechnung des durch den An- und Abfahrtverkehr von und zu einem Betrieb hervorgerufenen Lärms entwickelt wurden.58 Die Berechenbarkeit behördlicher und gerichtlicher Zurechnungsentscheidungen leidet dadurch.
53 Beispiel bereits bei W. Jellinek, S. 310 f., unter Hinweis auf eine Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Januar 1903, Jahrb. d. SächsOVG, Bd. 4, S. 66 ff. 54 Zu der Vielgestaltigkeit der formellen und informellen Maßnahmen der Verwaltung s. etwa das Handlungskonzept der Stadt Heidelberg zum Thema „Lärm in der Altstadt“, http:// www.heidelberg.de/site/Heidelberg_ROOT/get/documents/heidelberg/Objektdatenbank/15/ PDF/15_pdf_58_punkte-katalog_altstadt.pdf (abgerufen am 19. Januar 2014). Zu dem gescheiterten Freiburger Versuch einer Alkoholverbotsverordnung für den Innenstadtbereich s. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 55 ff. 55 Siehe dazu VGH München, BayVBl. 2010, 406 (410). 56 Siehe dazu VG Karlsruhe, Urteile vom 20. September 2011 – 4 K 2211/10 und 4 K 2737/ 10 –, juris. 57 So etwa bei VG Karlsruhe, Urteile vom 20. September 2011 – 4 K 2211/10 –, juris, Rn. 27, und 4 K 2737/10 –, juris, Rn. 27, mit der Begründung, es gehe bei der – im Ergebnis bejahten – Frage, ob die in der Gaststätte erfolgende Ausgabe von Getränken, die von den Gästen auch vor der Gaststätte konsumiert werden, eine Straßensondernutzung durch den Gastwirt darstelle, nicht um die Zurechnung einer Störung im gefahrenabwehrrechtlichen Sinn. So auch Lenski, VerwArch 103 (2012), 539 (550 f.). 58 Siehe zu den angewendeten Zurechnungsmaßstäben im Einzelnen H. II.
II. Die aktuellen Fallgestaltungen
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3. Die Veranlassung von Gegengewalt durch Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG Besonderes Augenmerk soll in der vorliegenden Untersuchung daneben auf einen anderen Bereich des besonderen Verwaltungsrechts, das Versammlungsrecht, gelegt werden. Dort bestehen größte Unsicherheiten darüber, ob und inwieweit Veranstalter und Teilnehmer einer in den Anwendungsbereich des Art. 8 GG fallenden Versammlung, die Ausschreitungen Dritter hervorruft, aus Gründen der Gefahrenabwehr Einschränkungen, sei es in Form von Auflagen oder in Form eines Versammlungsverbots, hinnehmen müssen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei wegen ihres besonderen Konfliktpotentials die Konfrontation von unter freiem Himmel stattfindenden Versammlungen mit Gegendemonstrationen. Aus dem grundrechtlichen Schutz der Versammlungsfreiheit wird dabei heute verbreitet gefolgert, dass eine Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter unter keinen Umständen in Betracht komme.59 Andere gehen – zusammen mit dem Bundesverfassungsgericht, das sich hierzu allerdings nicht abschließend geäußert hat – davon aus, dass die Zweckveranlassung mit der grundrechtlichen Gewährleistung der Versammlungsfreiheit allenfalls bei Anwendung besonders strenger, sich von den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht abhebenden Zurechnungsvoraussetzungen zu vereinbaren ist.60 Wie im Zusammenhang mit privaten Großveranstaltungen stellt sich ferner auch im Versammlungsrecht die Frage nach der Möglichkeit, die Kosten, die staatlicherseits für Maßnahmen zur Abwehr drittvermittelter Gefahren anfallen, auf den Veranstalter umzulegen. Zurechnungsfragen ergeben sich außerdem im Innenverhältnis der Versammlung, was insbesondere im Kontext der Heranziehung des Veranstalters zur Straßenreinigung von Relevanz ist.
4. Facebook-Partys und Flashmobs Der Beantwortung bedarf auch die erst kürzlich aufgetretene Frage der Verantwortlichkeit für die Gefahren, die durch sogenannte Facebook-Partys und Flashmobs 59
Rühl, NVwZ 1988, 577 (577 f.); Geis, die Polizei 1993, 293 (297); Krüger, S. 105 f.; DÖV 1997, 13 (17); Breitbach/Deiseroth/Rühl, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, VersR, § 15 Rn. 149; Brenneisen, DÖV 2000, 275 (279); Hoffmann-Riem, in: AK-GG, Art. 8 Rn. 24 Fn. 88; Werner, S. 95 f.; Laubinger/Repkewitz, VerwArch 93 (2002), 149 (183 f.); Enders, Jura 2003, 103 (1078); Behmenburg, NJ 2005, 92; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, K, Rn. 341; wohl auch Hettich, Rn. 171, und VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 18 L 1827/12 –, juris, Rn. 5 (Provokation durch Zeigen islamkritischer Karikaturen). 60 BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); BVerfGK 8, 195 (201); VGH Mannheim VBlBW 2002, 383 (384); NVwZ-RR 2011, 602 (604); VGH München, Beschluss vom 30. April 2002 – 24 CS 02.1050 –, juris, Rn. 5; zustimmend Gusy, JZ 2002, 105 (113); Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 15 Rn. 40; Ruder/Schmitt, Rn. 193a. Zum Inhalt der besonderen Zurechnungskriterien s. unten H. III. Allerdings zieht das BVerfG die Zweckveranlassung nicht in allen Fällen, in denen sich dies anbieten würde, in Betracht, s. etwa BVerfG, NVwZ 2006, 1049 (1049 f.); NVwZ-RR 2007, 641 (642).
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B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit
hervorgerufen werden.61 Bei Facebook-Partys und Flashmobs handelt es sich um Phänomene, die ihre Entstehung dem Erfolg sozialer Netzwerke im Internet zu verdanken haben. Soziale Netzwerke ermöglichen es, ohne großen Aufwand ein breites (Millionen-)Publikum anzusprechen und auf diese Weise Veranstaltungen mit einer großen Teilnehmerzahl zu organisieren. Facebook-Party und Flashmob sind nicht klar voneinander abgrenzbar.62 Bei einer Facebook-Party handelt es sich um die Ankündigung einer Party über ein soziales Netzwerk im Internet, wobei diese absichtlich oder unbeabsichtigt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Bekanntester Fall ist der der 16jährigen Thessa, die zu ihrer Geburtstagsparty über Facebook einlud, dabei ihre Einladung aber nicht auf bestimmte Gäste beschränkte, sondern „öffentlich“ machte. Dies hatte zur Folge, dass trotz Absage der Party ca. 1.600 Personen Thessas Geburtstag vor dem Haus ihrer Eltern feierten. Dabei kam es zu Körperverletzungen und Sachbeschädigungen.63 Bei einem Flashmob handelt es sich um das koordinierte Zusammentreffen einander meist unbekannter Personen, die sich mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel an einem bestimmten öffentlichen oder halböffentlichen Ort verabreden, um dort eine nach außen hin spontan anmutende ungewöhnliche Aktion durchzuführen, die dann ebenso spontan zu enden scheint. Diese Aktion kann aber auch das Feiern einer Party sein. Dabei existiert meist kein vom Initiator fest umrissener, sondern ein offener Kreis an Teilnehmern. Flashmobs dienen in ihrer Grundform nur der Unterhaltung ihrer Teilnehmer. Mittlerweile existieren aber auch sogenannte Smartmobs64, die politische oder wirtschaftliche Ziele verfolgen und etwa im Rahmen von Arbeitskämpfen eine Rolle spielen.65 Ein jüngeres Beispiel für einen Flashmob ist das „Abschiedstrinken“ in der Münchener S-Bahn, zu dem nach Aufruf im Internet ca. 2.000 Personen die Bahn blockierten und Waggons beschädigten.66 Im Mittelpunkt der Zurechnungsproblematik steht sowohl bei Facebook-Partys als auch bei Flashmobs die Frage, inwieweit der Initiator der Veranstaltung für störendes Verhalten der auf seine Ankündigung reagierenden Dritten verantwortlich gemacht werden kann. Praktisch relevant wird dies etwa im Zusammenhang mit der gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßenden Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer, der Gefahr von Ausschreitungen, die sich etwa in Sachbeschädigungen und Körperverletzungen manifestieren, insbesondere aber auch bei der Umlegung der Kosten der Entsorgung des Mülls, der nach solchen Veranstaltungen zurückbleibt. Dabei 61 Siehe hierzu Ernst, DÖV 2011, 537 (542 ff.); Klas/Bauer, K&R 2011, 533 (534 f.); Levin/ Schwarz, DVBl. 2012, 10 (16 f.). 62 Zur Begrifflichkeit s. Neumann, NVwZ 2011, 1171 (1171 f.); Lenski, VerwArch 103 (2012), 539 (540). 63 Süddeutsche Zeitung vom 6. Juni 2011, S. 10 – „Elf Festnahmen bei Facebook-Party“. 64 Die Begrifflichkeiten werden allerdings gelegentlich vermischt. 65 Siehe hierzu etwa Rieble, NZA 2008, 796, dort zu der Arbeitskampfmaßnahme, koordiniert Einkaufswagen ohne Kaufabsicht zu befüllen, um sie dann im Laden stehen zu lassen. 66 Süddeutsche Zeitung vom 13. Dezember 2011, S. 30 – „Vom Mob überrascht“.
II. Die aktuellen Fallgestaltungen
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stellt sich die Frage, ob der Umstand, dass zu den betreffenden Veranstaltungen über moderne Kommunikationsmittel wie das Internet aufgerufen wird, angesichts der mittlerweile vorhandenen komplexen Informationsflüsse die Anwendung besonderer Zurechnungskriterien erforderlich macht. Problematisch kann darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit des Betreibers des sozialen Netzwerks sein, dessen technische Möglichkeiten zum öffentlichen Aufruf zu den in Rede stehenden Veranstaltungen genutzt werden, und die der Medien, die diese Aufrufe weiterverbreiten und dadurch die Teilnehmerzahl noch erhöhen.
5. Eigensicherungspflichten Eine weitere Konstellation, die Fragen der Zurechnung aufgrund Veranlassung aufwirft, wird unter dem Stichwort „Eigensicherungspflicht“ diskutiert. Eigensicherungspflichten betreffen die Frage, inwieweit derjenige, der über ein Objekt bestimmt, wegen drohender Angriffe von außen dazu verpflichtet werden kann, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Diskussion um Eigensicherungspflichten wurde in den 1980er Jahren geführt67, Anfang des neuen Jahrtausends aber mit Blick auf gesteigerte terroristische Bedrohungen wieder aufgenommen68. Es existiert mittlerweile eine beachtliche Zahl fachrechtlicher Vorschriften, die eine Pflicht zur Eigensicherung enthalten.69 So verpflichtet beispielsweise § 36 Abs. 1 S. 1 WaffG einen Waffenbesitzer dazu, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Dritte die Waffe unbefugt an sich nehmen; Ähnliches sieht § 14 Abs. 2 S. 2 StVO für die Sicherung von Kraftfahrzeugen vor. Die Problematik der Eigensicherung betrifft aber nicht nur die Sicherung beweglicher Sachen, sondern auch die bestimmter Anlagen. Besonders relevant wird dies im Zusammenhang mit solchen Anlagen, die dem Risiko terroristischer Anschläge ausgesetzt sind, etwa bei Kernkraftwerken (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG) oder Flughäfen (§ 8 LuftSiG). Soweit besondere einfachgesetzliche Vorschriften zur Eigensicherung vorhanden sind, besteht grundsätzlich kein Bedarf, über die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter zu dem Gewalthaber über das Objekt zu entscheiden. Die Eigensicherungspflicht ergibt sich in diesen Fällen direkt aus dem Gesetz. Dessen Anwendung setzt keine Zurechnungsentscheidung voraus, sondern knüpft in der Regel an die eigene Einwirkungsmöglichkeit auf das zu sichernde Objekt an. Es stellt sich allerdings die Frage, wie dort zu verfahren ist, wo es an besonderen Vorschriften über 67 Schiller/Drettmann, DVBl. 1977, 956 ff.; Ossenbühl, Eigensicherung, passim; Ronellenfitsch, VerwArch 77 (1986), 435 ff.; Ehlers, in: FS Lukes, S. 337 ff. 68 Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 ff.; 1209 f.; Sendler, NVwZ 2002, 681 ff.; 1210; Koch/John, DVBl. 2002, 1578 ff.; von Danwitz, RdE 2002, 113 ff.; Kernkraftwerke, passim; Battis, in: Ossenbühl, Atomrechtstag 2002, S. 27 ff.; Vorwerk, ebd., S. 37 ff.; Leidinger, DVBl. 2004, 95 ff. Zur Eigensicherung von Häfen s. Rengeling, DVBl. 2004, 589 ff.; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 ff., zur Eigensicherung von Bahnanlagen s. Ronellenfitsch, DVBl. 2005, 65 ff. 69 Für eine ausführliche Auflistung s. Otten, S. 119 ff.
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B. Die Rechtsfigur und ihre Gegenstände im Wandel der Zeit
die Pflicht zur Eigensicherung fehlt. Von praktischem Interesse kann dies insbesondere im Zusammenhang mit Anlagen sein, die – wie beispielsweise Einkaufszentren – größere Besucherströme anziehen und dadurch ein attraktives Ziel für Angreifer bieten. Insoweit ist es denkbar, dass schon das allgemeine Polizeirecht eine hinreichende Grundlage zur Auferlegung von Pflichten zur Eigensicherung bildet. Dies würde voraussetzen, dass das die Sicherheit des Objekts gefährdende Verhalten Dritter dessen Inhaber als Störer zuzurechnen ist, was bisher fast einhellig verneint wird.70 Wäre die Zurechenbarkeit zu bejahen, könnte dies auch Auswirkungen auf die Reichweite der bislang restriktiv verstandenen gesetzlich vorgesehenen Eigensicherungspflichten haben. Da der Anreiz zum Angriff teilweise nicht aus dem Verhalten des Sachinhabers, sondern aus dem Zustand der Sache resultiert, ist im Bereich der Eigensicherung in Abweichung von den oben genannten Konstellationen zudem zu untersuchen, ob die Rechtsfigur der Zweckveranlassung auch im Rahmen der polizeirechtlichen Zustandsverantwortlichkeit Anwendung finden kann.71
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Siehe H. V. 1. a) und die dortigen Nachweise. Eine vergleichbare Problematik aus dem Baurecht, nämlich die Zulässigkeit der Umnutzung eines Gebäudes als türkisches Konsulat trotz Terrorgefahr, betraf VGH Mannheim, VBlBW 2006, 431 ff., dazu aus rein baurechtlicher Sicht BVerwGE 128, 118 ff. 71
C. Die Aktualität der Zurechnungsproblematik Die Zweckveranlassung bezieht ihre Aktualität aber nicht nur aus den beschriebenen aktuellen Fallgestaltungen. Sie ist auch in rechtlicher Hinsicht aktuell. Diese Aktualität beruht zum einen darauf, dass viele dogmatische Unklarheiten bis heute nicht beseitigt sind. Es ist vielmehr festzustellen, dass die Zweckveranlassung – ebenso wie die herrschende polizeirechtliche Theorie der unmittelbaren Verursachung – derzeit konturenloser ist denn je. Zur Anwendung gelangen einzelfallbezogene Wertungen oder – bestenfalls – gesetzliche Spezialregelungen, die aber keine Basis in einer allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnungsdogmatik haben. Besonders bedauerlich ist, dass die Zweckveranlassung in dieser Verfassung kaum etwas zur Lösung der oben beschriebenen Fallgestaltungen beitragen kann. Das Bedürfnis nach klaren Kriterien für die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter besteht außerdem auch in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts. Dies gilt einerseits für Fälle der Inpflichtnahme Privater, besonders aber auch für den Bereich der Grundrechte und die dort viel diskutierte Frage mittelbarer Grundrechtseingriffe sowie für das Staatshaftungsrecht. Die Zweckveranlassung, die als Grundmodell für die Lösung solch ähnlich gelagerter Problemstellungen in anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsgebieten dienen könnte, versagt mangels konturierter und überzeugender Zurechnungskriterien in ihrem gegenwärtigen Zustand allerdings auch hier.
I. Die Zweckveranlassung – ein nach wie vor ungelöstes Rechtsproblem Was die die Rechtsfigur betreffenden rechtlichen Unsicherheiten angeht, sollen hier einleitend nur die wichtigsten von ihnen kurz benannt werden. Als wohl grundlegendster Einwand wird die Notwendigkeit, den Veranlasser im Gefahrenabwehrrecht als Störer einordnen zu müssen, generell bezweifelt.72 Verwiesen wird insbesondere darauf, dass den Zwecken des Gefahrenabwehrrechts durch eine Inanspruchnahme des Veranlassers als Nichtstörer hinreichend Rechnung getragen werden könne. Meist wird die Erforderlichkeit der Einordnung eines Veranlassers als Störer hingegen im Grundsatz anerkannt. Unklar sind dann aber ist die dogmatische Notwendigkeit und Stellung einer gesonderten Rechtsfigur der Zweckveranlassung im Verhältnis zu den gefahrenabwehrrechtlichen Verursachungstheorien – genannt 72
Siehe dazu D. I. und insbesondere die Nachweise in Fn. 142.
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C. Die Aktualität der Zurechnungsproblematik
seien die Unmittelbarkeits-73, Rechtswidrigkeits-74 und Sozialadäquanztheorie75 sowie die nach Pflichtwidrigkeit und abgegrenzten Risikosphären über die Störereigenschaft entscheidende Theorie76. Verbreitet wird der Zweckveranlassung ein eigenständiger Charakter abgesprochen: Sie wird als Annex zur Lehre von der unmittelbaren Verursachung angesehen; andere Verursachungstheorien seien auf die Rechtsfigur nicht angewiesen.77 Daraus ergibt sich notwendig die Frage, ob es einer Entscheidung für die Lehre von der unmittelbaren Verursachung bedarf, um überhaupt zur Relevanz der Zweckveranlassung zu gelangen.78 Neben diesen die Notwendigkeit und Einordnung der Zweckveranlassung betreffenden Unsicherheiten ist insbesondere ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten umstritten. Gerade in jüngerer Zeit wird vermehrt vorgebracht, es sei mit den Grundrechten nicht vereinbar, eine Person als Störer zu behandeln, die sich wie der Zweckveranlasser rechtmäßig verhalte.79 Dieser Schluss von der Rechtmäßigkeit auf die fehlende polizeirechtliche Verantwortlichkeit erscheint nicht zwingend und ist den Einwänden gegen den besonderen Begriff von „Rechtswidrigkeit“ im Polizeirecht80 und gegen die Existenz abstrakter Polizeipflichten81 ausgesetzt. Hinsichtlich der Grundrechtskonformität der Zweckveranlassung schwanken die Ansichten zwischen der generellen Verfassungswidrigkeit der Zurechnungsfigur und der Forderung, zumindest in bestimmten Sachbereichen, etwa dem Versammlungsrecht (s. schon oben), von ihrer Anwendung abzusehen.82 Soweit die Zweckveranlassung anerkannt wird, besteht weiterhin Unklarheit darüber, welches das richtige Kriterium für die Zurechnung des Verhaltens Dritter ist.83 Die Rechtsprechung macht in neuerer Zeit von sehr wertungsoffenen, auf Einzelfallerwägungen verweisenden Kriterien Gebrauch, etwa indem sie für die Zurechnung verlangt, dass eine „natürliche Einheit“84 zwischen den Handlungen von Veranlasser und Veranlasstem besteht. Zurechnung bekommt damit den Charakter 73
Siehe zu ihren Vertretern die Nachweise in Fn. 7. Gegenwärtig vertreten etwa von Poscher, Jura 2007, 801 (803 ff.). 75 Gegenwärtig vertreten etwa von Gusy, POR, Rn. 339. 76 Gegenwärtig vertreten etwa von Hollands, passim. 77 Siehe die Nachweise in Fn. 367. 78 Siehe dazu E. I. 79 Siehe dazu D. IV. und insbesondere die Nachweise in Fn. 197. 80 Siehe dazu D. IV. 1. 81 Siehe dazu D. IV. 4. c). 82 Siehe dazu die Einführung bei D. IV. 83 Siehe dazu F. 84 BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 – 7 B 30/06 –, juris, Rn. 4; VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 114; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. April 2006 – 2 M 174/06 –, juris, Rn. 5; OVG Münster, Beschluss vom 11. April 2007 – 7 A 678/07 –, juris, Rn. 4; OVG Münster, GewArch 2012, 265 (266); OVG Koblenz, DVBl. 2012, 515 (519). 74
II. Die Bedeutung der Zurechnungsproblematik
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einer so gut wie jeder Erwägung offenstehenden einzelfallabhängigen Wertung.85 Von dem Ziel, ein Zurechnungskriterium mit einer maßstabsbildenden Aussagekraft zu entwickeln, scheint sich die Rechtsprechung damit verabschiedet zu haben. Zwar gelangt die Rechtsprechung in vielen Fällen im Ergebnis zu einer angemessenen Verteilung von Verantwortlichkeiten. Die „wertende Betrachtung“86, die dem zugrunde liegt, und letztlich auf nichts anderes als den „gesunden Menschenverstand“ verweist, ist als rechtliches Kriterium allein aber nicht geeignet. Im Interesse der Berechenbarkeit und Akzeptanz muss die dogmatische Begründung der Zurechnungsentscheidung ausgebaut werden.
II. Die über das Recht der Gefahrenabwehr hinausreichende Bedeutung der die Zweckveranlassung kennzeichnenden Zurechnungsproblematik Ein besonderes Erkenntnisinteresse an der Zweckveranlassung ergibt sich darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt, dass das sie beschäftigende Zurechnungsproblem kein exklusiv polizeirechtliches ist.
1. Kennzeichen der in Rede stehenden Zurechnungsproblematik Um dies zu verdeutlichen, soll zunächst aufgezeigt werden, was im Zusammenhang mit der Zweckveranlassung unter Zurechnung des Verhaltens Dritter zu verstehen ist und wie sich dieses Zurechnungsverständnis von anderen Verwendungen des Begriffs abhebt. 85 Deutlich wird die Unbestimmtheit der geltenden Kriterien etwa an der Charakterisierung der Zweckveranlassung durch das OVG Koblenz, DVBl. 2012, 515 (519). Danach kann als Zweckveranlasser Störer sein, wer „– gleichsam als ,Hintermann‘ – das Verhalten des eigentlichen Veranlassers, der eine Gefahr bzw. eine Störung unmittelbar verursacht hat, subjektiv oder objektiv bezweckt hat bzw. derjenige, als Folge von dessen Verhalten sich das Verhalten des unmittelbaren Verursachers zwangsläufig eingestellt hat bzw. dessen Verhalten mit der durch den Verursacher unmittelbar herbeigeführten Gefahr eine „natürliche Einheit“ bildet […]. Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers […] ist wegen der Unschärfe der Kriterien der ,objektiven Bezweckung‘, des ,zwangsläufigen Sich-Einstellens einer Gefahr‘ sowie der ,natürlichen Einheit‘ Kritik ausgesetzt […]. Letztlich besteht aber weitgehende Einigkeit darin, dass das Kriterium der unmittelbaren Verursachung durch Kriterien der Rechts- und Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens zu ergänzen und eine Schadens- und Risikozurechnung aufgrund eines Rechtswidrigkeitsurteils vorzunehmen ist, um im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu bestimmen, welche von mehreren ursächlichen Handlungen (ggf. auch) die Gefahrenschwelle überschritten hat und damit die Polizeipflichtigkeit nach sich zieht […].“ Vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, juris, Rn. 38. 86 Thiele, Rn. 251.
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C. Die Aktualität der Zurechnungsproblematik
Die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter hat im Kontext der Zweckveranlassung die Konsequenz, dass eine Person wegen der rechtlich erheblichen Auswirkungen des tatsächlichen Verhaltens eines zu ihr in qualifizierter Beziehung stehenden Dritten Rechtsfolgen gewärtigen muss. Im Unterschied zu anderen Zurechnungsbegriffen ist mit der Bejahung der Zurechenbarkeit keine Aussage darüber verbunden, ob dem Zurechnungssubjekt das Verhalten des Dritten als eigenes zuzurechnen ist. Anders, wenn auch unpräziser ausgedrückt wird dem Zurechnungssubjekt nicht die „ganze“ Handlung, sondern der mittels der Handlung herbeigeführte Erfolg – im Fall der polizeirechtlichen Zweckveranlassung: die Gefahr oder Störung – zugerechnet.87 Ein feststehendes Verständnis von „Eigenzurechnung“, zu der hier eine Abgrenzung erfolgen soll, existiert allerdings nicht. Nicht gemeint ist ein formeller, auf das Fehlen einer die Zurechnung vermittelnden Person abstellender Begriff der Eigenzurechnung, wie er im Gesellschaftsrecht exklusiv für das Handeln von Organen gebraucht wird88 und sich im Verwaltungsorganisationsrecht in der Einordnung bestimmter Organwalter als „Organwalter i. e. S.“89 widerspiegelt. Eigenzurechnung soll vielmehr in einem materiellen Sinne zu verstehen sein. Sie bewirkt, dass das Handeln eines Dritten als eigenes Handeln des Zurechnungssubjekts anzusehen ist. Ein solches Verständnis von Eigenzurechnung spielt im öffentlichen Recht insbesondere im Bereich der Staatshaftung eine Rolle.90 Dort ist, insbesondere im Rahmen der Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs nach Art. 34 S. 1 GG, zu klären, ob das Verhalten einer Person dem Staat als eigenes, also als staatliches Verhalten zugerechnet werden kann.91 Die Frage betrifft zum einen Angehörige der 87 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 406 Fn. 257. Dennoch lässt sich dies als Zurechnung des Verhaltens Dritter bezeichnen, denn ohne das Drittverhalten könnte der Erfolg nicht eintreten, s. dazu und zum „Dazwischentreten Dritter“ noch unten bei Fn. 94. 88 K. Schmidt, § 10 I 1 (S. 255 ff.), dort in Abgrenzung zu den Zurechnungstatbeständen der §§ 164, 278, 831, 855 BGB, deren Voraussetzungen erst durch das Handeln von Organen geschaffen werden müssen und die als Fälle der „Drittzurechnung“ bezeichnet werden. Siehe dort (a.a.O., § 10 I 1 [S. 258 ff.]; aus öffentlich-rechtlicher Sicht Kluth, in: Wolff/Bachof/ Stober/Kluth, VerwR II, § 82 Rn. 33 ff.; Ernst, Verwaltungserklärung, S. 346 ff.) auch zu dem Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie, der aber nichts daran ändert, dass es sich bei der Eigenzurechnung um eine Zurechnungsproblematik handelt (K. Schmidt, § 10 I 2 c [S. 261]). 89 Die Unterscheidung zwischen Organwaltern i. e. S. und Organwaltern i. w. S. geht zurück auf H. J. Wolff, in: Wolff/Bachof, VerwR II, § 74 IV b (S. 58). Danach sind Organwalter i. e. S. diejenigen, „deren Verhalten dem Organ unvermittelt zugerechnet wird, also die Mitglieder eines Kollegiums und der Leiter einer monokratischen Behörde nebst seinem ,allgemeinen Vertreter‘“ (Wolff/Bachof, VerwR II, § 74 IV b 3 [S. 58]). Organwalter i. w. S. sind „alle Menschen deren Verhalten dem Organ irgendwie zugerechnet wird“ (Wolff/Bachof, VerwR II, § 74 IV b 2 [S. 58]), was insbesondere auf die mit Zeichnungsbefugnis ausgestatteten Behördenmitarbeiter zutreffen soll. Die Begrifflichkeit wird übernommen von U. Stelkens, S. 147; ders., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 53 ff.; ablehnend Hufeld, S. 219 ff. 90 Auch das Verwaltungsorganisationsrecht beschäftigt sich mit dieser Frage, muss nach Ansicht von Remmert, S. 260, aber nicht notwendig die gleichen Zurechnungskriterien wie das Staatshaftungsrecht zur Anwendung bringen. 91 Siehe hierzu etwa Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9 Rn. 3 ff.
II. Die Bedeutung der Zurechnungsproblematik
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öffentlichen Gewalt, ist in jüngerer Zeit aber insbesondere mit Blick auf die Tätigkeit von Privatpersonen problematisch geworden.92 Ob das Verhalten einer Person einer anderen in diesem Sinn „als eigenes“ zuzurechnen ist, kann mit dem Zurechnungsbegriff, der der Zweckveranlassung zugrunde liegt, nicht beantwortet werden. Der Unterschied lässt sich anhand des Amtshaftungsanspruchs aufzeigen: Dort ist es von grundlegender Bedeutung, ob das Verhalten eines selbständigen Privatunternehmers dem Staat als eigenes zugerechnet wird oder ob eine Zurechnung nach dem hier zugrunde liegenden Verständnis erfolgt. Nur wenn sein Verhalten dem Staat „als eigenes“ zugerechnet wird, kann nach einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Unternehmers gefragt werden. Anderenfalls ist er dem Staat nicht als Amtswalter zuzuordnen – eine Amtspflichtverletzung durch ihn kommt nicht in Betracht. Das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs wegen der durch ihn verursachten Schäden schließt dies allerdings nicht aus. Denkbar ist etwa, dass der Beamte, der den Unternehmer beauftragt hat, bei dessen Auswahl schuldhaft eine drittbezogene Amtspflicht verletzt hat. Hier kommt nun der Zurechnungsbegriff, der im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist, ins Spiel: Wenn das schädigende Verhalten des Unternehmers dem Staat noch (nach dem hier zugrundezulegenden Verständnis, also nicht als eigenes Verhalten) zuzurechnen ist, was beim Amtshaftungsanspruch unter dem Prüfungspunkt der „haftungsausfüllenden Kausalität“93 zu untersuchen ist, so sind die wesentlichen Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs erfüllt. Die damit angesprochene Zurechnungsproblematik wird oft unter dem Topos „Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs“ zwischen einem Verhalten und einem bestimmten Erfolg behandelt. Es ist von der einen Geschehensablauf unterbrechenden Wirkung des „Dazwischentretens Dritter“ die Rede.94 Diese Terminologie ändert nichts daran, dass es um eine Form der Zurechnung des Verhaltens des „dazwischentretenden“ Dritten geht. Deutlich zeigt sich das etwa im Fall staatlicher Warnungen, die erst dadurch eine grundrechtsbeeinträchtigende Wirkung entfalten, dass Bürger, die an diese anknüpfen, ihr Verhalten ändern. Ein Beispiel hierfür bildet die staatliche Informationstätigkeit über Sekten, die diesen erst durch das daran anknüpfende Verhalten der Gewarnten einen Mitgliederschwund beschert.95 Wenn in diesem Zusammenhang formuliert wird, es gehe darum, „ob der Erfolg der Warnung trotz des selbständigen Dazwischentretens der Bürger dem Staat zugerechnet werden kann“96, so verstellt dies eher den Blick auf die Problematik. Denn die Warnung 92 Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Staatlichkeit der Handlungen selbständiger Privatunternehmer (von BGH, NJW 2005, 286 [287], NVwZ 2006, 966 [966], auch als „selbständige Verwaltungshelfer“ bezeichnet), die im Auftrag des Staates handeln. Siehe dazu im amtshaftungsrechtlichen Kontext etwa Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 398 ff.; U. Stelkens, S. 287 ff.; Papier, in: Münchener Kommentar, BGB, § 839, Rn. 137 f. 93 Zur haftungsausfüllenden Kausalität s. Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9 Rn. 163 ff. 94 Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9 Rn. 169; Morlok, in: GVwR III, § 52 Rn. 80. 95 Vgl. dazu bei Fn. 121. 96 Morlok, in: GVwR III, § 52 Rn. 80.
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C. Die Aktualität der Zurechnungsproblematik
würde ohne das Verhalten der Bürger gar keinen Erfolg haben können. Das Drittverhalten muss dem Staat zur Bejahung eines Grundrechtseingriffs deshalb zugerechnet werden.97 Ist im Folgenden davon die Rede, dass ein Verhalten zurechenbar sei, bedeutet dies mithin, dass damit eine der Voraussetzungen dafür gelegt ist, dass das Zurechnungssubjekt wegen des Verhaltens einer mit ihr in qualifizierter Verbindung stehenden anderen Person Rechtsfolgen treffen können.
2. Parallele Anwendungsfälle Die so umschriebene der Zweckveranlassung zugrunde liegende Zurechnungsproblematik findet Parallelen in bedeutenden anderen Bereichen des öffentlichen Rechts. Zu denken ist hier zunächst an außerhalb des Polizeirechts angesiedelte Fälle der Verpflichtung Privater zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, insbesondere zur Vorsorge gegen riskantes Verhalten Dritter (a). Daneben kommt aber auch eine Übertragung auf Konstellationen in Betracht, in denen die Zurechnung des Verhaltens Dritter zum Staat in Frage steht. Hervorzuheben sind hier insbesondere die sich bei durch Dritte vermittelten Grundrechtseingriffen stellenden Zurechnungsfragen (b). Diese finden ihre Fortsetzung im Staatshaftungsrecht (c). Obwohl in all diesen Konstellationen das gleiche Sachproblem – Zurechnung des Verhaltens Dritter aufgrund Veranlassung – betroffen ist, wird ein Abgleich der in den verschiedenen Bereichen zur Anwendung kommenden Zurechnungskriterien nicht unternommen; jeder von ihnen weist eine eigenständige Entwicklung auf.98 Von einheitlichen Kriterien ist man daher noch weit entfernt. a) Die Begründung gemeinwohlbezogener Handlungs- und Finanzierungslasten Privater Die – in dieser Arbeit zu entwickelnden – Grundsätze über die Zweckveranlassung bieten sich zunächst zur Übertragung auf alle außerhalb des Polizeirechts angesiedelten Fälle an, in denen der Staat einzelne Privatpersonen oder Personengruppen wie einen „Störer“ ohne Kostenersatz zur Wahrnehmung im öffentlichen
97 Von einem „Dazwischentreten“ zu sprechen, ist im Grunde genommen nur dann korrekt, wenn ein Kausalverlauf, der auch allein zum Erfolg führen würde, durch einen Dritten verändert wird, nicht aber, wenn das Verhalten des Dritten notwendige Voraussetzung des Erfolgseintritts überhaupt ist, es also ohne sein Verhalten überhaupt kein „Dazwischen“ gäbe. 98 Ansätze zu einem Vergleich einiger hier in Rede stehender Zurechnungskonstellationen bei Rönnau/Faust/Fehling, JuS 2004, 113 (117 f.); s. auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 316, die den polizeilichen Begriff der „unmittelbaren“ Verursachung dem des Enteignungs- und Aufopferungsrechts annähern wollen.
II. Die Bedeutung der Zurechnungsproblematik
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Interesse liegender Aufgaben99 verpflichtet. Diese Fallgruppe kann als „Inpflichtnahme“ Privater zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bezeichnet werden.100 Die Rechtfertigung der mit der Inpflichtnahme einhergehenden Sonderbelastung einzelner Privater erfordert inner- wie außerhalb des Polizeirechts eine besondere, den Verpflichteten aus dem Kreis der Allgemeinheit heraushebende verantwortungsbegründende Verbindung zwischen ihm und dem Zweck der von ihm wahrzunehmenden Aufgabe.101 Es liegt nahe, dass sich eine solche Verbindung auch aus dem allgemeinen Zurechnungsgedanken der Verursachung ergeben kann. Besteht ein öffentliches Interesse an der Verhinderung bestimmter Sachlagen, kann die Verpflichtung Privater zu einem entsprechenden vorbeugenden Verhalten mit dem Verursachungsbeitrag gerechtfertigt werden, den der Herangezogene zur Entstehung der missbilligten Sachlage geleistet hat. Wann in diesem Zusammenhang von einer relevanten „Verursachung“ ausgegangen werden kann, kann unter Rückgriff auf polizeirechtliche Zurechnungsgrundsätze bestimmt werden. Soweit die Verursachung auf der Veranlassung Dritter zu einem bestimmten Verhalten beruht, kommt dabei auch, und dies ist im hier gesteckten Rahmen von Interesse, ein Rekurs auf die zur Zweckveranlassung entwickelten Grundsätze in Betracht. Beispiele für derartige Veranlassungskonstellationen bilden insbesondere Fälle, in denen Privatpersonen Pflichten zur Vorsorge102 gegen bestimmte Verhaltensweisen Dritter auferlegt werden. Zu denken ist etwa an die allgemeinen Überwachungs- und Meldepflichten, die Kreditinstituten im Geldwäschegesetz aufgegeben werden (siehe insbesondere § 11 Geldwäschegesetz)103, an die Pflicht von Telekommunikationsunternehmen zur Telekommunikationsüberwachung (§ 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG)104, an die nicht selten diskutierte rechtliche Möglichkeit der Verpflichtung von Kopiergeräteherstellern zur Absicherung ihrer Geräte gegen das Vervielfältigen von Banknoten105, oder auch an die spezialgesetzlich geregelten, vom allgemeinen Gefahrenabwehrrecht nicht erfassten Eigensicherungspflichten, die der Vorsorge gegen Angriffe Dritter dienen106. Neben diese Konstellationen, die die entschädigungslose Verpflichtung Privater zur Vornahme bestimmter Handlungen anstelle des Staates betreffen, treten Fälle, in 99
Zum Begriff der öffentlichen Aufgabe s. Baer, in: GVwR I, § 11 Rn. 13 m. w. N. Die in diesem Zusammenhang verwendete Begrifflichkeit, insbesondere die Unterscheidung zwischen Indienst- und Inpflichtnahme, ist allerdings unscharf (siehe dazu Fn. 961). Entscheidend ist für die Zwecke dieser Arbeit jedoch allein, dass es um die Verpflichtung Privater zur Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben geht. 101 Siehe dazu näher I. I. 102 Gemeint ist damit ein Tätigwerden unterhalb der Schwelle zur Gefahr. 103 Siehe dazu Waechter, VerwArch 87 (1996), S. 68 (88 f.). 104 Siehe dazu etwa Braun, K&R 2009, 386 ff.; Strauß, S. 57 ff. 105 Siehe dazu etwa Kube/Bach/Erhardt/Glaser, ZRP 1990, 301 (302, 304 f.); Riegel, ZRP 1991, 312; Waechter, VerwArch 87 (1996), S. 68 (90); Braun, K&R 2009, 386 (390). 106 Siehe dazu B. II. 5. 100
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C. Die Aktualität der Zurechnungsproblematik
denen Einzelne direkt zur Finanzierung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, etwa im Wege der Erhebung von Gebühren oder von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, herangezogen werden. Auch hier stellen sich Fragen nach der Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung oder Aufgabenerfüllung, deren Lösung von den Grundsätzen über die Zweckveranlassung profitieren könnte.107 b) Durch Dritte vermittelte Grundrechtseingriffe Die bei der Zweckveranlassung relevante Zurechnungsproblematik findet eine Entsprechung auch im Rahmen der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik. Dass Grundrechtseingriffe nicht nur in solchen staatlichen Maßnahmen zu sehen sind, die die Kriterien des „klassischen“ Eingriffsbegriffs – unmittelbare, finale, auf einem zwingenden Rechtssatz beruhende Erschwerung der Grundrechtsbetätigung108 – erfüllen, ist mittlerweile anerkannt.109 Weitgehend Einigkeit besteht zugleich darüber, dass nicht jegliches staatliche Handeln, das einen Grundrechtsträger irgendwie belastet, mit einem rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff gleichzusetzen ist.110 Die Suche nach den insoweit maßgeblichen einschränkenden Kriterien erweist sich aber als schwierig. Es kursiert eine Vielzahl von Vorschlägen zur Handhabung der Problematik.111 In diesen Zusammenhang ist auch die Frage eingebettet, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Grundrechtseingriff in dem Fall angenommen werden kann, in dem ein Dritter an staatliches Handeln anknüpft und es erst durch sein Verhalten zur Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheit kommt. Ganz überwiegend wird dies als eine Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter angesehen.112 Bezeichnet wird die Konstellation als Nebenwirkung113, Kettenverursachung114, sequentielle Beeinträchtigung115 oder Drittbeeinträchtigung116. Diese Begriffe 107 Zur Zurechnung im Gebührenrecht s. H. I. 3. b), zu Sonderabgaben s. noch I. I. bei Fn. 988. 108 Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 124 m. w. N.; BVerfGE 105, 279 (300). 109 Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 125 ff.; BVerfGE 105, 279 (300 f.). 110 Betghe, in: HGR III, § 58 Rn. 21 m. w. N. 111 Siehe nur den Überblick bei Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 128 ff. m. w. N., und im Einzelnen unten I. II. 1. 112 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 186 ff. m. w. N. Anders Poscher, Abwehrrechte, S. 173 ff., der in der hier in Rede stehenden Konstellation den Eingriff nicht erst durch das Verhalten Dritter herbeigeführt sieht, sondern in der hoheitlichen Verpflichtung zur Duldung des Drittverhaltens erkennt. Ähnlich Schwabe, S. 213 ff. Vgl. auch Murswiek, S. 91 ff.; Koch, S. 304 ff., 375 ff., die aber von der Zurechenbarkeit zu duldenden Verhaltens zum Staat ausgehen. 113 Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 14 f. 114 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 169, 187, der diesen Begriff auf das anknüpfende Verhalten Privater, aber auch des Adressaten selbst oder eines fremden Staates bezieht, S. 169 ff. 115 W. Roth, S. 299 f.
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markieren den kritischen Bereich, in dem sich entscheidet, ob sich der Einzelne wegen ihn beeinträchtigenden Verhaltens Dritter gegenüber dem Staat auf die Abwehrfunktion oder die deutlich weniger weitreichende Schutzfunktion der Grundrechte berufen kann.117 Ein Beispiel für eine derartige Fallkonstellation bildet die gesetzliche Anordnung von Ladenschlusszeiten, deren Befolgung durch die Ladeninhaber den Käufern einen späten Einkauf unmöglich macht und dadurch in deren durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit eingreift.118 Ähnlich gelagert ist der Fall des an die Arbeitgeber gerichteten Verbots, Frauen in Nachtarbeit zu beschäftigen. Erst durch Befolgung des Verbots von Seiten der Arbeitgeber kommt es zu einer mit Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG in Konflikt stehenden Ungleichbehandlung.119 Diese Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass dem Dritten durch an ihn gerichtete staatliche Regelungen zwingend vorgeschrieben ist, wie er sich dem Betroffenen gegenüber zu verhalten hat. Nicht immer stellt sich die belastende Folge für den Betroffenen aber so zwangsläufig ein. Anders ist dies insbesondere dort, wo der Staat keine Regelung gegenüber dem die Beeinträchtigungshandlung vornehmenden Dritten trifft, sondern schlicht-hoheitlich tätig wird. Dies ist beispielsweise bei staatlicher Informationstätigkeit der Fall. So führen Produktinformationen erst durch das autonome Käuferverhalten zu Absatzeinbußen, die als Eingriff in Art. 12 GG oder Art. 14 GG anzusehen sein könnten120; Warnungen vor religiösen Gruppen oder die Förderung solcher Warnungen haben erst durch das Verhalten der Öffentlichkeit Auswirkungen auf deren Mitgliederentwicklung und damit gegebenenfalls auf deren Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG121. Nicht selten verlaufen diese Fallkonstellationen parallel zu solchen, die auch Gegenstand der Zweckveranlassung sein können. So erscheint es beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass die Gefahr terroristischer Angriffe Dritter auf hoheitliche Einrichtungen dem Staat zuzurechnen ist.122 Wäre dem so, so könnte den Grundrechten, etwa Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, in ihrer Funktion als Abwehrrechte möglicherweise Ansprüche des Bürgers gegen den Staat auf Maßnahmen zur Eigensicherung entnommen werden. Deutlicher noch sind die Parallelen im Bereich des 116
Koch, S. 211; A. Roth, Drittbetroffenheit, S. 24 f. Hermes, S. 79. 118 BVerfGE 13, 230 ff. 119 BVerfGE 85, 191 ff. 120 BVerwG, NJW 1996, 3161 ff.; BVerwGE 87, 37 ff.; 71, 183 ff. Siehe dazu etwa Philipp, passim; Ossenbühl, Umweltpflege, passim. 121 BVerfGE 105, 252 ff.; 279 ff.; BVerwG, Beschluss vom 8. November 2004 – 7 B 19/04 –, juris; NVwZ 1994, 162 ff.; BVerwGE 90, 112 ff.; ähnlich BVerwG, NJW 2006, 1303 ff.: Überlassung vorformulierter „Schutzerklärungen“ an Unternehmen, mit denen diese die Beziehungen ihrer Geschäftspartner zu Scientology abfragen können, mit dem Ziel, dass die Geschäftsbeziehungen bei Bestehen eines solchen Näheverhältnisses abgebrochen werden. 122 In diese Richtung – auch wenn es in der Sache um die Zurechnung zu einem türkischen Konsulat ging –, VGH Mannheim, VBlBW 2006, 431 ff. 117
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Immissionsschutzrechts: Wird eine Anlage nicht privat, sondern hoheitlich betrieben, so kann die Zurechnung des durch Dritte verursachten Lärms unter dem Blickwinkel der Gesundheitsgefährdung (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) auch grund- und staatshaftungsrechtlich relevant werden.123 Gerade derartige Parallelen lassen die zusammenhängende Behandlung der Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Rahmen der Zweckveranlassung und des durch Dritte vermittelten Grundrechtseingriffs lohnend erscheinen. Ob die sachlich vergleichbaren Konstellationen auch rechtlich den gleichen Grundsätzen folgen, bedürfte einer eigenständigen Untersuchung.124 c) Staatshaftungsrecht Besonders problematisch ist die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Staatshaftungsrecht. Beim öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, dem Folgenbeseitigungsanspruch, dem öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch und den Ansprüchen aus enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff kann die Frage auftreten, ob das Handeln eines Dritten in hinreichend enger, zurechnungsbegründender Beziehung zu der dieses auslösenden staatlichen Maßnahme steht. Ist dies nicht der Fall, entfällt die haftungsbegründende Voraussetzung eines „unmittelbaren Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition“.125 Die Zurechnungsfrage kann darüber hinaus auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität Relevanz erlangen.126 Mit den verschiedenen staatshaftungsrechtlichen Ansprüchen sind verschiedene Anwendungsfälle der Zurechnungsproblematik verbunden: Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs ist die Verursachung von Immissionen durch die Benutzung öffentlicher Anlagen von besonderer praktischer Bedeutung.127 Einen klassischen Fall aus dem Anwendungsbereich des Folgenbeseitigungs- und des Amtshaftungsanspruchs bildet die Einweisung eines Obdachlosen, der die Wohnung nach Ablauf der Einweisungszeit nicht räumt (Folgenbeseitigung erforderlich) und dadurch Mietausfälle verursacht oder die Wohnung beschädigt zu123
Vgl. VGH München, NVwZ 1989, 269; 1997, 96; VGH Kassel, SpuRt 2003, 251 ff.; OVG Koblenz, BauR 2010, 1907 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. November 2010 – OVG 11 B 24.08 –, juris; VG Gießen, KommJur 2004, 155; VG Augsburg, Urteil vom 25. Juli 2001 – Au 4 K 00.1384 –, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 12. März 2004 – 2 A 205/03 – juris; VG Minden, Urteil vom 24. März 2004 – 11 K 1863/02 –, juris; VG Arnsberg, Urteil vom 17. Oktober 2008 – 12 K 2139/08 –, juris; VG Aachen, Urteil vom 7. September 2009 – 6 K 1755/08 –, juris. 124 Siehe hierzu I. II. 1. 125 Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 32 ff., 37 (Folgenbeseitigungsanspruch); § 13 Rn. 17 (öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch); § 16 Rn. 63 ff. (öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch); § 17 Rn. 27 ff., 31 f. (enteignungsgleicher Eingriff); § 17 Rn. 61 ff. (enteignender Eingriff). 126 Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9 Rn. 169 (Amtshaftungsanspruch); § 12 Rn. 54 (Folgenbeseitigungsanspruch). 127 Vgl. die Nachweise in Fn. 123.
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rücklässt (Entschädigung erforderlich).128 Ein Beispiel für einen Anwendungsfall aus dem Bereich des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs bildet die Verletzung eines in einer Heilanstalt Untergebrachten durch einen Mitpatienten.129 Im Bereich des enteignungsgleichen Eingriffs kommt es auf die Zurechnung des Verhaltens Dritter beispielsweise im Fall der auf einem rechtswidrigen Bebauungsplan beruhenden Errichtung von Wohnhäusern in der Nähe eines emittierenden Betriebs an, der dadurch zur Einschränkung seiner Tätigkeit gezwungen wird.130 Ein Beispiel aus dem Anwendungsfeld des enteignenden Eingriffs bildet die Beschädigung eines durch die Polizei sichergestellten Fahrzeugs infolge von Vandalismus.131 Die Einbindung dieser Problematik in den hier gegebenen Kontext erscheint einerseits wegen ihrer offensichtlichen inhaltlichen Parallelität mit der Zweckveranlassung lohnend. Einen besonderen Mehrwert verspricht eine Betrachtung der staatshaftungsrechtlichen Zurechnung im Zusammenhang auch deshalb, weil sie von der ihrerseits mit der Zweckveranlassung eng verbundenen Dogmatik zum mittelbaren Grundrechtseingriff kaum zu trennen ist. Denn staatshaftungsrechtliche Ansprüche setzen – mit Ausnahme des Amtshaftungsanspruchs – einen Eingriff in ein subjektives Recht voraus. Als subjektive Rechte, deren Verletzung diese Ansprüche begründet, kommen auch und vor allem die Grundrechte in Betracht.132 Wann ein Grundrechtseingriff vorliegt, ist Sache der Grundrechtsdogmatik. Dass Zurechnungsentscheidungen im grundrechtlichen Zusammenhang und im Bereich der Staatshaftung bislang weitgehend ohne Seitenblick nach je eigenen Maßstäben entschieden werden, erscheint daher besonders fragwürdig und trägt massiv zur Verunsicherung im Umgang mit Zurechnungsgründen im öffentlichen Recht bei.
128
BGHZ 130, 332 ff. BGH, NJW 1971, 1881 f.; ähnlich BGHZ 17, 172 ff. 130 BGHZ 92, 34 ff. 131 BGHZ 100, 335 ff. 132 Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 34 (Folgenbeseitigungsanspruch); § 16 Rn. 62; §17 Rn. 7 (Aufopferungsanspruch); § 17 Rn. 26 (enteignungsgleicher Eingriff), 59 (enteignender Eingriff). 129
D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht Grundvoraussetzung der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Zweckveranlassung ist, dass im Gefahrenabwehrrecht kein Regressverbot des Inhalts gilt, dass eine zu einer Gefahr führende Kausalkette nicht hinter die Handlung eines Verantwortlichen zurückverfolgt werden darf.133 Die Inanspruchnahme eines Veranlassers für Gefahren, die durch das an sein Verhalten anknüpfende Handeln Dritter verursacht werden, würde dann – abgesehen von der Möglichkeit, ihn als Nichtstörer in Anspruch zu nehmen – stets ausscheiden; weitere Erwägungen zur Zweckveranlassung würden sich erübrigen.134 Unter modernen Verhältnissen erscheint die aus einem solchen Regressverbot folgende Einordnung nur der zuletzt gesetzten Ursache als wesentliche Ursache allerdings schon fast anachronistisch: Verschiedene Menschen und ihre Handlungen sind gerade heutzutage auf vielfältige Weise miteinander verknüpft. Insbesondere die neuen Möglichkeiten zur Netzwerkbildung im Internet, die sich beispielsweise in dem aktuellen Phänomen der Facebook-Partys135 ausdrücken, führen eindrucksvoll vor Augen, wie wenig es den realen Verhältnissen entspräche, allein die letzte Ursache einer Gefahr als polizeirechtlich relevant anzusehen. In anderen Rechtsgebieten ist ein solcher, sehr formal anmutender Umgang mit dem Begriff der Verursachung ohnehin unvorstellbar.136 So ist es insbesondere im Straf- und Zivilrecht, wo sich (im Unterschied zum öffentlichen Recht) ausgeprägte Zurechnungsdogmatiken entwickelt haben, eine Selbstverständlichkeit, dass auch der „mittelbare“ Verursacher eine relevante Ursache setzen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zurechnungsfrage eine Kodifizierung gefunden hat oder nicht. Besondere Nähe zur gefahrenabwehrrechtlichen Problematik der Zweckveranlassung weist dabei die zivilrechtliche Zurechnungsdogmatik zu § 1004 BGB auf: Dort wird die Zurechenbarkeit von durch Dritte herbeigeführten Störungen zu einem Veranlasser ohne 133
Der Begriff soll hier damit weiter verstanden werden als im Strafrecht, wo „Regressverbot“ das Verbot des Rückgriffs auf eine hinter einem vorsätzlichen menschlichen Verhalten liegende Ursache bezeichnet, Roxin, in: FS Tröndle, S. 177. 134 So offenbar Kugelmann, Kap. 6 Rn. 32; vgl. auch Erbel, JuS 1985, 257 (261 ff.), bei dem allerdings angesichts seiner Ausführungen zur „mittelbaren Täterschaft“ im Polizeirecht (S. 261) nicht ganz deutlich wird, ob er sich gegen die Zurechnung an sich (so das Verständnis von Hollands, S. 156) oder nur gegen die gängigen Kriterien zur Zweckveranlassung wendet. 135 Siehe B. II. 4. 136 Siehe dazu Hollands, S. 156 f.
D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
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größere Umstände bejaht.137 Hervorzuheben sind daneben die besonders ausgeprägten Zurechnungstatbestände im Strafrecht.138 Diese sehen die Zurechnung des Verhaltens Dritter zu einem „Hintermann“ etwa mit den Figuren der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) und der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB), aber auch der Anstiftung und der Beihilfe (§§ 26 f. StGB) vor.139 Auch im besonderen Gefahrenabwehrrecht ist die auf Veranlassung beruhende Verantwortlichkeit für das störende Verhalten Dritter teilweise kodifiziert. So macht etwa § 8 Abs. 2 AbfVerbrG ausdrücklich den „Veranlasser“ für die Kosten der Rückführung von Abfall verantwortlich, der durch Dritte illegal ins Ausland verbracht wird oder werden soll.140 Dass entsprechende Fragen im Kontext des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts anders, nämlich im Sinne eines Regressverbots zu handhaben sein sollen, bedürfte angesichts dessen der besonderen Begründung.141 Zur Rechtfertigung eines gefahrenabwehrrechtlichen Regressverbots wird vorgebracht, der Zurechnung bedürfe es insbesondere angesichts der bestehenden und ausreichenden Möglichkeiten der Polizei zum Tätigwerden mit eigenen Mitteln und zur Inanspruchnahme des „Hintermanns“ als Nichtstörer (§ 9 PolG BW) nicht (I.). Ferner wird auf die Unvereinbarkeit der Zweckveranlassung mit dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (II.), dem auf dem Prinzip der Selbstverantwortlichkeit aufbauenden Menschenbild des Grundgesetzes (III.) und den Grundrechten des Zurechnungssubjekts (IV.) verwiesen. Insgesamt ist ein großes Unbehagen im Umgang mit der Zweckveranlassung zu erkennen, die verbreitet als Fremdkörper in der gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnungsdogmatik empfunden wird (V.). All diese Einwände und Bedenken überzeugen jedoch nicht. Eine am verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz effektiver Gefahrenabwehr und den Grundrechten 137 BGHZ 144, 200 (203 f.) m. w. N. Siehe dazu im Einzelnen F. IV. 2. c) bb), und für das Zivilrecht weiterhin § 830 BGB. 138 Zur Charakterisierung der gesetzlichen Beteiligungsformen im Strafrecht als Zurechnungstypen s. Bloy, passim. 139 Dass die Zurechnung in der strafrechtlichen Literatur teilweise unter Berufung auf ein „Selbstverantwortungsprinzip“ beschränkt wird (Stratenwerth, in: FS Schmidt, S. 390 ff.; Renzikowski, S. 68 ff.; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor § 13 Rn. 101 f.), ändert daran, dass die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Strafrecht grundsätzlich anerkannt wird, nichts. So wird das Selbstverantwortungsprinzip gerade mit den strafrechtlichen Spezialregelungen zur mittelbaren Täterschaft – die dann eben doch eine Zurechnung ermöglichen – begründet. 140 Nach BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 – 7 B 30/06 –, juris, Rn. 5, zu dem insoweit gleichlautenden § 6 Abs. 1 AbfVerbrG a. F., erfasst dieser Begriff, jedenfalls aber die Erwähnung der „sonstigen Beteiligung“ die Zweckveranlassung. 141 Dass der „Veranlasser“ in § 8 Abs. 2 AbfVerbrG anders als in den allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften ausdrücklich als Verantwortlicher genannt wird, lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass die allgemeinen Vorschriften zur Gefahrverursachung den Veranlasser nicht erfassen. § 8 Abs. 2 AbfVerbrG gilt nur in den Grenzen der polizeirechtlichen Verhaltensverantwortlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 – 7 B 30/06 –, juris, Rn. 5). Die Regelung dient nicht der Ausweitung der allgemeinen Grundsätze über die Gefahrverursachung.
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orientierte Betrachtung ergibt vielmehr, dass auf die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter zu einem Veranlasser im Gefahrenabwehrrecht nicht verzichtet werden kann (VI.).
I. Zum Einwand der Entbehrlichkeit der Zweckveranlassung Die Zweckveranlassung sieht sich dem grundlegenden, letztlich systematischen Einwand ausgesetzt, das Gefahrenabwehrrecht halte Instrumente bereit, die der Effektivität der Inanspruchnahme des Veranlassers als Störer weitgehend gleichkämen.142 Erwägungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter zu einem Veranlasser seien deshalb überflüssig. Zur Begründung wird auf die Möglichkeit der Polizei verwiesen, eine Gefahr durch Inanspruchnahme des Veranlassten oder durch den Einsatz eigener Mittel zu bekämpfen.143 Auch könne der Veranlasser regelmäßig nach den gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften über die Heranziehung von Nichtstörern im polizeilichen Notstand in Anspruch genommen werden.144 Wo diese Möglichkeiten ausnahmsweise nicht in Betracht kämen, sollen die mit der Annahme eines Regressverbots einhergehenden Effektivitätseinbußen der Gefahrenabwehr hinnehmbar sein.145 Diese Argumentation unterschätzt jedoch die Bedeutung des Effektivitätsgrundsatzes und den Beitrag, den die Zweckveranlassung zu der Effektivität der Gefahrenabwehr leisten kann.
1. Effektivität der Gefahrenabwehr als Argument Daran, dass der Grundsatz effektiver Gefahrenabwehr bei der Bestimmung des Kreises polizeirechtlich verantwortlicher Personen Beachtung finden muss, können keine ernsthaften Zweifel bestehen.146 Wer dies anders sieht, muss sich zwangsläufig die Frage gefallen lassen, woran Auslegung und Anwendung des Polizeirechts sonst 142 Bott, S. 50, 137 f.; Herrmann, DÖV 1987, 666 (670); Widder, S. 119; Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580); Poscher, Jura 2007, 801 (807); Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 31 f. 143 Bott, S. 50, 137; Herrmann, DÖV 1987, 666 (670). 144 Bott, S. 50, 137; Widder, S. 119; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 31 f.; Poscher, Jura 2007, 801 (807); Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580), diese allerdings insoweit widersprüchlich, als sie die Zweckveranlassung zugleich wegen Umgehung der „eher strengen Voraussetzungen für die gesetzlich geregelte Inanspruchnahme des Nichtstörers“ (S. 579) kritisieren. 145 Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580). 146 Ablehnend aber etwa Vieth, S. 70 mit Fn. 163; Herrmann, DÖV 1987, 666 (669 f.); Brandner, S. 81.
I. Zum Einwand der Entbehrlichkeit der Zweckveranlassung
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orientiert sein sollten, wenn nicht zumindest auch an den Erfordernissen der Gefahrenabwehr. Eine überzeugende Antwort wäre nicht zu erwarten. Die Sicherung einer effektiven Gefahrenabwehr ist nicht lediglich, wie ihr oft leicht abschätzig unterstellt wird, eine Praktikabilitätserwägung147, sondern eine Erwägung rechtlicher Art. Die Wirksamkeit der Gefahrenabwehr zu gewährleisten ist elementare, sich aus dem hoheitlichen Gewaltmonopol ergebende Aufgabe des Staates.148 Dieser Zweck ist daher auch bei der Auslegung seiner der Gefahrenabwehr dienenden Gesetze zu berücksichtigen.149 Richtig ist zwar, dass der Zweck effektiver Gefahrenabwehr nicht der einzige Gesichtspunkt ist, der die Reichweite des Gefahrenabwehrrechts bestimmt. Stets ist ein Ausgleich zwischen effektiver Gefahrenabwehr und gegenläufigen rechtlich geschützten Interessen herzustellen.150 Insbesondere kann die Effektivität der Gefahrenabwehr allein die Inanspruchnahme einer Person als Störer nicht erlauben – niemand kann nur deshalb als Verhaltensverantwortlicher in Anspruch genommen werden, weil er Inhaber des „Gegenmittels“ gegen eine Gefahr oder Störung ist.151 Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, das von „Verursachung“ spricht. Sind aber Voraussetzungen erfüllt, die unter den Begriff der Verursachung gefasst werden können, ist die Effektivität der Gefahrenabwehr ein bei der Einordnung einer Person als Störer zu berücksichtigender Gesichtspunkt.152
147 Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 29; auch Beaucamp/Seifert, JA 2007, 257 (257), sprechen davon, dass die Zweckveranlassung in einem „praktischen Bedürfnis“ wurzele. 148 BVerfGE 46, 24 (56 f.): Sicherheit als mit anderen im Rang gleichstehender unverzichtbarer Verfassungswert, der dem Staat „seine eigentliche und letzte Rechtfertigung“ verschaffe; 115, 320 (346); 120, 274 (319); Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 2; Martensen, DVBl. 1996, 286 (287). 149 Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 312, und mit Blick auf die Zweckveranlassung OVG Münster, NVwZ 1997, 804 (805); Schmelz, BayVBl. 2001, 550 (551). Nicht überzeugend ist das dagegen von Brandner, S. 81, vorgebrachte Argument, Gefahrenabwehr und Verhaltensverantwortlichkeit beruhten auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen. Dass die Verhaltensverantwortlichkeit der Gefahrenabwehr dient und ihre Ausweitung deren Effektivität (und nicht nur, wie Herrmann, DÖV 1987, 666 [670], und wohl auch Waechter, POR, Rn. 405, meinen, deren Kosteneffizienz) stärkt (s. dazu im Einzelnen noch sogleich unter 2.), kann nicht zweifelhaft sein. 150 Klement, Verantwortung, S. 220; Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 131. Dies wird besonders in der verstärkt seit dem 11. September 2001 geführten Diskussion über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit deutlich; s. nur Masing, JZ 2011, 753 ff., Voßkuhle, in: FS Würtenberger, S. 1101 ff. Zur Bedeutung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Veranlassers für dessen Einordnung als Störer s. unten D. IV. 151 W.-R. Schenke, POR, Rn. 240. 152 Vgl. etwa BVerfGE 102, 1 (17), wonach die Effektivität der Gefahrenabwehr unbeschadet der Haftung des Verursachers die Heranziehung des Eigentümers als Zustandsstörer rechtfertigt. Bei der Auswahl unter mehreren Störern ist die Relevanz der Effektivität der Gefahrenabwehr anerkannt (Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 131).
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
2. Effektivitätseinbußen durch Regressverbot Die Bejahung eines Regressverbots wäre der Effektivität der Gefahrenabwehr abträglich.153 Die gegenteilige Behauptung, nach der die Polizei insbesondere durch den Einsatz eigener Mittel in der Lage sei, die durch die Ablehnung der Zurechenbarkeit entstehende Lücke zu füllen, überzeugt nicht.154 Dass die Inanspruchnahme eines Veranlassers erfolgreicher sein kann als das Tätigwerden der Polizei mit eigenen Mitteln oder auch das Vorgehen gegen die „unmittelbaren“ Störer, zeigt sich gerade in den Konstellationen, die der Zweckveranlassung zugrunde liegen, deutlich: So könnte die Verletzungsgefahr, die durch in der regennassen Fußgängerzone fallen gelassene Flugblätter entsteht, wirksamer beseitigt werden, wenn nicht die die Verschmutzung „unmittelbar“ verursachenden Passanten in Anspruch genommen werden oder die Polizei jedes weggeworfene Flugblatt selbst aufliest, sondern der Flugblattverteiler verpflichtet wird, sein Verhalten einzustellen. Dies ist nur ein Beispiel; ähnliches gilt aber auch in den übrigen Veranlassungskonstellationen. Denn eine polizeiwidrige Sachlage kann durch die Inanspruchnahme des Veranlassers an der Wurzel beseitigt werden.155 Dass ein Regressverbot, wenn überhaupt, nur einen geringen Effektivitätsverlust zur Folge haben würde, wird teilweise auch mit den polizeilichen Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Nichtstörern begründet. Ein Nichtstörer kann nach § 9 PolG BW herangezogen werden, „wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen oder wenn durch Maßnahmen [gegen einen Störer] ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht“. Die Zweckveranlassung sei deshalb entbehrlich, weil die ihr zugrunde liegenden Fallkonstellationen ihrer Struktur nach denen des polizeilichen Notstands entsprächen: Da eine Inanspruchnahme des Veranlassten oft153 Auch Gegner der Zweckveranlassung gehen von Effektivitätsverlusten aus, sehen diese aber angesichts der dafür nach ihrer Auffassung gewonnen Rechtsstaatlichkeit und Plausibilität als verkraftbar an, Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580). 154 Dies gesteht auch Brandner, S. 81, zu. Anders aber Herrmann, DÖV 1987, 666 (669 f.). Siehe auch M. Peine, S. 225, der im Kontext der Zusatzverantwortlichkeit davon ausgeht, dass die Ausweitung der Zahl der für eine Gefahr als Störer haftenden Personen der Effektivität der Gefahrenabwehr zuträglich ist. 155 Beispiel (Transport von Demonstranten zu einer verbotenen Versammlung) bei Zeitler, DÖV 1997, 371 (375). An der Effektivität der Inanspruchnahme des Veranlassers ändert auch der Umstand nichts, dass dieser sich gegen eine an ihn gerichtete polizeiliche Verfügung zur Wehr setzen oder deren Befolgung verweigern könnte (so aber Herrmann, DÖV 1987, 666 [670]). Die Anfechtung polizeilicher Verfügungen hat, soweit diese durch den Polizeivollzugsdienst erlassen werden, keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO); im Übrigen kann die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet werden (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Dass eine polizeiliche Verfügung rechtswidrigerweise nicht befolgt wird, dürfte kaum der Regelfall sein und könnte auch keinen Grund dafür bilden, allgemein auf eine Inanspruchnahme eines Gefahrverursachers als Störer zu verzichten.
I. Zum Einwand der Entbehrlichkeit der Zweckveranlassung
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mals nicht oder nicht rechtzeitig zur Gefahrabwendung führe, seien die Voraussetzungen, den Veranlasser als Nichtverantwortlichen heranzuziehen, regelmäßig erfüllt.156 In der Tat sind gewisse strukturelle Parallelen zwischen Zweckveranlassung und Nichtstörerhaftung erkennbar. Bei beiden sieht sich die Polizei nicht selten mit einer der Gefahr näher und einer der Gefahr weniger nah stehenden Person konfrontiert. Auch ist es durchaus denkbar, dass die Inanspruchnahme des Veranlassers im Einzelfall über die Grundsätze über die Heranziehung von Nichtstörern gerechtfertigt werden könnte. Dafür allerdings, dass dies in den Zweckveranlassungskonstellationen regelmäßig der Fall ist, spricht nichts. Denn an das Vorliegen eines polizeilichen Notstands werden ausgesprochen hohe Anforderungen gestellt. Diese sind nicht konsequent an dem Zweck effektiver Gefahrenabwehr ausgerichtet. So ist die Inanspruchnahme des Veranlassers als Nichtstörer dann nicht möglich, wenn sie nicht der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 MEPolG157) oder unmittelbar bevorstehenden Störung (§ 9 Abs. 1 PolG BW) dient.158 Darüber hinaus setzt die Inanspruchnahme Unbeteiligter nach verbreiteter Ansicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit voraus, dass eine erhebliche Gefahr für bedeutsame Rechtsgüter besteht.159 Der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr verlangt aber, dass auch eine nicht solchermaßen qualifizierte Gefahr wirksam abgewehrt werden kann. Ein polizeilicher Notstand liegt zudem nur vor, wenn die Polizei den polizeiwidrigen Zustand nicht auf andere Weise als durch Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher beseitigen kann. Das Vorgehen gegen den „unmittelbaren“ Störer ist in den Zweckveranlassungskonstellationen zwar weniger wirksam und aufwändiger als eine Inanspruchnahme des Veranlassers. Zur Gefahrenabwehr – und allein darauf
156
Poscher, Jura 2007, 801 (807); Wobst/Ackermann, JA 2013, 916, 918. Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder in der Fassung des Vorentwurfs zur Änderung des Polizeigesetzes (Stand: 12. März 1986), abgedruckt etwa bei Knemeyer, Rn. 549 ff. 158 Mit den abweichenden Formulierungen in den Polizeigesetzen gehen keine inhaltlichen Unterschiede einher; notwendig ist stets eine „erhöhte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts“, vgl. W.-R. Schenke, POR, Rn. 78. Die Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmals können nicht, wie es das VG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2012 – 15 E 756/12 –, juris, Rn. 47, im Zusammenhang mit der Vorbeugung gegen Ausschreitungen von Fußballfans tut, mit der Erwägung bejaht werden, dass der Spieltermin genau feststehe und deshalb keine Unsicherheit über den Zeitraum bestehe, in dem sich die Gefahr verwirklichen könne. Erforderlich ist vielmehr ein besonders enger zeitlicher Zusammenhang, so tendenziell auch OVG Hamburg, NJW 2012, 1975 (1976 f.), unter Hinweis auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 b) NdsSOG: „Im Sinne dieses Gesetzes ist […] eine gegenwärtige Gefahr eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht“. 159 Schoch, Jura 2007, 676 (678); W.-R. Schenke, POR, Rn. 314; s. auch § 6 Abs. 1 Nr. 1 MEPolG. 157
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
kommt es an160 – ist es aber in der Regel geeignet. Dass in den Zweckveranlassungskonstellationen regelmäßig die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt sind, ist daher nicht anzunehmen. Einigkeit besteht zumindest darüber, dass sie jedenfalls nicht stets vorliegen, der Verzicht auf die Zweckveranlassung also einen Effektivitätsverlust bedeuten würde. Selbst wenn aber der Veranlasser regelmäßig als Nichtstörer in Anspruch genommen werden könnte, würde das nicht notwendig dagegen sprechen, ihn aufgrund des ihm zurechenbaren störenden Verhaltens Dritter als Störer einzuordnen. Die Behandlung des Veranlassers als Nichtstörer führte nämlich dazu, dass ihm für den durch seine Inanspruchnahme entstandenen Schaden generell ein Anspruch auf Entschädigung zustünde (§ 55 Abs. 1 PolG BW). Es erscheint aber unbillig, dem Veranlasser dafür, dass die Polizei gegen ihn wegen einer von ihm ausgehenden Provokation anderer zu störendem Verhalten vorgeht, noch eine Entschädigung zuzugestehen.161 Von einer Entschädigung müsste daher nicht nur in Einzelfällen162, sondern wegen des eigenen Verursachungsbeitrags des Nichtverantwortlichen in aller Regel abgesehen werden.163 Zwar dürften die gesetzlichen Regelungen (vgl. § 55 Abs. 1 S. 2 PolG BW) oder – schon zweifelhafter – eine analoge Anwendung des § 254 BGB164, auch dies erlauben. Ist der Grund für den Ausschluss der Entschädigung aber gerade der Beitrag des „Nichtverantwortlichen“ zur Entstehung der Gefahr und lassen sich diese Fälle über das Merkmal der Veranlassung verallgemeinern, so spricht aus systematischen Gründen alles dafür, die betroffene Person nicht als Nichtstörer ohne Entschädigung, sondern als Störer zu behandeln. Dem Argument, durch die Möglichkeit zur flexiblen Handhabung der Entschädigung über § 254 BGB analog eröffneten sich der Polizei angemessene Reaktionsmöglichkeiten im Umgang mit dem Veranlasser polizeilicher Störungen165, lässt sich entgegenhalten, dass es mindestens ebenso erstrebenswert sein dürfte, der Polizei durch die Einordnung des Veranlassers als Störer die Flexibilität zu geben, diesen unter Umständen auch unterhalb der Schwelle des polizeilichen Notstands für Maßnahmen der Gefahrenabwehr in Anspruch zu nehmen. Die Bewältigung der der Zweckveranlassung zugrunde liegenden Sachverhalte allein über den polizeilichen Notstand widerspricht dem Zweck der Regelungen über den polizeilichen Notstand. Diese sind für den Umgang mit seltenen Ausnahmesi160
Siehe nur W.-R. Schenke, POR, Rn. 315: „Die Abwehr der Gefahr bzw. Störung darf nicht durch Maßnahmen gegen den Störer möglich sein“. Nicht ausreichend für die Inanspruchnahme des Nichtstörers ist, dass die Gefahr dadurch mit erheblich geringerem Aufwand abgewehrt werden könnte als durch ein Vorgehen gegen den Störer, Götz, POR, § 10 Rn. 6. 161 Vgl. Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (85), wonach die Leistung einer Entschädigung an den Veranstalter eines Fußballspiels für die Anordnung, dieses infolge von ihm zurechenbaren Fankrawallen zu verschieben, nicht gerechtfertigt wäre. 162 So aber Poscher, Jura 2007, 801 (807). 163 Vgl. Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580). 164 Vgl. Poscher, Jura 2007, 801 (807). 165 Poscher, Jura 2007, 801 (807).
II. Zum Einwand der fehlenden gesetzlichen Grundlage
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tuationen konzipiert, nicht für den Umgang mit der alltäglich auftretenden Gefahrschaffung durch die Veranlassung Dritter zu gefährlichem Verhalten. Der polizeiliche Notstand dient nicht der Lösung von Standardfällen, sondern soll im Ausnahmefall einen letzten Ausweg zur Gefahrenabwehr bilden. Die Verursachung einer Zuschaueransammlung, die den Gehsteig blockiert, oder das Hervorrufen von Lärmbeeinträchtigungen durch nächtliche Warenanlieferung durch einen Supermarkt, sind Probleme, die das Polizeirecht lösen muss. Es sind aber nicht die Sachverhalte, für die die Regelungen über den polizeilichen Notstand geschaffen wurden. Schon die Bezeichnung der genannten Konstellationen als „Notstand“ ist unpassend. Stünde für den Umgang mit den Veranlassungsfällen nur das Instrument des polizeilichen Notstands zur Verfügung, wäre außerdem zu befürchten, dass dessen bewusst anspruchsvoll gefassten Voraussetzungen zunehmend entwertet und missachtet werden, um alle Veranlassungskonstellationen zu erfassen.
3. Zwischenergebnis Die Zurechnungsfigur der Zweckveranlassung ist nicht deshalb entbehrlich, weil das Gefahrenabwehrrecht andere Möglichkeiten bereithielte, die dem verfassungsrechtlich verankerten Erfordernis effektiver Gefahrenabwehr gleichermaßen Rechnung trügen wie die Einordnung eines Veranlassers als Störer. Die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter zu einem Veranlasser erweitert die Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr. Wenn ihr rechtliche Gründe nicht entgegenstehen, ist sie daher anzuerkennen.
II. Zum Einwand der fehlenden gesetzlichen Grundlage Die Vorschriften über die gefahrenabwehrrechtliche Verantwortlichkeit sind Teil der in den Polizei- und Ordnungsgesetzen enthaltenen (zusammengesetzten) Ermächtigungen zum polizeilichen Grundrechtseingriff. Um mit dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes vereinbar zu sein, muss die Zweckveranlassung sich unter diese Vorschriften subsumieren lassen. Dass der Zweckveranlasser „Verursacher“ im Sinne der Polizei- und Ordnungsgesetze ist, wird vereinzelt bestritten: Der Zweckveranlasser verursache die Gefahr oder Störung nicht selbst; vielmehr müsse ein störendes Verhalten Dritter hinzukommen. Die Anerkennung der Zweckveranlassung sprenge daher den Wortlaut der Vorschriften über den Handlungsstörer.166 Eine Analogie sei mangels Planwidrigkeit der Lücke und der fehlenden Ähnlichkeit zwischen Zweckveranlasser und Handlungsstörer gravierenden methodischen Bedenken ausgesetzt.167 166 167
Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (578); vgl. auch Wobst/Ackermann, JA 2013, 916, 917. Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (578 f.).
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
Dieser Einwand geht fälschlicherweise davon aus, dass die Herausforderung Dritter zu einem störenden Verhalten grundsätzlich – also unabhängig davon, von welchen Zurechnungskriterien die Zweckveranlassung im Einzelnen abhängig gemacht wird – nicht als „Verursachung“ einer Gefahr begriffen werden kann. Jedoch ist auch ein Verhalten, das einen Erfolg erst vermittelt durch ein bestimmtes Drittverhalten herbeiführt, ursächlich für diesen. Die Besonderheit besteht dann lediglich darin, dass es sich um einen Fall psychisch vermittelter Kausalität handelt.168 Dafür, dass diese von den polizeirechtlichen Adressatenvorschriften nicht erfasst sein soll, gibt deren Wortlaut keine Anhaltspunkte. Insbesondere verlangen die Polizeigesetze nicht, dass der Verursacher die Gefahr „selbst“, also ohne die Mitwirkung anderer Personen, geschaffen haben muss. Die Zweckveranlassung lässt sich daher ohne Weiteres unter den Begriff der „Verursachung“ subsumieren. Sie ist nicht das Ergebnis eines Analogieschlusses zu den Vorschriften über die Verhaltensverantwortlichkeit. Allenfalls könnte sie als Analogie zu den polizeirechtlichen Verursachungstheorien verstanden werden.169 Dies allein würde ihre hinreichende gesetzliche Fundierung aber nicht in Frage stellen. Freilich ändert dies nichts daran, dass die für die Zweckveranlassung geltenden Zurechnungskriterien so ausgestaltet sein müssen, dass sie die Anforderungen des Begriffs der „Verursachung“ erfüllen. Es könnte beispielsweise zweifelhaft sein, ob eine drittvermittelte Gefahr bereits dann „verursacht“ ist, wenn der Veranlasser lediglich das Risiko des gefährlichen Verhaltens Dritter erhöht hat, sich ein kausaler Zusammenhang im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel aber nicht feststellen lässt.170 Ein grundsätzlicher Einwand gegen die Zweckveranlassung, für die derartiges ohnehin nicht vertreten wird, ergibt sich hieraus aber nicht.
III. Zum Einwand der Verletzung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Selbstverantwortung Gegen die Zurechnung der Folgen des Verhaltens Dritter aufgrund Veranlassung wird weiter vorgebracht, diese sei mit der Selbstverantwortung des Einzelnen nicht vereinbar. Dritte würden durch die Rechtsfigur der Zweckveranlassung in die Rolle „verführter und gesteuerter Marionetten“171 gedrängt.172 Ihr Verhalten falle nicht in die vom Veranlasser beherrschbare und verantwortbare Sphäre. Die Zweckveran168
Siehe dazu näher F. II. 1. Auch dies ist aber angesichts der Tendenz, die Verursachungstheorien auf die Zweckveranlassungsfälle auszuweiten (s. E. I.), zweifelhaft. 170 Zur Risikoerhöhungslehre und Conditio-sine-qua-non-Formel s. F. II. 1. 171 Erbel, JuS 1985, 257 (263). 172 Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (578). 169
III. Zum Einwand der Verletzung des Prinzips der Selbstverantwortung
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lassungskonstruktion widerspreche daher „dem auf personale Freiheit und Selbstverantwortung gründenden Menschenbild der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG“173.174 In der Tat beschreibt das Bundesverfassungsgericht, das hierzu unterschiedliche Formulierungen gebraucht175, den Menschen als „eigenverantwortliche Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft“176. Das Menschenbild des Grundgesetzes ist mithin durch einen Dualismus von Eigenverantwortlichkeit der Person und ihrer Gemeinschaftsgebundenheit gekennzeichnet.177 Das hier interessierende Merkmal der Eigenverantwortlichkeit178 beinhaltet, dass dem Grundrechtsträger gegenüber dem Staat ein Raum zur unbeeinträchtigten, von freier Selbstbestimmung getragenen Lebensgestaltung zusteht, der durch die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte gesichert wird.179 Es verweist damit auf eine liberale Grundrechtstheorie.180 Legt man die Betonung auf den Wortbestandteil „Verantwortung“, so kommt zu dieser Freiheit ein Pflichtmoment hinzu, das einen bestimmte Werte respektierenden Freiheitsgebrauch verlangt181 und zugleich – was im hier gegebenen Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist – beinhaltet, dass der Einzelne für die Folgen des eigenen Verhaltens grundsätzlich selbst einzustehen hat182. Ob aus dem Menschenbild des Grundgesetzes als solchem Schlussfolgerungen für die Beantwortung konkreter Rechtsfragen gezogen werden können, wird bezweifelt.183 Zweifel ergeben sich insbesondere aus der Ambivalenz des Menschenbild173
Erbel, JuS 1985, 257 (263). Erbel, Klausurenlehre, S. 130 f.; JuS 1985, 257 (263); s. auch Widder, S. 98, der die Zweckveranlassung auch deshalb ablehnt, weil „[i]n allen diesen Fällen […] das auf persönliche Freiheit und Selbstverantwortung beruhende Menschenbild des Grundgesetzes, wie es sich aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ergibt, in die Bestimmung der Zurechnung miteinbezogen werden [muß]“. 175 Becker, S. 44 ff. 176 BVerfGE 24, 119 (144); 79, 51 (63); 83, 130 (140); 121, 69 (92); BVerfG, NJW 2010, 2336 (2337). 177 Siehe auch BVerfGE 5, 85 (204 ff.); 6, 32 (40); 45, 187 (227 f.); 115, 118 (152); Becker, S. 33 ff.; Merten, VVDStRL 55 (1996), S. 7 (17 ff.); Frenz, S. 196 f. 178 Siehe zu dessen Bedeutung auch Hillgruber, Selbstverantwortung, passim. 179 Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 84 ff.; Klement, Verantwortung, S. 314 f., 472. 180 Höfling, S. 55. 181 Vgl. Klement, Verantwortung, S. 472 ff. 182 Hillgruber, Selbstverantwortung, S. 167: „Von ihrer [der freiheitsberechtigten Individuen] grundrechtlichen Freiheit so und nicht anders als tatsächlich geschehen Gebrauch zu machen, ist allein ihre Entscheidung, deren Folgen sie dementsprechend – jedenfalls grundsätzlich – selbst zu tragen haben und nicht auf einen anderen abwälzen können. […] Die prinzipielle grundrechtliche Duldungspflicht des Staates gegenüber den Freiheitsbetätigungen seiner Bürger schließt auch eine Verantwortungszuweisung an den Staat aus“; Frenz, S. 197; Panagopoulou-Koutnatzi, S. 203 f.; vgl. auch Kohler, in: Holzhey/Kohler, S. 7 (25); Klement, Verantwortung, S. 518 ff. Siehe auch Spießhofer, S. 10 f., derzufolge Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG die verfassungsrechtliche Grundlage der Verhaltensverantwortlichkeit bildet. 183 Becker, S. 124 ff.; Frenz, S. 195, der davon ausgeht, dass das Menschenbild des Grundgesetzes „jedenfalls die Ableitung eines anderweitig verfassungsrechtlich fundierten 174
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
begriffs, die sich schon in der beschriebenen Zweiseitigkeit der „Eigenverantwortung“ ausdrückt, durch die Betonung des Gemeinschaftsbezugs des Individuums aber noch verstärkt wird. Das Menschenbild des Grundgesetzes ließe sich daher möglicherweise nur als Beschreibung eines Problems begreifen, das in jedem Einzelfall erst durch eine Abwägung aufzulösen ist.184 Andererseits sind mit dem verfassungsrechtlichen Menschenbild Grundannahmen verbunden, die unabhängig von der Austarierung seiner Bestandteile unverrückbar erscheinen. Diese Grundannahmen könnten auch als Direktiven bei der Entscheidung über die Zurechenbarkeit von Folgen eines Verhaltens, insbesondere von Drittverhalten, dienen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass das Menschenbild des Grundgesetzes nicht etwas Außerrechtliches, sondern das Ergebnis einer aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten, gewonnenen Wertung ist. Es ist daher mit einem hohen Rang ausgestattet und durchdringt angesichts der Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung185 die gesamte nationale Rechtsordnung. Die vom Grundgesetz vorausgesetzte Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung erfordert notwendig die zur Selbstbestimmung.186 Selbstbestimmung setzt voraus, „daß dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten“.187 Der Einwand, die Zweckveranlassung dränge den Veranlassten in die Rolle einer gesteuerten Marionette, zielt darauf, dass dessen Selbstbestimmungsfähigkeit durch die Zurechnung seines Verhaltens zu einer ihn veranlassenden Person in Abrede gestellt werde. Davon kann aber nicht die Rede sein. Wenn das Verhalten des bloß Veranlassten im Zusammenhang mit der Zweckveranlassung als „zwangsläufige Folge“ der Handlung des Zurechnungssubjekts eingestuft wird, spricht dies allenfalls gegen den Gebrauch des Zurechnungskriteriums der Zwangsläufigkeit, nicht aber gegen die Zweckveranlassung an sich. Denn es existiert keine Regel, nach der Zurechenbarkeit – und damit auch Zweckveranlassung – voraussetzen würde, dass das Zurechnungssubjekt den Dritten wie ein Werkzeug „beherrscht“ und sich das Drittverhalten daher „zwangsläufig“ einstellt:188 Auch im Strafrecht, wo von der Geltung des sogenannten Verantwortungsprinzips ausgegangen wird, demzufolge ein deliktisches Eingreifen Dritter die Zurechnung ausschließt189, bildet die Beherrschung des volldeliktisch handelnden Vordermanns (im Fall mittelbarer Täterschaft gemäß § 25
Prinzips zusätzlich und bekräftigend zu stützen vermag“. Kritisch zur Menschenbildformel Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 168 f. 184 So Becker, S. 124 ff. 185 BVerfGE 7, 198 (205). 186 Becker, S. 36; Hillgruber, Selbstverantwortung, S. 167. 187 BVerfGE 65, 1 (42 f.); 115, 320 (341 f.). 188 So aber offenbar Erbel, Klausurenlehre, S. 130 f.; JuS 1985, 257 (263). 189 Walter, in: LK, StGB, Vor § 13 Rn. 103.
III. Zum Einwand der Verletzung des Prinzips der Selbstverantwortung
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Abs. 1 Alt. 2 StGB)190 nur einen Fall von vielen, in denen es zu seiner Durchbrechung kommt.191 Die Unterstellung, die Zweckveranlassung mache den Dritten zum bloßen Werkzeug, erweist sich auch deshalb als falsch, weil der Veranlasste auch im Fall der Zweckveranlassung wegen seines eigenen Verhaltens selbst als Störer in Anspruch genommen werden kann. Dadurch wird seine Subjektqualität eher bestätigt, als dass sie in Abrede gestellt würde. Die Zweckveranlassung führt lediglich dazu, dass neben dem Dritten mit dem Veranlasser eine weitere Person für sein Verhalten verantwortlich gemacht wird. Dementsprechend wird auch die Selbstverantwortung des Veranlassers durch die Zweckveranlassung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Geltung eines weitreichenden verfassungsrechtlichen Regressverbots, nach dem eine Person nur für die Folgen ihres eigenen Verhaltens einzustehen hat, für das fremder Personen außerhalb von Sonderbeziehungen aber allenfalls dann, wenn diese nicht zur freien Selbstbestimmung in der Lage sind192, lässt sich dem Selbstverantwortungsprinzip nicht entnehmen. Wer es vertritt, geht offenbar davon aus, dass grundsätzlich nur demjenigen eine Folge zugerechnet werden darf, der den größten „Verantwortungsanteil“ an ihrem Eintritt trägt. Zwar wird man bei der Zweckveranlassung ein solches Verantwortungsgefälle in aller Regel annehmen müssen. Denn es ist so gut wie immer193 der Veranlasste, der darüber entscheiden kann, ob er sich zu einer Störung veranlassen lässt oder nicht.194 Es existiert aber schon kein Prinzip, nach welchem eine Folge nur dem „Meistverantwortlichen“ zugerechnet werden dürfte. Vielmehr kann eine Zurechnung des Verhaltens Dritter zu einem Veranlasser gerade als Ausdruck und Anerkennung seiner (Selbst-)Verantwortung angesehen werden. Einen bedeutenden Anhaltspunkt für die rechtliche Zulässigkeit einer Zurechnung zum Veranlasser bildet zudem die Existenz einer Vielzahl entsprechender einfachgesetzlicher anerkannter Tatbestände über die Zurechnung des Verhaltens selbstbestimmt handelnder Dritter.195 Das Menschenbild des Grundgesetzes steht der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter – und damit auch der Zweckveranlassung – mithin nicht grundsätzlich entgegen; es kann ihr nur Grenzen ziehen. Nur insoweit, das heißt bei der Wahl des Zurechnungskriteriums, kann das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit Bedeutung erlangen.196 190 Zum volldeliktisch handelnden Werkzeug s. etwa BGHSt 40, 218 (236 f.); 45, 270 (296); 48, 331 (342 f.) – „Organisationsherrschaft“, und Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 541 f. 191 Walter, in: LK, StGB, Vor § 13 Rn. 103 ff. m. w. N. Auch die gesetzlich geregelten Ausnahmen – Anstiftung, Beihilfe und Mittäterschaft – bilden nur einen Ausschnitt der Konstellationen, in denen vom Verantwortungsprinzip abgesehen wird. 192 So Erbel, Klausurenlehre, S. 130 f. 193 Eine Ausnahme bildet etwa die fehlende Steuerungsfähigkeit des Veranlassten; vgl. insoweit auch Erbel, JuS 1985, 257 (261). 194 Vgl. Erbel, JuS 1985, 257 (261, 263). 195 Siehe zu diesen bereits bei Fn. 136. 196 Siehe dazu unten F. III. 2.
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
IV. Zum Einwand der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens Die Rechtsfigur der Zweckveranlassung ist der grundlegenden Kritik ausgesetzt, sie ermögliche die Inanspruchnahme solcher Personen als Störer, die – weil sie selbst „im Recht“ seien – nicht polizeipflichtig sein dürften.197 Rechtsprechung und weite Teile der Literatur reagieren hierauf, indem sie die Anwendbarkeit der Zweckveranlassung dann ablehnen, wenn der Veranlasser im Einzelfall „von einer rechtlichen Befugnis Gebrauch macht“198. Relevant wird dies beispielsweise im Versammlungsrecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind behördliche Maßnahmen dort zum Schutz der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) im Fall drohender Gegengewalt primär gegen die Außenstehenden zu richten, während die friedliche Demonstration als Ganze grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands in Anspruch genommen werden kann.199 Ob im Versammlungsrecht Raum für die Zweckveranlassung ist, hat das Bundesverfassungsgericht bislang allerdings ausdrücklich offen gelassen200 und sich auf den Hinweis beschränkt, dass im Anwendungsbereich des Art. 8 GG jedenfalls besonders hohe Anforderungen an die Zurechnung zu stellen seien201. Verbreitet wird die Zweckveranlassung im Versammlungsrecht aber für gänzlich unanwendbar gehalten.202 Ähnliche Erwägungen werden auch im Zusammenhang mit der Veranlassung von Störungen durch Großveranstaltungen angestellt. Gegen die Einordnung des Veranstalters als Zweckveranlasser soll sprechen, dass er – ähnlich wie die Versammlungsteilnehmer – von seinen grundrechtlichen Befugnissen, nämlich denen aus Art. 12 und 14 GG, Gebrauch macht.203 Die Richtigkeit dieser auf den Einzelfall bezogenen Berücksichtigung der Rechte des Veranlassers, die in der Rechtsprechung unumstritten ist, wird in der jüngeren Literatur vermehrt bezweifelt. Sie erblickt in den genannten Fallgestaltungen nur prominente Beispiele dafür, dass die Zweckveranlassung grundsätzlich mit den
197 Erbel, JuS 1985, 257 (262 f.); Breitbach/Deiseroth/Rühl, in: Ridder/Breitbach/Rühl/ Steinmeier, VersR, § 15 Rn. 139; Widder, S. 117 f.; Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580); Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 1 Rn. 256; Kugelmann, Kap. 8 Rn. 45. 198 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 663 (663); Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 114; VG Oldenburg, Urteil vom 3. März 2006 – 2 A 479/03 –, juris, Rn. 24, Drews/ Wacke/Vogel/Martens, S. 316. 199 BVerfGE 69, 315 (360); BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); NVwZ-RR 2010, 625 (626). 200 BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); BVerfGK 8, 195 (201). 201 Das BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407), verlangt „besondere, über den Inhalt hinausgehende provokative Begleitumstände“. Siehe dazu im Einzelnen unten H. III. 202 Siehe die Nachweise in Fn. 59. 203 Siehe die Nachweise in Fn. 48.
IV. Zum Einwand der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens
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Grundrechten des sich legal verhaltenden Veranlassers unvereinbar ist.204 Auch in klassischen Zweckveranlassungskonstellationen wie beispielsweise dem Schaufenster-205 und dem Flugblattverteilerfall206 stünden die Grundrechte des Veranlassers seiner Inanspruchnahme als Zweckveranlasser entgegen. Gefordert wird deshalb die vollständige Aufgabe der Rechtsfigur der Zweckveranlassung.207
1. Das Verständnis von Rechtswidrigkeit im Polizeirecht Bei der Auseinandersetzung mit diesen Auffassungen gibt die im Polizeirecht gebräuchliche Begriffswahl, die etwa in dem Satz „Wer rechtmäßig handelt, kann nicht Störer sein“208 zum Ausdruck kommt, Anlass zur Verwirrung. Nimmt man diesen Satz unvoreingenommen an und stellt ihm die Definition der Zweckveranlassung gegenüber, so scheint man das Problem der Zweckveranlassung keiner Lösung zuführen zu können. Denn die Zweckveranlassung betrifft per Definition209 die Zurechnung störenden Drittverhaltens zu einer Person, deren Verhalten „an sich“ nicht störend ist, die also ohne die Zurechnung nicht als Störer in Anspruch genommen werden könnte.210 Dies scheint mit der zugleich erhobenen Forderung, eine Zurechnung dürfe nicht erfolgen, wenn sich der Veranlasser rechtmäßig verhalte, nicht vereinbar zu sein. Denn wenn der Veranlasser ohne die Zurechnung des Drittverhaltens kein Störer ist, muss sein eigenes Verhalten rechtmäßig sein. Dieser Widerspruch lässt sich nur auflösen, indem man sich vor Augen führt, dass in der gefahrenabwehrrechtlichen Diskussion ein eigenes Verständnis von „Rechtswidrigkeit“ herrscht. „Rechtswidrig“ handelt danach nicht nur derjenige, der gegen eine ausdrückliche Verhaltensnorm verstößt. Vielmehr soll „Rechtswidrigkeit“ auch dann gegeben sein, „wenn es zwar keine ausdrückliche Rechtswidrigkeitsnorm gibt, sich jedoch aufgrund anderweitiger Erwägungen, zumal grundrechtlicher Interessenerwägungen ergibt, dass dem Handeln kein Rechtsschutz, zumal kein Grundrechtsschutz zur Seite steht“211. Diesen „Interessenerwägungen“, 204
Erbel, JuS 1985, 257 (262 f.); Widder, S. 117 f.; Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580); Kugelmann, Kap. 8 Rn. 45. 205 Widder, S. 95 ff. 206 Widder, S. 112 ff. 207 Erbel, JuS 1985, 257 (263); Widder, S. 117 f.; Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (580); Kugelmann, Kap. 8 Rn. 45; vgl. auch Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 29. 208 Vgl. mit im Einzelnen unterschiedlichen Formulierungen nur Gusy, POR, Rn. 338 f.; Kugelmann, Kap. 6 Rn. 32; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 17; Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 81; Götz, POR, § 9 Rn. 15; Schoch, POR, Rn. 180. 209 Siehe A. bei Fn. 14. 210 Zur Bedeutung der „an sich“ gegebenen polizeirechtlichen Neutralität siehe unten E. II. 211 Lindner, Adressatenpflichten, S. 69 Fn. 19, S. 71. Siehe auch W.-R. Schenke, POR, Rn. 243: „Andererseits liefert [die Theorie der rechtswidrigen Verursachung] allein kein
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die zum Teil zur Bestimmung der Reichweite zweifelhafter Konstruktionen wie einer allgemeinen Nichtstörungspflicht oder allgemeiner Rechtsgüterschutzpflichten dienen212, kommt gerade in den Fallgestaltungen, die klassischerweise der Rechtsfigur der Zweckveranlassung zugrunde liegen, besondere Relevanz zu. Denn dort fehlt es an einer die Veranlassung verbietenden besonderen Vorschrift. Wird verlangt, dass ein Zurechnungskriterium die Person erfasst, die „an sich“ nicht stört, zugleich aber ausschließt, dass jemand, der rechtmäßig handelt, als Störer eingeordnet wird, so ist dies mithin zumindest theoretisch kein unauflösbarer Widerspruch. Gemeint ist nur, dass das Zurechnungskriterium sicherstellen muss, dass es dem Veranlasser zumutbar ist, sein veranlassendes Verhalten so einzustellen, dass daraus keine Gefahren resultieren. Wenn die Zweckveranlassung deshalb grundsätzlich abgelehnt wird, weil der Veranlasser „im Recht“ sei, so soll dies daher zum Ausdruck bringen, dass es stets unverhältnismäßig sei, von ihm zu verlangen, sein Verhalten so einzurichten, dass daraus keine durch Dritte vermittelten Gefahren oder Störungen entstehen können.
