Die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht: Ein Beitrag zur Rechtssicherheit [1 ed.] 9783428586363, 9783428186365

Seit 2008 besteht die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Die Norm hat für die In

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German Pages 326 [327] Year 2023

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Die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht: Ein Beitrag zur Rechtssicherheit [1 ed.]
 9783428586363, 9783428186365

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 210

Die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht Ein Beitrag zur Rechtssicherheit

Von

Matthias Miller

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS MILLER

Die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 210

Die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht Ein Beitrag zur Rechtssicherheit

Von

Matthias Miller

Duncker & Humblot · Berlin

Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18636-5(Print) ISBN 978-3-428-58636-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Wahrscheinlich hat kein einzelner Faktor mehr zur Prosperität des Westens beigetragen als die verhältnismäßig große Rechtssicherheit, die dort bestand. Das wird durch die Tatsache nicht geändert, dass völlige Gewissheit des Rechts ein Ideal ist, das wir anstreben müssen, aber nie vollkommen erreichen können. F. A. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, Kapitel 14 Ziff. 3.

Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2022 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter dem Titel „Die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht – Ein Beitrag zur Rechtssicherheit“ als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Ende Mai 2022 berücksichtigt werden. Dieses Buch unternimmt den Versuch, zu einer höheren Gewissheit des Rechts zu schreiten, mit dem warnenden Hesse aber wissend, nie davor gefeit zu sein, bisweilen doch seltsam im Nebel zu wandern. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Timo Fest, LL. M. (Pennsylvania), der mir von Beginn der Arbeit bis heute durch seine zielstrebige und gewissenhafte Arbeitsweise stets Vorbild ist. Herzlichen Dank für die gewinnbringenden Anregungen und die zügige Erstellung des Erstgutachtens. Ebenfalls gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Hartmut Oetker für die rasche Zweitbegutachtung sowie den Herren Prof. Dr. Gerald Spindler, Prof. Dr. Hanno Merkt, LL. M. (Univ. of Chicago) und Prof. Dr. h. c. Dr. h. c. Holger Fleischer, LL. M. (Univ. of Michigan) für die Aufnahme dieser Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe. Auf dem Weg der Themenfindung und Erstellung dieser Schrift haben mich die vielen Eindrücke an meinen Studien- und Tätigkeitsorten in Freiburg, Kalkutta, München, Tübingen, Würzburg und Kiel begleitet und geprägt. Herzlich danke ich zunächst meinem Freund und treuen Freiburger Gefährten Dr. Marcel Duplois für die fachlichen Dialoge und die unvergesslichen gemeinsamen Momente. Weiter gilt mein Dank den Herren Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Albin Eser, M.C.J. (NYU), Prof. Dr. Lars Klöhn, LL. M. (Harvard), Prof. Dr. Johannes Hager, Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder LL. M. (London), Prof. Dr. Heribert Heckschen sowie Dr. Andreas Heidinger für die fruchtbaren inhaltlichen Diskussionen und die an unterschiedlichen Orten lehrreichen wie wegweisende Etappen. A. B., F. E., J. K. und P. R. danke ich für kritisches Korrekturlesen und den fortwährend beflügelnden interdisziplinären Austausch. Alle hier nicht erwähnten, aber gemeinten Wegbegleiter schließe ich ausdrücklich in den herzlichen Dank mit ein!

8

Vorwort

Die Erstellung der Disseration wurde durch ein Promotionsstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt, für deren ideelle und finanzielle Förderung im Studium und während der Promotion ich ebenfalls zu großem Dank verpflichtet bleibe. Abschließend danke ich von Herzen meiner Familie, ohne deren Unterstützung in allen Lebenslagen diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Meine drei Geschwister Verena, Daniel und Moritz haben mich gelehrt, die Leichtigkeit und Neugier im Leben zu bewahren. Meine Verlobte Christina steht stets mit großem Verständnis für meine Vorhaben eng an meiner Seite. Danke für Deine unerschöpfliche Liebe! Meine Eltern verdienen den letzten und größten Dank. Sie haben mich früh mit der Schönheit der Musik und dem reichen Glauben in Verbindung gebracht. In beidem finde ich heute unbeschreiblichen Halt. Ihnen habe ich alles zu verdanken. Die Arbeit ist aus tiefer Dankbarkeit ihnen gewidmet.

Stuttgart, im Juni 2022

Matthias Miller

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Thematische Eingrenzung und rechtsmethodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Struktureller Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Kapitel 1 Geschichtliche Entwicklung

31

A. Relative Gesellschafterstellung vor Schaffung der GmbH in Deutschland . . . . . . . . . . 31 B. Entstehung der GmbH im Jahre 1892 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Reformdiskussion im Nationalsozialismus – Referentenentwurf 1939 . . . . . . . . . . . . . 37 D. Reformdiskussionen von 1969 bis 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 E. GmbH-Novelle von 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 F. Bilanzrichtliniengesetz von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 G. Handelsrechtsreformgesetz von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 H. Diskussionen vor Erlass des MoMiG von 2006 bis 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Neufassung der relativen Gesellschafterstellung durch das MoMiG, 2008 . . . . . . . . . 50 J. Umsetzung der Vierten europäischen Geldwäscherichtlinie, 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . 50 K. Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz von 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 L. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Kapitel 2 Grundlagen

57

A. Begriffsbestimmung – „Relative Gesellschafterstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

10

Inhaltsübersicht Kapitel 3 Legitimationswirkung

87

A. Grundvoraussetzungen für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung . . . . . . . . 87 B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Kapitel 4 Grenzen der Legitimationswirkung

163

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit – Wahrung der Verkehrsschutzinteressen

191

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 D. Grenzen des reinen Listensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Kapitel 5 Alte Gesellschafterlisten – Übergangsfälle

286

A. Bestandsaufnahme der vertretenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 B. Rechtssicherheit und Transparenz durch einen klaren Konzeptionswechsel . . . . . . . . 288 C. Keine verfassungswidrige echte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Kapitel 6 Zusammenfassung – System und Grenzen der relativen Gesellschafterstellung

292

A. System – Strenges Listensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 B. Grenzen – Reines Listensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Thematische Eingrenzung und rechtsmethodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Struktureller Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Kapitel 1 Geschichtliche Entwicklung

31

A. Relative Gesellschafterstellung vor Schaffung der GmbH in Deutschland . . . . . . . . . . 31 I. Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaft, 1843 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II.

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

III. Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, 1887 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Entstehung der GmbH im Jahre 1892 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. II.

Die Regelung des § 16 GmbHG 1892 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Unterschiede der Legitimationswirkung zur Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 35

C. Reformdiskussion im Nationalsozialismus – Referentenentwurf 1939 . . . . . . . . . . . . . 37 I.

Ziel – Verhinderung der Anonymität von Gesellschafterstrukturen . . . . . . . . . . . 37

II. Umfassende relative Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Neufassung der mitgliedschaftlichen Forthaftung des bisherigen Gesellschafters 40 IV. Scheitern der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 D. Reformdiskussionen von 1969 bis 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I.

Umfassende relative Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

II. Neufassung der mitgliedschaftlichen (Fort-)Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Scheitern der Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 E. GmbH-Novelle von 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 F. Bilanzrichtliniengesetz von 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 G. Handelsrechtsreformgesetz von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 H. Diskussionen vor Erlass des MoMiG von 2006 bis 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Entwurf von Vossius/Wachter, 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II.

Referentenentwurf vom 29. 5. 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

III. Regierungsentwurf vom 23. 5. 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

12

Inhaltsverzeichnis IV. Stellungnahme des Bundesrates und Vorlage an den Bundestag . . . . . . . . . . . . . . 50

I. Neufassung der relativen Gesellschafterstellung durch das MoMiG, 2008 . . . . . . . . . 50 J. Umsetzung der Vierten europäischen Geldwäscherichtlinie, 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. II.

Vierte europäische Geldwäscherichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Ergänzung des § 40 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

III. § 40 Abs. 4, Abs. 5 GmbHG und Gesellschafterlistenverordnung . . . . . . . . . . . . 53 IV. Bedeutung der Änderungen für § 16 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 K. Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz von 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 L. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Kapitel 2 Grundlagen

57

A. Begriffsbestimmung – „Relative Gesellschafterstellung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I.

Bedeutung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II.

Herkunft des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. II.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Schutz der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Schutz des Listengesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Disponibilität zugunsten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Umfassende Rechtssicherheit durch Schutz des Listengesellschafters . . . . 65 3. Schutz des Rechtsverkehrs und Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Schutz des Rechtsverkehrs im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

III. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Bekämpfung von Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Verhinderung von Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I.

Erklärungsversuche in Rechtsprechung und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Duplizität des Rechtssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Abspaltung der Rechtszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Einheitlichkeit der Mitgliedschaft und Abspaltungsverbot . . . . . . . . . . . . . 72 b) Zur Technik der Abspaltung der „Rechtszuständigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Rechtsscheintatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Schutz des Vertrauens der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Inhaltsverzeichnis

13

b) Legitimationswirkung trotz positiver Kenntnis der Unrichtigkeit . . . . . . . . 75 c) Abschließende Anmerkung zur Terminologie des Rechtsscheins . . . . . . . . 77 II.

4. Unwiderlegliche Vermutung oder Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Dogmatische Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Rechtskonstruktion: Abspaltung der aktiven und passiven mitgliedschaftlichen Ausübungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Rechtsfolgendogmatik: Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes . . . . . . . . 82 a) Vergleichbare Legitimationsnormen im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes 85

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Kapitel 3 Legitimationswirkung

87

A. Grundvoraussetzungen für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung . . . . . . . . 87 I.

Im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Legitimationswirkung für Gründergesellschafterlisten nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Legitimationswirkung trotz fehlender tatsächlicher Veränderung . . . . . . . . 89 2. Gänzlicher Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal „im Fall einer Veränderung (…)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

II.

Eintragung in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste . . 91 1. Eintragung als echte Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Voraussetzung der Eintragung bei erbrechtlichen Sachverhalten . . . . . . . . . . . 92

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Umfang der Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG . . . . . . . . . 95 1. Rechte der Listengesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Teilnahme- und Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Minderheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Gerichtliche Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . 97 d) Die Gesellschafterklage oder actio pro societate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 e) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Auskunft von der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Auskunft von Mitgesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 f) Vermögensrechte, insbesondere Gewinnrecht nach § 29 GmbHG . . . . . . . . 101 g) Mitgliedschaftsrechte bei Kapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Effektive Kapitalerhöhung durch Übernahme neuer Geschäftsanteile

103

14

Inhaltsverzeichnis bb) Effektive Kapitalerhöhung durch Aufstockung bestehender Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Nominelle Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 dd) Legitimationswirkung nach erfolgter Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . 109 h) Sonstige Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Pflichten der Listengesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Einlagen- und Nachschusspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Kaduzierungsverfahren, §§ 21 ff. GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Maßgeblichkeit der Listenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Wirkung der Kaduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Haftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Primärhaftung nach § 31 Abs. 1 i. V. m. § 30 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 e) Nebenleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 f) Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 g) Insolvenzantragspflicht bei Führungslosigkeit, § 15a Abs. 3 InsO . . . . . . . 117 4. Besonderheiten bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters (Einziehung, Austritt, Ausschluss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Einziehung bei unrichtiger Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Voraussetzungen der Einziehung vom Listengesellschafter . . . . . . . . . . 119 bb) Rechtsfolgen für die materielle Rechtsinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Legitimationswirkung nach der Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Austritt des Listengesellschafters bei unrichtiger Gesellschafterliste . . . . . 124 aa) Austritt aus wichtigem Grund bei fehlender Kenntnis von der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Austritt aus wichtigem Grund bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Liste 125 c) Ausschluss des Listengesellschafters bei unrichtiger Gesellschafterliste . . . 125 5. Besonderheiten bei Amtsverwaltung, dinglicher Belastung und gesetzlicher Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Amtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Zur Eintragungsfähigkeit von Testamentsvollstrecker-, Nachlassverwaltungs- und Insolvenzvermerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Spannungsverhältnis von Amtsverwaltung und Legitimationswirkung 129 b) Dingliche Belastungen an Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Zur Eintragungsfähigkeit der dinglichen Belastungen in Gesellschafterlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Dingliche Belastung und Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Gesetzliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Gesetzliche Vertretung eines bekannten Gesellschafters . . . . . . . . . . . . 134 bb) Unbekannter Gesellschafter und Pflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Zwischenergebnis: Verbleibende Rechtsunsicherheiten de lege lata . . . . . . 137

Inhaltsverzeichnis II.

15

Rückwirkungsfiktion des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Grundlagen und Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Bestellung eines neuen Geschäftsführers im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Rechtsfolgen bei unverzüglicher Aufnahme der Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Rechtsfolgen bei verspäteter Aufnahme der Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Abberufung eines Geschäftsführers im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

III. Besonderheiten der mitgliedschaftlichen Haftung – § 16 Abs. 2 GmbHG . . . . . . 144 1. Rechtliche Einordnung und Zweck des § 16 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Dogmatische Hinweise zur Einheitlichkeit der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . 146 c) Zweck des § 16 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Veräußerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Veräußerer als rechtsgeschäftlich Übertragender . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Kein praktisches Bedürfnis für eine Forthaftung bei Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Gesamtrechtsnachfolge bei Fortbestehen des Rechtsvorgängers . . . 152 (2) Gesamtrechtsnachfolge bei fehlendem Fortbestehen des Rechtsvorgängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der „Voreintragung des Veräußerers“ 153 c) Einlageverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Mitgliedschaftliche Haftung bei Listenkorrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Forthaftung nach Listenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Zur Forthaftung nach § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Keine Forthaftung nach § 16 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Erfüllung der Einlagenforderung und Haftung vor Listenkorrektur . . . . . . . 159 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Kapitel 4 Grenzen der Legitimationswirkung

163

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 164 I.

Kein formal ordnungsgemäßes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Allgemeine Zuständigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

16

Inhaltsverzeichnis b) Meinungsspektrum zu den Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Listenänderung durch Geschäftsführer, § 40 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . 169 aa) Verfahrensvoraussetzungen nach § 40 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Meinungsspektrum zu den Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Listenänderung durch Notare, § 40 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Verfahrensvoraussetzungen nach § 40 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Meinungsspektrum zu den Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Listenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Ungeschriebene Voraussetzungen des Korrekturverfahrens . . . . . . . . . . 175 bb) Meinungsspektrum zu den Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II.

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Fehlende Zurechenbarkeit der Listenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Einordnung des Zurechenbarkeitskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Zurechenbarkeit im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Geschäftsführerlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Notarlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Korrekturlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Zurechenbarkeitskriterien in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

III. Rechtsmissbräuchliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 IV. Verfassungsrechtlich garantierter Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 190 V.

Zwischenergebnis: Unklare Grenzen der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . 190

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit – Wahrung der Verkehrsschutzinteressen 191 I. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Zurechnungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II.

Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes und Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . 194

III. Vergleich zu § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Wortlaut, Systematik und Normentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 V.

Vergleich zu reinen Vertrauenstatbeständen – Regelungsziele des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Phänomenologie einzelner reiner Vertrauenstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) §§ 892 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) § 1155 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) §§ 2366 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 d) § 935 Abs. 2 Fall 1 und Fall 2 BGB, Art. 16 Abs. 2 WG (i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG), Art. 21 SchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 e) § 935 Abs. 2 Fall 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 f) § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 g) §§ 407, 408 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 h) § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 i) § 15 Abs. 1 HGB – § 29 Abs. 1 GenG – §§ 68, 70 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 205

Inhaltsverzeichnis

17

2. Gemeinsame Wertungen reiner Vertrauenstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Funktionieren des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Staatliche Mitwirkung bei Schaffung des Rechtsscheinträgers . . . . . . . . . . 207 c) Wertung des Schuldnerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d) Anreizmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Übertragung der Wertungen auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Überschneidungen von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mit reinen Vertrauenstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Unterschiede durch den absoluten Verkehrsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Übertragung der Wertungen im Speziellen anhand der Zielrichtung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Schutz der Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Gesellschafterbeschluss als zentrales verbandsinternes Entscheidungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Störung der Beständigkeit gefasster Beschlüsse durch das Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (3) Inkonsequente Ergebnisse bei Vinkulierungsklauseln durch das Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (4) Inkonsequente Ergebnisse im Erbrecht durch das Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Keine staatliche Mitwirkung bei Schaffung des Legitimationsträgers

216

cc) Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 dd) Anreizmechanismus und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4. Zwischenergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 VI. Bedeutung der Transparenz angesichts internationaler und europäischer Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Zivilrechtliche Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Ansprüche im Innenverhältnis „Listengesellschafter – wahrer Gesellschafter“ 223 II.

2. Ansprüche bei Fehlern im Erstellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Strafrechtliche Sanktionsandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

III. Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Erlangung der Listenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Anspruch auf Korrektur der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (1) Rechtswidrige Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsverhältnisses

231

18

Inhaltsverzeichnis (2) Zurechnung des rechtswidrigen Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 dd) Anspruchsrichtung und Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Durchsetzung des Anspruchs im Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Gesellschaft, §§ 935 ff. ZPO . . . . . . 235 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Regelungsverfügung, § 940 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (1) Verfügungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Verfügungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (3) Inhalt der Regelungsverfügung – Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (a) Kein zulässiger Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (b) Konkret zulässiger Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Leistungsverfügung, § 940 ZPO analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 dd) Adressat der einstweiligen Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 d) Rechtsschutz gegenüber dem Listengesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Erhaltung der Listenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Anspruch auf Erhaltung der Listenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Unterlassungsverfügung als Sicherungsverfügung, § 935 ZPO . . . . . . . 246 bb) Nachträglicher Rechtsschutz durch die Regelungsverfügung . . . . . . . . 247 cc) Anregungen an das Registergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Beseitigung der falschen Listenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Anspruch auf Listenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Aktiv- und Passivprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

D. Grenzen des reinen Listensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 I.

Formelle Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Rechtssicherheit und Verkehrsschutz als Maßstäbe der formalen Grenzziehung 254 2. Prüfungskompetenz des Registergerichts – Grundlage für die formelle Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Formelles Prüfungsrecht und formelle Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Materielles Prüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3. Konkrete formelle Grenzen der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Fallgruppe 1: Unvollständigkeit der Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Fehlende oder unrichtige Angaben zur Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Fehlende und unrichtige Angaben zu dem Geschäftsanteil . . . . . . . . . . 261 cc) Fehlende Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Inhaltsverzeichnis

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dd) Fehlende Notarbescheinigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Fallgruppe 2: Unzulässige Eintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 d) Fallgruppe 3: Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 aa) Erstellung durch unzuständige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (1) Absolute Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (2) Relative Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 bb) Einreichung durch unzuständige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 e) Fehler im Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Listenänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Listenkorrektur i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II.

Materielle Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Abstraktionen und Durchbrechungen im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Abstraktion zwischen dinglichem und kausalem Rechtsgeschäft . . . . . . . . 269 b) Abstraktion im Stellvertretungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Abstraktion zwischen Vertretungsmacht und Grundgeschäft . . . . . . . . 270 bb) Ausnahmen bei Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Dogmatik und Maßstab zur materiellen Grenze der relativen Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Dogmatische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Maßstab zur Bestimmung der materiellen Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Rechtsmissbrauch als facettenreiche materielle Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Sittenwidrige Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Weitere Fälle missbräuchlichen Verhaltens – objektive Evidenz . . . . . . . . . 276 aa) Maßstab der objektiven Evidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 bb) Rechtsmissbräuchliches Verhalten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 278 cc) Rechtsmissbräuchliches Verhalten des unberechtigten Listengesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 dd) Rechtsmissbrauch eines wirklichen Rechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . 280

4. Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 III. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Ansicht des Reichsgerichts im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Beweislast nur zulasten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Beweislast nach allgemeinen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

20

Inhaltsverzeichnis Kapitel 5 Alte Gesellschafterlisten – Übergangsfälle

286

A. Bestandsaufnahme der vertretenen Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 B. Rechtssicherheit und Transparenz durch einen klaren Konzeptionswechsel . . . . . . . . 288 C. Keine verfassungswidrige echte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Kapitel 6 Zusammenfassung – System und Grenzen der relativen Gesellschafterstellung

292

A. System – Strenges Listensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I.

Bedeutungswandel im Jahre 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

II. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 III. Dogmatische Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 IV. Umfang der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 B. Grenzen – Reines Listensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Abkürzungsverzeichnis 3. Gw-RL Dritte europäische Geldwäsche-Richtlinie – RL 2005/60/EG 4. Gw-RL Vierte europäische Geldwäscherichtlinie – RL 2015/849 4. GwUmsetzungG Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom 23. 6. 2017, BGBl. 2017 I S. 1822. 5. Gw-RL Fünfte europäische Geldwäsche-Richtlinie – RL 2018/843 a. A. andere Ansicht a. E. am Ende a. F. alte Fassung ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch AG Aktiengesellschaft oder Die Aktiengesellschaft – Zeitschrift oder Amtsgericht AHGB Allgemeines Handelsgesetzbuch (Österreich, 1863) AktG Aktiengesetz Allg. Allgemeine Alt. Alternative Anh. Anhang Anm. Anmerkung Art. Artikel ARUG II Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie vom 12. 12. 2019 AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BeckOGK Beck’scher Online-Großkommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online Begr. Begründung Bekl. Beklagte/r/n BeurkG Beurkundungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs für Strafsachen BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen

22 BilRiLiG Bl. BMJ BMJV BNotO BR Drucks. BT Drucks. BV BVerfG bzw. d. h. DAV DB DepotG ders. dies. Dig. DiRUG Diss. DM DNotI DNotZ Dr. DStR ECLI Ed. EG EGGmbHG EGVP Einl. EL ErwGr. et al. etc. EU EuGH EuR EWG EWiR f. FamFG FATF ff. FGG

Abkürzungsverzeichnis Bilanzrichtliniengesetz vom 19. 12. 1985 Blatt Bundesministerium der Justiz Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesnotarordnung Drucksache des Bundesrates Drucksache des Deutschen Bundestages Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische GmbH) Bundesverfassungsgericht beziehungsweise das heißt Deutscher Anwaltverein Der Betrieb (Zeitschrift) Depotgesetz derselbe dieselbe Digeste Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 5. 7. 2021 Dissertation Deutsche Mark Deutsches Notarinstitut Deutsche Notar-Zeitschrift Doktor Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) European Case Law Identifier Edition Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Einleitung Ergänzungslieferung Erwägungsgrund et alii (lat.) et cetera (lat.) Europäische Union Europäischer Gerichtshof Zeitschrift Europarecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Action Task Force on Money Laundering fortfolgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Abkürzungsverzeichnis FGPrax Fn. GBO GbR GBV GenG GesLV GG ggf. GmbH & Co. KG GmbH GmbHG GmbHG 1892 GmbHG-E GmbHR GmbH-StB GPR Großkomm GVG GWB GwG GWR h. M. HGB HRefG Hrsg. HRV Hs. HypKraftlG i. d. F. i. d. S. i. e. S. i. Erg. i. R. d. i. S. d. i. S. v. i. V. m. InsO JA JR JuMiKo Jura jurisPK-BGB jurisPR-HaGesR JuS

23

Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung Gesetz betreffend die Erwerbs und- Wirtschaftsgenossenschaften Gesellschafterlistenverordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Compagnie Kommanditgesellschaft Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG in der Fassung von 1892 Entwurf zum Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Großkommentar Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Handelsrechtsreformgesetz vom 22. 6. 1998 Herausgeber Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (Handelsregisterverordnung – HRV) Halbsatz Hypotheken-Kraftloserklärungsgesetz in der Fassung in diesem Sinne im engeren Sinne im Ergebnis im Rahmen der im Sinne des/im Sinne der im Sinne von in Verbindung mit Insolvenzordnung Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Justizministerkonferenz Juristische Ausbildung (Zeitschrift) juris PraxisKommentar BGB juris PraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht Juristische Schulung (Zeitschrift)

24 JW JZ KG Kl. KölnKomm-AktG krit. LG lit. LMK

Abkürzungsverzeichnis

Juristische Wochenschrift Juristen Zeitung Kammergericht (Berlin) Kläger/in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz kritisch Landgericht littera (lat.) Kommentierte BGH-Rechtsprechung (Fortführung der „Kommentierten BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring“) Ltd. Limited Company LZ Leipziger Zeitschrift m. w. N. mit weiteren Nachweisen MauracherE Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom 20. 4. 2020 Mio. Millionen MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (Zeitschrift) MoMiG Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. 10. 2008, BGBl. 2008 I S. 2026 MoPeG Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10. 8. 2021, BGBl. 2021 I S. 3436 Mot. Motive MüKo Münchener Kommentar Münch. Hdb. GesR Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht notar Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nr. Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht öGmbH österreichisches GmbH-Gesetz oHG offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OLGZ Entscheidungssammlung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen OGH österreichischer Oberster Gerichtshof öRGBl. Reichsgesetzblatt (Österreich) PartGG Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Paul. Paulus pr. principium (lat.) Preuß. AktG 1843 Preußisches Aktiengesetz von 1843 RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf RegVBG Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren – Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz RG Reichsgericht

Abkürzungsverzeichnis RGBl. RGRK RGZ RL RM RMJ Rn. RNotZ RPflG Rs. Rspr. RT Drucks. S. s. a. SchG SchVG Sec. SGB IV Slg. sog. StGB TraFinG

Tz. u. a. u. U. UAbs. UMAG UmwG v. v. a. Var. vgl. VO WG WM WpHG WpÜG WuB z. B. ZErb ZfPW

25

Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsräte-Kommentar BGB Entscheidungssammlung des Reichsgerichts für Zivilsachen Richtlinie Reichsmark Reichsjustizministerium Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Drucksache des Reichstags Seite siehe auch Scheckgesetz Schuldverschreibungsgesetz Section Sozialgesetzbuch Viertes Buch Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichts Erster Instanz sogenannte/r/m/n Strafgesetzbuch Gesetz zur europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten („Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz“), BGBl. I 2021, S. 2083. Textziffer unter anderem unter Umständen Unterabsatz Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. 9. 2005, BGBl. 2005 I S. 2802 Umwandlungsgesetz vom/von vor allem Variante vergleiche Verordnung Wechselgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Gesetz über den Wertpapierhandel Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft

26 ZGR ZHR Ziff. ZInsO ZIP ZNotP ZPO ZStA zust.

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung Zentrales Staatsarchiv zustimmend

Einleitung A. Einführung in die Problematik Gesellschaften im juristischen Sinne werden eigentumsrechtlich von den Inhabern der Gesellschaftsanteile, also von den Gesellschaftern getragen. Die Gesellschafter prägen und bestimmen typischerweise gemeinsam den Verbandswillen. Sie üben die Mitgliedsrechte aus und haften für mitgliedschaftliche Pflichten. Für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr ist es daher unerlässlich zu wissen, welche Personen jeweils die Gesellschafter des Verbandes sind. Das Informationsbedürfnis kann auf unterschiedlichen Wegen befriedigt werden. In den Personenhandelsgesellschaften sind sämtliche Gesellschafter in dem öffentlich einsehbaren Handelsregister eingetragen. Gleiches gilt für die Partner einer Partnerschaftsgesellschaft durch das Partnerschaftsregister. In der anonymeren AG weist dagegen nur das gesellschaftsinterne und nicht öffentlich einsehbare Aktienregister Aktionäre aus und zwar nur Namensaktionäre. Das GmbHG geht seit jeher einen Mittelweg. Sämtliche Gesellschafter sind in eine Gesellschafterliste einzutragen. Diese Liste wird als Dokument zu dem Handelsregister aufgenommen. Die GmbH-Gesellschafter werden also nicht direkt in das Handelsregister eingetragen, sondern sind über das Listendokument aus dem Registerordner (§ 9 Abs. 1 HRV) öffentlich einsehbar. Obwohl die Gesellschafterlisten eine wichtige Informationsaufgabe erfüllen, fristeten sie über 115 Jahre ein Nischendasein. Sie wurden häufig nicht sauber geführt und waren inhaltlich unrichtig. Ihre Informationsfunktion über die Anteilseignerstruktur einer GmbH konnten sie so nicht erfüllen. Das lag insbesondere daran, dass Geschäftsführer kaum rechtliche Konsequenzen zu fürchten hatten, wenn sie die Listen nicht ordnungsgemäß führten. Dieser Zustand änderte sich mit dem MoMiG grundlegend. Neben der reinen Informationsfunktion knüpft der neu gefasste § 16 GmbHG seit 1. 11. 2008 beachtliche Rechtswirkungen an die Eintragung in Gesellschafterlisten. So ermöglicht § 16 Abs. 3 GmbHG erstmals den gutgläubigen Erwerb eines GmbH-Anteils von einer Person, die in der Gesellschafterliste ausgewiesen ist.1 1 Diese Regelungsanordnung wurde bereits vielfach ausführlich diskutiert, seziert, analysiert und geordnet. Sie wird daher größten Teils für diese Arbeit ausgeklammert. Siehe zu diesem Rechtscheintatbestand aber etwa die Monografien: Broll, Geschäftsanteilserwerb vom Nichtberechtigten, passim; Heilemann, Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen, passim; Kotthaus, Gewährleistung des Gutglaubensschutzes, passim; Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, passim; Wiersch, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, passim.

28

Einleitung

Praktisch relevanter ist die neu geschaffene relative Gesellschafterstellung in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Dieser eine Satz bedeutet einen Paradigmenwechsel im Recht der GmbH und hat grundlegende Bedeutung für die Organisationsverfassung der Gesellschaft. Denn danach gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Nur dieser Listengesellschafter, sog. formal legitimierter oder relativer Gesellschafter, kann Mitgliedsrechte ausüben und haftet für mitgliedschaftliche Verbindlichkeiten. Allgemein wird dieser Wirkungsmechanismus als Legitimationswirkung bezeichnet, wie er vergleichbar bereits seit vielen Jahrzehnten im Aktienrecht für Namensaktien gemäß § 67 Abs. 2 AktG gilt und zudem in anderen Rechtsbereichen anerkannt ist.2 Für die Rechtsausübung des Listengesellschafters ist es im Regelfall unbeachtlich, ob er auch materiell berechtigter Gesellschafter ist. Theoretisch denkbar und praktisch relevant sind daher Sachverhalte, in denen der materielle Gesellschafter nicht oder noch nicht formal legitimiert ist und demzufolge keine Mitgliedsrechte ausüben kann. Die formale Gesellschafterstellung ist von der materiell-rechtlichen Inhaberschaft abstrahiert. Die Abstraktion ist Quelle mannigfacher Rechtsprobleme und sorgte schon in dem Parallelfall des Aktienrechts für Verwirrung. Es fragte in diesem Zusammenhang Rudolf Ruth in einem Beitrag aus dem Jahre 1926 nach der Eigenschaft eines Erwerbers einer Aktie, wenn er noch nicht in das Aktienbuch aufgenommen wurde: „Was soll das für ein merkwürdiges Mitgliedschaftsverhältnis sein: (…) Also Mitglied und zugleich Nichtmitglied?“3 Die gleiche Frage stellt sich auch im GmbHRecht bei fehlerhaften Gesellschafterlisten. Es wird die Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, das Verhältnis von materieller und formaler Gesellschafterstellung zu bestimmen, zu ordnen sowie zu erklären und dabei das System und die Grenzen der relativen Gesellschafterstellung auszuloten.

B. Thematische Eingrenzung und rechtsmethodisches Vorgehen Alle hier entwickelten Gedanken und Vorschläge zu der Reichweite und zu den Grenzen der Legitimationswirkung zielen auf ein rechtsdogmatisch standhaftes System der relativen Gesellschafterstellung. Die Arbeit ist auf das GmbH-Recht fokussiert. Wird im Folgenden also von „relativen Gesellschaftern“, „LegitimatiSiehe ferner etwa die ausführlichen Kommentierungen: Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 157–257; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 255–396; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 122–190; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 50–94. 2 Die Legitimationswirkung ist etwa auch aus den §§ 121 Abs. 2 Satz 2, 123 Abs. 3 Satz 6 AktG, § 10 Abs. 3 SchVG, § 6 Abs. 2 Satz 3 DepotG bekannt und bereits im Wertpapier, Grundbuch- oder Zessionsrecht vorzufinden, vgl. etwa die §§ 407 ff., 793, 893 BGB. 3 Ruth, ZHR 88 (1926), 454 (497).

C. Struktureller Aufbau der Arbeit

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onswirkung“ oder von „formaler Rechtsstellung“ gesprochen, ist stets die Rechtslage im GmbH-Recht gemeint. Soll die aktienrechtliche Parallelnorm des § 67 Abs. 2 AktG angesprochen werden, wird hierauf gesondert verwiesen. Ein wichtiges und wiederkehrendes Instrument der Arbeit sind Vergleiche zu bereits bekannten, in den Rechtsfolgen ähnlich ausgestalteten Normen. Im Sinne eines methodisch-komparativen Vorgehens sollen diese Vergleiche verstanden werden. Anerkannte dogmatische Strukturen können für die relative Gesellschafterstellung fruchtbar gemacht werden. Es wird dabei ein Schluss vom Besonderen auf Besonderes zu ziehen sein. Rechtswissenschaftliche Erkenntnisse zu vergleichbaren Regelungen sind zu sammeln, heranzuziehen und – soweit möglich – auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu übertragen. Erklärtes Ziel ist es nicht, durch eine rechtsmethodische Induktion den besonderen Tatbeständen ein allgemeines neues Grundkonzept zu entnehmen.4 Stattdessen soll mit anerkannten dogmatischen und rechtstechnischen Werkzeugen die Wirkungsweise der relativen Gesellschafterstellung erklärt werden. Mit diesen Hilfsmitteln soll deutlich werden, unter welchen Voraussetzungen die relative Gesellschafterstellung entsteht und welche Rechtsfolgen sie zeitigt.

C. Struktureller Aufbau der Arbeit Bei der schrittweisen Ausarbeitung führt nun kein Weg daran vorbei, die relative Gesellschafterstellung zunächst im ersten Kapitel historisch aufzuarbeiten. Die geschichtlichen Entwicklungen schärfen das Verständnis der heutigen Legitimationsnorm und liefern wertvolle Argumente für den heutigen Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Grundlegend wird im zweiten Kapitel sodann teleologisch wie dogmatisch die Vorschrift untersucht, um ihren Wirkungsumfang zu bestimmen und um ein Fundament für die Entwicklung rechtssicherer Ergebnisse zu erbauen. Im dritten Kapitel werden die Rechte und Pflichten der Listengesellschafter abgesteckt. Dabei wird auch erläutert, wie sich eine dingliche Belastung des Geschäftsanteils, eine Amtsverwaltung über den GmbH-Anteil oder eine gesetzlich angeordnete Vertretung des Listengesellschafters auf die relative Gesellschafterstellung auswirken. Hieran anknüpfend widmet sich die Arbeit den Grenzen der relativen Gesellschafterstellung. Die in der Literatur vorgeschlagene Grenzziehung zu dem Tatbe4

Instruktiv zur Induktion Larenz, Methodenlehre, S. 384 ff.; Tanneberger, Sicherheitsverfassung, S. 64 ff.; zur Induktion als Unterfall der Reduktion und damit als fehlbare Schlussregel vgl. Bochen´ski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, S. 75 ff.; zur Induktion als Mittel der Auffindung allgemeiner Prinzipen bei der Analogie siehe Canaris, Feststellung von Lücken, S. 97 f.

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Einleitung

stand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird modifiziert und teilweise abgelehnt. So wird Raum geschaffen für ein rechtssicheres System der relativen Gesellschafterstellung im GmbH-Recht. Dieses System soll als sog. reines Listensystem entwickelt werden. Was damit gemeint ist, wieso der Begriff gewählt wurde, und welche praktischen Konsequenzen dieser, sich an allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen orientierende Lösungsansatz mit sich bringt, wird die Arbeit – auch anhand von einzelnen Beispielsfällen – im vierten Kapitel zeigen. Zuletzt behandelt das vorliegende Werk die Handhabung alter Gesellschafterlisten im Anwendungsbereich der relativen Gesellschafterstellung (Kapitel 5), bevor mit der Zusammenfassung der Ergebnisse im sechsten und letzten Kapitel geschlossen wird.

Kapitel 1

Geschichtliche Entwicklung Die relative Gesellschafterstellung wurde bei Schaffung der GmbH im Jahre 1892 in § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. festgeschrieben. Bis zu der grundlegenden Änderung im Jahre 2008 stand sie unverändert in der Ursprungsfassung im Gesetz. Obwohl die Vorschrift mehr als 115 Jahre keine Änderung erfuhr, sah sie sich in der Vergangenheit durchaus Kritik ausgesetzt. Reformbestrebungen im 20. Jahrhundert scheiterten häufig nicht aus Bequemlichkeit und Zufriedenheit mit der Rechtslage, sondern aufgrund konkreter politisch-gesellschaftlicher Rahmenumstände.1 Die geschichtlichen Darstellungen zeigen sowohl überraschende Diskrepanzen als auch Gemeinsamkeiten zur heutigen Rechtslage. Ausgehend vom Aktienrecht über die Entstehung des GmbHG 1892 hin zur heutigen Rechtslage in der Fassung des MoMiG von 2008 unter Berücksichtigung der neuen, am 1. 7. 2018 in Kraft getretenen GesLV wird die historische Entwicklung der relativen Gesellschafterstellung nachgezeichnet.

A. Relative Gesellschafterstellung vor Schaffung der GmbH in Deutschland Bevor im Jahre 1892 die Gesellschaftsform der GmbH erfunden wurde, waren Unternehmungen, die in den Genuss einer Haftungsbeschränkung kommen wollten, v. a. als Aktiengesellschaften organisiert. Die Haftungsbeschränkung wurde Unternehmungen zunächst nur singulär und projektspezifisch zugebilligt. Zu nennen sind etwa die Haftungsprivilegierungen für Eisenbahnunternehmungen mit dem Preußischen Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. 11. 1838.2 Darin waren erste kapitalgesellschaftsrechtliche Elemente festgeschrieben, aber noch keine relative Gesellschafterstellung geregelt.

1 Einen guten Überblick zur Entwicklung des gesamten GmbHG gibt Fleischer, GmbHR 2009, 1 ff. und zur Entwicklung der Gesellschafterliste Wachter, GmbHR 2018, 1129 ff. 2 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1838 Nr. 35, S. 505; abrufbar unter: http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/que/normal/que1030.pdf (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2022).

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

I. Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaft, 1843 Mit dem Erlass des Preußischen Gesetzes über die Aktiengesellschaft vom 9. 11. 18433 wurde sich die Projektbezogenheit aufgehoben. Eine branchenunabhängige AG wurde anerkannt. Zudem wurde mit § 12 Abs. 3 Preuß. AktG 1843 – soweit ersichtlich – erstmals die relative Aktionärsstellung im Preußischen Recht kodifiziert. § 12 Abs. 3 Preuß. AktG 1843 war wie folgt gefasst: (3) Im Verhältnis zu der Gesellschaft werden nur Diejenigen als die Eigenthümer der Aktien angesehen, die als solche im Aktienbuche verzeichnet sind.

Die Vorschrift erinnert an § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG für Namensaktien und ist als deren Vorgängerregel anzusehen.4 Ebenso wie das heutige Aktienregister war auch das Aktienbuch i. S. d. § 12 Preuß. AktG 1843 nicht öffentlich einsehbar. Während des Gesetzgebungsverfahrens Mitte des 19. Jahrhunderts wurde überlegt, das Aktienbuch öffentlich einsehbar auszugestalten.5 Vorgeschlagen wurde, eine Abschrift des Aktienbuches bei dem Handelsgericht niederzulegen, damit Geschäftspartner der AG sich überzeugen könnten, wer Teilnehmer der Gesellschaft ist. Schlussendlich verzichtete der Gesetzgeber aber bewusst auf die Publizität, um insbesondere bürokratische Verzögerungen zu vermeiden. Es erschien als zu aufwendig, wenn vor jeder Generalversammlung ein bei dem Gericht deponiertes Aktienbuch durch einen Gerichts-Deputierten zur Feststellung der Legitimation hätte vorgelegt werden müssen. Im Übrigen blieb es den Interessenten unbenommen, vor Eingehung von Geschäften mit der Gesellschaft sich das Aktienbuch vorlegen zu lassen.6 Obwohl das Aktienbuch nicht öffentlich einsehbar war, war doch die relative Aktionärsstellung über das intern einsehbare Aktienbuch mit § 12 Preuß. AktG 1843 begründet worden.

II. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, 1861 In Anlehnung an die Vorschrift des § 12 Preuß. AktG 1843 wurde die Legitimationswirkung eines Namensaktionärs mit Erlass des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches im Jahre 1861 in Art. 223 Abs. 1 i. V. m. Art. 183 Abs. 2 ADHGB 1861 geregelt. Art. 183 Abs. 2 ADHGB 1861 knüpfte unmittelbar die 3 Gesetz Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1843 Nr. 2391/31, S. 341, abgedruckt in: Baums, Preußisches Gesetz über die AG, S. 213 ff. 4 So etwa Maurice, Namensaktien, S. 141; Wiersch, ZGR 2015, 591 (594). 5 Vgl. Gutachten der vereinigten Abtheilungen des königlichen Staatsraths für die Finanzen und für die Justiz, Entwurf des preußischen AktG, 16. 3. 1843, abgedruckt in: Baums, Preußisches Gesetz über die AG, S. 134 (151 f.). 6 Siehe zu den Überlegungen und den Argumenten das Gutachten der vereinigten Abtheilungen des königlichen Staatsraths für die Finanzen und für die Justiz, Entwurf des preußischen AktG, 16. 3. 1843, abgedruckt in: Baums, Preußisches Gesetz über die AG, S. 134 (151 f.).

A. Relative Gesellschafterstellung vor Schaffung der GmbH in Deutschland

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Legitimation eines Aktionärs im Recht der Kommanditgesellschaft auf Aktien an die Eintragung im Aktienbuch an. Über die Verweisnorm des Art. 223 Abs. 1 ADHGB 1861 galt Art. 183 ADHGB 1861 aber auch für die AG. Art. 183 ADHGB 1861 war wie folgt gefasst: Art. 183 (1) Wenn das Eigenthum der Aktie auf einen Anderen übergeht, so ist dies unter Vorlegung der Aktie und des Nachweises des Ueberganges, bei der Gesellschaft anzumelden und im Aktienbuche zu bemerken. (2) Im Verhältnisse zu der Gesellschaft werden nur diejenigen als die Eigenthümer der Aktien angesehen, welche als solche im Aktienbuche verzeichnet sind. (3) Zur Prüfung der Legitimation ist die Gesellschaft berechtigt, aber nicht verpflichtet.

Die relative Aktionärsstellung wurde mit Art. 183 Abs. 2 ADHGB 1861 konsequent fortgeführt und anerkannt. Durch Art. 183 Abs. 3 ADHGB 1861 wurde die Bedeutung des Aktienbuches als Legitimationsgrundlage aber zurückgedrängt. Die Gesellschaft musste sich nicht an den Inhalt des Buches halten, sondern war berechtigt, die Legitimation des Buchaktionärs zu überprüfen und bei negativem Vergleich zu ignorieren. Beachtlich war der geographisch weite Anwendungsbereich des ADHGB 1861. Es galt zunächst im gesamten Deutschen Bund und damit auch in Österreich. Im Kaisertum Österreich ging das ADHGB 1861 bereits mit Gesetz vom 17. 12. 1862, das am 1. 7. 1863 in Kraft trat, im AHGB auf.7 Die Vorschrift der relativen Gesellschafterstellung war unverändert in Art. 223 Abs. 1 i. V. m. Art. 183 Abs. 2 AHGB 1863 übertragen worden. Ebenso wurde das ADHGB 1861 für den Norddeutschen Bund mit Gesetz vom 5. 6. 18698 als ADHGB 1869 übernommen. Die Regelungen des Norddeutschen Bundes blieben bei Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871 für das ehemalige Hoheitsgebiet des Norddeutschen Bundes, die Großherzogtümer Baden und Hessen sowie für das Königreich Württemberg durch die Reichsverfassung vom 16. 4. 1871 in Kraft.9 Für das Königreich Bayern wurde das ADHGB 1869 zwar nicht durch die Reichsverfassung übernommen,10 allerdings 7

Siehe ÖRGBl. Nr. 1/1863. Siehe § 1 Gesetz, betreffend die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung, der Nürnberger Wechsel-Novellen und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches als Bundesgesetze, BGBl. des Norddeutschen Bundes, 1869, Nr. 32, S. 379. 9 Siehe § 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. 4. 1871 (RGBl. 1871, Nr. 16, S. 63) i. V. m. Art. 80 Abs. 1 Nr. 15 der Verfassung des Deutschen Bundes, (BGBl. des Norddeutschen Bundes, 1870, Nr. 51, S. 627) bzw. i. V. m. Art. 2 Nr. 6 des Vertrages betreffend den Beitritt Württembergs zur Verfassung des Deutschen Bundes vom 25. 11. 1870. (BGBl. des Norddeutschen Bundes, 1870, Nr. 51, S. 654). 10 Das ADHGB (1869) wurde nicht erwähnt als Gesetz, das mit Reichsgründung im Königreich Bayern gelten sollte; vgl. dazu Ziff. III § 8 i. V. m. Ziff. 3 § 26 des Vertrages betreffend den Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Bundes (RGBl. 1871, Nr. 5, S. 9), worauf das Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. 4. 1871 in § 2 Abs. 1 verweist, RGBl. 1871, Nr. 16, S. 63. 8

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

mit Reichsgesetz vom 22. 4. 1871 in Kraft gesetzt.11 Die relative Gesellschafterstellung wurde damit im gesamten Gebiet des Deutschen Kaiserreichs durch unveränderte Übernahme anerkannt. Neugefasst wurde Art. 223 Abs. 1 i. V. m. Art. 183 AHGB 1869 erst mit der Schaffung des Handelsgesetzbuches im Jahre 1897 durch § 223 HGB 189712, ohne dabei den Inhalt der Norm wesentlich zu ändern. § 223 HGB 1897, insbesondere die relative Aktionärsstellung nach § 223 Abs. 3 HGB 1897 lautete: § 223 (1) Geht eine auf Namen lautende Aktie auf einen Anderen über, so ist dies, unter Vorlegung der Aktie und des Nachweises des Überganges, bei der Gesellschaft anzumelden und im Aktienbuche zu vermerken. (2) Die Echtheit der auf der Aktie befindlichen Indossamente oder der Abtretungserklärungen zu prüfen, ist die Gesellschaft nicht verpflichtet. (3) Im Verhältnisse zu der Gesellschaft gilt nur derjenige als Aktionär, welcher als solcher im Aktienbuche verzeichnet ist.

III. Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, 1887 Neben der AG war die relative Gesellschafterstellung vor Schaffung der GmbH im Jahre 1892 auch für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft anerkannt. In § 14 Abs. 2 des Statuts der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft von 1887 war geregelt, dass „nur die im Anteilsbuche eingetragenen Mitglieder (…) der Gesellschaft gegenüber als berechtigt und verpflichtet“ gelten.13 Die relative Gesellschafterstellung war so bereits zu dem Zeitpunkt der Entstehung der GmbH im Jahre 1892 in verschiedenen Gesellschaftsformen fester Bestandteil der Verbandsstruktur.

B. Entstehung der GmbH im Jahre 1892 I. Die Regelung des § 16 GmbHG 1892 Trotz der vielfältig bestehenden Gesellschaftsformen vernahm man den Ruf und den Wunsch in Wissenschaft14 und Wirtschaft15 Ende des 19. Jahrhunderts nach einer

11 Siehe § 2 Abs. 1 Nr. 8 Gesetz, betreffend die Einführung Norddeutscher Bundesgesetze in Bayern vom 22. 4. 1871, RGBl. 1871, Nr. 17, S. 87 (88). 12 Siehe RGBl. 1897, Nr. 23, S. 219 (270). 13 Statut der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft v. 26. 2. 1887, abgedruckt in: Ring, Deutsche Kolonialgesellschaften, S. 129 ff. 14 Esser, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit, S. 7 ff.; Simon, ZHR 34 (1887), 85 (140 ff.); Ring, Deutsche Kolonialgesellschaften, S. 38 ff.

B. Entstehung der GmbH im Jahre 1892

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Gesellschaftsform, die nicht den strengen Vorschriften der AG unterliege, aber haftungsbeschränkt sein sollte. Der Gesetzgeber reagierte und schuf mit der GmbH in Deutschland eine neue Gesellschaftsform zwischen der AG und den Personengesellschaften.16 Am 26. 4. 1892 wurde das GmbHG verkündet.17 Die relative Gesellschafterstellung für Veräußerungsfälle wurde in § 16 GmbHG 1892 zusammengefasst: § 16 (1) Der Gesellschaft gegenüber gilt im Falle der Veräußerung des Geschäftsantheils nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb unter Nachweis des Uebergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. (2) Die vor der Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem Veräußerer oder von dem letzteren gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommenen Rechtshandlung muß der Erwerber gegen sich gelten lassen. (3) Für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsantheil rückständigen Leistungen ist der Erwerber neben dem Veräußerer verhaftet.

II. Unterschiede der Legitimationswirkung zur Aktiengesellschaft Die gesetzgeberische Konzeption im GmbH-Recht unterschied sich in mehreren Punkten von den bislang bekannten Regelungen im Aktienrecht. Ein erster Unterschied war die Anknüpfung der relativen Gesellschafterstellung bei Veräußerung der Geschäftsanteile an die Anmeldung bei der Gesellschaft. In der AG wurde für Namensaktien nach Art. 223 Abs. 1 i. V. m. Art. 183 Abs. 2 ADHGB (1861) die Legitimation an das Aktienbuch geknüpft.18 Aus zwei Gründen wurde dieses Registersystem nicht in das GmbHG aufgenommen. Die Wirkung der Veräußerung sollte nicht abhängig sein von einer Tatsache, die sich dem unmittelbaren Einfluss der Beteiligten entzieht; die Verzeichnung im Aktienbuch kann anders als die Anmeldung bei der Gesellschaft nicht direkt vom Erwerber erreicht werden.19 Daneben wurde angeführt, dass bei kleineren Gesellschaften wie der neuen GmbH ein solches 15 Gutachten des Ausschusses des Deutschen Handelstages v. 7. 12. 1888 (aufgenommen in RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3760 ff.). 16 Schilling, in: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, Allg. Einl. Rn. 1; H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, Einl. Rn. 43. 17 RGBl. 1892, Nr. 24, S. 477; krit. zur neuen Rechtsform der GmbH, insbesondere wegen des schwachen Gläubigerschutzes, Hachenburg, LZ 1909, 15 ff.; Neukamp, LZ 1909, 417 (419), der für eine subsidiäre persönliche Haftung der GmbH-Gesellschafter plädiert; ausführlich zur Entstehungsgeschichte des GmbHG Fränkel, Die GmbH, S. 5 ff.; Schilling, in: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, Allg. Einl. Rn. 1 ff.; P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, Einl. A Rn. A3 ff. 18 Siehe oben Kapitel 1 A. II. 19 RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3739.

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

Verzeichnis nicht immer notwendig sei.20 Beide Beweggründe offenbarten sich bald als überholt. Zunehmend wurde gefordert, den Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft nur dann zu legitimieren, wenn er in einem Anteilsbuch als Gesellschafter ausgewiesen ist. Argumentativ wurde auf die Rechtslage in England und in Österreich hingewiesen.21 Nach der englischen Rechtslage von 1908 war gemäß Sec. 24 (2) Companies (Consolidation) Act 1908 die Eintragung in das Register eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft: „Every (…) person who agrees to become a member of a company, and whose name is entered in its register of members, shall be a member of the company.“

Im österreichischen Recht von 1906 hieß es in § 78 Abs. 1 öGmbHG i. d. F. v. 6. 3. 190622: „Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt nur derjenige als Gesellschafter, der als solcher im Anteilsbuche verzeichnet ist.“

Interessanterweise folgt die heutige Rechtslage des § 16 GmbHG den damals hörbar kritischen Stimmen, die sich gegen eine registerlose Legitimationswirkung einsetzten, unausgesprochen. Nach gegenwärtigem Recht wirkt die Eintragung einer in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste legitimierend. Geregelt wird heute, was bei Schaffung des GmbHG 1892 noch verhindert wurde. Ein zweiter wichtiger Unterschied ist der Anwendungsbereich der Norm. In § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 wurde – anders als im Aktienrecht – alleine die Frage beantwortet, wann ein Erwerber nach einer „Veräußerung“ des Geschäftsanteils im Verhältnis zur Gesellschaft legitimiert ist. Unter „Veräußerung“ fiel zwar auch der Übergang des Geschäftsanteils nach Zuschlag bei einer Versteigerung i. R. d. Zwangsvollstreckung.23 Zudem wurde § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 auf die Verpfändung, Pfändung und Nießbrauchbestellung analog angewendet.24 Bei einem Übergang kraft Gesetzes, z. B. bei Erb- und Umwandlungsfällen, galt § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 hingegen nicht.25 Die erforderliche Legitimation des Erwerbers ergab sich aus 20

RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3739. 21 Ausdrücklich Fränkel, Die GmbH, S. 286; a. A. Liebmann, ZHR 73 (1913), 1 (32), der die österreichische Regelung des § 78 Abs. 1 öGmbHG, wonach nur der im Anteilbuch verzeichnete Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft legitimiert ist, nicht auf das deutsche Recht übertragen wissen wollte. 22 ÖRGBl. Nr. 58/1906, S. 605 (622). 23 Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 16 Rn. 2. 24 Siehe Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 16 Rn. 2; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 2. 25 Ganz h. M.: LG Berlin NJW-RR 1986, 195; Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 16 Rn. 2; Brodmann, GmbHG, § 16, 2. a); Däubler, GmbHR 1963, 181 (182); Geck, DStR 1996, 627 (628); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 16 Rn. 3; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 16 Rn. 1, 4; H. Winter/ Seibt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 16 Rn. 28; M. Winter/Löbbe, in: Groß-

C. Reformdiskussion im Nationalsozialismus – Referentenentwurf 1939

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anderen Grundlagen, nämlich aus der Satzung,26 bei Abtretungsfällen aus den §§ 407 ff. BGB,27 und für den Erbfall aus § 2367 BGB28. Die Unterschiede zu dem Aktienrecht schienen zunächst gut überlegt zu sein, wurden in den kommenden Jahrzehnten aber bei verschiedenen Reformvorhaben auf den Prüfstand gestellt.

C. Reformdiskussion im Nationalsozialismus – Referentenentwurf 1939 I. Ziel – Verhinderung der Anonymität von Gesellschafterstrukturen Die neu geschaffene GmbH erfreute sich bald großer Beliebtheit. 1905 waren bereits über 8.000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung verzeichnet.29 Auch große Unternehmungen wählten die Rechtsform der GmbH. Ende 1937 gab es in Deutschland 20 Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von 20 bis 135 Mio. RM.30 Gleichzeitig herrschte große Unsicherheit über die Personen der Gesellschafter. Zwar bestand auch 1892 bereits die Gesellschafterliste, um den Rechtsverkehr über die Personen der Gesellschafter hinreichend zu informieren.31 Allerdings musste die Liste gemäß § 41 GmbHG 1892 nur alljährlich im Monat Januar von den Geschäftsführern zu dem Handelsregister eingereicht werden. Unterjährige Veränderungen waren daher schon konzeptionell nicht sofort, sondern erst im Januar des Folgejahres erkennbar. Im Übrigen kamen die Geschäftsführer der jährlichen Aktualisierungspflicht nur zaghaft nach. Dadurch stellte die GmbH im Ergebnis eine anonyme Gesellschaftsform dar. Auch diesem Vorwurf wollte das Reichjustizministerium mit dem Referentenentwurf von 193932 durch verschiedene Mechanismen begegnen. Nach § 40 Abs. 1 GmbHG RefE 193933 hätte eine Anzeigepflicht bei der Gesellschaft bestanden, sobald ein Wechsel in der Person des Gesellschafters eingetreten wäre. Ob ein rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Erwerb zu dem Wechsel der Gesellschafterstellung geführt hätte, wäre nach dem kommGmbHG, 1. Aufl. 2005, § 16 Rn. 4; a. A. für den Erbfall Wiedemann, GmbHR 1969, 247 (249); für eine analoge Anwendung Kremer/Laux, BB 1992, 159 ff. sowie Priester, GmbHR 1984, 193 (195 ff.). 26 Vgl. LG Berlin NJW-RR 1986, 195. 27 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 2. 28 Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 16 Rn. 1. 29 Neukamp, ZHR 57 (1906), 1 unter Verweis auf eine öffentliche Zeitungsnotiz der Kölnischen Zeitung vom 18. 1. 1905. 30 Tewaag, Fragen der Mitgliedschaft in der GmbH (Referat), 1938, abgedruckt in: Schubert, Akademie für Deutsches Recht, GmbH, 1986, S. 287 (288). 31 RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3748. 32 Abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 94 ff. 33 Die Vorschrift ist im folgenden Abschnitt abgedruckt.

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

Wortlaut für die Anzeigepflicht irrelevant gewesen.34 Durch die Anzeige wäre zwar die Gesellschaft, nicht aber der gesamte Rechtsverkehr informiert. Daher sollten die Geschäftsführer nach empfangener Anzeige gemäß § 41 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 „jeden Wechsel in der Person des Gesellschafters zum Handelsregister“ anzeigen.35 Weil das Handelsregister – wie auch heute noch – öffentlich für jeden einsehbar war,36 wäre dadurch Transparenz über die Gesellschafterstruktur für Außenstehende geschaffen und dem Vorwurf der Anonymität des Gesellschaftskapitals der Boden entzogen worden.37

II. Umfassende relative Gesellschafterstellung Der RefE des RMJ wäre zudem ein Novum für die relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht gewesen. Bislang galt § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 nur in Veräußerungs-, nicht aber in Erbfällen. Der Entwurf sah nun in § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 vor, die relative Gesellschafterstellung umfassend an den Nachweis nach § 40 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 anzuknüpfen. § 40 GmbHG RefE 1939 lautete wie folgt: § 40 Anzeige des Übergangs bei der Gesellschaft (1) Tritt ein Wechsel in der Person eines Gesellschafters ein, so ist dies im Falle der Abtretung von der Urkundsperson, in anderen Fällen vom Erwerber unverzüglich bei der Gesellschaft anzuzeigen und nachzuweisen. (2) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Gesellschafter nur, wer der Gesellschaft nach Abs. 1 unter Nachweis des Übergangs als Erwerber des Stammkapitals bezeichnet ist. (3) Der Erbe eines Gesellschafters wird durch die Anzeige allein nicht gehindert, seine Haftung auf den Nachlaß zu beschränken.

Als Erwerber „bezeichnet“ wäre nach § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939, wer bei der Gesellschaft als solcher angezeigt worden wäre. „Bezeichnung“ entspricht insoweit der „Anzeige“. Auch die Entwurfsbegründung stellt die „Bezeichnung“ der

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Ausdrücklich Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Publizität), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 165. Zu beachten gilt es, dass in Fällen der Abtretung alleine der Urkundsbeamte, im Übrigen aber der Erwerber zur Anzeige verpflichtet gewesen wäre. Die Aufteilung der Anzeigepflicht von Urkundsbeamten und Erwerber erinnert an die gegenwärtige Unterscheidung der Einreichungszuständigkeit für Gesellschafterlisten von Geschäftsführern und Notaren in § 40 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG; dazu schon Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 189. 35 Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Publizität), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 165. 36 Die Öffentlichkeit des Handelsregisters war bereits in Art. 12 Abs. 2 Satz 1, 2 ADHGB (1861), anerkannt. Seit Schaffung des HGB im Jahre 1897 ist sie in § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB geregelt. 37 Ausdrücklich Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Publizität), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 166.

C. Reformdiskussion im Nationalsozialismus – Referentenentwurf 1939

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„Anzeige“ gleich.38 Konstruktiv interessant ist zudem, wie in dem Entwurf mit einem für die relative Gesellschafterstellung einmalig gebliebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis gearbeitet wurde: § 42 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 hätte als Grundregel vorgeschrieben: (1) Der Erwerber eines Stammkapitals tritt in die Rechte und Pflichten des bisherigen Gesellschafters ein, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Durch § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 wäre nun für die Rechtsstellung im Verhältnis zur Gesellschaft etwas „anderes“ i. S. d. § 42 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 bestimmt worden. Die Konstruktion wäre zwar neu, hätte aber insoweit keinen sachlichen Unterschied bedeutet. Eine echte inhaltliche Neuigkeit wäre der erweiterte Anwendungsbereich der Vorschrift gewesen. So zeigt die Formulierung des § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939, dass die Vorschrift – anders als § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 – die relative Gesellschafterstellung nicht nur in Fällen der Veräußerung an die Anzeige geknüpft hätte, sondern umfassend bei einem Übergang der Gesellschafterstellung und damit wohl auch bei gesetzlichem Übergang. Dafür hätte neben dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939, der ausdrücklich auf § 40 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 verweist, auch der systematische Blick auf § 40 GmbHG RefE 1939 insgesamt gestritten. In § 40 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 wurde die Anzeigepflicht für Fälle des Übergangs von Geschäftsanteilen durch Abtretung oder für sonstige Konstellationen angesprochen. Zudem wurde in § 40 Abs. 3 GmbHG RefE 1939 dezidiert der Erbfall als anzeigepflichtiger Übergang des Anteils vorausgesetzt. Mit § 40 Abs. 3 GmbHG RefE 1939 sollte klargestellt werden, dass die Erstattung der Anzeige bei der Gesellschaft zwar die relative Gesellschafterstellung ausgelöst, aber für sich genommen die Erbenhaftung nicht beeinflusst hätte.39 Trotz der Anzeige hätte sich der Erbe auf seine bürgerlich-rechtliche Haftungsbeschränkung berufen können. Obwohl der Befund einer umfassenden relativen Gesellschafterstellung naheliegt, ist die Begründung in dem RefE dem weiten Anwendungsbereich nur zögerlich gefolgt. Zwar sollte nach dem konzeptionellen Verständnis die Ausweitung der relativen Gesellschafterstellung auch auf nicht durch Abtretung erfolgte Gesellschafterwechsel erreicht werden. Die Begründung in dem RMJ scheint an dieser Stelle allerdings irreführend. Die Legitimationswirkung sollte in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge nicht oder jedenfalls unter anderen als in § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 genannten Voraussetzungen eintreten. Ausdrücklich formulierte das RMJ: „Im Verhältnis zur Gesellschaft tritt diese Wirkung (Anm.: gemeint ist die Legitimationswirkung), von den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge abgesehen, erst

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Vgl. Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Wirkungen des Übergangs), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 166. 39 Siehe Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Publizität), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 165.

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

mit Erstattung der Anzeige vom Übergang ein (§ 40 Abs. 2).“40 Man war wohl noch zögerlich und vorsichtig, von dem bisherigen System in § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 ausdrücklich abzuweichen.

III. Neufassung der mitgliedschaftlichen Forthaftung des bisherigen Gesellschafters Des Weiteren wollte das RMJ in § 42 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 eine redaktionelle Änderung zur mitgliedschaftlichen Forthaftung des bisherigen Gesellschafters vornehmen. Anstelle von § 16 Abs. 3 GmbHG 1892 war § 42 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 wie folgt gefasst: (2) Der bisherige Gesellschafter bleibt zu den Leistungen verpflichtet, die bei Erstattung der Anzeige des Gesellschafterwechsels (§ 40 GmbHG RefE 1939) bereits fällig waren. Er ist mit dem Erwerber des Stammanteils der Gesellschaft als Gesamtschuldner verpflichtet.41

Die Begründung des RefE enthält kein Argument, weshalb die Norm umgestaltet wurde. Mit der Neufassung wäre aber die gesamtschuldnerische Haftung von Erwerber und Veräußerer klargestellt. In dieser Deutlichkeit wurde die gesamtschuldnerische Haftung von Veräußerer und Erwerber in § 16 Abs. 3 i. d. F. v. 1892 zwar noch nicht angeordnet, im Gesetzesentwurf von 1892 aber als „prinzipale Gesammtverbindlichkeit“ anerkannt.42 Eine weitere Sonderregel zur Forthaftung des bisherigen Gesellschafters war in § 42 Abs. 3 GmbHG RefE 1939 vorgesehen: (3) Für Ersatzansprüche, die bei Erstattung der Anzeige des Gesellschafterwechsels nach § 35 Abs. 2 begründet waren, hat der bisherige Gesellschafter auch einzustehen, wenn sie erst später fällig werden. Der Erwerber ist zum Ersatz nur bis zu einem Betrag in Höhe des Nennbetrags seines Stammanteils verpflichtet.

Danach hätte der bisherige Gesellschafter für Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Mitgesellschafter bei verbotenen Rückzahlungen nach § 35 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 – die Vorschrift ist dem heutigen § 31 Abs. 3 GmbHG vergleichbar – auch einzustehen, wenn sie zwar bei Erstattung der Anzeige nach § 40 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 noch nicht fällig, aber begründet gewesen wären. Begründet und damit entstanden wäre der Anspruch bereits mit der gesetzeswidrigen Auszahlung gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG RefE 1939 – die Vorschrift ist dem heutigen

40

Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Wirkung des Übergangs), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 166. 41 Abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 105. 42 Vgl. RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3739.

D. Reformdiskussionen von 1969 bis 1973

41

§ 31 Abs. 1, 2 GmbHG vergleichbar.43 Geregelt werden sollte, was heute zu § 31 Abs. 3 GmbHG der herrschenden Meinung entspricht, nämlich dass jeder Listengesellschafter, der im Zeitpunkt der verbotswidrigen Auszahlung in der Liste eingetragen war, nach § 31 Abs. 3 GmbHG haftet.44

IV. Scheitern der Reform Insgesamt wollte der RefE der Anonymität der GmbH entgegenwirken und rechtliche Klarstellungen für die relative Gesellschafterstellung treffen. Das hätte höhere Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr bedeutet. Trotz dieser Vorteile konnte die „Erneuerung“ des GmbH-Rechts „wegen der Kriegszustände“ 1939 nicht fortgeführt und abgeschlossen werden.45

D. Reformdiskussionen von 1969 bis 1973 In der sechsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages wurden die Überlegungen aus dem Jahre 1939 aufgegriffen.46 Der Reformstau blieb aufgrund des gescheiterten Vorhabens 1939 bestehen.47 Das BMJ hatte im April 1969 einen Referentenentwurf zu dem GmbHG veröffentlicht, der sich stark am Entwurf von 1939 orientierte.

I. Umfassende relative Gesellschafterstellung Ebenso wie § 40 Abs. 2 GmbHG RefE 1939 stellte auch § 51 Abs. 1 GmbHG RefE 1969 für die relative Gesellschafterstellung auf die Anzeige bzw. Anmeldung ab, wobei nicht zwischen rechtsgeschäftlichem und gesetzlichem Erwerb unterschieden wurde:

43 So Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Wirkung des Übergangs), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 166. 44 Siehe unten Kapitel 3 B. I. 2. c). 45 Dies ergibt ein Vermerk in den Ministerialakten von Schlegelberg, ZStA Potsdam, Reichsjustizministerium, Akte Nr. 10658, Bl. 24, zitiert nach Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 90; s. a. BT Drucks. 6/3088, S. 81. 46 Vgl. zu den Überschneidungen des RefE 1939 zu der Novelle von 1969 Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 90 ff. 47 So Ehmke, in: BMJ, RefE GmbHG 1969, Vorwort, S. V.

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung § 51 Wirkungen des Übergangs (1) Der Gesellschaft gegenüber gilt als Gesellschafter nur, wer den Erwerb des Geschäftsanteils unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet hat.

Anders als noch in der Begründung zu dem RefE von 193948 stellt das BMJ im Jahre 1969 klar, dass die Anmeldung auch bei dem gesetzlichen Erwerb, insbesondere bei dem Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge, maßgeblich für die Legitimationswirkung sei.49 Dies entspricht dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 GmbHG RefE 1969 und überzeugte auch schon zu dem RefE von 1939. Allerdings fordert § 51 Abs. 1 GmbHG RefE 1969 die Anmeldung durch den Erwerber. Diese ausschließliche Anmeldebefugnis des Erwerbers wurde von der Centrale für GmbH kritisiert. Auch der Veräußerer habe ein berechtigtes Interesse an der Anmeldung.50 Entsprechend dieser Kritik wurde der Entwurf zunächst in der Drucksache des Bundesrates51 korrigiert. Diese Korrektur wurde anschließend unverändert am 31. 1. 1972 in die Drucksache des Deutschen Bundestages52 übernommen. Der neu gefasste Entwurf lautete im späteren § 53 Abs. 1 GmbHG RegE 1972: § 53 Wirkungen des Übergangs (1) Der Gesellschaft gegenüber gilt als Gesellschafter nur, wer als Erwerber des Geschäftsanteils unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. (…)

II. Neufassung der mitgliedschaftlichen (Fort-)Haftung Besondere Ähnlichkeit zur Reformbestrebung von 1939 weisen die Regelungen in den Novellen von 1969 bis 1973 zur Forthaftung des bisherigen Gesellschafters nach einem Übergang des Geschäftsanteils auf. In § 51 Abs. 2 GmbHG RefE 1969 bzw. in dem wortlautgleichen § 53 Abs. 2 GmbHG RegE 1972 wurde ausdrücklich statuiert, dass der bisherige Gesellschafter für Leistungen forthaftet, die bei der Anmeldung des Gesellschafterwechsels bereits fällig waren. Die Forthaftung sollte nicht nur gegen den veräußernden Gesellschafter, sondern gegen sämtlichen bisherigen Gesellschafter unabhängig des Erwerbstatbestandes gelten.53 Zusätzlich wurde erneut – wie schon in § 42 Abs. 2 Satz 2 GmbHG RefE 1939 – die Anordnung 48 Begr. RefE 1939, Dritter Teil (Wirkung des Übergangs), abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 166. 49 Erläuternde Bemerkungen zum RefE von 1969, in: BMJ, RefE GmbHG 1969, S. 190. 50 Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, 3. Stellungnahme zum RefE 1969, 1970, S. 9. 51 BR Drucks. 595/71, S. 16, 113. 52 BT Drucks. 6/3088, S. 16, 113. 53 Zu § 51 Abs. 2 GmbHG RefE 1969 vgl. Erläuternde Bemerkungen zum RefE von 1969, in: BMJ, RefE GmbHG 1969, S. 191; zu § 53 Abs. 2 GmbHG RegE 1972 siehe den RegE in BT Drucks. 6/3088, S. 113.

D. Reformdiskussionen von 1969 bis 1973

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der gesamtschuldnerischen Haftung des Erwerbers und des bisherigen Gesellschafters klargestellt. § 51 Abs. 2 GmbHG RefE 1969 bzw. § 53 Abs. 2 GmbHG RegE 1972 sollten wie folgt gefasst werden: (2) Für Leistungen, die bei der Anmeldung des Gesellschafterwechsels bereits fällig waren, haften der Gesellschaft der bisherige Gesellschafter und der Erwerber des Geschäftsanteils als Gesamtschuldner.

Zudem sollte mit § 51 Abs. 3 GmbHG RefE 1969 bzw. § 53 Abs. 3 GmbHG RegE 1972 die Forthaftung des bisherigen Gesellschafters für Ersatzansprüche gegen die Mitgesellschafter bei verbotenen Rückzahlungen nach § 45 Abs. 3 GmbHG RefE 1969 bzw. § 47 Abs. 3 GmbHG RegE 1972 – beide Normen sind dem heutigen § 31 Abs. 3 GmbHG vergleichbar – auch dann gelten, wenn die Ersatzansprüche bei der Anmeldung begründet waren, aber erst später fällig wurden. Konkret lauteten § 51 Abs. 3 GmbHG RefE 1969 bzw. § 53 Abs. 3 GmbHG RegE 1972: (3) Für Ersatzansprüche nach § 45 Abs. 3 (GmbHG RefE 1969 bzw. § 47 Abs. 3 GmbHG RegE 1972), die bei der Anmeldung des Gesellschafterwechsels begründet waren, haftet der bisherige Gesellschafter, auch wenn sie erst später fällig werden.

Dadurch sollte die bestehende Streitfrage geklärt werden, auf welchen Zeitpunkt für die Forthaftung des bisherigen Gesellschafters abzustellen ist.54 Die Haftung des Erwerbers musste dagegen nicht explizit hervorgehoben werden, da der Erwerber ohnehin für alle Verbindlichkeiten, die während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft fällig werden, und für die aus dem Geschäftsanteil fließenden Verbindlichkeiten aufzukommen hatte.55 Insgesamt sind die Parallelen zu den Vorschriften im RefE von 1939 unübersehbar.

III. Scheitern der Reformen Das Vorhaben konnte allerdings in der sechsten Legislaturperiode nicht abgeschlossen werden. Daher legte die Bundesregierung den Entwurf unverändert dem Bundestag im Jahre 1973 vor.56 Wegen anderer vordringlicherer Vorhaben konnte die große GmbH-Reform jedoch nicht verwirklicht werden; sie war gescheitert.57

54

Vgl. Erläuternde Bemerkungen zum RefE von 1969, in: BMJ, RefE GmbHG 1969, S. 191 sowie BT Drucks. 6/3088, S. 113. 55 Siehe Erläuternde Bemerkungen zum RefE von 1969, in: BMJ, RefE GmbHG 1969, S. 191 sowie BT Drucks. 6/3088, S. 113. 56 Vgl. BT Drucks. 7/253. 57 Vgl. BT Drucks. 8/1347, S. 27; Fleischer, GmbHR 2009, 1 (8).

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

E. GmbH-Novelle von 1980 Nach dem Scheitern der umfassenden Reform im Jahr 1973 sollten „einige dringliche Änderungen des reformbedürftigen GmbH-Gesetzes alsbald“58 verwirklicht werden. Mit der GmbH-Novelle aus dem Jahr 198059 wurden die Änderungen verabschiedet. Allerdings ließ die Novelle sowohl die relative Gesellschafterstellung nach § 16 GmbHG 1892 als auch die Regelungen zur Gesellschafterliste in § 40 GmbHG unberührt.

F. Bilanzrichtliniengesetz von 1985 Mit dem BilRiLiG wurde erstmals die Vorschrift des § 40 Satz 1 GmbHG zu den Gesellschafterlisten nennenswert modifiziert. Die Gesellschafterlisten sind nach § 40 Satz 1 GmbHG 1985 nicht mehr „alljährlich im Monat Januar“ durch die Geschäftsführer einzureichen, sondern „jährlich im gleichen Zeitpunkt, in dem die Bilanz zu dem Handelsregister einzureichen ist“. Mit dieser Neuregelung ging allerdings keine Verbesserung der schon lange beklagten Anonymität der Gesellschafterstrukturen einher, weil es bei der unbefriedigenden jährlichen Einreichungspflicht blieb.60 Die Änderung sollte alleine einer einfacheren Einreichung dienen.61 Ohnehin knüpfte § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. die Legitimationswirkung (noch) nicht an die Gesellschafterliste, sondern nach wie vor an die Anzeige bei der Gesellschaft. Eine Neukonzeptionierung des § 40 GmbHG hatte daher keine Auswirkungen auf die relative Gesellschafterstellung.

G. Handelsrechtsreformgesetz von 1998 Zwar wieder ohne Auswirkungen auf die Legitimationswirkung, wohl aber um der Anonymität der Anteilseignerstruktur entgegenzutreten, wurde mit dem HRefG die Regelung über die Gesellschafterlisten in § 40 GmbHG erneuert.62 Die Listen waren fortan nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG i. d. F. v. 1998 „nach jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung unverzüglich“ – und nicht mehr nur einmal jährlich – zu ändern und zu dem Register einzureichen. Zudem wiesen die Gesellschafterlisten erstmals zwingend das Geburts58

BT Drucks. 8/1347, S. 27; s. a. Fleischer, in: MüKoGmbHG, Einl. Rn. 108. Gesetz zu Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften v. 4. 7. 1980, BGBl. 1980 I S. 836. 60 Siehe hierzu BT Drucks. 13/8444, S. 79; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 2. 61 BT Drucks. 10/317, S. 109. 62 Vgl. BT Drucks. 13/8444, S. 79. 59

H. Diskussionen vor Erlass des MoMiG von 2006 bis 2008

45

datum des Gesellschafters zur einfacheren Identifizierung aus.63 Mit diesen Maßnahmen sollte die Richtigkeit der Gesellschafterlisten gewährt werden.64 Trotz der Neuregelung blieben die Listen in den Folgejahren vielfach über mehrere Jahre unrichtig, weil die Geschäftsführer auch dieser neuen unterjährigen Pflicht nicht nachkamen.65 Das insoweit bezweckte Ziel konnte das HRefG daher noch nicht zufriedenstellend verwirklichen.

H. Diskussionen vor Erlass des MoMiG von 2006 bis 2008 Mit der Europäisierung des Gesellschaftsrechts, wozu insbesondere die EuGHEntscheidungen Centros66, Überseering67 und Inspire Art68 beitrugen, wuchs zunehmend der Druck auf die deutsche Politik, das GmbH-Recht umfassender als zuvor zu modernisieren.69 Insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit mit der englischen private limited company sollte gewährleistet werden.70 Mit dem MoMiG, das als die größte Reform des GmbHG seit Erlass im Jahr 1892 bezeichnet wird,71 wurden diese Probleme fokussiert. Im Zuge der weitreichenden Modernisierung des GmbHRechts wurden auch die häufige Unrichtigkeit von Gesellschafterlisten sowie die relative Gesellschafterstellung neu thematisiert. Schon nach einem Beschluss der JuMiKo am 14. 11. 2002, in dem das BMJ gebeten wurde, den Reformbedarf des GmbHG zu überprüfen, begannen die Diskussionen über das umfassende Projekt.

63

BT Drucks. 13/8444, S. 79; Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 17. Vgl. BT Drucks. 13/8444, S. 79; Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 40 Rn. 1. 65 Begr. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 280. 66 EuGH, Urteil v. 9. 3. 1999, ECLI:EU:C:1999:126, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 (Centros Ltd.). 67 EuGH, Urteil v. 5. 11. 2002, ECLI:EU:C:2002:632, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919 (Überseering BV). 68 EuGH, Urteil v. 30. 9. 2003, ECLI:EU:C:2003:512, Rs. C-167/01, Slg. 2003, I 10155 (Inspire Art Ltd.). 69 Vgl. Forsthoff, EuR, 2000, 167 (191): „Das deutsche Gesellschaftsrecht (…) steht (…) unter einem gewaltigen Wandlungsdruck“; s. a. Hoor, NZG 1999, 984 ff.; P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, Einl. A. Rn. A63. 70 BT Drucks. 16/6140, S. 59; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433; Fleischer, in: MüKoGmbHG, Einl. Rn. 118; Heckschen, MoMiG in der notariellen Praxis, Rn. 2; Wachter, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 1.3. Nach heutigem Stand hat die GmbH-Reform zur Wettbewerbsfähigkeit der GmbH erheblich beigetragen, siehe Harbarth, ZGR 2016, 84 (86 ff.). 71 So u. a. Fleischer, in: MüKoGmbHG, Einl. Rn. 120; Hirte, NZG 2008, 761; Saenger, in: Saenger/Inhester, GmbHG, Einf. Rn. 9; P. Ulmer, ZIP 2008, 45. 64

46

Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

I. Entwurf von Vossius/Wachter, 2005 Der Plan einer weitreichenden Erneuerung des GmbH-Rechts veranlasste Wissenschaft und Praxis zu eigenen Reformvorschlägen.72 Hervorzuheben ist der umfangreiche und beeindruckende Entwurf der Münchener Notare Vossius und Wachter, der auf 37 Seiten ein geändertes GmbH-Recht präsentiert und auf 40 weiteren Seiten die Neuerungen begründet.73 Die relative Gesellschafterstellung wird in Art. 1 § 25 Abs. 3 Satz 2 des Entwurfs wie folgt formuliert: § 25 Anzeige und Eintragung einer Verfügung (1) 1 Ist die Verfügung über einen Geschäftsanteil oder den Teil eines solchen wirksam geworden (§§ 21 – 23), ist sie der Gesellschaft mitzuteilen. 2 Diese unterrichtet unverzüglich den Gesellschaftsnotar74. (2) Der Mitteilung sind die Urkunde über die Verfügung in Ausfertigung oder in beglaubigter Abschrift und die Nachweise darüber beizufügen, dass die Verfügung wirksam geworden ist. (3) 1 Der Gesellschaftsnotar teilt der Gesellschaft, dem durch die Verfügung Begünstigten und dem von ihr Betroffenen den Inhalt der vorgenommenen Eintragung in das Anteilsregister mit. 2 Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt eine Verfügung nur, wenn ihr die Mitteilung über die Eintragung zugegangen ist.75

Dieser Regelungsvorschlag ist aus unterschiedlichen Gesichtspunkten problematisch. Auffällig ist zunächst, dass der Gesellschafter entgegen den Konzeptionen von 1939 und 1969 nur bei Verfügungen gegenüber der Gesellschaft durch die „Mitteilung“ des Gesellschaftsnotars legitimiert ist. Was bei einem Erwerb kraft Gesetzes gelten soll, wird nicht angesprochen. Omlor meint daher, dass im Wege einer analogen Anwendung auch die Fälle des gesetzlichen Erwerbs von dem Vorschlag umfasst sein müssten.76 Ob eine planwidrige Regelungslücke als eine Voraussetzung eines Analogieschlusses77 vorliegt, wäre wegen des ausdrücklichen Wortlauts „Verfügung“ jedoch zweifelhaft. Neben dem wohl eingeschränkten Anwendungsbereich der relativen Gesellschafterstellung nur auf „Verfügungen“ fällt die komplizierte Konstruktion auf. Zunächst müsste die Verfügung der Gesellschaft mitgeteilt werden (Art. 1 § 25 72

Kürzere Vorschläge entwickelten Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 ff.; Kallmeyer, GmbHR 2004, 377 ff.; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 ff. 73 Vgl. Vossius/Wachter, BB 2005, 2539 f.; der vollständige Gesetzentwurf samt Begründung ist abrufbar unter: http://www.gmbhr.de/volltexte.htm (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2022). 74 Der „Gesellschaftsnotar“ wird in Art. 1 § 24 Abs. 1 des Entwurfs legal definiert als ein „Notar, der die Errichtung der Gesellschaft beurkundet hat, oder ein anderer von den Geschäftsführern bestimmter deutscher Notar“. 75 Hervorhebung durch den Autor. 76 So Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 266. 77 Dazu Larenz, Methodenlehre, S. 373 f.; ausführlich zur Planwidrigkeit Canaris, Feststellung von Lücken, S. 31 ff.

H. Diskussionen vor Erlass des MoMiG von 2006 bis 2008

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Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs), anschließend die Gesellschaft unverzüglich den Gesellschaftsnotar unterrichten (Art. 1 § 25 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs), damit der Gesellschaftsnotar sodann die Änderung in das Anteilsregister eintragen könnte (Art. 1 § 24 Abs. 2 Nr. 1 des Entwurfs), um schließlich der Gesellschaft die Eintragung in das Anteilsregister mitzuteilen (Art. 1 § 25 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfs). Erst nach dem Zugang dieser letzten Mitteilung des Notars wäre der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft legitimiert. Durch den dadurch verzögerten Eintritt der Legitimationswirkung, wäre die relative Gesellschafterstellung dem Erwerber in nicht nachvollziehbarer Weise vorenthalten.78 Die Ausarbeitung dieses Reformvorschlags ist insgesamt durchaus begrüßenswert, wenngleich die relative Gesellschafterstellung umständlich konzipiert wurde.

II. Referentenentwurf vom 29. 5. 2006 Das BMJ legte mit dem RefE vom 29. 5. 2006 einen eigenen Vorschlag vor, ließ die Gedanken von Vossius/Wachter aber unerwähnt.79 Das GmbHG sollte in mehreren Punkten verbessert und erweitert werden, ohne dessen Grundstruktur selbst anzutasten. Insoweit schlug das Justizministerium einen anderen Weg ein als die zuvor besprochenen Reformvorschläge von 1939 und 1969. Mit dem Neuentwurf des § 16 Abs. 1 GmbHG sollte Missbrauch bekämpft und Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der GmbH geschaffen werden. Dadurch sollten Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF)80 vom 20. 6. 2003,81 die durch Art. 7, 8, 13 Abs. 6 der 3. Gw-RL in europäisches Recht gegossen wurden, berücksichtigt werden. Ein wichtiges Ziel des BMJ war es, den Gesellschafterbestand aus der Liste für den Rechtsverkehr stets aktuell, lückenlos und unproble-

78

Krit. auch Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 269 f. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 228 ff. 80 Die FATF versteht sich als unabhängiges, zwischenstaatliches Gremium mit Sitz bei der OECD in Paris, das zur Bekämpfung von Geldwäsche gegründet wurde. Sie hat gegenwärtig (Mai 2022) 39 Mitglieder, darunter zwei internationale Organisationen; eine Auflistung findet sich unter: http://www.fatf-gafi.org/pages/aboutus/membersandobservers/ (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2022). Zur Entwicklung und Struktur der FATF siehe Krämer, Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, S. 15 ff. 81 In der Empfehlung 33 (von 40) der FATF Recommendations 2003 heißt es ausdrücklich: „Countries should ensure that there is adequate, accurate and timely information on the beneficial ownership and control of legal persons that can be obtained or accessed in a timely fashion by competent authorities“; die 40 Empfehlungen werden ständig aktualisiert; mittlerweile liegen die FAFT Recommendations 2012 auf dem Stand von März 2022 vor; Empfehlung 33 der FATF Recommendations 2003 entspricht jetzt Empfehlung 24 der FATF Recommendations 2012; beide Empfehlungen sind abrufbar unter: http://www.fatf-gafi.org (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2022). 79

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

matisch nachvollziehbar zu gestalten.82 Dazu wurde die Gesellschafterliste aufgewertet. Erstmals ist die Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG RefE 2006 Rechtsscheinträger und ermöglicht daher den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen vom Listengesellschafter. Zudem weist § 16 Abs. 1 GmbHG RefE 2006 die relative Gesellschafterstellung umfassend dem Listengesellschafter zu: (1) 1Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Gesellschafter nur, wer als solcher in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste eingetragen ist. 2Die Änderung der Liste durch die Geschäftsführer erfolgt auf Mitteilung und Nachweis.

Der Entwurf setzte um, was Jahrzehnte gefordert wurde, nämlich die relative Gesellschafterstellung vollumfänglich, also bei rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Anteilsübertragung, im GmbHG zu regeln. Zusätzlich war gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG RefE 2006 vorgesehen, dass die Liste von dem Notar einzureichen ist, wenn er an der Veränderung der Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihre Beteiligung mitgewirkt hat. Dadurch sollte auf einfache und unbürokratische Weise die Liste aktuell gehalten werden.83 War die Liste dennoch ausnahmsweise unrichtig, sollten die betroffenen Gesellschafter die Korrektur der Gesellschafterlisten durchsetzen können.84 Veranlassten sie keine Korrektur, so drohte ihnen zum einen der Verlust ihrer Gesellschafterstellung durch gutgläubigen Wegerwerb nach § 16 Abs. 3 GmbHG RefE 2006. Zum anderen konnten sie nach § 16 Abs. 1 GmbHG RefE 2006 keine Gesellschafterrechte im Verhältnis zur Gesellschaft geltend machen. Die Abkehr von dem Anmeldungserfordernis nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. war zu Recht positiv aufgenommen worden. Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 GmbHG RefE 2006 wurde als „Musterbeispiel gelungener Gesetzesstraffung“ bezeichnet.85

III. Regierungsentwurf vom 23. 5. 2007 Der gelungene § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG RefE 2006 wurde im RegE vom 23. 5. 2007 aufgenommen, sprachlich verfeinert, klargestellt und inhaltlich geringfügig abgeändert;86 § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG RefE 2006 wurde dagegen neu gefasst. § 16 Abs. 1 GmbHG RegE 2007, der dem heutigen § 16 Abs. 1 GmbHG entspricht, lautete:

82 Begr. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 230. 83 Begr. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 280. 84 Vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1159). 85 So ausdrücklich K. J. Müller, GmbHR 2006, 953 (958); vgl. auch Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 2006, 978 (980); Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 211 (214); Rau, DStR 2006, 1892 (1894 ff.). 86 Vgl. Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 255.