2. Das herrschende „starke“ Verursachungsverständnis Die Notwendigkeit, bereits auf Adressatenebene die Vereinbarkeit der Inanspruchnahme des Betroffenen mit dessen Freiheitsrechten zu untersuchen, wird im Wesentlichen damit begründet, dass ein Verursacher „dem Grunde nach“ zur Gefahrenabwehr herangezogen werden dürfe.213 Ihn treffe eine abstrakte Polizeipflicht, die von ihm geschaffene Gefahr zu beseitigen.214 Auch sei mit seiner Einordnung als Verursacher darüber entschieden, dass er mit Kosten der Gefahrenabwehr belastet werden dürfe.215 Die Heranziehung eines Nichtstörers sei demgegenüber nur unter den erhöhten Voraussetzungen des polizeilichen Notstands zulässig, insbesondere müsse ihm eine Entschädigung gewährt werden.216 Ist eine Person Gefahrverursacher, steht mithin nach gängigem Verständnis schon weitgehend fest, dass sie auch zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen werden darf. Da aber zugleich anerkannt wird, dass auch für den Verursacher einer Gefahr Grundrechte gelten, muss, will man das „starke“ Verständnis von Verursachung aufrechterhalten, die GrundKriterium dafür, unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten rechtswidrig ist, denn eine Verhaltensstörung kann nicht nur dann gegeben sein, wenn gegen ein ausdrückliches normatives Gebot oder Verbot verstoßen wird.“ 212 Siehe zu diesen Konstruktionen im Einzelnen unten D. IV. 4. c) aa). 213 Wehr, Rechtspflichten, S. 288. Vgl. auch Klaudat, S. 9 f.; Vollmuth, Ursache, S. 31 f., 34 ff.; W.-R. Schenke, NJW 1983, 1882 (1883): die Einordnung einer Person als Störer bewirke, dass ihr der Grundrechtsschutz genommen sei; Gusy, POR, Rn. 324 f.; Schoch, POR, Rn. 170 f. 214 BVerwGE 125, 325 (332). 215 Klaudat, S. 11 f.; Waechter, POR, Rn. 403; Wehr, Rechtspflichten, S. 310; Schoch, POR, Rn. 170. 216 Klaudat, S. 11 f.; Schoch, POR, Rn. 170. Vgl. auch Waechter, POR, Rn. 400.
IV. Zum Einwand der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens
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rechtskonformität der Inanspruchnahme des Betroffenen schon Voraussetzung seiner Einordnung als Störer sein.217
3. Gegenentwurf eines „schwachen“ Verursachungsverständnisses Die einleitend geschilderten Unsicherheiten gerade im Umgang mit der Zweckveranlassung – die letztlich der Lackmustest für die Handhabbarkeit der polizeilichen Zurechnung überhaupt ist – führen die Notwendigkeit, den Störerbegriff inhaltlich zu entlasten, deutlich vor Augen. Die Ursache für die massiven Unsicherheiten hinsichtlich der auf die Zweckveranlassung anwendbaren Zurechnungskriterien und die grundlegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsfigur besteht darin, dass Erwägungen, die ihren Platz in der Verhältnismäßigkeitsprüfung finden müssten, auf die Adressatenebene vorverlagert werden. Dadurch kommt es zu einer Überfrachtung der Prüfung und einer ebenso unpräzisen wie unnötigen Verdoppelung von Zumutbarkeitserwägungen. Dem geschilderten hergebrachten „starken“ Verursachungsverständnis soll hier deshalb der Gegenentwurf eines „schwachen“ Verursachungsverständnisses gegenübergestellt werden. Dieses ist in der Lage, die gegenwärtige Überfrachtung des Störerbegriffs und die damit einhergehenden Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Die Einordnung einer Person als Störer hat danach lediglich zum Inhalt, dass die Gefahrenabwehrbehörden ihre Inanspruchnahme vorrangig in Betracht zu ziehen haben. Nur wenn die Heranziehung eines Störers wegen deren – erst auf Ebene der Normanwendung zu prüfenden – Unverhältnismäßigkeit ausscheidet, kommt die Inanspruchnahme eines Nichtstörers in Betracht. Neben dem Umstand, dass er nur nachrangig in Anspruch genommen werden kann, kennzeichnet den Nichtstörer, dass er nur unter den weiteren Voraussetzungen des polizeilichen Notstands (qualifizierte Gefahr, unzureichende Eigenmittel der Polizei) und in aller Regel nur gegen Entschädigung herangezogen werden darf. Der Störer ist hingegen, wenn seine Heranziehung verhältnismäßig ist, zur Kostentragung verpflichtet, wobei auch die Kostentragungspflicht unter dem Vorbehalt ihrer Verhältnismäßigkeit steht.218 Eine darüber hinausgehende Aussage, insbesondere über die Zumutbarkeit der Verpflichtung zur Gefahrbeseitigung „dem Grunde nach“, ist mit der Einordnung einer Person als Störer anders als nach dem gängigen Verständnis nicht verbunden. Auf einzelfallbezogene Zumutbarkeitserwägungen auf Adressatenebene kann dadurch verzichtet werden. Es besteht nach dem „schwachen“ Störerverständnis mithin – unabhängig davon, dass es für die Annahme einer „abstrakten Polizeipflicht“ an der erforderlichen 217
Wehr, Rechtspflichten, S. 288 f. Zu den seltenen Fällen einer Pflicht zur Entschädigung des Störers auf Grundlage einer analogen Anwendung der Vorschriften über die Entschädigung von Nichtstörern s. unten D. IV. 4. g). 218
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gesetzlichen Grundlage fehlt219 – kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen Gefahrverursachung und Pflicht zur Gefahrbeseitigung. Eine solche abstrakte Pflicht könnte vielmehr allenfalls dann zur Entstehung gelangen, wenn sie verhältnismäßig ist.220 Mit anderen Worten: Die abstrakte Polizeipflicht könnte zwar nur einen Gefahrverursacher treffen; jemand kann aber auch Gefahrverursacher sein, ohne verpflichtet zu sein, die verursachte Gefahr zu beseitigen. Die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme einer Person als Gefahrverursacherin wegen der abstrakten Polizeipflicht zu prüfen, wie es bisher geschieht, kehrte diesen Zusammenhang zwischen Verursachung und Polizeipflicht um. Die Einordnung als Störer entfaltet nach dem hier vorgeschlagenen Ansatz auch nicht deshalb belastende Wirkung, weil der Störer die Kosten der Bekämpfung der von ihm geschaffenen polizeiwidrigen Situation tragen müsste.221 Der Zusammenhang ist derselbe wie der zwischen Störer und abstrakter Polizeipflicht: Zwar kann in aller Regel nur den Störer eine Pflicht zur Kostentragung treffen222 ; ob ihn eine solche trifft, entscheidet sich aber nicht mit der Bejahung der Störereigenschaft, sondern mit der der Verhältnismäßigkeit seiner Inanspruchnahme. Es besteht mithin allenfalls223 219
Siehe dazu näher unten D. IV. 4. c) bb). A. A. Griesbeck, S. 92, der Grundrechte nicht schon bei Bestimmung der Reichweite der abstrakten Polizeipflicht, sondern erst in dem Moment für relevant hält, in dem die Behörde einen Polizeiverwaltungsakt an den Störer richtet. 221 Bejaht man die Existenz einer abstrakten Polizeipflicht, die zur Abwehr eingetretener Gefahren verpflichtet, so ergibt sich die Pflicht zur Tragung der eigenen zur Störungsbeseitigung angefallenen Kosten aus dieser und nicht schon aus der Störereigenschaft. Geht es um die Erstattung von Polizeikosten, so setzt diese im Fall der Kostenerstattungspflicht für Ersatzvornahme und unmittelbare Ausführung voraus, dass der Störer eine ihn treffende Pflicht zur Gefahrbekämpfung nicht erfüllt hat (vgl. zur eingeschränkten Kostenhaftung der Veranstalter von Großveranstaltungen und Versammlungen als Zweckveranlasser Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 61, 73). Auch Rückgriffsansprüche gegen Störer (§ 57 PolG BW) hängen davon ab, dass diese rechtmäßig in Anspruch genommen werden könnten. Stets bedarf es mithin besonderer gesetzlicher Regelungen, um dem Störer eine Kostenerstattungspflicht aufzuerlegen. Nicht die Bejahung der Störereigenschaft, sondern diese Vorschriften und ihre Anwendung im Einzelfall müssen verhältnismäßig sein (vgl. etwa BVerwGE 102, 316 [320]; VGH Mannheim, NJW 2007, 2058 [2059]: Abschleppen bei mobilem Halteverbotsschild führt nur zur Kostentragungspflicht, wenn zwischen Aufstellung des Schildes und Abschleppen drei volle Tage liegen). Vgl. zur Trennung zwischen Störer- und Kostenproblematik Götz, DVBl. 1984, 14 (16 f.); POR, § 25 Rn. 2; Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (85 ff.). Siehe auch VGH Mannheim, Urteil vom 18. Juni 1979 – I 47/79 –, juris, Rn. 27, zu § 81 Abs. 2 PolG BW a. F., der dem Veranstalter privater Veranstaltungen unabhängig von seiner Störereigenschaft eine Pflicht zum Ersatz der infolge der Veranstaltung angefallenen Kosten für den Einsatz weiterer als der im üblichen örtlichen Dienst tätigen Polizeibeamten auferlegte. 222 Auch dies ist aber nicht zwingend, wie etwa § 81 Abs. 1 PolG BW a. F. zeigt (siehe dazu näher die vorige Fußnote). Siehe auch W.-R. Schenke, POR, Rn. 708. 223 Die Konnexität wird mit Verweis auf den Anscheins- und den Verdachtsstörer, die auf Kostenebene unter Umständen wie Nichtstörer behandelt werden, in Frage gestellt, Rachor, in: Lisken/Denninger, M, Rn. 42 ff. m. w. N. Siehe außerdem die vorangegangene Fußnote und zu der Möglichkeit, einen Störer zu entschädigen, unten D. IV. 4. g). Für Konnexität etwa Wehr, Rechtspflichten, S. 310 ff. 220
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eine „einseitige“ Konnexität zwischen Störereigenschaft und der Pflicht zur Kostentragung. Diese rechtfertigt es aber nicht, schon auf Störerebene zu erwägen, ob es dem Betroffenen zumutbar wäre, ihm eine Kostenlast aufzuerlegen.
4. Die Notwendigkeit einer Befreiung des Störerbegriffs von Rechtmäßigkeitserwägungen Für eine Neuorientierung beim Verursachungsverständnis im Sinne einer Abkehr vom „starken“ Verursachungsverständnis und dem damit verbundenen Dogma von der rechtswidrigen Verursachung spricht eine Vielzahl von Argumenten. a) Wortlaut und Systematik der Polizeigesetze Aus den Polizeigesetzen ergibt sich das „starke“ Verursachungsverständnis nicht. Die Regelungen über die Adressaten polizeilicher Maßnahmen bestimmen zwar, dass die Polizei den Verursacher heranzuziehen „hat“. Wenn dies nicht möglich ist, soll sich die Polizei aber an den Nichtstörer halten. Schon der Umstand, dass etwa § 9 PolG BW die Heranziehung von Nichtstörern für den Fall vorsieht, dass die Inanspruchnahme des Störers unzumutbar ist, spricht dafür, mit der Einordnung einer Person als Gefahrverursacher – im Unterschied zum „starken“ Verursachungsverständnis – keine Entscheidung über die grundsätzliche Zumutbarkeit ihrer Inanspruchnahme zu verbinden. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Gefahrenabwehrgesetze die Eigenschaft als Störer oder Nichtstörer nur von der „Verursachung“ einer Gefahr abhängig machen. Von Zumutbarkeit ist in den Adressatenvorschriften hingegen keine Rede – vielmehr verlangen die Polizeigesetze deutlich abgesetzt von den Vorschriften über die Adressaten polizeilichen Handelns, dass dieses auch verhältnismäßig zu sein hat (§ 5 PolG BW).224 224 Muckel, DÖV 1998, 18 (22), weist zutreffend darauf hin, dass unter Geltung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 (PrPVG) eine derartige gesetzlich abgesetzte Bestimmung über die Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen nicht existierte (§ 41 Abs. 2 S. 2 PrPVG wurde nur als Soll-Vorschrift verstanden, PrOVGE 90, 270 [273], 95, 155 [158]). Nicht zu überzeugen vermag es allerdings, wenn Muckel hierin die Ursache dafür sieht, dass in der Rechtsprechung des PrOVG „nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern die Frage der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit den Anknüpfungspunkt für eine abwägende Bewertung aller Umstände des Einzelfalls“ bildete. Denn eine Berücksichtigung der Rechte des Verursachers fand sich beim PrOVG auch bereits zuvor, als die Polizei ihr Handeln auf § 10 II 17 des Preußischen Allgemeinen Landrechts stützte und die Rechtsprechung von einer strengen Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Polizeirecht ausging (s. nur PrOVGE 90, 270 [272]). Die Feststellung Muckels, dass die heutige Dogmatik zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit die Rechtsprechung des PrOVG weitgehend unkritisch übernimmt, trifft jedoch zu. Viele der heute geltenden Zurechnungskriterien – sowohl der Begriff der „Unmittelbarkeit“ als auch die herrschende „subjektive“ (F. IV. 1. c)) und „objektive Theorie“ (F. IV. 1. d)) zur Zweckveranlassung – finden sich bereits in der – pragmatischen
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Die hier kritisierte, auf dem „starken“ Verursachungsverständnis basierende Auffassung fragt entgegen dieser Systematik auch bei Personen, die die grundsätzlichen Voraussetzungen erfüllen, um eine Gefahr „verursacht“ zu haben – und die deshalb Wortlaut und Systematik zufolge „Störer“ sein müssten –, ob ihre Heranziehung nur im polizeilichen Notstand verhältnismäßig wäre. Bejahendenfalls ordnet sie diese Personen trotz Verursachung als Nichtstörer ein. Damit kehrt sie den Inhalt der gesetzlichen Regelung um: Die gesetzlich vorgesehene Folge der Einordnung einer Person als Nichtstörer wird zu ihrer Voraussetzung.225 Zugleich wird dadurch die Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit durch Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Inhalt eines abstrakt-generell formulierten Tatbestandsmerkmals gemacht.226 Das ist widersprüchlich. Sind die Wertungen, die das Gesetz enthält, im Einzelfall unangemessen, so ist dies nicht auf Tatbestands-, sondern erst auf Rechtsfolgenseite, nämlich bei der Ermessensausübung und dort insbesondere im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu korrigieren. Dort kann den Grundrechten einer Person, unabhängig von ihrer Einordnung als Gefahrverursacher oder Nichtstörer, umfassend und – wie im Folgenden zu zeigen ist – deutlich sachgerechter Rechnung getragen werden.227 b) Fehlende Abstützung des Dogmas von der Rechtswidrigkeit der Verursachung im „starken“ Verursachungsverständnis Zwingende Gründe dafür, die Rechtswidrigkeit der Gefahrverursachung als notwendige Voraussetzung der Störereigenschaft anzusehen, existieren nicht. Das Rechtswidrigkeitsdogma findet insbesondere keine Stütze in dem oben geschilderten „starken“ Verursachungsverständnis. Die Einspeisung von Elementen der Rechtmäßigkeit in den Begriff der „Verursachung“ wird üblicherweise damit begründet, dass ein Störer dem „starken“ Verursachungsverständnis zufolge „dem Grunde nach“ zur Gefahrenabwehr herangezogen werden könne. Wenn aber das Rechtswidrigkeitsdogma dem Umstand Rechnung tragen soll, dass der Störer „dem Grunde nach“ haftet, würde es nahe liegen, genau diese Frage auf Adressatenebene aufzuwerfen: Ist es dem Verursacher (Selmer, JuS 1992, 97 [98]), und daher besonders überprüfungsbedürftigen – Rechtsprechung des PrOVG (s. zu ihr B. I.). 225 So ausdrücklich etwa Vollmuth, Ursache, S. 31 f., 34 ff.; Gantner, S. 11 f. Vgl. auch Vieth, S. 99. Der nicht durch andere Zurechnungskriterien ergänzten Rechtswidrigkeitslehre ist danach derselbe Vorwurf zu machen wie der Lehre, die die Störereigenschaft nur auf Basis der Äquivalenztheorie bestimmen und das Ergebnis mittels der Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Effektivität korrigieren will (s. dazu und zur Kritik im Einzelnen F. II. 2.): Sie entfaltet wegen der Weite der Äquivalenztheorie keine Steuerungswirkung, führt zu einer Überfrachtung der Prüfung und zu Rechtsunsicherheit. 226 Dies verlangt ausdrücklich etwa Vollmuth, Ursache, S. 135 f. 227 Zu der Möglichkeit, auch einen Störer gegebenenfalls nur unter den Voraussetzungen, die für Nichtstörer gelten, in Anspruch zu nehmen, s. H. I. 2.
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zumutbar, zur Gefahrenabwehr herangezogen zu werden? Üblicherweise wird aber ein anderer Ansatz gewählt: Gefragt wird danach, ob der Verursacher mit seinem Verhalten den eigenen „Rechtskreis“228 verlassen hat.229 Die Eigenschaft als Störer soll mithin – auch wenn dies in der Regel nicht auf diese Weise formuliert wird – maßgeblich davon abhängen, ob es dem Verursacher zumutbar war, sein ursächliches Verhalten zu unterlassen. Der Grund dafür, dass nicht auf die Zumutbarkeit der Heranziehung zur Gefahrenabwehr abgestellt wird, sondern auf die der Unterlassung des gefahrverursachenden Verhaltens, dürfte darin bestehen, dass im Zeitpunkt der Störerbestimmung noch überhaupt nicht feststeht, welche Maßnahme gegenüber dem Verursacher ergriffen werden soll. Zwar wäre es denkbar, die ins Auge gefasste Maßnahme schon auf Adressatenebene in die Prüfung einzuspeisen und anhand dessen zu ermitteln, ob die Inanspruchnahme verhältnismäßig wäre. Dies würde aber zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. So zwingt Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG beispielsweise in dem Flugblattverteilerfall zu der Annahme, dass es dem Flugblattverteiler nicht zuzumuten ist, seine Tätigkeit wegen der damit einhergehenden Straßenverunreinigung einzustellen.230 Er wäre insoweit nach der hier kritisierten Ansicht schon nicht Gefahrverursacher, weil er „im Recht“ ist.231 Durchaus mit Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG vereinbar wäre es indessen, ihm die Reinigung der Straße aufzugeben oder ihm zumindest die dafür entstehenden Kosten aufzuerlegen.232 Diese Unterscheidung kann auf Störerebene aber nicht sinnvoll verarbeitet werden. Es käme zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass der Betroffene wegen derselben Folge – Veranlassung anderer zur Verunreinigung der Straße – Gefahrverursacher ist, soweit er zur Straßenreinigung verpflichtet wird, aber kein Gefahrverursacher ist, soweit von ihm verlangt wird, das Verteilen der Flugblätter zu unterlassen. Ein Kompromiss könnte nur darin bestehen, dass auf Adressatenebene erwogen wird, ob es dem Veranlasser zugemutet werden kann, „dem Grunde nach“ zur Gefahrenabwehr verpflichtet zu sein. Dies wäre wohl zu bejahen, wenn dem Veranlasser entschädigungslos irgendeine Maßnahme zur Gefahrenabwehr – auch wenn diese konkret überhaupt nicht ins Auge gefasst ist – aufgegeben werden könnte. Welchen Nutzen eine solche abstrakte Abwägung haben soll, erschließt sich aber nicht. Auch kommt ihr, da ir-
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Schnur, DVBl. 1962, 1 (3). Schnur, DVBl. 1962, 1 (3); Klaudat, S. 23 ff., 29 f.; Beye, S. 89 ff.; Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (205 f.); Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (51 ff.); Gantner, S. 150 ff.; Schoch, POR, Rn. 180. Vgl. auch, abstellend darauf, dass es sich bei dem ursächlichen Verhalten um ein „von der Rechtsordnung ausdrücklich oder konkludent“ erlaubtes Verhalten handelt, W.-R. Schenke, POR, Rn. 245; ähnlich Würtenberger/Heckmann, Rn. 444; Denninger, in: Lisken/ Denninger, D, Rn. 79; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 17. 230 BayVerfGH, NJW 1978, 1912 (1913). 231 Widder, S. 112 ff. 232 BayVerfGH, NJW 1978, 1912 (1913); Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 498; offengelassen in BVerwGE 56, 24 (29 f.). 229
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gendeine milde Maßnahme – etwa eine Gefährderansprache233 – angesichts des bestehenden äußeren Verursachungszusammenhangs so gut wie immer verhältnismäßig sein wird234, keine begrenzende Wirkung zu. Die deshalb von der herrschenden Meinung gestellte Frage, ob der Verursacher sich „rechtswidrig“ verhalten hat, ihm also ein Unterlassen des gefahrverursachenden Verhaltens zumutbar war, ist nicht deckungsgleich mit einer Untersuchung der Zumutbarkeit der polizeilichen Inanspruchnahme. Denn dass es zumutbar ist, das gefahrverursachende Verhalten zu unterlassen, lässt nicht zwingend den Schluss darauf zu, dass auch die Gefahrbeseitigung zumutbar ist. Eine Kongruenz besteht nur dann, wenn die Gefahr schon dadurch abgewehrt werden kann, dass der Verursacher das von ihm fortgesetzte gefahrverursachende Verhalten (etwa die Rede, die politische Gegner zu Ausschreitungen veranlasst) unterlässt. Denn wenn das Unterlassen der gefahrverursachenden Handlung zumutbar war, dann ist es auch zumutbar, die Fortsetzung dieses Verhaltens zu unterlassen.235 Dies ist aber nur eine von vielen Konstellationen. Gefahrenabwehr kann es auch erfordern, dass der Verursacher die Ursache der Gefahr durch aktives Tun selbst beseitigt oder ihre Beseitigung durch Dritte zu dulden hat; ferner kann es notwendig sein, dass er in einem von ihm in Gang gesetzten Geschehensablauf eine Gegenursache setzt oder eine bereits eingetretene Störung beseitigt.236 In all diesen Fällen entscheidet der Umstand, dass es zumutbar ist, das gefahrverursachende Verhalten zu unterlassen, nicht allein darüber, ob auch die Pflicht zur Gefahrbeseitigung zumutbar ist. Er ist nur ein Gesichtspunkt unter mehreren.237 Die Notwendigkeit der Prüfung der „Rechtswidrigkeit“ auf Störerebene ergibt sich angesichts dessen keinesfalls daraus, dass ohne die Feststellung der Rechtswidrigkeit die angeblich an die Störereigenschaft anknüpfenden Pflichten zur Gefahrbeseitigung und Kostentragung nicht gerechtfertigt werden könnten.238 Denn selbst bei Durchführung einer Abwägung auf Störerebene wäre dadurch über deren Zumutbarkeit noch nicht entschieden. c) Die Rechtsordnung als lückenhafter Maßstab der polizeirechtlichen Verursachung Die Relevanz der „Rechtswidrigkeit“ für die Störerbestimmung bedürfte deshalb einer anderen Begründung. Nicht ausreichend kann es hierbei sein, daraus, dass eine Person stets dann Störer ist, wenn sie gegen eine Rechtsnorm verstößt, im Umkehrschluss zu folgern, dass eine sich rechtmäßig verhaltende Person stets Nicht233 Zur Gefährderansprache und ihrer geringen Eingriffswirkung s. Kießling, DVBl. 2012, 1210 (1214). 234 Zur Funktion von Zurechnungsgründen als Zumutbarkeitsgründe s. D. IV. 4. f) aa). 235 Lindner, Adressatenpflichten, S. 72. 236 Zu all diesen Fallgruppen Lindner, Adressatenpflichten, S. 64 ff., 94 ff., 96 ff. 237 Lindner, Adressatenpflichten, S. 81. 238 So aber Wehr, Rechtspflichten, S. 287 ff.
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störer sein müsse.239 Der Grund dafür, dass eine Person dann als Störer anzusehen ist, wenn sie selbst gegen eine Rechtsnorm verstößt, liegt darin, dass eine größere Nähe zu einer Störung als diese nicht denkbar ist.240 Damit ist es aber nicht ausgeschlossen, dass auch das rechtmäßige Verhalten einer Person deren hinreichende Nähe zu einer Gefahr oder Störung herstellen kann. Aus dem Polizei- und Ordnungsrecht, welches nicht zwischen rechtswidrigem und rechtmäßigem Verhalten, sondern zwischen Störer und Nichtstörer unterscheidet, lässt sich die zwingende Einordnung rechtmäßig handelnder Personen als Nichtstörer jedenfalls nicht ohne Weiteres herleiten. Für die Relevanz der „Rechtswidrigkeit“ des ursächlichen Verhaltens wird angeführt, dass es eine auf alle Fallkonstellationen passende, die gefahrenabwehrrechtliche Verantwortlichkeit vom Vorliegen eines bestimmten äußeren Bedingungszusammenhangs abhängig machende „Zauberformel“241 nicht geben könne. Denn auch das Bestehen eines noch so engen Ursachenzusammenhangs müsse nicht stets zur Störereigenschaft führen: Mache eine Person von ihren Rechten Gebrauch, könne sie, auch wenn sie durch ihr Verhalten eine Gefahr verursache, dafür nicht mit Pflichten zur Gefahrenabwehr belegt werden.242 Gängiger Beleg hierfür soll der Fall des Vermieters sein, der seinem Mieter kündigt und so dessen Obdachlosigkeit herbeiführt. Obwohl zwischen der Kündigung und der Obdachlosigkeit ein enger Ursachenzusammenhang besteht, soll der Vermieter nicht Störer sein können, da er rechtmäßig handelt.243 Es ist mithin letztlich der Gedanke der Geschlossenheit der Rechtsordnung, der die Auffassung von der Relevanz der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens für die Störereigenschaft trägt. Zwingend ist dies – wie zum Teil auch offen eingeräumt wird244 – allerdings nicht: Dass ein Verhalten rechtswidrig ist, nötigt ebenso wenig zu dem Schluss, dass der Handelnde die daraus resultierenden Gefahren beseitigen muss, wie die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens einer Verpflichtung zu Gefahrenabwehrmaßnahmen notwendig entgegensteht.245 Und selbst wenn dem so sein sollte: Warum die Rechtswidrigkeit des ursächlichen Verhaltens gerade auf Adressatenebene eine Rolle spielen sollte, bedürfte der Erklärung. Ein wesentlicher Reiz des Ansatzes, die Störereigenschaft von der Rechtmäßigkeit des ursächlichen Verhaltens abhängig zu machen, besteht darin, dass die Rechtsordnung bestimmte Maßstäbe zur Bewertung eines gefährlichen Verhaltens bereitzuhalten scheint. Während die abstrakte Festlegung der erforderlichen Stärke eines äußeren Zurechnungszusammenhangs stets in gewisser Weise mit einem 239
Vgl. Poscher, Jura 2007, 801 (803 f.). Vgl. Scholz-Forni, VerwArch 30 (1925), 11 (31); Zeitler, DÖV 1997, 371 (372); Poscher, Jura 2007, 801 (803 f.) 241 Poscher, Jura 2007, 801 (803 f.). 242 Vgl. etwa Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (49 ff.). 243 Vgl. Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (51); Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 312; Waechter, POR, Rn. 385; ähnlicher Fall bei W.-R. Schenke, POR, Rn. 241. 244 Poscher, Jura 2007, 801 (804): Ergebnis einer „Zurechnungswertung“. 245 Vgl. Götz, POR, § 9 Rn. 29. Zur „befugten“ Gefahrverursachung s. noch D. IV. 4. h). 240
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Moment der Willkür und freien Wertung behaftet ist – warum soll es beispielsweise, entsprechend der Grundtendenz der Unmittelbarkeitstheorie, gerade auf die letzte Ursache ankommen? –, ist der Rückgriff auf die objektiven Wertungen der Rechtsordnung solchen Bedenken nicht ausgesetzt. Die behauptete Leistungsfähigkeit der Rechtsordnung bei der Störerbestimmung wird allerdings dadurch in Frage gestellt, dass die Rechtsordnung selbst nur einen sehr lückenhaften Maßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit gefährlichen Verhaltens bildet.246 Sie erklärt nur wenige gefährliche Verhaltensweisen für rechtswidrig; oftmals verbietet sie lediglich die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs.247 Insbesondere im klassischen Anwendungsbereich der Zweckveranlassung fehlt es an ausdrücklichen Vorschriften, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der Veranlassung eines Dritten zu gefährlichem Verhalten ergibt. aa) Pflichtenkonstruktionen Diese Lücken versuchen die Vertreter der Rechtswidrigkeitsthese durch die Anwendung besonderer Pflichtenkonstruktionen zu schließen. Eine nähere Betrachtung zeigt aber, dass derartige Konstruktionen dogmatisch nicht tragfähig sind. (1) Nichtstörungspflicht Überwiegend wird zur Lückenschließung auf die jedermann treffende „Nichtstörungspflicht“ abgestellt, die aus den Gefahrenabwehrgesetzen ableitbar sein soll. Sie soll eine Grundrechtsschranke248 bilden und den Einzelnen dazu verpflichten, sein Verhalten und den Zustand seiner Sachen so einzurichten, dass daraus keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen.249 Die Verletzung von außerhalb des Polizeirechts angesiedelten Verhaltensgeboten kennzeichnet den Bereich, in dem sich ein Gefahrverursacher rechtswidrig verhält, mithin nicht abschließend. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass das Polizei- und Ord246
Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 313; Schoch, JuS 1994, 932 (933). Poscher, Jura 2007, 801 (803). Der Gedanke, angesichts dessen die Rechtswidrigkeit als durch die Verursachung eines Erfolgs (hier der Gefahr) indiziert anzusehen (Erfolgsunrecht), liefert nicht die von der Rechtswidrigkeitslehre angestrebte Eingrenzung der als Störer in Betracht kommenden Personen, bedürfte es doch einschränkender Kriterien, um festzulegen, wann eine Gefahr „verursacht“ ist (vgl. Waechter, POR, Rn. 379). Zu dem Ansatz Poschers, a.a.O., hierzu rechtsgebietsspezifisch entwickelte Zurechnungsvoraussetzungen, etwa aus dem Zivil- und Strafrecht, in das Polizeirecht zu übernehmen und diese dadurch an die gefahrenabwehrrechtlichen Bedürfnisse anzupassen, dass die Bejahung der Störereigenschaft von der Gefahr ihrer Verwirklichung abhängig gemacht wird, s. unten F. IV. 1. a). 248 Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (82); Würtenberger/Heckmann, Rn. 444; Schoch, Jura 2009, 360 (364). 249 Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 293; W.-R. Schenke, POR, Rn. 228; Götz, POR, § 9 Rn. 6; vgl. auch BVerwGE 125, 325 (332 f.), wo von einer „generellen Gefahrenvorsorgepflicht“ gesprochen wird. 247
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nungsrecht einen eigenen Rechtmäßigkeitsmaßstab aufrichtet. Ein Verhalten, das diesen verletzt, soll unerlaubt sein und die Störereigenschaft begründen.250 Das Bestehen einer unbegrenzten Nichtstörungspflicht, die jede Rechtsausübung erfasst, wird allerdings verbreitet abgelehnt.251 Die Reichweite der Nichtstörungspflicht sei dort, wo es an einfachrechtlich geregelten Verhaltensgeboten fehle, im Einzelfall durch eine Abwägung der Grundrechte des Handelnden mit Grundrechten Dritter und Gemeinwohlgütern zu ermitteln.252 Dies entspricht im Ergebnis der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. In der Tat muss eine Nichtstörungspflicht, so man sie als „echte“ Rechtspflicht versteht, verhältnismäßig sein.253 Anderenfalls wäre sie verfassungswidrig. Geht man davon aus, dass eine Nichtstörungspflicht existiert und ein Verstoß gegen sie notwendige Voraussetzung der Störereigenschaft ist, so hat dies mithin zur Folge, dass bereits auf Ebene der Störerbestimmung dort, wo es an besonderen Verhaltensgeboten fehlt, durch umfassende Abwägung zu ermitteln ist, ob es dem Einzelnen zumutbar ist, sein Verhalten so einzurichten, dass sich aus diesem keine Gefahren ergeben können. Die Abwägung bezieht sich dann nicht auf die Einordung der betreffenden Person als Störer, sondern auf Vorhandensein und Umfang einer allgemeinen Polizeipflicht, gegen die sie verstoßen haben könnte. (2) Allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten Andere empfinden es als Zirkelschluss, den Gefahrenabwehrgesetzen selbst entnehmen zu wollen, wann „Verursachung“ vorliegt254 und greifen deshalb ausschließlich auf außerhalb der allgemeinen Polizeigesetze liegende Vorschriften zurück, denen sie sogenannte „allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten“ zu entnehmen versuchen.255 Diese Pflichten sollen dort, wo es an ausdrücklichen Verhaltensnormen fehlt, anders als die Nichtstörungspflicht nicht dem Polizeirecht, sondern der sonstigen Rechtsordnung, insbesondere dem Privatrecht zu entnehmen sein.256 250
Deutlich Scholz-Forni, VerwArch 30 (1925), 11 (39 f.). Zum Teil wird, insbesondere im Zusammenhang mit der Organisation von Großveranstaltungen und Versammlungen auch die Existenz öffentlich-rechtlicher Verkehrssicherungs- und Organisationspflichten angenommen, deren Verletzung zur Störung führe (Pietzcker, DVBl. 1984, 457 [461]; T. Huber, BayVBl. 1994, 513 [517]). In der Sache wird man diese Pflichten als Unterfall der allgemeinen Nichtstörungspflicht ansehen müssen (vgl. Schoch, POR, Rn. 171, demzufolge beide Pflichten vergleichbar sind). 251 Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (459 f.); Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (82 f.); Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 82 ff. 252 Vgl. Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (82 f.); Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 82 ff. 253 Wehr, Rechtspflichten, S. 276 f. 254 Wehr, Rechtspflichten, S. 289; vgl. auch Waechter, POR, Rn. 380. 255 Wehr, Rechtspflichten, S. 291 ff.; Rückgriff auf (meist zivilrechtliche) Verkehrspflichten bei Waechter, POR, Rn. 408; für das Versammlungsrecht (Organisationspflichten) s. T. Huber, BayVBl. 1994, 513 (517 f.). 256 Wehr, Rechtspflichten, S. 291 f.
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Zwar finden sich im hierzu in Bezug genommenen Zivil- und Strafrecht in der Regel nur Sanktionsregelungen wie etwa § 823 BGB. Diesen korrespondiere aber die Pflicht, Handlungen zu unterlassen, die objektiv geeignet seien, das jeweilige Rechtsgut zu verletzen.257 Die Reichweite dieser Verhaltenspflichten müsse im Einzelfall durch Abwägung zwischen dem Nutzen des Verhaltens und dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der damit einhergehenden Gefahr ermittelt werden.258 Im Ergebnis könnten so für alle polizeilichen Schutzgüter entsprechende Rechtsgüterschutzpflichten gebildet werden, wodurch die problematische Konstruktion der allgemeinen Nichtstörungspflicht entbehrlich werde.259 bb) Kritik der Pflichtenkonstruktionen Gegen beide Ansätze bestehen gravierende Einwände. (1) Nichtstörungspflicht Die Konstruktion der Nichtstörungspflicht scheint allein von dem Ziel bestimmt, dem Gefahrenabwehrrecht ein allgemeines rechtliches Risikoverteilungsprinzip entnehmen zu wollen. Dabei wird übersehen, dass das Gesetz für die Annahme einer solchen Pflicht keinerlei Anhaltspunkte enthält. Der Gedanke, dass der polizeilichen Generalklausel eine Pflicht zur Gefahrvermeidung entnommen werden könnte, erscheint fernliegend. Die Befugnisgeneralklausel gibt den Polizeibehörden nicht das Recht, Maßnahmen zur Gefahrenvorsorge anzuordnen, sondern knüpft an eine bestehende Gefahr oder Störung an. Deckungsgleich damit wäre nur die Pflicht, bereits eingetretene Gefahren abzuwehren.260 Die Befolgung oder Nichtbefolgung dieser Pflicht kann aber für die Einordnung einer Person als Verursacherin nicht entscheidend sein.261 Gefahrverursacher, das zeigt schon der Wortlaut der Polizeigesetze, ist nicht, wer eine durch ihn verursachte Gefahr oder Störung nicht beseitigt, sondern wer eine solche verursacht. In beiden Ausgestaltungen der abstrakten Polizeipflicht ist zudem der Schluss von der in den Polizeigesetzen geregelten Verpflichtbarkeit auf die dort nicht ansatzweise vorgesehene abstrakte Verpflichtung nicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht begründet die Existenz der Polizeipflichten in einer neueren Entscheidung mit den „Strukturen der ordnungsrechtlichen Beziehungen zwischen (potenziellem) Störer und Polizeiträger“.262 Es geht von einer sich verdichtenden polizeirechtlichen 257
Wehr, Rechtspflichten, S. 292 ff., 295. Wehr, Rechtspflichten, S. 295. 259 Wehr, Rechtspflichten, S. 291. 260 Czeczatka, S. 55 ff.; Griesbeck, S. 82 ff., 88 ff.; Martensen, DVBl. 1996, 286 (288). 261 Vgl. Griesbeck, S. 91 f.; zweifelnd Brandner, S. 66. 262 BVerwGE 125, 325 (332), unter Bezugnahme auf die Strukturierung bei Dietlein, S. 86 ff., der allerdings ein Verständnis der abstrakten Polizeipflicht als „echte“ Pflicht ablehnt. 258
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Pflichtenstellung des Bürgers aus. Dieser sei auf einer ersten Stufe dem abstraktgenerellen Eingriffstatbestand unterworfen, aus welchem für den Einzelnen eine generelle Gefahrenvorsorgepflicht erwachse. Mit dem Gefahreintritt folge auf zweiter Stufe die Pflicht zur Mitwirkung bei der Gefahrenbeseitigung (nur diese bezeichnet das Bundesverwaltungsgericht als „abstrakte Polizeipflicht“)263, die auf dritter Stufe durch die Polizeiverfügung konkretisiert werde. Diese „Struktur“ mag als logische, aufeinander aufbauende Abfolge äußerlich schlüssig erscheinen. Entscheidend ist aber, ob sie den Polizeigesetzen auch entnommen werden kann.264 Das ist nicht der Fall.265 Als einzig greifbares Argument hierfür wird in der Literatur der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr angeführt. Dieser verlange, dass möglichst viele Personen zur Mitwirkung an der Gefahrenabwehr verpflichtet seien.266 Schon oben wurde aber dargelegt, dass der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr allein keine Rechtsfolgen begründen, sondern nur einer von mehreren Gesichtspunkten bei der Auslegung polizeirechtlicher Regelungen sein kann. Er allein kann eine abstrakte Polizeipflicht, gleich welchen Inhalts, daher nicht tragen.267 (2) Allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten Nicht überzeugender ist es, der außerhalb des allgemeinen Polizeirechts liegenden Rechtsordnung „allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten“ entnehmen und deren Verletzung zur Voraussetzung der Verursachung machen zu wollen. Dieser Ansatz ist nicht in der Lage, den polizeilichen Schutzgütern im erforderlichen Umfang „Rechtsgüterschutzpflichten“ gegenüberzustellen. Zweifelhaft ist dabei schon, ob zivilrechtliche Normen überhaupt geeignet sind, zur Bestimmung der polizeirechtlich verantwortlichen Personen beizutragen.268 Was im Privatrechtsverhältnis verboten ist, muss nicht notwendig auch den Maßstab für die staatliche Inanspruchnahme bilden. Unabhängig davon entstehen jedenfalls 263
So etwa auch OVG Lüneburg, NdsVBl. 2004, 301 (303). Insoweit belässt es das Bundesverwaltungsgericht bei der Behauptung, der Störer sei „ipso iure zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet“, wenn er einen sicherheitsrechtlichen Tatbestand verwirklicht habe, BVerwGE 125, 325 (332). 265 Hurst, AöR 83 (1958), 43 (64 ff.); Papier, NVwZ 1986, 256 (262); DVBl. 1996, 125 (127) m. w. N.; Dietlein, S. 86 ff., 91 ff. m. w. N.; Selmer, in: FS Götz, S. 395 ff.; Wehr, Rechtspflichten, S. 279 f.; Klement, Verantwortung, S. 219 f.; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 4. 266 Martensen, DVBl. 1996, 286 (287 f.). 267 Klement, Verantwortung, S. 220. Auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Nichtstörungspflicht als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht – worauf Äußerungen in der Literatur, man sei „seit jeher“ von ihrer Existenz ausgegangen, hindeuten (Götz, POR, § 9 Rn. 6; vgl. auch Martensen, DVBl. 1996, 286 [287]) – sind nicht erfüllt (Selmer, in: FS Götz, S. 397; Klement, Verantwortung, S. 219 f.). 268 Herrmann, DÖV 1987, 666 (671); Kloepfer, NuR 1987, 7 (11); Papier, Altlasten, S. 33; NVwZ 1986, 256 (260); Schink, VerwArch 82 (1991), 357 (374 f.); Selmer, JuS 1992, 97 (100 f.). 264
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überall dort Schutzlücken, wo die Rechtsordnung keine Sanktion für die Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorsieht. Besonders deutlich wird dies am Schutzgut der öffentlichen Ordnung.269 Aber auch Fällen der Selbstgefährdung270 oder der Gefährdung des Bestands des Staates, seiner Einrichtungen und Veranstaltungen271 könnte keine Person als Verursacher zugeordnet werden. Hinzu kommen grundlegende dogmatische Bedenken: Der generelle Schluss von der Sanktionierung einer Rechtsgutsverletzung auf das Verbot eines Verhaltens, das nur geeignet ist, das Rechtsgut zu verletzen, ist keineswegs zwingend.272 Dem Gesetzgeber steht es frei, nur die Herbeiführung eines Erfolgs durch ein bestimmtes Verhalten (aus ex-post-Perspektive) zu sanktionieren, dabei aber nicht schon ein zur Erfolgsherbeiführung lediglich geeignetes Verhalten zu verbieten.273 Es müsste deshalb jeweils im Einzelfall untersucht werden, ob einer Sanktionsnorm auch eine Verhaltenspflicht entnommen werden kann.274 Diese Aufgabe würde in den Händen der auch mit dem Vollzug beauftragten Gefahrenabwehrbehörden liegen, ebenso wie die Aufgabe, den Inhalt der jeweiligen Verhaltenspflichten, die den Normen „zugrunde liegen“275, durch Abwägung zu bestimmen und zu präzisieren.276 Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung wäre dies bedenklich: Gesetzgebung und Vollzug fielen dadurch praktisch derselben Stelle zu.277 269
Wehr, Rechtspflichten, S. 303 f., sieht keine Möglichkeit, aus der außerpolizeilichen Rechtsordnung umfassende Pflichten zum Schutz der öffentlichen Ordnung herzuleiten (und setzt sich damit in Widerspruch zu seiner vorherigen Behauptung [S. 291], alle polizeilichen Schutzgüter seien durch entsprechende Normen flankiert). Er geht daher davon aus, dass sich eine Verhaltensverantwortlichkeit für die Gefährdung der öffentlichen Ordnung nicht begründen lasse. 270 So existiert beispielsweise keine Rechtsnorm, aus der sich ein Verbot von Handlungen, die zur Selbsttötung geeignet sind, ableiten ließe. Dass bei drohender Selbsttötung aber die öffentliche Sicherheit gefährdet ist, entspricht der ganz herrschenden Auffassung (siehe nur Götz, POR, § 4 Rn. 32 m. w. N.). 271 Beispielsweise im Zusammenhang mit der Warnung vor Radar-Geschwindigkeitskontrollen (vgl. dazu Götz, POR, § 4 Rn. 41 m. w. N.). 272 Wehr, Rechtspflichten, S. 49 f., 123, meint selbst, dass aus dem Verbot der Folge eines Verhaltens nicht zwingend auf dessen Rechtswidrigkeit geschlossen werden kann. 273 Klement, Verantwortung, S. 216. Insbesondere können privatrechtliche Normen, deren Rechtsfolge in der Pflicht zur Leistung von Schadensersatz besteht, durchaus dahin verstanden werden, dass es der freien Entscheidung des Einzelnen überantwortet ist, ob er die Schädigung mit der Folge einer Schadensersatzpflicht vornimmt oder von einem schädigenden Verhalten absieht (Herrmann, DÖV 1987, 666 [671]). 274 Sachs, in: Stern, StaatsR III/2, S. 150 f. Der Streit hierüber führt zurück auf die alte Auseinandersetzung zwischen den Lehren vom Handlungs- und vom Erfolgsunrecht. Siehe hierzu die Nachweise bei Sachs, a.a.O., insbes. Fn. 331 und 338. 275 Wehr, Rechtspflichten, S. 291. 276 Wehr, Rechtspflichten, S. 138 Fn. 674, und S. 294 f. 277 Dass es hier im Ergebnis um Rechtsschöpfung geht, zeigt auch die Formulierung von Wehr, Rechtspflichten, S. 295, es sei Aufgabe der Polizeibehörden die Verhaltenspflichten so zu bestimmen, dass diese „Inhalt eines speziellen gesetzlichen Ge- oder Verbots“ sein könnten. Es
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(3) Fehlender Nutzen der Pflichtenkonstruktionen Die aufgezeigten Schwächen werden nicht durch einen angeblichen „Bedarf“ an derartigen Pflichtenkonstruktionen aufgewogen. Weder ein Interesse an einer Rechtsnachfolge in abstrakte Polizeipflichten278 noch ein solches an der Ermöglichung eines gesamtschuldnerischen Innenausgleichs zwischen zur Gefahrenabwehr verpflichteten und verpflichtbaren Personen (§§ 421, 426 BGB analog)279 machen sie erforderlich. Inwieweit diese beiden Anliegen überhaupt berechtigt sind, kann dabei im vorliegenden Zusammenhang sogar offenbleiben.280 Denn beide könnten jedenfalls weder von der Konstruktion einer Nichtstörungspflicht noch von „allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten“ profitieren. Zur Behebung dogmatischer Schwierigkeiten kann ihnen vielmehr nur eine abstrakte Polizeipflicht der (in der Diktion des Bundesverwaltungsgerichts) „zweiten Stufe“ dienen, die nicht auf Gefahrvermeidung sondern auf Gefahrbeseitigung gerichtet ist. Nur insoweit kann überhaupt das Interesse an einem Pflichtenübergang und einem Ausgleich zwischen mehreren Pflichtigen bestehen.281 (4) Zwischenergebnis Das Vertrauen auf die Wertungen der Rechtsordnung als Maßstab der gefahrenabwehrrechtlichen Verursachung ist demnach unberechtigt. Schon die beschriebenen Pflichtenkonstruktionen sind nicht mehr als leere Hüllen, die mit allgemeinen Verhältnismäßigkeitserwägungen aufgefüllt werden müssen. Sie können die mit dem „Rechtmäßigkeitsdogma“ verbundene Erwartung, der Rechtsordnung vergleichsweise präzise entnehmen zu können, wer als Störer im Sinne des Polizeirechts anzusehen ist, nicht erfüllen. Da die Pflichtenkonstruktionen zudem in ihrer ist Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Polizei zu bestimmen, wann ein Verhalten ein Rechtsgut in rechtswidriger Weise bedroht. Vgl. auch Lindner, Adressatenpflichten, S. 71, wonach der „Rechtsanwender, also z. B. der Polizeibeamte, sozusagen in Stellvertretung des Normgebers“ tätig wird. Dies soll deshalb kein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip sein, weil sich ungeschriebene Verhaltensregeln unter das in den Polizeigesetzen verankerte Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ fassen ließen, der Gesetzgeber also insoweit eine Entscheidung getroffen habe. Abgesehen davon, dass dadurch die Bedrohung von Rechtsgütern, die der öffentlichen Sicherheit unterfallen, mangels entsprechender Verhaltensgebote entgegen der gesetzgeberischen Intention meist zur Störung der öffentlichen Ordnung würde, dürfte eine Aufwertung des Schutzguts der „öffentlichen Ordnung“ angesichts seiner Unbestimmtheit sicher am wenigsten dazu geeignet sein, Bedenken an der Einhaltung des Gewaltenteilungsgrundsatzes auszuräumen (zur Kritik an dem Schutzgut der öffentlichen Ordnung Finger, DV 2007, 105 [108 ff.]; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 8 Rn. 50). 278 OVG Lüneburg, NJW 1998, 97 (98); Würtenberger/Heckmann, Rn. 456. 279 W.-R. Schenke, POR, Rn. 228, 288 ff. 280 Ablehnend zur Nachfolge in die abstrakte Polizeipflicht Papier, DVBl. 1996, 125 (127 ff.); ablehnend zur gesamtschuldnerischen Haftung von Mitverursachern BGH, NJW 1981, 2457 (2458). 281 Anders offenbar hinsichtlich des Gesamtschuldnerausgleichs W.-R. Schenke, POR, Rn. 228.
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Herleitung nicht überzeugen, wäre es zumindest „ehrlicher“, auf Adressatenebene nicht den Umfang derartiger Pflichten, sondern ohne besonderen dogmatischen Anknüpfungspunkt zu untersuchen, ob es der betroffenen Person zumutbar wäre, ihr ursächliches Verhalten einzustellen. An der mangelnden dogmatischen Steuerungsfunktion dieser Abwägung änderte sich dadurch allerdings nichts. d) Fehlende Konsistenz des Satzes von der Rechtswidrigkeit der Verursachung Ohnehin kann der als allgemeingültiges Dogma verstandene Grundsatz, wer rechtmäßig handele, könne nicht Störer sein, nicht durchgehalten werden. Schon dort, wo es um die Verhaltensverantwortlichkeit allein für eigenes Verhalten geht, bereitet er Probleme, soweit etwa der Anscheins- und der Verdachtsstörer in Rede stehen. Ihre Einordnung als Störer ist nicht von Rechtswidrigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen abhängig. Haben sie den Anschein oder Verdacht einer Gefahr nicht zurechenbar verursacht, wird ihnen vielmehr eine Entschädigung gewährt.282 Störer sollen sie aber in jedem Fall sein. Auch eine Nichtstörungspflicht ließe sich für diese Fälle nicht konstruieren. Diese müsste nämlich dazu verpflichten, schon den Anschein einer Gefahr zu vermeiden und sich unverdächtig zu verhalten.283 Da sie nur dem Ziel dienen würde, unnötige Polizeieinsätze zu vermeiden, wäre eine solch starke Freiheitsbeeinträchtigung unverhältnismäßig.284 Darüber hinaus setzt die Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten, wie sie Aufsichtspersonen, Betreuer und Weisungsberechtigte trifft, unter keinem Gesichtspunkt ein rechtswidriges Verhalten des Zusatzverantwortlichen voraus.285 Gleiches gilt bei dem Zustandsverantwortlichen. Die Polizeigesetze sehen zwingend vor, dass der Eigentümer einer Sache und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt für die sich aus dem Zustand der Sache ergebenden Gefahren als Störer verantwortlich sind. Auf Rechtswidrigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen kommt es dabei nicht an.286 Die Störereigenschaft des Zustandsverantwortlichen wird 282
Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 51, 54. Für eine dahingehende Ausdehnung der Polizeipflicht Würtenberger/Heckmann, Rn. 425. 284 Vgl. Martensen, DVBl. 1996, 286 (289); Wehr, Rechtspflichten, S. 314. 285 Nach M. Peine, S. 222 ff., insbes. S. 228, entfaltet die Verletzung von Rechtspflichten, die eine Verursacherhaftung begründen, sogar eine die Zusatzverantwortlichkeit ausschließende Wirkung. 286 Das Bundesverfassungsgericht, E 102, 1 (18 ff.), verhindert eine übermäßige Inanspruchnahme des Eigentümers eines sanierungsbedürftigen Altlastengrundstücks nicht, indem es diesen in Fällen drohender Überforderung als Nichtstörer ansehen würde, sondern – wenn auch durch verfassungskonforme Auslegung der „Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit“ (a.a.O., S. 18) – durch Begrenzung des „Ausmaß[es] dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf“ (a.a.O., S. 19), vgl. auch VGH München, NVwZ 1986, 942 (944 f.) m. w. N.; Schmidt/Kahl, § 8 Rn. 51 ff.; W.-R. Schenke, POR, Rn. 271 ff. Zwar behaupten Vertreter der Theorie von der rechtswidrigen Verursachung, die Störerqualität werde 283
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vielmehr daraus abgeleitet, dass er auf die Sache einwirken und Vorteile aus ihr ziehen kann und es deshalb „gerecht“ erscheint, ihn vorrangig zur Gefahrbeseitigung heranzuziehen.287 Zwar wird auch beim Zustandsverantwortlichen versucht, mit der Verletzung einer Nichtstörungspflicht zu operieren, die es nicht nur gebieten soll, sein Verhalten, sondern auch den Zustand einer Sache so einzurichten, dass aus diesem keine Gefahren entstehen können.288 Abgesehen davon, dass dadurch die Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit obsolet wird289, kann diese Konstruktion aber nicht erklären, dass eine Zustandsverantwortlichkeit auch dann gegeben ist, wenn es objektiv unmöglich war, den Eintritt einer gefährlichen Sachlage zu verhindern: Eine Pflicht, etwas objektiv Unmögliches zu tun, kann dem Einzelnen nicht aufgegeben werden (ultra posse nemo obligatur).290 e) Einengung polizeilicher Handlungsmöglichkeiten In den bisher unter dem Etikett der Zweckveranlassung behandelten Fallkonstellationen (in denen es stets an ausdrücklichen verhaltenslenkenden Normen fehlt) verlangt das Rechtswidrigkeitsdogma nach alledem eine – dogmatisch nicht überzeugend angebundene – Abwägung der Rechte des Veranlassers gegen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr. Der Veranlasser ist Störer, wenn die Abwägung ergibt, dass ihm das Unterlassen des veranlassenden Verhaltens zumutbar ist. Man könnte nun der Auffassung sein, dass die aufgezeigten Schwächen des Rechtswidrigkeitsdogmas hingenommen werden können, da dieses zumindest dort, wo verhaltenslenkende Vorschriften vorhanden sind, eine Anbindung der gefahrenabwehrrechtlichen Adressatenbestimmung an die bestimmten, objektiven Maßstäbe der Rechtsordnung ermöglicht.291 Das wäre in der Tat zu erwägen, wenn es in der Sache unerheblich wäre, ob die Rechte des Adressaten einer polizeilichen Maßnahme – wie bislang – schon auf Adressatenebene oder – wie hier vorgeschlagen – im Rahmen des Übermaßverbots geprüft werden, solange sie nur überhaupt Beachtung finden. Dies trifft jedoch nicht zu. Erwägungen zur Rechtmäßigkeit des äußerlich ursächlichen Verhaltens auf Adressatenebene führen bei der Anwenbei der Zustandsverantwortlichkeit „entscheidend durch die Rechtswidrigkeit […] eines Sachzustands bestimmt“ (Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 108). Dieses Dogma kann sie aber nicht durchhalten. So soll etwa die Frage nach der Haftung für durch Naturkatastrophen ausgelöste Sachgefahren nicht mit dem Kriterium der Rechtswidrigkeit, sondern durch eine Abgrenzung von Risikosphären zu lösen sein (Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 117 ff.). Als ein maßgebliches Kriterium wird dabei die Versicherbarkeit des Risikos angesehen. 287 Vgl. BVerfGE 102, 1 (17 f.). 288 Siehe die dahingehende Fassung der Nichtstörungspflicht bei Fn. 249. 289 VGH Mannheim, NVwZ 1996, 1036 (1037); Vollmuth, Ursache, S. 108; Pieroth/ Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 4. 290 Wehr, Rechtspflichten, S. 278; a. A. Martensen, DVBl. 1996, 286 (288). 291 Siehe dazu auch oben D. IV. 4. c).
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dung der Generalklausel zu einem Verlust an Präzision und in der Folge zu einer weitreichenden, nicht zu rechtfertigenden Einschränkung polizeilicher Handlungsmöglichkeiten. Dies betrifft in besonderem Maß die Fälle, die der Zweckveranlassung zugrunde liegen. Der Grund hierfür besteht in Folgendem: Konsequenz des Grundsatzes von der „Rechtswidrigkeit“ der Störung ist, dass jeder, dem es unzumutbar ist, sein gefahrverursachendes Verhalten zu unterlassen, Nichtstörer sein müsste. Es sind aber durchaus Konstellationen denkbar, in denen zwar das Unterlassen des Verursachungsbeitrags unzumutbar, das Ergreifen von Gegenmaßnahmen aber zumutbar ist. Gerade in den Zweckveranlassungskonstellationen spielt dies eine entscheidende Rolle. In diesen ist es der Gefahrenabwehr oftmals nicht nur zuträglich, dass das gefahrverursachende Verhalten unterlassen wird. Der Gefahrenabwehr dient es vielmehr auch, wenn Schutzmaßnahmen gegen das Verhalten Dritter und die durch diese verursachten Gefahren ergriffen werden. Nur ein Beispiel hierfür bildet der Veranstalter eines Bundesligaspiels, dem es zwar in der Regel nicht zumutbar ist, das Spiel abzusagen, dem es aber durchaus zugemutet werden könnte, Abwehrmaßnahmen gegen die von Fankrawallen ausgehenden Gefahren zu ergreifen, etwa durch Beschäftigung eines Sicherheitsdienstes oder geeignete Absperrungen zwischen rivalisierenden Gruppen.292 Dass der Veranstalter hier als Unbeteiligter einzuordnen und seine Verpflichtung auch zu solch milden Maßnahmen nur unter den Bedingungen des polizeilichen Notstands zulässig sein soll, überzeugt nicht. Gleiches gilt für den schon oben genannten Flugblattverteilerfall. f) Die Betonung der Differenzierungsfunktion als primäre Funktion von Zurechnungsgründen auf Adressatenebene Für die hier vorgeschlagene Herangehensweise – den Verzicht auf Zumutbarkeitserwägungen auf Störerebene – sprechen daneben grundsätzliche Erwägungen zur dogmatischen Funktion von Zurechnungsgründen. Die Einordnung einer Person als Störer knüpft den Polizeigesetzen zufolge an die „Verursachung“ einer Gefahr, also deren Zurechenbarkeit an. Der Umgang mit „Zurechnung“ im öffentlichen Recht vermittelt den Eindruck, das Kriterium der Zurechnung sei dazu bestimmt, sämtliche Erwägungen aufzunehmen, die an anderer Stelle im Prüfungsaufbau keinen Platz finden. Eine nähere Betrachtung ergibt aber, dass Zurechnungsgründe im öffentlichen Recht zwei spezifische dogmatische Funktionen erfüllen: Sie sind in erster Linie „Differenzierungsgründe“, in zweiter Linie „Zumutbarkeitsgründe“ (aa). Diese Funktionen erfüllt auch der Zurechnungsgrund „Verursachung“ (bb). Entscheidend dafür, dass „Zurechnung“ ihre dogmatischen Aufgaben erfüllen kann, ist, dass ihre beiden Funktionen auseinandergehalten werden (cc). Der hier befürwortete, mit dem „schwachen“ Verursachungsverständnis verbundene Verzicht auf Zumutbarkeitserwägungen auf Ebene 292
Siehe dazu im Einzelnen unten H. I. 2.
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der polizeirechtlichen Störerbestimmung gewährleistet dies: Die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer wird auf Grundlage des schwachen Verursachungsbegriffs zur reinen Differenzierungsebene, auf welcher die Einordnung als Störer von der Erfüllung eines „Mindestzurechnungszusammenhangs“ abhängig gemacht wird (dd). Die im Einzelfall zur Rechtfertigung der Maßnahme notwendige Stärke des Verursachungszusammenhangs spielt dagegen nur bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. eine Rolle. Die spezifischen Funktionen von Zurechnungsgründen können, wie im Folgenden gezeigt werden soll, auf diese Weise voll zur Entfaltung gelangen. Hieran besteht nicht nur ein theoretisches Interesse. Vielmehr beugt diese Herangehensweise Unsicherheiten vor, die aus einer Vermischung von Differenzierungs- und Zumutbarkeitsfunktion folgen können, und macht die bisher festzustellende unpräzise Verdoppelung von auf unterschiedliche Bezugspunkte bezogenen Verhältnismäßigkeitserwägungen – einmal auf Adressatenebene, ein weiteres Mal im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung – entbehrlich. Darüber hinaus erlaubt sie eine Konturierung des Zurechnungskriteriums, die auf der Grundlage des „starken“ Verursachungsverständnisses nicht möglich wäre.293 Zugleich wird durch die Konzentration auf den Kern dessen, was „Zurechnung“ ist, eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, die hier im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext entwickelten Zurechnungskriterien auf andere Bereiche des öffentlichen Rechts zu übertragen, in denen Zurechnungsentscheidungen eine Rolle spielen, und dadurch eine gewisse Einheitsbildung zu ermöglichen.294 aa) Die Funktionen von Zurechnungsgründen im öffentlichen Recht Welche Funktion „Zurechnung“ im öffentlichen Recht hat, wird nur selten abstrakt beleuchtet. Eine nähere Betrachtung ergibt, dass Zurechnungsgründe als „Differenzierungsgründe“ und „Zumutbarkeitsgründe“ fungieren. Die Differenzierungsfunktion von Zurechnungsgründen kann dabei als deren Hauptfunktion bezeichnet werden:295 Die Erfüllung eines Zurechnungsgrundes kann es gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) rechtfertigen, dass bestimmte Personen wegen ihrer besonderen Verbindung zu einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe (beispielsweise der Gefahrenabwehr) zu deren entschädigungslosen Erfüllung herangezogen werden, während andere von einer solchen Inanspruchnahme verschont bleiben. Diese Differenzierungsfunktion ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, der für die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer allein relevante Gesichtspunkt. Die Differenzierungsleistung von Zurechnungsgründen unterscheidet sich von der Auswahlleistung, die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erbringt. Zwar lassen 293 294 295
Zum Zurechnungskriterium s. ausführlich unten F. Zur Übertragung auf andere Gebiete des öffentlichen Rechts s. näher unten I. Siehe zur Begründung bei Fn. 303.
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sich mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Personen „herausfiltern“, deren Heranziehung ungeeignet ist oder mit einer unzumutbaren Freiheitsbeschränkung einhergehen würde. Das Übermaßverbot enthält aber keine Handhabe zur abschließenden Beantwortung der Frage, was es rechtfertigt, gerade in die Freiheitsrechte einer bestimmten Person statt in die einer anderen einzugreifen.296 Als Prüfungsschema, das auf eine konkrete Maßnahme bezogen ist, die regelmäßig im bipolaren Staat-Bürger-Verhältnis wirkt, ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht geeignet, die Frage des Eingriffsadressaten umfassend in den Blick zu nehmen. Die Geeignetheit beschreibt nur die tatsächliche Fähigkeit einer Person zur Vornahme der durch den Staat geforderten Handlung. Diese allein bildet keinen sachlichen Grund dafür, der betreffenden Person rechtlich anstelle einer anderen die Last der Aufgabenerfüllung aufzuerlegen. Die Eignung zur Aufgabenerfüllung ist nur zufällig verteilt. Zur Rechtfertigung der Belastung bestimmter Personen mit Pflichten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedarf es demgegenüber eines Differenzierungsgrundes, von dessen Erfüllung auf eine Verantwortung für die Aufgabe geschlossen werden kann.297 Dies ist der Zurechnungsgrund. Wie deutlich sich die Erfüllung eines Zurechnungsgrundes von der bloßen Geeignetheit unterscheidet, lässt sich besonders klar an Fällen zeigen, in denen mehrere zur Aufgabenerfüllung geeignete Personen vorhanden sind. In diesen Konstellationen liegt es auf der Hand, dass es eines anderen Differenzierungsgrundes als der Geeignetheit bedarf, wenn statt aller geeigneten nur bestimmte Personen herangezogen werden sollen. Anschaulich lässt sich das an Fällen machen, in denen Einzelne nicht zur tatsächlichen Erfüllung einer Sachaufgabe, sondern nur zu deren – ihnen allen möglichen – Finanzierung herangezogen werden sollen. Da die Inanspruchnahme einer jeden Person gleichermaßen geeignet ist, zur Finanzierung der Aufgabe beizutragen, bedarf es zur Steuerung der Adressatenbestimmung offensichtlich eines anderen Differenzierungsgrundes als der Geeignetheit, der in der Lage ist, eine Verantwortlichkeit für die zu finanzierende Aufgabe zu begründen.298 Nichts anderes gilt 296
Kube, JZ 2010, 265 (265 f.). Kube, JZ 2010, 265 (265 ff.). Auch Lindner, Adressatenpflichten, S. 29 ff., ordnet die Geeignetheit nicht als Zurechnungsgrund, sondern als sogenannten „Zuordnungsgrund“, ein. Siehe dazu im Einzelnen Fn. 298. 298 Ähnlich wie hier unterscheidet Lindner, Adressatenpflichten, S. 28 ff., die „Zuordnungs-“ von der „Zurechnungsebene“. Gegenstand der „Zuordnungsebene“ sei nur die tatsächliche Beziehung einer Person zu einem Lebenssachverhalt, die notwendige Grundvoraussetzung für die Anknüpfung einer Pflicht sei (S. 28 ff.). Gegenstand der „Zurechnungsebene“ sei demgegenüber die „rechtliche Dimension der Beziehung zwischen einem Objekt und einem Lebenssachverhalt“, die für die Auferlegung einer Pflicht zur Erfüllung eines Zuordnungskriteriums hinzukommen müsse (S. 30 f.). Zuordnungsgrund und ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung sowohl für die Einordnung einer Person als Störer wie als Nichtstörer sei das „Innehaben des Gegenmittels“ (= Geeignetheit, S. 29) (S. 43 ff., 132 ff., 164). Angesichts der, wenn auch begrenzten, Rechtfertigungsfunktion, welche die „Geeignetheit“ auch vor dem Gleichheitssatz zu entfalten vermag, erscheint es nicht inkonsequent, deren Vorliegen mit Lindner schon auf Adressatenebene zu prüfen. Dennoch soll diesem Ansatz nicht gefolgt werden. Denn die Geeignetheit der Heranziehung einer Person lässt sich nicht, wie es auf 297
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für die polizeirechtliche Differenzierung zwischen Störer und Nichtstörer. Sowohl Störer als auch Nichtstörer können verhältnismäßigerweise nur dann herangezogen werden, wenn ihre Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr geeignet ist. Die gesetzlich vorgesehene Vorrangigkeit der Heranziehung des Störers und die Entschädigung des Nichtstörers müssen aber durch einen verantwortungsbegründenden Differenzierungsgrund, den Zurechnungsgrund, gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden, den die Geeignetheit nicht darstellen kann. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erbringt auch auf den Stufen der Erforderlichkeit und der Angemessenheit eine Auswahlleistung. Auch diese unterscheidet sich aber von derjenigen, die durch die Differenzierungsfunktion von Zurechnungsgründen vermittelt wird. Das auf der Geeignetheitsebene gefundene Ergebnis bedeutet für die weiteren Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine weitgehende Vorfestlegung. Der Blick auf mögliche andere Adressaten wird in der Erforderlichkeits- und der Angemessenheitsprüfung vermieden. Auf der Erforderlichkeitsebene kann die Inanspruchnahme eines anderen zwar als milderes Mittel in Betracht gezogen werden.299 Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung lässt sich aber allenfalls klären, ob es eine andere Person gibt, durch deren Inanspruchnahme das Ziel mit einer insgesamt geringeren Eingriffswirkung erreicht werden kann. Die Frage, wer als Adressat angesprochen werden darf, lässt sich allein damit nicht befriedigend lösen. Denn dass die Inanspruchnahme eine Person besonders geringfügig belastet, stellt allein keinen sachlichen Grund dar, der es gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen könnte, gerade sie zur Erfüllung einer – ihr gegebenenfalls vollkommen fremden – Aufgabe zu verpflichten. Auch die Angemessenheitsprüfung erbringt keine Auswahlleistung, die mit der Differenzierungsleistung von Zurechnungsgründen gleichgesetzt werden könnte. Zwar sind Zurechnungsgründe dort durchaus von Relevanz.300 Die Erfüllung eines Zurechnungsgrundes trägt in der Angemessenheitsprüfung zur Zumutbarkeit der Belastung Einzelner mit der Wahrnehmung von Aufgaben, die im AllgemeininterAdressatenebene notwendig wäre (a. A. offenbar Lindner, Adressatenpflichten, S. 29), in sinnvoller Weise abstrakt, sondern nur mit Blick auf die im Einzelfall ins Auge gefasste Gefahrenabwehrmaßnahme und daher präzise nur in der auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ermitteln. Aufgabe der Adressatenebene ist es nur, das über den „Zuordnungsgrund“ hinausgehende, vom Einzelfall unabhängige Zurechnungsmoment herauszuarbeiten, das die Auferlegung einer Pflicht gegenüber dem Gleichheitssatz rechtfertigt. Anders als Lindner auf Grundlage des „starken“ Störerverständnisses annimmt, muss der Zurechnungsgrund dabei nicht geeignet sein, die Auferlegung einer Pflicht umfassend auch gegenüber den Freiheitsgrundrechten des Betroffenen zu rechtfertigen (S. 59 ff.). Entgegen seiner Auffassung (S. 59) ist es daher durchaus möglich, ein einheitliches Zurechnungskriterium zu entwickeln (s. dazu unten F.). 299 M. Jakobs, S. 71; von Arnauld, S. 238 ff. m. w. N.; ablehnend Hirschberg, S. 70; Giesberts, S. 74 f. 300 Siehe dazu BVerfGE 77, 308 (337); 81, 156 (198); 85, 226 (236); 109, 64 (88), wo das Vorliegen einer „Verantwortungsbeziehung“ im Rahmen der Angemessenheitsprüfung untersucht wird. Vgl. dazu auch Kube, JZ 2010, 265 (267, 269 f.).
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esse liegen, oder deren Finanzierung bei.301 Das öffentliche Interesse an der Inanspruchnahme des Einzelnen kann sich gegenüber dessen Individualinteresse umso leichter durchsetzen, je stärker ausgeprägt seine auf der Erfüllung eines Zurechnungsgrundes beruhende Aufgabenverantwortung ist.302 Diese freiheitsgrundrechtlich relevante „Zumutbarkeitsfunktion“ von Zurechnungsgründen ist in der Angemessenheitsprüfung jedoch durch beliebige Belange ersetzbar, solange diesen nur das gleiche, die Zumutbarkeitsschwelle absenkende Gewicht zukommt. Auf die Erfüllung der gleichheitsrechtlich relevanten Differenzierungsfunktion hingegen kann nicht verzichtet werden, ohne dass die in Rede stehende Maßnahme – wegen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG – als verfassungswidrig eingestuft werden muss. Denn zur Rechtfertigung der Differenzierung zwischen Eingriffsadressaten und anderen Personen bedarf es zwingend eines sachlichen Grundes. Dieser kann im Zusammenhang mit der entschädigungslosen Heranziehung zur Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben nur in der Zurechenbarkeit der betreffenden Aufgabe zum Eingriffsadressaten bestehen. Diese Unverzichtbarkeit der Differenzierungsfunktion von Zurechnungsgründen lässt es gerechtfertigt erscheinen, die Differenzierungsfunktion als Hauptfunktion der Zurechnungsgründe einzustufen.303 Die Angemessenheitsprüfung, deren Aufgabe es ist, unter Abwägung der gegenläufigen Belange zu gewährleisten, dass die mit der Verpflichtung einhergehende Beeinträchtigung nicht „außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht“ (§ 5 Abs. 2 PolG BW), ist nicht der geeignete Ort, um das Vorliegen eines solchen Differenzierungsgrundes sicherzustellen. In ihrem Rahmen werden Zurechnungsgründe (als Zumutbarkeitsgründe) stets zu Abwägungsbelangen, die relativiert, durch andere Belange überspielt und „weggewogen“ zu werden drohen. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, das Erfordernis der Zurechenbarkeit in die Angemessenheitsprüfung einzubinden, es aber von der dort stattfindenden Abwägung auszunehmen. Dabei handelte es sich dann aber um einen Annex zur Angemessenheitsprüfung, der ebenso gut und dogmatisch klarer auch außerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung untergebracht werden kann. bb) „Verursachung“ als taugliches Zurechnungskriterium Verantwortungsbegründend kann im öffentlichen Recht insbesondere der Umstand wirken, dass die betreffende Person von der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe 301
Vgl. Waechter, LKV 2000, 388 (389); Kube, JZ 2010, 265 (267 ff.). Waechter, LKV 2000, 388. Der Vorwurf, dass die Angemessenheitsprüfung durch die Berücksichtigung von Zurechnungsgründen zu einer „allgemeinen Gerechtigkeitsprüfung“ erweitert würde (Poscher, Jura 2007, 801 [802]), ist nicht berechtigt, geht es bei der Berücksichtigung der Stärke des Zurechnungsgrundes doch um die für eine Angemessenheitsprüfung typische Bestimmung der Bedeutung und Schutzwürdigkeit des die belastende Maßnahme auslösenden Freiheitsgebrauchs. 303 Vgl. Waechter, LKV 2000, 388 (388): „Zurechnungsgründe sind zunächst Differenzierungskriterien“. 302
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selbst profitiert.304 Die Polizeigesetze stellen demgegenüber – in Übereinstimmung mit anderen öffentlich-rechtlichen Fällen der verantwortungsbegründenden Differenzierung305 – maßgeblich auf die „Verursachung“ der Sachlage ab, deren Entstehung erst ein öffentliches Bedürfnis zum Tätigwerden hervorruft.306 Dem Verursacher ist es grundsätzlich eher zuzumuten, eine Gefahr entschädigungslos zu beseitigen – also letztlich sein Verhalten „ungeschehen“ zu machen –, als jemandem, der keinen Verursachungsbeitrag geleistet hat.307 Im Unterschied zum Differenzierungskriterium der „Geeignetheit“ hat das der „Verursachung“ mithin eine verantwortungsbegründende Funktion, die auch in der Angemessenheitsprüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsbeurteilung eine eingriffsrechtfertigende Bedeutung erlangen kann. Die Frage, welche von mehreren Personen vorrangig zur Gefahrenabwehr heranzuziehen ist, von der Gefahrverursachung abhängig zu machen, ist deshalb sachgerecht. „Verursachung“ ist ein taugliches Zurechnungskriterium. cc) Die notwendige Trennung der Differenzierungs- und der Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen Die beiden Funktionen von Zurechnungsgründen, Differenzierungs- und Zumutbarkeitsfunktion, sollten bei Prüfung der Frage, ob die Verpflichtung Einzelner zur Erfüllung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben gerechtfertigt ist, im Interesse ihrer optimalen Entfaltung auseinandergehalten werden. Zurechnungsgründe müssen im Prüfungsaufbau danach zweimal Beachtung finden. So ist zum 304 So etwa bei der Anliegern aufgegebenen Wegereinigungspflicht (Ossenbühl, VVDStRL 29 [1971], S. 182 f.). Auch bei der Erdölbevorratungspflicht (s. dazu BVerfGE 30, 292) kann eine Zurechenbarkeit aufgrund Begünstigung des Inanspruchgenommenen konstruiert werden (vgl. Scholz, ArchPT 1995, 169 [185]). Siehe ferner die Rechtsprechung des BVerfG zu Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, deren Auferlegung eine besondere Sachnähe des Herangezogenen zur finanzierten Aufgabe erfordert, die sich auch aus einem „evidenten Gruppennutzen“ ergeben kann (BVerfGE 122, 316 [336 ff.]). Ähnlich verhält es sich bei der Zurechenbarkeit behördlichen Handelns im Gebührenrecht, die auch dann zu bejahen sein soll, wenn der Einzelne aus ihm einen individuellen Vorteil zieht (s. die Nachweise in Fn. 732). 305 Das Verursachungskriterium findet sich in vielen anderen Zusammenhängen wieder. So prägt es etwa im Umweltrecht als „Verursachungsprinzip“ ein ganzes Rechtsgebiet (statt vieler Erbguth/Schlacke, § 3 Rn. 11 ff.). Vgl. außerdem erneut die Rechtsprechung zu Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (BVerfGE 122, 316 [336 ff.]) und das für die Gebührenerhebung geltende Veranlasserprinzip (s. unten bei Fn. 732). Einen weiteren der vielen Einzelfälle bildet die an die Hersteller von Kopiergeräten gerichtete Forderung, Vorkehrungen gegen die Fälschung von Geldscheinen zu treffen; auch sie ließe sich mit dem Verursachungsgedanken rechtfertigen (s. dazu die Nachweise in Fn. 105). 306 Auch der Zurechnungsgedanke des individuellen Vorteils findet aber in den Polizeigesetzen Niederschlag. So mindert sich die Entschädigung des Nichtstörers gem. § 55 Abs. 1 S. 2 PolG BW, wenn „der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme der Polizei geschützt worden“ ist. 307 Waechter, LKV 2000, 388 (388); Klement, Verantwortung, S. 518 ff. Vgl. auch von Arnauld, S. 249 f.
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einen sicherzustellen, dass überhaupt ein Zurechnungsgrund erfüllt ist, der geeignet ist, die Heranziehung des Eingriffsadressaten gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Dies soll der Differenzierungsfunktion von Zurechnungsgründen Rechnung tragen. Zum anderen sind Zurechnungsgründe im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. relevant, in die sie als Abwägungsbelang einzustellen sind. Auf diese Weise kann den dogmatischen Unklarheiten vorgebeugt werden, die im Umgang mit Zurechnungsgründen auch in anderem rechtlichen Zusammenhang erkennbar sind. Derartige Unklarheiten beruhen auf der Vermischung der Differenzierungs- und der Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen. Deutlich zeigen sie sich im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsprüfungen, die im Zusammenhang mit Eingriffen in Freiheitsgrundrechte vorzunehmen sind. Zurechnungsgründe spielen hier bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Freiheitsbeschränkungen durch staatliche Indienstnahmen eine Rolle. Dabei sollen Zurechnungsgründe nicht nur eine Zumutbarkeitsfunktion, sondern auch eine Differenzierungsfunktion erfüllen. So soll die Angemessenheit einer Indienstnahme notwendig von dem Vorliegen eines „eingriffsrechtfertigenden Konnexes“, also eines Zurechnungszusammenhangs, abhängen.308 Nur wenn der Zurechnungszusammenhang erfüllt sei, könne es gerechtfertigt werden, „gerade die Freiheit des in Anspruch Genommenen zu beschränken, und nicht etwa die Freiheit eines Dritten“309. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird mithin dazu genutzt, Belangen Rechnung zu tragen, die typischerweise Gegenstand einer Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes sind. Dadurch wird aber nicht nur die Unterscheidung der spezifischen Schutzgehalte von Gleichheits- und Freiheitsrechten aufgelöst.310 Vielmehr droht dieses Vorgehen auch die Wirkkraft des Gleichheitssatzes zu schwächen. Denn die Platzierung des Erfordernisses eines Differenzierungsgrundes in der auf Abwägung angelegten Angemessenheitsprüfung begründet die Gefahr, dass der zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung unentbehrliche Differenzierungsgrund schlicht durch andere öffentliche Belange überspielt wird. Diese Gefahr hält sich zwar in Grenzen, wenn der „eingriffsrechtfertigende Konnex“ von der Abwägung ausgenommen wird. Als nicht abwägungsfähiger Gesichtspunkt wäre er in der Angemessenheitsprüfung aber ein Fremdkörper. Auch kann auf diese Weise die zur Rechtfertigung des Eingriffs notwendige Stärke des Zurechnungszusammenhangs nicht ermittelt werden, setzte dies doch eine Einbeziehung des Zurechnungsge308
Kube, JZ 2010, 265 (269 f.). Kube, JZ 2010, 265 (265). 310 Für einen Gleichlauf von freiheitsgrundrechtlicher und gleichheitsrechtlicher Dogmatik dagegen Kube, JZ 2010, 265 (270 f.). Die Frage des Eingriffsadressaten ist im Rahmen der Verhältnismäßkeit aber nur in dem oben beschriebenen Umfang von Bedeutung. Im Übrigen sollten Gleichheit und Verhältnismäßigkeit auseinandergehalten, nicht durch Erweiterungen der Verhältnismäßigkeitsprüfung miteinander vermischt werden. Zu weitgehend auch von Arnauld, S. 240, der offenbar davon ausgeht, die fehlerhafte Adressatenauswahl führe stets zumindest wegen mangelnder Erforderlichkeit zur Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs. 309
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sichtspunkts in die Gewichtung der übrigen für und gegen die Inanspruchnahme sprechenden Belange voraus.311 dd) Erfüllung des „Mindestzurechnungszusammenhangs“ als hinreichende Voraussetzung der Einordnung einer Person als Störer Die beiden Funktionen von Zurechnungsgründen sind auch bei Prüfung der Rechtmäßigkeit einer gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme auseinanderzuhalten. Zurechnungsgründe sind dort für die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer und im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. e. S. relevant. Sowohl für die Differenzierungs- als auch für die Zumutbarkeitsfunktion ist bei alldem von Bedeutung, dass Zurechnungszusammenhänge unterschiedlich stark ausgeprägt sein können: Die Intensität eines Verursachungszusammenhangs kann von bloßer Kausalität im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel bis hin zu einem verschuldeten oder zwingenden Ursachenzusammenhang reichen. Den beiden Funktionen von Zurechnungsgründen kann vollständig nur durch Berücksichtigung ihrer variablen Intensität Rechnung getragen werden. Für die Einordnung einer Person als Störer ist allerdings – wie im Folgenden darzulegen sein wird – maßgeblich, dass sie einen „Mindestzurechnungszusammenhang“ erfüllt, während die zur Rechtfertigung der Maßnahme im Einzelfall notwendige Stärke des Zurechnungszusammenhangs erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist. (1) Die Relevanz der Stärke des Zurechnungszusammenhangs im Einzelfall Die Intensität des im Einzelfall gegebenen Zurechnungszusammenhangs ist im Zusammenhang sowohl mit der Differenzierungs- als auch der Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen von Bedeutung. (a) … im Zusammenhang mit der Funktion von Zurechnungsgründen als Zumutbarkeitsgründen Für die „Zumutbarkeitsfunktion“ von Zurechnungsgründen ergibt sich die Relevanz der Stärke des Zurechnungszusammenhangs daraus, dass die für die Angemessenheit eines konkreten Eingriffs sprechende Zurechenbarkeit und die gegen einen Eingriff sprechenden Gesichtspunkte einander im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung flexibel zugeordnet werden können. Ein engerer Zurechnungszusammenhang kann dort die Zumutbarkeit schwerer wiegender Eingriffe zur Gefahrenabwehr bewirken.312 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kann mit 311
Siehe dazu sogleich noch dd) (1) (a). Waechter, POR, Rn. 358 f.; LKV 2000, 388 (389); Kube, JZ 2010, 265 (269), der von einer „Abstufung, letztlich eine[r] gleitenden Skala zulässiger Eingriffsintensitäten je nach dem 312
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einem festen Zurechnungskriterium deshalb nicht gearbeitet werden. Es kommt vielmehr auf eine in der Stärke des Zurechnungszusammenhangs zum Ausdruck kommende mehr oder weniger große „Nähe“ zur polizeiwidrigen Lage an, die zu anderen Gesichtspunkten – etwa dem Grad der Gefahr, dem Wert des bedrohten Rechtsguts und der Belastung des Verursachers313 – ins Verhältnis zu setzen ist.314 (b) … im Zusammenhang mit der Funktion von Zurechnungsgründen als Differenzierungsgründen Schwieriger zu ermitteln ist, ob Entsprechendes auch im Zusammenhang mit der für den Gleichheitssatz relevanten Differenzierungsfunktion von Zurechnungsgründen gilt. Ungleichbehandlungen können nach der Willkürformel des Bundesverfassungsgerichts durch einen vernünftigen, einleuchtenden sachlichen Grund gerechtfertigt werden.315 Danach genügt es bereits, wenn der erfüllte Zurechnungsgrund es als Differenzierungsgrund sachgerecht316 erscheinen lässt, dass eine Person als Störer statt als Nichtstörer eingeordnet wird. Nur wenn sich „offenkundig“ kein sachlicher Grund für die Differenzierung finden lässt, ist von einer Verletzung des Gleichheitssatzes auszugehen.317 Welches Zurechnungskriterium als sachlicher Grund dienen kann, lässt sich auf dieser Grundlage durchaus pauschal für alle Fälle der polizeilichen Zurechnung festlegen: Sobald ein Zurechnungszusammenhang von solcher Stärke gegeben ist, dass ihm (generell) eine rechtliche Relevanz zugesprochen werden kann, liegt auch ein sachlicher Grund für die Einordnung einer Person als Störer vor. Eine präzisere Ermittlung der Stärke des Zurechnungszusammenhangs verlangt die Willkürformel nicht; insbesondere fordert sie nicht, dass der Zurechnungsgrund im Einzelfall so stark ist, dass er die Belastung des Verursachers mit der in Rede stehenden polizeilichen Maßnahme vor dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtfertigen kann.318
Maß individueller Folgenverantwortung“ ausgeht, wobei er die Eingriffsintensität insbesondere daran misst, ob eine finanzielle Entschädigung für das abverlangte Verhalten vorgesehen ist. 313 Waechter, POR, Rn. 359. 314 Der Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer Verursachung ist hingegen schon auf Ebene der Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer durch ein spezielles Zurechnungskriterium auszugleichen. Denn im Fall des Dazwischentretens selbstverantwortlich handelnder Dritter liegt ein sich von anderen Zurechnungskonstellationen deutlich unterscheidender Sachverhalt vor, für den bereits Art. 3 Abs. 1 GG ein besonderes Zurechnungskriterium verlangt, das die vorrangige Heranziehung des „Hintermanns“ rechtfertigt. Vgl. dazu näher F. III. 2. 315 BVerfGE 1, 14 (42 f.); Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1515 ff. m. w. N. 316 BVerfGE 116, 135 (161 f.). 317 BVerfGE 116, 135 (161). 318 Zu der Möglichkeit, typisierende Ungleichbehandlungen aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit zu rechtfertigen, Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 34 m. w. N.
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Strengere Maßstäbe – nämlich eine in ihrer Intensität je nach Gewicht der Ungleichbehandlung wandelbare319 Verhältnismäßigkeit – wären an den Differenzierungsgrund allerdings nach der sogenannten „neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts320 insbesondere dann anzulegen, wenn die Einordnung einer Person als Störer im Sinne des Polizeirechts eine personenbezogene Differenzierung darstellen würde.321 Dies ist in den hier in Rede stehenden Konstellationen nicht der Fall. Denn die Störereigenschaft knüpft an die Verursachung, also ein Verhalten oder den Zustand einer Sache an, nicht aber an (unabänderliche) persönliche Merkmale des „Störers“.322 Zur Anwendbarkeit der „neuen Formel“ kommt es allerdings nicht nur bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen, sondern auch dann, wenn mit der Differenzierung nachteilige Wirkungen auf die Ausübung von Freiheitsrechten einhergehen.323 Die Einordnung einer Person als Störer statt als Nichtstörer entfaltet im Fall der Inanspruchnahme eine die Freiheitsrechte beschränkende Wirkung. Mit ihr wird zum einen darüber entschieden, ob die Behörde den Betroffenen vor- oder nachrangig in Betracht zieht, und zum anderen darüber, ob dieser nur gegen Entschädigung in Anspruch genommen werden kann. Jedenfalls dort, wo es um polizeiliche Maßnahmen geht, die die Freiheitsrechte des Betroffenen intensiv beeinträchtigen324, setzt die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung der Inanspruchnahme einer Person als Störer daher nach der „neuen Formel“ voraus, dass der als Differenzierungskriterium dienende Zurechnungszusammenhang im Einzelfall von ausreichender Stärke ist, um die unterschiedliche Behandlung von Störer und Nichtstörer zu rechtfertigen. Ob dies der Fall ist, ist auf Grundlage einer Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung unterscheidet sich inhaltlich nicht von der, die bei Eingriffen in Freiheitsrechte vorzunehmen ist.325 319
BVerfGE 123, 111 (119 f.) m. w. N. BVerfGE 55, 72 (88); Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1530 ff. m. w. N. 321 BVerfGE 88, 87 (96). 322 Zwar wird angenommen, dass verhaltensbezogene Differenzierungen unter bestimmten Voraussetzungen als mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen anzusehen sein können, für die die neue Formel gilt. Nach Epping, Rn. 810 m. w. N., soll dies jedenfalls dann der Fall sein, „wenn die mittelbar ungleich behandelten Personengruppen bereits vor Schaffung des Gesetzes als abgrenzbare Gruppen existiert haben und die Betroffenen der Ungleichbehandlung nur schwer ausweichen können“. Dass vor dem polizeilichen Einschreiten abgrenzbare Personengruppen bestehen, die sich durch die Gefährlichkeit ihres Verhaltens auszeichnen und für die ein Ausweichen schwierig ist, scheint aber so gut wie ausgeschlossen. Die Fallgruppe geht zudem, wie die Voraussetzung der Schwierigkeit des Ausweichens verdeutlicht, praktisch in der sogleich zu behandelnden Fallgruppe der nachteiligen Wirkung der Differenzierung auf die Ausübung von Freiheitsrechten auf. 323 BVerfGE 88, 87 (96 f.); Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1535 ff. m. w. N. 324 Die Anforderungen an den Differenzierungsgrund bewegen sich in Abhängigkeit von der Intensität der mit der Ungleichbehandlung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigung auf einer „gleitenden Skala“ (Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1537 m. w. N., vgl. auch Epping, Rn. 816; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 38, und oben Fn. 319). 325 Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 108; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 18; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 11, 17, 300; U. Volkmann, § 19 320
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Denn der Grund für die Vornahme der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Gleichheitssatzes besteht allein darin, dass der Differenzierung zwischen Störer und Nichtstörer in diesen Fällen zugleich eine eingreifende Wirkung in die freiheitsrechtliche Position des Betroffenen zugeschrieben wird. Festzuhalten bleibt mithin: Bei geringen negativen Auswirkungen der Differenzierung zwischen Störer und Nichtstörer auf die Freiheitsrechte des Betroffenen (also bei geringer belastender Wirkung seiner Inanspruchnahme) muss sich die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer nicht an Verhältnismäßigkeitsmaßstäben messen lassen. Wo die strengen Anforderungen der „neuen Formel“ wegen der freiheitsbeeinträchtigenden Wirkung der polizeilichen Inanspruchnahme hingegen zur Anwendung gelangen, entsprechen die dann anzustellenden Verhältnismäßigkeitserwägungen denen, die im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des mit der Maßnahme einhergehenden Freiheitseingriffs vorzunehmen sind. (2) Die Maßgeblichkeit des „Mindestzurechnungszusammenhangs“ für die Störerbestimmung Die beschriebene Variabilität des im Einzelfall notwendigen Zurechnungszusammenhangs spricht auf den ersten Blick dafür, bei der Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer eine umfassende Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmen. Nur damit ließe sich der Funktion von Zurechnungsgründen auf Adressatenebene abschließend Rechnung tragen. Die hier angestrebte Entlastung des Störerbegriffs würde dadurch allerdings unmöglich – das „starke Störerverständnis“ wäre, wenn auch aus anderen Gründen, als bisher angenommen wird, richtig. Damit scheint man nun aber zwischen allen Stühlen zu sitzen: Denn oben wurde auch dargelegt, dass eine präzise und schlüssige Zumutbarkeitsprüfung auf Adressatenebene nicht möglich ist, weil auf dieser Prüfungsstufe die Maßnahme, deren Zumutbarkeit untersucht werden müsste, noch gar nicht feststeht. Dabei handelt es sich aber nicht um ein auswegloses Dilemma. Es kann konsequent aufgelöst werden, indem die Einordnung einer Person als Störer davon abhängig gemacht wird, dass diese die Mindeststärke des Zurechnungszusammenhangs erfüllt, die generell geeignet ist, die Inanspruchnahme einer Person als Störer (das heißt: statt anderer Personen und ohne Entschädigung) sowohl gegenüber dem Gleichheitssatz als auch den Freiheitsrechten zu rechtfertigen. Die Mindestzurechnungsstärke beschreibt die Zurechnungsstärke, die erforderlich ist, damit dem Zurechnungsbelang überhaupt ein für den Gleichheitssatz relevantes Gewicht zukommt, und bildet damit einen tauglichen Differenzierungsgrund. Sie lässt sich pauschal, das heißt unabhängig von einer Abwägung im konkreten Einzelfall, bestimmen.
Rn. 52; BVerfGE 84, 133 (158); 111, 10 (48, 54); 93, 85 (99); 118, 1 (27 f.); ablehnend zur Übertragung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf den Gleichheitssatz Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1538 f. m. w. N.
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Soweit es hingegen – insbesondere im Anwendungsbereich der strengen Anforderungen der „neuen Formel“ – auf die zur Rechtfertigung einer konkreten Maßnahme im Einzelfall notwendige, mehr oder weniger große Stärke des Zurechnungszusammenhangs ankommt, ist diese erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermitteln, wo dies angesichts der dort als Bezugspunkt zur Verfügung stehenden konkreten polizeilichen Maßnahme präzise möglich ist. (3) Vorteile Die auf dem schwachen Verursachungsverständnis basierende alleinige Relevanz des so beschriebenen Mindestzurechnungszusammenhangs auf Adressatenebene trägt der Doppelfunktion von Zurechnungsgründen im Ergebnis besser Rechnung als eine dort vorgenommene Abwägung zur Ermittlung der notwendigen Stärke des Zurechnungszusammenhangs es könnte. (a) Abbildung des Unterschieds zwischen Differenzierungs- und Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen Durch das Abstellen auf den Mindestzurechnungszusammenhang wird die Unterscheidung zwischen der Differenzierungs- und der Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen deutlich herausgestellt. Im Prüfungsaufbau wird die Stufe, auf der zwischen Störer und Nichtstörer unterschieden wird, dadurch zur reinen Differenzierungsebene. Besonders deutlich ist die Ausrichtung der Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer am Gleichheitssatz im Anwendungsbereich der Willkürformel. Dort steht mit der Feststellung der Erfüllung des Mindestzurechnungszusammenhangs bereits auf Zurechnungsebene abschließend fest, dass Art. 3 Abs. 1 GG einer Inanspruchnahme der als Störer identifizierten Person nicht entgegensteht. Aber auch dort, wo die „neue Formel“ mit ihrem Erfordernis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Anwendung findet, hat die Trennung von Differenzierungs- und Zumutbarkeitsfunktion im Prüfungsaufbau Vorteile: Im Unterschied zu der für die Freiheitsrechte relevanten Zumutbarkeitswirkung von Zurechnungsgründen ist deren gleichheitsrechtlich relevante Differenzierungswirkung notwendige Voraussetzung der Inanspruchnahme. Im Zusammenhang mit der Differenzierungsfunktion kann nur die im Einzelfall zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung erforderliche Stärke des notwendigen Zurechnungszusammenhangs Gegenstand einer Abwägung sein; die Frage, ob der „Mindestzurechnungszusammenhang“ überhaupt erfüllt sein muss, hingegen nicht. In ihrer Zumutbarkeitsfunktion können Zurechnungsgründe dagegen durch andere Zumutbarkeitsgründe, etwa ein hohes öffentliches Interesse an der Inanspruchnahme, ersetzt werden. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung kann im Zusammenhang mit der Zumutbarkeitsfunktion ergeben, dass das Fehlen eines Zurechnungsgrundes der Zumutbarkeit eines Freiheitseingriffs nicht entgegensteht. Dadurch, dass das Vorliegen des (Mindest-)Zurechnungszusammenhangs auf
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Adressatenebene statt in der Verhältnismäßigkeitsprüfung überprüft wird, wird genau diesem Umstand Rechnung getragen. Auf Adressatenebene kann so sichergestellt werden, dass überhaupt ein Zurechnungsgrund vorliegt, der als tauglicher Differenzierungsgrund in Betracht kommt. Wird diese Hürde nicht genommen, kann es gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG von vornherein nicht gerechtfertigt sein, die betreffende Person als Störer in Anspruch zu nehmen. Denkbar ist es allerdings, dass Art. 3 Abs. 1 GG bei Anwendbarkeit der neuen Formel der Inanspruchnahme des Störers deshalb entgegensteht, weil der Zurechnungsgrund nicht die erforderliche Stärke aufweist. Ob dies der Fall ist, ist erst auf Ebene der Normanwendung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen, auf der erst die unentbehrliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer bestimmten Maßnahme möglich ist. Bejahendenfalls liegt aber stets auch eine Verletzung des jeweils einschlägigen Freiheitsgrundrechts vor.326 Die Adressatenebene trägt mithin der spezifischen Differenzierungsfunktion als Hauptfunktion von Zurechnungsgründen Rechnung, indem auf ihr der Zurechnungszusammenhang benannt wird, dessen im Einzelfall notwendige Stärke Gegenstand der nachgelagerten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist. Damit werden die Möglichkeiten, die die Polizeigesetze durch ihre positiv-rechtliche Unterscheidung zwischen „Verursachung“ und „Verhältnismäßigkeit“ bieten327, genutzt, um die Hauptfunktion von Zurechnungsgründen, ihre Differenzierungsfunktion, klar hervorzuheben. Zugleich wird auf diese Weise einer undeutlichen Vervielfachung von Zumutbarkeitserwägungen durch deren zweifache Vornahme – zum einen auf Ebene der Störerbestimmung, zum anderen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung – vorgebeugt. Angesichts des undeutlichen Bezugspunkts der Zumutbarkeitserwägungen, die bei der Störerbestimmung vorzunehmen wären und die ohne Einbeziehung der konkreten Maßnahme nicht sinnvoll möglich sind328, ist damit ein erheblicher Gewinn an Präzision und Klarheit verbunden. (b) Die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer als „Vorfilter“ Neben der Betonung der dogmatischen Hauptfunktion von Zurechnungsgründen als Differenzierungsgründe sprechen auch Praktikabilitätserwägungen für den hier eingeschlagenen Weg. Die Relevanz des Mindestzurechnungszusammenhangs auf Adressatenebene verschafft diesem die Funktion eines Vorfilters. Die Gefahrenabwehrbehörden können auf Grundlage des „schwachen“ Verursachungsverständnisses mittels eines klaren (in seinen Anforderungen im Folgenden aber noch näher zu konturierenden) Kriteriums wie dem der „Verursachung“ die Personen aussondern, die für die Inanspruchnahme in Betracht kommen. Die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen gegen diesen engeren Kreis von Personen kann dann in einem zweiten Schritt ausführlicher untersucht werden. Das Vorgehen erleichtert damit die Tätig326 327 328
Vgl. die Nachweise in Fn. 325. Siehe D. IV. 4. a). Siehe D. IV. 4. b).
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keit der Gefahrenabwehrbehörden und erhöht so deren Effizienz. Die Durchführung einzelfallbezogener Zumutbarkeitserwägungen auf Adressatenebene würde diesem Zweck, unabhängig von ihrer oben aufgezeigten mangelnden Präzision, nicht dienen können. ee) Zwischenergebnis Die dogmatische Funktion von Zurechnungsgründen spricht nur auf den ersten Blick gegen eine Entlastung des Verursachungsbegriffs. Eine genauere Betrachtung ergibt, dass die Vereinfachung der Prüfung auf Störerebene in Verbindung mit der Relevanz eines „Mindestzurechnungszusammenhangs“ geeignet ist, die spezifischen Funktionen von Zurechnungsgründen als Differenzierungs- und Zumutbarkeitsgründe auseinanderzuhalten und sie auf diese Weise besonders deutlich zur Geltung zu bringen. g) Denkbarer Einwand: Notwendigkeit der Entschädigung von Gefahrverursachern Gegen den hier vertretenen Ansatz könnte eingewandt werden, dass der Verzicht auf Verhältnismäßigkeitserwägungen auf Adressatenebene dazu führe, dass die rechtlichen Möglichkeiten, Störern contra legem Entschädigungsansprüche zu gewähren, ausgeweitet werden müssten.329 Dieser Einwand beruht auf einem Argumentationsmuster, das schon oben330 kritisiert wurde: Die Einordnung einer Person als Nichtstörer, die den Polizeigesetzen zufolge von der fehlenden „Verursachung“ abhängt, soll entgegen dieser Regelung davon abhängig gemacht werden, ob die Rechtsfolge der fehlenden „Verursachung“ – die Gewährung einer Entschädigung – im Einzelfall angemessen ist. Das gesetzlich vorgeschriebene Kriterium der „Verursachung“ wird dadurch in fragwürdiger Weise zurückgedrängt. Aber auch unabhängig hiervon und von dem Umstand, dass die Vorschriften über die Entschädigung von Nichtstörern auch jetzt schon in beträchtlichem Umfang analog auf von ihnen nicht erfasste Fälle angewendet werden,331 handelt es sich bei der Notwendigkeit der Entschädigung von Störern nicht um einen durchgreifenden Einwand. Die Entschädigungsvorschriften dienen dazu, den Nichtstörer für das gleichheitswidrige Sonderopfer zu entschädigen, das er erbringt, indem er zur Abwehr einer Gefahr tätig wird, ohne dass diese ihm zugerechnet werden kann.332 Bei der Entschädigung von Störern liegen die Dinge dagegen anders. Bei einem Störer kann 329 So die Kritik von W.-R. Schenke, POR, 7. Aufl., Rn. 241 Fn. 41, an dem Vorschlag von Muckel, DÖV 1998, 18 ff., die Störereigenschaft allein mittels Kausalitätserwägungen zu begründen und die Inanspruchnahme des Störers von deren Verhältnismäßigkeit abhängig zu machen (s. dazu F. II. 2.). 330 D. IV. 4. a). 331 Siehe etwa Würtenberger/Heckmann, Rn. 858, 866 ff.; W.-R. Schenke, POR, Rn. 691 f. 332 Friauf, in: FS Jahrreiß, S. 45 (61).
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sich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Entschädigung nur ergeben, wenn er zu Maßnahmen herangezogen werden soll, die ohne Entschädigung trotz Zurechenbarkeit der Gefahr einen unzumutbaren Eingriff in seine Freiheitsrechte darstellen würden. In diesem Zusammenhang ist erneut zu betonen, dass die Einordnung einer Person als Störer nach der hier verfolgten Konzeption nicht notwendig zur Folge hat, dass sie auch zur Gefahrbeseitigung in Anspruch genommen werden darf. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung kann ergeben, dass ein Vorgehen gegen den Störer nur unter sehr strengen, gegebenenfalls denen des polizeilichen Notstands entsprechenden Voraussetzungen zulässig oder auch gänzlich unverhältnismäßig ist. Ergibt die Prüfung, dass die Inanspruchnahme unverhältnismäßig ist, muss diese grundsätzlich unterbleiben.333 Die Frage nach der Entschädigung eines Gefahrverursachers stellt sich also nur dort, wo seine entschädigungslose Inanspruchnahme in Anbetracht seiner Freiheitsgrundrechte für ihn unzumutbar wäre, auf seine Heranziehung aber dennoch nicht verzichtet werden soll. Zwar lässt sich dies in ein Gleichheitsproblem umformulieren, das auch mit der Bezeichnung „Sonderopfer“ versehen werden kann. Das Sonderopfer ergibt sich hier aber, und darauf kommt es an, anders als von den für Nichtstörer geltenden Entschädigungsvorschriften vorausgesetzt, nicht aus der fehlenden Zurechenbarkeit, sondern aus der Schwere des Eingriffs im Einzelfall, der sich trotz grundsätzlicher Zurechenbarkeit der Gefahr nicht rechtfertigen lässt. Eine Analogie, die die Verhältnismäßigkeit an sich unzumutbarer Maßnahmen gegenüber Störern herbeiführen soll, entspricht nicht der eigentlichen Ratio der Entschädigungsvorschriften. Denn auch in ihrem angestammten Anwendungsbereich gegenüber Nichtstörern sind sie nicht dazu bestimmt, die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen herbeizuführen, die einem Störer nicht zumutbarerweise aufgegeben werden könnten.334 Vielmehr dienen sie dem Ausgleich des (gleichheitswidrigen) Sonderopfers, welches der Nichtstörer dadurch erbringt, dass er tätig wird, obwohl er keinen Zurechnungsgrund verwirklicht hat. Dieser Zusammenhang zwischen Entschädigung und fehlendem Zurechnungsgrund lässt sich den Polizeigesetzen deutlich entnehmen: Sie knüpfen nicht an die Unverhältnismäßigkeit einer entschädigungslosen Inanspruchnahme, sondern – im Fall des Handlungsstörers – an die fehlende Verursachung einer Gefahr an.335 333
Vgl. Spießhofer, S. 28; Klement, Verantwortung, S. 520. Vgl. Götz, POR, § 15 Rn. 3. 335 Dies ergibt sich auch daraus, dass die Vorschriften über die Heranziehung von Nichtstörern (ausdrücklich etwa § 9 Abs. 1 PolG BW a. E., und § 7 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG) vorsehen, dass eine Inanspruchnahme des Störers ausscheidet, wenn diese zu einem unverhältnismäßigen Schaden führen würde. Das ist nach der herkömmlichen Konzeption dann denkbar, wenn es dem Veranlasser bei abstrakter Betrachtung zwar zumutbar ist, sich so zu verhalten, dass keine Gefahren entstehen – nur dann kann er hiernach als Störer angesehen werden –, in der konkreten Situation aber jede der zur Verfügung stehenden Maßnahmen unverhältnismäßig wäre, vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 334, 389 f. Die Gesetze sehen in diesem Fall nicht etwa die Ausweitung der dem Störer zumutbaren Maßnahmen durch Gewährung einer Entschädigung vor, sondern verweisen auf die Inanspruchnahme des Nichtstörers. 334
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Wenn man allerdings die Entschädigungsvorschriften, wie es faktisch geschieht, gegenüber Nichtstörern auf die Entschädigung sonst unzumutbarer Maßnahmen erweitert – was eine extensive Auslegung ist, die einer analogen Anwendung fast gleichkommt – dann ist es nur sachgerecht, die Entschädigung auch zum Ausgleich sonst unzumutbarer Maßnahmen gegenüber Störern anzuwenden.336 Es wäre widersprüchlich, eine Person, die eine Gefahr verursacht hat, zu privilegieren, und ihr keine Maßnahmen aufzuerlegen, die einem Nichtstörer auferlegt werden können. Ein Einwand gegen die Aufgabe des „starken“ Verursachungsbegriffs ergibt sich daraus nicht. Ohnehin dürften aber die Fälle, in denen Maßnahmen zur Bekämpfung zurechenbarer Gefahren nur gegen Gewährung einer Entschädigung zumutbar sind, selten sein. Denn regelmäßig wird die aus der Erfüllung des Zurechnungsgrunds resultierende Verantwortlichkeit des Gefahrverursachers für die zu beseitigende Gefahr es angemessen erscheinen lassen, ihn entschädigungslos zu den erforderlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen zu verpflichten. Bedeutsam ist insoweit auch, dass die Leistung einer finanziellen Entschädigung wegen des wirtschaftlichen Bezugs dieser Grundrechte primär im Anwendungsbereich der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs hat.337 Hinsichtlich der übrigen Grundrechte, die auf den Schutz immaterieller Rechtsgüter gerichtet sind, ist die Möglichkeit der Herbeiführung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs mittels Entschädigungsleistung von allenfalls nachrangiger Bedeutung.338 Das Gleiche muss für die Rechtfertigung von sonst unverhältnismäßigen Ungleichbehandlungen gelten, die diese Grundrechte betreffen.339 Gerade dort, wo sich die Veranlassung Dritter zu gefähr336 Vgl. zur Entschädigung eines Störers für rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen, die er nicht rechtzeitig im Wege des Primärrechtsschutzes abwehren konnte, Sydow, Jura 2009, 7 (10). 337 Vgl. A. Voßkuhle, S. 281 ff. mit differenzierter Begründung; Haack, DVBl. 2010, 1475 (1478 f.). Dies zeigt sich im Zusammenhang mit der Eigentumsfreiheit an der Konstruktion der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung (BVerfGE 58, 137 [149 f.]; 100, 226 [244 ff.]). Zur Kompensation von Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit durch Leistung einer Entschädigung siehe BVerfGE 54, 251 (271); 97, 228 (262 f.), G. Kirchhof, S. 201; Nolte, in: Stern/Becker, GG, Art. 12 Rn. 89. 338 Haack, DVBl. 2010, 1474 ff. Vgl. auch Burgi, GewArch 1999, 393 (398), der einer Entschädigung nur bei Eingriffen in Art. 14 Abs. 1 GG Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs zuschreibt. Die Konstruktion eines „Folgenentschädigungsanspruchs“, nach der im Fall der Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit anstelle der Folgenbeseitigung eine Entschädigung zu leisten sein soll (VGH München, NVwZ 1999, 1237), hat sich bislang nicht durchgesetzt (ablehnend BVerwG, NJW 2001, 1878 [1882]; LKV 2003, 561; anders für den Fall des Mitverschuldens des Bürgers BVerwGE 82, 24 [27 ff.]). Hiervon zu trennen ist die Frage nach der Reichweite des allgemeinen Aufopferungsanspruchs, der seine Wurzel im Gleichheitssatz hat (Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 16 Rn. 58; Ossenbühl/Cornils, S. 130) und dessen Ausweitung von seinem traditionell auf die durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter beschränkten Anwendungsbereich auf sämtliche immateriellen Rechte gefordert wird (etwa von W.-R. Schenke, NJW 1991, 1777 [1780 f.]). 339 Vgl. Haack, DVBl. 2010, 1475 (1480): „Über Art. 3 GG lässt sich nicht das herbeikonstruieren, was die Freiheitsrechte nicht leisten“.
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lichem Verhalten aus der wirtschaftlichen Betätigung einer Person ergibt, erscheint es aber unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch bei schwerer wiegenden Eingriffen nicht geboten, dem Veranlasser eine Entschädigung zu gewähren.340 Besonders deutlich wird dies im Fall der Veranlassung Dritter zu Störungen durch die Veranstaltung von Fußballbundesligaspielen. Angesichts der hohen Einnahmen, die durch solche Veranstaltungen generiert werden, erscheint es so gut wie ausgeschlossen, dass es geboten sein könnte, der Allgemeinheit auch die Kosten der durch solche Veranstaltungen notwendig gewordenen Gefahrenabwehrmaßnahmen aufzuerlegen.341 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass als Folge des hier vorgeschlagenen Konzepts in der Tat eine Zunahme der Fälle zu erwarten steht, in denen Störern eine Entschädigung gewährt wird. Diese Konsequenz wurzelt aber nicht im Konzept vom „schwachen“ Verursachungsverständnis, sondern in der schon jetzt bestehenden allgemeinen Handhabung der Vorschriften über die Entschädigung von Nichtstörern, die entgegen ihrer Zwecksetzung dazu genutzt werden, die Zumutbarkeit solcher Maßnahmen herbeizuführen, die wegen ihrer Eingriffsschwere an sich unzumutbar sind. Dass die Zahl der Fälle, in denen Störer entschädigt werden, auf Grundlage des hier vorgeschlagenen schwachen Verursachungsverständnisses beträchtlich zunimmt, ist angesichts der rechtfertigenden Wirkung der Erfüllung von Zurechnungsgründen und der begrenzten Auswirkung von Entschädigungen auf die Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen allerdings nicht zu erwarten. h) Ausnahme bei „Befugnis“? Im polizeirechtlichen Schrifttum wird gelegentlich nicht nur zwischen „rechtswidrigem“ und „rechtmäßigem“, sondern weiter zwischen bloß „rechtmäßigem“ und „befugtem“ Verhalten differenziert.342 Eine Person könne nicht Störer sein, wenn sie von einer Befugnis Gebrauch mache. Zweifelhaft ist aber, ob zwischen rechtmäßigem und befugtem Verhalten überhaupt unterschieden werden kann. Ein Verständnis, wonach eine Befugnis gegeben ist, wenn eine Person nicht nur die „undefinierte allgemeine Handlungsfreiheit“ ausübt, sondern „von einer durch die Rechtsordnung 340 Vgl. Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (85), zur Veranlassung von Störungen durch ein Fußballbundesligaspiel, und Poscher, Jura 2007, 801 (807), zur Veranlassung von Störungen durch ein Rockkonzert. 341 Ohnehin wird häufig dafür plädiert, den Zweckveranlasser zwar als Nichtstörer einzuordnen, ihm aber wegen des von ihm geleisteten Verursachungsbeitrags eine Entschädigung zu versagen, s. bereits oben D. I. 2. 342 Vgl. Klaudat, S. 25 („Ausübung eines besonderen Rechts“); Drews/Wacke/Vogel/ Martens, S. 316 („nicht nur nicht rechtswidrig, sondern aufgrund eines […] Rechts“); Enders, Jura 2003, 103 (108) („ausdrücklich eingeräumte, spezifische Handlungsbefugnis“); W.-R. Schenke, POR, Rn. 243 („wenn mit dem fraglichen Verhalten ein Recht ausgeübt wird“). Siehe auch bereits PrOVGE 56, 366 (368): „nicht nur nicht widerrechtlich, sondern auf Grund eines ihm zustehenden besonderen Rechts“.
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ausdrücklich eingeräumten, spezifischen Handlungsbefugnis“ Gebrauch macht343, ist abzulehnen. Auch die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG räumt dem Einzelnen eine Befugnis zum Handeln ein. Was die allgemeine Handlungsfreiheit aus Sicht des Gefahrenabwehrrechts von anderen (Grund-)Rechten, etwa Art. 5 Abs. 1 GG, unterscheiden könnte, ist nicht ersichtlich. Auch die Ausübung anderer Grundrechte kann zum Zweck der Gefahrenabwehr eingeschränkt werden – „Befugnis“ könnte daher bedeuten, dass eine Abwägung ergibt, dass das Interesse an der Ausübung des jeweiligen Grundrechts das an der Abwehr der damit einhergehenden Gefahren überwiegt. Eine solche Abwägungslösung auf Störerebene wurde aber schon oben abgelehnt. Einer sich von schlicht rechtmäßigem Verhalten unterscheidenden „Befugnis“ kann daher im Gefahrenabwehrrecht sinnvollerweise nur die Bedeutung gegeben werden, dass eine Rechtsposition gerade um der Herbeiführung eines bestimmten (polizeiwidrigen) Erfolges willen eingeräumt wurde.344 Die sich dann stellende Problematik ist vergleichbar mit der, die sich im Zusammenhang mit der „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen345 und anderen hoheitlichen Maßnahmen346 ergibt, die dem Handelnden die Herbeiführung eines Schadens erlauben oder ihn sogar dazu verpflichten. Da die Rechtsordnung nicht zwei einander widersprechende Verhaltensregeln – Recht, die polizeiwidrige Sachlage herbeizuführen bei gleichzeitiger Pflicht, diese zu vermeiden – an den Einzelnen richten kann, muss hier eine Inanspruchnahme der betreffenden Person als Störer ausscheiden.347 Der drohende Wertungswiderspruch kann allerdings nicht nur dadurch vermieden werden, dass die betreffende Person als Nichtstörer eingeordnet wird.348 In Betracht kommt vielmehr auch, bei Vorhandensein einer Befugnis der geschilderten Art schon das Bestehen einer Gefahr für die
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Enders, Jura 2003, 103 (108). P. Kirchhof, JuS 1975, 237 (240). Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 316, sehen dies nur als den deutlichsten Fall „befugten“ Verhaltens an. 345 Grundlegend BVerwGE 55, 118 (120 ff.). Die Reichweite der Legalisierungswirkung von Genehmigungen ist insbesondere im Zusammenhang mit der Frage umstritten, welche Rolle der Vorhersehbarkeit des möglichen Schadenseintritts bei Genehmigungserteilung zukommt (vgl. hierzu etwa Fluck, VerwArch 79 (1988), 406 [430 f.]; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 64 m. w. N.). Siehe hierzu noch Fn. 352. 346 Gedacht ist hier etwa an den Verwaltungsakt, der die Herstellung eines polizeiwidrigen Zustands befiehlt (vgl. dazu [Anordnung der Bauaufsichtsbehörde zum Abriss einer Giebelwand, deren Befolgung die Gefahr eines Einsturzes des Nachbarhauses zur Folge hat] und zu weiteren Beispielen Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 316 f.). 347 Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 316. 348 So allerdings die überwiegende Meinung in der Literatur, vgl. Drews/Wacke/Vogel/ Martens, S. 316 f.; Peine, JZ 1990, 201 (211); W.-R. Schenke, POR, Rn. 273; Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 83; Kugelmann, 6 Kap. Rn. 32; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 63; vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ 1990, 781 (783). 344
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verneinen.349 Dies wäre allerdings mit dem Nachteil verbunden, dass dann die öffentlich-rechtliche Erlaubnis einem Tätigwerden der Gefahrenabwehrbehörden auch mit eigenen Mitteln entgegenstünde. Denkbar wäre es auch, bei Vorliegen einer Befugnis der beschriebenen Art im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeit die Geeignetheit der polizeilichen Maßnahme zu verneinen, da diese, wenn sie sich über die „Befugnis“ hinwegsetzt, auf etwas Rechtswidriges gerichtet ist.350 Möglicherweise ist auch vom Vorliegen eines außerordentlichen „Rechtfertigungsgrundes“ auszugehen. Da das Vorhandensein einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis oder Genehmigung nicht speziell mit der Rechtsfigur der Zweckveranlassung verbunden ist, sondern die polizeiliche Verursachung allgemein betrifft, soll die Frage nach ihrer dogmatischen Verortung hier offenbleiben. Selbst wenn es richtig sein sollte, sie bei der Gefahrverursachung zu beachten – wogegen spricht, dass diese dadurch erneut materiell aufgeladen würde351 –, stünde dies der Richtigkeit der Annahme, die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens sei auf Störerebene unbeachtlich, nicht entgegen. Sie würde vielmehr nur eine lediglich in seltenen Fällen eingreifende, deutlich abgrenzbare Ausnahme von diesem Grundsatz bilden. Hervorzuheben ist zudem, dass eine „Befugnis“ in dem hier geschilderten Sinne nicht mit den Fällen zu verwechseln ist, in denen die Rechtsordnung – wie üblich – lediglich ein risikobehaftetes Verhalten erlaubt.352 Hier droht kein Widerspruch, wenn an das betreffende Verhalten polizeiliche Maßnahmen geknüpft werden, sobald sich das Risiko in einer Gefahr oder einer Störung realisiert. Risikobehaftete Handlung und polizeiwidriger Erfolg können ohne Weiteres voneinander getrennt werden.353 Als Beispiel für ein solch erlaubtes Risiko ist insbesondere die vielzitierte354 Konstellation des vollstreckbaren Räumungsurteils zu nennen, dessen Vollzug die Obdachlosigkeit des Mieters herbeizuführen droht. Das Räumungsurteil 349 Vgl. BVerwGE 55, 118 (121), wo es heißt, die Legalisierungswirkung einer Genehmigung schließe es aus, „die in der Generalklausel bezeichneten Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Einschreitens für gegeben zu halten“ – nicht auszuschließen ist es allerdings, dass mit „Generalklausel“ die aus Generalklausel und Adressatenbestimmung zusammengesetzte polizeirechtliche Befugnisgeneralklausel gemeint ist; BGHZ 143, 362 (368), mit insoweit zustimmender Anmerkung Ehlers, JZ 2000, 1007 (1008); Gusy, POR, Rn. 88; Götz, POR, § 4 Rn. 14. 350 Vgl. Muckel, DÖV 1998, 18 (23). 351 Brandt/Dieckmann/Wagner, S. 40 ff. 352 Martensen, Erlaubnis, S. 67, und Hollands, S. 201 ff., nehmen an, die Legalisierungswirkung einer Genehmigung schließe ein polizeiliches Vorgehen nur gegen das mit dem ordnungsgemäßen Betrieb einhergehende Risikopotential aus. Ein Einschreiten gegen konkrete sich aus dem Betrieb ergebende Gefahren soll hingegen trotz Genehmigung möglich sein, es sei denn, es liege ein (seltener – s. dazu auch Selmer, JuS 1992, 97 [100]) Fall einer Genehmigung nicht nur des riskanten Verhaltens, sondern der Schadensfolge vor. Zur Reichweite der Legalisierungswirkung von Genehmigungen s. noch H. V. 2. c). 353 Anschaulich Martensen, Erlaubnis, S. 63 ff. m. w. N. 354 Siehe die Nachweise in Fn. 243.
IV. Zum Einwand der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens
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schließt ein polizeiliches Einschreiten nicht kategorisch aus. Droht die Räumung zur Obdachlosigkeit des Mieters und dadurch im Einzelfall zu Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben zu führen, kann eine Abwägung widerspruchsfrei ergeben, dass die Räumung dem Eigentümer (als Störer) zum Schutz der Rechtsgüter des Mieters trotz seines vollstreckbaren Titels – auch ohne Entschädigung – untersagt werden darf.355
5. Zwischenergebnis Das schon klassische Dogma, wer rechtmäßig handele, könne nicht Störer sein, kann nicht aufrechterhalten und daher auch der Zweckveranlassung nicht entgegengehalten werden. Ob es ein unzumutbarer Grundrechtseingriff sein könnte, von dem Veranlasser störenden Drittverhaltens die Einstellung seines Verhaltens zu verlangen, spielt bei seiner Einordnung als Störer keine Rolle.356 Die Rechtsposition des Verursachers kann, da ihre Schutzwürdigkeit nur in Abhängigkeit von der Eingriffsintensität einer konkreten polizeilichen Maßnahme beurteilt werden kann, auf Ebene der Störerbestimmung nicht sinnvoll berücksichtigt werden. Maßgeblich für die polizeirechtliche Verantwortlichkeit ist deshalb allein die äußere Verursachung einer Gefahr durch ein Verhalten oder einen Sachzustand. Auf das ursächliche Verhalten bezogene Zumutbarkeitserwägungen und Pflichtverstöße sind hingegen irrelevant. Die Einordnung einer Person als Störer bedeutet diesem „schwachen Verursachungsverständnis“ zufolge nicht, dass sie stets zur Gefahrenabwehr herangezogen werden könnte. Ob dies der Fall ist, muss vielmehr durch Abwägung im Rahmen der nachgelagerten Verhältnismäßigkeitsprüfung entschieden werden.357 Diese kann unter Umständen ergeben, dass die Inanspruchnahme einer Person als Störer nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands oder auch gänzlich unverhältnismäßig ist.358 Das bedeutet zugleich: Auf Adressatenebene findet eine abschließende Entscheidung nur insoweit statt, als eine Person, die dort als Nichtstörer eingeordnet wird, ausschließlich unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands und gegen Entschädigung359 zur Gefahrenabwehr herangezogen werden 355 Vgl. zu einer solchen Abwägung Lindner, Adressatenpflichten, S. 79 f., der dabei allerdings auch mit der Möglichkeit, den Vermieter zu entschädigen, argumentiert. Zur gegenteiligen Meinung in der Literatur s. die Nachweise in Fn. 243. 356 So ebenfalls Muckel, DÖV 1998, 18 (21 ff.), wohl auch Götz, POR, § 9 Rn. 29, s. aber auch a.a.O., § 9 Rn. 15, wonach der Angegriffene nicht Störer sein könne, da er seine Rechte und Freiheiten legal ausübe. Vgl. ferner Thiel, Rn. 236, 246 mit Fn. 213. 357 So auch Muckel, DÖV 1998, 18 (21 ff.); wohl auch Thiel, Rn. 236. 358 Zur Möglichkeit der Entschädigung von Störern s. D. IV. 4. g). 359 Es sei denn, eine gesetzliche Ausnahme greift ein, etwa dann, wenn das polizeiliche Handeln zum Schutz des Nichtstörers erfolgte, § 55 Abs. 1 S. 1 PolG BW. Die Vorteilhaftigkeit der staatlichen Leistung, derentwegen der Entschädigungsanspruch gemindert oder ausgeschlossen wird, ist – wie die Verursachung – ebenfalls ein Zurechnungsgesichtspunkt (s. dazu Fn. 304 und 306 sowie im gebührenrechtlichen Kontext noch H. I. 3. b)).
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
darf.360 Hier zeigt sich noch einmal die Funktion von Zurechnungsgründen im Rahmen eines Eingriffstatbestands: Ihre Erfüllung ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung der entschädigungslosen Inanspruchnahme zur Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe.361 Die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer wird dadurch aber weder unmöglich noch entbehrlich. Den Störer kennzeichnet eine besondere, sich bei wertender Betrachtung ergebende äußere Nähe zur polizeiwidrigen Sachlage, die zu deren Zurechnung führt und damit in einer besonderen Verantwortung für deren Beseitigung mündet. Sie rechtfertigt es, seine Heranziehung vor der des Nichtstörers, der grundsätzlich im Unterschied zum Störer zu entschädigen ist, zu erwägen. Die Bedeutung der Abgrenzung zwischen Störer und Nichtstörer für das „Ergebnis“ wird durch die hier vorgeschlagene Verortung von Rechtmäßigkeitsgesichtspunkten erst in der Verhältnismäßigkeitsprüfung zwar gemindert. Die undeutliche Rolle, die die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens bisher auf Störerebene spielt362 und die zu einer hohen Unbestimmtheit der dort angewendeten Zurechnungskriterien führt, wird dadurch aber beseitigt. Erst hierdurch können die Adressatenbestimmungen, die damit zu reinen Zurechnungsnormen werden, ihre das Vorgehen der Gefahrenabwehrbehörden strukturierende Funktion363 erfüllen.
V. Zum Einwand der Systemwidrigkeit der Zweckveranlassung Zum Teil wird die Forderung nach der Verabschiedung der Zweckveranlassung damit begründet, dass diese nicht in das System des Polizeirechts passe. Denn keine der Verursachungstheorien sei in der Lage, „das Problem der Zweckveranlassung zufriedenstellend zu lösen“.364 Offenbar bezieht sich diese Kritik darauf, dass die Zurechnung nach den herkömmlichen Kriterien zu keinen angemessenen Ergebnissen führt und viele Theorien die Zurechnung gefahrverursachenden Verhaltens Dritter daher im Einzelnen von anderen Kriterien abhängig machen als die Zurechnung sonstiger Gefahren.365 Das aber ist kein beachtlicher Einwand. Eine Regel, 360 Zirkelschlüssig ist die Argumentation von Wehr, Rechtspflichten, S. 289, der behauptet, eine Abgrenzung zwischen Störer und Nichtstörer würde unmöglich, wenn die notwendige Abwägung erst auf Ebene der Normanwendung stattfinde, weil auch ein Nichtverantwortlicher durch sein tatsächliches Verhalten eine Ursache für eine Gefahr gesetzt haben könne. Damit setzt Wehr voraus, was zu begründen wäre, nämlich dass tatsächliche Verursachung allein nicht genügt, um Störer und Nichtstörer voneinander abzugrenzen. 361 Waechter, LKV 2000, 388 (389). 362 Vgl. zur Kritik auch Muckel, DÖV 1998, 18 (23). 363 Vgl. D. IV. 4. f) dd) (3) (b). 364 So Widder, S. 119, und S. 121, 4. These. 365 Da Widder, S. 15 ff., grundsätzliche Kritik an den Verursachungstheorien mit der an den Kriterien der Zweckveranlassung und der an der nach seiner Ansicht unzureichenden Beach-
VI. Ergebnis
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wonach die Zurechnung des Verhaltens Dritter nach denselben Kriterien wie die Zurechnung sonstiger Auswirkungen erfolgen müsste, existiert nicht. Das Dazwischentreten von Personen, die polizeirechtlich selbst verantwortlich sind, ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der eigenständige Zurechnungserwägungen erforderlich macht. In anderen Rechtsbereichen – man denke nur an das Strafrecht mit seinen differenzierten Vorschriften über die Beteiligung an einer Straftat (§§ 25 ff. StGB) – haben sie eigene Regelungen erfahren. Zudem sind viele der Verursachungstheorien durch den Gebrauch wertungsoffener Zurechnungskriterien in der Lage, auch den Zweckveranlasser zu erfassen.366 Kritisiert werden könnte allein, dass die Zurechnungskriterien, wie zum Beispiel der Begriff der „Unmittelbarkeit“ zeigt, durch ihre Ausdehnung mit dem Ziel, auch den Zweckveranlasser zu erfassen, an Schärfe verloren haben. Es wäre vorzuziehen, die Zweckveranlassung nicht mit den allgemeinen Zurechnungskriterien zu vermischen, sondern sie ausdrücklich als Sonderfall der Gefahrenzurechnung anzuerkennen. Ein Argument gegen die Zweckveranlassung an sich ist das aber nicht.
VI. Ergebnis Die gegen die rechtliche Zulässigkeit der Zweckveranlassung vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Weder ist sie unzureichend gesetzlich fundiert noch steht sie in grundsätzlichem Konflikt zu dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Selbstverantwortung. Soweit die Ablehnung der Zweckveranlassung auf der Annahme basiert, mit der Einordnung einer Person als Verursacher sei bereits „dem Grunde nach“ über die rechtliche Zulässigkeit ihrer polizeilichen Inanspruchnahme entschieden, ist dem und der damit einhergehenden Vermischung von Zurechnungsund Verhältnismäßigkeitserwägungen auf Adressatenebene schon im Ansatz zu widersprechen. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Veranlassers, die sinnvoll nur mit Blick auf die im Einzelfall in Rede stehende Maßnahme gestellt werden kann, verlagert sich damit zu weiten Teilen in die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Nur so lässt sich auf Adressatenebene ein verallgemeinerungsfähiges Zurechnungskriterium, dessen Funktion die eines Differenzierungskriteriums ist, herausarbeiten. Vieles spricht dafür, an der Zweckveranlassung als Zurechnungsfigur festzuhalten. Sie ist der Effektivität der Gefahrenabwehr zuträglich, lässt sich – insbesondere mit Blick auf die Entschädigungsfolge – besser in die gesetzlich vorgesehene Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer einpassen als die Einordnung des tung der Rechte des Zweckveranlassers vermischt, ist nicht recht deutlich, worauf genau er seine Auffassung von der Systemwidrigkeit der Zweckveranlassung stützt. Jedenfalls wendet er sich aber gegen spezifische Zurechnungskriterien zur Zweckveranlassung, denn diese seien „Kasuistik“, keine (Verursachungs-)„Theorie“, a.a.O., S. 71. 366 Siehe dazu ausführlich E. I. Für die Unmittelbarkeitslehre gesteht dies Widder, S. 41, offenbar selbst zu.
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D. Notwendigkeit und Zulässigkeit der Zurechnung des Verhaltens Dritter
Veranlassers als Nichtstörer und entspricht – nicht zuletzt – dem Rechtsgefühl. Zwar soll nicht behauptet werden, dass das Polizeirecht nicht auf das durch die Zweckveranlassung gewonnene Maß an effektiver Gefahrenabwehr verzichten könnte, ohne dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung in ihren Grundfesten erschüttert würde. Das Niveau der Gefahrenabwehr in Deutschland wird hohen Standards gerecht und kann daher auch gewisse Effektivitätseinbußen verkraften. Stehen der Rechtsfigur aber, wie oben gezeigt wurde, rechtliche Gesichtspunkte nicht grundsätzlich entgegen, so zwingt der aus der Verfassung ableitbare Grundsatz effektiver Gefahrenabwehr zu ihrer Anerkennung.
E. Die Zweckveranlassung als umfassende Figur für die auf Veranlassung beruhende Zurechnung des Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht Die Zweckveranlassung ist nach der hier vertretenen Konzeption als umfassender Begriff für die auf Veranlassung beruhende Zurechnung des Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht zu verstehen. Sie betrifft eine Problematik, die sich unabhängig von der zugrunde gelegten polizeirechtlichen Verursachungstheorie stellt (I.). Darüber hinaus verfügt sie auch über einen umfassenden Anwendungsbereich: Sie betrifft nicht nur die Zurechnung zu einer polizeirechtlich neutral agierenden Person, sondern auch die zu einem Störer (II.). Dabei findet sie nicht nur im Rahmen der Verhaltensverantwortlichkeit, sondern auch auf die Zustandsverantwortlichkeit Anwendung (III.).
I. Die Unabhängigkeit der Zweckveranlassung von den gefahrenabwehrrechtlichen Verursachungstheorien Die Zweckveranlassung kann unabhängig von der gefahrenabwehrrechtlichen Verursachungstheorie, die der Ermittlung des polizeirechtlich Verantwortlichen zugrunde gelegt wird, Geltung beanspruchen. Dies ist nicht selbstverständlich. Verbreitet wird die Zweckveranlassung allein mit der Theorie der unmittelbaren Verursachung in Verbindung gebracht.367 Eine exklusive Zuordnung der Zweckveranlassung zur Theorie der unmittelbaren Verursachung wird dadurch nahegelegt, dass es den Zweckveranlasser nach gängiger Definition kennzeichnen soll, „an sich“ kein Störer zu sein368 oder, anders formuliert, eine Gefahr nicht unmittelbar herbeizuführen369. Auf den ersten Blick scheint die Zweckveranlassung damit eine gute Ergänzung der Theorie von der unmittelbaren Verursachung in ihrer empirischen Ausprägung zu sein, derzufolge nur derjenige 367 Spießhofer, S. 37; Selmer, JuS 1992, 97 (98 f.); Schoch, JuS 1994, 932 (933 f.); POR, Rn. 187; Jura 2009, 360 (361); Muckel, DÖV 1998, 18 (19); Schmelz, BayVBl. 2001, 550 (550 f.); Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (577); Gusy, POR, Rn. 336; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 27; Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 496; Wehr, POR, Rn. 141. 368 Siehe Fn. 14. 369 Siehe Fn. 12.
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E. Die Zweckveranlassung
Störer ist, der die zeitlich letzte Ursache einer Gefahr setzt.370 Dass der Zweckveranlasser „an sich“ nicht stört, würde dann bedeuten, dass er von der Unmittelbarkeitslehre nicht erfasst wird – die Zweckveranlassung diente als echte Ausnahme der Unmittelbarkeitslehre dazu, diese Lücke zu schließen.371 Auf andere Verursachungstheorien, die nicht allein auf das Setzen der letzten Ursache einer Gefahr abstellen, also potentiell auch den Veranlasser erfassen, scheint die Voraussetzung, der Zweckveranlasser sei „an sich“ kein Störer, hingegen zumindest nicht gleichermaßen gut zu passen. Dass nur derjenige, der die zeitlich letzte Ursache einer Gefahr setzt, deren unmittelbarer Verursacher sei, wird heute allerdings so gut wie nicht mehr vertreten.372 Ankommen soll es vielmehr auf das Überschreiten der normativ zu bestimmenden „Gefahrenschwelle“. Angesichts der daraus resultierenden Wertungsoffenheit der Unmittelbarkeitstheorie wird die Zweckveranlassung verbreitet nur noch als eine „scheinbare Ausnahme“ von dieser Theorie angesehen.373 Auch das Handeln des Zweckveranlassers stehe in dem nach der Unmittelbarkeitstheorie erforderlichen „Verantwortungs- und Wirkungszusammenhang“374 zur Gefahr oder Störung. Diese Sichtweise hat sich weitgehend durchgesetzt. Ist dennoch die Rede davon, dass sich der Zweckveranlasser „an sich“ polizeirechtlich neutral verhalte, kann damit daher nicht gemeint sein, dass er nach der Unmittelbarkeitstheorie nicht verantwortlich ist. Deutlich gemacht werden soll damit allein, dass die Zweckveranlassung die Heranziehung einer Person als Störer nur dadurch ermöglicht, dass ihr die Folgen des störenden Verhaltens Dritter zugerechnet werden.375 Auf dieser Grundlage kann die Figur der Zweckveranlassung im Rahmen nicht nur der Theorie der unmittelbaren Verursachung, sondern auch der anderen Verursachungstheorien Anwendung finden. Die Rechtsfigur der Zweckveranlassung wird 370
Fn. 9. 371
Zu den Vertretern dieser Interpretation der Unmittelbarkeitstheorie s. die Nachweise in
So etwa Weidemann/Barthel, VR 2007, 217 (217 f.). Zu den Vertretern dieser Auffassung s. die (wenigen) Nachweise oben Fn. 9. 373 So etwa von von Mutius, Jura 1983, 298 (305); Schoch, Jura 2009, 360 (363); W.-R. Schenke, POR, Rn. 244; vgl. auch Braun, Finanzierung, S. 158 f. Dies führt zu der verwirrenden Formulierung, dass der Zweckveranlasser die Gefahr nicht unmittelbar herbeiführe, aber nach der Theorie von der unmittelbaren Verursachung verantwortlich sei (siehe etwa VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 108 ff.). Dies ist nur verständlich, wenn man sich bewusst macht, dass hier zwei verschiedene Unmittelbarkeitsbegriffe, nämlich ein wertender und ein empirischer, verwendet werden. 374 Siehe hierzu und zu den wertenden Begrifflichkeiten der Unmittelbarkeitslehre die Nachweise in Fn. 10 und 85. 375 Dass der Zweckveranlasser nicht dadurch gekennzeichnet wird, dass er die Voraussetzungen einer Verursachungstheorie nicht erfüllt, sondern dadurch, dass der Zusammenhang zwischen ihm und einer Gefahr nur durch die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter hergestellt werden kann, wird deutlich in den Definitionen von Widder, S. 1: Der Zweckveranlasser verhalte sich „isoliert betrachtet polizeirechtlich neutral“; und Wehr, POR, Rn. 141: „für sich genommen neutral“. 372
I. Unabhängigkeit von den gefahrenabwehrrechtlichen Verursachungstheorien
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von den Vertretern der übrigen Verursachungstheorien zwar weitgehend als systemwidriger Bestandteil der Unmittelbarkeitslehre verstanden und gemeinsam mit dieser abgelehnt.376 Letztlich stehen sie aber vor demselben Problem wie die ohnehin zu meist übereinstimmenden Ergebnissen führende377 Unmittelbarkeitstheorie. Auch sie müssen darüber entscheiden, ob und wann einer Person, die selbst die Voraussetzungen der jeweiligen Theorie grundsätzlich nicht erfüllt, das störende Verhalten Dritter zuzurechnen ist.378 Daran ändert sich – ähnlich wie bei der Unmittelbarkeitstheorie – nicht dadurch etwas, dass manche Theorien die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter nicht als Ausnahme, sondern als Unterfall ihrer selbst ansehen. Die Relevanz der Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter für sämtliche Verursachungstheorien kann an dem Beispiel des klassischen „Schaufensterfalles“379 verdeutlicht werden: In diesem veranlasst die auffällige Gestaltung eines Schaufensters Passanten dazu, stehenzubleiben und dadurch den Verkehr zu behindern. Der Ladeninhaber überschreitet mit der auffälligen Gestaltung des Schaufensters die Gefahrenschwelle nicht (was sich bei wertender Betrachtung daraus ergibt, dass er mit der auffälligen Schaufensterwerbung nicht die zeitlich letzte Ursache für den Eintritt der Störung setzt380 und sich zudem rechtmäßig beziehungsweise sozialadäquat verhält381). Unmittelbare Störer sind die Passanten. Wenn man die Störereigenschaft des Ladeninhabers begründen will, bedarf es deshalb der Zurechnung des Verhaltens der Passanten. Daraus ergibt sich – wie meistens – zugleich auch die Lösung nach den übrigen Verursachungstheorien: Nach der Rechtswidrigkeitstheorie wäre der Ladeninhaber nur Störer, wenn er sich rechtswidrig verhält, was „für 376 Vgl. Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (49 ff.); Gusy, POR, Rn. 336 f.; Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 80 f. 377 W.-R. Schenke, NJW 1983, 1882 (1883); Kugelmann, Kap. 8 Rn. 32; Tettinger/Erbguth/ Mann, Rn. 493; Götz, POR, § 9 Rn. 13. 378 Poscher, Jura 2007, 801 (807). Dementsprechend erörtert beispielsweise Widder in Bezug auf zehn unterschiedliche von ihm herangezogene Verursachungstheorien, ob sie eine Lösung für die Zweckveranlassung (zur fehlenden Präzision dieser Fragestellung s. bereits oben A. bei Fn. 20) bereithielten. Ähnliches Vorgehen bei Bott, S. 41 ff. Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 27, begründen ihre – an anderer Stelle (Rn. 29) allerdings wieder relativierte – Zuordnung der Zweckveranlassung zur Unmittelbarkeitslehre allein damit, dass Sozialadäquanz- und Rechtswidrigkeitslehre eine Verhaltensverantwortlichkeit bei vorsätzlichem Dazwischentreten Dritter ausschlössen, und zeigen damit, dass sich die mit der Zweckveranlassung problematisierte Zurechnungsfrage universell stellt. Siehe auch a.a.O., § 9 Rn. 29: „Die Frage, ob der Zweckveranlasser als Störer anzusehen ist, hängt allerdings letztlich nicht an der Entscheidung für die Unmittelbarkeits- und gegen die Rechtswidrigkeits- und die Sozialadäquanzlehre. Denn wie sie in diese beiden letzten Lehren nicht hineinpasst, so passt sie auch in die Unmittelbarkeitslehre eigentlich nicht hinein.“ 379 Siehe die Nachweise in Fn. 24 und 26. 380 Dies ist ein auch für den wertend verstandenen Begriff der „unmittelbaren Verursachung“ relevanter Gesichtspunkt, s. nur Schoch, POR, Rn. 178. 381 Rechtmäßigkeit und Sozialadäquanz lassen sich jedoch, wie sogleich gezeigt wird, auch anders beurteilen.
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E. Die Zweckveranlassung
sich“ gesehen nicht der Fall ist.382 Die Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre fällen aber, mit im Einzelnen unterschiedlichen Begründungen, dennoch ein Rechtswidrigkeitsurteil. Wenn der Ladeninhaber zurechenbar Passanten zu Verkehrsbehinderungen veranlasse – dies entspricht in der Sache der Zweckveranlassung –, verhalte er sich rechtswidrig, weil es ihm zuzumuten sei, seine Werbung so zu gestalten, dass sich daraus keine die Grenzen der Gemeinverträglichkeit überschreitenden Einwirkungen auf den Straßenverkehr ergäben.383 Andere Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre erwägen, die Zweckveranlassung als Ausnahme von der Rechtswidrigkeitslehre anzuerkennen.384 Ähnliches gilt für die Sozialadäquanztheorie: Die Gestaltung eines Schaufensters, die ihrer Natur nach darauf gerichtet ist, Aufmerksamkeit zu erregen, wird man, auch wenn sie auffällig ist, in aller Regel nicht für sozial inadäquat halten können. Dennoch wird erwogen, die Veranlassung anderer zu sozialinadäquatem Verhalten selbst als nicht sozialadäquat zu betrachten385 oder die Zweckveranlassung als Ausnahme von der Sozialadäquanztheorie anzuerkennen386. Der Gedanke der Zweckveranlassung ist auch relevant, wenn man die Gefahrverursachung nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre bestimmt. Grundsätzlich gilt hier, dass die Haftung für solche Gefahren ausgeschlossen ist, die nicht der eigenen Risikosphäre, sondern der eines Dritten entstammen.387 Sind bestimmte Zurech-
382
Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (55). So Gantner, S. 156 ff., der von der Verletzung einer allgemeinen Polizeipflicht ausgeht. Die den Verkehr beeinträchtigende Zuschaueransammlung sei dem Ladeninhaber zuzurechnen, wenn sie sich als „eigentümliche Folge“ seiner Schaufensterwerbung darstelle. Sehr ähnlich Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (55), der allerdings keinen Verstoß gegen eine Polizeipflicht annimmt, sondern die „Polizeiwidrigkeit“ des Verhaltens des Ladeninhabers anhand der Wertungen der Rechtsordnung im Nachhinein bestimmt (Vollmuth, Ursache, S. 117 ff.). Er rechnet die Zuschaueransammlung dem Ladeninhaber zu, wenn die Schaufensterwerbung in nicht nur zufälliger Beziehung zu der sich sammelnden Menschenmenge stehe, sondern diese nach aller Lebenserfahrung zur Folge habe (hinsichtlich der Zurechnungskriterien nimmt Vollmuth, VerwArch 68 [1977], 45 [55] Fn. 51, auf die Ausführungen von Scholler/Broß, S. 140 f., zur Zweckveranlassung Bezug). Ähnlich und ebenfalls ohne Rückgriff auf die Verletzung einer Polizeipflicht, Schnur, DVBl. 1962, 1 (7). Allgemein zum Vorgehen auf Grundlage der Rechtswidrigkeitslehre Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 84 f., der die „Rechtswidrigkeit“ eines Verhaltens bei schrankenlos gewährleisteten Grundrechten durch Überlegungen zur praktischen Konkordanz ermitteln will und im Übrigen offenbar vom Eingreifen einer in ihrer Reichweite im Einzelfall zu bestimmenden polizeilichen Nichtstörungspflicht ausgeht. 384 Poscher, Jura 2007, 801 (807), der dies im Ergebnis aber ablehnt. 385 Vgl. Hurst, AöR 83 (1958), 43 (87 ff.). Undeutlich Gusy, POR, Rn. 339, der eine Verhaltensverantwortlichkeit auf dem Boden der Sozialadäquanzlehre bei vorsätzlichem Dazwischentreten Dritter verneint, zugleich aber meint, auf die „,Unmittelbarkeit‘ oder ,Mittelbarkeit‘“ des Verhaltens komme es nicht an. 386 Vgl. Poscher, Jura 2007, 801 (807). 387 Vgl. Hollands, S. 151 f. 383
II. Unabhängigkeit von der polizeirechtlichen Neutralität des Veranlasserverhaltens 99
nungsvoraussetzungen erfüllt, so soll es aber zulässig sein, das störende Verhalten Dritter als zum eigenen Risikobereich zugehörig zu betrachten.388 Die Zweckveranlassung passt mithin zu jeder der Verursachungstheorien. Die Figur könnte nur dann als überflüssig angesehen werden, wenn man – wie es aber allein die Äquivalenztheorie und die Adäquanztheorie tun – an die Zurechnung der Folgen des Verhaltens Dritter auch im Einzelnen (und nicht nur, wie es bei den übrigen Verursachungstheorien der Fall ist, durch Verwendung eines einheitlichen Oberbegriffs wie etwa dem der „Gefahrenschwelle“) keine anderen Anforderungen stellt als an die Zurechnung aller anderen denkbaren Folgen des eigenen Verhaltens. Auch dann geht es aber um die Zurechnung des Verhaltens eines anderen, nur einer besonders bezeichneten Rechtsfigur bedarf es zu deren Kennzeichnung nicht.389
II. Die Unabhängigkeit der Zweckveranlassung von der „an sich“ gegebenen polizeirechtlichen Neutralität des Veranlasserverhaltens Der gängigen Definition zufolge soll der Zweckveranlasser dadurch gekennzeichnet sein, dass er sich „an sich“ polizeirechtlich neutral verhält.390 Schon soeben wurde gezeigt, dass das Merkmal der „an sich“ gegebenen polizeirechtlichen Neutralität des Veranlassers dogmatische Unklarheiten hervorrufen kann: Entgegen dem ersten Anschein zielt es nicht auf das Verhältnis der Zweckveranlassung zu den Verursachungstheorien. Vielmehr verdeutlicht es, dass die Verantwortlichkeit des Veranlassers für eine Gefahr nur über die Zurechnung des Verhaltens Dritter hergestellt werden kann. Das Merkmal der „an sich“ vorhandenen polizeirechtlichen Neutralität ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt problematisch: Es verdeckt, dass die Zweckveranlassung geeignet ist, die auf Veranlassung beruhende Zurechenbarkeit störenden Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht umfassend zu regeln. Denn dafür, dass die Zweckveranlassung ausschließlich die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter zu einer sich polizeirechtlich neutral verhaltenden Person betreffen sollte, nicht aber auch die zu einem Störer, ist kein Grund ersichtlich.
388 Vgl. Hollands, S. 157 f., der allerdings nur bei einem Teil der Fälle, in denen es um die Zurechnung des Verhaltens Dritter geht, die Bezeichnung „Zweckveranlassung“ wählt. Siehe auch Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (461), der zur Lösung der Zweckveranlassungsfälle jedoch weitgehend auf die Unmittelbarkeitslehre zurückgreift. 389 Für die Äquivalenztheorie Muckel, DÖV 1998, 18 ff. Gallwas/Mößle vertreten zwar die Unmittelbarkeitstheorie (Rn. 425), verstehen diese im Wesentlichen aber als Adäquanztheorie (Rn. 427 ff.) und halten die Zweckveranlassung, für die auch das Adäquanzkriterium gelten soll, für entbehrlich (Rn. 441). 390 Siehe Fn. 14.
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E. Die Zweckveranlassung
1. Die Parallelität der „klassischen“ Zweckveranlassung zur erforderlichen Zurechnung zu einer schon „an sich“ störenden Person Die Fälle, in denen die Frage der Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter darüber entscheidet, ob der Veranlasser überhaupt als Störer herangezogen werden darf, bilden den klassischen Anwendungsbereich der Zweckveranlassung. Dieser wird insbesondere wegen der „Rechtmäßigkeit“ des Verhaltens des sich neutral verhaltenden Veranlassers, die seiner Einordnung als Störer nach verbreiteter Auffassung entgegenstehen soll, kontrovers diskutiert.391 Fragen der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter stellen sich aber auch dort, wo es um die Zurechnung zu Personen geht, die schon selbst – das heißt unabhängig von der Zurechnung des Verhaltens Dritter – die Voraussetzungen erfüllen, Störer zu sein. Dass auch hier über die Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter entschieden werden muss, ergibt sich daraus, dass die polizeirechtliche Verantwortlichkeit nur einen Sinn hat, wenn sie in Bezug auf eine bestimmte Gefahr besteht. Es reicht nicht aus, bei der Feststellung stehenzubleiben, dass eine Person für irgendeine Gefahr verantwortlich ist.392 Denn die Zulässigkeit von Maßnahmen gegen den Handelnden richtet sich danach, welcher Gestalt und von welchem Gewicht die seinem Verantwortungsbereich entstammende Gefahr ist.393 Je größer der drohende Schaden ist, desto schwerwiegendere Eingriffe hat der Betroffene hinzunehmen. Parkt beispielsweise eine Person ihr Fahrzeug in einer Halteverbotszone, mag das Abschleppen unverhältnismäßig sein, wenn sie selbst dadurch keine Verkehrsbehinderungen herbeiführt. Besteht im konkreten Fall aber die Gefahr, dass sich andere Verkehrsteilnehmer dadurch zur Nachahmung veranlasst fühlen und ist dieses Verhalten dem Falschparker zuzurechnen, so kann das Abschleppen aus diesem Grund verhältnismäßig sein.394 Vernachlässigt wird die Bedeutung der Zurechnung zu einem Störer auch in einem schon zum Schulfall395 zur Verdeutlichung der zeitlichen Dimension der Unmittelbarkeitslehre erhobenen Fall, über den der VGH 391
Zur Problematik der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens s. D. IV. Vgl. OVG Bautzen, NJW 1997, 2253 (2254). 393 Dies verkennt offenbar Wacke, DÖV 1960, 93 (96): „Es können mehrere Personen aber auch dann als Handlungsstörer in Betracht kommen, wenn ihr Verhalten im Zusammenhang von Ursache und Wirkung steht. Es ist dabei nur vorausgesetzt, dass bereits der erste Störer die Gefahrengrenze unmittelbar überschritten hat. A. bringt an der Straße unzulässigerweise ein schreiendes Plakat an; B. begeht dadurch veranlasst eine Verkehrsstörung […]; hier sind also beide Störer. Es führt aber gar nicht weiter, wenn man denjenigen als ,mittelbaren Störer’ betrachten will, dessen Handeln schon vor dem Hinzutreten der zweiten Person eine ,unmittelbare polizeiliche Gefahr‘ bedeutet.“ Gegen diese Auffassung spricht, dass es bei dem polizeilichen Vorgehen gegen das (nur formell?) rechtswidrig angebrachte Plakat – insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeit – durchaus von Bedeutung sein kann, ob dieses in zurechenbarer Weise zu Verkehrsbehinderungen führt. 394 Vgl. dazu W.-R. Schenke, POR, Rn. 721. 395 Siehe etwa Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 494. 392
II. Unabhängigkeit von der polizeirechtlichen Neutralität des Veranlasserverhaltens 101
Kassel zu entscheiden hatte396 : Ein Autofahrer (A) war auf einen anderen PKW aufgefahren, dessen Fahrer wegen eines Staus hatte halten müssen. Fünf hinter A fahrende Verkehrsteilnehmer fuhren auf das Fahrzeug des A auf. Aus deren Fahrzeugen lief in der Folge Öl und Benzin aus, nicht aber aus dem Fahrzeug des A, welches intakt geblieben war. Mit der Begründung, dass das Fahrzeug des A unbeschädigt geblieben sei, er also nicht unmittelbar eine Ursache für die Öl- und Benzinspur gesetzt habe, wurde seine Verantwortlichkeit für deren Beseitigung abgelehnt. Erwägungen dazu, ob ihm die von den auf ihn auffahrenden Fahrzeugführern ausgehenden Störungen zuzurechnen sind, finden sich in dem Urteil nicht. Dies überrascht, denn die Anforderungen, welche die sogenannte „objektive Theorie“ an die Zweckveranlassung stellt, könnten hier durchaus erfüllt sein: Die Annahme, dass das Auffahren auf ein Fahrzeug am Stauende typischerweise zur Folge hat, dass andere Fahrzeuge auffahren und dass dadurch eine Ölspur entsteht, liegt nicht fern. Stichhaltige Gründe dafür, die Zweckveranlassung eng zu führen, indem Fälle der Zurechnung störenden Verhaltens zu einem Störer aus ihrem Anwendungsbereich ausgeblendet werden, sind nicht ersichtlich: Die Kriterien, die für die Zurechnung der Auswirkungen des störenden Verhaltens Dritter zu einem Störer gelten, können keine grundsätzlich anderen sein als die, die bei der Zurechnung zu einer Person, die „an sich“ nicht stört, heranzuziehen wären. Es mag sein, dass mit der hier vorgeschlagenen Ausweitung die dogmatische Ausgangsposition der Zweckveranlassung verlassen wird, die gerade deshalb geschaffen wurde, um einen „an sich“ nicht polizeipflichtigen Hintermann in Anspruch nehmen zu können.397 Das allein kann aber kein Argument dafür sein, Zurechnungsfragen, die sich weitgehend einheitlich stellen, getrennt voneinander zu diskutieren und damit perspektivisch auch unterschiedlichen Lösungen zuzuführen. Die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter sollte grundsätzlich über ein einheitliches Kriterium erfolgen.
2. Die Irrelevanz der Rechtmäßigkeit des Veranlasserverhaltens bei der Zurechnung zu einem Störer Bei diesem Verständnis der Zweckveranlassung als umfassendes Zurechnungsmodell wird auch ein Weiteres deutlich: Der Einwand von der Rechtmäßigkeit des Veranlasserverhaltens398 ist jedenfalls nicht geeignet, die Zweckveranlassung ins396 VGH Kassel, NJW 1986, 1829. Siehe zu einer vergleichbaren Konstellation PrOVGE 103, 139 ff. (Krankenhausfall). 397 Mit diesem Argument spricht sich Erbel, JuS 1985, 257 (261), gegen die Subsumtion solcher Fälle unter die Figur des Zweckveranlassers aus, in denen der Veranlasser schon aus einem anderen Grund als wegen möglicher Zweckveranlassung polizeipflichtig ist. 398 Siehe zu diesem D. IV.
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E. Die Zweckveranlassung
gesamt in Frage zu stellen.399 Denn selbst wenn – entgegen den obigen Ausführungen – die „Rechtmäßigkeit“ eines Verhaltens für die Zurechnung beachtlich sein und die Behandlung eines rechtmäßig handelnden bloßen Veranlassers als Gefahrverursacher diesen stets in seinen Rechten verletzen sollte, behielte die Zweckveranlassung mit der Zurechnung des Verhaltens Dritter zu einem Störer einen Anwendungsbereich. Zwar mögen derartige Sachlagen nur eher selten vorkommen.400 Gerade an ihnen zeigt sich aber die mangelnde Tragfähigkeit der herrschenden Argumentation. Der Vorwurf, es werde durch die Zurechnung eine Person in Anspruch genommen, die sich „im Recht“ befinde, kann bei der Zurechnung einer durch Dritte hervorgerufenen Gefahr zu jemandem, der schon wegen der (bei empirischer Betrachtung) unmittelbaren Auswirkungen seines veranlassenden Verhaltens als Störer zu qualifizieren ist, nämlich nicht erhoben werden. Dies gilt jedenfalls dort, wo der Veranlasser nicht zur Beseitigung von durch Dritte verursachten störenden Folgen herangezogen, sondern von ihm zur Gefahrenabwehr lediglich verlangt wird, das veranlassende Verhalten aufzugeben.401 So ist die Frage, ob die Unterlassung des gefahrverursachenden Verhaltens zumutbar ist, in dem Falschparkbeispiel schon durch die Verletzung des Halteverbots beantwortet. Der oben geschilderten Abwägung bedarf es daher nicht. Denn die ausdrückliche Verhaltensnorm ist schon selbst das Ergebnis einer Abwägung zwischen dem Interesse an der Vornahme der gefahrverursachenden Handlung und dem an der Verhinderung der damit einhergehenden Gefahren. Es steht in diesen Fällen mithin bereits fest, dass es verhältnismäßig ist, von der betroffenen Person zu verlangen, das gefahrverursachende Ver-
399
So aber die in Fn. 197 genannten Stimmen aus dem Schrifttum. Hervorzuheben ist insbesondere, dass die hier betonte Konstellation der Zurechnung störenden Verhaltens zu einem Störer dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Dritter gerade an das als störend qualifizierte Verhalten anknüpft. Nicht von ihr erfasst sind Fälle, in denen ein Verhalten einer Person störend ist, ein Dritter aber an ein anderes, nichtstörendes Tun dieser Person anschließt. Diese sind ebenso zu behandeln wie die Zurechnung zu einer Person, die „an sich“ nicht stört. 401 Anders mag dies zu beurteilen sein, wenn dem Veranlasser nicht (nur) aufgegeben werden soll, sein Verhalten zu unterlassen, sondern die bereits entstandenen störenden Folgen des Verhaltens der von ihm veranlassten Dritten zu beseitigen. Ein Beispiel hierfür bildet etwa der Flugblattverteiler, der ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis handelt. Die Polizei könnte hier gewillt sein, dem Flugblattverteiler aufzugeben, die von den Passanten fallengelassenen Flugblätter, die auf regennasser Straße eine Rutschgefahr begründen, zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit des Fußgängerverkehrs wieder einzusammeln. Denn die auf Störerebene vorzunehmende Abwägung soll sich nur darauf beziehen, sein Verhalten oder den Zustand einer Sache so einzurichten, dass daraus keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen. Die Behauptung, der Veranlasser befinde sich „im Recht“, mag daher in diesen Fallkonstellationen aufrechterhalten werden können. Denn aus der Zumutbarkeit der Änderung des eigenen Verhaltens oder des Zustands der eigenen Sachen ergibt sich nicht notwendig, dass auch die Pflicht zur Beseitigung der Folgen des Verhaltens Dritter zumutbar ist. Meist wird diese Differenzierung von der herrschenden Diskussion aber übersehen. 400
II. Unabhängigkeit von der polizeirechtlichen Neutralität des Veranlasserverhaltens 103
halten zu unterlassen.402 Offensichtlich kann sich an diesem Ergebnis nicht dadurch etwas ändern, dass der Störer durch dasselbe Verhalten noch weitere Gefahren verursacht, indem er Dritte zu Störungen veranlasst.403 Die Verhaltenszurechnung zu einem Störer hat hier mithin weniger Auswirkungen auf das „Ob“ seiner Inanspruchnahme, sondern auf deren „Wie“: Die Zurechnung führt dazu, dass die Polizei zu schärferen Mitteln greifen darf, um das zumutbare Verhalten durchzusetzen. Die Unterscheidung der Zurechnung zu einem Störer und zu einer Person, die „an sich“ nicht stört, wäre geeignet, einen Weg zu weisen, die Frage des richtigen Zurechnungskriteriums von der nach der Berücksichtigung der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens zu trennen: Bei der Zweckveranlassung wäre zunächst nach dem richtigen Zurechnungskriterium zu fragen, ohne, wie es bisher geschieht, Fragen der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens damit zu vermischen. Erst in einem zweiten Schritt – ebenfalls noch im Rahmen der Störerbestimmung – könnten dann Überlegungen dazu angestellt werden, ob und wie einer etwaigen „an sich“ gegebenen Legalität des veranlassenden Verhaltens Rechnung getragen werden kann. Da der „Rechtmäßigkeit“ des Veranlasserverhaltens nach hier vertretener Ansicht aber ohnehin keine Relevanz für die Störerbestimmung zukommt404, braucht dieser Weg nicht beschritten zu werden.
3. Zwischenergebnis Dass das Zurechnungssubjekt sich „an sich“ polizeirechtlich neutral verhält und erst die Zweckveranlassung seine Inanspruchnahme ermöglicht, ist mithin zwar häufig, aber nicht notwendig mit der Zweckveranlassung verbunden. Als ein die Zweckveranlassung charakterisierendes Merkmal, sollte es daher verabschiedet werden.
402 Vgl. auch – ohne dies ausdrücklich auszusprechen – Schoch, Jura 2009, 360 (364 ff.), dessen Beispiele es allerdings nahelegen, dass er Zweckveranlassung unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes sogar nur dann für möglich hält, wenn der Veranlasser gegen ein einfachrechtliches Verhaltensgebot verstößt. 403 Dagegen kann nicht eingewandt werden, der Störer sei zwar nicht mit Blick auf die Folgen seines eigenen Verhaltens, wohl aber hinsichtlich der Folgen des Verhaltens des Dritten „im Recht“. Ein und dasselbe Verhalten kann entweder rechtmäßig oder rechtswidrig sein, es ist entweder von Grundrechten gedeckt oder nicht. Soweit die Störereigenschaft abgelehnt wird, weil der Schutzzweck der verletzten Verhaltensnorm das drohende Verhalten des Dritten unter Umständen nicht umfasst (zur Relevanz des Schutzzwecks der Norm Gantner, S. 161 ff.; Poscher, Jura 2007, 801 [805]; vgl. auch Vollmuth, Ursache, S. 150 ff., und ders., VerwArch 68 [1977], 45, 56 ff., im Hinblick auf die von ihm geforderte „Polizeiwidrigkeit“ der Verursachung), ist dies keine rechtlich zwingende Erwägung, sondern das Ergebnis einer Wertung (s. bei und in Fn. 244). Ob diese Wertung zutrifft, ist erst bei der Ermittlung des richtigen Zurechnungskriteriums zu klären und nicht bereits im Rahmen der grundsätzlichen Zulässigkeit der Zweckveranlassung relevant (s. dazu F. IV. 1. a)). 404 D. IV. 5.
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E. Die Zweckveranlassung
III. Die Anwendbarkeit der Zweckveranlassung auf die Verhaltensund die Zustandsverantwortlichkeit Die Zweckveranlassung kann als Zurechnungsfigur im Rahmen sowohl der gefahrenabwehrrechtlichen Verhaltens- als auch der Zustandsverantwortlichkeit zur Anwendung kommen. Im Zusammenhang mit der Zustandsverantwortlichkeit wird die Zurechenbarkeit von Drittverhalten unter dem Gesichtspunkt der Zweckveranlassung kaum diskutiert. Größere Beachtung finden Fragen der Drittzurechnung dort nur im Rahmen der Problematik, ob und inwieweit der Eigentümer oder Inhaber der Sachgewalt auch für den gefährlichen Zustand seiner Sache verantwortlich ist, den Dritte unbefugt herbeigeführt haben.405 Zur Begründung der Zurechenbarkeit wird insoweit – sachgerechterweise – nicht an die Veranlassung des Drittverhaltens, sondern schlicht an das Eigentum oder die Sachherrschaft angeknüpft.406 Davon zu trennen ist die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit auch die drohenden Reaktionen Dritter auf den Sachzustand, insbesondere den drohenden Missbrauch der Sache erfasst. Praktische Relevanz erlangt dies im Zusammenhang mit der oben407 geschilderten Problematik der Eigensicherungspflichten, die den Eigentümern oder Inhabern der tatsächlichen Gewalt über ein gefährdetes Objekt bejahendenfalls eventuell schon auf Grundlage der Ermächtigungsgrundlagen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts aufgegeben werden könnten. Im Rahmen der Eigensicherungsdiskussion wird die Erstreckung der Zustandsverantwortlichkeit auf den drohenden Missbrauch der Sache durch Unbefugte ganz überwiegend abgelehnt.408 Die Zustandsverantwortlichkeit erfordere, dass der Eingriff eines Dritten bereits erfolgt sei, dieser die Sache also bereits in einen Zustand versetzt habe, in dem sie die Gefahrenquelle selbst in sich trage.409 Denn die Sache müsse die Gefahr selbst „bilden“; für Kausalitätserwägungen sei in diesem Zusammenhang kein Raum.410 Wenn davon die Rede ist, dass eine Sache eine Gefahr „bildet“, ist damit offenbar gemeint, dass alle Bedingungen einer Gefahr durch den Sachzustand selbst verwirklicht werden, ohne dass weitere, äußere Umstände hinzutreten müssen.411 Als Beispiele werden der ölverseuchte Zustand eines Grundstücks und die damit einhergehende Gefahr für das Grundwasser oder ein baufälliges 405
W.-R. Schenke, POR, Rn. 271 ff. m. w. N. Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 40: „Daß die Sache gefährlich ist, ist entscheidend, nicht wie sie gefährlich geworden ist.“ 407 B. II. 5. 408 Siehe nur Otten, S. 110 f. m. w. N.; von Danwitz, Kernkraftwerke, S. 20. 409 Sorge, S. 144 f. 410 Kränz, S. 90 ff.; Sorge, S. 144 f.; Friauf, POR, Rn. 83; Lepsius, S. 229 f.; Otten, S. 110. 411 Friauf, DVBl. 1971, 713 (716): „Die Feststellung der Gefahr bedeutet […] nichts anderes als eine Bewertung des Zustandes selbst“. 406
III. Anwendbarkeit auf die Verhaltens- und die Zustandsverantwortlichkeit
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Haus mit der Gefahr seines Einsturzes genannt.412 Für diese Sichtweise wird im Wesentlichen der Wortlaut der gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit angeführt. Dort413 sei anders als bei der Verhaltensverantwortlichkeit nicht von „Verursachung“ die Rede, sondern davon, dass die Gefahr „von der Sache ausgehen“ müsse.414 Ein kategorischer Ausschluss der Verantwortlichkeit des Inhabers der Sachherrschaft für Gefahren, deren letzte Bedingung nicht der Sachzustand, sondern ein außerhalb der Sache liegender Umstand bildet, überzeugt jedoch nicht. Vielmehr ist, ebenso wie bei der Verhaltensverantwortlichkeit nach einem bestimmten, die Zurechnung rechtfertigenden Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Gefahr gefragt werden muss, bei der Zustandsverantwortlichkeit die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Sachzustand und der Gefahr zu stellen.415 Zwar muss die Verursachung der Gefahr in den oben genannten Beispielen nicht besonders problematisiert werden, da es an außerhalb der Sache liegenden Zwischenursachen zum Schaden fehlt. Der Wortlaut der polizeirechtlichen Vorschriften zwingt aber nicht zu der Annahme, dass eine Zustandsverantwortlichkeit nur in derartigen Fällen, in denen die Gefahr der Sache auf diese Weise „immanent“416 ist, bejaht werden kann: Eine Gefahr oder Störung hat auch dann ihre Quelle in dem Sachzustand und geht damit von diesem aus, wenn diese erst durch das Hinzutreten des Zustands einer anderen Sache oder das anknüpfende Verhaltens einer Person oder eines Tieres ermöglicht wird.417 Ohnehin formulieren die Polizeigesetze die Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit nicht einheitlich. So ist etwa in § 7 PolG BW davon die Rede, dass „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht“ werden müsse.418 Die von den Regelungen über die Verhaltensverantwortlichkeit abweichende Wortwahl ist nicht darauf zurückzuführen, dass der Sachzustand nicht Ursache einer Gefahr zu sein hat, sondern darauf, dass die Rede von der „Verursachung“ eines Umstandes durch eine Sache sprachlich eher unge412
Kränz, S. 91 f. Art. 8 Abs. 1 BayPAG; § 14 Abs. 1 BerlASOG; § 6 Abs. 1 BrandPolG; § 17 Abs. 1 BrandOBG; § 6 Abs. 1 BremPolG; § 7 Abs. 1 HessSOG; § 7 Abs. 1 S. 1 NdsSOG; § 5 Abs. 1 S. 1 NRWPolG; § 18 Abs. 1 S. 1 NRWOBG; § 5 Abs. 1 S. 1 RhPfPolG; § 5 Abs. 1 S. 1 SaarlPolG; § 8 Abs. 1 S. 1 SachsAnhSOG; § 8 Abs. 1 ThürPAG; § 11 Abs. 1 ThürOBG. 414 Kränz, S. 90; Otten, S. 110. 415 Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 70. 416 Kränz, S. 92. 417 Es ist daher richtig, wenn das OVG Münster, NWVBl. 2005, 177 (178), prüft, ob den Eigentümer eines Brückenbauwerks für die Gefahren eine Zustandsverantwortlichkeit trifft, die sich daraus ergeben, dass die Brücke von Tauben als Nistplatz genutzt wird. Eine ähnliche Konstellation betrifft die Zustandsverantwortlichkeit für von Ratten ausgehende Gefahren, die von dem Zustand eines Grundstücks angezogen werden (OVG Münster, a.a.O., dort allerdings Abgrenzung beider Fallgestaltungen). Siehe auch die Beispiele bei Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 46. 418 Gleichlautend oder ähnlich § 9 Abs. 1 S. 1 HambSOG; § 70 Abs. 1 MVSOG; § 5 SächsPolG; § 219 Abs. 1 SchlHVwG. 413
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E. Die Zweckveranlassung
wöhnlich wäre. Denn der Begriff der „Verursachung“ verweist nach allgemeinem Sprachgebrauch eher auf Geschehensabläufe als auf statische Phänomene wie Zustände von Sachen und daher eher auf ein Verhalten.419 Hinzu kommt, dass auch bei der Verhaltensverantwortlichkeit die im Gesetz vorausgesetzte „Verursachung“ einer Gefahr dann nicht besonders problematisiert werden muss, wenn eine Person durch ihr eigenes Verhalten gegen ein öffentlich-rechtliches Gebot verstößt und sich daraus die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung dieses Verstoßes ergibt, die Gefahr also ihrem Verhalten „immanent“ ist.420 Dass in anderen Fällen der Verhaltensverantwortlichkeit, nämlich bei dem Hinzutreten äußerer Bedingungen, die Ermittlung des Verursachungszusammenhangs zwischen Verhalten und Gefahr erforderlich ist, ist aber dennoch unbestritten. Warum sich dies bei der Zustandsverantwortlichkeit anders verhalten sollte, ist nicht ersichtlich.421 Nicht überzeugend ist es auch, wenn die Behauptung, auf die Verursachung einer Gefahr durch eine Sache komme es nicht an, mit dem Gefahrbegriff begründet wird. Eine „Gefahr“ wird definiert als „eine Sachlage, in der […] mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für eines der Schutzgüter eintreten wird“422. Es wird nun behauptet, im Rahmen der Zustandsverantwortlichkeit stelle der vorhandene Zustand der Sache stets schon selbst eine „Sachlage“ dar, die als Gefahr qualifiziert werden könne. Auf die Verursachung der Gefahr könne es daher nicht ankommen.423 Abgesehen davon, dass auch ein Verhalten schon eine „Sachlage“ bilden kann, aus der sich ohne das Hinzutreten äußerer Umstände ein Schaden ergeben kann (s. o.), trägt diese Argumentation nicht. Auch wenn die eben referierte Definition des Gefahrbegriffs zu einer anderen Auffassung verleitet, bezieht sich die Frage der Gefahrverursachung nicht nur auf die Verursachung einer – sich aus Umständen, die außerhalb des Sachzustands liegen, ergebenden – „Sachlage“, welche wiederum erst 419
Im Ergebnis ebenso Lepsius, S. 225, 227, der meint, dass „Verursachung immer ein individuell zurechenbarer intentionaler Akt“ (S. 225) innewohne. Dies betrifft aber nur die sprachliche Seite. Inhaltlich kann sich die Zurechnung auch bei der Verhaltensverantwortlichkeit – trotz der gesetzlichen Wortwahl – durchaus nach objektiven Kriterien richten. Dies zeigt sich auch daran, dass die „Verursachungstheorien“ auch als „Kausalitätstheorien“ (W.-R. Schenke, POR, Rn. 268 Fn. 125) bezeichnet werden. Zur Beachtlichkeit subjektiver Kriterien bei der Zweckveranlassung s. F. III. 3. mit Fn. 509; zur Unbeachtlichkeit des Vorsatzes s. F. IV. 1. c), und Hollands, S. 59 f. 420 Ein Beispiel bildet das Fahren ohne Fahrerlaubnis, das gegen § 2 Abs. 1 StVG verstößt und die Gefahr auch künftiger Verletzungen der Fahrerlaubnispflicht mit sich bringt. 421 Wie hier Spießhofer, S. 6 f., die zutreffend darauf hinweist, dass das bloße Abstellen auf den Wortlaut der Adressatenvorschriften zu sachwidrigen Ergebnissen führen würde: Wenn der Zustandsverantwortliche wegen des Wortlauts der Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit nur für der Sache „immanente“ Gefahren haften solle, dürfe der Verhaltensstörer nach dem Wortlaut der Regelungen über die Verhaltsverantwortlichkeit konsequenterweise nur für Gefahren haften, die er „verursacht“ hat, also solche, die er nicht durch sein Verhalten „bildet“. In dem Beispiel in Fn. 420 müsste eine Verhaltensverantwortlichkeit also verneint werden. Dies wird aber nicht vertreten. 422 Schoch, POR, Rn. 133. 423 Kränz, S. 91 f.
III. Anwendbarkeit auf die Verhaltens- und die Zustandsverantwortlichkeit
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ihrerseits den Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich erscheinen lässt. Vielmehr setzt Gefahrverursachung allein die Ursächlichkeit für die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens voraus. Ob ein Sachzustand oder ein Verhalten selbst die Sachlage „bildet“, aus der sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens ergibt, oder ob eine solche Sachlage durch den Sachzustand oder das Verhalten erst hervorgerufen wird, hat spielt dabei keine Rolle.424 Auf Überlegungen zur Verursachung einer Gefahr durch den Zustand einer Sache kann daher nicht verzichtet werden. Die Zurechnung von Gefahren zu einem Sachzustand kann dabei nicht über die ausschließliche Anwendung der Conditiosine-qua-non-Formel erfolgen, sondern bedarf der wertenden Einschränkung. Eine solche können die Verursachungstheorien leisten. Deren Anwendung ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Zustandsverantwortlichkeit anders als die Verhaltensverantwortlichkeit die Sachherrschaft über das Objekt voraussetzt.425 Zwar ermöglicht es der Begriff der Sachherrschaft, den Kreis der zustandsverantwortlichen Personen einzugrenzen. Träfe eine Person aber die Verantwortlichkeit für alle Gefahren, die mit einem Gegenstand, der ihrer Sachherrschaft unterfällt, durch naturwissenschaftliche Kausalität verbunden sind, wäre ihre Verantwortlichkeit uferlos. Dies betrifft insbesondere die Folgen des Missbrauchs der Sache durch Dritte, die unter diesen Voraussetzungen stets zurechenbar wären.426 Es wird zwar vorgeschlagen, die Verantwortlichkeit auf Ebene der Adressatenbestimmung mittels des „Korrelationsgedankens“ zu begrenzen. Dieser beinhalte, dass sich aus der Sachherrschaft nur solche Pflichten ergeben können, die mit dem „Interesse“ an der Sachherrschaft, das heißt insbesondere der Nutzbarkeit und Beherrschbarkeit der Sache, korrelieren.427 Es fehlt jedoch an greifbaren Kriterien, mit denen dieses „Gegenseitigkeitsverhältnis“ konkretisiert werden könnte. Zudem spricht – wie bei der Störerbestimmung insgesamt – mehr dafür, eine einzelfallbezogene Interessenabwägung zur Verhinderung einer übermäßigen Inanspruchnahme des Zustandsverantwortlichen nicht auf Adressatenebene, sondern erst im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.428
424 Auch Kränz, S. 90 ff., verzichtet nicht auf die Anwendung der Verursachungstheorien. Er prüft zwar nicht die Verursachung der Gefahr durch den Sachzustand, untersucht aber korrigierend anhand der Verursachungstheorien, ob der drohende Schaden durch die Sache verursacht werde. Eine Zustandsverantwortlichkeit für den Schaden, der durch einen terroristischen Angriff auf einen nicht hinreichend gesicherten Flughafen entsteht, lehnt er wegen fehlender Unmittelbarkeit der Verursachung ab (S. 105 f.). 425 So aber Lepsius, S. 229 ff., 242 ff. 426 Zu den auch für die Zustandsverantwortlichkeit geltenden Argumenten gegen die alleinige Anwendung der Conditio-sine-qua-non-Formel s. unten F. II. 2. 427 Lepsius, S. 110 ff. 428 Siehe dazu ausführlich D. IV.
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E. Die Zweckveranlassung
Zur Bestimmung des erforderlichen Zusammenhangs zwischen Sachzustand und Gefahr ist der Rückgriff auf die Verursachungstheorien daher unverzichtbar.429 Die damit einhergehende Parallelisierung der Zustands- mit der Verhaltensverantwortlichkeit ist naheliegend. Nicht nur stellen die Polizeigesetze die Zustandsverantwortlichkeit gleichberechtigt neben die Verhaltensverantwortlichkeit. Auch eine wertende Betrachtung lässt es einleuchtend erscheinen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob eine Person Gefahren durch ihr Verhalten verursacht oder die Verursachung von dem Zustand einer Sache ausgeht, welche die Person tatsächlich oder rechtlich beherrscht430. „Sachherrschaft“ bildet demnach keinen schwächeren Zurechnungsgrund als „Verhalten“.431 Wenn dem so ist, dann ist es aber nur konsequent, bei der Zustandsverantwortlichkeit auch die Grundsätze der Zweckveranlassung zur Anwendung zu bringen. Sind die Zurechnungskriterien der Zweckveranlassung erfüllt, ist daher auch der Inhaber der Sachherrschaft für die von dem Verhalten Dritter ausgehenden Gefahren verantwortlich.432
IV. Ergebnis Der Anwendungsbereich der Zweckveranlassung ist weiter als verbreitet angenommen wird: Fragen der Zurechnung des Verhaltens veranlasster Dritter stellen sich unabhängig davon, welche polizeirechtliche Verursachungstheorie zur Anwendung gebracht wird. Die Zweckveranlassung betrifft zudem sowohl die Zurechnung zu einer sich „an sich“ rechtmäßig verhaltenden Person als auch zu einem Störer – sie kann sowohl eine haftungsbegründende als auch eine haftungsbegrenzende433 Funktion erfüllen. Schließlich spielt sie nicht nur im Rahmen der Verhaltens-, sondern auch bei der Zustandsverantwortlichkeit eine Rolle.
429 So auch die herrschende Meinung: W.-R. Schenke, POR, Rn. 268; Denninger, in: Lisken/ Denninger, D, Rn. 70; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 45; Götz, POR, § 9 Rn. 10. Vgl. auch Spießhofer, S. 9. 430 Zu dieser zentralen Rechtfertigung der Zustandsverantwortlichkeit s. Schoch, POR, Rn. 193 m. w. N. 431 So aber Waechter, POR, Rn. 395. 432 Für eine „sachgerechte Weiterentwicklung der Figur des Zweckveranlassers“ in diesem Sinne (im Zusammenhang mit der Eigensicherungsdiskussion) auch Roßnagel, ZRP 1983, 59 (63 Fn. 36). Für eine Verantwortlichkeit des „Veranstalters […] eines Flughafenbetriebs“ für den Schutz des Publikums vor Gefahren aufgrund Zweckveranlassung Götz, NVwZ 1984, 211 (214 f.); vgl. auch ders., POR, § 9 Rn. 31. Vgl. ferner Dietlein, in: Landmann/Rohmer, BImSchG, § 5 Rn. 98: Der Betrieb einer Anlage könne auf Grund des Anlagentypus ein erhöhtes Risiko von Anschlägen oder Sabotageakten mit sich bringen, woraus sich ein Zurechnungsgrund für präventive Sicherungsmaßnahmen herstellen lasse. 433 Zur Notwendigkeit haftungsbegrenzender Kriterien s. Brandner, S. 80, 86; Selmer, JuS 1992, 97 (101 f.); vgl. auch Spießhofer, S. 5 ff., die den Unterschied zwischen „Quellen-“ und „Folgenverantwortung“ betont.
F. Das Zurechnungskriterium Den inhaltlichen Schwerpunkt der Diskussion um die Zweckveranlassung bildet neben der Frage nach dem Umgang mit den im Fall seiner Inanspruchnahme betroffenen Grundrechten des Veranlassers die nach dem richtigen Zurechnungskriterium. Beide Gesichtspunkte werden üblicherweise miteinander vermischt, was nicht nur schwierige Fragen nach der „Anwendbarkeit“ der Zweckveranlassung mit sich bringt, sondern insbesondere auch in je nach Sachlage unterschiedlich strengen Zurechnungskriterien mündet.434 Ein wesentlicher Einwand gegen die Zweckveranlassung an sich besteht denn auch darin, dass es bisher nicht gelungen sei, ein überzeugendes allgemeingültiges Zurechnungskriterium zu entwickeln.435 Erst auf Grundlage der oben436 getroffenen Feststellung, dass die Zweckveranlassung – wie die Bestimmung des Adressaten insgesamt – von situationsabhängigen Rechtmäßigkeitserwägungen unabhängig ist, ist es überhaupt möglich, ein verallgemeinerungsfähiges Kriterium für die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter herauszuarbeiten. Bei der Ermittlung des maßgeblichen Zurechnungskriteriums sind, wie bereits in der einleitenden Beschreibung der Zweckveranlassung angesprochen437, zwei Konstellationen voneinander zu trennen. Ausgangspunkt der hier vorzunehmenden Betrachtung soll die auch in der Literatur im Mittelpunkt stehende erstgenannte Fallgruppe sein, in der Dritte bereits gefährliches Verhalten an den Tag gelegt haben und es um dessen Zurechnung geht. Für die zweite Fallgruppe, in der Dritte noch nicht gestört haben, ein entsprechendes Verhalten aber zu erwarten ist, wird das für die erste Fallgruppe herausgearbeitete Kriterium im Anschluss zu modifizieren sein (V.).
I. „Verursachung“ Voraussetzung der Zurechnung einer Gefahr oder Störung im Rahmen der Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit ist deren Verursachung. Kommt die Gefahr oder Störung nur vermittelt durch das störende Verhalten Dritter zustande, muss zu
434 Zu den abweichenden Zurechnungskriterien, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Anwendungsbereich des Art. 8 GG gelten sollen, s. H. III. 435 Widder, S. 121, 4. These; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 29. 436 D. IV. 437 A.
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F. Das Zurechnungskriterium
ihrer Zurechnung daher notwendigerweise auch das Drittverhalten durch das Verhalten des „Hintermanns“ beziehungsweise den Sachzustand verursacht sein. Zwar beruht Zurechnung nicht notwendig auf Verursachung: Es gibt Fälle im Recht, in denen Verhalten Dritter zugerechnet wird, ohne dass zu diesem ein Verursachungsbeitrag geleistet werden müsste. Ein Beispiel hierfür bildet die in den Polizeigesetzen vorgesehene „Zusatzverantwortlichkeit“438, die gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 PolG BWetwa den Sorgeberechtigten für das Verhalten eines Minderjährigen bis zum 16. Lebensjahr und gemäß § 6 Abs. 3 PolG BW den Geschäftsherrn für das Verhalten seines Verrichtungsgehilfen trifft.439 Soweit die gefahrenabwehrrechtliche Verantwortlichkeit für die Folgen des eigenen Verhaltens betroffen ist, kann auf Verursachung als Bedingung der Zurechnung jedoch nicht verzichtet werden. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Polizeigesetze, die verlangen, dass der Verhaltensstörer eine Gefahr „verursacht“ hat (§ 6 Abs. 1 PolG BW; § 4 Abs. 1 MEPolG). Nichts anderes gilt bei der Zustandsverantwortlichkeit. Schon oben440 wurde dargelegt, dass auch dort ein Verursachungszusammenhang zwischen Sachzustand und Gefahr bestehen muss. Auch dies lässt sich letztlich aus dem Wortlaut der Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit ableiten, die verlangen, dass eine Gefahr von einer Sache „ausgeht“ (§ 5 Abs. 1 MEPolG) oder eine solche „durch den Zustand einer Sache“ droht (§ 7 PolG BW). „Verursachung“ und gleichbedeutend benutzte Begriffe sind nicht zwingend mit Ursächlichkeit im naturwissenschaftlichen Sinn gleichzusetzen. Den Gefahrenabwehrgesetzen kann lediglich entnommen werden, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen Verhalten bzw. Sachzustand und Gefahr, der die Bezeichnung „Verursachung“ verdient, Voraussetzung der polizeirechtlichen Zurechnung ist. Wie dieser Zusammenhang im Einzelnen beschaffen sein muss, ist eine normative Frage, die durch eine an Sinn und Zweck der Adressatenvorschriften orientierte Auslegung zu klären ist. Das Recht ist mithin nicht etwa gezwungen, sich Wertungen zu enthalten und sich auf die Feststellung naturwissenschaftlich ermittelter Ursachenzusammenhänge zu beschränken.441
438
Überblick über die Ausgestaltung der Zusatzverantwortlichkeit in Bund und Ländern bei W.-R. Schenke, POR, Rn. 265. 439 Nach M. Peine, S. 31, 222 ff., kommt eine Zusatzverantwortlichkeit nur in Betracht, wenn es an einem eigenen Beitrag des Zusatzhaftenden zur Gefahrverursachung fehlt. 440 E. III. 441 Hollands, S. 42 f.
II. Äquivalente Kausalität
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II. Äquivalente Kausalität 1. Äquivalente Kausalität als Grundvoraussetzung der Zurechnung Nichtsdestoweniger ist der naturwissenschaftliche Begriff von Kausalität in Verbindung mit der alle Bedingungen gleich achtenden Äquivalenztheorie als Grundvoraussetzung der polizeirechtlichen Zurechnung anzusehen.442 Dabei kann die in anderen Rechtsgebieten gebräuchliche Conditio-sine-qua-non-Formel zur Kennzeichnung des erforderlichen Kausalzusammenhangs gebraucht werden: Ihr zufolge ist jeder Umstand ursächlich für einen Erfolg (eine Gefahr), der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfällt.443 Das Erfordernis der empirischen Mitbedingtheit des Erfolgs ist allerdings kein für das (Polizei-)Recht zwingender, quasi vorrechtlicher Bestandteil der Kausalität.444 Die im Recht gebräuchliche Conditio-sine-qua-non-Formel entspricht zwar weitgehend dem philosophisch-naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff.445 Ein Automatismus, der bewirkt, dass diesem Kausalbegriff auch rechtliche Relevanz zukommen müsste, existiert jedoch nicht. In das polizeirechtliche Verständnis von „Verursachung“ die Äquivalenztheorie und die Conditio-Formel aufzunehmen, bedarf deshalb einer eigenständigen, letztlich auf einer wertenden Betrachtungsweise beruhenden Begründung.446 Dabei ist hervorzuheben, dass es auch Alternativen zur Äquivalenztheorie gibt: Eine solche bestünde insbesondere darin, in Anlehnung an die strafrechtliche „Risikoerhöhungslehre“447 (auch aus ex-post-Perspektive) die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Bedingungszusammenhangs für die Gefahrenzurechnung ausreichen zu lassen. Ob die Anwendung des Risikoerhöhungsgedankens dem Wortlaut der Polizeigesetze entspricht, die auf die „Verursachung“ einer Gefahr abstellen, ist allerdings äußerst zweifelhaft.448 Zudem wäre die Verdoppelung von Wahrscheinlichkeitsaussagen, die eine Zurechnung von Gefahren mittels der Risikoerhöhungslehre bedeuten würde, mit der Intention des Polizeirechts nicht vereinbar: Verursacher müsste bei Anwendung des Gedankens der Risikoerhöhung sein, wer die Gefahr449 442 Dies ist, soweit ersichtlich, unstrittig. Siehe nur Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (458, 464); Bott, S. 31 f.; Hollands, S. 42; W.-R. Schenke, POR, Rn. 241; Gusy, POR, Rn. 332; Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 75. 443 W.-R. Schenke, POR, Rn. 241. 444 So aber Bott, S. 31 m. w. N. 445 Frisch, in: FS Gössel, S. 57 ff. m. w. N. 446 Zum normativen Charakter der Conditio-sine-qua-non-Formel s. Frisch, in: FS Gössel, S. 57 ff.; Hollands, S. 39; W.-R. Schenke, POR, Rn. 241 Fn. 45. 447 Otto, NJW 1980, 417 ff. 448 Zweifel, ob die Zurechnungslehre von Otto, NJW 1978, 417 ff., mit dem Kausalitätserfordernis vereinbar ist, bei Frisch, JuS 2011, 19 (23 Fn. 31). 449 Genauer und noch weiter: das Risiko.
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F. Das Zurechnungskriterium
einer Gefahr schafft.450 Die Verbindung zwischen dem interessierenden Verhalten oder Sachzustand und dem bedrohten Rechtsgut, um dessen Schutz es dem Polizeirecht geht, wäre dadurch nur noch ausgesprochen lose; das Polizeirecht würde entgegen seinem Zweck auch zu Maßnahmen gegen Verhaltensweisen und Sachzustände berechtigen, die nur im Gefahrenvorfeld eine Rolle spielen. Bei wertender Betrachtung erscheint die bloße Risikoerhöhung zudem als ein zu schwacher Zurechnungsgrund, um die mit der Einordnung einer Person als Störer verbundenen Rechtsfolgen zu rechtfertigen.451 Für die gefahrenabwehrrechtliche Relevanz der Äquivalenztheorie in Verbindung mit der Conditio-sine-qua-non-Formel spricht daneben, dass sie eine erste sinnvolle, weil praktikable Eingrenzung der als Verursacher in Betracht kommenden Personen liefert. Ihr nicht zu unterschätzender Vorteil besteht gerade darin, dass sie in der Anwendung keine Wertungen erfordert, sondern schlicht auf bestehendes Erfahrungswissen verweist. Anders als Ansätze, die auf eine Risikoerhöhung oder Ähnliches abstellen, kommt sie ohne die – stets mit Unsicherheiten behaftete – Quantifizierung eines bestimmten Grads an Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts aus.452 Sie bildet damit eine auch für den Regelungsadressaten einsichtige, nachvollziehbare und nicht zuletzt in anderen Rechtsbereichen453 bewährte Grundlage für die Entscheidung über die Zurechenbarkeit. Zugleich eröffnet ihre Weite einen hinreichenden Spielraum für gegebenenfalls notwendige Korrekturen und Eingrenzungen. Von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Conditio-sine-qua-non-Formel zwar auf Erfahrungswissen verweist, das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs aber im Unterschied zur Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung454 nicht von der positiven Feststellung eines gesetzmäßigen Zusammenhangs abhängig macht. Letztere würde in der praktischen Anwendung gerade im Fall der Zweckveranlassung schnell an ihre Grenzen stoßen. Denn bei dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Veranlassung und Drittverhalten handelt es sich um einen Fall psychisch vermittelter Kausalität. Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es keine allgemeingültigen Erkenntnisse darüber, was die Voraussetzungen dafür sind, dass eine Person einen bestimmten 450
Das Argument entspricht dem, das auch im Strafrecht gegen die Risikoerhöhungslehre eingewandt wird: Erfolgsdelikte werden ohne Grund in Gefährdungsdelikte umgedeutet (so etwa Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 199). 451 Zwar kann sich der Staat entscheiden, dem Einzelnen auf dessen Kosten auch Maßnahmen zur Verhinderung oder Abwehr nur riskanter Verhaltensweisen oder Zustände aufzugeben. Maßnahmen im Vorfeld einer Gefahr sind nicht per se unzulässig (Gusy, VerwArch 101 [2010], 309 [319 ff.]; Masing, JZ 2011, 753 [757]; Voßkuhle, in: FS Würtenberger, S. 1108 ff.). Voraussetzung der Indienstnahme ist aber auch in diesen Fällen, dass der in Anspruch Genommene die riskante Sachlage verursacht hat; die Erhöhung des Risikos des Eintritts einer riskanten Sachlage genügt nicht (s. zur Indienstnahme, auch in Bezug auf Vorfeldmaßnahmen, allgemein C. II. 2. a) und I. I.). 452 Einschränkungen gelten insoweit allerdings gerade für den Bereich psychisch vermittelter Kausalität, s. dazu sogleich. 453 Siehe für die strafrechtliche Zurechnung etwa Frisch, JuS 2011, 19 (23) m. w. N. 454 Engisch, S. 21 ff.
II. Äquivalente Kausalität
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Entschluss fasst – ein gesetzmäßiger Zusammenhang könnte im Fall mittelbarer Verursachung deshalb so gut wie nie festgestellt werden.455 Nach der Conditio-sinequa-non-Formel genügt zur Bejahung der Kausalität hingegen das plausible Erfahrungswissen darüber, dass ein Verhalten durch bestimmte äußere Umstände motiviert werden kann, auch wenn eine dem zugrunde liegende Naturgesetzlichkeit nicht bekannt ist. Es kann deshalb zwar aus Klarstellungsgründen sinnvoll sein, die Conditio-Formel für den Bereich psychisch vermittelter Kausalität zu modifizieren. In der strafrechtlichen Literatur wird in diesem Sinne vorgeschlagen, bei psychisch vermittelter Kausalität anstelle der üblichen Formel auf einen auf Wahrscheinlichkeitsaussagen beruhenden Kausalitätsbegriff zurückzugreifen.456 Nach diesem wäre Kausalität dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Hintermanns den Grad der Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Dritte sich zu störendem Verhalten entschließt.457 Für die praktische Falllösung ist es allerdings sachgerecht, unter Rückgriff auf Erfahrungssätze zu unterstellen, dass ein Verhalten durch bestimmte – im Einzelfall zu ermittelnde – Faktoren bedingt ist und so den ursächlichen Charakter eines veranlassenden Verhaltens zu begründen. Mit dieser Unterstellung ist die Bestimmung der Kausalität nach der herkömmlichen Verursachungsformel ohne Weiteres möglich und führt zu angemessenen Ergebnissen. Wie im Straf- und Zivilrecht ist die Conditio-sine-qua-non-Formel zur Vermeidung von Unstimmigkeiten auch im Gefahrenabwehrrecht durch einzelne zusätzliche Wertungen zu ergänzen. Von wesentlicher Bedeutung für die Zweckveranlassung ist insoweit der Ausschluss hypothetischer Ersatzursachen: Dass eine Motivation des Dritten zu seinem gefährlichen Verhalten auch aus anderen Gründen als den als ursächlich festgestellten denkbar wäre – was im Fall psychischer Kausalität stets möglich erscheint –, muss als hypothetischer Kausalverlauf unbeachtlich bleiben.458 Diese normative Ergänzung ist angesichts des Umstands, dass auch die 455
Frisch, in: FS Gössel, S. 67 f.; Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 125. Vgl. Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 35 ff.; Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 135 f. 457 Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 135. 458 Vgl. für das Strafrecht Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 32. Zur Abgrenzung von fehlender und hypothetischer Kausalität s. zudem Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 77. Die Unbeachtlichkeit hypothetischer Kausalverläufe bei Veranlassung wird beispielsweise in den Fällen relevant, in denen es um die Kausalität des Verstoßes des KfzVerkäufers gegen die in § 13 Abs. 4 S. 1 und 2 FZV (früher § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO a. F.) enthaltene Pflicht, Name und Anschrift des Erwerbers der Zulassungsstelle mitzuteilen, für das verbotswidrige Abstellen des Fahrzeugs durch den Erwerber geht. Es ist naheliegend, dass der Erwerber sich durch seine Kenntnis davon, dass der Verkäufer seine Daten nicht meldet, zum verbotswidrigen Abstellen des (gegebenenfalls ausgeschlachteten) Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum motivieren lässt (vgl. OVG Münster, NWVBl. 2003, 320 [321]; VG Bremen, NVwZ-RR 2000, 593; nicht überzeugend OVG Hamburg NJW 2000, 2600 (2601), und VGH Kassel, Beschluss vom 14. Februar 2005 – 11 UZ 1879/04 –, juris, Rn. 11, die einen solchen Motivationszusammenhang nur bei kollusivem Zusammenwirken für möglich halten). Die Kausalität der Meldepflichtverletzung des Verkäufers kann daher, anders als bei OVG Bautzen, NJW 1997, 2253 (2254); VGH Kassel, NJW 1999, 3650 (3652); VG Göttingen, Urteil vom 22. Juli 2010 – 1 A 25/10 –, juris, Rn. 21, geschehen, nicht deshalb abgelehnt werden, weil der 456
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F. Das Zurechnungskriterium
Anwendung der Conditio-sine-qua-non-Formel an sich bereits das Ergebnis einer Wertung ist, nicht etwa deren inkonsequente Einschränkung, sondern Ausdruck der Notwendigkeit, ein aussagekräftiges Zurechnungskriterium zu entwickeln.459 Das Grunderfordernis der Kausalität betrifft nicht nur die Fälle mittelbarer, sondern auch unmittelbarer, also von dem Dazwischentreten Dritter unabhängiger Verursachung. Für die Zweckveranlassung bedeutet das umschriebene Kausalitätserfordernis, dass einer Person die Gefahrschaffung durch Dritte nur dann zugerechnet werden kann, wenn es ohne ihr veranlassendes Verhalten an der drittvermittelten Gefahr in ihrer konkreten Gestalt fehlen würde. Da Bezugspunkt der Kausalität die Gefährdung in ihrer konkreten raum-zeitlichen Gestalt ist460, setzt Kausalität nicht voraus, dass das gefährliche Verhalten ohne die Veranlassung vollständig entfallen würde. Insbesondere darf der Begriff des „Veranlassens“ nicht zu der Annahme verleiten, nur der „Anstifter“, der den Entschluss des Dritten zu gefährlichem Verhalten erst hervorruft, komme als Zweckveranlasser in Betracht. Kausal ist vielmehr regelmäßig auch die bloße Erleichterung der Gefahrschaffung – wie etwa der Transport von ohnehin zur Kundgebung motivierten Demonstranten zu einer verbotenen Versammlung461 – oder die Verstärkung einer durch Dritte geschaffenen Gefahr.462
2. Äquivalente Kausalität als allein unzureichendes Zurechnungskriterium Angesichts der einfachen Handhabbarkeit der Äquivalenztheorie in Verbindung mit der Conditio-sine-qua-non-Formel liegt die Erwägung nahe, sie nicht nur zur Grund-, sondern zur alleinigen Voraussetzung der Zurechnung im Polizeirecht zu machen. Dementsprechend hat Muckel vorgeschlagen, den Kreis der Störer allein mittels der Äquivalenztheorie zu bestimmen und die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme Erwerber das Fahrzeug möglicherweise auch unabhängig davon verbotswidrig abgestellt hätte. Vielmehr muss aufgeklärt werden, ob der Erwerber Kenntnis von der fehlenden Meldung hatte – wozu genügen kann, dass er seine persönlichen Daten dem Verkäufer nicht oder unrichtig mitgeteilt hat – und sich dadurch zu seinem ordnungswidrigen Verhalten veranlasst sah. 459 Vgl. Frisch, in: FS Gössel, S. 62. 460 Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 13 ff., Rn. 73, 79. 461 Zeitler, DÖV 1997, 371 ff. 462 So auch im Kontext des strafrechtlichen Parallelproblems bei der Beihilfe Joecks, in: Münchener Kommentar, StGB, § 27 Rn. 32 ff., der sich damit gegen die ständige Rechtsprechung des BGH, NJW 2007, 384 (388) m. w. N., stellt, nach dessen Auffassung Beihilfe nicht Kausalität voraussetzt, sondern die Förderung oder Erleichterung der Haupttat ausreichen soll. Dieser Streit wird verbreitet für überschätzt gehalten, da ein richtiges Kausalitätsverständnis in der Regel auch die Förderung und Erleichterung der Haupttat erfasst, s. Kudlich, in: BeckOK StGB, § 27 Rn. 4 m. w. N.