H. Diskussionen vor Erlass des MoMiG von 2006 bis 2008

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(1) 1Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. 2Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird.

Der Gesellschafter sollte nunmehr erst mit Aufnahme der Liste in das Handelsregister und nicht bereits mit Einreichung der Liste – wie es noch der RefE 2006 vorsah – im Verhältnis zur Gesellschaft legitimiert sein. „Aufgenommen“ ist die Liste, wenn sie in den für das entsprechende Registerblatt (§ 13 HRV) bestimmten Registerordner nach § 9 Abs. 1 Satz 1 HRVaufgenommen wurde. Dahinter stand der Gedanke, dass die Liste erst ab der Aufnahme87 im Handelsregister nach § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB eingesehen werden kann.88 Die Änderungen im RegE sind nachvollziehbar und zu begrüßen. Neu gefasst war § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG RegE 2007, wobei § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG RefE 2006 in § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG RegE 2007 aufging. Mit dem neuen § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG RegE 2007 soll der Erwerber die Möglichkeit erhalten, vor Aufnahme der neuen Liste in das Handelsregister Rechtshandlungen in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorzunehmen. Die Handlungen sind zunächst schwebend unwirksam, werden aber mit Aufnahme unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung wirksam. Es handelt sich damit um eine Ausnahme vom Grundsatz des Erfordernisses der formellen Legitimation nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG RegE 2007, wofür die Bundesregierung ein praktisches Bedürfnis sah.89 Neu ist an dem Entwurf zwar nicht die Publizität der Gesellschafterlisten. Schon seit Schaffung des GmbHG im Jahr 1892 waren die Gesellschafterlisten ebenfalls zu dem Handelsregister einzureichen und damit für jedermann einsehbar. Erstmals aber fungiert mit der Umsetzung dieses Entwurfs die Gesellschafterliste als Legitimations- und Rechtsscheinträger.

87 Zwar spricht § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB von der Einsichtnahme „in die zum Handelsregister eingereichten Dokumente“ (Hervorhebung durch den Autor). Allerdings können denknotwendig Dokumente, die zwar durch den Geschäftsführer (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) oder Notar (§ 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) eingereicht, aber noch nicht aufgenommen wurden, nicht von der Allgemeinheit eingesehen werden. Das Tatbestandsmerkmal „eingereicht“ nach § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB ist daher i. S. v. „eingereicht und aufgenommen“ zu verstehen und damit weiter als in § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG. 88 Ausdrücklich Begr. RegE v. 23. 5. 2007, S. 84 f., entspricht BT Drucks. 16/6140, S. 37 v. 25. 07. 2007. 89 Begr. RegE v. 23. 5. 2007, S. 85, entspricht BT Drucks. 16/6140, S. 37 f. (v. 25. 07. 2007); Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 21a f.

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

IV. Stellungnahme des Bundesrates und Vorlage an den Bundestag In der nach Art. 76 Abs. 2 GG vorgesehenen Stellungnahme hat der Bundesrat am 6. 7. 2007 Änderungen des § 16 Abs. 3 GmbHG RegE 2007 vorgeschlagen, hingegen die Neufassung des § 16 Abs. 1 GmbHG RegE 2007 anstandslos gebilligt.90 Die Änderungswünsche zu § 16 Abs. 3 GmbHG wurden aber in der Gegenäußerung der Bundesregierung nicht berücksichtigt,91 so dass dem Bundestag am 25. 7. 2007 der in diesem Punkt unveränderte RegE zur Verhandlung vorgelegt wurde.92

I. Neufassung der relativen Gesellschafterstellung durch das MoMiG, 2008 Der Bundestag hat den RegE zu § 16 GmbHG mit dem MoMiG vom 23. 10. 2008 verabschiedet und parallel § 40 GmbHG angepasst.93 In Kraft getreten ist das Gesetz zum 1. 11. 2008.94 In dieser Fassung besteht § 16 GmbHG heute unverändert. Die neue Bedeutung der Gesellschafterliste wird als innovativer Schritt des Gesetzgebers begrüßt und die Anknüpfung der relativen Gesellschafterstellung an die Listeneintragung als deregulierende Maßnahme gelobt.95 Erstmals seit Erlass des GmbHG im Jahre 1892 wurde die relative Gesellschafterstellung in der GmbH neu angeknüpft. Sie ist seit 2008 in § 16 Abs. 1 und 2 GmbHG geregelt und stellt zwingendes Recht96 dar.

J. Umsetzung der Vierten europäischen Geldwäscherichtlinie, 2017 Fast zehn Jahre bestanden die Vorschriften der §§ 16, 40 GmbHG unverändert in der Fassung des MoMiG. Erst der Erlass der 4. Gw-RL veranlasste den deutschen Gesetzgeber zu einer Änderung des § 40 GmbHG im Juni 2017. § 16 GmbHG blieb unverändert.

90

Siehe BR Drucks. 345/07 S. 14. Gegenäußerung BReg, Anlage 3 zur BT Drucks. 16/6140, S. 74 (76). 92 Siehe BT Drucks. 16/6140. 93 BGBl. 2008 I S. 2026 (2028 ff.); zu dem parlamentarischen Verfahren ausführlich Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 259 ff. 94 Siehe Art. 25 MoMiG. 95 Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Einf. Rn. 72 f. (S. 31). 96 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 2; Servatius, in: Noack/Servatius/ Haas, § 16 Rn. 1; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 118; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 11; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 16 Rn. 1. 91

J. Umsetzung der Vierten europäischen Geldwäscherichtlinie, 2017

51

I. Vierte europäische Geldwäscherichtlinie Am 20. 5. 2015 erließen das Europäische Parlament und der Rat die 4. Gw-RL, mit der die überarbeiteten FATF Empfehlungen vom Februar 201297 berücksichtigt98 und insgesamt neue Transparenzanforderungen für juristische Personen aufgestellt wurden. Ziel der 4. Gw-RL ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zu dem Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Art. 1 Abs. 1 4. Gw-RL. Banken müssen künftig ihre Kunden, natürliche oder juristische Personen, umfassend identifizieren.99 Konkret werden die Gesellschaften gemäß Art. 30 Abs. 1 und 3 4. Gw-RL angehalten, „angemessene, präzise und aktuelle Angaben zu ihren wirtschaftlichen Eigentümern“ einzuholen und in öffentlich einsehbaren Registern aufzubewahren.100 In nationales Recht war die Richtlinie bis zum 26. 6. 2017 umzusetzen.101 Dies geschah mit dem 4. GwUmsetzungG vom 23. 6. 2017 mit Wirkung zum 26. 6. 2017. Im Zuge der Umsetzung wurde das Transparenzregister mit den §§ 18 ff. GwG geschaffen. Zur Angleichung der Gesellschafterlisten an das Transparenzregister wurde zusätzlich § 40 GmbHG erweitert.102 Europarechtlich gefordert waren die Änderungen des GmbHG allerdings nicht.103

II. Ergänzung des § 40 Abs. 1 GmbHG Der Gesetzgeber hat zunächst § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG zur Klarstellung eingeführt. Fortan ist festgelegt, wie registrierte juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften in Gesellschafterlisten auszuweisen sind. Weit wichtiger war die Entscheidung, dass bei nicht registrierten Gesellschaften, wie der GbR, neben der Gesellschaft sämtliche Gesellschafter mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort zu bezeichnen sind. Damit legte der Gesetzgeber bewusst den früheren

97

Abrufbar unter: http://www.fatf-gafi.org (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2022). Vgl. ErwGr. 4 der 4. Gw-RL. 99 So Art. 13 Abs. 1 lit. b), Art. 14 Abs. 1 4. Gw-RL. 100 Hiermit wird die 24. Empfehlung der FATF Empfehlungen von 2012 rezipiert. Dort heißt es: „Countries should ensure that there is adequate, accurate and timely information on the beneficial ownership and control of legal persons that can be obtained or accessed in a timely fashion by competent authorities.“ (Hervorhebung durch den Autor). In der Begründung (Interpretive Note) Nr. 1 zur Empfehlung 24 wird leicht abgewandelt von „adequate, accurate and current information“ gesprochen. Inhaltlich besteht kein Unterschied. 101 Art. 67 Abs. 1 4. Gw-RL. 102 Krit. zur Verknüpfung zwischen Transparenzregister und Gesellschafterliste Wachter, GmbHR 2017, 1177 (1188 f.). 103 Wachter, GmbHR 2017, 1177 (1178). 98

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

Streit zu analogen Anwendung von § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB bzw. § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO bei.104 Auffallend sind auch die Änderungen in § 40 Abs. 1 Satz 1 und 3 GmbHG. Seit Ende Juni 2017 ist in den Gesellschafterlisten für jeden Geschäftsanteil zwingend105 die prozentuale Beteiligung am Stammkapital anzugeben. Hält ein Gesellschafter mehr als einen Anteil ist zusätzlich gesondert die prozentuale Gesamtbeteiligung auszuweisen. Unionsrechtlich wurden Prozentangaben nicht gefordert.106 Sie sind aber im Zusammenspiel mit dem Transparenzregister zu verstehen.107 Dort sind Angaben zu dem wirtschaftlichen Berechtigten einzutragen. Für die Bestimmung des wirtschaftlich Berechtigten sind die prozentualen Beteiligungen maßgeblich. Wirtschaftlich Berechtigter ist insbesondere, wer mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile hält oder mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrolliert, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 GwG. Zur einfachen Abgleichung der Gesellschafterlisten mit dem Transparenzregister bietet es sich daher an, auch in Gesellschafterlisten prozentuale Beteiligungsangaben vorzuschreiben. Anders als nach alter Rechtslage muss die Beteiligung einzelner Gesellschafter daher nicht mehr errechnet, sondern kann durch schlichten Blick in die Liste erkannt werden. Die prozentuale Bezeichnung war bei Einführung der GesLV im Jahre 2018 auch im Hinblick auf die damals noch geltende Mitteilungsfiktion nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GwG a. F. i. V. m. § 22 Abs. 1 Nr. 4 GwG a. F. nachvollziehbar. Danach galt für GmbHs die transparenzrechtliche Mitteilungspflicht über die gesellschaftsrechtliche Beteiligungsstruktur als erfüllt (sog. Mitteilungsfiktion), weil bereits aus den öffentlich einsehbaren Gesellschafterlisten die prozentuale Beteiligung am Stammkapital ersichtlich ist.108 Mit der Nachjustierung durch das TraFinG vom 25. Juni 2021 wurde dagegen die Mitteilungsfiktion ersatzlos gestrichen, wodurch sich das Transparenzregister zum Vollregister fortentwickelte.109 Nunmehr haben sämtliche GmbHs Mitteilungen zum Transparenzregister abzugeben.110 Die Prozentangaben in 104 BT Drucks. 18/11555, S. 173; s. a. Miller, BWNotZ 2020, 90 (96); zum Streit der Bezeichnung von BGB-Gesellschaften nach alter Rechtslage siehe statt vieler Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 42 ff. 105 OLG München GmbHR 2018, 35. 106 Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, R289; siehe krit. zu den Prozentangaben in Gesellschaferlisten Deutscher Notarverein, Schreiben vom 30. 10. 2017 zum RefE einer Verordnung über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste, S. 17. 107 BT Drucks. 18/11555, S. 173 f. 108 Vgl. Lieder/Cziupka, GmbHR 2018, 231 (232); Longrée/Pesch, NZG 2017, 1081 (1085); Miller, BWNotZ 2020, 90 (91); Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, 1128 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 40 Rn. 132; Wicke, DB 2017, 2528 (2532); anders wohl Melchior, NotBZ 2017, 281 (285); Melchior/Böhringer, GmbHR 2017, 1074 (1078); krit. auch Wachter, GmbHR 2017, 1177 (1193). 109 M. Goette, DStR 2021, 1551; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 13. 110 Ausführlich M. Goette, DStR 2021, 1551 ff.; s. a. Rubner/Pospiech, NJW-Spezial 2021, 463; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 13.

J. Umsetzung der Vierten europäischen Geldwäscherichtlinie, 2017

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den Gesellschafterlisten haben somit nur noch eine ergänzende Informationsfunktion.

III. § 40 Abs. 4, Abs. 5 GmbHG und Gesellschafterlistenverordnung Für Streit sorgte die Einführung der Verordnungsermächtigungen in § 40 Abs. 4 und Abs. 5 GmbHG. Sowohl die gesetzgeberische Notwendigkeit der Ermächtigungen als auch die inhaltliche Ausgestaltung einer GesLV auf Grundlage des § 40 Abs. 4 GmbHG wurden und werden hinterfragt. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 17. 3. 2017 sah bereits beide Verordnungsermächtigungen in § 40 Abs. 4 und 5 GmbHG-E vor.111 Der Bundesrat kritisierte bereits diesen RegE deutlich. Die Stellungnahme des Bundesrates gemäß Art. 76 Abs. 2 GG zu der Sitzung vom 31. 3. 2017 hob hervor, dass die Verordnungsermächtigung nach § 40 Abs. 4 GmbHG-E durch die 4. Gw-RL nicht vorgegeben oder gefordert ist. Zudem habe sich bereits eine Best Practice in Wissenschaft und Praxis zur Ausgestaltung der Gesellschafterlisten herausgebildet. Tatsächlicher Bedarf für eine GesLV bestehe nicht. Überdies könne die Ermächtigung in § 40 Abs. 5 GmbHG-E zu beträchtlichen finanziellen Belastungen auch von Kleinstgesellschaften führen und sei daher zu streichen.112 Die Bundesregierung nimmt die Bedenken des Bundesrates in der Gegenäußerung vom April 2017 nicht auf. Sie begründet die Notwendigkeit der Ermächtigungsvorschriften mit der Vereinheitlichung, Steigerung der Nutzerfreundlichkeit und Modernisierung der Gesellschafterlisten.113 Das BMJV begann bald nachdem § 40 Abs. 4 GmbHG im Juni 2017 in Kraft trat mit den Arbeiten an einer GesLV. Am 8. 9. 2017 legte es einen RefE zu einer Verordnung über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste vor. U. a. die umfassende Stellungnahme des Deutschen Notarvereins am 30. 10. 2017 führte zu redaktionellen und inhaltlichen Anpassungen, so dass das BMJVeinen überarbeiteten Entwurf einer GesLV am 6. 4. 2018 dem Bundesrat zur Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG übersandt hat.114 Die Zustimmung erfolgte am 8. 6. 2018. Am 1. 7. 2018 trat die GesLV in Kraft.

111

BT Drucks. 18/11555, S. 72 f. Stellungnahme des Bundesrates zu BT Drucks. 18/11555 vom 31. 3. 2017, BT Drucks. 18/11928, S. 19. 113 Gegenäußerung der Bundesregierung vom 12. 4. 2017 zu BT Drucks. 18/11555, BT Drucks. 18/11928, S. 29. 114 BR Drucks. 105/18. 112

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Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

IV. Bedeutung der Änderungen für § 16 GmbHG Die GesLV soll ausweislich der Begründung zur Ermächtigungsgrundlage die Gesellschafterlisten inhaltlich und strukturell vereinheitlichen.115 Hierzu werden insbesondere Vorgaben zur Nummerierung von Geschäftsanteilen (§ 1 GesLV) und zur Ausweisung und Rundung der Prozentangaben (§ 4 GesLV) erlassen.116 Ebenso wie die Änderungen des § 40 GmbHG im Zuge des BilRiLiG von 1985 und des HRefG von 1998 waren die Änderungen im Juni 2017 lediglich formaler Natur. Für die Wirkungen des § 16 GmbHG lösen sie keine Neuerungen aus.117 Klargestellt hat dies die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf zu § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für die Gutglaubenswirkung des § 16 Abs. 3 GmbHG. Die zwingenden Angaben der GbR-Gesellschafter, sollte eine GbR GmbH-Gesellschafter sein, ist nicht mit einem Gutglaubensschutz verbunden.118 Gesondert zu den Wirkungen der Prozentangaben für § 16 Abs. 1 GmbHG stellt das BMJV klar, dass es sich bei den Prozentangaben des § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GmbHG um reine Zusatzangaben handelt, die keine Bedeutung für die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG haben.119 Gleiches gilt für die neue GesLV. Dabei erreicht insbesondere die Veränderungsspalte nur informatorische Bedeutung und keinen materiell-rechtlichen Gehalt.120

K. Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz von 2021 Im Sommer 2021 wurde das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts verabschiedet. Die Änderungen treten überwiegend zum 1. 1. 2024 in Kraft.121 Wichtige Neuerungen werden u. a. das Recht der BGB-Gesellschaft betreffen. Künftig wird zwischen einer rechtsfähigen und einer nicht rechtsfähigen GbR unterschieden, wobei erstere nach §§ 706 ff. BGB n. F. in dem neu geschaffenen Gesellschaftsregister eingetragen werden kann. Für das GmbHG werden sich hieraus kleinere Änderungen ergeben, wenn BGB-Gesellschaften Gesellschafter einer GmbH sind.

115

BT Drucks. 18/11555, S. 174; krit. zur Deckung der GesLV durch die Verordnungsermächtigung in § 40 Abs. 4 GmbHG siehe Deutscher Notarverein, Schreiben vom 30. 10. 2017 zum RefE einer Verordnung über die Ausgestaltung der Gesellschafterliste, S. 19 ff. 116 Ausführlich Cziupka, GmbHR 2018, R180 ff.; Freier, notar 2018, 292 ff.; Miller, NJW 2018, 2518 ff. 117 Siehe schon Miller, NJW 2018, 2518 (2522). 118 BT Drucks. 18/11555, S. 173. 119 BR Drucks.105/18, S. 12; s. a. Seibert, GmbHR 2017, R241 (R242). 120 Vgl. BR Drucks.105/18, S. 9. 121 Art. 137 MoPeG.

L. Zusammenfassung und Ausblick

55

Nach § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n. F. kann künftig eine GbR nur in die Gesellschafterliste eingetragen und Veränderungen an ihrer Eintragung vorgenommen werden, wenn sie in das Gesellschaftsregister eingetragen ist. Fehlt die Registrierung der GbR, hat das Registergericht die geänderte Liste zurückzuweisen.122 Die Obliegenheit zur Voreintragung der GbR ist im Interesse des Rechtsverkehrs und zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die GbR (v. a. wegen § 16 Abs. 3 GmbHG) notwendig.123 Sie zielt insbesondere darauf ab, für alle Beteiligten, insbesondere auch für die Öffentlichkeit, die Anteilseignerstruktur an einer GmbH transparenter zu machen und Geldwäsche sowie Terrorismusfinanzierung zu verhindern.124 Konzeptionell wird § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n. F. zudem keine Regelung mehr für nicht eingetragenen Gesellschaften kennen. Die GbR-Gesellschafter sind demzufolge auch nicht mehr in die Gesellschafterliste direkt einzutragen. Durch den Verweis in der Gesellschafterliste auf die Registrierung der GbR werden die GbRGesellschafter künftig aber aus der Eintragung im Gesellschaftsregister nach § 707 Abs. 2 Nr. 2 BGB n. F. transparent sein.125 Für die relative Gesellschafterstellung ändert sich durch diese Neuregelung des § 40 GmbHG nichts. Die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bezieht sich nämlich lediglich auf das Verhältnis der GmbH zum GmbH-Gesellschafter, also zur GbR und nicht zu den GbR-Gesellschaftern. Nur die Inhaberschaft an dem GmbH-Anteil ist legitimationsfähig. Wenn eine GbR also GmbH-Gesellschafter ist, kommt es für die Ausübung des Stimmrechts in der GmbH zwar darauf an, wer GbR-Gesellschafter ist und damit als vertretungsbefugtes Organ die Stimme für die GbR abgeben darf. Allerdings wird diese Frage nicht durch die Legitimationsvorschriften im GmbHG gelöst, sondern durch das GbR-Recht beantwortet.126

L. Zusammenfassung und Ausblick Über ein Jahrhundert blieb § 16 GmbHG unverändert. Eine Neufassung wurde lange gefordert, musste aber mehrmals (1939, 1972 und 1973) trotz konkreter Pläne verschoben werden. Wiederkehrende innen- und außenpolitische Krisen waren die Ursache für einen langen Reformstau im GmbH-Recht. Verschiedene Präzisierungen formaler Anforderungen von Gesellschafterlisten in den Jahren 1985 und 1998 blieben für die materielle Wirknorm des § 16 GmbHG ohne Bedeutung. 122

RegE zum MoPeG, BR Drucks. 59/21, S. 316; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 40 Rn. 22a; s. a. Miller, BWNotZ 2020, 90 (96) – zum MauracherE v. 20. 4. 2020. 123 RegE zum MoPeG, BR Drucks. 59/21, S. 316; s. a. Miller, BWNotZ 2020, 90 (96) – zum MauracherE v. 20. 4. 2020. 124 RegE zum MoPeG, BR Drucks. 59/21, S. 314. 125 So schon zum MauracherE v. 20. 4. 2020 siehe Miller, BWNotZ 2020, 90 (96). 126 Schaub, GmbHR 2017, 727 (729); Wicke, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24a Rn. 6 Fn. 25.

56

Kap. 1: Geschichtliche Entwicklung

Erst mit der Europäisierung des Gesellschaftsrechts wuchs der Druck auf die deutsche Politik, das GmbH-Recht umfassend zu modernisieren. Die Wettbewerbsfähigkeit mit der englischen private limited company musste gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang konnten die Bestrebungen zu mehr Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der GmbH in Angriff genommen werden. Mit der Aufwertung der Gesellschafterliste ist dem Gesetzgeber ein Schritt zu größerer Rechtssicherheit gelungen. Der Rechtsverkehr kann sich fortan stärker auf die Richtigkeit der Gesellschafterlisten verlassen. Zudem ist die Legitimationswirkung im GmbH-Recht an den § 67 Abs. 2 AktG im Aktienrecht angelehnt. Schwierigkeiten sollen im Aktienregisterrecht nicht aufgetreten sein, weshalb auch die Neuregelung des § 16 Abs. 1 GmbHG unproblematisch sein soll.127 Das war ein grober Irrtum, wie die weiteren Ausführungen dieser Arbeit zeigen werden.128 In jüngerer Zeit widmet sich der Gesetzgeber verstärkt den Gesellschafterlisten. Mit Änderungen des § 40 GmbHG i. R. d. Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie im Jahr 2017 und dem Erlass der GesLV 2018 wurden neue formale Anforderungen gestellt. Auswirkungen auf die relative Gesellschafterstellung haben sie aber nicht. Künftig wird weitere gesetzgeberische Tätigkeit zu erwarten sein. Zwar führte die Umsetzung der 5. Gw-RL Ende 2019 zu keinen Änderungen des GmbH-Rechts.129 Gleiches gilt für das TraFinG Mitte 2021, wodurch im GwG außerhalb des GmbHG die Mitteilungsfiktion ersatzlos gestrichen wurde.130 Dessen ungeachtet werden hin und wieder Änderungen der Vorschriften zur Gesellschafterliste diskutiert. Der Deutsche Notarverein plädierte etwa in seiner Stellungnahme vom 12. 11. 2018 zu dem RefE ARUG II vom 11. 10. 2018 für eine sprachliche Anpassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG an die Neufassung des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG, die lauten sollte und seit dem ARUG II auch gilt: „Im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen Rechte und Pflichten aus Aktien nur für den im Aktienregister Eingetragenen.“ Hinzukommt die wiederholte Forderung nach einer Alleinzuständigkeit des Notars für die Einreichung von Gesellschafterlisten, wofür auch das BMJV offen zu sein scheint.131 Die Gesellschafterliste und relative Gesellschafterstellung werden also wohl auch in Zukunft im Fokus des Gesetzgebers und damit der Rechtsentwicklung stehen. 127

2006.

BT Drucks. 16/6140, S. 37; ebenso Seibert, ZIP 2006, 1157 (1160) zu dem RefE von

128 Im Übrigen sind schon zu § 67 Abs. 2 AktG Problemfälle in der Rechtsprechung bekannt geworden; vgl. etwa OLG Zweibrücken AG 1997, 140: Dort wurde über die Eintragung im Aktienbuch und der damit verknüpften relativen Gesellschafterstellung gestritten. 129 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie v. 12. 12. 2019, BGBl. 2019 I, S. 2602. 130 Dazu M. Goette, DStR 2021, 1551 ff. 131 Vgl. Beschlussempfehlung zum Vierten EU-Geldwäscherichtlinie-Umsetzungsgesetz des Finanzausschusses, BT Drucks. 18/12405, S. 155; ferner Deutscher Notarverein, Schreiben vom 12. 11. 2018 zum RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichlinie (ARUG II), S. 2; Miller, NJW 2018, 2518 (2523).

Kapitel 2

Grundlagen Das MoMiG schuf im Jahr 2008 mit § 16 Abs. 1 und 2 GmbHG eine neue Art des Legitimationsausweises. Die Legitimationswirkung knüpft an eine zu dem Handelsregister aufgenommene, aber nicht von den Registergerichten geführte Liste an. Das ist ein Novum im deutschen Recht. Die Gesellschafterlegitimation wurde bis dato verschiedentlich vermittelt, entweder durch privat geführte Register, wie das Aktienregister, die nicht öffentlich einsehbar waren, oder demgegenüber öffentlich einsehbare Register, wie das Handelsregister, die aber von den Registergerichten selbst geführt wurden. Bekannt waren zudem zwar privat geführte Listen, die zu dem Handelsregister eingereicht worden sind. Ihnen kam aber keine Legitimationswirkung zu. Beispiele sind die Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG nach § 106 AktG, die Mitteilung nach § 42 AktG oder die Übernehmerliste nach § 57 Abs. 3 Nr. 2 GmbHG. Die neue Form der legitimierenden Wirkung wirft anwendungsspezifische sowie grundlagenbedeutende Fragen auf. In der vorliegenden Literatur und Rechtsprechung sind unzählige praktische Einzelprobleme beschrieben worden. Eine umfassende Aufarbeitung der teleologischen und konstruktiven Grundlagen der neuen relativen Gesellschafterstellung wurde aber bislang nicht gewagt.1 Verschiedene Problemkreise sind dazu abzuschichten und zu erforschen. Was bedeutet etwa der Begriff „relative Gesellschafterstellung“ und wieso wird er verwendet (siehe A.)? Welchen Zweck verfolgt die Norm (siehe B.)? Wie ist der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG dogmatisch und konstruktiv einzuordnen und was folgt praktisch hieraus (siehe C.)?

A. Begriffsbestimmung – „Relative Gesellschafterstellung“ I. Bedeutung des Begriffs Der Begriff der „relativen Gesellschafterstellung“ ist im Gesetz nicht erwähnt. Gemeint ist das Verhältnis (Relation) des Gesellschafters zur Gesellschaft in mitgliedschaftlichen Angelegenheiten. Der Begriff wird im GmbH-Recht abgeleitet aus 1 Einen erste komprimierte übergreifende Betrachtung unternehmen Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1.

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Kap. 2: Grundlagen

§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Dort heißt es: „Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt (…) als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer (…)“. Gäbe es die Vorschrift nicht, wäre der materiell berechtigte Gesellschafter grundsätzlich im Verhältnis zur Gesellschaft legitimiert. Ob zusätzlich Dritte befugt sein könnten (z. B. durch § 407 Abs. 1 BGB oder § 2367 BGB), stünde auf einem anderen Blatt. Im Grundsatz könnte bei Streichung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ein materiell berechtigter Gesellschafter auch seine mitgliedschaftlichen Rechte geltend machen. Einen besonderen Aussagegehalt hätte der Begriff der „relativen Gesellschafterstellung“ dann nicht. Der materielle Gesellschafter wäre immer auch der relative Gesellschafter.

II. Herkunft des Begriffs Bleibt aber die Rechtslage nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Vordergrund, fragt sich, wo der Begriff der relativen Gesellschafterstellung herrührt. Bei der Suche nach der Herkunft der Terminologie fällt auf, dass der Begriff der „relativen Gesellschafterstellung“ erst mit dem MoMiG 2008 geschärft wurde. Im GmbH-Recht sind – soweit ersichtlich – keine Nennungen der „relativen Gesellschafterstellung“ bei Schaffung des GmbHG 1892,2 aus dem RefE von 1939,3 oder aus den Reformbestrebungen 1969 – 19734 bekannt. Zudem fand im Aktienrecht die Terminologie keine Erwähnung bei Schaffung des Preuß. AktG 1843,5 i. R. d. Aktienrechtsreform 1884,6 bei Erlass des HGB 1897,7 des Weiteren nicht bei Schaffung des AktG im Jahre 19378 oder bei der Aktienrechtsreform 1965.9 Gesprochen wurde stattdessen von der „Legitimation“ des Gesellschafters.10 2 Vgl. RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3739. 3 Vgl. Begr. RefE 1939, abgedruckt in: Schubert, Entwurf zum GmbHG von 1939, S. 147 ff. 4 Vgl. Nachweise oben bei D. 5 Vgl. die Gesetzgebungsmaterialen abgedruckt bei Baums, Preußisches Gesetz über die AG. 6 Vgl. die Gesetzgebungsmaterialien bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 107 ff. 7 Vgl. Denkschrift zum Entwurf eines HGB und eines EinführungsG zu RT 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895/97, Aktenstück Nr. 632, S. 136 f. (Hahn/Mugdan, HGB, S. 302 f.) 8 Im Aktiengesetz in der Fassung von 1937 war die relative Aktionärsstellung in § 62 Abs. 3 AktG geregelt. Es wurde § 223 Abs. 3 HGB i. d. F. v. 1897 übernommen. Eine amtliche Begründung war der Norm nicht beigefügt; somit sind auch keine terminologischen Anmerkungen zu einer „relativen Gesellschafterstellung“ vorzufinden; vgl. Klausing, Aktien-Gesetz, S. 50. 9 Vgl. BT Drucks. 4/171, S. 116 f. 10 Ruth, ZHR 88 (1926), 454 (498 f.); speziell zum Aktienrecht siehe Brodmann, Aktienrecht, § 223 HGB, 2. a); R. und F. Esser, Aktiengesellschaft, § 223 HGB, 2); Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB v. 1897, § 223 Rn. 6.; Gadow, in: Gadow et. al., GroßkommAktG, § 62 Rn. 6; speziell zum GmbH-Recht siehe Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 16 Rn. 12 ff.; Brodmann, GmbHG, § 16, 1. a); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 1; Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274 (275); Lutter/Bayer,

A. Begriffsbestimmung – „Relative Gesellschafterstellung“

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Im Aktienrecht wird – soweit ersichtlich – erstmals mit dem UMAG von 2005 von einer „relativen Berechtigung gegenüber der Gesellschaft“ für die Legitimationswirkung nach § 123 Abs. 3 Satz 4 AktG i. d. F. des UMAG (jetzt § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG) bei Inhaberaktien gesprochen und statuiert, dass der „angemeldete Aktionär relativ zur Gesellschaft (…) als Aktionär gilt“.11 Dieser Begriff findet keinen nennenswerten Einzug in die aktienrechtliche Literatur.12 Erst durch die Reform des GmbH-Rechts im Jahre 2008 etablierte sich der Begriff für die GmbH. In der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu dem MoMiG ist von „der relativen Rechtsstellung“13 und der „relative(n) Gesellschafterstellung nach Absatz 1“14 die Rede. Weiter heißt es, dass „ohne Eintragung in der Gesellschafterliste (…) der neue Gesellschafter relativ zur Gesellschaft nicht berechtigt“ ist.15 Anders als das UMAG beeinflusste die Terminologie des MoMiG interessanterweise das Schrifttum und die Rechtsprechung; dort wird vielfach die „relative Gesellschafterstellung“ als feststehender Terminus anerkannt.16 Diese Beobachtung lässt sich angesichts der Bedeutung des § 16 Abs. 1 GmbHG nachvollziehen. Zum in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 16 Rn. 1; Meyer-Landrut, in: MeyerLandrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 16 Rn. 8; Schilling, in: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, § 16 Rn. 9; H. Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 16 Rn. 2; M. Winter/ Löbbe, in: GroßkommGmbHG, 1. Aufl. 2005, § 16 Rn. 27. 11 BT Drucks. 15/5092, S. 14. 12 Rezipiert wird der Begriff zwar von Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746 (749 f.); ohne Erwähnung einer relativen Aktionärsstellung vgl. aber etwa Bayer, in: MüKoAktG, § 67 Rn. 43 ff.; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 67 Rn. 30 ff.; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, § 67 Rn. 58 ff.; Koch, AktG, § 67 Rn. 25 ff.; Mayer/Albrecht vom Kolke, in: Hölters/ Weber, AktG, § 67 Rn. 11 ff.; Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 42 ff.; SailerCoceani/Kraft, in: Münch. Hdb. GesR IV, § 14 Rn. 50 ff.; Wiesner/Kraft, in: Münch. Hdb. GesR IV, 3. Aufl. 2007, § 14 Rn. 43. 13 BT Drucks. 16/6140, S. 37. 14 BT Drucks. 16/6140, S. 39. 15 BT Drucks. 16/6140, S. 44. 16 Vgl. BGH ZIP 2018, 2018 (2021) – Tz. 30; OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216); OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (308 ff.); OLG Naumburg ZIP 2016, 2217 (2219); OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (870, 872); Desch, in: Bunnemann/Zirngibl, GmbH in der Praxis, § 7 Rn. 70; DNotI-Report 2008, 185 (186); A. Elsing, GmbHR 2008, R 17 f.; Fell, GmbHGesellschafterliste, passim; Heckschen, MoMiG in der notariellen Praxis, Rn. 460 ff.; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 8 Rn. 328 ff.; ders., in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 31 ff.; Herrler, BB 2009, 2272 (2277); Kort, GmbHR 2009, 169 (173 f.); K. W. Lange, GmbHR 2014, 281 ff.; D. Mayer, MittBayNot 2014, 24 (27 f.); Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 16 Rn. 6; Omlor, MittBayNot 2010, 65 (66); ders./Spies, MittBayNot 2011, 353 (355); Reymann, BB 2009, 506 (510); Saenger/Sandhaus, DNotZ 2012, 346 (347); Schneider, in: Breithaupt et al. (Hrsg.), Kompendium Gesellschaftsrecht, E) Rn. 274 ff.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 34 und 11. Aufl. 2013, § 40 Rn. 7; Wied, NZG 2012, 725 (726); Wiersch¸ GWR 2014, 117 (117, 119); ders., NZG 2015, 1336 ff. Teilweise wird konstatiert, dass am Konzept der relativen Gesellschafterstellung mit dem MoMiG festgehalten wird; vgl. dazu Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 19; Noack, DB 2006, 1475 (1477). Das ist im Ergebnis richtig, wenngleich der Terminus der „relativen Gesellschafterstellung“ vor dem MoMiG nicht benutzt wurde.

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Kap. 2: Grundlagen

einen existieren in Deutschland weitaus mehr Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Aktiengesellschaften.17 Zum anderen gilt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für jeden Gesellschafter; § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG zeitigt dagegen nur für Namenaktionäre Wirkung und § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG ordnet die Legitimationswirkung für Inhaberaktien zeitlich beschränkt nur für die jeweilige Hauptversammlung an. Von Bedeutung ist sicherlich auch die unterschiedliche Gesellschafterstruktur. Aktiengesellschaften weisen häufig eine zersplitterte Aktionärsstruktur auf; das gilt insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften. Dagegen bestehen Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgrund ihrer personalistischen Struktur in der Regel aus einem überschaubaren Kreis von Gesellschaftern. Die Frage, wer „relativer Gesellschafter“ ist, kann für die einzelnen Gesellschafter erhebliche Bedeutung erlangen und wird in der GmbH folglich häufiger brisant als in Aktiengesellschaften. Überdies statuiert der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erstmals seit Schaffung der deutschen GmbH im Jahre 1892 eine umfassende relative Gesellschafterstellung im GmbH-Recht, also eine Legitimation eines formal ausgewiesenen Gesellschafters, unabhängig davon, ob die Gesellschaftsanteile im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge, rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes übergegangen sind. Zuletzt ist die Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage anders als das Aktienregister öffentlich einsehbar. Über die „relative Gesellschafterstellung“ ist der Rechtsverkehr informiert. Nach alledem ist es verständlich und zu begrüßen, dass sich eine eigene Terminologie für das GmbH-Recht herausgeschält hat. Die Wortschöpfung kann insgesamt als gelungen bezeichnet werden, drückt sie doch aus, dass die Gesellschafterstellung nunmehr umfassend zwischen dem materiell-rechtlichen Kern der Mitgliedschaft und der relativen Stellung zur Gesellschaft unterscheidet. Der Terminologie lässt sich bereits entnehmen, dass materiellrechtliche Berechtigung und Legitimationsstellung auseinanderfallen können. Daher wird der Terminus in dem vorgestellten Verständnis für diese Arbeit benutzt.

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG I. Überblick Eine umfassende Normanalyse kommt nicht umhin, der Frage auf den Grund zu gehen, weshalb der Gesetzgeber im GmbH-Recht mit dem MoMiG eine umfassende relative Gesellschafterstellung geschaffen hat. Erste Aussagen über den Zweck von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aus dem Jahre 2008 selbst zu finden. 17 Am 1. 1. 2021 waren in Deutschland insgesamt 1.376.420 Gesellschafen mit beschränkter Haftung erfasst, dagegen nur 13.883 Aktiengesellschaften und 378 Kommanditgesellschaften auf Aktien, für die über § 278 Abs. 3 AktG auch § 67 Abs. 2 AktG anzuwenden ist; vgl. Kornblum, GmbHR 2021, 681 (682).

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG

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Dort werden ausdrücklich die Missbrauchsbekämpfung, die Schaffung von Transparenz über die Anteilseignerstruktur der Gesellschaft und die Verhinderung von Geldwäsche als Regelungsziele aufgeführt.18 Genau genommen stehen diese drei Ziele aber nicht nebeneinander, sondern sind miteinander verflochten. Die Schaffung von Transparenz überwindet Anonymität und ist daher Grundvoraussetzung für die Bekämpfung von Missbrauch und Geldwäsche. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung lässt sich folglich der übergreifende Zweck „Schaffung von Transparenz“ gewinnen.19 Daneben soll Rechtssicherheit für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr gewährt werden.20 Hierunter wird ergänzend der Schutz des Erwerbers sowie des Veräußerers von Geschäftsanteilen gefasst. Mittelbar sollen auch Dritte geschützt werden. Ausdrücklich wird dieser Gesetzeszweck in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu dem MoMiG zwar nicht erwähnt. Das liegt aber nicht an seinem geringen Rang. Vielmehr wurde dieses Ziel bereits zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. verfolgt und soll mit der Neufassung weiterhin erreicht werden.21

II. Rechtssicherheit Weil die Rechtssicherheit für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr bereits wesentliches Ziel des § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. war, soll zunächst dieser Zweck näher beleuchtet werden. Von der bezweckten Rechtssicherheit profitieren die Gesellschaft (siehe 1.), der Listengesellschafter (siehe 2.) sowie Dritte und der Rechtsverkehr insgesamt (siehe 3.). 1. Schutz der Gesellschaft Im Wesentlichen bezweckt der Legitimationsparagraph den Schutz der Gesellschaft. Die für die Gesellschaft handelnden Personen, insbesondere die Geschäftsführer, müssen rechtssicher wissen, wer im Verhältnis zu der Gesellschaft als Gesellschafter anzusehen ist. Aufgrund des formalen Listensystems kann die Gesellschaft durch die Gesellschafterliste die ihr gegenüber legitimierten Gesellschafter 18

BT Drucks. 16/6140, S. 37. So auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 4, der von zwei (Haupt-)Zwecken der Vorschrift spricht: Transparenz der Gesellschafterstruktur und Rechtssicherheit. 20 Siehe etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 5; Brandes, in: Bork/ Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 2; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 14; U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 223; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 8; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 4; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 1; R. Wolff, BB 2010, 454 (456). 21 Dazu Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 6; R. Wolff, BB 2010, 454 (456); statt vieler zum alten Recht Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 1. 19

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Kap. 2: Grundlagen

klar und eindeutig zuordnen.22 Nur so können etwa die Geschäftsführer nach §§ 49, 51 Abs. 1 GmbHG alle23 Gesellschafter ordnungsgemäß laden und dadurch eine wirksame Beschlussfassung ermöglichen. Den Schutzgedanken, Rechtssicherheit durch eine formale relative Gesellschafterstellung zu erreichen, hat für das Aktienrecht früh auch schon das RG erkannt und zu dem damaligen § 223 Abs. 3 HGB (1897)24 formuliert:25 „Sie (Anm.: gemeint ist die Eintragung im Aktienbuch)26 dient dem Interesse und dem Schutz der Gesellschaft, die eines äußeren Merkmals bedarf, um sicher zu wissen, wem sie die Dividenden auszahlen, an wen sie sich wegen etwaiger rückständiger Einzahlungen auf das Grundkapital halten, wen sie zur Ausübung von Aktionärrechten in der Generalversammlung zulassen kann und darf.“

Wichtig wird die Legitimationswirkung für den Schutz der Gesellschaft insbesondere dann, wenn Geschäftsanteile ohne Mitwirkung und Kenntnis der Gesellschaft übertragen werden.27 So vollzieht sich etwa die Abtretung des Geschäftsanteils nach §§ 413, 398 Satz 1 BGB ohne Mitwirkung der Gesellschaft, wenn die Anteile nicht i. S. v. § 15 Abs. 5 GmbHG vinkuliert sind. Zwar hat der Notar die Gesellschaft über die Veränderung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu unterrichten. Steht die Abtretung aber unter einer aufschiebenden Bedingung, so darf der Notar die Liste erst mit Eintritt der Bedingung ändern.28 Tritt die Bedingung ohne sein Wissen ein, werden u. U. weder der Notar noch die Gesellschaft die Veränderung der Personen der Gesellschafter kennen. Zusätzlich wird die Gesellschaft durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aus einem Streit darüber, ob der Listengesellschafter auch materiell berechtigter Gesellschafter ist, herausgehalten.29 Die Gesellschaft muss nicht die materielle Berechtigung der formal legitimierten Gesellschafter gesondert und ggf. aufwendig nachprüfen.30 Sie darf sich auf den formellen Nachweis verlassen und wird dadurch entlastet.

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Siehe etwa Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (851). § 51 Abs. 1 GmbHG spricht von „Einladung der Gesellschafter“; gemeint sind natürlich sämtliche Gesellschafter; vgl. etwa BGH NJW 1971, 2225; Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 51 Rn. 7. 24 Abgedruckt oben unter Kapitel 1 A. II. 25 RGZ 123, 279 (282); vgl. dazu Altmeppen, ZIP 2009, 345 (349). 26 Anm. des Autors. 27 Vgl. BayObLG GmbHR 1990, 216 (218). 28 Vgl. BGHZ 191, 84 (86 ff.) = GmbHR 2011, 1269 (1270) – Tz. 10 f.; Götze/Bressler, NZG 2007, 894 (895); umfassend Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 222 ff. m. w. N.; Kort, GmbHR 2009, 169 (172). 29 So etwa U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (644); vgl. zu § 67 Abs. 2 AktG Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 132; zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB v. 1897, § 223 Rn. 6. 30 Siehe etwa Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8). 23

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG

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2. Schutz des Listengesellschafters Daneben wird häufig der Schutz des Listengesellschafters (Erwerber) und des voreingetragenen Listengesellschafters (Veräußerer) durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hervorgehoben.31 Auch diese Personen sollen von der Legitimationswirkung der öffentlich einsehbaren Gesellschafterliste profitieren. Ob und inwieweit der Schutz der Listengesellschafter aber anerkannt werden kann, wurde und wird nicht einheitlich beantwortet. a) Disponibilität zugunsten der Gesellschaft Im Aktienrecht ging das RG seit dem Jahr 1912 von einer Disponibilität der Legitimationswirkung zugunsten der Gesellschaft aus.32 Zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) zieht es aus dem Worte „nur“ einen ausdifferenzierten Schluss in Bezug auf die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte. Zunächst dürfe einem Nichteingetragenen die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht erlaubt werden.33 Demgegenüber könne die Gesellschaft „einem eingetragenen Nichtberechtigten die Anerkennung als Aktionär (…) versagen.“34 Darüber hinaus hat das RG in Bezug auf mitgliedschaftliche Pflichten zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) der AG das Recht zugesprochen, auch vor Eintragung eines Aktionärs in das Aktienbuch mitgliedschaftliche Nebenpflichten – konkret ging es um die Verpflichtung zu dem Anbau von Zuckerrüben zugunsten der AG – einzufordern.35 Argumentiert wurde mit prozessökonomischen Gründen. Es sei ein Formalismus, wenn man die Passivlegitimation an die Eintragung im Aktienbuch knüpfte. Im Prozess würden die Voraussetzungen der Passivlegitimation ohnehin geprüft. Nicht in der gleichen Deutlichkeit, wohl aber in gleichem Verständnis von der Disponobilität zugunsten der Gesellschaft, stellte die damalige Kommentarliteratur fest: „(Die) Legitimationskraft der Eintragung (dient) dem Interesse beider Teile, in erster Reihe aber dem der Gesellschaft.“36

31 Vgl. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 14; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 2; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 6; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe BGH NJW 1969, 133; BGHZ 84, 47 (49) = GmbHR 1983, 42; BGHZ 112, 103 (113) = GmbHR 1990, 449 (451); OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443 (446); OLG Dresden GmbHR 1999, 709 (710); Weiler, ZIP 2006, 1754 (1757); 32 RGZ 79, 162 (164); RGZ 86, 154 (158 ff.); RGZ 86, 160 (161); zust. E. Ulmer, AcP 141 (1935), 244 (246). 33 RGZ 86, 154 (158). 34 RGZ 86, 154 (160) unter Verweis auf das am gleichen Tage (29. 1. 1915) erlassene Urteil RGZ 86, 160 (161); a. A. OLG Jena AG 2004, 268 (269). 35 RGZ 79, 162 (164); zust. Altmeppen, ZIP 2009, 345 (351). 36 Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB v. 1897, § 223 Rn. 6.

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Kap. 2: Grundlagen

Ähnlich – aber ohne auf die Ausführungen des RG einzugehen – argumentiert eine Literaturstimme zu § 16 Abs. 1 GmbHG.37 Die Legitimationswirkung gilt nach dieser Auffassung nur im Verhältnis zur Gesellschaft, nicht aber absolut, denn die Listeneinreichung sei – anders als im Grundstücksverkehr – keine konstitutive Voraussetzung für den Rechtserwerb von GmbH-Anteilen.38 Erst wenn Ungewissheit über die Identität des materiell-rechtlichen Gesellschafters bestehe, solle die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aktiviert werden. Der Gesellschaft sei es daher unbenommen, bei klarer Rechtslage eine andere Person als den Listengesellschafter als relativen Gesellschafter zu behandeln. Der Wortlaut „nur“ in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG stehe wegen fehlender absoluter Wirkung nicht entgegen.39 Ebenfalls wird in Österreich zur Parallelnorm des § 78 Abs. 1 öGmbHG einhellig die Disponibilität der Legitimationswirkung zugunsten der Gesellschaft vertreten. § 78 Abs. 1 öGmbHG lautet: (1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt nur derjenige als Gesellschafter, der im Firmenbuch als solcher aufscheint.

Auf den ersten Blick scheinen die Wirkungen von § 78 Abs. 1 öGmbHG denen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu entsprechen. Der Wortlaut des § 78 Abs. 1 öGmbHG täuscht aber über dessen Zweckrichtung.40 Normzweck des § 78 Abs. 1 öGmbHG ist „ausschließlich“ der Schutz der Gesellschaft;41 nur ihr bzw. den für sie handelnden Organwaltern soll Klarheit darüber verschafft werden, aus welchen Personen der Gesellschafterkreis zusammengesetzt ist.42 Die österreichische Rechtswissenschaft und Gerichtspraxis erkennt demzufolge allgemein an, dass die Gesellschaft einen Gesellschafter, der nicht im Firmenbuch aufscheint, als relativen Gesellschafter behandeln darf, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der nicht Eingetragene der wahre Gesellschafter ist; § 78 Abs. 1 öGmbHG ist insoweit teleologisch zu reduzieren.43

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Bohrer, MittBayNot 2010, 17 (21). Bohrer, MittBayNot 2010, 17 (21). 39 Bohrer, MittBayNot 2010, 17 (21). 40 OGH v. 26. 8. 1999, 2 Ob 46/97x; Koppensteiner/Rüffler, öGmbHG, § 78 Rn. 3. 41 So ausdrücklich OGH v. 26. 8. 1999, 2 Ob 46/97x. 42 OGH v. 26. 8. 1999, 2 Ob 46/97x; Schopper, in: Gruber/Harrer, öGmbHG, § 78 Rn. 2; Feil, in: Gellis, öGmbHG, § 78 Rn. 5. 43 Vgl. OGH v. 26. 8. 1999, 2 Ob 46/97x; OGH v. 29. 3. 2001, 8 Ob A44/01 f.; OGH v. 17. 2. 2005, 6 Ob 205/04x; OGH v. 17. 2. 2006, 10 Ob 132/05 t; OGH v. 18. 2. 2010, 6 Ob 1/10 f.; Feil, in: Gellis, öGmbHG, § 78 Rn. 5; Schopper, in: Gruber/Harrer, öGmbHG, § 78 Rn. 4; s. a. Koppensteiner/Rüffler, öGmbHG, § 78 Rn. 3, die § 78 Abs. 1 öGmbHG wie § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. verstanden wissen wollen; diese Parallele geht aber nach ständiger deutscher Rechtsprechung fehl, denn § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. schützte nicht nur die Gesellschaft, vgl. etwa BGH NJW 1969, 133; BGHZ 84, 47 (49) = GmbHR 1983, 42; BGHZ 112, 103 (113) = GmbHR 1990, 449 (451). 38

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG

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Wenn im beschriebenen Umfang der relativen Gesellschafterstellung eine disponible Funktion zukäme, wäre der Listengesellschafer nach den beschriebenen Ansichten daher nicht durch die relative Gesellschafterstellung geschützt. b) Umfassende Rechtssicherheit durch Schutz des Listengesellschafters Die beschriebenen Argumentationsreihen sehen sich allerdings Bedenken ausgesetzt. Bereits im Aktienrecht ist die Disponibilität e contrario zu § 67 Abs. 5 Satz 2 AktG zu verneinen.44 Die Regelung ist zwingendes Recht nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG und würde ihren Schutzcharakter verlieren, wenn die AG wegen eines Widerspruchs zwar den Registeraktionär nicht löschen, aber im Gegenzug eine andere Person als relativen Gesellschafter behandeln könnte. Für die GmbH gilt im Ergebnis das Gleiche. Schon der Wortlaut („gilt … nur“) spricht gegen die Disponibilität.45 Andernfalls hätte formuliert werden müssen „darf sich auf … berufen“. Zudem soll die öffentlich einsehbare Gesellschafterliste so weit wie möglich den materiell berechtigten Gesellschafter ausweisen. Dieses Ziel wird erreicht, wenn der wahre Gesellschafter stets in der Liste eingetragen sein muss, bevor er die Gesellschafterrechte ausüben kann. Im eigenen Interesse wird er für die Übereinstimmung der Liste mit der wahren Rechtslage sorgen. Aus gleichen Erwägungen darf auch die Gesellschaft selbst einen nicht in der Liste eingetragenen materiell-rechtlichen Gesellschafter nicht als legitimiert behandeln. Die Gesellschaft hätte ansonsten keine Motivation mit Hilfe einer Korrektur für richtige Listen zu sorgen. In der Zeitspanne zwischen Einreichung einer korrigierten Liste und deren Aufnahme kann sich die Gesellschaft u. U. auf § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG berufen oder einstweiligen Rechtsschutz bemühen. Schließlich befruchtet der österreichische Vergleich die deutsche Debatte nicht. Der OGH wollte v. a. den Interessen des Erwerbers eines Geschäftsanteils gerecht werden. Der Erwerber sollte sofort von seinem Stimmrecht in der Generalversammlung Gebrauch machen können, obwohl er noch nicht als Gesellschafter im Anteilsbuch verzeichnet war.46 Diese Problematik wurde in Deutschland erkannt und mit Schaffung des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG gelöst. Eine Entfernung von dem formalen Listensystem ist aus diesem vom OGH angeführten Grunde im deutschen Recht nicht angezeigt. Ungeachtet dessen können Erkenntnisse aus einer ausländischen Rechtsordnung ohnehin nicht unbesehen auf das inländische Recht übertragen werden. Im Interesse der materiellen Richtigkeit der formalen Listen und der Rechtssicherheit auch für die Gesellschafter einer GmbH wirkt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG 44

So auch OLG Jena AG 2004, 268 (269). So schon zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 134. 46 OGH v. 26. 8. 1999, 2 Ob 46/97x. 45

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Kap. 2: Grundlagen

daher zu Recht zugunsten wie zulasten des Listengesellschafters.47 Eine deutsche GmbH kann also nicht über die Rechtsfolgen der Vorschrift disponieren und hat damit keinen Ermessensspielraum bei der Frage, ob und inwieweit sie den Listengesellschafter tatsächlich als relativen Gesellschafter behandeln darf. 3. Schutz des Rechtsverkehrs und Dritter Durch die klare Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG werden zusätzlich Dritte, insbesondere Gläubiger der Gesellschaft, aber auch der Rechtsverkehr im Übrigen, mittelbar und reflexartig geschützt.48 a) Gläubigerschutz Zunächst schützt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mittelbar die Gläubiger der Gesellschaft.49 Wenn die Organwalter der Gesellschaft rechtssicher aus der Liste erkennen können, wer zur Einlagenleistung verpflichtet ist, kann die Gesellschaft ihre Forderungen durchsetzen. Von einem aufgefüllten Stammkapital als Haftsumme profitieren die Gläubiger der GmbH. Des Weiteren dürfen die Gläubiger sich darauf verlassen, dass Listengesellschafter tatsächlich den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegen, also z. B. dem Verbot der Entnahme von Gesellschaftsvermögen, soweit hierdurch eine Unterbilanz eintritt oder vertieft wird.50 Kommt die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nicht nach, so kann der Gläubiger im Falle der Unterbilanz sogar den Einlagenanspruch gegen den Listengesellschafter nach §§ 829, 835 ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Anderes gilt für Gläubiger des Gesellschafters. Sie können sich nicht auf die formelle Rechtslage stützen, um etwa in den GmbH-Anteil des Listengesellschafters zu vollstrecken. Gesellschafterlisten geben keine Auskunft für Dritte, inwieweit Geschäftsanteile als Haftungsmasse zur Verfügung stehen.51 Maßgeblich ist im Verhältnis zu Dritten alleine die materielle Gesellschafterstellung.52 Diese Differenzierung des Gläubigerschutzes nach Schutzsubjekten leuchtet ein. Der Schutz ersterer resultiert aus den mitgliedschaftlichen Pflichten, die nach dem 47 Wie hier auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 26; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 192; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 34; vgl. zum Aktienrecht OLG Jena AG 2004, 268 (269); Bayer, in: MüKoAktG, § 67 Rn. 52; Koch, AktG, § 67 Rn. 28. 48 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 30; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 189; U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 223; Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1 (6); vgl. zu § 67 Abs. 2 AktG Lieder, NZG 2005, 159 (161). 49 Zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. BGH GmbHR 2015, 532 (533) – Tz. 21; a. A. wohl Wiersch, NZG 2015, 1336 (1338). 50 So ausdrücklich zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. BGH GmbHR 2015, 532 (533) – Tz. 21. 51 Siehe BGH GmbHR 2015, 526 (528) – Tz. 16 unter Verweis auf Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 191; ferner Bayer, GmbHR 2015, 529 (530 f.). 52 Statt vieler Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 30.

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG

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Schutzkonzept des § 16 Abs. 1 und 2 GmbHG die Listengesellschafter treffen. Es wird jedenfalls ein durchsetzbarer Anspruch gegen die Listengesellschafter auf Einlagenerbringung gesichert, um in der Folge das haftende Kapital der Kapitalgesellschaft vollständig einfordern zu können. Soweit die Gesellschaft selbst durch die Gesellschafterliste geschützt wird, profitieren auch Dritte von der relativen Gesellschafterstellung. Gesellschafter-Gläubiger wollen dagegen den Anteil als solchen verwerten, nicht aber aus der Mitgliedschaft abgeleitete Rechte im Verhältnis zur Gesellschaft geltend machen. Inwieweit die Veränderung der materiellen Rechtslage am GmbH-Anteil als solchem durch rechtsgeschäftlichen, gesetzlichen oder hoheitlichen Erwerb möglich ist, bestimmt aber grundsätzlich die materielle Rechtslage. Ausnahmen sind nur nach § 16 Abs. 3 GmbHG denkbar, nicht aber über das Konzept der relativen Gesellschafterstellung. b) Schutz des Rechtsverkehrs im Übrigen Ferner werden durch die formale Legitimationswirkung sonstige Dritte geschützt, wenn sie sich auf die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen mit Außenwirkung verlassen. Die unter Mitwirkung eines Listengesellschafters gefassten Beschlüsse sind damit auch bei falscher Gesellschafterliste im Außenverhältnis wirksam.53 So ist etwa ein Beschluss zur Genehmigung einer Abtretung eines vinkulierten Geschäftsanteils an einen Dritten wirksam, selbst wenn bei der Beschlussfassung ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter mitgewirkt hat. Der gesamte Beschluss zeitigt gegenüber dem Dritten Wirkung; er wird Gesellschafter.54 Gleiches gilt etwa für die Beschlussfassung bei effektiven Kapitalerhöhungen.55 Übernimmt ein Dritter neu geschaffene GmbH-Anteile, wird er reflexartig ebenfalls durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG geschützt.56 Er kann sich auf die mitgliedschaftliche Legitimation der beschließenden Listengesellschafter verlassen und so rechtssicher die neu geschaffenen Anteile erwerben. Insgesamt führt die relative Gesellschafterstellung daher nicht zu einer relativen Teilunwirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Sie sind vielmehr allseitig wirksam.

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Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 189. Vgl. U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 223; siehe ausführlich zur Vinkulierung Kapitel 4 B. V. 3. c) aa) (3). 55 Ausführlich zur Kapitalerhöhung unter Beteiligung eines relativen Gesellschafters siehe unten: Kapitel 3 B. I. 1. g) aa) (effektive Kapitalerhöhung durch Schaffung neuer Anteile); Kapitel 3 B. I. 1. g) bb) (effektive Kapitalerhöhung durch Aufstockung); Kapitel 3 B. I. 1. g) cc) (nominelle Kapitalerhöhung). 56 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 30; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 21; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 7; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe OLG Stuttgart GmbHR 2000, 721 (731). 54

68

Kap. 2: Grundlagen

III. Transparenz Das zweite Ziel der Regelung ist die Schaffung von Transparenz. Schon nach der Rechtslage vor dem MoMiG mussten die Gesellschafterlisten zu dem öffentlich einsehbaren Handelsregister eingereicht werden. Allerdings waren die Listen vielfach unrichtig.57 Mit der Einführung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sollte sich das ändern. Der Erwerber eines Geschäftsanteils hat fortan ein Eigeninteresse, für seine Eintragung zu sorgen.58 Ohne Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister kann der Gesellschafter keine Rechte aus den Anteilen ausüben. Nicht aufoktroyierte Pflichten, sondern innere Anreize sollen richtige Listen hervorbringen. Diese Anreizfunktion zur Transparenzschaffung ist im Gesellschaftsrecht nicht neu, sondern bereits aus § 44 WpHG, § 35 Satz 3 UmwG und § 59 WpÜG (Rechtsverlust bei nicht ordnungsgemäßer Mitteilung der eigenen Beteiligung) bekannt.59 Aktuelle Transparenz wird zudem erreicht, weil es wegen der notariellen Einreichungspflicht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG nicht mehr möglich ist, den Zeitpunkt der Erlangung der relativen Gesellschafterstellung nach einer Veräußerung hinauszuzögern.60 Insgesamt wird durch § 16 Abs. 1 GmbHG eine erhöhte Richtigkeit der Gesellschafterliste angestrebt, was insbesondere für Außenstehende eine höhere Transparenz über die Anteilseignerstruktur der Gesellschaft bedeutet.61 Die gesteigerte Transparenz soll insbesondere zur Missbrauchsbekämpfung (siehe 1.) und zur Verhinderung von Geldwäsche (siehe 2.) führen. 1. Bekämpfung von Missbrauch Ein das MoMiG prägendes Ursprungsziel war die Bekämpfung von Missbrauch am Ende des „Lebens“ der GmbH.62 Angesprochen sind die Fälle der „Firmenbestattung“, also der organisierten und gewerbsmäßigen Unternehmensauflösungen, bei denen tatsächliche Gegebenheiten verschleiert und gerichtliche Entscheidungen verzögert werden, noch vorhandenes Vermögen verschoben wird und die Gläubiger

57 Vgl. Begr. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbHRecht, S. 280; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 6. 58 BT Drucks. 16/6140, S. 38. 59 Vgl. R. Wolff, BB 2010, 454 (455). 60 Im alten Recht war eine Verzögerung durch eine verspätete Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. möglich, vgl. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 18; Weiler, ZIP 2006, 1754 (1757). 61 So ausdrücklich LG München I GmbHR 2010, 151 (152) unter Verweis auf Hasselmann, NZG 2009, 409 (410); s. a. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 5; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 6; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 2; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 16 Rn. 1; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 4; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 1. 62 BT Drucks. 16/6140, S. 1.

B. Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG

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zermürbt werden.63 U. a. wird diesem Problem durch konsequente Regelungen bei Führungslosigkeit64 der Gesellschaft durch Neuregelung der § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 15a Abs. 3 InsO entgegengewirkt.65 Über § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sind jedenfalls auch die Listengesellschafter und im Interesse der Missbrauchsbekämpfung die materiellen Gesellschafter passiv vertretungsbefugt.66 Im letzteren Fall trägt dann allerdings der Erklärende das Risiko der fehlenden materiellen Rechtsinhaberschaft des Erklärungsempfängers. Demgegenüber sind über § 15a Abs. 3 InsO grundsätzlich nur die Listengesellschafter insolvenzantragspflichtig.67 2. Verhinderung von Geldwäsche Die erzielte Transparenz über die Personen der Gesellschafter soll zudem Geldwäsche verhindern. Als Geldwäsche wird üblicherweise ein Vorgehen bezeichnet, bei dem Vermögenswerte, die aus illegalen Tätigkeiten herrühren, in den legalen Finanzkreislauf eingebracht werden, wobei die wahre Herkunft verheimlicht und verschleiert wird.68 Um einer Strafverfolgung wegen Verwirklichung der Straftat „Geldwäsche“ nach § 261 StGB zu entgehen, versuchen die Täter ihre Identität zu verschleiern. Dazu werden häufig komplizierte Konstruktionen mit mehreren (Tochter-)Gesellschaften eingesetzt, damit der wahre wirtschaftliche Berechtigte, eine natürliche Person, unbekannt bleibt. Um der Geldwäsche zu begegnen, müssen diese natürlichen Personen identifiziert werden. Diesen Zweck verfolgte das auf die 3. Gw-RL eingeführte GwG von 200869 mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 4 Abs. 5 GwG a. F. (jetzt § 10 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 11 Abs. 5 GwG), wonach Verpflichtete i. S. v. § 2 Abs. 1 GwG den wirtschaftlich Berechtigten des Vertragspartners identifizieren müssen. Dazu zählt nach dem Wortlaut auch die Pflicht, die (Eigentums-)Struktur des Vertragspartners zu ermitteln. Ist also eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung 63

130. 64

Ausführlich Kleindiek, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 8.2 ff.; s. a. Fest, NZG 2011,

Legaldefinition in den § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO. Siehe etwa Fest, NZG 2011, 130 (zu § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG a. F. bzw. 415 b InsO n. F.). Daneben reagiert das MoMiG mit erweiterten Bestellungsverboten für Geschäftsführer (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG), mit der Gesellschafterhaftung bei Überlassung der Geschäftsführung an eine amtsunfähige Person (§ 6 Abs. 5 GmbHG) und der erweiterten Geschäftsleiterhaftung in Insolvenznähe (§ 64 GmbHG), vgl. Kleindiek, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 8.7 ff. 66 Ebenso Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 35 Rn. 43 (anders wohl noch ders., in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 8.44); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 35 Rn. 144; U. Stein, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 1207 (1214); Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, § 35 Rn. 244. 67 Umstritten, siehe ausführlich unten Kapitel 3 B. I. 2. g). 68 Vgl. Krämer, Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, S. 8; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 261 Rn. 2; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 261 Rn. 1; vgl. ferner die Definition von Geldwäsche in Art. 1 Abs. 3 4. Gw-RL. 69 Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) v. 13. 8. 2008, BGBl. 2008 I S. 1690. 65

70

Kap. 2: Grundlagen

Vertragspartner eines Verpflichteten, müssen die Personen der Gesellschafter identifiziert werden. Zwar muss der eingetragene Listengesellschafter nicht zwangsläufig materiell-rechtlicher Gesellschafter und damit wirtschaftlich Berechtigter sein. Überdies regelt § 16 Abs. 1 GmbHG nur das Verhältnis von Gesellschaftern zur Gesellschaft. Allerdings soll durch § 16 Abs. 1 GmbHG eine erhöhte Richtigkeit der Liste erreicht werden, wovon wiederum der Rechtsverkehr profitiert.

IV. Zwischenergebnis Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wurde eingeführt, um die Gesellschaft und den Rechtsverkehr vor Rechtsunsicherheiten und Missbrauch zu schützen. Daher verwundert die Qualifizierung als zwingendes Recht nicht. Der Schutz vor Rechtsunsicherheiten und Missbrauch wird durch die Anknüpfung der relativen Gesellschafterstellung an ein formales Listensystem gewährt. Wer mitgliedschaftliche Rechte ausüben möchte, muss für seine Listeneintragung sorgen. Sind Gesellschafterlisten unrichtig, liegt es daher im eigenen Interesse des wahren Rechtsinhabers, seine Eintragung zu erlangen. Diese hinter der Norm stehenden Wertungsgesichtspunkte – konkret der Appell an das Eigeninteresse der Gesellschafter und dadurch die Transparenzschaffung sowie Rechtssicherheit für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr – bilden ein wichtiges Argumentationsfundament für das Verständnis der relativen Gesellschafterstellung.

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung Seit jeher bereitet es Schwierigkeiten, die Legitimationswirkung in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG oder in den aktienrechtlichen Parallelnormen der § 223 Abs. 3 HGB (1897) und § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG dogmatisch sauber einzuordnen. Rechtsdogmatik soll Rechtssicherheit schaffen und zur Stabilisierung des Rechtssystems beitragen. Nicht sich selbst, sondern der Rechtsanwendung soll die Rechtsdogmatik dienen.70 Ausgehend von den dogmatischen Vorschlägen in der Rechtsprechung und Wissenschaft (I.) wird die Dogmatik nachfolgend präzisiert (II.).

70 So Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 15; Starck, JZ 1972, 609 (614); ausführliche Stellungnahmen zu der rechtstheoretischen Frage, was Rechtsdogmatik im Kern bedeutet und welche Funktionen ihr zukommen, finden sich auch bei J. Esser, AcP 172 (1972), 97 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 224 ff.; ders./Canaris, Methodenlehre, S. 45 ff.

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

71

I. Erklärungsversuche in Rechtsprechung und Wissenschaft 1. Duplizität des Rechtssubjekts Das RG äußerte sich im Jahre 1915 explizit zu der dogmatischen Einordnung des § 223 Abs. 3 HGB (1897). Es sprach von einer „Duplizität des Rechtssubjekts“.71 Die „Duplizität“ bedeutet hierbei eine Verdopplung der Gesellschafterstellung. Während im Verhältnis zur Gesellschaft alleine der in der aufgenommenen Gesellschafterliste Eingetragene der Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten sein soll, ist gegenüber Dritten der wahre Berechtigte als Gesellschafter anzusehen.72 Die Duplizität würde gemünzt auf das GmbH-Recht folglich festlegen, dass der Listengesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft „formell-rechtlich“ und damit auch „materiell-rechtlich“ berechtigt wäre. Gegenüber Dritten bliebe der wirkliche Gesellschafter materiell-rechtlich Berechtigter. Im Ergebnis wird mit dieser Ansicht die materielle Gesellschafterstellung verdoppelt. Die Aufteilung von „materieller“ und „formeller“ Rechtslage wäre obsolet. Formelle Gesellschafterstellung bedeutete materiell-rechtliche Gesellschafterstellung im Verhältnis zur Gesellschaft. Rechtliche Kalamitäten entstünden nach diesem dogmatischen Verständnis etwa, wenn der Listengesellschafter und der personenverschiedene materielle Gesellschafter den gleichen GmbH-Anteil als Sicherungsobjekt nach §§ 1273, 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 GmbHG verpfänden. Der Listengesellschafter könnte etwa eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft durch ein Pfandrecht an seinem Anteil sichern. Das wäre nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 GmbHG und dem Duplizitätsgedanken möglich, da der Listengesellschafter gegenüber der Gesellschaft als materieller Gesellschafter gelten würde. Gleichzeitig könnte der materielle Gesellschafter gegenüber jedem Dritten den Anteil verpfänden. Es bestünden zwei Pfandrechte ersten Ranges am selben GmbH-Anteil. Schon das ist ein seltsames Ergebnis und führt im Verwertungsfall zu schwer auflösbaren Problemen. Unverständlich ist zudem, wieso der Listengesellschafter trotz fehlender materieller Befugnis den Anteil als Sicherungsmittel im Verhältnis zur Gesellschaft zur Verfügung gestellt bekommen soll. Mit dem Schutzzweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, Rechtssicherheit in verbandsinternen Angelegenheiten und Transparenz zu schaffen, lässt sich diese Rechtsfolge jedenfalls nicht erklären. Zutreffender ist es daher, die materielle Gesellschafterstellung und damit die Befugnis zur Verpfändung ausschließlich und ausnahmslos einer Person zuzusprechen. Der Listengesellschafter könnte allenfalls einem gutgläubigen Dritten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 GmbHG ein Pfandrecht einräumen, mangels Verkehrsgeschäfts 71

RGZ 86, 154 (158); s. a. RGZ 123, 279 (282). Diesen Begriff prägte bereits v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band 1, S. 70, und zwar für die Wirkungen des relativen Verfügungsverbots nach § 135 BGB, aber auch für die Legitimation des Namensaktionärs im Verhältnis zur Gesellschaft; allerdings verweist er – wohl versehentlich – auf §§ 22, 23 Abs. 1 HGB (1897) anstelle auf § 223 Abs. 3 HGB (1897). 72 So zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) ebenfalls RGZ 86, 154 (158).

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Kap. 2: Grundlagen

regelmäßig aber nicht zugunsten der Gesellschaft. Der materielle Gesellschafter könnte dagegen auch ohne formale Legitimation über den Geschäftsanteil verfügen.73 Sollte ausnahmsweise eine Verpfändung durch den materiellen und den formellen Gesellschafter erfolgen, gilt das Prioritätsprinzip (§ 1209 BGB). Die doppelte Verpfändung wird dabei nicht durch § 16 Abs. 1, sondern den tatbestandlich verschiedenen § 16 Abs. 3 GmbHG ermöglicht. Zu Recht hat der Duplizitätsgedanke des RG daher keine Zustimmung im Schrifttum erfahren.74 2. Abspaltung der Rechtszuständigkeit In Anlehnung an Flumes Kritik an der Duplizität von Rechtssubjekten bei relativen Veräußerungsverboten (§ 135 BGB)75 vertreten Stimmen im Schrifttum eine Abspaltungslösung.76 Danach soll die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft eine „Abspaltung der Rechtszuständigkeit“ von der materiellen Inhaberschaft bewirken.77 Diese Terminologie bringt zum Ausdruck, dass es nur einen materiell berechtigten Gesellschafter geben kann. Zudem kann durch eine eindeutige Abgrenzung der formalen Listenposition von der materiellen Rechtslage die relative Gesellschafterstellung erklärt werden. Ist diese Ansicht im Ausgangspunkt durchaus begrüßenswert, so ist fraglich, ob der Begriff der „Abspaltung“ mit dem Grundsatz der „Einheitlichkeit der Mitgliedschaft“ vereinbar ist, und ob die Terminologie „Abspaltung der Rechtszuständigkeiten“ für § 16 Abs. 1 GmbHG tragfähig ist. a) Einheitlichkeit der Mitgliedschaft und Abspaltungsverbot Problematisch könnte die Abspaltung sein, weil dadurch u. a. das Stimmrecht als Verwaltungsrecht des Gesellschafters von der materiell-rechtlichen, wahren Mitgliedschaft abgespalten würde. Wegen des allgemein anerkannten Abspaltungsverbots dürfen die Verwaltungsrechte allerdings nicht isoliert willkürlich von der

73 Unstrittig u. a. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 30; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 191. 74 Vgl. die Duplizität allgemein ablehnend Brodmann, Aktienrecht, § 223 HGB, 2. a), der der Rechtsprechung vorwirft, sie drehe sich im Kreis; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB v. 1897, § 223 Rn. 6; Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 147 ff.; Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (840); vgl. zur Ablehnung der Duplizität des Rechtssubjekts bei § 135 BGB Flume, Das Rechtsgeschäft, § 17 6) d). 75 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 17 6) d). 76 Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (840 f., 844); von einer Abspaltung der Legitimation haben zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. bereits Brodmann, GmbHG, § 16, 1. a) sowie U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (647) gesprochen; offenlassend Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 149. 77 Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (840 f., 844).

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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Mitgliedschaft abgespalten werden.78 Das gebietet der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft.79 Dahinter steht der Gedanke, dass die Verbandsautonomie und -souveränität eine mitgliedschaftliche Selbstbestimmung voraussetzt. Der Verband soll nicht der Gefahr einer Fremdbestimmung ausgesetzt werden, was aber durch eine willkürliche Abspaltung von Stimmrechten denkbar wäre. So wurde in der Tat zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. vertreten, dass die Mitgliedschaft und ihre Ausübung nicht aufgeteilt werden dürfen. Nach Schilling80 sollte erst die Anmeldung bei der Gesellschaft den Übergang des Mitgliedsrechts vollziehen. Ausübung und Mitgliedschaft sollen also nicht getrennt werden können. Er geht im Ergebnis von einer konstitutiven Wirkung der Anmeldung für den Rechtsübergang aus. Begründet wird dies allerdings nicht ausdrücklich mit dem Abspaltungsverbot, als vielmehr mit dem personalistischen Einschlag der GmbH.81 Wer einen Verstoß gegen das Abspaltungsverbot bejaht, übersieht eine wichtige Voraussetzung. Nur eine willkürliche Abspaltung der Verwaltungsrechte muss untersagt werden, um die Verbandsautonomie zu gewährleisten. Wird die Abspaltung kraft gesetzlicher Anordnung – wie nach hiesiger Lesart durch § 16 Abs. 1 GmbHG – vorgenommen, so wird dadurch zwar die Mitgliedschaft aufgeteilt. Der wahre Gesellschafter hat es aber selbst in der Hand, für eine richtige Gesellschafterliste und damit seine Mitverwaltungsbefugnis zu sorgen, indem er eine Listenkorrektur anstößt. Unterlässt er die Korrekturbemühungen, werden die Geschäftsführer in der Regel die Korrektur vornehmen, da ein Unterlassen der Korrektur zu einer Schadensersatzverpflichtung nach § 40 Abs. 3 GmbHG führen kann. Die Abspaltung greift daher nicht in die Verbandsautonomie der Gesellschaft ein. Abgesehen davon wird durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG das Stimmrecht als autonome „Befugnis, bei der Herstellung des Willens für die Körperschaft mitzuwirken“82, nicht ausgehöhlt. 78

BGHZ 43, 261 (268) = WM 1965, 422 (423); BGH NJW 1968, 396 (397); BGH ZIP 1987, 165 f. (zum Aktienrecht); BayObLG GmbHR 1986, 87 f.; OLG Koblenz GmbHR 1992, 464 (465); Hüffer, in: Hachenburg/P. Ulmer, GmbHG, § 47 Rn. 53; Schindler, in: BeckOK/ GmbHG, § 47 Rn. 83; Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 276 ff.; Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 47 Rn. 40; einschränkend Fleck, in: Festschrift R. Fischer, S. 107 ff. 79 Ausdrücklich ist diese sog. Einheitlichkeit der Mitgliedschaft für das Personengesellschaftsrecht in § 717 Satz 1 BGB ggf. i. V. m. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB statuiert, wird aber darüber hinaus als gesellschaftsrechtlicher Grundsatz anerkannt, vgl. dazu u. a. BGHZ 3, 354 (357) – zur oHG; BGHZ 20, 363 (364) = WM 1956, 857 – zur Kommanditgesellschaft; Fleck, in: Festschrift R. Fischer, S. 107 (111); Flume, Die Personengesellschaft, § 14 IV, VII; ders., Die juristische Person, § 7 II 1); Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozeß der GmbH, S. 50 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a); H. P. Westermann, in: Erman, BGB, § 717 Rn. 3. 80 In: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, § 15 Rn. 66, § 16 Einl. 81 Schilling, in: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, § 15 Rn. 66, § 16 Einl.; krit. R. Fischer, JZ 1956, 362 (363); gegen eine Abspaltung im Aktienrecht Ruth, ZHR 88 (1926), 454 (497). 82 Mot. zum BGB I, AT, S. 107 (Mugdan, I, AT, S. 411); ebenso Flume, Die juristische Person, § 7 II 1).

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Kap. 2: Grundlagen

§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG schafft eine formelle Mitgliedschaft, die von der materiellen Mitgliedschaft zu trennen ist. Die Konzeption der relativen Gesellschafterstellung ist von dem Gesetzgeber angeordnet und deswegen zu berücksichtigen. Mit einem Verstoß gegen das Abspaltungsverbot oder die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft hat das dogmatische Verständnis der Abspaltung der Zuständigkeiten jedenfalls nichts zu tun. b) Zur Technik der Abspaltung der „Rechtszuständigkeit“ Die Flume’sche Terminologie der Abspaltung der „Rechtszuständigkeit“ erklärt als rechtstechnisches Mittel die Wirkung des relativen Veräußerungsverbots nach § 135 BGB.83 Flume gebraucht den Begriff der Abspaltung, um zu erklären, weshalb ein Veräußerer nach einer verbotswidrigen Veräußerung an einen Erwerber dem durch das Verbot Geschützten die Rechtsmacht über den veräußerten Gegenstand wieder einräumen kann. Die materielle Rechtsstellung wird durch die verbotswidrige Veräußerung nicht dupliziert. Stattdessen wird der Erwerber gegenüber jedermann Rechtsinhaber. Die Rechtszuständigkeit des Veräußerers erschöpft sich darin, dass der Veräußerer der handlungsbemächtigte Partner des Geschützten für den Akt der Verwirklichung des durch das Verbot geschützten Rechts ist.84 Diese Rechtstechnik im Flume’schen Sinne befähigt den Veräußerer, dem Geschützten die vollständige materielle Rechtsmacht einzuräumen. Die abgespaltene Rechtszuständigkeit soll also die materielle Rechtsstellung in der Person des Geschützten aufleben lassen. Gegensätzlich ist das Verständnis einer Abspaltung der relativen Gesellschafterstellung. Der Listengesellschafter kann die materielle Inhaberschaft des Gesellschaftsanteils nicht zur Listenposition ziehen, sondern der materielle Gesellschafter die Listenposition dem Unberechtigten entziehen. In diesem Zusammenhang von einer Abspaltung einer „Rechtszuständigkeit“ im Flume’schen Verständnis zu sprechen und mit dem bereits belegten Begriff der „Rechtszuständigkeit“ zu operieren, kann in die Irre führen. Es könnte nämlich unzutreffend angenommen werden, dass der Listengesellschafter kraft seiner Rechtszuständigkeit die materielle Gesellschafterstellung in seiner Person aufleben lassen könnte. Dem Gedanken der Abspaltung wohnt dennoch eine griffige Rechtstechnik inne, die als Erklärungsansatz und dogmatische Grundidee für die relative Gesellschafterstellung gebraucht werden kann. Es sollte aber nicht von einer Abspaltung von „Rechtszuständigkeiten“ gesprochen werden.

83

Nach Flume, Das Rechtsgeschäft, § 17 6) d) ist die Frage nach der materiellen Grundlage der Rechtszuständigkeit „ohne Sinne“. Inzident anerkannt ist sie aber zur relativen Wirkung der Vormerkung nach § 883 Abs. 2 BGB in § 888 Abs. 2 BGB. 84 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 17 6) d).

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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3. Rechtsscheintatbestand a) Schutz des Vertrauens der Gesellschaft Einen völlig anderen Weg schlagen jene ein, die § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als Rechtsscheintatbestand auffassen.85 Nun wird mit diesem dogmatischen Vorstoß weniger konstruktiv – wie noch bei der Abspaltungslösung – als vielmehr rechtsfolgenorientiert argumentiert. Der Listengesellschafter sei nach dieser Lösung nur dann im Verhältnis zur Gesellschaft legitimiert, wenn die Gesellschaft auf seine materielle Berechtigung vertraut. Haben die Geschäftsführer und damit – durch die Wissenszurechnung nach §§ 31, 166 Abs. 1 BGB analog – die Gesellschaft Kenntnis von der fehlerhaften Gesellschafterliste, soll der Rechtsschein der Listeneintragung zerstört sein. Relativer Gesellschafter sei dann nicht der Listengesellschafter, sondern der wahre Berechtigte.86 § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG stelle also ebenso ein Rechtsscheintatbestand dar wie etwa die §§ 170 ff., 405, 407 f., 808, 893 BGB87 und § 16 Abs. 3 GmbHG. b) Legitimationswirkung trotz positiver Kenntnis der Unrichtigkeit Die Rechtsscheinlösung ist nicht unumstritten. Nach überwiegender Meinung kann nämlich selbst positive Kenntnis der Gesellschaft von der Nichtberechtigung des Listengesellschafters die Legitimationswirkung nicht ausschalten.88 Wenn die Norm aber auch bei positiver Kenntnis der Gesellschaft ihre Wirkungen entfaltet, kann von keinem Rechtsscheintatbestand gesprochen werden. Eine dem Rechtsschein immanente Voraussetzung ist die Gutgläubigkeit des zu Schützenden.89 Nur wer gutgläubig ist, vertraut auf den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge. Ist er aber bösgläubig, besteht kein Bedürfnis, ihm die Vorzüge des Rechtsscheintatbestandes 85 So wohl Bohrer, MittBayNot 2010, 17 (21 f.); ausdrücklich zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274 (275); K. Schmidt, BB 1988, 1053 (1059); zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) siehe E. Ulmer, AcP 141 (1935), 244 (246); siehe ferner mit dogmatisch interessanten Einlassungen OLG Celle GmbHR 2000, 1099 (1101), das den § 16 GmbHG a. F. als objektiven Rechtsscheintatbestand bezeichnet und gleichwohl im nächsten Satz der Entscheidung die unwiderlegliche Vermutung bejaht. 86 So auch Ising, NZG 2010, 812 (815), der aber die Norm nicht als Rechtsscheinnorm einordnet, sondern argumentativ pauschal auf Treu und Glauben verweist. 87 Ausdrücklich befürwortet eine strukturelle Verwandtschaft von § 893 BGB und § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Bohrer, MittBayNot 2010, 17 (20 f.). 88 OLG Bremen GmbHR 2012, 687; OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (870); Altmeppen, ZIP 2009, 345 (350, 353); ders., NJW 2021, 2681 (2684); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 27; Fleischer/Eschwey, BB 2015, 2178 (2179); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 12; Illhardt, GmbHR 2016, 991 (992); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 20; Scheuch, Scheingesellschafter der GbR, 2014, S. 311; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 3a; Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (841 f.); offengelassen von KG GmbHR 2018, 361 (363). 89 Canaris, Vertrauenshaftung, § 1 I (S. 1 f.); ebenso zu § 5 HGB, der aus dem gleichen Grunde keine Rechtsscheinnorm darstellt, siehe Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 51.

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Kap. 2: Grundlagen

zu gewähren. Ein „Schein“ wird durch Kenntnis zerstört. Bleibt die Wirkung einer gesetzlichen Norm aber trotz Kenntnis bestehen, kann kein „Schein“ zerstört werden. Richtigerweise sollte dann nicht von einem Rechtsscheintatbestand gesprochen werden. Wird das telos der Norm vor Augen geführt, also die Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz, wird zudem verständlich, weshalb die Vorschrift auch bei positiver Kenntnis der Gesellschaft anwendbar sein muss. Wer formal als Listengesellschafter eingetragen ist, muss grundsätzlich als solcher behandelt werden und kann sich auf diese Rechtsstellung berufen. Es widerspräche dem Zweck der Norm, Rechtssicherheit zu schaffen, wenn die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG von inneren Vorgängen einer Person, hier von der Kenntnis der Geschäftsführer, abhängig wären. Zudem würde der Gesellschaft der fehlende Anreiz zur Führung korrekter Listen fehlen, wenn sie den materiellen, nicht formal legitimierten Gesellschafter bei positiver Kenntnis als Gesellschafter behandeln dürfte. Die Gesellschafterlisten würden dann keine Transparenz über die Anteilseignerstruktur schaffen. In diese dogmatische Lesart reiht sich im Übrigen die obergerichtliche Rechtsprechung ein. Das OLG Bremen betonte bereits im Jahr 2011, dass nicht darauf abgestellt werden darf, ob der Gesellschaft eine Unrichtigkeit der Liste bekannt war oder nicht.90 Das OLG Frankfurt schloss sich dem an.91 Dagegen hat – wohl versehentlich – jüngst das OLG Düsseldorf vom „Gutglaubensschutz gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG“ gesprochen.92 Die allgemein anerkannten Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wollte das Gericht in der Entscheidung, die zur Frage der chronologischen Aufnahme von Gesellschafterlisten in den Registerordner erging, aber vermutlich nicht torpedieren.93 Schließlich zeigen sich in einem Fall, der dem OLG Zweibrücken94 Ende 2011 zur Entscheidung vorlag, die praktischen Konsequenzen, wenn man § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht als Rechtsscheintatbestand qualifiziert. In einer form- und fristlos geladenen und sodann abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurde zunächst einer Anteilübertragung von vinkulierten Anteilen zugestimmt. Nach Wirksamwerden der Abtretung wurde ein neuer Geschäftsführer bestellt. Dessen Eintragung wurde von der Rechtspflegerin bei dem Registergericht zurückgewiesen, da die Versammlung nach ihrer Sicht nicht ordnungsmäßig einberufen sei. Zudem seien auch nicht alle Gesellschafter anwesend gewesen, weshalb § 51 Abs. 3 GmbHG nicht über die fehlerhafte Einberufung hinweghelfe. Anwesend waren aber alle in der Gesellschafterliste ausgewiesenen Gesellschafter, lediglich nicht der Neu-Gesellschafter. Das OLG Zweibrücken ist der Ansicht der Rechtspflegerin zu Recht ent90 91 92 93 94

OLG Bremen GmbHR 2012, 687. OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (870). OLG Düsseldorf BWNotZ 2019, 209 (211) m. Anm. Miller, BWNotZ 2019, 211. Miller, BWNotZ 2019, 211 (213 f.). OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689.