II. Äquivalente Kausalität
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erst im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu begrenzen.463 Dieser Ansatz verzichtet also darauf, bereits die Adressatenstellung mit Aussagen über die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme „dem Grunde nach“ zu verbinden, und ist damit seltener Ausdruck einer zutreffenden Abschichtung der Funktionen von Zurechnungsgründen als Differenzierungs- und Zumutbarkeitsgründe. Für ihn spricht daneben, dass er die äußeren Grenzen polizeilichen Tätigwerdens, nämlich Effektivität der Gefahrenabwehr bei gleichzeitiger Vermeidung der Verletzung von Grundrechten, abbildet.464 Zugleich macht der Ansatz die oft unbestimmten Kriterien zur Eingrenzung des Adressatenkreises auf Störerebene entbehrlich. Angesichts der den meisten gängigen Zurechnungsformeln an Strukturiertheit durchaus überlegenen Verhältnismäßigkeitsprüfung sollte er daher nicht kurzum als verfehlt von der Hand gewiesen werden.465 Seine entscheidende Schwäche liegt aber darin, dass er die Besonderheiten der Zurechnung im Fall mittelbarer Verursachung leugnet und damit die durch die Isolierung der Zurechnungs- von der Verhältnismäßigkeitsebene ermöglichte eigenständige Aussagekraft der Kategorie „Zurechnung“ wieder zunichtemacht. a) Die Weite der Äquivalenztheorie Der wesentliche, schon klassische Einwand gegen die Gleichsetzung des polizeilichen Verursachungsbegriffs mit den Aussagen der Äquivalenztheorie ist in deren Weite begründet. Diese scheint zwar in Fällen unmittelbarer Verursachung, in denen kein Dritter auf den Kausalverlauf einwirkt, hinnehmbar und – ohne dass dies hier näher untersucht werden soll – sogar sachgerecht. In den hier in Rede stehenden Fällen mittelbarer Verursachung wird aber die Uferlosigkeit der Äquivalenztheorie deutlich, die zu einer fast endlosen Verantwortlichkeit führen würde. Denn äquivalente Kausalität macht bei dem Einschreiten Dritter nicht Halt, sondern wirkt durch diese „hindurch“.466 Es könnten daher bei einer Folgenzurechnung nur anhand des Kausalitätskriteriums unendliche Haftungsketten gebildet werden; Gefahrver463
Muckel, DÖV 1998, 18 (21 ff.). Vgl. dazu kritisch Hollands, S. 23 ff., 155 f. 465 So aber W.-R. Schenke, POR, Rn. 241 mit Fn. 44 und Rn. 244 mit Fn. 57. Wenn die Ablehnung der Äquivalenztheorie in Rn. 241 mit Fn. 41 unter anderem damit begründet wird, durch ihre Anwendung werde „in einer unter dem Aspekt der Rechtssicherheit bedenklichen Weise auf die Konkretisierungen und Typisierungen verzichtet, welche die rechtlichen Wertungen im Laufe einer langen Entwicklung des Polizeirechts durch den tradierten Störerbegriff erfahren haben“, so fragt man sich, welches diese rechtssicheren Kriterien angesichts der vollkommen wertungsoffenen Rede vom „Überschreiten der polizeirechtlichen Gefahrenschwelle“ (W.-R. Schenke, POR, Rn. 242 f.), das auch von Verhältnismäßigkeitserwägungen abhängig gemacht wird (Rn. 246), sein sollen. Siehe zur Unbestimmtheit der geltenden Kriterien nur Fn. 85. Zu den weiteren Einwänden von W.-R. Schenke, POR, 7. Aufl., Rn. 241 mit Fn. 41, mit der Äquivalenztheorie müsse das mit materiellen Polizeipflichten verbundene Störerverständnis aufgegeben werden, s. D. IV. 4. c) bb); zu der von ihm gesehenen Gefahr, dass Störern auf Grundlage der Äquivalenztheorie entgegen den polizeirechtlichen Regelungen Entschädigung gewährt werden müsste, s. D. IV. 4. g). 466 Hollands, S. 38 f. 464
116
F. Das Zurechnungskriterium
ursachung könnte schon dann angenommen werden, wenn das Verhalten mehrerer Personen aufeinander aufbaut und irgendwann in einer Störung mündet. Klassisches Beispiel ist die Geburt des späteren Störers, die zu einer Einordnung des Elternteils als Verursacher in allen Fällen führen müsste, in denen der Abkömmling eine Gefahr verursacht.467 Dass dies nicht richtig sein kann, ergibt sich schon aus der Systematik der Polizeigesetze. Diese ordnen die (Zusatz-)Verantwortlichkeit des Aufsichts- oder Sorgeberechtigten deutlich abgesetzt von den Vorschriften über die Adressatenstellung des Verursachers an. Sie zielen primär auf die gemäß § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB zur Sorge verpflichteten Eltern des Verursachers ab.468 Bei Geltung der Äquivalenztheorie wären zusätzliche verantwortungsbegründende Vorschriften in dieser Weite überflüssig. Hinzu kommt, dass die Fälle des Dazwischentretens Dritter sich gerade dadurch von anderen Verursachungskonstellationen unterscheiden, dass der Dazwischentretende als verantwortlich handelnde Person selbst Zurechnungssubjekt der Folgen seines Verhaltens ist – er ist selbst Störer. Zwar können Verantwortungssphären einander überschneiden. Ein Regressverbot existiert im Gefahrenabwehrrecht nicht.469 Mit dem schwachen Kriterium der Kausalität kann das Vorliegen einer solchen Überschneidung bei wertender Betrachtung aber nicht begründet werden. Denn ein Dritter ist in der Lage, Kausalität durch sein eigenes anknüpfendes Verhalten selbständig herzustellen. Man braucht sich zur Verdeutlichung nur vor Augen zu halten, dass auch der durch einen Dritten Geschädigte durch seine bloße Anwesenheit einen kausalen Beitrag zur Schädigung leistet. Eine solche Person trägt für die durch den Dritten herbeigeführte Gefahr aber, wenn überhaupt, kaum größere Verantwortung als gänzlich unbeteiligte Personen. Die bloße Anwendung der Äquivalenztheorie würde der Funktion, die ein Zurechnungskriterium als Differenzierungsgrund im Sinne des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) erfüllen muss470, daher nicht gerecht. Es existiert kein sachlicher Grund dafür, die Heranziehung einer Person vorrangig zu prüfen, nur weil ein Dritter willkürlich den Beschluss fasst, auf ihr Verhalten mit einer Störung zu reagieren. b) Verhältnismäßigkeit als allein ungeeignetes Korrektiv der Äquivalenztheorie Der Zurechnungsgrund der äquivalenten Verursachung allein kann die Hauptfunktion von Zurechnungsgründen als Differenzierungskriterien daher nicht erfüllen. Seine Anwendung führte zu einer Überlastung der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit der Folge einer unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und solchen der Ef467 Die Ansicht von M. Peine, S. 222 Fn. 187, die Geburt eines Kindes könne kein kausaler Beitrag sein, ist unzutreffend. 468 M. Peine, S. 199. 469 Siehe D., insbesondere D. III. 470 Siehe D. IV. 4. f) aa).
II. Äquivalente Kausalität
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fektivität der Gefahrenabwehr sehr bedenklichen Überfrachtung des „Prüfprogramms“ der Gefahrenabwehrbehörden. Dies ergibt sich aus Folgendem: Der Einzelne hat einen Anspruch darauf, dass er nicht zur Gefahrenabwehr herangezogen wird, wenn es einen anderen Störer gibt, dessen Heranziehung gleich effektiv, für ihn aber weniger belastend ist.471 Die Behörde wäre daher gehalten, alle Personen zu ermitteln, deren Verhalten kausal für die Gefahr war, um beurteilen zu können, wem die Inanspruchnahme am ehesten zuzumuten ist.472 Das wäre angesichts der überbordend großen Zahl kausaler Beiträge äußerst aufwändig. Um Gefahren noch rechtzeitig abwehren zu können, müsste die Überprüfung der Verursachungsbeiträge regelmäßig, nämlich sobald mit dem Einschreiten nicht mehr zugewartet werden kann, abgebrochen werden. Dies erscheint willkürlich. Soll dies vermieden werden und behördliches Handeln vorhersehbar bleiben, muss daher schon zuvor – auf Störerebene – unter Ausnutzung der „Filterfunktion“473 von Zurechnungsgründen eine wirksame Eingrenzung des Adressatenkreises erfolgen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht dazu bestimmt und auch wenig geeignet, diese Filterfunktion zu übernehmen. Zwar spielen, wie oben ausgeführt, Zurechnungsgründe notwendigerweise auch in der Angemessenheitsprüfung eine Rolle. Dort ist unter anderem die im Einzelfall zu messende Stärke des jeweiligen Zurechnungsgrunds zu der Eingriffsintensität der ins Auge gefassten polizeilichen Maßnahme ins Verhältnis zu setzen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist aber nicht der richtige Standort für die Anwendung von aus Gründen der Praktikabilität (Filterfunktion)474 und der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns notwendigerweise typisierenden Zurechnungskriterien.475 Eine solche Typisierung kann etwa darin bestehen, dass, wie es teilweise in Anwendung der Unmittelbarkeitslehre geschieht, der zeitlich letzten Ursache einer Gefahr besondere Relevanz zugesprochen wird.476 Zwar können aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch allgemeine, typisierende Eingriffsvoraussetzungen abgeleitet werden.477 Die Prüfung der Verhält471
Fleischer, S. 74 ff.; W.-R. Schenke, POR, Rn. 285; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 89; Schoch, POR, Rn. 229. Siehe auch die Nachweise in Fn. 299. 472 Befasst sich die Behörde nicht damit, dass auch andere Personen als die in Erwägung gezogenen als Störer in Betracht kommen, handelt sie ermessensfehlerhaft, VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; OVG Schleswig, ZfW 1996, 537 (540 f.); VGH Kassel, NVwZ-RR 2004, 32 (32 f.); VGH München, Urteil vom 10. Januar 2005 – 24 BV 04.456 –, juris, Rn. 45 ff.; VG Karlsruhe, NVwZ 1993, 1018 (1020); Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, § 7 Rn. 21; Götz, POR, § 9 Rn. 91. Nach VG Karlsruhe, NVwZ 1993, 1018 (1020), soll es nur in Eilfällen nicht zu beanstanden sein, wenn die Behörde die Personen, die als Störer in Betracht kommen, nur oberflächlich ermittelt, vgl. dazu auch Ossenbühl, DÖV 1976, 463 (471). 473 D. IV. 4. f) dd) (3) (b). 474 Wobei Praktikabilität auch hier nichts Außerrechtliches ist, sondern der effektiven Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr dient. 475 Insoweit ist W.-R. Schenke, POR, Rn. 241 mit Fn. 44, zuzustimmen. 476 Siehe dazu A. bei Fn. 9. 477 Zu den prozeduralen und materiellen Voraussetzungen der Verfassungsmäßigkeit von Vorfeldmaßnahmen, die das BVerfG in BVerfGE 115, 320; 120, 274; 125, 260, aus dem all-
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F. Das Zurechnungskriterium
nismäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme im Einzelfall ist aber daran ausgerichtet, im konkreten Fall einen gerechten Ausgleich widerstreitender Interessen herbeizuführen. Typisierende Eingriffsvoraussetzungen sind hier daher deutlich weniger gut zu entwickeln und aufgehoben als auf vorangegangenen Prüfungsstufen. Die Eingrenzung der als Gefahrverursacher in Betracht kommenden Personen auf Zurechnungsebene kann mithin nicht allein durch eine Ausweitung der im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vorzunehmenden Abwägung ersetzt werden.478 Zugleich, und dies ist der Gesichtspunkt, der für die polizeiliche Zurechnung entscheidend ist, sollte die beschriebene dogmatische Steuerungsfunktion des Störerbegriffs nicht dadurch wieder aufgelöst werden, dass eine Einzelfallabwägung mit den erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung relevant werdenden Rechten des Verursachers schon auf Störerebene vorgenommen wird.
3. Zwischenergebnis Äquivalente Kausalität im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel ist eine notwendige Voraussetzung der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Rahmen der polizeilichen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit. Sie allein ist aber nicht stark genug, um als Zurechnungsgrund, der seiner oben beschriebenen dogmatischen Funktion gerecht wird, fungieren zu können. Die Äquivalenztheorie bedarf daher der Einschränkung.
III. Subjektive Vorhersehbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium Dieses einschränkende Kriterium muss die subjektive Vorhersehbarkeit des gefährlichen Drittverhaltens sein.
1. Die derzeitige Bedeutung der Vorhersehbarkeit für die Zurechnung im Polizeirecht Die Bedeutung des Kriteriums der Vorhersehbarkeit für die Zurechnung im Gefahrenabwehrrecht wird in der Regel im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Adäquanztheorie diskutiert. Dieser zufolge ist ein Erfolg zurechenbar, wenn sein gemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet hat, s. Voßkuhle, in: FS Würtenberger, S. 1112 ff. 478 So im Ergebnis auch Hollands, S. 24 ff.; Poscher, Jura 2007, 801 (802); W.-R. Schenke, POR, Rn. 241 Fn. 44; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 10.
III. Subjektive Vorhersehbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium
119
Eintritt nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar ist.479 Ob Adäquanz nur Vorhersehbarkeit verlangt oder darüber hinaus das Vorliegen eines „gewöhnlichen“, also überwiegend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs erfordert, bleibt dabei allerdings meist im Dunkeln.480 Die Adäquanztheorie findet im Gefahrenabwehrrecht heute praktisch keine Anhänger mehr.481 Wenn ihr überhaupt Bedeutung für die Gefahrenzurechnung beigemessen wird, dann in der Form, dass Vorhersehbarkeit notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung der Zurechnung sei.482 Zur Begründung wird dann auf die Abhängigkeit der Störereigenschaft von dem Verstoß gegen eine materielle Polizeipflicht (Nichtstörungspflicht) verwiesen483 : Der Verstoß gegen eine Nichtstörungspflicht könne dem Einzelnen nur zur Last gelegt werden, wenn er diesen vermeiden konnte. Die Vermeidbarkeit der Verletzung der Nichtstörungspflicht setze aber voraus, dass es erkennbar sei, ob aus einem Verhalten oder Sachzustand eine Gefahr erwachsen könne.484 Üblicherweise wird die Adäquanztheorie aber mit eher pragmatischen Argumenten abgelehnt485: Die mit ihr zu erzielenden Ergebnisse seien einerseits zu eng, andererseits zu weit. Zu eng sei das Kriterium der Vorhersehbarkeit, weil es die Polizei in atypischen Ausnahmelagen, in denen sie sich gerade bewähren müsse, machtlos stelle. Zu weit sei sie hingegen deshalb, weil auch „rechtmäßiges“ Verhalten in vorhersehbarer Weise Gefahren verursachen könne – wer sich rechtmäßig verhalte, könne aber nicht Störer sein. 479
Vgl. W.-R. Schenke, POR, Rn. 241. Zu der dahingehenden Adäquanzformel des BGH s. F. IV. 2. c) bb). Zu positiven (adäquat ist ein Ursachenzusammenhang, wenn eine „Ursache nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge generell geeignet ist, den rechtlich relevanten Erfolg herbeizuführen“) und negativen (inadäquat ist ein Zusammenhang, wenn die „Möglichkeit eines Schadens so entfernt ist, daß sie nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr in Betracht gezogen werden kann“) Formulierungen der Adäquanzformel s. auch Brandner, S. 75 m. w. N., der aber beide Formulierungen als gleichwertig ansieht und dahin zusammenfasst, dass „der eingetretene Erfolg […] nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen“ dürfe. 481 In der Sache nähern sich Gallwas/Mößle, Rn. 427 ff., der Adäquanztheorie an. Vor 1960 spielte sie allerdings noch eine bedeutende Rolle (Brandner, S. 75; vgl. auch Vieth, S. 61 ff.), vertreten etwa von Scholz-Forni, VerwArch 30 (1925), 11 (36 f.); Bock, S. 43 ff. 482 Brandner, S. 87. 483 Papier, Altlasten, S. 37; Brandner, S. 27, 64 ff.; vgl. auch Wagner, S. 62. Zur Nichtstörungspflicht s. ausführlich oben D. IV. 4. c) aa) (1) und D. IV. 4. c) bb). 484 Auch Wehr, Rechtspflichten, S. 295 ff., der die Nichtstörungspflicht ablehnt, aber stattdessen eine „allgemeine Rechtsgüterschutzpflicht“ annimmt, hält die Vorhersehbarkeit der Rechtsgutsverletzung für erforderlich. 485 Ablehnend etwa Wacke, DÖV 1960, 93 (94); von Mutius, Jura 1983, 298 (304); Drews/ Wacke/Vogel/Martens, S. 311 f.; Spießhofer, S. 32; Schoch, JuS 1994, 932 (932); Widder, S. 20 ff.; Hartmann, JuS 2008, 593 (594); W.-R. Schenke, POR, Rn. 241. Brandner, S. 83 ff., hält an dem Vorhersehbarkeitskriterium fest, bezieht es aber nicht auf die konkrete Gefahr, sondern auf das allgemeine mit der Handlung verbundene Risiko des Eintritts einer derartigen Folge. 480
120
F. Das Zurechnungskriterium
Keine der vorstehenden Erwägungen ist geeignet, ein grundsätzliches Urteil über die Relevanz der Vorhersehbarkeit einer Gefahr für deren Zurechenbarkeit im Polizeirecht zu stützen. Was die dogmatische Herleitung des Vorhersehbarkeitsgedankens aus der materiellen Polizeipflicht anbelangt, kann auf die obigen Ausführungen zur mangelnden Überzeugungskraft einer derartigen ungeschriebenen Pflicht verwiesen werden.486 Selbst wenn die materielle Polizeipflicht anzuerkennen wäre, wäre es zudem keinesfalls logisch zwingend, die Vorhersehbarkeit einer Gefahr als Voraussetzung ihrer Verletzung anzusehen. Denn die Norm behielte auch dann eine Funktion, wenn ihre Verletzung nur im Nachhinein festgestellt werden kann. Da es sich bei der materiellen Polizeipflicht ohnehin im Wesentlichen um eine Hilfskonstruktion handelt (die insbesondere die Nachfolge in die Polizeipflicht und den Gesamtschuldnerausgleich zwischen mehreren Störern ermöglichen soll487), bei der der Aspekt der Verhaltenssteuerung nicht im Mittelpunkt steht, könnte diese Handhabung durchaus sinnvoll sein. Ebensowenig wie die für den Adäquanzgesichtspunkt vorgebrachte Argumentation überzeugen aber auch die gegen ihn gerichteten Angriffe. Dass mit der Adäquanzlehre auch „rechtmäßig“ handelnde Personen als Störer eingeordnet werden können, ist bei richtigem Verständnis der Störereigenschaft488 kein Mangel. Auch mag es zwar zutreffen, dass die Zurechnungsvoraussetzung der Vorhersehbarkeit die Effektivität der Gefahrenabwehr hemmt, führte ihre generelle Anwendung doch dazu, dass den Behörden in jeder atypischen Gefahrensituation kein Adressat zur Verfügung stünde.489 Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Vorhersehbarkeit generell untauglich ist, die polizeirechtliche Zurechnung zu determinieren.490 Die Schlussfolgerung beruht auf der irrigen Annahme, das Polizeirecht verlange eine einheitliche „Zurechnungstheorie“, die in allen denkbaren Fällen zu angemessenen Lösungen führt. Dafür spricht aber nichts. Dass faktisch längst anderes gilt, zeigt sich deutlich an der Verwässerung der herrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung. Ihr gelingt es nur durch völlig wertungsoffene Begriffe („Unmittelbarkeit“, „Gefahrenschwelle“ usw.), alle Zurechnungskonstellationen unter einen Hut zu bringen. Insbesondere bringen viele Vertreter der Unmittelbarkeitslehre Aspekte der Vorhersehbarkeit ins Spiel, indem sie die Zweckveranlassung unter die Unmittelbarkeitstheorie subsumieren und die Zurechnung dabei davon abhängig machen, ob es sich bei dem Drittverhalten um eine „zwingende“ oder „typische“ Folge der Veranlassung handelt (sog. objektive Theorie)491 oder ob diese vorsätzlich herbeigeführt wurde (sog. subjektive Theorie)492. 486
Siehe D. IV. 4. c) bb). Siehe D. IV. 4. c) bb) (3). 488 Siehe D. IV. 3. 489 Zum Zusammenhang zwischen Weite des Adressatenkreises und Effektivität der Gefahrenabwehr s. D. I. 2. 490 So aber etwa Widder, S. 20 ff. 491 Siehe F. IV. 1. d). 492 Siehe F. IV. 1. c). 487
III. Subjektive Vorhersehbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium
121
Die sich um die Vorhersehbarkeit als Zurechnungskriterium rankende Diskussion geht mithin von falschen Prämissen aus und wird zu pauschal geführt. Ihr lassen sich keine für oder gegen die Bedeutung des Vorhersehbarkeitskriteriums für die Zweckveranlassung sprechenden Argumente entnehmen.
2. Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens als notwendiger Ausfluss des Prinzips der Selbstverantwortung Auf Grundlage der Erkenntnis, dass es im Polizeirecht keines auf alle denkbaren Zurechnungskonstellationen gleichermaßen passenden Zurechnungskriteriums bedarf, soll im Folgenden begründet werden, warum die Vorhersehbarkeit in den Fällen mittelbarer Verursachung von besonderer Bedeutung ist. Das insoweit entscheidend für die Relevanz des Vorhersehbarkeitskriteriums sprechende Argument gründet in dem schon oben493 angesprochenen Selbstverantwortungsprinzip, das sich insbesondere aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ableiten lässt. Es wurzelt in der Menschenwürde und der durch diese geschützten Subjektqualität des Einzelnen. Deren Wahrung braucht bei der Zurechnung von Folgen nur des eigenen Verhaltens nicht besonders sichergestellt zu werden. Die Inanspruchnahme einer Person auch wegen der Verursachung solcher Folgen, deren Eintritt sie nicht vorhersehen und daher nicht bewusst vermeiden konnte, stellt ihre Selbstverantwortlichkeit nicht in Frage. Problematisch wird dies erst, wo es um die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter geht. Das Selbstverantwortungsprinzip beruht auf der Annahme, dass Verantwortungssphären voneinander abgegrenzt werden können. Es wird daher bei der Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens einer anderen Person, die selbst Verantwortungsträgerin ist, besonders auf die Probe gestellt. Will man hier noch von Selbstverantwortung sprechen, muss ein Zurechnungskriterium sicherstellen, dass das Zurechnungssubjekt selbst beeinflussen kann, welche Folgen sein Verhalten hat, und verhindern, dass Dritte in die Lage versetzt werden, ihr Verhalten bloß durch ihren eigenen Entschluss auch als solches des Zurechnungssubjekts zu deklarieren. Anderenfalls bliebe von dem Gedanken der Selbstverantwortung, der gerade auch auf der Erwägung beruht, dass der Einzelne sein eigenes Verhalten an den Folgen seines Tuns ausrichtet, nichts übrig. Sähe man dies anders, könnte auch der anerkannte Leitsatz, dass Selbstverantwortung notwendig die Fähigkeit zur Selbstbestimmung voraussetzt494, nicht aufrechterhalten werden. Dieser Konnex entfiele, wenn es nicht von der eigenen Entscheidung, sondern von der eines Dritten abhinge, ob das Zurechnungssubjekt eine Verantwortung für das Drittverhalten trifft. Denn die Selbstbestimmungsfähigkeit des Zurechnungssubjekts wäre dann gar nicht erforderlich, um seine („Selbst-“)Verantwortung zu begründen. 493 494
D. III. Siehe D. III. bei Fn. 186.
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F. Das Zurechnungskriterium
Unterstrichen und verfassungsrechtlich tiefer verankert wird die Richtigkeit dieser Argumentation durch einen Blick auf die wesentliche verfassungsrechtliche Grundlage des Grundsatzes der Selbstverantwortung, die durch Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Menschenwürde. Nach der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und im Schrifttum gebräuchlichen Formel ist diese verletzt, wenn der Einzelne zum bloßen Objekt staatlichen oder privaten Handelns495 gemacht wird.496 Die Subjektqualität des Zurechnungssubjekts würde aber missachtet, wenn jeder beliebige Dritte in der Lage wäre, allein durch sein willkürliches, vom Zurechnungssubjekt nicht beeinflussbares Verhalten darüber zu bestimmen, welche Folgen dem Zurechnungssubjekt zuzuordnen sind, und dadurch eine Voraussetzung für dessen Inanspruchnahme als Störer zu schaffen.497 Hätte der Dritte die Macht, vermittelt durch eine vollstreckbare polizeiliche Verfügung in die Verhaltensfreiheit des Zurechnungssubjekts einzugreifen, so wäre dessen Schicksal nicht mehr selbst-, sondern vollständig fremdbestimmt. An einem solchen Übergriff darf sich der Staat (in Gestalt der Gefahrenabwehrbehörden) nicht beteiligen. Verhindert werden kann diese „Fremdsteuerung“ nur durch ein Zurechnungskriterium, das dem Zurechnungssubjekt Einfluss auf die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter einräumt. Genauer gesagt: Das Zurechnungskriterium muss gewährleisten, dass der „Hintermann“ es vermeiden kann, dass ihm das Verhalten des Veranlassten zugerechnet wird. Dies kann die bloße Kausalität, die, wie oben498 gezeigt wurde, ein Dritter durch Betätigung seines Willens eigenständig herstellen kann, nicht leisten. Jemand kann die Zurechnung des störenden Verhaltens beliebiger Dritter verantwortlich nur verhindern, wenn er die Möglichkeit ihres Eintritts als Folge des eigenen Verhaltens erkennen konnte. Kann er die Störung durch Dritte vorhersehen, so ist es ihm möglich, sein Verhalten so einzurichten, dass es Dritten keinen Anlass zur Störung gibt. Dies ist ausreichend, um die Zurechnung des Verhaltens Dritter zu verhindern. Vom Grundsatz der Selbstverantwortung nicht verlangt ist hingegen, dass der „Hintermann“ – was rechtlich häufig problematisch sein dürfte – auch dazu in der Lage sein müsste, gegen die Dritten einzuschreiten und deren störendes Verhalten zu unterbinden. Hinreichend ist vielmehr die Erkenn-
495
Ob es zur Begründung dieser Drittwirkung der Menschenwürde angesichts ihrer (systematischen) Stellung im Gefüge der Grundrechte eines Rekurses auf objektive Grundrechtsgehalte bedarf, muss hier nicht entschieden werden, vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 129 m. w. N. 496 Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 17; BVerfGE 115, 118 (153) m. w. N. 497 Eine vergleichbare Erwägung liegt dem aus der Privatautonomie abgeleiteten Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter zugrunde. Ähnlich auch die Erwägungen zur mangels freier Selbstbestimmung fehlenden Verantwortlichkeit des durch seinen Vertragspartner getäuschten oder bedrohten Vertragsschließenden (§ 123 BGB), s. Hillgruber, Selbstverantwortung, S. 176. 498 F. II. 2. a).
III. Subjektive Vorhersehbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium
123
barkeit der Störung durch Dritte und die damit einhergehende Möglichkeit, das diese zu Störungen veranlassende Verhalten zu unterlassen.499 Gegen das so begründete verfassungsrechtliche Zurechnungserfordernis der Vorhersehbarkeit des Verhaltens Dritter ließe sich einwenden, dass das einfache Recht eine Reihe anerkannter Zurechnungstatbestände enthält, mittels derer auch nicht vorhersehbares Verhalten Dritter zugerechnet werden kann. Dies sind zum einen die mit der Zweckveranlassung allerdings schon sachlich nicht vergleichbaren Fälle, in denen die Zurechenbarkeit des Drittverhaltens dem Ausgleich der mangelnden Selbstbestimmungsfähigkeit des Zurechnungssubjekts dient.500 Ein Beispiel hierfür bildet die in §§ 1629, 278 BGB vorgesehene Zurechenbarkeit der Handlungen seiner gesetzlicher Vertreter zu einem Minderjährigen. Mit der Zweckveranlassung eher vergleichbar sind Zurechnungstatbestände wie die – in Anlehnung an zivilrechtliche Zurechnungsideen normierte – polizeirechtliche Zusatzverantwortlichkeit.501 Die Zusatzverantwortlichkeit trifft beispielsweise den Sorgeberechtigten oder die Aufsichtsperson für das störende Verhalten Minderjähriger (§ 6 Abs. 2 S. 1 PolG BW, § 4 Abs. 2 MEPolG) und den Geschäftsherrn für Störungen, die durch seinen Verrichtungsgehilfen herbeigeführt werden (§ 6 Abs. 3 PolG BW, § 4 Abs. 3 MEPolG). Die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises ist bei der Zusatzverantwortlichkeit, anders als bei ihren zivilrechtlichen Vorbildern (§§ 832 Abs. 1 S. 2, 831 Abs. 1 S. 2 BGB), ausgeschlossen.502 Des zurechnungsbegrenzenden Kriteriums der Vorhersehbarkeit bedarf es hier aber dennoch nicht. Die Selbstverantwortlichkeit des Zurechnungssubjekts wird bei diesen und vergleichbaren Zurechnungstatbeständen vielmehr auf andere Weise sichergestellt. Denn die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter beruht hier auf einer Sonderbeziehung, die durch besondere, beispielsweise in Weisungsrechten zum Ausdruck kommende Einwirkungsmöglichkeiten des Zurechnungssubjekts auf das Verhalten des Dritten gekennzeichnet ist.503 Diese Einwirkungsmöglichkeiten verschaffen dem Zurechnungssubjekt zumindest die abstrakte Möglichkeit der Beeinflussung des Drittverhaltens. In aller Regel kommt hinzu, dass das Zurechnungssubjekt die Grundlage dieser Sonderbeziehung in freier Selbstbestimmung bewusst gelegt hat. In der Zusammenschau lassen diese Gesichtspunkte es gerechtfertigt erscheinen, dem Zurechnungssubjekt auch das im 499
Gefordert ist mithin nicht, dass der Hintermann den Erfolg verhindern kann, sondern dass er seinen Verursachungsbeitrag zu diesem unterlassen oder doch wenigstens unschädlich machen kann. Für die Fähigkeit zur Erfolgsverhinderung durch Verhaltenskorrektur als Zurechnungskriterium Zeitler, DÖV 1997, 371 (374 f.). 500 Siehe dazu und zum Zusammenhang von Selbstbestimmungsfähigkeit und Selbstverantwortung Hillgruber, Selbstverantwortung, S. 171 ff. 501 Zur Zusatzverantwortlichkeit ausführlich M. Peine, passim. 502 M. Peine, S. 219, 250 f. 503 Wo diese fehlen, kommt eine Zurechenbarkeit qua Sonderbeziehung grundsätzlich nicht in Betracht. Es ist deshalb richtig, wenn im Strafrecht die Verpflichtung von Ehegatten verneint wird, Straftaten des jeweils anderen zu verhindern, Wohlers, in: NK, StGB, § 13, Rn. 51, 58 m. w. N.
124
F. Das Zurechnungskriterium
Einzelfall nicht vorhersehbare Verhalten des Dritten zuzurechnen, ohne dies als Verletzung des Selbstbestimmungsprinzips anzusehen.504 Wo eine solchermaßen qualifizierte Nähebeziehung hingegen nicht vorhanden ist, eine Zurechnung aber dennoch erfolgen soll, kann auf das Kriterium der Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens nicht verzichtet werden. Dies ist bei der polizeilichen Störerverantwortlichkeit in Form der Zweckveranlassung, bei der es um die Zurechnung des Verhaltens beliebiger Dritter geht, der Fall.
3. Subjektive Vorhersehbarkeit Konsequenz der Ableitung des Zurechnungskriteriums der Vorhersehbarkeit aus dem grundrechtlich fundierten Selbstverantwortungsprinzip ist, dass Vorhersehbarkeit nicht aus objektiver, sondern aus subjektiver Perspektive bestimmt werden muss. Denn auch die Zurechnung solchen Drittverhaltens, welches zwar ein optimaler Beobachter, nicht aber die als Störer in Betracht kommende Person vorhersehen konnte, stünde im Widerspruch zum Gedanken der Selbstverantwortung. Maßgeblich ist mithin nicht das, was ein optimaler Beobachter in der Lage des potentiellen Störers hätte erkennen können. Entscheidend sind vielmehr die sich aus den persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten des potentiellen Störers ergebenden Erkenntnismöglichkeiten.505 Subjektive Vorhersehbarkeit steht in enger Verbindung mit persönlicher Vorwerfbarkeit, also Schuld. So setzt beispielsweise die (schuldhafte) Begehung eines strafrechtlichen Fahrlässigkeitsdelikts voraus, dass der Täter sorgfaltspflichtwidrig gehandelt hat, was nur der Fall ist, wenn er mit den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten den Eintritt des missbilligten Erfolgs vorhersehen konn504 Insoweit richtig Erbel, Klausurenlehre, S. 130. Es wird auch vertreten, derartige Zurechnungstatbestände auf ein verfassungskonformes Maß zu reduzieren. Zur Begründung wird allerdings nicht auf den Selbstbestimmungsgedanken, sondern auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rekurriert. So etwa M. Peine, S. 286 f., der für eine Begrenzung der Zusatzverantwortlichkeit Sorgeberechtigter auf das in § 832 BGB vorgesehene Maß eintritt (zu den Anforderungen des § 832 BGB, die auch Vorhersehbarkeitserwägungen einschließen, s. etwa Wagner, in: Münchener Kommentar, BGB, § 832 Rn. 23 ff.). M. Peine führt diesen Ansatz allerdings nicht konsequent durch, indem er für gewerblich tätige Aufsichtspflichtige und im Geschäftsherrenverhältnis eine uneingeschränkte Verantwortlichkeit für Drittverhalten annimmt (S. 277, 290 f.). 505 Damit ist nichts darüber ausgesagt, auf wessen Wissenshorizont es zur Bestimmung dessen, was der Veranlasser vorhersehen konnte, ankommt. Verbreitet wird auf der polizeilichen Primärebene die Sichtweise eines gewissenhaften, besonnenen und sachkundigen Amtswalters im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ergreifen einer Maßnahme für maßgeblich gehalten, während auf Kostenebene auch nachträglich erlangtes Wissen erheblich sein soll, vgl. Finger, DVBl. 2007, 798 (800); Schoch, POR, Rn. 88, 406 f. Gegenstand der Beurteilung ist in jedem Fall aber das zum Zeitpunkt der Vornahme der Veranlassungshandlung vorhandene Wissen des Veranlassers, vgl. dazu Wehr, Rechtspflichten, S. 297 ff.
III. Subjektive Vorhersehbarkeit als maßgebliches Zurechnungskriterium
125
te.506 Daher liegt der Einwand nahe, die Abhängigkeit der Störereigenschaft von der subjektiven Vorhersehbarkeit der Gefahrschaffung verstoße gegen den „Grundsatz der Verschuldensunabhängigkeit“ des Polizeirechts.507 Wie häufig in der gefahrenabwehrrechtlichen Diskussion508 handelt es sich auch bei diesem „Grundsatz“ aber nur um ein Schlagwort, dessen Gehalt erst ermittelt werden muss, bevor es als Argument Verwendung finden kann. Der Grundsatz besagt nur, dass die Bestimmung polizeirechtlich verantwortlicher Personen nicht an der persönlichen Vorwerfbarkeit der Gefahrschaffung auszurichten ist, sondern an dem Zweck, Gefahren zu vermeiden und zu bekämpfen. Er macht damit zutreffend auf die insbesondere vom Strafrecht abweichende Zwecksetzung des Gefahrenabwehrrechts aufmerksam. Hingegen bildet er keine geeignete Grundlage für die Annahme, dass die Verschuldensunabhängigkeit des Polizeirechts alle Zurechnungskriterien „infiziert“, die auch bei der Klassifizierung eines Verhaltens als „schuldhaft“ eine Rolle spielen können.509 Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erfolgt eine Zurechnung mittels des hier vorgeschlagenen Kriteriums nicht deshalb, weil das Verhalten des Veranlassers in diesen Fällen als „sanktionswürdig“ einzustufen wäre, sondern allein zum Schutz seiner Selbstverantwortlichkeit. Es trägt damit der besonderen Situation Rechnung, die durch die Beteiligung mehrerer Personen an der Gefahrschaffung und das damit verbundene Aufeinandertreffen der Verantwortlichkeitssphären mehrerer Personen entsteht. Nur diese Situation ist der Grund dafür, dass ein Rückgriff auf Kriterien, die die persönliche Verantwortlichkeit – nicht aber: „Vorwerfbarkeit“ – betreffen, notwendig wird. Mit der Einführung eines „Schuldprinzips“ im Polizeirecht oder auch nur der Ausrichtung daran ist dies nicht gleichzusetzen. Das zeigt sich auch daran, dass mit ihrer Anwendung auf die Zweckveranlassung nicht die Aussage verbunden ist, dass Vorhersehbarkeit auch sonst Voraussetzung der Gefahrenzurechnung zu sein hätte. Dass in den Polizeigesetzen vom „Verursachen“ und nicht vom „Verschulden“ einer Gefahr oder Störung die Rede ist, hat, wie die Entstehung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes zeigt, seinen Grund vornehmlich darin, dass ein Verschuldensprinzip aus polizeipraktischen Gründen nicht für möglich gehalten wurde.510 Gegen die Relevanz der subjektiven Vorhersehbarkeit könnte deshalb eingewandt werden, sie behindere die Effektivität polizeilichen Handelns, da das, 506
Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 199 ff. Wacke, DÖV 1960, 93 (94); Widder, S. 17. 508 Prägnant ist beispielsweise auch der Satz: „Wer sich rechtmäßig verhält, ist nicht Störer“ (s. die Nachweise in Fn. 208), dessen Gehalt aber nicht so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag – s. dazu D. IV. 1. Ähnlich, weil zu pauschal, auch das gängige, gegen die Adäquanztheorie vorgebrachte Argument, die Polizei dürfe der Ausnahmelage nicht machtlos gegenüberstehen (Wacke, DÖV 1960, 93 [94]), siehe dazu differenzierter E. III. 1. 509 So aber offenbar Götz, POR, § 9 Rn. 10. Für die Zulässigkeit von Verschuldensgesichtspunkten bei der Störerbestimmung dagegen Selmer, JuS 1992, 97 (98); Scholler/Schloer, S. 248 f. Zur sich wandelnden Bedeutung des Verschuldensprinzip im Polizeirecht s. Brandner, S. 72 ff.; für Verschulden als Voraussetzung der Polizeipflicht etwa noch W. Jellinek, S. 312. 510 Semle, S. 9. 507
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F. Das Zurechnungskriterium
was subjektiv vorhersehbar ist, von den Gefahrenabwehrbehörden, die auch in Eilfällen einen Adressaten identifizieren können sollten, nur schwer festzustellen sei. Dieses Argument wird insbesondere der sogenannten „subjektiven Theorie“ entgegengehalten, die die Zweckveranlassung vom Vorsatz des Veranlassers abhängig macht.511 Anders als der Vorsatz oder die Frage, ob der Veranlasser das Drittverhalten tatsächlich vorhergesehen hat, betrifft die subjektive Vorhersehbarkeit allerdings keine rein innere Tatsache, die nur durch Befragung des potentiellen Adressaten aufgeklärt werden könnte. Zwar gilt es zu ermitteln, inwieweit der Veranlasser in der Lage war, den Verlauf der Dinge vorherzusehen. Regelmäßig entspricht das subjektiv Vorhersehbare aber dem, was für einen objektiven Beobachter nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar ist. Abweichungen hiervon werden sich meist anhand äußerer Merkmale wie des Alters, Bildungsstands oder Berufs des potentiellen Adressaten feststellen lassen. Die Fälle, in denen es wegen in der Person des Veranlassers vorliegender besonderer Einschränkungen oder besonderer Fähigkeiten Anlass gibt, weiterreichende Nachforschungen über dessen Erkenntnismöglichkeiten anzustellen, dürften hingegen praktisch nur selten vorkommen.512 Angesichts dessen und weil persönliche Umstände des Adressaten schon bisher, nämlich bei der Beurteilung der Zumutbarkeit (Angemessenheit i. e. S.) polizeilicher Eingriffe, von Relevanz sind513, ist nicht zu erwarten, dass die Effektivität der Gefahrenabwehr bei Anwendung des Kriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit spürbar leiden wird.514 Da es sich bei der Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens um eine verfassungsrechtlich geforderte Zurechnungsvoraussetzung handelt515, stünde man zudem ohnehin nur vor der Alternative, sie als Kriterium für die Zurechnung des Verhaltens Dritter anzuerkennen oder die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Polizeirecht gänzlich zu verwerfen. Mit Letzterem wäre der Polizeipraxis aber gewiss ein noch geringerer Dienst erwiesen. In Fällen, in denen es keinen Anlass zur Annahme besonderer individueller Schwächen oder Fähigkeiten zur Gefahrerken511
1. c). 512
Widder, S. 72. Siehe zur subjektiven Theorie und auch zu diesem Einwand unten F. IV.
Vgl. auch Brandner, S. 77 f., der grundsätzlich auf die objektive Vorhersehbarkeit abstellt, in der Berücksichtigung von Sonderwissen des potentiellen Adressaten aber keinen Konflikt mit der Verschuldensunabhängigkeit des Gefahrenabwehrrechts erkennt und Fälle, in denen Sonderwissen relevant wird, ohnehin für „äußerst selten“ hält. A. A. zum Sonderwissen aber etwa Bergmann, S. 146 f., zweifelnd Gantner, S. 77 Fn. 1. 513 Bedeutsam werden sie auch im Zusammenhang mit der Problematik der Rechtsnachfolge in polizeiliche Pflichten – kollusives Zusammenwirken zwischen altem und neuem Eigentümer soll hier zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer Übereignung führen, s. etwa W.-R. Schenke, POR, Rn. 294. 514 Auch Rechtsprechung und Literatur, die überwiegend die auf den Vorsatz abstellende „subjektive Theorie“ zur Anwendung bringen (s. F. IV. 1. c)), sehen in dem Rekurs auf subjektive Kriterien in einem Teilbereich der Gefahrenzurechnung offenbar kein Risiko für die Praktikabilität der polizeilichen Eingriffsermächtigungen. 515 Siehe F. III. 2.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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nung gibt, können polizeiliche Verfügungen trotz eines etwaigen Wissensdefizits der Behörde zudem mittels der Konstruktion des Anscheinsstörers aufrechterhalten werden.
4. Zwischenergebnis Für die Zweckveranlassung ist die subjektive Vorhersehbarkeit des störenden Verhaltens Dritter eine zwingend notwendige, aus dem Grundgesetz ableitbare Voraussetzung seiner Zurechnung. Wie beschrieben, wird es nach den gängigen polizeirechtlichen Verursachungstheorien zwar verbreitet für irrelevant gehalten, ob eine Person für den Eintritt einer Gefahr beziehungsweise Störung „etwas kann“. Gefahrerkennbarkeit und -vermeidbarkeit spielen danach bei der Folgenzurechnung keine Rolle. Im Fall der Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter ist hiervon aber eine Ausnahme zu machen. Denn hier ist es nicht nur eine Person allein, die eine Ursachenkette beeinflusst. Der übliche Einwand, der gegen die Anwendung des Gedankens der Gefahrerkennbarkeit im Polizeirecht vorgebracht wird, greift in den Veranlassungskonstellationen daher ohnehin nicht: Es ist nicht zu befürchten, dass der Polizei zur Abwehr einer Gefahr, die sich nicht als vorhersehbare Folge des Verhaltens des Hintermanns darstellt, keine Person zur Verfügung steht, die sie als Störer in Anspruch nehmen kann. Denn in den Veranlassungsfällen ist stets die Inanspruchnahme des Dritten als (bei empirischer Betrachtung) „unmittelbaren“ Störers möglich.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines die Vorhersehbarkeit ergänzenden Zurechnungskriteriums Die Kriterien der Kausalität und (subjektiven) Vorhersehbarkeit bedürfen keiner Ergänzung durch weitere Zurechnungskriterien, um den mit ihrer Hilfe ermittelten Personenkreis weiter einzugrenzen. Die zur Lösung der Veranlassungskonstellationen in Umlauf befindlichen Zurechnungskriterien können allesamt nicht überzeugen (1.). Kausalität und Vorhersehbarkeit sind schon für sich gesehen stark genug, die Unterscheidung zwischen Störer und Nichtstörer zu rechtfertigen (2.). Der Einwand, das Kriterium der Vorhersehbarkeit sei nicht handhabbar, lässt sich entkräften (3.).
1. Die Ungeeignetheit der gängigen Zurechnungskriterien Auf die hier entwickelten Kriterien könnten sowohl solche Kriterien „aufzusatteln“ sein, für die vertreten wird, dass sie allgemein für die polizeiliche Folgenzurechnung gelten sollen – zu nennen sind hier der Rückgriff auf außerhalb des Po-
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F. Das Zurechnungskriterium
lizeirechts angesiedelte Wertungen der Rechtsordnung, insbesondere die Lehre vom Schutzzweck der Norm (a) und die Auffassung, wonach eine Zurechnung nur bei Beteiligung im Zeitpunkt der Gefahrentstehung in Betracht kommt (b) –, als auch solche, die speziell für das Zurechnungsproblem der Zweckveranlassung entwickelt wurden. Am bekanntesten sind insoweit die „subjektive“ Theorie, die den Vorsatz des Veranlassers in den Mittelpunkt rückt (c), und die „objektive“ Theorie, derzufolge es auf das Vorliegen einer hohen Wahrscheinlichkeit (Zwangsläufigkeit oder Typizität) des anknüpfenden Verhaltens Dritter ankommt (d). Die Praxis wird von diesen beiden Theorien, die oft miteinander kombiniert werden, beherrscht. Mit den in der Literatur vorgeschlagenen Kriterien des „Risikonutzens“ (e) und der „Anpassung“ (f) finden sich aber auch Gegenentwürfe zu ihnen. Unbeachtet bleiben kann hingegen der „Oberbegriff“, unter dem die Zweckveranlassung meist diskutiert wird. In Anlehnung an die wertungsoffene Begrifflichkeit der Theorie der unmittelbaren Verursachung516 wird der erforderliche Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Hintermanns und den zurechenbaren Folgen des Verhaltens des Dritten dahingehend umschrieben, dass objektiv ein enger „Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang“ bestehen müsse.517 Die Handlung des Veranlassers und die durch den Veranlassten herbeigeführte Gefahr oder Störung müssten eine „natürliche Einheit“ bilden.518 Diese Begriffe formulieren nur das Problem, nicht aber dessen Lösung. Ihre Unbestimmtheit ist eine Folge des Bestrebens, rechtmäßige Veranlassungshandlungen, soweit notwendig, aus dem Anwendungsbereich der Zweckveranlassung herauszunehmen. Geht man aber richtigerweise davon aus, dass Störereigenschaft und Rechtmäßigkeit voneinander zu trennen sind, können nur die genannten einzelnen Kriterien von Interesse sein, die zur Konkretisierung des „Verantwortungszusammenhangs“ entwickelt worden sind. Die Ergänzung der Kriterien der Kausalität und Vorhersehbarkeit durch ein weiteres, die Zurechnung begrenzendes Merkmal müsste allerdings durch sachliche Gründe, die mit den Zwecken des Gefahrenabwehrrechts in Einklang stehen, gerechtfertigt sein. a) Schutzzweckerwägungen und andere Wertungen der Rechtsordnung als Maßstab der Zurechnung Die Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre versuchen, der Rechtsordnung außerhalb des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts Maßstäbe für die gefahrenabwehrrechtliche Folgenzurechnung zu entnehmen. Eine wesentliche Bedeutung soll dabei der Lehre vom Schutzzweck der Norm zukommen: In Fällen, in denen die Störer516
So ausdrücklich Götz, POR, § 9 Rn. 30. VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 108; OVG Münster, NWVBl. 2003, 320 (321); OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. April 2006 – 2 M 174/06 –, juris, Rn. 5. 518 BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 – 7 B 30/06 –, juris, Rn. 4; VGH Mannheim, Urteil vom 22. November 2005 – 10 S 1208/04 –, juris, Rn. 108; OVG Münster, NVwZ-RR 2008, 12 (12); Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 316. 517
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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eigenschaft mit der Verletzung einer Verhaltensnorm begründet wird, soll der Schutzzweck der verletzten Vorschrift heranzuziehen sein, um zu bestimmen, ob das störende Verhalten Dritter zurechenbar ist. Wenn die verletzte Vorschrift (auch) dazu dient, das in Rede stehende Verhalten des Dritten zu verhindern, so wäre dieses dem ursprünglichen Störer zuzurechnen.519 Ein solches Vorgehen ist auch nach der hier vertretenen Konzeption nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zwar muss danach ein Verhalten nicht rechtswidrig sein, um den Handelnden als Störer einordnen zu können.520 Auch nach hier vertretener Auffassung kann sich die Störereigenschaft aber aus der Verletzung einer Rechtsnorm ergeben.521 Ihr könnten in diesen Fällen daher auch Maßstäbe zur Folgenzurechnung zu entnehmen sein. Gegen die Beachtlichkeit des einer solchen Verhaltensvorschrift – ohnehin meist nur unter Schwierigkeiten – extrahierten Schutzzwecks ist allerdings einzuwenden, dass nicht alle ausdrücklichen Verhaltensgebote an dem Zweck umfassender Gefahrenabwehr ausgerichtet sind. Ruft etwa ein Verstoß gegen eine Verhaltensnorm (zum Beispiel eine Sperrzeitregelung) Protestaktionen Dritter hervor, von denen Gefahren ausgehen, so kann es aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht geboten sein, die rechtswidrig handelnde Person für das störende Verhalten der Protestierenden verantwortlich zu machen, auch wenn deren Verhinderung nicht Schutzzweck der verletzten Norm war. Ohnehin könnte der Schutzzweckgedanke aber nur dort greifen, wo Verhaltensnormen vorhanden sind, deren Schutzzweck zur Folgenzurechnung herangezogen werden kann.522 Wo solche fehlen, müsste auf andere 519 Vollmuth, VerwArch 68 (1977), 45 (56 ff.); Poscher, Jura 2007, 801 (805). Überlegungen zum Schutzzweck finden sich etwa bei VGH Mannheim, VBlBW 2003, 302 (303 f.). Dieser möchte den Fahrzeugveräußerer heranziehen, der unter Verstoß gegen § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO a. F. (heute § 13 Abs. 4 S. 1 und 2 FZV) Namen und Anschrift des Fahrzeugerwerbers der Zulassungsstelle nicht gemeldet hat, wenn sich eine Gefahr aus dem Zustand des von dem Erwerber im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten Kfz ergibt. Unter Hinweis auf den Schutzzweck der Norm verneint er eine („überdehnte“) Zurechnung hingegen, wenn die Gefahr auf der (sonstigen) Nutzung durch den Erwerber beruht. Die Berechtigung einer solchen Differenzierung ist zweifelhaft, dürfte der Zweck der Meldepflicht des § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO a. F. doch allgemein darin bestehen, die Aufklärung von mit Fahrzeugen begangenen Störungen zu ermöglichen. 520 Siehe D. IV. 521 Vgl. D. IV. 4. c). 522 Dass nicht in allen Fällen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch ein Normverstoß festgestellt werden kann, wird als Anlass zu grundlegender Kritik an der Rechtswidrigkeitslehre genommen, s. D. IV. 4. c) und die Nachweise in Fn. 246. Die Argumentation von Poscher, Jura 2007, 801 (806 f.), dass dies verkraftbar sei, weil sich dort, wo Verhaltensnormen fehlten, regelmäßig keine Zurechnungsprobleme ergäben, hat den Nachteil, dass damit auf die Entwicklung von Zurechnungsmaßstäben, die zur rechtssicheren Lösung aller – insbesondere: neuer – Fälle beitragen könnte, verzichtet wird. Zudem stößt sie auch inhaltlich auf Bedenken: Dass sich in den Bereichen, in denen es an Verhaltensnormen fehlt – etwa bei Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und des Bestand des Staates und seiner Einrichtungen sowie bei Selbstgefährdungen – weniger Zurechnungsprobleme ergeben als dort, wo andere Schutzgüter betroffen sind, erscheint nicht gesichert. So ist es beispielsweise durchaus vorstellbar, dass eine Veranstaltung, etwa ein Popkonzert, die Besucher zu einem die
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F. Das Zurechnungskriterium
Wertungen der Rechtsordnung zurückgegriffen werden. Dies betrifft den „klassischen“ Anwendungsbereich der Zweckveranlassung, in dem der Veranlasser selbst gegen keine Verhaltensvorschrift verstößt, deren Schutzzweck eine die Zurechnung steuernde Funktion entfalten könnte, besonders stark. Nicht fruchtbar gemacht werden kann in diesen Fällen der Schutzzweck der – ohnehin abzulehnenden523 – allgemeinen Nichtstörungspflicht. Denn diese dient dem Schutz vor Störungen jeglicher Art und entfaltet daher keine begrenzende Wirkung.524 Die Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung, die schon ein wesentliches Argument gegen das Erfordernis der Rechtswidrigkeit als Voraussetzung der Gefahrverursachung bildete,525 führt mithin auch zur Untauglichkeit des Versuchs, der Rechtsordnung Kriterien zur Begrenzung der Folgenzurechnung zu entnehmen. Zwar unternehmen Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre den Versuch, die bestehenden Lücken durch einen andersgearteten Rückgriff auf die Wertungen der Rechtsordnung zu schließen: Wo ein Verstoß gegen Verhaltensnormen nicht feststellbar ist, aber die Gefahr der Verletzung eines erfolgsbezogenen Tatbestandes in Rede steht, soll das Zurechnungskriterium dem Rechtsgebiet zu entnehmen sein, dem der Tatbestand angehört, dessen Verletzung droht. Im zivilrechtlichen Deliktsrecht soll es danach etwa auf Adäquanz, im Strafrecht auf objektive Zurechenbarkeit ankommen, wobei diese Kriterien anders als dort nicht der Zurechnung öffentliche Ordnung störenden Verhalten (z. B. Zeigen des eigenen nackten Körpers in der Öffentlichkeit, vgl. OVG Münster, NJW 1997, 1180 f.) veranlasst. Zurechnungsprobleme ergeben sich auch in dem klassischen Fall der zu Obdachlosigkeit führenden Wohnungskündigung (s. bei Fn. 354), wenn man die – allerdings oft auch Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit gefährdende – unfreiwillige Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Ordnung einordnet (so beispielsweise OVG Lüneburg, NVwZ 1992, 502; s. auch die weiteren Nachweise bei Ruder/Schmitt, Rn. 317). Dass eine Störung der öffentlichen Ordnung wegen der mit diesem Schutzgut verbundenen Unsicherheiten nach verbreiteter Auffassung nur im Fall evidenter Verstöße gegen gesellschaftliche Wertvorstellungen anzunehmen ist (vgl. W.-R. Schenke, POR, Rn. 65), bedeutet nicht, dass bei Feststellung einer Störung auch die Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens zum „Hintermann“ stets auf der Hand liegen müsste. Im Zusammenhang mit Selbstgefährdungen kommen, wie die ausführliche Diskussion über die Strafbarkeit der Beihilfe zur Selbsttötung zeigt (s. nur Maurach/Schröder/Maiwald, StGB BT I, Rn. 20 ff. m. w. N.), entgegen der Ansicht von Poscher nicht nur der Selbstgefährder, sondern auch Dritte, etwa wenn sie Hilfestellung geben, als Adressaten polizeilicher Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Zweckveranlassung in Betracht. 523 Siehe D. IV. 4. c) bb). 524 Die von Wehr, Rechtspflichten, S. 291 ff., angenommenen „allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten“ (s. dazu unter D. IV. 4. c) aa)), deren Verletzung eine Verhaltensverantwortlichkeit begründen soll, tragen zwar einen engeren Schutzzweck in sich. Da aber nach der Vorstellung von Wehr, Rechtspflichten, S. 291, allen Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit allgemeine Pflichten zu ihrem Schutz gegenüberstehen, verlagert sich das Problem bei ihnen auf die Frage, wann von einer Pflichtverletzung ausgegangen werden kann. Wehr, Rechtspflichten, S. 295 ff., 304, stellt insoweit auf die objektive Vorhersehbarkeit der Rechtsgutsverletzung im Zeitpunkt der Handlung ab und nähert sich damit dem hier vertretenen Zurechnungskriterium an. 525 Siehe D. IV. 4. c).
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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eines Erfolgs, sondern der Gefahr seines Eintritts dienen sollen.526 Verstieße der Veranlasser im Fall der Verwirklichung der Gefahr gegen eine gesetzliche Vorschrift, so soll er deren Verursacher sein.527 Auch auf diese Weise wird die Lückenschließung aber nicht vollständig gelingen. Denn oft fehlt es an entsprechenden rechtsgebietsspezifischen Zurechnungskriterien – man denke nur an das Schaufensterbeispiel, in dem die Suche nach „straßenrechtlichen“ Zurechnungsmaßstäben erfolglos bleiben wird. Schwerer noch wiegt der Einwand, dass die den einzelnen Rechtsgebieten entstammenden Zurechnungskriterien nicht notwendig an dem Zweck der Gefahrenabwehr ausgerichtet sind. Wenn dagegen vorgebracht wird, dem Zweck der Gefahrenabwehr werde dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die fachrechtlichen Zurechnungskriterien auf die Zurechnung einer Gefahr, nicht auf die eines Erfolgs bezogen würden528, vermag dies nicht zu überzeugen. Dass im Gefahrenabwehrrecht Gefahren zugerechnet werden müssen, ist selbstverständlich. Damit ist jedoch nur die Problemstellung umschrieben, nicht aber erklärt, warum die in einem bestimmten Regelungskontext zur Erfolgszurechnung dienenden Kriterien auch auf die Zurechnung von Gefahren im Gefahrenabwehrrecht anwendbar sein sollen. Erfolgsbezogenen Tatbeständen kann nicht entnommen werden, wem sachgerechterweise die Gefahr ihrer Verletzung zuzurechnen ist. Zwar ist es durchaus berechtigt, einzelne Zurechnungserwägungen aus anderen Rechtsgebieten auf ihre Übertragbarkeit auf das Polizeirecht zu prüfen.529 Dass dies aber nicht schematisch geschehen darf, lässt sich etwa anhand der strafrechtlichen Diskussion zur Fahrlässigkeitstäterschaft im Fall des vorsätzlichen Dazwischentretens Dritter verdeutlichen530 : Die Zurechenbarkeit des durch den vorsätzlich Dazwischentretenden herbeigeführten Erfolgs wird dort von manchen Autoren mit der Erwägung abgelehnt, neben der Bestrafung des Vordermanns sei die des Hintermanns nicht notwendig, um die Tat zu sühnen. Dies gelte gerade bei Fahrlässigkeitsdelikten, da die Strafe für nur fahrlässiges Mitwirken „ohnehin an den äußersten Rand der Schuldhaftung“ gerate.531 Das mag im Strafrecht eine durchaus valide Erwägung sein. Mit diesem Argument im Polizeirecht, dem es nicht um Sühne, sondern um die Verhinderung der Tat geht, die Zurechenbarkeit einer durch Dritte vermittelten Gefahr der Verletzung eines erfolgsbasierten Straftatbestands zu verneinen, wäre aber erkennbar verfehlt.532 526
Poscher/Rusteberg, JuS 2011, 1082 (1083 f.). Poscher, Jura 2007, 801 (804). 528 Poscher, Jura 2007, 801 (804); Poscher/Rusteberg, JuS 2011, 1082 (1083). 529 Vgl. zur begrenzten Übertragbarkeit von zivil- und strafrechtlichen Zurechnungswertungen auf das öffentliche Recht Frenz, S. 25. Siehe weiterhin unten F. IV. 2. c). 530 Zur Vergleichbarkeit dieser Konstellation mit der Zweckveranlassung s. F. IV. 2. c) aa). 531 Naucke, S. 29 m. w. N. 532 Grundlegende Kritik an dem hier kritisierten Ansatz ist auch deshalb angezeigt, weil im Zivil- und Strafrecht in der Regel nur vorhersehbare Folgen zugerechnet werden, dies aber in Fällen, in denen Dritte nicht dazwischentreten, den Zwecken des Gefahrenabwehrrechts nicht entspricht. Die Gefahrenabwehrbehörden müssen eine Person auch dann als Störer heranziehen 527
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F. Das Zurechnungskriterium
Wo die Rechtsordnung eigene Zurechnungsmaßstäbe bereit hält, entsprechen diese mithin nicht notwendig den Anforderungen des Gefahrenabwehrrechts. In Rechtsgebieten, in denen Zurechnungsmaßstäbe von vornherein fehlen, bliebe das Bedürfnis bestehen, einen eigenen gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnungsmaßstab zu entwickeln. Die Maßstäbe für die Zurechnung des Verhaltens Dritter wären dann aber – ohne erkennbaren sachlichen Grund – zersplitterter denn je. Dem Ansatz, sich bei der Zurechnungsentscheidung der in der Rechtsordnung aufzufindenden Einzelmaßstäbe zu bedienen, kann daher nicht gefolgt werden. b) Beteiligung im Zeitpunkt der Gefahrentstehung Teilweise wird der polizeilichen Generalklausel oder dem von der Unmittelbarkeitstheorie gebrauchten Begriff der „Gefahrenschwelle“ entnommen, dass die Folgen eines Verhaltens einer Person nur zugerechnet werden können, wenn im Zeitpunkt des Handelns die konkrete Gefahr ihres Eintritts bestand.533 Dieser Gedanke, der eine die Folgenzurechnung begrenzende Funktion entfalten könnte, ist jedoch als unzulässige Vermischung des Begriffs der Verursachung mit dem der Gefahr abzulehnen.534 Zwar kann eine Person, soweit es um die zukünftigen Folgen ihres Verhaltens geht, polizeirechtlich nur in Anspruch genommen werden, wenn die konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht. Dies hat aber mit der persönlichen Verantwortlichkeit und den Grenzen der Zurechnung nichts zu tun. Der Grund dafür liegt vielmehr darin, dass die Polizeigesetze die Zulässigkeit polizeilichen Einschreitens gegen eine Person nicht nur von der Zurechenbarkeit des potentiellen Schadens abhängig machen, sondern auch – als weitere Voraussetzung – davon, dass die Gefahr eines Schadenseintritts besteht. Dass es für die Zurechnung selbst auf den Begriff der Gefahr nicht ankommt, zeigt sich, wenn darüber zu entscheiden ist, wer für eine bereits eingetretene Störung verantwortlich ist. Störung ist zwar nach gängiger Definition eine verwirklichte Gefahr.535 Dafür, dass Störungen einer Person nur zugerechnet werden können, wenn im Zeitpunkt der Handlung die Gefahr ihres Eintritts bestanden hat, lässt sich der Generalklausel aber nichts entnehmen. können, wenn die Folgen ihres Verhaltens nicht vorhersehbar waren (s. W.-R. Schenke, POR, Rn. 241. Brandner, S. 83 ff., versucht diesen Einwand zu entkräften, indem er die Vorhersehbarkeit nicht auf die Entstehung einer Gefahr, sondern auf die generelle Erkennbarkeit der allgemeinen Risiken eines Tuns bezieht). Zwar wäre die Polizei in der Ausnahmelage nicht „machtlos“, wenn ihr kein Störer als Adressat zur Verfügung stünde (so zu pauschal Wacke, DÖV 1960, 93 [94]), die generelle Nichtheranziehbarkeit von Störern in „Ausnahmelagen“ wäre aber mit dem Grundsatz effektiver Gefahrenabwehr nicht vereinbar (s. zum Zusammenhang zwischen Weite des Adressatenkreises und Effektivität der Gefahrenabwehr D. I. 2.). 533 P. Kirchhof, JuS 1975, 237 (238); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (459): Nur diejenigen, die im Zeitpunkt der Entstehung einer konkreten Gefahr durch ihr Verhalten oder Eigentum beteiligt waren, kommen als Störer in Betracht; Papier, DVBl. 1985, 873 (877). 534 Herrmann, DÖV 1987, 666 (668, 669); Brandner, S. 25. 535 Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 15. Siehe aber auch Fn. 538.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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Das Kriterium der Gefahr führt auch zu unangemessenen Ergebnissen. Denn der Gefahrbegriff ist kein feststehender, sondern ein variabler Begriff: Eine Gefahr liegt vor, „wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird“.536 An die Wahrscheinlichkeit sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der mögliche Schaden ist.537 Durch die Flexibilität des Begriffs der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ wird dem öffentlichen Interesse daran, schwereren Schäden frühzeitiger begegnen zu können, Rechnung getragen. Ist eine Störung schon eingetreten, kann diese dem Gefahrbegriff immanente Erwägung aber keine Rolle mehr spielen. Anderenfalls käme die Zurechnung massiverer Störungen eher in Betracht als die Zurechnung von Störungen, die weniger gewichtig sind. Dafür gibt es, wenn die Störung bereits eingetreten ist, aber keinen erkennbaren Grund. Voraussetzung der Zurechnung einer Störung ist mithin nicht, dass im Zeitpunkt des sie verursachenden Handelns die Gefahr ihres Eintritts bestand.538 c) „Subjektive Theorie“ Das älteste speziell für die Fälle der Zweckveranlassung entwickelte Zurechnungskriterium, das bereits den ersten Urteilen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, die derartige Konstellationen betrafen, zugrunde lag539 und bis heute in der Rechtsprechung eine wesentliche Rolle spielt540, bildet der Vorsatz des Hintermanns: Bezweckt er die Störung durch den Dritten, so ist diese ihm zuzurechnen. Erforderlich soll sein, dass der Veranlasser den eigentlichen Störer bei seinem gefährdenden Tun „mit Wissen und Wollen begleitet“541.542 Gegen die Relevanz des Vorsatzes bei der Störerbestimmung wird eingewandt, subjektive Kriterien seien im Gefahrenabwehrrecht ein Fremdkörper.543 In dieser 536
BVerwGE 45, 51 (57). Ähnlich etwa Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 39. BVerwGE 45, 51 (61); 47, 31 (40). 538 Es ist daher auch etwas irreführend, weil zwar in vielen, aber nicht in allen Fällen zutreffend, wenn „Störung“ als realisierte Gefahr definiert wird. Ein Zustand ist nicht nur dann Störung und seine Zurechnung kommt auch nicht nur dann in Betracht, wenn es einen Zeitpunkt gab, zu dem die hinreichende Wahrscheinlichkeit seines Eintritts bestand. 539 Siehe B. I. 540 VGH Mannheim, DÖV 1990, 346 (346); VGH Kassel, NVwZ 1992, 1111 (1113); OVG Münster, NVwZ-RR 2008, 12 (12); Wacke, DÖV 1960, 93 (96); Selmer, JuS 1992, 97 (99 f.): Knemeyer, Rn. 328. Zur herrschenden Verbindung der „subjektiven“ mit der „objektiven Theorie“ s. die Nachweise in Fn. 556. 541 VGH Mannheim, ZUR 2006, 262 (263). 542 Vieth, S. 51; Selmer, JuS 1992, 97 (99 f.); Scholler/Schloer, S. 259; Friauf, POR, Rn. 80. In der Regel wird die billigende Inkaufnahme gefährlichen Drittverhaltens für ausreichend gehalten, so etwa durch das OVG Münster, NVwZ-RR 2008, 12 (12). 543 Spießhofer, S. 37 f.; Zeitler, DÖV 1997, 371 (373); Schoch, Jura 2009, 360 (363); POR, Rn. 190. 537
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F. Das Zurechnungskriterium
Pauschalität lässt sich das allerdings nicht halten. So wird es etwa bei der Figur des Anscheinsstörers relevant, ob das Gefahrenabwehrorgan von einer Gefahrverursachung tatsächlich ausgegangen ist.544 Auch bei der Zweckveranlassung spielt die „innere“ Seite des Störers zwingend insoweit eine Rolle, als zur Feststellung der Kausalität des veranlassenden Verhaltens untersucht werden muss, ob sich der Dritte gerade durch das Verhalten des „Hintermanns“ zur Störung hat motivieren lassen.545 In der Tat wird allerdings die innere Einstellung einer Person bei ihrer Einordnung als Störer von keiner der Verursachungstheorien für beachtlich gehalten. Anderes ergibt sich nicht etwa daraus, dass unter den Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ auch Straf- und Bußgeldtatbestände fallen, deren Verletzung Vorsatz oder Fahrlässigkeit erfordert.546 Abgesehen davon, dass es für das ordnungsbehördliche Einschreiten wegen der Verletzung solcher Vorschriften auf die Schuldhaftigkeit des Verhaltens nicht ankommt547, würde die subjektive Einstellung des Störers dadurch nicht zu einem Kriterium der Gefahrverursachung, sondern für diese nur aufgrund Anordnung in einem Spezialgesetz mittelbar relevant. Die Relevanz des Vorsatzes für die Zweckveranlassung wäre daher durchaus einmalig und könnte als Fremdkörper im System der Gefahrverursachung bezeichnet werden. Angesichts der ohnehin kaum vorhandenen Systematik der herrschenden polizeirechtlichen Zurechnung und der Besonderheiten der Zweckveranlassung muss dies allerdings kein entscheidender Mangel sein. Doch bringt ein Zurechnungskriterium, das auf „innere Tatsachen“ wie den Vorsatz rekurriert, in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten mit sich und tritt dadurch in Konflikt mit dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr. So ist die Ermittlung des Vorsatzes meist diffizil und verlangt, soll sie stichfest erfolgen, eine Befragung der als Störer in Betracht kommenden Person zu ihrer Motivation. Eine solche ist aber oft, gerade wenn zügiges Einschreiten gefordert ist, nicht möglich. Und selbst wenn eine Gelegenheit zur Befragung besteht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die betreffende Person ihre auf Störung gerichtete Absicht leugnet. In solchen Fällen könnte zur Ermittlung des Vorsatzes nur auf äußere Gesichtspunkte zurückgegriffen werden, die Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Handelnden ermöglichen.548 Dann liegt es aber nahe, ohne diesen Umweg über innere Elemente gleich äußere Kriterien für maßgeblich zu erklären. Wie oben549 544
Würtenberger/Heckmann, Rn. 424 f. Zu weiteren Fällen, in denen subjektive Gesichtspunkte auf Seiten der Gefahrenabwehrorgane oder der Polizeipflichtigen für beachtlich gehalten werden s. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 25 ff. 546 So aber W.-R. Schenke, POR, Rn. 245 mit Fn. 61. 547 BVerwGE 64, 55 (61); Zeitler, DÖV 1997, 371 (373 f.); Denninger, in: Lisken/Denninger, D, Rn. 17; Götz, POR, § 4 Rn. 11, mit Verweis auf § 2 Nr. 4 BremPolG, wonach „Straftat“ eine Tat ist, „die den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht“. 548 Siehe etwa OVG Münster, NVwZ-RR 2008, 12 (12); T. Huber, BayVBl. 1994, 513 (515); Friauf, POR, Rn. 80b. 549 F. III. 3. 545
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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gezeigt, ist auch das als zwingende Mindestbedingung der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter anzusehende Kriterium der subjektiven Vorhersehbarkeit nicht frei von solchen Problemen. Es wurde aber auch dargelegt, dass die Ermittlung dessen, was subjektiv vorhersehbar ist, im Unterschied zum Vorsatz regelmäßig anhand äußerlich erkennbarer Kriterien erfolgen kann. Jedenfalls in Anbetracht dieser mit dem Kriterium verbundenen Schwierigkeiten bedürfte es eines sachlichen Grundes, der positiv für die Zurechnungsrelevanz des Vorsatzes spricht. Ein solcher findet sich aber nicht. Anders als die Relevanz der subjektiven Vorhersehbarkeit ist die des Vorsatzes nicht aus der Rechtsordnung ableitbar, sondern Ausdruck einer reinen Wertung, deren Richtigkeit an keiner Stelle näher begründet wird. Es scheint fast so, als solle es zur Rechtfertigung der Relevanz des Vorsatzes genügen, dass sich das Preußische Oberverwaltungsgericht um 1900 für dieses Kriterium entschieden hat. Dass der Vorsatz bis heute seinen festen Platz im Rahmen der Zweckveranlassung einnimmt, ist umso erstaunlicher, als auch das Preußische Oberverwaltungsgericht seine Anwendung als Zurechnungskriterium mit keinem Wort begründet hat. Auch Vorbilder aus anderen Rechtsgebieten, in denen die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter entscheidend vom Vorsatz des Zurechnungssubjekts abhängig gemacht würde, existieren nicht.550 Möglicherweise findet das Kriterium deshalb Anerkennung, weil mit ihm die Erwartung verbunden wird, die Störerverantwortlichkeit „rechtmäßig“, das heißt grundrechtlich abgesichert handelnder Personen, weitgehend ausschließen zu können. Denn jedenfalls der, der mit seinem Verhalten ausschließlich darauf zielt, Dritte zu Störungen zu veranlassen, kann sich in der Regel nicht auf Grundrechtsschutz berufen. In solchen Fällen ist oft – gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs551 – der Schutzbereich des unter normalen Umständen einschlägigen Grundrechts nicht eröffnet. Dies wird etwa für die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG angenommen: Legen die Versammlungsteilnehmer es ausschließlich darauf an, Gegengewalt hervorzurufen, so bezwecken sie keine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Sie bilden dann schon keine Versammlung, sondern nur eine nicht dem Schutz des Art. 8 GG unterfallende Zusammenkunft.552 Zuverlässig erfüllt das Kriterium diese Aufgabe allerdings nicht – dies schon deshalb, weil die Fälle, in denen der Veranlasser ausschließlich auf die Schaffung einer Gefahr durch Dritte abzielt, praktisch nur selten vorkommen. Zudem ist die Überlegung, Probleme des Grundrechtsschutzes mittels der Störungsabsicht zu vermeiden, nicht auf die Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter zu einem Störer553 übertragbar. 550 Strafbarkeit hängt zwar oft davon ab, dass der Hintermann das Verhalten des Dritten in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Zum maßgeblichen Zurechnungskriterium wird der Vorsatz dadurch aber nicht. 551 So Schnur, DVBl. 1962, 1 (7). 552 VG Hamburg, NordÖR 2001, 117 (119); T. Huber, BayVBl. 1994, 513 (515 f.). Siehe auch Laubinger/Repkewitz, VerwArch 93 (2002), 149 (179), die sich allerdings gegen die Anwendung der Zweckveranlassungskonstruktion im Versammlungsrecht aussprechen. 553 Siehe dazu E. II.
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F. Das Zurechnungskriterium
Denn in diesen Fällen bewegt sich der „Hintermann“ wegen seines eigenen störenden Verhaltens nach herkömmlichem Verständnis ohnehin bereits außerhalb dessen, was ihm die Rechtsordnung erlaubt. Als Begründung bliebe daher nur, dass „Vorsatz“ geeignet ist, den Kreis der als Störer in Betracht kommenden Personen enger zu ziehen, als dies mit dem weniger strengen Kriterium der subjektiven Vorhersehbarkeit möglich ist. Abgesehen davon, dass es dessen – wie noch zu zeigen sein wird554 – nicht bedarf, könnte diese Funktion aber auch jedes andere hinreichend restriktiv gefasste Kriterium erfüllen. Die „subjektive Theorie“ ist daher abzulehnen. Wird ein Vorsatz festgestellt, impliziert dies zwar stets die subjektive Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens. Vorsatz ist aber keine notwendige Voraussetzung der Zurechnung des Verhaltens Dritter. Die Ablehnung der subjektiven Theorie führt zugleich zur Verwerfung der Ansätze, die subjektive und objektive Kriterien miteinander verbinden, sei es, indem diese (selten) kumulativ555 oder, was derzeit der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung entsprechen dürfte, alternativ556 zur Anwendung kommen sollen. d) „Objektive Theorie“ Die praktischen Schwierigkeiten, die das Vorsatzkriterium mit sich bringt, werden durch die „objektive Theorie“ vermieden. Ihr zufolge ist erforderlich, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen dem interessierenden Verhalten oder Sachzustand und dem zuzurechnenden Drittverhalten besteht.557 Wenn gelegentlich verlangt wird, der Hintermann müsse, um Zweckveranlasser zu sein, das störende Verhalten des Veranlassten „objektiv bezwecken“558, darf diese widersprüchliche Begriffswahl
554
Siehe dazu unten F. IV. 3. b). So wohl OVG Hamburg, Urteil vom 19. Januar 2012 – 4 Bf 269/10 –, juris, Rn. 43. Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 ME 4/08 –, juris, Rn. 19, das „eine Art Anstiftung“ verlangt. 556 VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, 619 (621); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 663 (663); Urteil vom 30. Juli 2002 – 10 S 2153/01 –, juris, Rn. 115; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. April 2006 – 2 M 174/06 –, juris, Rn. 6; Beschluss vom 7. September 2012 – 3 L 35/10 –, juris, Rn. 15; VG Lüneburg, Urteil vom 16. März 2006 – 3 A 143/04 –, juris, Rn. 55; VG München, Urteil vom 17. März 2010 – M 18 K 08.5794 –, juris, Rn. 31; VG Karlsruhe, Urteil vom 2. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, juris, Rn. 38; Schneider/Kensbock, VBlBW 1999, 168 (169); Schmelz, BayVBl. 2001, 550 (551); Würtenberger/Heckmann, Rn. 448; Weidemann/Barthel, VR 2007, 217 (218); Wolf/Stephan/Deger, § 6 Rn. 10; W.-R. Schenke, POR, Rn. 244 f.; Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 496; Thiele, Rn. 251. 557 OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 (639); Gallwas/Mößle, Rn. 441; Schoch, Jura 2009, 360 (363); POR, Rn. 190; Götz, POR, § 9 Rn. 21. 558 BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); OVG Koblenz, DVBl. 2012, 515 (519); VG Lüneburg, Urteil vom 16. März 2006 – 3 A 143/04 –, juris, Rn. 55; VG Karlsruhe, Urteil vom 2. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, juris, Rn. 38 (alle ausgehend von der alternativen Anwendbarkeit von subjektiver und objektiver Theorie). 555
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
137
nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine subjektive Zwecksetzung hier keine Rolle spielt.559 In der Rechtsprechung werden zur Konkretisierung des objektiven Ansatzes voneinander abweichende Kriterien verwendet. So wird etwa davon gesprochen, dass Zweckveranlassung gegeben sei, wenn die Gefahrensituation aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten eine naheliegende Folge (und nicht nur atypische Konsequenz) des Verhaltens des Veranlassers ist.560 Andere verlangen, wobei der Begriff teilweise synonym gebraucht wird561, dass es sich um eine „zwangsläufige“ Folge handeln müsse.562 Diese Formulierung ist aber jedenfalls abzulehnen. Eine Zwangsläufigkeit kann es, wie schon mit den obenstehenden Ausführungen zur hypothetischen Kausalität angedeutet ist563, bei der Veranlassung Dritter nicht geben.564 Denn der Dritte hat immer die Möglichkeit, sich gegen ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden.565 Geeigneter erscheint angesichts dessen noch das in Literatur566 und Rechtsprechung567 zum Zweckveranlasser ebenfalls gebrauchte Kriterium, wonach das gefahrverursachende Verhalten eines Dritten dann zuzurechnen ist, wenn es die (mindestens) typische Folge des Ausgangsverhaltens ist. Vom Vorliegen einer typischen Folge dürfte dann gesprochen werden können, wenn eine Handlung regelmäßig, das heißt in der überwiegenden Zahl der Fälle, in denen sie vorgenommen wird, ein störendes Verhalten Dritter hervorruft. 559 Nach Auffassung von Vieth, S. 51, dient der Begriff „objektives Bezwecken“ hingegen nur dazu, die Konformität der Zweckveranlassung mit der objektiven Ausrichtung des Gefahrenabwehrrechts dadurch vorzuspiegeln, dass dem eigentlich entscheidenden subjektiven Zurechnungselement der Zweckveranlassung ein objektiver Anstrich gegeben wird. 560 OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 (639), – unter Bezugnahme auf Götz, POR (8. Aufl. Rn. 196); OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. April 2006 – 2 M 174/06 –, juris, Rn. 5. Gemeint sein dürfte hiermit die typische Folge. Zwar ist nicht jede nicht atypische Folge typisch, wohl aber jede nahe liegende. Mittlerweile spricht Götz, POR, § 9 Rn. 21, auch ausdrücklich von „typischer Folge“. 561 Vgl. Schoch, Jura 2009, 360 (363). 562 VGH Kassel, NVwZ 1992, 1111 (1113); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 663 (663); ZUR 2006, 262 (263); VG Saarlouis, NVwZ-RR 2009, 998 (999); VG München, Urteil vom 17. März 2010 – M 18 K 08.5794 –, juris, Rn. 31; VG Köln, Urteil vom 16. September 2010 – 20 K 525/10 –, juris, Rn. 30; VG Karlsruhe, Urteil vom 2. Juli 2012 – 5 K 3496/10 –, juris, Rn. 38; von Mutius, Jura 1983, 298 (305); Würtenberger/Heckmann, Rn. 448; Schoch, Jura 2009, 360 (363); POR, Rn. 189 f. 563 Siehe F. II. 1. 564 Vgl. Erbel, JuS 1985, 257 (262); Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 29, die dies allerdings zu Unrecht als Argument gegen die Figur der Zweckveranlassung an sich anführen. 565 Anderes würde nur gelten, wo der Dritte tatsächlich mit vis absoluta als Werkzeug eingesetzt wird – eine Fallgestaltung, die praktisch keine Rolle spielt. 566 Schoch, Jura 2009, 360 (363); POR, Rn. 189; W.-R. Schenke, POR, Rn. 244; Götz, POR, § 9 Rn. 21. 567 OVG Hamburg, Urteil vom 15. August 1996 – Bs II 157/96 –, juris, Rn. 19; OVG Münster, Urteil vom 9. Februar 2012 – 5 A 2382/10 –, juris, Rn. 47 f.; VG Saarlouis, NVwZRR 2009, 998 (999). Vgl. auch Fn. 560.
138
F. Das Zurechnungskriterium
Ebenso wie die „subjektive Theorie“ entbehrt aber auch die „objektive Theorie“ eines rechtlichen oder auch nur sachlich-argumentativen Fundaments. Auch ihre Vertreter scheinen sich weitgehend auf das „Gespür“ des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu verlassen, welches die von ihm anfangs gebrauchte „subjektive“ bald durch die „objektive Theorie“ ergänzt hat.568 Wie die subjektive kann sich auch die objektive Theorie nicht auf Vorbilder aus anderen Rechtsbereichen berufen. Zwar deutet die dem Kriterium der „Zwangsläufigkeit“ auf den ersten Blick immanente Strenge darauf hin, dass mit der objektiven Theorie ein so enger Zusammenhang hergestellt werden soll, dass der störende Dritte nur als „verlängerter Arm“ des Hintermanns erscheint. Damit könnte der Gedanke verbunden sein, sich für die Zurechnung an der mittelbaren Täterschaft im Strafrecht (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) zu orientieren.569 Bei der mittelbaren Täterschaft wird die Zurechnung davon abhängig gemacht, dass der Vordermann als bloßes Werkzeug des Hintermanns fungiert.570 Wenn der objektiven Theorie diese Erwägung zugrunde liegen sollte, wäre sie aber einerseits nicht konsequent umgesetzt. Denn trotz der Rede von der „Zwangsläufigkeit“ lässt die objektive Theorie für die Zurechnung in aller Regel eine hohe Wahrscheinlichkeit des Drittverhaltens genügen.571 Zum anderen ist ein enger Zusammenhang wie bei der mittelbaren Täterschaft angesichts des Zwecks des Gefahrenabwehrrechts und des Umstandes, dass der Vordermann im Unterschied zur mittelbaren Täterschaft im Strafrecht572 aus Sicht des Polizeirechts kein nichtverantwortliches Werkzeug, sondern als Störer voll verantwortlich ist, nicht erforderlich.573 Auf ein Verantwortungsgleichgewicht zwischen Vorder- und Hintermann oder gar ein Überwiegen der Verantwortlichkeit des Hintermanns kommt es für die polizeirechtliche Störerbestimmung nicht an. Effektive Gefahrenabwehr verlangt, dass auch jemand, der einen vergleichsweise schwächeren, aber eben dennoch hinreichenden Verursachungsbeitrag leistet, als Störer herangezogen werden kann. Ob der Verantwortungsanteil eines anderen Verursachers größer oder geringer ist als der eigene, ist für das Polizeirecht, das
568 Siehe zur Entwicklung der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts oben B. I. 569 Parallelen zwischen Zweckveranlassung und mittelbarer Täterschaft sieht auch Widder, S. 81. Zu Parallelwertungen im Strafrecht s. F. IV. 2. c) aa). 570 Siehe nur Joecks, in: Münchener Kommentar, StGB, § 25 Rn. 54 ff. m. w. N. 571 In der praktischen Anwendung werden die Anforderungen der objektiven Theorie oft sogar schon dann für erfüllt gehalten, wenn das Drittverhalten nur adäquate Folge des Veranlasserverhaltens ist, s. F. IV. 2. b). 572 Zwar kennt das Strafrecht die hoch umstrittene Figur des „Täters hinter dem Täter“, die etwa bei staatlichen oder unternehmerischen „Machtapparaten“ eingreifen soll (BGHSt 40, 218 [236 f.]; 45, 270 [296]; 48, 331 [342 f.]). Mit den Konstellationen, die für die Zweckveranlassung von Relevanz sind, bestehen aber keine Ähnlichkeiten. 573 Anders aber Erbel, JuS 1985, 257 (261), der aufbauend auf seiner Vorstellung von Selbstverantwortung offenbar nur im Fall mittelbarer Täterschaft einen hinreichenden Wertungszusammenhang für gegeben erachten würde.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
139
anders als etwa das Strafrecht nicht auf angemessenen Schuldausgleich gerichtet ist, unerheblich.574 Parallelen zwischen Zweckveranlassung und mittelbarer Täterschaft, die zur Rechtfertigung der objektiven Theorie beitragen könnten, bestehen mithin nicht. Wie die subjektive ist daher auch die objektive Theorie auf das Argument zurückgeworfen, dass es ohne die „Zwangsläufigkeit“ des Drittverhaltens an einem hinreichend engen „Verantwortungszusammenhang“ zwischen dem Verhalten des Veranlassers und dem des Störers fehlte. Schon oben wurde aber festgestellt, dass ein Begriff wie der des Verantwortungszusammenhangs nur Problembeschreibung, nicht aber die Lösung sein kann. Wegen seiner Dehnbarkeit kann er kein Argument für ein mehr oder weniger strenges Zurechnungskriterium sein. Dafür, der objektiven Theorie zu folgen, spricht angesichts dessen nichts. e) Risikonutzen In Anbetracht der Unzulänglichkeiten der herrschenden subjektiven und objektiven Theorie sind vereinzelt auch andere Vorschläge ins Spiel gebracht worden. Nach einem, insbesondere zur Zurechnung von Fangewalt zu Veranstaltern von Fußballbundesligaspielen gebrauchten575 Ansatz soll das entscheidende Kriterium für die polizeirechtliche Zurechnung des Verhaltens Dritter neben der Kausalität das des Risikonutzens sein.576 Zweckveranlasser ist danach derjenige, der von dem gefährlichen Verhalten Dritter profitiert, wobei Profit nicht notwendig wirtschaftlichen Profit meint.577 Anders als die subjektive und objektive Theorie lässt sich das Kriterium des Risikonutzens zumindest teilweise auf gesetzliche Wertungen stützen. Auch wenn seine Vertreter selbst diesen Begründungsschritt nicht gehen, findet die Relevanz des Risikonutzens für die Adressatenbestimmung nämlich eine Bestätigung in der gesetzlich geregelten Zustandsverantwortlichkeit.578 Die dort vorgesehene Verant574
Siehe auch oben D. III. So von Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (79). 576 Bott, S. 130 f.; Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (79). Siehe auch Hollands, S. 172, der eine Haftung für Dritte bei der Schaffung von Sonderrisiken annimmt und bei der Bestimmung des Sonderrisikos das Maß des Eigennutzes berücksichtigen will. Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (461), nimmt an, dass der Erzielung gewerblichen Nutzens eine gesteigerte Pflicht gegenübersteht, bei der Verursachung konkreter Gefahren Einschränkungen hinzunehmen. Den Risikonutzen für – wenn auch nicht allein – relevant halten etwa auch Kloepfer, NuR 1987, 7 (12); Brandt/Dieckmann/Wagner, S. 42; Niemuth, DÖV 1988, 291 (295); Brandner, S. 91 ff.; Martensen, Erlaubnis, S. 66 f. 577 Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (79, 81 Fn. 56). So sollen der spazierengehenden Schauspielerin, die unerkannt bleiben möchte, die mit dem von ihr verursachten Menschenauflauf einhergehenden Gefahren nicht zurechenbar sein, dem Veranstalter von Bundesligaspielen hingegen die Gefahren, die von der angelockten Menge ausgehen, schon. 578 Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (78 Fn. 43), gibt selbst keine eindeutige Begründung für die Bedeutsamkeit dieses Kriteriums. Er entwickelt es aus den Kriterien, die seiner Auffassung 575
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F. Das Zurechnungskriterium
wortlichkeit des Eigentümers wird auch mit der Erwägung gerechtfertigt, dass derjenige, der aus seiner Sache Nutzen ziehen kann, auch für die Beseitigung von Gefahren, die von der Sache ausgehen, verantwortlich ist.579 Dem Gesetz nicht zu entnehmen ist allerdings, dass nur derjenige, der aus der Gefahrschaffung einen Profit zieht, Störer sein kann.580 Insbesondere die gesetzlichen Regelungen über die Verhaltensverantwortlichkeit enthalten keine Anhaltspunkte für die Relevanz des Risikonutzens. Dass der Risikonutzen das für die Zweckveranlassung entscheidende Kriterium sein soll, ist daher gesetzlich nicht determiniert. Bei wertender Betrachtung ist die alleinige Relevanz des Risikonutzens jedenfalls wenig überzeugend: Warum soll nicht auch derjenige, der Dritte dazu veranlasst, anderen und ihm selbst zu schaden, als Zweckveranlasser verantwortlich sein? Zu denken ist hier beispielsweise an die (unter Umständen gezielte) Herausforderung von Gegengewalt durch eine Versammlung, die sowohl Gefahren für Rechtsgüter Unbeteiligter als auch für die Versammlungsteilnehmer selbst mit sich bringt.581 Eine Zurechnung des störenden Verhaltens Dritter anhand des Kriteriums des Risikonutzens käme hier nur in Betracht, wenn man jedes durch den Veranlasser bezweckte Drittverhalten als für diesen nützlich einstuft. Tut man dies, so wandelt sich das Kriterium des Risikonutzens aber in ein Vorsatzkriterium, das schon oben582 abgelehnt wurde. Aber auch unabhängig davon erweist sich das Kriterium des Risikonutzens bei genauerer Betrachtung als nicht viel mehr als eine verkappte Form der subjektiven Theorie. Denn eine objektive Feststellung dessen, was dem Veranlasser nützt, ist nur in seltenen Fällen möglich. In diesem Punkt unterscheidet sich die Rolle, die das Kriterium des Risikonutzens im Rahmen der Zweckveranlassung einnimmt, wesentlich von der, die es im Zusammenhang mit der Zustandsverantwortlichkeit spielt. Während dort unwiderleglich vermutet wird, dass der Eigentümer oder Inhaber der nach der polizeirechtlichen Zurechnung zugrunde liegen: „Veranlasserprinzip, Vorteilsausgleich, Sanktionsgedanke“. Das Kriterium des Risikonutzens soll offenbar aus dem Gedanken des Vorteilsausgleichs folgen, welcher nach Gusy, Polizeikosten, S. 15, 18, der Auferlegung von Kosten polizeilicher Zwangsmaßnahmen, aber auch der Abgrenzung von Risikosphären allgemein zugrunde liegen soll; auf die Vorteilsausgleichung stellt auch Bott, S. 133, ab. 579 BVerfGE 102, 1 (17 f.); BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627). 580 „Tragender“ Grund der Zustandsverantwortlichkeit soll denn auch nicht die Möglichkeit sein, aus der Sache Nutzen zu ziehen, sondern die Möglichkeit zur tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkung auf die Sache, Schoch, POR, Rn. 193. 581 Art. 8 GG kann an dieser Stelle noch außer Betracht bleiben, s. D.IV. Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (81 Fn. 56), nennt als Beispiel für den Risikonutzen einer Demonstration deren politischen Profit. Dies ist allerdings widersprüchlich, muss sich der Nutzen nach Leges Ansatz doch gerade aus dem gefährlichen Verhalten Dritter, nicht allein aus dem veranlassenden Verhalten ergeben. Würde man nur danach fragen, ob das veranlassende Verhalten selbst zum „Profit“ des Zurechnungssubjekts ist, wird man dies so gut wie immer bejahen müssen. So auch im Fall der Schauspielerin, die unerkannt bleiben will. Sie müsste Zweckveranlasserin hinsichtlich der von dem Menschenauflauf ausgehenden Gefahren sein – denn von ihrem Spaziergang selbst profitiert sie (etwa in Form frischer Luft, Bewegung, Gesundheit usw.) trotz des Menschenauflaufs. 582 Siehe F. IV. 1. c).
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
141
Sachherrschaft aus der Sache Profit zieht, muss die „Nützlichkeit“ des gefährlichen Verhaltens Dritter für den Veranlasser in jedem Einzelfall festgestellt werden. Meistens, gerade dort, wo es nicht um wirtschaftlichen Profit geht, kann der Veranlasser nur selbst darüber entscheiden, ob er profitiert. So dürfte die Gefahr eines Menschenauflaufs, die eine berühmte Schauspielerin durch einen Spaziergang in der Öffentlichkeit hervorruft, zu deren Profit sein, denn ein solches Ereignis ist werbewirksam. Will die Schauspielerin unerkannt bleiben, dann ist der Auflauf hingegen eher nicht zu ihrem Vorteil.583 Im Ergebnis wird das scheinbar objektive Kriterium des Risikonutzens so in den meisten Fällen zwangsläufig auf die Frage nach dem Vorsatz des Veranlassers reduziert.584 Damit stehen aber dem „Risikonutzen“ dieselben Einwände entgegen, die oben585 schon zur Ablehnung der subjektiven Theorie geführt haben. Hinzu kommt, dass das Kriterium selbst in den Fällen, in denen eine objektive Bestimmung dessen, was „Profit“ ist, grundsätzlich in Betracht käme, Schwierigkeiten bereitet. So führt es im Beispiel der Großveranstaltungen zu teilweise willkürlich anmutenden Ergebnissen: Der Zustrom von Besuchern zu einem Bundesligaspiel nützt dem Veranstalter. Auf den Zustrom gewaltbereiter Fans dürfte dies hingegen kaum zutreffen.586 Dass der Organisator aber nur für von den (ursprünglich?) friedlichen Fans ausgehende Gefahren verantwortlich sein soll, für die von Randalierern ausgehenden Gefahren hingegen nicht587, obwohl beide auf demselben Verhalten des Organisators beruhen, vermag nicht zu überzeugen. Vermeiden lässt sich dies nur, indem man – wie auch Lege es tut588 – einen generalisierenden Ansatz wählt und ohne Unterschied zwischen Fans und Randalierern das Anlocken einer „Menschenmenge“ pauschal als Profit des Veranstalters ansieht. Die Anwendung des Kriteriums ist unter diesen Bedingungen aber mit großen Unsicherheiten behaftet.589 Nimmt man die genannten Einwände zusammen, so bleibt abgesehen von der – im Ergebnis allerdings unzureichenden – gesetzlichen Anbindung nichts, was für das 583
So Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (79). Die Abgrenzung ist allerdings schwierig; geht man von einem dennoch vorhandenen Werbeeffekt aus, könnte der Menschenauflauf profitabel sein, obwohl die Schauspielerin unerkannt bleiben wollte. 584 Auch Lege sieht den Gedanken des Risikonutzens nur als Präzisierung des Vorsatzkriteriums, Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (79): „In diesen Fällen wird jemand […] für eine Gefahr verantwortlich gemacht, die andere verwirklichen, und zwar weil er dies bezweckt, besser: weil er davon profitiert.“; s. auch a.a.O., S. 82. 585 F. IV. 1. c). 586 Ausschreitungen von Fans können für den Verein harte Sanktionen durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) sowie Imageschäden nach sich ziehen. 587 So Bott, S. 136 f. 588 Lege, VerwArch 89 (1998), S. 71 (81). 589 Die Unsicherheiten werden noch verstärkt, wenn nicht nur der aus dem gefährlichen Drittverhalten zu erzielende Vorteil, sondern „eine im Einzelfall vorzunehmende, an der Wertordnung des Grundgesetzes und an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Abwägung“ (so Bott, S. 133) über den Nutzen des Drittverhaltens entscheiden soll. Die Adressatenbestimmung ist nicht der richtige Ort für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, s. D. IV.