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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gegengetreten und hat die Eintragung zugelassen. Dabei hat es auf die Wirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verwiesen, der offensichtlich auch greift, obwohl die Gesellschaft unmittelbar nach dem Gesellschafterwechsel wusste, dass nicht alle Listengesellschafter materiell berechtigte Gesellschafter sind. c) Abschließende Anmerkung zur Terminologie des Rechtsscheins Nach zutreffender Ansicht stellt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG folglich keinen Rechtsscheintatbestand dar. Obwohl dieses Ergebnis überwiegend in Literatur und Rechtsprechung Unterstützung findet, taucht der Begriff des „Rechtsscheins“ in Bezug auf die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG regelmäßig in der Diskussion auf.95 So wird ein Listengesellschafter, der zu Unrecht in die Gesellschafterliste eingetragen wurde, also nicht materiell-rechtlicher Gesellschafter ist, häufig als „Scheingesellschafter“96 oder „Scheinerwerber“97 bezeichnet. Diese Terminologien sind für das GmbH-Recht zu beklagen.98 Sie können verwirren. Zutreffend stellt Karsten Schmidt fest: „Eine gute Begriffsbildung löst keine Fälle, aber eine schlechte kann bei der Lösung hinderlich sein“.99 Wird in der Diskussion von einem „Scheingesellschafter“ oder dem „Rechtsscheintatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 95 Siehe etwa BGH GmbHR 2014, 198 (202); OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (872); Kort, GmbHR 2009, 169 (173); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 84; Schmich/ Schnabelrauch, GmbHR 2015, 516 (518); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 36; Wicke, DB 2011, 1037; zu § 16 GmbHG a. F. siehe etwa OLG Hamm GmbHR 2006, 252 (254); Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 131 ff.; vgl. im Aktienrecht zu § 67 Abs. 2 AktG Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 50 („Rechtsscheinwirkung“); interessant ist auch die Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit § 223 Abs. 3 HGB (1897) bei Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB v. 1897, § 223 Rn. 6. Danach soll die Eintragung im Aktienbuch einen „Rechtsschein von besonders hoher Intensität“ gewähren; er versteht darunter, dass die Unrichtigkeit des Aktienbuchs nicht durch Gegenbeweis, sondern alleine durch Korrektur des Aktienbuchs vorgebracht werden kann (entgegen RGZ 86, 154 [158 ff.]; E. Ulmer, AcP 141 [1935], 244 [246]). Damit unterstellte Flechtheim der aktienrechtlichen Norm Wirkungen, die heute zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG herrschend sind. 96 Vgl. etwa BGH GmbHR 2014, 198 (202); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 45; Wiersch, ZGR 2015, 591 (593 ff.); ferner Altmeppen, ZIP 2009, 345 (352 f.), der aber von „Scheingesellschafter“ in Anführungszeichen spricht; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe etwa U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 ff. 97 So etwa Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 150, 153; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 239. 98 Zu Recht spricht Canaris von einer „wenig glücklich(en)“ Terminologie des Rechtsscheins bei § 16 Abs. 1 GmbHG a. F.; vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, § 15 II 3) (S. 174), Fn. 24. Zutreffend ist die Terminologie „Scheingesellschafter“ aber im Personenhandelsgesellschaftsrecht. Personen werden etwa zu Schein-oHG-Gesellschaftern, wenn deren Ausscheiden aus der oHG nicht in das Handelsregister eingetragen wird (§ 15 Abs. 1 HGB) oder ein Nichtgesellschafter als Gesellschafter eingetragen und bekannt gemacht wird (§ 15 Abs. 3 HGB) und der Dritte jeweils gutgläubig ist; vgl. Fleischer, in: MüKoHGB, § 105 Rn. 525 f. 99 Dabei bezieht er sich nicht auf die relative Gesellschafterstellung, sondern moniert die verwirrende Verwendung der Begriffe „Beitrag“ und „Einlage“ im Gesellschaftsrecht; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 II 1.

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Kap. 2: Grundlagen

GmbHG“ gesprochen, soll damit in aller Regel nicht ausgedrückt werden, dass durch positive Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Gesellschaft die relative Gesellschafterstellung dem Listengesellschafter wieder entzogen wird. Tatsächlich legt diese Begriffsbestimmung allerdings genau diesen Schluss nahe. Rechtsschein meint einen durch Bösgläubigkeit zerstörbaren Scheintatbestand.100 Gerade so darf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG allerdings nicht (fehl-)verstanden werden. Sofern in der Diskussion die Terminologie „Scheingesellschafter“ benutzt wird, ist damit in der Regel nicht mehr und nicht weniger gemeint als ein Synonym für einen „zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter“. Um keinerlei dogmatische Unklarheiten und Gefahren bei der Rechtsanwendung aufkommen zu lassen, werden in dieser Arbeit die Begriffe des „zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters“ oder des „unberechtigten Listengesellschafters“ verwendet. Von einem Scheingesellschafter wird wegen der irrführenden Terminologie im Zusammenhang mit der relativen Gesellschafterstellung nicht gesprochen. 4. Unwiderlegliche Vermutung oder Fiktion Soweit die aktuelle Kommentarliteratur und Rechtsprechung auf die dogmatische Einordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG näher eingehen, wird die Vorschrift überwiegend als unwiderlegliche Vermutung (praesumtiones iuris et de iure)101 oder gesetzliche Fiktion102 bezeichnet. Die Judikatur benutzt beides bisweilen auch synonym.103 Teilweise wird auch gemeint, durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG werde 100

Vgl. etwa § 173 BGB (analog). OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 988 (990); OLG Brandenburg GmbHR 2020, 98 (100); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 35; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 8; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 5; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 15; Illhardt, GmbHR 2016, 991 (992); Leyendecker-Langner, ZGR 2015, 516 (519 f.); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 18; D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (404); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 3; Mi. Winter/Schümmer, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 16 Rn. 15; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2010, 26474 – juris Rn. 43; Kremer/Laux, BB 1992, 159; Wälzholz, MittBayNot 2008, 425 (434); Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 137; zu § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG für Namensaktien siehe BT Drucks. 14/4051, S. 11; RefE des BMJV v. 18. 10. 2018 – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II), S. 56; OLG Jena AG 2004, 268 (269); Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 67 Rn. 27; zu § 123 Abs. 3 Satz 4 AktG i. d. F. des UMAG (jetzt § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG) für Inhaberaktien siehe BT Drucks. 15/5092, S. 14. Noack/Zetzsche, in: KölnKomm-AktG, § 123 Rn. 194; insgesamt krit. Altmeppen, ZIP 2009, 345 (346, 352), wenngleich ders., GmbHG, § 16 Rn. 5 die unwiderlegliche Vermutung billigt. 102 OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (688); Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 51; Heckschen, MoMiG in der notariellen Praxis, Rn. 460 ff.; Kort, GmbHR 2009, 169 (170 ff.); zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F.: BGH NJW 1969, 133; GmbHR 1991, 311; GmbHR 2009, 38 – Tz. 7; GmbHR 2012, 1303 (1304) – Tz. 8; GmbHR 2015, 532 (533) – Tz. 21; U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643. 103 OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (310) (spricht von „unwiderleglicher Vermutung“ aber auch von „Fiktionswirkung“); OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (870). 101

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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die „materielle Berechtigung“ unwiderleglich vermutet104 bzw. fingiert.105 Diese zuletzt angesprochene Spezifizierung ist aber problematisch. Es bestünde faktisch eine materielle Gesellschafterstellung des Listengesellschafters im Verhältnis zur Gesellschaft und des wahren Gesellschafters im Verhältnis zu allen anderen Personen. Es wird eine Duplizität der materiellen Gesellschafterstellung propagiert, ohne dieses dogmatische Resultat so zu benennen. Aus den oben genannten Gründen ist der dogmatische Begründungsansatz der „Duplizität von Rechtssubjekten“ aber abzulehnen.106 Die unwiderlegliche Vermutung oder Fiktion sollte also dahingehend verstanden werden, die Unabhängigkeit der relativen (formalen) von der materiellen Gesellschafterstellung begründbar zu machen. Eine abschließende dogmatische Deutung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vermögen aber beide Begründungsansätze auch in dieser Lesart nicht zu leisten.107 Eine unwiderlegliche Vermutung besagt: Das Gesetz vermutet eine Rechtsfolge, die nicht dem Gegenbeweis zugänglich ist108 – nicht mehr aber auch nicht weniger. Der Erkenntnisgewinn ist für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gering. Denn diese dogmatische Einordnung erklärt insbesondere nicht, ob der relative Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft nur die mitgliedschaftliche Ausübungsbefugnis oder weitergehend sogar die materielle Gesellschafterstellung innehat. Dieselben Unklarheiten bleiben durch das dogmatische Konstrukt der Fiktion offen. Zudem passt die Fiktion schon von vornherein rechtsmethodisch – trotz des Wortlauts –109 nicht zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Durch Fiktionen wird nämlich ein Tatbestand (T1) einem anderen Tatbestand (T2) gleichgestellt, ohne dass sich diese Tatbestände in Wirklichkeit decken könnten.110 Genau das trifft aber für die Wirkung von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht zu. In den allermeisten Fällen soll doch die Gesellschafterliste den materiell berechtigten Gesellschafter ausweisen.111 Der

104 So ohne nähere Erläuterungen Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 5; ähnlich D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1040); im Aktienrecht zu § 67 Abs. 2 AktG siehe Bezzenberger, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 67 Rn. 27. 105 I. d. S. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 6. 106 Siehe Kapitel 2 C. I. 1. 107 Ausdrücklich Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (839); zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Brodmann, GmbHG, § 16, 1. a). 108 Vgl. Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289 (291); Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 292 Rn. 1; unwiderlegbare Vermutungen finden sich etwa in § 1566 Abs. 1 BGB und § 267 ZPO. 109 Regelmäßig soll aus den Formulierungen „gilt“ oder „gelten“ auf Fiktionen geschlossen werden können, etwa Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 22. 110 J. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S. 26, 29 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 262; ferner Bernhöft, Zur Lehre von den Fiktionen, S. 5 f.; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289 (291); Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 292 Rn. 2; Prütting, in: MüKoZPO, § 292 Rn. 8; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 22; Beispiele für Fiktionen sind die §§ 108 Abs. 2 Satz 2, 119 Abs. 2, 177 Abs. 2 Satz 2 und 1923 Abs. 2 BGB. 111 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 35; Altmeppen, NJW 2021, 2681 (2682); im Ergebnis auch Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 15.

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Kap. 2: Grundlagen

Listengesellschafter kann und sollte sogar der materiell berechtigte Gesellschafter sein. Eine Fiktion ist § 16 Abs. 1 GmbHG daher jedenfalls nicht.

II. Dogmatische Präzisierung Die dargelegten Vorschläge der Literatur und Rechtsprechung sind guter Ausgangspunkt und doch unvollkommen, daher abzugrenzen, zu kombinieren und zu präzisieren. Insbesondere der Abspaltungsgedanke und die dogmatische Einordnung als unwiderlegliche Vermutung liefern eine dogmatisch verwertbare Aussage. Die positive Kenntnis der Gesellschaft beeinflusst nämlich die relative Gesellschafterstellung nicht. Bevor allerdings in eine genauere Untersuchung eingestiegen werden kann, müssen zwei Fragestellungen unterschieden werden. Sie werden in der aktuellen Diskussion kaum getrennt dargestellt.112 Zunächst ist klärungsbedürftig, wie die relative Gesellschafterstellung von der materiellen Rechtsstellung konstruktiv getrennt werden kann und wie sich die materielle Gesellschafterstellung zu der formalen Rechtsposition verhält. Die oben aufgezeigten Überlegungen zur Duplizität oder zur Abspaltung von Rechten sind als solche konstruktiven Ansätze einzuordnen. Hiervon zu unterscheiden ist die dogmatische Einordnung, wodurch die Wirkungen der Norm erklärt werden. Insoweit kann von einer Rechtsfolgendogmatik gesprochen werden.113 Rechtsfolgendogmatische Ansätze sind in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durchaus vorzufinden, wenngleich ohne ausdrücklich so bezeichnet zu werden. So ist die vertretene Rechtsscheintheorie zweifelsfrei ein rechtsfolgendogmatischer Vorschlag.114 Ebenso sind die Versuche, die Norm als unwiderlegliche Vermutung oder Fiktion zu erklären, in diese Richtung zu deuten. Denn hiermit soll ein Gegenpol zur Rechtsscheinlösung präsentiert werden. Zu klären wird daher sein, wie die relative Gesellschafterstellung rechtskonstruktiv aufgebaut ist (1) und welche Rechtsfolgendogmatik ihr innewohnt (2). 1. Rechtskonstruktion: Abspaltung der aktiven und passiven mitgliedschaftlichen Ausübungsbefugnis § 16 Abs. 1 GmbHG ist missverständlich formuliert, als er keine Duplizitiät meint. Die Vorschrift bedeutet nicht, dass der Listengesellschafter im Verhältnis zur 112 Siehe – auf die Erkenntnis der unwiderleglichen Vermutung beschränkend – etwa Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 2; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 18 ff.; Mi. Winter/Schümmer, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 16 Rn. 15. 113 Den Begriff verwendet etwa Merkt, Unternehmenspublizität, S. 229 ff., 237, 247, 491. 114 Zur Rechtsscheindogmatik als Teil der Rechtsfolgendogmatik vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 231 ff.

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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Gesellschaft Inhaber ist, im Übrigen aber der materielle Gesellschafter. Stattdessen möchte der Paragraph ausdrücken, dass alle mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten dem Listengesellschafter ungeachtet der materiellen Rechtsstellung zustehen.115 Übt der Listengesellschafter seine ihm zugeordneten mitgliedschaftlichen Rechte aus, wirkt die Ausübung auch gegenüber gesellschaftsfremden Dritten, wie etwa im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen mit Drittwirkung. Es wird eine konsequente Trennung zwischen der mitgliedschaftlichen Ausübungsbefugnis des Listengesellschafters und der materiellen Gesellschafterstellung erzielt. Rechtstechnisch ordnet die Anknüpfung an die formale Listenposition in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine Abspaltung an. Es wird aber keine schlichte „Rechtszuständigkeit“ im Flume’schen Sinne, sondern vollständig die aktive und passive mitgliedschaftliche Ausübungsbefugnis abgespalten. Einer Abspaltung ist immanent, dass ein die Abspaltung zulassendes Kernobjekt zurückbleibt. Das ist hier die materielle Gesellschafterstellung. Wirtschaftliches und rechtliches materielles Zuweisungsobjekt bleibt die materielle Inhaberschaft. Die relative Gesellschafterstellung ist demgegenüber kein selbstständiges und verkehrsfähiges Recht. Die Rechtsordnung weist endgültig nur der materiell-rechtlichen Gesellschafterstellung das Gut des Geschäftsanteils und dessen Verwertbarkeit und Nutzungen zu. Nur über die materielle Inhaberschaft kann verfügt werden, nicht aber über die Ausübungsbefugnis. Zwar bedeutet die Ausübungsbefugnis, dass der Listengesellschafter Nutzungen aus der Mitgliedschaft, wie etwa Gewinne, ziehen kann. Sie sagt aber nichts darüber aus, wem die Nutzungen aus dem Geschäftsanteil endgültig zustehen. Die umfassende aktive und passive Ausübungsbefugnis des Listengesellschafters dient der Vereinfachung und Rechtssicherheit verbandsinterner Vorgänge, ohne einen Eingriff in die rechtliche Güterzuweisung, also in den Zuweisungsgehalt116 anzuordnen. Dieses dogmatische Verständnis befähigt den Rechtsanwender zu erklären, wieso ein unberechtigter Listengesellschafter das aus der Gesellschafterstellung Erlangte nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen über die Eingriffskondiktion gemäß § 816 Abs. 2 BGB oder § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB an den materiell-rechtlichen Gesellschafter herauszugeben hat. In der Literatur wird häufig pauschal auf die bürgerlich-rechtlichen Ansprüche des wahren Gesellschafters aus den §§ 677 ff., 812, 816, 823 BGB verwiesen.117 Teilweise wird der bereicherungsrechtliche Aus115 Eine sprachliche Änderung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, wie sie für § 67 Abs. 2 AktG mit dem ARUG II vorgesehen ist und vom Deutschen Notarverein gefordert wird, wäre daher wünschenswert; siehe oben Kapitel 1 L. 116 Zur bereicherungsrechtlichen Terminologie vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 69 I 1) (S. 169 f.); grundlegend zur Zuweisungstheorie Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 27 ff. 117 Im GmbH-Recht siehe etwa Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 151; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 153 (Fn. 372); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 13; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 5; ebenso im Aktienrecht zu § 67 Abs. 2 AktG etwa Bayer, Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (22); Koch, AktG, § 67 Rn. 33; siehe mit ausführlichen Anmerkungen zu Kondiktionsansprüchen bei Verschmelzungen unter Be-

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Kap. 2: Grundlagen

gleich damit begründet, dass der falsche Listengesellschafter nur im Verhältnis zur Gesellschaft, nicht aber im Verhältnis zu dem wahren Gesellschafter befugt ist.118 Diese Feststellung hilft wenig weiter, nähert sich gefährlich dem Duplizitätsgedanken an und ist ungenau. Der Listengesellschafter gilt nämlich gegenüber jedermann, auch mit Wirkung gegenüber dem materiellen Gesellschafter, in Ansehung der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten als ausübungsbefugt. Die umfassend abgespaltene Ausübungsbefugnis vermittelt aber kein Recht zum Behaltendürfen. Nur deswegen wird ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich ermöglicht. Schüttet also die GmbH Gewinne an den Listengesellschafter aus, sind die Zahlungen mit Rechtsgrund erfolgt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Der materiell und damit bereicherungsrechtlich „Berechtigte“ kann sich nicht an die Gesellschaft, sondern nach § 816 Abs. 2 BGB lediglich an den Listengesellschafter wenden. Die Gewinne sind nicht endgültig dem Listengesellschafter zugeordnet. Daneben kommen i. d. R. keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, obwohl sie in der Literatur regelmäßig angesprochen werden.119 Es dürfte häufig am Fremdgeschäftsführungswillen fehlen, weshalb nach § 687 Abs. 1 BGB die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag keine Anwendung finden. Es stellt sich abschließend die Frage nach dem Sinn der komplizierten Abspaltung der Legitimationsbefugnisse. Er ist nur zu begreifen, wenn die Regelungsziele des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in Erinnerung gerufen werden. Die Gesellschafterlisten sollen richtig sein und die verbandsinternen Abläufe erleichtern. Mit der umfassenden konstruktiven Ausgliederung der relativen Gesellschafterstellung kann der Anreiz, richtige Listen zu führen, auf den wahren Gesellschafter übertragen werden und gleichzeitig die verbandsinterne Arbeit vereinfacht werden. 2. Rechtsfolgendogmatik: Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes Die Rechtskonstruktion des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erklärt, wie der Listengesellschafter zur Gesellschaft und zu dem (personenverschiedenen) materiellrechtlichen Gesellschafter steht. Die Rechtsfolgendogmatik beschreibt darüber hinaus die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Eine genaue rechtsfolgendogmatische Einordnung der Vorschrift mit herkömmlichen Instituten bereitete Brodmann im Jahre 1930 Schwierigkeiten, der über § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. von einer „eigenartigen Rechtsfigur“ sprach.120 Anhand zu identifizierender vergleichbarer Regelungen können Rückschlüsse auf die dogmatische Wirkungsweise, also auf die Rechtsfolgendogmatik, gezogen werden.

teiligung eines zu Unrecht eingetragenen GmbH-Listengesellschafters aber LeyendeckerLangner, ZGR 2015, 516 (543 ff.). 118 Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 45. 119 Vgl. statt vieler etwa den Verweis auf die §§ 687 ff. BGB bei Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 5. 120 Brodmann, GmbHG, § 16, 1. a).

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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a) Vergleichbare Legitimationsnormen im Zivilrecht Im Zivilrecht können zahlreiche Rechtsvorschriften die von einem wahren Rechtsinhaber verschiedenen Personen legitimieren. Zu nennen sind etwa die §§ 407 f. BGB im Abtretungsrecht, § 893 BGB im Grundbuchrecht, § 2367 BGB ggf. i. V. m. § 2368 Satz 2 Hs. 1 BGB im Erbrecht, § 82 Satz 1 InsO im Insolvenzrecht und §§ 793 Abs. 1, 808 Abs. 1 Satz 1 BGB121 im Wertpapierrecht. Die Normen sind nicht mit § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vergleichbar. Im Unterschied zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG stellen die Vorschriften ausweislich deren Wortlaut122 Rechtsscheintatbestände dar, d. h. ihre Legitimationswirkung entfällt, wenn der zu Schützende die wahre Rechtslage kennt. Für die dogmatische Präzisierung taugt ein Vergleich nicht. Legitimationsnormen finden sich neben § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG etwa im Aktienrecht in den §§ 67 Abs. 2, 121 Abs. 2 Satz 2 oder § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG sowie in § 10 Abs. 3 SchVG und § 6 Abs. 2 Satz 3 DepotG. Erschöpfend wurden diese Regelungen allerdings bislang nicht dogmatisch untersucht. Sie werden als unwiderlegliche Vermutungen oder Fiktionen bezeichnet, deren Wirkung nicht von der Gutgläubigkeit anderer abhängen solle.123 Die Rechtsfolgen werden, wie in der gegenwärtigen Literatur zu § 16 Abs. 1 GmbHG, beschrieben, aber nicht erklärt. Das RG verglich ferner im Jahre 1915 die gesellschaftsrechtlichen Legitimationsnormen mit § 25 Abs. 1 Satz 2 HGB sowie § 392 Abs. 2 HGB.124 Beide Regelungen überschneiden sich mit § 16 Abs. 1 GmbHG aber nur insoweit, als auch sie Rechtsfolgen, die möglicherweise nicht mit der wahren Rechtslage übereinstimmen, anordnen. Dogmatische Rückschlüsse lassen sich hieraus jedoch nicht ziehen, da beiden Vorschriften ein klarer dogmatischer Kern fehlt. Es herrscht sogar ein nahezu uferloses Meinungsspektrum zur Frage vor, wie die Vorschriften der § 25 Abs. 1 Satz 2 HGB125 oder § 392 Abs. 2 HGB126 dogmatisch zu verstehen sind. 121 Zutreffender sollte bei § 808 Abs. 1 BGB allerdings nicht von einer Legitimationswirkung, sondern von einer Liberationswirkung gesprochen werden. Denn durch die Vorschrift wird keine Vermutung der materiellen Berechtigung zugunsten des Papierinhabers bezeichnet. Es wird vielmehr der Eintritt der Schuldbefreiung geregelt; dazu Habersack, in: MüKoBGB, Vor § 793 Rn. 21. 122 Zur Rechtsscheinqualität der §§ 793, 808 BGB vgl. etwa RGZ 89, 401 (403); BGHZ 28, 368 (371) = NJW 1959, 622 (623); Gehrlein, in: BeckOK/BGB, § 793 Rn. 13; Habersack, in: MüKoBGB, § 793 Rn. 42 f., § 808 Rn. 14 f. m. w. N. 123 Vgl. etwa Kubis, in: MüKoAktG, § 121 Rn. 20; Liebscher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 121 AktG Rn. 6; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 123 Rn. 35 ff.; zu § 6 Abs. 2 Satz 3 DepotG spricht der RegE von einer „gesetzliche(n) Fiktion der Inhaberschaft zu Beweiszwecken“, siehe BT Drucks. 19/26925, S. 72. 124 So zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) ausdrücklich RGZ 86, 154 (158); vgl. auch Brodmann, Aktienrecht, § 223 HGB, 2. a) (S. 192). 125 Fiktion: Bülow, Handelsrecht, Rn. 228 (S. 71); Hüffer, in: Staub, HGB, 4. Aufl. 1995, § 25 Rn. 69 (nicht wiederholt in der Nachauflage); widerlegliche Vermutung: Merkt, in: Hopt, HGB, § 25 Rn. 21; unwiderlegliche Vermutung: Hausmann, JR 1994, 133 (136 ff.); Rechts-

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Kap. 2: Grundlagen

Des Weiteren drängt sich die Legitimationsnorm des § 409 Abs. 1 BGB zur Vergleichsbegutachtung auf. Der Schuldner kann sich nach § 409 Abs. 1 BGB auf eine Abtretungsanzeige des Gläubigers im Verhältnis zu diesem (also relativ) und damit auf die Gültigkeit der Abtretung verlassen, selbst wenn die Abtretung nicht erfolgt oder unwirksam ist. Dies gilt nach der wohl herrschenden Meinung auch, wenn der Schuldner von der unwirksamen Abtretung positive Kenntnis hat.127 Durch § 409 Abs. 1 BGB soll der Schuldner davor geschützt werden, nicht doch an den Nichtberechtigten zu leisten.128 Insoweit erinnert die Vorschrift an die GmbHrechtliche Legitimationsnorm. Zu beachten ist allerdings, dass zum einen gewichtige Stimmen sich dieser Lesart widersetzen und den Tatbestand dahingehend teleologisch reduzieren wollen, dass nur der gutgläubige Schuldner geschützt wird.129 Zum anderen soll auch nach den Vertretern der herrschenden Meinung § 409 Abs. 1 BGB wiederum keine Anwendung finden, wenn die fehlende Legitimation eines nicht berechtigten Zessionars offen zutage tritt130 oder die Berufung auf die Mitteilung nach den Umständen als „arglistig“ anzusehen wäre.131 Eine vollständige zweifelsfreie Überschneidung vermag der Vergleich nicht zu leisten. Auf der Suche nach rechtsfolgeähnlichen Normen gerät schließlich § 5 HGB ins Blickfeld. Die Fiktion des Handelsgewerbes nach § 5 HGB durch die Handelsregistereintragung greift auch dann, wenn der andere Teil positive Kenntnis von dem fehlenden betriebenen Handelsgewerbe i. S. v. § 1 Abs. 2 HGB hat.132 Dadurch wird objektive Rechtssicherheit erzielt. Der Schutz gutgläubiger Dritter steht dagegen nicht im Vordergrund.133 Für Vorschriften mit dieser objektiven Schutz- und Wirkrichtung hat sich in der Literatur die dogmatische Bezeichnung eines Tatbestandes scheintatbestand: Canaris, Handelsrecht, § 7 Rn. 66 (S. 125); ähnlich Lieb, JZ 1992, 1029 (1030 f.); Legalzession: Hofmann, Handelsrecht, S. 129; vertypter Fall der Abtretung: K. Schmidt, AcP 198 (1998), 516 (529); offengelassen von BGH ZIP 1992, 763 (764); pragmatische Vorschrift ohne dogmatischen Hintergrund: Burgard, in: Staub, HGB, § 25 Rn. 31. 126 Eigenständige Rechtsfigur, deren Spezifikum im Fremdbezug des Handelns liege: Canaris, Handelsrecht, § 30 Rn. 74 (S. 473); Fiktion einer Vorausabtretung: Häuser, in: MüKoHGB, § 392 Rn. 1. 127 RGZ 126, 183 (185); BGH WM 1956, 989 (991); BGHZ 29, 76 (82); Altmeppen, NJW 2021, 2681 (2683); Canaris, Vertrauenshaftung, § 1 I (S. 2) – spricht von einem „Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes“; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 409 Rn. 5; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV (S. 593); Rohe, in: BeckOK/BGB, § 409 Rn. 8; Kieninger, in: MüKoBGB, § 409 Rn. 2, 12; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 IV 4 c) (S. 95). 128 Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV (S. 593). 129 Hoenike, Anzeige der Forderungsabtretung, S. 40 ff., 101; Karollus, JZ 1992, 557 ff.; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 409 Rn. 2; ungeklärt ist darüber hinaus, wie § 409 Abs. 1 BGB rechtskonstruktiv erklärt werden kann, vgl. umfassend zum Meinungsstand Hoenike, Anzeige der Forderungsabtretung, S. 31 ff., 85 ff. 130 Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 409 Rn. 5. 131 Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV (S. 593). 132 Vgl. BGH NJW 1982, 45 (46); Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 51 f. (S. 40) m. w. N. 133 Merkt, in: Hopt, HGB, § 5 Rn. 1.

C. Dogmatische Einordnung der Legitimationswirkung

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des absoluten Verkehrsschutzes entwickelt.134 Die Terminologie stellt den Verkehrsschutz als wichtigstes und „absolutes“, von subjektiven Faktoren nicht beeinflussbares Ziel heraus. b) § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes Der zuletzt beleuchtete § 5 HGB zeigt insoweit Parallelen, als die positive Kenntnis der zu schützenden Personen keinen Einfluss auf die Wirkungen der Tatbestände hat. Mit dem Verzicht auf einen Vertrauenstatbestand wird der Rechtsverkehr „absolut“ geschützt. Es wird Rechtssicherheit geschaffen. Ebenso wirkt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Sein Zweck ist nicht der Schutz der gutgläubigen Gesellschaft, sondern die Schaffung objektiver Rechtssicherheit. Wie § 5 HGB ist die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG rechtsfolgendogmatisch als ein Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes aufzufassen.135 Der absolute Schutzanspruch verdeutlicht das Ziel, die Gesellschaft und den Rechtsverkehr von jeglichen Streitigkeiten über die Person des relativen Gesellschafters zu befreien. Verstärkt wird der Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes durch die mit § 16 Abs. 1 GmbHG gerade festgelegte unwiderlegliche Vermutung. Der Erkenntnisgewinn aus einer unwiderleglichen Vermutung ist im Verhältnis zu der hier nicht einschlägigen Fiktion nicht – wie teilweise behauptet wird –136 ohne jeden Bedeutungsgehalt. Unwiderlegliche Vermutungen schaffen im Gegensatz zu Fiktionen höhere Rechtsklarheit. Mit Fiktionen wird ein Tatbestand einem anderen Tatbestand gleichgestellt, ohne dass diese jemals in Wirklichkeit übereinstimmen könnten.137 Daraus können Schwierigkeiten entstehen. In jedem Einzelfall ist zu überprüfen, ob und inwieweit die auf die Fiktion verweisende Regelung für die Anwendung der Fiktionsnorm selbst gelten kann. Die rechtliche Gleichbewertung verschiedener Tatbestände durch Fiktionen vollzieht sich daher in den Grenzen, die das Gesetz vorgegeben hat.138 Diese Beschränkungen bestehen bei unwiderleglichen Vermu-

134

So Canaris, Vertrauenshaftung, § 1 I (S. 1 f.); Merkt, Unternehmenspublizität, S. 237; Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 40; Miller, in: Wachter, Praxis des Handels- und Gesellschaftsrechts, § 1 Rn. 57. 135 Ebenso Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 41; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. bereits Canaris, Vertrauenshaftung, § 15 II 3) (S. 174 f.). 136 Vgl. etwa D. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 292 Rn. 9; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. beachte auch OLG Celle BeckRS 2010, 13097, das von „unwiderlegliche Vermutung (gesetzliche Fiktion)“ spricht; s. a. Rosenberg, Beweislast, S. 213: „unwiderlegliche Vermutungen (sind) nichts anderes als Fiktionen“. 137 Siehe Kapitel 2. C. I. 4. 138 Vgl. Bernhöft, Zur Lehre von den Fiktionen, S. 9 ff.; J. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S. 32; Larenz, Methodenlehre, S. 263; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band 2/1, S. 13, wonach die Wirkung der Fiktion „mehr oder weniger weit gehen kann“. So wird das Schweigen des gesetzlichen Vertreters nach § 108 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BGB als Verweigerung der Genehmigung aufgefasst, ohne den Vorschriften

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Kap. 2: Grundlagen

tungen nicht in gleicher Weise, da sich der unwiderleglich vermutete Tatbestand mit dem tatsächlichen Sachverhalt decken kann. Insoweit sind keine Wertungskorrekturen zur Gleichbehandlung der Tatbestände erforderlich.139 Welche Rechtsfolgen im Verhältnis „Gesellschafter – Gesellschaft“ eintreten, wenn materieller Gesellschafter und Listengesellschafter in einer Person zusammenfallen, insbesondere welche mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten im Einzelnen bestehen, wird im Wesentlichen losgelöst von der relativen Gesellschafterstellung erforscht. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse gelten kraft der unwiderleglichen Vermutung identisch für den Listengesellschafter, der nicht materieller Gesellschafter ist.

III. Zusammenfassung Unklarheit bestand in der Rechtsprechung und Literatur bislang in der Frage, wie die relative Gesellschafterstellung dogmatisch zu verorten ist. Zunächst müssen bei den Vorschlägen der Literatur verschiedene gedankliche Ebenen getrennt werden. Die Konstruktion der „Abspaltung“ oder „Duplizität“ von Mitgliedschaftsrechten beschreibt das Verhältnis zwischen der materiellen und formellen Rechtslage. Die Rechtsfolgen werden demgegenüber über Institute wie „Rechtsscheintatbestand“, „Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes“, „unwiderlegliche Vermutung“ oder „Fiktionen“ zu erklären versucht. In diesem Abschnitt wurde gezeigt, dass rechtstechnisch die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten (sog. aktive und passive Ausübungsbefugnis) durch die Regelungsanordnung abspaltet und dem Listengesellschafter zuordnet. Rechtsfolgendogmatisch ist § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ein Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes. Er wird durch den Gedanken der unwiderleglichen Vermutung ergänzt.

über Willenserklärungen zu unterstehen. Es wird nicht Tatbestand 1 einem Tatbestand 2 vollständig gleichgestellt. Alleine die Rechtswirkungen werden angepasst. 139 Krit. zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Grunewald, ZGR 1991, 452 (461). Sie folgert aus der Formulierung „gilt (…) als Erwerber“, dass Raum für eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu den übrigen Gesellschaftern bestehe.

Kapitel 3

Legitimationswirkung Solange die materielle mit der formellen Gesellschafterstellung unbestritten zusammenfällt, kommt der Legitimationswirkung kein nennenswerter Bedeutungsgehalt zu. Das ändert sich schlagartig, wenn ein anderer als der wahre Gesellschafter in die Gesellschafterliste eingetragen wurde. Nur wer in der Liste als Gesellschafter eingetragen ist, wird im Verhältnis zur Gesellschaft in der Regel als Inhaber des Anteils unwiderleglich vermutet (sog. positive Legitimationswirkung). Wer dagegen keine Listenposition innehat, ist daher grundsätzlich auch nicht legitimiert (sog. negative Legitimationswirkung).1 Gerade zur Bestimmung der Rechtsfolgen (siehe ausführlich unter B.) ist die Rückkopplung zur materiellen Rechtslage und das Verhältnis der Ausübungsbefugnis zur materiellen Inhaberschaft von grundlegender Bedeutung. Bevor diese Rechtsfolgen aufgedeckt werden, sind die Voraussetzungen der Legitimationswirkung kurz zu bestimmen (siehe A.).

A. Grundvoraussetzungen für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist im Verhältnis zur Gesellschaft nur legitimiert, wer im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Danach solle erstens ein „Fall einer Veränderung“ vorliegen (siehe I.). Zweitens hat die Eintragung in die Gesellschafterliste zu erfolgen (siehe II.). Daneben nennt das Gesetz keine besonderen Voraussetzungen. Ob die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion eingeschränkt werden muss (Zurechnung, fehlerhaftes Verfahren, Rechtsmissbrauch) und daher um ungeschriebene Tatbestandsmerkmale zu ergänzen ist, wird hier noch ausgeblendet.2 An dieser Stelle interessieren alleine die dem Wortlaut zu entnehmenden zwei Tatbestandsmerkmale.

1 2

Zur negativen Legitimationswirkung ausführlich Miller, ZIP 2020, 62. Siehe zu den Grenzen der Legitimationswirkung ausführlich Kapitel 4.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

I. Im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung 1. Einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals Ob und inwieweit das Tatbestandsmerkmal „im Fall einer Veränderung“ in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG echte Voraussetzung für den Erwerb der relativen Gesellschafter ist, scheint problematisch. Wäre eine vorangehende Veränderung der materiellen Rechtslage stets Voraussetzung für die Auslösung der relativen Gesellschafterstellung, dürfte § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG einerseits nicht auf Gründergesellschafterlisten anwendbar sein und andererseits auch dann nicht, wenn eine materielle Veränderung tatsächlich nicht stattgefunden hat, die Liste aber geändert wurde. a) Legitimationswirkung für Gründergesellschafterlisten nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG Bei Gründung einer GmbH muss der Anmeldung der Gesellschaft bei dem Registergericht nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG eine Gründergesellschafterliste „nach den Vorgaben des § 40 GmbHG“ beigefügt sein. Ob eine Gründergesellschafterliste oder eine Liste nach § 40 GmbHG vorliegt, ist chronologisch zu bestimmen. Die Gründergesellschafterliste ist die ursprüngliche Gesellschafterliste. Mit der ersten Änderung des Listeninhalts wandelt sie sich zu einer echten Liste gemäß § 40 GmbHG. Obwohl beide Listen den gleichen formalen und inhaltlichen Anforderungen entsprechen müssen, was durch den seit Juni 2017 geltenden ausdrücklichen Verweis in § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG auf § 40 GmbHG unterstrichen wird, knüpft die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in strenger Lesart nur an die echten Listen gemäß § 40 GmbHG und nicht an Gründergesellschafterlisten an. Denn die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG soll nur „im Fall einer Veränderung“ greifen. Eine Gründergesellschafterliste wurde aber originär geschaffen, so dass eine „Veränderung“ bislang fehlt. Trotz des scheinbar klaren Wortlauts lösen nach allgemeiner Meinung auch Gründergesellschafterlisten3 die relative Gesellschafterstellung aus.4 Wenn im Gesellschaftsvertrag also die Gesellschafter ausgewiesen sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG), in der Gründergesellschafterliste aus Versehen aber andere Personen oder ein abweichender Umfang der Beteiligung bei einzelnen Gesellschaftern verzeichnet ist, dürfen nur die in der Liste ausgewiesenen Gesellschafter im Verhältnis zur 3

Gleiches gilt im vereinfachten Verfahren für das als Gesellschafterliste aufgenommene Musterprotokoll i. S. v. § 2 Abs. 1a Satz 4 GmbHG. 4 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 10; Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 280 ff.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 32; Horstkotte, ZInsO 2009, 209 (214); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 24; Noack, in: Festschrift Hüffer, S. 723; Ries, GWR 2011, 54 (56); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 6.

A. Grundvoraussetzungen für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung

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Gesellschaft legitimiert sein. Alleine auf diese Weise werden die wahren Gesellschafter angereizt, die Listen korrigieren zu lassen. Dadurch erst wird dem Sinn der Norm, Transparenz und Richtigkeit der Listen zu steigern, Rechnung getragen.5 b) Legitimationswirkung trotz fehlender tatsächlicher Veränderung Zudem legt die Norm es nahe, dass eine Veränderung in den Personen der Gesellschafter tatsächlich stattgefunden haben muss, um die Legitimationswirkung auszulösen. Ein Listengesellschafter wäre nur dann legitimiert, wenn er zuvor den materiellen Anteil wirksam erworben hätte, also eine „Veränderung“ der materiellen Rechtslage tatsächlich stattgefunden hätte. Wer die Vorschrift so verstehen möchte, würde ihre Zielrichtung aushebeln und ihr telos konterkarieren. Bevor sich die Beteiligten an den Listengesellschafter als relativ Legitimierten wenden könnten, müssten sie prüfen, ob eine materielle Veränderung tatsächlich vorliegt. Das Ziel, den Betroffenen eben diese Prüfpflicht zu erlassen und durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Rechtssicherheit zu schaffen, wäre unerreichbar.6 Es ist daher zu Recht weitgehend anerkannt, dass eine tatsächliche Veränderung in der Person des Gesellschafters oder seines Umfangs nicht erforderlich ist, um die Legitimationswirkung auszulösen.7 2. Gänzlicher Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal „im Fall einer Veränderung (…)“ Das erste Tatbestandsmerkmal des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird – wie oben unter 1. gesehen – überwiegend eingeschränkt. Man kann sich sogar die Frage stellen, ob nicht gänzlich auf diese erste Voraussetzung für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung verzichtet werden kann.8 Betrachtet man die Problematik genau, fällt auf, dass dem Tatbestandsmerkmal „Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung“ keine eigenständige tatbestandliche Aussagekraft zukommt. Denkt man sich das Tatbestandsmerkmal weg, kann die Norm wie folgt gelesen werden, ohne in ihrem inhaltlichen Gehalt beeinträchtigt zu werden: „Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist.“

5

Vgl. ausführlich Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 24. So auch Kort, GmbHR 2009, 169 (173). 7 OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (870); KG GmbHR 2020, 270 (271 f.); Fell, GmbHGesellschafterliste, S. 278 f.; Kort, GmbHR 2009, 169 (173); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 23; Ries, GWR 2011, 54 (56); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 17, 22; unklar OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (308 f.). 8 Siehe schon Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 277. 6

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Kap. 3: Legitimationswirkung

In dieser Lesart ist die Norm vergleichbar mit der inhaltlich weitgehend deckungsgleichen aktienrechtlichen Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG i. d. F. bis 31. 12. 2019.9 Dort hieß es schlicht: „Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist.“

Ebenso sah auch der RefE vom 29. 5. 2006 in § 16 Abs. 1 GmbHG die Voraussetzung der „Veränderung (…)“ nicht vor: „Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Gesellschafter nur, wer als solcher in der zu dem Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste aufgenommen ist.“10

Unbeantwortet bleibt die Frage, weshalb der Gesetzgeber den Passus „im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung“ in den Gesetzestext aufgenommen hat.11 Obwohl das Merkmal keine Voraussetzung statuiert, schafft die längere Fassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in gewisser Hinsicht Rechtsklarheit. Erstens wird festgeschrieben, dass die Legitimationswirkung bei allen denkbaren Veränderungen der Gesellschafterstellung greift, egal ob sie rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes eintreten.12 Dadurch betrat der Gesetzgeber Neuland für die GmbH. Zweitens stellt die Vorschrift ergänzend, parallel und wiederholend zu § 40 GmbHG klar, dass die Gesellschafterliste alleine die Person der Gesellschafter und deren Umfang ausweist.13 Deswegen kann sich die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG auch nur hierauf beziehen. Die Ergänzung kann nur als Klarstellung ohne inhaltlichen Impetus verstanden werden. Dogmatisch kann man einen Verzicht auf das hiesige Tatbestandsmerkmal als teleologische Extension durch Wegstreichen eines Tatbestandsmerkmals begreifen.14 Im Regelfall werden zwar teleologische Extensionen für Einzelfälle bestimmt. Es wird also nicht auf ein Tatbestandsmerkmal vollständig verzichtet, sondern es werden weitere Fälle in den Anwendungsbereich der Norm genommen. Beispiele 9 Mit Erlass des ARUG II v. 12. 12. 2019 wurde § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG redaktionell angepasst und lautet nunmehr: „Im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen Rechte und Pflichten aus Aktien nur für und gegen den im Aktienregister Eingetragenen.“ 10 Vgl. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 228. 11 Die Begr. des RegE verhält sich hierzu nicht, vgl. BT Drucks. 16/6140, S. 37 f. 12 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 2; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 8 ff.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 90; Scheuch, Scheingesellschafter der GbR, 2014, S. 309; Wachter, ZNotP 2008, 378 (380); Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 7; a. A. wenig überzeugend Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 12 Rn. 18 (S. 261 f.), wonach § 16 Abs. 1 GmbHG nicht für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge gelten solle. 13 Kort, GmbHR 2009, 169 (173); ebenso Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 17. 14 So zur Anwendung auf Gründergesellschafterlisten Horstkotte, ZInsO 2009, 209 (214), der die handwerklich unpräzise Arbeit des Gesetzgebers bedauert; allg. zur teleologischen Extension Larenz, Methodenlehre, S. 397 ff.; den Begriff der „teleologischen Extension“ entwickelt Canaris „als Gegenbegriff zu dem von Larenz geprägten Terminus der teleologischen Reduktion“, vgl. Canaris, Feststellung von Lücken, S. 90.

A. Grundvoraussetzungen für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung

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sind die teleologische Extension des § 107 BGB bei neutralen Geschäften eines beschränkt Geschäftsfähigen15 oder die teleologische Extension bei § 49 Abs. 2 HGB, wonach der Prokurist nicht nur zu der Veräußerung von Grundstücken, sondern auch zu der Verpflichtung zur Veräußerung von Grundstücken einer besonderen Ermächtigung bedarf.16 Mit dem vollständigen Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal „Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils“ wird aber nicht der Weg einer teleologischen Extension für Einzelfälle beschritten. Vielmehr wird der Tatbestand aus teleologischen Gründen um ein Tatbestandsmerkmal gekürzt, was auf Rechtsfolgenseite einen weiteren Anwendungsbereich bedeutet. Im Ergebnis ist dieses Vorgehen gleichwohl eine teleologische Extension. Das Tatbestandsmerkmal „Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils“ ist im Ergebnis gedanklich auszuklammern.

II. Eintragung in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste 1. Eintragung als echte Voraussetzung Notwendige Voraussetzung für die Entstehung der relativen Gesellschafterstellung ist die Eintragung als Inhaber eines Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste. Die Gesellschafterlisten müssen also, um Legitimationsträger werden zu können, in das Handelsregister aufgenommen werden. Der konkrete Eintragungsumfang ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. In die Gesellschafterliste müssen hiernach Name, Vorname, Geburtsdatum, Wohnort sowie die Nennbeträge und laufenden Nummern der übernommenen Geschäftsanteile sowie die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital eingetragen werden. Nach § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ist zusätzlich der prozentuale Gesamtumfang bei mehreren Geschäftsanteilen eines Gesellschafters anzugeben. Die prozentualen Angaben sind ebenso wie die restlichen genannten Angaben zwingend einzutragen.17 Des Weiteren sind die Besonderheiten des § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG bei der Eintragung von registrierten und nicht registrierten Gesellschaften zu beachten. Durch die Eintragungseinzelheiten wird eine Liste geschaffen, die den Inhaber der Anteile identifiziert. Grundsätzlich knüpft die Legitimation der Gesellschafter im Verhältnis zu der Gesellschaft nur an die aufgenommene Liste an.18 Klarzustellen ist, dass selbst 15 16 17 18

Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 399. Siehe Canaris, Feststellung von Lücken, S. 89 f.; Schubert, in: Oetker, HGB, § 49 Rn. 27. Vgl. zu den Prozenzangaben OLG München GmbHR 2018, 35. Zu möglichen Ausnahmen in Sonderkonstellationen siehe ausführlich Kapitel 4.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

pflichtwidrige Verzögerungen der Aufnahme durch den zuständigen Rechtspfleger am Registergericht19 keinen Einfluss auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nehmen. Die Listenaufnahme ist dann ggf. prozessual im Wege der Beschwerde nach § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG analog20 i. V. m. §§ 58 ff. FamFG durchzusetzen.21 Zudem ist an Staatshaftungsansprüche (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG) zu erinnern. Das dadurch geschaffene einfache Alles-oder-nichts-Prinzip (Listeneintragung bedeutet die relative Gesellschafterstellung, keine Listeneintragung bedeutet keine relative Gesellschafterstellung) führt zu Rechtssicherheit und wird somit dem Zweck der Vorschrift gerecht. 2. Voraussetzung der Eintragung bei erbrechtlichen Sachverhalten Dieses klare Ergebnis kann für Erbfälle unhandlich erscheinen. Wird die Gesellschafterliste nach dem Tod eines Gesellschafters nicht geändert, weist sie eine nicht existente Person als relativen Gesellschafter aus. Fraglich ist, ob die Gesellschaftererben auch ohne Listenposition im Widerspruch zur Aussage des § 16 Abs. 1 Satz. 1 GmbHG („nur“) zu Gesellschafterversammlungen wirksam geladen werden und sonstige mitgliedschaftliche Rechte ausüben können. Unter Verweis auf die überwiegende Rechtsauffassung im Aktienrecht zu § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG22 wird für das GmbH-Recht teilweise vertreten, dass der Erbe gemäß § 1922 Abs. 1 BGB vollumfänglich in die Rechtsstellung des Erblassers einrückt. Der Erbe könnte die mitgliedschaftlichen Rechte aber nur ausüben, wenn er seine erbrechtliche Legitimation mittels Erbscheins nachweist.23 Zur dogmatischen

19

Das Registergericht zur Führung des Handelsregisters ist das örtlich zuständige AG, § 23a Abs. 2 Nr. 3 GVG, §§ 376 f. FamFG. Funktionell werden die Aufgaben in den Registersachen – und damit auch die Aufnahme von Dokumenten nach § 12 Abs. 2 HGB – dem Rechtspfleger übertragen, vgl. § 3 Nr. 2 lit. d) RPflG. 20 Die Analogie erklärt sich wie folgt: Nach dem Wortlaut des § 382 Abs. 4 FamFG sind Zwischenverfügungen nur bei Anmeldungen zur „Eintragung“ in das Handelsregister vorgesehen. Die Gesellschafterliste wird aber nicht in das Handelsregister eingetragen, sondern in den Registerordner gemäß § 9 HRV aufgenommen. Es ist aber allgemein anerkannt, dass § 382 Abs. 4 FamFG trotz seines Wortlauts auch in diesen Fällen (analog) anwendbar ist; vgl. OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198 (199); KG NZG 2012, 315 (316). 21 Siehe beispielsweise die Entscheidungen OLG Jena GmbHR 2010, 760; OLG Hamburg GmbHR 2011, 32; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198; KG NZG 2012, 315; ähnlich auch OLG Hamm GmbHR 2010, 205, das die Beschwerde aber nicht auf § 382 Abs. 4 FamFG, sondern direkt auf §§ 59, 61 FamFG stützt. 22 OLG Brandenburg AG 2003, 328 (329); OLG Jena AG 2004, 268 (270); Hefermehl/ Bungeroth, in: Geßler et al., AktG, § 67 Rn. 55 ff.; Merkt, in: GroßkommAktG, Hirte et al., § 67 Rn. 94; Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 236 ff.; krit. aber Bayer, in: MüKoAktG, § 67 Rn. 79 f.; ders./Sarakinis, NZG 2018, 561 (563). 23 Vgl. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 22; Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 149; Ising, NZG 2010, 812 (815 f.); Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (844).

A. Grundvoraussetzungen für den Erwerb der relativen Gesellschafterstellung

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Begründung wird § 2367 BGB analog bemüht.24 Das herausgehobene Beweismittel des Erbscheins solle für die Legitimation des Erben genügen.25 Wollte man dies anders sehen, wäre die Gesellschafterstellung vor der Listenänderung für eine unbestimmte Zeit vakant.26 Im Ergebnis würde das Erbrecht nach dieser Ansicht das Gesellschaftsrecht überlagern (sog. erbrechtliche Lösung). Mit dieser Lösung wird der Gesellschaftererbe ohne formale Legitimation durch die Gesellschafterliste zur Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte befähigt. Der Gesetzgeber ist einem solchen Verständnis bewusst entgegengetreten, indem er den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf alle Fälle des Anteilserwerbs, auf die Einzelrechts- wie die Gesamtrechtsnachfolge ausgeweitet hat.27 Stets soll nur der Listengesellschafter legitimiert sein. Eine Parallellegitimation durch den Erbschein widerspräche dem grundlegenden Listenverständnis. Nicht die gesellschaftsrechtliche, sondern die erbrechtliche Situation wird überlagert (sog. gesellschaftsrechtliche Lösung).28 Hierfür streitet der Zweck der relativen Gesellschafterstellung. Die klare Listenanwendung verschafft zum einen Rechtssicherheit29 und übt zum anderen Druck auf die Erben aus, ihre Listeneintragung zu betreiben, um Gesellschafterrechte ausüben zu können. Dadurch werden richtige Listen erreicht. In der Praxis haben sich die Geschäftsführer mit der gesellschaftsrechtlichen Lösung an die Listenposition zu halten und sogar u. U. eine Ladung zu einer Gesellschafterversammlung an den toten Listengesellschafter zu adressieren, obwohl der Erblasser

24 Etwa Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 51 Rn. 15; Römermann, in: Michalski et al., GmbHG, § 51 Rn. 31; Werner, GmbHR 2014, 357 (358); allgemein zur Anwendung des § 2367 BGB auf den Scheinerben bei Gesellschafterbeschlüssen Däubler, GmbHR 1963, 181 (182 f.); ebenso noch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 51 Rn. 6; a. A. jetzt ausdrücklich in der neuen Auflage Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 51 Rn. 6; ebenso a. A. – explizit gegen die Anwendung des § 2367 BGB analog – Priester, GmbHR 1984, 193 (194 f.). 25 Ising, NZG 2010, 812 (815). 26 Zur Vakanz auf unbestimmte Zeit im Aktienrecht vgl. Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 236 f. 27 So auch OLG Naumburg ZIP 2016, 2217 (2219). 28 So auch OLG Naumburg ZIP 2016, 2217 (2219 ff.); OLG Köln GmbHR 2020, 274 (275); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 43; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 96; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 162 ff., 169; Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1 (7); Heidinger, GmbHR 2020, 275; F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1855); K. W. Lange, GmbHR 2012, 986 (988 f.); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 30; Wachter, GmbH-Geschäftsanteile im Erbfall, S. 25 f.; Wiersch, NZG 2015, 1336 (1338); R. Wolff, BB 2010, 454 (455 f.); jetzt auch Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 51 Rn. 6. 29 Mögliche Rechtsunsicherheiten bei Erbfällen zählt das OLG Naumburg ZIP 2016, 2217 (2219 a. E.) beispielhaft auf: Testierunfähigkeit des Erblassers, Formmängel der letztwilligen Verfügung, Zweifel an der Authentizität oder hinsichtlich der Auslegung einer letztwilligen Verfügung, Schwierigkeiten bei der Erbenermittlung, wirksame oder noch mögliche Erbschaftsausschlagung, Haftungsbeschränkungen zugunsten der Erben usw.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

als nicht mehr existente Person keine Rechte in Gesellschafterversammlungen wahrnehmen kann.30 Die mitgliedschaftlichen Rechte werden mit dem Tod des Gesellschafters durch dessen Erben ausgeübt und können u. U. durch einen von dem Erblasser trans- oder postmortal Bevollmächtigten für die Erben geltend gemacht werden.31 Anders als der Erbschein legitimiert die Vollmacht nicht eine Person als Rechtsnachfolger des Gesellschafters – dafür wäre eine Änderung der Gesellschafterliste erforderlich –, sondern überträgt einem Dritten durch die Legitimationskette „Liste – Vollmacht“ die Rechtsmacht zur Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte. Der Bevollmächtigte kann mithin bereits vor Änderung der Liste den Erblasser vertreten.32 Die Geschäftsführer sollten allerdings auf eine vorherige Änderung der Liste drängen, wenn ein Alleinerbe als Bevollmächtigter handeln möchte. Die Vollmacht könnte nämlich – so eine umstrittene obergerichtliche Rechtsprechung – durch Konfusion erloschen sein.33 Liegt dagegen keine Vollmacht vor und besteht Streit über die Erbenstellung oder sind die Erben sonst unbekannt, müssen die Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaftererben und an einem reibungslosen Ablauf von Gesellschafterversammlungen ggf. eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB bei dem Nachlassgericht anregen.34

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung Die konkreten Wirkungen der relativen Gesellschafterstellung sind in den § 16 Abs. 1 Satz 1 (siehe I.), Satz 2 (siehe II.) und Abs. 2 GmbHG (siehe III.) gesetzlich angeordnet. Der inhaltliche Gehalt dieser drei Tatbestände ist umfangreich. Er wird im Folgenden für jeden Tatbestand genauer betrachtet.

30 Wie hier Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rn. 10; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 8 Rn. 369 ff.; F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1853). 31 Berninger, GWR 2016, 507; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 171; ders., GmbHR 2020, 275 (276). 32 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 172; s. a. Bayer, ZfPW 2020, 385 (393). 33 OLG Hamm ZEV 2013, 341; OLG Stuttgart NJW 1947/48, 627; offengelassen von OLG München NJW 2016, 3381 (3382); krit. Herrler, DNotZ 2017, 508 ff.; a. A. – die Konfusion ablehnend – KG ZEV 2021, 332; Lange, ZEV 2013, 343; von Schwander, RNotZ 2019, 57 (60). 34 Siehe dazu Kapitel 3 B. I. 4. c) bb).

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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I. Umfang der Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Die relative Gesellschafterstellung beansprucht – wie mehrfach erwähnt – nur für mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten Geltung. In allen anderen Situationen, in denen der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft oder sonst als Dritter auftritt, bleibt daher die materiell-rechtliche Gesellschafterstellung entscheidend. Unzählige Rechte korrelieren mit der Inhaberschaft, so etwa das Gewinnbezugs-, Stimm-, Teilnahme- oder Informationsrecht (siehe ausführlich unter 1.). Aber auch mitgliedschaftliche Pflichten, wie etwa die Einzahlungs- oder die Nachschusspflicht, werden erfasst (siehe 2.). Die Rechtsfolgen der Regelung sind also durchaus vielschichtig. Die Komplexität wird noch gesteigert, weil ausweislich des Wortlauts in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nur die Inhaberschaft an einem Geschäftsanteil unwiderleglich vermutet wird, nicht dagegen die vollständige rechtliche Ausgestaltung und Beziehung des Anteils. Welche Folgen eintreten, wenn ein Geschäftsanteil durch eine Partei kraft Amtes verwaltet wird, dinglich belastet ist oder ein gesetzlicher Vertreter für den Listengesellschafter handelt, ist zu erforschen (siehe 3.). 1. Rechte der Listengesellschafter Dem Listengesellschafter stehen durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Gesamtheit der Mitgliedschaftsrechte zu.35 Die einzelnen Rechte werden im Folgenden dargelegt. Der Fokus ist auf Sachverhalte der Abweichung von materieller und formeller Gesellschafterstellung eingestellt. a) Teilnahme- und Stimmrechte Der Listengesellschafter kann ein im Kern unentziehbares36 Recht auf Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung (§§ 48 ff. GmbHG) einfordern. Zu Gesellschafterversammlungen ist der Listengesellschafter zu laden.37 Zudem ist nur der Listengesellschafter bei Umlaufbeschlüssen nach § 48 Abs. 2 GmbHG befugt, sich mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimme einverstanden zu erklären.38 Sofern anstelle des Listengesellschafters eine andere Person geladen oder im Umlaufbeschluss beteiligt wurde, sind in der Versammlung 35

Schon das RG äußerte sich so zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F., vgl. RGZ 159, 52 (59). Das Teilnahmerecht besteht auch, wenn der Anteil nicht voll eingezahlt ist, der Gesellschafter kein Stimmrecht hat, oder er nach § 47 Abs. 4 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen ist; vgl. hierzu BGH NJW 1971, 2225 f.; GmbHR 2006, 538 (539); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 48 Rn. 2; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 48 Rn. 13. 37 Siehe OLG Celle GmbHR 2014, 369 (370); Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 51 Rn. 7; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. vgl. Müther, GmbHR 2000, 966 (969 f.). 38 BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 (981) – Tz. 33; Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 48 Rn. 172; zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren siehe zudem Miller/Nehring-Köppl, WM 2020, 911. 36

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Kap. 3: Legitimationswirkung

bzw. im schriftlichen Verfahren gefasste Beschlüsse nach § 241 Nr. 1 AktG analog unwirksam.39 Sind aber alle Listengesellschafter zu dem Zeitpunkt der Beschlussfassung anwesend, können sie wirksam Beschlüsse fassen, § 51 Abs. 3 GmbHG. Das Stimmrecht (§ 47 GmbHG) in der Versammlung steht ebenfalls den Listengesellschaftern zu.40 Mit dem Stimmrecht haben sie die autonome „Befugnis, bei der Herstellung des Willens für die Körperschaft mitzuwirken“41. Stimmt ein NichtListengesellschafter in der Versammlung ab, ist die Stimmabgabe folglich unwirksam. Denkbar sind solche Sachverhalte, wenn ein Gesellschafter zu einer Versammlung geladen wird und dort abstimmt, er aber vor Versammlungsbeginn seinen Anteil an einen Dritten veräußert hat und umgehend eine neue Gesellschafterliste in den Registerordner aufgenommen wurde. Gültig wäre nicht die Stimme des Veräußerers, wohl aber die des Erwerbers. Der Beschluss mit der Stimme des Erwerbers wäre sogar wirksam, obwohl der Erwerber nicht zuvor geladen wurde. Denn wer richtiger Ladungsadressat ist, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Ladung, nicht nach dem der Beschlussfassung.42 Wirksam wäre unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sogar die Stimme eines erst nach der Beschlussfassung in die Liste eingetragenen Erwerbers. Das Individualrecht des einzelnen Listengesellschafters, an Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und ggf. mit abzustimmen, schafft die Grundlage für das Kollektivrecht der Listengesellschafter, in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse zu fassen. Sie können etwa sämtliche in § 46 GmbHG dispositiv vorgesehenen Beschlüsse und Maßnahmen treffen – z. B. Einlagen einfordern (§ 46 Nr. 2), Geschäftsanteile teilen und zusammenlegen (§ 46 Nr. 4 GmbHG), Geschäftsführer bestellen, abberufen oder entlasten (§ 46 Nr. 5 GmbHG) usw. – oder sonstige durch Gesellschaftsvertrag der Versammlung übertragene Befugnisse wahrnehmen. Alle diese Beschlüsse sind nichtig, wenn eine nicht formal legitimierte Person geladen wurde und an der Beschlussfassung mitwirkt. Es empfiehlt sich daher dringend die Einsichtnahme in den Registerordner und Prüfung der Stimmberechtigung vor einer Beschlussfassung, insbesondere bei erwartungsgemäß nicht einstimmigen und potentiell streitigen Entscheidungen. b) Minderheitsrechte Neben den allgemeinen Individual- und Kollektivrechten haben Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten des Stammkapitals entsprechen, bestimmte Minderheitsrechte, siehe §§ 50 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 GmbHG oder § 50 Abs. 2 UmwG. Diese Minder39

Näher unten Kapitel 4 B. V. 3. c) aa) (1). Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 48 Rn. 9, 11. 41 Mot. zum BGB I, AT, S. 107 (Mugdan, I, AT, S. 411); ebenso Flume, Die juristische Person, § 7 II 1) (S. 201); vgl. auch bereits oben Kapitel 2 C. I. 2. a) Fn. 82. 42 So im Ergebnis auch OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689 (690). 40

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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heitsrechte stellen jeweils mitgliedschaftliche Angelegenheiten im Verhältnis zu der Gesellschaft dar. Deshalb sind hierzu alleine die formal legitimierten Gesellschafter nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zur Rechtsausübung berechtigt und bei der Bestimmung des Quorums zu berücksichtigen.43 Ob die antragenden Gesellschafter das Minderheitenquorum erfüllen, ist aus der Gesellschafterliste unstreitig ersichtlich und nach der Neufassung des § 40 GmbHG mit Einführung der zwingenden Prozentangaben einfach nachzuprüfen. Das Erreichen des Quorums ist durch die Gesellschafter daher nicht gesondert nachzuweisen.44 c) Gerichtliche Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen Einfluss auf Beschlüsse können die Gesellschafter im Nachgang einer Versammlung durch die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage in Anlehnung an die §§ 241 ff. AktG nehmen.45 Nur die Listengesellschafter sind dabei klagebefugt;46 die materielle Rechtslage ist grundsätzlich nicht maßgeblich.47 Sofern die Gesellschafterliste nach Erhebung der Klage durch den Listengesellschafter geändert wird, bleibt der bei Klageerhebung legitimierte Gesellschafter nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog prozessführungsbefugt.48 Ist ein materieller Rechtsinhaber nicht in der Gesellschafterliste eingetragen, kann er zwar keine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erheben. Ihm steht es allerdings offen, Beschlüssen einer GmbH-Gesellschafterversammlung, welche ihn betreffen, 43 Vgl. etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 50 Rn. 5; Römermann, in: Michalski et al., GmbHG, § 55 Rn. 5; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 50 Rn. 8; R. Wolff, BB 2010, 454 (461 f.); Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 50 Rn. 24a; ähnlich Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 50 Rn. 10 f., der wohl auch den Listengesellschafter als „Gesellschafter“ i. S. d. § 50 Abs. 1 und 2 GmbHG ansieht, dies aber über § 40 Abs. 1 GmbHG anstelle mit § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG begründet. 44 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 50 Rn. 7; Hüffer/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, § 50 Rn. 9; Mausch, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 50 Rn. 4; a. A. noch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 50 Rn. 7; Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 50 Rn. 20. 45 Vgl. zur weit überwiegend anerkannten Anwendung der §§ 241 ff. AktG analog auf das GmbH-Recht etwa BGHZ 11, 231 (235) = NJW 1954, 385 f.; BGHZ 134, 364 (365 f.) = GmbHR 1997, 655 f.; Wertenbruch, in: MüKoGmbHG, Anh. § 47 Rn. 18; a. A. aber zur Anfechtungsklage im GmbH-Recht Zöllner/Noack, ZGR 1989, 525 (532 ff.). 46 Siehe BGH NZG 2021, 831 (836 f.) – Tz. 41 ff.; OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (689); OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 988 (990) m. zust. Anm. Illhardt, GmbHR 2016, 991 (992); Raiser/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, Anh. § 47 Rn. 155; zur Anfechtungsklage bei § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. ausdrücklich BGH NJW 1969, 133; GmbHR 2009, 39 (40). 47 Zur Ausnahme aus verfassungsrechtlichen Gründen siehe BGH BeckRS 2019, 2668; BGH NZG 2021, 831 (832 f.) – Tz. 16; OLG Jena GmbHR 2020, 433 (435); ferner unten Kapitel 4 D. II. 4.; insgesamt für Klagebefugnis des materiellen Gesellschafters aber – ohne Argument – KG GmbHR 2016, 416 (419). 48 Vgl. OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542 (544); Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1 (7); Lieder, GmbHR 2016, 189 (197).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu begegnen.49 So kann er beispielsweise feststellen lassen, dass ein Beschluss der Gesellschafterversammlung nichtig ist, wenn dadurch ein Gesellschafter, der nicht in die Gesellschafterliste eingetragen ist, aus der GmbH aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden soll.50 d) Die Gesellschafterklage oder actio pro societate Ein mitgliedschaftliches Recht jedes einzelnen Gesellschafters ist darüber hinaus die Klagebefugnis zugunsten der Gesellschaft (sog. Gesellschafterklage oder actio pro societate bzw. actio pro socio)51. Stehen der GmbH beispielsweise Einlagenforderungen gegen einen Gesellschafter zu, werden diese von dem Geschäftsführer aber nicht eingetrieben, so kann jeder andere Gesellschafter die Forderung klageweise einfordern. Der Gesellschafter macht dabei einen Anspruch der GmbH im Wege einer Prozessstandschaft geltend.52 Wer sich an dieser Stelle berechtigterweise fragt, ob die Gesellschafterklage auch nur durch den Listengesellschafter erhoben werden darf, wird bei der Subsumtion des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für einen Moment ins Stocken geraten. Der Listengesellschafter soll nämlich nur „im Verhältnis zur Gesellschaft“ als Inhaber des Anteils gelten. Die Gesellschafterklage ermöglicht es ihm aber, als Prozessstandschafter der GmbH einen fremden Anspruch im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter geltend zu machen. Er würde daher einerseits im Verhältnis zur Gesellschaft als Prozessstandschafter stehen – das wäre von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG noch gedeckt –, andererseits aber als Anspruchsteller im Verhältnis zu dem Mitgesellschafter (Anspruchsgegner) als Gesellschafter unwiderleglich vermutet. Der Wortlaut des 49

Vgl. OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (689). Vgl. OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (688). 51 Der Begriff actio pro socio entstammt aus dem Recht der Personengesellschaften und meint dort die Klage „pro = als“ Gesellschafter (so Flume, Die juristische Person, § 8 V 1) [S. 301]); wird die Gesellschafterklage richtigerweise aber als Prozessstandschaft des Gesellschafters aufgefasst, so dass dieser einen fremden Anspruch der GmbH im eigenen Namen geltend machen kann (vgl. die Nachweise in Fn. 52), sollte im GmbH-Recht besser von einer actio pro societate (Klage pro = zugunsten der Gesellschaft) gesprochen werden; vgl. Merkt, in: MüKoGmbHG, § 13 Rn. 330; für die Beibehaltung der Terminologie actio pro socio im Kapitalgesellschaftsrecht gleichwohl Flume, Die juristische Person, § 8 V 1) (S. 301 f.). 52 So zur h. M. vgl. etwa OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 172 (173); Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 54; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 14 Rn. 95; Eickhoff, Gesellschafterklage im GmbH-Recht, S. 159 ff.; Fastrich, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 13 Rn. 37; Merkt, in: MüKoGmbHG, § 13 Rn. 330; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 4 a), § 21 IV 6 b); Verse, in: Festschrift U. H. Schneider, S. 1325 (1333); siehe ferner Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 13 Rn. 130 Fn. 342 („quasigesetzliche“ Prozessstandschaft, da auf Richterrecht beruhend); zur a. A., die von einem eigenen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung an die Gesellschaft ausgeht, siehe Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 17; Flume, Die juristische Person, § 8 V 1) (S. 300), der die jetzt h. M. damals als Mindermeinung bezeichnete; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (180); Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (9 ff.). 50

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG umfasst die letztgenannte Beziehung nicht. Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG knüpft nach dem Wortlaut Rechtsfolgen nur „im Verhältnis zur Gesellschaft“, nicht aber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis als solches (also nicht im Verhältnis zur Gesellschaft und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander). Trotz des Wortlauts soll nach allgemeiner Meinung das Recht der Gesellschafterklage der Person des Listengesellschafters zustehen.53 Die Funktion des besonderen verfahrensrechtlichen Instruments spricht für diese Sichtweise. Die actio pro societate ist ein subsidiäres Institut, das nur zugelassen wird, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, wenn er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen müsste.54 Im Übrigen müsste der klagende Gesellschafter zuvor alle gesellschaftsinternen Einwirkungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Er hat also einen Beschluss zur Geltendmachung des Anspruchs herbeizuführen und bei Ablehnung diesen ggf. anzufechten.55 Diese, der Gesellschafterklage grundsätzlich vorgelagerten verbandsinternen Maßnahmen, kann – wie bereits gesehen – nur der Listengesellschafter treffen. Es leuchtet daher ein, auch den letzten möglichen Schritt der Gesellschafterklage den Listengesellschafter gehen zu lassen. Andernfalls begegnete man einer schwer begreifbaren Aufteilung der Befugnisse. Dieses weite Verständnis von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG lässt sich auch durch einen systematischen Vergleich mit der Rückwirkungsfiktion des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG unterstreichen. Dort heißt es: „Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn (…)“.

Formuliert wurde aber nicht, „Eine vom Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft vorgenommene Rechtshandlung (…)“, sondern „in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis“. Der Terminus „Gesellschaftsverhältnis“ umfasst alle mitgliedschaftlichen Beziehungen in der Gesellschaft, also im Verhältnis zur Gesellschaft, aber auch im Verhältnis zu Mitgesellschaftern. Der Gesetzgeber knüpft mit § 16 Abs. 1 Satz 2 unmittelbar an § 16 Abs. 1 Satz 1 an, womit er zum Ausdruck bringt, dass er die Begriffe „im Verhältnis zur Gesellschaft“ sowie „in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis“ inhaltlich gleich versteht. Folglich geht er selbst davon aus, dass eine umfassende mitgliedschaftliche Rechtsstellung dem Listengesellschafter durch § 16 53 Wie hier OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542 (543 f.); zust. Bayer, GmbHR 2016, 505 (510 f.); ferner Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1 (7); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 108; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 3 54 So etwa BGH GmbHR 2005, 301 (302) m. w. N.; OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 542 (543). 55 BGH GmbHR 2005, 301 (302); teilweise wird von „subsidiärer Not(geschäftsführer) zuständigkeit“ gesprochen, so Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 55; s. a. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 13 Rn. 133; abweichend Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (182 f.); Raiser, ZHR 153 (1989), 1 (22).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Abs. 1 Satz 1 GmbHG zugesprochen werden soll. Im Ergebnis überzeugt es daher, hier auf die formale Gesellschafterstellung abzustellen. e) Informationsrechte Informationsrechte stehen den Gesellschaftern gegenüber der Gesellschaft sowie zwischen Gesellschaftern untereinander zu. aa) Auskunft von der Gesellschaft Die Auskunftsrechte gegenüber der Gesellschaft sind weitgehend kodifiziert. Als eigennützige mitgliedschaftliche Rechte stehen sie gegenüber der Gesellschaft („im Verhältnis zur Gesellschaft“) unproblematisch nur den Listengesellschaftern zu.56 Der Geschäftsführer kann somit die Auskunft neben den Verweigerungsrechten aus § 51a Abs. 2 GmbHG insbesondere untersagen, wenn der vermeintliche Anspruchssteller nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Gleiches gilt für das inhaltlich beschränkte Informationsrecht zu Beschlussgegenständen, das gleichfalls aus § 51a Abs. 1 hergeleitet wird,57 sowie für umwandlungsspezifische Auskunftsrechte aus § 49 Abs. 3 UmwG. Überdies können im Liquidationsverfahren der Gesellschaft nur die zu dem Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger Einsicht der Bücher und Schriften gemäß § 74 Abs. 3 Satz 1 GmbHG verlangen.58 Sollten Geschäftsführer Informationen nicht preisgeben, sind konsequenterweise zur gerichtlichen Durchsetzung der Auskunftsrechte – insbesondere im Rahmen des Informationserzwingungsverfahrens nach § 51b GmbHG i. V. m. § 132 Abs. 1, 3 und 4 AktG – ebenfalls nur die Listengesellschafter befugt. Anders stellt sich die Lage bei dem Auskunftsanspruch nach § 810 BGB dar. Voraussetzung für den Anspruch ist nicht die Mitgliedschaft und damit nicht die Listenposition, sondern ein „rechtliches Interesse“. Zwar kann auch die Mitgliedschaft ein solches Interesse begründen. Der speziellere mitgliedschaftliche Auskunftsanspruch ist insoweit aber § 51a GmbHG, der den § 810 BGB weitgehend verdrängt.59 Bedeutung hat der Anspruch aus § 810 BGB aber für ausgeschlossene Gesellschafter, die aus der Gesellschafterliste gelöscht wurden. So kann etwa der 56

Vgl. zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. BGH GmbHR 2015, 532 (534) – Tz. 29. So etwa OLG Nürnberg WM 2010, 1286 (1290); vgl. auch Noack, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 51a Rn. 56; a. A. Schmidt/Nachtwey, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 3 Rn. 90 ff.: selbstständiges Informationsrecht, das wegen der hervorgehobenen Bedeutung der informierten Beschlussfassung nur unter strengen Voraussetzungen zurückgewiesen werden darf – §§ 51a Abs. 2, 51b GmbHG sollen nicht gelten. 58 Ohne ausdrücklich auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Haas, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 74 Rn. 13; Nerlich, in: Michalski et al., GmbHG, § 74 Rn. 25; weitergehend Altmeppen, GmbHG, § 74 Rn. 16: auch Einsichtsrecht ehemaliger Gesellschafter sei erfasst. 59 Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 51a Rn. 60. 57

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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ausgeschiedene Gesellschafter nach § 810 BGB Vorlage von Geschäftsbüchern und Bilanzen verlangen, soweit sie zur Berechnung des Einziehungsentgelts notwendig ist.60 bb) Auskunft von Mitgesellschaftern Darüber hinaus kann ein Gesellschafter Informationen von Mitgesellschaftern verlangen. Dieses Auskunftsrecht beruht nicht auf § 51a GmbHG, sondern wird überwiegend aus der gegenseitigen Treuepflicht der Gesellschafter hergeleitet.61 Erforderlich ist dieses Informationsrecht u. a., damit Gesellschafter in Kenntnis gesetzt werden können, ob und inwieweit ihre Mitgesellschafter zu dritten Unternehmen in Abhängigkeits- oder Beherrschungsverhältnissen stehen. Dadurch sollen Interessenkonflikte und Gefahren (frühzeitig) erkannt werden.62 Die horizontalen Auskunftsrechte stehen ebenfalls nur dem Listengesellschafter zu. Er übt alle mitgliedschaftlichen Rechte, auch gegenüber Mitgesellschaftern aus. Das überzeugt schon zu der actio pro societate und gilt ganz allgemein für die mitgliedschaftliche Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern.63 Im Übrigen wird mit diesem weiten Verständnis der auskunftspflichtige Gesellschafter geschützt, da er von vornherein nur einem Auskunftsverlangen eines Listengesellschafters nachzukommen hat und insoweit die Person des Anspruchstellers einfach identifizieren kann. f) Vermögensrechte, insbesondere Gewinnrecht nach § 29 GmbHG Zusätzlich stehen dem Listengesellschafter alle aus der Mitgliedschaft resultierenden Vermögensrechte zu, wie etwa Ansprüche auf den Liquidationserlös (§ 72 Satz 1 GmbHG)64 sowie das Abfindungsrecht bei Ausscheiden aus der Gesellschaft.65 Bedeutendstes Vermögensrecht ist zudem das Gewinnrecht der Gesell-

60 BGH GmbHR 1977, 151 (152 f.); Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638 (640); H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 34 Rn. 66. 61 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51a Rn. 9; Schmidt/Nachtwey, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 3 Rn. 95 f.; zur Anerkennung der Treuepflichten der Gesellschafter untereinander siehe grundlegend den ITT-Fall des BGHZ 65, 15 (18 f.) = NJW 1976, 191 f.; zust. etwa Rehbinder, ZGR 1976, 386 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 2 b); P. Ulmer, NJW 1976, 192 f.; Wiedemann, JZ 1976, 392 ff.; a. A. Flume, ZIP 1996, 161 ff., der in der Treuepflicht eine Leerformel sieht und stattdessen auf die Rechtsfigur der Mitgliedschaft in der juristischen Person abstellt. 62 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51a Rn. 9; Schmidt/Nachtwey, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 3 Rn. 95. 63 Zur Gesellschafterklage siehe oben Kapitel 3 B. I. 1. d); zur Treuepflicht des Listengesellschafters siehe unten Kapitel 3 B. I. 2. f). 64 Helm/Haaf, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 18 Rn. 53. 65 Siehe dazu ausführlich unten Kapitel 3 B. I. 3.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

schafter.66 Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haben die „Gesellschafter“ Anspruch auf den Jahresüberschuss. Das Gewinnstammrecht (auch Gewinnbezugsrecht genannt) und der Gewinnauszahlungsanspruch sind streng auseinanderzuhalten.67 Mit der Mitgliedschaft am Geschäftsanteil ist das Gewinnstammrecht verbunden. Aus dem Stammrecht kann der Gesellschafter aber noch keine Gewinnausschüttung fordern. Erforderlich ist ein Gewinnverwendungsbeschluss (§ 46 Nr. 1 GmbHG),68 der den konkreten Gewinnauszahlungsanspruch entstehen lässt. Unterbleibt ein Beschluss, kann der Gesellschafter die Beschlussfassung nach dem Rechtsgedanken des § 29 Abs. 1 GmbHG verlangen.69 Erfolgt aber die Beschlussfassung zu dem Gewinnverwendungsbeschluss, entsteht in der Person des Listengesellschafters der konkrete Auszahlungsanspruch losgelöst und selbstständig von der Mitgliedschaft als sog. Gläubigerrecht.70 Der Gesellschafter kann den Anspruch daher separat von der Mitgliedschaft nach § 398 Satz 1 BGB abtreten oder nach § 1069 Abs. 1 bzw. § 1274 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 398 Satz 1 BGB belasten, wenn dies nicht vertraglich gemäß §§ 399 Alt. 2, 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.71 Der Befund des vorigen Absatzes zeigt im Idealfall, nämlich wenn der wahre Gesellschafter auch der Listengesellschafter ist, keine legitimatorischen Besonderheiten. Der Inhaber des Stammrechts ist personenidentisch mit dem Inhaber des konkreten Gewinnanspruchs. Anders stellt es sich dar, wenn die Personen des wahren und des relativen Gesellschafters auseinanderfallen. Im Ausgangspunkt ist das Gewinnstammrecht als untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft dem materiellen Gesellschafter zugewiesen. Allerdings wird die aktive mitgliedschaftliche Ausübungsbefugnis durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG dem Listengesellschafter übertragen. Stimmt der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter bei einem Gewinnverwendungsbeschluss mit, entsteht originär in der Person, die zu dem Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Gesellschafterliste eingetragen ist, der konkrete

66 Vgl. etwa Verse, in: Scholz, GmbHG, § 29 Rn. 82; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe insbesondere Loritz, DStR 1998, 84 (85 f.). 67 Instruktiv BGHZ 139, 299 (303) = GmbHR 1998, 1177 (1178). 68 So die h. M.: BGHZ 139, 299 (302 f.) = GmbHR 1998, 1177 (1178); Kersting, in: Noack/ Servatius/Haas, GmbHG, § 29 Rn. 38, 49; Hüffer/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, § 46 Rn. 22; Strohn, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 29 GmbHG Rn. 32; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 29 Rn. 78; a. A. Ekkenga, in: MüKoGmbHG, § 29 Rn. 78 ff., wonach bereits durch den Feststellungsbeschluss (Feststellung über den ausschüttungsfähigen Gewinn) der Gewinnauszahlungsanspruch entstehen soll; durch den Gewinnverwendungsbeschluss werde der Anspruch nur fällig und inhaltlich festgelegt. 69 BGHZ 139, 299 (303) = GmbHR 1998, 1177 (1178). 70 Allgemein Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 46 Rn. 19 (S. 605); unter in Bezugnahme von § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe Schilling, in: Hachenburg, GmbHG, 6. Aufl. 1956, § 16 Rn. 13. 71 Verse, in: Scholz, GmbHG, § 29 Rn. 78.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Gewinnauszahlungsanspruch.72 Die Gesellschaft kann in der Folge nur an den zu dem Zeitpunkt der Beschlussfassung formal legitimierten Gesellschafter die Gewinne mit Rechtsgrund ausschütten. Bereicherungsrechtlich bleibt der Gewinnauszahlungsanspruch aber dem Träger des Gewinnstammrechts zugewiesen, also dem materiellen Gesellschafter. Denn die Vermögensrechte des materiellen Gesellschafters sollen durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG grundsätzlich nicht verwässert werden. Zudem soll nicht in die rechtliche und wirtschaftliche Zuordnung bindend eingegriffen, sondern Rechtssicherheit und Transparenz geschaffen werden. Stimmt der unberechtigte Listengesellschafter bei Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses mit ab und lässt dadurch den Gewinnauszahlungsanspruch in seiner Person entstehen, greift er im bereicherungsrechtlichen Sinne in den Zuweisungsgehalt des materiellen Gesellschafters ein. Der wahre Gesellschafter kann von dem unberechtigten Listengesellschafter nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB Abtretung des konkreten Auszahlungsanspruchs oder – nach erfolgter Gewinnausschüttung (Leistungsbewirkung) – Weiterleitung der Gewinne nach § 816 Abs. 2 BGB verlangen.73 g) Mitgliedschaftsrechte bei Kapitalerhöhungen Interessante rechtliche Probleme bestehen weiter, wenn im Wege der effektiven oder nominellen Kapitalerhöhung neue Anteile geschaffen werden und bei der Beschlussfassung ein nicht materiell berechtigter Listengesellschafter mitgewirkt hat. aa) Effektive Kapitalerhöhung durch Übernahme neuer Geschäftsanteile Im Ausgangspunkt wird bei effektiven Kapitalerhöhungen74 ähnlich zu den Gewinnrechten zwischen einem allgemeinen Bezugsrecht und einem konkreten Be-

72 Ausdrücklich auf § 16 GmbHG verweisend Strohn, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 29 GmbHG Rn. 52; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 29 Rn. 82; Wiersch, ZGR 2015, 591 (611) m. w. N. 73 Siehe schon oben Kapitel 2 C. II. 1. 74 Das Bezugsrecht ist im GmbH-Recht zwar in § 55 GmbHG – anders als im Aktienrecht in § 186 Abs. 1 AktG – nicht ausdrücklich erwähnt, wird aber überwiegend als gesetzliches Bezugsrecht nach § 186 AktG analog anerkannt; vgl. BGH GmbHR 2005, 925 (926), der aber offen lässt, ob das Bezugsrecht ein (ungeschriebenes) gesetzliches Recht analog § 186 AktG darstellt oder auf dem Zulassungsbeschluss nach § 55 Abs. 2 GmbHG beruht; für ein gesetzliches Bezugsrecht – wohl h. M. – Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 19; Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG Rn. 762; Gaiser, GmbHR 1999, 210 (211); Hermanns, in: Michalski et al., GmbHG, § 55 Rn. 39; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 55 Rn. 103; Lutter, AcP 180 (1980), 84 (123 Fn. 184); Rottnauer, ZGR 2007, 401 (407 ff.); gegen die Anerkennung eines gesetzlichen Bezugsrechts dezidiert Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 55 Rn. 19; Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 55 Rn. 35; ausführlich zur Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum Munzig, Das gesetzliche Bezugsrecht bei der GmbH, S. 24 ff.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

zugsanspruch unterschieden.75 Das allgemeine Bezugsrecht ist untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft76 und damit ein mitgliedschaftliches Recht, dessen Ausübung dem Listengesellschafter nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zugeordnet ist. Bezugsberechtigt wird der im Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses in der Liste ausgewiesene Gesellschafter mit der Beschlussfassung. Das konkrete Bezugsrecht steht ihm als selbstständiges und übertragbares Recht zu.77 Der Anspruch vermittelt dem Listengesellschafter das Recht, von der Gesellschaft die Annahme seiner Übernahmeerklärung i. S. d. § 55 Abs. 1 GmbHG zu verlangen, um den zur Entstehung neuer Geschäftsanteile erforderlichen Übernahmevertrag abschließen zu können. Selbst wenn ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter an einem Kapitalerhöhungsbeschluss mitstimmt und die Übernahmeerklärung abgibt, treten diese Wirkungen in seiner Person ein.78 Nach Abschluss des Übernahmevertrages entsteht zudem aufgrund der rechtgeschäftlichen Beteiligung des Listengesellschafters der neue Anteil mit Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 3 GmbHG) materiell-rechtlich in der Person des Listengesellschafters selbst, also nicht in der Person des materiell-rechtlichen Gesellschafters.79 In der Folge schrumpft der proportionale Geschäftsanteil des wirklichen Rechtsinhabers durch eine Kapitalerhöhung, an der nicht er, sondern der Listengesellschafter beteiligt wird. Die dadurch entstehende Verwässerung der materiellen Mitgliedschaft ist konsequente Folge der Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Der wahre Rechtsinhaber wird durch diese Lösung aber nicht schutzlos gestellt. Wenn er die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste kennt, kann er, bevor die Kapitalerhöhung beschlossen wird, die Korrektur der Liste selbst verlangen und dadurch dem Listengesellschafter vor einer anstehenden Kapitalerhöhung seine Position entziehen (sog. präventive Schutzmöglichkeit). Diese Handlungsoption fehlt aber, wenn streitig ist, ob derjenige, der sich der materiellen Stellung berühmt, auch tatsächlich berechtigt ist. Die Liste darf dann nicht ungeprüft korrigiert werden. Die 75 So ausdrücklich M. Arnold/Born, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 55 Rn. 23; Wicke, GmbHG, § 55 Rn. 11; zum Aktienrecht siehe etwa Fest, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 221 AktG Rn. 573 ff. 76 Vgl. M. Arnold/Born, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 55 Rn. 23; Gaiser, GmbHR 1999, 210 (211); Priester/Tebben, in: Scholz, GmbHG, § 55 Rn. 46. 77 M. Arnold/Born, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 55 Rn. 23. 78 So Lieder, in: MüKoGmbHG, § 55 Rn. 107; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Schothöfer, GmbHR 2003, 1321 (1324); zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe ausdrücklich BGH GmbHR 2015, 532 (534) – Tz. 29; ungeklärt hält die Frage, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für die Bezugsberechtigung gilt, ohne Stellungnahme Ziemons, in: BeckOK/GmbHG, § 55 Rn. 71a; ohne auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG einzugehen wird zudem vielfach nur erwähnt, der „Gesellschafter“ sei bezugsberechtigt, vgl. etwa BGH GmbHR 2005, 925 (926); M. Arnold/Born, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 55 Rn. 23; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 55 Rn. 20. 79 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 244 f.; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 55 Rn. 165; Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 55 Rn. 40; zu § 16 GmbHG a. F. Schnorbus, ZGR 2004, 126 (136); allgemein zur Voraussetzung der Eintragung für die Entstehung des neuen Mitgliedschaftsrechts BGHZ 140, 258 (260) = GmbHR 1999, 287.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Gesellschaft hat stattdessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen einer verzögerten Erhöhung abzuwägen, ob sie die Kapitalerhöhung durchführt oder bis zur gerichtlichen Klärung der Listenkorrektur aufschiebt. Entscheidet die Gesellschaft sich für die zügige Erhöhung, darf sie sich wegen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf die Legitimation des Listengesellschafters verlassen. Die Grenze des Rechtsmissbrauchs darf dabei aber nicht überschritten werden.80 Kannte der materielle Gesellschafter dagegen die Unrichtigkeit der Liste nicht oder wurde trotz Kenntnis nicht tätig, ist er im Nachgang zur Kapitalerhöhung durch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis gegen den unberechtigten Listengesellschafter geschützt (sog. nachträgliche Schutzmöglichkeit). Die Ausgleichsansprüche sind zwingende Folge des § 16 Abs. 1 GmbHG, der Rechtssicherheit schaffen soll, indem die Ausübungsbefugnis abgespalten wird, aber nicht in die Vermögenszuordnung endgültig eingegriffen wird.81 Der wahre Gesellschafter kann demnach von dem zu Unrecht an der Kapitalerhöhung beteiligten Listengesellschafter die Abtretung („Herausgabe“) des durch die Kapitalerhöhung entstandenen Anteils nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB oder – wenn der Anteil schon weiterübertragen wurde – Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB oder – bei unentgeltlicher Weiterübertragung – Rückübertragung von dem Begünstigten nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen. Im Gegenzug kann der Listengesellschafter die von ihm auf den neu entstandenen Anteil bereits erbrachten Einlageleistungen von dem materiellen Gesellschafter im Innenverhältnis im Wege der Aufwendungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB herausverlangen und diesen Anspruch einredeweise geltend machen. Kondiktionsansprüche bestehen ferner, wenn eine unrichtige Gesellschafterliste nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses, aber vor Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 3 GmbHG) korrigiert wird. Der vormals zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter verliert seinen konkreten Bezugsanspruch durch die Listenkorrektur nicht. Allerdings kann der materiell-rechtliche Gesellschafter und gleichzeitig neue Listengesellschafter die Abtretung des konkreten Bezugsanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB verlangen. Nach erfolgter Abtretung kann der materielle Gesellschafter von der Gesellschaft die Annahme seiner Übernahmeerklärung fordern und die Einlagen erbringen. Sollte der Übernahmevertrag bereits mit dem falschen Listengesellschafter zustande gekommen sein, kann der materielle Gesellschafter vor Wirksamwerden der Kapitalerhöhung von ihm auf bereicherungsrechtlicher Grundlage und von der Gesellschaft auf mitgliedschaftlicher Grundlage die Anmeldung zu dem Handelsregister stoppen, die Aufhebung des korporationsrechtlichen Übernahmevertrages verlangen, selbst eine Übernahmeerklärung abgeben und eine Anmeldung zu dem Register, in der der 80