142
F. Das Zurechnungskriterium
Kriterium des Risikonutzens spricht. Als Zurechnungskriterium kann es nicht überzeugen. f) Anpassung Auf dem Boden der Verursachungstheorie, die Störer nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre bestimmt590, hat Hollands das Zurechnungskriterium der „Anpassung“ entwickelt.591 Dieses Kriterium ist entlehnt aus der Diskussion um das strafrechtliche Problem der Beihilfe durch alltägliches Verhalten. Im Strafrecht wird dazu vertreten, dass eine alltägliche Handlung nur dann eine Beihilfehandlung sein könne, wenn sie einen „eindeutigen deliktischen Sinnbezug“ aufweise.592 Eine „Anpassung“, die im Gefahrenabwehrrecht die Haftung für gefährdendes Verhalten Dritter begründet, soll dementsprechend dann vorliegen, wenn eine Handlung nicht dem „sozialen Standard“ entspricht, sondern nur als Teil des durch Dritte vermittelten gefährlichen Geschehens sinnvoll zu erklären ist.593 Um subjektive Gesichtspunkte im Gefahrenabwehrrecht zu vermeiden, wird dabei nicht auf den individuellen, sondern den „objektiven, sozialen Sinn“ abgestellt.594 Der Rückgriff auf die strafrechtliche Beihilfeproblematik entspricht der grundsätzlichen Vorgehensweise der Theorie von der pflichtwidrigen Verursachung. Diese geht davon aus, dass dort, wo das Recht Pflichten nicht ausdrücklich regelt, auf „allgemeine rechtliche Wertungen“ zurückzugreifen ist, um Fälle pflichtwidriger Verursachung identifizieren zu können.595 Fraglich ist aber, warum gerade ein strafrechtliches Kriterium, das zur Lösung eines speziellen Problems der Beihilfe entwickelt wurde, eine solch allgemeine rechtliche Wertung sein soll. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass strafrechtliche Wertungen auf das Gefahrenabwehrrecht übertragbar sind.596 Die Behauptung, derjenige, der sich einem polizeiwidrigen Verhalten Dritter „anpasse“, bewege sich nicht im Rahmen des „rechtlichen Standards“597, ergibt sich daraus aber nicht von selbst. Es erscheint schon zweifelhaft, ob eine ebenfalls nur auf Wertungen beruhende Erwägung zur Beihilfe überhaupt als rechtlicher Standard bezeichnet werden kann. Erforderlich wäre aber zumindest, Parallelen zwischen der Problematik der Beihilfe durch alltägliches Verhalten und der Zweckveranlassung aufzuzeigen, die eine Übertragung der strafrechtlichen Wertung auf das Gefahrenabwehrrecht rechtfertigen. Dies unternimmt Hollands nicht. Eine gewisse Parallelität besteht zwar insoweit, als auch die im Rahmen der 590
Grundlegend Pietzcker, DVBl. 1984, 457. Hollands, S. 165 ff. 592 Siehe etwa G. Jakobs, 24. Abschn., Rn. 16. 593 Hollands, S. 165. 594 Hollands, S. 166. 595 Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (459); Hollands, S. 150. 596 Siehe zur Heranziehung von Parallelwertungen aus anderen Rechtsgebieten F. IV. 1. a) und F. IV. 2. c). 597 Hollands, S. 165. 591
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
143
Zweckveranlassung relevanten Veranlassungshandlungen oft alltäglichen Charakter haben. Zwingend gilt das, wie insbesondere die Veranlassung durch ohnehin bereits gefährdendes und damit regelmäßig nicht alltägliches Verhalten zeigt598, aber nicht. Hinzu kommt, dass die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen strafrechtlicher Beihilfe und Zweckveranlassung bei genauerer Betrachtung gering sind. Während es dort um die Zuordnung eines untergeordneten Gehilfenbeitrags zu den Handlungen eines Haupttäters geht, betrifft die Zweckveranlassung die Zuordnung der Verantwortungsbereiche zweier als potentielle Störer rechtlich auf gleicher Ebene stehender Personen.599 Auch dass der – zudem auch im Strafrecht höchst umstrittene600 – Gedanke, wonach „normales“, alltägliches Verhalten nicht strafbar sein soll, auf die Zurechnung im Polizeirecht übertragbar ist, bedürfte der näheren Begründung. So mag es sachgerecht sein, an alltägliche Verhaltensweisen keine Strafdrohung zu knüpfen. Für das nicht auf Sanktionierung gerichtete Gefahrenabwehrrecht gilt jedoch etwas anderes. Dessen Zweck verlangt es, dass eine Person auch wegen alltäglicher Verhaltensweisen herangezogen werden darf, wenn dies erforderlich ist, um Gefahren durch Dritte abzuwehren.601 598
Siehe zu dieser Konstellation oben E. II. Siehe dazu noch F. IV. 2. c) aa). 600 Zum Streitstand s. Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, § 27 Rn. 10a ff. Der BGH stellt nicht auf „Anpassung“, sondern darauf ab, ob der Haupttäter für den Gehilfen „erkennbar tatgeneigt“ war, wobei Für-Möglich-Halten allein grundsätzlich nicht genügen soll (BGHSt 46, 107 [112]). 601 Hollands, S. 137 ff., kann dem zum Teil begegnen, indem er daneben eine Haftung für Dritte auch bei deren Aufnahme in den eigenen Machtbereich („Eingliederung“) annimmt. Auch diese, insbesondere auf die Zurechnung von Besucherlärm zu dem Betreiber einer Gaststätte zugeschnittene Fallgruppe, betrifft aber nur einen Ausschnitt der problematischen Fallgestaltungen. Darüber hinaus rechnet Hollands, S. 171 ff., störendes Verhalten Dritter dann zu, wenn es an ein nicht nur „normal riskantes“, sondern „besonders riskantes“ Handeln anknüpft, wobei das mit einem Verhalten verbundene „besondere“ Risiko anhand der Rechtsordnung zu ermitteln sein soll. Als wichtigstes Anzeichen für ein „besonders riskantes“ Verhalten soll das Erfordernis einer ordnungsrechtlichen Ausnahmegenehmigung dienen (S. 173). Mit dieser „erweiterten Haftung für Sonderrisiken“ erfasst Hollands insbesondere die Fallgruppe der Eigensicherung gefährdeter Einrichtungen (S. 175 f., s. dazu unten H.V.), deckt aber auch mit ihr bei weitem nicht alle Verhaltensweisen und Zustände ab, gegen die ein polizeiliches Einschreiten wegen Drittverhaltens notwendig werden kann. Zuzustimmen ist Hollands zwar in seinem Ansatz, auf das mit einem Handeln verbundene „Risiko“ – also letztlich die Vorhersehbarkeit – störenden Drittverhaltens abzustellen. Die schwierige Abgrenzung zwischen „normal riskanten“ und „besonders riskanten“ Handlungen hingegen ist verzichtbar. Dem eigentlich entscheidenden Punkt, den Hollands mit dieser Unterscheidung offenbar abbilden will, kann auf andere Weise deutlich klarer Rechnung getragen werden: So geht Hollands, S. 172, davon aus, dass das Recht solche Handlungen als „besonders riskant“ definieren wird, von dem sich die Allgemeinheit keinen oder einen nur geringen Nutzen verspricht. Denn in diesen Fällen sinke die Bereitschaft der Allgemeinheit, dem Handelnden Risiken abzunehmen. Der dahinter stehende richtige Gedanke, dass derjenige, dessen Verhalten nicht im Allgemeininteresse liegt, besondere Einschränkungen (zur Gefahrenabwehr) hinnehmen muss, betrifft keine Frage der Zurechnung, sondern ist typischer Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung i. e.S. Erst in deren Rahmen kommt der Schutzwürdigkeit des gefährlichen Verhaltens Bedeutung zu. 599
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F. Das Zurechnungskriterium
Das Kriterium des sozialen Sinnbezugs ist mithin zu eng. Das zeigt sich etwa in dem Fall des Busunternehmers, der Demonstranten durch eine Sonderfahrt zu einer verbotenen Demonstration befördert. Dessen Verhalten könnte, da es „für sich“ sinnvoll erklärbar ist, nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands untersagt werden.602 Dies geht an den Notwendigkeiten des Gefahrenabwehrrechts vorbei. Die genaue Abgrenzung zwischen einem Verhalten, das noch dem „sozialen Standard“ entspricht, und sonstigem Verhalten ist zudem selten eindeutig. Das zeigt sich etwa bei dem Schaufensterfall: Dass das Vorführen eines nicht frei zu empfangenden Fußballspiels in einem Schaufenster nicht dem „sozialen Standard“ entspricht und nur damit erklärbar ist, dass der Ladeninhaber eine den Verkehr behindernde Menschenansammlung hervorrufen „will“, ist keineswegs zwingend.603 Wie bei den bereits behandelten speziellen Zurechnungskriterien fehlt es daher auch bei dem Kriterium der „Anpassung“ an einem Grund, die Zurechnung gerade von ihm abhängig zu machen. Warum mit dem Kriterium das Verhalten ermittelt werden können soll, das „den rechtlichen Standard“ verlässt, erschließt sich nicht. g) Zwischenergebnis Sämtliche speziell zur Zweckveranlassung entwickelten Zurechnungskriterien kranken mithin an einer mangelnden rechtlichen Begründung. Auch normativ und in der praktischen Anwendung kann keines von ihnen vollkommen überzeugen.
2. Die Angemessenheit der mittels Kausalität und subjektiver Vorhersehbarkeit gewonnenen Ergebnisse Angesichts der mangelnden Überzeugungskraft der genannten Zurechnungskriterien stellt sich die Frage, ob es überhaupt eines Kriteriums bedarf, welches über die rechtlich fundierten Kriterien der Kausalität und der subjektiven Vorhersehbarkeit hinausreicht, umso dringlicher. Dagegen spricht, dass Kausalität und Vorhersehbarkeit der spezifischen Funktion, die ein Zurechnungsgrund erfüllen muss, gerecht werden (a), die bereits jetzt festzustellende großzügige Handhabung der gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnung in der Praxis (b) sowie ein Vergleich mit ähnlich gelagerten Zurechnungsproblemen in anderen Rechtsgebieten (c). 602 Hollands, S. 168. Dagegen Zeitler, DÖV 1997, 371 (374 f.); W.-R. Schenke, POR, Rn. 246. 603 So aber Hollands, S. 167. Die hier genannten Beispiele betreffen die Zurechnung zu einer Person, die „an sich“ nicht stört, da Hollands nur solche Fälle behandelt. Aber auch bei der Zurechnung zu einem Störer führt das Kriterium der „Anpassung“ zu keinen sachgerechten Ergebnissen, wie etwa der oben zum Schutzzweck der Norm gebildete Fall (Sperrzeitregelung) zeigt, F. IV. 1. a).
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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a) Funktionsentsprechende Ausgestaltung des Zurechnungsgrunds Das Verständnis des polizeirechtlichen Begriffs von „Verursachung“ im Sinne des Erfordernisses äquivalenter Kausalität und subjektiver Vorhersehbarkeit entspricht der oben herausgearbeiteten Funktion von Zurechnungsgründen: Ein Zurechnungsgrund hat bei der Adressatenbestimmung nach dem richtigen „schwachen Verursachungsverständnis“ nicht die Aufgabe, die Inanspruchnahme des Zurechnungssubjekts zu rechtfertigen,604 sondern fungiert als Vorfilter605, der zur Ermittlung derjenigen Personen dient, deren Heranziehung die Polizeibehörden vorrangig zu prüfen haben. Nur diese gleichheitsrechtlich relevante Unterscheidung muss durch das auf Ebene der Adressatenbestimmung interessierende Zurechnungskriterium gerechtfertigt werden.606 Indem es das tut, bezeichnet es zugleich die Mindeststärke des Ursachenzusammenhangs, die notwendig ist, damit diesem überhaupt ein für den Gleichheitssatz erhebliches Gewicht zukommt.607 Auf Grundlage dieses Verständnisses ist der aus Kausalität und subjektiver Vorhersehbarkeit zusammengesetzte Zurechnungsgrund geeignet, die Einordnung einer Person als Störer zu rechtfertigen. Die polizeiliche Adressatenbestimmung muss sich daran ausrichten, bei welchen Personen es naheliegend erscheint, dass sie zur Gefahrenabwehr herangezogen werden dürfen. Da die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme einer Person letztlich von deren Verhältnismäßigkeit abhängen, spielen Gesichtspunkte, die Einfluss auf den Ausgang der Verhältnismäßigkeitsprüfung haben, schon bei der Bestimmung des Zurechnungskriteriums eine Rolle. Wie oben608 geschildert, kann es als allgemeiner Grundsatz gelten, dass es dem Verursacher einer Gefahr eher zumutbar ist, diese aus der Welt zu schaffen, als einer Person, die keinen Verursachungsbeitrag geleistet hat. Es ist deshalb sachgerecht, wenn das Gesetz die Verursachung als Differenzierungskriterium vorschreibt. Bei Gefahren, die ohne das Dazwischentreten Dritter hervorgerufen werden, kann daher, in enger Umsetzung des Gesetzeswortlauts, schon die bloße Verursachung im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel ein valider Zurechnungsgrund sein. Im Fall der Zweckveranlassung muss dieser hingegen zum Schutz der Selbstverantwortung des „Veranlassers“, die durch eine Zurechnung im Fall nicht vorhersehbaren und daher nicht zu verhindernden anknüpfenden Verhaltens Dritter verletzt wäre, durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit ergänzt werden.609 Kausalität und Vorhersehbarkeit kennzeichnen mithin die Grenze, ab der bei drittvermittelten Gefahren überhaupt erst in Einklang mit der Verfassung von „Verursachung“ gesprochen werden kann. 604 605 606 607 608 609
Siehe D. IV. 3. Siehe D. IV. 4. f) dd) (3) (b). Zur Hauptfunktion von Zurechnungsgründen als Differenzierungsgründe s. D. IV. 4. f) aa). Siehe D. IV. 4. f) dd) (2). Siehe D. IV. 4. f) bb) mit Fn. 307. Siehe F. III. 2.
146
F. Das Zurechnungskriterium
Personen, die ein gefährliches Drittverhalten in vorhersehbarer Weise verursachen, sind darüber hinaus in der Regel auch deshalb besonders zur Gefahrenabwehr geeignet, weil sie eine bestimmte „Nähe“ zur Gefahr aufweisen. Das Vorhersehbarkeitskriterium bewirkt, dass die Zahl der Zwischenursachen zwischen veranlassendem Verhalten und drittvermittelter Gefahr begrenzt ist. Denn mit einer steigenden Zahl an Zwischenursachen nimmt die Vorhersehbarkeit ab. Diese „Nähe“ zur Gefahr bewirkt zweierlei: Sie betrifft zum einen den Schutz des Vertrauens des Zurechnungssubjekts. Je „näher“ eine Person an einer Gefahr ist, desto weniger kann sie darauf vertrauen, nicht auch zu deren Beseitigung herangezogen zu werden.610 Zum anderen erhöht sich mit der „Nähe“ zur Gefahr auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Zurechnungssubjekt zu deren Bekämpfung tatsächlich in der Lage ist. In der Zusammenschau sprechen diese Gesichtspunkte dafür, Kausalität und Vorhersehbarkeit als den Begriff der „Verursachung“ konkretisierende Zurechnungskriterien ausreichen zu lassen. Wer handelt, obwohl er erkennen kann, dass sein Tun gefährliches Verhalten Dritter zur Folge haben kann, unterscheidet sich mit Blick auf seine Einordnung als Störer wesentlich von anderen Personen, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Wortlaut der Gefahrenabwehrgesetze kann mithin durchaus ernst genommen werden. Es ist die in der klassischen Conditio-sine-quanon-Formel zum Ausdruck kommende „Verursachung“, die über die Zurechenbarkeit entscheidet und die im Fall drittvermittelter Gefahren aus verfassungsrechtlichen Gründen durch das Kriterium der subjektiven Vorhersehbarkeit zu ergänzen ist. Die Notwendigkeit einer strengeren Fassung des Zurechnungsgrunds „Verursachung“ lässt sich nicht begründen. Strengere Kriterien wären, wie schon oben bei den Einzelkriterien ausgeführt, nur dann zu rechtfertigen, wenn bereits bei der Auswahl des Adressaten „dem Grunde nach“ über die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme des Zurechnungssubjekts entschieden werden müsste. Dies ist aber, wie dargelegt, nicht der Fall. b) Die Zurechnung in der Praxis Die Angemessenheit des hier vorgeschlagenen Kriteriums wird durch die Praxis bestätigt. Diese lässt darauf schließen, dass Kausalität und Vorhersehbarkeit durchaus zu zutreffenden Ergebnisse führen. So geben Literatur und Rechtsprechung zwar nicht selten vor, der „objektiven Theorie“ zu folgen, rechnen in der Sache auf deren Grundlage aber solches Verhalten Dritter zu, das nur vorhersehbar, keinesfalls aber „typische“ oder gar „zwingende“ Folge des Veranlasserverhaltens ist.611 610 Der von Hollands, S. 24 f., gegen den Ansatz von Muckel, DÖV 1998, 18 (21 ff.), (s. zu ihm F. II. 2.) vorgebrachte Einwand, die Zurechnung allein anhand der Äquivalenztheorie mache einen sinnvollen Einsatz von Gütern – um deren effektiven Schutz es dem Polizeirecht geht – in Ermangelung hinreichender Planungssicherheit unmöglich, kann gegen die hier vertretenen Zurechnungskriterien daher nicht in Stellung gebracht werden. 611 So beispielsweise Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 496, 498; OVG Münster, DAR 2003, 136 (137) – Haftung des gegen seine Meldepflichten verstoßenden Kfz-Veräußerers für das verbotswidrige Abstellen des veräußerten Fahrzeugs durch den Erwerber (siehe zu dieser
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
147
c) Vergleich mit ähnlichen Zurechnungskonstellationen in anderen Rechtsgebieten Die normative Richtigkeit der Zurechnung mittels eines Vorhersehbarkeitskriteriums ergibt sich daneben aus einem Vergleich mit ähnlichen Konstellationen im Straf- und Zivilrecht. Wie oben ausgeführt612, dürfen Zurechnungsgrundsätze des Straf- und Zivilrechts nicht schematisch auf das Gefahrenabwehrrecht übertragen werden. Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten mit den dortigen Zurechnungskriterien können aber die Behauptung der normativen Richtigkeit eines anderweit selbständig begründeten Kriteriums stützen. aa) Der Fahrlässigkeitstäter hinter dem Täter im Strafrecht Der Versuch, dem Strafrecht Zurechnungskriterien für die Zweckveranlassung zu entnehmen, ist schon mehrfach unternommen worden. Wie gezeigt, werden hierfür die strafrechtliche mittelbare Täterschaft613 und – bei dem Kriterium der „Anpassung“614 – die strafrechtliche Beihilfe herangezogen. Beide Ansätze wurden oben abgelehnt, da weder mittelbare Täterschaft noch Beihilfe der Konstellation, die der Zweckveranlassung zugrunde liegt, sachlich entsprechen: Der Zweckveranlasser lässt sich weder als eine Person charakterisieren, die eine andere wie ein Werkzeug beherrscht, noch ist er lediglich Helfer bei der gegenüber seinem Verhalten geFallgestaltung im Einzelnen Fn. 458 und 519); VG Oldenburg, Urteil vom 3. März 2006 – 2 A 479/03 –, juris, Rn. 24 f. – Haftung des Halters eines unerlaubt geparkten Fahrzeugs wegen Veranlassung anderer zum ordnungswidrigen Zuparken einer Einfahrt („quasi zwangsläufig […] Nachahmungseffekt“); OVG Münster, NVwZ 2008, 12 – Haftung eines Einzelhändlers wegen Aushändigung eines Schlüssels an seinen Lieferanten, der seine Ware daraufhin lärmverursachend zur Nachtzeit anliefert; VG München, Urteil vom 2. Februar 2004 – M 22 K 02.4069 –, juris, Rn. 51 ff. – Haftung des Veranstalters eines über 20 Jahre friedlich verlaufenen Starkbierfestes für alkoholbedingte Exzesshandlungen der Besucher, mit welchen nach einer Massenschlägerei im Vorjahr „zu rechnen“ sei; VG Ansbach, Beschluss vom 3. Juli 2007 – AN 10 S 07.01177 –, juris, Rn. 27 ff. – Haftung eines Imbissbudenbetreibers wegen der „realistischen Möglichkeit“ eines durch Kunden gebildeten Rückstaus in den öffentlichen Verkehrsraum; VG Potsdam, NVwZ-RR 2009, 240 (242) – Haftung des Betreibers einer elektronischen Handelsplattform im Internet für den dortigen Verkauf nicht zugelassener Arzneimittel durch Dritte; VG Saarlouis, NVwZ-RR 2009, 998 (999) – Haftung des Betreibers eines Alten- und Pflegeheims für das Entweichen eines Heimbewohners wegen schwacher Sicherungsvorkehrungen. Oft wird dabei daraus, dass die Einstellung des veranlassenden Verhaltens im Einzelfall das störende Verhalten Dritter beenden würde, auf das Vorliegen eines typischen Zusammenhangs geschlossen. Siehe der Begrifflichkeit nach auch VGH Kassel, NVwZ 1992, 619 (621) – „für den Ast. [ist es] bei der Vermietung von Räumen im Sperrgebiet an Prostituierte zur Ausübung der Prostitution sicher vorhersehbar, daß eine Störung der öffentlichen Sicherheit alsbald eintreten wird“. Siehe außerdem zur Handhabung der mittelbaren Verursachung im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Störerhaftung nach § 1004 BGB sogleich F. IV. 2. c) bb). 612 Siehe F. IV. 1. a) bei Fn. 529. 613 Widder, S. 81, vgl. auch Erbel, JuS 1985, 257 (261); s. dazu F. IV. 1. d). 614 Hollands, S. 165, s. dazu F. IV. 1. f).
148
F. Das Zurechnungskriterium
wichtigeren „Haupttat“ eines anderen. Vielmehr stehen Zweckveranlasser und „unmittelbarer“ Störer auf einer Stufe – beide sind Störer und als solche aus rechtlicher Sicht gleichermaßen für die Gefahr verantwortlich. Dem entspricht im Strafrecht einzig die Zurechnung des Verhaltens Dritter zu einer fahrlässig handelnden Person. Denn bei Fahrlässigkeitsdelikten gilt das sogenannte Einheitstäterprinzip.615 Wer einen strafrechtlichen Fahrlässigkeitstatbestand verwirklicht, ist Täter; nach Beteiligungsformen wird nicht unterschieden.616 Bei aller Komplexität der strafrechtlichen Zurechnungsdiskussion617 dürfte es doch herrschender Auffassung entsprechen, dass das fahrlässige Dazwischentreten eines Dritten die Zurechnung eines Erfolgs zum fahrlässig handelnden Täter nicht ausschließt, soweit das Drittverhalten vorhersehbar war.618 Insbesondere findet die der „objektiven Theorie“ zur Zweckveranlassung ähnelnde Ansicht, nach der es statt auf die Vorhersehbarkeit darauf ankommen müsse, dass das Drittverhalten „typischerweise in der Ausgangsgefahr begründet“619 sei, nur wenige Anhänger. Kontroverser behandelt wird im Strafrecht die Frage, ob ein Fahrlässigkeitstäter einen Erfolg auch bei vorsätzlichem Dazwischentreten eines Dritten verursacht hat. Selbst hier wird aber überwiegend von der Zulässigkeit des „Regresses“620 hinter den Vorsatztäter ausgegangen; sein Verhalten soll dem fahrlässigen „Hintermann“ auch hier unter der Voraussetzung seiner Vorhersehbarkeit zurechenbar sein.621 615 So die herrschende Auffassung, s. nur Joecks, Münchener Kommentar, StGB, § 25 Rn. 273 m. w. N. 616 G. Jakobs, 21. Abschn. Rn. 111. 617 Siehe zusammenfassend nur Kühl, § 4 Rn. 98 m. w. N. Strafrechtliche Zurechnungserwägungen werden überwiegend unter dem Stichwort der „objektiven Zurechnung“ behandelt. Dabei handelt es sich aber nur um einen Oberbegriff, unter den eine Vielzahl uneinheitlicher Zurechnungserwägungen gefasst wird, die sich auf unterschiedlichste Konstellationen beziehen (vgl. Kühl, § 4 Rn. 41 f.). Ob die Lehre von der „objektiven Zurechnung“ als solche auf das Polizeirecht übertragbar ist – was wegen der ihr eigenen Voraussetzung der Schaffung einer „rechtlich missbilligten Gefahr“ (vgl. Kühl, § 4 Rn. 43) abzulehnen sein dürfte (s. zur Irrelevanz von Rechtmäßigkeitserwägungen im Rahmen der gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnung oben D. IV.) – muss im Rahmen dieser Arbeit daher nicht zur Debatte gestellt werden. Es soll hier lediglich der für die hier in Frage stehende Fallkonstellation der mittelbaren Verursachung relevante Ausschnitt der Diskussion um die objektive Zurechnung im Strafrecht zum Vergleich herangezogen werden. 618 RGSt 34, 91 (92 ff.); BGHSt 4, 360 (361 f.); Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 76 ff.; Walter, in: LK, StGB, Vor § 13 Rn. 110; Joecks, StGB, § 222 Rn. 27; Rengier, § 13 Rn. 95. Nicht selten werden „konkrete Anhaltspunkte“ für rechtswidriges Verhalten Dritter verlangt (s. nur Frister, Kap. 10 Rn. 10). 619 Baier, JA 2002, 842 (843); Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 192. 620 Zu der auf Frank, S. 15 f., zurückgehenden Theorie vom strafrechtlichen Regressverbot s. etwa Roxin, in: FS Tröndle, S. 177 ff. 621 Schmidhäuser, 14/149; Jescheck/Weigend, S. 573 f.; vgl. auch Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 192 m. w. N. Auf die – gegenüber dem Kriterium der Vorhersehbarkeit etwas strengere – „erkennbare Tatneigung“ des Vorsatztäters stellen etwa Roxin, in: FS Tröndle, S. 190 ff.; Frister, Kap. 10 Rn. 13; Berster, ZIS 2012, 623 (626 f.), ab. Zur Zurechnung des Verhaltens
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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Darüber hinaus soll die Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens, entsprechend dem hier für das Gefahrenabwehrrecht vertretenen Ansatz, auch im Strafrecht subjektiv zu bestimmen sein.622 Bei aller ohnehin erforderlichen Vorsicht, die im Umgang mit der Übernahme von Zurechnungskriterien aus anderen Rechtsgebieten geboten ist, ist gerade diese Übereinstimmung aber besonders zufällig. Denn sie wird aus der Notwendigkeit einer subjektiven Sorgfaltspflichtverletzung abgeleitet623, die im Gefahrenabwehrrecht als solche keine Rolle spielt. Insgesamt zeigt der Blick auf das Strafrecht jedoch, dass die Zurechnung von Drittverhalten unter den vergleichsweise weiten Voraussetzungen der Kausalität und der (subjektiven) Vorhersehbarkeit nicht etwa eine fernliegende, sondern durchaus gängige Handhabung ist. bb) Die zivilrechtliche Problematik des mittelbaren Störers im Rahmen von § 1004 BGB Deutlich besser vergleichbar mit der Zweckveranlassung ist die Problematik der Zurechnung des Verhaltens Dritter, die sich im Zusammenhang mit dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB stellt. Ähnlichkeiten bestehen hier nicht nur begrifflich – im Zivilrecht ist die Rede vom „mittelbaren Störer“624 –, sondern auch inhaltlich: Ebenso wie das Gefahrenabwehrrecht ist auch die Haftung nach § 1004 BGB verschuldensunabhängig.625 Im Rahmen von § 1004 BGB geht es um die Zuordnung von Beeinträchtigungen des Eigentums (und in analoger Anwendung der Vorschrift auch sonstiger absoluter Rechte und deliktisch geschützter Rechtsgüter) zu einem Handlungs- oder Zustandsstörer. Wie im Gefahrenabwehrrecht sind auch die zur Umschreibung des Störers im Sinne des § 1004 BGB vorhandenen Vorschläge vielfältig.626 Zum mittelbaren Störer hat sich mit der Adäquanztheorie aber eine Auffassung als herrschend herauskristallisiert, die den Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Verursachung des Drittverhaltens in den Vordergrund rückt: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mittelbarer Störer derjenige, der die „Beeinträchtigung des [Betroffenen] durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung eines Amokläufers zu dem Waffen und Munition unsachgemäß verwahrenden Vater s. unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit BGH, StV 2013, 1 (3) – Amoklauf von Winnenden. 622 Walter, in: LK, StGB, Vor § 13 Rn. 110. 623 Siehe etwa Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 78; Walter, in: LK, StGB, Vor § 13 Rn. 110. 624 BGHZ 144, 200 (203); Münch, in: Soergel, BGB, § 1004 Rn. 135; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004 Rn. 18. 625 Zum Vergleich von Zivil- und Polizeirecht s. Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456 ff., die die Angleichung der zivilrechtlichen Störerhaftung gemäß § 1004 BGB an das Polizeirecht fordert; Waechter, POR, Rn. 404 ff. 626 Münch, in: Soergel, BGB, § 1004 Rn. 125, und Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1004 Rn. 14, bezeichnen die Meinungsvielfalt als „erschreckend“.
150
F. Das Zurechnungskriterium
verursacht“627. Ein adäquater Zusammenhang soll im Zivilrecht dann bestehen, „wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen“.628 Die Nähe zum dem hier vertretenen Ansatz ist offensichtlich. Durch die Art und Weise, in welcher der Bundesgerichtshof die Adäquanzformel ausbuchstabiert, wird diese Übereinstimmung allerdings etwas abgeschwächt. Zwar entspricht der Ausschluss „besonders eigenartiger“ Folgen noch dem hier vorgeschlagenen Vorhersehbarkeitskriterium. Mit dem Abheben auf den „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ nähert sich der Bundesgerichtshof aber dem zumindest für das Gefahrenabwehrrecht abzulehnenden629 strengeren Kriterium des typischen Ursachenzusammenhangs an.630 Ein Grund hierfür könnte darin bestehen, dass der Bundesgerichtshof mit seiner Adäquanzformel auch Zumutbarkeitserwägungen Rechnung tragen möchte. Das mag – obwohl mittlerweile auch andere, präzisere dogmatische Ansätze hierfür zur Verfügung stehen631 – im Zusammenhang mit § 1004 BGB notwendig sein. Im Gefahrenabwehrrecht, das die Verhältnismäßigkeitsprüfung als Korrektiv bereithält, bedarf es dessen nicht.632 Unterschiede zwischen dem hier vertretenen Ansatz und den Zurechnungskriterien, die im Rahmen von § 1004 BGB zur Anwendung kommen, ergeben sich im Detail auch hinsichtlich der Perspektive, aus der die Adäquanz des Drittverhaltens zu beurteilen sein soll: Was eine adäquate Folge ist, scheint der Bundesgerichtshof – vergleichbar mit den von ihm zur Einstufung eines Verhaltens als fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) zugrunde gelegten Maßstäben – objektiv bestimmen zu wollen. Allerdings finden dabei der Verkehrskreis, dem der „Hintermann“ entstammt, und 627 BGHZ 49, 340 (347); 144, 200 (203); fast wortgleich BGH, NJW 1960, 2335 (2335); 1982, 440 (440); OLG Koblenz, NJW 2003, 2837 (2837); vgl. auch BGH, BeckRS 2012, 04859; BGH, NJW 1973, 326 (326), jeweils m. w. N.; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 1031 (1032 f.); s. ferner Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004 Rn. 18 m. w. N. 628 BGHZ 144, 200 (203) m. w. N. Die vom BGH vorausgesetzte „Willentlichkeit“ meint nicht wie die subjektive Theorie, dass der Veranlasser das störende Verhalten Dritter in seinen Vorsatz aufgenommen haben muss. Es soll lediglich verdeutlichen, dass das Verhalten, das veranlassend wirkt, selbst willensgetragen sein muss (Ebbing, in: Erman, BGB, § 1004 Rn. 111, 117 f.). 629 Siehe F. IV. 1. d). 630 Vgl. BGHZ 144, 200 (203 f.); OLG Koblenz, NJW 2003, 2837 (2837), wo auch von einem „typischen“ Zusammenhang die Rede ist. Zu den uneinheitlichen Definitionen von Adäquanz s. bereits oben Fn. 480. Im polizeirechtlichen Kontext versteht beispielsweise Bott, S. 50, einen Ursachenverlauf weiter als der BGH nur dann als adäquat, wenn „das hinzukommende Verhalten Dritter nicht völlig unvorhersehbar und unwahrscheinlich ist“. Legt man dieses Verständnis zugrunde, kann man auch den hier vertretenen, allein auf die Vorhersehbarkeit abstellenden Ansatz als Anwendung der Adäquanztheorie bezeichnen. 631 Zur Verarbeitung von Zumutbarkeitserwägungen im Rahmen des (ungeschriebenen) Erfordernisses eines Verstoßes gegen Verhaltens- und Prüfpflichten s. sogleich im Text. 632 Siehe F. IV. 2. a).
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
151
etwaiges bei ihm vorhandenes Sonderwissen Berücksichtigung.633 Die Abweichungen zu dem hier vertretenen Kriterium der subjektiven Vorhersehbarkeit, dem sich der Bundesgerichtshof nach obigen Ausführungen zur Selbstverantwortung aus verfassungsrechtlichen Gründen anschließen sollte, sind danach marginal.634 Der Bundesgerichtshof hat es allerdings, vor allem in seiner jüngeren Rechtsprechung anhand von Fällen der Internet-Störerhaftung, zur weiteren Voraussetzung der Haftung gemacht, dass das Zurechnungssubjekt gegen Verhaltens-, insbesondere Prüfpflichten verstoßen hat.635 Deren Reichweite soll davon abhängen, inwieweit ihm eine vorbeugende Absicherung zumutbar ist.636 Über die dogmatische Einordnung der Prüfpflichten besteht Unsicherheit.637 Nicht selten wird ihre Verletzung aber als Voraussetzung der Zurechnung des Verhaltens Dritter angesehen.638 In dieser Konstruktion ähneln sie stark der gefahrenabwehrrechtlichen Nichtstörungspflicht, die jede Person dazu verpflichten soll, ihr Verhalten und den Zustand ihrer Sachen so zu einzurichten, dass daraus keine Gefahren entstehen können.639 Inwieweit die Existenz der beschriebenen zivilrechtlichen Prüfpflichten begründet werden kann, kann in dem hier gegebenen Rahmen nicht beurteilt werden. Jedenfalls aber bieten sowohl das öffentliche Recht als auch das Zivilrecht Möglichkeiten, die Einbeziehung von Zumutbarkeitserwägungen in die Zurechnungsentscheidung, die naturgemäß jedes Zurechnungskriterium verunklaren, zu vermeiden. Während sich hierzu im öffentlichen Recht die Verhältnismäßigkeitsprüfung geradezu aufdrängt, die wegen ihres Bezugs auf konkrete polizeiliche Maßnahmen eine sachgerechtere 633
Schulze, BGB, § 276 Rn. 14: „Berufs-, Bildungs- und Altersgruppen“. Siehe zu der meist zu vernachlässigenden Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Vorhersehbarkeit oben F. III. 3. 635 BGHZ 148, 13 (17); 158, 236 (251); 172, 119 (131 f.); 173, 188 (201 f.); BGH, WRP 2013, 332 (333). Siehe dazu Münch, in: Soergel, BGB, § 1004 Rn. 139 ff.; Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 10 Rn. 449 ff.; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1004 Rn. 17, jeweils m. w. N. Siehe dazu auch noch H. IV. 2. 636 BGHZ 148, 13 (17) m. w. N.: „Als Störer kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zwar grundsätzlich jeder auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden willentlich und adäquat-kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist“. Zu den relevanten Kriterien s. Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1 (8 ff.). 637 Siehe dazu etwa Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1 (5) m. w. N. 638 So etwa von Freytag, S. 73 ff.; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1 (7, 15). Darauf deutet auch hin, dass der BGH die Verletzung von Prüfpflichten im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Zurechnung des Verhaltens Dritter behandelt, s. Fn. 636. 639 Zur Nichtstörungspflicht s. D. IV. 4. c) aa) (1). 634
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F. Das Zurechnungskriterium
Bestimmung dessen, was dem Veranlasser zumutbar ist, ermöglicht, könnte im Zivilrecht § 242 BGB dazu genutzt werden, Zumutbarkeitserwägungen außerhalb der Entscheidung über die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter in die Prüfung einfließen zu lassen640. cc) Bewertung Im Strafrecht und stärker noch im Zivilrecht werden der Zweckveranlassung vergleichbare Konstellationen über die Kriterien der Kausalität und Vorhersehbarkeit des Verhaltens Dritter gelöst.641 Wie dargelegt, ist dies – auch wegen Abweichungen im Detail – kein „Beweis“ für die Richtigkeit der hier vorgeschlagenen Zurechnungskriterien. Die Beweggründe für die Wahl der Zurechnungskriterien unterscheiden sich von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet. Aus den weitgehend übereinstimmenden Wertungen ergibt sich aber, dass Kausalität und Vorhersehbarkeit allein, das heißt ohne die Ergänzung durch andere Kriterien, durchaus geeignet sind, die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter zu determinieren. Daran ändert sich nicht etwa deshalb etwas, weil im Gefahrenabwehrrecht das Korrektiv der „Schuld“, welches im Straf- und Zivilrecht regelmäßig vorhanden ist, fehlt.642 Zum einen ist ein solches Korrektiv auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen, wie insbesondere die Störerproblematik im Rahmen von § 1004 BGB zeigt, nicht stets vorhanden. Wichtiger noch ist aber, dass das Gefahrenabwehrrecht mit dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit selbst über ein sehr differenziertes, der „Schuld“ bei der sachangemessenen Beschränkung der Haftung in nichts nachstehendes Kriterium verfügt. 640 Dieses Vorgehen etwa bei BGHZ 42, 118 (129 ff.). Ohnehin steht der Anspruch aus § 1004 BGB unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit, s. Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1004 Rn. 65. 641 Das Zivilrecht hält weitere der Zweckveranlassung vergleichbare Konstellationen vor. Zu nennen sind insbesondere die sogenannten Herausforderungsfälle, die im Deliktsrecht von Bedeutung sind: Durfte sich beispielsweise ein Verfolger zur Verfolgung eines Flüchtenden herausgefordert fühlen, haftet der Flüchtende für den dem Verfolger bei der Verfolgung entstehenden Schaden. Maßgeblich für die Zurechnung sind dabei die Kriterien der Kausalität und der Adäquanz (BGH, NJW 1964, 1363 [1364]), aber zusätzlich auch, ob der Entschluss des Herausgeforderten mit Blick auf das Verhältnis zwischen Zweck und Risiko seines Tuns „vernünftig“ ist (Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 249 Rn. 48). Auch Widder, S. 80 f., geht von einer Vergleichbarkeit der Verfolgungsfälle mit der Zweckveranlassung aus. Wegen der nur mittelbaren Grundrechtsgeltung im Zivilrecht komme eine Übertragung der dortigen Zurechnungsgrundsätze auf das polizeiliche (unmittelbar grundrechtsgebundene) Eingriffshandeln aber nicht in Betracht. Das überzeugt auf Grundlage des vorzugswürdigen „schwachen“ Verursachungsverständnisses (D. IV. 3.) jedoch schon im Ansatz nicht. Siehe außerdem die Grundsätze der zivilrechtlichen Schadenszurechnung im Fall des Dazwischentretens eines vorsätzlich oder fahrlässig handelnden Dritten, die – trotz aller Differenzierungen im Einzelfall – im Wesentlichen auf dem Gedanken der Adäquanz beruhen, Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 249 Rn. 58 ff. 642 Dieses Argument wird im Polizeirecht häufig gegen die Anwendung straf- und zivilrechtlicher Kausalitätstheorien vorgebracht, so von Thiele, Rn. 231; Schoch, POR, Rn. 177.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
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d) Zwischenergebnis Eine materielle, wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der Funktion von Zurechnungsgründen ergibt, dass die Kriterien „Kausalität“ und „subjektive Vorhersehbarkeit“ plausible Gründe für die Zurechnung des Verhaltens Dritter sind. Das wird nicht nur durch die Rechtsprechungspraxis der Verwaltungsgerichte, sondern auch durch die Handhabung der Zurechnung des Verhaltens Dritter in anderen Rechtsgebieten bestätigt.
3. Die Handhabbarkeit des Kriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit Es liegt nun jedoch der Einwand nahe, es mangele dem Vorhersehbarkeitskriterium an Praxistauglichkeit. Vorhersehbarkeit ist – unter partieller Übernahme der im Zivilrecht gebräuchlichen Definition der Adäquanz643 – dann gegeben, wenn das Verhalten des Zurechnungssubjekts oder der Zustand seiner Sachen im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und unwahrscheinlichen Umständen geeignet ist, ein störendes Verhalten dieser Art herbeizuführen. Es muss also festgestellt werden, ob eine Folge besonders unwahrscheinlich ist, wobei es nur auf den Eintritt einer „solchen“, nicht der tatsächlich drohenden oder eingetretenen Folge in all ihren Einzelheiten ankommt. Gegen das Kriterium der Vorhersehbarkeit könnte angesichts dieser Definition eingewandt werden, dass es die Frage nach der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter wegen seiner Unbestimmtheit644 und Weite nicht hinreichend genau beantworten kann. a) Zum Einwand der Unbestimmtheit des Kriteriums In der Tat muss in jedem Einzelfall beurteilt werden, ob mit dem Verhalten des Dritten gerechnet werden konnte oder nicht. Ob ein bestimmtes Verhalten als vorhersehbar zu gelten hat, lässt sich allerdings unter Rückgriff auf Erfahrungswerte in der Regel gut beantworten. Gegenüber anderen zur Zweckveranlassung vorgeschlagenen Zurechnungskriterien weist das der Vorhersehbarkeit eine vergleichsweise hohe Bestimmtheit auf. Es hat den Vorzug, dass es anders als Kriterien wie etwa das von der „typischen“ oder der „zwangsläufigen“ Folge nicht ausschließlich für das Polizeirecht entwickelt wurde, sondern eine besondere Nähe zur Adäquanztheorie aufweist, die im Zivil- und Strafrecht verbreitet Anwendung findet.645 643
BGHZ 144, 200 (203) m. w. N. Siehe nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 312. 645 Zu der leichten Abweichung der Adäquanzformel des BGH von dem hier gewählten Ansatz, die eine gewisse Vorsicht bei der Übertragung der im Zivilrecht gewonnenen Ergebnisse auf das Gefahrenabwehrrecht nahelegt, s. F. IV. 2. c) bb). Besondere Bedeutung kommt der Vorhersehbarkeit menschlichen Verhaltens auch im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext der 644
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F. Das Zurechnungskriterium
Durch seine Behandlung im Schrifttum und seine Erprobung in der Praxis hat das Kriterium eine Konturierung erfahren, die andere, spezifisch polizeirechtliche Zurechnungskriterien nicht aufweisen. Die höhere Praktikabilität des Vorhersehbarkeitskriteriums zeigt sich etwa im Zusammenhang mit der Zurechnung von Ausschreitungen zum Veranstalter von Großereignissen. Darüber, ob Ausschreitungen eine typische Folge von Großveranstaltungen sind, besteht keine Einigkeit.646 Dass es sich bei Ausschreitungen um eine vorhersehbare Folge handelt, ist hingegen leicht zu ermitteln und kann ohne Weiteres bejaht werden. Allerdings lässt sich in der Tat nicht mittels einer mathematischen Formel bestimmen, welche Folgen vorhersehbar sind. Dies liegt insbesondere daran, dass der Bezugspunkt der Vorhersehbarkeit kein feststehender ist. Denn erforderlich ist nicht, dass das konkrete Verhalten des Dritten, sondern nur, dass „ein solches“ Verhalten als Folge des eigenen Tuns vorhersehbar ist. Je genereller man aber das zuzurechnende Verhalten fasst, desto eher ist es vorhersehbar.647 Der damit verbundenen Unsicherheit lässt sich jedoch durch Beachtung folgender Leitlinie begegnen: Da es dem Gefahrenabwehrrecht um die Abwehr bestimmter Erfolge (in Form von Gefahren) geht, kommt es im Wesentlichen darauf an, dass vorhersehbar ist, welches der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterfallende Rechtsgut durch das Drittverhalten bedroht wird. Die Art des störenden Verhaltens muss hingegen nur in ihren groben Zügen vorhersehbar sein. Auch bei Beachtung dieser Maßgabe ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Entscheidung über die Vorhersehbarkeit in Grenzfällen Schwierigkeiten bereitet. In diesen Fällen kommt man nicht umhin, den Wert des bedrohten Rechtsguts in die Beurteilung mit einzubeziehen. Notwendig ist dann ein ähnliches Vorgehen wie bei der Beurteilung des Vorliegens einer konkreten Gefahr im Sinne der polizeilichen Generalklausel: Dort bestehen umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, je hochrangiger das bedrohte Rechtsgut und je größer der zu befürchtende Schaden ist.648 In vergleichbarer Weise sind Folgen eines Verhaltens umso eher in Rechnung zu stellen, je größer der Wert des bedrohten polizeilichen Schutzguts ist. Zu betonen ist aber, dass dies über eine fehlende Fähigkeit, die Folge vorherzusehen, nicht hinweghilft, sondern nur die Schwelle, ab der eine als möglich erkennbare Folge „außer Betracht“ bleiben darf, absenken kann. Auch darf das Gewicht des bedrohten Rechtsguts nur in Grenzfällen eine Rolle spielen und keinesfalls als Einfalltor für eine umfassende Abwägung im Sinne einer Zumutbarkeitsprüfung genutzt werden. Ist die Vorhersehbarkeit auch danach noch unklar, ist sie zum Schutz der Selbstverantwortlichkeit des Veranlassers zu verneinen. Unterbringung gefährlicher Personen im Maßregelvollzug zu, s. dazu (kritisch) Streng, JZ 2011, 827 (828 ff.). 646 Verneinend etwa Schoch, Jura 2009, 360 (365). Bejahend W.-R. Schenke, POR, Rn. 246 ; Götz, POR, § 9 Rn. 31. 647 Brandner, S. 86 f. m. w. N., der das Kriterium aber dennoch für zur Haftungsbegrenzung geeignet hält. 648 Schoch, POR, Rn. 139.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
155
Die mit dem Kriterium der objektiven Vorhersehbarkeit verbundene Unsicherheit, von welchem Zeitpunkt und von wessen Standpunkt aus beurteilt werden muss, was vorhersehbar ist649, stellt sich bei der hier maßgeblichen subjektiven Vorhersehbarkeit nicht. Es kommt darauf an, was die als Verursacher in Betracht kommende Person vorhersehen konnte. Ermitteln muss dies im ersten Zugriff der zuständige Polizeibeamte, später gegebenenfalls ein Gericht. Dabei ist allerdings nicht auf den im Nachhinein, etwa infolge des tatsächlich störenden Verhaltens Dritter, gewonnenen Wissensstand des Veranlassers abzustellen, sondern darauf, was zur Zeit der Handlung für den Verursacher allgemein als deren Folge vorhersehbar war.650 Beachtet man diese Maßgaben, so wird man mit dem Kriterium der subjektiven Vorhersehbarkeit in aller Regel zu klaren Ergebnissen gelangen. b) Zum Einwand der übermäßigen Weite des Kriteriums Dass das eigene Verhalten Ursache für störendes Verhalten Dritter wird, ist häufig nicht vorhersehbar. Gerade alltägliche Lebensäußerungen bilden nur selten einen Grund für die Annahme, andere könnten dadurch zu Störungen veranlasst werden. Auch wenn dem Kriterium damit eine durchaus nennenswerte zurechnungsbeschränkende Funktion zukommt, soll nicht bestritten werden, dass Kausalität und subjektive Vorhersehbarkeit keine besonders strengen Kriterien sind. aa) Die Unanwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes Die Weite des Kriteriums der Voraussehbarkeit des Verhaltens Dritter wird insbesondere nicht durch die Geltung eines „Vertrauensgrundsatzes“ beschränkt, wie er – aus dem Straßenverkehrsrecht stammend651 – besonders im Strafrecht652 propagiert wird. Der Vertrauensgrundsatz betrifft die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter, insbesondere die Fahrlässigkeit eines Verhaltens mit Blick auf ein zu erwartendes Drittverhalten.653 Er besagt, „dass man bei der Bestimmung seiner eigenen Handlungspflichten nicht solche Schadensverläufe einzukalkulieren hat, die ein späteres pflichtwidriges Verhalten anderer Beteiligter voraussetzen“654. Der Vertrauensgrundsatz wird allerdings als zu schematisch empfunden und kennt daher viele
649
Siehe dazu etwa Bott, S. 42 ff., 46 ff.; Brandner, S. 75 ff. Bei der Zustandsverantwortlichkeit: was zur Zeit des Eigentums an der Sache oder der Sachherrschaft über sie als Folge ihres Zustands vorhersehbar war. 651 BGHZ 14, 232 (235 f.). 652 Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 162 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 24 Rn. 21 ff. 653 Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 163. Zum Zusammenhang zwischen Zurechnung und Sorgfaltspflichtverletzung s. Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 153 ff. 654 Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 162 m. w. N. Vgl. auch Schumann, S. 7. 650
156
F. Das Zurechnungskriterium
Ausnahmen; in der Praxis ist seine Geltung nicht einmal der Regelfall.655 So soll der Grundsatz insbesondere für solche Personen nicht gelten, die sich selbst sorgfaltswidrig verhalten.656 Zu seiner Suspendierung soll es darüber hinaus führen, wenn hinreichende Indizien für ein pflichtwidriges Verhalten Dritter vorliegen. Dies soll im Strafrecht insbesondere dann der Fall sein, wenn der Dritte „tatgeneigt“ ist.657 Auf das Gefahrenabwehrrecht ist der Vertrauensgrundsatz nicht übertragbar. Der Vertrauensgrundsatz beruht nicht etwa auf der Annahme, dass störendes Verhalten Dritter nie vorhersehbar sei.658 Für seine Geltung werden andere Gründe angeführt: Zum einen finde der Vertrauensgrundsatz seine Grundlage in dem hier schon zur Rechtfertigung des Zurechnungskriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit herangezogenen Prinzip der Selbstverantwortung.659 Dieses besage, dass das Verhalten verantwortlich handelnder Personen grundsätzlich nur ihnen selbst zugerechnet werden dürfe.660 Eine solche Regel kann aber, wie schon oben661 gezeigt wurde, dem Selbstverantwortungsprinzip nicht entnommen werden. Der Vertrauensgrundsatz ist – wie seine vielfältigen, im Straf- und Zivilrecht vorhandenen Durchbrechungen beweisen – Ergebnis einer für diese Rechtsgebiete, und dort auch nur in bestimmten Bereichen, als zutreffend empfundenen Wertung. Die zweite Begründung geht dahin, dass die Handlungsfreiheit nahezu aufgehoben wäre, müsste man sich stets auf jedes vorhersehbare Verhalten Dritter einstellen.662 Auch dies ist aber kein Grund, der die Geltung des Vertrauensgrundsatzes im Gefahrenabwehrrecht rechtfertigen könnte: Gäbe es den Vertrauensgrundsatz im Zivil- und Strafrecht nicht, wäre die Fahrlässigkeit eines Verhaltens auch bei Dazwischentreten eines Dritten häufig zu bejahen. Geschieht dies, so ist damit aber bereits über die letzte Voraussetzung für den Eintritt gravierender Folgen – Strafbarkeit oder Pflicht zum Schadensersatz – abschließend entschieden. Es liegt deshalb nahe, Fahrlässigkeit nicht bereits dann anzunehmen, wenn das mitverursachte Drittverhalten nur äquivalent kausal verursacht und vorhersehbar war. Im Gefah655 Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 163. Rengier, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 10 Rn. 23, will daher statt von „Vertrauensgrundsatz“ schlichter von „Vertrauensschutz“ sprechen. Zu den Schranken des Vertrauensgrundsatzes s. Schumann, S. 12 ff. 656 Puppe, in: NK, StGB, Vor § 13 Rn. 165 m. w. N. Übertragen auf die Konstellation der Zurechnung zu einem Störer dürfte der Vertrauensgrundsatz im Gefahrenabwehrrecht demnach nicht eingreifen: Wer selbst durch sein Verhalten eine Gefahr verursacht, könnte nicht darauf vertrauen, dass sich dadurch nicht Dritte veranlasst fühlen, ebenfalls Gefahren zu verursachen. 657 Roxin, Strafrecht AT I, § 24 Rn. 28. Siehe zum Kriterium der „Tatgeneigtheit“ auch die Nachweise in Fn. 621. 658 Schumann, S. 8. 659 Schumann, S. 10 m. w. N. 660 Schumann, S. 6. 661 D. III. 662 Schumann, S. 4 f. Ähnlich auch die Stimmen, die den Vertrauensgrundsatz als Ausdruck des auf einer Interessenabwägung beruhenden, die Zurechnung ausschließenden „erlaubten Risikos“ ansehen, G. Jakobs, 7. Abschn., Rn. 51; Rengier, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 10 Rn. 23.
IV. Zur Entbehrlichkeit eines ergänzenden Zurechnungskriteriums
157
renabwehrrecht liegen die Dinge anders: Hier würde der Vertrauensgrundsatz nur die Zurechnung betreffen. Über die Haftung ist mit der Zurechenbarkeit des störenden Drittverhaltens aber nicht entschieden.663 Die Unanwendbarkeit des Vertrauensgrundsatzes hätte daher keine unmittelbare Einschränkung bestehender Handlungsmöglichkeiten zur Folge. Der richtige Ort, um der Handlungsfreiheit in einer Interessenabwägung Rechnung zu tragen, wie sie dem Vertrauensgrundsatz zugrunde liegt, ist nicht die Zurechnung, sondern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. bb) Der Gewinn an Rationalität durch ein weites Zurechnungskriterium Die Geltung eines relativ weiten Zurechnungskriteriums wie des hier vorgeschlagenen ist nicht als Nachteil, sondern als Vorteil zu begreifen. Denn die dem hier vertretenen Zurechnungsgrund zugrunde liegende Konzeption, ein relativ weites Zurechnungskriterium zu wählen, welches erst auf Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit Blick auf die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme weiter eingeschränkt wird, bewirkt, dass die für die Inanspruchnahme relevanten Gesichtspunkte offengelegt werden müssen. Während beispielsweise der von den Vertretern der „objektiven Theorie“ geforderte „typische“ oder „zwangsläufige“ Zusammenhang (und erst recht das Oberkriterium der „natürlichen Einheit“) dazu verführt, dessen Erfüllung durch bloße nicht näher belegte Behauptungen abzulehnen oder zu bejahen, ist der Rechtsanwender im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung gezwungen, die ihn bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme leitenden Gesichtspunkte argumentativ offenzulegen. Die Weite des aus Kausalität und Vorhersehbarkeit zusammengesetzten Zurechnungsgrundes hat mithin einen erheblichen Gewinn an Rationalität zur Folge.664 c) Zwischenergebnis zur Handhabbarkeit des Kriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit Gegen die Handhabbarkeit des Vorhersehbarkeitskriteriums bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Auch wenn das Kriterium der Vorhersehbarkeit im Einzelfall durchaus Spielraum für Wertungen eröffnet, ist es insbesondere durch seine Erprobung in anderen Rechtsbereichen gegenüber den gängigen, mit der „objektiven“ oder „subjektiven“ Theorie verbundenen Zurechnungskriterien deutlich im Vorteil. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die in ihm zum Ausdruck kommende Konzeption, die mittels eines weiten Zurechnungskriteriums erzielten Ergebnisse erst auf Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung einzuschränken, einen nicht unbeträchtlichen Rationalitätsgewinn mit sich bringt und auf diese Weise maßgeblich zur 663
Zu dem dieser Aussage zugrunde liegenden „schwachen“ Verursachungsverständnis s. D. IV. 3. 664 Zur disziplinierenden, Rationalität und Transparenz gewährleistenden Wirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes s. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (189) m. w. N.
158
F. Das Zurechnungskriterium
Richtigkeit und Vorhersehbarkeit polizeilicher Entscheidungen über die Inanspruchnahme des Zweckveranlassers beiträgt.
4. Zwischenergebnis zur Entbehrlichkeit eines die Vorhersehbarkeit ergänzenden Zurechnungskriteriums Die für die Zweckveranlassung geltenden Zurechnungskriterien stehen damit fest: Störendes Verhalten Dritter ist einer Person dann zurechenbar, wenn sie das Drittverhalten durch ihr Tun oder den Zustand ihrer Sache im Sinne der Conditiosine-qua-non-Formel verursacht hat und dies vorhersehen konnte. Der Ergänzung durch weitere Zurechnungskriterien bedarf es nicht.
V. Modifikation für den Fall der Zurechnung künftigen Verhaltens Dritter Diese Formel gilt unmittelbar allerdings nur für die Fälle, in denen es um die Zurechenbarkeit von bereits manifestiertem störendem Verhalten Dritter geht. Wo hingegen Störungen durch Dritte lediglich zu befürchten sind665, kommt es auf deren Verursachung im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel schon deshalb nicht an, weil es an dem erforderlichen Bezugspunkt für eine solche Prüfung fehlt. Zurechenbarkeit hängt in diesen Fällen allein davon ab, ob der Handelnde (subjektiv) die Möglichkeit erkennen kann, dass Dritte sein Verhalten zum Anlass nehmen, störendes Verhalten an den Tag zu legen. Dies darf keinesfalls unter Rückfall in den „starken“ Störerbegriff dahin missverstanden werden, dass jedes Verhalten zu unterlassen ist, das störendes Verhalten Dritter vorhersehbarerweise zur Folge haben kann. Zwar kann die Eigenschaft als Störer schon unter diesen Bedingungen bejaht werden. Belastende Folgen können die Gefahrenabwehrbehörden an die Störereigenschaft aber erst dann knüpfen, wenn – als grundlegende Voraussetzung des polizeilichen Eingriffstatbestands – auch die Gefahr störenden Verhaltens Dritter besteht und die sonstigen Voraussetzungen der Inanspruchnahme erfüllt sind.666
VI. Ergebnis Zweckveranlasser ist im Fall gegenwärtigen oder bereits abgeschlossenen störenden Verhaltens Dritter, wer durch sein Handeln oder den Zustand seiner Sache 665 666
Siehe dazu oben A. nach Fn. 15. Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 293; W.-R. Schenke, POR, Rn. 228.
VI. Ergebnis
159
störendes Verhalten Dritter im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel verursacht und dies (subjektiv) vorhersehen konnte. Im Fall künftigen störenden Verhaltens Dritter ist Zweckveranlasser, wer es subjektiv vorhersehen kann, dass Dritte sein Verhalten zum Anlass nehmen, störendes Verhalten an den Tag zu legen.667
667 Nur am Rande anzumerken ist, dass die hier gefundenen Kriterien auch für die praktisch nicht relevante Veranlassung Dritter durch Unterlassen Geltung beanspruchen. Ebensowenig wie die Störereigenschaft durch aktive Veranlassung von der Rechtswidrigkeit des ursächlichen Verhaltens abhängt, setzt die Einordnung eines Unterlassens als Störung die Pflichtwidrigkeit des Nichthandeln voraus (so aber die überwiegende Meinung, s. etwa Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 6; s. dagegen Waechter, POR, Rn. 378). Wer es vorhersehen kann, dass sein Unterlassen Dritte zu störendem Verhalten veranlasst, ist daher selbst als Zweckveranlasser Störer. Auch die Inanspruchnahme des Unterlassungstörers findet ihre Grenzen aber in den grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen.
G. Überblick über die Neukonzeption der Zweckveranlassung und ihre Vorteile Die wesentlichen Merkmale und Vorzüge der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Konzeption der Zweckveranlassung sind – zusammengefasst – Folgende: Die Zweckveranlassung ist als umfassendes Modell der Zurechnung des auf Veranlassung beruhenden störenden Verhaltens Dritter im Polizeirecht zu verstehen.668 Ihr kommt unabhängig davon, welche Verursachungstheorie vertreten wird, Relevanz zu.669 Sie betrifft auch die Zurechnung störenden Verhaltens Dritter zu Personen, die bereits durch die nicht drittvermittelten Auswirkungen ihres eigenen Verhaltens stören.670 Dabei gilt sie nicht nur im Rahmen der Verhaltens-, sondern auch der Zustandsverantwortlichkeit.671 Ansatzpunkt zur Behebung der gegenwärtig zu beobachtenden großen Unsicherheiten über Verfassungsmäßigkeit und Voraussetzungen der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Rahmen der gefahrenabwehrrechtlichen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit ist die richtige Bestimmung der Funktion polizeirechtlicher Zurechnungsgründe. Unter Abkehr von dem bislang vertretenen „starken“ Verursachungsverständnis, welches in der Zurechnungsentscheidung schon eine Entscheidung über die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme des Störers „dem Grunde nach“ erblickt,672 sollte die Einordnung einer Person als Störer lediglich als das verstanden werden, was sie der gesetzlichen Systematik zufolge ist: Die Herausfilterung derjenigen Personen, deren Heranziehung die Polizeibehörden vorrangig und nicht nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands ins Auge zu fassen haben.673 Einzelfallabhängige Zumutbarkeitsfragen sind nach diesem Gegenentwurf eines „schwachen“ Verursachungsverständnisses allein Gegenstand der auf die jeweilige polizeiliche Maßnahme bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Während es bei der Einordnung einer Person als Störer auf die Erfüllung lediglich eines generell bestimmbaren „Mindestzurechnungszusammenhangs“ ankommt, ist die im Einzelfall feststellbare Stärke des Zurechnungszusammenhangs erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Bedeutung. Nur durch diese doppelte Berücksichtigung von Zurechnungsgründen können die zwei dogmatischen Funk668 669 670 671 672 673
Dazu oben E. Dazu oben E. I. Dazu oben E. II. Dazu oben E. III. Dazu oben D. IV. 2. Dazu oben D. IV. 3.
G. Überblick über die Neukonzeption und ihre Vorteile
161
tionen von Zurechnungsgründen – zum einen ihre Hauptfunktion, die in Hinblick auf den Gleichheitssatz relevante Differenzierungsfunktion, zum anderen ihre im Wesentlichen mit Blick auf die Freiheitsgrundrechte bedeutsame Zumutbarkeitsfunktion – voll zur Entfaltung gelangen.674 Zugleich ermöglicht erst diese Handhabung es, ein für die Störerbestimmung allgemeingültiges Kriterium herauszuarbeiten, das über die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter entscheidet. Die Zurechenbarkeit störenden Verhaltens Dritter hängt einerseits von dessen Verursachung durch den Veranlasser im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel, andererseits – zur Sicherung der Selbstverantwortlichkeit des Veranlassers – davon ab, ob die Möglichkeit des anknüpfenden störenden Verhaltens Dritter für den Veranlasser subjektiv vorhersehbar war. Zur Zurechnung künftigen Drittverhaltens ist allein erforderlich, dass die Möglichkeit der Veranlassung Dritter zu störendem Verhalten für den potentiellen Veranlasser subjektiv vorhersehbar ist.675 Der gegenwärtig gebräuchlichen strengeren Kriterien bedarf es nicht. Da der durch den Veranlasser verfolgte Zweck für die Zurechnung des Verhaltens Dritter demnach keine Rolle spielt, sollte die ohnehin unglückliche Bezeichnung „Zweckveranlassung“ aufgegeben und durch den treffenderen Begriff der „Gefährdungsveranlassung“ ersetzt werden.676 Die beschriebene Lösung bringt deutliche Vorteile mit sich: - Die Ausblendung einzelfallbezogener Zumutbarkeitserwägungen bei der Zurechnungsentscheidung stärkt deren dogmatischen Selbststand und befreit sie von ihrer unklaren, weil jeglicher Wertung zugänglichen Funktion als Korrekturwerkstatt der polizeilichen Generalklausel. - Die Kriterien der äquivalenten Kausalität und subjektiven Vorhersehbarkeit sind weitgehend aus den Polizeigesetzen und der Verfassung ableitbar und nicht, wie die bisher zur Anwendung gebrachten Zurechnungskriterien, das Ergebnis einer stets mit einem deutlichen Moment von Willkür behafteten rein wertenden Betrachtung. - Da die genannten Kriterien nach der hier vorgeschlagenen Konzeption keiner Relativierung oder Verschärfung im Einzelfall – insbesondere aus Gründen des Grundrechtsschutzes – zugänglich sind, gewährleisten sie Rechtssicherheit. Erwägungen, an die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter in besonders grundrechtssensiblen Bereichen, etwa im Anwendungsbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), strengere Zurechnungskriterien als üblich anzulegen, werden dadurch überflüssig. - Die genannten Kriterien sind, auch wegen ihrer Vertrautheit aus anderen Rechtsgebieten wie dem Zivilrecht, vergleichsweise leicht zu handhaben. 674
Dazu oben D. IV. 4. f). Dazu oben F. 676 Für den Austausch des Begriffs auch Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 497. Im Folgenden wird daher von „Gefährdungsveranlassung“ anstelle von „Zweckveranlassung“ gesprochen. 675
162
G. Überblick über die Neukonzeption und ihre Vorteile
- Der Verzicht auf Zumutbarkeitserwägungen auf Zurechnungsebene ermöglicht eine bessere Zuordnung der im Polizeirecht zum Ausgleich zu bringenden gegenläufigen Interessen. Sie erweitert die Möglichkeiten polizeilichen Vorgehens und erhöht die Effektivität der Gefahrenabwehr, ohne dabei die Rechte des potentiellen Adressaten außer Acht zu lassen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Da bei der Ermittlung des potentiellen Adressaten noch nicht feststeht, zu welchen konkreten Maßnahmen er verpflichtet werden soll, wird es gegenwärtig zur Voraussetzung der Zurechnung gemacht, dass das Unterlassen des ursächlichen – im Fall der Zweckveranlassung: veranlassenden – Verhaltens zumutbar ist. Wo dies nicht der Fall ist, soll die Einordnung der betreffenden Person als Störer ausscheiden, da sie sich „im Recht“ befinde. Dieses undifferenzierte Vorgehen hat zur Folge, dass auch eine Verpflichtung zu milderen Maßnahmen als einem Unterlassen nur unter den strengen Voraussetzungen des polizeilichen Notstands in Betracht kommt. Die polizeilichen Handlungsmöglichkeiten werden dadurch gerade im Anwendungsbereich der Gefährdungsveranlassung gravierend eingeschränkt. Denn in den Konstellationen, die der Gefährdungsveranlassung zugrunde liegen, ist eine (vollständige) Untersagung des veranlassenden Verhaltens nur selten mit den Grundrechten des Veranlassers in Einklang zu bringen, während die Auferlegung milderer (Schutz-)Maßnahmen oft unproblematisch verhältnismäßig ist. Der hier vorgeschlagene Ansatz führt mithin zu einem präziseren Ausgleich zwischen dem Interesse an effektiver Gefahrenabwehr und den Rechten des Einzelnen und so zu einer Steigerung der Flexibilität polizeilichen Handelns. - Der gegenwärtige dogmatische Umgang mit der Gefährdungsveranlassung führt häufig sogar zu der Schlussfolgerung, diese sei schlichtweg verfassungswidrig: So wird behauptet, das Interesse daran, das veranlassende Tun nicht unterlassen zu müssen, sei stets höher zu bewerten als das an der Gefahrenabwehr. Der hier eingeschlagene Weg, Zumutbarkeitserwägungen erst nach der Zurechnungsentscheidung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung und dort in Bezug auf eine konkrete polizeiliche Maßnahme vorzunehmen, lässt diese verfassungsrechtlichen Bedenken ins Leere laufen. - Die hier vertretene Schwächung des herrschenden Störerverständnisses, die die Etablierung eines weiter als üblich gefassten Zurechnungskriteriums ermöglicht, bewirkt, dass der Rechtsanwender die Gesichtspunkte, die bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit der polizeilichen Inanspruchnahme eine Rolle spielen, viel weitgehender offenlegen muss als bisher. Konnte er die maßgeblichen Erwägungen bisher hinter der Anwendung unklarer Kriterien wie „Unmittelbarkeit“, „Gefahrenschwelle“ oder gar dem „objektiven Bezwecken“ einer Folge verbergen, wird er durch die ausschließliche Zuweisung von Zumutbarkeitserwägungen zur weitaus strukturierteren Verhältnismäßigkeitsprüfung gezwungen, seine Erwägungen zu artikulieren und einander gegenüberzustellen. Rationalität und Vorhersehbarkeit der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns werden dadurch gestärkt.
G. Überblick über die Neukonzeption und ihre Vorteile
163
Das hier zugrunde gelegte Verständnis des polizeirechtlichen Störerbegriffs weist zudem einen Weg zur Lösung auch von außerhalb der Gefährdungsveranlassung bestehenden Zurechnungsproblemen. So spricht die Schwächung des Störerbegriffs dafür, die Zurechnung von nicht drittvermittelten Gefahren gemäß dem Wortlaut der Polizeigesetze schlicht von deren äquivalenten Verursachung unter Anwendung der Conditio-sine-qua-non-Formel abhängig zu machen – die herrschende, aber mittlerweile völlig konturenlose Unmittelbarkeitstheorie wäre zu verabschieden. Zu erwägen ist ferner die Übertragung des hier für die Gefährdungsveranlassung als richtig befundenen Zurechnungsgrundes auf andere Gebiete der Zurechnung des Verhaltens Dritter im öffentlichen Recht. Zu denken ist insoweit an andere Fälle der Begründung gemeinwohlbezogener Handlungs- und Finanzierungspflichten, an mittelbare Grundrechtseingriffe und an das Staatshaftungsrecht.677
677
Dazu unten I.
H. Die Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen Im Folgenden sollen die Konsequenzen der hier vertretenen Konzeption für den Umgang mit den eingangs geschilderten aktuellen Fallgestaltungen untersucht werden. In diesem Rahmen werden auch die Maßstäbe, die für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Inanspruchnahme eines Gefährdungsveranlassers gelten, näher herausgearbeitet.
I. Großveranstaltungen Zunächst ist dazu die Handhabung der Gefährdungsveranlassung im Zusammenhang mit der privaten Veranstaltung von Großereignissen zu beleuchten, wobei ein Schwerpunkt auf die nach wie vor aktuelle Problematik der Heranziehung des Veranstalters von Fußballbundesligaspielen zur Gefahrenabwehr und deren Kosten gelegt wird.678
1. Zurechnung Über die Zurechenbarkeit von Störungen Dritter zu dem Veranstalter privater Großereignisse kann nach der hier zugrundegelegten Konzeption entschieden werden, ohne dass den Grundrechten, die der Veranstalter seiner Inanspruchnahme unter Umständen entgegenhalten kann (bei kommerziellen Veranstaltungen etwa Art. 12 und 14 GG), Beachtung geschenkt werden müsste. Maßgeblich ist allein, ob dieser vorhersehen konnte, dass seine Veranstaltung störendes Verhalten Dritter oder die Gefahr eines solchen zu Folge haben konnte. Im Gegensatz zu den bislang zur Gefährdungsveranlassung vertretenen Maßstäben führt diese Herangehensweise in aller Regel zu klaren Ergebnissen. Das lässt sich am Beispiel der Fußballbundesligaspiele zeigen: Dass ein Fußballspiel störendes Verhalten Dritter – seien dies normale oder gewaltbereite Fans – hervorrufen kann, ist für den Verein nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zumindest in den höheren Ligen so gut wie stets vorhersehbar.679 Ob die herrschende „objektive Theorie“ mit ihren Kriterien der 678
Siehe einleitend oben B. II. 1. Siehe auch BGH, NJW 2010, 534 (536), zur Zulässigkeit von Stadionverboten auf Grundlage des Hausrechts der Veranstalter: „[Sportliche] Großveranstaltungen, insbesondere […] Fußballgroßereignisse […] werden häufig zum Anlass für Ausschreitungen genommen. Angesichts der Vielzahl der Besucher und der häufig emotional aufgeheizten Stimmung 679
I. Großveranstaltungen
165
„zwingenden“ oder „typischen Folge“ erfüllt ist, wird hingegen nicht einheitlich beantwortet.680 Hier zeigt sich, weshalb „Vorhersehbarkeit“ gegenüber den geläufigen Kriterien zu klareren Ergebnissen führt: Anders als etwa das Kriterium der „typischen Folge“ verlangt Vorhersehbarkeit nicht zusätzlich zur Erkennbarkeit der Folge, dass ein qualifizierter – mangels Ausformung des Begriffs des „Typischen“ aber weitgehend unbestimmter – Grad an Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts besteht.681 Bei der Entscheidung über die Zurechenbarkeit kann, ohne dass es hierzu von Seiten der Polizei weiterer Untersuchungen bedürfte, davon ausgegangen werden, dass die Organe eines Fußballclubs auch subjektiv über die Fähigkeit verfügen, Gefahren vorherzusehen. Dass es für die Zurechenbarkeit nicht auf die objektive Vorhersehbarkeit störenden Verhaltens Dritter, sondern auf die subjektive Fähigkeit hierzu ankommt, bereitet im Zusammenhang mit Großveranstaltungen mithin keine Probleme. Die Zurechenbarkeit erstreckt sich nicht nur auf Störungen, die im Stadion oder dessen unmittelbarer Nähe erfolgen, sondern, solange sie als Folge der Veranstaltung vorhersehbar sind, auch auf solche, die in weiterer Entfernung stattfinden. Soweit sie öfter auftreten, können daher beispielsweise auch Störungen zurechenbar sein, die dadurch entstehen, dass Fans bei ihrer An- und Abreise in Zügen der Bahn randalieren.682 Störungen Dritter können einem Veranstalter mithin deutlich umfassender zuzurechnen sein als dies bislang angenommen wird. Die Sachgerechtigkeit einer solch weitreichenden Zurechnung wird im Zusammenhang mit der Ausrichtung von Fußballspielen dadurch bestätigt, dass auch die im DFB zusammengeschlossenen Fußballvereine selbst eine eigene Verantwortlichkeit für die von Fans ausgehenden Störungen inner- und außerhalb von Stadien annehmen.683 zwischen rivalisierenden Gruppen ist daher die Bemühung der Vereine sachgerecht, neben Sicherungsmaßnahmen während des Spiels etwa durch Ordnungskräfte und bauliche sowie organisatorische Vorkehrungen auch im Vorfeld tätig zu werden und potenziellen Störern bereits den Zutritt zu dem Stadion zu versagen.“ 680 Zu den auseinandergehenden Auffassungen s. oben Fn. 646. 681 Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass sich auch bei Anwendung des Vorhersehbarkeitskriteriums Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben. Siehe zu den Leitlinien, anhand derer dann eine Entscheidung über die Zurechenbarkeit zu treffen ist, oben F. IV. 3. a). 682 Zu den hohen Kosten, die der Deutschen Bahn hierdurch entstehen, s. Fn. 45. 683 So sieht etwa § 32 Nr. 1 d) der vom DFB herausgegebenen „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ (abrufbar unter http://www.dfb.de/uploads/media/Richt linien_zur_Verbesserung_der_Sicherheit_bei_Bundesspielen_Stand_15. 02. 2013.pdf [abgerufen am 19. Januar 2014]) vor, dass bei Spielen mit erhöhtem Risiko eine „Begleitung der Gästefans durch Ordner des Gastvereins“ zu erwägen ist; dazu auch Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (84). Siehe ferner die Richtlinien des DFB „zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ (abrufbar unter: http://www.dfb.de/uploads/media/Richtlinien_zur_einheitlichen_Be handlung_von_Stadionverboten_-_ab_01. 01. 2014.pdf [abgerufen am 19. Januar 2014]), nach welchen Stadionverbote „wegen sicherheitsbeeinträchtigenden Auftretens im Zusammenhang mit dem Fußballsport, insbesondere anlässlich einer Fußballveranstaltung, innerhalb oder außerhalb einer Platz- oder Hallenanlage vor, während oder nach der Fußballveranstaltung“ angeordnet werden können (§ 1 Abs. 1), um „die Sicherheit anlässlich von Fußballveranstal-
166
H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
2. Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen auf der Primärebene Anspruchsvoller als die Entscheidung über die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter ist die Bestimmung der polizeilichen Maßnahmen, die verhältnismäßigerweise gegenüber dem Veranstalter ergriffen werden können. Entscheidende Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme des Gefährdungsveranlassers hat die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit). Auf den vorgelagerten Prüfungsstufen ergeben sich keine Schwierigkeiten: Die Inanspruchnahme des Veranlassers ist in aller Regel geeignet, die Gefahr abzuwehren. Sie ist auch oft wirksamer als die Heranziehung der Vorderleute und daher erforderlich.684 Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist zu untersuchen, ob „die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkung für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen“685. Das Interesse des Veranlassers daran, nicht in Anspruch genommen zu werden, ist mithin zu dem öffentlichen Interesse daran, die Gefahr durch gegen ihn gerichtete Maßnahmen abzuwehren, ins Verhältnis zu setzen. Die Angemessenheit der Inanspruchnahme des Gefährdungsveranlassers kann daher nicht, wie dies gelegentlich geschieht, mit dem Argument abgelehnt werden, sein Verhalten sei stets schützenswerter als das des sich eigenverantwortlich zur Störung entschließenden Dritten.686 Die Rechtsposition des Dritten ist nicht der richtige Bezugspunkt. Ob der Dritte vorrangig in Anspruch zu nehmen ist, spielt nur im Rahmen der Erforderlichkeit der Heranziehung des Gefährdungsveranlassers eine Rolle. Der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit darf auch nicht zugrundegelegt werden, dass die Gefahrenabwehrorgane stets nur die Möglichkeit hätten, das veranlassende
tungen zu gewährleisten“ (§ 1 Abs. 2); zu bundesweiten Stadionverboten s. auch BGH, NJW 2010, 534 ff. Die Sicherheitsvorgaben des DFB mögen vorwiegend dem Zweck dienen, zivilrechtliche Pflichten der Vereine, insbesondere solche zur Verkehrssicherung (s. dazu etwa OLG Frankfurt, MDR 2011, 725 f. – Einlasskontrollen), zu erfüllen. Die beschriebenen Maßnahmen außerhalb des Stadiongeländes sind zivilrechtlich aber nicht geboten. 684 So auch Widder, S. 97, 102, 106, 108, 111. Nach teilweise vertretener Ansicht kann die Erforderlichkeit entfallen, wenn sich die Inanspruchnahme eines Dritten als gleich wirksames milderes Mittel darstellt, s. dazu bei und in Fn. 299. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Auseinandersetzung um die Behauptung, die Polizei habe im Rahmen ihres Auswahlermessens den Verhaltensstörer vor dem Zustandsstörer heranzuziehen. Sie wird verbreitet mit dem Argument abgelehnt, es komme – als Ausfluss des Übermaßverbots – maßgeblich darauf an, wer die Gefahr am wirksamsten beseitigen kann (Schoch, POR, Rn. 227 ff., insbes. Rn. 230 m. w. N.). 685 BVerfGE 90, 145 (185). 686 So aber Widder, S. 97 f.
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Verhalten vollständig zu untersagen.687 Tut man dies, so gelangt man in der Tat in den meisten Fällen zu dem Ergebnis, die Inanspruchnahme des Gefährdungsveranlassers sei unverhältnismäßig. Sein – und unter Umständen auch das öffentliche688 – Interesse an der Vornahme der veranlassenden Handlung ist in der Regel so groß, dass es nicht gerechtfertigt ist, ihm diese Betätigung komplett unmöglich zu machen. Die Veranstaltung von Großereignissen wie Fußballbundesligaspielen bildet hierfür ein gutes Beispiel. Bei „normaler“ Gefahrenlage würde ein Verbot der Großveranstaltung den Veranstalter in seiner Berufs- (Art. 12 GG) und Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) verletzen.689 Eine vollständige Untersagung des veranlassenden Verhaltens wird daher – obwohl der Veranstalter Störer ist – meist nur in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt sind. Die wesentliche Bedeutung der Gefährdungsveranlassung ist aber ohnehin dort zu sehen, wo es nicht um die komplette Untersagung des veranlassenden Verhaltens geht, sondern um mildere Maßnahmen. Deren Erlass ist oft verhältnismäßig. So wird es – vorausgesetzt, dass es sich dabei um geeignete Maßnahmen handelt – regelmäßig verhältnismäßig sein, dem Veranstalter von Bundesligaspielen Auflagen zum Schutz vor den von ihm veranlassten gewaltsamen Ausschreitungen zu machen, die etwa auf das Aufstellen von Absperrungen zur Trennung rivalisierender Fangruppen, strengere Einlasskontrollen, den effektiven Einsatz eines Ordnungsdienstes, das Verbot der Abgabe von Gästekarten690 oder von Stehplätzen gerichtet sein könnten.691 Die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands müssen dazu nicht erfüllt sein. 687
Anderenfalls würde die oben (s. insbesondere D. IV. 4. b) und D. IV. 4. e)) abgelehnte Ausprägung des „starken“ Verursachungsverständnisses, wonach es für die Einordnung einer Person als Störer darauf ankommen soll, dass ihr das Unterlassen des gefahrverursachenden Verhaltens zumutbar ist, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung fortleben. 688 Siehe zum Allgemeininteresse an Großveranstaltungen etwa Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (461); Hollands, S. 172. 689 Vgl. W.-R. Schenke, POR, Rn. 246. 690 Siehe hierzu VG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2012 – 15 E 756/12 –, juris, und nachgehend OVG Hamburg, NJW 2012, 1975 ff. 691 So auch Tettinger/Erbguth/Mann, Rn. 499, die solche Auflagen im Rahmen des Zumutbaren für möglich halten, im Widerspruch dazu aber meinen, eine Heranziehung des Veranstalters als Störer ließe dessen Grundrechtsschutz „völlig außer Betracht“; ferner Götz, NVwZ 1984, 211 (214 f.), der allerdings nicht von Zweckveranlassung spricht, sondern davon, dass Gefahren durch das Publikum „wahrlich ,unmittelbar‘ mit der Veranstaltung verbunden“ seien. Siehe auch die Aufstellung der möglichen Sicherungsmaßnahmen durch den Veranstalter bei Markert/Schmidbauer, in: Schild, Sportgroßveranstaltungen, S. 54 ff. Zum Teil sind die genannten Maßnahmen auf Grundlage nicht der polizeilichen Generalklausel, sondern – etwa wenn es um die Sicherheit von Versammlungsstätten geht – des Bauordnungsrechts (etwa §§ 3 Abs. 1, 47 Abs. 1 S. 2 LBO BW) oder anderer spezieller Normen zu treffen. In Betracht kommt insbesondere (beispielsweise für das Verbot von Stehplätzen) eine Regelung in den Versammlungsstättenverordnungen der Länder. Für die Verantwortlichkeit des Großveranstalters als Zweckveranlasser für die Folgen der Veranstaltung allgemein VG Gießen, GewArch 2008, 459 (459 f.); zu der an den Veranstalter eines Starkbierfestes als Zweckveranlasser gerichteten Auflage Ordner einzusetzen s. VG München, Urteil vom 2. Februar 2004 – M 22 K 02.4069 –, juris, Rn. 51 ff.
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Als Faustregel für die Angemessenheit von Maßnahmen gegen den Gefährdungsveranlasser kann daher gelten, dass dessen Betätigung durch seine gefahrenabwehrrechtliche Inanspruchnahme nicht generell unmöglich gemacht werden darf, wohl aber die Modalitäten692 seines Verhaltens beschränkt werden dürfen. Bestätigt wird dies durch eine Betrachtung der klassischen Fälle zur Gefährdungsveranlassung, die in aller Regel nicht die grundsätzliche Untersagung einer grundrechtlich geschützten Betätigung betrafen. Vielmehr ging es bei den dort in Streit stehenden Maßnahmen um die Art und Weise der Ausübung eines Verhaltens: So wurde in den Schaufensterfällen693 nicht die Präsentation eines geschmückten Schaufensters, sondern nur eine besonders aufreizende Schaufenstergestaltung untersagt. Im Borkumliedfall694 stand nicht die Untersagung des Musizierens an sich in Frage, sondern das Verbot des Spielens einer bestimmten Melodie, das andere zum Singen strafbarer Texte veranlasste. Diese Maßnahmen waren verhältnismäßig. Es dürfte auch verhältnismäßig sein, der bekannten Schauspielerin aufzugeben, die Route oder den Zeitpunkt ihres Spaziergangs zu ändern, wenn sie anderenfalls Dritte zu Störungen veranlasst; das Spazierengehen an sich darf ihr hingegen außerhalb der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands nicht verboten werden.695 Betont werden muss allerdings, dass dies nicht mehr als eine Faustregel sein kann. Das schon deshalb, weil die Abgrenzung zwischen Maßnahmen, die die Modalitäten eines Verhaltens betreffen und solchen, die ein Verhalten als solches verbieten, in bestimmten Fällen nur unter Schwierigkeiten zu treffen sein kann. Ein Beispiel hierfür bildet das Versammlungsrecht, wo schon der zeitlichen Verlegung einer Versammlung die Wirkung eines Versammlungsverbots zukommen kann.696 Zudem ist es nicht auszuschließen, dass unter Umständen – je nach Grad des drohenden Schadens an polizeilichen Schutzgütern und Stärke des festzustellenden Zurechnungszusammenhangs – auch das vollständige Verbot des gefahrveranlassenden Verhaltens zulässig ist. Dies ist auch im Bundesligafußball denkbar: Setzt sich der gegenwärtig offenbar zu beobachtende Trend zur immer weiter ausgreifenden Randale bei Bundesligaspielen fort697, kommt auch die polizeiliche Absage eines 692 Darauf, dass es nur um die „Modalitäten der Ausrichtung eines Fußballspiels“ geht, stellt auch das VG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2012 – 15 E 756/12 –, juris, bei seiner Folgenabwägung bezüglich des Verbots der Abgabe von Gästekarten ab. 693 PrOVGE 40, 216; 85, 270. 694 PrOVGE 80, 176. 695 Ähnlich Muckel, DÖV 1998, 18 (24). 696 Vgl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1253; A. Roth, VBlBW 2003, 41 (45); Dietel/ Gintzel/Kniesel, VersG, § 15 Rn. 50 m. w. N. Zu gegen Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG gerichteten Maßnahmen s. näher unten H. III. 697 Der Vorsitzende Richter des DFB-Sportgerichts Lorenz äußerte bei der Begründung des – später im „Strafmaß“ revidierten – Urteils gegen Dynamo Dresden, in dem der Verein wegen Fan-Ausschreitungen von der Teilnahme am DFB-Pokal 2012/13 ausgeschlossen wurde: „Tote gab es in unseren Stadien nach Fanausschreitungen noch keine. Wenn es aber so weitergeht, ist es eine Frage der Zeit, wann wir den ersten Toten zu beklagen haben.“, Horeni, Zeichen der Hilflosigkeit, in: FAZ vom 26. November 2011, S. 27. Die Bewertung des Ausmaßes der von
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Spiels in Betracht, ohne dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt sein müssten. Die polizeiliche Generalklausel bildet ebenso wie ihr entsprechende spezialgesetzliche, aber nicht besonders auf die Gefährdungsveranlassung abstellende Ermächtigungsnormen698 entgegen anderslautenden Stimmen699 eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die genannten Maßnahmen gegenüber dem Gefährdungsveranlasser. Bereits oben700 wurde gezeigt, dass auch die drittvermittelte Gefahrverursachung unproblematisch unter die allgemeinen Vorschriften zur Störerbestimmung subsumierbar ist. Bei Anwendung der hier vertretenen einfachen Zurechnungskonzeption sind zudem keine mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz unvereinbaren besonderen Unsicherheiten über die Eigenschaft einer Person als Gefährdungsveranlasserin zu erwarten.701 Eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage speziell für die Gefährdungsveranlassung, die angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Konstellationen und Maßnahmen ohnehin keinen besonderen Gewinn an Bestimmtheit bieten würde, ist daher nicht erforderlich.702
3. Möglichkeiten der Heranziehung des Veranstalters zum Kostenersatz Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, ob und inwieweit ein Großveranstalter zum Ausgleich der durch einen Polizeieinsatz entstandenen Kosten herFußballbegegnungen ausgehenden Gefahren ist allerdings umstritten, s. dazu etwa die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE vom 8. November 2012, BT-Drs. 17/ 11442, und die Antwort der Bundesregierung vom 11. Dezember 2012, BT-Drs. 17/11806. 698 Vgl. Fn. 691. 699 Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (579), und zu Großveranstaltungen Schoch, JuS 1994, 932 (934). 700 D. II. 701 Solche Unsicherheiten sehen bei der bisherigen Handhabung der Zweckveranlassung Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577 (579). Zur Handhabbarkeit der hier vorgeschlagenen Zurechnungskriterien s. F. IV. 3. 702 Für die Erforderlichkeit einer besonderen gesetzlichen Grundlage kann insbesondere auch nicht die Rechtsprechung des BVerwG über die Pflicht zur Eigensicherung gefährdeter Anlagen angeführt werden (so aber Schoch, JuS 1994, 932 [934]). Die Eigensicherungsproblematik betrifft im Kern die Frage, ob die Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers einer gefährdeten Anlage über die Gefährdungsveranlassungskonstruktion auch die Gefahr von Angriffen Dritter erfasst. Dies hat das BVerwG, NVwZ 1986, 1626 (1627), – fälschlicherweise, s. E. III. und H. V. – verneint und ist daher zu dem Schluss gelangt, die Befugnisgeneralklausel biete für die Auferlegung von Eigensicherungspflichten mangels „Störereigenschaft“ des Inhabers der betroffenen Anlage keine Handhabe. Dass die Gefährdungsveranlassung – auch die durch den Veranstalter von Großereignissen – unter die Vorschriften über die Verhaltensverantwortlichkeit subsumiert werden kann, wurde hingegen schon oben dargelegt (D. II.). Vgl. auch Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (83). Zum Erfordernis einer spezialgesetzlichen Grundlage für die Auferlegung von Eigensicherungspflichten s. H. V. 2. a).
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angezogen werden kann. Im Bereich kommerzieller Großveranstaltungen erscheint es kaum haltbar, dass die Veranstalter, die beträchtliche – im Fall des Fußballs: regelmäßig aus öffentlich-rechtlichen Fernsehgeldern stammende – Gewinne erzielen, zusätzlich dadurch „subventioniert“ werden sollen, dass der Staat kostenlos zur Abwehr der durch die Veranstaltung verursachten Gefahren tätig wird. Die zunehmenden Sicherheitsprobleme gerade im Bereich des Fußballs und der damit einhergehende steigende Aufwand der Polizei führen daher vermehrt zu der politischen Forderung, die Fußballvereine an den Kosten zu beteiligen.703 Ob und in welchem Umfang dies rechtlich möglich ist, ist aber nicht gesichert. a) Kostenverteilung nach den Polizeigesetzen Die in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden polizeirechtlichen Zurechnungsfragen vermögen einen großen Teil zu der Lösung der Kostenproblematik beizutragen. Die auf der hier verfolgten Konzeption beruhende Einordnung des Veranstalters als Gefährdungsveranlasser bewirkt in aller Regel, dass auch die Kosten der Maßnahmen zur Abwehr von Störungen Dritter bei ihm verbleiben, zu denen er in verhältnismäßiger Weise auf Primärebene verpflichtet wird.704 Verweigert der Veranstalter die Durchführung der ihm aufgegebenen Maßnahmen und wird die Polizei an seiner Stelle tätig, so kann sie die Kosten der Ersatzvornahme ihm gegenüber geltend machen.705 Diese Lösung betrifft allerdings nur einen Ausschnitt der Kostenproblematik. Denn sie kommt – ebenso wie die Kostenerstattung in den Fällen unmittelbarer Ausführung (§ 8 Abs. 2 PolG BW, § 5a Abs. 2 MEPolG) und des Sofortvollzugs (§ 28 Abs. 2 MEPolG) – nur in Betracht, wo es um Maßnahmen geht, die dem Veranstalter auch tatsächlich aufgegeben werden dürfen, das heißt insbesondere: die er selbst vornehmen kann.706 Da ihm keine mit den Möglichkeiten der Gefahrenabwehrbehörden vergleichbaren Eingriffsbefugnisse gegenüber Dritten 703
Siehe Fn. 51. Zur ausnahmsweisen Notwendigkeit, auch einem Störer Entschädigung zu gewähren, und dazu, dass diese sich im Fall der Gefährdungsveranlassung durch Veranstalter von Fußballbundesligaspielen nur höchst selten ergeben wird s. D. IV. 4. g). Entgegen OVG Hamburg, NJW 2012, 1975 (1979), ist beispielsweise ein Entschädigungsanspruch des Fußballvereins, dem zur Vermeidung von Ausschreitungen ein Verbot der Abgabe von Karten an Gästefans auferlegt wird, abzulehnen. 705 Zwischen Veranstalter und „unmittelbaren“ Störern besteht nach verbreiteter Auffassung ein Gesamtschuldverhältnis (Pieroth/Schlink/Kniesel, § 25 Rn. 18 m. w. N., ablehnend allerdings die ältere Rechtsprechung, BGH NJW 1981, 2457 [2458]). Die Polizei kann ihre Kosten, was „technisch“ auch der einzig gangbare Weg sein dürfte, daher vollständig gegenüber dem Veranstalter geltend machen. Für den Gesamtschuldnerausgleich in analoger Anwendung der §§ 426, 254 BGB, bei dem die Lasten nach dem Ausmaß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu verteilen sind (W.-R. Schenke, POR, Rn. 289) – wobei die Verantwortlichkeit des Veranlassers grundsätzlich geringer einzuschätzen ist als die des „unmittelbaren“ Störers (s. D. III. bei Fn. 194, und zur Relevanz der „Stärke“ von Zurechnungszusammenhängen ferner D. IV. 4. f) dd) (1)) – ist die Polizei nicht zuständig. 706 Braun, Finanzierung, S. 162. 704
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zustehen, ist dies nicht bei allen denkbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr der Fall. Die Bandbreite der Mittel, die dem Veranstalter zur Verfügung stehen, ist allerdings nicht zu unterschätzen: So ist er ohne Weiteres etwa zu einem verstärkten Einsatz von Ordnern und privaten Sicherheitsdiensten707, einer Intensivierung von Einlasskontrollen und baulichen, der Sicherheit zuträglichen Veränderungen in der Lage. Kann der Veranstalter die Sicherheit mit den ihm zustehenden Befugnissen nicht gewährleisten – was überall dort der Fall ist, wo eine effektive Gefahrenabwehr den Gebrauch von Hoheitsbefugnissen erfordert, etwa bei der Trennung schwer gewalttätiger Gruppen, insbesondere im Vor- und Nachgang eines Spiels und außerhalb des Stadions oder auch schlicht bei der Regelung des Straßenverkehrs –, helfen die Kostenerstattungsregeln des Polizeirechts nicht weiter.708 b) Gebührenrecht Für diese Fälle ist, wenn keine speziellen polizeirechtlichen Regelungen709 vorhanden sind, eine Lösung über das allgemeine Gebührenrecht am naheliegendsten.710 Die Gebührenerhebung für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr wird in jüngerer Zeit allerdings besonders kritisch gesehen.711 Seine Ursache findet das in der allgemein beobachteten Ausweitung der Finanzierung der Staatstätigkeit aus Gebühren, welche als Bedrohung des sich aus dem verfassungsrechtlich verankerten Steuerstaatsprinzip ergebenden Vorrangs der Steuerfinanzierung staatlicher Aufgabenerfüllung empfunden wird.712 Forderungen, die Möglichkeiten zur Gebührenerhebung stärker als bisher zu begrenzen, finden daher immer größeren Zu-
707 Insoweit stellt sich allerdings ab einem gewissen Punkt die Frage nach der Vereinbarkeit der Übernahme von Sicherheitsaufgaben durch Private mit dem staatlichen Gewaltmonopol (dazu Krölls, NVwZ 1999, 233 [234 f.]; F. Huber, S. 127 ff.) und der Wünschbarkeit einer solchen Verlagerung der Aufgabenerfüllung. 708 Götz, DVBl. 1984, 14 (17). 709 Derzeit existieren derartige Regelungen nicht. § 81 Abs. 2 PolG BW, der vorsah, dass vom Veranstalter Ersatz für die Kosten verlangt werden kann, die bei privaten Veranstaltungen dadurch entstehen, dass weitere als im üblichen örtlichen Dienst eingesetzte Polizeibeamte herangezogen werden müssen, wurde 1991 außer Kraft gesetzt (s. dazu im Einzelnen Wahlen, S. 28 ff. m. w. N.; Gädeke, S. 161 ff.). Zu den bestehenden gebührenrechtlichen Regelungen s. unten Fn. 753. 710 Ob auch die unter a) behandelten Polizeikostentatbestände sich unter den Begriff der „Gebühr“ fassen lassen, ist umstritten, s. dazu Braun, Finanzierung, S. 135 ff. 711 Siehe insbesondere Habermann, passim. 712 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (273 ff.); Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 16 ff.; vgl. auch P. Kirchhof, in: HStR V, § 119 Rn. 1 ff. Hingegen kann Braun, Finanzierung, S. 79 ff., 127, eine Entwicklung vom „Steuerstaat zum Gebührenstaat“ nicht erkennen. Nach Sacksofsky, passim, insbes. S. 189 ff., entbehrt die These, der Staat sei aus dem Steuerstaatsprinzip dazu verpflichtet, sich primär durch Steuern zu finanzieren, der normativen Grundlage im Grundgesetz.
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spruch.713 Da aus dem Steuerstaatsprinzip allerdings keine konkreten Folgerungen für die Zulässigkeit einzelner Gebühren gezogen werden können714 und auch der als unkonturiert empfundene Gebührenbegriff nicht für geeignet gehalten wird, der Schaffung neuer Gebührentatbestände wirksam Grenzen zu setzen715, rekurrieren einige Ansätze zur Grenzziehung auf Gedanken der Staatsaufgabenlehre. Die staatliche Aufgabe „Gefahrenabwehr“ steht dabei besonders im Blickfeld: Als staatliche „Kernaufgabe“ soll sie gebührenfeindlich sein.716 Zum Teil wird die Gebührenfeindlichkeit zusätzlich damit begründet, dass der Staat Aufgaben der Gefahrenabwehr nicht nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen, sondern die Gesamtheit der auf seinem Hoheitsgebiet lebenden Menschen erfülle – sie sei, im materiellen Sinn verstanden, „allgemeine Staatsaufgabe“.717 Kritikwürdig hieran ist nicht der Gedanke, die Zulässigkeit der Gebührenerhebung von der „Wichtigkeit“ der staatlichen Aufgabenerfüllung und davon abhängig zu machen, ob diese der Allgemeinheit oder Einzelnen dient. Kritik muss aber der Rückgriff auf die Begrifflichkeiten der Staatsaufgabenlehre hervorrufen. Die genannten Aufgabenbegriffe sind allenfalls lose mit dem Steuerstaatsprinzip verbunden.718 Zudem gelangt über den unkonturierten Begriff der „Aufgabe“ eine gehörige Unschärfe in die Diskussion, die konkrete Schlussfolgerungen kaum zulässt. Denn unabhängig davon, welche Voraussetzungen überhaupt erfüllt sein müssen, um eine Aufgabe zum „Kern“ der Staatstätigkeit zählen719 oder ihre „Allgemeinheit“ fest713 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (274 f.); Wild, DVBl. 2005, 733 (739 f.); Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 18; a. A. Braun, Finanzierung, S. 83 ff.; Sacksofsky, in: Sacksofsky/ Wieland, S. 188 (188 ff., 203 f.). 714 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (274); Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 19. 715 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (277); ausführlich, auch zur mangelnden Wirksamkeit anderer Grenzen der Gebührenerhebung, Habermann, S. 305 ff. 716 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (277 f.); Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 23; tendenziell auch P. Kirchhof, in: HStR V, § 119 Rn. 5, 52. 717 Zur notwendigen Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aus Steuermitteln Habermann, S. 250 ff., 261; zum Begriff der „allgemeinen Staatsaufgabe“ a.a.O., S. 260, 348; zum Charakter der Gefahrenabwehr als allgemeine Staatsaufgabe a.a.O., S. 268. 718 Die Verbindung wird darauf gestützt, dass das BVerfG in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass Steuern zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben dienen (BVerfGE 84, 239 [269]; 91, 186 [201]), wobei es unter allgemeinen Staatsaufgaben wohl solche versteht, die „vor oder bei der Abgabenerhebung noch nicht bestimmt oder bestimmbar sind“ (Habermann, S. 260, s. dort auch S. 252 f.). Mit den hier in Rede stehenden, weiter materiell angereicherten Aufgabenbegriffen hat dies aber nichts zu tun. Die mangelnde verfassungsrechtliche Verbindlichkeit der genannten Aufgabenbegriffe für die Aufgabenfinanzierung zeigt sich auch daran, dass Gramm, Der Staat 36 (1997), S. 267 (277 mit Fn. 47), im Kernbereich der Staatstätigkeit nur die Schaffung neuer Gebührentatbestände verbieten will, um so beispielsweise die Erhebung von Gerichtsgebühren weiterhin zu ermöglichen; so wohl auch Habermann, S. 348, 10. These. 719 Zur mangelnden Ausdifferenzierung des Begriffs s. Braun, Finanzierung, S. 147 ff. Die Schwierigkeiten erkennnt auch Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (278). Während es nach Gramm, ebd., darauf ankommen soll, ob es sich um eine „zentrale Staatsaufgabe“ handelt, was sich im Polizeirecht nach Grad und Vorhersehbarkeit eines drohenden Schadens richten soll,
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stellen zu können720, hängt die Bezeichnung einer Aufgabe als Kernaufgabe oder allgemeine Staatsaufgabe maßgeblich davon ab, wie weit man den einzuordnenden Bereich staatlichen Handelns fasst: „Die Gefahrenabwehr“ als solche mag Kernaufgabe und bei pauschaler Betrachtung auch eher zum Nutzen der Allgemeinheit als des Einzelnen sein.721 Denkbar ist es aber auch, einzelne Teilbereiche der Gefahrenabwehr auf ihre Zugehörigkeit zum Kernbereich der Staatstätigkeit und ihren Bezug zur Allgemeinheit zu untersuchen.722 Gerade bei der hier in Rede stehenden Sicherung von Großveranstaltungen liegt es nahe, dass man dadurch zu ganz anderen Ergebnissen als bei einer pauschalen Betrachtung gelangen würde.723 Der Rückgriff auf Begriffe der Staatsaufgabenlehre ist aber nicht nur unpräzise, sondern auch deshalb verzichtbar, weil die Möglichkeiten zur Gebührenerhebung auch dadurch wirksam begrenzt werden können, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben, an die die Gebührenerhebung geknüpft ist – insbesondere die Voraussetzung der „individuellen Zurechenbarkeit“ der betreffenden Amtshandlung und die beschränkende Wirkung, die den Grundrechten bei Schaffung und Anwendung von Gebührentatbeständen zukommt – ernster genommen werden als bisher. Die Rechtsprechung verweigert dies bislang, indem sie Gebührentatbestände nur sehr grob und unter Anerkennung eines „weiten Gestaltungsspielraums“ des Gebührengesetzgebers überprüft.724 Dies bedarf der Korrektur. Denn in der Tat sind die Voraussetzungen der Gebührenerhebung derzeit so gering, dass einer exzessiven
spricht sich ders., in: Sacksofsky/Wieland, S. 179 (185), gegen die Gebührenpflichtigkeit aller „Polizeileistungen, die mit der Ausübung von polizeilichen Hoheitsbefugnissen verbunden sind“, aus. Habermann, S. 265 f., begründet die Einordnung der Gefahrenabwehr als Kernaufgabe hingegen mit den grundrechtlichen Schutzpflichten und der zentralen Bedeutung der Grundrechte – nach den Ausführungen auf S. 349, These 10, soll es dagegen darauf ankommen, „ob der Staat bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr von seinem Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit Gebrauch macht“. 720 Viel spricht dafür, dass die Gebührenerhebung bei Anlegung des Kriteriums der Aufgabenerfüllung nur im Interesse einer bestimmten Bevölkerungsgruppe angesichts der staatlichen Gemeinwohlbindung (mit der auch Habermann, S. 250 f., argumentiert) praktisch bei allen Staatsaufgaben unzulässig sein müsste (Britz, JuS 1997, 404 [405]; Sacksofsky, S. 73 ff.). Die Abgrenzungsschwierigkeiten zeigen sich auch an dem wenig überzeugenden Beispiel, das Habermann, S. 268, für eine nicht „allgemeine“ Staatsaufgabe nennt: den staatlichen Betrieb kultureller Einrichtungen. Dieser diene im Unterschied zur Gefahrenabwehr nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, nämlich den Kulturinteressierten. Erkennt man dies an, müsste auch das Argument zulässig sein, staatliche Gefahrenabwehr sei keine allgemeine Staatsaufgabe, weil sie nur denjenigen diene, die einer Gefahr ausgesetzt sind. 721 So Habermann, S. 261 ff. 722 So Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (278 f.). 723 Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (278 f.), nimmt an, dass die Polizeitätigkeit bei privaten Großveranstaltungen grundsätzlich durch Gebühren finanziert werden könne, da es sich hierbei in der Regel nicht um die Wahrnehmung einer Kernaufgabe handele. Anders Habermann, S. 190 f., 261, der die Gefahrenabwehr insgesamt als „Kernaufgabe“ einordnet. 724 BVerfGE 108, 1 (18 f.); BVerwGE 95, 188 (200); für einen weiten Spielraum auch Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 6, 15.
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Ausweitung von Gebührentatbeständen so gut wie nichts entgegengesetzt werden könnte. Ein Ansatzpunkt zur Eingrenzung der Gebührenfinanzierung, für den die obigen Überlegungen zur Zurechenbarkeit drittvermittelter Gefahren fruchtbar gemacht werden können, ist das Kriterium der „individuellen Zurechenbarkeit“ der öffentlichen Leistung.725 Dieses Kriterium ist – ungeachtet bestehender Uneinigkeiten über die Existenz weiterer Vorgaben des Grundgesetzes726 – verfassungsrechtlich zwingender Bestandteil des Gebührenbegriffs.727 Seine Funktion besteht darin, solche öffentliche Handlungen auszusondern, die nur aus Steuermitteln finanziert werden dürfen.728 Mangels hinreichender Kontur kann die „individuelle Zurechenbarkeit“ bislang jedoch so gut wie keine die Gebührenerhebung beschränkende Funktion entfalten.729 Die Rechtsprechung verlässt sich auf ein sehr offenes Begriffsverständnis und lässt einen „spezifischen Bezug“730 des Einzelnen zur öffentlichen Leistung oder eine „Konnexität zwischen dem Leistungsinhalt und dem individuellen Erfolg“731 genügen. Als gesichert kann allerdings gelten, dass ein staatlicher Aufwand dann individuell zurechenbar ist, wenn der Einzelne ihn veranlasst hat (Veranlassungsprinzip) oder aus ihm einen individuellen Vorteil zieht (Vorteilsprinzip).732 Jedoch ist nicht geklärt, welche Anforderungen an die Erfüllung dieser Kriterien im Einzelnen zu stellen sind.733 725
Vgl. Braun, Finanzierung, S. 149 ff. Zum Meinungsstand s. Habermann, S. 286 ff. 727 Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung, s. dazu Habermann, S. 276 ff. m. w. N., dort auch Angaben zu den vereinzelt gebliebenen Auffassungen, die der Verfassung keinerlei Aussage über den Inhalt des Gebührenbegriffs entnehmen zu können meinen. 728 Habermann, S. 286; Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 6. Daneben existieren noch weitere Anforderungen an Gebühren als nichtsteuerliche Abgaben, die ihrer Abgrenzung zur Steuer dienen. Siehe hierzu BVerfGE 108, 1 (16). 729 Dem Satz von Wilke, S. 88, wonach diejenigen Leistungen individuell zurechenbar seien, die der Gesetzgeber individuell zurechne, wird daher auch in der jüngeren Literatur noch vielfach zugestimmt, etwa von Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (275); Wahlen, S. 53; Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 6. 730 BVerfG, NVwZ 1999, 176 (177). 731 BVerwGE 95, 188 (201). 732 Waldhoff, in: HStR V, § 116 Rn. 86; Braun, Finanzierung, S. 131. Bestätigt wird dies durch die entsprechenden gebührenrechtlichen Bestimmungen zur Person des Gebührenschuldners, z. B. § 2 Abs. 3 GebG BW, Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayKostenG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW. 733 Unabhängig davon, wie diese beiden Kriterien zu konkretisieren sind, zeigt sich jedenfalls schon an dieser Stelle, dass es einer Eingrenzung der Möglichkeiten zur Gebührenerhebung unter dem Gesichtspunkt der „allgemeinen Staatsaufgabe“, wonach staatliche Handlungen nur gebührenpflichtig sein dürften, wenn sie bestimmten Einzelnen, nicht aber der Allgemeinheit dienen, neben dem Erfordernis der „individuellen Zurechenbarkeit“ nicht bedarf. Denn die „Allgemeinheit“ der Staatsaufgabe enthält ebenfalls eine Aussage über die Zurechenbarkeit der betreffenden Handlung, wobei sie allerdings mit dem Begriff der „Aufgabe“ über einen unklaren Bezugspunkt verfügt und darüber hinaus mit dem Kriterium des 726
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Im Zusammenhang mit der polizeilichen Sicherung von Großveranstaltungen könnten sowohl das Vorteils- als auch das Veranlassungsprinzip die gebührenrechtliche Zurechenbarkeit polizeilichen Handelns rechtfertigen. Das Vorteilsprinzip kommt insoweit zum Tragen, als die Gewährleistung von Sicherheit am Veranstaltungsort und in dessen Nähe auch zum individuellen Vorteil des Veranstalters ist. Inwieweit das Vorteilsprinzip einer Konturierung zugänglich ist734, kann in dem hier gesteckten Rahmen nicht untersucht werden. Entscheidende Bedeutung für die Reichweite der Möglichkeiten zur Gebührenerhebung kommt im vorliegenden Zusammenhang ohnehin dem Kriterium der Veranlassung zu.735 Denn mit ihm könnte eine Gebührenlast auch für solche polizeiliche Maßnahmen begründet werden, die, wie beispielsweise der Einsatz zur Verhinderung von Fankrawallen in weiter Entfernung vom Veranstaltungsort, nicht zum individuellen Vorteil des Veranstalters sind.736 Die Konturierung des gebührenrechtlichen Begriffs der „Veranlassung“ bereitet wegen der Vielfältigkeit der Ursachen staatlichen Handelns Probleme. Maßgeblich für die gebührenrechtliche Zurechenbarkeit einer öffentlichen Leistung kann es, anders als üblicherweise angenommen wird737, jedenfalls nicht allein sein, dass ein Verhalten eine Ursache im Sinne einer Conditio sine qua non für die Erbringung einer öffentlichen Leistung bildet. Dies lässt sich am Beispiel der Alarmierung der Polizei deutlich machen, die zwar eine nicht hinwegzudenkende Bedingung polizeilichen Eingreifens ist, es aber nicht rechtfertigen kann, dem Alarmierenden eine Gebühr aufzuerlegen.738 Als „Veranlasser“ sollte deshalb nur derjenige angesehen werden, der in zurechenbarer Weise die tatsächliche Situation schafft, aus der sich der Bedarf für ein staatliches Handeln ergibt. Ein solcher Bedarf ist, wie sich aus den Polizeigesetzen ergibt, auch dann gegeben, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Raum steht. Bei der Entscheidung über deren Zurechnung können die oben im polizeirechtlichen Kontext entwickelten Zurechnungskriterien Anwendung finden: Wer Verursacher einer Gefahr ist, kann im gebührenrechtlichen Kontext nicht anders zu entscheiden sein als im Polizeirecht selbst.739 Denn in der Nutzens nur ein mögliches Zurechnungskriterium abbildet, insbesondere das der „Veranlassung“ aber außer Acht lässt. 734 Zu denken wäre hier etwa an ein Evidenzkriterium, wie es das Bundesverfassungsgericht in seiner Sonderabgabenrechtsprechung entwickelt hat, BVerfGE 122, 316 (337 f.). Vgl. auch Braun, Finanzierung, S. 150, der auf die Gewährung eines „Sondervorteils“ abstellt. Kritisch zum Vorteilskriterium Wilke, S. 74. 735 Wilke, S. 83, bezeichnet das Veranlassungsprinzip als das umfassendste Gebührenerhebungsprinzip. 736 Siehe dazu noch unten bei Fn. 768. 737 Braun, Finanzierung, S. 182. Siehe zudem Wilke, S. 83 f. m. w. N., dort auch zu anderen, kaum weniger weiten Begriffsverständnissen, nach denen es auf die aktive oder vorsätzliche Verursachung einer öffentlichen Leistung ankommt; s. dazu auch Wahlen, S. 50 m. w. N. 738 Vgl. Braun, Finanzierung, S. 264. 739 Vgl. auch Braun, Finanzierung, S. 183, 273, der im Ergebnis einen weitgehenden Gleichlauf zwischen polizeirechtlicher Störerhaftung und gebührenrechtlicher Veranlasser-
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Sache handelt es sich um das gleiche Problem: Die Entscheidung über die Verursachung soll in beiden Rechtsgebieten entsprechend der Hauptfunktion von Zurechnungsgründen als Differenzierungsgründe740 klären, ob es sich vor dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) rechtfertigen lässt, einer Person statt einer anderen oder jedermann die Lasten der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe aufzubürden. Die Kriterien, die im Gefahrenabwehrrecht als relevante Zurechnungskriterien entwickelt wurden – Kausalität und subjektive Vorhersehbarkeit –, sind daher zumindest insoweit, als es um die Erhebung von Gebühren für Gefahrenabwehrmaßnahmen geht741, auch im Gebührenrecht anwendbar und können dort – trotz ihrer Weite – eine die Gebührenerhebung begrenzende Wirkung entfalten. Dies lässt sich am Beispiel der Fußballveranstaltungen zeigen: Entsprechend seinem Zweck, das Selbstbestimmungsrecht des „Hintermanns“ zu schützen, stellt das Kriterium der Vorhersehbarkeit sicher, dass nicht den Fans (der Gastmannschaft?) und ihrem unter Umständen nicht vorhersehbaren Verhalten das alleinige Bestimmungsrecht darüber zufällt, ob und in welcher Höhe dem ausrichtenden Verein eine Pflicht zur Gebührenleistung auferlegt werden kann. Auch die Grundsätze, die im Gefahrenabwehrrecht für die einzelfallbezogene Berücksichtigung der Grundrechte des Veranlassers auf Grundlage des „schwachen“ Verursachungsverständnisses aufgestellt wurden, sind auf das Gebührenrecht übertragbar und entfalten dort eine die Möglichkeiten zur Gebührenerhebung begrenzende Wirkung: Grundrechtliche Erwägungen sind wie bei der gefahrenabwehrrechtlichen Störerbestimmung nicht bei der Zurechnung, sondern bei der Anwendung der Gebührentatbestände anzustellen.742 Zwar steht die Erhebung von haftung annimmt. Dieses Ergebnis erzielt er aber nicht durch die naheliegende Angleichung der Zurechnungskriterien, sondern indem er (abgesehen von Konstellationen, in denen das gebührenrechtliche Vorteilsprinzip eingreift) in Fällen fehlender polizeirechtlicher Verantwortlichkeit von der Unverhältnismäßigkeit der gebührenrechtlichen Inanspruchnahme ausgeht. Als Argument dient ihm dabei allein das Ziel der Vermeidung des „kaum lösbaren Widerspruch[s], der sich im Polizeirecht mit der Kostenpflicht des Nichtstörers umschreiben lässt“, und den er „allein mit einer Verhaltenszurechnung auf Kostenebene“ nicht für lösbar hält (S. 183). 740 Siehe D. IV. 4. f) aa). 741 Denkbar erscheint es, die hier entwickelten Zurechnungsgrundsätze in sämtlichen Fallkonstellationen zur Anwendung zu bringen, in denen die öffentliche Leistung als Reaktion auf eine dem Allgemeininteresse widersprechende Sachlage erbracht wird, mithin im gesamten ordnungsrechtlichen Kontext. Es existieren aber auch Fälle der Veranlassung einer öffentlichen Leistung, auf die sich die Grundsätze zur Zurechenbarkeit eines Drittverhaltens, an das die öffentliche Leistung anknüpft, nicht sinnvoll übertragen lassen. Dies ist etwa der Fall bei der Veranlassung staatlichen Handelns durch Stellung eines Antrags (hier wird nicht derjenige, der zur Stellung des Antrags geraten hat, auch als Gebührenschuldner angesehen werden können, auch wenn er die Antragstellung veranlasst hat). Es ist deshalb letztlich vom jeweiligen Kontext abhängig, inwieweit die Frage der Zurechnung des Verhaltens Dritter im Gebührenrecht überhaupt eine Rolle spielt. 742 Erst durch das „schwache“ Verursachungsverständnis wird die geschilderte inhaltliche Vereinheitlichung der gebühren- und der gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnungskriterien ermöglicht. Ein Festhalten am „starken“ Verursachungsverständnis, das eine einzelfallbezogene Grundrechtsprüfung schon auf Zurechnungsebene erfordert, würde notwendigerweise
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Gebühren grundsätzlich nicht im Ermessen der Behörde. Verhältnismäßigkeitserwägungen sind aber zum einen für die Gebührenbemessung von Bedeutung, wenn es um die Konkretisierung von Gebührentatbeständen geht, die einen Gebührenrahmen vorsehen.743 Zum anderen sehen die Gebührengesetze (z. B. § 11 Abs. 2 GebG BW) vor, dass eine Gebühr im Einzelfall ihrer Höhe nach begrenzt oder von ihrer Erhebung ganz abgesehen werden kann, wenn die Gebührenerhebung anderenfalls unbillig wäre. In die auf dieser Grundlage zu treffende Ermessensentscheidung744 müssen auch die grundrechtlichen Belange des Betroffenen einfließen.745 Es ist mithin durchaus denkbar, dass für eine öffentliche Leistung keine Gebühren erhoben werden dürfen, obwohl diese individuell zurechenbar ist. Das bedeutet zugleich, dass eine öffentliche Leistung nicht etwa deswegen nicht „veranlasst“ oder zum „individuellen Vorteil“ des Betroffenen ist, weil dessen Grundrechte der Gebührenerhebung für die Erbringung der Leistung entgegenstehen.746 Diese Herangehensweise führt wie im Gefahrenabwehrrecht zu einer Flexibilisierung und Präzisierung der Handhabung gebührenrechtlicher Tatbestände, die pauschale „Alles-oder-nichtsLösungen“ verhindert.747 Notwendig ist es dazu aber, dass die Grundrechte des (potentiellen) Gebührenschuldners auch tatsächlich Beachtung finden.748 Dort, wo unterschiedliche Zurechnungskriterien im Polizei- und Gebührenrecht zur Folge haben: Während es im Polizeirecht oft um die Voraussetzungen intensiver Eingriffe in Freiheitsgrundrechte geht, was zur Anwendbarkeit der „neuen Formel“ und damit zu einem notwendig flexiblen und tendenziell strengeren Zurechnungskriterium führen müsste, könnte im meist weniger eingriffsintensiven Gebührenrecht zur Rechtfertigung der Auferlegung einer Finanzierungslast deutlich häufiger schon ein bloß sachlich einleuchtender Grund genügen. Es ist mithin das „schwache“ Verursachungsverständnis, welches bewirkt, dass die im Gefahrenabwehrrecht maßgebliche „Mindestzurechnungsstärke“ auch im Gebührenrecht zur Identifizierung der als Gebührenschuldner in Betracht kommenden Personen genutzt werden kann. 743 Zur Gebührenbemessung vgl. § 7 GebG BW und dazu VGH Mannheim, Urteil vom 26. März 2009 – 2 S 2036/07 –, juris, Rn. 29 („umfassende Betrachtung der Gebührenschuldnerseite“); s. ferner Schlabach, BWVPr 1993, 77 (78 f.). 744 Vgl. VGH München, Urteil vom 18. Februar 2013 – 10 B 10.1028 –, juris, Rn. 22 (zu Art. 16 Abs. 2 S. 1 BayKostenG). 745 Zur Beachtlichkeit einzelfallbezogener grundrechtlicher Wertungen im Rahmen des § 227 AO, dem die gebührenrechtlichen Unbilligkeitsvorschriften inhaltlich entsprechen, s. Fritsch, in: Pahlke/Koenig, AO, § 227 Rn. 27 m. w. N. Die zu § 227 AO entwickelten Grundsätze sind auf die gebührenrechtlichen Unbilligkeitsvorschriften übertragbar, vgl. VGH München, Urteil vom 18. Februar 2013 – 10 B 10.1028 –, juris, Rn. 21 (zu Art. 16 Abs. 2 S. 1 BayKostenG). 746 A. A. im versammlungsrechtlichen Kontext BVerfG, NVwZ 2008, 414 (414 f.). Siehe dazu noch unten H. III. 747 Siehe dazu im Kontext der gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnung D. IV. 4. e). 748 Geschieht dies konsequent, so können dadurch ähnliche Ergebnisse erzielt werden wie durch den eingangs geschilderten Vorschlag, nach dem die Gebührenerhebung für staatliche Kernaufgaben ausgeschlossen sein soll. Denn was eine staatliche Kernaufgabe ist, soll nach teilweise vertretener Ansicht maßgeblich davon abhängen, inwieweit das Staatshandeln der Grundrechtsverwirklichung dient. So begründet Habermann, S. 265 f., die Einordnung der Staatsaufgabe Gefahrenabwehr als Kernaufgabe mit den grundrechtlichen Schutzpflichten; vgl. auch Kaiser, VBlBW 2010, 53 (54).
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die Grundrechtsausübung durch eine Pflicht zur Gebührenentrichtung intensiv betroffen749 oder wo der Staat aufgrund der ihn treffenden grundrechtlichen Schutzpflichten gegenüber der betreffenden Person zum Tätigwerden verpflichtet wäre750, kommt eine Gebührenerhebung allenfalls unter Beachtung hoher Rechtfertigungsanforderungen in Betracht.751 Für die Gebührenerhebung im Zusammenhang mit Großveranstaltungen bedeuten die geschilderten Grundsätze Folgendes: Maßnahmen der Polizei zur Bekämpfung von Gefahren, die Dritte aus Anlass des Ereignisses in für den Veranstalter vorhersehbarer Weise verursachen, sind im gebührenrechtlichen Sinne vom Veranstalter „veranlasst“. Das geltende Gebührenrecht bildet mithin eine taugliche Grundlage dafür, Veranstaltern bei Erfüllung der Zurechnungsvoraussetzungen der „Veranlassung“ die Kosten von Polizeieinsätzen aufzuerlegen.752 Entsprechende Gebührentatbestände in den Gebührenverzeichnissen der Länder sind teilweise, aber nicht flächendeckend vorhanden.753 Wo sie fehlen, kommt jedoch 749 Die Erhebung einer Gebühr in Anknüpfung an ein grundrechtlich geschütztes Verhalten stellt einen mittelbaren Grundrechtseingriff dar, Kaiser, VBlBW 2010, 53 (54) m. w. N. 750 Abzulehnen ist die Auffassung des BVerfG, NVwZ 1999, 176 (177), wonach die staatliche Schutzpflicht „primär nur Handlungspflichten der staatlichen Organe im Bereich der Gefahrenabwehr begründen, nicht aber die Frage der Refinanzierung des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes determinieren“ kann. Zustimmend dagegen Braun, Finanzierung, S. 144; wie hier Musil, in: FS Isensee, S. 943. 751 Deutlich unterschätzt wird die Leistungsfähigkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Grenze der Gebührenerhebung von Habermann, S. 333 f., der ihn inhaltlich mit dem Äquivalenzprinzip gleichsetzt, nach welchem bei der Gebührenerhebung zwischen Leistung und Gegenleistung lediglich kein „grobes Missverhältnis“ bestehen dürfe. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung kann in Abhängigkeit von der im Einzelfall gegebenen Stärke des in der Gebührenerhebung liegenden Grundrechtseingriffs auch deutlich strenger ausfallen, vgl. Musil, in: FS Isensee, S. 940 f. Siehe zum Äquivalenzprinzip auch noch unten bei Fn. 769. 752 Bislang ist nur die gebührenrechtliche Abschöpfung des Vorteils, den der Veranstalter von der polizeilichen Maßnahmen hat, anerkannt, so etwa Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (90); P. Kirchhof, in: HStR V, § 119 Rn. 35; Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 67; Pieroth/Schlink/ Kniesel, § 25 Rn. 21. 753 Dahingehende Regelungen enthalten beispielsweise: Nr. 51 der Anlage zur Verwaltungskostenordnung des Hessischen Innenministeriums vom 25. November 2009 (GVBl. I S. 462), wonach Gebühren erhoben werden für „Einsätze bei Veranstaltungen, wenn die Veranstaltungen im überwiegend wirtschaftlichen Interesse stattfinden und mit den Einsätzen Ordnungsaufgaben erfüllt werden, die dem Veranstalter oder Veranstaltungsleiter obliegen“; ähnlich Ziff. 8.5 und 8.6 der Anlage zur Verordnung über Kosten im Geschäftsbereich des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 18. August 2004 (GVOBl. S. 446), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Juli 2012 (GVOBl. S. 303); Nr. 120.1.6 der Anlage zu § 1 der Bremischen Kostenverordnung für die innere Verwaltung vom 20. August 2002 (GBl. S. 455), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Dezember 2012 (GBl. S. 566), wonach eine Gebührenerhebung möglich ist für die „Gestellung von Beamten und Fahrzeugen einschließlich von Wasserfahrzeugen […] zur Überwachung von Veranstaltungen, soweit die Überwachung durch eine schriftliche Verfügung bestimmt worden ist oder der Berechtigte sie beantragt hat“; Nr. 75.9 der Anlage 1 zu § 1 des Neunten Sächsischen Kostenverzeichnisses vom 21. September 2011 (GVBl. S. 410), wonach Gebühren erhoben werden für „Absperr- und Siche-
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ein Rückgriff auf gebührenrechtliche Generalklauseln in Betracht, die wie § 4 Abs. 4 GebG BW (bis 10.000 E) einen allgemeinen Gebührenrahmen für Fälle vorsehen, in denen es an einem speziellen Gebührentatbestand fehlt.754 Zwar ist die Vereinbarkeit derartiger Auffangtatbestände mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot in Fällen, in denen die Gebührenerhebung Auswirkungen auf spezielle Grundrechte hat, zweifelhaft.755 Denn mit der Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme steigen auch die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung.756 Bei kommerziellen Veranstaltungen aber, die wie Fußballbundesligaspiele hohe Einnahmen generieren, sind die Auswirkungen der Erhebung einer solchen Gebühr auf die Grundrechtsausübung, insbesondere angesichts der in den Auffangtatbeständen vorgesehenen Gebührenhöchstgrenzen, überschaubar. Der Bestimmtheitsgrundsatz steht der Anwendung der gebührenrechtlichen Auffangregelungen in diesen Fällen daher nicht entgegen. Um die tatsächlich anfallenden Kosten von Polizeieinsätzen, die unter Umständen deutlich höher liegen, als es die gebührenrechtlichen Auffangtatbestände vorsehen757, auf die Veranstalter umlegen zu können, bedarf es in den meisten Ländern noch der Schaffung spezieller Gebührentatbestände. Abgesehen von Gründen der Verwaltungsvereinfachung spricht nichts dafür, sich bei deren Ausgestaltung auf die Erhebung einer „pauschal festzusetzende[n] […] mäßige[n] Gebühr“758 zu beschränken. Vielmehr kann die Gebühr durchaus den Charakter eines Aufwendungsersatzes annehmen. Dagegen lässt sich nicht einwenden, es lasse sich nur schwer feststellen, inwieweit ein Polizeieinsatz der Veranstaltung zuzuordnen ist und rungsmaßnahmen für private Zwecke“. Zur Auslegung der hessischen und bremischen Regelungen s. Wahlen, S. 33 ff. 754 In Baden-Württemberg kommt auch ein Rückgriff auf Ziff. 15.15 der Anlage zur Gebührenverordnung des baden-württembergischen Innenministeriums vom 12. Juli 2011 (GBl. S. 404) in Betracht, wo für nicht näher bestimmte Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes eine Gebühr „je angefangene Stunde und je eingesetztem Beamten“ in Höhe von 48 E vorgesehen ist. 755 Braun, Finanzierung, S. 186 f.; Kaiser, VBlBW 2010, 53 (55 f.). Grundsätzliche Bedenken gegen die Bestimmtheit der Gebührengeneralklauseln bestehen aber nicht, BVerwG, NVwZ 2008, 911 (913). Zu sonstigen Einwänden gegen die Anwendung der gebührenrechtlichen Generalklauseln s. Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, § 82 Rn. 6, und dagegen Braun, Finanzierung, S. 186. 756 BVerfGE 110, 33 (55); 120, 378 (408). 757 Siehe etwa Bebenburg, Eintracht-Einsätze kosten Polizei 1,8 Millionen Euro, in: Frankfurter Rundschau vom 18. Juli 2012, S. 24: „6,7 Millionen Euro gab das Land Hessen [nach Angaben des hessischen Innenministers Boris Rhein] in der Spielzeit 2011/12 für die Einsätze vor und in den Stadien aus – technische Kosten wie Fahrzeuge nicht einmal eingerechnet. […] Alleine 1,8 Millionen Euro seien [in der Saison 2011/12] für die Spiele des damaligen Zweitligisten Eintracht Frankfurt aufgewendet worden, fügte Rhein hinzu – mehr als 100.000 Euro pro Heimspiel. Ein Viertel aller Einsätze der hessischen Bereitschaftspolizei habe mit Fußballspielen zu tun.“ 758 So Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (89); vgl. auch Wahlen, S. 113; Braun, Finanzierung, S. 102; Gädeke, S. 178 ff.; tendenziell auch Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 68, der jedenfalls einen vollständigen Aufwendungsersatz ablehnt.
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in welchem Umfang er erforderlich war.759 Soweit der übliche Polizeidienst lediglich auch mit Blick auf die Großveranstaltung durchgeführt wird, mag dies zwar zutreffen. Werden jedoch – wie üblich – besondere polizeiliche Kapazitäten aktiviert, etwa durch den Einsatz von Kräften der Bereitschaftspolizei, um drohenden Ausschreitungen begegnen zu können, kann dies der Veranstaltung ohne Weiteres zugeordnet werden. Dabei ist zu betonen, dass es Aufgabe der Polizei ist, schon bei Vorliegen einer Gefahr tätig zu werden. Der Einwand, ein Polizeieinsatz sei nicht erforderlich gewesen, da es trotz bestehender Gefahr zu keinen (nennenswerten) Störungen gekommen sei, ist dem Veranstalter deshalb abgeschnitten.760 Wird die Gebührenhöhe an den tatsächlich anfallenden Kosten ausgerichtet, so ist der Gebührentatbestand aus Gründen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit so auszugestalten, dass die Gebührenhöhe, etwa durch Festlegung eines Betrags, der pro Stunde und Einsatzkraft anfällt, vorhersehbar ist.761 Da für Polizeieinsätze im Umfeld von Bundesligaspielen je nach Gefahrenprognose sehr hohe Kosten anfallen können, deren Umlegung auf die Vereine eine zwar überschaubare, aber nicht von der Hand zu weisende Grundrechtsrelevanz zukommt, können es der Bestimmtheits- und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in diesen Fällen auch gebieten, dass die Behörden dem Veranstalter die zu erwartenden Kosten vor der Veranstaltung mitteilen.762 Die Erhebung der Gebühr muss dem Grunde und der Höhe nach im Einzelfall verhältnismäßig sein. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Einzelne durch 759 So Lege, VerwArch 89 (1998), S. 71 (90); Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 68. Abzulehnen ist auch die – nicht näher begründete – Auffassung, die Bereitstellung von Vollzugsbeamten sei keine öffentliche Leistung im gebührenrechtlichen Sinn (Söllner/Wecker, ZRP 2011, 179 [181]; Lenski, VerwArch 103 [2012], 539 [548]). Zur Weite des Begriffs der „öffentlichen Leistung“ s. nur § 2 Abs. 2 S. 1 GebG BW („Eine öffentliche Leistung ist behördliches Handeln.“) und Wilke, S. 55 ff. 760 Vgl. W.-R. Schenke, NJW 1983, 1882 (1888). Sehr wohl wird allerdings damit zu rechnen sein, dass die Veranstalter einen polizeilichen Aufwand für übertrieben halten und mit dieser Begründung die Höhe der festgesetzten Gebühr angreifen. Einen Grund dafür, ganz von der Gebührenerhebung abzusehen, bildet dies aber insbesondere deshalb nicht, weil den Polizeibehörden hierbei ein erheblicher Prognosespielraum einzuräumen ist (s. dazu im Zusammenhang mit der Kostenerhebung für den Polizeieinsatz bei einem Pop-Konzert auf Grundlage von § 81 Abs. 2 PolG BW a. F. VGH Mannheim, NJW 1981, 1226 [1226 f.]). Angesichts dessen ist auch die von Gramm, in: Sacksofsky/Wieland, S. 179 (182 f.), gesehene Gefahr, dass die Polizei durch die Gebührenerhebung unter einen der wirksamen Aufgabenerfüllung abträglichen Effizienzdruck geraten könnte, als gering einzustufen. Soweit die Gebührenerhebung – wie hier vertreten – nicht entscheidend auf der Vorteilhaftigkeit, sondern auf der Veranlassung der Polizeitätigkeit beruht, ist der Grad der „Kommerzialisierung“ polizeilicher Leistungen, mit der verschiedene Befürchtungen verbunden werden (Gramm, a.a.O., S. 182 f.), ohnehin nicht sonderlich hoch. 761 Etwa nach dem Vorbild der Tatbestände, in denen die Gebührenhöhe für die polizeiliche Begleitung gefährdeter Transporte wie beispielsweise von Castor-Transporten geregelt ist (s. Ziff. 15.1 der Anlage zur Gebührenverordnung des baden-württembergischen Innenministeriums vom 12. Juli 2011 [GBl. S. 404]). 762 Vgl. Braun, Finanzierung, S. 102, 141, der aber dennoch davon ausgeht, dass die Höhe der Gebührenforderung nach oben pauschal begrenzt sein müsse; W.-R. Schenke, NJW 1983, 1882 (1885).
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die drohende finanzielle Belastung von der Ausübung seiner besonderen grundrechtlich geschützten Freiheiten abgehalten wird und, wenn ja, ob dies durch einen besonderen sachlichen Zweck gerechtfertigt werden kann.763 Im Zusammenhang mit der gebührenrechtlichen Heranziehung wegen der Veranstaltung von Großereignissen hängt das Ausmaß einer beeinträchtigenden Wirkung der Gebührenerhebung maßgeblich davon ab, inwieweit der betreffenden Veranstaltung ein kommerzieller Charakter zukommt, der es dem Veranstalter ermöglicht, die in der Gebührenerhebung liegende finanzielle Belastung auszugleichen oder auf seine Kunden abzuwälzen. Die Veranstalter einnahmeträchtiger Großveranstaltungen wie von Fußballbundesligaspielen wird auch die Erhebung einer erheblichen Gebühr nicht von der Ausübung ihrer grundrechtlichen Freiheiten abhalten.764 Wo Veranstaltungen kein kommerzielles Gepräge haben und zugleich, wie etwa ein Gottesdienst765, der Ausübung anderer Grundrechte als der allgemeinen Handlungsfreiheit dienen, kommt eine Gebührenerhebung hingegen allenfalls unter strengen Voraussetzungen in Betracht.766
763 Zu Gebührenzwecken vgl. BVerfGE 108, 1 (19 f.). Ausführlich zu den folgenden Leitlinien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung Braun, Finanzierung, S. 109 ff. 764 In der Regel wird in der Gebührenerhebung kein Eingriff in die Berufs- (Art. 12 GG) und die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) des Veranstalters liegen. Hinsichtlich der Berufsfreiheit käme, da es bei der Gebührenerhebung nicht vorrangig um die Regelung des Berufs geht, nur die Bejahung eines faktischen Eingriffs in Betracht. Auch ein solcher erfordert aber eine „berufsregelnde Tendenz“ des staatlichen Handelns, was im Fall der Abgabenerhebung voraussetzt, dass der Abgabe eine „erdrosselnde Wirkung“ zukommt (BVerfGE 38, 61 [85 f.]; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 71 m. w. N.; Braun, Finanzierung, S. 117 ff.). Ähnliches gilt für die Eigentumsgewährleistung, die nicht das Vermögen als solches schützt und daher allenfalls (s. zu den vertretenen Ansichten Braun, Finanzierung, S. 120 ff.; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 32a m. w. N.) im Fall von „Erdrosselungsabgaben“ beeinträchtigt sein soll (so BVerfGE 95, 267 [300] m. w. N.). Wo eine solche erdrosselnde Wirkung fehlt, bleibt als Maßstab daher nur die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Bei der Bewertung der Eingriffsintensität muss bei alledem jeweils auch das Maß der Gewinnträchtigkeit des betreffenden Veranstaltungstypus in Betracht gezogen werden. Dass derjenige, der größeren wirtschaftlichen Erfolg hat, danach tendenziell stärker belastet wird (dagegen Wahlen, S. 112 f.), ist hinzunehmen und erscheint auch deshalb sachgerecht, weil Gewinn- und Gefahrträchtigkeit einer Veranstaltung regelmäßig korrelieren. Davon, dass das in den meisten Landesverfassungen verankerte Staatsziel „Sportförderung“ (s. etwa Art. 3c Abs. 1 LV BW) über hinreichende Kontur und Kraft verfügt, um die Möglichkeiten der Heranziehung von Sportvereinen zum Polizeikostenersatz über die grundrechtlichen Vorgaben hinaus einzuschränken, ist dagegen nicht auszugehen (so aber Gädeke, S. 178). 765 Siehe aber auch Braun, Finanzierung, S. 116 f., der das Beispiel des Hamburger Motorradgottesdienstes nennt, bei dem angesichts seiner Einnahmeträchtigkeit auch die Erhebung von Gebühren in Betracht kommt. 766 Siehe dazu noch im versammlungsrechtlichen Kontext unten H.III. In diesen Fällen kommt insbesondere der Stärke des Zurechnungszusammenhangs eine beträchtliche Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit der Gebührenerhebung zu (vgl. dazu im polizeirechtlichen Kontext D. IV. 4. f) dd) (1) (a)). Beabsichtigt der Veranstalter etwa die Herbeiführung von Gefahren durch Dritte, so ist die Erhebung von Gebühren für Gefahrenabwehrmaßnahmen trotz der besonderen Grundrechtsrelevanz der Veranstaltung verhältnismäßig.
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Sowohl bei kommerziellen wie nichtkommerziellen Veranstaltungen ist zu berücksichtigen, ob die öffentliche Leistung ganz oder teilweise zum Vorteil des Veranstalters ist, etwa indem sie ihm eigene Aufwendungen zur Gewährleistung der Sicherheit im Umfeld der Veranstaltung erspart.767 Auch soweit der Gebührenschuldner an den Amtshandlungen der Polizei nur ein geringes oder kein Interesse hat – was etwa bei Gefahrenabwehrmaßnahmen in weiter Entfernung vom Veranstaltungsort der Fall sein kann –, ist die Erhebung von Gebühren aber nicht prinzipiell ausgeschlossen.768 Zwar vermittelt das in der Verfassung als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verankerte769 Äquivalenzprinzip den gegenteiligen Eindruck770, wird der Inhalt dieses Prinzips doch dahingehend beschrieben, dass Gebühr und Leistung für den Gebührenschuldner nicht in einem groben Missverhältnis stehen dürfen.771 Diese Aussage kann jedoch nur für die Fälle Geltung beanspruchen, in denen die Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung gerade auf der Zuwendung eines Vorteils an den Gebührenschuldner beruht.772 Geht sie hingegen – wie hier – auf die Veranlassung der öffentlichen Leistung zurück, mag man zwar weiterhin von der Anwendbarkeit des Äquivalenzprinzips sprechen. Ihm ist dann aber, entsprechend seiner Eigenschaft als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der allgemeinere Inhalt zu geben, dass die Gebührenhöhe nicht „in einem ,groben Missverhältnis‘ zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken“773, zu denen auch der Zweck der Kostendeckung gehört774, stehen darf, wobei bei intensiven Grundrechtsbeeinträchtigungen auch eine striktere Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit angezeigt sein kann775. Der Umstand, dass eine Amtshandlung im überwiegenden oder ausschließlichen öffentlichen Interesse erfolgt, steht der Erhebung von Gebühren für Maßnahmen, die der Abwehr von durch den Veranstalter verursachten Gefahren dienen, aus verfassungsrechtlicher Sicht776 mithin nicht 767
Siehe dazu ausführlich Braun, Finanzierung, S. 279 ff. Vgl. BVerwG, GewArch 1981, 243 (244); Braun, Finanzierung, S. 130. A. A. Ronellenfitsch, VerwArch 86 (1995), 307 (324); Zugmaier, DVBl. 1998, 1221 (1222). 769 BVerfGE 83, 363 (392); 108, 1 (32), jeweils m. w. N.; BVerwGE 118, 123 (125), Habermann, S. 329 ff. m. w. N. 770 Sailer, in: Lisken/Denninger, N, Rn. 68, lehnt die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzes für die entstandenen Polizeikosten wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip ab. 771 BVerwGE 26, 305 (308 f.); 109, 272 (274); Wilke, S. 244 f.; Habermann, S. 329. 772 Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 105 Rn. 13; Habermann, S. 332 f. 773 BVerfGE 108, 1 (19) m. w. N. (Hervorhebung durch Verf.); s. auch BVerwG, NVwZ-RR 2010, 146 (148). 774 BVerfGE 108, 1 (19); s. auch BVerwGE 109, 272 (274 ff., insbes. 276 f.), wo das Äquivalenzprinzip zwar für anwendbar gehalten, aber inhaltlich im Sinne des Kostendeckungsprinzips verstanden wird, sowie Schiller, NVwZ 2003, 1337 (1339 f.), und Wild, DVBl. 2005, 733 (734 f.). 775 Musil, in: FS Isensee, S. 940 f. 776 Braun, Finanzierung, S. 143 f. Die in einigen Landesgesetzen vorgesehenen Befreiungstatbestände, nach denen im Fall überwiegenden öffentlichen Interesses an der Amts768
II. Zurechnung im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht
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entgegen. Würde man dies anders sehen, stellte dies einen deutlichen Wertungswiderspruch zum Polizeirecht dar: Denn warum soll der Gefahrverursacher die Kosten der ihm auf polizeirechtlicher Grundlage aufgegebenen Maßnahmen zur Bekämpfung einer von ihm verursachten Gefahr tragen, auch wenn diese ausschließlich im öffentlichen Interesse liegt, im Gebührenrecht aber nicht?777 In beiden Fällen rechtfertigt es die auf Verursachung beruhende Zurechenbarkeit der Gefahr, dass die betreffende Person statt der Allgemeinheit (in Person des Nichtstörers beziehungsweise des Steuerzahlers) herangezogen wird. Die entscheidende Grenze für die Höhe einer Gebühr ergibt sich daher nicht aus dem finanziellen Vorteil, den der Veranstalter aus der polizeilichen Maßnahme zieht, sondern richtet sich danach, ob die in der Gebührenerhebung liegende Erschwerung der Grundrechtsausübung unter Rückgriff auf die oben genannten Leitlinien im Einzelfall noch als zumutbar angesehen werden kann.
II. Zurechnung störenden Drittverhaltens im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht Welchen Beitrag die Anwendung der in dieser Arbeit entwickelten Grundsätze über die Gefährdungsveranlassung zur Einheitsbildung leisten kann, belegt ein Blick auf den Stand der Zurechnungsdogmatik im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht.778 Hier gelangen unterschiedliche, vom allgemeinen Gefahrenabwehrrecht abweichende Zurechnungskriterien zum Einsatz, die zudem durch erhebliche begriffliche Unschärfen geprägt sind: So richtet sich die etwa im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 S. 1 BImSchG relevante Zurechnung der durch Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenraum bei der An- und Abfahrt zu und von einer immissionsschutzrechtlichen Anlage hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen danach, ob der Verkehr in einem „betriebstechnischen oder funktionellen Zusammenhang“779 mit der Anlage steht. Der Verkehr soll zurechenbar sein, „sofern er sich innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar
handlung eine Gebühr nicht erhoben wird (z. B. § 2 Abs. 2 S. 1 BerlGebG), sollten nur in den Fällen zur Anwendung gebracht werden, in denen sich die Zurechenbarkeit der Amtshandlung allein aus deren Vorteilhaftigkeit für den Gebührenschuldner ergibt. Ausdrücklich findet sich ein derartiger Regelungszusammenhang etwa in Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayKostenG. Vgl. zur Auslegung der einfachrechtlichen Kostenfreistellungsregelungen auch Braun, Finanzierung, S. 171 ff., insbes. S. 175 f. 777 Vgl. Braun, Finanzierung, S. 176. 778 Siehe einleitend oben B. II. 2. 779 BVerwGE 101, 157 (165); Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 76 m. w. N.; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, UmwR, § 22 BImSchG Rn. 12.
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
ist“.780 Das Kriterium des betriebstechnischen oder funktionellen Zusammenhangs soll auch für die Zurechnung sonstiger von Menschen ausgehender Immissionen gelten.781 Strengere Kriterien kommen allerdings zur Anwendung, soweit es um die Folgen einer nicht bestimmungsgemäßen Nutzung einer Anlage geht.782 Die durch eine solche entstehenden schädlichen Umwelteinwirkungen sollen nur dann zurechenbar sein, wenn die Anlage so gestaltet ist, dass eine derartige Nutzung „ohne weiteres möglich“783 ist oder sich „gerade in dem jeweiligen Mißbrauch eine mit der Einrichtung geschaffene besondere Gefahrenlage ausdrückt“784. Ähnlich, aber uneinheitlicher sind die Kriterien, die im Gaststättenrecht im Zusammenhang mit der Zurechnung von Besucherlärm – etwa im Rahmen der § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG – zur Anwendung gelangen sollen. Teilweise wird hier auf die herkömmliche Formel zur Gefährdungsveranlassung zurückgegriffen und das Vorliegen eines typischen Wirkungszusammenhangs im Sinne der „objektiven Theorie“ verlangt.785 Das Bundesverwaltungsgericht bringt hingegen die im Immissionsschutzrecht gebräuchliche Formel des „betriebstechnischen oder funktionellen Zusammenhangs“ zur Anwendung.786 Gleichbedeutend damit ist in der Rechtsprechung auch vom Erfordernis eines „erkennbaren Bezugs“ zwischen Lärm und Gaststättenbetrieb die Rede.787 Andere verlangen, der Besucherlärm müsse „in ursächlich 780 BVerwG, NVwZ 1999, 523 (527); diese Rechtsprechung wird durch Nr. 7.4 TA Lärm aufgenommen und konkretisiert. 781 Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 6b; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, UmwR, § 22 BImSchG Rn. 12. 782 Ketteler, DVBl. 2008, 220 (224); Roßnagel/Hentschel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 20. 783 BVerwG, NVwZ 1990, 858; vgl. auch Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 26: „durchaus möglich“. 784 OVG Münster, BauR 1988, 76 (80); VGH München, BayVBl. 2010, 406 (410); Roßnagel/Hentschel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 20; Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 26. 785 Schoch, Jura 2009, 360 (365); vgl. auch dens., POR, Rn. 190, wo die Gaststättenfälle der Zweckveranlassung zugeordnet, aber als teils „über eine ,echte‘ Zweckveranlassung hinausgehend“ eingestuft werden. Zuordnung zur Rechtsfigur der Zweckveranlassung auch bei Widder, S. 107 ff. Hingegen halten es Pauly/Michel/Kienzle, GastG, § 5 Rn. 12 (unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 19. März 1982 – 1 B 182/81 –, juris, vgl. auch VGH Mannheim, GewArch 2001, 434 [434]), ausdrücklich für unerheblich, ob der Gastwirt nach der Grundsätzen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts Störer ist. Die zitierten Entscheidungen betreffen keine gaststättenrechtlichen Maßnahmen im Einzelfall (§§ 4 f. GastG), sondern die Voraussetzungen einer Sperrzeitverlängerung (vgl. § 18 GastG). Inhaltlich macht dies allerdings keinen Unterschied: Der Gastwirt wird mit der verlängerten Sperrzeit in der Regel wegen des Verhaltens Dritter (in den zitierten Fällen: Lärm und Drogenkriminalität) belastet. Die Zurechnungsfrage stellt sich daher auch hier (so auch Schoch, Jura 2009, 360 [365]). Gegen die Anwendung der Grundsätze zur Zweckveranlassung auf das Gaststättenrecht ferner W.-R. Schenke, POR, Rn. 247, der den – zur Zurechnung aber keine Aussage treffenden – § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG als abschließende Spezialregelung ansieht. 786 BVerwGE 101, 157 (165). Ebenso VGH München, BayVBl. 2010, 406 (410); Weidemann/Barthel, VR 2007, 217 (219). 787 BVerwGE 101, 157 (Leitsatz); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 745 (750) m. w. N.; VGH München, BayVBl. 2011, 83 (83); VG Wiesbaden, NVwZ-RR 2011, 444 (445); ähnlich BVerwG, GewArch 2003, 300 (300); OVG Münster, NVwZ-RR 1995, 27 (27).
II. Zurechnung im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht
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adäquater Weise mit dem Gaststättenbetrieb zusammenhängen“.788 Zum Teil werden diese Kriterien auch als gleichwertig angesehen und nebeneinander zur Anwendung gebracht.789 Sie sollen unterschiedslos für den normalen Besucherlärm und den rechtswidrig oder mutwillig verursachten Lärm gelten.790 Darüber hinaus finden sie auch auf die Zurechnung sonstiger Gefahren, Nachteile und Belästigungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG Anwendung.791 Trotz der beschriebenen Uneinheitlichkeiten lassen sich zwei Zurechnungsgesichtspunkte herausfiltern, die im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht als maßgeblich angesehen werden: Gefährliches Verhalten Dritter soll einerseits dann zuzurechnen sein, wenn es in betriebstechnisch-funktionellem Zusammenhang mit der Einrichtung steht. Zu fragen ist danach, ob das Verhalten funktionsnotwendig mit dem Betrieb verbunden ist. Im Immissionsschutzrecht soll daneben, insbesondere bei missbräuchlicher Anlagennutzung, die Schaffung eines Sonderrisikos zur Zurechnung von Drittverhalten führen, wenn in dem Drittverhalten eine besondere mit der Einrichtung verbundene Gefahr zum Ausdruck kommt.792 Angesichts der in der derzeitigen allgemeinen polizeirechtlichen Zurechnungsdogmatik angelegten Unsicherheiten ist es verständlich, dass im Besonderen Verwaltungsrecht teils auf abweichende Kriterien ausgewichen wird. Nicht erkennbar ist aber, dass ein solcher Gebrauch anderer Zurechnungsmaßstäbe als im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht grundsätzlich erforderlich wäre oder einen besonderen Mehrwert mit sich bringen würde. Ein wesentlicher Grund für die abweichende Handhabung im Immissionsschutzrecht dürfte darin bestehen, dass die Anwendung der hergebrachten Grundsätze zur Gefährdungsveranlassung, also die „objektive“ und „subjektive Theorie“, dort keine angemessenen Ergebnisse liefern würde: Warum sollte ein Betrieb nur für gefährliches Verhalten Dritter verantwortlich sein, 788 Pauly/Michel/Kienzle, GastG, § 5 Rn. 12. Siehe auch VGH München, BayVBl. 2010, 406 (410), unter Hinweis auf BGHZ 144, 200 (s. dazu oben in und bei Fn. 627). 789 So Metzner, GastG, § 4 Rn. 270 ff., der einen „betriebstechnischen und funktionalen Zusammenhang mit der Anlage“ verlangt. Zuzurechnen sei deshalb der Lärm, „der in der Nähe der Gaststätte mit dem Kommen und Gehen der Gäste typischerweise und mehr oder weniger unvermeidbar verbunden“ sei. Dies beschreibt Metzner auch als „Kausalität und adäquate Zurechenbarkeit“. Vgl. auch Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 76, der auf das Vorliegen eines „betriebstechnischen beziehungsweise funktionalen Zusammenhangs“ abstellt und sich damit in Übereinstimmung mit der Situation im Polizei- und Ordnungsrecht sieht. 790 Metzner, GastG, § 4 Rn. 270, 272a; Pauly/Michel/Kienzle, GastG, § 5 Rn. 12; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 745 (750 ff.); a. A. Jarass, NJW 1981, 721 (725); Spießhofer, S. 236 f., die die Zurechnung von Exzesslärm ablehnen. 791 Meist werden die Zurechnungsprobleme, beispielsweise im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, zusammenhängend abgehandelt, ohne dass zwischen der Zurechnung schädlicher Umwelteinwirkungen und sonstiger Effekte differenziert wird, s. Petersen, S. 121 ff.; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, UmwR, § 5 BImSchG Rn. 124. Siehe ferner etwa VGH München, BayVBl. 2010, 406 (410). 792 Siehe zur Kategorisierung der Zurechnungsgründe im Immissionsschutzrecht auch Spießhofer, S. 139 ff., 235 ff.
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das typischerweise zu erwarten oder bezweckt ist? Der Gedanke, die Zurechenbarkeit jedes gefährlichen Drittverhaltens anzunehmen, das dem Betrieb zu dienen bestimmt ist und deshalb in funktionellem Zusammenhang mit ihm steht, scheint bei wertender Betrachtung eine deutlich gerechtere Abgrenzung der Risikosphären zu bewirken.793 Zweifel an dem Kriterium des betriebstechnisch-funktionellen Zusammenhangs ergeben sich aber daraus, dass für nicht in funktionellem Zusammenhang stehende Verhaltensweisen Dritter der Einsatz einer weiteren Formel, nämlich der von der Schaffung eines Sonderrisikos, für nötig erachtet wird. Auffallend ist, dass die immissionsschutz- und gaststättenrechtlichen Kriterien mit den hier vertretenen Zurechnungskriterien der Kausalität und subjektiven Vorhersehbarkeit fast deckungsgleich sind: Ein Verhalten, das in einem notwendigen Funktionszusammenhang mit der Einrichtung steht, dürfte so gut wie immer in (subjektiv) vorhersehbarer Weise durch die Einrichtung verursacht sein. Der zweite, insbesondere für missbräuchliches Drittverhalten geltende immissionsschutzrechtliche Zurechnungsgesichtspunkt der Verwirklichung einer in der Einrichtung angelegten Gefahr ist ohnehin praktisch deckungsgleich mit der hier vorgeschlagenen Vorhersehbarkeitsformel. Dies bestätigt nicht nur den hier gewählten weiten Ansatz, sondern lässt es umso naheliegender erscheinen, die beschriebene kasuistische Herangehensweise zu beenden und stattdessen auf die in diese Arbeit entwickelten allgemeinen polizeirechtlichen Kriterien zur Gefährdungsveranlassung zurückzugreifen.794 Die immissionsschutzrechtliche Doppelformel von dem funktionellen Zusammenhang und der Schaffung eines besonderen Risikos lässt sich zwanglos unter die Kriterien der Kausalität und subjektiven Vorhersehbarkeit fassen und kann 793 Beispielsweise entspricht es so gut wie einhelliger Auffassung, dass dem Gastwirt der Lärm, den seine Besucher vor dem Lokal erzeugen, zuzurechnen ist. Dass Gästelärm stets die objektiv oder gar subjektiv „bezweckte“ Folge des Gaststättenbetriebs ist, ist aber keineswegs zwingend. Siehe dazu Jarass, NJW 1981, 721 (724 f.), der zur Zurechnung des Gästelärms nur dadurch gelangt, dass er ihn als „naheliegende“ Folge des Gaststättenbetriebs begreift und deshalb vom Vorliegen einer die Zurechnung rechtfertigenden „natürlichen Einheit“ ausgeht. 794 Für die Maßgeblichkeit der Vorhersehbarkeit des Verhaltens Dritter im Immissionsschutzrecht auch Roßnagel/Hentschel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 20; aus dem zivilrechtlichen Immissionsschutzrecht s. BGHZ 59, 378 (380); BGH, NJW 1982, 440 (440) – der BGH verlangt für die Zurechenbarkeit von Störungen, die von Dritten ausgehen, darüber hinaus, dass der Betreiber das störende Verhalten verhindern können müsse. Dies stellt für das anlagenbezogene Immissionsschutzrecht aber keine relevante Einschränkung dar, lassen sich dort weitere Störungen doch jedenfalls durch Betriebseinstellung verhindern (vgl. BGH, NJW 1960, 2335). Für die Relevanz der Vorhersehbarkeit im Gaststättenrecht Pauly/Michel/Kienzle, GastG, § 5 Rn. 12. Zu weitgehend gleichen Ergebnissen wie hier kommt Hollands, S. 138 ff. Hollands hält neben dem bestimmungsgemäßen Gebrauch auch die Gebrauchsüberschreitung („quantitativer Exzess“) für zurechenbar. Ausgeschlossen sei die Zurechenbarkeit aber im Fall der Zweckentfremdung („qualitativer Exzess“). Die nicht immer einfache Unterscheidung zwischen quantitativem und qualitativem Exzess orientiert sich im Wesentlichen daran, ob das Verhalten des Dritten eine vorhersehbare Folge des Betriebs ist (Hollands, S. 139, bezeichnet den quantitativen Exzess als „nutzungstypisch“). Allerdings kann auch eine Zweckentfremdung im Einzelfall vorhersehbar und deshalb zurechenbar sein (vgl. zur Zurechenbarkeit rechtswidrigen Gästelärms BVerwG, NVwZ-RR 1992, 68; Pauly/Michel/Kienzle, GastG, § 5 Rn. 12).
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daher durch die hier vorgeschlagenen Grundsätze zur Gefährdungsveranlassung ersetzt werden. An einer derartigen Vereinheitlichung besteht nicht nur ein theoretisches (Ordnungs-)Interesse. Die Existenz unterschiedlicher Zurechnungsformeln trägt, auch wenn diese inhaltlich praktisch das Gleiche bedeuten, stets die Gefahr in sich, dass ihre Anwendung ohne sachlichen Grund unterschiedliche Ergebnisse zutage fördert. Die Vereinheitlichung der Zurechnungskriterien im allgemeinen und besonderen Gefahrenabwehrrecht führt daher nicht nur zu einem gesteigerten Maß an Rechtssicherheit – insbesondere Gewissheit über die geltende Zurechnungsformel –, sondern bannt auch das Risiko von Wertungswidersprüchen, die bislang bei der Handhabung der Zurechnung von Drittverhalten in den verschiedenen Rechtsgebieten zu beobachten sind. Allgemeines und besonderes Gefahrenabwehrrecht sind eng miteinander verzahnt. Insbesondere erfüllt die polizeiliche Generalklausel dort, wo die Regelungen des besonderen Gefahrenabwehrrechts nicht eingreifen, eine lückenfüllende Funktion.795 Die bislang zu beobachtende Anwendung unterschiedlicher Zurechnungsmaßstäbe hat daher die durch nichts begründbare Konsequenz, dass sich beispielsweise der Betreiber eines innerstädtischen Imbissstandes, der unter das Gaststättengesetz fällt, eine Verunreinigung der Straße durch weggeworfenes Verpackungsmaterial nach anderen Grundsätzen soll zurechnen lassen müssen796 als der nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht zu behandelnde797 Glasflaschenverkäufer das beim Kölner Straßenkarneval durch weggeworfene Glasflaschen entstehende „Scherbenmeer“798. Wertungswidersprüche können sich außerdem insbesondere in Eilfällen ergeben, in denen die Generalklausel neben den Vorschriften des besonderen Gefahrenabwehrrechts zur Anwendung zu bringen ist.799 795
Schoch, POR, Rn. 100; zu der Reichweite der die Generalklausel verdrängenden Spezialermächtigungen s. a.a.O., Rn. 53 ff. 796 Der VGH München, BayVBl. 2010, 406 (410), verlangt lediglich einen „adäquaten Zusammenhang“ in dem Sinne, dass der Imbissstand „durch seine Gestaltung einen Anreiz“ für die Verunreinigung der Straße bieten müsse. Besonders undeutlich auch der VGH Mannheim, NJW 2005, 238 (238), der im Zusammenhang mit der Zurechnung von Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans zu dem Inhaber eines Kiosks, der Vollbier in Stadionnähe ausschenkt, im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG das Setzen einer „wesentlichen Ursache“ durch den Kioskbetreiber verlangt und daran allgemeine Erwägungen anschließt, nicht aber auf die Zweckveranlassung eingeht. 797 Zur fehlenden Erstreckung des Gaststättengesetzes auf derartige Verkaufsstände auf Volksfesten vgl. Metzner, GastG, § 1 Rn. 65. 798 Das OVG Münster, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 B 1476/10 –, juris, Rn. 5 ff., und GewArch 2012, 265 (266), bringt hier die Rechtsfigur der Zweckveranlassung mit dem Zurechnungsmerkmal der typischen Folge zur Anwendung, zustimmend Heckel, NVwZ 2012, 88 (91). 799 Schmidt/Kahl, § 4 Rn. 117, 145; bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen soll die ordnungsrechtliche Generalklausel nach verbreiteter Auffassung zudem gleichberechtigt neben dem immissionsschutzrechtlichen Instrumentarium anwendbar sein, Schmidt/Kahl, § 4 Rn. 145 f. m. w. N.
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In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Vereinheitlichung der für die Zurechnung von Drittverhalten geltenden Kriterien noch weiter gehen kann. Sie ist insbesondere nicht notwendig auf Tatbestände begrenzt ist, welche die Zurechenbarkeit gefährlichen Verhaltens Einzelner betreffen.800 Vielmehr bietet sich eine Übertragung auf sämtliche Fälle an, in denen an die Veranlassung Dritter zu einem bestimmten Verhalten rechtliche Folgen geknüpft sind. So ist beispielsweise kein Grund dafür erkennbar, warum nur die von den „Schaufensterfällen“ bekannte Verursachung von Ansammlungen, die den Verkehr behindern und von denen daher eine konkrete Gefahr ausgeht, nach polizeirechtlichen Zurechnungsgrundsätzen zu beurteilen sein soll. Die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze können vielmehr auch im Straßenrecht zur Anwendung gelangen, wenn zu klären ist, ob die sich vor einer Gaststätte bildende Menschenmenge eine erlaubnispflichtige Straßensondernutzung des Gastwirts darstellt.801 Die in dieser Arbeit gelieferte Begründung für die Anwendung der Zurechnungskriterien der äquivalenten Kausalität und subjektiven Vorhersehbarkeit – insbesondere der Gedanke der Selbstbestimmung – ist auf diese Konstellationen weitgehend übertragbar.802 Freilich ändert die hier angestrebte Vereinheitlichung nichts daran, dass es sinnvoll sein kann, die Umstände, die als Folge eines Verhaltens oder Sachzustands als grundsätzlich vorhersehbar angesehen werden können, bereichsspezifisch zu präzisieren. So mag im Immissionsschutz- und Gaststättenrecht an der Formel, wonach Fahrzeugverkehr zurechenbar ist, „sofern er sich innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar 800
Vgl. dazu auch noch I. I. Vgl. Ernst, DÖV 2011, 537 (543). A. A. VG Karlsruhe, Urteile vom 20. September 2011 – 4 K 2211/10 –, juris, Rn. 27, und 4 K 2737/10 –, juris, Rn. 27, s. dazu Fn. 57; Lenski, VerwArch 103 (2012), 533 (550 f.). 802 Der Einwand von Lenski, VerwArch 103 (2012), 533 (550), eine Übertragung polizeirechtlicher Zurechnungsgrundsätze auf das Straßenrecht scheide aus, weil es sich beim Straßenrecht nicht um besonderes Sicherheitsrecht, sondern um ein Teilgebiet des öffentlichen Sachenrechts handele, das „einer anderen Ordnungslogik“ folge, kann nicht überzeugen. Woraus es sich rechtfertigt, dass es im Straßenrecht auf das Bestehen einer „tatsächlichen Organisationsherrschaft“ über das Verhalten Dritter ankommen soll, die eine Handlung erfordert, welche sich – wie im Fall des Verkaufs von Getränken aus einem Gebäude hin zum Straßenland – „konkret als Nutzungshandlung gerade in Hinblick auf das Verhalten Dritter erweist“, begründet Lenski nicht. Die Fälle des VG Karlsruhe (Fn. 57) müsste sie mit ihrer Formel wohl anders als entschieden lösen. Insbesondere scheint die von Lenski vorgeschlagene Formel nicht zwischen Zurechnung des Verhaltens Dritter und der Frage, ob das zuzurechnende Verhalten tatsächlich als Sondernutzung zu qualifizieren ist, zu trennen. Zumutbarkeitserwägungen sollten zudem auch im Straßenrecht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (bei Anwendung des § 16 Abs. 2 und 8 StrG BW), nicht aber bereits auf Ebene der Zurechnung verarbeitet werden. Ebenso wenig verfängt der Einwand, die Übertragung polizeirechtlicher Zurechnungskriterien müsse ausscheiden, weil diese nicht die Zurechnung individuellen Verhaltens, sondern nur die der daraus resultierenden Gefahren beträfen (a.a.O., S. 550 f.). Wie im Polizeirecht die Verantwortlichkeit für eine Gefahr die Zurechnung des Verhaltens des Gefährders voraussetzt, bedarf es im Straßenrecht zur Verantwortlichkeit für eine Nutzung der Zurechnung des Verhaltens des Nutzers (zum Zurechnungsbegriff s. C. II. 1.). 801
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ist“803, durchaus als Konkretisierung dessen, was vorhersehbar ist, festgehalten werden. Auch kann, entsprechend der bislang geltenden immissionsschutzrechtlichen Doppelformel, der Missbrauch einer Anlage durch Dritte im Einzelfall – wenn auch nicht stets – weniger leicht vorherzusehen sein als deren bestimmungsgemäße Nutzung. Verfehlt wäre es allerdings, wenn an der bisherigen Ausdifferenzierung der Zurechnungskriterien festgehalten würde, um damit Zumutbarkeitserwägungen Rechnung zu tragen. Zurechenbarkeit und Zumutbarkeit sind auch im besonderen Gefahrenabwehrrecht zwei voneinander zu trennende Gesichtspunkte. Wo das Gesetz, anders als die polizeiliche Generalklausel, eine enge Rechtsfolge ohne Ermessensspielraum vorsieht, ist der Schutzbedürftigkeit des potentiellen Adressaten nicht durch eine Verschärfung der Zurechnungskriterien Rechnung zu tragen.804 Vielmehr ist einer übermäßigen Inanspruchnahme, etwa im Fall von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, der anders als die Generalklausel statt einer Verpflichtbarkeit eine strikte Verpflichtung ausspricht805, dadurch zu begegnen, dass die Rechtsfolge aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unter Umständen auf das verhältnismäßige Maß reduziert wird.806 803
Siehe Fn. 780. So aber Spießhofer, die den Adressaten nicht abstrakt, sondern stets im Kontext der konkreten Eingriffsermächtigung bestimmen will (S. 53 f.), und daher die immissionsschutzrechtlichen Zurechnungsgrundsätze als „verhältnismäßige Zuordnung der verfassungsrechtlich geschützten Positionen des Betreibers wie der Betroffenen“ (insbes. Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG) rekonstruiert (S. 141 f.). 805 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 1. Dafür, dass die Betreiberpflichten wie im allgemeinen Polizeirecht lediglich die Voraussetzungen einer Verpflichtbarkeit enthalten, allerdings Busse, VR 1998, 263 (264); Röckinghausen, UPR 1996, 50 (52); vor dem Hintergrund seiner Kritik am Verständnis der polizeirechtlichen Nichtstörungspflichten als „echte“ Rechtspflichten (vgl. D. IV. 4. c) bb) (1) mit Fn. 265) hält auch Dietlein, in: Landmann/Rohmer, UmwR, § 5 BImSchG Rn. 9, es für plausibel, die Grundpflichten des § 5 BImSchG als „,Pflichtigkeit‘ im Sinne einer ,Verpflichtbarkeit‘“ zu interpretieren. 806 Hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Schutzpflicht herrscht die Auffassung vor, es sei stets verhältnismäßig zu verlangen, dass eine Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen könne, weshalb der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für deren Reichweite keine Rolle spiele (Breuer, NVwZ 1990, 211 (213); Hoppe/Beckmann/Kauch, § 21 Rn. 56; Hansmann, in: Hansmann/Sellner, Kap. 6 Rn. 81; Kotulla, Umweltrecht, 3. Teil Rn. 30; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, UmwR, § 5 BImSchG Rn. 111; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 22). Zugleich ist aber die Tendenz zu beobachten, bereits die Zurechenbarkeit schädlicher Umwelteinwirkungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einzuschränken (so hinsichtlich „Bagatellimmissionen“ BVerwGE 119, 329 (333 f.); BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2009 – 7 B 47/08 –, juris, Rn. 9; OVG Münster, ZUR 2008, 492 (493); Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 D 6/08.AK –, juris, Rn. 160 ff.; Winter, S. 133; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, § 10 Rn. 148, 207; Koch, in: Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 79; Kotulla, in: Kotulla, BImSchG, § 5 Rn. 39; Dolde, in: FS Sellner, S. 238; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Nr. 4.2 TA Luft Rn. 21 ff.; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 17). Die hier vertretene Lösung dient dem Zweck des Immissionsschutzrechts, nämlich dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und anderen negativen Wirkungen (§ 1 BImSchG), besser als der Ausschluss der Zurechnung. Es gilt insoweit Ähnliches wie bei der Gefährdungsveranlassung im allgemeinen Polizei- und Ord804
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III. Die Veranlassung von Gegengewalt durch Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG Der Konflikt zwischen dem öffentlichen Interesse an der Inanspruchnahme eines Gefährdungsveranlassers und seinen Grundrechten tritt besonders deutlich im Versammlungsrecht zutage.807 Denn Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG dienen gerade auch dem Schutz der kollektiven Kundgabe provokanter Meinungen und solcher Verhaltensweisen, die eine wirksame Konfrontation des jeweiligen Adressatenkreises mit dem Anliegen der Versammlung gewährleisten sollen.808 Da Versammlungs- und Meinungsfreiheit zudem aufgrund ihrer Bedeutung für den öffentlichen Diskurs in einer demokratischen Gesellschaft als besonders hochrangige Grundrechte angesehen werden809, verwundert es nicht, dass die Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter im Versammlungsrecht auf Grundlage des „starken“ Verursachungsverständnisses nicht selten vollständig abgelehnt oder zum Schutz der Versammlungsfreiheit zumindest die Anwendung besonders strenger Zurechnungskriterien gefordert wird.810 Zu Letzterem neigt auch das Bundesverfassungsgericht.811 Es entnimmt Art. 8 GG, dass die Zurechnung von Gegengewalt zu einer Versammlung nur in Betracht komme, wenn sich die Veranlassung aus Begleitumständen der Versammlung ergebe, die über deren inhaltliche Ausrichtung nungsrecht (s. D. IV. 4. e)): Der Ausschluss einer an sich möglichen Zurechnung aufgrund von Zumutbarkeitserwägungen hätte zur Folge, dass die Möglichkeit, gegen den Betreiber wegen der betreffenden schädlichen Einwirkungen vorzugehen, versperrt wäre. Die Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG), die nur unterhalb der Gefahrenschwelle greift, vor allem zu dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen verpflichtet und zudem grundsätzlich keinen drittschützenden Charakter hat, kann diese Lücke nicht schließen. Die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist deshalb auf das verhältnismäßige Maß zu reduzieren, wenn die Verpflichtung zu ihrer strikten Erfüllung, aber auch die Versagung der Anlagengenehmigung (oder bei Vorliegen einer Genehmigung: die Untersagung des Betriebs) einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellen würde. Vgl. insoweit auch Petersen, S. 164: Dieser schlägt vor, den Begriff „nicht“ in der Formulierung „nicht hervorrufen können“ so auszulegen, dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht um jeden Preis, sondern nur insoweit vermieden werden müssen, als dies verhältnismäßig ist. Da die Vorschrift dadurch auf Fälle nicht angewandt wird, die sie ihrem strikten Wortlaut nach erfassen würde (zur teleologischen Reduktion s. allgemein K. Larenz, S. 391 ff.), ist dies ein Fall der verfassungskonformen Auslegung in Form der teleologischen Reduktion (s. dazu BVerfGE 88, 145 [166 ff.]; Hemke, S. 126 f.) 807 Siehe einleitend oben B. II. 3. 808 BVerfGE 124, 300 (334); Rühl, NVwZ 1988, 577 (578); Geis, Die Polizei 1993, 293 (297); Brenneisen, DÖV 2000, 275 (279); Werner, S. 95; Dörr, VerwArch 93 (2002), 485 (486); Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, K, Rn. 341. Dabei betrifft Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG den Schutz des Inhalts, Art. 8 Abs. 1 GG den der kollektiven Form der Meinungsäußerung (Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 8 Rn. 87). 809 BVerfGE 69, 315 (343 ff.); Dörr, VerwArch 93 (2002), 485 (487). 810 Siehe die Nachweise in Fn. 59 und 60. 811 BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); BVerfGK 8, 195 (201). A. Roth, VBlBW 2003, 41 (47), geht davon aus, dass die Zweckveranlassung bei Zugrundelegung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts „kaum je in Betracht kommen“ dürfte.
III. Die Veranlassung von Gegengewalt durch Versammlungen
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hinausgehen, namentlich aus Ort und Zeitpunkt der Versammlung.812 Ferner müssten „konkrete Anhaltspunkte“ dafür vorliegen, „dass der vom Veranstalter angegebene Zweck nur Vorwand und die Provokation von Gegengewalt das eigentliche vom Veranstalter ,objektiv‘ oder gar ,subjektiv‘ bezweckte Vorhaben“ sei.813 Auch wenn hier vom „objektiven Bezwecken“ die Rede ist, spricht doch – insbesondere wegen des weiteren Erfordernisses, der angegebene Versammlungszweck müsse „Vorwand“ sein – viel dafür, dass das Bundesverfassungsgericht einen auf Gegengewalt gerichteten Vorsatz als Voraussetzung der Gefährdungsveranlassung im Versammlungsrecht ansieht.814 Zu weit gehen dürfte es allerdings trotz des darauf hindeutenden Wortlauts, wenn der Entscheidung entnommen wird, es müsse sich bei der provozierenden Versammlung um eine „Scheinversammlung“ handeln, damit ihr die von Gegendemonstrationen ausgehenden Gefahren zugerechnet werden dürfen.815 Da der Versammlungsbegriff nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beinhaltet, dass die Teilnehmer das Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung verfolgen,816 wäre bei einer Scheinversammlung schon der Schutzbereich des Art. 8 GG nicht eröffnet817; die referierten Zurechnungsmaßstäbe sollen aber gerade für Versammlungen gelten.818 Infolge der hohen Grundrechtsrelevanz staatlichen Vorgehens gegenüber Demonstranten tritt im Versammlungsrecht besonders deutlich zu Tage, wie sehr der auf dem „starken Verursachungsverständnis“ basierende Umgang mit der Zweckveranlassung zu einer Zerfaserung der für die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter 812 BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); BVerfGK 8, 195 (201); dem folgend VGH Mannheim, NVwZ-RR 2011, 602 (604). 813 BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); dem folgend VGH München, Beschluss vom 30. April 2002 – 24 CS 02.1050 –, juris, Rn. 5; VGH Mannheim, VBlBW 2002, 383 (384); OVG Bautzen, Beschluss vom 2. Oktober 2004 – 3 BS 392/04 –, juris, Rn. 4, das „militant-provozierende Begleitumstände“ verlangt; VG Schleswig, Beschluss vom 27. März 2012 – 3 B 29/ 12 –, juris, Rn. 95. 814 Die durch das Bundesverfassungsgericht in NVwZ 2000, 1406 (1407), gebrauchte Formel ist widersprüchlich. Gegengewalt kann niemals ausschließlich objektiv bezweckt sein, wenn der Versammlungszweck zugleich nur ein Vorwand, also vorgeschoben ist, um die Absicht, Gegengewalt hervorzurufen, zu verdecken. Dass das Bundesverfassungsgericht die Absicht zur Störung für entscheidend hält, ergibt sich aus BVerfGK 8, 195 (200 f.), wo verlangt wird, dass „ein von der Anmeldung abweichender Verlauf beabsichtigt sein“ müsse. Für Relevanz des Vorsatzes bei der Gefährdungsveranlassung im Versammlungsrecht auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 11 M 2516/00 –, juris, Rn. 8; VG Oldenburg, Beschluss vom 2. April 2007 – 2 B 1144/07 –, juris, Rn. 31; wohl auch OVG Bautzen, Beschluss vom 2. Oktober 2004 – 3 BS 392/04 –, juris, Rn. 4; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 15 Rn. 40. 815 So VG Arnsberg, Beschluss vom 16. April 2009 – 3 L 192/09 –, juris, Rn. 26. 816 BVerfGE 104, 92 (104). 817 VG Hamburg, Urteil vom 6. Oktober 2010 – 20 VG 3276/99 –, juris, Rn. 86. 818 In BVerfGK 8, 195 (201), wird das „Vorwand“-Erfordernis dann auch nicht mehr erwähnt, sondern lediglich darauf abgestellt, dass sich die Provokation, an deren Annahme strenge Anforderungen zu stellen seien, aus besonderen, über die inhaltliche Ausrichtung der Versammlung hinausgehenden Umständen ergeben müsse.
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geltenden Grundsätze in verschiedenen Rechtsbereichen führt. Diese Zerfaserung hat nicht nur Unsicherheiten über die in dem jeweiligen Einzelgebiet geltenden Zurechnungskriterien zur Folge, sondern führt rechtsgebietsübergreifend zu dem Eindruck der Inhaltslosigkeit „der Zurechnung“ und der mangelnden Berechenbarkeit von Zurechnungsentscheidungen. Mit dem hier vertretenen Ansatz soll der Zurechnung ein dogmatischer Selbststand gegeben werden, indem die für die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter maßgeblichen Kriterien möglichst weit vom Einzelfall – das heißt im hier gegebenen Kontext: von den Vorgaben der Versammlungsfreiheit an die Inanspruchnahme des Gefährdungsveranlassers – abstrahiert werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter ausnahmslos von den in dieser Arbeit entwickelten Kriterien abhängen müsste: Zum einen steht es dem Gesetzgeber frei, die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter auszuschließen oder von den hier für maßgeblich erachteten Zurechnungskriterien abzuweichen, indem er strengere819 Anforderungen an die Zurechenbarkeit störenden Verhaltens Dritter stellt. Eine derartige spezielle gesetzliche Regelung der Gefährdungsveranlassung wird für das Versammlungsrecht teilweise dem § 5 Nr. 3 VersG820 entnommen. Gemäß § 5 Nr. 3 VersG kann eine in geschlossenen Räumen stattfindende Versammlung verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben. Diese Vorschrift wird zum Teil als eine den Rückgriff auf die Gefährdungsveranlassung für alle Versammlungsformen ausschließende Spezialregelung angesehen821; zum Teil wird aus ihr geschlossen, dass es für die Gefährdungsveranlassung im Versammlungsrecht insgesamt auf den Vorsatz, Gewalt hervorzurufen, ankomme822. Beide Interpretationen verkennen die Bedeutung des § 5 Nr. 3 VersG: Die Vorschrift bestimmt lediglich – in Konkretisierung des Friedlichkeitsgebots des Art. 8 Abs. 1 GG823 –, dass eine Versammlung schon dann als unfriedlich anzusehen ist und deshalb verboten werden kann, wenn der Veranstalter oder sein Anhang einen derartigen Verlauf beabsichtigen. Auf die Zurechnung gewaltsamen Verhaltens Dritter kommt es dafür nicht an. Vielmehr lässt § 5 Nr. 3 VersG es in zulässiger Konkretisierung der Vorgaben des
819
Eine Absenkung der hier vertretenen Zurechnungsvoraussetzungen ist allerdings wegen ihrer Verankerung in dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Selbstbestimmungsgrundsatz (s. F. III. 2.) nicht möglich. 820 Die Regelung findet Entsprechung in einigen der bestehenden Landesversammlungsgesetze, etwa in Art. 12 Abs. 1 Nr. 3 BayVersG, § 4 Nr. 3 SächsVersG; § 4 Nr. 3 VersG SachsAnh. 821 W.-R. Schenke, POR, Rn. 247. 822 T. Huber, BayVBl. 1994, 513 (515); so wohl auch Wobst/Ackermann, JA 2013, 916, 918. 823 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 8 Rn. 41; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 8 Rn. 82; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 5 Rn. 30, §13 Rn. 1.
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Art. 8 Abs. 1 GG824 als Zeichen der Unfriedlichkeit einer Versammlung genügen, dass der Veranstalter oder sein Anhang einen solchen Verlauf anstreben. Der Unterschied zur Gefährdungsveranlassung zeigt sich daran, dass es für die Bejahung der Voraussetzungen des § 5 Nr. 3 VersG nicht auf die Gefahr oder ein sonstiges Risiko störenden Drittverhaltens ankommt; der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn ein solches überhaupt nicht droht, sondern lediglich ein entsprechender Vorsatz des Veranstalters oder seines Anhangs festzustellen ist. Dass § 5 Nr. 3 VersG keine Regelung der Gefährdungsveranlassung enthält, ergibt sich des Weiteren aus einem Blick auf die ihm korrespondierende Vorschrift des § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VersG, in welchem von „Anstreben“ nicht die Rede ist. § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VersG macht es zur Voraussetzung der Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen, dass diese einen gewalttätigen Verlauf nimmt. Dass in § 5 Nr. 3 VersG im Unterschied hierzu auf das „Anstreben“ eines solchen Verlaufs abgestellt wird, erklärt sich allein aus der zeitlichen Dimension: § 5 VersG betrifft die Voraussetzung eines Versammlungsverbots, also einer Maßnahme, die im Vorfeld einer Versammlung ergeht. Deshalb konnte sinnvollerweise nicht wie in § 13 VersG, der die Auflösung einer – gegenwärtig stattfindenden – Versammlung regelt, auf den tatsächlichen gewalttätigen Verlauf, sondern nur auf das „Anstreben“ einen künftigen derartigen Verlaufs abgestellt werden. Fragen der Zurechnung des Verhaltens Dritter betrifft dies nicht. § 5 Nr. 3 VersG steht der Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Gefährdungsveranlassung auf das Versammlungsrecht mithin nicht entgegen. Im Zusammenhang mit Versammlungen in geschlossenen Räumen dürfte die Gefährdungsveranlassung allerdings keinen Anwendungsbereich haben. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen gegen die Beschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Freiheit zur Versammlung in geschlossenen Räumen unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungsveranlassung zwar keine grundsätzlichen Einwände. Denn auch wenn eine Versammlung selbst nicht dadurch im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG „unfriedlich“ wird, dass sie Außenstehende zu Gegengewalt veranlasst, kann eine Beschränkung wegen der Veranlassung von Gegengewalt doch durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. Jedoch scheitert die Anwendung der Gefährdungsveranlassung an der einfachrechtlichen Fassung des Versammlungsrechts. So gehen § 5 Nr. 3, § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VersG nicht auf die Gefahr störenden Verhaltens Dritter ein, sondern haben zur Voraussetzung, dass „die Versammlung“ einen gewalttätigen Verlauf nimmt oder ein solcher angestrebt wird.825 Auch den als systemwidrig und gegenstandslos erachteten826 § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 VersG, demzufolge eine Versammlung bei unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer 824 BVerfGE 69, 315 (360); BVerfG, LKV 2011, 77 (77 f.); Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 5 Rn. 30. 825 So wohl auch Götz, POR, § 9 Rn. 32. Die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Gefährdungsveranlassung auf Versammlungen in geschlossenen Räumen diskutieren hingegen T. Huber, BayVBl. 1994, 513 (514); Krüger, S. 105 f.; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 5 Rn. 39; § 13 Rn. 33. 826 Rühl, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, VersR, § 13 Rn. 17; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 13 Rn. 15.
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aufgelöst werden darf, wird man aus systematischen Gründen nur im Fall der Unfriedlichkeit der Versammlung selbst zur Anwendung bringen können. Im Ergebnis bleibt jedenfalls festzuhalten: § 5 Nr. 3 VersG regelt weder spezielle Voraussetzungen der Gefährdungsveranlassung durch Versammlungen in geschlossenen Räumen noch schließt er die Möglichkeit der Gefährdungsveranlassung durch Versammlungen aus, die unter freiem Himmel stattfinden.827 Zum anderen ist es auch dann, wenn keine spezielle, die Zurechnung betreffende gesetzliche Regelung vorliegt, denkbar, dass die Zurechenbarkeit von Drittverhalten ausscheidet. Das erscheint dann möglich, wenn der Veranlasser ein Verhalten an den Tag legt, zu dem er gerade in Hinblick auf die durch dieses verursachte Gefahr „befugt“ ist. Unabhängig von der Frage, ob das Vorliegen einer solchen Befugnis die Zurechnung tatsächlich hindert828, ist eine solche in der hier in Rede stehenden versammlungsrechtlichen Konstellation aber jedenfalls nicht gegeben.829 Die Versammlungsfreiheit schützt zwar auch provokantes Verhalten, enthält aber nicht die uneingeschränkte Erlaubnis, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Veranlassung Dritter zu störendem Verhalten zu gefährden. Inwieweit eine Versammlung trotz der Veranlassung Dritter zu störendem Verhalten uneingeschränkt stattfinden darf, kann vielmehr nur durch eine – nicht die Zurechnungsentscheidung, sondern die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme betreffende – Abwägung im Einzelfall ermittelt werden.830 Der Übertragung des in dieser Arbeit vorgeschlagenen Zurechnungskriteriums auf die Zurechnung des Verhaltens Dritter im Versammlungsrecht steht mithin nichts entgegen. Dem Veranstalter und den Teilnehmern einer Versammlung sind Störungen Dritter zuzurechnen, die in subjektiv vorhersehbarer Weise durch ihr Verhalten verursacht werden.831 Dies bedeutet eine deutliche Ausweitung der Zurechenbarkeit von Gegengewalt zu Versammlungen gegenüber der bisherigen Handhabung. Im Rahmen der auf die konkrete Maßnahme bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung wird der Umfang zulässiger Eingriffe durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit allerdings erheblich eingeschränkt. In Einklang mit den durch das 827 Im Ergebnis ebenso Widder, S. 91 f. Die Rechtsfigur der Gefährdungsveranlassung ist im Versammlungsrecht auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Provokation Dritter schon ohne Zurechnung des Verhaltens Dritter zur Begründung der Verhaltensverantwortlichkeit der Versammlungsteilnehmer ausreichen würde, so aber ohne Begründung Behmenburg, NJ 2005, 92; ähnlich Breitbach/Deiseroth/Rühl, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, VersR, § 15 Rn. 139; das bei Breitbach/Deiseroth/Rühl als Beleg angeführte Urteil des VG Minden, NVwZ 1988, 663 ff., betrifft gerade einen Fall, in dem trotz Provokation auf die Zweckveranlassung zurückgegriffen wurde. 828 Siehe dazu oben D. IV. 4. h). 829 A. A., allerdings auf Grundlage eines anderen Verständnisses von „Befugnis“ (s. bei und in Fn. 343), Enders, Jura 2003, 103 (108). 830 Zu den für diese geltenden Maßstäben s. sogleich. 831 Die Zurechenbarkeit von Gewalttätigkeiten Dritter wird daher häufig zu bejahen sein, vgl. T. Huber, in: BayVBl. 1994, 513 (516).
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BVerfG832 aufgestellten Leitlinien gilt, dass ein staatliches Einschreiten gegen eine selbst friedliche, Dritte allein durch ihre zulässige833 inhaltliche Ausrichtung zu störendem Verhalten veranlassende Versammlung ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des polizeilichen Notstands als ein unangemessen schwerer Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG anzusehen ist. Einen anderen Ausgang kann die Verhältnismäßigkeitsprüfung aber bei der Provokation von Gegengewalt durch Begleitumstände der Versammlung nehmen, die nicht notwendigerweise ebenso schutzwürdig wie deren Inhalt sind.834 Hier kann die Inanspruchnahme in Abhängigkeit von der Bedeutung der provozierenden Begleitumstände für den Versammlungszweck und dem Ausmaß der drohenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verhältnismäßig sein, ohne dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt sind.835 In aller Regel nicht von entscheidender Bedeutung für den Ausgang der Abwägung ist dabei, dass die Störung durch Dritte sich – im Unterschied zu den meisten Fällen der Gefährdungsveranlassung – auch gegen das veranlassende Verhalten selbst richtet, dass die
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Siehe Fn. 812. Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1999, 991 (993). Anderes gilt, wenn die Provokation durch verbotene Inhalte erfolgt, etwa solche, die den Tatbestand des § 130 StGB (Volksverhetzung), § 185 StGB (Beleidigung) oder, was in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit der Vorführung islamfeindlicher Videos aktuell geworden ist (s. FAZ vom 18. September 2012, S. 1 f. – „Merkel gegen öffentliche Vorführung des islamfeindlichen Films“), § 166 StGB (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen), erfüllen. In diesem Fall kann gegen die Versammlungsteilnehmer zwar bereits wegen ihres rechtswidrigen Verhaltens vorgegangen werden. Das zusätzliche öffentliche Interesse an der Abwehr der von dem zurechenbaren Drittverhalten ausgehenden Gefahren vermag die gegenüber den Versammlungsteilnehmern bestehende Eingriffsschwelle hier aber noch weiter abzusenken (s. zu diesem Zusammenhang oben E. II. 1.). 834 Auch insoweit sind allerdings strenge Maßstäbe anzulegen, vgl. BVerfGK 7, 221 (226 f.); 8, 195 (201). 835 Für einen solchen Fall siehe, wenn auch schon recht weitgehend, OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 ff., und den Beispielsfall unten bei Fn. 844. A. A. Muckel, DÖV 1998, 18 (21). Wenn Behmenburg, in: NJ 2005, 92, annimmt, in den hier ins Auge gefassten Fällen seien die Demonstranten „bereits Handlungsstörer“, weshalb „die Konstruktion der Zweckveranlassung jedenfalls im Versammlungsrecht überflüssig“ sei, wurzelt dies offenbar in der irrigen Annahme der Vertreter der Rechtswidrigkeitslehre, Fragen der Zurechnung des Verhaltens Dritter spielten für sie keine Rolle. Zu dem die Zurechnungsproblematik verdeckenden Umgang der Rechtswidrigkeitslehre mit Gefährdungsveranlassungskonstellationen s. E. I. mit Fn. 383. Unzutreffend ist auch die Auffassung von Widder, S. 93, der offenbar davon ausgeht, nach dem hier vertretenen Ansatz komme eine Inanspruchnahme nur in Fällen in Betracht, in denen die Versammlung nicht „friedlich“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sei und deshalb – unabhängig von Erwägungen zur Zweckveranlassung – auf Grundlage von §§ 18, 13 Nr. 2 VersG (sic) aufgelöst werden dürfe. An die Unfriedlichkeit einer Versammlung sind sehr hohe Anforderungen zu stellen (BVerfGE 73, 206, 248 f.; Hoffmann-Riem, in: AK-GG, Art. 8 Rn. 22 ff. m. w. N.); die Inanspruchnahme einer Versammlung aus Gründen der Gefahrenabwehr setzt deren Erfüllung nicht voraus. 833
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Demonstranten also nicht nur Störer, sondern auch „Gestörte“ sind.836 Insoweit ist allerdings zu beachten, dass es grundsätzlich nicht als Rechtfertigung für die Inanspruchnahme eines Veranlassers dienen kann, dass er die Gefahr einer Verletzung seiner eigenen Rechtsgüter verursacht.837 Selbstgefährdung ist als Ausübung des durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts grundrechtlich geschützt.838 Die Schutzbedürftigkeit der gefährdeten Rechtsposition des Veranlassers kann das öffentliche Interesse daran, die Gefahr durch seine Inanspruchnahme abzuwehren, nicht begründen oder verstärken.839 Bei einem gewaltsamen Zusammentreffen von Versammlung und Gegendemonstration stehen jedoch nicht nur Gefahren für individuelle Rechtspositionen der veranlassenden Versammlungsteilnehmer in Rede. Vielmehr drohen in einer solchen Situation regelmäßig die Verletzung von Straftatbeständen840, an deren Verhinderung ein öffentliches Interesse besteht, sowie Gefahren für die körperliche Unversehrtheit Unbeteiligter und Sachbeschädigungen. Auch wird bei einem Angriff von Gegendemonstranten im Einzelfall, je nach Ausrichtung der veranlassenden Versammlung, auch die Gefahr gewaltsamer Exzesse aus der friedlichen Versammlung heraus bestehen. Diese
836 A. A. Götz, POR, § 9 Rn. 15 ff., der eine Inanspruchnahme der angegriffenen Versammlung ablehnt; auch Widder, S. 89 ff., ordnet die Gegendemonstrationsfälle in die Fallgruppe des „gestörten“ Veranlassers ein, wobei allerdings nicht deutlich wird, welche Schlüsse er daraus zieht. 837 Sind ausschließlich individuelle Rechtsgüter des sich selbst Gefährdenden betroffen, fehlt es grundsätzlich schon an einer polizeirechtlich relevanten Gefahr, Schoch, POR, Rn. 121. 838 BVerfG, NJW 1999, 3399 (3401); BVerwGE 82, 45 (48 f.); Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 115 f.; Kugelmann, Kap. 5 Rn. 62; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 8 Rn. 27; Schoch, POR, Rn. 121. 839 Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 118 ff. Nur in Ausnahmefällen muss das Recht zur Selbstgefährdung hinter das Interesse am fürsorglichen Schutz durch den Staat zurücktreten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gefährdete nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, über seinen Willen frei zu bestimmen (BVerfGE 58, 208 [225 ff.]; BVerwGE 82, 45 [49]; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 121 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem in Fällen, die Geschlechtsumwandlungen (BVerfGE 60, 123) und Organspenden (BVerfG, NJW 1999, 3399 ff.) betrafen, anerkannt, dass es „grundsätzlich ein legitimes Gemeinwohlanliegen [ist], Menschen davor zu bewahren, sich selbst leichtfertig einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen“ (BVerfG, NJW 2012, 1062 [1063]) Dieses soll aber nur in „besonders gravierenden Fällen“ einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit rechtfertigen können (BVerfG, a.a.O., S. 1064). Im versammlungsrechtlichen Kontext ist für derartige Ausnahmefälle nichts ersichtlich. 840 Soweit der durch den Dritten erfüllte Straftatbestand – etwa § 223 StGB – dem Schutz des Angegriffenen dient, ist im Rahmen der vor Inanspruchnahme des Angegriffenen vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung wegen der Zulässigkeit der Selbstgefährdung ein „Abzug“ von dem Interesse an der Verhinderung der Straftat zu machen. In die Waagschale geworfen werden kann nur das öffentliche, nicht das individuelle (Schutz-)Interesse an der Verhinderung der Straftat. Ähnlich Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 163 ff. Siehe ferner unten H. V. 2. b).