Siehe zur Grenze des Rechtsmissbrauchs unten Kapitel 4 D. II. 3. A. A. zur Verschmelzung Leyendecker-Langner, ZGR 2015, 516 (545 f.). Er sieht in § 20 UmwG einen Rechtsgrund des „Scheingesellschafters“ zum Behaltendürfen und beruft sich auf den Zweck des § 16 Abs. 1 GmbHG. Diese Ansicht überzeugt aber weder für die Verschmelzung noch für die Kapitalerhöhung. 81

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Kap. 3: Legitimationswirkung

materielle Gesellschafter in der Übernehmerliste nach § 57 Abs. 3 Nr. 2 GmbHG aufscheint, fordern. Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister wird der materielle Gesellschafter nach Abschluss des Übernahmevertrages materiell an der Erhöhung beteiligt. Der materielle Gesellschafter könnte nach der Listenkorrektur als weitere Option – sollte er über die erforderliche einfache Mehrheit verfügen –, den Satzungsänderungsbeschluss aufheben oder die Geschäftsführer zur Rücknahme der Anmeldung anweisen.82 bb) Effektive Kapitalerhöhung durch Aufstockung bestehender Geschäftsanteile Eine effektive Kapitalerhöhung kann auch durch Aufstockung der einzelnen Nennbeträge erfolgen. Zulässig ist die Aufstockung in Abweichung zu § 55 Abs. 3 GmbHG, wenn die zu erhöhenden Anteile noch vollständig von den Gründern gehalten werden oder die Einlagen vollständig eingezahlt sind.83 Problematisch ist erneut, wem der erhöhte Geschäftsanteil nach einer Kapitalerhöhung auf Grundlage einer falschen Gesellschafterliste zusteht. Teilweise wird vertreten, der im Nennbetrag erhöhte Geschäftsanteil müsse einheitlich und ungeteilt dem materiellen Rechtsinhaber vollständig zustehen (sog. strenge Einheitlichkeitstheorie).84 Andere gehen ebenfalls von einem einheitlichen Anteil aus, wollen diesen aber gemeinschaftlich als Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB, § 18 GmbHG) – nicht als Gesamthandsgemeinschaft –85 dem zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter und dem materiellen Gesellschafter zuweisen (sog. eingeschränkte Einheitlichkeitstheorie).86 Hiergegen wird vorgetragen, dass trotz der einheitlichen Nennbetragserhöhung der Anteil – entgegen des Kapitalerhöhungsbeschlusses – getrennt behandelt werden müsse. Der Ausgangsgeschäftsanteil verbleibe bei dem materiellen Rechtsinhaber, während der aufgestockte Teil als selbstständiger Anteil dem Listengesellschafter zustehe (sog. Trennungslösung).87 82

Vgl. zur Aufhebungsbefugnis Harbarth, in: MüKoGmbHG, § 54 Rn. 116. Grundlegend BGHZ 63, 116 ff. (insbesondere 118) = NJW 1975, 118 f.; ferner BGH GmbHR 2013, 869 – Tz. 10; mit ausführlicher dogmatischer Begründung zur teleologischen Reduktion des § 55 Abs. 3 GmbHG siehe Lieder, in: MüKoGmbHG, § 55 Rn. 58 f. m. w. N. 84 Schnorbus, ZGR 2004, 126 (136 f.) zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. 85 In Abgrenzung zur Bruchteilsgemeinschaft scheidet eine Lösung über eine Gesamthandsgemeinschaft von vornherein aus, da zwischen dem wahren Gesellschafter und dem Listengesellschafter typischerweise keine GbR, Erben- oder Gütergemeinschaft und damit kein Sondervermögen entsteht. 86 Schothöfer, GmbHR 2003, 1321 (1324 f.) zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. 87 So wohl Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 247; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 55 Rn. 165, allerdings in diesem Punkt ohne ausdrückliche Differenzierung der unterschiedlichen Möglichkeiten der effektiven Kapitalerhöhung; offenlassend Leyendecker-Langner, ZGR 2015, 516 (532 Fn. 71). 83

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Dogmatisch sauber ist die Trennungslösung.88 Der Kapitalerhöhungsbeschluss, der die Aufstockung vorsieht, wird dabei in einen Erhöhungsbeschluss umzudeuten sein, der einen neuen Anteil schafft statt den Nennbetrag eines alten Anteils erhöht. Wenn der Listengesellschafter an der effektiven Kapitalerhöhung demnach mitgewirkt hat, den Übernahmevertrag mit der Gesellschaft geschlossen hat und die Registereintragung erfolgt ist, entsteht der Erhöhungsteil des Anteils originär89 in der Person des Listengesellschafters. Nur er hat die Grundlage der Schaffung des erhöhten Anteils durch den Abschluss des Übernahmevertrages geschaffen. Die strenge Einheitlichkeitstheorie übersieht diesen Aspekt der rechtsgeschäftlichen Entstehung. Auch die eingeschränkte Einheitlichkeitstheorie über das Bruchteilsrecht zeigt dogmatische Schwächen. Schon ist schwer zu begreifen, wieso der materielle Rechtsinhaber des Ausgangsanteils nach der Erhöhung nicht mehr die alleinige, sondern „beschwerte“ gemeinschaftliche (§ 741 BGB, § 18 GmbHG) materielle Berechtigung an dem nicht erhöhten Anteil innehaben soll. Zudem übersieht sie, dass Bruchteilsgemeinschaften an Geschäftsanteilen nur durch Rechtsgeschäft und nicht – wie etwa bei Sachen (§ 1008 BGB) – kraft Gesetzes entstehen können.90 Eine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem beteiligten Listengesellschafter und dem wahren Berechtigten liegt jedoch fern. Folgt man der Trennungslösung bleibt der materielle Gesellschafter – wie oben – über bereicherungsrechtliche Abtretungsansprüche in Ansehung des erhöhten Anteils geschützt. So richtig dieser dogmatische Befund im Grundsatz ist, so schwierige praktische Probleme gehen mit der Trennungslösung bei der Aufstockung nach einer Euroumstellung zur Glättung der krummen Beträge91 einher. Nach der Euroumstellung würden krumme Aufstockungsbeträge entstehen und damit in der Person des falschen Listengesellschafters ein krummer eigenständiger Anteil gebildet werden. Mit § 5 Abs. 2 Satz 1 GmbHG wäre diese Lösung unvereinbar. Die Kapitalerhöhung würde scheitern.92 Ein Scheitern als Folge der unrichtigen Gesellschafterliste wäre mit dem Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG schwer zu vereinbaren. Die Diskrepanz kann erneut durch eine Umdeutung des Erhöhungsbeschlusses, Hineinlesen eines konkludent mitgefassten Teilungsbeschlusses sowie durch Schaffung von selbständigen Teilrechten nach § 57k Abs. 1 GmbhG analog überwunden werden. Anstelle der Aufstockung ist der Beschluss zunächst dahingehend umzudeuten, dass auf volle Euro ein neuer Anteil gebildet wird und in Ansehung des verbleibenden „krummen“ Spitzenbetrags ein selbständiges Teilrecht analog § 57k Abs. 1 GmbhG gebildet wird. Darüber hinaus ist der Ursprungsanteil durch konkludent mitgefassten 88

So schon Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 247. Vgl. etwa Lieder, in: MüKoGmbHG, § 55 Rn. 192; s. a. Habel, GmbHR 2000, 267 (268). 90 Siehe Reichert/Weller, in: MüKoGmbHG, § 18 Rn. 15 f. 91 Krumme Beträge entstehen, weil für die Euroumstellung der unwiderruflich festgelegte Umrechnungskurs gemäß 1 Euro = 1,95583 DM maßgeblich ist, vgl. Art. 1 VO (EG) Nr. 2866/ 98 des Rates vom 31. 12. 1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen, ABl. EG Nr. L 359, S. 1. 92 Vgl. Habel, GmbHR 2000, 267 (270). 89

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Teilungsbeschluss in einen auf volle Euro „abgeglätteten“ Anteil und bezüglich des krummen Rests in ein selbständiges Teilrecht nach § 57k Abs. 1 GmbhG analog zu teilen. Die beiden krummen Teilrechte stehen somit verschiedenen Personen zu, nämlich dem materiellen Gesellschafter des Ursprungsanteils einerseits und dem formellen Gesellschafter betreffend den Erhöhungsbetrag andererseits. Damit mitgliedschaftliche Rechte aus den Teilrechten geltend gemacht werden können, ist zuletzt der Zusammenschluss nach §57k Abs. 2 GmbhG analog im Wege der Auslegung herzuleiten. Dieser Vorschlag ist eine Kombination der Trennungslösung mit bekannten Elementen der nominellen Erhöhung (Teilrechte nach § 57k GmbhG). Die Lösung ermöglicht es, durch Auslegung und Umdeutung des Beschlusses ein konstruktiv zwar schwieriges, dogmatisch aber sauberes Konzept bei Euroumstellungen zu erreichen. cc) Nominelle Kapitalerhöhung Anders als bei der effektiven Kapitalerhöhung erfolgt bei einer nominellen Kapitalerhöhung nach §§ 57c ff. GmbHG die Erhöhung der Stammkapitalziffer aus Gesellschaftsmitteln. Es ist weder ein rechtsgeschäftlicher Übernahmevertrag noch eine Einlageerbringung für die Entstehung der Mitgliedschaft vorgeschrieben. Die neuen Geschäftsanteile entstehen vielmehr mit Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister kraft Gesetzes und sind nach § 57j Satz 1 GmbHG unmittelbar den „Gesellschaftern“ im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zugeordnet. Fraglich ist, wer durch § 57j Satz 1 GmbHG mit „Gesellschafter“ gemeint ist. Teilweise wurde vertreten, im Verhältnis zur Gesellschaft erwerbe nur der Listengesellschafter materiell den erhöhten Anteil, im Übrigen – also im Verhältnis zu Dritten – der materielle Rechtsinhaber.93 Diese Ansicht führt im Ergebnis zu einer Duplizität der materiellen Gesellschafterstellung, die – wie oben gesehen –94 als dogmatischer Anker für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wenig überzeugt. Die materielle Rechtsinhaberschaft des erhöhten Teils des Geschäftsanteils darf nicht verdoppelt werden und hat deswegen entweder dem Listengesellschafter oder dem materiellen Gesellschafter umfassend zuzustehen. Nach anderer, zutreffender Ansicht soll der erhöhte Anteil dem materiellen Gesellschafter – und nicht dem Listengesellschafter – zugeordnet werden, obwohl der materiell Berechtigte nicht an dem Erhöhungsbeschluss mitgewirkt hat.95 Das soll 93 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 57j Rn. 1; a. A. aber die Nachauflage Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 57j Rn. 1. 94 Siehe Kapitel 2 C. I. 1. 95 So auch Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 17; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 34; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 244 f.; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57j Rn. 3; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 78; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 57j Rn. 1; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 14; zu § 16 Abs. 1

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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sowohl für die nominelle Erhöhung durch Aufstockung als auch durch Schaffung neuer Anteile gelten.96 Der Wortlaut des § 57j Satz 1 GmbHG legt dieses Verständnis nahe: „Die neuen Geschäftsanteile stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zu“97. Zu dem Zeitpunkt der Kapitalerhöhung verfügen bisher nur die materiellen Gesellschafter über Geschäftsanteile. Dem Listengesellschafter ist über § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG lediglich die Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte aus den Geschäftsanteilen der materiellen Rechtsinhaber zugeordnet. Überdies waren vor der Kapitalerhöhung die Rücklagen wirtschaftlich dem materiellen Rechtsinhaber zugeordnet. Mit der nominellen Kapitalerhöhung werden diese Rücklagen in eine andere Form der Beteiligung des materiell Berechtigten am GmbH-Vermögen umgewandelt, nicht aber auf einen anderen Rechtsträger übertragen.98 Der materielle Gesellschafter erwirbt sogar selbst dann den erhöhten Anteil, wenn der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter im Erhöhungsbeschluss ausdrücklich als Übernehmer der Anteile genannt ist. Durch eine gesetzeskonforme Auslegung des Erhöhungsbeschlusses kann dieses Ergebnis erreicht und eine konsistente Lösung geschaffen werden, da andernfalls der Beschluss nach § 57j Satz 2 GmbHG nichtig wäre.99 dd) Legitimationswirkung nach erfolgter Kapitalerhöhung Ungeachtet der Tatsache, wem die erhöhten Anteile materiell-rechtlich zustehen, bleibt für die relative Gesellschafterstellung weiterhin der Inhalt der Gesellschafterliste maßgeblich.100 Daher ist nach einer Listenänderung durch den Notar (§ 40 Abs. 2 GmbHG) infolge der Kapitalerhöhung der für den neuen oder erhöhten Anteil ausgewiesene Listengesellschafter legitimiert. Unterbleibt die Listenänderung, steht der neue Anteil im Verhältnis zur Gesellschaft niemandem zu. Insbesondere kann sich der bisher eingetragene Listengesellschafter nicht auf die bisherige Legitimationswirkung in Bezug auf den neu geschaffenen erhöhten Anteil berufen.101 Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist nur der Inhalt der Gesellschafterliste maßgeblich. Der

GmbHG a. F. Schnorbus, ZGR 2004, 126 (137); U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (647 ff.). 96 Zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (648). 97 Hervorhebung durch den Autor. 98 Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57j Rn. 3; ausdrücklich zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (648). 99 Grundlegend U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (648 f.) – „falsa demonstratio“; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57j Rn. 4. 100 Vgl. etwa Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 34. 101 Anders nach alter Rechtslage: Die Anmeldung (§ 16 Abs. 1 GmbHG a. F.) bestand als Legitimationsgrundlage auch für den erhöhten Anteil fort; vgl. U. Stein, in: Festschrift P. Ulmer, S. 643 (650 f.).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Notar hat daher die Kapitalerhöhung sorgfältig zu überwachen und nach Registereintragung unverzüglich die geänderte Liste bei dem Registergericht einzureichen.102 h) Sonstige Rechte Des Weiteren steht das Preisgaberecht nach § 27 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in Fällen einer unbeschränkten Nachschusspflicht der Gesellschafter dem Listengesellschafter zu. Zudem kann der Listengesellschafter, wenn er Alleingesellschafter ist, die Gesellschaft auflösen und löschen lassen, sogar wenn er nicht der materiell berechtigte Gesellschafter ist. Sofern schließlich die Gesellschafterstellung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der abhängigen Beschäftigung i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV relevant ist, kommt es ebenfalls auf den Inhalt der Gesellschafterliste an.103 3. Pflichten der Listengesellschafter Der Listengesellschafter kann sich sowohl auf die aktive als auch auf die passive mitgliedschaftliche Ausübungsbefugnis berufen.104 Die passive Ausübungsbefugnis besagt, dass nur den Listengesellschafter die mitgliedschaftlichen Pflichten treffen,105 nicht aber rein schuldrechtliche Pflichten, wie etwa Darlehensverbindlichkeiten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft.106 a) Einlagen- und Nachschusspflichten Zunächst haftet der Listengesellschafter unstreitig für die Einlagepflichten (§§ 7 Abs. 2, 14, 19 GmbHG), Nachschusspflichten (§§ 26 ff. GmbHG), nach den Grundsätzen der Differenzhaftung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (ggf. i. V. m. § 56 Abs. 2 GmbHG) sowie für Verluste in der Gründungsphase nach den Grundsätzen der Unterbilanz-/Vorbelastungshaftung. Im Falle der Anteilsveräußerung haftet nach

102 Weitergehend u. a. Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57 Rn. 21: Zugelassen werden soll auch das gleichzeitige Einreichen der Liste mit der Anmeldung der Kapitalerhöhung unter Anweisung an das Registergericht, die Liste erst nach Eintragung aufzunehmen. 103 Vgl. LSG Rheinland-Pfalz BeckRS 2021, 3515 Rn. 28; Prodan, NZG 2022, 449 (450 f.). 104 Siehe oben Kapitel 2 C. II. 1. 105 Offengelassen noch von BGH NJW 2019, 993 (998) – Tz. 71; BGH NJW 2021, 622 (623) – Tz. 15; wie hier i. Erg. die ganz h. M.: OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 26, 36; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 53 ff.; Hasselmann, NZG 2009, 409 (410); Lieder/Becker, GmbHR 2019, 441 (448); Miller, NJW 2019, 998 (999); ders., ZIP 2020, 62 (64); ders., NJW 2021, 625 (626); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 36; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 3; a. A. Foerster, NZG 2019, 464 (465 f.); ders., NZG 2021, 374 f. 106 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 36.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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§ 16 Abs. 2 GmbHG zudem der ehemalige Listengesellschafter als Veräußerer neben dem aktuellen Listengesellschafter.107 b) Kaduzierungsverfahren, §§ 21 ff. GmbHG Wegen Nichterbringung der Einlageleistungen kann der Anteil kaduziert werden. Das Kaduzierungsverfahren richtet sich nach § 21 GmbHG gegen den „säumigen Gesellschafter“. aa) Maßgeblichkeit der Listenposition Obwohl Einigkeit darüber besteht, dass der „säumige Gesellschafter“ grundsätzlich formal legitimiert sein muss,108 divergieren die Ansichten bei der Frage, ob eine Kaduzierung gegenüber einem falschen, nicht materiell berechtigten Listengesellschafter ausnahmsweise nicht doch ausgeschlossen sein müsse. Manche meinen, die Kaduzierung könne nur wirksam gegen einen materiellen Rechtsinhaber erfolgen; das Kaduzierungsverfahren gegen einen zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter müsse daher ins Leere gehen.109 Das Risiko der materiellen Berechtigung des Listengesellschafters trüge die Gesellschaft. Begründet wird dieser Ansatz mit der fehlenden Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 GmbHG auf § 21 Abs. 2 GmbHG. Die Kaduzierung führt zu einem Übergang des Anteils auf die Gesellschaft kraft Gesetzes und erfolgt nicht rechtsgeschäftlich.110 Daher scheide ein gutgläubiger Erwerb der Gesellschaft aus.111 Andere vertreten, die Kaduzierung hat gegenüber dem Listengesellschafter zu erfolgen.112 Rechtsdogmatisch überzeugt dies. Die Argumentation der erstgenannten 107 Siehe etwa P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 9 Rn. 4; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 9 Rn. 5; ausführlich Kapitel 3 B. III. 108 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 21 Rn. 2; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 21 Rn. 47 ff., 93; Kersting, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 21 Rn. 7; Saenger, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 21 Rn. 8; Schütz, in: MüKoGmbHG, § 21 Rn. 31, 82; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 21 GmbHG Rn. 10; Wiersch, ZGR 2015, 591 (605 f.); zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 147. 109 Siehe etwa Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 22 Rn. 7 ff.; ferner Kersting, in: Noack/ Servatius/Haas, GmbHG, § 21 Rn. 7 – Wertungswiderspruch zur 3-jährigen Karenzzeit des § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, wenn der wahre Gesellschafter jederzeit durch die Kaduzierung von einem falschen Listengesellschafter seines Anteils verlustig gehen kann. 110 Heute h. M., siehe etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 21 Rn. 15; Leuschner, in: GroßkommGmbHG, § 21 Rn. 64; Schütz, in: MüKoGmbHG, § 21 Rn. 102; (noch) a. A. – Gesellschaft erwirbt Anteil nicht selbst, kann aber über ihn verfügen – BGHZ 42, 89 (92) unter Verweis auf RGZ 98, 276. 111 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 22 Rn. 7 ff. 112 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 21 Rn. 2; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 21 Rn. 47 ff., 93; Saenger, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 21 Rn. 8; Schütz, in:

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Ansicht unter Verweis auf die fehlende Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 GmbHG ist insoweit ungenau, als es für die Frage, ob das Kaduzierungsverfahren Erfolg haben wird, nicht auf § 16 Abs. 3 GmbHG, sondern auf die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ankommt. § 16 Abs. 3 GmbHG erlaubt den rechtsgeschäftlichen Erwerb vom Nichtberechtigten. Hierum geht es im Rahmen des Kaduzierungsverfahrens allerdings nicht. Die Kaduzierung ist ein Verfahren zur Sicherung der Kapitalaufbringung in der GmbH, mithin eine originär mitgliedschaftliche Angelegenheit, auf die § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Anwendung findet. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG müssen für eine wirksame Kaduzierung weder vorliegen noch wertungsmäßig erfüllt sein. Zudem spricht der Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 1 GmbHG für die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auch bei einem zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter. Zur Einlagenerbringung als Kapitalbeschaffungsmaßnahme ist unstreitig auch der (falsche) Listengesellschafter verpflichtet. Zahlt er nicht, erklärt die Gesellschaft den „säumigen“ – also verpflichteten – Gesellschafter „seines“ Anteils für verlustig. Säumig war aber nur der (falsche) Listengesellschafter. Also hat die Kaduzierung ebenfalls gegenüber dem (falschen) Listengesellschafter zu erfolgen. Im Übrigen soll die Gesellschaft durch die Legitimationswirkung gerade vor Unsicherheiten der materiellen Berechtigung des Listengesellschafters in mitgliedschaftlichen Angelegenheiten geschützt werden. Richtigerweise ist demnach mit „Gesellschafter“ i. S. d. § 21 Abs. 2 Satz 1 GmbHG der Listengesellschafter – und damit auch der zu Unrecht Eingetragene – gemeint. bb) Wirkung der Kaduzierung Wird zutreffend die Kaduzierung eines GmbH-Anteils von einem zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter zugelassen, wird er „seines“ Anteils nach § 21 Abs. 2 Satz 1 GmbHG unwiderruflich verlustig erklärt. Der Listengesellschafter ist aber nicht Inhaber eines Anteils, dessen er verlustig erklärt werden könnte. § 21 Abs. 2 Satz 1 GmbHG meint aber nicht den Anteil des Listengesellschafters, sondern den materiellen Anteil, von dem der Listengesellschafter seine Befugnis abgespalten hat. Der materielle Gesellschafter verliert somit durch die Kaduzierung von einem zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter seinen Geschäftsanteil. Der Anteil geht kraft Gesetzes auf die Gesellschaft über.113 Die Gesellschaft kann über den Anteil nicht frei verfügen, sondern ist gemäß § 25 GmbHG streng an das Kaduzierungsverfahren nach §§ 22 – 24 GmbHG gebunden.114 Zunächst muss versucht werden, die MüKoGmbHG, § 21 Rn. 31, 82; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 21 GmbHG Rn. 10; Wiersch, ZGR 2015, 591 (605 f.); zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 147. 113 H. M. Leuschner, in: GroßkommGmbHG, § 21 Rn. 64; Schütz, in: MüKoGmbHG, § 21 Rn. 102. 114 Kersting, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 21 Rn. 12; Leuschner, in: GroßkommGmbHG, § 21 Rn. 64.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Stammeinlage von den vormals formal legitimierten Rechtsvorgängern nach § 22 GmbHG einzuziehen oder durch Verkauf des Geschäftsanteils nach § 23 GmbHG zu decken. Gelingt dies nicht, haben die übrigen Mitgesellschafter gemäß § 24 Satz 1 GmbHG – gemeint sind auch hier die Listengesellschafter –115 den Fehlbetrag nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile (pro rata) aufzubringen. Diese Lösung und die strenge Orientierung an der Listenposition sind durch den absoluten Verkehrsschutztatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Interesse der Rechtssicherheit für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr vorgegeben. Die Gesellschaft, deren Gläubiger und ein etwaiger Ersteigerer des Anteils müssen sich darauf verlassen können, dass eine Verwertung eines GmbH-Anteils im Kaduzierungsverfahren gegen einen Listengesellschafter Bestand hat, unabhängig von der materiellen Berechtigung des betroffenen Listengesellschafters. Obwohl der materielle Gesellschafter seinen Anteil verliert, ist die Lösung interessengerecht. Da der Anteil nicht vernichtet wird, kann der materielle Gesellschafter auf unterschiedlichem Wege wieder Inhaber des Anteils werden. War er vormals als Rechtsvorgänger in die Gesellschafterliste eingetragen, haftet er nach § 22 Abs. 1 GmbHG und kann durch eine Begleichung der Einlagenschuld den Anteil gemäß § 22 Abs. 4 GmbHG erwerben.116 War er dagegen nicht voreingetragen, besteht für ihn einzig die Möglichkeit, i. R. d. öffentlichen Versteigerung (§ 23 GmbHG) den Anteil zu erwerben. Erbringt er allerdings keine Einlageleistung, ist er nicht schutzbedürftig. Denn auch wenn der materielle Gesellschafter im Zeitpunkt der Kaduzierung formal legitimiert gewesen wäre, hätte das Kaduzierungsverfahren bei Verweigerung der Einlageleistung durchgeführt werden können. c) Haftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG Ähnlich wie der Tatbestand des § 24 GmbHG ist die Ausfallhaftung der „übrigen Gesellschafter“ in § 31 Abs. 3 GmbHG als Haftung pro rata konzipiert, wenn an einen Gesellschafter nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Zahlungen geflossen sind und diese von dem Leistungsempfänger nicht zurückgezahlt werden können. Die Ausfallhaftung ist eine mitgliedschaftliche Pflicht zur Wiederauffüllung des Haftungsfonds. Daher werden als die „übrigen Gesellschafter“ in § 31 Abs. 3 Satz 1 GmbHG die Listengesellschafter verstanden.117 Es haftet jeder Listengesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG, der im Zeitpunkt der verbotswidrigen Auszahlung – und 115

Ausdrücklich Schütz, in: MüKoGmbHG, § 24 Rn. 33 ff.; inzident wohl auch BGH ZIP 2018, 2018 (2020 ff.) – Tz. 19 ff. 116 Vgl. zum Erfordernis der Voreintragung zur Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 22 Rn. 4a; Kersting, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 22 Rn. 4; Kuntz, in: Gehrlein/ Born/Simon, GmbHG, § 22 Rn. 4; Miller, ZIP 2020, 62 (65); Schütz, in: MüKoGmbHG, § 22 Rn. 40; krit. zur Voreintragungsvoraussetzung für die Haftung eines nicht eingetragenen Erben als Rechtsvorgänger gemäß § 22 Abs. 1 GmbHG Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 36; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 22 GmbHG Rn. 6. 117 Vgl. Ekkenga, in: MüKoGmbHG, § 31 Rn. 62; Fleischer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 31 GmbHG Rn. 33; Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 31 Rn. 48.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

damit bei Entstehung der Ausfallhaftung118 – in der Gesellschafterliste eingetragen war. Tritt der mithaftende Gesellschafter nach der Entstehung der Haftung seinen Anteil ab, haftet neben dem Erwerber auch der Veräußerer (§ 16 Abs. 2 GmbHG) fort.119 Dies gilt auch, wenn der Veräußerer den Anteil nach der verbotswidrigen Auszahlung aber vor Zahlungsausfall des Leistungsempfängers abtritt. In dieser Lesart erinnert die Forthaftungsnorm des § 16 Abs. 2 GmbHG an die in den Jahren 1939 und 1972 vorgeschlagenen, aber nicht verabschiedeten Regelungen der § 42 Abs. 3 GmbHG RefE 1939 und § 53 Abs. 3 GmbHG RegE 1972.120 Danach sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass der Veräußerer wie beschrieben nach einer Anteilsabtretung vor Zahlungsausfall forthaftet. d) Primärhaftung nach § 31 Abs. 1 i. V. m. § 30 GmbHG Anders als die Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG stellt die Primärhaftung des Gesellschafters, der Zahlungsempfänger verbotener Rückzahlungen nach § 30 Abs. 1 GmbHG ist, keine mitgliedschaftliche, sondern eine persönliche Haftung dar.121 Haftungsgrund ist alleine die verbotswidrige Auszahlung. Adressat der Primärhaftung ist der „Empfänger“ der Zahlung. Sollte der Leistungsempfänger seinen GmbH-Anteil nachträglich veräußern, bleibt seine Primärhaftung in seiner Person bestehen. Der Erwerber haftet als neuer Listengesellschafter dagegen nicht zusätzlich vollständig für die Erstattung der verbotenen Rückzahlung nach § 16 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 i. V. m. § 30 GmbHG, sondern nur als „übriger Gesellschafter“ pro rata nach § 31 Abs. 3 GmbHG.122 Dem steht nicht entgegen, dass er Rechtsnachfolger des primär haftenden und ausgefallenen Schuldners ist. Denn die „übrigen Gesellschafter“ sind sämtliche Gesellschafter außer demjenigen, der die Auszahlung erhalten hat.123 Hiervon zu trennen ist die Frage, für wen § 30 Abs. 1 GmbHG gilt, also an welche Person das Gesellschaftsvermögen nicht ausgezahlt werden darf. § 30 Abs. 1 GmbHG nennt den „Gesellschafter“. Mit „Gesellschafter“ ist zunächst der Listen-

118 So die überwiegende und zutreffende Meinung, vgl. etwa BGH GmbHR 1991, 195; Ekkenga, in: MüKoGmbHG, § 31 Rn. 60; Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 31 Rn. 45; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 56; zur Gegenansicht, die für die Anspruchsentstehung auf den Zeitpunkt des Zahlungsausfalls des Zahlungsempfängers abstellt, vgl. Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 31 Rn. 43. 119 Im Erg. ebenso Fleischer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 31 GmbHG Rn. 33; Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 31 Rn. 46. 120 Siehe zu den Vorschriften oben Kapitel 1 C. III. und Kapitel 1 D. II. 121 Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 31 Rn. 15; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 5; a. A. OLG Köln GmbHR 2011, 648 (650). 122 So Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 58; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 5; a. A. OLG Köln GmbHR 2011, 648 (650). 123 Verse, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 53.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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gesellschafter gemeint.124 Erfasst werden aber nach allgemeiner Meinung in erweiterter Auslegung auch künftige und ausgeschiedene (Listen-)Gesellschafter, wenn die Zahlung mit Rücksicht auf die künftige oder frühere Mitgliedschaft erbracht wurde.125 Der Grundsatz der Kapitalerhaltung und der Schutz der Gläubiger der Gesellschafter streitet hier entscheidend für eine Auszahlungssperre. Aus dem gleichen Grund müssen auch Auszahlungen an materielle Nichtlistengesellschafter verboten sein, wenn die Zahlungen mit Rücksicht auf die materielle Gesellschafterstellung erbracht werden.126 e) Nebenleistungspflichten Zusätzlich können in dem Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern weitere Pflichten auferlegt werden, sog. Nebenleistungspflichten nach § 3 Abs. 2 GmbHG.127 Durch Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag tritt eine statutarische, nicht nur schuldrechtliche Bindung der Gesellschafter ein. Die Pflichten werden somit zu mitgliedschaftlichen Pflichten, für die der Listengesellschafter einzutreten hat.128 f) Treuepflichten Ungeschriebene, mittlerweile aber allgemein anerkannte gesetzliche (Neben-) Pflicht129 der Gesellschafter ist die sog. Treuepflicht.130 Sie besteht im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft,131 aber auch zwischen den Gesellschaftern unter124 Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 30 Rn. 68, § 31 Rn. 48; Hommelhoff, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 18; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 29. 125 Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 33 f.; siehe ähnlich zur AG, aber mit der zusätzlichen Voraussetzung eines engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs bereits BGH NZG 2008, 106 – Tz. 13. 126 Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 2, 29. 127 Beispiele für vertraglich vereinbarte mitgliedschaftliche Nebenleistungspflichten sind Wettbewerbsverbote, Geschäftsführungspflichten sowie Kreditgewährungs- oder Gebrauchsüberlassungspflichten; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 2 b). 128 Ebenso Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 3. 129 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 2 d); die Treuepflicht als mitgliedschaftliche Hauptpflicht vertritt dagegen etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 29 m. w. N. 130 Vgl. zu Treuebindungen im Recht der GmbH BGHZ 76, 352 (355) = NJW 1980, 1278 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 29 ff.; Dreher, DStR 1993, 1632 ff.; Fastrich, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 13 Rn. 20 ff.; Lieder, in: Michalski et al., GmbHG, § 13 Rn. 131 ff. m. w. N. Treubindungen durch die Mitgliedschaft sind ein allgemeines Rechtsprinzip und daher auch für die AG anerkannt; vgl. grundlegend BGHZ 103, 184 (194 f.) = NJW 1988, 1579 (1581 f.) – Linotype mit zust. Anm. Timm, NJW 1988, 1582 f.; BGHZ 129, 136 = NJW 1995, 1739 – Girmes. 131 BGHZ 9, 157 (163) = NJW 1953, 780 (781); BGHZ 14, 25 (38); Priester, ZGR 1993, 512 (515 ff.); M. Winter, ZGR 1994, 570 ff.; Treuepflichten eines Gesellschafters gegenüber der

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Kap. 3: Legitimationswirkung

einander.132 Grund für die Geltung der Treuepflichten sind die durch die Mitgliedschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschafter auf Interessen anderer Gesellschafter.133 Weil nur der Listengesellschafter mitgliedschaftliche Rechte geltend machen kann, hat er in besonderer Weise die Möglichkeit, auf die Interessen anderer Gesellschafter einzuwirken. Es liegt daher nahe, dem relativen Gesellschafter die Treuepflichten zuzusprechen. Kann nämlich nur der Listengesellschafter durch Beschlussfassungen die Interessen der Mitgesellschafter beeinflussen, so drängt es sich auf, auch ihn den Treuepflichten zu unterwerfen. Die Treuepflicht gilt dann im Verhältnis zur Gesellschaft und im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern; der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG („im Verhältnis zur Gesellschaft“) offenbart sich insoweit erneut als ungenau.134 Die Treuepflicht stellt in dieser Ausgestaltung eine Schranke der eigennützigen Stimmrechtsausübung des Gesellschafters dar.135 Die allgemeine Treuepflicht trifft aber nicht ausschließlich den Listengesellschafter, sondern kann als vor- und nachmitgliedschaftliche Treuepflicht auch künftige oder ausgeschiedene (Listen-)Gesellschafter adressieren, soweit eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeit auf die Interessen der GmbH und ihre Gesellschafter besteht.136 Unklar ist, ob auch einen materiellen, aber nicht eingetragenen Gesellschafter Treuepflichten treffen können. Treuepflichten, denen nur der legitimierte Gesellschafter genügen kann, wie etwa Stimmrechte, führen ins Leere. Demgegenüber kann sie als allgemeine Pflicht für Nichtlistengesellschafter relevant werden. Die Treuepflicht ist das wichtigste Regulativ für das erfolgreiche Zusammenwirken der Gesellschafter und beschreibt u. a. ein allgemeines Schädigungsverbot.137 Insoweit kann auch ein materieller, aber nicht eingetragener Gesellschafter zur Treue berufen sein. Dies gilt etwa, wenn er als Gesellschafter nach außen auftritt und sich über die GmbH gegenüber Dritten in kreditschädigender Art und Weise äußert. GmbH bestehen außerhalb der Gefährdung von Gläubigerinteressen, aber nicht bei Ein-Personen-Gesellschaften: BGHZ 119, 257 (262) = GmbHR 1993, 38 (39); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 38 Rn. 36 (S. 481) m. w. N. Im Übrigen können die mitgliedschaftlichen Treuebindungen auch die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern zur Berücksichtigung der Gesellschafterinteressen verpflichten. Die GmbH darf daher unberechtigte Vorteile an einen Gesellschafter zum Nachteil der Mitgesellschafter nicht verdeckt gewähren; siehe dazu BGH GmbHR 1992, 104 (105); vgl. auch Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 14 GmbHG Rn. 92 m. w. N. 132 Grundlegend BGHZ 65, 15 (18 f.) = NJW 1976, 191 – ITT, mit Anm. P. Ulmer, NJW 1976, 192 f.; s. a. BGHZ 103, 184 (194 f.) = NJW 1988, 1579 (1581 f.) – Linotype. 133 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 29. 134 Siehe schon zur Gesellschafterklage oben Kapitel 3 B. I. 1. d). 135 Vgl. BGHZ 14, 25 (38); OLG Düsseldorf (Kartellsenat), Urteil v. 26. 6. 2008, VI-U (Kart) 26/07 – juris Rn. 84 („bewegliche Stimmrechtsschranken“); LG Saarbrücken, Urteil v. 10. 8. 2010, 4 O 174/08 – juris Rn. 66; s. a. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 29. 136 Bayer/Selentin, in: Festschrift 25 Jahre DNotI, S. 391 (401); Lieder, in: Michalski et al., GmbHG, § 13 Rn. 147 f. 137 Merkt, in: MüKoGmbHG, § 13 Rn. 150 ff.; Raiser, in: GroßkommGmbHG, § 14 Rn. 76.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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g) Insolvenzantragspflicht bei Führungslosigkeit, § 15a Abs. 3 InsO Bei führungslosen Gesellschaften mit beschränkter Haftung haben die Gesellschafter die Pflicht und als Ausfluss dieser Pflicht das Recht zur Stellung eines Insolvenzantrags, §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 15a Abs. 3 InsO. Fallen die Personen des wahren und relativen Gesellschafters auseinander, stellt sich das Problem, wen die Pflicht gemäß § 15a Abs. 3 GmbHG trifft. Es wird geäußert, „Gesellschafter“ i. S. d. § 15a Abs. 3 InsO sei nur der wahre Gesellschafter.138 Wenn der Gesellschafter den Insolvenzantrag bei dem zuständigen Insolvenzgericht stellt, handele er nicht im Verhältnis zur Gesellschaft und trete daher nicht als relativer Gesellschafter auf.139 Überdies ist die Unterlassung der Antragstellung nach § 15a Abs. 4, 5 InsO strafbewehrt. Straftatbestände müssen hinreichend bestimmt gefasst sein, Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. Bestimmt sei der Straftatbestand nur, wenn mit „Gesellschafter“ der materiell-rechtliche Gesellschafter gemeint sei. Wer den Listengesellschafter als „Gesellschafter“ ansieht, überdehne in verfassungswidriger Weise den Wortlaut des § 15a Abs. 3, 4, 5 InsO.140 Richtig ist an der vorgenannten Sichtweise zwar, dass der Gesellschafter bei Stellung des Insolvenzantrags nicht unmittelbar im Verhältnis zur Gesellschaft handelt. Das für sich genommen steht der Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG indes nicht entgegen. Die Insolvenzantragspflicht ist eine Pflicht, welcher der Gesellschafter bei Führungslosigkeit der Gesellschaft anstelle der organschaftlichen Vertreter nachzukommen hat. Es handelt sich um eine verbandsinterne, quasiorganschaftliche und mitgliedschaftliche Pflicht.141 Mitgliedschaftliche Pflichten sind an den Listengesellschafter zu adressieren. Dass der Insolvenzantrag bei dem Insolvenzgericht und nicht im Verhältnis zur Gesellschaft gestellt wird, ändert an dem mitgliedschaftlichen Charakter der Antragspflicht nichts. Die Antragsadressatenstellung des Insolvenzgerichts ist eine technische und zweckbedingte Notwendigkeit, um den Schutz der Gläubiger der Gesellschaft durch das Insolvenzverfahren zu gewähren, wirkt sich aber auf die verbandsintern bestehende Insolvenzantragsplicht der Gesellschafter nicht aus. Weiter bedürfen die verfassungsrechtlichen Bedenken einer Überprüfung. Nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit vor der Tatbegehung gesetzlich bestimmt war. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit sind durch den Gesetzgeber so konkret zu umschreiben, dass „Tragweite 138

Berger, ZInsO 2009, 1977 (1982); Herrler, GmbHR 2013, 617 (629); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 15 Rn. 2a, § 15a Rn. 62; Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, § 35 Rn. 244. 139 Vgl. Berger, ZInsO 2009, 1977 (1982). 140 Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, § 35 Rn. 244; vorsichtig auch U. Stein, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 1207 (1222). 141 Ähnlich Horstkotte, ZInsO 2009, 209 (214 f.), der die subsidiäre Vertretung durch die Gesellschafter bei Führungslosigkeit dem Binnenorganisationsrecht zuordnet; siehe ausführlich auch U. Stein, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 1207 (1217 f.).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.142 Damit wird nach Ausführungen des BVerfG ein doppelter Zweck verfolgt, nämlich einerseits der rechtsstaatliche Schutz des Normadressaten, indem jedermann vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist, und andererseits die Sicherstellung, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet.143 Klar geregelt ist in § 15a Abs. 4, 5 i. V. m. Abs. 3 InsO, unter welchen Voraussetzungen das Unterlassen der Stellung des Insolvenzantrags strafbar ist. Alleine der Normadressat scheint unbestimmt zu sein. Spricht das Gesetz von einem „Gesellschafter“ einer GmbH, kann die materielle oder formale Rechtslage angesprochen sein. In den §§ 15 Abs. 3, 57j Satz 1 GmbHG ist mit „Gesellschafter“ etwa der materielle Gesellschafter, in den §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 47 Abs. 1 GmbHG dagegen der Listengesellschafter gemeint und in § 30 Abs. 1 GmbHG können unter den Begriff „Gesellschafter“ sogar sowohl Listengesellschafter als auch materielle Nichtlistengesellschafter oder ausgeschiedene und künftige Gesellschafter subsumiert werden. Dies verkennen die Stimmen, die das Tatbestandsmerkmal „Gesellschafter“ mit der materiellen Inhaberschaft gleichstellen. „Gesellschafter“ i. S. d. § 15a Abs. 3 GmbHG ist aufgrund des Wortlauts nicht eindeutig der materielle Inhaber.144 Wer dies erkennt, kann nicht argumentieren, die Vorschrift des § 15a Abs. 3 InsO knüpfe an die wirkliche Gesellschafterstellung an, weil andernfalls die Norm gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben sprechen also weder für die eine noch die andere Auslegung. Anhand des Zwecks und der Regelungssystematik der Norm lässt sich allerdings bestimmen, dass nur die Listengesellschafterstellung in § 15a Abs. 3 InsO gemeint sein kann.145 Zum einen ist die Antragspflicht eine Mitgliedspflicht. Zum anderen soll durch das Zusammenspiel von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und § 15a Abs. 3 InsO Missbrauch bekämpft werden, um Transparenz zu schaffen.146 Wer bei Führungslosigkeit einer GmbH handlungspflichtig ist, wird nach der gesetzgeberischen Vorstellung – vorbehaltlich der Missbrauchsfälle –147 nur durch die formale Ge142

BVerfGE 75, 329 (341) = BVerfG NJW 1987, 3175 m. w. N. BVerfGE 75, 329 (341) = BVerfG NJW 1987, 3175 m. w. N. 144 So aber Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, § 35 Rn. 244. 145 Für die Antragspflicht des Listengesellschafters auch Sorg, in: Braun, InsO, § 15a Rn. 44; Hasselmann, NZG 2009, 409 (410); Horstkotte, ZInsO 2009, 209 (214 f.); Kleindiek, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 8.44; Noack, in: Festschrift Hüffer, S. 723 (729); Punte/Stefanink, DB 2018, 364 (367); Wicke, DB 2011, 1037; wohl auch Klöhn, in: MüKoInsO, § 15a Rn. 84 (formale Beteiligung); zu einer Antragspflicht nach § 15a Abs. 3 InsO „der Gesellschafter“, ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG siehe LG München I ZIP 2013, 1739 f.; undifferenziert Hohmann, in: MüKoStGB, § 15a InsO Rn. 74: jeder, der Geschäftsanteile der GmbH innehat solle Gesellschafter i. S. d. § 15a Abs. 3 InsO sein; mit ausführlicher argumentativer Auseinandersetzung, im Ergebnis aber offenlassend U. Stein, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 1207 (1214 ff., 1223). 146 Siehe oben Kapitel 2 B. III. 1. 147 Siehe zu den Missbrauchsgrenzen ausführlich unten Kapitel 4 D. II. 3. 143

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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sellschafterstellung bestimmt. Die Anknüpfung an die Listengesellschafterstellung benachteiligt den relativen Gesellschafter auch im praktischen Ergebnis nicht. Verletzt der Listengesellschafter seine Antragspflicht schuldhaft, ist er Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 3 InsO ausgesetzt. Strafrechtlich kann er für einen unterlassenen Insolvenzantrag belangt werden, wenn er den Eröffnungsgrund (§§ 16, 17, 19 InsO) kannte und vorsätzlich (§15a Abs. 4 InsO) oder fahrlässig (§ 15a Abs. 5 InsO) gehandelt hat. Hat der Listengesellschafter jedoch die relative Gesellschafterstellung ohne sein Wissen erlangt, insbesondere ohne seine Eintragung veranlasst zu haben, wird er regelmäßig keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung oder der Führungslosigkeit der Gesellschaft haben. Der Tatbestand des § 15a Abs. 3 InsO a. E. ist dann nicht erfüllt. Ebenso wenig wird er vorsätzlich den Antrag unterlassen haben, da ihm bereits die Kenntnis seiner „Gesellschafterstellung“ fehlt. Strafrechtliche Sanktionen und zivilrechtliche Schadensersatzforderungen drohen ihm nicht.148 4. Besonderheiten bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters (Einziehung, Austritt, Ausschluss) Weitere Problemkonstellationen entstehen, wenn ein Gesellschafter aus einer GmbH durch freiwillige oder zwangsweise Einziehung, durch Austritt oder Ausschluss ausscheidet. Dabei ist unklar, ob die Einziehung des Anteils eines zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters materiell wirksam ist, also den materiellen Anteil vernichten kann. Wenn ja, bleibt offen, wem der Abfindungsanspruch zusteht. Im Folgenden werden die Problembereiche bei unrichtigen Listen für die Einziehung, den Austritt und den Ausschluss gesondert beleuchtet. a) Einziehung bei unrichtiger Gesellschafterliste aa) Voraussetzungen der Einziehung vom Listengesellschafter Die Einziehung des Geschäftsanteils wird mit der Mitteilung des wirksamen Einziehungsbeschlusses der Gesellschaft an den Betroffenen wirksam.149 Im Grundsatz ist nur der Listengesellschafter Adressat der Einziehung.150 Das folgt aus der konsequenten Anwendung der Abspaltungslösung. Die passive mitgliedschaftliche Ausübungsbefugnis und damit die Adressatenstellung in mitgliedschaftlichen Angelegenheiten sind dem Listengesellschafter zugewiesen. Da die Einziehung die 148

U. Stein, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 1207 (1219 ff.). Grundlegend BGHZ 192, 236 (239 ff.) = BGH GmbHR 2012, 387 (388 ff.) – Tz. 8 ff.; zust. etwa Grunewald, GmbHR 2012, 769 (770); P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 34 Rn. 80. 150 Ausdrücklich Fritz, Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, S. 100 ff.; vgl. zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. BGH DStR 1993, 1032 mit Anm. Goette, DStR 1993, 1032 (1033) – Ausschließung durch Einziehung. 149

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Mitgliedschaft zerstört, ist sie eine ureigene und existenzielle mitgliedschaftliche Angelegenheit. Daneben kann die Gesellschaft den Anteil also grundsätzlich nicht (zusätzlich) von dem wahren Rechtsinhaber einziehen, selbst wenn sie sie Unrichtigkeit der Gesellschafterliste kennt.151 Von diesem Grundsatz will der BGH allerdings eine Ausnahme zulassen und die Einziehung des Anteils eines materiellen Gesellschafters, der nicht mehr in der Liste eingetragen ist, erlauben, wenn der Gesellschafter seine Listenposition zuvor aufgrund eines möglicherweise fehlgeschlagenen Einziehungsversuchs verloren hat.152 Aus praktischen Erwägungen ist die Entscheidung des BGH zwar nachvollziehbar, da die Gesellschaft in der Schwebephase zwischen dem Einziehungsversuch und der Entscheidung über die Wirksamkeit dieser Einziehung bei Auftreten eines weiteren Einziehungsgrundes den Geschäftsanteil vorsorglich nochmals neu einziehen kann.153 Die vorsorgliche Einziehung von einem nicht formal legitimierten Gesellschafter birgt allerdings die Gefahr, das rechtssichere Listensystem zu beeinträchtigten und provoziert zudem dogmatische Diskrepanzen.154 Aus diesem Grunde ist das Urteil als Einzelfalljudikat zu behandeln und darf keine Schlussfolgerungen auf systematische Ausnahmen von der Legitimationswirkung zulassen.155 Losgelöst von der beschriebenen Thematik ist – wie sich aus § 34 Abs. 1, 2 GmbHG ergibt – bei der freiwilligen Einziehung die Zustimmung des „Anteilsberechtigten“ erforderlich.156 Die Zustimmung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber der Gesellschaft abgegeben werden muss. Sie ist daher als innergesellschaftlicher Akt von dem relativen Gesellschafter abzugeben. Fraglich ist, ob daneben die Zustimmung des wahren Rechtsinhabers zur Wirksamkeit der Einziehung erforderlich ist. Ein ähnlicher Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines dinglich Berechtigten (Nießbrauchers, Pfandgläubigers etc.) wird etwa überwiegend gefordert, wenn ein einzuziehender Anteil dinglich belastet ist.157 Der Rechtsgedanke der §§ 876 Satz 1, 1071 Abs. 1 Satz 1, 1255 Abs. 2 Satz 1, 1276 Abs. 1 Satz 1 BGB überzeugt hier allerdings nicht. Voraussetzungen, die über den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hinausgingen, wie Zustimmungsvorbehalte des wahren Gesellschafters, würden der Regelungsanordnung ihren rechtssicheren Charakter nehmen. Zudem wird aufgrund der Komplexität im Gesellschaftsrecht teilweise § 1071 Abs. 1 BGB im Gesellschaftsrecht schon von vornherein weder als absolutes 151 Vgl. OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (688 f.) – Gegenstandslosigkeit eines Beschlusses, wodurch der Ausschluss eines Nicht-Listengesellschafters ausgesprochen werden sollte. 152 BGH NJW 2021, 622; bestätigt in BGH NZG 2021, 831 (833) – Tz. 17 ff. 153 Siehe Dittert/Regelsberger, DStR 2021, 1887 (1888); Miller, NJW 2021, 625 (625 f.). 154 Ausführlich Miller, NJW 2021, 625 (626). 155 Miller, NJW 2021, 625 (626); Wanner-Laufer, NJW 2021, 1144 (1146): „Sonderfall“; a. A. wohl Altmeppen, NJW 2021, 2681 (2686 f.); Foerster, NZG 2021, 374 f. 156 Siehe statt vieler Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 34 Rn. 35 m. w. N. 157 Vgl. etwa Sosnitza, in: Michalski et al., GmbHG, § 34 Rn. 15; Strohn, in: MüKoGmbHG, § 34 Rn. 41; H.P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 34 Rn. 38.

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noch als relatives Verfügungsverbot begriffen, sondern ihm nur im Innenverhältnis Wirkung zugesprochen.158 Diskutiert wird bisweilen, ob die Änderung der Gesellschafterliste Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einziehung ist. Nach der Einziehung des Anteils haben die Geschäftsführer die Gesellschafterliste zu ändern und den Listengesellschafter des eingezogenen Anteils aus der Liste zu streichen. Teilweise wird die Listenänderung als Voraussetzung gefordert.159 Eintragungen in die Gesellschafterliste sind allerdings in anderen Fällen – etwa bei der Abtretung eines Anteils – keine konstitutiven Voraussetzungen für eine Änderung der materiellen Gesellschafterstellung. Für die Einziehung gilt nichts Anderes. Die Gesellschafterliste fungiert als Rechtsscheinund Legitimationsgrundlage, schafft aber keine konstitutive generelle Voraussetzung für den Erwerb oder Verlust der materiellen Gesellschafterstellung. bb) Rechtsfolgen für die materielle Rechtsinhaberschaft Erfolgt also die Einziehung vom Listengesellschafter, ist diese insbesondere nicht deswegen unwirksam, weil der Listengesellschafter nicht der materielle Rechtsinhaber ist. Durch die ordnungsgemäße Einziehung – ob vom materiell richtigen oder unrichtigen Listengesellschafter – erlischt der materielle Anteil.160 Der materielle, aber nicht formal legitimierte Gesellschafter verliert also seinen materiellen Anteil ohne seine Mitwirkung.161 Auf den ersten Blick verwundert diese Lösung, wenn eine formale Position zur Änderung der materiellen Stellung führt. Diese Rechtsfolge ist allerdings der konsequenten Anwendung der Abspaltungslösung geschuldet und im Interesse der Rechtssicherheit geboten. Verständlich wird das Ergebnis, wenn der gesamte wirtschaftliche Umfang der Einziehung in Erinnerung gerufen wird. Gegen die Einziehung des Anteils ist als Ausgleich für den Verlust der Mitgliedschaft dem Ausgeschiedenen im Regelfall eine Abfindung (Einziehungsentgelt) zu gewähren. Gesetzlich ist der Abfindungsanspruch im GmbH-Recht nicht statuiert, wird aber überwiegend über eine analoge Anwendung des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleitet.162 Fraglich ist, ob dieser 158 So OLG Hamm OLGZ 1971, 226 (229) = GmbHR 1971, 57; Herrler, in: Grüneberg, BGB, § 1071 Rn. 1; Pohlmann, in: MüKoBGB, § 1071 Rn. 13; Reichert/Schlitt/Düll, GmbHR 1998, 565 (570); a. A. Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 15 Rn. 199; Servatius, in: Noack/ Servatius/Haas, GmbHG, § 15 Rn. 50, 53; Fleck, in: Festschrift R. Fischer, S. 107 (126). 159 So Strohn, in: MüKoGmbHG, § 34 Rn. 61 unter Verweis auf Löbbe, in: GroßkommGmbHG, 2. Aufl. 2013, § 16 Rn. 26. 160 Vgl. allg. BGHZ 9, 157 (168) = NJW 1953, 780 (782); BGHZ 139, 299 (302) = GmbHR 1998, 1177 (1178); L.-C. Wolff, GmbHR 1999, 958 (959 f.); Strohn, in: MüKoGmbHG, § 34 Rn. 61. 161 So schon zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Schnorbus, ZGR 2004, 126 (149 f.); krit. aber Altmeppen, NJW 2021, 2681 (2684 f.); J. Flume/Maier-Reimer, ZGR 2020, 868 (884 ff.). 162 Vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 8. 6. 2005, 1 U 1343/04 – juris Rn. 15; Arens, GmbHR 2014, 652 (654); Casper/Altgen, DStR 2008, 2319 (2319, 2323 ff.); Kersting, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 34 Rn. 22; Strohn, in: MüKoGmbHG, § 34 Rn. 218; P. Ulmer/Habersack, in:

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Abfindungsanspruch dem Listengesellschafter oder dem materiellen Gesellschafter zustehen soll. Die Frage lässt sich mit einer dogmatischen Einordnung und Zweckbetrachtung des Abfindungsanspruchs beantworten. Der fällige Anspruch entsteht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters als Ausfluss der Mitgliedschaft gegen die Gesellschaft;163 er ist daher seit Beginn der Mitgliedschaft in der Person des Gesellschafters im Kern vorhanden.164 Dogmatisch wird der Abfindungsanspruch bei Vernichtung des Geschäftsanteils als ein dingliches Surrogat des Anteils aufgefasst. Beschränkte dingliche Rechte am Geschäftsanteil setzen sich daher an dem Abfindungsanspruch fort.165 Der Surrogatcharakter des Anspruchs zeigt, dass materielle Rechte in dem Anspruch weiterleben. Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Zwar wird der materielle Anteil an sich zerstört. In dem Abfindungsanspruch besteht die materielle Zuordnung aber fort. Der Gesellschafter soll einen Ausgleich für den Verlust seines Anteils erhalten. Den Anteil verliert aber nur der materielle Rechtsinhaber. Der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter hat streng genommen – die erforderliche Listenänderung vorausgesetzt – lediglich die Ausübungsbefugnis als relativer Gesellschafter verloren, darüber hinaus aber nicht die Substanz des Anteils. cc) Legitimationswirkung nach der Einziehung Fraglich ist vor diesem Hintergrund, an wen die Gesellschaft den Abfindungsanspruch zu zahlen hat. Dabei spielt eine entscheidende Rolle, ob die Legitimationswirkung nach wirksamer Einziehung fortgilt. Nach einer Ansicht im Schrifttum sei ein Listengesellschafter eines aufgrund der Einziehung nicht existenten Anteils nicht mehr legitimiert.166 Streng dogmatisch spricht einiges für diese Auffassung. Denn besteht keine materiell-rechtliche Mitgliedschaft, kann nach dem Abspaltungsverständnis auch keine relative Gesellschafterstellung von dieser abgespalten und einem Listengesellschafter zugeordnet werden. Das mitgliedschaftliche Anknüpfungsobjekt für § 16 Abs. 1 GmbHG fehlt.167 Zudem wäre ein systematischer Gleichlauf zu § 16 Abs. 3 GmbHG erGroßkommGmbHG, § 34 Rn. 72 m. w. N.; a. A. Kesselmeier, Ausschließungs- und Nachfolgeregelung in der GmbH-Satzung, S. 116 ff. (Gewohnheitsrecht); H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 34 Rn. 25 (Abfindungsanspruch als allgemeine Institution). 163 P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 34 Rn. 74; a. A. Altmeppen, ZIP 2012, 1685 (1690) (Haftung der GmbH und zugleich aller Mitgesellschafter). 164 Ausdrücklich BGHZ 104, 351 (353) = BGH GmbHR 1989, 71. 165 So ausdrücklich BGHZ 104, 351 (355) = BGH GmbHR 1989, 71; zust. Armbrüster, NJW 1991, 606; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 98, 113; vgl. auch Raiser/ Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 40 Rn. 71 (S. 525), wonach sich Rechte Dritte am Abfindungserlös nach §§ 1075, 1287 BGB als Surrogat fortsetzen sollen. 166 Vgl. Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 68; J. Flume/Maier-Reimer, ZGR 2020, 868 (873 ff.); Menkel, NZG 2018, 891 (892 f.); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 36. 167 So schon Miller, NJW 2019, 998 (999).

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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reicht;168 der gutgläubige Erwerbstatbestand setzt einen existenten Geschäftsanteil voraus.169 Gleichwohl hat sich der BGH mit Urteil vom 20. 11. 2018170 starken Stimmen im Schrifttum171 angeschlossen und sich ausdrücklich gegen dieses Verständnis gestellt. Aus Gründen der Rechtssicherheit greift die Legitimationswirkung auch bei eingezogenen Anteilen. Es widerspräche dem Gedanken des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, müsste die Berechtigung oder Verpflichtung eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft durch schwierige und aufwendige materielle Prüfung (Einziehung wirksam oder unwirksam?) nachgewiesen werden.172 Bei Streit über die Einziehung und Änderung der Liste werden die Betroffenen auf (einstweiligen) Rechtsschutz verwiesen.173 Die Entscheidung ist trotz der dogmatischen Ungereimtheiten zu begrüßen. Der BGH entscheidet sich für die Rechtssicherheit durch § 16 Abs. 1 GmbHG. Die Rechtspraxis wird von der Rechtsklarheit des Urteils und der eindeutigen Aussage zur Bedeutung der Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG profitieren. Solange die Liste nicht geändert ist, gilt daher § 16 Abs. 1 GmbHG trotz Einziehung. Der BGH hat in seiner Entscheidung allerdings nicht angesprochen – da nicht entscheidungserheblich –, welche Folgen für die Legitimationswirkung eintreten, wenn die Gesellschafterliste nach der Einziehung, aber vor Zahlung der Abfindung aufgrund der Einziehung geändert wurde. Obwohl der gelöschte Listengesellschafter nicht mehr über § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG legitimiert ist, spricht einiges dafür, dass die Gesellschaft durch die Leistung der Abfindung an den zu dem Zeitpunkt der Einziehung in der Liste eingetragenen Gesellschafter von ihrer Verpflichtung befreit wird. Für den entsprechenden Anteil ist nach der Listenänderung keine Person mehr als Gesellschafter ausgewiesen, weshalb man den letzten eingetragenen Listengesellschafter als legitimiert behandeln sollte (sog. Rechtsfortwirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).174 Für dieses Verständnis spricht die Schutzfunktion der Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage. Es darf nicht vom zufälligen Zahlungszeitpunkt (vor oder nach Änderung der Gesellschafterliste) abhängen, ob die Gesellschaft von ihrer Verbindlichkeit frei wird. Im Innenverhältnis ist der wahre 168

So auch J. Flume/Maier-Reimer, ZGR 2020, 868 (875 f.). Ausdrücklich BT Drucks. 16/6140, S. 39; BGH NJW 2019, 993 (995) – Tz. 32 m. Anm. Miller, NJW 2019, 998 f.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 350 m. w. N.; a. A. Omlor, WM 2009, 2105 (2110 f.); ders., Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 403 ff. 170 NJW 2019, 993 m. zust. Anm. Foerster, NZG 2019, 464; Heckschen, DNotZ 2019, 550; Wachter, GmbHR 2019, 342; im Ergebnis zust. Miller, NJW 2019, 998. 171 Wachter, GmbHR 2018, 1129 (1138); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 26. 172 BGH NJW 2019, 993 (995) – Tz. 35. 173 BGH NJW 2019, 993 (996) – Tz. 36, Miller, NJW 2019, 998 (999); vgl. ferner KG GmbHR 2016, 416; KG GmbHR 2016, 416 ff.; ausführlich Bayer/Selentin, in: Festschrift 25 Jahre DNotI, S. 391 ff.; Fluck, GmbHR 2017, 67 ff.; Lieder/Becker, GmbHR 2019, 505 ff. 174 So auch Fritz, Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, S. 127 – „nachmitgliedschaftliche Anwendung des § 16 Abs. 1 GmbHG“. 169

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Gesellschafter nach den allgemeinen Regeln, insbesondere über § 816 Abs. 2 BGB geschützt.175 Das bedeutet aber nicht, dass die Gesellschaft die Abfindung auch an den letzten Listengesellschafter auszahlen muss. Kennt die Gesellschaft den wahren Inhaber des Abfindungsanspruchs, kann sie mit Erfüllungswirkung die Abfindung auch an diesen wahren Rechtsinhaber erbringen. Die Gesellschaft trägt dabei aber die Beweislast hinsichtlich der materiellen Gesellschafterstellung des Leistungsempfängers. Die Rechtsfortwirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 vermittelt – anders als die übliche Anwendung der Legitimationsvorschrift – keine Pflicht, sich an den (alten) Listeninhalt zu halten, sondern nur ein Recht, dass auch solche Leistungen erfüllungstauglich sein können. Sie ist zugunsten der Gesellschaft disponibel. Dieses Ergebnis ist zweckmäßig und überzeugt auch in der Sache, da die Gesellschaft, nachdem die Einziehungsmaßnahme in der neuen Liste eingetragen ist, keine Möglichkeit mehr hat, die Gesellschafterliste nachträglich zu ändern. Sie kann den materiellen Inhaber des Abfindungsanspruchs nicht im Nachhinein formal legitimieren. b) Austritt des Listengesellschafters bei unrichtiger Gesellschafterliste Möchte ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund austreten, so bewirkt er mit seiner Austrittserklärung noch nicht den Ausschluss und damit Verlust der Gesellschafterstellung, sondern einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Abfindung Zug um Zug gegen Abtretung des Anteils an sich, einen von ihm bestimmten Mitgesellschafter oder einen Dritten, oder auf Zustimmung zur freiwilligen Einziehung.176 aa) Austritt aus wichtigem Grund bei fehlender Kenntnis von der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste Tritt ein Listengesellschafter, der zu Unrecht in der Liste eingetragen ist, von der Unrichtigkeit der Liste aber keiner der Beteiligten Kenntnis hat, aus der Gesellschaft aus, so ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zu differenzieren. Erfolgt der Austritt mit anschließender Einziehung des Anteils, so erlischt die materielle Inhaberschaft an dem eingezogenen Anteil. Der entstehende Abfindungsanspruch steht dem wahren Gesellschafter, nicht dem Listengesellschafter zu.177 Tritt der Listengesellschafter dagegen aus und verlangt die Gesellschaft, dass der Anteil an sie, einen Mitgesellschafter oder einen gesellschaftsfremden Dritten abgetreten wird, erlischt der Anteil nicht, sondern wird übertragen. Da der Listengesellschafter nicht der wahre Gesellschafter ist, bestimmt sich die Wirksamkeit der Abtretung nach den Grundsätzen des § 16 Abs. 3 GmbHG. Die Abtretung ist daher nur wirksam, wenn der Erwerber 175 176 177

Fritz, Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, S. 127. Statt vieler P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, Anh. § 34 Rn. 57 ff. m. w. N. Siehe oben Kapitel 3 I. 3. a) bb).

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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erstens gutgläubig und zweitens – sofern die Liste noch nicht mehr als drei Jahre unrichtig ist – die unrichtige Gesellschafterliste dem wahren Gesellschafter zurechenbar ist. Für die Gesellschaft birgt die erstgenannte Lösung des Austritts mit anschließender Einziehung weniger Gefahren und Rechtsunsicherheiten als die Abtretungslösung. Sie kann sich für die Einziehung auf die Listeneintragung verlassen. Weder Kenntnis178 noch fehlende Zurechenbarkeit179 haben Einfluss auf dessen Geltung. Eine Grenze ist bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben erreicht.180 Entschließt sich die Gesellschaft dagegen für die Abtretungslösung, scheitert die Abtretung und damit der Ausschluss des Listengesellschafters bei Unzurechenbarkeit oder Bösgläubigkeit (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Im Interesse größtmöglicher Rechtssicherheit, sollte die Gesellschaft die Einziehungs- der Abtretungslösung vorziehen. bb) Austritt aus wichtigem Grund bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Liste Für einen zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter wird das Austrittsrecht aus wichtigem Grund regelmäßig nicht relevant werden, wenn er Kenntnis von der Unrichtigkeit der Liste hat. Ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund setzt voraus, dass die Mitgliedschaft unzumutbar geworden ist und der Austritt als äußerstes Mittel notwendig erscheint.181 Bevor ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter aber zur Wahrung seiner Interessen austreten müsste, stünde ihm ein leichterer Weg offen, die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten zu verlieren. Er kann für eine Korrektur der Liste sorgen.182 Ultima ratio wird ein Austritt eines bösgläubigen unberechtigten Listengesellschafters daher kaum einmal sein. c) Ausschluss des Listengesellschafters bei unrichtiger Gesellschafterliste Zuletzt kann ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden, wenn die Gesellschaft ihn aus wichtigem Grund ausschließt. Der „wichtige Grund“ muss im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen und folglich wegen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in der Person des Listengesellschafters, nicht in der des wahren Rechtsinhabers.183 Erforderlich ist neben einem Gesellschafterbeschluss bei fehlender Satzungs178

Siehe oben Kapitel 2 C. I. 3. b). Siehe unten Kapitel 4 B. 180 Vgl. BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 (982 f.) – Tz. 42 ff.; ausführlich unten Kapitel 4 D. II. 3. 181 Vgl. BGHZ 9, 157 (162 f.) = NJW 1953, 780 (781) – in einem obiter dictum wurde das Austrittsrecht anerkannt; zu den Voraussetzungen BGHZ 116, 359 (369) = GmbHR 1992, 257 (260); s. a. Goette, DStR 1997, 1336 (1337); Taetzner/Maul, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 14 Rn. 112; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 40 Rn. 75 ff. 182 Zur Listenkorrektur auf Initiative des zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters siehe unten Kapitel 4 C. III. 3. 183 Siehe zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Schnorbus, ZGR 2004, 126 (150). 179

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Kap. 3: Legitimationswirkung

grundlage über den Ausschluss eines Gesellschafters ein rechtskräftiges Ausschließungsurteil (Gestaltungsurteil) ähnlich § 140 HGB.184 Bis das Gestaltungsurteil rechtskräftig erwirkt wird, bleibt der auszuschließende Gesellschafter Mitglied und darf als Listengesellschafter alle mitgliedschaftlichen Rechte ausüben.185 Die Gesellschaft kann frei entscheiden, ob sie den Anteil einziehen oder an sich, einen Gesellschafter oder Dritten als abgetreten gelten lassen möchte.186 Wird ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter durch Ausschließungsurteil aus der Gesellschaft ausgeschlossen und zahlt die Gesellschaft dem Gesellschafter die Abfindung, so ist der Ausschluss über die Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wirksam.187 Ist der Ausschluss wirksam, bleibt der Geschäftsanteil zwar zunächst bestehen, wird aber trägerlos.188 Da allerdings nicht der Listengesellschafter, sondern der wahre Gesellschafter materieller Inhaber und damit Träger des Anteils war, verliert letzterer durch den wirksamen Ausschluss des Listengesellschafters seinen Anteil.189 Entscheidet sich nun die Gesellschaft zur Einziehung oder zur Abtretung des trägerlosen Anteils, sind beide Handlungsmöglichkeiten wirksam; insbesondere müssen für die Abtretung nicht die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG vorliegen. Anders als bei dem Austritt aus der Gesellschaft wird bei dem Ausschluss nicht der ausgeschlossene Gesellschafter zur Abtretung angehalten, sondern die Abtretung erfolgt nachdem der Anteil trägerlos geworden ist. Der materielle Rechtsinhaber hat daher bereits vor der Abtretung seinen Anteil wirksam verloren. Wird der trägerlose Anteil nach Wahl der Gesellschaft übertragen, liegt kein Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten nach § 16 Abs. 3 GmbHG vor.

184 BGHZ 9, 157 = NJW 1953, 780; BGH, Urteil v. 9. 3. 1987, II ZR 215/86 – Tz. 12; OLG München NZG 2021, 293 (294) – Tz. 29; Strohn, in: MüKoGmbHG, § 34 Rn. 170 ff.; P. Ulmer/ Habersack, in: GroßkommGmbHG, Anh. § 34 Rn. 31 ff. Zu welchem Zeitpunkt der Gesellschafter aus der GmbH ausscheidet, ist strittig. Jedenfalls spätestens mit Zahlung der Abfindung wird er aus der GmbH ausgeschlossen; so BGHZ 9, 157 (173 f.) = NJW 1953, 780 (783). Zum umfassenden Diskussionsstand vgl. etwa P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, Anh. § 34 Rn. 34 ff. 185 OLG München NZG 2021, 293 f. 186 P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, Anh. § 34 Rn. 39. 187 Zum Ausschluss aus wichtigem Grund eines nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG legitimierten Gesellschafters vgl. OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (688 f.); hierzu Berninger, GWR 2012, 271; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 22, 156; Luxem, GmbH-StB 2012 176 (177); ebenso Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 39; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 3a; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 18. 188 So OLG Düsseldorf, Urteil v. 20. 12. 2006, 15 U 39/06 – juris Rn. 73; Strohn, in: MüKoGmbHG, § 34 Rn. 128; P. Ulmer/Habersack, in: GroßkommGmbHG, Anh. § 34 Rn. 39 m. w. N. 189 Ebenso im Ergebnis zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Schnorbus, ZGR 2004, 126 (149 f.).

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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5. Besonderheiten bei Amtsverwaltung, dinglicher Belastung und gesetzlicher Vertretung Weitere Probleme entstehen, wenn der Gesellschafter zwar nicht ausscheidet, aber seine materiell-rechtliche Ausübungsbefugnis (partiell) einem anderen Subjekt als dem Inhaber des Anteils (Gesellschafter) zugeordnet oder von der Mitwirkung Dritter abhängig gemacht wird. Es geht um die Amtsverwaltung von Geschäftsanteilen, um dingliche Belastungen und um die gesetzliche Vertretung des Gesellschafters. Die Eintragungsfähigkeit dieser rechtlichen Phänomene ist ebenso problematisch wie deren Auswirkung auf die Legitimationswirkung. a) Amtsverwaltung Fragen können zunächst aufkommen, wenn ein GmbH-Anteil einer Testamentsvollstreckung, Nachlass- oder Insolvenzverwaltung unterfällt. Materiellrechtlich wäre nicht mehr der Gesellschafter, sondern die Partei kraft Amtes, nämlich der Testamentsvollstrecker nach §§ 2205 Satz 1, 2211 Abs. 1 BGB,190 der Nachlassverwalter nach §§ 1984 Abs. 1 Satz 1, 1985 Abs. 1 BGB191 und der Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 1 Satz 1 InsO,192 zur Verwaltung des GmbHAnteils und damit grundsätzlich zur Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte aus dem GmbH-Anteil befugt. Klärungsbedürftig ist zum einen, ob solche gesetzlichen Ausübungsbeschränkungen in Gesellschafterlisten vermerkt werden und zum anderen, welche Folgen die Anordnungen für den kraft Listenstellung legitimierten Gesellschafter haben. aa) Zur Eintragungsfähigkeit von Testamentsvollstrecker-, Nachlassverwaltungs- und Insolvenzvermerken Gesetzlich vorgeschrieben und zugelassen sind nur die Eintragungen der Mindestangaben gemäß § 40 Abs. 1 GmbHG und der Veränderungen nach § 2 GesLV. Hierzu zählen Amtsverwaltungsvermerke nicht. Sie wären daher allenfalls als freiwillige Zusatzangabe eintragungsfähig. Voraussetzung der Eintragung wäre ein erhebliches praktisches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information.193 Ob ein solches Bedürfnis und damit die Eintragungsfähigkeit von 190

BGH GmbHR 2015, 526 (527 f.) – Tz. 13; Heckschen/Strnad, NZG 2014, 1201 (1203 f.); Weidlich, in: Grüneberg, BGB, § 2205 Rn. 1. 191 Der Nachlassverwaltung unterliegen aber keine Befugnisse, die die Rechtsstellung des Erben in seiner Eigenschaft als Gesellschafter unmittelbar berühren; vgl. BGHZ 47, 293 (296) = NJW 1967, 1961 (1962) – zur Kommanditgesellschaft. 192 OLG München NZG 2010, 1314; Kroth, in: Braun, InsO, § 80 Rn. 10; Drescher, in: MüKoGmbHG, § 47 Rn. 88. 193 BGH GmbHR 2015, 526 (527) – Tz. 12; zum Handelsregister siehe etwa BGH GmbHR 2012, 510 (511) –Tz. 16.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Verfügungs- und Verwaltungsbeschränkungen in die Gesellschafterlisten besteht, ist umstritten. Nachdem der BGH mit Beschluss vom 14. 2. 2012 die Eintragung der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung an Kommanditanteilen im Handelsregister zugelassen hat,194 befürworteten zahlreiche Stimmen ein erhebliches Informationsbedürfnis und damit eine entsprechende Eintragungsfähigkeit auch in Gesellschafterlisten.195 Der BGH begründete seine Ansicht im Kommanditrecht mit der erbrechtlichen Zugriffsverbotsnorm des § 2214 BGB und mit der Befugnis des Testamentsvollstreckers, Verwaltungsrechte auszuüben.196 Beides begründet nach Ansicht des BGH ein Informationsbedürfnis, weshalb die Angabe der Testamentsvollstreckung im Handelsregister angezeigt sei. Der BGH und andere gewichtige Stimmen lehnen die Eintragung solcher Vermerke in Gesellschafterlisten – anders als in das Handelsregister – hier allerdings ab.197 Der BGH stellt heraus, dass zwar der GmbH-Anteil – wie auch der Kommanditanteil – während der Dauer der Testamentsvollstreckung nach § 2214 BGB den Eigengläubiger des Gesellschafter-Erben nicht als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Allerdings kommt der Gesellschafterliste – anders als dem Handelsregister – nicht die Aufgabe zu, Auskunft darüber zu geben, inwieweit ein Anteil zur Haftungsmasse des Erben zählt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zeitigt die Liste unmittelbar im Verhältnis zur Gesellschaft Wirkungen, beweist aber nicht gegenüber Gläubigern von Gesellschaftern deren Gesellschafterstellung.198 Zudem misst der BGH dem Grundsatz der Registerklarheit, der auch für die Gesellschafterlisten gilt, hohe Bedeutung bei. Anders als Eintragungen im Handelsregister, die nach den Vorgaben der HRV durch die Registergerichte vorgenommen werden, werden die Gesellschafterlisten von Geschäftsführern oder Notaren erstellt und eingereicht. Wie die Listen zu erstellen sind, ist nur vereinzelt nach der GesLV vorgegeben und vielfach nicht zwingend kodifiziert.199 Damit für den Rechtsverkehr die für jedermann einsehbaren (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB) Gesellschafterlisten übersichtlich blei194

BGH GmbHR 2012, 510; a. A. noch KG GmbHR 1995, 826. Siehe etwa Beutel, NZG 2014, 646 (649 f.); Heidinger, in: Festschrift Stilz, S. 253 (259 ff.); Herrler, GmbHR 2013, 617 (620); s. a. schon Jeep, NJW 2012, 658 (660); Zinger/ Urich-Erber, NZG 2011, 286 (289 f.); ebenso noch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 40 Rn. 15b; a. A. – gegen die Eintragungsfähigkeit von Testamentsvollstreckervermerken – jetzt aber Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 15a. 196 BGH GmbHR 2012, 510 (512) – Tz. 19 ff. 197 BGH GmbHR 2015, 526 (527 ff.) – Tz. 8 ff.; OLG Köln GmbHR 2014, 1206; OLG München GmbHR 2012, 39; Bayer, GmbHR 2015, 529 f. m. w. N.; Kalbfleisch/Glock, GmbHR 2015, 847 (850); Wachter, DB 2009, 159 (166); Wicke, DB 2015, 1094 f.; wohl auch Korsten, jurisPR-HaGesR10/2015 Anm. 3, D.; krit. zum Beschluss des BGH Heckschen/Strnad, EWiR 2015, 303 (304); Lieder/P. Scholz, WuB 2015, 330 ff.; krit. zum Beschluss des OLG München Link, RNotZ 2012, 136; a. A. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 123, 125. 198 BGH GmbHR 2015, 526 (528) – Tz. 16. 199 Siehe Miller, NJW 2018, 2518 ff.; vgl. krit. auch KG NZG 2019, 661 (662). 195

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ben, dürfen solche Vermerke, auch wenn sie für den Rechtsverkehr „sinnvolle“ Informationen darstellen, nicht eingetragen werden.200 Insoweit weicht das GmbHRecht von der aktienrechtlichen Parallelnorm § 67 Abs. 2 AktG – dort wird die Eintragungsfähigkeit eines Testamentsvollstreckervermerks angenommen – 201 ab. Das Aktienregister ist anders als die Gesellschafterliste nicht öffentlich einsehbar, weshalb an das Aktienregister geringere Anforderungen hinsichtlich der Rechtsklarheit und Übersichtlichkeit zu stellen sind.202 Die letztgenannte Ansicht überzeugt. Im Einklang mit der Auffassung des BGH ist einer Unübersichtlichkeit durch zahlreiche Zusatzvermerke entschieden entgegenzutreten. Das galt bei Erlass der Entscheidung des BGH im Jahr 2015 und hat sich durch die GesLV und die Zulassung von Veränderungsspalten in § 2 GesLV nicht geändert.203 Obwohl die Diskussion für die Eintragungsfähigkeit am ausführlichsten für Testamentsvollstreckervermerke geführt wird, gelten die jeweils vorgebrachten Argumente und Bedenken ebenso für die Nachlassverwaltungs- und Insolvenzvermerke.204 bb) Spannungsverhältnis von Amtsverwaltung und Legitimationswirkung Die Testamentsvollstreckung führt dazu, dass der Listengesellschafter relativer Gesellschafter ist, aber keine mitgliedschaftlichen Rechte ausüben darf. Er ist also Träger des Stimmrechts, muss dessen Ausübung allerdings grundsätzlich dem Amtswalter zugestehen.205 Dieser ist nicht auf die Legitimation über die Liste angewiesen. Er kann sich über einen Erbschein unter Angabe der Testamentsvollstreckung und mit Nachweis der Annahme des Amtes (§ 352b Abs. 2 FamFG, §§ 2202, 2367 BGB) oder durch ein Testamentsvollstreckerzeugnis (§§ 2368, 2367 BGB) legitimieren.206 Eine Legitimation des Amtswalters über die Liste wäre ergänzend – schon mangels Eintragungsfähigkeit – nicht möglich. Nach der Legiti200

BGH GmbHR 2015, 526 (527) – Tz. 9; s. a. Bayer, GmbHR 2015, 529. Bayer, in: MüKoAktG, § 67 Rn. 34; Koch, AktG, § 67 Rn. 23. 202 Ausdrücklich BGH GmbHR 2015, 526 (527) – Tz. 9. 203 Vgl. Miller, NJW 2018, 2518 (2520). 204 Siehe zur Insolvenzverwaltung Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 43; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 77; a. A. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 124 (Zulässigkeit eines Insolvenzvermerks). 205 BGH GmbHR 2015, 526 (527 f.) – Tz. 13 unter Verweis auf BGHZ 201, 216 (225 f.) = GmbHR 2014, 863 (866) – Tz. 22 f.; ebenso K. W. Lange, in: Festschrift 25 Jahre DNotI, S.665 (668); Wicke, ZGR 2015, 161 (164 f.). 206 BGH GmbHR 2015, 526 (528) – Tz. 13, speziell zur Legitimation durch das Testamentsvollstreckerzeugnis (noch zu § 2368 Abs. 1 BGB a. F., jetzt § 2368 Satz 1 BGB); insgesamt Bayer, GmbHR 2015, 529 f. (noch zu § 2364 Abs. 1 BGB a. F., jetzt § 352b Abs. 2 FamFG); vgl. auch Wicke, DB 2015, 1094 (1095 a. E.), der zusätzlich an ein notarielles Testament samt Eröffnungsniederschrift nach § 35 GBO analog anknüpft – freilich ohne in den Genuss der Legitimationswirkungen des § 2367 (i. V. m. § 2368 Satz 2 Hs. 1 BGB) zu kommen. 201

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mationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbH wird nämlich nur die Inhaberschaft an dem Anteil unwiderleglich vermutet. Die Gesellschafterliste kann aber keine Aussage darüber treffen, ob der Inhaber eines Anteils auch im konkreten Einzelfall der Amtsverwaltung die mitgliedschaftlichen Rechte ausüben darf.207 So misslich diese Lösung für die Rechtssicherheit ist, so klar wird sie statuiert und in Kauf genommen. Immerhin kann sich die Gesellschaft bei der Ladung oder Gewinnausschüttung auf die Wirkungen der §§ 407, 413 BGB analog berufen.208 Solange die Gesellschaft keine positive Kenntnis von der angeordneten Testamentsvollstreckung hat, darf sie die formal legitimierten Erben als ausübungsbefugt ansehen. Es obliegt daher dem Testamentsvollstrecker, die GmbH schnellstmöglich von der Anordnung der Testamentsvollstreckung in Kenntnis zu setzen, um so die letztwillige Verfügung des Erblassers zur Ausführung bringen zu können (§ 2203 BGB). Vergleichbares gilt, wenn über das Vermögen eines Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nach §§ 80 f. InsO geht die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über. Gesellschafter bleibt zwar der (Listen-)Gesellschafter, die mitgliedschaftlichen Befugnisse, auch das Stimmrecht, übt allerdings der Insolvenzverwalter aus.209 Die gutgläubige Gesellschaft ist in den Grenzen des § 82 InsO bei Gewinnausschüttungen an den Listengesellschafter geschützt. Problematisch ist aber, ob die gutgläubige Gesellschaft – vergleichbar zu der Rechtslage bei der Testamentsvollstreckung – anstelle des Insolvenzverwalters auch den (Listen-) Gesellschafter wirksam laden kann. Teilweise wird vorgebracht, die Gesellschaft werde durch die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses nach § 30 Abs. 1 InsO ausreichend geschützt. Hat sie von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotzdem keine Kenntnis und richtet sie die Ladung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG an den (Listen-)Gesellschafter, wäre die Ladung unwirksam. Nur der Insolvenzverwalter wäre richtiger Ladungsadressat.210 Es soll aber genügen, dass dem Verwalter die an den Gesellschafter gerichtete Ladung zugegangen ist.211 Diese Ansicht überzeugt allerdings nicht. Zunächst kann die Gesellschaft durch die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses kaum als ausreichend geschützt angesehen werden. Das Gesetz selbst zeigt mit dem Tatbe207 BGH GmbHR 2015, 526 (527 f.) – Tz. 13; Wicke, ZGR 2015, 161 (164); im Ergebnis auch Herrler, NZG 2011, 1321 (1323), der allerdings mit dem Tatbestandsmerkmal „im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung“, anstelle mit der Rechtsfolge „Inhaber eines Geschäftsanteils“ argumentiert. Beachte auch: Mangels legitimatorischer Anknüpfungsmöglichkeit für die Amtsverwaltung scheidet von vornherein eine Analogie zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aus, a. A. insoweit aber Fell, GmbHGesellschafterliste, S. 449 ff., 467 ff. (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG analog als abschließende Legitimationsbasis). 208 Vgl. Bayer, GmbHR 2012, 1 (5); ders., GmbHR 2015, 529 (530); Wicke, ZGR 2015, 161 (183); ders., DB 2015, 1094 (1095). 209 OLG München NZG 2010, 1314. 210 So Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 51 Rn. 17. 211 Vgl. OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443 (447 f.); Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 51 Rn. 17.