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Gesichtspunkte sind grundsätzlich geeignet, die Inanspruchnahme der Ausgangsversammlung wegen der Veranlassung von Gegengewalt zu rechtfertigen.841 Als Beispiel für eine Konstellation, in der die sich versammelnden Personen als Gefährdungsveranlasser in Anspruch genommen werden können, kann der Fall eines Aufzugs dienen, der durch ein Gebiet führt, in welchem – sei es auch nur im Einzelfall – die unmittelbare Gefahr besteht, dass er auf Gewalt aus einer Gegenveranstaltung stoßen wird, ohne dies zu beabsichtigen und ohne dass die gewählte Route in innerem Zusammenhang mit dem Zweck der Kundgebung stünde. Hier muss eine Änderung der Wegstrecke verfügt werden können, ohne dass – was widersinnig erschiene – ein sog. „echter“ polizeilicher Notstand vorzuliegen braucht, in dem der Schutz des Aufzugs unter Aufbietung aller verfügbaren Polizeikräfte nicht gewährleistet werden kann842, oder auch nur die Voraussetzungen eines sog. „unechten“ polizeilichen Notstands erfüllt zu sein brauchen, von dem dann gesprochen wird, wenn alle verhältnismäßigen Maßnahmen zur Abwehr der durch Dritte verursachten Gefahren nicht ausreichen843.844 An diesem Beispiel zeigt sich zugleich, dass das vom Bundesverfassungsgericht favorisierte, aus Art. 8 GG extrahierte Zurechnungskriterium, wonach die sich Versammelnden die Absicht hegen müssten, Gegengewalt hervorzurufen, zu unflexibel ist und nicht immer zu angemessenen Ergebnisse führt.845 Dass ein be841 Vgl. deutlich VGH Mannheim, NJW 1998, 2235, und Urteil vom 22. Juli 2004 – 1 S 410/ 03 –, juris, Rn. 39: „[D]as innerhalb bestimmter Grenzen anzuerkennende Recht auf Selbstgefährdung kann einem staatlichen Verbot nur dann entgegengehalten werden, wenn mit der betreffenden Tätigkeit nicht zugleich eine Gefahr für andere Personen verbunden ist“; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 162 ff. 842 Zu den strengen Anforderungen an das Vorliegen eines „echten“ polizeilichen Notstands vgl. Hettich, Rn. 176. 843 Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des „unechten“ polizeilichen Notstands spielt es keine Rolle, ob die friedliche Versammlung durch Maßnahmen nur geringfügig beeinträchtigt würde (VGH Mannheim, NVwZ 1987, 237 [238 f.]). Relevant ist allein das Verhältnis zwischen dem Schaden, der den Gegendemonstranten durch ihre Inanspruchnahme entstehen würde, und der abzuwehrenden Gefahr. Ein unechter Notstand soll voraussetzen, dass bei einem Vorgehen gegen die Gegendemonstranten mit höchster Wahrscheinlichkeit schwerwiegende gewaltsame Auseinandersetzungen mit Schwerstverletzten oder Toten zu erwarten sind (Breitbach/Deiseroth/Rühl, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, VersR, § 15 Rn. 141 ff.; Hettich, Rn. 178; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 1 Rn. 257). 844 Das Bundesverfassungsgericht, NJW 2000, 3053 (3056), betont, dass die Versammlungsbehörde stets zu prüfen hat, „ob ein polizeilicher Notstand durch Modifikation der Versammlungsmodalitäten entfallen kann“. Dies setzt nach seiner Rechtsprechung aber voraus, dass die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorliegen (A. Roth, VBlBW 2003, 41 [47 ff.]). Missverständlich Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 8 Rn. 103, demzufolge nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein „drohender polizeilicher Notstand durch […] Auflagen für die Ausgangsversammlung verhindert werden“ darf. 845 So auch T. Huber, BayVBl. 1994, 513 (516 f.). Er will die durch das – auch von ihm favorisierte – subjektive Verständnis der Gefährdungsveranlassung im Versammlungsrecht entstehende Lücke schließen, indem er die Inanspruchnahme friedlicher Versammlungen im Fall unvorsätzlicher Provokation zu Gegengewalt auf die Verletzung von (Verkehrssiche-
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hördliches Einschreiten in dem geschilderten Fall unterhalb der Schwelle des polizeilichen Notstands nur dann zulässig sein soll, wenn die Demonstranten die Absicht hegen, Gegengewalt hervorzurufen, lässt sich durch nichts begründen. Gleiches gilt für die Forderung, dass es sich bei dem störenden Verhalten Dritter um eine „objektiv typische Folge“846 der Versammlung handeln müsse. Bei alldem ist aber zu beachten, dass auch Begleitumstände wie der Versammlungsort – etwa das Interesse daran, nicht am Ortsrand, sondern in einer Innenstadt zu demonstrieren847 oder einen mit dem Versammlungsthema in Beziehung stehenden Demonstrationsort zu wählen – nicht selten so hoch zu bewerten sind, dass eine Einschränkung in Bezug auf diese nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands in Betracht kommt. Zudem ist in die Angemessenheitsprüfung auch das Interesse der zuerst geplanten Versammlung einzustellen, ihr Vorhaben unbeeinträchtigt zu verwirklichen.848 Der durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellte Leitsatz, dass Personen, die von ihrer Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, wegen der von Gegendemonstranten ausgehenden Gefahren grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands herangezogen werden dürfen849, behält daher auch bei Anwendung der hier vorgeschlagenen Verfahrensweise weitgehend Geltung. Die Figur der Gefährdungsveranlassung erlaubt aber im Einzelfall die sachgerechte Durchbrechung dieses Grundsatzes.850 Die für die versammlungsrechtliche Primärebene maßgebliche Zurechnungskonstruktion wirkt sich entsprechend den obigen Ausführungen zur Gefährdungsveranlassung durch Großveranstaltungen851 auch auf die rechtlichen Möglichkeiten zur Gebührenerhebung im versammlungsrechtlichen Kontext aus. Dem durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz, wonach dem Veranstalter oder Leiter einer Versammlung „gebührenrechtlich nicht Gefahrentatbestände zugerechnet werden [dürfen], die nicht von ihm, sondern – wenn auch im Zusammenhang oder in Folge der konkreten Versammlung – eigenständig durch Dritte unter Einschluss von Versammlungsteilnehmern geschaffen werden“852, womit das Gericht rungspflichten ähnlichen) Organisationspflichten stützt. In der Sache nähert er sich damit der hier vertretenen Auffassung an, da er die Verletzung von Organisationspflichten offenbar schon dann ins Auge fasst, wenn Modalitäten der Versammlung in vorhersehbarer Weise störendes Verhalten Dritter veranlassen können. Dieser komplizierte Umweg über unbestimmte und in ihrer Herleitung unklare Pflichtenkonstruktionen ist entbehrlich (s. dazu allgemein D. IV. 4. c) bb) (2), und zur Ableitung des Vorhersehbarkeitskriteriums aus „Allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten“ Fn. 484). 846 Rückgriff auf die „objektive Theorie“ bei OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 (639). 847 Siehe dazu BVerfGK 11, 361 (365 f.). 848 Zum Prioritätsgrundsatz und seiner Reichweite s. BVerfGK 6, 104 (112 f.). 849 BVerfGE 69, 315 (360 f.); BVerfG, NVwZ 2000, 1406 (1407); NVwZ 2006, 1049 (1049 f.); NVwZ-RR 2010, 625 (626). 850 Ähnlich wie hier Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn. 28. 851 H. I. 3. b). 852 BVerfG, NVwZ 2008, 414 (414 f.).
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die individuelle Zurechenbarkeit von Drittverhalten im Gebührenrecht anders als auf versammlungsrechtlicher Primärebene offenbar853 vollständig ausschließt, kann nicht gefolgt werden.854 Vielmehr sind in subjektiv vorhersehbarer Weise verursachte Störungen Dritter einer Versammlung auch gebührenrechtlich zuzurechnen.855 Die entscheidende Grenze der Gebührenerhebung bildet das Erfordernis ihrer Verhältnismäßigkeit im Einzelfall, die voraussetzt, dass sie zur Finanzierung einer hoheitlichen Maßnahme erfolgt, die dem Schutz eines gegenüber der Versammlungsfreiheit höherrangigen Rechtsguts dient.856 Insbesondere darf die drohende Belastung mit einer Gebühr nicht von dem Gebrauch der Versammlungsfreiheit abhalten.857 Die Gebührenerhebung im Fall der Veranlassung Dritter zur Schaffung von Gefahrentatbeständen deshalb kategorisch als unverhältnismäßig anzusehen,858 ist aber zu pauschal. Im Einzelfall ist es durchaus denkbar, dass Demonstranten – insbesondere, wenn ein starker Zurechnungszusammenhang vorliegt859 und sie sich gegenüber der Versammlungsbehörde nicht kooperativ gezeigt haben860 – mäßige861 Gebühren für Maßnahmen auferlegt werden, die der Abwehr durch sie veranlasster gefährlicher Handlungen Dritter dienen. So kann es in dem oben geschilderten Beispielsfall der Routenverlegung sachgerecht sein, den Veranstalter mit einer Gebühr für den Erlass der versammlungsrechtlichen Auflage zu belasten, wenn er es billigend in Kauf nahm, Gegengewalt zu provozieren.
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Siehe aber noch Fn. 855. Für eine versammlungsfreundliche Modifikation der polizeirechtlichen Grundsätze zur Verhaltensverantwortlichkeit bei der gebührenrechtlichen Zurechnung im Versammlungsrecht aber auch Fuerst, ZJS 2009, 574 (576 f.). 855 Dies lässt sich auch mit der soeben zitierten Rechtsprechung des BVerfG in Einklang bringen, wenn man diese, was allerdings zweifelhaft erscheint, mit Ernst, DÖV 2011, 537 (544), so begreift, dass es an der erforderlichen „Eigenständigkeit“ des Dritten zumindest dann fehlt, wenn die Voraussetzungen der Gefährdungsveranlassung (Ernst, a.a.O., greift auf die „objektive“ und „subjektive“ Theorie zurück) erfüllt sind. Zur Parallelität von gefahrenabwehrrechtlicher und gebührenrechtlicher Zurechenbarkeit s. H. I. 3. b). 856 BVerfG, NVwZ 2008, 414 (414). 857 BVerfG, NVwZ 2008, 414 (414); Braun, S. 113. 858 So offenbar BVerfG, NVwZ 2008, 414 (414 f.); OVG Koblenz, NVwZ 2007, 236 (237 f.); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2009, 329 (330). Grundsätzlich gegen die Verhältnismäßigkeit der Gebührenerhebung für den Erlass versammlungsrechtlicher Auflagen im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG VG Karlsruhe, Urteil vom 23. März 2007 – 2 K 1163/05 –, juris, Rn. 17 ff. m. w. N.; Kaiser, VBlBW 2010, 53 (56). 859 Zu dem Beitrag, den ein im Einzelfall besonders starker Zurechnungszusammenhang zur Zumutbarkeit von Eingriffen leisten kann, s. D. IV. 4. f) dd) (1) (a). 860 Vgl. Greve/Quast, NVwZ 2009, 500 (502). Freilich kann mangelnde Kooperation allein keinesfalls die Gebührenerhebung rechtfertigen; sie hat lediglich eine die Eingriffsschwelle absenkende Wirkung, vgl. Fuerst, ZJS 2009, 574 (577). Allgemein zur Bedeutung der Kooperationsobliegenheit im Versammlungsrecht Hoffmann-Riem, in: FS Simon, S. 379 ff. 861 Greve/Quast, NVwZ 2009, 500 (502), halten eine Gebührenhöhe von bis zu 500 E für verfassungsrechtlich unbedenklich. 854
200
H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
Darüber hinaus gelten die hier aufgestellten Zurechnungsgrundsätze nicht nur im Verhältnis der Demonstranten zu Dritten, sondern auch für Zurechnungsfragen innerhalb der Versammlung.862 Eine Rolle spielt dies beispielsweise für die Zurechnung von durch die Teilnehmer einer Versammlung verursachten Straßenverunreinigungen zu deren Veranstalter.863 Wenn und soweit der Anfall von Abfällen für den Veranstalter vorhersehbar war, ist dieser ihm zurechenbar.864 Die Zurechenbarkeit wird daher jedenfalls bei Großdemonstrationen – unabhängig davon, ob der Veranstalter selbst, etwa durch das Verteilen von Flugblättern, einen Beitrag zu den Verunreinigungen leistet oder ob es sich bei den Verschmutzungen um die „üblichen Nachlässigkeiten von Straßenbenutzern handelt, die lediglich wegen der Konzentration vieler Demonstranten eine besondere Reinigung erforderlich machen“865 – so gut wie stets zu bejahen sein. Die wesentliche Grenze für die Begründung von Straßenreinigungspflichten oder einer entsprechenden Kostenlast866 bildet daher nicht die Zurechenbarkeit der Müllentstehung, sondern die Verhältnismäßigkeit der Auferlegung solcher Pflichten. Die sich insoweit stellende schwierige Frage, ob die Pflicht zur Straßenreinigung in mit Art. 8 Abs. 1 GG unvereinbarer Weise von der Veranstaltung einer Versammlung abschreckt867, ist mithin nicht bei der Anwendung undeutlicher gefahrenabwehrrechtlicher Zurechnungslehren wie der Unmittelbarkeitstheorie zu lösen, sondern im Wege einer transparenten, auf den Einzelfall bezogenen Argumentation im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Jedenfalls soweit einer Versammlung ein auch kommerzielles Gepräge zukommt868, 862
Vgl. Ernst, DÖV 2011, 537 (543). Nicht in den hiesigen Kontext passt hingegen die Frage, wann alle Teilnehmer einer Versammlung wegen Unfriedlichkeiten Einzelner mangels „Friedlichkeit“ der Versammlung den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG verlieren. Es geht dabei um die Bewertung der Versammlung als Kollektivphänomen, nicht um die Zurechnung des Verhaltens einer Person zu einer anderen aufgrund Veranlassung, vgl. Geis, Die Polizei 1993, 293 (296); Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 95. 863 Die Straßenreinigungspflicht kann zwar nicht auf die Versammlungsgesetze gestützt werden, die nur das Stadium der „Durchführung“ einer Versammlung betreffen (vgl. § 15 Abs. 1 VersG). Eine Grundlage kann sie aber in den allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetzen finden. Sie kann sich auch aus den in den Straßengesetzen vorgesehenen Reinigungspflichten (etwa § 42 S. 1 StrG BW) ergeben, wobei insoweit mangels abweichender Regelungen die allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätze zur Verhaltensverantwortlichkeit zur Anwendung gelangen (Lorenz/Will, StrG BW, § 42 Rn. 15; Neumann, NVwZ 2011, 1171 [1176]). Siehe zum Ganzen Brohm, JZ 1989, 324 (329 ff.). 864 Der Versammlungsleiter kommt hingegen mangels Leistung eines kausalen Beitrags nicht als Gefährdungsveranlasser in Betracht, so auch BVerwGE 80, 164 (168 f.). 865 Brohm, JZ 1989, 324 (331). Siehe ferner Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn. 54; Neumann, NVwZ 2011, 1171 (1176); Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn. 28, die eine Zurechnung in diesem Fall nicht für gerechtfertigt halten; offengelassen von BVerwGE 80, 158 (162); 164 (169). 866 Siehe § 42 S. 2 StrG BW. 867 Verneinend BVerwGE 80, 158 (161). 868 Zu der Maßgeblichkeit des „Gesamtgepräges“ einer Veranstaltung mit gemischter Zwecksetzung für ihre Einordnung als Versammlung s. BVerwGE 129, 42 (47 ff.); VGH Mannheim, VBlBW 2010, 468 (470); vgl. auch BVerfG, NJW 2001, 2459 (2459 ff.).
IV. Facebook-Partys und Flashmobs
201
ist davon auszugehen, dass die Auferlegung einer Straßenreinigungs- oder Kostentragungspflicht zumutbar ist.869
IV. Facebook-Partys und Flashmobs Die Gefährdungsveranlassung ist auch im Zusammenhang mit der Veranstaltung von sogenannten Facebook-Partys und Flashmobs relevant.870
1. Zurechnung Auch insoweit hängt die gefahrenabwehrrechtliche Zurechnung störenden Verhaltens Dritter von den oben entwickelten Zurechnungsgrundsätzen ab.871 Dass es sich bei Facebook-Partys und Flashmobs um Phänomene handelt, deren Entstehung auf die Entwicklung und zunehmende Nutzung moderner Kommunikationswege wie das Internet zurückgeht, rechtfertigt nicht die Anwendung spezieller Zurechnungskriterien. Zwar ermöglicht es die Verfügbarkeit moderner Kommunikationsmittel wie Internet und Mobilfunk jedermann, einer Information mit vergleichsweise geringem Aufwand eine erhebliche Breitenwirkung zu verschaffen. Die Komplexität moderner Informationsflüsse und die praktische Unmöglichkeit, eine einmal in die Welt gesetzte Information wieder „einzufangen“872, rechtfertigt es jedoch nicht, in diesem Lebensbereich engere Kriterien an die Zurechnung von aus der Verbreitung der Information resultierenden Gefahren anzulegen als üblich.873 Angesichts der starken Wirkungen, die durch ihre Nutzung erzielt werden können, und des Umstands, dass die Kommunikation über neuartige Kanäle lediglich an die Stelle 869 Deutelmoser, NVwZ 1999, 240 (243); Wiefelspütz, DÖV 2001, 21 (24 f.). Zu formal ist hingegen die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 80, 158 [161]), wonach schon kein Konflikt mit der Versammlungsfreiheit besteht, da die Straßenreinigungs- und Kostenerstattungspflicht das Recht zur Durchführung einer Versammlung nicht in Frage stelle. 870 Siehe einleitend oben B. II. 4. 871 Im hier gesteckten Rahmen kann nicht auf alle gefahrenabwehrrechtlichen Probleme von Facebook-Partys und Flashmobs eingegangen werden. Verzichtet werden soll insbesondere auf eine genauere Betrachtung der mit der hiesigen Problematik in Zusammenhang stehenden Frage, ob der Initiator einer solchen Veranstaltung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis bedarf und inwieweit ihn Anmelde- und Erlaubnispflichten, etwa nach § 29 Abs. 2 StVO oder § 19 BayLStVG, treffen. Zur Beantwortung der sich im Rahmen dieser Tatbestände stellenden Zurechnungsfragen bieten sich die hier entwickelten Zurechnungsgrundsätze aber ebenfalls an (zur Sondernutzungserlaubnis s. bereits H. II. bei und in Fn. 802, dazu näher Neumann, NVwZ 2011, 1071 [1074 ff.]; Lenski, VerwArch 103 [2012], 539 [549 ff.]. Dazu, dass „Veranstalter“ im Sinne von § 29 Abs. 2 StVO auch der Veranlasser sein kann, s. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2011, 286). 872 Vgl. hierzu Ernst, DÖV 2011, 537 (543) m. w. N. 873 So aber tendenziell Ernst, DÖV 2011, 537 (543 f.).
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
„klassischer“ Kommunikationsformen tritt, ist es vielmehr gerechtfertigt, verantwortungsvolles Handeln auch und gerade im Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln vorauszusetzen.874 a) Zurechnung zum Einladenden Ein gefährliches Verhalten, das Dritte an den Erhalt einer Information knüpfen, ist daher demjenigen zurechenbar, der die Information veröffentlicht hat, soweit er das Drittverhalten subjektiv vorhersehen konnte. Die Vorhersehbarkeit störenden Verhaltens Dritter ist dabei allerdings nicht etwa bereits deshalb zu bejahen, weil Informationen über das Internet oder sonstige moderne Kanäle übermittelt werden. Dies gilt auch für die hier in Rede stehenden gefahrverursachenden Massenansammlungen. Deren Entstehung ist in aller Regel nur vorhersehbar, wenn eine Information, insbesondere der Hinweis auf bestimmte Veranstaltungen, in einer Form zugänglich gemacht wird, die gerade von der Breitenwirkung des Kommunikationsmittels Gebrauch macht.875 Dies ist einerseits dann anzunehmen, wenn jedermann die Information abrufen kann. Das kann beispielsweise bei der Einladung zu einer „öffentlichen“ Veranstaltung876 in einem sozialen Netzwerk oder der Bekanntmachung der Veranstaltung in einem frei zugänglichen Webforum der Fall sein. Andererseits kommt die Zurechnung auch dann in Betracht, wenn ein zwar begrenzter, aber besonders großer Personenkreis – etwa durch das Versenden von Einladungen an hunderte bis tausende von Kontakten in einem sozialen Netzwerk oder einer Vielzahl von SMS – informiert wird. In all diesen Fällen steht der Zurechenbarkeit auch nicht entgegen, dass Dritte die Information aufgreifen, diese – aufgefordert oder unaufgefordert – weiterverbreiten und sie erst dadurch dem Personenkreis erschließen, der hieran gefährliches Verhalten knüpft.877 Es handelt sich dann lediglich um einen Fall der „Kettenveranlassung“: Das Dazwischentreten mehrerer Personen, die aufeinander aufbauende Kausalbeiträge zur Gefahrentstehung leisten, hindert die Zurechenbarkeit der Gefahr nicht, soweit der „Hintermann“ die Veranlassung der gefährlichen Situation vorhersehen kann. Sein Verursachungsbeitrag kann mithin durch mehrere Verursacher „hindurch“ wirken. Ob auch die dazwischentretenden Personen die Veranlassung gefährlichen Drittverhaltens durch ihr Handeln vorhersehen können, ist dabei ohne Belang.878 Wird hingegen nur ein überschaubarer 874
Im Ergebnis ebenso Lenski, VerwArch 103 (2012), 539 (541, 554 f.). Ähnlich Ernst, DÖV 2011, 537 (544). 876 Soziale Netzwerke im Internet bieten üblicherweise zwei Arten der Einladung zu Veranstaltungen an: Einerseits kann zu einer Veranstaltung „öffentlich“ eingeladen werden, so dass jeder Internet-User oder zumindest jedes der nicht selten in die Millionen gehenden Mitglieder des sozialen Netzwerks die Einladung sehen und darauf reagieren kann. Andererseits besteht die Möglichkeit, Einladungen nur bestimmten Mitgliedern des jeweiligen sozialen Netzwerks zugänglich zu machen. 877 A. A. Ernst, DÖV 2011, 537 (544). 878 Siehe dazu Fn. 912. 875
IV. Facebook-Partys und Flashmobs
203
Personenkreis angesprochen – etwa die Kontakte in einem sozialen Netzwerk, die dem Einladenden auch persönlich bekannt sind –, ist mit einer übermäßig weiten, gefahrträchtigen Verbreitung der Information in aller Regel nicht zu rechnen. Inwieweit die Entstehung einer Gefahr durch das Verhalten Dritter vorhersehbar ist, hängt darüber hinaus auch von der Art der angekündigten Veranstaltung ab. Wird etwa, wie heutzutage üblich, ein kulturelles Ereignis oder eine Sportveranstaltung auch im Internet öffentlich angekündigt, muss deshalb in der Regel nur mit einem größeren Publikumszuspruch, nicht aber mit einem Andrang von zu Randale bereiten Menschenmassen gerechnet werden.879 Die mit friedlichen Menschenansammlungen einhergehenden Gefahren – etwa der Entstehung von Verkehrsbehinderungen – sind dem ankündigenden Veranstalter freilich nach den üblichen Kriterien zurechenbar.880 Das besondere mit Facebook-Partys verbundene Risiko ergibt sich demgegenüber daraus, dass sie als reine, nicht kommerzielle Vergnügungsveranstaltungen, die über keinerlei organisatorische Vorkehrungen zur Bewältigung des möglichen Besucheransturms verfügen, nach den in jüngerer Zeit gemachten Erfahrungen eine beträchtliche Zahl von Personen anziehen können, die vorwiegend an der Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung interessiert sind. Die damit einhergehenden besonderen Gefahren sind dem Einladenden zurechenbar.881 Eine Ausnahme hiervon kann sich nach dem hier vertretenen Ansatz im Einzelfall nur bei jungen Nutzern ergeben, die die Folgen ihres Verhaltens nicht überblicken
879
Zu dem Sonderfall der Austragung von Fußballspielen s. H. I. Unerheblich ist dabei insbesondere, dass sich die Gefährdung nur aus dem Zusammenkommen einer Vielzahl von Menschen, nicht aber aus dem individuell störenden Verhalten Einzelner ergibt. Dies zeigt schon die Parallele zum Schaufensterfall, in dem ebenfalls die bloße Ansammlung vieler Menschen zu einer Gefahrenlage – Blockade der Straße – führt. 881 Auch auf Grundlage der bislang herrschenden „subjektiven“ oder „objektiven“ Theorie wird die Zurechenbarkeit meist bejaht (Ernst, DÖV 2011, 537 [544]; Klas/Bauer, K&R 2011, 533 [534 f.]; Lenski, VerwArch 103 [2012], 539 [554], unter Übernahme des versammlungsrechtlichen „Gedankens der Einheit von Veranstaltungsinitiator, Veranstaltungsaufruf und Durchführung“; Levin/Schwarz, DVBl. 2012, 10 [16], gelangen dagegen unter Heranziehung des Kriteriums der „Anpassung“ zur Zurechenbarkeit). Bei Einladungen, die – wie meist – mit dem Vorsatz verfasst werden, möglichst viele Teilnehmer zu gewinnen, leuchtet dies ein. Wo dieser Vorsatz fehlt, bedürfte es aber einer besonderen Begründung dafür, dass die Reaktion hunderter bis tausender Personen auf eine öffentlich gemachte Facebook-Einladung einen „typischen“ oder „zwangsläufigen“ Kausalzusammenhang darstellt. Tatsächlich dürften die meisten solcher Einladungen keine Beachtung finden oder zumindest keine Aufmerksamkeit in gefahrträchtigem Umfang erregen. Durch Anwendung des hier verwendeten Zurechnungskriteriums der „Vorhersehbarkeit“ lassen sich die schon bislang gefundenen Ergebnisse daher überzeugender begründen. Anders dagegen Neumann, NVwZ 2011, 1171 (1176), der eine Verantwortlichkeit des Initiators nur dann bejaht, wenn dieser rechtswidrig gehandelt habe, indem er auf die Einholung einer unter Umständen erforderlichen Sondernutzungserlaubnis verzichtet habe. Diese Ansicht dürfte auf einem Missverständnis des Erfordernisses der Rechtswidrigkeit des Störerverhaltens beruhen, das nicht nur dann erfüllt ist, wenn ein Verstoß gegen eine ausdrückliche Verhaltensvorschrift vorliegt (zum Verständnis von Rechtswidrigkeit im Polizeirecht s. D. IV. 1.). 880
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
können.882 Abgesehen von diesem Ausnahmefall steht der Zurechenbarkeit aber insbesondere, wie auch in den sonstigen Anwendungsfällen der Gefährdungsveranlassung, nicht entgegen, dass die Einladung nur versehentlich öffentlich gemacht wird oder der Einladende „zurückzutreten“ versucht, indem er die Veranstaltung wieder absagt.883 b) Zurechnung zum Plattformbetreiber Darüber hinaus kommt eine gefahrenabwehrrechtliche Verantwortlichkeit der Betreiber sozialer Netzwerke in Betracht. Die polizeiliche Generalklausel ist auch ihnen gegenüber anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Aufsicht über Telemediendienste, zu denen soziale Netzwerke zählen884, in § 59 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV)885 eine spezielle Regelung erfahren hat. Denn gemäß § 59 Abs. 3 S. 7 RStV ist die zuständige Aufsichtsbehörde886 zur Durchsetzung der „allgemeinen Gesetze“ befugt, zu denen die polizeiliche Generalklausel gehört887. Auch die für die Anwendung der Generalklausel maßgeblichen Zurechnungsgrundsätze erfahren in dem hier interessierenden Bereich keine medienrechtliche Überformung. Zwar enthält das auf europäisches Richtlinienrecht zurückgehende Telemediengesetz (TMG) hinsichtlich der die Anbieter von Telemedien treffenden 882 Fehlen äußere Anhaltspunkte für die mangelnde Fähigkeit, das Drittverhalten vorherzusehen, kann eine Inanspruchnahme unter dem Gesichtspunkt des Anscheinsstörers gerechtfertigt werden. Die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme als Nichtstörer bleiben ohnehin unberührt. 883 So aber Lenski, VerwArch 103 (2012), 539 (554 f.); Levin/Schwarz, DVBl. 2012, 10 (16); für die Möglichkeit eines solchen „Rücktritts“ wohl auch Ernst, DÖV 2011, 537 (544). Auch im Strafrecht existiert eine Möglichkeit des Rücktritts (§ 24 StGB) vom (mit der Gefährdungsveranlassung allein vergleichbaren, s. F. IV. 2. c) aa)) Fahrlässigkeitsdelikt nicht, denn bei diesem ist ein Versuch nicht denkbar, Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 22 Rn. 22. Selbst ein Rücktritt vom beendeten Versuch ist im Strafrecht trotz Verhinderungsbemühungen ausgeschlossen, wenn es dennoch zum Erfolgseintritt kommt (Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 24 Rn. 61). Freilich erübrigen sich polizeiliche Maßnahmen aber dann, wenn es dem Einladenden tatsächlich gelingt, die Gefahr einer störenden Massenansammlung wieder zu beseitigen. 884 Vgl. Schulz, in: Hahn/Vesting, RundfunkR, § 2 RStV Rn. 71; s. vor dem Hintergrund der übereinstimmenden Definition von Telemedien in RStV und TMG (Heckmann, in: jurisPKInternetrecht, Kap. 1 Rn. 74) ferner die Nachweise in Fn. 889. 885 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien vom 31. 8. 1991, zuletzt geändert durch den Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. 12. 2010, abgedruckt z. B. in GBl. BW 2011, S. 478. 886 Diese wird gemäß § 59 Abs. 2 RStV durch Landesrecht bestimmt. 887 C. Volkmann, in: Spindler/Schuster, § 59 RStV Rn. 46. A. A. aber offenbar VG Düsseldorf, K&R 2012, 228 (230); CR 2012, 155 (157); Beschluss vom 17. Mai 2010 – 27 L 143/ 10 –, juris, Rn. 30 ff., 48, das die Generalklausel wohl grundsätzlich als durch die §§ 7 bis 10 TMG überformt ansieht und § 7 Abs. 2 S. 2 TMG nur als Verweis auf die allgemeinen polizeilichen Vorschriften über die Heranziehung von Nichtstörern begreift. Inwieweit neben den Aufsichtsbehörden auch die allgemeinen Gefahrenabwehrbehörden gegenüber Diensteanbietern tätig werden können, soll hier offenbleiben.
IV. Facebook-Partys und Flashmobs
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Verantwortlichkeit für fremde Informationen besondere Privilegierungstatbestände, auf die § 59 Abs. 4 RStV auch für Aufsichtsmaßnahmen verweist.888 So sieht § 10 TMG vor, dass Diensteanbieter (sog. Hosting-Provider) für fremde Informationen, die sie für Nutzer speichern, nicht verantwortlich sind, sofern sie von den Informationen keine Kenntnis haben oder sie nach Kenntniserlangung unverzüglich beseitigen oder sperren. Diese Bestimmung, die die Betreiber sozialer Netzwerke erfasst889, findet jedoch nach § 7 Abs. 2 S. 2 TMG, der gemäß § 59 Abs. 4 S. 2 RStV auch für Aufsichtsmaßnahmen gilt, keine Anwendung auf „Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen“.890 Insoweit kann mithin auf die Zurechnungsgrundsätze des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts zurückgegriffen werden.891 Darüber hinaus ist die in § 7 Abs. 2 S. 2 TMG enthaltene Ausnahmeregelung im Wege der teleologischen Auslegung auf Maßnahmen auszudehnen, die nicht die Entfernung oder Sperrung der Nutzung konkreter, bereits gespeicherter Informationen betreffen, sondern die Verpflichtung, die künftige Veröffentlichung vergleichbarer Beiträge durch Nutzer zu verhindern.892 Entschließt sich die Aufsichtsbehörde, dem Betreiber eines so888 Die Auslegung des § 59 Abs. 3 und 4 RStV ist mit einigen Unsicherheiten behaftet. Der Gesetzessystematik entspricht es, dass § 59 Abs. 3 RStV Maßnahmen gegen Anbieter wegen eigener, § 59 Abs. 4 RStV wegen fremder Inhalte betrifft (C. Volkmann, in: Spindler/Schuster, RStV, § 59 Rn. 41 m. w. N.). Nach teilweise vertretener Auffassung gilt § 59 Abs. 4 RStV hingegen nur für Sperrungsverfügungen, so Sieber/Nolde, S. 117 ff., während alle anderen Maßnahmen gegen „verantwortliche“ Anbieter von eigenen und fremden Inhalten auf § 59 Abs. 3 RStV zu stützen sein sollen (a.a.O., S. 118; Beschreibung der gängigen Maßnahmen bei C. Volkmann, in: Spindler/Schuster, RStV, § 59 Rn. 42). Auch auf Grundlage der zweitgenannten Auffassung müssen zur Bestimmung der Verantwortlichkeit die gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätze lückenfüllend zur Anwendung kommen. 889 Vgl. die Definition des „Diensteanbieters“ in § 2 Nr. 1 TMG und dazu Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1 Rn. 97; Roggenkamp, ebd., Kap. 10 Rn. 96 m. w. N. 890 Sieber/Nolde, S. 122; C. Volkmann, in: Spindler/Schuster, TMG, § 59 Rn. 47. Der Begriff der „allgemeinen Gesetze“ in § 7 Abs. 2 S. 2 TMG ist dabei anders als in Art. 5 Abs. 2 GG als Verweis „auf alle denkbaren zivil-, straf- und öffentlich-rechtlichen Tatbestände“ zu verstehen, Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 10 Rn. 545. 891 Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH zur zivilrechtlichen Störerhaftung: Der BGH wendet die Haftungsprivilegierungen der §§ 8 bis 10 TMG nur im Strafrecht und bei Schadensersatzansprüchen an, greift bei Unterlassungsansprüchen (§ 1004 BGB) – maßgeblich gestützt auf § 7 Abs. 2 S. 2 TMG – hingegen auf allgemeine Zurechnungsgrundsätze zurück, BGHZ 158, 236 (244 ff.); 172, 119 (125 f.); 173, 188 (193 f.). Zu diesen s. F. IV. 2. c) bb). 892 Für eine solche Auslegung spricht insbesondere die weite Fassung des Art. 14 Abs. 3 der dem § 7 Abs. 2 S. 2 TMG zugrunde liegenden „Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ vom 8. Juni 2000, 2000/31/EG, ABl. EG Nr. L 178/1. Dort heißt es: „Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, daß ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder daß die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen.“ So auch BGHZ 158, 236 (252); 172, 119 (133); 173, 188 (203 ff.), jeweils zur Verpflichtung, die betreffende Plattform vorbeugend mit einem Filterverfahren nach bestimmten Rechtsverstößen zu durchsuchen. Ab-
206
H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
zialen Netzwerks aufzugeben, auf die verantwortungsvolle Nutzung der angebotenen Einladungsfunktion hinzuwirken – etwa indem er verpflichtet wird, von seinen Nutzern eine Registrierung unter Angabe einer wahren Adresse zu verlangen, damit sie den Schutz der Anonymität verlieren, vor der „Öffentlichmachung“ einer Einladung deutliche Warnhinweise zu geben, die Einladung nur Erwachsenen zugänglich zu machen oder eine Höchstzahl von Personen festzulegen, die durch eine Einladung angesprochen werden können –, gelten hierfür mithin ebenfalls die allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Zurechnungsmaßstäbe. Die Anwendung der hier vorgeschlagenen Kriterien der Gefährdungsveranlassung auf die Betreiber sozialer Netzwerke bereitet keine Schwierigkeiten. Für sie ist es nach den bislang gemachten Erfahrungen vorhersehbar, dass die Bereitstellung einer Funktion, mit der eine große Zahl von Menschen zur Teilnahme an einer Veranstaltung aufgerufen werden kann, das Risiko der Entstehung gefahrträchtiger Massenansammlungen birgt. Auch hier handelt es sich um einen Fall der oben893 beschriebenen „Kettenveranlassung“. Zur Bejahung der Zurechenbarkeit ist es nicht erforderlich, dass der Betreiber im Einzelfall das konkrete Verhalten eines bestimmten Nutzers vorhersehen kann, das Dritte zu gefährdendem Verhalten veranlasst.894 Ausreichend ist, dass es für ihn vorhersehbar ist, dass die durch ihn bereitgestellte Einladungsfunktion von den Nutzern zur Initiierung von Massenansammlungen mit den damit üblicherweise verbundenen Gefahren genutzt wird. Darüber hinaus können die Plattformbetreiber wegen der Informationen, die auf den ihrem Bestimmungsrecht unterliegenden Servern gespeichert sind, auch als Zustandsstörer eingeordnet werden. Soweit es um die Zurechnung von durch Dritte auf den Servern abgelegten gefährlichen Inhalten geht, bedarf es infolge der Sachherrschaft über diese keines Rückgriffs auf die Grundsätze der Gefährdungsveranlassung. Bildet die auf den Servern abgelegte Information – wie im Fall der hier interessierenden Facebook-Partys und Flashmobs – hingegen nur den Anlass für störendes Verhalten Dritter, bedarf es auch im Rahmen der Zustandsverantwortlichkeit der Anwendung der Rechtsfigur der Gefährdungsveranlassung. Zu einer Ausweitung der Verantwortlichkeit führt die Lösung über die Zustandsverantwortlichkeit allerdings nicht. Denn die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter kann im Zusammenhang mit Facebook-Partys und Flashmobs – anders als bei der im Anschluss noch näher zu behandelnden Eigensicherungsproblematik895 – stets bereits mit dem Betrieb der Plattform, also einem Verhalten, begründet werden.
lehnend aber etwa Hoeren, MMR 2004, 672 (672); Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 10 Rn. 468 ff. m. w. N. 893 H. IV. 1. a) bei Fn. 877. 894 Zum Bezugspunkt der Vorhersehbarkeit s. F. IV. 3. a). 895 Siehe dazu H. V. 1. c).
IV. Facebook-Partys und Flashmobs
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c) Zurechnung zu anderen Veranlassern Schließlich kommen auch Personen, die öffentlich zur Teilnahme an von anderen organisierten Veranstaltungen auffordern und dadurch Gefahren verursachen, als Gefährdungsveranlasser in Betracht.896 Zu denken ist hier etwa an das „Umfunktionieren“ einer fremden Veranstaltung, indem diese durch einen Aufruf in einem sozialen Netzwerk zur „eigenen“ gemacht wird897 oder an die Bewerbung von durch Dritte initiierten Facebook-Partys und Flashmobs.898 Die an sich auch in diesen Zusammenhang gehörende, zur Teilnahme ermutigende Presseberichterstattung über in sozialen Netzwerken geplante Veranstaltungen, die oft einen entscheidenden Anteil an deren „Publikumserfolg“ hat, lässt sich mit der Rechtsfigur der Gefährdungsveranlassung hingegen keiner Lösung zuführen. In den Landespressegesetzen existieren keine Vorschriften, in deren Rahmen die Grundsätze über die Gefährdungsveranlassung zur Anwendung gebracht werden könnten; der Rückgriff auf die polizeirechtliche Generalklausel ist im Presserecht gesperrt.899
2. Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen auf Primärebene Wie in allen Fällen der Gefährdungsveranlassung ist die Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter auch im Zusammenhang mit Facebook-Partys und Flashmobs nur eine von mehreren Voraussetzungen der Inanspruchnahme. Der 896 A. A. Klas/Bauer, K&R 2011, 533 (535), mit dem nicht überzeugenden Argument, dass der zu einer bereits existierenden Veranstaltung Einladende nicht zu deren Veranstalter werde. Dies trifft wohl zu, ist aber irrelevant. Auch wenn durchaus Parallelen zwischen versammlungsrechtlichen Strukturen und dem allgemein-gefahrenabwehrrechtlichen Instrumentarium im Umgang mit Ansammlungen der hier in Rede stehenden Art festzustellen sind (s. dazu Lenski, VerwArch 103 [2012], 539 ff.), existiert eine wie im Versammlungsrecht ausgeformte Kategorie des „Veranstalters“ (spezifisch geregelt etwa in § 2 Abs. 1, § 5, § 7 Abs. 2 und 3 VersG) im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht nicht. 897 Siehe zu dieser „Veranstaltung in der Veranstaltung“ Klas/Bauer, K&R 2011, 533 (533, 535). 898 Die Gefahrenabwehrbehörden sind mithin nicht notwendig darauf angewiesen, den eigentlichen Initiator der Veranstaltung zu ermitteln, auch wenn diesen häufig der größte Verursachungsanteil treffen dürfte. Die Anerkennung der Fallgruppe des Einladenden zu einer fremden Veranstaltung darf allerdings nicht dazu verleiten, jeglichen Hinweis auf eine beliebige Veranstaltung als Gefährdungsveranlassung einzustufen: Die – der Größe des Ereignisses angemessene – Bewerbung einer Veranstaltung führt nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht dazu, dass unkontrollierbare Massenansammlungen entstehen. Bei der Bewerbung von Facebook-Partys, bei denen naturgemäß keine Sicherheitsvorkehrungen bestehen und die eine große Zahl von Teilnehmern – zum Teil aus Spaß daran, an der Entstehung einer unkontrollierbaren Veranstaltung mitzuwirken – zur Teilnahme motivieren, ist die Entstehung von Gefahren hingegen durchaus vorhersehbar. Gleiches gilt, wenn eine „normale“ Veranstaltung zur Facebook-Party umfunktioniert wird. Schwierigkeiten können sich hierbei allerdings ergeben, wenn ermittelt werden soll, in welchem Umfang der Aufruf zur Teilnahme an der ohnehin geplanten Veranstaltung einen Beitrag zur Gefahrenentstehung geleistet hat. 899 Zur „Polizeifestigkeit“ der Pressefreiheit s. Pieroth, AfP 2006, 305 ff. m. w. N.
208
H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
Heranziehung der Initiatoren derartiger Veranstaltungen zur Gefahrenabwehr wird durch deren Grundrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Grenze gezogen. Bei der genauen Grenzziehung können sich vielfältige grundrechtliche Fragestellungen ergeben; insbesondere bei Flashmobs reichen die staatlichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr, je nachdem, ob die Veranstaltung im Einzelfall unter den Schutz der Versammlungs-, Meinungs-, Kunst- oder, wenn sie dem Arbeitskampf dient, Koalitionsfreiheit fällt,900 unterschiedlich weit. Dem kann hier nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Stattdessen soll lediglich ein Blick auf die Grundkonstellation der Einladung zu einer „normalen“, allein der Vergnügung dienenden Party unter Nutzung der entsprechenden Einladungsfunktionen eines sozialen Netzwerks geworfen werden. Ebenso wie die Durchführung der Party selbst genießt die Einladung zu ihr keinen über die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) hinausgehenden Schutz.901 In einer Gefahrensituation kann die Einladung verhältnismäßigerweise untersagt werden. Soweit dies als geeignetes Mittel erscheint, kommen aber auch mildere Maßnahmen – zu denken ist beispielsweise an eine Gefährderansprache902 – in Betracht. Ein abstrakt-generelles Verbot des Aufrufs zu oder der Teilnahme an sogenannten Facebook-Partys, etwa durch eine Polizeiverordnung, würde hingegen, schon weil die bloße Verabredung über ein soziales Netzwerk als solche keine abstrakte Gefahr begründet903, einen unzulässigen Eingriff darstellen.904
900
Zu diesen grundrechtlichen Fragestellungen s. den Überblick bei Ernst, DÖV 2011, 537 (539) m. w. N. 901 Insbesondere ist eine Party keine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG, da sie keinen hinreichend qualifizierten, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Zweck verfolgt, sondern lediglich Vergnügungscharakter hat und es zudem regelmäßig an der inneren Verbundenheit der Teilnehmer fehlen dürfte. Zur versammlungsrechtlichen Einordnung verschiedener über moderne Kommunikationsmittel organisierter Veranstaltungstypen s. Neumann, NVwZ 2011, 1171 (1172 f.). 902 Lenski, VerwArch 103 (2012), 539 (551 Fn. 47); Levin/Schwarz, DVBl. 2012, 10 (13). 903 Auch die Erfüllung der oben beschriebenen Voraussetzungen der subjektiven Vorhersehbarkeit – Nutzung der Breitenwirkung des Internets bei der Verbreitung der Einladung und fehlende organisatorische Vorkehrungen zur Sicherung der Veranstaltung –, die sich in einer Polizeiverordnung zudem kaum in mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbarer Weise werden fassen lassen, genügt zur Bejahung einer abstrakten Gefahr nicht. Denn eine solche setzt, abhängig vom Ausmaß des drohenden Schadens, in aller Regel mehr als Vorhersehbarkeit, nämlich das Vorliegen einer „typischerweise bestehenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts“ (VGH Mannheim, Urteil vom 26. Juli 2012 – 1 S 2603/11 –, juris, Rn. 27 ff.; s. auch Schoch, POR, Rn. 377, jeweils m. w. N.) voraus, wovon in diesen Fällen nicht auszugehen ist. Wer den Einladenden hingegen auf Grundlage der bislang herrschenden „objektiven Theorie“ als Gefährdungsveranlasser einordnet, weil aus seinem Verhalten „typischerweise“ gefährliches Verhalten Dritter folge (Klas/Bauer, K&R 2011, 533 [534 f.]; s. dazu auch Fn. 881), muss konsequenterweise auch das Vorliegen einer abstrakten Gefahr bei Einladung zu einer Facebook-Party und deren Durchführung bejahen. 904 Vgl. dazu Levin/Schwarz, DVBl. 2012, 10 (14 f.), die eine Parallele zu Alkoholverboten durch Polizeiverordnung ziehen.
IV. Facebook-Partys und Flashmobs
209
Bei der Inanspruchnahme des Betreibers des sozialen Netzwerks stellt sich einerseits die Frage, ob er in Anbetracht seiner Berufsfreiheit (Art. 12 GG) verhältnismäßigerweise dazu verpflichtet werden kann, eine im Einzelfall gefahrträchtige Veranstaltungsankündigung zu entfernen. In der vergleichbaren Konstellation der zivilrechtlichen Störerhaftung von Hosting-Providern für rechtswidrige Inhalte ihrer Nutzer erkennt der Bundesgerichtshof einen Unterlassungsanspruch gegen den Provider nur dann zu, wenn dieser zuvor gegen ihm zumutbare Prüfungspflichten verstoßen hat.905 Parallel hierzu kann auch im öffentlichen Recht die Zumutbarkeit von Maßnahmen zur vorbeugenden Vermeidung störenden Nutzerverhaltens im Rahmen der Angemessenheitsprüfung eine Rolle spielen906 ; sie bildet dort aber nur einen von mehreren relevanten Gesichtspunkten. So stellt die Verpflichtung zur Entfernung eines bestimmten Nutzereintrags für den Plattformbetreiber eine Belastung dar, deren Gewicht kaum über die Bagatellgrenze hinausgeht und deren Erfüllung ihm daher unabhängig davon zumutbar ist, ob dieser Eintrag ihm zuvor bei Durchführung einer zumutbaren Prüfungsroutine hätte auffallen müssen. Eine hiervon zu trennende Frage ist, inwieweit Plattformbetreiber dazu verpflichtet werden können, vorbeugende Maßnahmen gegen gefährliches Nutzerverhalten zu ergreifen. Eine vorbeugende inhaltliche Prüfung jedes einzelnen Nutzerbeitrags auf ihm inhärente Gefahren kommt wegen des damit verbundenen Aufwands zumutbarerweise nicht in Betracht907; zudem drohte eine dahingehende Anordnung in Konflikt mit dem – auch im Gefahrenabwehrrecht anwendbaren – § 7 Abs. 2 S. 1 TMG zu geraten, wonach Diensteanbieter nicht dazu verpflichtet sind, die von ihnen gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hindeuten908. Allein der Betrieb einer Plattform, die von solcher Größe ist, dass eine Überwachung des Nutzerverhaltens einen unzumutbaren Aufwand bedeuten würde, kann den Betreiber jedoch nicht von jeglicher Haftung freistellen.909 Vielmehr muss in einem solchen Fall in Betracht gezogen 905 Siehe oben F. IV. 2. c) bb) mit Fn. 635. Dabei soll erst nach einem ersten dem Provider zur Kenntnis gebrachten Verstoß eine Pflicht zur Vorsorge gegen künftige gleichgeartete Verstöße einsetzen, BGHZ 158, 236 (251 f.); abweichend für die Haftung für private WLANNetze aber BGHZ 185, 330 (337). 906 Siehe dazu noch unten H. IV. 3. 907 Insbesondere dürfte eine durch eine Filtersoftware automatisierte Suche nach bestimmten Schlagwörtern in den hier in Rede stehenden Fällen keine hinreichend präzisen Ergebnisse liefern. 908 Siehe zu dem § 7 Abs. 2 S. 1 TMG zugrunde liegenden Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG EuGH, EuZW 2011, 754 (763); MMR 2012, 174 (175), der einen Verstoß bislang allerdings nur angenommen hat, wenn dem Provider aufgegeben wird, „sämtliche Daten jedes seiner Kunden aktiv zu überwachen“; zur tendenziell engen Auslegung des § 7 Abs. 2 S. 1 TMG, der eine „spezifische Überwachungspflicht“ nicht ausschließe, s. auch Müller-Broich, TMG, § 7 Rn. 9 m. w. N. 909 Strenger wohl BGHZ 173, 188 (202), wonach ein „von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell“ durch die Auferlegung von Prüfungspflichten nicht gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden darf. Allerdings wird man in Fällen eines abstrakt gefährlichen Geschäftsmodells regelmäßig nicht mehr von seiner „Billigung“ durch die Rechtsordnung
210
H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
werden, ob der Betreiber gefährlichem Nutzerverhalten durch eine zumutbare Änderung seines Geschäftsmodells vorbeugen kann. Im Zusammenhang mit FacebookPartys erscheinen die oben beschriebenen maßvollen Beschränkungen des Einladungsversands über das soziale Netzwerk angesichts der damit verbundenen Risiken durchaus zumutbar. Hingegen wäre das vollständige Verbot, eine Einladungsfunktion in sozialen Netzwerken anzubieten, überzogen: Über soziale Netzwerke versandte Einladungen treten heutzutage an die Stelle anderer Formen der Verabredung – etwa auf persönlichem Weg, per Telefon oder durch Aushänge – und sind als solche nicht zu beanstanden. Verhältnismäßig können daher nur solche Maßnahmen sein, die das besondere Gefahrenpotential, das der Kommunikation in mit großer Breitenwirkung ausgestatteten sozialen Netzwerken im Vergleich zu anderen Kommunikationskanälen inhärent ist, eindämmen sollen. Rechtstechnisch können derartige, nicht der Abwehr konkreter Gefahren dienende Maßnahmen nicht mittels Verwaltungsakt, sondern nur durch Erlass von Polizeiverordnungen umgesetzt werden.910 Das Angebot einer leicht zu handhabenden Einladungsfunktion bildet zwar keine hinreichende Grundlage dafür, generell vom Vorliegen der für den Erlass einer Polizeiverordnung erforderlichen abstrakten Gefahr ausgehen zu können.911 In bestimmten Teilbereichen kann sich dies aber durchaus anders darstellen: So ist gegenwärtig anzunehmen, dass eine Funktion, mit der Veranstaltungsankündigungen wirksam einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, in der Hand von Minderjährigen mit der für eine abstrakte Gefahr erforderlichen Regelmäßigkeit zu Störungen durch Dritte führt, da Minderjährige zum leichtfertigen Umgang mit dieser Funktion neigen und regelmäßig nicht in der Lage sind, bei öffentlichen Veranstaltungen hinreichende Sicherheitsvorkehrungen zu gewährleisten. Die Bereitstellung einer Funktion zur Verbreitung öffentlicher Einladungen an Minderjährige kann durch die Gefahrenabwehrbehörden daher zulässigerweise beschränkt oder verboten werden.912
3. Möglichkeiten der Heranziehung des Veranlassers zum Kostenersatz Auch bei der Kostenerstattung für polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Facebook-Partys und Flashmobs ist im Wesentlichen an die in den Gefahrenausgehen können; vgl. dazu auch OLG Hamburg, MMR 2008, 823 (823 Leitsatz 1), hinsichtlich eines Geschäftsmodells („rapidshare.de“), das der „massenhaften Begehung von Urheberrechtsverletzungen wissentlich Vorschub leistet“. 910 Siehe für eine vergleichbare Fallgestaltung Scharpf, JuS 2011, 528 (532). 911 Vgl. Fn. 903. 912 Praktisch würde dies bedeuten, dass die Betreiber der Nutzung der öffentlichen Einladungsfunktion eine Altersverifikation voranstellen müssen. Ob die Minderjährigen in der Lage sind, die Veranlassung gefährlichen Drittverhaltens vorherzusehen, spielt für die Zurechnung zum Betreiber keine Rolle, zur Kettenveranlassung s. H. IV. 1. b).
IV. Facebook-Partys und Flashmobs
211
abwehrgesetzen enthaltenen Regelungen über den Kostenersatz913, das Gebührenrecht914 sowie an straßenrechtliche Kostenregelungen915 zu denken. In allen diesen Bereichen finden die hier zugrundegelegten allgemeinen Zurechnungsgrundsätze Anwendung. Das hat zur Folge, dass – neben den Veranstaltungsteilnehmern – der Einladende und auch der Betreiber des sozialen Netzwerks, in dem zu der Teilnahme an der Veranstaltung aufgerufen wurde, als Kostenschuldner in Betracht kommen.916 Die entscheidende Grenze der Kostentragungspflicht bildet wiederum der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Während dem Einladenden die Heranziehung zur Kostentragung in der Regel zumutbar ist – wobei freilich auf seine individuelle Leistungsfähigkeit Rücksicht zu nehmen ist –, sind der Inanspruchnahme des betreffenden Diensteanbieters deutlichere Grenzen gesetzt. Anders als die bloße Löschung eines Nutzereintrags stellt die Tragung der infolge der Nutzung seines Netzwerks in vorhersehbarer Weise anfallenden, unter Umständen sehr hohen Polizeikosten für den Anbieter eine nicht unerhebliche Belastung dar. Da der Plattformbetreiber als „Kettenveranlasser“ keine enge Verbindung zur Gefahrenlage aufweist – hierdurch unterscheidet er sich insbesondere von den oben behandelten Veranstaltern von Großereignissen –, kommt seine Belastung mit solch schwerwiegenden Eingriffen nur unter erhöhten Voraussetzungen in Betracht. In aller Regel wird sie nur dann verhältnismäßig sein, wenn – in Anlehnung an die Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs – der Betreiber zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung der den Polizeieinsatz auslösenden Veranstaltung nicht ergriffen hat. Um bei dem obigen Beispiel zu bleiben: Hat ein Minderjähriger durch seinen öffentlichen Aufruf bei Facebook eine Massenveranstaltung und einen damit verbundenen Polizeieinsatz verursacht, muss der Betreiber die Kosten der Gefahrenabwehr tragen, wenn es ihm zumutbar war, dieses Geschehen durch die Aufrichtung eines entsprechenden Zugangshindernisses für Minderjährige zu verhindern. Wo ihm dies nicht zumutbar war, kommt seine Inanspruchnahme hingegen nicht in Betracht.
913 Insoweit spielen die Vorschriften über die Kostenerstattung im Fall unmittelbarer Ausführung (§ 8 Abs. 2 PolG BW) und des Sofortvollzugs eine besondere Rolle, da der Einladende oftmals nicht unmittelbar wird ausfindig gemacht werden können. Vgl. zum Ganzen auch H. I. 3. a). 914 Siehe die in Fn. 753 genannten Gebührentatbestände, die auf Facebook-Partys und Flashmobs allerdings nur passen, soweit sie keine wirtschaftliche Betätigung voraussetzen. Im Übrigen kommen, jedenfalls soweit es um Veranstaltungen geht, die ausschließlich Vergnügungszwecke verfolgen und daher nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sind, auch die oben bei Fn. 754 genannten Auffangtatbestände in Betracht. Vgl. zum Ganzen auch H. I. 3. b). Zur Erhebung von Sondernutzungsgebühren s. § 19 StrG BW. 915 Etwa § 42 S. 2 StrG BW, dem zufolge eine übermäßige Straßenverunreinigung auf Kosten des Verantwortlichen beseitigt werden kann. 916 Vgl. dazu auch Söllner/Wecker, ZRP 2011, 179 (181 f.).
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
V. Eigensicherungspflichten Das abschließende Anwendungsbeispiel bildet die Problematik, die unter dem Stichwort „Eigensicherungspflichten“ insbesondere im Zusammenhang mit der Gefährdung von Großanlagen durch Angriffe von außen diskutiert wird.917
1. Zurechnung In diesem Zusammenhang macht sich die Weite der in dieser Arbeit favorisierten Zurechnungskriterien besonders deutlich bemerkbar. Im Unterschied zu der herkömmlichen Herangehensweise ebnen sie den Weg, um eine Person, die die Sachherrschaft über ein zu Angriffen herausforderndes Objekt innehat oder deren Umgang mit dem Objekt einen Anreiz zu Einwirkungen auf dieses gibt (im Folgenden: „Inhaber des gefährdeten Objekts“), auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel als Gefährdungsveranlasser heranziehen zu können. a) Keine Zurechnung nach herkömmlichen Kriterien Nach den bislang herrschenden Zurechnungsmaßstäben lässt sich eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit des Inhabers des gefährdeten Objekts für drittvermittelte Gefahren nicht begründen. Insbesondere genügt die mangelnde Sicherung eines Objekts nach herkömmlichen Kriterien nicht, um dessen Inhaber als Zustandsverantwortlichen einzuordnen. Denn die Gefahr ergibt sich nicht aus der für sich gesehen ungefährlichen Sache selbst, sondern erst aus dem gegen sie gerichteten Angriff von Seiten Dritter. Die Zustands- oder Verhaltensverantwortlichkeit ließe sich daher nur mittels Zurechnung des störenden Verhaltens des Angreifers begründen. Die bislang gebräuchlichen Kriterien für eine Zurechnung aufgrund Zweckveranlassung sind in diesen Fällen jedoch in aller Regel nicht erfüllt. Denn bei Angriffen Dritter handelt es sich weder um die typische Folge der Errichtung, des Betriebs oder der Existenz einer risikobehafteten Anlage noch um ein Verhalten, welches von ihrem Erbauer, Betreiber oder Inhaber subjektiv mindestens gebilligt wird.918 Angesichts dessen wird die gesetzliche Auferlegung von Eigensicherungspflichten dogmatisch zum Teil als spezialgesetzlicher „dritter Haftungstatbestand“ des Polizeirechts neben der Verhaltens- und der Zustandsverantwortlichkeit eingeordnet.919 Auch das Bundesverwaltungsgericht920 hat es, ohne allerdings die Frage 917
Siehe einleitend oben B. II. 5. Ehlers, in: FS Lukes, S. 345 f.; Sorge, S. 141; von Danwitz, Kernkraftwerke, S. 20 mit Fn. 15. 919 Schiller/Drettmann, DVBl. 1977, 956 (957); Ossenbühl, Eigensicherung, S. 18; Spießhofer, S. 147. 918
V. Eigensicherungspflichten
213
der Zurechenbarkeit des Verhaltens der Angreifer aufgrund (Gefährdungs-)Veranlassung ausdrücklich anzusprechen, in einer Entscheidung, die die Verpflichtung des Betreibers des Flughafens Stuttgart zu Sicherungsmaßnahmen gegen terroristische Angriffe betraf, abgelehnt, eine Verantwortlichkeit des Inhabers des gefährdeten Objekts auf allgemeine polizei- und ordnungsrechtliche Grundsätze zu stützen.921 Dass der VGH Mannheim in der Vorinstanz eine Verhaltensverantwortlichkeit des Flughafenbetreibers mit der Begründung verneint hatte, es gebe keinen Grund, dem Betreiber vorzuwerfen, der Gefahr terroristischer Anschläge Vorschub geleistet zu haben, beanstandete das Bundesverwaltungsgericht nicht. Auch eine Haftung aufgrund Zustandsverantwortlichkeit müsse ausscheiden. Denn der in der unzureichenden Sicherung gegen terroristische Anschläge zum Ausdruck kommende Sachzustand sei „[i]m Verhältnis zu der die Gefahr oder den Schaden unmittelbar auslösenden Mißbrauchshandlung eines Dritten […], auch wenn er gewisse Anreize für einen Mißbrauch geben sollte, nur eine entferntere (mittelbare) Ursache.“922 Könnten solche mittelbaren Ursachen die polizeiliche Zustandshaftung begründen, würde diese in eine „konturenlose Billigkeitshaftung“ umgewandelt.923 Zur Auferlegung von Eigensicherungspflichten bedürfe es daher einer besonderen gesetzlichen Regelung. Der VGH Mannheim hatte das noch anders gesehen und eine Zustandsverantwortlichkeit aufgrund der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG dort für möglich gehalten, wo Sachen „in erhöhtem Maße der Gefahr eines gemeingefährlichen Mißbrauchs ausgesetzt sind“.924 b) Zurechnung wegen Veranlassung durch Verhalten In den Eigensicherungskonstellationen sind zwar nicht die herkömmlichen, wohl aber die hier vorgeschlagenen Kriterien einer Verantwortlichkeit aufgrund Veranlassung – Kausalität und subjektive Vorhersehbarkeit – erfüllt. Eine die Zurechnung rechtfertigende Veranlassung Dritter zu Eingriffen kann in den Eigensicherungsfällen zum einen in der Errichtung des gefährdeten Objekts oder dem Umgang mit diesem, das heißt in dem Verhalten seines Inhabers, zu sehen sein.
920
NJW 1986, 1626 ff. In der Sache ging es um die Auslegung der Generalermächtigung des § 29 Abs. 1 LuftVG (a. F.). Mittlerweile existieren besondere gesetzliche Bestimmungen über die Pflicht zur Sicherung von Flughäfen (vgl. § 8 LuftSiG). 922 BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); zustimmend VGH Mannheim, NJW 1992, 1396 (keine Zustandsverantwortlichkeit des Inhabers einer Diskothek wegen Bombendrohung); VG Düsseldorf, Urteil vom 8. März 2012 – 6 K 254/11 –, juris, Rn. 69. 923 BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); VG Düsseldorf, Urteil vom 8. März 2012 – 6 K 254/ 11 –, juris, Rn. 69. 924 VGH Mannheim, JZ 1983, 102 (104), mit zustimmender Anmerkung Karpen, JZ 1983, 105 (106 f.). 921
214
H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
Die Errichtung des betreffenden Objekts ist für den Angriff auf dieses stets kausal.925 Aber auch der Betrieb des Objekts oder der sonstige Umgang mit ihm ist im Fall eines Angriffs oft als ursächlich einzustufen. Dies ist zum einen immer dann der Fall, wenn eine Sache durch aktives Tun in einen Zustand versetzt wird, in welchem sie über einen nur verminderten oder keinen Schutz gegen den Zugriff Dritter verfügt, und sich daraus der Anreiz für einen Angriff ergibt.926 Selbst ohne aktive Schaffung eines Anreizes zu Störungen durch Dritte kommt eine Verhaltensverantwortlichkeit wegen des Betriebs einer Sache dort in Betracht, wo sie im stillgelegten Zustand keinen Anreiz für Angriffe bildet. Beispielsweise ist der Betrieb eines für den Publikumsverkehr geöffneten Objekts häufig kausal für einen auf das Objekt verübten terroristischen Anschlag. Denn ein Anschlag auf das nicht betriebene Objekt – etwa einen stillgelegten Einkaufskomplex – würde sein eigentliches Ziel verfehlen. Schwerer zu treffen ist hingegen die Feststellung, ob und inwieweit Angriffe Dritter auf das Objekt als Folge des betreffenden Verhaltens vorhersehbar sind. Dies hängt von der jeweils herrschenden Bedrohungslage ab, die nur im Einzelfall ermittelt werden kann. War es etwa vor dem 11. September 2001 nicht ohne Weiteres vorherzusehen, dass eine Passagiermaschine gezielt auf ein Kernkraftwerk gelenkt werden könnte, sind solche Anschläge seitdem in Rechnung zu stellen. Wo die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kommt eine Verhaltensverantwortlichkeit desjenigen, der mit dem gefährdeten Objekt umgeht, daher durchaus in Betracht. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird allerdings bestritten. Angriffe auf Anlagen wie Kernkraftwerke und Flughäfen hätten ihre „Ursache in der allgemeinen politischen Lage und der in der Gesellschaft sich bildenden Kriminalität, nicht aber in dem Betrieb oder der Existenz des jeweils gefährdeten Objekts“.927 Den Dritten gehe es nicht um die Unterbindung eines von ihnen missbilligten Betriebs, sondern darum, ein möglichst aufsehenerregendes Anschlagsziel zu treffen. Es liege daher schon keine „Veranlassung“ durch den Betreiber vor.928 Dass ohne das Objekt ein Angriff auf dieses ausgeschlossen ist und dessen Betrieb oder Existenz daher im 925
Wer ein gefährdetes Objekt errichtet, kommt daher als Störer in Betracht, auch wenn er nicht weiter mit dem Umgang mit der Sache (bei Anlagen: deren Betrieb) befasst ist. In der Regel wird es aber ermessensfehlerhaft sein, den Errichter vor dem Betreiber zur Gefahrenbeseitigung heranzuziehen. Einerseits wird seine Inanspruchnahme – etwa wenn es sich um einen lediglich mit der technischen Seite der Errichtung befassten Unternehmer handelt – regelmäßig einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Berufsfreiheit darstellen, da der Beruf, wäre er mit der Verantwortlichkeit für alle bei Errichtung des Objekts vorhersehbaren Störungen Dritter verbunden, kaum mehr wirtschaftlich ausgeübt werden könnte. Hinzu kommt, dass der Betreiber die Gefahr in der Regel effektiver bekämpfen kann, so dass die Heranziehung des Errichters ermessensfehlerhaft wäre (vgl. W.-R. Schenke, POR, Rn. 285). 926 VGH Mannheim, JZ 1983, 102 (104), wo dies nur für bewegliche Sachen in Betracht gezogen wird. Auch bei unbeweglichen Sachen kommt dies aber in Betracht, etwa durch Öffnung der ein risikobehaftetes Gelände vor dem Zutritt Unbefugter schützenden Zugangssperren. 927 Ossenbühl, Eigensicherung, S. 26; BVerwGE 81, 185 (188). 928 Ossenbühl, Eigensicherung, S. 26.
V. Eigensicherungspflichten
215
Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel ursächlich ist, soll und kann damit nicht in Zweifel gezogen werden. Vielmehr liegen dem Argument allgemeine Erwägungen zur Abgrenzung von Risikosphären zugrunde. Es beruht auf der Annahme, die Gefährdungsveranlassung erfordere, dass die allgemeine Motivation des Dritten zur Störung ihren Ursprung in dem Umgang mit dem Objekt oder dessen Existenz habe. Diese Voraussetzung ist in den hier in Rede stehenden Fällen in der Tat nicht erfüllt: So ist beispielsweise das Verhalten des Anlagenbetreibers im Fall von Angreifern, denen es darum geht, die Gesellschaft zu terrorisieren, und die sich dazu ein einzelnes, prominentes Objekt als Anschlagsziel aussuchen, nicht die ursprüngliche Ursache für deren grundsätzlichen Entschluss, einen Anschlag zu verüben. Dies ist aber für die Gefährdungsveranlassung auch nicht erforderlich. Dass und inwieweit Personen Gefahren erzeugen, hat seine Ursachen stets auch in den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen. Derjenige, der durch sein Verhalten oder seine Sachen anderen einen Anreiz zur Störung bietet, kann aber zu seiner Entlastung nicht darauf verweisen, dass er die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht zu verantworten habe. Anderenfalls würde eine Haftung aufgrund Veranlassung stets ausscheiden. Es kann daher auch nicht Voraussetzung der Störereigenschaft des Betreibers oder Inhabers einer risikobehafteten Anlage sein, dass er einen allgemeinen Anlass für Terrorismus und Kriminalität geschaffen hat. Vielmehr genügt es, dass sein Verhalten oder der Zustand der seiner Herrschaft unterliegenden Sache einen Anreiz dafür bietet, diese als Anschlagsziel zu missbrauchen. Veranlassung bedeutet mithin nicht zwingend das Hervorrufen des grundlegenden Entschlusses des Dritten zu einer gefährlichen Handlung, sondern das Bieten eines hinreichenden Anlasses für eine solche. Dazu sind die Kausalität für das störende Verhalten Dritter und dessen Vorhersehbarkeit ausreichend.929 Dass das Risiko eines Angriffs Dritter auf das jeweilige Objekt nicht nur „vom Zufall abhängt“ und daher „ohne Zweifel der Risikosphäre der Allgemeinheit zuzuordnen“ ist930, gestehen die Vertreter der Gegenauffassung an anderer Stelle zudem selbst zu. So wird die Verhältnismäßigkeit spezialgesetzlicher Vorschriften, durch welche dem Inhaber einer Anlage Eigensicherungspflichten aufgegeben werden, maßgeblich damit begründet, dass ihn eine Mitverantwortung für Angriffe Dritter treffe.931 Es kann nur schwer überzeugen, dass diese Verantwortlichkeit zwar nicht zur Begründung der Störereigenschaft genügen, wohl aber ausreichen soll, um die generelle entschädigungslose Auferlegung von Eigensicherungspflichten zu rechtfertigen. 929 Dass das Kriterium der Vorhersehbarkeit von Eingriffen Dritter sachgerecht ist, zeigt sich auch daran, dass es der in § 3 Abs. 2 Hs. 1 Nr. 3, Hs. 2 der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung) vorgesehenen Eigensicherungspflicht zugrunde liegt. 930 Ronellenfitsch, VerwArch 77 (1986), 435 (454); W.-R. Schenke, DVBl. 1986, 362 (363 f.). 931 Spießhofer, S. 148 (dort besonders deutlicher Widerspruch zu S. 147, wo es noch heißt, es sei „nicht der Zustand der Sache, sondern das Verhalten des Dritten alleinige Gefahrenquelle“); Möstl, S. 345; Otten, S. 198 f.; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 (1210).
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
c) Zurechnung wegen Veranlassung durch den beherrschten Sachzustand Bei alleinigem Abstellen auf die Verhaltensverantwortlichkeit würden sich allerdings dort Lücken ergeben, wo es nur der Zustand einer Sache ist, der zu Angriffen herausfordert. Dies ist nicht nur dort denkbar, wo eine Sache nicht hinreichend gesichert ist, sondern auch da, wo sie aus anderem Grund, etwa weil ihre Zerstörung schwerwiegende Schäden zur Folge hätte, einen Anreiz für (terroristische) Angriffe bildet. Das kommt etwa im Zusammenhang mit der Lagerung risikobehafteter Gegenstände, beispielsweise explosionsgefährdeten Materials, in Betracht. Hat der Inhaber der Sachherrschaft das Objekt nicht selbst errichtet und erfordert dieses auch keinen Betrieb oder ist es nicht der Betrieb, sondern nur der Sachzustand, der zu Angriffen herausfordert, muss eine Verhaltensverantwortlichkeit ausscheiden. Hier bedarf es eines Rückgriffs auf die Zustandsverantwortlichkeit. Die in dieser Arbeit entwickelten Grundsätze zur Gefährdungsveranlassung sind – wie oben932 gezeigt – auch im Zusammenhang mit der Zustandsverantwortlichkeit zur Anwendung zu bringen. Auch der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist mithin als Störer einzuordnen, wenn der Sachzustand Dritte in für ihn vorhersehbarer Weise zu gefährlichem Verhalten veranlasst.933
2. Verpflichtbarkeit zu Eigensicherungsmaßnahmen auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel Mit der Zurechenbarkeit ist die Basis dafür geschaffen, den Inhaber des gefährdeten Objekts zu Eigensicherungsmaßnahmen auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel zu verpflichten, ohne dass dazu die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands erfüllt sein müssten. Dies ist sachgerecht und notwendig: Eigensicherungsmaßnahmen, die bei Anlagen insbesondere in der Schaffung baulicher Vorkehrungen bestehen, könnten nur selten rechtzeitig umgesetzt werden, wenn es zu ihrer Anordnung einer unmittelbaren oder gegenwärtigen Gefahr bedürfte.934 Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Inhabers eines gefährdeten Objekts als Störer auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel wird dort relevant, wo es an spezialgesetzlichen Eigensicherungspflichten fehlt, die Gefahr eines Angriffs durch
932
E. III. Vgl. auch Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (462 f.), der eine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers auf Grundlage der von ihm vertretenen Lehre der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre je nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Gefährdung, der Anfälligkeit der Sache und der indiziellen Bedeutung sonstiger spezialgesetzlicher Sicherungspflichten bejaht. Zu dem etwa von Spießhofer, S. 146 f., gegen die hier vertretene Lösung vorgebrachten Argument, die Gefahr wurzele allein in dem Verhalten Dritter, nicht in dem Sachzustand, s. die Ausführungen unter H. V. 1. b). 934 Zu den strengen Voraussetzungen des polizeilichen Notstands s. D. I. 2. 933
V. Eigensicherungspflichten
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Dritte besteht935 und die Wirkung einer Genehmigung936 der Auferlegung von Eigensicherungsmaßnahmen nicht entgegensteht. a) Die polizeiliche Generalklausel als hinreichend bestimmte Grundlage für die Auferlegung von Eigensicherungspflichten Die polizeiliche Generalklausel bildet eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die Inanspruchnahme des Inhabers des gefährdeten Objekts. Das Bundesverwaltungsgericht937 hatte seine gegenteilige Auffassung nicht mit der Schwere des mit der Auferlegung von Eigensicherungspflichten verbundenen Grundrechtseingriffs, sondern allein mit der fehlenden Störereigenschaft des Inhabers des gefährdeten Objekts begründet. Die Auferlegung von Eigensicherungspflichten bildet keinen so schwerwiegenden Grundrechtseingriff, dass der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt eine spezialgesetzliche Ermächtigung notwendig machen würde.938 Hiergegen spricht insbesondere, dass der Verpflichtete von der Umsetzung der ihn treffenden Eigensicherungspflichten selbst in nicht unerheblichem Maße profitiert.939 Hinzu kommt, dass ein signifikanter Gewinn an Bestimmtheit durch die spezialgesetzliche Auferlegung von Eigensicherungspflichten nicht zu erwarten ist.940 Denn Art und Umfang der erforderlichen Eigensicherungsmaßnahmen sind von der jeweiligen, wandelnden Verhältnissen unterliegenden Bedrohungssituation und der Beschaffenheit des gefährdeten Objekts abhängig. Abstrakt-generelle Normen müssen hier weitgehend unbestimmt bleiben. Dies wird durch eine Betrachtung der existierenden, zu Eigensicherungsmaßnahmen verpflichtenden Normen bestätigt. Viele dieser Vorschriften lassen gegenüber der polizeirechtlichen Generalklausel keinen oder jedenfalls keinen markant höheren Grad an Bestimmtheit erkennen.941 Dies gilt im Anlagenrecht beispielsweise für § 4 Abs. 2 935
Ob bei dem allgemeinen Risiko terroristischer Angriffe vom Bestehen einer konkreten Gefahr ausgegangen werden kann, ist umstritten (s. dazu Otten, S. 87 ff. m. w. N.). Eher wird von einer abstrakten Gefahr auszugehen sein, der durch Erlass von Polizeiverordnungen begegnet werden kann (Ehlers, in: FS Lukes, S. 346). Zu beachten ist jeweils, dass in Fällen, in denen bei einer Einwirkung Dritter schwerwiegende Schäden zu erwarten sind, schon in einem vergleichsweise frühen Stadium von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts ausgegangen werden kann. 936 Siehe dazu sogleich H. V. 2. c). 937 Fn. 920. 938 So aber Ehlers, in: FS Lukes, S. 346; wohl auch Schoch, JuS 1994, 932 (934). 939 Vgl. Möstl, S. 345; Otten, S. 201; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 (1209 f.). 940 So aber W.-R. Schenke, DVBl. 1986, 362 (363). 941 Eine Ausnahme bilden die §§ 8 f. LuftSiG, die für Flugplatzbetreiber und Luftfahrtunternehmen detaillierter, wenn auch mit sehr offenen Begriffen, umschreiben, welche Vorkehrungen gegen Angriffe Dritter zu treffen sind. Zu den ebenfalls ausdifferenzierteren Vorgaben zur Hafen- und Schiffssicherheit, insbesondere durch das Schiffssicherheitsgesetz (Gesetz vom 9. September 1998, BGBl. I S. 2860, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. April
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 4, § 7 Abs. 2 Nr. 5, § 9 Abs. 2 Nr. 5 AtomG sowie § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 4 Nr. 4 der 12. BImSchV, wo wörtlich oder in vergleichbarer Unschärfe lediglich davon die Rede ist, dass „der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet“ sein müsse.942 Ähnlich formuliert sind die Vorschriften über die Sicherung anderer (beweglicher) Sachen mit Risikopotential, wie zum Beispiel (Kriegs-)Waffen. Sie verlangen meist nur, dass „alle erforderlichen Maßnahmen“ zu treffen seien, um deren Abhandenkommen oder unbefugte Verwendung zu verhindern (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 KrWaffKontrG, § 24 Abs. 2 Nr. 4 SprengG, § 36 Abs. 1 S. 1 WaffG943).944 b) Verhältnismäßigkeit der Auferlegung von Eigensicherungspflichten Eine Grenze wird auch der Begründung von Eigensicherungspflichten aber durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen. Hinsichtlich der Bedeutung der Grundrechte gilt im hier gegebenen Zusammenhang dasselbe wie in den sonstigen Fällen der Gefährdungsveranlassung: Die Grundrechte können zur Entscheidung über die Zurechenbarkeit einer Gefahr im Einzelfall nichts beitragen, sondern kommen erst ins Spiel, wenn es um die Rechtmäßigkeit einer konkreten belastenden Maßnahme geht. Würde man hingegen die Verantwortlichkeit für die Gefahr von Angriffen Dritter aus Gründen des Grundrechtsschutzes pauschal ablehnen945, so würde man sich den Weg zu einem flexiblen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten Umgang mit der Sicherung gefährdeter Objekte verbauen. Für die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen gegenüber dem als Störer verantwortlichen Inhaber des gefährdeten Objekts gelten folgende Leitlinien: Die Inanspruchnahme des Betroffenen kann grundsätzlich nicht mit der Verhinderung der Gefahr einer Verletzung seiner eigenen Rechtsgüter gerechtfertigt werden. Diese selbst zu gefährden, steht ihm grundsätzlich frei. Soweit etwa die Veranlassung zu Straftaten im Raum steht, ist deshalb lediglich das öffentliche Interesse an der 2013, BGBl. I S. 868) und Hafensicherheitsgesetze der Länder (z. B. das Hafensicherheitsgesetz der Hansestadt Hamburg vom 6. Oktober 2005, HmbGVBl. 2005, S. 424, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juni 2010, HmbGVBl. S. 440), s. Rengeling, DVBl. 2004, 589 ff.; Otten, S. 124 ff.; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 f. 942 Ebenso gefasst sind § 9 Abs. 1 Nr. 8, § 13 Nr. 5, § 14 Abs. 1 Nr. 8, § 18 Abs. 1 Nr. 5 StrahlSchV. 943 § 36 Abs. 1 WaffG enthält allerdings für den Fall, dass Waffe und Munition zusammen aufbewahrt werden, Anforderungen an die Beschaffenheit eines Sicherheitsbehältnisses. 944 Ähnlich § 15 BtMG: „Wer am Betäubungsmittelverkehr teilnimmt, hat die Betäubungsmittel, die sich in seinem Besitz befinden, gesondert aufzubewahren und gegen unbefugte Entnahme zu sichern.“ Konkretisiert wird diese Regelung lediglich durch „Richtlinien“ des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, abrufbar unter http://www.bfarm.de/ DE/Service/Gesetze/Bundesopiumstelle/gesetze-bopst.html (abgerufen am 19. Januar 2014). 945 Vgl. W.-R. Schenke, DVBl. 1986, 362 (364), der die Verantwortlichkeit des Flughafenbetreibers für die Gefahr terroristischer Angriffe unter Verweis auf Art. 14 GG verneint.
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Verhinderung der Straftat in die Abwägung einzustellen, nicht aber das individuelle Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Rechtsgüter.946 Ferner darf daraus, dass es dem Einzelnen in Grenzen zumutbar sein kann, seinen Schutz gegen durch Dritte drohende Gefahren nach eigener Entscheidung selbst in die Hand zu nehmen, ohne dass der Staat aufgrund einer ihn treffenden grundrechtlichen Schutzverpflichtung selbst tätig werden muss, nicht auf die Berechtigung des Staates geschlossen werden, den Einzelnen zum Selbstschutz zu verpflichten.947 Wer also etwa ein gegen Einbruchsdiebstähle völlig unzureichend gesichertes Einfamilienhaus in einer Gegend errichtet, in der die Gefahr von Einbrüchen besteht, kann zur Abwehr der Bedrohung seines Eigentums grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, Sicherungsvorkehrungen an seinem Anwesen vorzunehmen. Ist die Verletzung von Rechtsgütern Unbeteiligter nicht zu erwarten, kommt es in aller Regel auch nicht in Betracht, die Verpflichtung zu Eigensicherungsmaßnahmen nur mit dem Interesse an der Abwehr der allgemeinen Auswirkungen von Rechtsgutsverletzungen und der Begehung von Straftaten zu rechtfertigen. Diese Auswirkungen könnten beispielsweise in der Verhinderung eines Klimas allgemeiner Verunsicherung bestehen, das durch einen erfolgreichen terroristischen Anschlag oder die Zunahme von Kriminalität entstehen oder verstärkt werden könnte. Es erscheint schon fraglich, ob derartige gesellschaftliche Auswirkungen bei Angriffen, die Unbeteiligte nicht in Mitleidenschaft ziehen, überhaupt feststellbar und messbar wären.948 Das Interesse daran, solche Auswirkungen – deren Einordnung als polizeiliches Schutzgut ohnehin mit großen Schwierigkeiten verbunden ist949 – zu verhindern, ist im Verhältnis zu dem Interesse des potentiellen Angriffsopfers daran, von staatlichen Maßnahmen verschont zu bleiben, jedenfalls nur von sehr geringem Gewicht.950 Einen anderen Ausgang wird die Verhältnismäßigkeitsprüfung hingegen dort nehmen, wo mit der Gefährdung des Objekts zugleich eine Gefahr für Rechtsgüter unbeteiligter Dritter einhergeht. Dies ist bei der Bedrohung von Flughäfen etwa 946
Siehe H. III. bei und in Fn. 840. So aber Möstl, S. 336 ff., der die Auferlegung von Eigensicherungspflichten als „Aktivierung einer ohnehin bestehenden eigenen Pflichtigkeit und Selbstverantwortung“ (S. 338) begreift (insoweit zustimmend Koch/John, DVBl. 2002, 1578 [1581 f.]; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 [1205]). Aus dem die Reichweite staatlicher Schutzpflichten begrenzenden Untermaßverbot ergebe sich, dass den Staat dort keine Pflicht zum Schutz des Einzelnen vor der Gefahr äußerer Eingriffe durch den Einsatz eigener Mittel treffe, wo es dem Betroffenen zumutbar sei, diese hinzunehmen und gegebenenfalls selbst abzuwehren. Spiegelbildlich zu diesen Schutzpflichterwägungen sei in diesen Fällen die Verpflichtung zur Eigensicherung verhältnismäßig. Damit lässt Möstl aber das grundrechtlich gewährleistete „Recht auf Selbstgefährdung“ (s. H. III.) außer Acht. 948 Zu den Schwierigkeiten der Messung von Furcht und der Zuordnung von Furcht zu einem bestimmten Verhalten s. Schewe, S. 269. 949 Nach Schewe, S. 132 ff., 258, ist das Sicherheitsgefühl kein eigenes Rechtsgut, sondern kann nur als Teil anderer Rechtsgüter – beispielsweise Demokratie und öffentliche Ordnung – durch die Polizei geschützt werden. 950 Schewe, S. 259: „Grundrechtseingreifende Maßnahmen lassen sich i. d. R. nicht mit dem Sicherheitsgefühl rechtfertigen“, s. auch a.a.O., S. 271 ff. 947
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hinsichtlich der sich dort aufhaltenden Reisenden und bei der Gefährdung von Kernkraftwerken hinsichtlich der großen Zahl von Rechtsgütern Unbeteiligter, die bei einem erfolgreichen Anschlag verletzt würden, der Fall. Hier wäre die Auferlegung von Eigensicherungspflichten in der Regel verhältnismäßig.951 Welche Maßnahmen dabei im Einzelnen in Betracht kommen, ist im jeweiligen Einzelfall unter Abwägung des Ausmaßes des drohenden Schadens und des Eigensicherungsaufwands des Betroffenen zu klären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Inhaber des gefährdeten Objekts von den Sicherungsmaßnahmen in aller Regel selbst profitiert. Im Ergebnis gilt daher: Eigensicherung nur um der Sicherung der eigenen Rechtsgüter willen kann dem Inhaber eines gefährdeten Objekts nicht aufgegeben werden. Wo Eingriffe Dritter hingegen Gefahren für Rechtgüter Unbeteiligter mit sich bringen, ist die Verpflichtung zu angemessenen Eigensicherungsmaßnahmen verhältnismäßig. c) „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen Soweit der Inhaber des gefährdeten Objekts über eine Genehmigung verfügt, kann deren „Legalisierungswirkung“ seiner Inanspruchnahme als Gefährdungsveranlasser auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel entgegenstehen.952 Das bloße Vorhandensein einer Genehmigung schließt eine Heranziehung des Inhabers der gefährdeten, genehmigungskonform genutzten Anlage als polizeirechtlichen Störer zur Eigensicherung auf Grundlage der gefahrenabwehrrechtlichen Generalklausel allerdings nicht aus.953 Ob einer Genehmigung eine solche Wirkung zukommt, hängt vielmehr von dem Inhalt der Genehmigungsurkunde ab.954 Es ist im jeweiligen Einzelfall zu untersuchen, ob die Genehmigung auch die Verursachung 951 Vgl. Gramm, Staatsaufgaben, S. 454 f.: Der mit dem „Pflicht-Werksschutz“ einhergehende Eingriff in die Freiheit des Betreibers, nur nach eigener Entscheidung von seinen sogenannten „Jedermannrechten“ (z. B. §§ 227 ff., 904 BGB) Gebrauch zu machen, lasse sich „nur durch das eklatant große Gefahrenpotential für die Allgemeinheit rechtfertigen, das mit dem Betrieb eines Kernkraftwerks verbunden“ sei. 952 Die „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen ist nicht zwingend als Problem der Gefahrverursachung und Zurechnung anzusehen, kann aber der Inanspruchnahme des Verursachers entgegenstehen. Vgl. dazu und zu den Möglichkeiten der Verortung der Problematik im Prüfungsaufbau D. IV. 4. h). 953 So aber Ronellenfitsch, DVBl. 2005, 65 (68 f.); Erbguth, DVBl. 2007, 1202 (1204). 954 Würtenberger/Heckmann, Rn. 464; Otten, S. 92. Der Inhalt der Urkunde ist durch Auslegung zu ermitteln. Nur wenn der Wortlaut keine eindeutige Auslegung zulässt, ist eine Orientierung an dem zulässig, was nach den rechtlichen Vorgaben Inhalt des Genehmigungsbescheids sein müsste (Martensen, Erlaubnis, S. 52 ff.). Dass die Vorschriften über die Genehmigungserteilung (zum Beispiel § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG) gegebenenfalls dahingehend auszulegen sind, dass auch die im Zusammenhang mit Angriffen Dritter drohenden Gefahren beachtlich sind (s. zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im Immissionsschutzrecht H. II.), ist daher nur nachrangig von Bedeutung.
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solcher Gefahren gestattet, die durch einen Missbrauch der Anlage drohen.955 Dabei ist zu beachten, dass sich die Genehmigungswirkung nach überwiegender Meinung nur auf solche Gefahren bezieht, deren Entstehung im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung erkennbar war.956 An der Erkennbarkeit wird es angesichts sich wandelnder Bedrohungssituationen und sich verändernder Anforderungen an die Vorkehrungen zur Eigensicherung häufig fehlen. Soweit eine Analyse des Genehmigungsinhalts ergibt, dass die „Legalisierungswirkung“ die im Zusammenhang mit dem Missbrauch der Anlage durch Dritte drohenden Gefahren nicht erfasst, kommt ein Vorgehen auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel in Betracht – es sei denn, das Fachrecht hält speziellere Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bereit. Doch auch soweit eine Anlagengenehmigung vorhanden ist, die den Betrieb der Anlage auch mit Blick auf die Auswirkungen von Angriffen Dritter „legalisiert“, ist die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter im Recht genehmigungsbedürftiger Anlagen von Belang. Denn das Fachrecht enthält Vorschriften, die nachträgliche Beschränkungen von Genehmigungen zum Zweck der Gefahrenabwehr erlauben (beispielsweise § 17 BImSchG). Auch im Zusammenhang mit diesen Regelungen stellt sich die Frage nach der Zurechenbarkeit von Gefahren, die mittels des Verhaltens Dritter verursacht werden. Auch wenn es nicht zwingend ist, dass die Zurechnung bei diesen fachrechtlichen Regelungen den Regeln folgt, die für das allgemeine Polizeirecht gelten, ist dies zumindest hinsichtlich der Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter nicht ausgeschlossen.957 Dies soll an dieser Stelle ebenso wie die genaue Reichweite der „Legalisierungswirkung“ von Anlagengenehmigungen offenbleiben. Fest steht jedenfalls, dass die „Legalisierungswirkung“ anlagenrechtlicher Genehmigungen eine Inanspruchnahme des Inhabers des gefährdeten Objekts als Störer auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel nicht notwendig ausschließt und Überlegungen zur Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter daher nicht per se entbehrlich macht.
955 Entgegen Sorge, S. 130, erfasst eine Anlagengenehmigung die Gefahr von Attentaten, bei denen sich der Attentäter die spezifische Betriebsgefahr der Anlage zunutze macht, nicht notwendigerweise schon dann, wenn der Normalbetrieb der Anlage Gefahren (gleich welcher Art) für die Allgemeinheit mit sich bringt und diese Gegenstand des Genehmigungsverfahrens waren. Siehe zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auch BVerwGE 84, 220 (224): „[E]s ist verboten, was in der Genehmigung […] nicht gestattet ist.“ 956 Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 64 m. w. N. auch zur Gegenauffassung. 957 Zur Zurechnung des Verhaltens Dritter im Immissionsschutzrecht, bei der die hier für die Gefährdungsveranlassung entwickelten Grundsätze zur Anwendung gelangen können, s. H. II.
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3. Konsequenzen für Einordnung und Auslegung der gesetzlichen Eigensicherungspflichten Die Möglichkeit zur Heranziehung des Inhabers des gefährdeten Objekts als Störer auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel macht die spezialgesetzlich vorgesehenen Eigensicherungspflichten nicht entbehrlich. Denn die Vorschriften über die Eigensicherung sind nicht nur eine Wiederholung dessen, was sich ohnehin schon aus der allgemeinen polizeirechtlichen Generalklausel ergibt. Sie betreffen auch die Gefahrenvorsorge und begründen nicht nur eine Verpflichtbarkeit, sondern eine Verpflichtung der Anlagenbetreiber. Zudem können sie – wenn ein hinreichender Verantwortungszusammenhang begründet werden kann – auch dort zu Eigensicherungsmaßnahmen verpflichten, wo die Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit aufgrund Veranlassung nicht erfüllt sind.958 Angesichts der in der Regel auf dem Gedanken der Gefährdungsveranlassung beruhenden Verantwortlichkeit des Eigensicherungspflichtigen ist die pauschale Einordnung der gesetzlichen Eigensicherungspflichten als „dritte Form“ der Polizeipflicht959 allerdings unzutreffend.960 Was die weitere dogmatische Einordnung der Eigensicherungspflichten anbelangt, erscheint es nach dem hier gefundenen Ergebnis mindestens zweifelhaft, ob diese als ein Fall der Indienstnahme Privater betrachtet werden können.961 Da eine Kenn958 Denkbar wäre das etwa bei dem auf einem technischen Defekt oder einem menschlichen Fehler beruhenden Flugzeugabsturz auf ein Kernkraftwerk. Auch in solchen Fällen ist aber eine besondere, die entschädigungslose Inanspruchnahme zur Eigensicherung rechtfertigende Nähe des Betreibers zur Aufgabe erforderlich (s. zu den Voraussetzungen einer Inpflichtnahme Privater unten I. I.). Diese könnte sich im Beispiel daraus ergeben, dass der Anlagenbetreiber durch die Eigensicherung selbst wirtschaftlich profitiert (so generell hinsichtlich Eigensicherungspflichten Braun, K&R 2009, 386 [390]). 959 Schiller/Drettmann, DVBl. 1977, 956 (957); Ossenbühl, Eigensicherung, S. 18; Spießhofer, S. 147. 960 Vgl. Waechter, VerwArch 87 (1996), 68 (81 mit Fn. 52), der die gesetzlichen Eigensicherungspflichten insgesamt als Ausdruck der – um unterschiedliche Sachgründe der Inhaftungnahme ergänzten – Verhaltens- oder Zustandsverantwortlichkeit des Betreibers ansieht. Die Einpassung der Eigensicherungspflichten in die Verantwortlichkeitskategorien des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts hat nicht zur Folge, dass die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Verpflichtung zu Eigensicherungsmaßnahmen allein den für die Regelung der Gefahrenabwehr zuständigen Ländern zustünde (Art. 30 GG), so aber wohl P. M. Huber, ZUR 2004, 1 (4). Nicht überall dort, wo die Voraussetzungen gefahrenabwehrrechtlicher Verantwortlichkeit erfüllt sind, sind auch die Länder gesetzgebungsbefugt. Vielmehr haben speziellere Kompetenztitel des Grundgesetzes Vorrang, auch wenn es inhaltlich um die Abwehr von Gefahren geht (vgl. BVerfGE 41, 344 [355]). So ergibt sich die Kompetenz des Bundes zur Regelung von Eigensicherungspflichten im Atomrecht unabhängig von der auf allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen beruhenden Verantwortlichkeit der Inhaber der Kernenergieanlagen aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG. 961 Von „Indienstnahme“ wird teilweise dann gesprochen, wenn „einem Privatrechtssubjekt gegen seinen Willen anlässlich einer grundrechtlich geschützten Freiheitsbetätigung die Erfüllung einer gemeinwohlbezogenen Pflicht auferlegt wird, deren Beachtung die Freiheitsbetätigung als solche nicht notwendig erfordert“ (Voßkuhle, in: GVwR I, § 1 Rn. 60). Andere sehen die Indienstnahme als dadurch gekennzeichnet an, dass der Einzelne zur Erfüllung
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zeichnung als Indienstnahme keine konkreten Konsequenzen für Reichweite und Auslegung der Eigensicherungspflichten haben würde962, soll dies hier aber offenbleiben. Der Umstand, dass die Adressaten gesetzlicher Eigensicherungspflichten für die abzuwehrenden Störungen nach polizeirechtlichen Zurechnungsmaßstäben verantwortlich sein können, macht die gesetzlichen Eigensicherungspflichten mithin nicht entbehrlich, kann aber Einfluss auf deren – hier allerdings nicht im Einzelnen zu untersuchende – Auslegung haben. Dies ist mit Blick auf den Kreis der nach den gesetzlichen Eigensicherungsvorschriften abzuwehrenden Gefahren der Fall. So wurzeln terroristische Anschläge nach hier vertretener Auffassung nicht allein in der Entscheidung des Angreifers, sondern haben bei Erfüllung der genannten Zurechnungsvoraussetzungen eine relevante Ursache auch in dem Zustand des gefährdeten Objekts oder dem Verhalten seines Inhabers. Die vermeintlich fehlende Verantwortlichkeit des Inhabers des gefährdeten Objekts kann daher nicht als Argument dafür angeführt werden, die Abwehr terroristischer Angriffe aus dem Anwendungsbereich der – ihrem Wortlaut nach umfassenden – Eigensicherungsvorschriften herauszunehmen.963 Es existiert auch kein Leitsatz, der dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit terroristischen Angriffen allein auf die polizeirechtliche Notstandsverantwortlichkeit zurückzugreifen und Eigensicherungspflichten ausschließlich gegen Leistung einer Entschädigung aufzuerlegen.964 staatlicher Aufgaben herangezogen wird (Waechter, VerwArch 87 [1996], 68 [70 mit Fn. 4, 76 f.], unter Hinweis auf eine Definition von H. P. Ipsen, S. 235 [s. allerdings auch a.a.O., S. 232, wo Indienstnahme als Erledigung öffentlicher Aufgaben durch Private beschrieben wird]; vgl. auch BVerfGE 30, 292 [312]). Auf Grundlage der letztgenannten Ansicht wird vertreten, dass die Zurechenbarkeit einer Aufgabe zu einer Privatperson – diese Zurechenbarkeit ist Voraussetzung ihrer entschädigungslosen Inanspruchnahme (s.u. I. I.) – ihre Staatlichkeit beseitigt (Waechter, VerwArch 87 [1996], 68 [77 f.]). Die Verpflichtung zur Wahrnehmung zurechenbarer Aufgaben könnte demnach keine Indienstnahme sein (so etwa Waechter, Gewährleistungsstaat, S. 130 ff., 136 f., der diese Fälle als „Inpflichtnahme“ bezeichnet [VerwArch 87 [1996], 68, 70 Fn. 4]; wohl auch Braun, K&R 2009, 386 [386 f.]). Angesichts dieses Diskussionsstands verwundert es nicht, dass auch die Frage, ob die Heranziehung eines polizeirechtlichen Störers als Indienstnahme eingeordnet werden kann, umstritten ist (dafür Gramm, Staatsaufgaben, S. 128; dagegen Ossenbühl, Eigensicherung, S. 17 f.; Jani, S. 31, 43 ff.). Diesem eher begrifflichen Problem soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Denn unabhängig davon, ob die Aufgabe eine staatliche ist oder nicht und ob die Verpflichtung zu ihrer Erfüllung als Indienstnahme bezeichnet werden kann, ist das zu lösende Sachproblem das Gleiche: Unter welchen Voraussetzungen besteht eine so enge Beziehung einer Person zu der ihr auferlegten Aufgabe, dass sie entschädigungslos zu ihrer Erfüllung herangezogen werden darf? Siehe dazu näher unten I. I. 962 Otten, S. 142 f. m. w. N. 963 So aber im atomrechtlichen Kontext OVG Lüneburg, DVBl. 2006, 1044 (1054 f.); Kloepfer, Umweltrecht, § 15 Rn. 83; Czajka, in: Ossenbühl, Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 69 (75 f.); Leidinger, DVBl. 2004, 95 (96); gegen die Einbeziehung von Angriffen durch „paramilitärisch vorgehende schwerbewaffnete Gruppen“ und Angriffen aus der Luft Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 (292). 964 So hinsichtlich der Pflicht zur Abschaltung eines Kernkraftwerks bei einem drohenden Flugzeugangriff Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 (295 ff.); von Danwitz, Kernkraftwerke, S. 47 ff.