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stand des § 82 InsO, dass durch die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses gerade kein ausreichender Informationsschutz gewährt wird. Zudem ist es im Interesse der Bestandskraft gefasster Beschlüsse angezeigt, die gutgläubigen Geschäftsführer und damit die gutgläubige Gesellschaft auch bei der Ladung eines insolventen Listengesellschafters zu Gesellschafterversammlungen zu schützen.212 Laden die gutgläubigen Geschäftsführer daher anstelle des Insolvenzverwalters den Listengesellschafter, ist die Ladung nach dem Rechtsgedanken der §§ 407 Abs. 1, 413 BGB wirksam. Im Übrigen gilt aber: Der Listengesellschafter ist nicht über § 16 Abs. 1 GmbHG an Stelle des Insolvenzverwalters legitimiert. Die Ausführungen zu dem Verhältnis von Legitimationswirkung und Insolvenzverfahren sind auf die strukturell vergleichbare Nachlassverwaltung (§ 1984 BGB i. V. m. §§ 81, 82 InsO) übertragbar. b) Dingliche Belastungen an Geschäftsanteilen aa) Problembeschreibung Eine vergleichbare Frage entsteht, wenn ein GmbH-Anteil dinglich belastet ist, insbesondere der Anteil nach den §§ 1273 ff. BGB verpfändet oder gemäß den §§ 1068 ff. BGB mit einem Nießbrauch belastet wurde. Die Gesellschafterlisten legitimieren grundsätzlich nur den eingetragenen Listengesellschafter als Inhaber des Anteils, geben aber keine Information darüber, ob der Anteil dinglich belastet ist. Im Unterschied zu einer angeordneten Amtsverwaltung des GmbH-Anteils, wonach die Ausübungsbefugnis für mitgliedschaftliche Rechte von dem Listengesellschafter auf die Partei kraft Amtes übergeht, bezieht sich die dingliche Belastung nicht auf die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte. Bei der Verpfändung bleibt der Verpfänder grundsätzlich auch nach der dinglichen Belastung Gesellschafter mit allen Mitgliedschaftsrechten.213 Der Nießbraucher darf nach herrschender Meinung ebenfalls die Verwaltungsrechte nicht ausüben.214 Unabhängig von der dinglichen Belastung nimmt daher der (Listen-)Gesellschafter die Stimm- und Teilhaberechte wahr. Insoweit beeinflusst die dingliche Belastung nicht die Legitimationswirkung. Aller212 So auch Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 7; Noack, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 51 Rn. 7; ebenso wohl Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rn. 9. 213 RGZ 139, 224 (226 f.); BGHZ 119, 191 (194 f.) = GmbHR 1992, 656 (657); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 113; Weller/Reichert, in: MüKoGmbHG, § 15 Rn. 292. 214 Vgl. BGH NZG 1999, 150 f. – zu Stimmrechten bei Grundlagengeschäften bei der GbR; OLG Koblenz GmbHR 1992, 464 (465); OLG München NZG 2016, 1064 (1065); Pohlmann, in: MüKoBGB, § 1068 Rn. 70 ff. m. w. N. auch zu abweichenden Ansichten; siehe ferner Drescher, in: MüKoGmbHG, § 47 Rn. 77; Hauck, Nießbrauch an Rechten, S. 393; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 40 Rn. 39 (S. 514 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 61 II 3); Teichmann, ZGR 1972, 1 (7 ff.); a. A. OLG Stuttgart NZG 2013, 432 (433) (eigenes Stimmrecht des Nießbrauchers an einem Kommanditanteil bei Beschlussfassungen über laufende Angelegenheiten); Berger, in: Jauernig, BGB, § 1068 Rn. 4 (Stimmrecht des Nießbrauchers als Mitverwaltungsrecht); Schön, ZHR 158 (1994), 229 (261 f.) (Vergemeinschaftung der Stimmabgabe).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

dings darf ein Nießbraucher nach § 1068 Abs. 1 BGB die Nutzungen (§ 100 BGB), v. a. die entnahmefähigen Erträge (Gewinne) als Rechtsfrüchte (§ 99 Abs. 2 BGB) ziehen. Das gilt ebenso für ein Nutzungspfand nach § 1213 Abs. 1 BGB. Zur Nutzungsziehung ist demnach nicht der Gesellschafter, sondern der Nießbrauchberechtigte oder Nutzungspfandgläubiger befugt. Hier stellen sich die gleichen Fragen, nämlich an wen die Gesellschaft Gewinne auszuzahlen hat, wenn die dingliche Belastung nicht in der Gesellschafterliste vermerkt ist und ob dingliche Belastungen an der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG teilnehmen. Ausgangspunkt ist erneut die Frage nach der Eintragungsfähigkeit dinglicher Belastungen. bb) Zur Eintragungsfähigkeit der dinglichen Belastungen in Gesellschafterlisten Dingliche Belastungen zählen nicht zu dem Mindestinhalt einer Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 2 GesLV, sind also nicht eintragungspflichtig.215 Nach Ansicht des LG Aachen sollen sie aber jedenfalls eintragungsfähig sein.216 Dieses – soweit ersichtlich einzige – Judikat zu der Eintragungsfähigkeit dinglicher Belastungen in Gesellschafterlisten wird im Schrifttum vereinzelt aufgenommen und mit Verweis auf obergerichtliche Beschlüsse zur Kommanditgesellschaft unterstützt.217 So haben etwa das OLG Stuttgart218 und das OLG Oldenburg219 im Recht der Kommanditgesellschaft die Eintragung eines Nießbrauchs an Kommanditanteilen in das Handelsregister zugelassen. Der Nießbraucher könne – so das OLG Stuttgart – durch den Zustimmungsvorbehalt des § 1071 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen. Denn ohne seine Zustimmung könne die Mitgliedschaft durch den Gesellschafter nicht gekündigt, die Gesellschaft nicht aufgelöst und der Gesellschaftsvertrag nicht geändert werden.220 Zudem stellte das OLG Stuttgart die Eintragung des Nießbrauchs der Eintragung einer Testamentsvollstreckung gleich und möchte mit seinem Beschluss die Entscheidung des BGH zur Testamentsvollstreckung221 weiterführen.222 Die Argumentation des OLG Stuttgart 215

Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 109; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 15a; Pohlmann, in: MüKoBGB, § 1068 Rn. 88 („wohl inzwischen unstreitig“); Reymann, WM 2008, 2095 (2101 f.); offenlassend LG Aachen GmbHR 2009, 1218 (1219); a. A. aber Laukemann, in: jurisPK-BGB, § 1069 Rn. 13 – zwingende Eintragung. 216 LG Aachen GmbHR 2009, 1218 (1219). 217 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 109 f. 218 NZG 2013, 432. 219 NZG 2015, 643. 220 Im Übrigen solle der Nießbraucher ein das Mitwirkungsrecht des Gesellschafters ausschließendes eigenes Stimmrecht bei Beschlüssen der Gesellschafter über die laufenden Angelegenheiten haben; vgl. OLG Stuttgart NZG 2013, 432 (433). Dieses Argument verfängt aber nicht, da nach herrschender Meinung dem Nießbraucher kein Stimmrecht zukommt; wie hier auch OLG München NZG 2016, 1064 (1065); offenlassend OLG Oldenburg NZG 2015, 643 (644). 221 Siehe BGH GmbHR 2012, 510.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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überzeugten das OLG München223 und das OLG Köln224 zum Recht der Kommanditgesellschaft zu Recht nicht.225 Zutreffend stellt das OLG München fest, dass ein Nießbraucher – anders als ein Testamentsvollstrecker – keine mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte ausüben kann. Ein Vergleich zur Eintragungsfähigkeit von Testamentsvollstreckervermerken in das Handelsregister geht daher fehl. Überdies spricht der Grundsatz der Registerklarheit gegen die Eintragung eines Nießbrauches. Das Register muss klar geordnet, übersichtlich und verständlich sein und darf nicht als „allgemeine Sammelstelle für Informationen betreffend Kaufleute und Handelsgesellschaften“ fungieren.226 Wird bereits die Eintragungsfähigkeit eines Nießbrauchs in das Handelsregister zu Recht bezweifelt, liegt ein Vermerk der dinglichen Belastungen in Gesellschafterlisten erst recht fern.227 Wie der BGH zu Testamentsvollstreckervermerken in Gesellschafterlisten zutreffend herausgearbeitet hat, sind freiwillige Zusatzeintragungen in Gesellschafterlisten an strengeren Anforderungen zu messen als ungeschriebene Eintragungen in das staatlich geführte Handelsregister.228 Zusatzvermerke sind wegen der Gefahr unübersichtlicher und unklarer Listen daher grundsätzlich abzulehnen. Das gilt für die Amtsverwaltungsvermerke, muss aber erst recht für dingliche Belastungen, die keine mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte vermitteln, Geltung beanspruchen. cc) Dingliche Belastung und Legitimationswirkung Dingliche Belastungen können richtigerweise nicht in die Gesellschafterliste aufgenommen werden. Die Gesellschaft wird insoweit nicht über die Legitimationswirkung der Liste geschützt. Das gilt nach der klaren gesetzgeberischen Konzeption schon ungeachtet der Eintragungsmöglichkeit, da nur die Inhaberschaft an einem Geschäftsanteil über § 16 Abs. 1 GmbHG unwiderleglich vermutet, nicht dagegen die vollständige rechtliche Ausgestaltung und Beziehung des Anteils ausgewiesen wird.229 Durch die fehlende Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG 222

Vgl. zum Ganzen OLG Stuttgart NZG 2013, 432 (433). NZG 2016, 1064. 224 NZG 2020, 64. 225 Gegen die Eintragungsfähigkeit auch Klose, DStR 1999, 807 (808 f.); Wertenbruch, NZG 2020, 641. 226 OLG München NZG 2016, 1064 (1066); s. a. Klose, DStR 1999, 807 (808). 227 So im Ergebnis auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 41; Fritsch, NZG 2009, 1158 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (418); Omlor, GmbHR 2009, 1219 (1220); Pohlmann, in: MüKoBGB, § 1068 Rn. 88; Preuß, ZGR 2008, 676 (688); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 20; a. A. aber LG Aachen GmbHR 2009, 1218 (1219); Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 411 ff.; Heidinger, in: Festschrift Stilz, S. 253 (256 ff.) m. w. N.; Jeep, NJW 2012, 658 (660); Reymann, WM 2008, 2095 (2101 f.). 228 BGH GmbHR 2015, 526 (527) – Tz. 9. 229 Statt vieler Mi. Winter/Schümmer, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 16 Rn. 10. Im Übrigen wäre eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf fakultativ ein223

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Kap. 3: Legitimationswirkung

klafft eine Schutzlücke, insbesondere bei Gewinnausschüttungen an den Listengesellschafter, dessen Anteil mit einem Nießbrauch (oder Nutzungspfandrecht) belastet ist. Die Gewinnansprüche stehen doch gerade dem Nießbraucher zu.230 Schüttet die GmbH jedoch Gewinne an den Listengesellschafter anstatt an den Nießbraucher aus, fehlt der Zahlung eigentlich die Erfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Gesellschaft liefe Gefahr, die Gewinne doppelt ausschütten zu müssen und trüge bei der Rückforderung von dem Listengesellschafter dessen Insolvenzrisiko. Vor der Gefahr der wiederholten Ausschüttungspflicht wird die gutgläubige Gesellschaft nach verbreiteter Ansicht – wie i. R. d. Amtsverwaltung – durch den Rechtsgedanken der §§ 407 Abs. 1, 413 BGB geschützt.231 Das Ergebnis überzeugt, wobei man dogmatisch und systematisch nicht auf den hinter der Norm stehenden Rechtsgedanken verweisen muss, sondern die Anwendbarkeit der §§ 407 ff., 413 BGB bereits über §§ 1070 Abs. 1, 1275 BGB herleiten kann. Klar bleibt aber, dass solange die Gesellschaft keine Kenntnis von der dinglichen Belastung hat, sie im beschriebenen Umfang Schutz genießt. Es obliegt also den dinglich Berechtigten, der Gesellschaft die Belastung des Anteils anzuzeigen. c) Gesetzliche Vertretung Des Weiteren besteht eine Diskrepanz zwischen der Ausübungsbefugnis und der Inhaberschaft am Anteil, wenn der Gesellschafter gesetzlich vertreten ist. Gesetzliche Vertretung kommt einerseits in Betracht, wenn der Gesellschafter zwar bekannt ist, allerdings selbst wegen der Geschäftsunfähigkeit/Minderjährigkeit keine rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen kann, andererseits wenn die Person des Gesellschafters unbekannt ist, etwa im Fall der Nachlasspflegschaft nach § 1960 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB. aa) Gesetzliche Vertretung eines bekannten Gesellschafters Der gesetzliche Vertreter eines Gesellschafters handelt grundsätzlich in mitgliedschaftlichen Angelegenheiten für den Gesellschafter. Der gesetzliche Vertreter (Eltern, Vormund, Betreuer, Abwesenheitspfleger) ist daher anstelle des Gesell-

tragungsfähige dingliche Belastungen keine Lösung zur Beseitigung der Rechtsunsicherheiten (so aber Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 110). Die Zusatzvermerke würden nur positive Wirkung auslösen. Bei fehlender Eintragung verblieben aber Rechtsunsicherheiten (halbseitiger Schutz). 230 Mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses entsteht der konkrete Gewinnauszahlungsanspruch sogar in der Person des Nießbrauchers selbst; vgl. Pohlmann, in: MüKoBGB, § 1068 Rn. 51. 231 Vgl. Frank, MittBayNot 2010, 96 (98); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 110; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 37; Pohlmann, in: MüKoBGB, § 1068 Rn. 88; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 20.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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schafters zu Gesellschafterversammlungen zu laden232 sowie teilnahme-233 und stimmberechtigt.234 Ebenso wie ein Amtsverwaltervermerk zählt auch die gesetzliche Vertretung nicht zu den Mindestangaben in Gesellschafterlisten und ist weder eine eintragungspflichtige noch eintragungsfähige Tatsache. Die Information der gesetzlichen Vertretung wiegt auch hier weniger stark als das Interesse übersichtlicher und klarer Gesellschafterlisten.235 Die Gesellschaft sieht sich wieder mit der misslichen Lage konfrontiert, sich nicht auf die Rechtssicherheit stiftende Legitimationswirkung berufen zu können. Denn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird nicht der gesetzliche Vertreter, sondern der Inhaber des Anteils unwiderleglich vermutet. Trotz dadurch hervorgerufener Rechtsunsicherheiten überzeugt diese Rechtsfolge. Die Gesellschafterliste soll lediglich den typischerweise aufgrund der Mitgliedschaft befugten Gesellschafter identifizieren und ihm die relative Gesellschafterstellung einräumen, nicht dagegen in die materiell angeordnete allgemeine rechtlich Handlungsbefugnis eingreifen. Kurz, die Gesellschafterliste macht keinen Geschäftsunfähigen geschäftsfähig. Die Problematik wird jedenfalls für die gesetzliche Vertretung von minderjährigen Gesellschaftern entschärft, weil seit dem HRefG in die Gesellschafterlisten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Geburtsdaten der Gesellschafter einzutragen sind. Ist der minderjährige Gesellschafter allerdings in der Liste zu Unrecht als Volljähriger ausgewiesen, macht auch diese falsche Listeneintragung ihn nicht voll geschäftsfähig. Denn mit der Legitimationsnorm wird nur die Person des Inhabers unwiderleglich vermutet, nicht dagegen dessen Alter oder dessen Name. Die Angabe des Geburtsdatums erfolgt zur Identifikation, verdrängt bei deren Unrichtigkeit aber nicht den Minderjährigenschutz.236 bb) Unbekannter Gesellschafter und Pflegschaft Ähnliche Probleme können auftreten, wenn die Person des Gesellschafters unbekannt ist. Zunächst bestehen keine Rechtsunsicherheiten, wenn der wahre Gesellschafter zwar unbekannt ist, in der Gesellschafterliste aber eine andere identi232 BayObLG GmbHR 1993, 223 (224); Hüffer/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, § 51 Rn. 12; Römermann, in: Michalski et al., GmbHG, § 51 Rn. 26; Noack, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 51 Rn. 7; Beckmann, DNotZ 1971, 132 (zur Abwesenheitspflegschaft); ähnlich, allerdings die Ladung an den Vertreter und den Vertretenen fordernd Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 51 Rn. 17. 233 Vgl. Hüffer/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, § 48 Rn. 15. 234 Vgl. statt vieler Hüffer/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, § 47 Rn. 117. 235 Miller, NJW 2018, 2518 (2521); Wicke, DB 2015, 1094 (1095). 236 A. A. wohl Kalbfleisch/Glock, GmbHR 2015, 847 (850) zu § 16 Abs. 3 GmbHG: Gesellschafterliste begründe auch den Rechtschein für die Richtigkeit des Geburtsdatums; wie hier aber die h. M. zu § 15 Abs. 3 HGB, wonach im Interesse des Minderjährigenschutzes § 15 Abs. 3 HGB durch § 1629a BGB gesperrt ist; vgl. Behnke, NJW 1998, 3078 (3081 f.); Muscheler, WM 1998, 2271 (2283); Eckebrecht, MDR 1999, 1248 (1251); Coester, in: Staudinger, BGB, 2015, § 1629a Rn. 79; a. A. insoweit Krebs, in: MüKoHGB, § 15 Rn. 25 m. w. N.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

fizierbare existente Person als Gesellschafter ausgewiesen ist. Die Gesellschaft kann sich wegen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG an den Listengesellschafter halten, selbst bei Bösgläubigkeit (sog. Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes). Diese Möglichkeit ist aber verwehrt, wenn die Gesellschafterliste eine nicht mehr existente Person ausweist. Das bürgerliche Recht kennt zur Wahrung der Rechte von unbekannten Rechtssubjekten das Institut der Pflegschaft, namentlich die Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1913 BGB) und die Nachlasspflegschaft (§ 1960 BGB), wobei letztere größere praktische Relevanz besitzt. Eine Nachlasspflegschaft kommt zur Sicherung des Nachlasses nach § 1960 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB in Betracht, wenn der Listengesellschafter gestorben ist, seine Erben aber unbekannt sind.237 Der Nachlasspfleger tritt dann als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben auf.238 Fraglich ist, ob und wie der Nachlasspfleger die mitgliedschaftlichen Rechte für den unbekannten Erben ausüben kann. In Fortführung der BGH-Entscheidung zur Nichteintragungsfähigkeit von Testamentsvollstreckervermerken239 dürfen nach den oben beschriebenen Grundsätzen gesetzliche Vertreter eines GmbH-Gesellschafters wegen der Gefahr unübersichtlicher und unklarer Listen richtigerweise nicht in die Gesellschafterliste aufgenommen werden. Das gilt auch für die gesetzliche Vertretung im Rahmen einer Nachlasspflegschaft240 oder einer Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1913 BGB). Das bedeutet freilich nicht, dass die Liste unverändert bleiben kann. Eine Änderung der Liste darf dabei aber nicht in der Gestalt erfolgen, dass der nicht mehr existente Listengesellschafter ohne Eintragung des Rechtsnachfolgers gelöscht wird. Eine solche Löschung ohne Neueintragung ist gesetzlich im GmbH-Recht – anders als im Aktienrecht –241 nicht vorgesehen.242 Die GmbH-Anteile müssen in der Liste gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG einer Person zugeordnet werden. Denkbar ist daher einzig, die unbekannten Erben in die Liste als „unbekannte Erben des (… – 237 Zur Nachlasspflegschaft in solchen Fällen vgl. Heidinger, ZNotP 2012, 449 (450 ff.); ferner Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (697 f.); vgl. schon zum alten GmbH-Recht LG Berlin NJW-RR 1986, 195. 238 Vgl. BGH NJW 1983, 226; OLG Dresden ZIP 2016, 936; Kießling, in: Saenger, ZPO, § 116 Rn. 4; Leipold, in: MüKoBGB, § 1960 Rn. 49 ff.; Wache, in: MüKoZPO, § 116 Rn. 8. 239 BGH GmbHR 2015, 526. 240 Zur Nachlasspflegschaft wie hier F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1853 f.); Miller, NJW 2018, 2518 (2521); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 40 Rn. 40; Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (699); a. A. – Eintragung des Nachlasspflegers in die Gesellschafterliste – OLG Naumburg ZIP 2016, 2219 (2220); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rn. 10; Hüffer/Schäfer, in: GroßkommGmbHG, § 51 Rn. 10; D. Mayer, MittBayNot 2014, 114 (124 f.); Werner, GmbHR 2014, 357 (358); Wicke, GmbHG, § 51 Rn. 5. 241 Nach § 67 Abs. 3 Alt. 1 AktG ist die Löschung aus dem Aktienregister gesondert von der Neueintragung angesprochen. Daher wird ein sog. Leerposten oder freier Meldebestand im Aktienregister anerkannt; vgl. BT Drucks. 14/4618, S. 13; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 67 Rn. 65; Koch, AktG, § 67 Rn. 49. 242 Vgl. Miller, NJW 2018, 2518 (2520).

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Name des Erblassers) in Erbengemeinschaft“ einzutragen.243 Im Grundbuchrecht ist eine vergleichbare Eintragung anerkannt.244 In Gesellschafterlisten liegt die Eintragung eines solchen Platzhaltervermerks ebenfalls nahe, da dadurch der Rechtsverkehr darüber informiert ist, dass ein Gesellschafter an der GmbH unbekannt ist. Die Eintragung des Platzhalters liegt aber nicht nur nahe, sondern ist eine dogmatische Notwendigkeit, damit der Nachlasspfleger im Verhältnis zur Gesellschaft wirksam handeln kann.245 Ohne die Eintragung der „unbekannten Erben“ wäre ein Nachlasspfleger bei konsequentem Verständnis der relativen Gesellschafterstellung im Verhältnis zur Gesellschaft nicht legitimiert. Denn im Verhältnis zur Gesellschaft wird als Inhaber des Anteils nur der Listengesellschafter unwiderleglich vermutet, im Falle der gesetzlichen Vertretung also nur der Listengesellschafter „unbekannter Erbe“ als Vertretungssubjekt. Mitgliedschaftliche Rechte kann daher nur der gesetzliche Vertreter eines Listengesellschafters ausüben, der Nachlasspfleger also nur, wenn die „unbekannten Erben“ in der Liste vermerkt sind. Die unbekannten Erben sind in der Gesellschafterliste solange ausgewiesen, bis entweder der Nachlasspfleger den Rechtsnachfolger ausfindig macht246 oder der Zustand der unbekannten Gesellschafterstellung durch Ausschluss des unbekannten Gesellschafters vollzogen wird.247 d) Zwischenergebnis: Verbleibende Rechtsunsicherheiten de lege lata Im Ergebnis dürfen de lege lata über den Mindestinhalt der Gesellschafterlisten in § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und über § 2 GesLV hinaus grundsätzlich keine Zusatzangaben aufgenommen werden. Nur wenn ein erhebliches praktisches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht, ist an die Eintragung von Zusatzvermerken zu denken. Die Anforderungen sind allerdings hoch. Die Gesellschaft wird in den beschriebenen Fällen nicht umfassend über die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 GmbHG, sondern allenfalls in spezifischen Situationen durch eine analoge Anwendung der §§ 407, 413 BGB geschützt. Die Analogie ist nur deshalb notwendig, weil der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG halbherzig agiert hat. Da die Legitimationswirkung auf die Inhaberschaft des GmbH-Anteils beschränkt ist, sind von vornherein zahlreiche der beschriebenen Problemfälle ungelöst geblieben. 243 So ausdrücklich F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1854); siehe allgemein zur Eintragung eines Zusatzvermerks in die Gesellschafterliste zur Kenntlichmachung der Mitberechtigung mehrerer Personen an einem Anteil nach § 18 GmbHG (hier: „in Erbengemeinschaft“) Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 359 f. 244 Vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 272 (273); OLG Rostock NJW-RR 2005, 604; F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1854). 245 Vgl. auch F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1854). 246 Zur Nachforschung als wesentliche Aufgabe des Nachlasspflegers siehe etwa KG NJW 1971, 565; OLG München ZEV 2018, 704 – Tz. 10. 247 Papmehl, MittBayNot 2013, 28 (32 f.) – zu Möglichkeiten des Ausschlusses eines unerreichbaren Gesellschafters; Werner, GmbHR 2014, 357 (361).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Die Lösung über die §§ 407 f. BGB analog mit der Anknüpfung an das subjektive Element der positiven Kenntnis in § 407 BGB führt allerdings zu gewissen Rechtsunsicherheiten. Wann Kenntnis vorlag, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein.248 Zudem reicht der Schutzumfang der §§ 407, 413 BGB analog nicht an die durch § 16 Abs. 1 GmbHG umfassend geschaffene Rechtssicherheit heran. De lege ferenda besteht daher Regelungsbedarf.249 Rechtssicher wäre es, wenn die Gesellschaft sich vollumfänglich auf den Listeninhalt verlassen könnte, nicht nur für die Gesellschafterstellung, sondern auch bei der Anordnung einer Amtsverwaltung, der dinglichen Belastung und der gesetzlichen Vertretung.

II. Rückwirkungsfiktion des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG Die umfangreichen Wirkungen der Listeneintragung treffen zwar grundsätzlich nur den Listengesellschafter. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG kann allerdings ausnahmsweise ein Nicht-Listengesellschafter in den Genuss der Legitimationswirkung gelangen, wenn er unverzüglich nach Vornahme einer mitgliedschaftlichen Rechtshandlung in die Gesellschafterliste aufgenommen wird. 1. Grundlagen und Regelungsinhalt In § 16 Abs. 1 GmbHG RefE 2006 war eine dem heutigen § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entsprechende Vorschrift nicht vorgesehen. Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde bemängelt, dass der Erwerber von Geschäftsanteilen keine wirksamen Rechtshandlungen in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vornehmen könne, wenn er zwar den Anteil materiell-rechtlich erworben habe, aber noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragen sei.250 Aus diesem Grunde wurde § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG in der heutigen Fassung eingeführt.251 Die Grundidee der Einführung des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist nachvollziehbar. Ein Erwerber ist daran interessiert, unmittelbar nach Erwerb der materiellrechtlichen Gesellschafterstellung auch Gesellschafterbeschlüsse fassen zu können. Die Vorschrift ist daher nach ihrer Zweckrichtung nur anwendbar, wenn der Erwerber im Zeitpunkt der Rechtshandlung bereits der materiell-rechtliche Gesellschafter ist.252 In rechtsdogmatischer Hinsicht bewirkt die Vorschrift eine Wirksamkeitsfik248 Aus diesem Grunde wird vertreten, gegen einen Gesellschafterbeschluss, der ohne Ladung des Testamentsvollstreckers gefasst wurde, sei nicht die Nichtigkeits-, sondern die Anfechtungsklage statthaft, vgl. Herrler, NZG 2011, 1321 (1324). 249 Ähnlich Bayer, GmbHR 2015, 529 (531). 250 Siehe etwa K. J. Müller, GmbHR 2006, 953 (959). 251 Vgl. BT Drucks. 16/6140, S. 37 f. 252 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 7; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 126; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 21b.

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tion ex tunc.253 Bevor die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG eintreten, sind die Rechtshandlungen schwebend unwirksam. Damit die Rechtshandlung ex tunc wirksam werden können, muss „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), nach Vornahme der Rechtshandlung des Erwerbers254 die Liste in das Handelsregister aufgenommen werden. Da ausdrücklich die Liste in das Handelsregister „aufgenommen“ werden muss, bezieht sich § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG auf das schuldhafte Zögern im Rahmen des gesamten Aufnahmeverfahrens und damit auch auf das Verschulden des Rechtspflegers bei dem Registergericht.255 Verzögert sich die Aufnahme wegen Verschuldens des Registergerichts, greift zwar § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht. Der Erwerber kann aber Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG geltend machen. Durch die Anknüpfung an das gesamte Eintragungsverfahren wird gesichert, dass zwischen Vornahme der Rechtshandlung und dem Eintritt der Rückwirkung ein nur kurzer und überschaubarer Zeitraum liegt. Dadurch wird Rechtssicherheit geschaffen.256 Gleichwohl ist die Regelung unbefriedigend konzipiert. Unklar bleibt, in welchem Zeitpunkt eine Liste „unverzüglich“ aufgenommen wurde. Zwar wurde während des Gesetzgebungsverfahrens gefordert, eine starre Vier-WochenHöchstfrist in § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG aufzunehmen.257 Eine solche Klarstellung ist aber unterblieben. Manche betrachten daher zwei Wochen,258 andere vier Wochen259 als Höchstgrenze. Teilweise wird die Frage offengelassen,260 wobei ein bis

253 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 48; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 86; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 45. 254 Hasselmann, NZG 2009, 409 (411) stellt klar, dass mit „Erwerber“ nicht nur der „Käufer“ des Geschäftsanteils, sondern auch der Erwerb des Anteils auf Grund einer Schenkung oder einer Erbfolge gemeint ist; s. a. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 48; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 21b. 255 Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 30; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 182 m. w. N. Teilweise wird hinterfragt, ob dieses Verständnis des Merkmals „unverzüglich“ wirklich dem Sinn der Vorschrift gerecht wird; unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 167 ZPO wird dies bezweifelt und teilweise auf die Einreichung abgestellt, vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 49; Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906 (1909); Hasselmann, NZG 2009, 409 (411); Ising, NZG 2010, 812 (813), a. A. auch Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 21b; unklar Nolting, GmbHR 2010, 584 (586), der auf das Verschulden „des betroffenen Gesellschafters“ abzustellen scheint; ausführlich zur Problematik der Bestimmung des Merkmals „unverzüglich“ siehe Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 532 ff. 256 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 182. 257 Siehe A. Elsing, GmbHR 2008, R 17 (R 18). 258 Vgl. Barthel, GmbHR 2009, 569 (570) – Fn. 6, zwei Wochen, unter Verweis auf das Verständnis zu § 121 BGB, siehe zu § 121 BGB OLG Hamm NJW-RR 1990, 523; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 121 Rn. 3. 259 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 47; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 11. 260 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 182.

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zwei Monate als wesentlich zu lange angesehen werden.261 Die gesetzliche Konzeption spricht wegen des Verzichts auf eine Klarstellung eher gegen starre Höchstfristen und für eine einzelfallbezogene Entscheidung. Zur Bestimmung eines angemessenen Zeitraumes für die „Unverzüglichkeit“ kann der normale Geschäftsgang der Registergerichte zur Aufnahme der Listen eine Orientierung geben. Teilweise werden die Listen im allgemeinen Geschäftsgang schon noch einigen Tagen aufgenommen, manchmal auch erst nach zwei Monaten.262 Nach über zwei Monaten wird nur noch schwerlich von einer unverzüglichen Aufnahme gesprochen werden können. In der notariellen Praxis werden diese Rechtsunsicherheiten regelmäßig ausgeschaltet, indem in den Vertrag zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils eine Vollmacht des Veräußerers an den Erwerber zur Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte aufgenommen wird.263 2. Bestellung eines neuen Geschäftsführers im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG Ein besonderes Problem des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG stellt sich nach einem Gesellschafterwechsel, wenn durch einen Beschluss eines noch nicht in der Liste eingetragenen Erwerbers ein neuer Geschäftsführer bestellt wird. a) Rechtsfolgen bei unverzüglicher Aufnahme der Liste Der Bestellungsbeschluss bleibt vor Listenaktualisierung schwebend unwirksam, wird aber ex tunc wirksam, wenn die geänderte Gesellschafterliste unverzüglich aufgenommen wird. Mit der rechtzeitigen Listenaufnahme werden auch alle Rechtshandlungen des zunächst schwebend unwirksam bestellten Geschäftsführers wirksam. Die Rückwirkungsfiktion erfasst daher ausnahmsweise nicht nur die „Rechtshandlung“ des Erwerbers – hier Geschäftsführerbestellungsbeschluss –, sondern in erweiterter teleologischer Auslegung auch alle zunächst schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfte, die der schwebend unwirksam bestellte Geschäftsführer vor der Aufnahme der geänderten Liste für und gegen die Gesellschaft vorgenommen hat.264 Während der Schwebezeit kann jedoch ein Vertragspartner der GmbH, sollte er die Schwebephase nachträglich erkennen, unter den Vorausset261

Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 49. Ausgewertet wurden zahlreiche eingereichte und aufgenommene Gesellschafterlisten bei dem Registergericht (AG) Stuttgart. 263 Vgl. statt vieler Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 53 m. w. N. 264 Vgl. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 7; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 51; Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906 (1907 f.); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 181; K. W. Lange, GmbHR 2012, 986 (989); Link, RNotZ 2009, 193 (212); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 26; krit., die Lösung über die fehlerhafte Organbestellung suchend, Barthel, GmbHR 2009, 569 (570); wohl auch Fell, GmbHGesellschafterliste, S. 570 ff. 262

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zungen des § 178 Satz 1 BGB analog265 einen in diesem Zeitraum geschlossenen Vertrag widerrufen. Die Gesellschaft ist dagegen nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen an die abgegebene Willenserklärung des Geschäftsführers gebunden. b) Rechtsfolgen bei verspäteter Aufnahme der Liste Erfolgt die Aufnahme der Liste dagegen nicht unverzüglich, so wird die „Rechtshandlung“ der Geschäftsführerbestellung nicht rückwirkend wirksam, sondern endgültig unwirksam.266 Uneinheitlich wird beantwortet, ob und inwieweit der unwirksam bestellte Geschäftsführer trotz des fehlerhaften Bestellungsaktes handlungsfähig ist. Teilweise wird vertreten, der Geschäftsführer sei bei endgültig unwirksamer Bestellung neben den allgemeinen Verkehrsschutztatbeständen (§ 15 HGB, Duldungs-/Anscheinsvollmacht) über die Grundsätze der fehlerhaften Organbestellung handlungsfähig.267 Schließt ein nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG schwebend unwirksam bestellter Geschäftsführer demnach Verträge mit Dritten ab, ohne dass die Liste unverzüglich aufgenommen wird, so sollen die Rechtschäfte im Außenverhältnis für und gegen die Gesellschaft bestehen bleiben.268 Der Geschäftsführer würde – so diese Auffassung – mit Vertretungsmacht handeln. Der Lösungsansatz verschafft Rechtssicherheit hinsichtlich der Organstellung. Der Rechtsverkehr kann sich auf das Handeln des möglicherweise unwirksam bestellten Organs verlassen. Die Lösung über die Grundsätze der fehlerhaften Organstellung ist aber bedenklich.269 Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG wurde laut der Regierungsbegründung zum MoMiG u. a. deswegen eingeführt, um dem Erwerber, der 265

Die Analogie ist erforderlich, da der schwebend unwirksame Vertrag nicht durch eine Genehmigung i. S. d. §§ 182, 184 BGB, sondern kraft Gesetzes mit Aufnahme der neuen Gesellschafterliste in das Handelsregister (§ 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) ex tunc wirksam wird. 266 BT Drucks. 16/6140, S. 38. 267 Vgl. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 8; Barthel, GmbHR 2009, 569 (570 ff.); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 51; Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 566 ff., 574 ff.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 92; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 49 („teleologischen Erweiterung des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG aus Verkehrsschutzgesichtspunkten“); offenlassend Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 11a. 268 Barthel, GmbHR 2009, 569 (571); allgemein zu den Rechtsfolgen der Lehre von der fehlerhaften Organbestellung siehe Bayer/Lieder, NZG 2012, 1 (5); zum Parallelfall der fehlerhaften Bestellung eines Vorstandes in einer AG vgl. etwa BGH NZG 2013, 456 (458) – Tz. 24; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 20; Koch, AktG, § 84 Rn. 12 f.; Spindler, in: MüKoAktG, § 84 Rn. 241 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 24 f. 269 Siehe Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906 (1909 f.); K. W. Lange, GmbHR 2012, 986 (989) – „rechtsmethodisch“ bedenklich; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 27, wonach es bei endgültig unwirksamen Bestellung eines Geschäftsführers durch einen Nicht-Listengesellschafter an einem der Gesellschaft zurechenbaren Bestellungsakt fehle, also die Voraussetzungen der fehlerhaften Organbestellung nicht vorlägen; krit. dazu Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 575 f.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragen ist, die Möglichkeit zu eröffnen, an einer Bestellung handlungsfähiger neuer Geschäftsführer mitzuwirken.270 Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erfüllt sind, sollen deren Rechtsfolgen (wirksamer Bestellungsbeschluss und Handlungsfähigkeit des Geschäftsführers) eintreten. Wird daher die Gesellschafterliste nicht unverzüglich aufgenommen, scheitert die wirksame Geschäftsführerbestellung; der Geschäftsführer ist nicht handlungsfähig. Wer nun die Handlungsfähigkeit des Geschäftsführers über die Grundsätze der fehlerhaften Organbestellung begründen wollte, umginge die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Damit der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG bei (schwebend) unwirksamen Geschäftsführerbestellungen inhaltlich nicht auf Null reduziert wird, müssen die Grundsätze der fehlerhaften Organbestellung durch die Wertungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG gesperrt werden (sog. Sperrwirkung). Zudem spricht der Zweck des § 16 Abs. 1 GmbHG gegen eine Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Bestellungsverhältnisses. In erster Linie vermittelt § 16 Abs. 1 GmbHG Rechtssicherheit und Transparenz in Bezug auf die Gesellschafterstruktur. Diese Zielrichtung wird auch durch den Anreizgedanke erreicht. Aus Eigeninteresse haben die Gesellschafter dafür zu sorgen, dass die Listengesellschafterstellung mit der wahren Rechtslage übereinstimmt. Diese Anreizfunktion wäre erheblich geschwächt, wenn der Nichtlistengesellschafter sich selbst als handlungsfähigen Geschäftsführer bestellen und so die Geschicke der Gesellschaft leiten könnte, ohne eine Listenänderung anstoßen zu müssen. Zuletzt erzwingt die Berücksichtigung der Interessen von Vertragspartnern der Gesellschaft im Außenverhältnis kein anderes Ergebnis.271 Dritte Vertragspartner sind grundsätzlich über die § 15 Abs. 1 und 3 HGB und durch die anerkannten Rechtsscheinvollmachten, Duldungs- und Anscheinsvollmacht geschützt.272 Kann eine Vertretungsmacht des unwirksam bestellten Geschäftsführers aber weder über den handelsrechtlichen Publizitätsschutz noch über die Rechtsscheinvollmachten konstruiert werden, so liegt ein Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht vor. Der Vertragspartner kann sich an den unwirksam bestellten Geschäftsführer nach § 179 BGB halten. Die Lösung der Sperrwirkung überzeugt rechtlich, verlagert allerdings das Risiko der verspäteten Aufnahme auf den Geschäftsführer. Die Kautelarpraxis kann diese Risiken teilweise abmildern. In notariellen Verträgen über die (aufschiebend bedingte) Abtretung von Anteilen oder betreffend Umwandlungsvorgänge können (aufschiebend bedingte) Stimmrechtsausübungsvollmachten des Veräußerers an den Erwerber aufgenommen werden. In anderen Fällen ohne rechtsgeschäftlichen 270

BT Drucks. 16/6140, S. 37 f. So aber Barthel, GmbHR 2009, 569 (570). 272 So zur fehlerhaften Vorstandsbestellung in der AG Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 24 unter Verweis auf § 15 HGB; siehe aber Bayer/Lieder, NZG 2012, 1 (2), die grundsätzlich in der Zeit vor der Eintragung des Geschäftsführers/Vorstands in Handelsregister eine Schutzlücke sehen, die durch die Lehre von der fehlerhaften Organstellung geschlossen werden soll. 271

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Übertragungsakt, etwa bei erbrechtlicher Rechtsnachfolge, wenn der Alleingesellschafter-Geschäftsführer verstirbt, hilft dagegen keine Vertragsgestaltung. Hier ist der von den Erben „bestellte“ Geschäftsführer selbst berufen, die unverzügliche Aufnahme unter Nachweis der Erbfolge (Erbschein, Europäisches Nachlasszeugnis oder öffentliches Testament samt Eröffnungsniederschrift) bei dem Registergericht einzuleiten. Die Geschäftsführerbestellung wird dabei nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erst wirksam, wenn die Erben unverzüglich in die Liste als Gesellschafter aufgenommen werden. Man spricht insoweit von „sich selbst heilenden Listen“.273 Hierbei hat der Geschäftsführer den Erfolg der Listenaufnahme allerdings nicht selbst in der Hand. Wenn die Rechtspfleger am Registergericht die Aufnahme ablehnen und stattdessen die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB analog274 verlangen, wird der Geschäftsführer nicht rückwirkend handlungsfähig. Dem Geschäftsführer droht die Haftung nach § 179 BGB, selbst wenn er die verspätete Aufnahme der Liste nicht zu verschulden hat. Diese Haftungsgefahr muss den Geschäftsführer alarmieren.275 Ihm ist daher anzuraten, bis zur Aufnahme der Gesellschafterliste haftungsintensive Rechtsgeschäfte zu unterlassen, wenn kein dringendes Handlungsbedürfnis besteht. Verlangt der Erwerber aber das sofortige Tätigwerden des Geschäftsführers, sollte dieser nur handeln, wenn der Erwerber den Geschäftsführer von einer etwaigen Haftung aus § 179 BGB freistellt.276 3. Abberufung eines Geschäftsführers im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG Nicht weniger problematisch als die Bestellung ist die Abberufung eines Geschäftsführers im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Ein Erwerber eines GmbH-Anteils könnte vor seiner Eintragung in die Gesellschafterliste nach der Gesetzeskonzeption des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG einen Geschäftsführer wirksam abberufen, wenn unverzüglich nach Vornahme der Abberufung die geänderte Liste aufgenommen wird. Die Abberufung würde rückwirkend auf den Zeitpunkt der Abberufungshandlung wirksam werden. Bis zur Auflösung der Schwebezeit stünden die Handlungen des Geschäftsführers unter dem Damoklesschwert des rückwirkenden Kompetenzverlustes.277 Zudem wäre in der Schwebezeit weder der schwe273

Für die Anwendung von § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG in solchen Fällen Fell, GmbHGesellschafterliste, S. 565 f.; K. W. Lange, GmbHR 2012, 986 (989); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 11a; offengelassen OLG Köln GmbHR 2020, 274 (275); Heidinger, GmbHR 2020, 275 f.; krit. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 45; ablehend Ising, NZG 2010, 812 (815 f.) – „Baron Münchhausen“-Effekt. 274 Zur Zulässigkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers in solchen Fällen nach § 29 BGB analog OLG Köln GmbHR 2020, 274; Heidinger, GmbHR 2020, 275; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 45; F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1853); K. W. Lange, GmbHR 2012, 986 (988); krit. Wachter, DB 2009, 159 (161). 275 So schon Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906 (1909 f.). 276 Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906 (1910). 277 So ausdrücklich Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 21c.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

bend unwirksam abberufene noch ein eventuell neu berufener Geschäftsführer endgültig wirksam bestellt.278 Ersterer wäre schwebend unwirksam abberufen, also schwebend wirksam berechtigt. Letzterer wäre schwebend unwirksam bestellt und auch schwebend unwirksam berechtigt. Um solche Situationen, in der die Vertretungsbefugnis keines Geschäftsführers zweifelsfrei feststeht, zu vermeiden, wird zutreffend die Rückwirkungsfiktion des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für Abberufungsvorgänge tatbestandlich eingeschränkt.279 Stets muss ein Vertretungsorgan einer GmbH klar bestimmbar sein. Ein Geschäftsführer, der durch einen nicht formal legitimierten Erwerber abberufen wird, bleibt daher bis zu der unverzüglichen Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste im Außenverhältnis handlungsfähiges Organ. Der schwebend unwirksam abberufene Geschäftsführer darf aber in der Schwebezeit im Innenverhältnis keine Rechtshandlungen im Widerspruch zu dem neu bestellten Geschäftsführer vornehmen. Die Rechtsmacht des neuen Geschäftsführers und die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sollen nicht konterkariert werden. Mit dieser Lösung tritt demnach bei Abberufungsvorgängen eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende Schwebezeit nicht ein.

III. Besonderheiten der mitgliedschaftlichen Haftung – § 16 Abs. 2 GmbHG Nur der Listengesellschafter haftet grundsätzlich aufgrund seiner Listenstellung für mitgliedschaftliche Pflichten.280 So ordnet es § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG an. Gleichwohl hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 GmbHG explizit nochmals Stellung zu der mitgliedschaftlichen Haftung des Erwerbers und Veräußerers genommen. Die Fragen nach der rechtlichen Einordnung und dem Zweck (siehe 1.) sowie den Voraussetzungen (siehe 2.) dieser Regelung stellen sich unweigerlich. Bei der Anwendung der Norm treten zudem Schwierigkeiten zu Tage, wenn ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter nachträglich aus der Liste gelöscht wird. Es fragt sich, ob und inwieweit dieser vormalige Listengesellschafter für rückständige mitgliedschaftliche Verbindlichkeiten haftet (siehe 3.).

278

Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 26. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 8; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 21c; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 26; offenlassend Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 181. 280 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 36; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 34, 37; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 11; a. A., wonach die Gesellschaft bei Falscheintragung auch den wahren Gesellschafter in Anspruch nehmen könne Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 49; ders., NJW 2021, 2681 (2686 f.); Bohrer, DStR 2010, 1892 (1896); ders., MittBayNot 2010, 17 (21). 279

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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1. Rechtliche Einordnung und Zweck des § 16 Abs. 2 GmbHG a) Meinungsspektrum § 16 Abs. 2 GmbHG statuiert, dass für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, der Erwerber neben dem Veräußerer haftet. Bei einer ersten Lektüre der Vorschrift könnte – im Einklang mit der wohl herrschenden Meinung – angenommen werden, mit § 16 Abs. 2 GmbHG wird die Haftung eines Erwerbers für rückständige Einlageverpflichtung originär begründet (Haftungsbegründungstatbestand für den Erwerber).281 Löbbe spricht dagegen der Vorschrift des § 16 Abs. 2 GmbHG nur teilweise diese haftungsbegründende Wirkung für den Erwerber in Ansehung der rückständigen Verpflichtungen zu. Der Erwerber solle bei einem wirksamen materiellen Erwerb des Geschäftsanteils für die mitgliedschaftlichen Pflichten bereits „unmittelbar aus dem Übergang des Geschäftsanteils“ haften. Die Norm habe insoweit daher lediglich deklaratorische Bedeutung. War die Übertragung des GmbH-Anteils dagegen unwirksam, begründe § 16 Abs. 2 GmbHG die Haftung des „Scheinerwerbers“.282 Nach einer weiteren Auffassung sei § 16 Abs. 2 GmbHG für die Erwerberhaftung insgesamt lediglich deklaratorischer Natur, unabhängig davon, ob der Erwerb wirksam war oder nicht; die Haftungsbegründung für die rückständigen Leistungen ergebe sich direkt aus der Listenstellung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).283 Ein Rückgriff auf § 16 Abs. 2 GmbHG für die Haftung des Listengesellschafters sei nicht erforderlich. Die Norm regle nur die Forthaftung des Veräußerers für Altverbindlichkeiten.

281 Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 55, 140; Servatius, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 16 Rn. 23; Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 583; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 206 f., 248; inzident Habersack, in: GroßkommGmbHG, § 31 Rn. 46; Lieder, GmbHR 2016, 189; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, GmbHG, § 16 Rn. 22; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 58; zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. BGHZ 84, 47 (50) = BGH GmbHR 1983, 42: Der Erwerber hafte nach § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. 282 Vgl. insgesamt Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 94. 283 So Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 15, 49; wohl auch Bayer/P. Scholz, GmbHR 2016, 89 (92), wonach § 16 Abs. 2 GmbHG klarstellende Funktion für die Erwerberhaftung habe; vgl. zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. Meyer-Landrut, in: MeyerLandrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 16 Rn. 16; K. J. Müller, Haftung des Erwerbers von GmbHGeschäftsanteilen und Schutz bei anfechtbarer Übertragung, 1996, S. 38 f. unter Hinweis auf § 67 Abs. 2 AktG; offengelassen in den Materialien zu § 16 GmbHG a. F. zur Frage, ob § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. für sich genommen schon haftungsbegründend für bei Anmeldung rückständige Leistungen ist, vgl. RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3739.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

b) Dogmatische Hinweise zur Einheitlichkeit der Mitgliedschaft Das unter a) beschriebene Meinungsspektrum ist Ausfluss einer größeren und rechtsformunabhängigen gesellschaftsrechtlichen Diskussion zur Haftungsverteilung zwischen dem Erwerber und Veräußerer nach der Übertragung der Mitgliedschaft. Im Personengesellschaftsrecht versuchen zahlreiche Vorschriften die Haftungstragung zu definieren. So ergibt sich aus §§ 160, 161 Abs. 2 HGB, § 736 Abs. 2 BGB (s. a. §§ 728a f. BGB n. F. [MoPeG], §§ 136 f. HGB n. F. [MoPeG]) die Forthaftung eines Veräußerers für Altverbindlichkeiten und aus §§ 130, 161 Abs. 2, 173 HGB (s. a. § 127 HGB n. F. [MoPeG]) das Einstehen eines Neugesellschafters für solche Schulden. Rechtspolitisch fraglich ist, ob die letztgenannten Normen zur Haftung des Erwerbers für Altverbindlichkeiten diese Rechtsfolge originär anordnen oder nur eine ohnehin mitgliedschaftlich anerkannte Selbstverständlichkeit manifestieren.284 Für Letzteres spricht die Struktur der Mitgliedschaft als einheitliche Rechtsposition. Diese Einheitlichkeit bedeutet, dass alle aktuellen und potentiellen verbandsbezogenen Rechte und Pflichten eines Mitglieds nach allgemeinem dogmatischem Verständnis in einer Einheit – der Mitgliedschaft – zusammengefasst sind.285 Alle mitgliedschaftlichen Pflichten sind untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden.286 Es wird nicht differenziert zwischen „vor“ oder „nach“ einem bestimmten Stichtag entstandenen Pflichten. Wird die als Gegenstand verselbstständigte Mitgliedschaft übertragen, gehen damit alle in der Mitgliedschaft zusammengefassten aktuellen und potentiellen Rechte und Pflichten einheitlich auf den Erwerber über.287 Im Personengesellschaftsrecht ist dieser Befund besonders bedeutend, erklärt er doch die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft. Sie ergibt sich aus ebendiesem Verständnis der Mitgliedschaft als einheitliche Rechtsposition, die alle Rechtsbeziehungen des Gesellschafters aufgrund seiner Rechtsposition in sich aufnimmt.288 Für Kapitalgesellschaften gilt der Gedanke der Einheitlichkeit in noch stärkerer Ausprägung. Seit jeher289 ist die freie Veräußerlichkeit von Geschäftsanteilen, die als Übertragungsobjekt die gesamte Mitgliedschaft in sich aufnehmen, anerkannt. Der Korpus des Anteils bindet die Mitgliedschaft mit all ihren Rechten und Pflichten.

284

Hierzu K. Schmidt/Grüneberg, in: MüKoHGB, § 173 Rn. 2. Lutter, AcP 180 (1980), 84 (99). 286 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 a); s. a. grundlegend zur Personengesellschaft Flume, Die Personengesellschaft, § 17 III (S. 353). 287 Lutter, AcP 180 (1980), 84 (99); für die oHG siehe Hueck, Das Recht der oHG, S. 398. 288 Grundlegend Flume, Die Personengesellschaft, § 17 II (S. 351). 289 Vgl. etwa die Regelungen Art. 223 Abs. 1 ADHGB (1861), Art. 183 ADHGB (1861), § 16 GmbHG (1892). 285

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Im Aktienrecht wird in der Konsequenz einmütig festgestellt, dass es eine von der Mitgliedschaft isolierbare Einlagepflicht nicht gibt.290 Mit einer übertragenen Aktie geht demzufolge die Einlagepflicht als nicht isolierbarer Teil der Mitgliedschaft auf den Erwerber über. Die Einlagepflicht des bisherigen Aktionärs endet.291 Ihn kann allerdings die besondere Zahlungspflicht des § 65 AktG treffen. Diese materielle Aussage wird durch § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG formal flankiert. In der Regel tauchen rückständige Einlageverpflichtungen nur bei der Ausgabe von Namensaktien auf (argumentum e § 10 Abs. 2 Satz 1 AktG). Dann gilt § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG. Der im Aktienregister eingetragene Erwerber von Namensaktien haftet also, auch wenn er nicht materieller Aktionär ist, für sämtliche rückständige Einlagen. Der Veräußerer haftet dagegen nach seiner Löschung aus dem Aktienregister nicht mehr.292 Es läge nun nahe, im GmbH-Recht wegen dessen struktureller Vergleichbarkeit zu dem Aktienrecht, insbesondere zu Namensaktien, die mitgliedschaftliche Haftung und damit auch die Einlagepflicht ebenfalls untrennbar mit der Mitgliedschaft und relativen Gesellschafterstellung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) zu verknüpfen. Die Rechtsprechung hat sich hierzu bislang – soweit ersichtlich – nicht eindeutig positioniert. Zwar hat der BGH im Jahr 1982 von einer Haftung des Erwerbers nach § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. (= § 16 Abs. 2 GmbHG n. F.) gesprochen, dabei aber nicht deutlich gemacht, ob er der Haftungsnorm für die Erwerberhaftung deklaratorische oder haftungsbegründende Wirkung bemisst.293 Starke Stimmen in der Literatur äußern sich klarer. Sie schließen sich dem oben beschriebenen aktienrechtlichen Ergebnis nicht an, sondern differenzieren. Schuldner des Einlageanspruchs soll sein, wer im Zeitpunkt der Fälligkeit als aktueller Inhaber des Geschäftsanteils im Verhältnis zur Gesellschaft gilt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).294 Veräußert der Gesellschafter anschließend seinen Anteil und wird die Gesellschafterliste geändert, bliebe er Schuldner des mitgliedschaftlichen Anspruchs. Der Erwerber hafte dann für die rückständigen Verbindlichkeiten nicht kraft seiner Mitgliedschaft, sondern wegen § 16 Abs. 2 GmbHG für im Zeitpunkt des Erwerbs rückständige Leistungen. Diese Auffassung verkennt, dass die mitgliedschaftlichen Pflichten auch im GmbHRecht – wie sonst im Gesellschaftsrecht – untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden sind. Ein dogmatischer Sonderweg ist im GmbH-Recht sachlich nicht angezeigt. Der Erwerber eines Anteils tritt vielmehr ipso iure in sämtliche aktuellen – und somit auch rückständigen – wie potentiellen mitgliedschaftlichen Pflichten ein, 290 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 54 Rn. 5; Koch, AktG, § 54 Rn. 2; K. W. Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 54 Rn. 5 – „Abspaltungsverbot“ (nicht wiederholt in Nachauflage). 291 OLG Hamm BeckRS 2010, 26540; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 54 Rn. 10; Götze, in: MüKoAktG, § 54 Rn. 13, Henze, in: GroßkommAktG, Hopt/Wiedemann, § 54 Rn. 17; Koch, AktG, § 54 Rn. 2, 4; Mayer/Albrecht vom Kolke, in: Hölters/Weber, AktG, § 54 Rn. 4. 292 Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 54 Rn. 13. 293 BGHZ 84, 47 (50 f.) = GmbHR 1983, 42. 294 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 19 Rn. 11; Schwandtner, in: MüKoGmbHG, § 19 Rn. 13; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 5.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

und zwar in dem Zeitpunkt, in dem er in der aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).295 Ein Rückgriff auf § 16 Abs. 2 GmbHG für die Erwerberhaftung für rückständige Leistungen ist obsolet. c) Zweck des § 16 Abs. 2 GmbHG Nun stellt sich aber die Frage nach dem Regelungsziel des § 16 Abs. 2 GmbHG, wenn die Vorschrift nicht die Haftung des Erwerbers für Altverbindlichkeiten originär begründet. Der Tatbestand ist nicht für die Forthaftung des Erwerbers, sondern für die Forthaftung des Veräußerers bedeutend. Solange ein Veräußerer noch als Listengesellschafter in der Liste eingetragen ist, haftet er für alle fällig werdenden Verbindlichkeiten wegen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Insoweit bringt § 16 Abs. 2 GmbHG keinen Mehrwert. Wird jedoch in die zu dem Register aufgenommene Liste der Erwerber eingetragen, haftet ab diesem Zeitpunkt der Veräußerer unstrittig nicht mehr für später fällig werdende Verbindlichkeiten.296 Aber auch bereits rückständige Leistungen kann die Gesellschaft von dem Veräußerer nach der Listenänderung nicht mehr als originäre mitgliedschaftliche Pflicht einfordern, insbesondere nicht mehr aufgrund der Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Die mitgliedschaftlichen Pflichten gehen nämlich zum einen auf den Erwerber über und sind nicht untrennbar mit der Person des Veräußerers verbunden. Zum anderen ist in der gegenwärtigen zu dem Register aufgenommenen Liste nicht mehr der Veräußerer, sondern der Erwerber eingetragen. In diese Haftungslücke stößt § 16 Abs. 2 GmbHG, der den Veräußerer für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils unwiderleglich vermutet wird, neben dem Erwerber forthaften lässt. Erwerber und Veräußerer haften dabei gesamtschuldnerisch i. S. d. §§ 421 ff. BGB.297 § 16 Abs. 2 GmbHG begründet somit die Forthaftung des Veräußerers für zu dem Zeitpunkt der Listenänderung rückständige Einlageverbindlichkeiten.298 Auch die 295

Ähnlich Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 14 GmbHG Rn. 5. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 38; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 232; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 65; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 55. 297 Unstrittig, siehe etwa Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 13; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 146, 155; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 113 m. w. N.; zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. BGHZ 68, 191 (196 f.) = GmbHR 1978, 9 (11 f.) sowie bereits RT Drucks. 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Aktenstück Nr. 660, 5. Anlagenband S. 3739 („prinzipale Gesammtverbindlichkeit“). 298 Vgl. Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 47; im Ergebnis ebenso Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 94 Fn. 262; zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F.: Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 16 Rn. 16; K. J. Müller, Haftung des Erwerbers von GmbH-Geschäftsanteilen und Schutz bei anfechtbarer Übertragung, 1996, S. 39; M. Winter/Löbbe, in: GroßkommGmbHG, 1. Aufl. 2005, § 16 Rn. 42; a. A., wonach § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. (auch) die Forthaftung des Erwerbers regeln soll: Ebbing, in: Michalski, 296

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Rechtsprechung scheint diesem Normverständnis nicht abgeneigt zu sein.299 Durch die Forthaftung wird erreicht, dass sich der Veräußerer nicht seiner rückständigen Haftung durch Übertragung des Anteils entziehen kann.300 Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 GmbHG hat dadurch in erster Linie gläubigerschützende Funktion.301 Bekannt sind vergleichbare Forthaftungstatbestände im Aktienrecht (§ 65 AktG)302 sowie ungeschrieben, aber in §§ 736 Abs. 2 BGB, 160, 161 Abs. 2 HGB vorausgesetzt, im Personengesellschaftsrecht.303 Die Forthaftung im GmbH-Recht ist daher keine Besonderheit. Obwohl mit § 16 Abs. 2 GmbHG die Forthaftung des Veräußerers für rückständige Einlageverbindlichkeiten statuiert wird, lässt sich dieser Regelungsinhalt der Norm selbst nicht unmittelbar entnehmen. Die Norm sagt doch: „Für Einlageverpflichtungen (…) haftet der Erwerber neben dem Veräußerer.“ Aufgrund des Wortlauts könnte davon ausgegangen werden, § 16 Abs. 2 GmbHG habe für die Erwerber- und die Veräußererhaftung haftungsbegründende Wirkung. Begrüßenswert wäre deswegen eine klarstellende Formulierung in § 16 Abs. 2 GmbHG gewesen, wie sie etwa i. R. d. Reformbestrebungen von 1939 in § 42 Abs. 2 Satz 1 GmbHG RefE 1939 zum Ausdruck gebracht wurde.304 Dort hieß es: „Der bisherige Gesellschafter bleibt zu den Leistungen verpflichtet, die bei Erstattung der Anzeige des Gesellschafterwechsels (§ 40 GmbHG RefE 1939) bereits fällig waren.“305 Damit wäre eindeutig hervorgehoben, dass die Norm lediglich die Haftung des bisherigen Gesellschafters erweitert und im Übrigen die mitgliedschaftliche Haftung untrennbar mit der Gesellschafterstellung verbunden ist. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 GmbHG hat für die Haftung des Veräußerers konstitutive, für die Haftung des Erwerbes jedoch allenfalls deklaratorische Wirkung.

GmbHG, 1. Aufl. 2002, § 16 Rn. 51, 58; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 16 Rn. 17 ff. 299 Vgl. BGH GmbHR 2015, 935 (937) – Tz. 19, allerdings mit der nicht eindeutigen Äußerung, § 16 Abs. 2 GmbHG regele, „soweit es den Veräußerer betrifft, nur den Fortbestand seiner Haftung für eigene Einlageverpflichtungen“ (Hervorhebung durch den Autor); inzident aber OLG Frankfurt GmbHR 2009, 1155 (1158); zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F.: BGHZ 132, 390 (392) = GmbHR 1996, 601 (602): „Nach dieser Bestimmung (§ 16 Abs. 3 GmbHG a. F., Anm. des Autors) bleibt der Veräußerer eines Geschäftsanteils für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen der Gesellschaft verhaftet.“ 300 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 234; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 9; zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. siehe ebenso OLG Hamm GmbHR 2006, 252 (254). 301 Ausdrücklich Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 9. 302 Vgl. statt vieler Götze, in: MüKoAktG, § 54 Rn. 13. 303 Siehe Flume, Die Personengesellschaft, § 17 III (S. 353); vgl. auch Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 40. 304 Siehe schon oben Kapitel 1 C. 305 Hervorhebungen durch den Autor.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

2. Haftungsvoraussetzungen Zu klären ist im Folgenden, unter welchen Voraussetzungen die Forthaftung nach § 16 Abs. 2 GmbHG aktuell wird. Dazu werden geschriebene und ungeschriebene Merkmale in den Blick genommen. a) Veräußerer aa) Veräußerer als rechtsgeschäftlich Übertragender Gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG haftet nur der direkte Veräußerer, nicht dagegen jeder – auch frühere – Rechtsvorgänger, wie es etwa in § 22 GmbHG vorgesehen ist. Indem § 16 Abs. 2 GmbHG die Haftung des „Veräußerers“ anspricht, wird nahegelegt, die Vorschrift gelte nur für rechtsgeschäftliche Anteilsabtretungen, nicht also für den Übergang eines Anteils kraft Gesetzes, etwa im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (z. B. im Erbfall, § 1922 Abs. 1 BGB oder bei der Spaltung, §§ 123 ff., 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Wird beispielsweise von einem „Veräußerer“ in § 16 Abs. 3 Satz 1 GmbHG oder an anderer Stelle im BGB – wie in den §§ 358 Abs. 3 Satz 3, 416, 925 Abs. 1 Satz 1, 926, 932 ff., 1244, 2385 Abs. 1 BGB – gesprochen, ist damit stets der rechtsgeschäftlich Übertragende gemeint. Die Literatur lehnt dieses wörtliche Verständnis jedoch teilweise ab und legt § 16 Abs. 2 GmbHG entgegen dem Wortlaut erweitert aus.306 § 16 Abs. 2 GmbHG müsse im systematischen Zusammenhang mit § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und dem daraus folgenden System der relativen Gesellschafterstellung gesehen werden. Die Vorschrift gelte also grundsätzlich für alle Übertragungstatbestände, auch für umwandlungs- und erbrechtliche Übertragungen. Die unklare Formulierung in § 16 Abs. 2 GmbHG wird als Redaktionsversehen des Gesetzgebers gewertet.307 Diese Sichtweise stößt auf Bedenken. Wieso der Gesetzgeber die Norm versehentlich falsch aufgenommen haben soll, ist nicht ersichtlich. Gegen ein Redaktionsversehen spricht ein Vergleich der Materialien zu dem MoMiG (2008) mit den Gesetzesbegründungen zu diskutierten, aber nicht verabschiedeten Neufassungen des GmbHG nach dem RefE 1939, RefE 1969 und dem RegE 1972.308 In den Jahren 1939, 1969 und 1972 wurde in § 42 Abs. 2 GmbHG RefE 1939, in § 51 Abs. 2 GmbHG RefE 1969 bzw. dem inhaltsgleichen § 53 Abs. 2 GmbHG RegE 1972 die Forthaftung ausdrücklich auf alle Fälle des Anteilserwerbs ausgeweitet. In allen drei Entwürfen wurde bewusst nicht von der Haftung des „Veräußerers“, sondern der „bisherige(n) Gesellschafter“ gesprochen. Zusätzlich weisen speziell die Begrün306 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 249; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 97. 307 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 249; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 97; s. a. Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 584. 308 Siehe zu den Entwürfen in den Jahren 1939, 1969, 1972 bereits oben Kapitel 1 C. sowie Kapitel 1 D.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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dungen zu den RefE und RegE von 1969 bis 1972 darauf hin, dass die Haftung sich nicht nur auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb, sondern auf jeden Erwerb erstrecken sollte.309 Bei Erlass des § 16 Abs. 2 GmbHG im Zuge des MoMiG zeugen dagegen weder eine klarstellende Terminologie noch ein Hinweis in der Regierungsbegründung auf einen erweiterten Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 GmbHG auf alle Fälle des Anteilserwerbs. In der Regierungsbegründung zu dem MoMiG wird nur festgestellt, dass durch § 16 Abs. 2 GmbHG „die bisherige Regelung in § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. aufgegriffen“ werden soll und lediglich der zeitliche Anknüpfungspunkt angepasst wird.310 In § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. war unstreitig aber nur die Forthaftung des „Veräußerers“ angesprochen.311 Angesichts des klaren Wortlauts in § 16 Abs. 2 GmbHG sowie der Gesetzeshistorie ist nicht erkennbar, dass die Verfasser des MoMiG den Tatbestand erweitert ausgelegt wissen wollten. Teilweise wird allerdings der Einwand vorgebracht, aus der Liste gehe nicht hervor, worauf der Anteilserwerb beruhe. Deswegen müsse § 16 Abs. 2 GmbHG für alle Fälle des Anteilserwerbs gelten.312 Ob diese Begründung im Anwendungsbereich der neuen GesLV noch zu halten ist, da nach § 2 Abs. 3 Nr. 7 GesLV der „Anteilsübergang“ in der Veränderungsspalte vermerkt werden soll, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls aber geht diese Auffassung von dem unzutreffenden Verständnis aus, § 16 Abs. 2 GmbHG sei der erforderliche Haftungsbegründungstatbestand für die Haftung des Listengesellschafters für rückständige Leistungen und damit zur Vermeidung von Haftungslücken notwendig erweiternd auszulegen. Das trifft aber – wie oben gesehen –313 nicht zu. Die Haftung des Listengesellschafters bestimmt sich umfänglich nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, so dass es auf § 16 Abs. 2 GmbHG nicht ankommt. Eine gleichlaufende Zuordnung aller mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten wird durch die Listenposition erreicht. Dass mit § 16 Abs. 2 GmbHG lediglich die Forthaftung des Veräußerers, nicht aber sämtlicher bisheriger Gesellschafter begründet wird, ist als gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren. Ohnehin besteht kein praktisches Bedürfnis für die Forthaftung bei Gesamtrechtsnachfolge (dazu sogleich unter bb)). Der Hinweis auf ein Redaktionsversehen überzeugt daher insgesamt nicht. Voraussetzung für die Forthaftung ist eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Gesellschafterstellung. Wirksam muss die 309 Zur Begründung im RefE vgl. Erläuternde Bemerkungen zum RefE von 1969, in: BMJ, RefE, GmbHG, 1969, S. 191. Zum RegE siehe BT Drucks. 6/3088, S. 113. 310 BT Drucks. 16/6140, S. 38. 311 Das liegt an der Formulierung des § 16 Abs. 3 GmbHG a. F., der ebenfalls von „Veräußerer“ spricht, hängt aber auch mit der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. nur für rechtsgeschäftliche Übertragungsakte zusammen; vgl. ergänzend Altmeppen, in: G.H. Roth/ Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 16 Rn. 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 12. 312 Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 249; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 97. 313 Siehe Kapitel 3 B. III. 1. b).

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Veräußerung aber wohl nicht sein.314 Jedenfalls kann sich ein Veräußerer einer Haftung nach § 16 Abs. 2 GmbHG nicht mit dem Einwand entziehen, die Veräußerung sei unwirksam. In diesem Fall müsste nämlich die Gesellschafterliste umgehend geändert werden und der Veräußerer als Listengesellschafter eingetragen werden. Er würde dann nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haften. Der Einwand wäre wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) unbeachtlich. bb) Kein praktisches Bedürfnis für eine Forthaftung bei Gesamtrechtsnachfolge Die Forthaftung gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG ist nach wortlautgetreuer Auffassung nicht auf Übertragungen von Geschäftsanteilen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge anwendbar. Für eine Forthaftung besteht in diesen Fällen auch kein praktisches Bedürfnis. Das gilt für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge, in denen der übertragende Rechtsträger existent bleibt, aber auch wenn der Rechtsvorgänger mit dem Übergang erlischt oder stirbt. (1) Gesamtrechtsnachfolge bei Fortbestehen des Rechtsvorgängers Im Wege der Spaltung durch Abspaltung (§ 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG) oder Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 GmbHG) können einzelne GmbH-Geschäftsanteile im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf einen übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, ohne dass der Rechtsvorgänger erlischt. Auch nach der Übertragung bleibt der übertragende Rechtsträger existent. Im praktischen Ergebnis entsprechen solche Umwandlungen der Anteilsabtretung. Bedeutsam sind sie neben der Abtretung, insbesondere um bestehende Vinkulierungsklauseln umgehen zu können.315 Trotz der Vergleichbarkeit zu Veräußerungsfällen ist die Forthaftung des übertragenden Rechtsträgers nach § 16 Abs. 2 GmbHG für diese Konstellationen weder tatbestandlich einschlägig (er ist kein „Veräußerer“) noch erforderlich. Die Gläubiger werden durch die spezifische umwandlungsrechtliche Regelung des § 133 UmwG ausreichend geschützt, weshalb es eines Rückgriffs auf § 16 Abs. 2 GmbHG nicht bedarf. (2) Gesamtrechtsnachfolge bei fehlendem Fortbestehen des Rechtsvorgängers Anders als in den beschriebenen Spaltungsfällen besteht üblicherweise bei der Gesamtrechtsnachfolge ein Rechtsvorgänger als Haftungssubjekt nach dem Übergang des Anteils nicht mehr. Geht der Anteil im Wege der Erbschaft auf den Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB), ist der tote Erblasser nicht mehr existent, eine Forthaftung nach § 16 Abs. 2 GmbHG daher undenkbar. Gleiches gilt für die Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzungen (§ 2 Nr. 1 UmwG) oder Aufspaltungen (§ 123 314

Wiersch, ZGR 2015, 591 (603 Fn. 47). Zur Zulässigkeit dieser Gestaltungsmöglichkeit siehe OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (937 f.) mit zust. Anm. Wachter, GmbHR 2014, 940 (941); Heckschen, GmbHR 2015, 897 (908). 315

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG bzw. § 131 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG erlischt der übertragende Rechtsträger unabhängig von Mängeln der Verschmelzung oder Spaltung, §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2 UmwG. In den beschriebenen Fällen haftet der Erwerber (also der Erbe bzw. der übernehmende Rechtsträger) nach der Eintragung in die Gesellschafterliste für rückständige Leistungen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Der nicht mehr existente „Alt“-Gesellschafter kann dagegen kein taugliches Haftungssubjekt mehr sein. Eine Anwendung des § 16 Abs. 2 GmbHG ist auf diese Fälle daher von vornherein ausgeschlossen. cc) Zwischenergebnis Obwohl § 16 Abs. 2 GmbHG nur die Forthaftung eines Veräußerers im wörtlichen Sinne erfasst, werden keine unbilligen Ergebnisse erzielt. Vielfach sind in Konstellationen der Gesamtrechtsnachfolge zur Forthaftung verpflichtete Haftungssubjekte nicht mehr existent und damit die Frage, ob der Rechtsvorgänger forthaftet, nicht mehr virulent. Gibt es aber doch Rechtsvorgänger, greifen gläubigerschützende Spezialregeln (z. B. § 133 UmwG) ein. Auf § 16 Abs. 2 GmbHG muss nicht zurückgegriffen werden. b) Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der „Voreintragung des Veräußerers“ Durch die Forthaftung gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG soll zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft verhindert werden, dass sich der Veräußerer eines Geschäftsanteils seiner rückständigen Haftung durch Übertragung des Anteils entzieht.316 Diesen Zweck kann die Norm nur erfüllen, wenn der Veräußerer vor der Veräußerung selbst für die rückständigen Einlageverpflichtungen, derer er sich entziehen könnte, einzustehen hatte. Nach der Regelungskonzeption des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haftet der Veräußerer vor der Veräußerung und Änderung der Gesellschafterliste nur dann für die mitgliedschaftlichen Pflichten, wenn er damals in die zu dem Register aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen war. Ein Veräußerer, der nicht eingetragen war, hatte niemals für offene Einlagen zu haften. Er kann und muss sich einer Forthaftung durch die Veräußerung nicht entziehen. Die Regelungsanordnung des § 16 Abs. 2 GmbHG ergibt zulasten des Veräußerers nur Sinn, wenn er in die Gesellschafterliste voreingetragen war. Im Übrigen wäre es ein merkwürdiges Ergebnis, wenn der nicht eingetragene Veräußerer während seiner materiellen Gesellschafterstellung nicht haftbar wäre und erst durch die Veräußerung nach § 16 Abs. 2 GmbHG seine Haftung geschaffen würde. Aus diesem Grund haftet ein Veräußerer bei einer Veräußerungskette nicht nach § 16 Abs. 2 GmbHG, wenn er als Zwischenerwerber nicht in die Gesell-

316

Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 234; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 9.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

schafterliste eingetragen war.317 Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist im Wege der teleologischen Reduktion des § 16 Abs. 2 GmbHG demzufolge die Voreintragung des Veräußerers zu fordern.318 In dieser Lesart erinnert der Tatbestand des § 16 Abs. 2 GmbHG an die Vorschrift des § 22 Abs. 1 GmbHG.319 c) Einlageverpflichtungen Schließlich spricht das Gesetz in § 16 Abs. 2 GmbHG von der Haftung für rückständige „Einlageverpflichtungen“. Inwieweit den Veräußerer neben der rückständigen Einlagepflicht auch die Differenzhaftung (§ 9 GmbHG), die Unterbilanzhaftung, die Haftung für Nachschüsse und Nebenleistungspflichten und die Einstandspflichten nach §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG treffen sollen, erklärt der Wortlaut nicht. Beinahe unstreitig ist aber zu Recht anerkannt, dass von der Vorgängerregelung in § 16 Abs. 3 GmbHG a. F., die noch von „rückständigen Leistungen“ spricht, inhaltlich nicht abgewichen werden sollte.320 Das gilt, obwohl im RefE 2006 in § 16 Abs. 2 GmbHG RefE 2006 noch von „rückständigen Leistungen“ gesprochen wurde, was allerdings keinen Eingang in § 16 Abs. 2 GmbHG RegE 2007 gefunden hat.321 Für die weite Auslegung spricht insbesondere die Funktion des § 16 Abs. 2 GmbHG als Regelung des Kapitalerhaltungs- und Kapitalaufbringungsschutzes. Inzident maß auch der BGH322 seit 2012 § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. und § 16 Abs. 2 GmbHG n. F. die gleiche Wirkung zu und hat sich im September 2018 endlich ausdrücklich zu einem weiten Verständnis der Norm bekannt.323 Im Ergebnis ist das Tatbestandsmerkmal „Einlageverpflichtungen“ daher wie „Leistungen“ zu lesen. d) Zwischenergebnis Die Forthaftung trifft nach § 16 Abs. 2 GmbHG folglich nur den Veräußerer, der in der Gesellschafterliste voreingetragen sein muss, und zwar nur für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig – also fällig – sind, ab dem der Erwerb als relativer Gesellschafter unwiderleglich vermutet wird. 317 So auch Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 35; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 147. 318 Miller, ZIP 2020, 62 (64 f.). 319 Zur Voreintragungsvoraussetzung für § 22 GmbHG etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 22 Rn. 4 f.; Miller, ZIP 2020, 62 (65). 320 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 56; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 22 ff.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 96; Miller, ZIP 2020, 62 (64); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 56 (analoge Anwendung); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 52; Tebben, RNotZ 2008, 441 (457); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 12; a. A., eng am Wortlaut haftend Link, RNotZ 2009, 193 (214). 321 Eine Korrektur des Wortlauts von § 16 Abs. 2 GmbHG im Gesetzgebungsverfahren befürworteten daher Götze/Bressler, NZG 2007, 894; D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (405 f.). 322 BGHZ 192, 341 (344) = GmbHR 2012, 630 (631) – Tz. 7. 323 BGH ZIP 2018, 2018 (2021) – Tz. 36.

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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3. Mitgliedschaftliche Haftung bei Listenkorrekturen Problematisch ist die Haftung des Listengesellschafters, wenn die Veränderung in der Person des Gesellschafters oder im Umfang seiner Beteiligung unwirksam ist, die Gesellschafterliste aber trotzdem geändert und der „Scheinerwerber“ in die Liste eingetragen wurde. Die Gesellschafterliste weist einen nicht materiell berechtigten Gesellschafter aus, ist falsch und muss daher korrigiert werden (sog. Listenkorrektur). Bevor die Liste korrigiert wird, haftet der falsche Listengesellschafter regelmäßig über § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Unklar ist aber, ob nach der Listenkorrektur der unwirksam Erwerbende nach § 16 Abs. 2 GmbHG forthaftet. Wird ersteres verneint, ist zu überlegen, an wen sich der Listengesellschafter halten kann, wenn er die Einlagen erbracht hat oder wie er sich zu verhalten hat, wenn die Einlagen noch ausstehen und er sich einem Haftungsverlangen vor der Listenkorrektur entziehen möchte. a) Forthaftung nach Listenkorrektur Mit der Listenkorrektur endet die relative Gesellschafterstellung des Erwerbers. Für Leistungen, die erst nach der Listenkorrektur fällig werden, haftet daher der Erwerber als vormals unberechtigter Listengesellschafter nicht aus § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.324 Ebenso haftet er nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für die schon während seiner Eintragung fälligen Einlageforderungen nach der Listenkorrektur. Mit der Listenkorrektur verliert er seine Listenposition und damit die Stellung als Haftungssubjekt. Fraglich ist allerdings, ob der Erwerber für Leistungen, die im Zeitpunkt der Listenkorrektur bereits fällig waren, nach der Listenkorrektur gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG forthaftet. Die Fragestellung wird seit jeher unterschiedlich beantwortet. Der ehemalige falsche Listengesellschafter müsste insbesondere als „Veräußerer“ i. S. d. § 16 Abs. 2 GmbHG anzusehen sein. Da die Vorschrift des § 16 Abs. 2 GmbHG weitgehend dem § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. entspricht, sind auch die zur alten Rechtslage vertretenen Auffassungen und Argumente in den Fokus zu rücken (siehe aa)), bevor die Frage nach der Forthaftung gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG nach heutiger Rechtslage beantwortet wird (siehe bb)). aa) Zur Forthaftung nach § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. Der BGH hatte zur Forthaftung gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. am 10. 5. 1982 die Frage zu klären, ob ein Erwerber für die während seiner Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. fällig gestellten Einlageforderungen auch nach der Anfechtung des Anteilserwerbs wegen arglistiger Täuschung durch den Veräußerer und der

324 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 23; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 32; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 84; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 29.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

Anmeldung forthaftet.325 Das Problem entzündete sich an der Frage, ob eine mit ex nunc-Wirkung326 beseitigte Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. die Haftung des vormals angemeldeten Gesellschafters entfallen lässt. Irrelevant war die Anfechtung des Anteilserwerbs.327 Selbst bei einem unwirksamen oder mit ex tuncWirkung angefochtenen Anteilserwerb, haftete der Erwerber für die Dauer seiner Anmeldung fort, § 16 Abs. 1 GmbHG a. F.328 Die materielle Rechtslage war im Interesse der Gesellschaft von der formalen Anmeldung losgelöst. Anders war ausnahmsweise zu entscheiden, wenn die Anmeldung selbst zu unbestimmt war und daher keinem Geschäftsanteil zugeordnet werden konnte. Die Anmeldung war dann von Anfang an unwirksam, weshalb der Angemeldete wegen der Unbestimmtheit nicht als Erwerber haftete.329 Die angeklungene Frage, ob ein unwirksam Erwerbender nach Beseitigung seiner Anmeldung (ex nunc) als vormals angemeldeter Gesellschafter forthaftete, bejahte der BGH unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 16 Abs. 3 GmbHG a. F.330 Der Gesellschaft könne – so der Rechtsgedanke des § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. – „der in der Person eines formal legitimierten Gesellschafters einmal entstandene und fällig gewordene Einlageanspruch durch einen Gesellschafterwechsel, ungeachtet der Mithaftung des Erwerbers, nicht wieder entzogen werden.“331 Sinngemäß gelte dies im Falle der Anfechtung einer Anteilsübertragung wegen arglistiger Täuschung, so dass der unwirksam Erwerbende neben dem Veräußerer für die rückständigen Leistungen forthafte. Andernfalls hinge die Haftung des Anfechtenden davon ab, ob er seine Leistung bei Fälligkeit pünktlich erbracht oder sie bis zur gegenüber der Gesellschaft wirksam gewordenen Anfechtung hinausgezögert habe; das könne nicht sein.332 Im Übrigen sei die Haftung mit der Stammeinlage als notwendige Mindestleistung des Gesellschafters und Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Mitgliedschaftsrechten mit der Gesellschafterstellung so eng verbunden, dass die Wirkungen der Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. auch auf sie zu erstrecken seien.333 325

BGHZ 84, 47 = GmbHR 1983, 42. Die Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. konnte durch Widerruf oder Abmeldung, aber auch durch Anfechtung entgegen § 142 Abs. 1 BGB nur mit ex nunc Wirkung beseitigt werden; vgl. statt vieler Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 4. 327 Irreführend spricht der BGH aber im besprochenen Urteil stets von den Wirkungen einer Anfechtung (der Anteilsübertragung); vgl. BGHZ 84, 47 (48 ff.) = GmbHR 1983, 42 f. Es geht aber nicht um die Anfechtung der Übertragung, sondern um die Beseitigung der Anmeldung. 328 Der BGH spricht von einer Erwerberhaftung nach § 16 Abs. 3 GmbHG a. F., vgl. BGHZ 84, 47 (50) = GmbHR 1983, 42; siehe zur Einordnung oben Kapitel 3 B. III. 1. 329 BGH GmbHR 2010, 918; ebenso im Ergebnis die Vorinstanz OLG Frankfurt GmbHR 2009, 1155 (1157 f.); dem im Ergebnis zust. K. J. Müller, GmbHR 2009, 1158 (1159). 330 BGHZ 84, 47 (50 f.) = GmbHR 1983, 42; a. A. noch RG JW 1915, 588 f. 331 BGHZ 84, 47 (50) = GmbHR 1983, 42. 332 BGHZ 84, 47 (50) = GmbHR 1983, 42. 333 So ausdrücklich BGHZ 84, 47 (50) = GmbHR 1983, 42. 326

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

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Die Entscheidung des BGH ist auf geteiltes Echo gestoßen. Vielfach wurde sie unterstützt,334 mindestens ebenso zahlreich aber kritisiert,335 und zwar zu Recht. Es leuchtet nicht ein, weshalb eine Person, die nach einer wirksamen Anfechtung des Anteilserwerbs gemäß der ex tunc-Fiktion des § 142 Abs. 1 BGB niemals als materiell-rechtlicher Gesellschafter gilt und galt, für rückständige Einlageverpflichtungen haften soll. Sie könnte zwar Regress – etwa nach § 426 Abs. 1 BGB, §§ 823 ff. BGB – bei dem Veräußerer nehmen, trüge aber dessen Insolvenzrisiko. Zur Rechtfertigung versucht der BGH trotzdem den Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. anzuwenden und definiert ihn – so schon oben – sogar noch zutreffend:336 Der Gesellschaft könne „der in der Person eines formal legitimierten Gesellschafters einmal entstandene und fällig gewordene Einlageanspruch durch einen Gesellschafterwechsel, ungeachtet der Mithaftung des Erwerbers, nicht wieder entzogen werden.“ Mit § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. soll verhindert werden, dass sich ein vormals materiell und zugleich formell legitimierter Gesellschafter durch einen Gesellschafterwechsel seiner Einlagenhaftung entzieht. Es soll aber nicht der Gesellschaft eine Person als Haftungssubjekt zur Verfügung gestellt werden, die rechtlich betrachtet niemals der materielle Rechtsinhaber gewesen ist. Genau das erreicht der BGH aber mit seiner Lösung. Wer zudem die Forthaftung bejahen würde, präsentierte der Gesellschaft – und im Insolvenzfalle den Gesellschaftsgläubiger – den Anfechtenden wie ein unverhofftes Geschenk als Einlageschuldner.337 Mit dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. war diese Rechtsfolge nach hier vertretener Auffassung nicht vereinbar. Zudem war unter gläubigerschützenden Aspekten eine Forthaftung des Anfechtenden nicht erforderlich. Selbstverständlich lebte die Haftung des unwirksam Veräußernden für rückständige Einlagebeträge, nachdem er wieder als Gesellschafter bei der Gesellschaft gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. angemeldet ist, wieder auf.338 Es ist daher nachvollziehbar, dass sich das OLG Hamm mit Urteil vom 13. 12. 2005 ausdrücklich und mit ausführlicher Begründung gegen die Entscheidung des 334 BGH GmbHR 1990, 164 (166); GmbHR 2007, 375 (376) – Tz. 20; OLG Hamburg GmbHR 1998, 591 (592 f.); OLG Celle GmbHR 2000, 1099 (1101); ebenso Grunewald, ZGR 1991, 452 (461 f.); Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 16 Rn. 15; Theiselmann, GmbHR 2009, 1260 (1261 f.); offenlassend OLG Frankfurt GmbHR 2009, 1155 (1157 f.); vgl. auch Däubler, GmbHR 1963, 181 (183), wonach ein Scheinerbe nach § 16 Abs. 3 GmbHG analog forthaften solle, wenn er durch den wahren Erben abgelöst wird. 335 OLG Hamm GmbHR 2006, 252 (253 f.); Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 16 Rn. 27 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rn. 12; K. J. Müller, NJW 1999, 544 (545); Zutt, in: Festschrift Oppenhoff, S. 555 (569); Limmer, ZIP 1993, 412 (417 f.); im Ergebnis krit. auch Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274 (275 f.), die eine Lösung aber über Rechtsscheingrundsätze konstruiert. 336 BGHZ 84, 47 (50 f.) = GmbHR 1983, 42. 337 Siehe etwa OLG Hamm GmbHR 2006, 252 (254): „unverdienter Glücksfall“; Wiersch, ZGR 2015, 591 (615): „rein zufällig“. 338 So sogar selbst BGHZ 84, 47 (50) = GmbHR 1983, 42 unter Verweis auf RG JW 1915, 588 f.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

BGH stellte. In einem vergleichbaren Sachverhalt hat es den anfechtenden Erwerber von einer Forthaftung zu Recht freigesprochen.339 Der BGH konnte in diesem Fall keine Stellung zu der abweichenden Sichtweise des OLG Hamm nehmen, da die zugelassene Revision zwar eingelegt wurde und bei dem BGH unter dem Az. II ZR 17/06 anhängig war, später aber zurückgenommen wurde.340 Allerdings hat der BGH mit Urteil vom 17. 1. 2007 seine Auffassung von 1982 in einem anders gelagerten Fall – es ging um den vertraglichen Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sowie um die Auswirkungen einer Anfechtung eines Geschäftsanteilskaufvertrages – bestätigt, ohne auf die Entscheidung des OLG Hamm einzugehen.341 bb) Keine Forthaftung nach § 16 Abs. 2 GmbHG Die Auffassung des BGH aus dem Jahre 1982 erfuhr zu Recht vielfach Kritik. Auf § 16 Abs. 2 GmbHG n. F. ist die Entscheidung nicht zu übertragen.342 Neben den Argumenten gegen die Entscheidung des BGH spricht zunächst der Wortlaut gegen eine Forthaftung. Wer versucht, den Tatbestand des § 16 Abs. 2 GmbHG zu subsumieren, wird Schwierigkeiten bekommen, eine Forthaftung zu begründen. Nur der „Veräußerer“ haftet nach § 16 Abs. 2 GmbHG. „Veräußerer“ bei Abtretung eines GmbH-Anteils ist nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen der Zedent. Voraussetzung ist demnach eine dingliche rechtsgeschäftliche Übertragung der Gesellschafterstellung. Auf die Wirksamkeit der Veräußerung kommt es nicht an.343 In dem vom BGH 1982 entschiedenen Fall würde nach heutiger Rechtslage daher der Veräußerer nach § 16 Abs. 2 GmbHG forthaften, solange der unwirksam Erwerbende als Listengesellschafter ausgewiesen ist. In der umgekehrten Richtung gilt das aber nicht. Ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter, der seine Löschung aus der Liste betreibt, veräußert nicht den GmbH-Anteil. Im Gegenteil, er ist niemals materiell-rechtlicher Gesellschafter geworden. Es vollzieht sich daher eine allein die formale Gesellschafterstellung betreffende Korrektur, dagegen keine Änderung der dinglichen Rechtslage. 339

OLG Hamm GmbHR 2006, 252 mit zust. Anm. K. J. Müller, GmbHR 2006, 254 f.; die Entscheidung ablehnend Pentz, DStR 2006, 855 (859). 340 Siehe den Hinweis der Dokumentationsstelle des BGH (juris) zu OLG Hamm, Urteil v. 13. 12. 2005, 27 U 43/05 – juris. 341 Siehe BGH GmbHR 2007, 375 (376) – Tz. 20. 342 In der Literatur wird die Forthaftung für rückständige Leistungen nach Listenkorrektur nach neuem Recht vermehrt abgelehnt; siehe Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 47 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 61; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 35; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 24; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 118 ff.; Wiersch, ZGR 2015, 591 (614 ff.); a. A. Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 153 f.; Eckert/Harig, ZInsO 2013, 16 (20); Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 587 ff.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 222 ff.; 252; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 63; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 56a; zweifelnd auch Mi. Winter/ Schümmer, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 16 Rn. 31. 343 Vgl. dazu schon oben unter Kapitel 3 B. III. 2. a).