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
Die wesentliche Grenze der gesetzlichen Eigensicherungspflichten bilden – wie bei Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel – vielmehr die Grundrechte des Inhabers des gefährdeten Objekts. Die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellende Abwägung kann zwar ergeben, dass dem Inhaber des gefährdeten Objekts eine Eigensicherungsmaßnahme nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands auferlegt werden darf. Da die Verantwortlichkeit des Inhabers für Angriffe Dritter nicht pauschal verneint werden kann, darf aber nicht generell von einer solch restriktiven Auslegung der Eigensicherungsvorschriften ausgegangen werden. Es ist insbesondere nicht gerechtfertigt, den Eigensicherungspflichtigen von vornherein im Wesentlichen wie einen polizeilichen Nichtstörer zu behandeln und ihn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit lediglich als zum „hinhaltenden Widerstand“ gegen Angriffe Dritter bis zum Eintreffen der Polizei verpflichtet anzusehen.965 Zwar könnte aus den Vorschriften über den polizeilichen Notstand, nach denen Nichtverantwortliche nur dann in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die eigenen Mittel der Polizei zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen966, gefolgert werden, dass es einen Nichtstörer übermäßig belasten würde, wenn er zu Maßnahmen verpflichtet würde, die über einen hinhaltenden Widerstand bis zum Eintreffen der Polizei hinausreichen. Nach hier vertretener Auffassung ist der Inhaber des gefährdeten Objekts in der Regel aber selbst als Störer für die im Zusammenhang mit Angriffen Dritter drohenden Gefahren verantwortlich. Er genießt daher nicht notwendig den Schutz der strengen Regeln, die für die Heranziehung von Nichtstörern gelten.967 Im Ergebnis wie hier – allerdings ohne dies auf die Zurechenbarkeit des Angriffs zu dem Inhaber des gefährdeten Objekts zu stützen – BVerwGE 81, 185 (189); 131, 129 (134 ff.); VGH München, ZUR 2006, 427 (427 f.). Ob auch die Sicherung vor kriegerischen Einwirkungen unter die Eigensicherungspflichten fällt, ist umstritten (Koch/John, DVBl. 2002, 1578 [1580] m. w. N., offengelassen in BVerwGE 131, 129 [135]). Dass die Voraussetzungen der Zurechnung auch bei kriegerischen Angriffen erfüllt sein können, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Konsequenterweise müssen daher gegebenenfalls auch insoweit erfüll- und zumutbare Eigensicherungsmaßnahmen auferlegt werden können. 965 So aber von Danwitz, RdE 2002, 113 (121); Leidinger, DVBl. 2004, 95 (101). 966 Die zweite Alternative, in der eine Heranziehung des Nichtstörers zulässig ist – Entstehung eines unverhältnismäßigen Schadens durch Inanspruchnahme des Störers – dürfte im Fall bewusster Angriffe durch Dritte nur sehr selten erfüllt sein. Denn jemand, der einen bewussten Angriff verübt, muss es hinnehmen, dass zur Abwehr seines Angriffs mit den erforderlichen Mitteln in seine Rechtsgüter – unter Umständen auch in sein Recht auf Leben, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (BVerfGE 115, 118 (160 ff.]) – eingegriffen wird. Anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn durch ein staatliches Vorgehen gegen den Angreifer Rechtsgüter Unbeteiligter in unverhältnismäßigem Ausmaß verletzt zu werden drohten, die durch Maßnahmen des Inhabers des gefährdeten Objekts – insbesondere durch wirksame passive Schutzmaßnahmen – geschont würden. 967 Es bedarf deshalb nicht der Argumentation von Erbguth, DVBl. 2007, 1202 (1206), der (bei gleichzeitiger Ablehnung polizeirechtlicher Verantwortlichkeit des Betreibers, a.a.O., S. 1204) die strengen Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Notstandspflichtigen nur deshalb nicht als durch die gesetzlichen Eigensicherungspflichten unterlaufen ansieht, weil dem gefährdeten Objekt eine „besondere Anfälligkeit gegenüber terroristischen Angriffen eigentümlich“ sei, die eine Heranziehung des Betreibers rechtfertige.
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Konsequenterweise muss dies auch gelten, wo die Eigensicherungsvorschriften zur Gefahrenvorsorge verpflichten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Bestimmungen über die polizeiliche Notstandsverantwortlichkeit im Bereich der Gefahrenvorsorge nicht anwendbar sind. Aber auch die denkbare Argumentation, wer zur Abwehr einer Gefahr nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands herangezogen werden könne, dürfe zur Gefahrenvorsorge erst recht nur eingeschränkt in Anspruch genommen werden, greift wegen der in aller Regel gegebenen Verantwortlichkeit des Inhabers des bedrohten Objekts als Gefährdungsveranlasser nicht.968 Es erschiene auch wenig schlüssig, im Bereich der Gefahrenvorsorge von einer strikten Begrenzung der Eigensicherungspflicht auf solche Maßnahmen auszugehen, die hinhaltenden Widerstand ermöglichen, ab dem Zeitpunkt der Entstehung einer Gefahr aber gegebenenfalls eine weiterreichende Pflichtenstellung anzunehmen. Im Ergebnis gilt daher für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Heranziehung des Privaten zu Eigensicherungsmaßnahmen und dessen Abwehrrechten zwar im Einzelfall ergeben kann, dass ihn nur eine Pflicht zum „hinhaltenden“ Widerstand trifft, da ihm alles darüber Hinausreichende ein unzumutbares Opfer abverlangte. Ein strikter Grundsatz dieses Inhalts ergibt sich aus dem Übermaßverbot jedoch nicht. Abzulehnen ist es im Übrigen auch, wenn die Existenz eines solchen Grundsatzes damit begründet wird, die Abwehr von Terrorismus und Kriminalität sei eine typische Aufgabe des Staates und keine private Angelegenheit.969 Zwar kann die vorbeugende Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität nicht eine allein private Angelegenheit sein; es ist der Staat, den die Verpflichtung trifft, eine effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.970 Dies wird durch die Heranziehung Privater zu Eigensicherungsmaßnahmen aber auch nicht in Frage gestellt. Mit der Normierung von Eigensicherungspflichten, die es im Übrigen nicht ausschließen, dass der Staat, soweit dies notwendig ist, zur Abwehr von Kriminalität und Terrorismus durch den Einsatz eigener Mittel tätig wird971, kommt der Staat vielmehr seiner Verantwortung für die innere Sicherheit nach. Verfassungsrechtliche Vorgaben, die es gebieten würden, eine effektive Gefahrenabwehr zwingend allein mit staatlichen Mitteln und ohne die Mitwirkung Privater zu gewährleisten, bestehen nicht.972 Dass es sich bei der 968 Zur Anwendbarkeit der hier entwickelten Zurechnungsgrundsätze im Bereich der Gefahrenvorsorge s. auch I. I. 969 BVerwGE 81, 185 (188 f.); VGH München, Urteil vom 7. Oktober 2004 – 22 A 03.40036 –, juris, Rn. 26; ZUR 2006, 427 (428); OVG Schleswig, Urteil vom 1. Januar 2007 – 4 KS 2/04 u. a. –, juris, Rn. 159 ff.; Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 (292), 1209 (1210); von Danwitz, RdE 2002, 113 (120 f.); Leidinger, DVBl. 2004, 95 (100). 970 P. M. Huber, ZUR 2006, 1 (2 f.); Erbguth, DVBl. 2007, 1202 (1206) m. w. N. 971 Zum Umfang der Garantenstellung des Staates im Fall der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben durch Private s. Möstl, S. 323 ff. 972 BVerwGE 95, 188 (196 f.); Stober, NJW 1997, 889 (892 f.); Gramm, Staatsaufgaben, S. 454 f.; Möstl, S. 318 ff.; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 (1206).
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H. Anwendung der Neukonzeption auf aktuelle Fallgestaltungen
Abwehr von Terrorismus und Kriminalität „typischerweise“ um eine staatliche Aufgabe handelt, kann daher keinen Grund dafür bilden, die Vorschriften über die Verpflichtung Privater zu Eigensicherungsmaßnahmen besonders restriktiv auszulegen.973 In Betracht zu ziehen könnte es allenfalls sein, die Leistung aktiven Widerstandes, bei dem der Private gewaltsam in Rechtsgüter des Angreifers eingreift, in gewissem Umfang zu beschränken. Ob das Gewaltmonopol des Staates974, Art. 33 Abs. 4 GG975 oder die begrenzte Reichweite der „Jedermannrechte“976 tatsächlich zu einer solch generell einschränkenden Auslegung zwingen, erscheint zweifelhaft, soll hier aber dahinstehen, bildet das aktive gewaltsame Vorgehen gegen Angreifer doch nur einen, praktisch eher untergeordneten Ausschnitt denkbarer Eigensicherungsmaßnahmen.
973 Vgl. auch Otten, S. 318 f. Des Arguments, bei der Eigensicherungsverantwortlichkeit handele es sich um eine „originäre“ private Angelegenheit – was ohnehin allenfalls insoweit zutrifft, als es um den Schutz ausschließlich eigener Rechtsgüter geht –, weshalb es an einem Grund dafür fehle, sie restriktiv auszulegen (Möstl, S. 336 f.; Koch/John, DVBl. 2002, 1578 [1582]; Erbguth, DVBl. 2007, 1202 [1205]), bedarf es daher nicht (dies zeigt sich auch bei Möstl, S. 335 ff., 341 ff., der zwar danach unterscheidet, ob die Eigensicherungspflicht nur den Schutz eigener Rechtsgüter betrifft oder nicht, im Ergebnis aber beide Konstellationen gleich behandelt, indem er jeweils allein auf die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gezogenen Grenzen der Inanspruchnahme verweist, ohne bei dessen Anwendung zu wesentlich abweichenden Ergebnissen zu gelangen). 974 Leidinger, DVBl. 2004, 95 (96, 101). Das Gewaltmonopol des Staates verbietet es, dass dieser sich aus der Gefahrenabwehr zurückzieht und stattdessen allein auf die Ausübung der „Jedermannrechte“ setzt (Schoch, POR, Rn. 33 m. w. N.). Daraus, dass der Staat selbst nach pflichtgemäßem Ermessen eingreifen muss, folgt aber nicht zwingend, dass er Private nur zu „hinhaltendem Widerstand“ und nicht – wenn dies verhältnismäßig ist – dazu verpflichten darf, sich Fähigkeiten anzueignen, mit denen sie eine Gefahr auch vollständig abwehren können. 975 Ossenbühl, Eigensicherung, S. 32 ff. Ob die Ausübung der Jedermannrechte (§§ 227 ff. BGB) lediglich deshalb, weil der Staat zu ihr verpflichtet, die Ausübung von „hoheitsrechtlichen Befugnissen“ im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG ist, erscheint zweifelhaft (ablehnend BVerwGE 81, 185 [188]; vgl. auch Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 223 mit Fn. 187, S. 93 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 8. März 2012 – 6 K 254/11 –, juris, Rn. 50 ff.). Hinzu kommt, dass die Ausübung solcher Befugnisse nur „in der Regel“ dem Staat vorbehalten ist; bei Vorliegen eines „besonderen sachlichen Grundes“ (BVerfGE 130, 76 [114 ff.]) sind Ausnahmen möglich. Die Zurechenbarkeit des Verhaltens der Angreifer zu dem Inhaber des gefährdeten Objekts, sein Eigeninteresse an dessen Abwehr und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte sprächen für die Anerkennung einer solchen Ausnahme im Bereich der Eigensicherungspflichten. 976 So offenbar Ossenbühl, NVwZ 2002, 290 (292); Sendler, NVwZ 2002, 681 (682). Das Notwehrrecht erlaubt aber nicht nur hinhaltenden Widerstand, sondern die sofortige und endgültige Beendigung eines Angriffs (Grothe, in: Münchener Kommentar, BGB, § 227 Rn. 13).
I. Ausblick: Die Übertragbarkeit der Zurechnungskonzeption auf andere Fälle der Zurechnung des Verhaltens Dritter im öffentlichen Recht Eingangs dieser Arbeit wurde dargestellt, dass ein Interesse an der Gefährdungsveranlassung nicht nur deshalb besteht, weil die für die Zurechenbarkeit des störenden Verhaltens Dritter im Gefahrenabwehrrecht geltenden Grundsätze nach wie vor in höchstem Maße unsicher sind und eine Klärung zur Bewältigung einer Vielzahl aktueller polizeirechtlicher Fragestellungen beitragen könnte.977 Von Interesse ist die polizeirechtliche Zurechnungsproblematik vielmehr auch deshalb, weil sich in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts vergleichbare Probleme finden, zu deren Lösung sich die Anwendung der zur Gefährdungsveranlassung entwickelten Grundsätze anbietet.978
I. Die Begründung gemeinwohlbezogener Handlungsund Finanzierungslasten Privater Einen nur kurzen, aber deshalb besonders naheliegenden gedanklichen Schritt erfordert die Übertragung des hier für den speziellen Bereich des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts entwickelten Ansatzes auf sämtliche anderen Fälle der staatlichen Verpflichtung von Privatpersonen zur Wahrnehmung von Aufgaben im öffentlichen Interesse.979 Bei derartigen Verpflichtungen handelt es sich in der Regel nicht nur um Eingriffe in Freiheitsrechte, sondern zugleich um vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen.980 Denn häufig trifft die Inpflichtnahme nicht sämtliche Bürger, sondern nur bestimmte Personen oder Personengruppen. Die darin liegende Differenzierung bedarf der Rechtfertigung, in deren Rahmen der Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter zu Privaten besondere Relevanz zukommt. 977
Siehe B. II. Siehe C. II. 2. 979 Vgl. dazu Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (299 f. m. Fn. 139), und einleitend C. II. 2. a). Zum Teil wird dies als „Indienstnahme“ bezeichnet. Wegen der mit diesem Begriff verbundenen Unsicherheiten (s. Fn. 961) soll hier allgemeiner von „Inpflichtnahme“ gesprochen werden. 980 Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 261; Waechter, Gewährleistungsstaat, S. 131 f. 978
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
Dabei können zwei Ebenen unterschieden werden:981 Zum einen ist dies die der bloßen Verhaltensregelung, auf der zu klären ist, ob eine Person überhaupt zwangsweise zur Aufgabenerfüllung als solcher herangezogen werden darf, zum anderen die Ebene der Finanzierungslast, auf der sich die Frage stellt, ob der Staat dem Privaten die mit der Inpflichtnahme verbundenen Lasten endgültig zuweisen darf oder zu seiner Entschädigung verpflichtet ist.982 Auf beiden Ebenen bedarf es zur Rechtfertigung der in der Inanspruchnahme liegenden Ungleichbehandlung einer spezifischen Verbindung zwischen der belasteten Person und der Aufgabe, zu deren Wahrnehmung sie verpflichtet wird. Die Anforderungen, die auf der (ersten) Ebene der Verhaltensregelung an den Differenzierungsgrund zu stellen sind, sind dabei allerdings gering; die Auswahlfunktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes983 trägt ihnen bereits Rechnung:984 Von größter Bedeutung für die Bestimmung des Eingriffsadressaten ist, dass der in Anspruch Genommene geeignet ist, die Aufgabe zu erfüllen.985 Ist seine Heranziehung darüber hinaus erforderlich und verhältnismäßig i. e. S., steht ihr auch aus Sicht des Gleichheitssatzes nichts entgegen. Besondere Erwägungen zur Zurechenbarkeit, wie sie in dieser Arbeit angestellt wurden, sind dabei regelmäßig entbehrlich.986 Freilich kann die Erfüllung eines Zurechnungsgrundes aber entsprechend seiner
981 Gallwas, BayVBl. 1971, 245 (247); Friauf, in: FS Jahrreiß, S. 65; Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 255 f.; Kube, DV 41 (2008), 1 (18 ff.); Strauß, S. 135 ff. 982 Ob die Verfassungsmäßigkeit einer entschädigungslosen Inpflichtnahme deshalb notwendig in zwei Schritten zu prüfen ist, weil sie anderenfalls angesichts des stets zur Verfügung stehenden milderen Mittels der Heranziehung gegen Entschädigung immer als unverhältnismäßiger, nicht erforderlicher Eingriff ausscheiden müsste, erscheint zweifelhaft. Die Leistung einer Entschädigung wird man als nicht gleich wirksames und daher als nicht in die Erforderlichkeitsprüfung einzustellendes Mittel anzusehen haben. Aus diesem Grund ablehnend gegenüber einer zweistufigen Prüfung Möstl, S. 344. Freilich ändert dies nichts daran, dass den Anforderungen beider (jedenfalls gedanklich zu trennender) Ebenen auch im Rahmen einer einheitlichen Prüfung Rechnung zu tragen ist. 983 Zur Auswahlleistung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes s. D. IV. 4. f) aa). 984 Vgl. Burgi, GewArch 1999, 393 (397). Art. 3 Abs. 1 GG wird auf dieser Ebene daher in der Regel nicht als eigenständiger Prüfungsmaßstab thematisiert (s. aber etwa Strauß, S. 165 f.). Dies ändert aber nichts daran, dass die Heranziehung bestimmter Personen zur Aufgabenwahrnehmung als solcher ein grundsätzlich auch an Art. 3 Abs. 1 GG zu messendes Gleichheitsproblem darstellt. 985 Vgl. Gallwas, BayVBl. 1971, 245 (247): „Tauglichkeit für den Einsatz“; Kube, DV 41 (2008), 1 (17); Braun, K&R 2009, 387 (388 f.); vgl. auch Strauß, S. 166. 986 Dies stellt eine Parallele zu den Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Nichtstörers im Gefahrenabwehrrecht dar. Dass eine bestimmte Person statt anderer als Nichtstörer herangezogen wird, rechtfertigt sich gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG daraus, dass sie zur Gefahrenabwehr geeignet und ihre Inanspruchnahme auch im Übrigen verhältnismäßig ist. Der Zurechenbarkeit der abzuwehrenden Gefahr, die im hiesigen Kontext auf der „zweiten Ebene“ eine Rolle spielt, bedarf es zur verhältnismäßigen Inanspruchnahme des Nichtstörers, der für seine Tätigkeit eine Entschädigung erhält, hingegen nicht. Zur Verallgemeinerungsfähigkeit der polizeirechtlichen Grundsätze über die Heranziehung des Nichtstörers vgl. Möstl, S. 345 f.
I. Gemeinwohlbezogene Handlungs- und Finanzierungslasten Privater
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Zumutbarkeitsfunktion987 auch bereits auf dieser ersten Ebene zur Verhältnismäßigkeit von Eingriffen beitragen. Höhere Anforderungen sind demgegenüber an den Differenzierungsgrund zu stellen, der es auf der zweiten Ebene rechtfertigen soll, bestimmten Personen auch die Kostenlast der Aufgabenwahrnehmung aufzuerlegen. In Anlehnung an die Maßstäbe der Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion988 kann eine solche Lastenverteilung nur dann mit dem Gleichheitssatz vereinbar sein, wenn der verpflichteten Person eine besondere, sie aus dem Kreis der Allgemeinheit heraushebende Verantwortung für den mit der Aufgabenerfüllung verfolgten Zweck zukommt.989 Denn finanziell macht es für den Betroffenen keinen Unterschied, ob er – wie im Fall der Sonderabgabe – mit der Finanzierung staatlicher Aufgaben belastet oder direkt zur kostenträchtigen Wahrnehmung der Aufgabe verpflichtet wird.990 Voraussetzung der Verantwortung für eine Aufgabe soll ihre Zurechenbarkeit sein.991 Die Zurechenbarkeit kann auf unterschiedlichen Gründen beruhen, die in Anlehnung an die Sonderabgabenjudikatur meist unter dem Begriff der „Sachnähe“992 zusammengefasst werden. Bei dessen Konkretisierung werden
987 Zur Zumutbarkeitsfunktion von Zurechnungsgründen s. D. IV. 4. f) aa) bei Fn. 301 und D. IV. 4. f) dd) (1) (a). 988 BVerfGE 55, 274 (304 ff.); 67, 256 (275 ff.); 122, 316 (334 f.) m. w. N. Zur Rechtfertigung der Auferlegung von Finanzierungs-Sonderabgaben wird eine Finanzierungsverantwortung der belasteten Gruppe verlangt, die sich insbesondere aus ihrer „Sachnähe“ zum Zweck der Abgabenerhebung ergeben muss. 989 Friauf, in: FS Jahrreiß, S. 56 f.; Depenheuer, BB 1996, 1218 (1221); Kube, DV 41 (2008), 1 (16 f.); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 378j. Häufig wird insoweit auf das Prinzip der Lastengleichheit rekurriert (s. etwa Friauf, in: FS Jahrreiß, S. 46 ff.; Braun, K&R 2009, 387 [388]; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 163), dagegen Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 262 ff., der die entschädigungslose Verpflichtung Privater zur Wahrnehmung von Staatsaufgaben grundsätzlich für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG hält (a.a.O., S. 269 ff.; GewArch 1999, 393 [400 ff.]). 990 Friauf, in: FS Jahrreiß, S. 56 f.; Kube, DV 41 (2008), 1 (15 ff). Gegen eine derartige Gleichsetzung von Handlungs- und Finanzierungspflichten und damit auch gegen die Übertragung der Grundsätze über die Erhebung von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion auf die hier in Rede stehenden Konstellationen aber Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 263: Dem Staat komme es bei der Statuierung von Handlungspflichten in erster Linie auf die Erbringung der Dienstleistung, nicht auf deren Finanzierung an. Für die Übertragbarkeit der zu Sonderabgaben entwickelten Kriterien auf die Auferlegung von Handlungspflichten spricht aber, dass dem staatlichen Interesse an der Erbringung der Dienstleistung schon auf der auch von Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 255 f., anerkannten „ersten“ Ebene der Verhaltensregelung (s. o. bei Fn. 984) Rechnung getragen wird. Denn die Auferlegung einer Handlungspflicht muss ihrerseits verhältnismäßig sein. Zur Rechtfertigung der (zusätzlichen) Aufbürdung einer Finanzierungslast bedarf es gegenüber der ersten Ebene eines anderen, stärkeren Grundes. 991 Vgl. Waechter, Gewährleistungsstaat, S. 132; Braun, K&R 2009, 387 (388). 992 Waechter, VerwArch 87 (1996), 68 (77 f.); Braun, K&R 2009, 387 (388); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 378j.
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
verbreitet zwei Fallgruppen unterschieden: die Zurechenbarkeit aufgrund „Interessenkongruenz“993 und aufgrund „Mit-Verantwortung“ des Pflichtigen.994 Wird eine Person dazu verpflichtet, Risiken995 oder Gefahren entgegenzuwirken, kann ihre notwendige Verantwortung für die Aufgabenerledigung insbesondere daraus resultieren, dass sie die riskante Sachlage verursacht oder, wenn es um riskantes Drittverhalten geht, dieses veranlasst hat.996 Wie im Rahmen der polizeirechtlichen Gefährdungsveranlassung erfüllen die Zurechnungsgründe der Verursachung und Veranlassung mithin auch hier eine Differenzierungsfunktion.997 Wer einen Zustand in zurechenbarer Weise verursacht, trägt eine Verantwortung für die Bekämpfung der damit einhergehenden Risiken und Gefahren.998 Zur Konkretisierung des Zurechnungsgrundes der „Veranlassung“ sollte wie bei der Gefährdungsveranlassung auf die Zurechnungskriterien der äquivalenten Kausalität und subjektiven Vorhersehbarkeit zurückgegriffen werden. Die deutlichen strukturellen Ähnlichkeiten von Polizeirecht und den beschriebenen Fällen der Inpflichtnahme – beides Mal werden Personen wegen ihrer sich aus der zurechenbaren Verursachung eines bestimmten Erfolgs ergebenden Verantwortung zu bestimmten Tätigkeiten 993
Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 182 f. Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 266 m. w. N.; Möstl, S. 345. Vgl. auch Braun, K&R 2009, 387 (389 ff.), der diese Gründe aber nicht als Zurechnungsgründe einordnet. Die Übereinstimmung der Kriterien mit denen über die individuelle Zurechenbarkeit staatlicher Handlungen im Gebührenrecht ist nicht zufällig; es handelt sich bei der Frage nach der Entschädigung für die Inpflichtnahme um eine „umgekehrte Gebührensituation“ (näher Braun, K&R 2009, 387 [389]). Dass Braun Anleihen beim verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff zur Bewältigung der Problematik der „Indienstnahme“ für besser geeignet hält als die Übertragung der im Rahmen der Sonderabgabenrechtsprechung entwickelten Zurechnungsgrundsätze, vermag allerdings nicht zu überzeugen. Die in den beiden Rechtsbereichen entwickelten Kriterien sind hierzu gleichermaßen geeignet, denn sie betreffen dasselbe Sachproblem: die Kostentragungspflicht des Bürgers, die sich an seiner Verantwortlichkeit für die betreffende Aufgabe auszurichten hat. Es ist daher auch kein Zufall, dass zur Konkretisierung des Zurechnungsgrundes der „Sachnähe“ in der Sonderabgabenrechtsprechung ebenfalls auf den „Verursachungsgedanken“ und den „Nutzen“ zurückgegriffen wird, den der Bürger von der staatlichen Aufgabenerfüllung hat, BVerfGE 122, 316 (336). 995 Zu Beispielen für eine staatliche Inpflichtnahme im Bereich der Risikobekämpfung s. C. II. 2. a). Die Übertragung der in dieser Arbeit zur Zurechnung von drittvermittelten Gefahren entwickelten Grundsätze auf die Zurechnung anderer durch Drittverhalten vermittelte, beispielsweise nur riskanter Sachverhalte bereitet keine Schwierigkeiten. Auf die für die Zurechnung relevanten Kriterien hat es keinen Einfluss, welcher Zweck mit der Inanspruchnahme verfolgt wird. Ob an dem staatlicherseits verfolgten Ziel, hier der Bekämpfung nur riskanter Sachlagen, ein hinreichendes, die Inanspruchnahme rechtfertigendes öffentliches Interesse besteht, ist eine von der Zurechnungsentscheidung zu trennende Frage, die allein Gegenstand der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmenden Interessenabwägung ist. Siehe auch Hoffmann-Riem, ZRP 1977, 277 (280 f.), mit dem Vorschlag, die Rechtsfigur des Gefährdungsveranlassers durch die des „Risikoveranlassers“ zu ergänzen. 996 Vgl. Waechter, VerwArch 87 (1996), 68 (81 ff.); Gewährleistungsstaat, S. 132, 136; Braun, K&R 2009, 386 (389 f.). 997 Zur Differenzierungsfunktion von Zurechnungsgründen s. D. IV. 4. f) aa). 998 Siehe D. IV. 4. f) bb) mit Fn. 307. Vgl. auch Braun, K&R 2009, 387 (389). 994
I. Gemeinwohlbezogene Handlungs- und Finanzierungslasten Privater
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verpflichtet – sprechen dafür, inner- und außerhalb des Polizeirechts die gleichen Zurechnungsmaßstäbe gelten zu lassen. Es ist deshalb generell davon auszugehen, dass jemand, der vorhersehen kann, dass sein Handeln einen Dritten zu einem gemeinschädlichen Verhalten veranlasst, eine Verantwortung für den durch den Dritten geschaffenen Sachverhalt trägt, die ihn in erheblicher Weise aus der Masse aller Bürger heraushebt.999 Diese Verantwortung darf der Gesetzgeber durch die entschädigungslose Inpflichtnahme des Veranlassers aktualisieren. Die Argumente, die im Rahmen der polizeirechtlichen Gefährdungsveranlassung für die Zurechnungsrelevanz der subjektiven Vorhersehbarkeit vorgebracht wurden, insbesondere der Gesichtspunkt der Selbstbestimmung, sind auf andere Fälle der Inpflichtnahme ohne Schwierigkeiten übertragbar.1000 Übertragbar sind auch die weiteren Grundsätze, die in dieser Arbeit zur polizeirechtlichen Gefährdungsveranlassung aufgestellt wurden. So ist die Zurechenbarkeit allein in keinem Fall ausreichend, die Inpflichtnahme des Veranlassers zu rechtfertigen. Die auferlegten Pflichten müssen verhältnismäßig, das heißt insbesondere: angemessen, sein. In diesem Zusammenhang kann die zweite Funktion von Zurechnungsgründen, ihre Zumutbarkeitsfunktion, zum Tragen kommen: Je stärker der im Einzelfall vorhandene Zurechnungszusammenhang ist, desto schwerer wiegende Eingriffe können dem Veranlasser zugemutet werden. Wie oben bei der Behandlung der „ersten Ebene“ der Inpflichtnahme erwähnt1001, schließt das Fehlen eines Zurechnungszusammenhangs die verhältnismäßige Inpflichtnahme Privater auch außerhalb des Gefahrenabwehrrechts nicht aus. Zu ihrer Rechtfertigung bedarf es dann aber – wiederum vergleichbar mit dem polizeilichen Notstand – der Leistung
999 So auch Waechter, Gewährleistungsstaat, S. 133. Zur polizeirechtlichen „Zweckveranlassung“ geht Waechter, Gewährleistungsstaat, S. 133, Fn. 19, hingegen davon aus, dass diese wegen der Verschuldensunabhängigkeit des Polizeirechts statt von Vorhersehbarkeit von der „objektiven Eignung zur indirekten Gefahrenveranlassung“ abhängig zu machen sei. Siehe zur mangelnden Tragfähigkeit der Argumentation mit der Verschuldensunabhängigkeit des Polizeirechts oben F. III. 3. Allgemein für ein engeres Zurechnungskriterium offenbar noch Waechter, VerwArch 87 (1996), 68 (90 ff.), wonach es darauf ankommen soll, „ob der in die Haftung Genommene das (ggf. bestimmungswidrige, rechtswidrige und vorsätzliche) Dazwischentreten des Dritten als typische Fehlentwicklung des Geschehens voraussehen kann“ (a.a.O., S. 92). Ablehnend gegenüber einem weiten Verursachungskriterium Braun, K&R 2009, 386 (389 f.). 1000 Außerhalb des Polizeirechts kann das Erfordernis der äquivalenten Kausalität freilich nicht aus dem Wortlaut der Polizeigesetze abgeleitet werden. Die polizeirechtlichen Regelungen zum Verhaltensstörer sind jedoch nur als eine Kodifizierung des ohnehin anerkannten Zurechnungsgedankens der „Verursachung“ anzusehen (zur Verursachung als allgemeinem Zurechnungsgedanken s. Waechter, LKV 2000, 388 [389]). Generelle Übertragung der Kategorien Zustands- und Verhaltenshaftung auf die Inpflichtnahme bei Waechter, VerwArch 87 (1996), 68 (78). 1001 Siehe Fn. 986.
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
einer Entschädigung, um die gleichheitswidrige Belastung des in Anspruch Genommenen auszugleichen.1002
II. Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand aufgrund Veranlassung Um eine anders gelagerte Ausgangskonstellation handelt es sich bei der Zurechnung des Verhaltens Dritter zum Staat. Hier dienen Zurechnungsgründe nicht dazu, die staatlicherseits erfolgende Inanspruchnahme einer Person statt einer anderen zu rechtfertigen. Vielmehr steht hier in Frage, wann der Staat selbst infolge seiner Dritte zu einem bestimmten Verhalten veranlassenden Tätigkeit belastende Rechtsfolgen gewärtigen muss.1003 Allerdings kann Zurechnungsgründen auch in diesem Kontext eine Differenzierungs- und eine Zumutbarkeitsfunktion1004 zugeschrieben werden. Dies lässt sich an der Problematik mittelbarer Grundrechtseingriffe zeigen: Sollen die Auswirkungen bestimmter Reaktionen Dritter auf staatliches Handeln als Grundrechtseingriff – mit allen Folgen für den Rechtsschutz des Betroffenen (Art. 19 Abs. 4 GG) – eingestuft werden, andere aber nicht, so bedarf es eines diese Unterscheidung rechtfertigenden Grundes. Ebenso verhält es sich im staatshaftungsrechtlichen Kontext: Was rechtfertigt es, dass nur für bestimmte drittvermittelte Folgen staatlichen Handelns ein Ausgleich zu leisten ist? Als Differenzierungskriterium kommt hier insbesondere die Erfüllung eines Zurechnungsgrundes in Betracht. Bei der Zurechnung von Drittverhalten zum Staat spiegelt sich darüber hinaus auch die von der Zurechnung zu Privaten bekannte Zumutbarkeitsfunktion wider: Drittvermittelte staatliche Eingriffe werden desto eher als unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe anzusehen sein, je enger der Zusammenhang zwischen staatlichem Handeln und der Reaktion des Dritten ist. Denn vom Staat kann grundsätzlich eher erwartet werden, solches Verhalten Dritter zu verhindern, das eng mit seinem Handeln verbunden ist. Dies beruht darauf, dass unwahrscheinlichere Folgen das öffentliche Interesse an der staatlichen Maßnahme weniger mindern und überdies die Möglichkeiten des Staates, nur lose mit seinem Tun verbundenes Verhalten Dritter zu unterbinden, schon im Hinblick auf deren Freiheitsgrundrechte begrenzter sein dürften. Auch der notwendige Umfang eines staatshaftungsrechtlichen Ausgleichs für drittvermittelte Beeinträchtigungen wird aus diesen Gründen mit der Stärke des Zurechnungszusammenhangs zunehmen.1005 1002 Vgl. Waechter, Gewährleistungsstaat, S. 136 f., demzufolge die Entschädigung die Verhältnismäßigkeit dieser Form der „Indienstnahme im engen Sinne“ wahrt. 1003 Zur Relevanz des hier in Rede stehenden Zurechnungsverständnisses für die Beantwortung dieser Frage s. C. II. 1. 1004 Zu diesen Funktionen von Zurechnungsgründen s. D. IV. 4. f) aa). 1005 Bislang wird die Zurechnung von Drittverhalten im Staatshaftungsrecht auch mit dem Argument eng geführt, dass der Staat nicht durch eine ausufernde Haftung überlastet werden dürfe (s. Fn. 1058). Diesem Gesichtspunkt ist besser im Rahmen der Verhältnismäßigkeits-
II. Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand
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Angesichts dieser übereinstimmenden Funktionen von Zurechnungsgründen liegt die Übertragung der für die Gefährdungsveranlassung entwickelten Grundsätze auf die Zurechnung von Drittverhalten zum Staat nahe. Zu untersuchen ist allerdings, ob die Argumente, die im Gefahrenabwehrrecht zur Identifizierung von äquivalenter Kausalität und subjektiver Vorhersehbarkeit als relevante Zurechnungskriterien geführt haben1006, auch bei der Zurechnung des Verhaltens Dritter zum Staat Platz greifen können. In dem hier gesteckten Rahmen soll nur auf einige Gesichtspunkte hingewiesen werden, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind.
1. Die Zurechnung von durch Dritte vermittelten Grundrechtseingriffen Kern- und Ausgangspunkt bei der Ermittlung der für die Zurechnung des Verhaltens Dritter zum Staat geltenden Kriterien in den hier interessierenden Bereichen ist die grundrechtliche Eingriffsdogmatik.1007 Zu der Frage, von welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines mittelbaren Grundrechtseingriffs abhängig zu machen ist, kursiert eine Vielzahl von Vorschlägen. Sie können im Rahmen dieses Ausblicks nicht erschöpfend, sondern nur in einem kurzen Überblick wiedergegeben werden. Dass es sich bei der geschilderten Problematik des Dazwischentretens Dritter auch im Bereich des Grundrechtseingriffs um ein Zurechnungsproblem handelt, ist weitgehend unbestritten.1008 Teilweise wird ihr gegenüber anderen Konstellationen, in denen das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs in Frage steht, allerdings keine besondere Bedeutung beigemessen. So wird vertreten, dass jeder durch den Staat im Sinne der Äquivalenztheorie und der Conditio-sine-qua-non-Formel ursächlich herbeigeführte grundrechtswidrige Effekt als Grundrechtseingriff anzusehen sei.1009 Andere versuchen, die Weite des Äquivalenzkriteriums dadurch zu begrenzen, dass sie auf die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung abstellen.1010 Ein weiterer Ansatz geht dahin, das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs davon abhängig zu machen, ob der Schutzzweck des jeweiligen Grundrechts darauf gerichtet ist, die in prüfung Rechnung zu tragen. Das Vorliegen eines engen Zurechnungszusammenhangs spricht dabei wegen der damit regelmäßig einhergehenden besseren Möglichkeiten zur Verhinderung des Drittverhaltens gegen die Annahme einer drohenden finanziellen Überlastung des Staates. 1006 Siehe dazu F. 1007 Siehe zum Verhältnis der Dogmatik des Grundrechtseingriffs zur staatshaftungsrechtlichen Zurechnung C. II. 2. c). 1008 Auf die abweichenden Ansätze von Poscher, Abwehrrechte, S. 173 ff. (s. Fn. 112), und Schwabe, S. 213 ff., kann hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. zur Kritik aber etwa Alexy, S. 417 ff.; Lübbe-Wolff, S. 170 ff., F. Lange, S. 429 f. 1009 Lindner, DÖV 2004, 765 (770 f.); vgl. auch Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 166, These 8. Siehe zudem die Nachweise bei A. Roth, Drittbetroffenheit, S. 294 Fn. 53. 1010 Sodan, DÖV 1987, 858 (863 f.); Kollegiale Funktionsträger, S. 519 ff.; A. Roth, Drittbetroffenheit, S. 324 ff. Oft wird bei Bagatellbelastungen das Vorliegen eines Eingriffs verneint, s. die Nachweise bei von Arnauld, S. 98 Fn. 49.
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
Rede stehende nachteilige Einwirkung abzuwehren.1011 Besondere Kriterien für die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter sind nach diesen Ansätzen entbehrlich. Die Schutzzwecklehre, der es im Grundrechtsbereich darum geht, Grundrechtseingriffe von solchen Beeinträchtigungen abzugrenzen, die sich als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos darstellen, bezieht zwar auch die Länge der Kausalkette zwischen hoheitlichem Handeln und seinen Wirkungen in ihre Bewertung ein.1012 Das Dazwischentreten Dritter erfährt dabei aber keine besondere Behandlung. Vielmehr soll eine Zusammenschau der Kriterien der Unmittelbarkeit, Zielgerichtetheit und Intensität zur Lösung führen.1013 Andere hingegen wollen für die Zurechnung von Drittverhalten zum Staat spezielle Zurechnungskriterien zur Anwendung bringen, wobei der Inhalt der Kriterien im Einzelnen oft unbestimmt bleibt. So wird teilweise gefordert, dass der Staat maßgeblichen Einfluss auf die grundrechtsbeeinträchtigende Wirkung haben müsse, was dann der Fall sein soll, wenn das Verhalten notwendige Folge staatlicher Tätigkeit ist.1014 Nach einer weiteren Auffassung soll das Verhalten eines Privaten dann zurechenbar sein, wenn der staatliche Mitwirkungsakt in dem Sinne konstitutiv ist, dass allein seine Unterlassung die Beeinträchtigung durch den Dritten unmöglich macht.1015 Noch verschärft werden diese Anforderungen, wenn verlangt wird, der Private müsse praktisch ein Werkzeug in der Hand des Staates sein, das selbst über keine Entscheidungsfreiheit verfügt.1016 Dagegen soll es nach anderer Auffassung auf die Finalität staatlichen Handelns ankommen.1017 Weitere Ansätze zeigen schließlich deutlich in die Richtung der Kriterien, die in dieser Arbeit als für die gefahrenabwehrrechtliche Gefährdungsveranlassung relevant herausgefiltert wurden.1018 So wird in Anknüpfung an die zivilrechtlichen Verfolgerfälle1019 teilweise darauf ab1011 Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 161 ff.; VerwArch 72 (1981), 89 (99 ff.). Siehe zudem die Nachweise bei Sachs, in: Stern III/2, S. 155 Fn. 354. 1012 Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 174; VerwArch 72 (1981), 89 (103). 1013 Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 175 ff.; VerwArch 72 (1981), 89 (103 ff.). 1014 Bleckmann/Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (377 f.), nennen als mögliche Auslöser staatliche Gebote und Verbote oder faktisches staatliches Handeln; ähnlich Eckhoff, S. 297 ff., der eine „staatliche Kontrolle“ über Eintritt oder Nichteintritt der Grundrechtsbeeinträchtigung verlangt, die sich etwa aus dem Gebot oder der Genehmigung eines Verhaltens, dessen Veranlassung oder Förderung ergeben könne. Wann von „Veranlassung“ gesprochen werden kann, führt Eckhoff aber nicht näher aus. Vgl. auch BVerfGE 66, 39 (62 f.). 1015 Hermes, S. 82 ff. 1016 Philipp, S. 140, die einen Eingriff nur bei fehlender Entscheidungsfreiheit des Dritten bejaht. 1017 Von Arnauld, S. 102. Vgl. auch Ossenbühl, Umweltpflege, S. 30 f., der zusätzlich eine „gewissen Schwere“ der Beeinträchtigung für erforderlich hält; ebenso Dolde, Warnungen, S. 14 ff. 1018 Wegen der Vergleichbarkeit der Zurechnungsproblematik (vgl. Fn. 1023) sprechen diese Ansätze zugleich für die Richtigkeit der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Handhabung der polizeirechtlichen Gefährdungsveranlassung. 1019 Zu diesen s. o. Fn. 641.
II. Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand
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gestellt, ob sich ein vernünftiger Durchschnittsbürger zu einem Verhalten wie dem des Dritten als Reaktion auf das staatliche Handeln veranlasst fühlen durfte.1020 Auch die Ansicht, dass es auf die Vorhersehbarkeit der Verursachung beeinträchtigenden Drittverhaltens ankomme, wird – wenn auch häufig ergänzt durch weitere Kriterien – vertreten.1021 Insgesamt ist das Feld mithin von einer großen Unsicherheit geprägt. Die Rechtsprechung verzichtet in der Regel auf die Benennung eines bestimmten Zurechnungskriteriums.1022 Viel spricht dafür, dass die in dieser Arbeit für die vergleichbare Konstellation der Gefährdungsveranlassung entwickelten Zurechnungskriterien auch zur Klärung des mittelbaren Grundrechtseingriffs beitragen können.1023 Unproblematisch gilt dies zunächst für das Kriterium der äquivalenten Kausalität. Schon alle oben genannten Vorschläge gehen davon aus, dass die äquivalente Kausalität des staatlichen Handelns für das beeinträchtigende Drittverhalten eine notwendige Voraussetzung seiner Zurechnung bildet. In Anbetracht der Vorgaben des Art. 1 Abs. 3 GG leuchtet dies ein, ist dort doch bestimmt, dass der Grundrechtseingriff durch eine staatliche Maßnahme bewirkt werden muss.1024
1020
W. Roth, S. 312 ff.; Cremer, S. 162 f. Epping, Grundrechte, Rn. 395, der dabei aber Wertungsgesichtspunkte wie insbesondere die Intensität des drohenden Erfolgs in die Bewertung der Vorhersehbarkeit mit einfließen lassen will; auch die Zielgerichtetheit staatlichen Handelns (Rn. 397) und die Frage, ob der Dritte „einen eigenständigen Steuerungsprozess in Gang setzt“ (Rn. 394), sollen bei der Beurteilung der Eingriffsqualität eine Rolle spielen. Im Zusammenhang mit Schutzzweckerwägungen auch Schulte, DVBl. 1988, 512 (518). Vgl. weiterhin Sachs, in: Stern III/2, S. 195 f., der die Zurechenbarkeit grundsätzlich bejaht, wenn das veranlasste Verhalten Dritter keine „ganz ungewöhnliche und fernliegende“ Reaktion ist, dieses Kriterium allerdings offenbar für weiter als „Vorhersehbarkeit“ hält. Vgl. auch Cremer, S. 163 ff., der jedoch zum Teil darüber hinaus ein „objektives Bezwecken“ des Drittverhaltens verlangt. 1022 So fragt das Bundesverfassungsgericht bei Maßnahmen, die dem klassischen Eingriffsbegriff nicht unterfallen, ob sie ein „funktionales Äquivalent“ eines Eingriffs darstellen, BVerfGE 105, 252 (273); 113, 63 (77); 116, 202 (222); 125, 39 (78); vgl. zu Forderungen nach einer Orientierung am klassischen Eingriffsbegriff aus der Literatur Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 265 m. w. N. Abzulehnen soll die funktionale Äquivalenz etwa dann sein, wenn „mittelbare Folgen ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind“ (BVerfGE 116, 202 [222]; s. dazu auch Bethge, in: HGR III, § 59 Rn. 21). Daneben kennt das Bundesverfassungsgericht aber auch (sonstige) faktischmittelbare Beeinträchtigungen, die abgesenkten Rechtfertigungsanforderungen unterliegen (BVerfGE 105, 279 [303 ff.], s. Fn. 1033). Das Bundesverwaltungsgericht macht die Bejahung eines Eingriffs hingegen von der Voraussehbarkeit oder billigenden Inkaufnahme und Intensität der Beeinträchtigung abhängig (BVerwGE 82, 76 [79]; 87, 37 [43 f.], DVBl. 1996, 807 [807]). 1023 Rückgriff auf Gedanken der „Zweckveranlassung“ auch bei Sachs, in: Stern III/2, S. 189 f. 1024 Zur äquivalenten Kausalität als Grundvoraussetzung der Zurechnung s. nur Sachs, in: Stern III/2, S. 128 f. m. w. N. Anders könnte dies nur auf Grundlage der Auffassung zu beurteilen sein, die in der hier in Rede stehenden Problematik kein Zurechnungsproblem sieht, s. dazu Fn. 1008. 1021
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
Größeren Aufwands bedarf es hingegen zu begründen, dass die Äquivalenztheorie im Bereich der Zurechnung des Verhaltens Dritter (oder auch generell) der Einschränkung durch weitere Zurechnungskriterien bedarf. Verbreitet wird hierzu wie im Polizeirecht auf die Weite dieser Theorie verwiesen: Ein nur auf Kausalität beruhender Eingriffsbegriff führe wegen der Vielzahl von Folgewirkungen staatlichen Handelns zu einer unüberschaubaren Zahl von Grundrechtsbeeinträchtigten.1025 Eine insbesondere mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbarende, weil dem Staat die Möglichkeit zur effektiven sozialgestalterischen Einflussnahme entziehende1026 Lähmung der Staatsgewalt sei die Folge. Denn zum einen sei zu befürchten, dass sich jedermann bei nur geringster Betroffenheit zum „privaten Verwaltungskontrolleur aufschwingen“1027 könne.1028 Dies führe zu einer Überlastung der Justiz.1029 Es sei zudem zu befürchten, dass das Parlament überfordert werde, müsse es doch dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt dadurch Rechnung tragen, dass es für jede noch so fernliegende und geringe Folge staatlichen Handelns eine gesetzliche Eingriffsgrundlage schaffe.1030 Wo eine solche fehle, sei die Exekutive ihrer Handlungsmöglichkeiten beraubt. Diese Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Judikative, Legislative und Exekutive stünde auch im Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltenteilung.1031 Dass das Ziel, dem Staat hinreichende Handlungsspielräume zu bewahren, und der Versuch, diesem im Rahmen der Grundrechtsdogmatik Rechnung zu tragen, legitim sind, steht außer Zweifel. Ob allerdings eine Lähmung der Staatsgewalt notwendig durch eine Engführung des Eingriffsbegriffs verhindert werden muss und ob ein Zurechnungskriterium, das diesem Erfordernis überzeugend Rechnung trägt, überhaupt entwickelt werden kann, erscheint zweifelhaft. Fraglich erscheint schon, ob die Befürchtung, ein weiter Eingriffsbegriff werde zu einer Klageflut führen, berechtigt ist. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ein Betroffener auch unter Geltung eines weiten Eingriffsbegriffs den Rechtsweg nur beschreiten wird, wenn das Klageverfahren Aussicht auf Erfolg hat.1032 Die Erfolgsaussichten hängen aber nicht nur vom Vorliegen eines „Eingriffs“ ab. Zur Verhinderung der befürchteten „Lähmungserscheinungen“ und einer Gewichtsverschiebung zwischen den Staatsgewalten kommen zudem durchaus auch andere Lösungen als die Verengung des Eingriffsbegriffs in Betracht: So ist es insbesondere denkbar, die „lähmende“ Wirkung grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte durch die Begrenzung ihrer Reichweite 1025
P. Kirchhof, Einwirken, S. 94; Sachs, in: Stern III/2, S. 129. Friauf, DVBl. 1971, 674 (681 f.); Sodan, Funktionsträger, S. 517 f. 1027 Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (96). 1028 Sodan, Funktionsträger, S. 518; A. Roth, Drittbetroffenheit, S. 323; Koch, S. 2 f. 1029 Sodan, Funktionsträger, S. 518. 1030 Sodan, Funktionsträger, S. 517. 1031 A. Roth, Drittbetroffenheit, S. 322 ff. 1032 Siehe dazu von Arnauld, S. 103 ff.; dort auch zu weiteren Einwänden gegen ein weites Eingriffsverständnis. 1026
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abzuschwächen.1033 Auch die Formung engerer grundrechtlicher Gewährleistungsgehalte1034 könnte eine Strategie bilden, um etwaigen übermäßigen Belastungen sowohl des Gesetzgebers als auch der Gerichte vorzubeugen.1035 Angesichts derartiger Alternativen und des besonderen Einschnitts in den Grundrechtsschutz, den jede Engführung des Eingriffsbegriffs mit sich bringt – übrig bleibt bei Verneinung eines Eingriffs stets nur die wenig konturierte, auf offensichtliche Fälle beschränkte grundrechtliche Schutzpflicht –, sollte ein solcher Schritt erst nachrangig erwogen werden.1036 Hinzu kommt, dass die Grenze, ab welcher die Bejahung von Grundrechtseingriffen zu einer verfassungsrechtlich relevanten Lähmung der Staatsgewalt führt, nicht deutlich zu ziehen ist. Wie weit oder eng muss ein Zurechnungsgrund gefasst sein, damit er derartige „Lähmungserscheinungen“ verhindert? Dem Kriterium, mit dem der Gefahr der Lähmung der Staatsgewalt im Rahmen des grundrechtlichen Eingriffsbegriffs begegnet werden sollte, müsste deshalb unvermeidlich etwas Willkürliches anhaften.1037 Die Wahrung staatlicher Handlungsspielräume kann daher bei der Konturierung des Eingriffsbegriffs nicht mehr als ein Argument unter anderen sein. Dass die Zurechnungsvoraussetzung der äquivalenten Kausalität zwingend der Ergänzung durch ein weiteres Kriterium bedarf, ergibt sich aus einer anderen Erwägung, die bereits oben bei der Gefährdungsveranlassung angestellt wurde: Wie bei dieser ist es auch bei der Zurechnung von Drittverhalten zum Staat im Rahmen mittelbarer Grundrechtseingriffe letztlich der Gedanke der Selbstverantwortung, der zur Heranziehung eines ergänzenden Zurechnungskriteriums zwingt. Art. 1 Abs. 3 GG verlangt, dass der Grundrechtseingriff durch staatliches Handeln verursacht wird. Das Kriterium der Kausalität allein kann dies im Fall des Dazwischentretens Dritter 1033 Hillgruber, in: HStR IX, § 200 Rn. 91. Vgl. etwa den Ansatz des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 105, 279 (303 ff.), demzufolge bei faktisch-mittelbaren Eingriffen (das Bundesverfassungsgericht bezeichnet sie als „Grundrechtsbeeinträchtigungen“, BVerfGE 105, 279 [303]) „regelmäßig“ auf eine Ermächtigungsgrundlage verzichtet werden könne (vgl. auch Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 94 ff.), da sich faktisch-mittelbare Wirkungen typischerweise einer Normierung entzögen. Kritisch dazu Klement, DÖV 2005, 507 (511 ff.), der darauf hinweist, dass eine Ermächtigungsgrundlage nur das staatliche Verhalten, nicht aber seine sämtlichen (unter Umständen unvorhersehbaren) Folgen erlauben müsse. 1034 Siehe dazu nur Böckenförde, Der Staat 42 [2003], 165 [174 ff.]) 1035 Zur Erwartung, die Formung enger Gewährleistungsgehalte der Grundrechte werde eine das Bundesverfassungsgericht entlastende Wirkung entfalten, vgl. H.-P. Schneider, NJW 1996, 2630 (2631). 1036 Vgl. Lindner, DÖV 2004, 675 (770): „,Alles oder Nichts‘-Schema des ,Grundrechtseingriffs‘“. 1037 Willkürlich und auch praktisch wenig brauchbar mutet denn auch der Vorschlag von A. Roth an, der mittelbar-faktische Eingriffe zur Verhinderung einer derartigen Lähmung nur dann anerkennt, wenn es sich um „besonders schwere Beeinträchtigungen, die das Grundrecht faktisch entwerten“ handelt (S. 325). Zu streng sei es allerdings, „,schwere‘ und ,unerträgliche‘ Wirkungen“ zu verlangen (S. 325). Außerdem sei das mit dem Entwertungskriterium gewonnene Ergebnis in bestimmten Fällen, etwa bei „Grundrechte[n] mit erhöhter ,Sensibilität‘“ (S. 328), zu korrigieren (S. 326 ff.).
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
nicht sicherstellen. Wie schon oben1038 im Zusammenhang mit der Zurechnung des Verhaltens Dritter zu Privaten gezeigt wurde, ist der Dritte – anders als eine nur sächliche Zwischenursache – in der Lage, eigenständig dafür zu sorgen, dass das Kriterium der Kausalität erfüllt ist. Er muss dazu lediglich den Entschluss fassen, an das staatliche Handeln mit dem zur Beeinträchtigung führenden Verhalten anzuknüpfen. Der Grund dafür, den „Hintermann“ nicht der Willkür eines Dritten auszuliefern, wurde im Rahmen der Zurechnung des Verhaltens Dritter zu Privaten in der verfassungs- und insbesondere grundrechtlich fundierten Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen gesehen.1039 Bei der Zurechnung zum selbst grundrechtsverpflichteten Staat greift diese Argumentation nicht unmittelbar. Der dahinter stehende Gedanke trifft jedoch auch auf den Staat zu: Dessen Geschicke sollen nicht der freien, von ihm unbeeinflussbaren Entscheidung eines Dritten überlassen werden. Dabei geht es nicht so sehr um die Gefahr einer möglichen lähmenden Wirkung, die die Zurechenbarkeit jeglichen lediglich in einem Kausalzusammenhang stehenden Verhaltens Dritter auf die Handlungsfähigkeit des Staates haben kann. Entscheidend ist vielmehr, dass Dritte nicht in die Position gelangen dürfen, jedes beliebige staatliche Handeln einem unter Umständen nicht zu überwindenden Rechtfertigungszwang, gegebenenfalls verbunden mit entsprechenden Haftungsfolgen1040, auszusetzen, ohne dass dem Staat hierauf auch nur der geringste Einfluss zukäme. Eben dies wäre die Folge, würde man die äquivalente Kausalität als Kriterium für die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter genügen lassen. Im Ergebnis wäre damit der Bestand staatlicher Maßnahmen abhängig von der willkürlichen Entscheidung beliebiger Dritter. Eine solche Handhabung der Zurechnung, die es gestattet, dass einzelne Dritte frei darüber bestimmen, wann eine Folge als Folge staatlichen Handelns einzustufen ist und ihnen dadurch Einfluss auf die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns gibt, dürfte mit dem Demokratieprinzip schwerlich vereinbar sein.1041 Es ist daher sicherzustellen, dass ein „staatlicher“ Eingriff im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG nur dann angenommen wird, wenn dem Staat der bestimmende Einfluss darauf zukommt, ob seine Tätigkeit – vermittelt durch Dritte – beeinträchtigende Folgen hat oder nicht. Ein solcher Einfluss ist nur dann gegeben, wenn der Staat das Drittver-
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Siehe F. II. 2. a). Siehe dazu F. III. 2. 1040 Zum Zusammenhang zwischen grundrechtlicher Eingriffsdogmatik und Staatshaftungsrecht s. C. II. 2. c). 1041 Schon die Mitwirkung gesellschaftlicher Interessengruppen an der staatlichen Willensbildung vor Erlass hoheitlicher Maßnahmen steht in potentiellem Konflikt zum Demokratieprinzip (s. dazu etwa Hörn, in: HStR III, § 41 Rn. 49 ff.). Wo Dritte nicht nur an der Willensbildung des Staates beteiligt sind, sondern selbst darüber entscheiden, für welche Folgen seines Handelns den (diesbezüglich nichtsahnenden) Staat eine Einstandspflicht trifft, wird dieser Konflikt noch viel deutlicher. Hier nimmt der Dritte nicht nur Einfluss auf einen staatlich gelenkten Prozess, sondern bestimmt selbständig über das, was staatlich ist. 1039
II. Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand
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halten erkennen und sein Verhalten darauf einstellen kann.1042 Wie schon im Rahmen der Gefährdungsveranlassung kann dies dadurch sichergestellt werden, dass die subjektive Vorhersehbarkeit des Drittverhaltens zur zusätzlichen Voraussetzung seiner Zurechnung gemacht wird.1043 Die Anwendung strengerer Zurechnungsvoraussetzungen, etwa die Qualifizierung des Privaten als Werkzeug oder die Einstufung seines Verhaltens als „typische“ Folge des staatlichen Handelns, lässt sich hingegen nicht begründen. Wie bei der Gefährdungsveranlassung gilt auch hier: Dem Interesse daran, das Verhalten des Zurechnungssubjekts – hier des Staates – zu schützen, ist sachgerechterweise nicht im Rahmen der notwendigerweise vergröbernden Zurechnungsentscheidung, sondern bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs Rechnung zu tragen. So kann beispielsweise, auch wenn dies zunächst fremd anmuten mag, der staatliche Straßenbau durchaus als Grundrechtseingriff qualifiziert werden, hat er doch vorhersehbarerweise Unfälle mit Sach- und Personenschäden zur Folge. Dass der öffentliche Straßenbau deshalb nicht einzustellen ist, findet seinen Grund aber nicht darin, dass der Unfallfahrer nicht Werkzeug des Staates ist oder es sonst an der Zurechenbarkeit des Unfallgeschehens fehlt, sondern darin, dass das Interesse am öffentlichen Straßenbau das an der Verhinderung der noch in überschaubarer Zahl auftretenden Unfälle überwiegt. Dies indessen ist das Ergebnis einer Abwägungsentscheidung, in der die Stärke des vorhandenen Zurechnungszusammenhangs zwar eine Rolle spielt1044, aber nicht den allein entscheidenden Gesichtspunkt bildet. Auch im Bereich der Grundrechtsdogmatik gilt mithin, dass der Kern der Entscheidung – die Interessenabwägung – nicht durch strenge und pauschale Zurechnungskriterien verdeckt werden darf.1045 1042 Ob der Staat dazu gezwungen ist, einen Grundrechtseingriff zu vermeiden, etwa indem er seine veranlassende Tätigkeit unterlässt, ist keine Frage der Zurechnung, sondern der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, s. dazu sogleich. 1043 Die von Klement, DÖV 2005, 507 (512), geäußerten Zweifel an der Handhabbarkeit des Kriteriums der Vorhersehbarkeit stellen keinen durchgreifenden Einwand dar. Angesichts der weitreichenden Mittel des Parlaments zur Abschätzung der Folgen seines Tuns nähert sich der Maßstab dem einer objektiven Vorhersehbarkeit an. Erkenntnisse, die durch Einschaltung von Experten hätten erlangt werden können, führen allerdings nur dann zur Vorhersehbarkeit, wenn auch tatsächlich Anlass zur Expertenanhörung bestand. Das ist nur der Fall, wenn die Auswirkungen des Handelns zumindest im Ansatz auch ohne Expertenrat vorhersehbar waren. Zur Handhabbarkeit des Kriteriums der subjektiven Vorhersehbarkeit s. außerdem F. IV. 3. 1044 Wäre eine Autobahn etwa mit einer starken Bodenwelle auf der linken Spur versehen, die Fahrzeuge zuverlässig („typischerweise“) auf die Gegenfahrbahn abkommen lässt und dort Zusammenstöße verursacht, so wäre das öffentliche Interesse an dem Betrieb einer derart beschaffenen Autobahn wegen dieses starken Zurechnungszusammenhangs deutlich gemindert. 1045 Nichts anderes gilt im Schleyer-Fall (BVerfGE 46, 160), für den Sachs, in: Stern III/2, S. 196, von einer Durchbrechung des von ihm vertretenen Grundsatzes der Zurechenbarkeit aller nicht „ganz ungewöhnliche[n] und fernliegende[n] Reaktionen“ ausgeht (s. Fn. 1021). Die vorhersehbare Tötung des Entführten infolge der Nichterfüllung der Forderungen seiner Entführer durch die Bundesrepublik Deutschland hätte nach hier vertretener Konzeption als staatlicher Grundrechtseingriff angesehen werden müssen. Dieser hätte – wie im Urteil zur
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
Die zur Gefährdungsveranlassung in dieser Arbeit vertretenen Grundannahmen sind auf die Problematik mittelbarer Grundrechtseingriffe mithin übertragbar. Mit dieser Erkenntnis soll es ihm Rahmen dieses Ausblicks sein Bewenden haben. Ob im Einzelfall Abweichungen von dem vorgeschlagenen Konzept geboten sind – denkbar ist dies insbesondere im Zusammenhang mit der Erteilung von Genehmigungen zur Aufhebung präventiver Verbote mit Erlaubnisvorbehalt1046 – muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.
2. Staatshaftungsrecht Anders als im Bereich der Grundrechtsdogmatik, wo die Existenz mittelbarfaktischer Eingriffe verbreitet Anerkennung gefunden hat, wird im Kontext staatshaftungsrechtlicher Ansprüche an dem Zurechnungserfordernis der „Unmittelbarkeit“ festgehalten.1047 Wie im Gefahrenabwehrrecht, wo die Unmittelbarkeitstheorie vorherrscht, ist eine Handlung auch im Staatshaftungsrecht nicht nur dann unmittelbar ursächlich, wenn sie die zeitlich letzte Bedingung eines Erfolgs bildet. Vielmehr handelt es sich auch bei der staatshaftungsrechtlichen Unmittelbarkeit um eine Chiffre für das Erfordernis der wertenden Zurechnung unter Berücksichtigung der Verteilung von Verantwortungs- und Risikosphären.1048 Anders als im Polizeirecht, wo mit der Fallgruppe der Zweckveranlassung zumindest der Versuch unternommen wird, für die Zurechnung störenden Drittverhaltens eigenständige Kriterien zu entwickeln, weist die staatshaftungsrechtliche Zurechnung allerdings keine weitere Kontur auf. Es dominieren offen gehaltene Formeln. So soll es für die Zurechnung eines Erfolgs darauf ankommen, ob die „Eigenart“ der hoheitlichen Maßnahme1049 eine Gefahrenlage geschaffen hat.1050 Weitere Gesichtspunkte bilden die Typizität des Ursachenverlaufs1051, seine Adäquanz1052 und Schutzzweckerwägungen1053, für Begründung der begrenzten Reichweite staatlicher Schutzpflichten angeführt (a.a.O., S. 165) – damit gerechtfertigt werden können, dass der Staat sich im Interesse des Lebensschutzes, zu dem er gegenüber der Gesamtheit der Bürger verpflichtet ist (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), in Entführungsfällen nicht erpressbar und in seiner Taktik kalkulierbar machen darf. 1046 Siehe dazu Hermes, S. 85 ff.; Preu, S. 70 f. 1047 BGHZ 92, 34 (41 f.); 99, 249 (254); 125, 19 (21); OLG Hamm, NVwZ 2002, 379 (380) (enteignungsgleicher Eingriff); OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 1 W 10/09 –, juris, Rn. 18 (Aufopferungsanspruch); Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 37 (Folgenbeseitigungsanspruch), § 16 Rn. 63, §17 Rn. 7 (Aufopferungsanspruch), Rn. 31 (enteignungsgleicher Eingriff), Rn. 59 (enteignender Eingriff); Ossenbühl/Cornils, S. 366 ff. m. w. N. 1048 BGHZ 125, 19 (21); Ossenbühl/Cornils, S. 302. Siehe dort (S. 301 ff.) auch zur Entwicklung der Rechtsprechung von einem engen, kausalitätsorientierten hin zu einem wertenden Verständnis von „Unmittelbarkeit“. 1049 BGHZ 92, 34 (41); 100, 335 (338); 102, 350 (358); OLG Thüringen, Urteil vom 6. November 2001 – 3 U 575/01 –, juris, Rn. 37; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19. April 2011 – 4 U 314/10 –, juris, Rn. 63. 1050 Ossenbühl/Cornils, S. 302 m. w. N. 1051 BGH, NJW 1980, 770 (770); OLG Düsseldorf, VersR 1995, 536 (536).
II. Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand
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die es allerdings häufig mangels aussagekräftiger Schutznorm an dem erforderlichen Bezugspunkt fehlt1054. Auch der Begriff der „natürlichen Einheit“ taucht im Zusammenhang mit der staatshaftungsrechtlichen Zurechnung wieder auf.1055 Insgesamt sind die Voraussetzungen der staatshaftungsrechtlichen Zurechnung damit so gut wie ungeklärt. Da nicht bekannt ist, was sich hinter dem Erfordernis der „Unmittelbarkeit“ verbirgt, wird die „Zurechnungsstation“ in der Praxis dazu genutzt, den Umfang der Staatshaftung auf Grundlage allgemeiner Billigkeitserwägungen zu begrenzen.1056 Die paradoxe Folge ist, dass dem Tatbestandsmerkmal der Zurechenbarkeit gerade deshalb, weil unklar ist, was es beinhaltet, eine ganz maßgebliche Bedeutung bei der Entscheidung über das Bestehen staatshaftungsrechtlicher Ansprüche zukommt. Dieser willkürlich anmutende Zustand sollte beendet werden. Wie bei der Gefährdungsveranlassung im Polizeirecht und der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik ist auch für das Staatshaftungsrecht zu erwägen, die Zurechnung drittvermittelter Eingriffe allein von der subjektiv vorhersehbaren Verursachung des Drittverhaltens abhängig zu machen. Die Argumente, die hierfür im Kontext der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik angeführt wurden1057, greifen auch im Staatshaftungsrecht. Für die Anwendung strengerer Zurechnungskriterien gibt es auch hier kein durchschlagendes Argument. Insbesondere ist dem Ansatz1058 entgegenzutreten, durch die Anwendung schärferer Zurechnungskriterien eine Ausuferung der Staatshaftung verhindern zu wollen. Wie in den anderen in dieser Arbeit behandelten Rechtsbereichen gilt auch hier: Die Verhinderung unzumutbarer Rechtsfolgen im Einzelfall ist keine Frage der Zurechnung. Wenn es – letztlich in ungewöhnlicher Umkehrung dessen, was üblicherweise Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist – erforderlich sein sollte, den Staat nur im Rahmen des Zumutbaren in die Haftung zu nehmen, so muss diese Begrenzung bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen offengelegt werden. Eine Bewältigung der Zumutbarkeitsproblematik bei der Entscheidung über die Folgenzurechnung ist nicht geeignet, sachgerechte und vorhersehbare Ergebnisse zu liefern. Denn sie zwingt nicht nur, je nachdem ob die Zurechenbarkeit bejaht oder verneint wird, zu pauschalen Alles-oder-Nichts-Lösungen. Sie verdeckt darüber hinaus, dass es bei einer Begrenzung der Staatshaftung tatsächlich um ein Zumutbarkeitsproblem geht, welches nur im Wege einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung aufgelöst werden kann. Die beiden bislang im 1052
BGH, NJW 1971, 1881 (1883); dagegen aber BGH, VersR 1986, 95 (95). Siehe dazu Olivet, NVwZ 1986, 431. 1054 Ossenbühl/Cornils, S. 302. 1055 BayObLG, Urteil vom 10. April 1978 – RReg 2 Z 60/70 –, juris, Rn. 42. 1056 BVerwGE 69, 366 (373); A. Roth, Drittbetroffenheit, S. 50 f.; Ossenbühl/Cornils, S. 370 f. 1057 Siehe I. II. 1. 1058 Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 37. Siehe auch BVerwGE 69, 366 (373) für das Unmittelbarkeitserfordernis als auf der Rechtsfolgenseite relevantes, haftungsbegrenzendes Kriterium des Folgenbeseitigungsanspruchs. 1053
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I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
Rahmen der Zurechnung verfolgten Ziele – Entwicklung eines feststehenden Zurechnungskriteriums und gleichzeitige Sicherung der Zumutbarkeit der Staatshaftung im Einzelfall – sind wegen der Vielgestaltigkeit der zu bewältigenden Sachverhalte nicht miteinander vereinbar. Sie münden in dem unbrauchbaren Kriterium der Unmittelbarkeit, welches wegen seiner Unförmigkeit keine materielle Aussage zur Zurechnung enthält, die für erforderlich gehaltenen Zumutbarkeitserwägungen aber ebenfalls nicht offen, sondern nur verdeckt zulässt. Wie bei der Gefährdungsveranlassung und mittelbaren Grundrechtseingriffen, wo jeweils die Verhältnismäßigkeitsprüfung diese Funktion übernimmt, sollte daher auch im Rahmen staatshaftungsrechtlicher Ansprüche dazu übergegangen werden, auf einer besonderen Prüfungsstufe auf die „Zumutbarkeit“ der Haftung des Staates einzugehen. Wie dies dogmatisch für die jeweiligen Anspruchsgrundlagen zu bewerkstelligen ist, bedürfte der näheren Untersuchung. Bislang ist ein Zumutbarkeitsvorbehalt allein beim Folgenbeseitigungsanspruch anerkannt.1059 Aber auch hier soll er nur dann eingreifen, wenn die Verpflichtung des Staats zur Folgenbeseitigung „unerträglich“ erscheint.1060 Der dahinterstehende Gedanke einer im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurzelnden1061, im Fall der Überlastung des Staates eingreifenden Duldungspflicht des Bürgers ist aber auf andere staatshaftungsrechtliche Ansprüche übertragbar und ausbaufähig. Gegen die hier vorgeschlagene Konzeption liegt der Einwand nahe, dass die Zumutbarkeitsprüfung nur schwer zu bewältigen sein wird. Wann ist dem Staat die Haftung im Einzelfall unzumutbar? Zur Beherrschung dieser Problematik werden, durchaus unter Berücksichtigung der Stärke des vorhandenen Zurechnungszusammenhangs,1062 allgemeine Leitlinien entwickelt werden müssen. Der Vorteil, den die „Verselbständigung“ der Zumutbarkeitsprüfung hat, geht dadurch aber nicht verloren: Sie erhöht die „Ehrlichkeit“ und die dogmatische Klarheit im Umgang mit Zurechnungsgründen sowie das Problembewusstsein der Praxis.1063 Zudem ermöglicht sie die weitere Vereinheitlichung der im öffentlichen Recht zur Anwendung gelangenden Zurechnungskriterien. Diese ist nicht Ausdruck eines blinden Vereinheitlichungsdrangs. Die einheitliche Handhabung der Maßstäbe über die Zurechnung des Verhaltens Dritter im öffentlichen Recht trägt zur Kohärenz der verschiedenen Rechtsbereiche und damit erheblich zu ihrer Berechenbarkeit und Akzeptanz bei. Denn die verschiedenen Anwendungsbereiche der Zurechnung des Verhaltens Dritter stehen nicht unverbunden nebeneinander. Die Abwehr mittelbarer 1059 BVerwGE 94, 100 (117); OVG Münster, NVwZ 1994, 795 (795); Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 47 m. w. N. 1060 Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 47; BVerwGE 94, 100 (117): Aufwand „in keinem vernünftigen Verhältnis“ zum erreichbaren Erfolg. 1061 OVG Münster, NVwZ 1994, 795 (795); Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 12 Rn. 47; Ossenbühl/Cornils, S. 387. 1062 Zur Bedeutung der Stärke eines Zurechnungszusammenhangs s. D. IV. 4. f) dd) (1) und I. II. bei Fn. 1005. 1063 Siehe dazu auch oben G.
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Grundrechtseingriffe auf Primärebene und die Geltendmachung von Haftungsansprüchen auf Sekundärebene können ineinander übergehen. Auch mit der Gefährdungsveranlassung gibt es Überschneidungen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Staat als Gefährdungsveranlasser Adressat polizeilicher Verfügungen wird.1064 Es wäre aber kaum zu vermitteln, müsste man den durch einen staatlichen Eingriff betroffenen Bürger in Bezug auf denselben Sachverhalt vom Anspruch auf polizeiliches Einschreiten auf den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch verweisen oder umgekehrt, weil bei einem von ihnen großzügigere Zurechnungsgrundsätze gelten. Auch scheint es erstrebenswert, eine identische Tätigkeit von Privaten und öffentlicher Hand mit Blick auf die Folgenzurechnung gleichen Maßstäben zu unterwerfen: Ob etwa eine immissionsschutzrechtliche Anlage durch den Staat oder eine Privatperson betrieben wird, ist ihr äußerlich nicht anzumerken. Es wäre wenig überzeugend, wenn die Zurechnung störenden Verhaltens Dritter, das
1064
Sogenannte „formelle Polizeipflichtigkeit“. Die Konstruktion der materiellen („abstrakten“) Polizeipflicht ist hingegen aus den oben (D. IV. 4. c) bb)) genannten Gründen abzulehnen. Die praktische Bedeutung der Gefährdungsveranlassung durch Hoheitsträger ist allerdings gering. Gerichtliche Entscheidungen hierzu finden sich nicht. Der Grund hierfür liegt – neben den Unsicherheiten, die über die formelle Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern bestehen – darin, dass die Zurechnungsproblematik in den meisten Fällen schon im Zusammenhang mit der Frage zu klären ist, ob eine staatliche Grundrechtsverletzung vorliegt. Grundrechtsverletzungen durch den Staat sind Störungen der öffentlichen Sicherheit (W.-R. Schenke, POR, Rn. 59a m. w. N.). Im Unterschied zur Gefährdungsveranlassung ist der Staat in den Fällen, in denen er, vermittelt durch das ihm zurechenbare Verhalten eines Dritten, eine Grundrechtsverletzung herbeiführt, bereits wegen der Verletzung der ihn bindenden Grundrechte Störer. Jeder zurechenbare grundrechtswidrige Erfolg ist daher eine Grundrechtsverletzung und begründet die Verfassungswidrigkeit des staatlichen Tuns. Auf eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Gefährdungsveranlassung kommt es bei alledem nicht an. Dass die Zurechenbarkeit grundrechtsbeeinträchtigenden Verhaltens Dritter zum Staat im Gefahrenabwehrrecht anderen Regeln folgt als denen der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik, ist bei alledem ausgeschlossen. Die dem polizeilichen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit unterfallenden Individualrechtsgüter, etwa Freiheit und Eigentum, sind, soweit sie mit den Grundrechten deckungsgleich sind – und das trifft auf die meisten zu –, von diesen abgeleitet (Zum Verhältnis von Grundrechten und öffentlicher Sicherheit s. Aubel, DV 2004, 229 [235]). Ihre Beeinträchtigung durch staatliches Tun ist daher nur als Grundrechtsbeeinträchtigung denkbar. Daher kommt die Anwendung der Rechtsfigur der Gefährdungsveranlassung nur dort in Betracht, wo ein polizeilich geschütztes Rechtsgut nicht aus den Grundrechten ableitbar ist. Zu denken ist hier insbesondere an Güter, die dem polizeilichen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit unterfallen, aber keine subjektiven Rechte sind, was beispielsweise im Umweltrecht (z. B. § 44 BNatSchG) vorkommt, und an das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Ordnung. Nicht auszuschließen ist es aber auch, dass subjektive Rechtspositionen nicht als Konkretisierung der Grundrechte konstruiert sind, sondern nur dem einfachen Recht entspringen (P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 278 ff.). Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der Gesetzgeber immissionsschutzrechtlichen Vorsorgewerten, also solchen, die unterhalb der Schwelle der Rechtsgutsbeeinträchtigung ansetzen, drittschützenden Charakter beimessen würde. Eine durch Dritte vermittelte staatliche Beeinträchtigung dieser Rechtspositionen ist kein Grundrechtseingriff. Das weite Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) führt aber dazu, dass originär einfachrechtlich begründeten subjektiven Rechtspositionen im Bereich der Eingriffsverwaltung nur eine geringe Bedeutung zukommt (Grzeszick, S. 474).
244
I. Ausblick: Die Übertragbarkeit auf andere Fälle
durch die Anlage hervorgerufen wird, dennoch unterschiedlichen Grundsätzen folgen würde.
III. Schlussbemerkung Das Dickicht der für die Zurechnung des Verhaltens Dritter im öffentlichen Recht geltenden Kriterien kann mithin durchschlagen werden. Zurechnungsentscheidungen können handhabbar gemacht werden. Dies gilt zunächst und vor allem für die Gefährdungsveranlassung, aber auch für parallel gelagerte Zurechnungsprobleme im öffentlichen Recht. Die Beachtung der spezifischen Funktionen von Zurechnungsgründen als Differenzierungs- und Zumutbarkeitsgründe, die im Prüfungsaufbau so weit wie möglich auseinanderzuhalten sind, erlaubt die Harmonisierung der Lösung gleichgelagerter Zurechnungsprobleme und steigert deren Rationalität. Nicht fernliegend ist auf dieser Basis auch die Entwicklung eines allgemeingültigen einfachen Zurechnungsschemas für das öffentliche Recht, das für die Zurechnung sächlicher Folgen die Äquivalenztheorie heranzieht und diese für den Fall des Dazwischentretens Dritter um das Kriterium der subjektiven Vorhersehbarkeit ergänzt. Die Beantwortung der verschiedenen materiellen (Zumutbarkeits-)Fragen, die sich bis heute im Sammelbecken der „Zurechnung“ angesammelt haben und die nun an anderer Stelle unterzubringen sind, wird dadurch nicht entbehrlich. Ein zutreffendes Verständnis dessen, was „Zurechnung“ im öffentlichen Recht bedeutet, was sie leisten kann und was nicht, rückt diese Probleme erst ins Schlaglicht. Die Grundvoraussetzung für ihre präzise und angemessene Bewältigung ist damit geschaffen.
J. Zusammenfassung Die in dieser Arbeit entwickelten Grundsätze zur Gefährdungsveranlassung – zu diesen siehe den Überblick oben unter G. – bewähren sich in aktuellen Problemlagen. Die Neukonzeption der Gefährdungsveranlassung mit ihren vergleichsweise weiten Zurechnungskriterien ermöglicht eine komplikationslose Entscheidung über die Zurechenbarkeit von gefährlichen Handlungen Dritter zu den Veranstaltern von Großereignissen.1065 Insbesondere die Veranstalter von Fußballbundesligaspielen können wegen des von ihnen in regelmäßig vorhersehbarer Weise verursachten störenden Verhaltens Dritter als Störer zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Maßnahmen sind ihnen gegenüber daher regelmäßig unterhalb der Schwelle des polizeilichen Notstands statthaft. Dabei werden verhältnismäßigerweise besonders solche Maßnahmen in Betracht kommen, die die Modalitäten der Durchführung der Veranstaltung betreffen.1066 Eine vollständige Untersagung der Veranstaltung – dies kann als generelle Faustregel für den Umgang mit dem Gefährdungsveranlasser gelten – ist aus Gründen des Grundrechtsschutzes hingegen regelmäßig nur unter den hohen Voraussetzungen des polizeilichen Notstands möglich. Die Veranstalter können auf Basis der hier verfolgten Konzeption zu einem weitgehenden Polizeikostenersatz verpflichtet werden.1067 Hierzu bietet sich insbesondere ein Vorgehen auf Grundlage des Gebührenrechts an, das, soweit es die Zurechenbarkeit der Amtshandlung zum Gebührenschuldner erfordert, denselben Zurechnungsgrundsätzen wie das Polizeirecht folgt. Soweit kommerzielle Veranstaltungen betroffen sind, steht – vorausgesetzt, dass entsprechende Gebührentatbestände vorhanden sind – auch einer vollständigen Umlegung der abgrenzbar angefallenen Polizeikosten auf den Veranstalter regelmäßig nichts entgegen. Die für das allgemeine Gefahrenabwehrrecht entwickelten Grundsätze zur Gefährdungsveranlassung sind auf das besondere Gefahrenabwehrrecht übertragbar. Eine Vereinheitlichung lässt sich dadurch insbesondere in dem von besonders zersplitterten Zurechnungskriterien geprägten Immissionsschutz- und Gaststättenrecht erzielen.1068 Den bislang zu beobachtenden, durch nichts gerechtfertigten Brüchen zwischen allgemeinem und besonderem Gefahrenabwehrrecht bei der Zurechnungsentscheidung kann so entgegengewirkt werden.
1065 1066 1067 1068
Dazu oben H. I. 1. Dazu oben H. I. 2. Dazu oben H. I. 3. Dazu oben H. II.
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J. Zusammenfassung
Die in dieser Arbeit entwickelten Grundsätze sind auch im Versammlungsrecht anwendbar.1069 Sie bewirken, dass Versammlungen entgegen der bisherigen Handhabung die von gewaltsamen Gegenkundgebungen ausgehenden Gefahren regelmäßig als vorhersehbar veranlasstes Geschehen zuzurechnen sind. Der Weg zur verhältnismäßigen Einschränkung der Versammlungsfreiheit wegen der Veranlassung von Gegengewalt unterhalb der Schwelle des polizeilichen Notstands ist damit geöffnet. Als verhältnismäßige Maßnahmen kommen insbesondere Auflagen, die Modalitäten der Versammlungsdurchführung, etwa Zeit und Ort der Versammlung, betreffen, in Betracht. Die Zurechnungskriterien gelten darüber hinaus auch im Innenverhältnis der Versammlung, etwa bei der Zurechnung von durch die Teilnehmer verursachten Straßenverunreinigungen zum Veranstalter. Sie führen zudem zu einer Ausweitung der Möglichkeiten, den Veranstalter zur Kostentragung heranzuziehen. Die Gefährdungsveranlassung bietet auch eine Handhabe zum Umgang mit solchen aktuellen Erscheinungen wie gefahrverursachenden Facebook-Partys und Flashmobs. Der Initiator der Veranstaltung ist regelmäßig als Gefährdungsveranlasser einzustufen. Aber auch Diensteanbieter, über deren Internetplattformen zur Teilnahme an der Veranstaltung aufgerufen wird, sowie Dritte, die eine Veranstaltung durch die öffentliche Aufforderungen zur Teilnahme „kapern“, kommen auf Grundlage der hier vertretenen Konzeption als Gefährdungsveranlasser in Betracht.1070 Bei der Inanspruchnahme ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung1071 jeweils der unterschiedlichen Stärke des Zurechnungszusammenhangs Rechnung zu tragen. So kann etwa der Plattformbetreiber, den als „Kettenverursacher“ im Unterschied zum Initiator der Veranstaltung nur ein schwacher Zurechnungszusammenhang mit dem Drittverhalten verbindet, regelmäßig auch nur zu vergleichsweise wenig belastenden Maßnahmen verpflichtet werden. Entsprechendes gilt für die Inanspruchnahme zum Polizeikostenersatz.1072 Entgegen der bisher vorherrschenden Anschauung lassen sich die teilweise spezialgesetzlich ausgestalteten Pflichten zur Eigensicherung, die insbesondere die Inhaber von durch Anschläge gefährdeten Anlagen treffen, auf Grundlage des in dieser Arbeit vertretenen Verständnisses als Ausprägung der Gefährdungsveranlassung begreifen.1073 Der Inhaber eines gefährdeten Objekts ist entweder als Verhaltensverantwortlicher aufgrund Gefährdungsveranlassung oder, wenn nicht sein Verhalten, sondern allein der Zustand seiner Sache Dritte zu Angriffen herauszufordern droht, als infolge Gefährdungsveranlassung verantwortlicher Zustandsstörer anzusehen. Diese Verantwortlichkeit nach polizeirechtlichen Grundsätzen eröffnet zum einen die Möglichkeit, Inhaber gefährdeter Objekte bei Fehlen spezialgesetz1069 1070 1071 1072 1073
Dazu oben H. III. Dazu oben H. IV. 1. Dazu oben H. IV. 2. Dazu oben H. IV. 3. Dazu oben H. V. 1.
J. Zusammenfassung
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licher Eigensicherungspflichten auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel zur Eigensicherung heranzuziehen.1074 Zum anderen spricht sie gegen die gegenwärtig pauschal praktizierte restriktive Auslegung gesetzlicher Eigensicherungspflichten.1075 Bei einem Vorgehen gegen den Gefährdungsveranlasser ist dabei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere zu berücksichtigen, dass der Schutz der Rechtsgüter des Gefährdeten wegen seines grundrechtlich verbürgten Rechts zur Selbstgefährdung die Auferlegung von Eigensicherungspflichten allein nicht rechtfertigen kann. Erforderlich ist, dass etwaige Angriffe Dritter Gefahren für Rechtsgüter Außenstehender mit sich bringen. Die in dieser Arbeit zur Gefährdungsveranlassung entwickelte Argumentation lässt sich vom Gefahrenabwehrrecht abstrahieren. Die vielfältigen Überschneidungen der Teilbereiche des öffentlichen Rechts, in denen die Zurechenbarkeit des Verhaltens Dritter eine Rolle spielt, lassen es geboten erscheinen, die hier propagierten Zurechnungskriterien der äquivalenten Kausalität und subjektiven Vorhersehbarkeit nicht nur im Gefahrenabwehrrecht, sondern auch in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts zur Anwendung zu bringen. Dies betrifft zum einen Zurechnungsprobleme, die sich im Zusammenhang mit der staatlichen Inpflichtnahme Privater zur Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben außerhalb des Rechts der Gefahrenabwehr stellen.1076 Angesprochen sind damit insbesondere Konstellationen, in denen Private schon im Vorfeld einer Gefahr zu Maßnahmen gegen bestimmte Verhaltensweisen Dritter verpflichtet werden sollen. Die entschädigungslose Auferlegung derartiger Pflichten setzt die Zurechenbarkeit des Drittverhaltens voraus. Daneben spricht viel dafür, auch die Zurechnung des Verhaltens Dritter zur öffentlichen Hand an den in dieser Arbeit entwickelten Kriterien auszurichten.1077 Einen bedeutsamen Anwendungsbereich bildet die Problematik mittelbar-faktischer Grundrechtseingriffe.1078 Deren Vorliegen sollte von der für den Staat vorhersehbaren Verursachung des beeinträchtigenden Drittverhaltens abhängig gemacht werden. Auch das in seinen Zurechnungskriterien stark zerfaserte Staatshaftungsrecht kann durch die Anwendung der hier vertretenen Zurechnungskriterien eine sachgerechte Vereinheitlichung erfahren.1079 Der Weite der Zurechnungskriterien ist in allen genannten Bereichen ein Korrektiv in Form einer von der Zurechnungsebene getrennten, auf dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit basierenden Interessenabwägung gegenüberzustellen, in deren Rahmen den Belangen von Zurechnungssubjekt und Beeinträchtigtem sowie der Stärke des im Einzelfall gegebenen Zurechnungszusammenhangs umfassend Rechnung getragen werden kann.
1074 1075 1076 1077 1078 1079
Dazu oben H. V. 2. Dazu oben H. V. 3. Dazu oben I. I. Dazu oben I. II. Dazu oben I. II. 1. Dazu oben I. II. 2.
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Sachregister Abstrakte Polizeipflicht 56 ff., 67, 69 Adäquanztheorie s. Kausalität, adäquate Alten- und Pflegeheim 147 Amtshaftungsanspruch 34 f., 40 f. – Verwaltungshelfer, selbständige 35 – siehe auch Staatshaftungsrecht Äquivalenzprinzip 182 Äquivalenztheorie s. Kausalität, äquivalente Auflagen 17, 26 f., 167 f., 197, 245 f. Bedingung, gesetzmäßige 112 f. Befugnis 54, 88 ff., 194, 226 – siehe auch „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen Beihilfe 43, 53, 114, 130, 142 f., 147 Borkumlied 20 f., 168 Conditio-sine-qua-non-Formel 79, 107, 111 ff., 145, 158 f., 215, 233 Effektivität der Gefahrenabwehr 44 ff., 126, 134,162 Eigensicherungspflichten 29 f., 212 ff., 246 f. – Gefahrenvorsorge 225 – Gesetzgebungskompetenz 222 – Legalisierung durch Genehmigung 220 f. – Polizeiliche Generalklausel 30, 216 ff. – Spezialgesetzliche Regelungen 29, 217 f., 247 – terroristische Angriffe 29, 107, 214 ff., 218 f., 223 f. – Verhaltensverantwortlichkeit 213 ff., 246 – Verhältnismäßigkeit 218 ff. – Zustandsverantwortlichkeit 216, 246 Elektronische Handelsplattform 147 Entschädigung des Störers 85 ff. Erdölbevorratungspflicht 77 Facebook-Partys 27 ff., 201 ff., 246 – Begriff 28
– Betreiber sozialer Netzwerke, Verantwortlichkeit der 29 – Kettenveranlassung 202, 206, 210 f., 246 – Kostentragungspflicht 210 f., 246 – Müll 28 – Presse, Verantwortlichkeit der 29 – Vorbeugende Maßnahmen 209 f. – Zurechnung zu anderen Veranlassern 207, 246 – Zurechnung zum Einladenden 202 ff., 246 – Zurechnung zum Plattformbetreiber 204 ff., 246 Flashmobs 27 ff., 201 ff., 246 – Begriff 28 – Kettenveranlassung 202, 206, 210 f., 246 – Kostentragungspflicht 210 f., 246 – Vorbeugende Maßnahmen 209 f. – Zurechnung zu anderen Veranlassern 207, 246 – Zurechnung zum Einladenden 202 ff., 246 – Zurechnung zum Plattformbetreiber 204 ff., 246 Fußballbundesligaspiele 23 ff., 139, 167 ff., 245 – Kosten 25, 169 ff., 245 – Untersagung 167 ff., 245 – siehe auch Auflagen; Gebühren; Großveranstaltungen Gästelärm 26, 143, 184 ff. Gaststättenrecht 25 f., 183 ff. – betriebstechnisch-funktioneller Zusammenhang 184 f. – s. auch Auflagen Gebühren 37 f., 77, 171 ff. – Aufwendungsersatz 179, 182 – Gebührentatbestände 178 ff. – Grundrechte 176 ff. – Unbilligkeitsvorschriften 177 – Veranlassungsprinzip 174 ff., 182 f. – Verhältnismäßigkeit 177 f., 180 f.
Sachregister – Vorteilsprinzip 174 ff., 182 f. Gefährderansprache 208 Gefährdungsveranlassung 161 ff. – siehe auch Zweckveranlassung Gefahrenabwehr, effektive, s. Effektivität der Gefahrenabwehr – Staatsaufgabe 45, 225 f. Gegendemonstranten s. Gegengewalt Gegengewalt 190 ff. – Provokation Dritter 195 – Selbstgefährdung 196 Gewaltenteilung 68, 236 Großveranstaltungen 23 ff., 54, 58, 65, 141, 154 – Erforderlichkeit eines Polizeieinsatzes 180 – Kosten 25, 169 ff. – Verhältnismäßigkeit 166 ff. – siehe auch Auflagen; Gebühren Grundrechtseingriffe, mittelbare 35 f., 38 ff., 178, 233 ff., 243, 247 – Anwendungsfälle 39 f., 178 Handlungsfähigkeit des Staates 236 f. Immissionsschutzrecht 25 f., 183 ff. – betriebstechnisch-funktioneller Zusammenhang 183 ff. – Sonderrisiko 185 f. Indienstnahme Privater 222 f., 227, 232 Inpflichtnahme Privater 36 ff., 227 ff., 247 – Anwendungsfälle 37 – Begriff 36 f., 222 f. – ~ zu einem bestimmten Verhalten 228 f. – ~ zur Finanzierung staatlicher Aufgabenwahrnehmung 37 f., 229 – Zurechnung, Bedeutung der 37 Kausalität 16, 127 ff. – adäquate 118 ff., 149 f., 153 – äquivalente 111 ff., 152 f., 158, 186 ff., 213 ff., 230 f., 233, 235 ff., 247 – psychisch vermittelte 50, 112 f. – siehe auch Verursachungstheorien; Zurechnungskriterium, Verursachung Kernkraftwerk 29, 214, 222 f. Kfz-Verkäufer 113 f., 129, 147 Kopiergeräte 77
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Kostendeckungsprinzip 182 Kostenfreistellung 182 f. Lärm 147 – siehe auch Gästelärm „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen 89 ff., 220 f. Menschenbild des Grundgesetzes 51 ff. Menschenwürde 122 Mittelbare Täterschaft 42 f., 52 f., 138 f., 147 Nichtstörer s. Polizeilicher Notstand Nichtstörungspflicht 55 f., 64 ff., 69, 119, 130, 151 Obdachlosigkeit 63, 90 f., 130 Objektive Theorie s. Zurechnungskriterium, objektiver Zusammenhang Polizeiliche Handlungsmöglichkeiten, Einengung 71 f., 162, 236 ff. Polizeilicher Notstand 31, 42, 44, 46 ff., 56 ff., 70 ff., 77, 80 ff., 86 ff., 91 ff., 204, 224, 228 – echter ~ 197 – Entschädigung 48, 57, 77, 85 ff. – Parallelen zur Zweckveranlassung 46 f. – unechter ~ 197 – Voraussetzungen 47 – siehe auch Effektivität der Gefahrenabwehr Polizeipflichtigkeit – abstrakte (materielle) ~ 67, 243 – formelle ~ 243 Prostitution 23, 147 Prüfpflichten 151 Rechtmäßigkeit des Veranlasserverhaltens 32, 54 ff., 101 ff. – Rechtswidrigkeit, polizeirechtliches Verständnis 55 ff. Rechtsgüterschutzpflichten 55 f., 65 f., 67 ff. Regressverbot im Gefahrenabwehrrecht 42 ff., 116 – Effektivitätseinbußen 46 ff. Regressverbot im Strafrecht 148
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Sachregister
Regressverbot im Verfassungsrecht 53 Risikoerhöhungslehre 50, 111 f. Schaufensterfall 17, 20 f., 168 Schleyer 239 f. Selbstbestimmung 52, 121 ff., 192, 196, 231 Selbstgefährdung 68, 130, 196, 218 f. Selbstverantwortung 50 ff., 121 ff. Sonderabgaben 37 f., 77, 175, 229 Soziale Netzwerke 202 ff. Sperrzeit 26, 129, 144 Staatsaufgabenlehre 172 ff. Staatshaftungsrecht 34 f., 40 f., 232 f., 240 ff., 247 – Anwendungsfälle 40 f. – Grundrechtsdogmatik 41 – Unmittelbarkeit 240 ff. – siehe auch Zumutbarkeit Steuerstaatsprinzip 171 f. Strafrecht – Zurechnungstatbestände 43 Straßensondernutzung 188 Subjektive Theorie s. Zurechnungskriterium, Vorsatz Systemwidrigkeit 92 f. Veranlasser insbes. 18, 161 ff., 201 ff., 210 f. Verantwortlichkeit, polizeirechtliche – schwaches Verursachungsverständnis 57 ff., 160, 176 – starkes Verursachungsverständnis 56 ff., 160 Verfolgerfälle 152, 234 f. Verhaltensstörer s. Verhaltensverantwortlichkeit Verhaltensverantwortlichkeit 15, 104 ff., 160, 213 ff. Verhältnismäßigkeit insbes. 57 ff., 72 ff., 116 ff., 157, 160 ff., 166 ff., 177 f., 181 f., 189, 194 f., 200 f., 207 ff., 218 ff., 224 ff., 228, 239, 242, 247 – siehe auch Großveranstaltungen, Verhältnismäßigkeit Verkehrsbehinderung 20 f., 100 f., 147 Versammlungen 27, 168, 246 – Innenverhältnis 27, 200, 246 – Scheinversammlung 191 – Spezialregelung 192 ff.
– Straßenverunreinigung 27, 200 – Versammlungsmodalitäten 195, 197 ff. – siehe auch Auflagen; Gebühren; Gegengewalt Versammlungsfreiheit 27, 135 Vertrauensgrundsatz 155 ff. Verursachungstheorien 16, 31 f., 95 ff., 160 – Äquivalenztheorie 60, 244 – Theorie der unmittelbaren Verursachung 16, 31, 95 f. – siehe auch Kausalität; Zweckveranlassung; Verantwortlichkeit, polizeirechtliche Vorhersehbarkeit 118 ff., 127 ff. – objektive ~ 124 ff., 155 – subjektive ~ 118 ff., 124 ff., 153 ff., 186 ff., 213 ff., 230 f., 233, 235, 239, 244, 247 Warnungen, staatliche 35 f., 39 Wegereinigungspflicht 77 Zivilrecht – Störerhaftung 42 f., 149 ff. Zumutbarkeit – ~ der polizeilichen Inanspruchnahme insbes. 61 f., 72 ff., 84 f., 160 ff. – ~ der Staatshaftung 242 – ~ der Unterlassung des gefahrverursachenden Verhaltens 61 f. Zurechnung 18 – Eigenzurechnung 34 f. – ~ künftigen störenden Verhaltens 17 f., 158 – ~ störenden Verhaltens mehrerer 17, 202 ff., 246 – ~ zum Staat 232 ff. Zurechnungsgründe 18 – Differenzierungsfunktion 72 ff., 230, 232, 244 – Einheitlichkeit 242 ff. – Notwendigkeit der Funktionentrennung 77 ff. – Vorfilterfunktion 84 f., 145 – Zumutbarkeitsfunktion 72 ff., 84 f., 161, 231 f., 244 Zurechnungskriterium 32 f., 109 ff. – Anpassung 142 ff. – Beteiligung im Zeitpunkt der Gefahrentstehung 132 f. – „natürliche Einheit“ 32 f.
Sachregister – objektiver Zusammenhang 136 ff., 157, 208 – rechtsgebietsspezifisches ~ 130 ff. – Risikonutzen 139 ff. – Schutzzweck 128 ff. – Strafrecht 147 ff. – Verursachung 76 f., 109 ff., 158 – Vorsatz 133 ff. – Zivilrecht 149 ff. – siehe auch Fußballbundesligaspiele; Gaststättenrecht; Großveranstaltungen; Immissionsschutzrecht; Kausalität; Vorhersehbarkeit; Zurechnung künftigen störenden Verhaltens Zurechnungszusammenhang – Maßstäbe 16, 63 f. – Mindestzurechnungszusammenhang 82 ff., 160 – Relevanz der Stärke 79 ff. – Unterbrechung 35 f. Zusatzverantwortlichkeit 18, 110, 123 Zustandsstörer s. Zustandsverantwortlichkeit
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Zustandsverantwortlichkeit 15 f., 104 ff., 140 f., 160, 206, 213, 216 Zweckveranlassung – Aktualität 23 ff., 31 – Anwendungsfälle 20 ff., 23 ff. – ~ auch durch Störer 99 ff. – Bedeutung 15 ff. – Begriff 18 f., 22, 161 – Entwicklung, historische 20 ff. – gesetzliche Grundlage 49 f. – Grundrechte, Vereinbarkeit 32, 54 ff. – Notwendigkeit 31, 42 ff. – objektive Theorie 120, 136 ff. – Parallele Zurechnungsprobleme 36 ff. – subjektive Theorie 120, 133 ff. – Überblick über die Neukonzeption 160 ff. – Verursachungstheorien, Verhältnis 31 f., 95 ff. – Zurechnungsbegriff 33 ff. – siehe auch Gefährdungsveranlassung; Regressverbot; Verhaltensverantwortlichkeit; Zurechnungsgründe; Zurechnungskriterium; Zustandsverantwortlichkeit