B. Rechtsfolgen der relativen Gesellschafterstellung

159

Auch die neue Systematik und Zweckrichtung der relativen Gesellschafterstellung lässt an einer Forthaftung zweifeln. Mit der Neufassung der Haftungsnorm in § 16 Abs. 2 GmbHG knüpft das Gesetz nicht mehr an die rein gesellschaftsintern wirkende Anmeldung für die Forthaftung des Veräußerers an, sondern an die Eintragung in die zu dem Register aufgenommene Gesellschafterliste. Die aktuellen Gesellschafterlisten sollen im Idealfall den wirklichen Rechtsinhaber ausweisen. Daher müssen die Betroffenen dazu veranlasst werden, für die Kongruenz von materieller und formaler Rechtslage zu sorgen. Bejahte man eine Forthaftung des unberechtigten Listengesellschafters für rückständige Leistungen auch nach der Listenkorrektur, wird der unberechtigte Listengesellschafter keinen Druck verspüren, für eine Berichtigung der Liste zu sorgen; das gilt jedenfalls dann, wenn bereits alle noch nicht erbrachten Leistungen fällig geworden sind. Mit Berichtigung der Liste verlöre er die mitgliedschaftlichen Rechte, ohne von seiner Einlageverpflichtung befreit zu werden. Wird aber die Forthaftung nach Listenkorrektur versagt, steht die Korrektur im ureigenen Interesse des falschen Listengesellschafters. Zwar verliert der unberechtigte Listengesellschafter durch die Listenkorrektur auch die mitgliedschaftlichen Rechte. Allerdings wird ihn diese Folge regelmäßig nicht von einer Listenkorrektur abhalten. Erst wenn die GmbH in wirtschaftliche Schieflage gerät, werden Einlageforderungen in der Regel erhoben. Ausschüttungsfähige Gewinne sind dann nicht mehr zu erwarten. Wirtschaftlich sinnvolle Reaktion des unberechtigten Listengesellschafters wird die Betreibung der Korrektur sein. Die Publizität der Liste und die dadurch erstrebte Transparenz sprechen somit zusätzlich gegen eine Forthaftung in den beschriebenen Fällen.344 Wird eine fehlerhafte Gesellschafterliste also korrigiert und berichtigt, ohne dass eine Veränderung in der Person des Gesellschafters vorlag, so gilt die fehlerhafte Eintragung nach der Korrektur für die Zukunft als nie erfolgt.345 b) Erfüllung der Einlagenforderung und Haftung vor Listenkorrektur Nach einer Listenkorrektur haftet der vormals zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter also nicht mehr. Bevor die Liste dagegen korrigiert wurde, ist er noch 344 Teilweise soll aber gerade wegen der Publizität die Forthaftung bejaht werden. Das überzeugt aus den oben genannten Gründen nicht; insbesondere kann nicht mit einer Publizität von nicht mehr aktuell veröffentlichten Listen argumentiert werden; siehe so aber Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 151 ff., der sich interessanterweise zu § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. noch gegen den BGH stellte und eine Forthaftung zutreffend mit teleologischen Argumenten ablehnte, Ebbing, in: Michalski, GmbHG, 1. Aufl. 2002, § 16 Rn. 61; für eine Forthaftung nach der neuen Rechtslage auch Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 252 f., wobei bei fehlender Zurechnung der Listenposition der Listengesellschafter aber in keinem Falle haften solle. Das Zurechnungskriterium wird aber in dieser Arbeit aus teleologischen Gründen abzulehnen sein, weswegen dieses Korrektiv nicht greifen kann und diese Argumentationsgrundlage wegbräche. 345 So ausdrücklich auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 23; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 45.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

als Listengesellschafter formal legitimiert und haftet nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG grundsätzlich für rückständige Leistungen. „Rückständig“ sind in diesem Zusammenhang sämtliche Leistungen, die während der Eintragung des Listengesellschafters fällig sind. Die Haftung gilt während seiner Eintragung insbesondere auch für Leistungen, die erst fällig werden, nachdem die Gesellschaft Kenntnis der Unrichtigkeit der Liste erlangt hat.346 Denn es spielt nach dem neugefassten Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für dessen Anwendbarkeit – vorbehaltlich eines Einwands des Rechtsmissbrauchs –347 keine Rolle, ob die Gesellschaft Kenntnis von der Unrichtigkeit der Liste hat oder nicht. Hat der Listengesellschafter vor der Listenkorrektur rückständige Leistungen erfüllungstauglich erbracht, sind die Leistungen rechtsbeständig. Sie können nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kondiziert werden. Als Listengesellschafter hat er mit Rechtsgrund des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG geleistet.348 Durch die Leistung wird das Schuldverhältnis i. e. S. erfüllt.349 Da der Anspruch durch die Zahlung erloschen ist, kann eine nachträgliche Listenkorrektur den Anspruch auch nicht wieder in der Person des nunmehr formal legitimierten Gesellschafters aufleben lassen. Der falsche Listengesellschafter kann seine Zahlung ebenso wenig über eine Kondiktion wegen späteren Wegfalls des Rechtsgrundes nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB herausverlangen. Er bleibt auf bereicherungsrechtliche Regressansprüche gegenüber dem wahren Gesellschafter beschränkt. Hat der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter demgegenüber vor der Listenkorrektur die fällige Einlageverpflichtung noch nicht erbracht, kann er von der Gesellschaft die Korrektur der Liste verlangen. Nach der Listenkorrektur haftet er – wie oben gesehen – nicht mehr. Wenn die Gesellschaft aber vor einer Korrektur die Zahlung verlangt, kann der Gesellschafter während er die Listenposition innehat dem Zahlungsverlangen keine materiellen Einwendungen entgegenhalten. Insbesondere passt der sog. dolo-facit-Einwand (§ 242 BGB) nicht zur Legitimationswirkung.350 346 Enger Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 62; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 56a. Sie wollen einen Listengesellschafter für nach der Kenntnis der Gesellschaft fällig gewordene Leistungen „überhaupt nicht“ haften lassen. 347 Vgl. zum Aktienrecht Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 141; siehe zudem unten Kapitel 4 D. II. 3. b). 348 Allgemein – zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. – BGH GmbHR 2015, 532 (534) – Tz. 28 ff.; Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 144; speziell zur Haftung des zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters im Ergebnis ebenso, allerdings in § 16 Abs. 2 GmbHG den Rechtsgrund sehend Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 24; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 252; Lieder, GmbHR 2016, 189 (195); vgl. zu Einzahlungen in die Kapitalrücklage eines zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters mit Rechtsgrund ergänzend Wied, NZG 2012, 725 (727 f.). 349 So Larenz, Schuldrecht I, § 18 I (S. 235). 350 Der dolo-facit- (teilweise auch: dolo-agit-) Einwand meint „dolo facit, qui petit quod redditurus est“ und geht zurück auf das Römische Recht, vgl. Dig. 44.4.8 pr. (Paul.), Dig. 50.17.173.3 (Paul.). Treuwidrig handelt also, wer etwas verlangt, was er sofort zurückgeben muss. Verlangt die Gesellschaft die Einlagen von dem falschen Listengesellschafter und

C. Ergebnis

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Ebenso überzeugt aus teleogischen Gründen ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB nicht. Für die Fälle der Listenkorrektur würde § 273 Abs. 1 BGB zwar bedeuten, dass der Listengesellschafter die Einlageleistung verweigern könnte, soweit er einen fälligen Anspruch auf Listenkorrektur gegen die Gesellschaft hat. § 273 Abs. 1 BGB ist allerdings ein Sicherungsmittel und bezweckt allein die Sicherung des Gegenanspruchs des Schuldners.351 Daraus erklärt sich, weshalb der Gläubiger die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistungen nach § 273 Abs. 3 BGB abwenden kann. Erhebt der Listengesellschafter aber die Einrede, erstrebt er nicht die Sicherung des Korrekturanspruchs, sondern will verhindern, überhaupt in Anspruch genommen zu werden. Demzufolge ist der Listengesellschaftler zuvor nicht materiell-rechtlich, wohl aber auf prozessualem Wege befugt, einem Zahlungsverlangen der Gesellschaft den Anspruch auf Korrektur der Liste widerklagend entgegenzuhalten.352 Im Ergebnis hat er dann ebenfalls keine Leistungen zu erbringen. 4. Zusammenfassung Der Listengesellschafter haftet für sämtliche mitgliedschaftliche Pflichten direkt aus § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 GmbHG behandelt dagegen die Forthaftung des Veräußerers bei Veräußerung eines GmbH-Anteils. Das Ziel des § 16 Abs. 2 GmbHG ist klar: Der Veräußerer soll sich nicht durch einen Gesellschafterwechsel seiner mitgliedschaftlichen Haftung entziehen können. So erklärt sich, wieso ein Listengesellschafter, der zu Unrecht in die Gesellschafterliste eingetragen wurde, nach seiner im Korrekturverfahren vorgenommenen Löschung nicht mehr für rückständige Leistungen haftet. Er ist weder Listengesellschafter, haftet also nicht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, noch ist er „Veräußerer“, der sich durch einen Gesellschafterwechsel seiner Einlagenhaftung entzieht, haftet demnach auch nicht nach § 16 Abs. 2 GmbHG.

C. Ergebnis Die Neufassung des § 16 Abs. 1, 2 GmbHG hat eine umfassende relative Gesellschafterstellung geschaffen. Sie ist über § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG an den Inhalt würde dieser zahlen, wäre die Zahlung mit Rechtsgrund des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erbracht worden. Die Gesellschaft müsste sie also nicht „zurückgeben“. Der Anwendungsbereich des dolo-facit-Einwands wäre nicht eröffnet. Zum dolo-facit-Einwand im BGB siehe RGZ 123, 242 (245); Larenz, Schuldrecht I, § 10 II (S. 144); zu seinen römisch-rechtlichen Grundlagen siehe Zimmermann, The Law of Obligations, S. 668. 351 So ausdrücklich Krüger, in: MüKoBGB, § 273 Rn. 3; ebenso Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 273 Rn. 1. 352 Siehe ausführlich zum Anspruch auf Listenkorrektur des zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters und zu dessen prozessualer Durchsetzung unten Kapitel 4 C. III. 3.

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Kap. 3: Legitimationswirkung

der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste geknüpft. Nur wer in der im Registerordner aufgenommenen Gesellschafterliste als Gesellschafter eingetragen ist, hat die relative Gesellschafterstellung inne. Er wird im Verhältnis zur Gesellschaft umfassend, also mit allen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten, als Inhaber des GmbH-Anteils unwiderleglich vermutet. Obwohl der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG weitaus umfangreicher formuliert ist, wird damit nicht mehr ausgesagt, als dass der Inhalt der Gesellschafterliste die relative Gesellschafterstellung widerspiegelt. Jede publizierte Gesellschafterliste, aber auch das Musterprotokoll bei der vereinfachten Gründung nach § 2 Abs. 1a Satz 4 GmbHG, lösen die relative Gesellschaferstellung aus. Ob einer Eintragung in der Gesellschafterliste eine „Veränderung“ der Gesellschafterstellung oder des Umfangs der Beteiligung – wie es der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorsieht – zugrunde liegt, ist für die Legitimationswirkung irrelevant. Letztlich bleibt nur die Eintragung in die zu dem Register aufgenommene Gesellschafterliste als Grundvoraussetzung der Legitimationswirkung übrig. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass jede Listeneintragung uneingeschränkt zur relativen Gesellschafterstellung führt. Unter welchen Voraussetzungen ein Listengesellschafter ausnahmsweise nicht als relativer Gesellschafter behandelt werden darf, ist eine der schwierigsten Fragen zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Ihr wird sogleich nachgegangen.

Kapitel 4

Grenzen der Legitimationswirkung Eine der umstrittensten Fragen zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist die nach den Grenzen der Legitimationswirkung bei fehlerhaften Gesellschafterlisten. Gewichtige Stimmen in der Literatur stellen heraus, dass die Grenzen der Legitimationswirkung weitgehend ungeklärt sind und so recht niemand wisse, wie weit die Legitimationswirkung reiche.1 Im Kern fokussiert sich die Problematik auf die Fragen, ob und inwieweit Ausnahmen von der formalen Legitimationswirkung aus Wertungsgesichtspunkten erforderlich sind. Einigkeit herrscht insoweit, als es Ausnahmen von der formalen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG geben muss. Auch zu § 223 Abs. 3 HGB (1897)2 sowie zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F.3 waren bereits und zu § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG4 wie zu § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG5 sind Ausnahmen von der relativen formalen Gesellschafter-/Aktionärsstellung anerkannt. Welche Ausnahmen für § 16 Abs. 1 GmbHG aber zugelassen werden, ist Gegenstand eines scheinbar uferlosen und unüberschaubaren Streits. Der Grundkonflikt zeigt sich im Spannungsverhältnis zwischen den Individualund Verkehrsschutzinteressen. Sofern an der Eintragung streng festgehalten werden soll, wird Rechtssicherheit und damit Verkehrsschutz geschaffen, die Individualinteressen des falschen oder nicht ausgewiesenen Gesellschafters werden aber vollständig ausgeblendet. Dagegen leidet bei zu weitreichenden Ausnahmen im Interesse des Individualschutzes die Rechtssicherheit. Die Rechtswissenschaft und teilweise auch die Rechtsprechung versuchen diesen Konflikt aufzulösen, indem sie den Individualinteressen durch drei Restriktionen großes Gewicht beimessen: (1) Kein ordnungsgemäßes Eintragungsverfahren, (2) Fehlende Zurechenbarkeit oder (3) Rechtsmissbrauch (siehe A.). Besonders die zweite Ausnahme der fehlenden Zurechenbarkeit bedarf genauerer Untersuchung. Es ist fraglich, ob sie sich in das Regelungsgefüge der relativen Gesellschafterstellung konstruktiv und teleologisch 1

Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 62; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 47; U. Stein, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 1207 (1218). 2 Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB v. 1897, § 223 Rn. 7 m. w. N. 3 Vgl. etwa Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 16 Rn. 11; Weiler, ZIP 2006, 1754 (1757); Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 138 f.; Zutt, in: Festschrift Oppenhoff, S. 555 (563 f.). 4 Siehe u. a. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 67 Rn. 41; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, § 67 Rn. 77, 94 f.; Koch, AktG, § 67 Rn. 26 ff.; Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 50. 5 Vgl. BT Drucks. 15/5092, S. 13; Noack/Zetzsche, in: KölnKomm-AktG, § 123 Rn. 204 ff.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

einbauen lässt (siehe B.). Zweifel hieran wären ohnehin angezeigt, wenn die Individualinteressen auf anderem Wege als durch ein Zurechenbarkeitskriterium angemessen berücksichtigt werden könnten (siehe C.). Das hieraus gewonnene Ergebnis leitet zu der Frage über, welche konkreten Grenzen anhand der Abwägung von Individual- und Verkehrsinteressen demnach die relative Gesellschafterstellung einschränken (siehe D.).

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur Rechtsprechung und Literatur haben unterschiedlich umfangreich zu möglichen Ausnahmen von der Legitimationswirkung Stellung bezogen. Dabei hat insbesondere das Schrifttum eine bisweilen unüberschaubare Kasuistik möglicher Ausnahmetatbestände entwickelt und das zu einer eigentlich einheitlichen Fragestellung: Wann müssen Ausnahmen von der Legitimationswirkung aus Wertungsgesichtspunkten zugelassen werden? Die nachfolgende Bestandsaufnahme beschreibt und ordnet die aktuelle Diskussion anhand der drei regelmäßig in der Literatur auftauchenden Ausnahmegruppen – kein ordnungsgemäßes Verfahren (siehe I.), fehlende Zurechenbarkeit (siehe II.) und rechtsmissbräuchliches Verhalten (siehe III.). Abschließend wird nur kurz zu einer von der Rechtsprechung in den Jahren 2018/19 bejahten verfassungsrechtlichen Überlagerung der Legitimationswirkung Stellung genommen (siehe IV.).

I. Kein formal ordnungsgemäßes Verfahren Im Verhältnis zur Gesellschaft soll nach zahlreichen Stimmen in der Literatur, die vom OLG Frankfurt in einem Beschluss vom 4. 11. 20166 kommentarlos rezipiert wurden, ein Listengesellschafter nur dann als Inhaber des Geschäftsanteils unwiderleglich vermutet werden, wenn die Eintragung in der Gesellschafterliste im Großen und Ganzen ordnungsgemäß erfolgt ist.7 Ein Verstoß führe zu dem Entfallen 6

GmbHR 2017, 868 (871). Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 11; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 66 (offensichtliche Beeinträchtigung der Funktion der Liste); Grigoleit/ Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 150 (Elementare Mängel des Eintragungsverfahrens); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 42; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 29, 31 (Wesentliche Verfahrensmängel, besonders massive Verfahrensverstöße); grundlegend zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. und § 67 Abs. 2 AktG Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 138 f.; einschränkend (formal ordnungsgemäße Eintragung nur als Voraussetzung für Geschäftsführerlisten, nicht für Notarlisten) noch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 16 Rn. 11 (anders aber in 7

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

165

der Legitimationswirkung. Die vorgelagerte Frage ist die nach dem Ablauf eines ordnungsgemäßen Eintragungsverfahrens. Gedanklich und terminologisch sind hierbei zwei grundlegend verschiedene Eintragungsverfahren auseinanderzuhalten, nämlich die in § 40 GmbHG gesetzlich normierte Listenänderung und die ungeschriebene Listenkorrektur.8 Eine Listenänderung i. S. v. § 40 GmbHG ist angezeigt, wenn die Liste wegen einer materiellen Veränderung in der Person der Gesellschafter und der daraufhin unterlassenen Listenänderung unrichtig geworden ist. Listenänderungen unterliegen unterschiedlichen Verfahrensvoraussetzungen nach § 40 Abs. 1 oder Abs. 2 GmbHG. Die Listenkorrektur folgt dagegen eigenen ungeschriebenen Regeln. Sie ist statthaft, wenn erstens die Liste von Anfang an unrichtig ist, also niemals den materiellen Gesellschafter ausgewiesen hat, und zweitens aufgrund dieser Unrichtigkeit die falsche Eintragung rückgängig gemacht werden soll. Die zweite Voraussetzung stellt klar, dass eine Listenänderung nach einem gutgläubigen Erwerb eines Dritten gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG keine Korrektur darstellt. Listenkorrekturen werden etwa nach erkannter Unwirksamkeit von Anteilsabtretungen wegen einer Anfechtung nach § 123 BGB, wegen Geschäftsunfähigkeit oder Sittenwidrigkeit erforderlich. Das jeweilige ordnungsgemäße Verfahren (Änderung oder Korrektur) wird im Folgenden einzelnen Zuständigkeits- und Verfahrensabweichungen gegenübergestellt und jeweils präsentiert, ob und inwieweit die gegenwärtige Diskussion den Abweichungen Ausnahmepotential zumisst. 1. Zuständigkeit a) Allgemeine Zuständigkeitsverteilung Nach § 40 Abs. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer und, bei Mitwirkung eines Notars an der Veränderung nach § 40 Abs. 2 GmbHG, die Notare zur Listenerstellung und -einreichung im Listenänderungsverfahren zuständig.9 Die Geschäftsführer

der Nachauflage); Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2044); Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8); Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 37. 8 Die Differenzierung ist schon aus dem Aktienrecht bekannt (§ 67 Abs. 3 AktG regelt die Registeränderung, § 67 Abs. 5 AktG die Korrektur) und wird deutlich in der Entscheidung des OLG Rostock GmbHR 2017, 523 (524), bei Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 510 sowie bei Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 GmbHG Rn. 39 und weniger deutlich jetzt ders., in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 39; ausführlich zudem Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1 (9 ff.). 9 Die konkrete Zuständigkeitsverteilung in Grenzfällen ist umstritten; vgl. etwa Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 535 ff.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

sind dabei in vertretungsberechtigter Zahl zur Listenerstellung befugt.10 Wegen der persönlichen Haftungsandrohung in § 40 Abs. 3 GmbHG genügt eine unechte Gesamtvertretung der Geschäftsführer aber nicht.11 Zur Zuständigkeit der Listenkorrektur finden sich dagegen keine gesetzlichen Vorgaben. Sowohl Geschäftsführer- als auch Notarlisten dürfen jedenfalls durch die Geschäftsführer korrigiert werden.12 Durch diese Zuständigkeitskonzentration können die Geschäftsführer auf einfachem Wege die Listen korrigieren und haben nicht etwa eine Listenkorrektur durch die Notare zu besorgen. Es wäre umständlich und zeitintensiv, wenn die Geschäftsführer bei Listenkorrekturen immer zunächst dem beurkundenden Notar die Sachlage darlegen und auf seine Korrektur – ggf. sogar gerichtlich über § 15 Abs. 2 BNotO – hinwirken müssten. Zusätzlich zu den Geschäftsführern sind jedenfalls bei Notarlisten auch die jeweiligen Notare selbst zur Korrektur der von ihnen erstellten und in den Registerordner aufgenommenen Gesellschafterlisten zuständig.13 Sie dürfen hierbei nur die Teile der Liste korrigieren, an deren Eintragungen sie mitgewirkt haben. Die Listenkorrektur erfolgt durch Einreichung einer neuen Liste mit Wirkung ex nunc.14 Die Notare sind nicht nur berechtigt, sondern im Interesse der Gewährung richtiger Gesellschafterlisten sogar verpflichtet ihre Notarlisten bei Fehlern zu korrigieren.15 Kommen die Notare dieser Pflicht nicht nach, kann zwar der wahre Gesellschafter die Korrektur durch die Notare nicht im Klageweg erreichen. Der wahre Gesellschafter kann nur von der Gesellschaft aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses die Listenkorrektur verlangen.16 Allerdings kann die Gesellschaft nach § 15 Abs. 2 BNotO Beschwerde gegen die Untätigkeit des Notars einlegen. Ob dieser Be10

Zutreffend die h. M. unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 78 GmbHG: OLG Jena GmbHR 2011, 980 (981); Bayer, GmbHR 2011, 981 (982); Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 493; Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 111; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 35; Tebben, RNotZ 2008, 441 (456); Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 7; Wachter, ZNotP 2008, 378 (386); a. A. Hasselmann, NZG 2009, 486 (487); Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 40 GmbHG Rn. 18; Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 150; Schmidt, NotBZ 2013, 13; krit. auch Ising, NZG 2010, 812 (814). 11 OLG Jena GmbHR 2011, 980; Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 150; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 35; a. A. Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 7. 12 Grundlegend BGH GmbHR 2014, 198 (201) – Tz. 33; ferner BGH GmbHR 2017, 519 (520) – Tz. 16; OLG Rostock GmbHR 2017, 523 (525); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 55; Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2039 f.); Servatius, in: Noack/ Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 38; Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 11; krit. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 186; Leyendecker-Langner, ZGR 2015, 516 (524); Seebach, DNotZ 2014, 413 (415 f.). 13 Vgl. LG Berlin notar 2016, 125 – juris Rn. 38 ff.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 187; Herrler, NZG 2011, 536 (538); Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 15. 14 OLG Nürnberg GmbHR 2018, 256 (258 f.). 15 Ausdrücklich LG Berlin notar 2016, 125 – juris Rn. 38. 16 Zum Korrekturanspruch des materiell-rechtlichen Gesellschafters siehe ausführlich unten Kapitel 4 C. III. 1. a).

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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schwerdeweg aber zur Durchsetzung einer Listenkorrektur von der Gesellschaft in der Praxis verfolgt wird, ist zweifelhaft. Immerhin kann die Gesellschaft selbst die Liste korrigieren, ist also auf ein Handeln des Notars zur Erreichung einer Listenkorrektur nicht angewiesen. Der Beschwerdeweg über § 15 Abs. 2 BNotO kann aber im umgekehrten Fall praktisch relevant werden, wenn der Notar eine Listenkorrektur ankündigt und die Gesellschaft diese Korrektur verhindern will.17 b) Meinungsspektrum zu den Grenzen Die Literaturmeinungen zu der Frage, ob und inwieweit Zuständigkeitsverstöße der relativen Gesellschafterstellung Grenzen setzen, sind vielfältig. Wenn ein Dritter handelt (sog. absolute Unzuständigkeit) oder lediglich die internen Zuständigkeitskompetenzen missachtet werden (sog. relative Unzuständigkeit), werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Nach überwiegender – wenngleich nicht unumstrittener – Meinung soll ein Listengesellschafter, der in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, nicht die relative Gesellschafterstellung innehaben, wenn die Eintragung und Einreichung zu dem Handelsregister durch eine absolut unzuständige Person, also weder durch den Geschäftsführer noch den Notar, vorgenommen wurde.18 Vereinzelt wird aber sogar bei einem absoluten Zuständigkeitsverstoß die Legitimationswirkung einer Gesellschafterliste bejaht.19 Bisweilen wird schließlich zwischen der Listenerstellung und -einreichung durch eine absolut unzuständige Person unterschieden. Im ersten Fall sollen die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entfallen, im letzteren Fall ausgelöst werden.20 Einen anderen Fall mit noch breiterem Meinungsspektrum beschreibt die relative Unzuständigkeit. Trägt der Geschäftsführer anstelle des zuständigen Notars oder umgekehrt die Veränderung in die Liste ein und reicht sie anschließend im Handelsregister ein, sollen nach überwiegender Ansicht die Wirkung des § 16 Abs. 1 17

So etwa im Fall des LG Berlin notar 2016, 125. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 14; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 16; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 29; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 76; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 71; Herrler, GmbHR 2013, 617 (625 f.), der feststellt, dass im Falle einer absoluten Unzuständigkeit das Registergericht die Liste im Regelfall zurückweisen wird; ist die Unterschrift des Geschäftsführers aber gefälscht, wird das Gericht die Unzuständigkeit nicht feststellen können, was übersehen wird; s. a. Herrler, GmbHR 2013, 617 (623); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 46; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 32; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 23; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 40. 19 So Hasselmann, NZG 2009, 449 (456); vorsichtig offenlassend für die Listenerstellung durch absolut unzuständige Dritte, Tebben, RNotZ 2008, 441 (454 f.); s. a. Gottschalk, NZG 2009, 896 (897). 20 So Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 79; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 64 (Einreichung eines Notargehilfen ohne/gegen Wissen des Notars). 18

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Satz 1 GmbHG für den Neueingetragenen grundsätzlich bestehen bleiben.21 Das gelte unabhängig von der materiellen Rechtsinhaberschaft des Neueingetragenen.22 Nur wenn Notare oder Geschäftsführer bewusst gegen ihre Zuständigkeit verstoßen, soll die unwiderlegliche Vermutung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nach überwiegender Ansicht nicht eintreten.23 Eine vereinzelte Stimme will dagegen diese Schlussfolgerung bei bewussten Zuständigkeitsverstößen nicht ziehen und verweist den Betroffenen auf den einstweiligen Rechtsschutz.24 Die Legitimationswirkung wird von starken Stimmen ferner versagt, wenn die Liste nur durch einen von zwei gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern unterzeichnet und eingereicht wurde.25 Im Problemkreis der Notarzuständigkeit ist streitig, ob eine von einem ausländischen Notar eingereichte Liste die unwiderlegliche Vermutung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG begründen kann.26 Erneut sind die Meinungen mannigfaltig. Eine einheitliche Linie bei relativer Unzuständigkeit wurde bislang nicht gefunden. 2. Verfahren Es gibt kein einheitliches Verfahren zur Erstellung von Gesellschafterlisten, sondern drei unterschiedliche Verfahren – Listenänderung durch den Geschäftsführer (§ 40 Abs. 1 GmbHG), Listenänderung durch den Notar (§ 40 Abs. 2 GmbHG) und Listenkorrektur. Für alle drei Verfahren gelten unterschiedliche Anforderungen und werden verschiedene Grenzen der Legitimationswirkung diskutiert.

21 Vgl. statt vieler Gottschalk, NZG 2009, 896 (897); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 75; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 39. 22 Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 150; a. A. wohl Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 14; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56. 23 Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 78; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 76; Herrler, GmbHR 2013, 617 (626); Löbbe, GmbHR 2012, 7 (16); ders., in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 50; Reymann, BB 2009, 506 (508); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9; speziell für die Listenänderung durch Notare, Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 14. 24 Tebben, RNotZ 2008, 441 (454). 25 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 16; ähnlich Wilhelmi, in: BeckOK/ GmbHG, § 16 Rn. 35. 26 Gegen die Legitimationswirkung Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 78; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 23; ebenso noch Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 GmbHG Rn. 33. Für die Legitimationswirkung BGHZ 199, 270 (274 ff.) = GmbHR 2014, 248 (249 ff.) – Tz. 11 ff.; wohl auch Herrler, GmbHR 2013, 617 (629 f.) für Notare „lateinischer Prägung“; jetzt auch Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31.

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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a) Listenänderung durch Geschäftsführer, § 40 Abs. 1 GmbHG aa) Verfahrensvoraussetzungen nach § 40 Abs. 1 GmbHG Grundsätzlich ist die Liste bei einer „Veränderung“ der materiellen Rechtslage durch die Geschäftsführer auf Mitteilung und Nachweis nach § 40 Abs. 1 GmbHG einzureichen. Mitteilungsbefugt ist jeder, der von der Listenänderung rechtlich betroffen sein kann.27 Das kann, muss aber nicht, der Listengesellschafter sein. Es gilt gerade kein dem Grundbuchrecht vergleichbares formelles Konsensprinzip, das besagen würde, nur der Eingetragene könne die Mitteilung machen.28 Die Vorschrift des § 40 Abs. 1 GmbHG trifft, anders als § 19 GBO im Grundbuchrecht, überhaupt keine Aussage zu der Person des Mitteilungsbefugten. Die Mitteilung kann daher auch von einem Nichtlistengesellschafter, der sich der materiellen Inhaberschaft berühmt, abgegeben werden, insbesondere nach einem Anteilserwerb von dem Erwerber. Ausnahmsweise dürfen die Geschäftsführer ohne Mitteilung und Nachweis einen neuen Gesellschafter eintragen, wenn sie an der Veränderung direkt mitgewirkt und daher von Amts wegen Kenntnis von der Veränderung erlangt haben. Das ist z. B. bei einer Kaduzierung oder Einziehung der Fall.29 Des Weiteren haben die Geschäftsführer den Neugesellschafter in die Liste einzutragen, die Liste persönlich zu unterschreiben und elektronisch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB in das elektronisch geführte Handelsregister (§ 7 HRV) einzureichen.30 Die Einreichung erfolgt ausschließlich über das EGVP. Der tatsächliche Akt der Einreichung kann, muss aber nicht durch den Geschäftsführer selbst vorgenommen werden. Vielfach lässt der Geschäftsführer, der häufig gar kein eigenes EGVP hat, die Listen daher durch einen Notar einreichen. Den Geschäftsführer trifft lediglich die Pflicht, für die Einreichung über das EGVP zu sorgen. Wie er ihr nachkommt – eigenständige Einreichung oder Einreichung durch einen Dritten –, ist alleine seine Sache und wird weder in § 12 Abs. 2 HGB noch in § 40 Abs. 1 GmbHG vorgegeben. In jedem Fall muss die Einreichung als Verfahrenshandlung aber dem Geschäftsführer zugerechnet werden können, also von seinem Willen getragen und von ihm initiiert sein.31 Dies vorweggenommen ist es daher irreführend, wenn Rechtsprechung und Schrifttum bisweilen von einer „höchstpersönlichen Einrei27

Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 19; Terlau, in: Michalski et al., GmbHG, § 40 Rn. 15; weitergehend (sämtliche Dritte): Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 128; Hasselmann, NZG 2009, 486 (488). 28 Wie hier KG NZG 2019, 913 (914); Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 135; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 20; Lieder, GmbHR 2016, 189 (192 f.); a. A. OLG Frankfurt BeckRS 2013, 12870; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 40 Rn. 55; wohl auch Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 471. 29 Vgl. Bayer, GmbHR 2014, 202 (203); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 161; Noack, in: Festschrift Hüffer, S. 723 (730). 30 Eine Gesellschafterliste ist ein „Dokument“ i. S. d. § 12 Abs. 2 HGB, vgl. H. Schmidt/ Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, Rn. 186. 31 Miller, BWNotZ 2020, 90 (93).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

chungspflicht“ der Geschäftsführer sprechen.32 Das indiziert eine ausschließliche Zuständigkeit für den Akt der Einreichung, die in der Sache sowie in der Rechtsanwendung schwerlich überzeugt. Nach erfolgter Einreichung wird die Gesellschafterliste durch den zuständigen Rechtspfleger bei dem Registergericht in den für das entsprechende Registerblatt (§ 13 HRV) bestimmten Registerordner gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 HRV aufgenommen.33 bb) Meinungsspektrum zu den Grenzen Eingereichte Listen sollen nach Ansicht in der Literatur keine Legitimationswirkung zeitigen, wenn die Mitteilung fehlt34 oder vor Eintragung bereits zurückgenommen wurde.35 Wurde die Mitteilung dagegen erst nach der Eintragung zurückgenommen oder angefochten, wird die Wirkung der Liste nicht beeinflusst.36 In der Diskussion findet sich regelmäßig auch der Hinweis, dass die Mitteilung dem Befugten zurechenbar sein muss, um die Legitimationswirkung auszulösen.37 Das Zurechnungskriterium ist allerdings keine Verfahrensvoraussetzung, sondern eine gesondert zu betrachtende Restriktion. Die ordnungsgemäße Eintragung ist rein formal zu verstehen und nicht durch Wertungsaspekte aufzuladen,38 auch wenn die Eigenschaft der „Mitteilung“ als wesentlicher Bestandteil der Zurechnungslehre nicht geleugnet werden kann.39 Nach hiesiger rein formaler Betrachtung sind schließlich die Rechtsfolgen streitig, wenn der Geschäftsführer eine Gesellschaf32 So OLG Brandenburg GmbHR 2013, 309 (310); Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 150; ähnlich auch Bayer, GmbHR 2011, 981 (982); richtig aber OLG Jena GmbHR 2011, 980 (981): „Unterzeichnung“ ist höchstpersönliche Pflicht (zur „Einreichung“ verhält sich die Entscheidung – entgegen teilweise anderer Verweise im Schrifttum – gerade nicht). 33 BT Drucks. 16/6140, S. 37. 34 Bayer, Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (31); Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 148; Link, RNotZ 2009, 193 (211); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 50, 56; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 31; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b. 35 Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b; wohl auch Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 15. 36 Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 85; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 16; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 41. 37 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12, 21; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 18 ff.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 66 f.; U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 230; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 16 Rn. 23, 31; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 23; zum Aktienrecht etwa Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, § 67 Rn. 94 f.; ähnlich Reymann, BB 2009, 506 (507 f.); zur a. A. siehe die Ausführungen weiter unten in diesem Abschnitt. 38 So zur aktienrechtlichen Parallelnorm des § 67 Abs. 3 AktG Merkt, in: GroßkommAktG, Hirte et al., § 67 Rn. 87; s. a. Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler et al., AktG, § 67 Rn. 43 ff.; Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 59 f. 39 Wiersch, GWR 2014, 117 (120); siehe zur Zurechnung ferner unten Kapitel 4 A. II.

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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terliste entgegen dem Inhalt der Mitteilung einreicht. Geschieht die falsche Einreichung versehentlich, wird zunehmend die unwiderlegliche Vermutung bejaht.40 Reichen die Geschäftsführer aber bewusst eine falsche Liste ein, müsse die Legitimationswirkung abgelehnt werden.41 Doch auch diese Schlussfolgerung wollen nicht alle ziehen; sie verweisen auf den Zweck des § 16 Abs. 1 GmbHG und bejahen die Legitimationswirkung solcher Eintragungen.42 Ob ferner ein Nachweis der Veränderung nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG für die Legitimationswirkung erbracht worden sein muss, wird wenig beleuchtet. In der Regel wird gemeinsam mit der Mitteilung auch ein Nachweis – egal in welcher Weise – vorgelegt. Ist der Nachweis aber nicht überzeugend oder unrichtig, sei der daraufhin eingetragene Gesellschafter trotzdem als relativer Gesellschafter zu behandeln. Es wird eine streng formale Betrachtungsweise zugrunde gelegt, wonach es genüge, dass überhaupt ein Nachweis erbracht wurde.43 Eine andere Ansicht will dagegen die Legitimationswirkung bei einer Einreichung ohne hinreichenden Nachweis versagen.44 Der Geschäftsführer sei nicht schutzwürdig und könne sich daher nicht selbst auf die Listeneintragung berufen. Des Weiteren soll nach einer vereinzelten Stimme im Schrifttum die Wirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entfallen, wenn die Unterschrift der Geschäftsführer fehlt.45 Eine gewichtige Gegenstimme meint demgegenüber, die fehlende Unterschrift beeinträchtige die Legitimationswirkung der Liste genauso wenig wie eine fehlende Notarbescheinigung.46 Schließlich wollen manche die unwiderlegliche Vermutung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG versagen, wenn der materiell berechtigte Gesellschafter einer erfolgten Listenänderung zuvor widersprochen hat.47 Andere sehen dagegen keinen 40 Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 73; Kort, GmbHR 2009, 169 (171); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31 – wenn der Geschäftsführer fahrlässig die Mitteilung falsch/nicht geprüft hat; a. A. aber Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 31; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 63; Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9. 41 Vgl. etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17, 34; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 79 f.; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 56, 81; Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 58 (rechtsmissbräuchlich); wohl auch U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 229. 42 Kort, GmbHR 2009, 169 (173); H. Schmidt/Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregisterund Kostenrechts, Rn. 284. 43 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 59. 44 Link, RNotZ 2009, 193 (211). 45 Link, RNotZ 2009, 193 (211). 46 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 23. 47 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 18 f.; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 31 (Zurechnungsausschluss).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Grund, die Legitimationswirkung abzulehnen, wenn der Geschäftsführer pflichtgemäß gehandelt hat; ein Widerspruch könne daran nichts ändern.48 b) Listenänderung durch Notare, § 40 Abs. 2 GmbHG aa) Verfahrensvoraussetzungen nach § 40 Abs. 2 GmbHG Hat ein Notar an Veränderungen mitgewirkt, so hat er nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG den neuen Gesellschafter in die Liste einzutragen, die Liste anstelle des Geschäftsführers zu unterschreiben, zu dem Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln. Der Notar darf hierbei nach vorzugswürdiger, wenn nicht unumstrittener Ansicht, eigenmächtig handeln. Er ist insbesondere nicht auf Mitteilung und Nachweis des Betroffenen angewiesen.49 Schon die Systematik legt dieses Verständnis nahe. Hätte § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG auch für die Notarlisten gelten sollen, so wäre es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, den § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG als § 40 Abs. 3 GmbHG zu fassen.50 Im Übrigen bringt der Wortlaut in § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG „anstelle der Geschäftsführer“ eine Zuständigkeitsabgrenzung zum Ausdruck, verweist aber nicht inzident auf das Verfahren nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG.51 Überdies darf sogar ein Geschäftsführer eine Eintragung und Einreichung von Amts wegen – also ohne auf Mitteilung und Nachweis angewiesen zu sein – vornehmen, wenn er an der Veränderung direkt mitgewirkt und Kenntnis von der Veränderung erlangt hat.52 Da der Notar nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG kraft Gesetzes nur zuständig ist, wenn er an der Veränderung mitgewirkt hat und damit im Regelfall die Veränderung kennt, spricht dies ergänzend für seine Zuständigkeit von Amts wegen. Es verbleibt gleichwohl die Möglichkeit, dass der Notar ausnahmsweise die Veränderung nicht kennt, etwa wenn eine Anteilsabtretung unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart wurde, deren Eintritt von einem außerurkundlichen Ereignis (z. B. Kaufpreiszahlung) abhängt. In solchen Fällen muss er, um seiner Amtspflicht nachzukommen, die Liste ändern, wenn er – auch durch Dritte – von dem Eintritt der Bedingung nach pflichtgemäßer Prüfung überzeugt ist.53 Eine Mitteilung des Betroffenen ist auch hier nicht notwendig. 48

Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 52. Zutreffend Hasselmann, NZG 2009, 449 (455); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 68; Kotthaus, Gewährleistung des Gutglaubensschutzes, S. 56 f.; D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1047); a. A. Heckschen, MoMiG in der notariellen Praxis, Rn. 492; Reymann, BB 2009, 506 (508 f.); Wachter, ZNotP 2008, 378 (390). 50 So auch Kotthaus, Gewährleistung des Gutglaubensschutzes, S. 56. 51 Vgl. BT Drucks. 16/6041, S. 44: „Die Formulierung ,anstelle‘ in § 40 Abs. 2 Satz 1 stellt klar, dass die Erstellung und die Einreichung der Liste allein im Verantwortungsbereich des Notars liegen“. A. A. Reymann, BB 2009, 506 (509). 52 So etwa bei der Kaduzierung, Einziehung oder Kapitalerhöhung; vgl. Bayer, GmbHR 2014, 202 (203); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 161. 53 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 15. 49

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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Zusätzlich muss der Notar die geänderte Gesellschafterliste mit der Notarbescheinigung i. S. d. § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbHG versehen. Die Notarbescheinigung ist angelehnt an die Bescheinigung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GmbHG, die einen Vermerk i. S. d. § 39 BeurkG darstellt.54 Daher wird zu Recht auch die Bescheinigung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbHG als Vermerk gemäß § 39 BeurkG aufgefasst.55 Die Bescheinigung ist als „notariell beurkundetes Dokument“ i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 HGB einzuordnen und mit einem einfachen elektronischen Zeugnis i. S. d. § 39a BeurkG zu übermitteln. Nimmt man den Wortlaut in § 40 Abs. 2 GmbHG und in § 12 Abs. 2 HGB ernst, ist alleine die Notarbescheinigung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 HGB durch einfaches elektronisches Zeugnis zu übermitteln. Die Gesellschafterliste an sich kann dagegen durch einfache elektronische Aufzeichnung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 HGB eingereicht werden.56 In der Praxis werden Gesellschafterlisten durch den Notar aber einheitlich mit der versehenen Bescheinigung nach § 39a Satz 2 BeurkG qualifiziert elektronisch signiert (sog. qualifizierte Gesellschafterliste). Im Übrigen genügt eine einfache elektronisch aufgezeichnete Gesellschafterliste im praktischen Ergebnis nicht. Die Registergerichte werden Gesellschafterlisten von Notaren ohne elektronisches Zeugnis nicht in das Handelsregister aufnehmen.57 Fälschungen der Notarlisten durch Dritte, die regelmäßig die Listen nicht elektronisch signieren können, sind deswegen kaum vorstellbar. Im Ergebnis zeitigen Notarlisten im Gegensatz zu Geschäftsführerlisten eine höhere Richtigkeitsgewähr. bb) Meinungsspektrum zu den Grenzen In der wissenschaftlichen Diskussion zu Grenzen der Legitimationswirkung bei Verfahrensfehlern durch Notare finden sich heute kaum noch divergierende Ansichten. In den ersten Jahren nach Erlass des MoMiG wurde teilweise noch vertreten, dass der Notar eine neue Liste nicht gegen den Widerspruch des Veräußerers einreichen darf, wenn dieser bei aufschiebend bedingter Veräußerung den Bedingungseintritt bestreitet. Reicht er die Liste trotzdem ein, sei die Listeneintragung dem Veräußerer nicht zurechenbar und die Legitimationswirkung daher ausgeschlossen.58

54 BT Drucks. 16/6140, S. 44; zur Notarbescheinigung gemäß § 54 GmbHG vgl. Harbarth, in: MüKoGmbHG, § 54 Rn. 54; Wicke, GmbHG, § 54 Rn. 5. 55 Vgl. statt vieler Hasselmann, NZG 2009, 486 (492); Preuß, in: Oetker, § 12 Rn. 66; Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 17. 56 Ähnlich Link, RNotZ 2009, 193 (208); H. Schmidt/Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, Rn. 191. 57 OLG Jena GmbHR 2010, 760 f.; KG NZG 2012, 315; Link, RNotZ 2009, 193 (208); Mödl, RNotZ 2010, 68 (69); H. Schmidt/Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, Rn. 191. 58 So noch Altmeppen, in: G.H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 16 Rn. 13; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 GmbHG Rn. 32.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Heute vertritt dies – soweit ersichtlich – niemand mehr.59 Der Notar hat nach pflichtgemäßer Prüfung zu entscheiden, ob eine „Veränderung“ eingetreten ist und ob er demzufolge eine neue Liste einzureichen hat. Der Widerspruch eines Beteiligten gegen die Listenänderung ändert daran nichts. Die Listen wirken legitimierend, selbst wenn sich die Listenänderung nachträglich als Fehlentscheidung des Notars herausstellt.60 Darüber hinaus hat es von vornherein keine Auswirkungen auf die relative Gesellschafterstellung, wenn der Notar entgegen § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Abschrift der Gesellschafterliste an die Gesellschaft übermittelt.61 Er hat zwar das Verfahren nicht eingehalten. Anknüpfungspunkt für die Legitimations- und Rechtsscheinwirkung ist aber alleine die zu dem Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste. Die Übermittlung der Liste bezweckt die Information der Geschäftsführer. Sie sollen über die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste informiert sein und ihrer Pflicht zur Aktualisierung künftiger Gesellschafterlisten pflichtgemäß nachkommen können.62 Konsequenterweise kann dann die Übermittlung der Liste für sich genommen keine Wirkungen aus § 16 GmbHG entfalten, solange die Liste noch nicht in das Register aufgenommen wurde. Ebenso verhält es sich nach allgemeiner Meinung mit einer fehlenden Notarbescheinigung. Fehlt sie, sollen die Wirkungen des § 16 Abs. 1 GmbHG gleichwohl eintreten.63 Durch die Bescheinigung wird die Richtigkeit der Gesellschafterliste gewährt, um dadurch den Rechtsverlust des wahren Gesellschafters wegen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs (§ 16 Abs. 3 GmbHG) zu rechtfertigen.64

59 Siehe etwa jetzt Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 16; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33c. 60 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 15; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33c; Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 16 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zur Listenkorrektur: BGH GmbHR 2014, 198 (200 f.) – Tz. 32 ff. 61 Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 600; Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 222. 62 Vgl. BT Drucks. 16/6140, S. 44; allerdings wird nicht von der Information der Geschäftsführer, sondern der „Information der Gesellschafter“ gesprochen; ebenso Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 600; wie hier aber Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 219. 63 OLG Jena GmbHR 2010, 1038 (1039); OLG Stuttgart GmbHR 2011, 542 (543); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 14; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 71; Gottschalk, NZG 2009, 896 (898); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 80; Kort, GmbHR 2009, 169 (172); Link, RNotZ 2009, 193 (211); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 54; D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (415); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 216; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 23; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; ähnlich das obiter dictum vom OLG Celle NZG 2010, 959 (960): „Die Notarbescheinigung (…) ist (…) kein Rechtsscheinträger“; unklar Bohrer, DStR 2007, 995 (998). 64 BT Drucks. 16/6140, S. 44; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 290; Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 200.

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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Legitimationsgrundlage soll aber alleine die Liste sein, nicht die Notarbescheinigung.65 c) Listenkorrektur aa) Ungeschriebene Voraussetzungen des Korrekturverfahrens Zum Korrekturverfahren stellt der BGH klar, dass das Gesetz das Verfahren zur Korrektur einer unrichtigen, vom Notar eingereichten Gesellschafterliste nicht regelt, obwohl der Gesetzgeber die Regelungslücke erkannt hat.66 Insbesondere müssen nicht die aus § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG bekannten Voraussetzungen der Mitteilung und des Nachweises erfüllt sein.67 Die Verfahrensvoraussetzungen in § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG beziehen sich nur auf die Listenänderung („die Änderung der Liste“), nicht auf die Listenkorrektur. Das Korrekturverfahren folgt eigenen Verfahrensanforderungen. Die zuständigen Geschäftsführer dürfen die Listen erst korrigieren, wenn sie den Beteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.68 Das folgt aus der Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG, da eine pflichtgemäße Sachaufklärung vor der Listenkorrektur die Anhörung der betroffenen Personen verlangt. Für die Aufforderung zur Stellungnahme genügt eine formlose, aber eindeutig formulierte Benachrichtigung.69 Zudem müssen sie den Verfahrensgang der Listeneinreichung einhalten, also die Listen unterschreiben und über das EGVP einreichen. Diese allgemein anerkannten Voraussetzungen gelten aber nur für echte Korrekturen. Nicht einzuhalten sind die Voraussetzungen bei einfacher Berichtigung offensichtlicher Fehler, z. B. Schreibfehler, Zahlendreher etc. In diesen Fällen darf die Liste ohne vorherige Anhörung berichtigt werden.70 Fraglich ist, ob darüber hinaus das Verfahren nach § 67 Abs. 5 AktG analog eingehalten werden muss. Es dürfte dann kein Widerspruch eines Beteiligten gegen die Korrektur erhoben worden sein, § 67 Abs. 5 Satz 2 AktG analog. Nachdem die §§ 16, 40 GmbHG im Jahre 2008 grundlegend geändert wurden, ging die (damals) wohl herrschende Meinung davon aus, dass dieses aktienrechtliche Korrekturver65 Vgl. etwa OLG Stuttgart GmbHR 2011, 542 (543); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 216. 66 BGH GmbHR 2014, 198 (201) – Tz. 37. 67 Davon ausgehend BT Drucks. 16/6140, S. 44; BGH GmbHR 2014, 198 (201) – Tz. 36; im Ergebnis ähnlich, indem an Mitteilung und Nachweis im Interesse der materiellen Richtigkeit der Gesellschafterlisten „keine überzogenen Anforderungen“ gestellt werden dürfen, Lieder, GmbHR 2016, 271 (274); a. A. (systematischer Bruch zu § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG) Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 150, 179; Wiersch, GWR 2014, 117 (120). 68 BT Drucks. 16/6140, S. 44; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 95; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 185. 69 So Lieder, NZG 2014, 229 (331). 70 Lieder/Cziupka, GmbHR 2018, 231 (235 ff.).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

fahren nach § 67 Abs. 5 AktG auch im GmbH-Recht analoge Anwendung finden müsste.71 Der BGH hat für die Korrektur von Notarlisten durch den Geschäftsführer in der Entscheidung vom 17. 12. 2013 allerdings herausgestellt, dass mangels vergleichbarer Interessenlage das zeitraubende und bürokratische Korrekturverfahren nach § 67 Abs. 5 AktG bei der Korrektur von Notarlisten im GmbH-Recht nicht eingehalten werden muss.72 In der Literatur wird zusätzlich das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für die Analogie bezweifelt.73 Die Betroffenen sollen daher der Korrektur im Einzelfall nicht durch einen Widerspruch nach § 67 Abs. 5 Satz 2 AktG analog begegnen können, sondern sind auf einstweiligen Rechtsschutz zu verweisen.74 Diese Ansicht findet zahlreiche Fürsprecher75 und ist mittlerweile auch von den zuvor abweichenden Stimmen anerkannt worden.76 Anders sieht dies aber das OLG München in seinem Beschluss vom 17. 7. 2015, wenn es nicht um die Korrektur von Notar-, sondern von Geschäftsführerlisten geht.77 Ohne nähere Argumentation und ohne auf das Urteil des BGH vom 17. 12. 2013 zu den Notarlisten einzugehen, wird festgestellt, dass die Regelungen der §§ 16, 40 GmbHG i. d. F. des MoMiG dem Aktienrecht, insbesondere § 67 AktG und der dazu ergangenen Rechtsprechung nachgebildet wurden.78 Daher komme bei der Korrektur von Geschäftsführerlisten nach § 67 Abs. 5 Satz 2 AktG analog eine Löschung der Eintragung eines Gesellschafters bei Widerspruch des Betroffenen nicht in Betracht; ein derartiger Widerspruch könne nur durch eine Klage und ein rechtskräftiges Urteil überwunden werden.79 71 Vgl. etwa OLG Karlsruhe BeckRS 2014, 01781 – Vorinstanz zu BGH GmbHR 2014, 198; Altmeppen, ZIP 2009, 345 (353); Bayer, Liber Amicorum Winter, S. 9 (36 ff.); ders., in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 40 Rn. 22; vorsichtiger und pragmatisch jetzt ders., in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 97; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 42; Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (847, 855 f.); ebenso noch für eine Analogie zu § 67 Abs. 5 AktG Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 GmbHG Rn. 41; a. A. jetzt aber ders., in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 42 ff. 72 BGH GmbHR 2014, 198 (201 f.) – Tz. 37 ff. 73 Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2042); Lieder, NZG 2014, 329 (331); ders., GmbHR 2016, 271 (273). 74 BGH GmbHR 2014, 198 (202) – Tz. 38 f. 75 Lieder, NZG 2014, 329 (331); Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 38; Wiersch, GWR 2014, 117 (119 f.) – er fordert aber de lege ferenda ein dem § 67 Abs. 5 AktG vergleichbare Regelung; Witt, LMK 2014, 362573; wohl auch Rossa-Heise, GmbH-StB 2014, 106 (107); s. a. Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2042 f.); krit. aber Seebach, DNotZ 2014, 413 (415); Tebben, DB 2014, 585 (586). 76 Siehe etwa Bayer, GmbHR 2014, 202 (204), der das Urteil zwar nicht begrüßt, aber akzeptiert; ausdrücklich der BGH-Rechtsprechung zustimmend jetzt Verse, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 42. 77 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1215 f.). 78 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216); s. a. – ebenfalls ohne Hinweis auf die BGHRechtsprechung vom 17. 12. 2013 – die Beschlussanmerkungen von Römermann, GmbHR 2015, 1216 (1218 f.) und Schröter/Knauel, jurisPR-HaGesR 11/2015 Anm. 1, C. 79 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216).

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

177

Es ist durchaus zweifelhaft, ob – wie das OLG München meint – bei der Korrektur von Geschäftsführerlisten anders zu entscheiden sei als bei Notarlisten. Die Analogievoraussetzungen können auch hier kaum bejaht werden. Bereits eine vergleichbare Interessenlage zu § 67 Abs. 5 AktG ist schwer zu erkennen. Zwar überprüfen hier die jeweiligen Gesellschaftsorgane (Vorstand bzw. Geschäftsführer) ihre eigenen Eintragungen. Allerdings ist die Zielrichtung im GmbH-Recht und im Aktienrecht jeweils eine andere. Die Selbstüberprüfung ist im Aktienrecht Grund für das langwierige Korrekturverfahren in § 67 Abs. 5 AktG. Es soll verhindert werden, dass die Vorstände die Legitimationswirkung des § 67 Abs. 2 AktG dem Registeraktionär einseitig entziehen können.80 Insgesamt soll das Verfahren vor einseitigen, zu schnellen und möglicherweise vor zu unüberlegten Korrekturen schützen, um die formelle Richtigkeit des Aktienregisters zu gewährleisten.81 Im GmbH-Recht ist wegen der besonderen Wertungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und der Publizität der Gesellschafterliste anders zu entscheiden. Es besteht im GmbH-Recht eine höhere Dringlichkeit für eine eigenmächtige Listenkorrektur, ohne auf ein bürokratisches und zeitaufwendiges Verfahren angewiesen zu sein. Einer zu übereilten Korrektur durch die Geschäftsführer wird präventiv durch die Androhung von Schadensersatzansprüchen nach § 40 Abs. 3 GmbHG analog82 und nachträglich – etwa wenn der Geschäftsführer von einem Mehrheitsgesellschafter zur Einreichung einer falschen Liste angeleitet wird –83 durch die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes entgegengetreten. Überdies ist keine planwidrige Regelungslücke ersichtlich. Nach der Regierungsbegründung wurde bewusst das Verfahren des § 67 Abs. 5 AktG nicht in das GmbH-Recht übernommen.84 Das gilt sowohl für die Korrektur von Notar- als auch Geschäftsführerlisten. Das Gesetz unterscheidet im Übrigen hinsichtlich der Wirkungen der Gesellschafterliste nach § 16 GmbHG auch sonst nicht zwischen Notarund Geschäftsführerlisten. Es wäre daher „ungereimt“, wenn an die Korrektur von Geschäftsführerlisten strengere Voraussetzungen zu stellen wären als an die Korrektur von Notarlisten.85 Der oben erwähnten Rechtsauffassung des OLG München

80

Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 126. Merkt, in: GroßkommAktG, Hirte et al., § 67 Rn. 147 ff. 82 So bereits Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (204). Die Analogie ist erforderlich, da § 40 Abs. 3 GmbHG nur einen Schadensersatzanspruch für die Verletzung der Pflichten „nach Absatz 1“ festschreibt. Hier ist aber eine Listenkorrektur angezeigt, die nicht von § 40 Abs. 1 GmbHG erfasst ist. Der Gedanke des § 40 Abs. 3 GmbHG, den Geschäftsführer bei schuldhaftem Handeln für fehlerhafte Listen in Anspruch nehmen zu können, gilt aber auch bei verschuldeten falschen Listenkorrekturen. 83 So geschehen vor dem OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (936). 84 BT Drucks. 16/6140, S. 44; ebenso für die Korrektur von Notarlisten Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2042); Lieder, NZG 2014, 329 (331). 85 Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 42a. 81

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

ist daher nicht zu folgen. Sowohl für die Korrektur von Notar- als auch Geschäftsführerlisten darf das Verfahren nach § 67 Abs. 5 AktG keine Rolle spielen.86 bb) Meinungsspektrum zu den Grenzen Es finden sich unterschiedliche Ansichten zu den Grenzen der Legitimationswirkung, wenn das Korrekturverfahren nicht eingehalten wurde. Unklar ist, welche Folgen anzunehmen sind, wenn die Geschäftsführer vor Korrektur der Liste den Betroffenen keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Teilweise wird angenommen, das Anhörungsverfahren sei als Ausfluss der Sorgfaltspflichten der Geschäftsführer zu verorten. Korrigierten die Geschäftsführer demnach die Listen ohne den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, verstießen sie zwar gegen ihre Sorgfaltspflicht; an ihrer formalen Einreichungskompetenz ändere sich aber nichts. Demnach sollen Gesellschafterlisten, die unter Verletzung des Anhörungsverfahrens durchgeführt wurden, die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hinsichtlich des neu eingetragenen Gesellschafters auslösen.87 Auf der anderen Seite wird vertreten, die zu dem Aktienrecht entwickelten Grundsätze88 der Auswirkungen einer fehlerhaften Registerkorrektur (§ 67 Abs. 5 AktG) seien auf die Korrektur von Gesellschafterlisten übertragbar.89 Das würde folgende Differenzierung bedeuten: Die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG würde zugunsten des neu eingetragenen Gesellschafters nicht eingreifen, wenn der aus der Liste formal fehlerhaft gestrichene Gesellschafter zuvor wirksam in die Gesellschafterliste eingetragen war und damit die relative Gesellschafterstellung innehatte, oder wenn der gelöschte Gesellschafter materieller Rechtsinhaber war. Dagegen wäre eine Korrektur ohne Einhaltung des Anhörungsverfahrens wirksam, wenn der zuvor eingetragene, aber nicht materiell berechtigte Gesellschafter nicht relativer Gesellschafter war, etwa weil er seine unberechtigte Listenposition selbst ohne Einhaltung des Eintragungsverfahrens erlangt hat. Die Korrektur wäre in diesem Fall lediglich formaler Natur ohne Auswirkungen auf die fortbestehende Legitimation des Gesellschafters.90

86

Vgl. Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 42a; Wiersch, GWR 2014, 117 (119). 87 So wohl Tebben, DB 2014, 585 (587). 88 Vgl. statt vieler Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 148 ff. 89 So Lieder, NZG 2014, 329 (331); offenlassend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 19. 90 Siehe hierzu Lieder, NZG 2014, 329 (331).

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

179

3. Zwischenergebnis Die vorliegenden Ausführungen zur Zuständigkeit und zum Verfahren zeigen, dass für die Beteiligten angesichts des breiten Meinungsspektrums nicht sicher vorauszusagen ist, unter welchen Voraussetzungen formale Fehler die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entfallen lassen. Für den Rechtsverkehr entstehen dadurch Rechtsunsicherheiten. Die Meinungsvielfalt liegt u. a. an den drei unterschiedlichen Verfahren der Listenerstellung. Die Änderungsverfahren für Geschäftsführer- und Notarlisten sowie das Listenkorrekturverfahren kennen nämlich jeweils unterschiedliche Voraussetzungen.

II. Fehlende Zurechenbarkeit der Listenposition Die zweite in der Diskussion fast91 einhellig geforderte Grenze der Legitimationswirkung wird angenommen, wenn die Listengesellschafterstellung dem Betroffenen nicht zurechenbar ist oder ihm in unzurechenbarer Weise entzogen wurde.92 Unübersichtlich sind die Meinungen, wann die Zurechenbarkeit verneint werden soll. Das liegt maßgeblich an dem Verständnis und der Einordnung des Zurechenbarkeitskriteriums. Das Schrifttum schlägt zahlreiche Einschränkungen aus Zurechnungsaspekten vor, während sich die Rechtsprechung deutlich zurückhaltender äußert. 1. Einordnung des Zurechenbarkeitskriteriums Die Zurechenbarkeit wird überwiegend als einschränkendes ungeschriebenes Merkmal verstanden. Für Geschäftsführerlisten wird ein konkreter Anknüpfungspunkt für die Restriktion gesucht und in der Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 4

91

A. A. aber Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 41 f.; Ries, NZG 2009, 654 (655), der die Zurechnung der Eintragung noch als Mindermeinung klassifiziert; offenlassend aber ders., GWR 2011, 54 (56); im Aktienrecht zu § 67 Abs. 2 AktG zweifelnd Koch, AktG, § 67 Rn. 33. 92 Vgl. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 21; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 28; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 14; Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 148; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 47 ff., 54; U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 230; Leyendecker-Langner, ZGR 2015, 516 (520); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 57, 82 (allgemeiner Rechtsscheingrundsatz); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 23 (Veranlasserprinzip); Scheuch, Scheingesellschafter der GbR, 2014, S. 311; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 32 ff.; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; Wilhelm, in: Festschrift Picker, S. 837 (845); Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 39; Wolfer/Adams, GWR 2014, 339 (340); zu § 16 Abs. 1 GmbHG grundlegend Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 136; siehe zu einem interessanten Vorschlag eines tripolaren Zurechnungskonzepts jüngst Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 717 ff.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

GmbHG gefunden.93 Nur wenn die Mitteilung dem betroffenen Gesellschafter zurechenbar ist, soll eine Gesellschafterliste die Legitimationswirkung auslösen. Dieser Begründungsansatz mag für Geschäftsführerlisten brauchbar sein, versagt aber bei Notar- oder Korrekturlisten, die nicht auf Mitteilung und Nachweis zu erstellen sind. Trotzdem wird für diese Listen die Zurechnung ebenfalls als wertendes Kriterium in den Tatbestand interpretiert. Angeknüpft wird aber weniger an eine konkrete Kundgabe oder Mitteilung. Die Zurechnung wird über den Abtretungstatbestand konstruiert. Wenn eine Abtretung dem Betroffenen nicht zurechenbar ist, soll die Legitimationswirkung entfallen. Damit wird eine Ausnahme von dem Grundsatz der Abstraktion der Listenlegitimation zugelassen (Abstraktion von formaler und materieller Rechtslage).94 Unglücklich ist diese Implementierung der Zurechenbarkeit in den Abtretungsvorgang, weil es Notar- und Korrekturlisten gibt, denen keine Abtretung zugrunde liegt, z. B. Kapitalerhöhungen. Aber auch in solchen Fällen können Zurechnungsaspekte relevant werden. Umfassender wäre eine Anknüpfung der Zurechnung an die Listenposition als solche. Egal an welcher Stelle die Zurechenbarkeit in den Tatbestand hineingelesen wird, ändert sich an dem zu Beginn dargestellten Befund wenig, nämlich dass überwiegend die Zurechenbarkeit als restriktives Kriterium vorausgesetzt wird. 2. Zurechenbarkeit im Schrifttum In großer Ausführlichkeit und beachtlicher Kasuistik hat die gesellschaftsrechtliche Literatur Ausnahmen von der Legitimationswirkung aus Zurechnungsgründen entworfen. Das Schrifttum einigt sich allerdings nicht auf einheitliche Standards, sondern vertritt unterschiedliche Grenzen. Immerhin werden für Notar- und Geschäftsführerlisten überwiegend ähnliche Zurechnungsausschlüsse genannt. Dabei kommt es jeweils auf die Zurechenbarkeit zu der Person an, zu deren Lasten die Eintragung wirkt.95 Für Korrekturlisten gilt etwas anderes. a) Geschäftsführerlisten Für Geschäftsführerlisten wird die Legitimationswirkung den Listen bei fehlender Zurechenbarkeit der Mitteilung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG abgesprochen, wenn die Mitteilung eigenmächtig durch einen unberechtigten Dritten,

93

Wiersch, GWR 2014, 117 (120). Statt vieler Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 49 ff.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 80 ff. 95 Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33; umfassend zur Frage des Zurechnungssubjekts vgl. Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 717 ff. (tripolares Zurechnungskonzept) m. w. N. 94

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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insbesondere als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegeben wurde,96 wenn der Mitteilende geschäftsunfähig97 oder ohne ausreichende Einsichtsfähigkeit beschränkt geschäftsfähig war,98 wenn die Mitteilung gefälscht wurde,99 oder wenn sie durch Anwendung von – zugegebenermaßen schwer vorstellbarer – vis absoluta100 oder vis compulsiva, die in der Intensität der vis absoluta gleichsteht,101 zustande gekommen ist. Weist die Mitteilung einen nicht identifizierbaren Gesellschafter aus und wird daraufhin eine Liste mit nicht identifizierbarem Gesellschafter eingereicht, könne keine relative Gesellschafterstellung entstehen.102 Ebenso soll eine Eintragung aufgrund einer nur zum Schein abgegebenen Mitteilung die Legitimationswirkung nicht auslösen.103 All diese Ausnahmen lehnen aber wenige Stimmen in der Literatur gänzlich ab. Danach solle auch eine Änderung der Gesellschafterliste aufgrund einer fehlenden oder nicht zurechenbaren Mitteilung die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG

96 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 66 f.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 29; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9. 97 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 20; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 66 f.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 29; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 14; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 39. 98 So Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 67; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 57; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 23; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 29. 99 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 20; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 66 f.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 29; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 14; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 39. 100 Konstellationen einer Mitteilung wegen Einwirkung mit absoluter, den Willen ausschließenden Gewalt auf den Mitteilenden sind schwer vorstellbar. Ein Dritter müsste etwa den Mitteilenden bewusstlos schlagen und anschließend dessen Hand bei der Abfassung einer schriftlichen Mitteilung vollständig führen. Viel einfacher wäre es doch, die Mitteilung von vornherein selbst zu fälschen. Gleichwohl werden die Kommentatoren nicht müde, den Ausschluss bei vis absoluta anzusprechen; siehe Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 20; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 66 f.; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 56 f.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 29; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 14; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9; Wilhelmi, in: BeckOK/ GmbHG, § 16 Rn. 39. 101 Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b. 102 Vgl. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 30. 103 Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 40; a. A. Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 29, da in diesem Falle die Eckpunkte des Verfahrens eingehalten worden seien.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

entstehen lassen.104 Es habe schließlich der Geschäftsführer als formal zuständige Person die Änderung eingetragen und dabei lediglich falsch beurteilt, ob die Änderung eingetragen werden dürfe.105 Besondere Differenzierungskünste offenbaren sich, wenn Geschäftsführerlisten von Amts wegen, also ohne Mitteilung erstellt werden können. Solche Fälle sind insbesondere anzutreffen, wenn ein Geschäftsführer direkt an der Veränderung der Gesellschafterstellung – etwa bei der Einziehung – mitgewirkt und daher Kenntnis hiervon bekommen hat. Die Zurechenbarkeit einer Zwangseinziehung für den ausgeschiedenen Gesellschafter soll sich nach der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Einziehungsbeschlusses richten. Nur in ersterem Fall solle die Zurechnung verneint werden.106 b) Notarlisten Für Notarlisten wird mit vergleichbaren Wertungen die Zurechenbarkeit behandelt. Die Zurechnung wird nach überwiegender Ansicht verneint, wenn die Übertragung des GmbH-Anteils unwirksam war, weil eine geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Person beteiligt war, wenn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht den Anteil übertragen oder erworben hat, die Liste gefälscht wurde oder bei – praktisch kaum vorstellbarer – Einwirkung von vis absoluta.107 Sie soll ferner entfallen, wenn durch einen technischen Fehler bei Aufnahme der Liste ungewollt eine Datenänderung eintrat.108 Inwieweit mit dem gegenwärtigen Listenführungssystem solche technischen Fehler praktisch auftreten können, bleibt unklar. Zwar werden die Gesellschafterlisten zu dem Registergericht aufgenommen. Die Datei der Liste wird dabei aber überhaupt nicht technisch geändert, sondern so wie sie über das EGVP eingereicht wurde als pdf-Scan oder in ähnlicher Form im Register veröf-

104 Vgl. Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 72 ff.; Hasselmann, NZG 2009, 486 (488); vorsichtig jetzt auch Heidinger, GmbHR 2017, 873 (874). 105 Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 73. 106 B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (465 f.). 107 Vgl. Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 21; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 28; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 87 f.; Servatius, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 16 Rn. 14; Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 148; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 54, 57, 72, 81 ff.; Link, RNotZ 2009, 193 (211); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 54, 82; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 26; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33a; B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (465); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; krit. zur Ablehnung bei gefälschten Listen H. Schmidt/ Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, Rn. 284; wohl offenlassend für Fälschungen Tebben, RNotZ 2008, 441 (454 f.); grundlegend zum Zurechnungsausschluss vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 I 1 (S. 468 f.). 108 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 65; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 30.

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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fentlicht.109 Fehler können aber möglicherweise in der Zukunft auftreten, wenn die Daten der Gesellschafterlisten in strukturierter maschinenlesbarer Form eingereicht werden. Die neue Verordnungsermächtigung in § 40 Abs. 5 GmbHG liebäugelt mit dieser Möglichkeit. Ungeachtet dessen wird ergänzend bei Notarlisten erwogen, die Legitimationswirkung zu versagen, wenn der Anteilserwerb gegen eine satzungsmäßige Vinkulierung (§ 15 Abs. 5 GmbHG)110 oder gegen § 33 GmbHG111 verstößt, oder wegen Unbestimmtheit112 oder wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i. V. m. § 1 GWB113 unwirksam ist. Daneben wollen vereinzelte Stimmen die Legitimationswirkung verneinen, wenn ein Notar getäuscht wird und daraufhin eine (unrichtige) Liste eingereicht hat.114 Ebenso wird die Zurechnung teilweise abgelehnt, wenn der Notar versehentlich oder absichtlich eine unrichtige Liste zu dem Handelsregister einreicht, etwa weil die Liste von dem beurkundeten Rechtsgeschäft abweicht oder der Notar überhaupt nicht an der eingetragenen Veränderung mitgewirkt hat.115

109

Technische Fehler, die zu einer Datenänderung führen könnten, sind etwa bei dem Registergericht Stuttgart bislang nicht aufgetreten (Information aus Gesprächen mit zuständigen Rechtspflegern). 110 Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; zu § 16 Abs. 1 GmbHG siehe OLG Brandenburg BeckRS 2010, 26474 – juris Rn. 40 ff. 111 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 21 (nach Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG schon gar nicht erfasst); Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 28; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 82; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; a. A. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 59, der dezidiert seine Auffassung der Vorauflage aufgibt (Heidinger, in: MüKoGmbHG, 1. Aufl. 2010, § 16 Rn. 56); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 18. 112 Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 82 Fn. 210; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4 unter Verweis auf BGH GmbHR 2010, 918 und OLG Frankfurt GmbHR 2009, 1155 (beide Entscheidungen sind aber zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. ergangen); a. A. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 251, der die Entscheidungen ausdrücklich nicht auf die neue Rechtslage anwendet. 113 U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 230; wohl auch Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 38 Fn. 36; s. a. OLG Frankfurt GmbHR 1992, 666. Herrschend ist diese Grenze aber nicht; a. A. daher BGH GmbHR 2015, 532 (533 f.) – Tz. 19 ff.; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 28; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 61; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 82; K. Schmidt, GmbHR 2015, 505 (506); vgl. ergänzend bei einem Verstoß gegen § 41 Abs. 1 GWB Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 28; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 26; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33a (gleichfalls für § 41 GWB); aufschlussreich zum Verhältnis der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei Anteilsübertragungen und den Wirkungen des § 1 GWB Immenga, in: Festschrift Benisch, S. 327 (334 f.). 114 Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2044), die treuwidrig erlangte Rechtspositionen generell für unbeachtlich halten; a. A., da das Verfahren der Listenänderung eingehalten wurde, Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24; wohl auch Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 68. 115 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17, 34; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 31; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 54; wohl auch Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33a; Wicke,

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

c) Korrekturlisten Im Unterschied zu Notar- und Geschäftsführerlisten wird für Korrekturlisten, soweit hierauf in der Diskussion überhaupt gesondert eingegangen wird, auf das eingrenzende Zurechenbarkeitskriterium verzichtet. Unzumutbare Schutzlücken sollen nicht entstehen, da der betroffene Gesellschafter im ordnungsgemäßen Korrekturverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt und sich daher rechtzeitig im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Korrektur wehren kann.116 Ungeklärt ist schließlich, ob die Zurechenbarkeit nur für den nicht materiell berechtigten Listengesellschafter einschränkend wirken soll. Teilweise wird die Zurechenbarkeit ohne nähere Begründung nur vorausgesetzt, wenn die Liste materiell falsch ist.117 Andere ziehen der Legitimationswirkung auch dann Grenzen, wenn der Listengesellschafter materiell berechtigter Gesellschafter ist.118 Allerdings soll sich der materiell Berechtigte und zugleich Eingetragene nicht mehr auf eine Ausnahme von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG berufen können, wenn er seine mitgliedschaftlichen Rechte ausgeübt hat.119 Diese Heilungsmöglichkeit greift nur in den seltenen Fällen, in denen der Eingetragene auch wahrer Gesellschafter ist, ihm aber trotzdem die Listenposition nicht zurechenbar ist. 3. Zurechenbarkeitskriterien in der Rechtsprechung In der Rechtsprechung zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hat das Kriterium der Zurechenbarkeit erstaunlich wenig Widerklang gefunden.120 Grenzen der Legitimationswirkungen wurden bislang nur vereinzelt in der GmbH-rechtlichen Rechtsprechung relevant. Sowohl der BGH121 als auch vereinzelte Obergerichte122 haben bislang Ausnahmen von der Legitimationswirkung unter Zurechnungskriterien nicht kategorisch ausgeschlossen. Sie haben aber jeweils keine konkreten oder nur äußerst dosiert Grenzkriterien aufgestellt. Regelmäßig werden nur generell mögliche Grenzen der Literatur rezipiert. Das mag daran liegen, dass in den entschiedenen Fällen bislang kein Bedürfnis für eine genaue Festlegung erkannt wurde. Im sog. Dental-Urteil vom 27. 1. 2015 geht der BGH zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. in den beschriebenen Schritten vor. Ohne zur Frage der Grenzen der LegitimatiGmbHG, § 16 Rn. 9; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 40; a. A. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 68. 116 Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33c. 117 Vgl. Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 14. 118 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 11. 119 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 11; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 69; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 32. 120 Anders im Aktienrecht zu § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG; vgl. OLG Jena AG 2004, 268 (270). 121 BGH GmbHR 2015, 532 (534) – Tz. 26. 122 OLG Frankfurt GmbHR 1992, 666; OLG Bremen GmbHR 2012, 687; OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868.

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

185

onswirkung umfassend Stellung zu beziehen, gewährt er dem § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Vorrang vor § 134 BGB i. V. m. § 1 GWB.123 Auf Zurechenbarkeitsaspekte geht er nicht ein. Stattdessen vertritt er ein strenges Anmeldesystem und betont unter Rückgriff auf die alte Rechtslage, dass er bei der Anwendung des § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. bislang ebenfalls nicht zwischen Verstößen gegen § 1 GWB und anderen Unwirksamkeitsgründen differenziert habe, sondern im Gegenteil hervorhob, dass nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. die Gesellschaft unabhängig von der wahren Rechtslage jeden, dessen Anteilserwerb bei ihr angemeldet und nachgewiesen worden sei, als Gesellschafter behandeln dürfe und müsse.124 Die Argumentation des BGH überzeugt, da neben dem Wortlaut auch der Sinn und Zweck, Rechtssicherheit zu schaffen, gegen eine Ausnahme von § 16 Abs. 1 GmbHG spricht.125 Erfreulich ist, dass der BGH mit seinem Urteil der durch § 16 Abs. 1 GmbHG bezweckten Rechtssicherheit für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr einen hohen Stellenwert einräumt und dabei Zurechnungsaspekte unerwähnt lässt. Die Abstraktion zwischen materieller und formeller Gesellschafterstellung wird zu Recht betont. Es wundert daher nicht, dass die Entscheidung vielfach Zustimmung findet.126 Da das Urteil zwar zur alten Rechtslage ergangen ist, das Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit durch den neuen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aber sogar noch deutlicher in den Vordergrund gerückt wird, ist die Entscheidung unproblematisch auf die neue Rechtslage übertragbar.127 Das Wort „Zurechenbarkeit“ fiel aber in einem Fall aus dem Herbst 2018. Der BGH hatte einen Sachverhalt zur Haftung nach § 24 GmbHG zu entscheiden und sprach am Rande, um alle Gründe einer Revisionszurückweisung nach § 561 ZPO ausschließen zu können, die Anwendbarkeit von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf Altlisten an.128 Hierbei hat er auch die teilweise vertretene Meinung wiedergeben, wonach alte Gesellschafterlisten nur dann die relative Gesellschafterstellung auslösen sollen, wenn die Eintragung dem Betroffen zurechenbar sei.129 Zwar vertiefte der II. Zivilsenat nicht die Grenzen der Legitimationswirkung, aber er nannte immerhin die Zurechenbarkeit als einschränkendes Kriterium. Im gesamten Urteil hat der BGH sich jedoch nicht anmerken lassen, wie er zu dem Gedanken einer Zurechenbarkeitseinschränkung steht. Er hat den Sachverhalt unter dieser Zurech123

Vgl. BGH GmbHR 2015, 532 (533 f.) – Tz. 19 ff.; a. A. aber OLG Frankfurt GmbHR 1992, 666; U. Jasper, in: Münch. Hdb. GesR III, § 24 Rn. 230. 124 BGH GmbHR 2015, 532 (533) – Tz. 20. 125 So explizit BGH GmbHR 2015, 532 (533) – Tz. 21. 126 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 33; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 61; K. Schmidt, GmbHR 2015, 505 (506); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33a; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 16; krit. aber Forster, GWR 2015, 409 a. E. 127 So auch Römermann, GmbHR 2015, 1216 (1217); K. Schmidt, GmbHR 2015, 505 (506). 128 BGH ZIP 2018, 2018 (2020 f.) – Tz. 26 ff. 129 BGH ZIP 2018, 2018 (2020) – Tz. 26; vgl. weitergehend zu den vertretenen Ansichten zur Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf Altlisten unten Kapitel 5 A.

186

Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

nungslösung lediglich im Konjunktiv subsumiert, um schließlich die Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf Altlisten insgesamt offen zu lassen. Mit Urteil vom 2. 7. 2019 hat der BGH nun erstmals eine Grenze der Legitimationswirkung bejaht.130 Argumentativ stütze er sich aber ausschließlich auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ohne überhaupt gedanklich Zurechnungsaspekte darzustellen oder anzudeuten, und das, wiewohl eine Lösung des Falles mit Verweis auf fehlende Zurechnung nicht abwegig gewesen wäre.131 Des Weiteren verhält sich die obergerichtliche Rechtsprechung dosiert zu Grenzen aus Zurechnungsgesichtspunkten. Konkret hatte das OLG Frankfurt sich im Jahre 1992 zu Grenzen der Legitimationswirkung bei § 16 Abs. 1 GmbHG positioniert. Die Wirkungen des § 16 Abs. 1 GmbHG sollen „gegenüber Geschäftsunfähigen, bei Fälschungen der Anmeldung, bei vollmachtlosem Handeln sowie bei einem Verstoß gegen § 33 GmbHG“ versagt werden.132 Ohne Begründung werden diese Grenzen mit Literaturverweisen übernommen. Der Beschluss erschöpft sich in der Aufzählung der Ausnahmen. Zurechnungsaspekte werden nicht erwähnt. Weiter hatte sich erstmals zu dem neuen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG das OLG Bremen mit Urteil vom 21. 10. 2011 geäußert.133 Eng zu fassende Ausnahmen von der relativen Gesellschafterstellung wurden in der Entscheidung des OLG Bremen in den Raum gestellt. Folgender Fall war zu entscheiden (vereinfacht): Der Kläger hat seinen GmbH-Anteil an der beklagten GmbH an die Mitgesellschafterin E übertragen. E wurde in die Gesellschafterliste als Alleingesellschafterin eingetragen. Jetzt trägt E vor, sie sei von dem Kläger arglistig getäuscht worden. Sie hat die Anteilsabtretung daraufhin angefochten. Über die Wirksamkeit der Anfechtung war in einem anderen Verfahren noch keine rechtskräftige Entscheidung ergangen. In einer hierauf folgenden Gesellschafterversammlung beschloss E als legitimierte Alleingesellschafterin, den Kläger aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft auszuschließen. Gegen die Wirksamkeit der Beschlussfassung wandte sich der Kläger mit dem Argument, er sei zu dem Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen gewesen. Daher könne der Anteil von ihm nicht eingezogen werden. Die beklagte GmbH wendet dagegen ein, der Kläger, der vor der Übertragung zu Recht in der Liste eingetragen war, müsse, wenn er aufgrund eines angefochtenen Geschäfts nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen sei, gleichwohl als Gesellschafter behandelt werden. Das OLG Bremen führte wie folgt aus: „Auch die weiteren hiergegen vorgebrachten Bedenken der Bekl. überzeugen nicht. Auf Fragen der Zurechenbarkeit lässt sich nicht abstellen. Eine über eine wertende Betrachtungsweise vorgenommene ,teleologische Reduktion‘ aufgrund des (angeblichen) Umstands, dass der Kläger arglistig getäuscht habe, würde le130 131 132 133

BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979; siehe hierzu Kapitel 4 A. III. Dazu schon Miller, ZIP 2020, 62 (66). OLG Frankfurt GmbHR 1992, 666. OLG Bremen GmbHR 2012, 687.

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

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diglich das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 123, 142 BGB unterstellen, die aber gerade zwischen den Parteien streitig sind. Aus den (…) Rspr.-Grundsätzen des BGH folgt vielmehr, dass im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 GmbHG eine Entscheidung dieser materiell-rechtlichen Fragen aus Gründen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes nicht stattfinden soll. (…) (Es) sind keine Gründe ersichtlich, dass die Neufassung des § 16 Abs. 1 GmbH hieran etwas geändert hätte. Eventuelle – jedenfalls eng zu fassende – Ausnahmetatbestände, wie sie etwa im Interesse des Minderjährigenschutzes in Betracht kommen könnten (Konjunktiv [!])134, sind ebenfalls nicht ersichtlich.“135 Obwohl das OLG Bremen Ausnahmen nicht kategorisch ablehnt, wird doch deutlich, welch hoher Stellenwert der durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu schaffenden Rechtssicherheit und dem Verkehrsschutz eingeräumt wird. Beachtlich ist dabei die Verwendung des Konjunktivs „könnten“ am Ende der zitierten Entscheidungspassage. Selbst im Interesse des Minderjährigenschutzes legt sich das OLG Bremen nicht auf eine Ausnahme zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG fest. Die Zurechenbarkeit als Korrektiv zu der unwiderleglichen Vermutung wird eingangs angesprochen aber nicht präzisiert. Insgesamt bleibt demnach offen, ob und inwieweit Ausnahmen aus Zurechnungsgesichtspunkten von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zugelassen würden. Im Ergebnis hat das OLG Bremen die Berufung der beklagten GmbH zurückgewiesen. Die beklagte GmbH dürfe keine Beschlüsse fassen, die den nicht in die Gesellschafterliste eingetragenen Kläger berühren. Solche Beschlüsse seien infolge ihrer Gegenstandslosigkeit nach § 16 Abs. 1 GmbHG unwirksam.136 Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gelte im zu entscheidenden Fall folglich ausnahmslos. Schließlich hat das OLG Frankfurt137 am 4. 11. 2016 Zurechnungskriterien angesprochen. Im gleichen Muster wurden einige Zurechnungsausnahmen, die in der Literatur erwähnt sind, wiedergegeben, um sogleich festzustellen, dass solche Ausnahmen vorliegend nicht greifen. Als einschränkende Merkmale wurden die Geschäftsunfähigkeit, Fälle der vis absoluta, des falsus procurators und Fälschungen aufgelistet. Ob sich das OLG Frankfurt diesen Ausnahmefällen anschließen würde, ist unklar. Es war nicht entscheidungserheblich.

III. Rechtsmissbräuchliches Verhalten Neben den genannten Grenzen soll sich die Gesellschaft im GmbH-Recht – wie auch im Aktienrecht –138 nicht auf die unwiderlegliche Vermutung der relativen 134

Anm. des Autors. OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (689). 136 OLG Bremen GmbHR 2012, 687 (689). 137 GmbHR 2017, 868 (872). 138 Vgl. OLG Zweibrücken AG 1996, 140 f.; Lutter/Drygala, in: KölnKomm-AktG, § 67 Rn. 62; ferner Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler et al., AktG, § 67 Rn. 49 ff.; Merkt, in: GroßkommAktG, Hirte et al., § 67 Rn. 93. 135

188

Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Gesellschafterstellung berufen könne, wenn ihre Organwalter in einer der Gesellschaft zurechenbaren Weise rechtsmissbräuchlich handeln.139 Teilweise fallen auch die Begriffe „Pflicht- oder Treuwidrigkeit“.140 Der BGH deutet im Urteil vom 20. 11. 2018141 die Ausnahme wegen Treuwidrigkeit bereits an und bejahte sie erstmals am 2. 7. 2019142. Die formelle Legitimationswirkung steht nach Ansicht des BGH unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Er formuliert: „Nach Treu und Glauben kann sich die Gesellschaft auf die Legitimationswirkung einer Gesellschafterliste u. a. dann nicht berufen, wenn sie selbst durch unredliches Verhalten die Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister herbeigeführt hat. (…) Ein solches Verhalten der Gesellschaft liegt hinsichtlich einer Gesellschafterliste vor, wenn es ihr durch eine gerichtliche Verfügung untersagt war, nach einem Einziehungsbeschluss eine neue Gesellschafterliste einzureichen, in der der betroffene Gesellschafter nicht mehr als Gesellschafter eingetragen ist, und sie dennoch eine geänderte Liste einreichen lässt oder eine dem gerichtlichen Verbot zuwider aufgenommene Liste nicht korrigiert.“143 Im Fall vor dem BGH hatte nicht die GmbH, sondern ein Notar entgegen der Untersagung eine neue Liste eingereicht. Das Handeln entgegen der einstweiligen Verfügung zerstörte die formelle Legitimationswirkung, da effektiver Rechtsschutz gegen falsche Listen nur durch eine so wirkende einstweilige Verfügung gewährt werden kann.144 Die Entscheidung ist auf breite Zustimmung gestoßen.145 In Anlehnung an diese Rechtsprechung soll wertungsmäßig der Fall gleichgestellt sein, wenn eine einstweilige Verfügung in Gestalt einer „Regelungsverfügung“ – gemeint ist die Leistungsverfügung (§ 940 ZPO analog) – erst nach Aufnahme der Liste ergeht und der Gesellschaft aufgibt, die Liste zu korrigieren. Folgt die Gesellschaft nicht der Korrekturpflicht und beruft sich auf die ursprüngliche Liste, müsse die Legitimationswirkung nach Treu und Glauben versagt werden.146 Neben der dargestellten Ausnahme wird in der Literatur rechtsmissbräuchliches Verhalten bejaht, wenn die Gesellschaft sich auf eine Eintragung in der Gesell139

KG GmbHR 2018, 361 (363); KG GmbHR 2020, 270 (273); Bayer, Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (30 f.); Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 16; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 34b f.; Lieder/Becker, GmbR 2019, 441 (447); Miller, ZIP 2020, 62 (65 ff.); vgl. auch B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (466); zum Missbrauch der Korrekturbefugnis durch die Geschäftsführer Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8); allgemein zum Rechtsmissbrauch als Konkretisierung von § 242 BGB Larenz, Schuldrecht I, § 10 II b) (S. 132 ff.). 140 OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (872). 141 NJW 2019, 993 (996) – Tz. 42 ff. m. Anm. Miller, NJW 2019, 998. 142 BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 (982 f.) – Tz. 40 ff.; siehe zur Vorinstanz KG GmbHR 2018, 361. 143 BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 (982 f.) – Tz. 42. 144 BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 (983) – Tz. 43. 145 Vgl. etwa Heckschen, NZG 2019, 1097; Liebau/Schindler, DB 2019, 2010; Münnich, GmbHR 2019, 998; Stöber, BB 2019, 2031; Wachter, DB 2019, 2058; Miller, ZIP 2020, 62. 146 Cramer/S. Koch, DStR 2020, 664 (669).

A. Bestandsaufnahme der Ansichten in Rechtsprechung und Literatur

189

schafterliste beruft, die mit Wissen der Beteiligten nur zum Schein vorgenommen wurde.147 Ebenso soll es der GmbH verwehrt sein, einen Eingetragenen in Anspruch zu nehmen, wenn die Geschäftsführer die Korrektur oder Einreichung der Liste trotz Mitteilung und Nachweis missbräuchlich verzögern.148 Manche wollen bei jeder Verzögerung der Listeneinreichung – unabhängig ob sie missbräuchlich veranlasst wurde oder nicht – die Legitimationswirkung ausschalten.149 Sogar bei ordnungsgemäßem Eintragungsverfahren wird die unwiderlegliche Vermutung bisweilen für den Zeitraum zwischen der materiellen Veränderung und der Aufnahme der geänderten Liste im Handelsregister versagt. Es sollen keine vollendeten Tatsachen unter Mitwirkung des noch-legitimierten Listengesellschafters geschaffen werden.150 Im Übrigen soll rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen, wenn die Listeneintragung durch kollusives Handeln zwischen dem Geschäftsführer und dem zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter zum Nachteil des materiell Berechtigten erfolgt ist.151 Nicht verwechselt werden darf diese Konstellation mit dem Fall des kollusiven Zusammenwirkens von Erwerber und Veräußerer, um die Eintragung des Veräußerers zu erreichen, obwohl die Beteiligten bewusst keine oder eine unwirksame Veräußerung vorgenommen haben. Hier greift die unwiderlegliche Vermutung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.152

147 Lieder/Becker, GmbR 2019, 441 (447); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17; ders., Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (30); im Ausgangspunkt vergleichbar Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 9, wonach aber den bewusst mitwirkenden unberechtigten Listengesellschafter Gesellschafterpflichten treffen können sollen; zum Aktienrecht (§ 67 Abs. 2 AktG): Merkt, in: GroßkommAktG, Hirte et al., § 67 Rn. 93, der auf die Entscheidung RG JW 1934, 363 noch zu § 223 HGB i. d. F. v. 1897 verweist. Das RG hat in diesem Fall die Berufung auf das Aktienregister aber nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens versagt, sondern weil die Anmeldung zur Eintragung nach § 117 Abs. 1 BGB unwirksam war, siehe RG JW 1934, 363 (365); krit. Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler et al., AktG, § 67 Rn. 51. 148 Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 34b f. 149 So Bayer, Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (31). 150 Bayer, Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (41); s. a. Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 72, der mit der Treuepflicht der Gesellschaft argumentiert. 151 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17; Servatius, in: Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, § 16 Rn. 16; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 57 (wegen sittenwidrigen Verhaltens bei der Listenerstellung; der unberechtigte Listengesellschafter soll aber verpflichtet bleiben); Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 58 (rechtsmissbräuchlich); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 33 (rechtsmissbräuchlich, daher kein schutzwürdiges Vertrauen); Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 26; Wilhelmi, in: BeckOK/GmbHG, § 16 Rn. 42, mit der Einschränkung, dass der unberechtigte Listengesellschafter keine Rechte geltend machen kann, aber verpflichtet bleibt, soweit ihm die Eintragung zurechenbar ist; so auch Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 80; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. vgl. Zutt, in: Festschrift Oppenhoff, S. 555 (563 f.). 152 Zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. zutreffend Zutt, in: Festschrift Oppenhoff, S. 555 (563).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

IV. Verfassungsrechtlich garantierter Justizgewährungsanspruch Die Rechtsprechung hat schließlich in einem besonderen Fall einem Gesellschafter zugesprochen, einen Einziehungsbeschluss gerichtlich überprüfen zu lassen, obwohl er bereits aus der Liste nicht mehr als relativer Gesellschafter erscheint.153 Der aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Justizgewährungsanspruch erfordere diese Schlussfolgerung.154 Das hierzu ergangene Schrifttum folgt dieser Gerichtspraxis.155 Da es sich bei dieser Entscheidung um einen Einzelfall handelt, der wegen der grundgesetzlichen Überlagerung nicht als gesellschaftsrechtsimmanente typische Ausnahme von der Legitimationswirkung zu begreifen ist, wird sie hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt.

V. Zwischenergebnis: Unklare Grenzen der Legitimationswirkung Das Schrifttum hat im Wesentlichen drei Ausnahmetatbestände entwickelt, wann die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht gelten soll. Die erste Grenze soll erreicht sein, wenn kein ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet ist, die zweite, wenn die Listenposition dem Betroffenen nicht zurechenbar ist und die dritte bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten. Innerhalb dieser ungeschriebenen Grenzen wird vielschichtig diskutiert. Eine einheitliche Linie fehlt aber bislang. Die Meinungsvielfalt und Unklarheiten lassen sich im Wesentlichen durch zwei Faktoren erklären: Erstens besteht bislang kaum höchstrichterliche Rechtsprechung, die eine umfassende Lösungsmöglichkeit präsentiert, auf deren Grundlage sich ein System aufbauen ließe. Sofern Entscheidungen sich mit der Reichweite der unwiderleglichen Vermutung befassen, wird im Einzelfall abgewogen, ob eine ungeschriebene Grenze angenommen werden kann. Eine Analyse der Entscheidungen des BGH mit dem Ziel, die Grenzen der relativen Gesellschafterstellung zu systematisieren, lässt sich aufgrund der geringen Anzahl entschiedener Fälle der oberen Gerichte zu den Grenzen156 kaum bewerkstelligen. Eine induktiv-methodische Herangehensweise wird daher wenig Erfolg versprechen.

153 154 155

(68).

BGH BeckRS 2019, 2668; OLG Jena GmbHR 2020, 433 (435). OLG Jena GmbHR 2020, 433 (435). Cramer/S. Koch, DStR 2020, 664 (668); Garbe, GWR 2019, 106; Miller, ZIP 2020, 62

156 Vgl. zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979; OLG Bremen GmbHR 2012, 687; zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. siehe BGH GmbHR 2015, 532; ferner BGH GmbHR 2010, 918; OLG Frankfurt GmbHR 1992, 666; zur Abstraktion von materieller Rechtslage und formaler relativer Gesellschafterstellung vgl. OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (939); grundlegend zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. BGH NJW 1969, 133; ebenso BGHZ 112, 103 = GmbHR 1990, 449.

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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Zweitens besteht ein erhebliches Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, Rechtssicherheit zu schaffen, und dem Schutz des von einem strengen Listensystem Betroffenen. Größtmögliche Rechtssicherheit wäre gewährleistet, wenn ausnahmslos der Inhalt der Gesellschafterliste den relativen Gesellschafter auswiese. Die Gesellschaft und der Rechtsverkehr könnten sich so stets auf die Gesellschafterliste berufen, wenn Streit über die materielle Berechtigung eines Listengesellschafters bestünde. Rechtssicherheit darf aber nicht um jeden Preis gefordert werden. Alle in Betracht kommenden Wertungsgesichtspunkte, auch die Individualinteressen, müssen beleuchtet werden. Ein ausnahmsloses Listensystem vermag schwerlich zu überzeugen. Ob die Abwägung durch die beschriebenen drei Grenzen, insbesondere durch das Zurechnungskriterium, zufriedenstellend aufgelöst wird, ist mehr als fraglich. Die Rechtssicherheit leidet jedenfalls an dem zu vage konturierten Kriterium der Zurechenbarkeit. Die Tragfähigkeit der drei vorgestellten Restriktionen bedarf einer umfassenden Überprüfung anhand der verschiedenen Wertungsaspekte.

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit – Wahrung der Verkehrsschutzinteressen Das Kriterium der Zurechenbarkeit als Voraussetzung für die Legitimationswirkung wurde bisweilen als im Grundsatz unbestritten niedergeschrieben157 oder sogar als verfassungsrechtlich zwingend betrachtet.158 Trotz dieser klaren Positionierungen sind auch kritische Stimmen zur Voraussetzung der Zurechenbarkeit bekannt,159 wobei die Frage kaum offen diskutiert wird,160 obwohl nach Betrachtung der unzähligen Stimmen zu den Grenzen aus Zurechnungsaspekten Folgendes auf der Hand liegt: Die konkrete Bestimmung der Zurechnung ist schwer bis unmöglich. Rechtssicher lässt sich nicht voraussagen, wann sie bejaht, wann verneint werden soll. Zudem ist das Vorliegen der Zurechnung im Außenverhältnis für den Rechtsverkehr regelmäßig nicht erkennbar.161 Mit diesen knappen Eingangsüberlegungen im Hinterkopf wird herausgearbeitet, ob es eine Grenze der Zurechenbarkeit für die 157

So noch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 16 Rn. 9; vorsichtiger jetzt aber ders., in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 11, 18 ff. 158 So ausführlich Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 597 ff., 657 ff.: Wegen der unzureichenden Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterlisten mangels Überprüfung der Listen durch eine objektiv-neutrale Instanz stelle ein Verzicht auf Zurechnungskriterien im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) dar. 159 Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 41 f.; Ries, NZG 2009, 654 (655); s. a. Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 32, 33c. 160 Siehe aber die Ausführungen bei Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 597 ff. 161 So knapp zu der These „Zurechnung als Quelle von Rechtsunsicherheiten“ Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 231 f., S. 526.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Legitimationswirkung im GmbH-Recht gibt. Eingeleitet wird die Auseinandersetzung mit rechtsdogmatischen Grundlagen zur Zurechnung (siehe I.). Die darauf folgenden etappenweisen Ausführungen beginnen mit der Frage, ob sich aus der Einordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes Schlüsse für die Zurechenbarkeit ziehen lassen (siehe II.), bevor eine kurze Gegenüberstellung mit § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG für Namensaktien im Aktienrecht erfolgt (siehe III.). Sie führen sodann über den Wortlaut, die Systematik und Normentstehung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (siehe IV.) hin zu einem Vergleich mit reinen Vertrauenstatbeständen und münden im telos des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (siehe V.). Zuletzt wird die Legitimationsnorm in das europäische Recht eingebettet und der Gleichlauf der Zielvorstellungen beobachtet (siehe VI.).

I. Rechtsdogmatischer Hintergrund der Zurechnungslehre Der Zurechenbarkeit liegt das rechtsethische Prinzip der Selbstverantwortung des Handelns zugrunde. Für nicht zurechenbares Verhalten muss eine Person grundsätzlich nicht einstehen. Ausfluss der Zurechenbarkeit sind etwa die Regeln der §§ 104 ff. BGB über die Geschäftsfähigkeit.162 Geschäftsunfähigen ist ihr Verhalten – so das Verständnis des Gesetzgebers – nicht zurechenbar. Daneben wird die Zurechnung bei nicht handlungsfähigen Personen verneint, beispielsweise wegen Einwirkung mit vis absoluta oder bei Auftreten eines Dritten für den Betroffenen als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Allen diesen Fällen ist die besondere Schutzbedürftigkeit der betroffenen Personen gemeinsam. Man bezeichnet diese Zurechnungsaspekte als allgemeine Zurechnungsvoraussetzungen oder Zurechnungsfähigkeit.163 Daneben bestehen spezielle Zurechnungsprinzipen, das Risiko-, Verschuldens- und Veranlasserprinzip.164 Hier wird die Zurechnung nicht allgemein wegen fehlender Zurechnungsfähigkeit von vornherein versagt, sondern im Einzelfall entschieden, ob und inwieweit aus Gründen des Individualschutzes Einschränkungen des Zurechnungsgebots nötig erscheinen. Durch das Zurechnungskriterium werden also Individualinteressen berücksichtigt. Verkehrsschutzgesichtspunkte müssen bei fehlender Zurechnung grundsätzlich zurücktreten. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen muss der Verkehrsschutz aber nicht immer hinter die Einzelinteressen zurücktreten. So sind Konstellationen denkbar, in denen Verkehrsschutzinteressen oder dem Streben nach Rechtssicherheit der Vorrang eingeräumt wird. Das Gesetz kennt ausdrücklich Tatbestände, die bewusst auf Zurechnungsaspekte verzichten und damit dem Verkehrsschutz gegenüber 162 Vgl. im Ergebnis Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 6 Rn. 12 ff. (S. 112 ff.). 163 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 I 1 (S. 469); die „Handlungsfähigkeit als Zurechnungsgrund“ sehen Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 6 Rn. 1 ff. (S. 110 ff.). 164 Instruktiv Canaris, Vertrauenshaftung, § 38 (S. 473 ff.).

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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den Individualinteressen ein höheres Gewicht einräumen. So steht es etwa bei reinen Vertrauenstatbeständen, wie den §§ 892 f., 935 Abs. 2 BGB und Art. 16 Abs. 2 WG.165 Der in ihnen zum Ausdruck kommende Gedanke wird als sog. reines Rechtsscheinprinzip166 bezeichnet, umfasst also Tatbestände, bei denen Zurechnungsaspekte ausgeblendet werden. Nach den Worten Harry Westermanns kann das reine Rechtsscheinprinzip nur dort anzutreffen sein, wo „sehr schwerwiegende Gründe die starke Sicherung des Rechtsverkehrs erfordern und (…) Richtigkeitsgarantien die Gefahren unberechtigten Rechtsverlusts möglichst begrenzen.“167 Die Einführung des reinen Rechtsscheinprinzips erfordert also im Grundsatz zweierlei, nämlich erstens „schwerwiegende Gründe“ für die Rechtssicherheit und zweitens „Richtigkeitsgarantien“. Allerdings fällt die Anwendung des reinen Rechtsscheinprinzips nicht schon dann aus, wenn der Rechtsscheinträger selbst keine hohe Richtigkeitsgewähr bietet.168 Vielmehr kann eine schwache Richtigkeitsgarantie durch herausragend schwerwiegende Gründe der Rechtssicherheit ausgeglichen werden.169 Dies bezeugt etwa die Existenz des § 935 Abs. 2 BGB. Insgesamt verbietet es sich, auf der einen Seite pauschal auf die Zurechnung als Schutzkriterium zu verweisen und auf der anderen Seite ohne Begründung das reine Rechtsscheinprinzip einzuführen. In jedem Falle müssen die Interessen des durch die Zurechnung zu Schützenden mit den konfligierenden Interessen des Verkehrsschutzes abgewogen werden. Erst dann lässt sich abschließend klären, ob die Zurechenbarkeit erforderlich ist. Der Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung, speziell in der Prüfung der Angemessenheit verankert.170 Durch die relative Gesellschafterstellung ist der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des wahren Rechtsinhabers, der nicht Listengesellschafter ist, aus Art. 14 Abs. 1 GG berührt.171 Zu bestimmen ist daher, ob der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beschreiben kann, wenn auf das Kriterium der Zurechenbarkeit gänzlich verzichtet wird. Im Kern geht es um die Abwägung der Sozialpflichtigkeit zur Privatnützigkeit des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 und 2 GG. Die Problematik ist aber weniger eine genuin verfassungsrechtliche als 165

Zu weiteren Beispielen siehe die Ausführungen unten Kapitel 4 B. V. 1. Der Begriff wurde – soweit ersichtlich – eingeführt durch Westermann, JuS 1963, 1 (6); dazu schon Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 (S. 471) Fn. 14. 167 Westermann, JuS 1963, 1 (6). 168 So aber das tragende Argument gegen das reine Rechtsscheinprinizp in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG von Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 658. 169 Restriktiver Lieder, AcP 210 (2010), 857 (905), der konstatiert, dass Gutglaubenstatbestände „ihre Legitimation stets entweder aus dem Zurechnungsprinzip oder aus der mit staatlicher Autorität verbürgten Richtigkeitsgewähr des Rechtsscheinträgers“ (Hervorhebung durch den Autor) beziehen. 170 So zutreffend Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 607 ff. 171 Ausführlich zum Schutzbereich und Eingriff in Art. 14 GG im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vgl. Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 599 ff. 166

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

vielmehr eine allgemein zivilrechtliche, spezifisch gesellschaftsrechtliche, bei der alle schutzwürdigen Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Dabei wird es maßgeblich darauf ankommen, ob die Interessen der nachteilig betroffenen Personen auf anderem Wege als über ein Zurechnungskriterium gewährleistet werden können.172 Die umfassende Interessengewichtung wird daher das Herzstück der Argumentation für und wider das Zurechenbarkeitskriterium in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sein. Zudem können weitere – systematische, historische, teleologische oder grammatikalische – Argumente gegen die Zurechenbarkeit i. R. d. relativen Gesellschafterstellung streiten.

II. Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes und Zurechenbarkeit Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 GmbHG ist ein solcher des absoluten Verkehrsschutzes. Solche Tatbestände wirken auch, wenn der zu schützende Teil positive Kenntnis von der Diskrepanz zwischen formaler und materieller Rechtslage hat. Nimmt man die Absolutheit ernst, dürften solche Tatbestände keine den Rechtsverkehr beeinträchtigenden Voraussetzungen kennen, insbesondere keine der Zurechenbarkeit. Denn der Rechtsverkehr soll gerade durch den Verzicht auf Zurechnungskriterien umfassend geschützt werden. Canaris formuliert etwa geradezu selbstverständlich, dass es sich bei § 5 HGB um einen Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes handelt und es daher auf Zurechnungskriterien nicht ankommt.173 Nach § 5 HGB ist nämlich Kaufmann jeder, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist. Soweit § 5 HGB nicht durch §§ 1 f. HGB verdrängt ist, gilt dies beispielsweise selbst dann, wenn ein nicht voll Geschäftsfähiger die Eintragung seiner Firma angemeldet hat.174 Die Eintragung ist dem Anmeldenden zwar wegen fehlender allgemeiner Zurechenbarkeit nicht zuzurechnen. § 5 HGB greift aber im „Interesse einer unbedingten Verkehrssicherheit“ trotzdem ein.175 Wenn diese Formel im Allgemeinen Zustimmung fände, müsste die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bereits aus dieser dogmatischen Konsequenz heraus ebenfalls frei von Zurechnungskriterien anwendbar sein.

172 Grundlegende verfassungsrechtliche Ausführungen können für diese Arbeit daher ausgeblendet werden. Lesenswerte Überlegungen zur genaueren verfassungsrechtlichen Verankerung des Problemkreises finden sich aber bei Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 599 ff. 173 Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 53 (S. 40 f.); s. a. Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 41. 174 Zutreffend insoweit Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 53 (S. 40 f.). 175 So ausdrücklich Canaris, Vertrauenshaftung, § 1 I (S. 2); s. a. Merkt, in: Hopt, HGB, § 5 Rn. 1.

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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III. Vergleich zu § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG? Ein weiterer Begründungsbaustein für oder wider könnte sich aus einem systematischen und teleologischen Vergleich zu der aktienrechtlichen Parallelnorm des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG ergeben, für die ebenfalls im Schrifttum einschränkend ein Zurechenbarkeitskriterium gefordert wird. Ob und inwieweit das Zurechenbarkeitskriterium für das Aktienrecht tragfähig ist, soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Festzuhalten ist zunächst aber, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sich – wie aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich – durchaus an der aktienrechtlichen Parallelnorm anlehnt.176 Aussagen zu einer möglichen Grenze wegen fehlender Zurechnung finden sich jedoch in den einschlägigen Materialien zum MoMiG weder für § 67 Abs. 2 AktG noch zu dem neu konzipierten § 16 Abs. 1 GmbHG. Ohnehin ist zu beachten, dass trotz der Normverwandtschaft die aktien- und GmbH-rechtlichen Vorschriften nicht vollständig parallel konzipiert sind. Vielmehr bestehen erhebliche Unterschiede in den Konzeptionen der relativen Gesellschafterstellung.177 Im Aktienrecht erfolgt die Neueintragung des Aktionärs durch den Vorstand nach einem Übergang der Namensaktie auf Mitteilung und Nachweis an den Vorstand, § 67 Abs. 3 AktG. Dagegen wird die Gesellschafterliste von zwei alternativ zuständigen Personengruppen, den Geschäftsführern und Notaren, geführt. Daraus resultieren unterschiedliche Eintragungsverfahren. Ähnlichkeiten mit dem aktienrechtlichen Eintragungsverfahren hat lediglich das Verfahren bei Geschäftsführerlisten. Nur Geschäftsführer sind vor der Listenänderung auf Mitteilung und Nachweis nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG angewiesen. Daher lässt sich die aktienrechtliche mit der GmbH-rechtlichen Problematik nur inhaltlich eingeschränkt – nämlich nur in Bezug auf Geschäftsführerlisten – vergleichen. Überdies wird das Aktienregister gesellschaftsintern geführt und verwaltet. Es ist – im Gegensatz zur Gesellschafterliste – nicht öffentlich einsehbar. Daraus folgt ein bedeutender Unterschied. Der Rechtsverkehr wird wegen der fehlenden Publizität des Aktienregisters im Aktienrecht nicht besonders geschützt. Das Individualinteresse der Betroffenen ist im Aktienrecht somit höher zu gewichten als die Verkehrsinteressen. Zudem hat die Mitteilung (§ 67 Abs. 3 AktG) der Betroffenen an den Vorstand für die Wirkung des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG herausgehobene Bedeutung. Sie ist der dogmatische Anknüpfungspunkt für das Zurechenbarkeitskriterium im Aktienrecht. Die aktienrechtliche Mitteilung ist unmittelbar der Registeränderung vorgelagert, ohne dass in einem weiteren Schritt das Registergericht eingeschaltet werden müsste. Folgende zwei Verfahrensschritte genügen also, um die Wirkungen des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG auszulösen: Mitteilung und Eintragung im Aktienregister. Im GmbH176 Siehe BT Drucks. 16/6140, S. 37 sowie Begr. RefE v. 29. 5. 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 228. 177 Unterschiede der relativen Gesellschafterstellung im GmbH-Recht nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. und im Aktienrecht nach § 223 Abs. 3 HGB i. d. F. v. 1897 hat z. B. bereits das RG JW 1915, 588 f. in Bezug auf die Einlagenhaftung zutreffend festgestellt.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Recht ist hingegen eine Mitteilung von vornherein nur bei Geschäftsführerlisten erforderlich. Im Übrigen ist selbst für Geschäftsführerlisten das Listenänderungsverfahren komplexer: Mitteilung, Erstellung der Liste durch den Geschäftsführer, Einreichung und schließlich Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister prägen das Verfahren. Die Mitteilung hat für die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG allenfalls untergeordnete Bedeutung. Die Publizitätswirkung im GmbH-Recht und die unterschiedlichen Verfahrensabläufe sind die entscheidenden Unterschiede zwischen beiden Vorschriften.178 Der bloße Verweis auf die Rechtslage zu dem Aktienrecht kann das Zurechenbarkeitskriterium für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht rechtfertigen. Erforderlich bleibt es, den Wortlaut, die Struktur und den Zweck der Vorschrift zu erforschen.

IV. Wortlaut, Systematik und Normentstehung Nach dem Wortsinn von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird „nur“ der in der zu dem Register aufgenommenen Gesellschafterliste Ausgewiesene als Inhaber des Geschäftsanteils unwiderleglich vermutet. Darüber hinaus werden keine Voraussetzungen aufgestellt, insbesondere nicht die Zurechenbarkeit der Listenposition. Wer die Legitimationswirkung bei fehlender Zurechnung ausschließen möchte, muss die Zurechenbarkeit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal konzipieren und dogmatisch über eine teleologische Reduktion gewinnen. Teleologische Reduktionen sind aber nur möglich, wenn die gesetzliche Regelung nicht erschöpfend und abschließend sein soll, ein argumentum e contrario also nicht berechtigt ist.179 Der Gesetzgeber muss – vergleichbar mit der Analogievoraussetzung – eine Lücke im Gesetz planwidrig offengelassen haben. Das ist äußerst zweifelhaft. Bei der Änderung des § 16 GmbHG hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG den gutgläubigen Erwerb von GmbH-Anteilen innerhalb der Karenzzeit von drei Jahren nicht zugelassen, wenn „die Unrichtigkeit (Anm.: der Liste) dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist.“ Dieses Zurechenbarkeitskriterium war zwar dem RefE vom 29. 5. 2006 noch unbekannt,180 wurde aber im RegE aufgenommen, um die schutzwürdigen Interessen des wahren Berechtigten zu berücksichtigen.181 Für den gutgläubigen Erwerb wurde also die Zurechenbarkeit als Korrektiv noch erkannt und in das Gesetz aufgenommen. Im selben Gesetzgebungsverfahren wurde ein Zurechenbarkeitskriterium dagegen nicht auch in § 16 Abs. 1 GmbHG aufgenommen. Dieses gesetzgeberische Vorgehen spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Überdies wurden im Gesetzgebungsverfahren keine Grenzen der Legitimationswirkung diskutiert. Stattdessen wurde auf sekundärrechtliche 178

Den Unterschied der Publizität hebt schon BGH GmbHR 2015, 526 (527) – Tz. 9 hervor. So Larenz, Methodenlehre, S. 392; ferner Canaris, Feststellung von Lücken, S. 192. 180 Vgl. § 16 Abs. 3 GmbHG RefE 2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 228. 181 BT Drucks. 16/6140, S. 39. 179

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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Schadensansprüche des Berechtigten verwiesen, wenn der Geschäftsführer seiner Einreichungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.182 Damit wird nahegelegt, den § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG weitgehend grenzenlos anzuwenden und bei Diskrepanzen zwischen Listenstellung und wahrer Rechtslage den Betroffenen auf Schadensersatzansprüche zu verweisen. Insgesamt kann also mit dem argumentum e contrario zu § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Zurechenbarkeit als Voraussetzung für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bezweifelt werden.183 Der klare Wortlaut, der systematische Vergleich zu § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG und die Normentstehung sprechen gegen die durch teleologische Reduktion gewonnene Voraussetzung der Zurechenbarkeit.

V. Vergleich zu reinen Vertrauenstatbeständen – Regelungsziele des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Bedeutend sind darüber hinaus die Zweckgedanken und Ziele des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf dem Weg zur Ablehnung der Zurechenbarkeit für die relative Gesellschafterstellung. Wie oben kurz angeklungen ist, stellt das Kriterium der Zurechnung keinesfalls ein allumfassendes Korrektiv zu dem Schutz vor einer rechtlichen Benachteiligung dar.184 Im deutschen Privatrecht sind mehrere Tatbestände anerkannt, die zulasten eines Betroffenen wirken, ohne auf Zurechnungsaspekte Rücksicht zu nehmen. Sie werden unter den Oberbegriffen „reine Vertrauenstatbestände“ oder „reines Rechtsscheinprinzip“185 zusammengefasst. In diesen Rechtsscheintatbeständen wird auf die Zurechnung verzichtet, weil dem Interesse des Rechtsverkehrs der Vorzug vor den Individualinteressen des Betroffenen eingeräumt wird. Diese Beobachtung ist für die vorliegende Arbeit von wesentlicher Bedeutung. Denn die Frage nach dem „warum“, also warum der Vorrang des Verkehrsinteresses in reinen Vertrauenstatbeständen konkret gerechtfertigt werden kann, interessiert für die Einordnung der GmbH-rechtlichen Legitimationsnorm in das zivilrechtliche Regelungsgefüge. Daher werden nachfolgend in einem ersten Schritt die reinen Verkehrsschutztatbestände analysiert und aufbereitet (1.), um hieraus die Gemeinsamkeiten der Tatbestände zu filtern und gemeinsame Wertungen zu bestimmen (2.), damit schließlich die gewonnenen Ergebnisse auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und dessen relative Gesellschafterstellung gespiegelt werden können (3.). Am Ende wird wohl Licht den Nebel durchstrahlen und die Frage beantworten, ob auch im Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Verkehrsschutzinteressen überwiegen.

182 183 184 185

BT Drucks. 16/6140, S. 38. So schon Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 42. Siehe oben Kapitel 4 B. I. So etwa Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 (S. 471).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

1. Phänomenologie einzelner reiner Vertrauenstatbestände Das Gesetz kennt zahlreiche reine Vertrauenstatbestände. Sie finden sich im Sachen-, Erb-, Wertpapier-, Zessions-, Handels- und Gesellschaftsrecht. Die Gründe für den jeweiligen Verzicht auf Zurechnungsaspekte sind mannigfaltig. Vor der Konzentration auf die wesentlichen Wertungen reiner Rechtsscheintatbestände sind zunächst die einzelnen Aspekte der vielen Tatbestände zu beobachten und zu ordnen. Betrachtet werden die §§ 892 f. BGB (a)), § 1155 BGB (b)), §§ 2366 f. (c)), § 935 Abs. 2 Fall 1 und Fall 2 BGB, Art. 16 WG, § 68 Abs. 1 AktG, Art. 21 SchG (d)), § 935 Abs. 2 Fall 3 BGB (e)), § 16 Abs. 3 GmbHG (f)), §§ 407 f. BGB (g)), § 793 BGB (h)) und die § 15 Abs. 1 HGB, § 29 GenG, §§ 68, 70 BGB (i)). a) §§ 892 f. BGB Prominentes Beispiel für reine Vertrauenstatbestände sind die §§ 892 f. BGB. § 892 BGB regelt zunächst den gutgläubigen Erwerb eines Grundstücks oder eines Rechts an einem Grundstück, § 893 Alt. 1 BGB knüpft an die Grundbucheintragung eine Liberationswirkung bei Zahlungen an den Grundbucheigentümer und § 893 Alt. 2 BGB statuiert eine Generalklausel für alle nicht unter § 892 BGB fallenden Rechtsgeschäfte, die eine Verfügung über das im Grundbuch eingetragene Recht enthalten. Zusätzlich wird auf die Regelung des § 892 BGB in den Tatbeständen der §§ 1138, 1157 Satz 2 BGB verwiesen, wodurch insbesondere ein gutgläubiger einredefreier Hypothekenerwerb ermöglicht wird. Gemeinsam ist allen Tatbeständen, dass ihre Wirkungen unabhängig davon eintreten, ob die falsche Grundbucheintragung dem wahren Rechtsinhaber zurechenbar ist. Regelmäßig wird davon gesprochen, § 892 BGB sei nicht durch das Veranlasserprinzip eingeschränkt,186 womit aber nicht nur das spezielle Zurechenbarkeitskriterium der „Veranlassung“ angesprochen wird. Gemeint ist freilich, dass sämtliche Zurechnungsaspekte, also auch die allgemeinen Zurechnungsvoraussetzungen, außer Betracht zu bleiben haben. Daher können auch zu Unrecht gelöschte Minderjährige ihr Grundstückseigentum durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten verlieren. Klarer wäre es demzufolge, von einem Verzicht auf das Zurechnungsprinzip anstelle von einem Verzicht auf das Veranlasserprinzip zu sprechen. Der Verzicht auf die Zurechnung i. R. d. §§ 892 f. BGB lässt sich durch folgende Überlegungen rechtfertigen: Zunächst prüft das AG als Grundbuchamt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 GBO), ob eine Veränderung in materiell-rechtlicher Hinsicht erstrebt wird, so dass eine Änderung des Grundbuchs erforderlich wird. Diese staatliche Mitwirkung des Grundbuchamtes gewährt im Regelfall die Richtigkeit des Grundbuchs und erhöht die Bedeutung als Rechtsscheingrundlage.187 In der Regel kann sich 186

Kohler, in: MüKoBGB, § 892 Rn. 2; Lutter, AcP 164 (1964), 122 (153 f.). Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 (S. 471 f.); Kohler, in: MüKoBGB, § 892 Rn. 2; Lieder, AcP 210 (2010), 857 (872 f.); ebenso Oertmann, ZHR 95 (1930), 443 (466 f.), der feststellt, dass eine öffentliche Behörde den Rechtsschein „hergestellt hat“. 187

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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der Rechtsverkehr zusätzlich auf die Richtigkeit des Grundbuchs verlassen, da eine Verfügung über Grundstücke oder Grundstücksrechte nur unter der konstitutiven Voraussetzung der Eintragung wirksam ist, § 873 Abs. 1 BGB.188 Folglich wird durch §§ 892 f. BGB bei schuldhafter Falscheintragung durch den Grundbuchbeamten, der zu dem gutgläubigen Wegerwerb des Grundstücks führen würde, zwar nicht das Bestandsinteresse des wahren Eigentümers geschützt; ihm stehen immerhin Schadensersatzansprüche gegen den Staat aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG zu.189 Geschützt wird stattdessen das Erwerbs- und Bestandsinteresse des Erwerbers, der aus verschiedenen Motiven auf rechtssichere Transaktionen angewiesen ist. Wer werthaltige Grundstücke – häufig auch als langfristiges Investment – erwirbt, hat ein höheres Interesse an dem Bestand des Erwerbs als der Erwerber bei dem Erwerb von weniger werthaltigen und fungiblen Gegenständen. Ebenso ist es für Erwerber, die eigenes Grundeigentum etwa zur Altersvorsorge erwerben, essentiell und bisweilen existenznotwendig, bestandssicher erwerben zu können. Die beschriebenen rechtlichen Mechanismen verzichten daher im Interesse des redlichen Geschäftsverkehrs und der Verkehrsfähigkeit von Grundstücken190 auf die Zurechenbarkeit. b) § 1155 Satz 1 BGB Einen weiteren Fall des reinen Vertrauenstatbestandes stellt § 1155 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 892 f. BGB im Hypothekenrecht dar. Danach kann ein Erwerber gutgläubig eine Hypothek durch Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung von einem nicht im Grundbuch eingetragenen und nicht berechtigten Hypothekengläubiger erwerben, wenn er auf eine auf den eingetragenen Gläubiger zurückzuführende Reihe öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vertraut. Über den Verweis von § 1155 Satz 1 BGB auf die §§ 891 – 899 BGB wird klargestellt, dass der Erwerb selbst dann wirksam ist, wenn dem wahren Hypothekengläubiger die Beglaubigung der Abtretungserklärung nicht zuzurechnen ist. Die Briefhypothek muss ebenso wie die Buchhypothek und andere im Grundbuch eingetragenen Rechte verkehrsfähig sein. Im Unterschied zu den §§ 892 f. BGB wird hierbei nicht an den Grundbuchinhalt angeknüpft, sondern an die ununterbrochene Legitimationskette von öffentlich beglaubigten Abtretungserklärungen.191 Da für die öffentliche Beglaubigung grundsätzlich Notare gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB zuständig sind, geht das Gesetz – parallel zu dem staatlichen Grundbuchverfahren – von einer hohen Richtigkeitsgewähr der Beglaubigungen aus. Verletzt der Notar seine Amtspflicht schuldhaft, können etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Notar aus § 19 188

So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 19 Rn. 22. Ausdrücklich Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 (S. 472). 190 Instruktiv zum Verkehrsschutz durch die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs Lieder, AcP 210 (2010), 857 (859 ff.). 191 Siehe statt vieler Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1155 Rn. 1. 189

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Abs. 1 BNotO bestehen. Erneut ersetzen also die staatliche Mitwirkung und Prüfung der materiellen Rechtslage das Kriterium der Zurechenbarkeit. c) §§ 2366 f. BGB Ähnlich zu den §§ 892 f. BGB sind die Vorschriften zu dem öffentlichen Glauben des Erbscheins in §§ 2366 f. BGB konzipiert. Der Erbschein ist – wie das Grundbuch – ein abstrakter, objektivierter Rechtsscheinträger (sog. abstrakter Verkehrsschutz). Das heißt, der Begünstigte muss den Grundbuchinhalt oder den Erbschein bei Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht kennen.192 Zudem ist der Erbschein ebenfalls ein reiner Rechtsscheinträger.193 Der formell gültige Erbschein bewirkt den öffentlichen Glauben zulasten des wahren Erben, ohne dass letzterem die Erteilung des Erbscheins in irgendeiner Art zurechenbar sein müsste. Dafür spricht schon der Wortlaut der §§ 2366 f. BGB, der keine Einschränkungen erkennen lässt. Der Schutz des wahren Erben tritt zudem zurück, da andernfalls erhebliche Rechtsunsicherheiten über die Person des Erben den Rechtsverkehr beeinträchtigen könnten. Zu dem Schutz des wahren Erben wird der Erbschein allerdings erst nach der gemäß § 2353 BGB i. V. m. §§ 352 ff. FamFG erforderlichen umfangreichen Prüfung des Nachlassgerichts erteilt. Dieses staatliche Erbscheinsverfahren schafft Vertrauen auf die Richtigkeit des Erbscheins, gewährleistet Verkehrsschutz nach Erbfällen und rechtfertigt so die weitreichenden Folgen gemäß §§ 2366 f. BGB.194 d) § 935 Abs. 2 Fall 1 und Fall 2 BGB, Art. 16 Abs. 2 WG (i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG), Art. 21 SchG Ein neuer Gedanke zur Rechtfertigung eines reinen Rechtsscheintatbestandes kann den § 935 Abs. 2 Fall 1 und Fall 2 BGB, Art. 16 Abs. 2 WG (i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG), Art. 21 SchG entnommen werden. Bewegliche Sachen können von einem Nichtberechtigten nach §§ 932 ff. BGB gutgläubig erworben werden. Voraussetzung des Erwerbs ist neben dem guten Glauben der auf dem Besitz beruhende Rechtsschein.195 Dabei ist nicht der unmittelbare Besitz selbst die Rechtsscheingrundlage, sondern die Fähigkeit dem Er192 Siehe ausführlich Lieder, AcP 210 (2010), 857 (873 f., 895 f.); speziell zum Erbschein etwa BGHZ 33, 314 (317) = NJW 1961, 605 (606); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 Rn. 40; H. Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 39 VII 1; Dillberger/Fest, ZEV 2009, 220 (221); gegen den abstrakten Verkehrsschutz bei dem Erbschein aber Canaris, Vertrauenshaftung, § 40 II 1 (S. 508 f.); Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 935 Rn. 19. 193 Vgl. Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, § 11 I 1 a) (S. 444); Kotthaus, Gewährleistung des Gutglaubensschutzes, S. 155; Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 459 unter Verweis auf Westermann, JuS 1963, 1 (6); im Ergebnis ebenso Dillberger/Fest, ZEV 2009, 281 (282). 194 S. a. Dillberger/Fest, ZEV 2009, 281 (282): Erbschein als amtliches Zeugnis; Lieder, AcP 210 (2010), 857 (894 f.). 195 BGHZ 10, 81 = NJW 1953, 1506; BGHZ 56, 123 (128 f.) = NJW 1971, 1453 (1454).

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werber den Besitz zu verschaffen ist maßgeblich. Das zeigt etwa § 934 Alt. 2 BGB, bei dem es nicht auf den unmittelbaren Besitz des Veräußerers ankommt.196 Rechtsscheingrundlage für den gutgläubigen Erwerb im Mobiliarsachenrecht ist folglich die sog. Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers.197 Grundsätzlich kann der Erwerber daher nur gutgläubig Eigentum an der Sache erwerben, wenn – wie die §§ 932 Abs. 1, 933, 934 Alt. 2 BGB zeigen – die Sache dem Erwerber auf Grundlage der Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers übergeben wurde.198 Anders als die besprochenen Rechtsscheingrundlagen – Grundbuch, öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen und Erbschein – kann die Rechtsscheingrundlage im Mobiliarsachenrecht aber regelmäßig keine sichere Aussage darüber treffen, ob der Fähigkeit zur Besitzverschaffung auch die Eigentümerstellung folgt. Die Besitzverhältnisse und die Besitzverschaffungsmacht werden eben nicht durch ein staatliches Verfahren bestimmt. Zu dem Schutz des Eigentümers ordnet § 935 Abs. 1 BGB daher an, dass die zu erwerbende Sache nicht gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen sein darf. Darin kommt das Zurechnungsprinzip zum Ausdruck.199 Eine Ausnahme gilt nach § 935 Abs. 2 BGB für den Erwerb von Geld und Inhaberpapieren, wie Inhaberaktien oder Inhaberschuldverschreibungen nach den §§ 793 ff. BGB.200 Diese Sachen können auch dann gutgläubig erworben werden, wenn ihr Besitzverlust dem Eigentümer nicht zurechenbar ist, sie ihm also abhanden gekommen sind. Im Übrigen wird nach § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB (i. V. m. § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB) zugunsten des Besitzers von Geld oder Inhaberpapieren vermutet, dass er Eigentümer und damit Berechtigter ist, selbst wenn diese Sachen dem früheren Besitzer abhanden gekommen sind, der Verlust der Wertpapiere ihm also nicht zurechenbar ist. Insgesamt steht dahinter der Gedanke, eine gesteigerte Umlauffähigkeit von Geld und Inhaberpapieren zu gewähren. Trotz der Besitzverschaffungsmacht als schwacher Rechtsscheinträger ist aus „schwerwiegenden Gründen“201 der Umlauffähigkeit von Geld und Inhaberpapieren deren Erwerb nach 196

Kindl, in: BeckOK/BGB, § 932 Rn. 1. Kindl, in: BeckOK/BGB, § 932 Rn. 1; Oechsler, in: MüKoBGB, § 932 Rn. 6; Ott, JuS 2019, 745 (746); Temming, JuS 2018, 108 (109); Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 932 ff. Rn. 12; a. A. – unmittelbarer Besitz als Rechtsscheingrundlage – Westermann, JuS 1963, 1 (3). 198 Vgl. aber die Ausnahme in § 934 Alt. 1 BGB, wonach alleine die Abtretung eines Herausgabeanspruchs des nichtberechtigten Veräußerers gegen einen Dritten für den gutgläubigen Erwerb genügt, wenn der Veräußerer mittelbarer Besitzer war. Diese Regelung ist rechtspolitisch wegen des Wertungswiderspruchs zu § 933 BGB stark in Kritik geraten; vgl. ausführlich Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 932 ff. Rn. 15 ff.; § 934 Rn. 2 f. 199 Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, § 9 (S. 384 ff.); Rebe, AcP 173 (1973), 186 (198 ff.); Westermann, JuS 1963, 1 (7); Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 932 ff. Rn. 21 ff., § 935 Rn. 2. 200 Nach § 367 HGB wird für den Erwerb von Inhaberpapieren durch Banken § 935 Abs. 2 BGB allerdings weitgehend eingeschränkt, nämlich wenn das Abhandenkommen im Bundesanzeiger bekannt gemacht ist; vgl. Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 24 III 1. 201 Vgl. nochmals Westermann, JuS 1963, 1 (6). 197

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

reinen Rechtsscheingrundsätzen möglich. Das gesteigerte Verkehrsinteresse genießt trotz der geringen Richtigkeitsgarantie durch den Besitz und die Besitzverschaffungsmacht vorrangigen Schutz vor dem Bestandsinteresse des Eigentümers.202 Gleiches gilt für den gutgläubigen Erwerb von Wechseln (Art. 16 Abs. 2 WG), Namensaktien (§ 68 Abs. 1 Satz 2 AktG i. V. m. Art. 16 Abs. 2 WG) und Schecks (Art. 21 SchG). Diese Wertpapiere können auch dann gutgläubig erworben werden, wenn sie einem früheren Inhaber abhanden gekommen sind.203 Für die Übertragung von Wertpapieren erklärt sich der Verzicht auf Zurechnungskriterien – ebenso wie bei der Übertragung von Geld – aus dem gesteigerten Verkehrsinteresse. Die Umlauffähigkeit von Geld und Wertpapieren soll gewährleistet werden. Insbesondere hängt die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsverkehrs von einem reibungslosen Geld- und Wertpapierfluss ab. e) § 935 Abs. 2 Fall 3 BGB Des Weiteren ermöglicht § 935 Abs. 2 Fall 3 BGB den gutgläubigen Erwerb von abhanden gekommenen Sachen, die im Wege (freiwilliger)204 öffentlicher Versteigerung (§ 383 Abs. 3 Satz 1 BGB) oder in einer Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB veräußert wurden. Die Vorschrift ist historisch bedingt. Der Eigentümer sei dann nicht schutzwürdig, wenn er die Öffentlichkeit einer Versteigerung nicht nutzt, um einem gutgläubigen Wegerwerb zu widersprechen, sondern stattdessen schweigt; er habe sein Recht „verschwiegen“.205 Die Häufigkeit abgehaltener öffentlicher Versteigerungen macht es dem Eigentümer regelmäßig aber faktisch unmöglich, Einspruch zu erheben.206 Er wird kaum einmal Kenntnis von der Versteigerung erlangen. Daher wird § 935 Abs. 2 Fall 3 BGB heute zutreffend mit dem Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die unter öffentlicher Autorität vorgenommene Versteigerung 202 Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 (S. 471); Lieder, Sukzession, 2015, S. 528 ff.; Habersack, in: MüKoBGB, § 793 Rn. 32; Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 935 Rn. 23. 203 Der Wortlaut des Gesetzes in Art. 16 Abs. 2 WG und Art. 21 SchG ist insoweit ungenau. Der gutgläubige Erwerb führt unstrittig zur Eigentümerstellung des Erwerbers. Er erschöpft sich also nicht – wie der Wortlaut nahe legt – im Schutz vor der Verpflichtung des Erwerbers zur Herausgabe der Wertpapiere an den früheren Inhaber; zutreffend Bülow, WG/SchG, Art. 16 WG Rn. 18, Art. 21 SchG Rn. 2; Casper, in: Baumbach/Hefermehl/Casper, WG/SchG, Art. 16 WG Rn. 13, Art. 21 SchG Rn. 2; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 8 IV 2 b) aa). Beachte aber: Zurechnungsaspekte können bei Einwendungen des Wertpapierverpflichteten Bedeutung erlangen. Ist das Wertpapier dem Verpflichteten nicht zuzurechnen, etwa weil seine Unterschrift gefälscht wurde, kann es zwar wirksam an Dritte übertragen werden. Der Wertpapierverpflichtete kann allerdings Einwendungen gegen seine Inanspruchnahme erheben; ausführlich Canaris, Vertrauenshaftung, § 22 (S. 237 ff.); Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 9 I 2 c) und § 9 II 3. 204 So ausdrücklich BGH NJW 1990, 899 (900). 205 Wiegand, in: Staudinger, BGB, § 935 Rn. 23; ausführlich Oechsler, in: MüKoBGB, § 935 Rn. 17. 206 Krit. zum Verschweigungsgedanke bereits Dünkel, Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, S. 58 f.; ebenso Oechsler, in: MüKoBGB, § 935 Rn. 17.

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erklärt.207 Durch den umfassenden gutgläubigen Erwerb wird die Funktionsfähigkeit öffentlich autorisierter Versteigerungen erst sichergestellt.208 Auf Zurechnungsaspekte wird verzichtet, da das Interesse des häufig wirtschaftlich von der Veräußerung betroffenen Erstehers an der Wirksamkeit des Versteigerungserwerbs dessen Bevorzugung erfordert.209 f) § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG Ein neuer Tatbestand des reinen Vertrauensschutzes für den gutgläubigen Erwerb von GmbH-Anteilen wurde im Jahr 2008 mit § 16 Abs. 3 GmbHG geschaffen. Ist die Gesellschafterliste drei Jahre oder länger unrichtig gewesen, kann ein Dritter den GmbH-Anteil von dem unberechtigten Listengesellschafter gutgläubig erwerben, selbst wenn die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zurechenbar ist.210 Vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist ist dagegen gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Zurechnung der Unrichtigkeit erforderlich.211 Vergleichbare Regelungen, wonach gewöhnliche Vertrauenstatbestände mit Zeitablauf zu reinen Vertrauenstatbeständen mutieren, sind bislang nicht bekannt gewesen. Obwohl sich die Gesellschafterliste also mit Zeitablauf von einem gewöhnlichen zu einem reinen Rechtsscheinträger wandelt, bleibt sie stets ein Rechtsscheinträger.212 Die Rechtslage zu dem gutgläubigen Erwerb in den ersten drei Jahren der Unrichtigkeit einer Liste ist nachvollziehbar. Mit dem Korrektiv der Zurechnung wird das Bestandsinteresse des wahren Berechtigten gegenüber dem Erwerbsinteresse des Dritten geschützt. Nur wenn ersterem die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste, die als Rechtsscheinträger fungiert, zurechenbar ist, soll ein Rechtsverlust gerechtfertigt sein.213 Es bleibt die Frage bestehen, wieso der Verkehrsschutz nach Ablauf von drei Jahren Vorrang vor dem Bestandsinteresse des wahren Gesellschafters genießt.214 Erklärt werden kann das reine Rechtsscheinprinzip durch die Authentizität der Listen, die auch mithilfe des Anreizmechanismus gewährt wird. Der wahre Ge207

BGH NJW 1990, 899 (900) unter Verweis auf Mot. zum BGB III, S. 349 (Mugdan, III, S. 194). 208 Oechsler, in: MüKoBGB, § 935 Rn. 17. 209 Vgl. BGH NJW 1990, 899 (900); Dünkel, Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, S. 70. 210 Vgl. etwa Apfelbaum, BB 2008, 2470 (2476); zutreffend auch für allgemeine Zurechnungsausschlussgründe Reymann, BB 2009, 506 (510). 211 Es soll dabei das Risikoprinzip als spezielles Zurechnungsprinzip in § 16 Abs. 3 GmbHG gelten; vgl. Kotthaus, Gewährleistung des Gutglaubensschutzes, S. 151 ff.; Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 468 ff.; siehe aber BGHZ 191, 84 (93) = GmbHR 2011, 1269 (1272) – Tz. 20, der in § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG das „Veranlasserprinzip“ verankert sieht. 212 Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 460. 213 So bereits BT Drucks. 16/6140, S. 39. 214 Krit. insgesamt zu dem in § 16 Abs. 3 GmbHG verbürgten reinen Rechtsscheinprinzip Lieder, AcP 210 (2010), 857 (905).

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sellschafter hat es innerhalb der dreijährigen Frist selbst in der Hand die Liste einzusehen und bei Unrichtigkeit einen Widerspruch zuordnen zu lassen oder ein Korrekturverfahren anzustoßen.215 Er wird aus Eigeninteresse zu dem Listenkorrekturverfahren angehalten. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, ist er nicht mehr schutzwürdig. Der damit vorrangige Schutz des Rechtsverkehrs erinnert an das aus § 242 BGB hergeleitete Institut der Verwirkung.216 g) §§ 407, 408 BGB Weitere Tatbestände, in denen das reine Rechtsscheinprinzip zum Ausdruck kommt, enthalten die §§ 407, 408 BGB im Zessionsrecht.217 Nach § 407 Abs. 1 BGB muss der Zessionar Leistungen des Schuldners an den Zedenten und Rechtsgeschäfte in Ansehung der Forderung zwischen dem Schuldner und dem Zedenten nach der Abtretung gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Schuldner kennt die Abtretung. Der Rechtsscheintatbestand, auf den der Schuldner vertrauen kann, wird geschaffen, indem der Schuldner keine Mitteilung von der Abtretung erhält. Der Zessionar hat daher im eigenen Interesse dem Schuldner mitzuteilen und nachzuweisen, dass die Abtretung erfolgt ist. Unterlässt beispielsweise der Zessionar die Mitteilung an den Schuldner, ist ihm der Rechtsscheintatbestand zurechenbar. Gibt der neue Gläubiger die Mitteilung dagegen ab, geht sie aber auf dem Postweg verloren, ist ihm die unterlassene Mitteilung nicht zuzurechnen. Er hat alles in seiner Macht Stehende getan, um den Schuldner zu informieren. Der gutgläubige Schuldner wird trotzdem durch Leistung an den früheren Gläubiger nach § 407 Abs. 1 BGB von seiner Verbindlichkeit frei.218 Begründet wird das reine Rechtsscheinprinzip in der Ausprägung des § 407 Abs. 1 BGB mit dem Grundgedanken des Zessionsrechts, dem Schuldnerschutz.219 Der Schuldner darf durch die ohne seine Mitwirkung erfolgte Abtretung keine Nachteile erleiden. Spiegelbildlich gelten die Ausführungen für mehrfache Abtretungen nach § 408 Abs. 1 BGB. h) § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB Das reine Rechtsscheinprinzip ist im Zusammenhang mit Inhaberschuldverschreibungen nicht nur für die Übertragung (§ 935 Abs. 2 Fall 2 BGB), sondern auch 215

BT Drucks. 16/6140, S. 39. So schon Kotthaus, Gewährleistung des Gutglaubensschutzes, S. 156, die darüber hinaus § 16 Abs. 3 GmbHG mit der Ersitzung nach §§ 937 ff. BGB, Heilung und Verjährung vergleicht. Vgl. ausführlich zum Vergleich mit der Ersitzung Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 435 ff. Siehe allgemein zur Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens Larenz, Schuldrecht I, § 10 II b) (S. 134). 217 So zutreffend Canaris, Vertrauenshaftung, § 12 VII (S. 143 f.), § 37 II 1 (S. 472); a. A. aber Westermann, JuS 1963, 1 (7), der knapp das Veranlasserprinzip für die §§ 407 f. BGB voraussetzt. 218 Vgl. zu diesen Beispielen Canaris, Vertrauenshaftung, § 12 VII (S. 144). 219 Canaris, Vertrauenshaftung, § 12 VII (S. 144). 216

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für die Leistung auf die Inhaberschuldverschreibungen anerkannt (§ 793 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB wird ein gutgläubiger Aussteller einer Inhaberschuldverschreibung durch Leistung an den Inhaber der Urkunde auch dann befreit, wenn der Inhaber nicht zur Verfügung berechtigt ist, also etwa geschäftsunfähig oder nicht Eigentümer der Urkunde – etwa der Dieb oder bösgläubige Erwerber – ist.220 Erfüllt der Aussteller gegenüber dem Inhaber der Urkunde die ausgewiesene Forderung, hat die Zahlung des Ausstellers selbst dann befreiende Wirkung, wenn die Urkunde zuvor dem berechtigten Gläubiger unzurechenbar abhanden gekommen ist. Dadurch soll auch die Tauglichkeit der Inhaberschuldverschreibungen für Massenemissionen sichergestellt werden.221 Der weitreichenden Befreiungswirkung wohnt – wie auch i. R. d. Zession, §§ 407 f. BGB – der Gedanke des Schuldnerschutzes inne. i) § 15 Abs. 1 HGB – § 29 Abs. 1 GenG – §§ 68, 70 BGB Ausdruck findet das reine Rechtsscheinprinzip zudem in den Tatbeständen der negativen Publizität im Handels-, Genossenschafts- und Vereinsrecht gemäß § 15 Abs. 1 HGB, § 29 Abs. 1 GenG und §§ 68, 70 BGB.222 Nach § 15 Abs. 1 HGB können in das Handelsregister einzutragende Tatsachen, die nicht eingetragen und bekannt gemacht sind, einem gutgläubigen Dritten, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen waren, nicht entgegengehalten werden. Eine vergleichbare Regelung enthält § 10 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 GmbHG bei der fakultativen Eintragung einer Empfangsberechtigung. Die genannten Vorschriften schützen das Vertrauen des Dritten auf das Schweigen des Registers. Sogar wenn die unterlassene Eintragung im Handelsregister der betroffenen Person nicht zurechenbar ist, können sich Dritte auf den Inhalt des Handelsregisters berufen.223 Wird beispielweise die Eintragung der Veränderung ordnungsgemäß nach § 12 Abs. 1 HGB angemeldet, erfolgt aber aus Unachtsamkeit des zuständigen Amtsträgers keine Eintragung im Handelsregister, ist die unterlassene Eintragung dem Betroffenen nicht zurechenbar. Gleichwohl greift § 15 Abs. 1 HGB. Weil für § 15 Abs. 1 HGB keine Zurechnung erforderlich ist, muss die Vorschrift folgerichtig auch

220

Vgl. Gehrlein, in: BeckOK/BGB, § 793 Rn. 13; Gursky, Wertpapierrecht, S. 114. Habersack, in: MüKoBGB, § 793 Rn. 41; Vogel, in: BeckOGK-BGB, § 793 Rn. 156. 222 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, § 14 IV 1 (S. 163); Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, S. 43. 223 Siehe BGHZ 115, 78 (80) = GmbHR 1991, 358 (359); Canaris, Vertrauenshaftung, § 14 IV 1 (S. 163); Merkt, in: Hopt, HGB, § 15 Rn. 6; Krebs, in: MüKoHGB, § 15 Rn. 43; Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 23; K. Schmidt, JuS 1977, 209 (214); ders., Handelsrecht, § 14 Rn. 38 f. (S. 489 f.); Westermann, JuS 1963, 1 (6 f.); differenzierend Koch, in: Staub, HGB, § 15 Rn. 53, der dem Veranlasserprinzip eine Absage erteilt, das Risikoprinzip aber heranziehen möchte; a. A., die Zurechenbarkeit fordernd, Hager, Jura 1992, 57 (60 f.). 221

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

zulasten Geschäftsunfähiger eingreifen.224 Daher kann etwa ein geschäftsunfähiger Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft solange für Gesellschaftsverbindlichkeiten nach §§ 128 Satz 1, 15 Abs. 1 HGB in Anspruch genommen werden, solange er im Handelsregister eingetragen ist. Der Einwand, der Betroffene sei geschäftsunfähig, die unterlassene Änderung ihm daher nicht zurechenbar (allgemeiner Zurechnungsausschluss), greift nicht durch. Bei § 15 Abs. 1 HGB kann richtigerweise auf Zurechnungsaspekte verzichtet werden, da bei Fehlern in der Sphäre des Registergerichts staatshaftungsrechtliche Ansprüche Ausgleich versprechen. Diese Argumentation ist aus den Ausführungen zu §§ 892 f. BGB bekannt.225 Überdies hat der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 1 HGB eine Wertentscheidung getroffen und das Vertrauen auf das staatlich autorisierte Handelsregisterverfahren für besonders schützenswert erachtet. Das Risiko einer unterlassenen Eintragung soll nicht dem Dritten, sondern dem Unternehmen oder der Person, in deren Angelegenheiten die Eintragung zu erfolgen hatte, zugewiesen sein.226 Da die Registergerichte die Richtigkeit der Eintragungen in das Register nicht vollumfänglich sicherstellen können, hat die Vorschrift des § 15 Abs. 1 HGB rechtspolitisch eine weitere Bedeutung, den Anreizmechanismus. Die betroffenen Personen haben selbst dafür zu sorgen, dass einzutragende Tatsachen wirklich in das Register eingetragen werden. Pflegen sie das Register nicht sorgfältig, haben sie die Nachteile durch die Publizitätswirkung des Registers zu tragen. Bei ordnungsgemäßer Eintragung ziehen sie dagegen die Früchte der Eintragung.227 Der Anreizgedanke ist bereits bei § 16 Abs. 3 GmbHG zu Tage getreten. Die Ausführungen sind übertragbar auf die parallel konzipierte genossenschaftsrechtliche Regelung des § 29 Abs. 1 GenG. Allerdings gilt nach § 29 Abs. 1 GenG der öffentliche Glaube nur für Eintragungen gemäß § 28 GenG. Er ist also begrenzten Umfangs.228 Gleiches gilt für die Vorschriften der §§ 68, 70 BGB.229

224 Siehe ausdrücklich BGHZ 115, 78 (80) = GmbHR 1991, 358 (359); K. Schmidt, JuS 1977, 209 (214); im Ergebnis ebenso Koch, in: Staub, HGB, § 15 Rn. 54; a. A. Hager, Jura 1992, 57 (60 f.). 225 Siehe oben Kapitel 4 B. V. 1. a). 226 Siehe etwa BGHZ 115, 78 (80) = GmbHR 1991, 358 (359); teilweise wird von einem „Organisationsrisiko des Unternehmensträgers“ gesprochen, das auch der nicht voll Geschäftsfähige zu tragen habe; so Koch, in: Staub, HGB, § 15 Rn. 53; Preuß, in: Oetker, HGB, § 15 Rn. 23. 227 Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 Rn. 19 (S. 484). 228 Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 29 GenG Rn. 1. 229 Zudem ist ergänzend der güterrechtliche Tatbestand des § 1412 BGB als Tatbestand des negativen Publizitätsprinzips zu nennen; vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, § 14 IV 1 (S. 163).

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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2. Gemeinsame Wertungen reiner Vertrauenstatbestände Die zahlreichen Beispiele zeigen eine facettenreiche Ausgestaltung des reinen Rechtsscheinprinzips. In allen Fällen tritt aus verschiedenen Gründen das Individualinteresse des von dem falschen Rechtsschein nachteilig Betroffenen hinter das Interesse des Rechtsverkehrs zurück. Obwohl das Meinungsbild vielfältig ist, steht hinter den beschriebenen Überlegungen ein bestimmtes Ziel, nämlich der Schutz der Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs. a) Funktionieren des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs In bestimmten Konstellationen ist das Funktionieren des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs von so herausragender Bedeutung, dass Einzelinteressen bedingungslos dahinter zurückstehen müssen. Daher können abhanden gekommene Wertpapiere oder abhanden gekommenes Geld gutgläubig erworben werden. Der hoch frequentierte Geld- und Wertpapierkreislauf darf nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung unter keinen Umständen beeinträchtigt werden. Rechtsunsicherheiten müssen vermieden werden. Die Funktionsfähigkeit ist von so herausragender Bedeutung, dass alleine dieses Wertungskriterium für das reine Rechtsscheinprinzip streitet. b) Staatliche Mitwirkung bei Schaffung des Rechtsscheinträgers Häufig überwiegen aber die Verkehrsschutzinteressen gegenüber den Individualinteressen erst, weil zusätzliche Wertungen hinzutreten. So kann zunächst ergänzend die staatliche Mitwirkung bei Schaffung des Rechtsscheinträgers den Vorrang des Verkehrsschutzes und damit das reine Rechtsscheinprinzip legitimieren. Auf die Integrität des staatlich überwachten Verfahrens kann sich der Rechtsverkehr verlassen. Kapitalallokationen und Anlageentscheidungen können rechtssicher vorgenommen werden. Konkret tragen das staatliche Grundbuch-, Erbscheins- und Registerverfahren sowie die Mitwirkung eines Notars zur Bevorzugung des Verkehrsschutzes bei. In diesen Fällen wird durch die objektiv-neutrale staatliche Prüfung die Richtigkeit der einzelnen Rechtsscheinträger gewährt. Aber auch die staatlich autorisierten Versteigerungen gemäß § 935 Abs. 2 Fall 3 BGB genießen wegen der staatlichen Mitwirkung einen höheren Vertrauensschutz. c) Wertung des Schuldnerschutzes Weiter kann die Wertung des Schuldnerschutzes den entscheidenden Ausschlag geben. Ein gutgläubiger Schuldner soll unter allen Umständen von seiner Leistungspflicht befreit werden, wenn er an den (vermeintlich berechtigten) Gläubiger zahlt. Veränderungen in der Person des Gläubigers kann der Schuldner im Regelfall nicht beeinflussen und lenken. Teilweise wird er sogar nicht einmal Kenntnis von

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einer Veränderung erlangen.230 Seine Schutzwürdigkeit leuchtet daher ein. Durch diesen Mechanismus wird das Funktionieren des Wirtschaftsverkehrs erneut gefördert. Zahlende Schuldner riskieren keine doppelte Inanspruchnahme, weil die Zahlungen des gutgläubigen Schuldners auch an Unberechtigte befreiend wirken (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Schuldner müssen nur einmal leisten, was etwa die Regelungen der §§ 407 f., 793 Abs. 1 Satz 2 BGB, aber auch §§ 893 Alt. 1, 2367 Alt. 1 BGB gewährleisten. Die Zahlungsmoral mag dadurch beflügelt werden. d) Anreizmechanismus Zuletzt sind Fälle denkbar, in denen der Rechtsverkehr auf staatlich erstellte Register vertraut, die zuständigen hoheitlichen Stellen allerdings die entsprechende Registeraussage nicht überprüft haben. Durch einen Anreizmechanismus behilft sich der Gesetzgeber den Rechtsverkehr gleichwohl zu schützen und über Individualinteressen des Betroffenen zu heben. So steht es etwa mit § 15 Abs. 1 HGB. Nicht im Handelsregister eingetragene Tatsachen darf der Rechtsverkehr vernachlässigen. Des Weiteren ist der Anreizgedanke aus § 16 Abs. 3 GmbHG bekannt. Gesellschafterlisten, die von Geschäftsführern zu dem Handelsregister eingereicht werden, sind nicht umfassend der staatlichen Kontrolle unterworfen. Trotzdem ermöglichen sie nach § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG einen gutgläubigen Erwerb infolge des reinen Rechtsscheinprinzips nach drei Jahren der Unrichtigkeit der Liste. Der wahre Gesellschafter wird dadurch angereizt, mindestens alle drei Jahre die Gesellschafterliste einzusehen und auf Richtigkeit zu kontrollieren. Die Legitimation des reinen Rechtsscheinprinzips ist also vielschichtig. Übergeordnetes Ziel ist die Gewährleistung der reibungslosen Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs. Wo dieses Ziel alleine nicht ausreichend ist, um das Verkehrsinteresse dem Individualinteresse vorzuziehen, rechtfertigen die staatliche Mitwirkung bei der Schaffung der Rechtsscheinträger, vorrangiger Schuldnerschutz und der Anreizmechanismus als prägende Additive den Verzicht auf Zurechnungskriterien. Ob die gewonnenen Erkenntnisse für die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG fruchtbar gemacht werden können und inwieweit die Wertentscheidungen übertragbar sind, zeigt sich sogleich. 3. Übertragung der Wertungen auf § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Überzeugend können die Wertungen zu dem reinen Rechtsscheinprinzip nur übertragen werden, wenn zwischen der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und den reinen Vertrauenstatbeständen erstens hinreichende regulatorische Überschneidungen bestehen (siehe a)), zweitens die verbleibenden Unterschiede dem 230 Freilich kann ein Schuldner im Zessionsrecht die Abtretbarkeit der Forderung mit dinglicher Wirkung ausschließen und insoweit über die Person des Gläubigers Klarheit bekommen, vgl. § 399 Alt. 2 BGB. Beachte aber § 354a Abs. 1 HGB.

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Wertungsvergleich nicht entgegenstehen (siehe b)) und drittens im Speziellen die Übernahme der Wertungen teleologisch sinnvoll erscheint (siehe c)). a) Überschneidungen von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mit reinen Vertrauenstatbeständen Die Normen, in denen das reine Rechtsscheinprinzip zum Ausdruck kommt, haben unterschiedliche Regelungsbereiche. So ermöglichen sie etwa den gutgläubigen Erwerb oder ordnen die Legitimations- oder Liberationswirkung an. Der Eigentümer verliert infolge eines gutgläubigen Erwerbs seine Eigentümerstellung, der Gläubiger durch die befreiende Leistung des Schuldners an einen Unberechtigten, aber Legitimierten, seine Forderung. In diesen Anwendungsbereichen rechtfertigt das gewichtige Verkehrsinteresse den Rechtsverlust des Betroffenen.231 Zusätzlich können sogar Rechtsgeschäfte zwischen dem Schuldner und einem Unberechtigten über die Generalklauseln der §§ 407 Abs. 1 Alt. 2, 893 Alt. 2, 2367 Alt. 2 BGB zulasten des berechtigten Gläubigers, Grundstückseigentümers oder Erben wirken. Einen noch umfangreicheren Wirkungsbereich zeigen die Regeln über die handelsrechtliche Publizität (§ 15 Abs. 1, 3 HGB). Sie ordnen keine spezifische Rechtsfolge an, wie den gutgläubigen Erwerb oder die Befreiungswirkung, sondern knüpfen an die (fehlende) Eintragung im Handelsregister allgemein Wirkungen im Verhältnis zu Dritten. So kann etwa § 15 Abs. 1 HGB die Haftung eines bereits ausgeschiedenen oHG-Gesellschafters nach § 128 Satz 1 HGB auslösen, solange er noch im Handelsregister eingetragen ist. Noch einen Schritt weiter geht die hier zu vergleichende Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Im Verhältnis zur Gesellschaft wird der Listengesellschafter umfangreich als Inhaber des Geschäftsanteils unwiderleglich vermutet. Die Norm wirkt – insoweit anders als § 15 HGB – im Innenverhältnis der GmbH, hat also keinen unmittelbaren Anwendungsbereich gegenüber Dritten. Mit den reinen Vertrauenstatbeständen vergleichbare Rechtswirkungen werden aber gleichwohl erreicht. Wie der Tatbestand des § 407 Abs. 1 Alt. 1 BGB befreit auch die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die leistende Gesellschaft bei Zahlungen an den (zu Unrecht eingetragenen) Listengesellschafter, z. B. bei Gewinnausschüttungen. Ob der Listengesellschafter die materiell-rechtliche Gesellschafterstellung innehat, ist ebenso irrelevant, wie die wirkliche Gläubigerstellung des Leistungsempfängers i. R. d. §§ 407 Abs. 1 Alt. 1, 893 Alt. 1, 2367 Alt. 1 BGB. Darüber hinaus darf nur der Listengesellschafter sonstige mitgliedschaftliche Rechte geltend machen und etwa an Beschlussfassungen mitwirken. Diese Wirkungen zeigen eine Nähe zu der Rechtsscheinnorm des § 407 Abs. 1 Alt. 2 BGB im Zessionsrecht. Schlussendlich kann die Listengesellschafterstellung zusätzlich die mitgliedschaftliche Haftung begründen. Insoweit bestehen Überschneidungspunkte zu § 15 HGB. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG weist somit durchaus vergleichbare Regelungsbereiche zu den reinen 231

So schon zutreffend Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 (S. 471).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Vertrauenstatbeständen auf. Einzig einen gutgläubigen Erwerb vermag § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht zu begründen. Hierfür greift aber der dritte Absatz des § 16 GmbHG ein. b) Unterschiede durch den absoluten Verkehrsschutz Trotz vergleichbarer Regelungsbereiche besteht ein wichtiger Unterschied. Reine Vertrauenstatbestände greifen nur ein, wenn der zu Schützende gutgläubig ist und auf das Vorliegen des Rechtsscheintatbestandes vertraut. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist dagegen als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes auch anwendbar, wenn die zu schützende Gesellschaft die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste kennt. Allerdings ist dieser Unterschied kein Hindernis, die Wertungen der reinen Vertrauenstatbestände auf die relative Gesellschafterstellung zu übertragen. Gerade in der Einordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als absolute Verkehrsschutznorm kommt zum Ausdruck, wie hoch das Interesse des Rechtsverkehrs gewichtet ist, sich auf den Inhalt der Gesellschafterlisten berufen zu können. Mit der Ausgestaltung der relativen Gesellschafterstellung als absolute Verkehrsschutznorm wird ein „Mehr“ an Rechtssicherheit im Interesse des Rechtsverkehrs erzielt. Die Regelung stößt also in die gleiche Zielrichtung wie die reinen Vertrauenstatbestände. Ohnehin wird durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht nur die Gesellschaft geschützt. Die Norm vermittelt auch Schutz für die Mitgesellschafter, den Veräußerer, den Erwerber und den Rechtsverkehr in seiner Gesamtheit. Es ist daher zur Erhaltung der Rechtssicherheit zwingend, dass die Kenntnis der Gesellschaft von der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste die Wirkungen einer derart komplexen Norm nicht aushebeln kann. Anders zeigt sich dies bei den reinen Vertrauenstatbeständen, die einen eingeschränkteren Regelungsbereich aufweisen. Sie schützen primär den Vertrauenden. Die unterschiedlichen Regelungsbereiche verhindern demnach gerade keine Wertungsübertragung. An der Grundfrage der Gewichtung von Verkehrs- und Individualinteressen ändert sich nichts. c) Übertragung der Wertungen im Speziellen anhand der Zielrichtung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Zuletzt müssen die oben herausgearbeiteten Wertungen auch im Speziellen auf die relative Gesellschafterstellung übertragen werden, um den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG frei von Zurechnungsvoraussetzungen begründbar zu machen. Die oben gewonnenen Wertungen zur Begründung reiner Vertrauenstatbestände werden abgeschichtet und schrittweise auf eine Implementierung in das GmbH-Recht geprüft. Begonnen wird mit der Funktionsfähigkeit des Rechtsverkehrs, bevor die staatliche Mitwirkung bei Schaffung des Legitimationsträgers, der Schuldnerschutz und der Anreizmechanismus in den Fokus rücken.

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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aa) Schutz der Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch Rechtssicherheit Wichtiger Grund für die Rechtfertigung des reinen Rechtsscheinprinzips ist der Schutz der Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch Rechtssicherheit.232 Auch wenn er für sich genommen ohne weitere Wertungsaspekte nur selten das reine Rechtsscheinprinzip begründen kann, schwingt dieser Schutzgedanke bei allen reinen Rechtsscheintatbeständen mit. Denn der Rechtsverkehr soll sich auf den Bestand der oben beschriebenen unterschiedlichen Rechtsakte verlassen dürfen und dadurch das Funktionieren des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs gewährleisten. Ein ähnliches Interesse verfolgt die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Verbandsinterne Akte sollen beständig sein, so dass sich die Gesellschaft und die Gesellschafter intern, aber auch der Rechtsverkehr extern auf deren Gültigkeit berufen können. (1) Gesellschafterbeschluss als zentrales verbandsinternes Entscheidungsinstrument Nach der Organisationsverfassung der personalisierten Gesellschaftsform der GmbH ist der bedeutendste Akt und zentrales Handlungselement im Kompetenzgefüge der GmbH der Beschluss der Gesellschafter. Gesellschafter können durch Beschlüsse die Geschäftsführer bestellen und abberufen sowie i. R. d. §§ 37, 46, 49 Abs. 2 GmbHG die Leitlinien der Geschäftsführung vorgeben, Geschäftsführer anweisen und dadurch sämtliche Geschäftstätigkeiten dem Grunde nach (mit-)bestimmen. Sie sind grundsätzlich auch für die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtige oder für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer zuständig (§ 46 Nr. 7 und 8 GmbHG). Zudem können sämtliche Umstrukturierungen, Satzungsänderungen und Kapitalmaßnahmen nur durch Gesellschafterbeschluss durchgeführt werden. Aufgrund der Bedeutung der Gesellschafterbeschlüsse nimmt es nicht wunder, dass bestimmte verfahrensrechtliche Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um wirksame Beschlussfassungen zu ermöglichen. Die Geschäftsführer haben allen Gesellschaftern die Möglichkeit zur mitgliedschaftlichen Mitwirkung bei Beschlüssen zu gewähren und daher sämtliche Gesellschafter zur Versammlung ordnungsgemäß zu laden. Werden einer oder mehrere Gesellschafter nicht geladen, ist die Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden (§ 121 Abs. 3, 4 AktG analog) und ein gefasster Beschluss gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog nichtig.233 Die Geschäftsführer verspüren daher das Bedürfnis, rechtssicher feststellen zu können, wer Gesellschafter ist und wen sie daher zu laden haben. An dieser 232

Siehe oben Kapitel 4 B. V. 2. BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 (981) – Tz. 33; OLG Saarbrücken GmbHR 2012, 209 (210) – zu § 16 Abs. 1 GmbHG a. F.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 12, § 51 Rn. 28; Casper, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 47 Rn. 68; R. Wolff, in: Münch. Hdb. GesR III, § 40 Rn. 15. 233

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Stelle hilft die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Geschäftsführer können sich grundsätzlich darauf verlassen, nur die Listengesellschafter laden zu müssen. Sie müssen in der Regel sogar sämtliche Listengesellschafter laden, da andernfalls erneut von einem Ladungsmangel auszugehen ist.234 Der hinter § 16 Abs. 1 GmbHG liegende Gedanke ist leicht verständlich. Es ist für die Gesellschaft wesentlich einfacher, die Gesellschafter durch Einsicht in eine öffentlich zugängliche Liste zu bestimmen, als im Einzelfall mühsame Prüfungen der materiellrechtlichen Gesellschafterstellung vorzunehmen, zumal die Prüfungen keine Gewähr auf Richtigkeit bieten. (2) Störung der Beständigkeit gefasster Beschlüsse durch das Zurechnungskriterium Die Gesellschaft ist nur dann durch die Legitimationswirkung umfassend geschützt, wenn sie sich auf deren Wirkungen umfassend verlassen darf. An dieser Stelle zeigt sich das Konfliktpotential mit dem Zurechnungskriterium. Das ungeschriebene und vage Kriterium der Zurechnung würde unklare Ausnahmen von der Legitimation des Listengesellschafters auslösen. Insbesondere kann die Gesellschaft aus der Liste weder erkennen noch in sonstiger Weise rechtssicher bestimmen oder nachprüfen, ob die Liste richtig und eine Eintragung in der Gesellschafterliste dem wahren Gesellschafter zurechenbar ist. Das liegt an der Weite und Unbestimmtheit des Zurechnungskriteriums und an der fehlenden Publizität etwaiger Tatbestände, die eine Zurechnung ausschließen würden. Das Zurechnungskriterium würde Folgendes bedeuten: Wenn die Geschäftsführer einen wegen fehlender Zurechnung nicht legitimierten Listengesellschafter laden, hätten sie eine unberechtigte Person und damit nicht alle zur Teilnahme befugten Gesellschafter geladen. Der Beschluss wäre nichtig, obwohl die Geschäftsführer eigentlich alles richtig gemacht, nämlich die Einladung an die Listengesellschafter adressiert haben. Zu denken wäre lediglich an eine Heilungsmöglichkeit gemäß § 242 Abs. 2 AktG analog, die allerdings nur greift, wenn der Gesellschafterbeschluss seit über drei Jahren im Handelsregister eingetragen ist.235 Ist dagegen der Beschluss – wie häufig – nicht eintragungsfähig, oder ist die Eintragung zwar erfolgt, die Drei-Jahres-Frist aber noch nicht abgelaufen, scheitert der durch die Heilungsanordnung des § 242 AktG bezweckte Bestandsschutz. 234 Vgl. OLG Celle GmbHR 2014, 369 (370); OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 988 (990 f.); KG GmbHR 2018, 361 (363); OLG Düsseldorf GmbHR 2018, 967 (698); Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 12; Müther, GmbHR 2000, 966 (968 ff.). 235 BGHZ 80, 212 (216 f.) = GmbHR 1982, 67 f.; BGHZ 116, 359 (368) = GmbHR 1992, 257 (260) unter irreführendem Verweis auf BGH ZIP 1989, 163 (164), wo zur Anwendbarkeit des § 242 Abs. 2 AktG auf das GmbH-Recht keine Aussage getroffen wird; BGHZ 134, 364 (365 f.) = GmbHR 1997, 655 (656); BGHZ 144, 365 (367 f.) = GmbHR 2000, 822 (823); Boujong, NZG 2003, 497 (597); Casper, Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 325 ff.; Hirte, NJW 2003, 1154 (1160); Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 54 Rn. 43; vgl. zur Fristberechnung Koch, AktG, § 242 Rn. 3.

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Besonders misslich wäre die Lage bei Beschlüssen über Strukturmaßnahmen, z. B. Kapitalerhöhungen. Solche Beschlüsse bilden mit der Strukturänderung eine rechtliche Einheit. Die Nichtigkeit des Beschlusses würde daher die gesamte auf dem Beschluss beruhende Maßnahme befallen.236 Die Nichtigkeit des Erhöhungsbeschlusses soll zwar nicht mehr wie nach früher vertretener Ansicht die Entstehung neuer Anteile verhindern.237 Stattdessen sollen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung finden.238 Das bedeutet aber, dass die fehlerhafte Kapitalerhöhung für die Zukunft rückabzuwickeln ist. Die Kapitalziffer müsste wieder herabgesetzt und die neu entstandenen Anteile zwangsweise eingezogen werden.239 Das kann zu erheblichen Unzulänglichkeiten führen. Sind etwa die im Rahmen einer Kapitalerhöhung „neu geschaffenen“ Anteile bereits in den Verkehr gebracht worden, würde nicht nur eine Schädigung der Gesellschaft drohen, welche die durch die Erhöhung erhaltene Summe zurückerstatten müsste, sondern es könnten auch Gläubiger gefährdet werden, die aufgrund der erhöhten Stammkapitalziffer Kredite gewährt haben. Letztlich sind auch die Interessen der Anteilsinhaber zu berücksichtigen, die möglicherweise gutgläubig die neu geschaffenen Anteile erworben haben.240 Die Gesellschaft trüge bei unzurechenbaren Listeneintragungen also ein immenses Risiko, nichtige Gesellschafterbeschlüsse zu fassen. Dieses Risiko wird umso aktueller, je häufiger in der Vergangenheit Gesellschafterwechsel, Umstrukturierungsmaßnahmen der Gesellschaft oder Umwandlungsvorgänge bei Gesellschaftern der Gesellschaft stattgefunden haben. Die Rechtssicherheit für die Gesellschaft und damit deren Handlungs- und Funktionsfähigkeit wäre durch das Hineinlesen der Zurechenbarkeitsvoraussetzung in den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG stark beeinträchtigt. Dürfen sich die Geschäftsführer dagegen auf den Inhalt der öffentlichen Gesellschafterlisten weitgehend ausnahmslos verlassen, droht keine allein auf dem Ladungsmangel beruhende Beschlussunwirksamkeit. 236 Grundlegend Hommelhoff, ZHR 158 (1994) 11 (17 f.); Kort; Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 48; Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 46. 237 So aber etwa Hueck, Das Recht der Generalversammlungsbeschlüsse und die Aktienrechtsreform, S. 51; siehe ferner die Nachweise bei Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57 Rn. 59 f. 238 OLG Stuttgart GmbHR 2000, 721 (726); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 57 Rn. 24; Kort, ZGR 1994, 291 (307 ff.); ders., Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 203; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57 Rn. 61; grundlegend (zur AG) Zöllner, AG 1993, 68 (72 ff.). 239 Kort; Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 213; Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57 Rn. 64. Die Rückabwicklung soll aber nach teilweise vertretener Ansicht immerhin dann ausgeschlossen sein, wenn der fehlerhafte Beschluss neu vorgenommen wurde (sog. reparierende Kapitalerhöhung): Lieder, in: MüKoGmbHG, § 57 Rn. 68 ff. m. w. N. auch zu abweichenden Ansichten; zur AG siehe Zöllner, AG 1993, 68 (77 f.). 240 Vgl. Hueck, Das Recht der Generalversammlungsbeschlüsse und die Aktienrechtsreform, S. 51; Kort; Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 201 f.; Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 47 f.; Zöllner, AG 1993, 68 ff. (zur AG); siehe ferner zur Bedeutung des Bestandsschutzes bei vollzogenen Kapitalerhöhungen U. Stein, ZGR 1994, 472 (486).

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(3) Inkonsequente Ergebnisse bei Vinkulierungsklauseln durch das Zurechnungskriterium Der Rechtsverkehr wird darüber hinaus bei Anteilsabtretungen durch die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG geschützt, wenn im Gesellschaftsvertrag eine Vinkulierungsklausel (§ 15 Abs. 5 GmbHG) vorgesehen ist. Der Dritte, der einen GmbH-Anteil erwirbt, darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ein zustimmender Gesellschafterbeschluss von den Listengesellschaftern zur Wirksamkeit der Abtretung führt. Würde dagegen der Zustimmungsbeschluss wegen fehlender Zurechenbarkeit der Listenposition in Frage gestellt, wäre die Abtretung mangels wirksamer Zustimmung unwirksam, der Erwerber also nicht Gesellschafter geworden. Auch Folgeabtretungen wären unwirksam, wenn jeweils die Zustimmungsbeschlüsse wegen der Zurechnungsausnahme für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nichtig wären. Besonders beachtlich wird die Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs bei einem gutgläubigen Erwerb, wenn also die Regelungsanordnungen des § 16 Abs. 1 und Abs. 3 GmbHG in einem Fall kombiniert werden. Nachfolgender Fall illustriert die merkwürdigen Ergebnisse, die durch die Anwendung des Zurechenbarkeitskriteriums erwachsen. Ein Gesellschafter A einer mehrgliedrigen GmbH überträgt seinen Anteil unerkannt unwirksam an B. Sogleich wird B in die Gesellschafterliste eingetragen. Nachdem B den Anteil vier Jahre gehalten hat, veräußert er ihn an den gutgläubigen D. Der Zustimmungsbeschluss zur Abtretung gemäß der Vinkulierungsklausel wird in einer Gesellschafterversammlung, zu der alle Listengesellschafter geladen wurden, auch mit Stimmen des Listengesellschafters B geschlossen. Jetzt stellt sich heraus, dass A bei der Abtretung an B geschäftsunfähig war. Die Frage drängt sich auf, ob D Gesellschafter geworden ist. Das wäre der Fall, wenn die Abtretung des Anteils von B an D nach §§ 398, 413 BGB, §§ 15 Abs. 3, 16 Abs. 3 GmbHG wirksam wäre und die Vinkulierungsvorgaben beachtet worden sind. B und D haben einen wirksamen Abtretungsvertrag geschlossen. Über die fehlende Verfügungsbefugnis des B hilft § 16 Abs. 3 GmbHG zugunsten des E hinweg. Dieser gutgläubige Erwerb ist insbesondere nicht wegen fehlender Zurechenbarkeit ausgeschlossen, weil die Gesellschafterliste vorliegend bereits vier Jahre, und damit länger als drei Jahre unrichtig war. Entscheidend ist daher, ob der Zustimmungsbeschluss gemäß der Vinkulierungsklausel wirksam gefasst wurde und die Abtretung endgültig wirksam werden kann. Zu der Gesellschafterversammlung wurden nur die Listengesellschafter geladen. Grundsätzlich dürfen alle Gesellschafter, auch die Gesellschafter, die ihren Anteil abtreten, bei dem Zustimmungsbeschluss mitstimmen; § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG steht nicht entgegen.241 Nach der Zurechnungslösung wäre aber wegen der Geschäftsunfähigkeit des A nicht der Listengesellschafter B, sondern entgegen § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der Nicht-Listengesellschafter A befugt, an der Versammlung teilzunehmen. Die Geschäftsführer hätten daher anstelle des B den A bzw. dessen gesetzlichen Vertreter laden müssen. Wegen dieses Ladungsfehlers sind Gesellschafterbeschlüsse nichtig, 241

BGHZ 48, 163 (166 f.); Weller/Reichert, in: MüKoGmbHG, § 15 Rn. 425 m. w. N.

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und zwar aufgrund der fehlenden Eintragungsmöglichkeit des Abtretungszustimmungsbeschluss unheilbar nichtig.242 Mangels wirksamer Zustimmung wäre die Abtretung von B an D daher nach wie vor schwebend unwirksam. Auch jede weitere Übertragung des Anteils durch D im Wege der Abtretung wäre aus diesem Grunde unwirksam. A bliebe Gesellschafter. Dieses Beispiel zeigt die merkwürdigen Konsequenzen. Obwohl die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GmbHG vorliegen und die fehlende Zurechnung insoweit durch den Zeitablauf von drei Jahren überwunden werden kann, wäre die Abtretung nichtig, weil die wirksame Zustimmung der Gesellschafterversammlung fehlt. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb alleine aufgrund der fehlenden Ladung des NichtListengesellschafters A die Abtretung insgesamt unwirksam sein soll, obwohl alle Listengesellschafter sich einig sind, dass die Abtretung wirksam werden soll. Bestünde keine Vinkulierungsklausel, würde A seinen Anteil durch die Übertragung des B an D ebenfalls verlieren. Besteht sie aber, darf nichts anderes gelten. Die Vinkulierungsklausel bezweckt nämlich nicht den Schutz des veräußernden Gesellschafters vor einem Anteilsverlust. Stattdessen ist ihr Zweck, die Kontrolle des Gesellschafterkreises durch die Gesellschafterversammlung zu gewähren.243 Die Mitgesellschafter sollen eine Mitsprachemöglichkeit hinsichtlich der Zusammensetzung der Mitgliederstruktur in der Gesellschaft bekommen und vor unliebsamen Anteilsveräußerungen bewahrt werden. Wenn der Gesellschafter aber sogar seinen Anteil durch gutgläubigen Wegerwerb verlieren könnte, ist nicht einzusehen, wieso ihm dann das Mitspracherecht über den Bestand der Anteilseignerstruktur an einer Gesellschaft, aus der er eigentlich ausgeschieden ist, zugesprochen werden soll. Wer gänzlich auf Zurechnungsvoraussetzungen in § 16 Abs. 1 GmbHG verzichtet, sieht sich mit dieser Diskrepanz nicht konfrontiert, schafft Rechtssicherheit und findet eine im Zusammenspiel mit § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG systematisch konsequente Lösung. (4) Inkonsequente Ergebnisse im Erbrecht durch das Zurechnungskriterium Ähnliche Diskrepanzen entstehen durch das Zurechenbarkeitskriterium in erbrechtlichen Sachverhalten. Besonders plastisch sind Fälle, in denen der Erblasser Mehrheitsgesellschafter einer GmbH war und ein scheinbarer Erbe einem Fremdgeschäftsführer den Erbfall mitteilt, ihm seine Erbenstellung mittels eines öffentlich beglaubigten Testaments samt Eröffnungsniederschrift (§ 348 Abs. 1 Satz 2 FamFG) – kein Erbschein (!) – nachweist und daraufhin in die Gesellschafterliste eingetragen wird. Dabei genügt dieser Nachweis – wie auch sonst im Handelsregisterverfahren –244 den Nachweisanforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG 242

§ 242 Abs. 2 AktG analog greift nicht; vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 27. 243 Weller/Reichert, in: MüKoGmbHG, § 15 Rn. 362. 244 OLG Stuttgart ZEV 2012, 338 zum Erbfolgenachweis durch notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen gegenüber dem Handelsregister

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

(argumentum e § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO).245 Stellt sich nach einiger Zeit heraus, dass das Testament etwa wegen eines späteren Testaments wirkungslos und eine andere Person zu dem Erben berufen ist, steht die (Un-)Wirksamkeit zwischenzeitlich gefasster Beschlüsse im Raum. Stark gezweifelt werden kann, ob die geänderte Gesellschafterliste dem wahren Erben zurechenbar ist. Er hatte keinerlei Kenntnis von seiner Erbschaft im Zeitpunkt der Listenänderung, weshalb eine Zurechnung im Sinne einer Mitveranlassung oder Mitverantwortung denknotwendig ausscheidet. In erbrechtlichen Sachverhalten könnte die Zurechnung allenfalls zu einem durch Erbschein legitimierten Scheinerben über § 2367 Alt. 2 BGB konstruiert werden.246 Im Zusammenspiel von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und § 2367 Alt. 2 BGB wäre der Scheinerbe folglich legitimierter Gesellschafter. Erst die erbrechtliche Legitimationsnorm des § 2367 Alt. 2 BGB würde die Beschlusswirksamkeit erreichen. Dieses Ergebnis widerstrebt dem Bedürfnis des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, aus seiner gesellschaftsrechtlichen Normqualität heraus Rechtssicherheit zu schaffen. Zudem wäre es für den Rechtsverkehr aus der geänderten Liste nicht erkennbar und zufällig, ob eine Erbfolge in den GmbH-Anteil durch Erbschein oder notarielles Testament nachgewiesen wurde. Die Liste als rechtssicheres Legitimationsobjekt leidet somit erneut unter der Zurechnungslehre. (5) Zwischenergebnis Die beschriebenen Sachverhalte zeigen, mit welchen Problemen die Gesellschaft und der Rechtsverkehr zu kämpfen hätten, sollte der Listeninhalt bei fehlender Zurechenbarkeit nicht als Legitimationsgrundlage aufgefasst werden. Im Interesse der Rechtssicherheit für die Gesellschaft und den Rechtsverkehr bei Beschlussfassungen ist ein strenges Festhalten am Wortsinn des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG geboten und eine teleologische Reduktion insoweit abzulehnen. Diese Lösung reiht sich in das schon von Larenz hervorgehobene grundlegende Prinzip ein, dass eine teleologische Reduktion dort Grenzen erfährt, wo ein vorrangiges Interesse der Rechtssicherheit ein Festhalten am strengen Wortsinn erfordert.247 Das Bedürfnis zur Vermeidung nichtiger Gesellschafterbeschlüsse wegen des beschriebenen Ladungsmangels ist ein solches evidentes vorrangiges Interesse. bb) Keine staatliche Mitwirkung bei Schaffung des Legitimationsträgers Neben dem Ziel, funktionsfähige Gesellschaften und dadurch einen funktionsfähigen Wirtschaftsverkehr zu erhalten, können weitere Argumente, die für das reine Rechtsscheinprinzip in den oben beschriebenen Vertrauenstatbeständen herausge245 So auch Heckschen, ZErb 2008, 246 (253); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 164; Link, RNotZ 2009, 193 (200); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 137; Wachter, GmbHGeschäftsanteile im Erbfall, S. 30 f. m. w. N.; a. A. Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 96. 246 Vgl. Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33. 247 Larenz, Methodenlehre, S. 392.

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arbeitet worden sind, übertragen werden und das „reine Tatbestandsprinzip“ für die relative Gesellschafterstellung in § 16 Abs. 1 GmbHG rechtfertigen. Aus der staatlichen Mitwirkung bei der Erstellung der Gesellschafterliste kann zunächst aber kein entscheidender zusätzlicher Grund für die Ablehnung des Zurechnungskriteriums gewonnen werden. Zwar wirken staatliche Institutionen bei der Aufnahme der Liste in das Handelsregister mit. Die Registergerichte prüfen sogar die Listen auf formelle Richtigkeit. Weil aber eine materielle registergerichtliche Prüfung unterbleibt, sind die Listen insgesamt nicht als staatlich autorisiert anzusehen. Das Registergericht hat lediglich verwahrende und publizierende Funktion.248 Jedenfalls gilt das für Geschäftsführerlisten (§ 40 Abs. 1 GmbHG). Dagegen werden Notarlisten zwar von dem beurkundenden Notar als Amtsträger geprüft.249 Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG knüpft aber einheitlich an die Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage an und differenziert insoweit nicht zwischen Geschäftsführer- und Notarlisten. Nur die eingeschränkte staatliche Mitwirkung bei der Erstellung der (Notar-)Gesellschafterlisten und die Aufnahme in das Handelsregister kann demzufolge kein maßgebliches Argument für die Ablehnung des materiellen Zurechnungskriteriums sein. cc) Schuldnerschutz Der Schuldnerschutz, der etwa das reine Rechtsscheinprinzip für die §§ 407 f., 793 BGB rechtfertigt, kann hingegen für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als weiteres Argument gegen die ungeschriebene Voraussetzung der Zurechnung angeführt werden. Die GmbH kann etwa bei der Ausschüttung von Dividenden Schuldnerin von Gesellschaftern sein. Sie soll durch ihre Leistung an einen nicht materiellen Gesellschafter, der aber Listengesellschafter ist, über § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mit Rechtsgrund leisten und dadurch von ihrer Verbindlichkeit befreit werden. Ähnlich wie in den Forderungszessionsfällen oder bei Inhaberschuldverschreibungen hat die Gesellschaft ohne in der Satzung verankerte Vinkulierungsklausel (§ 399 Alt. 2 BGB, § 15 Abs. 5 GmbHG) auf die Abtretung von Geschäftsanteilen keinen Einfluss. Sie muss grundsätzlich nicht einmal Kenntnis von einem Wechsel der Gesellschafter haben. Umso mehr ist sie daher von der Aussage der Gesellschafterliste abhängig. Konkret lässt sich die Problematik wie folgt beschreiben: Bevor die Gesellschaft Gewinne ausschütten kann, ist nach §§ 46 Nr. 1, 29, 42a GmbHG der Jahresabschluss 248 Vgl. BGHZ 199, 270 (273 f.) = GmbHR 2014, 248 f. – Tz. 8 ff.; BT Drucks. 16/140, S. 38; DNotI-Report, 2009, 190 (191); D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1039); H. Schmidt/Sikora/ Tiedtke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, Rn. 330; a. A. Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 361 ff., der eine umfassende materielle Prüfungspflicht der Registergerichte annimmt. Ausführlich zum Prüfungsumfang der Registergerichte siehe unten Kapitel 4 D. I. 2. 249 Vgl. dazu ergänzend die Ausführungen zu § 16 Abs. 3 GmbHG oben unter Kapitel 4 B. V. 1. f).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

durch die Gesellschafterversammlung festzustellen und ein Gewinnverwendungsbeschluss zu fassen. Berufen die Geschäftsführer die beschließenden Gesellschafterversammlungen unter Ladung des zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters ein, wären die Beschlüsse nach § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG analog und §§ 241 Nr. 1, 253 Abs. 1 Satz 1 AktG analog wegen des Ladungsfehlers nichtig.250 Weil die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste nicht dem wahren Gesellschafter zurechenbar wäre, hätte nach der Zurechnungslösung entgegen dem Inhalt der Liste der wahre Gesellschafter und nicht der Listengesellschafter gemäß §§ 49, 51 Abs. 1 GmbHG geladen werden müssen. Der fehlerhafte Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses wäre zwar sechs Monate nach Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 325 Abs. 2 HGB) gemäß § 256 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 AktG analog geheilt.251 Dagegen würde der nichteintragungsfähige Gewinnverwendungsbeschluss weder nach § 242 Abs. 2 AktG analog noch nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG analog geheilt. Als Folge des fehlerhaften Gewinnverwendungsbeschlusses wäre die Entstehung eines konkreten Gewinnanspruchs verhindert. Zahlte die Gesellschaft dennoch an die Listengesellschafter, weil sie von der Wirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses ausgeht, erbrächte sie mangels Bestehens einer Verbindlichkeit eine rechtsgrundlose Leistung. Die Gesellschaft müsste die Gewinne von den Leistungsempfängern (Listengesellschaftern) gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kondizieren,252 einen neuen Gewinnverwendungsbeschluss fassen lassen und die Gewinne ggf. erneut ausschütten.253 Die Gesellschaft trüge dadurch das Insolvenzrisiko der erstattungspflichtigen Personen. Gerade die Gefahr von Doppelzahlungen durch die Gesellschaft und die Aufbürdung des Insolvenzrisikos der Zahlungsempfänger sollte aber durch die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als lex-specialis-Vorschrift zu den §§ 407, 413 BGB254 verhindert werden. Wird nach vorzugswürdiger Ansicht auf die ungeschriebene Zurechnungsvoraussetzung verzichtet, entsteht das hier benannte Pro250 Für das GmbH-Recht sind die aktienrechtlichen Regeln über fehlerhafte Beschlüsse analog übertragbar, neben dem § 241 AktG also auch die §§ 253, 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG; vgl. Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 176 (178); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63a; Fleischer, in: MüKoGmbHG, § 42a Rn. 35. 251 Brete/Thomsen, GmbHR 2008, 176 (181); Liebscher, in: MüKoGmbHG, § 46 Rn. 37. 252 Vgl. Ekkenga, in: MüKoGmbHG, § 29 Rn. 246 f.; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 29 Rn. 68. 253 Tatsächlich zurückfordern könnte die Gesellschaft aber die Gewinnzahlungen nur von bösgläubigen oder falschen Listengesellschaftern. Gutgläubige und nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG legitimierte Gesellschafter könnten der Rückzahlungsverpflichtung die dauernde rechtshindernde Einrede des § 32 GmbHG entgegenhalten, weil „Gesellschafter“ i. S. d. § 32 GmbHG richtigerweise der zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG legitimierte Listengesellschafter ist (vgl. Verse, in: Scholz, GmbHG, § 32 Rn. 8). Der Listengesellschafter, der seine Listenposition in einer dem wahren Gesellschafter nicht zurechenbaren Weise erlangt hat und dadurch mit der Zurechnungslösung nicht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG legitimiert wäre, wäre danach aber kein „Gesellschafter“ i. S. d. § 32 GmbHG. Er wäre nicht einredebefugt und müsste die Zahlungen zurückerstatten. 254 Siehe etwa Löbbe, GmbHR 2016, 141 (142).

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

219

blem nicht. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklungen im Verhältnis der Gesellschaft zu dem Listengesellschafter werden vermieden. Der wahre Gesellschafter hat sich um bereicherungsrechtlichen Regress bei dem Listengesellschafter – etwa nach § 816 Abs. 2 BGB – zu bemühen. dd) Anreizmechanismus und Transparenz Die letzte gesetzliche Wertung zur Begründung des reinen Rechtsscheinprinzips ist der Anreizmechanismus. Mit den untersuchten Tatbeständen der § 16 Abs. 3 GmbHG und § 15 Abs. 1 HGB sollen die Betroffenen angereizt werden, für eine Übereinstimmung des Inhalts der Gesellschafterlisten und des Handelsregisters mit der wahren Rechtslage zu sorgen. Mithilfe der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG soll ebenfalls die Authentizität der Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage durch einen Anreizmechanismus erhöht werden.255 Authentische Listen schaffen Transparenz und tragen zur Missbrauchs- und Geldwäschebekämpfung bei.256 Der genannte Anreizmechanismus kann aus doppelter Perspektive erklärt werden. Zum einen hat der materielle, aber nicht eingetragene Gesellschafter für seine Eintragung zu sorgen, um die Gesellschafterrechte ausüben zu können und um der Ausübung der Gesellschafterrechte durch unbefugte Listengesellschafter vorzubeugen. Zum anderen hat der falsche Listengesellschafter die Listenkorrektur zu betreiben, um seiner mitgliedschaftlichen Haftung zu entgehen. Der Anreizmechanismus kann aber nur dann bestmöglich funktionieren, wenn die Gesellschafterliste die alleinige Legitimationsgrundlage für die relative Gesellschafterstellung darstellt. Insbesondere darf sich ein Listengesellschafter grundsätzlich nicht darauf berufen, zu seinen Lasten bestünde die relative Gesellschafterstellung nicht. Ebenso dürfen einem Gesellschafter nicht Gesellschafterrechte „ausnahmsweise“ zugesprochen werden, obwohl er nicht in der Liste eingetragen ist. In beiden Fällen wäre der Anreiz zur Korrektur schwach. Eine solche, den Anreizmechanismus torpedierende „Ausnahme“ müsste bejaht werden, wenn das ungeschriebene Kriterium der Zurechenbarkeit in den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hineingelesen wird. Ebenso hat ein falscher Listengesellschafter während seiner Eintragung auch für rückständige Leistungen einzustehen. Könnte er sich auf die Unzurechenbarkeit als einschränkendes Merkmal berufen, würde er nicht haften und hätte folglich ebenfalls keinen Anreiz eine Listenkorrektur anzustoßen. Die Zurechenbarkeit als ungeschriebene Voraussetzung für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG würde im Ergebnis den Anreizcharakter der Norm, der ihr eigentlich innewohnt, stören. Wird das Zurechnungskriterium dagegen nicht für die relative Gesellschafterstellung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) vorausgesetzt, ist jeder nicht in 255 Hervorgehoben für eine erhöhte Transparenz in Erbfällen bereits durch R. Wolff, BB 2010, 454 (455 f.). 256 Dazu BT Drucks. 16/6140 S. 26.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

der Liste eingetragene Gesellschafter dazu berufen, seine Listeneintragung – notfalls gerichtlich – zu erzwingen. Dieser Weg vermeidet eine dauerhafte Diskrepanz zwischen der formellen und materiellen Rechtslage. 4. Zwischenergebnisse Der hiesige Vergleich mit den reinen Vertrauenstatbeständen hat den Verzicht auf Zurechnungskriterien in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bestätigt. Auf Zurechnungsgesichtspunkte wird bei reinen Vertrauenstatbeständen verzichtet, weil im Einzelfall das Verkehrsinteresse höher gewichtet wird als die Individualinteressen der durch die Zurechnung zu Schützenden. Die gleiche Abwägung der widerstreitenden Interessen wurde für die relative Gesellschafterstellung vorgenommen. Folgendes Ergebnis hat sich herauskristallisiert: Die Gesellschaft ist nur voll handlungs- und funktionsfähig, wenn sie sich vollumfänglich auf die Gesellschafterliste zur Identifikation ihrer Gesellschafter verlassen kann. Sie kann verbindlich handeln, indem sie wirksame Beschlussfassungen durch eine ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung ermöglicht. Darüber hinaus kann sich der gesamte Rechts- und Wirtschaftsverkehr auf Beschlüsse einer GmbH, an der alle Listengesellschafter teilgenommen haben, verlassen. Komplizierte Rückabwicklungen von Strukturmaßnahmen der Gesellschaft wegen der Mitwirkung von Listengesellschaftern, die ihre Position unzurechenbar erlangt haben, werden vermieden. Obwohl die Gesellschafterlisten nicht ausnahmslos in einem staatlich autorisierten Verfahren erstellt werden, ist ihre Bedeutung für den Rechtsverkehr von so wesentlicher Bedeutung, dass sie als Legitimationsgrundlage eine bevorzugte Stellung innehaben.

VI. Bedeutung der Transparenz angesichts internationaler und europäischer Vorgaben Neben den nationalen gesetzesimmanenten Zwecken des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (Rechtssicherheit und Transparenz) lohnt ein Blick auf internationale und europäische Vorgaben zu Transparenzanforderungen im Gesellschaftsrecht. Am 20. 5. 2015 erließen das Europäische Parlament und der Rat die 4. Gw-RL, die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie vom 23. 6. 2017 mit Wirkung zum 26. 6. 2017 in nationales Recht umgesetzt wurde. Hierbei wurde das Transparenzregister eingeführt und § 40 GmbHG erweitert.257 Ziel der 4. Gw-RL ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zu dem Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Dies soll durch eine umfassende Transparenz von wirtschaftlichen Eigentümern juristischer Personen erreicht werden. Die Gesellschafterlisten dienen als Instrument der Transparenzerzeugung. Sie weisen die Personen der Gesellschafter aus, werden von den Geschäftsführern und Notaren 257

Siehe ausführlich oben Kapitel 1 J.

B. Kritik am Kriterium der Zurechenbarkeit

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geführt und zu dem öffentlich einsehbaren Handelsregister aufgenommen. Allerdings kann eine Diskrepanz zwischen der materiellen und formalen Gesellschafterstellung bestehen. Nicht jeder Listengesellschafter ist automatisch materiell berechtigter Gesellschafter. Dass Registereintragungen fehleranfällig sein können, wurde auch bei Erlass der 4. Gw-RL erkannt. Daher wird in Art. 30 Abs. 8 der 4. GwRL geregelt, dass sich die Banken nicht ausschließlich auf die Registerinformationen verlassen dürfen, sondern nach einem „risikobasierten Ansatz“ vorzugehen haben.258 Gleichwohl sind richtige Gesellschafterlisten unerlässlich, um effektiv Transparenz zu schaffen und dadurch Missbrauch zu verhindern. Als Ausgangspunkt der Identitätsprüfung müssen die Gesellschafterlisten eine hohe Richtigkeitsgewähr aufweisen, also „angemessen, präzise und aktuell“ sein.259 So fordert es die 4. Gw-RL. Richtig werden Gesellschafterlisten regelmäßig sein, wenn die materiell berechtigten Gesellschafter ein erhebliches Eigeninteresse an ihrer Listeneintragung haben und unberechtigte Listengesellschafter zu ihrer Löschung motiviert werden. Das ist umso erforderlicher, als die Richtigkeit der Gesellschafterlisten nicht durch ein staatlich autorisiertes Verfahren gewährleistet ist. An das Eigeninteresse der Betroffenen wird appelliert, wenn tatsächlich nur die Gesellschafterlisten die relative Gesellschafterstellung begründen können. Ausnahmen von dem strengen Listenprinzip sollten demnach nur in seltenen Anwendungsfällen vorgesehen sein. Mit der Verschärfung der 4. Gw-RL durch die 5. Gw-RL aus dem Sommer 2018 als Reaktion auf die jüngsten Terroranschläge, insbesondere in Frankreich, Belgien und Deutschland, wird dieser Weg gefestigt. In ErwGr. 30 der 5. Gw-RL wird die Stärkung der Transparenz und dadurch des Vertrauens in die Integrität der Geschäftstätigkeit als Ziel bekräftigt. Konkret müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 1 Ziff. 15 lit. a) i) 5. Gw-RL Sorge dafür tragen, dass für Verstöße gegen die Offenlegung des wirtschaftlichen Berechtigten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen verhängt werden. Mit § 16 Abs. 1 GmbHG in der Lesart eines zurechnungsfreien Legitimationstatbestandes sind diese strengen Vorgaben erfüllt, da wirksam die wahren Gesellschafter angehalten werden, die öffentlich einsehbare Listenposition zur Erlangung der Ausübungsbefugnis zu bekommen. Da das GmbH-Recht im Zuge der Richtlinienumsetzung insoweit nicht geändert wurde,260 kann eine richtlinienkonforme Interpretation des GmbHG die Ablehnung des Zurechenbarkeitskriteriums für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG weiter stützen.

258

Vgl. Rößler, WM 2015, 1406 (1408). „Präzise“ wird i. S. v. „richtig“, „fehlerfrei“ oder „zutreffend“ zu verstehen sein. Das zeigt ein Vergleich zu der englischen und französischen Fassung der 4. Gw-RL. Dort wird von „accurate information“, hier von „informations exactes“ gesprochen. 260 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie v. 12. 12. 2019, BGBl. 2019 I, S. 2602. 259

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

VII. Zusammenfassung Die Zurechenbarkeit wird in weiten Teilen des Schrifttums als Korrektiv der relativen Gesellschafterstellung im GmbH-Recht gefordert. Hintergrund ist der Individualschutz der zu Unrecht in der Liste eingetragenen oder gelöschten Personen. Ihr Schutz kann unbestritten durch das Kriterium der Zurechenbarkeit erreicht werden. Diese ungeschriebene Voraussetzung darf jedoch nicht unreflektiert in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hineingelesen werden. So sprechen der Wortlaut, die Systematik und die Entstehungsgeschichte des § 16 GmbHG bereits gegen eine Zurechnungsvoraussetzung in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Überdies besteht mit der Anerkennung der Zurechenbarkeitsvoraussetzung die Gefahr, die Interessen des Rechtsverkehrs zu vergessen, sie dadurch zu vernachlässigen und insgesamt die wichtige, verfassungsrechtlich gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen zu unterlassen. Im Gesetz wurden bereits mehrere Tatbestände anerkannt, in denen keine Zurechnungskriterien erforderlich sind, im Einzelfall also die Individualinteressen hinter den Interessen des Rechtsverkehrs zurücktreten müssen. Diese sog. reinen Vertrauenstatbestände verzichten auf die Zurechnung, aber etwa auch die Norm des § 5 HGB als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes. Zurechnungsaspekte dürfen nach Harry Westermann – wie eingangs festgestellt – nur ausgeblendet werden, wenn „sehr schwerwiegende Gründe die starke Sicherung des Rechtsverkehrs erfordern und wenn Richtigkeitsgarantien die Gefahren unberechtigten Rechtsverlusts möglichst begrenzen.“261 Durch den Vergleich des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mit den reinen Vertrauenstatbeständen sind wertvolle und „schwerwiegende Gründe“ hervorgetreten, wodurch ein Verzicht auf die Zurechnung begründbar wird. Zuerst spricht die Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs für eine strenge Anwendung des Listensystems, das keine Ausnahmen aus Zurechnungsgesichtspunkten zulässt. Daneben sind Schuldnerschutzaspekte, wie sie etwa aus § 407 Abs. 1 BGB bekannt sind, zulasten der von der Falscheintragung Betroffenen zu berücksichtigen. Schließlich kommt durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ein Anreizmechanismus zum Ausdruck, wodurch eine „Richtigkeitsgarantie“ der Gesellschafterlisten abgegeben wird. Zwar kann die Richtigkeit einer Gesellschafterliste nicht durch eine objektiv-neutrale staatliche Prüfung garantiert werden. Für die Ablehnung der Zurechenbarkeit im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sprechen aber neben dem „sehr schwerwiegenden“ Grund der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftssystems, der Schuldnerschutz und die (eingeschränkte) Richtigkeitsgarantie durch den Anreizmechanismus. Alle diese Erwägungen sowie die europarechtlichen Vorgaben steigern die Skepsis an dem Zurechnungskriterium als Anwendungsvoraussetzung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Auf die Zurechenbarkeit als Grenze der relativen Gesellschafterstellung wird in den nachfolgenden Ausführungen daher verzichtet. Die 261

Westermann, JuS 1963, 1 (6).

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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Individualinteressen der Personen, die ihre Listenposition unzurechenbar erlangt oder verloren haben, müssen demzufolge zwar hinter den Verkehrsschutzinteressen zurücktreten. Ihre Einzelinteressen können aber – wie sogleich beschrieben wird – auf anderem Wege verfolgt werden.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen Die Individualinteressen werden nicht durch die Lösung über eine teleologischrestriktive Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG unter Hineinlesen einer ungeschriebenen Voraussetzung der Zurechnung gewahrt. Stattdessen können möglicherweise zivilrechtliche Ausgleichsansprüche (siehe I.) und strafrechtliche Sanktionsandrohungen (siehe II.) die Individualinteressen schützen. Denkbar wäre auch an die Eigeninitiative der Betroffenen zu appellieren; die Betroffenen können unter gewissen Umständen mithilfe des allgemeinen (einstweiligen) gerichtlichen Rechtsschutzes gegen unrichtige Gesellschafterlisten vorgehen und entweder die ihnen zustehende Listenposition erzwingen oder ihre falsche Eintragung korrigieren lassen (siehe III.).

I. Zivilrechtliche Ausgleichsansprüche Ausgleichsansprüche bei fehlerhaften Gesellschafterlisten kommen in zahlreichen Spielarten gegenüber verschiedenen Anspruchsgegnern in Betracht. Der wahre, nicht formale Gesellschafter könnte gegenüber dem Listengesellschafter, der Gesellschaft, den Geschäftsführern oder dem Staat als Träger der Registergerichte Ansprüche erheben. Ansprüche gegen die zuletzt genannten Anspruchsgegner wären insbesondere bei mutwilligen Fehlern im Eintragungsverfahren denkbar. 1. Ansprüche im Innenverhältnis „Listengesellschafter – wahrer Gesellschafter“ Im Innenverhältnis sind Ansprüche des wahren Gesellschafters gegen den falschen Listengesellschafter denkbar, aber auch umgekehrt Ansprüche des zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters gegen den wirklichen Rechtsinhaber. Zivilrechtliche Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis bestehen zunächst, wenn etwa dem materiell-rechtlichen Gesellschafter die Eintragung des zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters nicht zurechenbar ist (etwa bei Geschäftsunfähigkeit, Stellvertretung ohne Vertretungsmacht etc.). Übt der Listengesellschafter die ihm nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zustehenden mitgliedschaftlichen Rechte trotz fehlender Zurechenbarkeit nach hier vertretener Ansicht wirksam aus und bezieht daraus vermögenswerte Vorteile, ist er dem materiell-rechtlichen Gesellschafter zur

224

Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Herausgabe der Vorteile nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet.262 In erbrechtlichen Sachverhalten ist zudem an Ansprüche des wahren Erben gegen den in der Liste aufgenommenen Scheinerben nach den §§ 2018 ff. BGB zu erinnern.263 Darüber hinaus kann ein Anspruch gemäß §§ 687 Abs. 2, 678 BGB bestehen, wenn der Listengesellschafter die mitgliedschaftlichen Rechte als eigene Rechte ausgeübt hat, obwohl er wusste, dass er dazu nicht berechtigt ist. Möglich sind auch Ansprüche nach § 826 BGB gegen einen missbräuchlich handelnden falschen Listengesellschafter.264 Denkbar ist daneben, dass der Listengesellschafter aufgrund seiner Eintragung zu Unrecht für mitgliedschaftliche Pflichten – etwa rückständige Einlagen – herangezogen wird. Erbringt er die Leistungen ohne zu wissen, dass er hierzu nach einer Listenkorrektur nicht verpflichtet ist, kann er sie im Wege der Aufwendungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB als freiwillige Vermögensopfer (Aufwendungen) vom materiellen Gesellschafter herausverlangen.265 Dogmatisch betrachtet wurde der wahre Gesellschafter durch die Einlageleistung des Listengesellschafters von seiner Einlageverbindlichkeit, für die er nach einer Listenkorrektur hätte einstehen müssen, endgültig frei, hat also „Etwas“ i. S. d. § 812 BGB erlangt. Die Befreiung von der Verbindlichkeit ist nicht durch Leistung des Listengesellschafters an den wahren Gesellschafter eingetreten, sondern durch Leistung an die Gesellschaft und damit für den wahren Gesellschafter „in sonstiger Weise“. In bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen ist allerdings grundsätzlich innerhalb der Leistungsbeziehungen rückabzuwickeln, wobei sich – wie der BGH klarstellt – jede schematische Lösung verbietet und es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt.266 Das würde bedeuten, dass sich der Listengesellschafter an die GmbH halten müsste und nicht auf den wahren Gesellschafter als Anspruchssteller zurückgreifen könnte. Zu beachten gilt aber, dass aufgrund der Regelungsanordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Leistungen des Listengesellschafters mit Rechtsgrund erbracht wurden. Die Leistungen sind nicht von der GmbH kondizierbar. Die Gesellschaft soll also aus einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung herausgehalten werden. Aus diesem Grunde ist es ausnahmsweise zulässig, die Direktkondiktion zwischen dem Listengesellschafter und dem wahren Gesellschafter zuzulassen. Der Listengesellschafter kann auf der Rechtsfolgenseite nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz für seine erbrachten Leistungen verlangen.

262

Siehe zum Ganzen schon oben unter Kapitel 3 B. I. 1. f). Zur Anwendung der §§ 2018 ff. BGB schon Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 47. 264 Vgl. BGHZ 100, 13 (15) = NJW 1987, 1818 f.; BGH NJW 2004, 1949 (1950). 265 Siehe ähnlich die Ausführungen zur effektiven Kapitalerhöhung oben unter Kapitel 3 B. I. 1. g). 266 BGHZ 89, 376 (378) = NJW 1984, 1348 (1349); s. a. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 70 (S. 199). 263

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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2. Ansprüche bei Fehlern im Erstellungsverfahren Neben Ausgleichsansprüchen im Innenverhältnis ist insbesondere an staatshaftungsrechtliche Ansprüche nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG bei Fehlverhalten des Registergerichts zu denken. Nimmt der bei dem Registergericht zuständige Rechtspfleger z. B. eine falsche Liste aus Unachtsamkeit in das Handelsregister auf, entfaltet die Liste in der Regel die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Für Schäden, die dem wahren Gesellschafter durch die falsche Liste entstehen, haftet der Staat. Entpuppt sich ein Fehler im Verfahren bei der Erstellung von Geschäftsführerlisten, ist der Geschäftsführer u. U. nach § 40 Abs. 3 GmbHG schadensersatzverpflichtet. Unterläuft einem Notar ein Fehler, sieht er sich mit der allgemeinen notarrechtlichen Haftung aus § 19 BNotO konfrontiert. Reicht der Geschäftsführer vorsätzlich eine falsche Liste ein, etwa um sich eines unliebsamen Gesellschafters vermeintlich formal zu entledigen, ist an deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Geschäftsführer (§§ 826, 823 Abs. 1 BGB) und über § 31 BGB gegen die Gesellschaft zu denken.

II. Strafrechtliche Sanktionsandrohung Die zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche werden flankiert durch präventive strafrechtliche Androhungen, etwa wenn Gesellschafterlisten durch den Geschäftsführer oder durch Dritte gefälscht und über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zu dem Handelsregister eingereicht werden. Die zuständigen Rechtspfleger bei dem Registergericht können Fälschungen nicht vorbeugen. Sie sehen lediglich eine elektronische Visitenkarte des Absenders der Gesellschafterlisten, nicht aber, ob die in der Visitenkarte genannte Person mit dem Urheber der Gesellschafterliste identisch ist. Zudem kann jedermann einen Account unter jedem beliebigen Namen für ein EGVP anlegen. Eine Identitätsprüfung findet zu keinem Zeitpunkt statt.267 Eine einfachere Fälschungsmöglichkeit wäre unter Verwendung gefälschter Vollmachtsurkunden denkbar. Ein Dritter könnte etwa eine gefälschte privatschriftliche (§ 167 Abs. 2 BGB) Vollmacht eines Gesellschafters erstellen und sich mit dieser Vollmacht den Anteil übertragen lassen. Der Notar kann bei privatschriftlichen Vollmachten die Fälschung nur schwer erkennen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass er bei der Erstellung einer falschen Liste versehentlich mitwirkt. Nach solchen Fälschungen ist der abgeänderte Inhalt der Gesellschafterliste den wahren Gesellschaftern in der Regel nicht zurechenbar. Trotzdem werden die durch diese Liste als Gesellschafter ausgewiesenen Personen im Interesse der Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr als relative Gesellschafter nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Grundsatz unwiderleglich vermutet.

267 Vgl. Hasselmann, NZG 2009, 486 (487); Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 495; Peetz, GmbHR 2006, 852 (860).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Der Schutz der wahren Gesellschafter realisiert sich in vorgenannten Fällen – entgegen der herrschenden Meinung, die auf die fehlende Zurechenbarkeit rekurriert –268 nicht pauschal durch materiell-rechtliche Ausnahmen von dem strengen Listensystem. Stattdessen wird der Schutz präventiv auch durch eine Strafandrohung erreicht. Fälscht ein Dritter eine Vollmachtsurkunde oder sogar direkt eine Gesellschafterliste, die er anschließend zu dem Handelsregister einreicht, sind regelmäßig die Straftatbestände der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Fall 1 und Fall 3 StGB erfüllt und damit ein Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe ausgesprochen. Manipuliert dagegen kein Dritter, sondern reicht der Geschäftsführer selbst falsche Listen ein, um Umstrukturierungen im Unternehmen vorzunehmen und Vermögenswerte zu entziehen, scheidet § 267 StGB mangels Identitätstäuschung aus. Er sieht sich aber u. U. einem Untreuevorwurf nach § 266 Abs. 1 StGB oder einem Betrugsvorwurf nach § 263 Abs. 1 StGB ausgesetzt. Auch insoweit wirkt das Strafrecht disziplinierend. Die Strafandrohungen soll potentielle Fälscher davon abhalten, Gesellschafterlisten zu manipulieren. Dieser Lösungsvorschlag, den strafrechtlichen Sanktionsmechanismus einer zivilrechtlichen materiellen Lösung vorzuziehen, ist nicht neu. Er wurde bereits von den Schöpfern des BGB im Vormundschaftsrecht bei Missbrauch der Vertretungsmacht bemüht. „(G)egen Verbrechen kann schließlich kein Gesetz schützen. Richtiger ist es, in dieser Hinsicht es bei dem allgemeinen strafrechtlichen Schutze gegen Untreue des Vormundes (§ 266 StGB) und bei dessen persönlicher Verantwortlichkeit (§ 1696 [gemeint ist BGB a. F.]) bewenden zu lassen (…).“269 Im Übrigen ist dieses Ergebnis im GmbH-rechtlichen Kontext weniger verwunderlich als es zunächst erscheint. Zu § 16 Abs. 3 GmbHG wird ebenfalls nachvollziehbar vertreten, dass auch gefälschte Listen den gutgläubigen Erwerb nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist ermöglichen.270 Der Rechtsverkehr müsse geschützt werden. Wieso aber Dritte, die außerhalb der Gesellschaft stehen, stärker 268 Vgl. etwa Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 21; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG, § 16 Rn. 28; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 87 f.; Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 148; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 54, 57, 72, 81 ff.; Link, RNotZ 2009, 193 (211); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 54, 82; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 24, 26; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 33b (gefälschte Mitteilung); B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (465); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; krit. zur Ablehnung bei gefälschten Listen H. Schmidt/Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregisterund Kostenrechts, Rn. 284; wohl offenlassend für Fälschungen Tebben, RNotZ 2008, 441 (454 f.). 269 Vgl. Mot. zum BGB IV, S. 1086 (Mugdan, IV, S. 576); krit. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 3 m. w. N.; ebenso mit krit. Anmerkung Kipp, in: Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben, Bd. 2, S. 273 f. 270 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 68; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 272, 279; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 152; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 83a; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 52; a. A. Lieder, AcP 210 (2010), 857 (906); Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 14.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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geschützt werden sollen als die Gesellschaft selbst, die ohne strenge Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ihre Handlungsfähigkeit zuweilen einbüßt, wird nicht begründet.271 Der Gesetzgeber hat sich doch für einen besonders hohen Schutz der Gesellschaft entschieden. Es überzeugt daher, die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wegen des reinen Listensystems und der dahinterstehenden Wertungen im Grundsatz auch bei gefälschten Listen eingreifen zu lassen. Die Grenze zum Rechtsmissbrauch darf freilich nicht überschritten sein.272 Letztlich darf die Brisanz dieses Problems aber nicht überschätzt werden. Fälschungen von Gesellschafterlisten, die weder von der Gesellschaft noch von dem wahren Gesellschafter erkannt werden, werden nur selten vorkommen. Jedenfalls sind Rechtsprechungsfälle zu dieser Problematik nicht bekannt.

III. Gerichtlicher Rechtsschutz Neben den straf- und zivilrechtlichen Schutzmechanismen können und sollten sich die Betroffenen gegen die weitreichenden Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG selbst im Wege des (einstweiligen) Rechtsschutzes verteidigen. Diese Rechtsschutzmöglichkeit ist ein entscheidender Baustein zur Unterstützung des hier vertretenen weiten Verständnisses der Legitimationswirkung. Dabei sind drei Grundsachverhalte voneinander zu unterscheiden, in denen (einstweiliger) Rechtsschutz erforderlich werden kann. Zunächst kann ein „Dritter“, der die materielle Gesellschafterstellung behauptet, seine Eintragung in die Gesellschafterliste gerichtlich durchzusetzen versuchen (1). Vice versa kann ein Listengesellschafter, der von seiner materiellen Stellung ausgeht, sich gegen eine drohende Listenkorrektur durch die Gesellschaft wehren (2). Schließlich kann der Listengesellschafter sogar meinen, er sei zu Unrecht eingetragen und aus diesem Grunde seine Löschung aus der Liste begehren (3). Letzteres wird insbesondere bei einem mitgliedschaftlich begründeten Zahlungsbegehren durch die Gesellschaft virulent. Der jeweils Betroffene kann also je nach Sachlage die Erlangung, Erhaltung oder Beseitigung einer Listenstellung begehren. Die nachfolgenden Ausführungen stellen Rechtsschutzinstrumente für diese verschiedenen Sachverhalte dar. 1. Erlangung der Listenposition Wer nicht in die Gesellschafterliste eingetragen ist, kann aus unterschiedlichen Gründen seine Listeneintragung begehren. Die Liste kann z. B. unrichtig sein, weil 271

Heidinger sieht dagegen in dem Drittschutz durch § 16 Abs. 3 GmbHG das Argument für die erweiterte Anwendung auf gefälschte Listen bei dem gutgläubigen Erwerb, vgl. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 272. 272 Siehe unten Kapitel 4 D. II. 3.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

eine Veränderung der Gesellschafterbeteiligung stattgefunden hat (z. B. Abtretung, Umwandlung, Erbfall), die Liste aber noch nicht geändert wurde. Sie kann aber auch aus einem sonstigen Grunde den falschen Gesellschafter ausweisen, etwa wenn ein Übertragungstatbestand (Abtretung etc.) unwirksam war, die Liste vorschnell geändert wurde oder eine falsche Liste willkürlich zu dem Handelsregister eingereicht und dort aufgenommen wurde. Im ersten Fall verlangt der einzutragende Gesellschafter die Listenänderung (§ 40 Abs. 1 und 2 GmbHG), im letzten die Listenkorrektur i. e. S. Obwohl beide Verfahren im Ausgangspunkt unterschiedlichen Tatbeständen folgen,273 verläuft der Rechtsschutz weitgehend parallel. Es bestehen die gleichen Fragen, nämlich wie der konkrete Anspruch begründet und inhaltlich ausgefüllt wird (a)), welcher Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren (b)) und welcher im einstweiligen Verfahren (c)) hilft. Die folgenden Ausführungen beantworten diese drei Fragen, wobei Unterschiede zwischen dem Listenänderungs- und -korrekturanspruch – sofern bedeutend – gesondert hervorgehoben werden. Wird in den weiteren Ausführungen von Listenkorrektur gesprochen, sind davon – vorbehaltlich ausdrücklicher Differenzierung – die Listenänderung und die Listenkorrektur i. e. S. unterschiedslos erfasst. a) Anspruch auf Korrektur der Gesellschafterliste Das Bestehen eines Listenkorrekturanspruchs des betroffenen Gesellschafters ist allgemein anerkannt.274 Die Einzelheiten sind aber streitig. Klärungsbedürftig sind die konkrete Anspruchsgrundlage (aa)), der richtige Anspruchsgegner (bb)), die genauen Voraussetzungen (cc)) sowie der Anspruchsinhalt (dd)). aa) Anspruchsgrundlage Eine besondere Anspruchsgrundlage kennt das GmbHG für die Listenkorrektur nicht. Insbesondere begründet die Verfahrensvorschrift des § 40 Abs. 1 GmbHG – anders als das OLG Hamm meint –275 keinen solchen Anspruch. Die Vorschrift gibt reine Verfahrensvorgaben an die Geschäftsführer zur korrekten Führung, Einrei-

273

Siehe Kapitel 4 A. I. Zur Listenänderung siehe BT Drucks. 16/6140, S. 38; OLG München GmbHR 2011, 429 f.; OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (936); OLG München GmbHR 2015, 1214 (1215); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 57; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 30; Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353 (363); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 152; zur Listenkorrektur i. e. S. siehe OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (936); OLG München GmbHR 2015, 1214 (1215 f.); Altmeppen, ZIP 2009, 345 (353); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 99 ff.; Dittert, NZG 2015, 221 (223); Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 197; Lieder, GmbHR 2016, 189 (191); Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (703 f.); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 39; B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (468). 275 OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (936); ebenso Winnen, RNotZ 2016, 54 (55). 274

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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chung und Kontrolle von Gesellschafterlisten.276 Einen materiellen Anspruchsinhalt kann man ihr unmittelbar aber nicht entnehmen. Bei Verstößen ist in § 40 GmbHG ein sekundärrechtlicher Schadensersatzanspruch (§ 40 Abs. 3 GmbHG), aber kein primärrechtlicher Korrekturanspruch vorgesehen. Zu Recht stützt die überwiegende Literatur sich daher auf Anspruchsgrundlagen außerhalb des § 40 GmbHG. Ein Anspruch auf Änderung der Liste soll sich aus einem Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft sowie dem alten und neuen Gesellschafter ergeben. Grundlage des Verhältnisses soll entweder ein gesetzliches Schuldverhältnis277 oder das (nachwirkende) Mitgliedschaftsverhältnis278 sein. Die Grundlage des Korrekturanspruchs i. e. S. wird vergleichbar hergeleitet. Manche begründen den Korrekturanspruch ebenfalls über das Mitgliedschaftsverhältnis, konkret über das Verhältnis des materiell-rechtlichen Gesellschafters zur Gesellschaft.279 Andere wollen den Anspruch „aus Sinn und Zweck der Neuregelung“ des § 16 GmbHG herleiten, nämlich aus dem Ziel, eine korrekte Gesellschafterliste zu gewährleisten.280 Schließlich plädiert eine weitere Ansicht für einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch gegen die Gesellschaft, da das Mitgliedschaftsverhältnis mangels Listenkorrektur durch die Gesellschaft beeinträchtigt wird.281 Allen Vorschlägen wohnen richtige Ansätze inne, als sie – mehr oder weniger deutlich – auf die Mitgliedschaft als prägenden Ursprung des Anspruchs verweisen. Allerdings ist zur Bestimmung des Anspruchs wenig gewonnen, wenn er aus dem Sinn und Zweck des § 16 GmbHG, aus einem nicht näher spezifizierten gesetzlichen Schuldverhältnis oder aus dem Mitgliedschaftsverhältnis als solchem hergeleitet wird. Welchen Inhalt und welche Voraussetzungen dieser Anspruch hat, vermögen die jeweiligen Ideen nicht zu erklären. Insbesondere ist das Mitgliedschaftsverhältnis die Grundvoraussetzung für die Anerkennung des Anspruchs, nicht aber die zivilrechtliche Anspruchsgrundlage selbst. Vorzugswürdig erscheint es, die Ansprüche auf Listenänderung und Listenkorrektur i. e. S. über einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch nach §§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. dem (materiell-rechtlichen) Mitgliedschaftsverhältnis herzuleiten. Die Mitgliedschaft ist ein „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB282 – jedenfalls soweit wie hier dem wahren Gesellschafter die 276

Vgl. Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 1. BT Drucks. 16/6140, S. 38. 278 Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353 (363); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 152; offengelassen von Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 30. 279 Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 521; Lieder, GmbHR 2016, 189 (191). 280 Siehe Altmeppen, ZIP 2009, 345 (353), der sich allerdings auf einen Anspruch der Gesellschaft auf Mitwirkung zur Listenkorrektur bezieht. 281 Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (703 f.). 282 RGZ 100, 274 (278); Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 117 ff.; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rn. B 141 ff.; K. Schmidt, JZ 1991, 157 (158 f). 277

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Herrschafts-, Vermögens- und Teilhabezuständigkeiten entzogen sind –283 und damit über § 1004 Abs. 1 BGB analog vor Beeinträchtigungen geschützt. Die Beeinträchtigung besteht konkret darin, dass der materiell-rechtliche Gesellschafter nicht in der Liste eingetragen ist und damit seine Mitgliedschaft nur unvollkommen ist, er also gerade nicht an der Willensbildung der Gesellschaft teilnehmen und keine Vermögensrechte einfordern kann sowie insgesamt keine Verwaltungsrechte innehat. Dem subjektiven Recht der Mitgliedschaft ist demnach der Drang immanent, die formale mit der materiellen Gesellschafterstellung zusammenfallen zu lassen. Unterlassen die Geschäftsführer die Listenkorrektur, wirkt die Gesellschaft auf die Mitgliedschaft als Recht selbst ein.284 Gegenüber jedem, der einen rechtswidrig geschaffenen Zustand aufrechterhält, besteht ein solcher quasi-negatorischer Beseitigungsanspruch, sofern er den Zustand beseitigen oder seine Aufrechterhaltung verhindern kann.285 bb) Anspruchsgegner Unmittelbar nach Erlass des MoMiG im Jahre 2008 war zunächst umstritten, wer richtiger Anspruchsgegner eines Änderungs- oder Korrekturanspruchs ist. Teilweise wurde vertreten, der Anspruch richte sich gegen die Geschäftsführer selbst.286 Der jeweilige Anspruch leitet sich aber aus einem quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch und damit inzident aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ab. Dieses besteht zwischen der Gesellschaft und dem wahren Gesellschafter, nicht auch im Verhältnis zu dem Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft. Konzeptionell ist der Anspruch gegen die Geschäftsführer aus diesem Grunde daher ausgeschlossen.287 Der Korrekturanspruch richtet sich nach zutreffender Ansicht also nicht gegen die Geschäftsführer, sondern gegen die Gesellschaft.288 Dies ist mittlerweile – wie das KG richtig feststellte – allgemein anerkannt.289 Der Anspruch ist im Übrigen sowohl 283

Vgl. K. Schmidt, JZ 1991, 157 (159). Zur Verletzung der Mitgliedschaft durch Einwirkung auf das Recht als solches vgl. Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 152. 285 Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (703). 286 OLG Brandenburg GmbHR 2013, 309 (310); Preuß, ZGR 2008, 676 (679); Hasselmann, NZG 2009, 486 (489). 287 Omlor, MittBayNot 2013, 402 (403). 288 OLG München GmbHR 2011, 429; OLG München GmbHR 2015, 1214 (1215); OLG Jena NZG 2014, 902 (903); OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (937); OLG Brandenburg BWNotZ 2020, 56; KG NZG 2019, 913; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 58; Dittert, NZG 2015, 221 (223); Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 524 ff.; Kort, GmbHR 2009, 169 (172 f.); Lieder, GmbHR 2016, 189 (191 f.); D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (414); Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 30, 82; Omlor, MittBayNot 2013, 402 (403); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 153; Reichert/Weller, in: Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 1.3; Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 36, 39; Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 8. 289 KG NZG 2019, 913. 284

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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für Geschäftsführerlisten als auch für Notarlisten gegen die Gesellschaft gerichtet. Die korrekte Listenführung ist eine Gesellschaftsverpflichtung, die funktional durch die Geschäftsführer erfüllt wird. Daher dürfen auch Notarlisten von den funktional zuständigen Geschäftsführern eigenmächtig korrigiert werden.290 Der wirkliche Gesellschafter kann die Korrektur der Notarliste also ebenfalls von der Gesellschaft einfordern. Von einem Notar könnte der Gesellschafter die Listenkorrektur im Zivilprozess ohnehin nicht verlangen, da der Notar in Ausübung seiner Amtspflicht handelt und ein Anspruch auf Erfüllung dieser Amtspflicht nicht besteht.291 Notare könnten allenfalls über die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO wegen Verweigerung der Amtstätigkeit angewiesen werden, eine entsprechende Liste einzureichen.292 cc) Anspruchsvoraussetzungen Ein Anspruch gegen die Gesellschaft auf Erlangung der Listenposition setzt voraus, dass der Tatbestand des quasi-negatorischen Beseitigungsanspruchs nach §§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. dem Mitgliedschaftsverhältnis erfüllt ist. (1) Rechtswidrige Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsverhältnisses Die Gesellschaft muss zunächst durch die unterlassene Listenkorrektur das Mitgliedschaftsverhältnis des Anspruchstellers rechtswidrig beeinträchtigen. Die Mitgliedschaft ist rechtswidrig beeinträchtigt, wenn der materiell berechtigte Gesellschafter nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist und damit in mitgliedschaftlichen Angelegenheiten nicht als Gesellschafter gilt, insbesondere keine mitgliedschaftlichen Rechte ausüben kann. Der formale Inhalt der Gesellschafterliste muss also von der wahren Rechtslage abweichen. Üblicherweise wird dieses Tatbestandsmerkmal streitentscheidend sein. (2) Zurechnung des rechtswidrigen Zustandes Zusätzlich muss für einen entsprechenden Anspruch der rechtswidrige Zustand, also die Unrichtigkeit der Liste, infolge eines der Gesellschaft zurechenbaren Verhaltens eingetreten oder aufrechterhalten sein.293 Zurechenbar ist der Gesellschaft die 290 BGH GmbHR 2014, 198 (201) – Tz. 32 ff. m. w. N.; Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038 (2039 f.); Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 11; siehe ferner oben Kapitel 4 A. I. 1. a). 291 So Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 59. Der Notar kann seine eigene Liste aber selbst korrigieren; vgl. LG Berlin notar 2016, 125 – juris Rn. 38 ff. 292 Heckschen, NZG 2019, 1097 (1099); Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 40 Rn. 53 f.; siehe aber LG Düsseldorf NZG 2018, 782: Eine Beschwerdemöglichkeit besteht nicht, wenn nach erfolgter notarieller Tätigkeit, Einreichung und Aufnahme einer notariellen Liste ein Beteiligter vom Notar die Korrektur dieser Liste verlangt; zustimmend Spranzel, Die fehlerhafte GmbH-Gesellschafterliste, S. 88. 293 BGH NJW 1996, 845 (846); Fritzsche, in: BeckOK/BGB, § 1004 Rn. 58.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Unrichtigkeit, wenn die Geschäftsführer die Liste wegen ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht zu korrigieren haben, die Listenkorrektur aber trotzdem unterbleibt. Da es die Geschäftsführer selbst in der Hand haben, unrichtige Listen zu korrigieren, und sie zur Korrektur wegen ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht auch angehalten sind, wird der Gesellschaft die Unrichtigkeit der Listen – und damit der rechtswidrige Zustand – auch zurechenbar sein. Mit der Zurechnung der Listenposition hat diese deliktsrechtliche Tatbestandsvoraussetzung freilich nichts zu tun. Insbesondere beurteilt sich die Frage nach der Zurechenbarkeit nach objektiven Kriterien. Auf ein Verschulden des Störers kommt es für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB nicht an.294 Berufen sich die Geschäftsführer im Prozess etwa darauf, dass sie an der Unrichtigkeit der Liste Zweifel hatten, schließt das allenfalls eine persönliche Inanspruchnahme der Geschäftsführer aus, nicht aber den Korrekturanspruch gegen die Gesellschaft als Zustandsstörerin bei tatsächlicher Unrichtigkeit. Im Übrigen müssen neben der objektiven Unrichtigkeit der Liste keine weiteren (Verfahrens-)Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Geschäftsführer handlungspflichtig werden und die Zurechenbarkeit des rechtswidrigen Zustandes bejaht werden kann. Für die Listenänderung durch die Geschäftsführer infolge einer Veränderung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird dies teilweise aber anders gesehen. Denn nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG sind bei Listenänderungen grundsätzlich Mitteilung und Nachweis erforderlich, bevor die Geschäftsführer tätig werden müssen. Es sei daher nach Auffassung des OLG Frankfurt zunächst eine Klage auf Zustimmung zur Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG gegen den Listengesellschafter zu erheben; es gelte das formelle Konsensprinzip.295 Erst im Anschluss könnte die unmittelbare Listenänderung eingeklagt werden. Diese Ansicht unterstellt ein formelles Konsensprinzip, das im Grundbuchrecht (§ 19 GBO) anerkannt, der Gesellschafterliste aber fremd ist.296 Denn § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG erwähnt nicht, wer die Mitteilung abzugeben hat, also auch nicht, dass sie von dem Eingetragenen stammen muss. Die Funktion des § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG erschöpft sich vielmehr darin, mit einem Mindestmaß an Verfahrensanforderungen korrekte Listen sicherzustellen. Überdies überzeugt ein formelles Konsensprinzip auch nicht unter prozessökonomischen Erwägungen. Der Kläger müsste zunächst gegen den Listengesellschafter und anschließend u. U. gegen die Gesellschaft prozessieren, wobei in beiden Klagen jeweils die materielle Rechtsstellung zu klären wäre. Sofern richtigerweise die direkte Klage gegen die Gesellschaft zugelassen wird, ist der Listengesellschafter nicht unbillig benachteiligt. Er kann seine Rechte durch den Beitritt zu dem Verfahren als Nebenintervenient nach den §§ 66 ff. ZPO wahren.297 Wendet man sich daher zu Recht gegen das formelle Konsensprinzip, kann die „Mitteilung“ auch 294

BGH NJW 1990, 2058 (2059); Berger, in: Jauernig, BGB, § 1004 Rn. 7. OLG Frankfurt BeckRS 2013, 12870. 296 Wie hier KG NZG 2019, 913 (914); Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 135; Lieder, GmbHR 2016, 189 (192 f.); a. A. Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 20. 297 Lieder, GmbHR 2016, 189 (192 f.). 295

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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von dem Anspruchsteller, der sich als materiell berechtigt geriert, übermittelt werden. Eine tatsächliche und rechtliche Hürde für die Anspruchsentstehung sind Mitteilung und Nachweis nicht. Im Anspruchsverlangen gegenüber der Gesellschaft wird typischerweise die Mitteilung enthalten sein. Im Ergebnis überschneidet sich also diese zweite Voraussetzung der Zurechenbarkeit mit der unter (1) genannten. Die Unrichtigkeit löst den Anspruch aus. Einzige Voraussetzung des Korrekturanspruchs ist in der Symbiose beider Anforderungen also die objektive Unrichtigkeit der Liste. dd) Anspruchsrichtung und Anspruchsinhalt Der Anspruch des wahren Gesellschafters ist unmittelbar auf Listenkorrektur gerichtet. Das gilt in den Fällen der Listenänderung, aber auch für die Listenkorrektur i. e. S., obwohl letztere grundsätzlich erst nach Anhörung der Beteiligten erfolgt.298 Die Anhörung ist Bestandteil des korrekten Verfahrensablaufs, muss aber nicht notwendigerweise vor Erhebung des materiellen Korrekturanspruchs durchgeführt worden sein. Inhaltlich bedeutet der Korrekturanspruch, dass der Geschäftsführer eine korrigierte Liste zu erstellen hat und diese zum Handelsregister einzureichen hat. Technisch wird der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter also anders als nach § 67 Abs. 3 Alt. 1 AktG im Aktienrecht oder § 395 FamFG für Registereintragungen – weil nicht gesetzlich vorgesehen –299 nicht „gelöscht“, sondern er scheint in der aktuellen Liste lediglich nicht mehr auf. b) Durchsetzung des Anspruchs im Hauptsacheverfahren Der Korrekturanspruch des wahren Gesellschafters gegen die Gesellschaft kann gerichtlich im Wege der Leistungsklage durchgesetzt werden.300 Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen hat dabei der Kläger zu beweisen.301 Hat die Klage Erfolg, ist die Listenkorrektur durch einen Geschäftsführer als zuständiges Organ vorzunehmen. Weigert er sich, kann er durch die Anordnung von Zwangsgeld oder Zwangshaft ohne vorherige Androhung des Zwangsmittels (§ 888 Abs. 2 ZPO) zur Listenkorrektur angehalten werden, § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO. § 894 ZPO greift nicht, da die Korrektur der Liste keine Willenserklärung, sondern eine tatsächliche

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Siehe zum Verfahren bei der Listenkorrektur i. e. S. oben Kapitel 4 A. I. 2. c). KG ZIP 2016, 1383; s. a. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 360. 300 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 102; Lieder, GmbHR 2016, 189 (190 ff.). 301 Vgl. B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (467); grundlegend zur Beweislast des Eingriffs im Rahmen von § 1004 BGB Rosenberg, Beweislast, S. 154. 299

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Handlung darstellt.302 Nach der Listenkorrektur ist der wahre Gesellschafter in die Liste eingetragen und damit relativer Gesellschafter. Neben der Leistungsklage und vor Listenkorrektur kann der wahre Gesellschafter seine Interessen nicht gleichzeitig durch eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO verfolgen.303 Er wird als Kläger daher nicht gegenüber der Gesellschaft mit Erfolg die Feststellung begehren können, dass er Gesellschafter ist. Es fehlt das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO, da durch die Gesellschafterliste bereits Rechtsklarheit geschaffen wird.304 Im Übrigen dürfen die Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durch eine Feststellungsklage nicht ausgehebelt werden. Zulässig ist u. U. aber eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO, mit der festgestellt werden soll, dass der Kläger wahrer Gesellschafter der Gesellschaft ist.305 Zur Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage ist kein Feststellungsinteresse, sondern die Vorgreiflichkeit für die Hauptklage erforderlich.306 Vorgreiflichkeit wird anzunehmen sein, wenn die Entscheidung über den Antrag der Leistungsklage (Listenkorrektur) – wie in aller Regel – davon abhängt, wer materieller Gesellschafter der Gesellschaft ist.307 Zweckmäßig wird es vielfach sein, die Zwischenfeststellungsklage mit der Leistungsklage im Wege der objektiven Klagenhäufung nach § 260 ZPO zu verbinden.308 Eine weitere Möglichkeit des Anspruchsberechtigten ergibt sich aus der Natur des registerrechtlichen Zwangsgeldverfahrens. Weigert sich der Geschäftsführer, eine Listenkorrektur vorzunehmen, hat das Registergericht bei glaubhafter Kenntnis von der Nichteinreichung einzureichender Listen dem Geschäftsführer309 nach § 388 Abs. 1 FamFG, §§ 14 Satz 1, 12 Abs. 2 HGB unter Androhung eines Zwangsgeldes aufzugeben, innerhalb einer bestimmten Frist die Listenkorrektur und -einreichung vorzunehmen.310 Der Anspruchssteller kann dieses Verfahren nutzen, indem er die 302

(192).

Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 103; Lieder, GmbHR 2016, 189

303 Siehe etwa OLG Hamm, Urteil v. 13. 2. 2012, 8 U 118/11; OLG Hamm GmbHR 2014, 935; Lieder, GmbHR 2016, 189 (193). 304 Ausdrücklich OLG Hamm, Urteil v. 13. 2. 2012, 8 U 118/11 – juris Rn. 53. 305 Siehe OLG Hamm GmbHR 2014, 935; Lieder, GmbHR 2016, 189 (194 f.). 306 Siehe OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (936) unter Verweis auf BGHZ 69, 37 = NJW 1977, 1673. 307 OLG Hamm GmbHR 2014, 935 (936). 308 Lieder, GmbHR 2016, 189 (194). 309 Ob die Zwangsgeldandrohung auch gegen Notare, die ihre Verpflichtung aus § 40 Abs. 2 GmbHG nicht erfüllen, möglich, ist streitig; dafür etwa OLG Köln GmbHR 2014, 28 ff.; dagegen OLG München GmbHR 2009, 825 (826) (noch zu § 132 Abs. 1 FFG a. F. [jetzt § 388 Abs. 1 FamFG]); J. Heinemann, DNotZ 2014, 390 ff.; krit. auch Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 358 m. w. N. 310 Vgl. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 358; J. Heinemann, in: Keidel, FamFG, § 388 Rn. 10a; Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (705); Wicke, GmbHG, § 40 Rn. 8.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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Gerichte von der Weigerung einer Listenkorrektur unterrichtet und dadurch versucht, die glaubhafte Kenntnis bei den Gerichten hervorzurufen.311 Als effektives Rechtsschutzinstrument taugt die Anregung bei unklaren Sachverhalten aber wenig. Denn dann wird das Gericht von einer erforderlichen Korrektur trotz des Vortrags des Betroffenen regelmäßig nicht überzeugt sein. Die Maßnahmen im Zwangsgeldverfahren sind folglich allenfalls ergänzend hinzuzuziehen.312 c) Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Gesellschaft, §§ 935 ff. ZPO Besteht Streit über die Unrichtigkeit der Liste und wird eine Leistungsklage – ggf. verbunden mit einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO – erhoben, kann die Liste nicht sofort geändert werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache kann eine erhebliche Zeitspanne vergehen, die der Noch-Listengesellschafter als legitimierter Gesellschafter zulasten des materiell-rechtlichen Gesellschafters ausnutzen könnte. Schon während des Prozesses ist dem Kläger daher einstweiliger Rechtsschutz gegen die Gesellschaft zu gewähren.313 aa) Grundsätzliches In der ZPO sind einstweilige Verfügungen in den §§ 935, 940 ZPO vorgesehen. § 935 ZPO regelt die sog. Sicherungsverfügung, § 940 ZPO die sog. Regelungsverfügung. Zusätzlich ist noch die sog. Leistungsverfügung anerkannt, die über § 940 ZPO (analog)314 gewonnen wird. Sicherungsverfügungen beziehen sich „auf den Streitgegenstand“ (§ 935 ZPO), also auf den zu sichernden Anspruch.315 Hierum geht es aber bei dem erstrebten einstweiligen Rechtsschutz des wahren Gesellschafters nicht. Er will nicht den Anspruch auf Listenkorrektur selbst einstweilen sichern. Auch ohne einstweilige Verfügung besteht nämlich kein erhebliches Risiko, dass der Korrekturanspruch während des Prozesses vereitelt werden könnte. Denkbare Gefahr 311 Hält das Gericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für geboten, hat es von Amts wegen nach § 26 FamFG die weiteren Tatsachen zu ermitteln; vgl. BayObLGZ 1978, 319 (322) zu § 12 FFG a. F. (jetzt § 26 FamFG) und § 132 Abs. 1 FFG a. F. (jetzt § 388 Abs. 1 FamFG). 312 Zur Parallelität der Optionen Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (705). 313 Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (701); Dittert, NZG 2015, 221 (223); siehe aber wohl anders Altmeppen, ZIP 2009, 345 (353), der an der Wirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG festhält und die Beteiligten auf einen Streit untereinander verweist. 314 Die Anspruchsgrundlage der Leistungsverfügung ist strittig, siehe Schilken, in: Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 76 Rn. 10 ff. (Unterfall der Regelungsverfügung); Grunsky, ZPO, F. Stein/Jonas, 22. Aufl. 2002, Vor § 935 Rn. 31 (Rechtsfortbildung; in Nachauflage nicht wiederholt); Knöringer/Kunnes, Assessorklausur im Zivilprozess, § 26 Rn. 26.08 (§ 940 ZPO analog). Wegen der allgemeinen Anerkennung der Leistungsverfügung kann der Streit aber auch dahinstehen, so auch Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 940 Rn. 1; Knöringer/Kunnes, Assessorklausur im Zivilprozess, § 26 Rn. 26.08; zur Leistungsverfügung s. a. Fest, NJW 2012, 428 (429). 315 Schilken, in: Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 76 Rn. 2 f.

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für den Anspruchsteller wäre aber, dass der Listengesellschafter den betroffenen Anteil vor der Korrektur an einen gutgläubigen Dritten abtritt. Dann wäre der Dritte materieller Gesellschafter geworden und der zuvor materiell berechtigte Anspruchssteller hätte die Gesellschafterstellung und damit seinen Korrekturanspruch verloren. Diesem Verlust kann der wahre Gesellschafter allerdings zuvorkommen, wenn er der Liste einen Widerspruch i. S. d. § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG durch einstweilige Verfügung zuordnen lässt. Diese Sicherungsmaßnahme ergeht nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern gegenüber dem Listengesellschafter,316 und ist daher eine eigenständige Schutzmöglichkeit, die neben die hier zu besprechenden einstweiligen Verfügungen gegen die Gesellschaft tritt. Der wahre Gesellschafter will durch einstweiligen Rechtsschutz im Verhältnis zur Gesellschaft nicht der Vereitelung des Korrekturanspruchs vorbeugen, sondern vielmehr verhindern, dass der Listengesellschafter bis zur Entscheidung als relativer Gesellschafter zu dem Nachteil des Klägers auftreten kann. Konkret steht daher nicht der Korrekturanspruch selbst im Streit, sondern das „Rechtsverhältnis“ (§ 940 ZPO) zwischen dem Kläger und der beklagten Gesellschaft. Der einstweilige Rechtsschutz im Verhältnis zur Gesellschaft ist nicht im Wege der Sicherungsverfügung, sondern durch die Regelungs- (bb)) und ggf. Leistungsverfügung (cc)) zu erreichen.317 Verfügungsadressat ist dabei stets die Gesellschaft (dd)). bb) Regelungsverfügung, § 940 ZPO Eine Regelungsverfügung wird das Gericht nur erlassen, wenn der Antragsteller gemäß §§ 940, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO einen Verfügungsanspruch (Rechtsverhältnis) und Verfügungsgrund glaubhaft machen kann. Die Glaubhaftmachung bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen; die Privilegierung des § 16 Abs. 3 Satz 5 GmbHG greift nicht.318 (1) Verfügungsanspruch Der Antragsteller muss zunächst glaubhaft machen, dass er der materiell berechtigte Gesellschafter ist und ein Anspruch auf Korrektur der Liste aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. dem Mitgliedschaftsverhältnis gegen die Gesellschaft besteht. Gelingt ihm diese besondere Art der Beweisführung (§ 294 316 Vgl. etwa KG ZIP 2010, 2047 ff.; OLG Jena GmbHR 2013, 145 (146); Lieder, GmbHR 2016, 271 (276) m. w. N. 317 Teilweise wird neben dem einstweiligen Rechtsschutz durch das Gericht der Hauptsache (§ 937 Abs. 1 ZPO) die spezielle registergerichtliche einstweilige Anordnung nach § 49 FamFG bejaht; vgl. Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704 ff.); siehe hierzu auch Spranzel, Die fehlerhafte GmbH-Gesellschafterliste, S. 85 ff. 318 Dittert, NZG 2015, 221 (223); Lieder, GmbHR 2016, 271; vgl. zu den allgemeinen Grundsätzen etwa Schilken, in: Rosenberg/Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 76 Rn. 13.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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ZPO), steht das zu regelnde Rechtsverhältnis (Mitgliedschaftsverhältnis) fest.319 Schafft er es dagegen nicht, bleibt es bei der insoweit uneingeschränkten Anordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Der Antragsteller muss die Entscheidung in der Hauptsache abwarten. (2) Verfügungsgrund Problematisch wird zudem regelmäßig sein, inwieweit der Antragsteller einen Verfügungsgrund, also die Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit der Verfügung zur Erhaltung seiner Rechte, glaubhaft machen kann. Daran fehlt es, wenn der Antragsteller durch eine spätere Verwirklichung seines Rechts im Hauptsacheverfahren ausreichend geschützt ist.320 Ob der Antragsteller vorliegend durch das Hauptsacheverfahren ausreichenden Schutz genießt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Zutreffend ist zwar, dass der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter zu dem Nachteil des Anspruchstellers während des Prozesses als relativer Gesellschafter auftreten kann. Damit ist gleichwohl noch nicht gesagt, dass er es auch tun wird. Möglich ist, dass konkrete Anzeichen für einen Missbrauch der unberechtigten Listenstellung fehlen. Eine Regelungsverfügung wird dann kaum dringlich sein. Es ist also im Einzelfall die Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit zu beurteilen.321 (3) Inhalt der Regelungsverfügung – Abwägung Die Frage nach dem „Ob“ der Regelungsverfügung wird durch die Voraussetzungen des Verfügungsanspruchs und Verfügungsgrundes geklärt. Nicht minder bedeutend ist aber, „wie“ eine entsprechende Regelungsverfügung inhaltlich ausgestaltet sein kann. Dies bestimmt sich gemäß § 940 ZPO danach, welche Verfügung nötig erscheint. Eine klare und präzise Antwort ist schwierig. Welche Regelungsverfügung im Einzelfall erforderlich ist, wird anhand einer Abwägung zwischen den Interessen des Antragsgegners und der von der Regelung betroffenen Interessen Dritter, namentlich des Listengesellschafters und der Gesellschaft, zu entscheiden sein.322 Dabei werden ebenfalls der Grad der Dringlichkeit und die Gefährdung der Rechtsposition des Antragstellers Bedeutung erlangen. In der Gesamtschau hat sich die Regelungsverfügung in das Listenprinzip einzufügen.

319

Die schlüssige Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs wurde etwa bejaht in KG ZIP 2010, 2047 (2048 ff.) – allerdings in einem Rechtsstreit zwischen dem wahren Gesellschafter und dem Listengesellschafter. 320 Drescher, in: MüKoZPO, § 940 Rn. 10; D. Fischer, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 940 Rn. 3. 321 Ähnlich Lieder, GmbHR 2016, 271 f.; den Verfügungsgrund großzügig bejahend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 101; Dittert, NZG 2015, 221 (223). 322 Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (9); allgemein statt vieler Schilken, in: Rosenberg/Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 76 Rn. 12 m. w. N.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

(a) Kein zulässiger Regelungsinhalt Eine Regelungsverfügung widerspricht von vornherein dem Listensystem und darf daher nicht ergehen, wenn sie eine Legitimation außerhalb der Liste schafft. Sie darf also nicht auf vorläufige Behandlung des Antragstellers als Gesellschafter lauten.323 Zu begrüßen ist, dass einstweilige Anträge, die hierauf gerichtet waren, bislang stets abgewiesen wurden.324 Trotzdem wiederholt das KG beharrlich, ein wahrer Gesellschafter, der nicht mehr in der Liste aufscheint, könne unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO beantragen, ihn einstweilen weiterhin als Gesellschafter zu behandeln.325 Entscheidungserheblich war ein solcher Antrag in den zugrunde liegenden Entscheidungen vor dem KG aber bislang nicht. In welchem konkreten Fall ein solcher Antrag gestellt werden kann, ließ das KG unbeantwortet. Jedenfalls würden solche Anträge sachlich von vornherein nicht überzeugen, da sie der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 1 GmbHG zuwiderliefen.326 Gerichte dürfen durch die einstweilige Anordnung der „vorläufigen Behandlung des Antragstellers als Gesellschafter“ keine relative Gesellschafterstellung außerhalb der Liste schaffen. Für den Rechtsverkehr wäre ansonsten nicht mehr erkennbar, ob der Listengesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft berechtigt ist. Rechtsunsicherheiten wären die Folge. Im Übrigen ist es unter Rechtsschutzaspekten nicht notwendig, das strenge Listenprinzip durch einzelne gerichtliche Anordnungen zu durchbrechen. Besteht im Einzelfall das dringende Bedürfnis, dem Antragsteller die relative Gesellschafterstellung zu verschaffen, so können mittels der Leistungsverfügung die Geschäftsführer zur vorläufigen Einreichung der korrigierten Gesellschafterliste verpflichtet werden.327 Zudem kann der wahre Gesellschafter im Verhältnis zu dem Listengesellschafter ergänzend Rechtsschutz suchen.328 In beeindruckender Sachlichkeit und Präzision hat so das LG Heidelberg in seinem Urteil vom 9. 5. 2018 formuliert, dass einstweilige Verfügungen des Inhalts, den Verfügungskläger wie einen Gesellschafter zu behandeln, unzulässig sind; sie nehmen die Hauptsache vorweg und missachten überdies noch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.329 Zu Recht wurde stattdessen 323 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216); i. Erg. ähnlich OLG München BWNotZ 2021, 470 (478): hoher Stellenwert von positiver und negativer Legitimationswirkung; wohl auch Dittert, NZG 2015, 221 (223); S. Fischer, GmbHR 2018, 1257 (1262); a. A. B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (468); ebenso Wolfer/Adams, GWR 2014, 339 (340 f.), die eine solchen Inhalt zulassen wollen, ihn aber regelmäßig als nicht „nötig“ ansehen. 324 Ausdrücklich OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216); OLG Jena NZG 2017, 136; im Ergebnis auch KG ZIP 2010, 2047 (2051). 325 KG ZIP 2010, 2047 (2051); KG GmbHR 2016, 416 – juris Rn. 2; KG GmbHR 2016, 416 ff. – juris Rn. 19; so wohl auch OLG Jena NZG 2017, 136. 326 Vgl. OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216). 327 Dittert, NZG 2015, 221 (223); Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8 f.); s. a. unten unter Kapitel 4 C. III. 1. c) cc). 328 Siehe unten Kapitel 4 C. III. 1. d). 329 LG Heidelberg, Urteil v. 9. 5. 2018, 12 O 19/18 KfH – juris Rn. 44.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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der Antrag auf vorläufige Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste anerkannt.330 (b) Konkret zulässiger Regelungsinhalt Schwieriger bleibt es, den konkret zulässigen Inhalt möglicher Regelungsverfügungen zu benennen. Zulässig sind Verfügungen, die nicht unmittelbar in die Regelungsanordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingreifen. So kann etwa durch einstweilige Verfügung der Vollzug einschneidender Gesellschafterbeschlüsse untersagt werden, insbesondere von Struktur- oder Einziehungsbeschlüssen, an denen der Noch-Listengesellschafter mitgewirkt hat.331 Hat der Kläger danach in der Hauptsache Erfolg, kann er als neuer Listengesellschafter die Aufhebung des außer Vollzug gesetzten Gesellschafterbeschlusses mitbeschließen, sofern die hierzu erforderliche Abstimmungsmehrheit besteht. Eine andere Möglichkeit wäre es, durch eine einstweilige Verfügung die Abstimmung über einen streitigen Abstimmungspunkt zeitlich zu verschieben. Erst wenn in der Hauptsache rechtskräftig entschieden ist, darf die Gesellschafterversammlung die anstehenden Beschlüsse – ggf. unter Mitwirkung des Antragstellers als neuem Listengesellschafter – fassen. Diese Variante besteht aber nur, wenn durch den Zeitverlust keine wesentliche Schädigung der Gesellschaft oder der Gesellschafter droht.332 Des Weiteren kann die Regelungsverfügung (negativ) der Gesellschaft versagen, den betroffenen Listengesellschafter für bestimmte Rechtshandlungen oder vollständig als relativen Gesellschafter zu behandeln. Die einstweilige Verfügung kann z. B. darauf gerichtet sein, dem Eingetragenen die Ausübung von Gesellschafterrechten zu verbieten oder zu beschränken, also etwa von der Zustimmung des Verfügungsgläubigers abhängig zu machen.333 Ziel der Verfügungen ist es, die Schaffung vollendeter Tatsachen zulasten des Antragstellers zu verhindern.334 Damit entsteht kein Widerspruch zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, da keine relative Gesellschafterstellung außerhalb der Liste geschaffen wird, sondern dem Listengesellschafter lediglich seine Legitimation abgesprochen wird. Die von der Anordnung betroffenen Rechte stehen während des Hauptsacheverfahrens den Prätendenten nicht zu. Rechtsunsicherheiten für die Gesellschaft, die ja Antragsgegnerin und damit informiert ist, bestehen durch die Anordnung nicht. „Ruht“ der in Streit befindliche Anteil aus dem beschriebenen Grunde, besteht die Gefahr, dass die übrigen 330

LG Heidelberg, Urteil v. 9. 5. 2018, 12 O 19/18 KfH – juris Rn. 37 ff. Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (10); siehe allgemein zur Untersagungsanordnung an eine GmbH hinsichtlich des Vollzugs eines Einziehungsbeschlusses OLG Hamm NJW-RR 2001, 105 (106 ff.). 332 Sie allgemein zur Möglichkeit der zeitlichen Verschiebung von Gesellschafterbeschlüssen Drescher, in: MüKoZPO, § 935 Rn. 46. 333 Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (703); S. Fischer, GmbHR 2018, 1257 (1263). 334 Dittert, NZG 2015, 221 (223), der insoweit von „Unterlassungsverfügung“ spricht. 331

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Gesellschafter zulasten des wahren Rechtsinhabers des ruhenden Anteils Handlungen vornehmen. Um dies zu verhindern, kann in mehrgliedrigen Gesellschaften für den Zeitraum des Streits über die materielle Berechtigung eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1913 BGB durch die Beteiligten angeregt werden.335 Ausschließlich zuständig zur Anordnung der Pflegschaft von Amts wegen ist nach §§ 341, 272 Abs. 1 Nr. 3 FamFG das AG, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt.336 Damit ist in der Regel das AG – Betreuungsgericht – am Sitz der Gesellschaft gemeint, da typischerweise dort Gesellschafterrechte ausgeübt werden und insoweit (gegenstandsbezogen auf den Vermögenswert des GmbH-Anteils)337 das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt. Die Pflegschaft nach § 1913 BGB ist zwar nicht in die Gesellschafterliste einzutragen. Weil aber durch die Pflegschaftsanordnung neben den betroffenen „Gesellschaftern“ auch die Befugnisse und Rechte der Gesellschaft tangiert werden (z. B. Gewinnbezugsrecht, Teilnahme- und Stimmrecht), ist auch die Gesellschaft nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG unmittelbar von dem Verfahren der Pflegschaftsanordnung betroffen und damit als Beteiligte heranzuziehen. Die Gesellschaft hat folglich von der Pflegschaft Kenntnis und kann insoweit auch ohne Publizität der Liste die Anordnung beachten. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Welche Maßnahme das Gericht konkret anordnen wird, kann von verschiedenen Faktoren abhängen, nämlich von der Größe des in Streit stehenden Anteils an der Gesellschaft und von bestehenden Mehrheitsverhältnissen,338 ob eine Ein- oder Mehrpersonengesellschaft Antragsgegnerin ist, inwieweit konkrete Anzeichen für ein schädigendes, nachteiliges Verhalten des Listengesellschafters festzustellen sind339 und ob der Listengesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer ist. Relevant ist sicherlich auch, ob der Antragsteller in Bezug auf einen anderen Geschäftsanteil Listengesellschafter ist und daher an Gesellschafterversammlungen ohnehin teilnehmen kann.340 Die inhaltliche Ausgestaltung und Reichweite entsprechender Verfügungen bestimmt sich folglich nach dem Einzelfall. Gesellschafterverhältnisse und -strukturen sind komplex und erfordern daher individuelle Regelungen im einstweiligen Rechtsschutz. Gelingt dem Antragsteller die Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs und Verfügungsgrundes, sind die Gerichte gefordert. Sie müssen anhand der beschriebenen Kriterien eine treffende Anordnung inhaltlich ausgestalten. 335

Grundlegend Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (706); ebenso Lieder, GmbHR 2016, 271 (273); Wolfer/Adams, GWR 2014, 339 (341). 336 Die an sich nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 FamFG vorrangige örtliche Zuständigkeit des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen scheidet bei einer Pflegschaft für unbekannte Beteiligte naturgemäß aus, so dass auf § 272 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zurückzugreifen ist; Giers, in: Keidel, FamFG, § 341 Rn. 4. 337 Vgl. allg. zur gegenstandsbezogenen Bestimmung bei § 272 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Giers, in: Keidel, FamFG, § 341 Rn. 4. 338 Vgl. KG ZIP 2010, 2047 (2052). 339 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1215). 340 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1215).

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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cc) Leistungsverfügung, § 940 ZPO analog Trotz der beschriebenen Rechtsschutzmöglichkeiten durch die Regelungsverfügung wäre dem Interesse des Antragstellers am besten geholfen, wenn das Gericht die Geschäftsführer vorläufig zur Listenkorrektur mittels Leistungsverfügung verpflichten könnte.341 Nach der Aufnahme der Liste wäre der Antragsteller vorläufig Listengesellschafter, käme in den Genuss der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und könnte demzufolge die mitgliedschaftlichen Rechte ausüben. Die Leistungsverfügung ist wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutz nicht unproblematisch. Interessen des Noch-Listengesellschafters werden durch eine Leistungsverfügung vollständig ausgeblendet. Er verliert vorläufig seine Listenposition und damit die relative Gesellschafterstellung. Gerechtfertigt ist eine solche einseitige Bevorzugung der Interessen des Antragstellers nur durch gewichtige und herausragende Gründe.342 Eine solche (teilweise) vorläufige Befriedigung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Antragsteller auf die Anspruchsverwirklichung so dringend angewiesen ist und andernfalls so erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden würde, dass ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist.343 Es muss eine „existenzielle Notlage“344 des Antragstellers bestehen. Wann der Antragsteller sich derart existenziell in Not befindet, ist nicht leicht zu bestimmen. Durch die inhaltlich flexible Ausgestaltung einer Regelungsverfügung kann dem Listengesellschafter im Einzelfall doch sogar die Ausübung der Mitgliedsrechte verboten werden. Regelmäßig wird eine Leistungsverfügung daher nicht erforderlich sein.345 Teilweise wird weitergehend zu Unrecht festgestellt, dass eine solche Leistungsanordnung niemals relevant wird, da die Einreichung einer bestimmten Gesellschafterliste nur angeordnet werden könne, wenn unzweifelhaft feststeht, dass die einzureichende Liste richtig sei und dieser Grad von Gewissheit naturgemäß im vorläufigen Rechtsschutz nicht erlangt werden könne.346 Diese Sichtweise verkennt, dass der Grad der Gewissheit nur ein Aspekt unter vielen, aber nicht der alles entscheidende, ist, der für die Abwägung zur Zulässigkeit der Leistungsverfügung herangezogen wird. Im Übrigen ist die Leistungsverfügung als 341 Zur Zulässigkeit der Listenkorrektur im einstweiligen Verfahren OLG München BWNotZ 2021, 470 (478); Michels/Palinkasch, NZG 2022, 69 (72); Dittert, NZG 2015, 221 (223); Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (8 f.); Lieder, GmbHR 2016, 271 (275 f.); Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704). 342 Unter Verweis auf Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Lieder, GmbHR 2016, 271 (275). 343 OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 123 f.; D. Fischer, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 940 Rn. 4. 344 Ausdrücklich OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 123 (124); von „Existenzgefährdung“ spricht speziell zur Leistungsverfügung im GmbH-Recht KG ZIP 2015, 2047 (2051). 345 Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1 (9); Lieder, GmbHR 2016, 271 (276); restriktiv auch KG ZIP 2010, 2047 (2051); großzügiger Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704 f.). 346 KG GmbHR 2016, 416 ff. – juris Rn. 18.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Gegenstück zur zulässigen einstweiligen Untersagung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zu begreifen und daher ebenfalls zuzulassen.347 Die einstweilige Listenkorrektur kann etwa nach einer überwiegend wahrscheinlich rechtswidrigen Einziehung von Anteilen denkbar sein, wenn die Einziehung bereits in der Liste vollzogen wurde.348 Ferner mag sie relevant werden, wenn das bloße Verbot der Rechtsausübung durch den Listengesellschafter und die Anordnung der Pflegschaft nach § 1913 BGB für den Rechtsschutz nicht genügen. Zu denken ist an Konstellationen, in denen gerade der Sachverstand des Anspruchsstellers zu einer bestimmten Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte erforderlich ist, damit die GmbH nicht wirtschaftlich ausgehöhlt und im Extremfall sogar insolvent (§§ 17 ff. InsO) wird. Weigert der Listengesellschafter sich die GmbH zu retten, muss vorläufig der Anspruchsteller als relativer Gesellschafter handeln können. Die sofortige Einreichung und Aufnahme der Liste – ggf. Zug um Zug gegen Bewilligung eines Widerspruchs nach § 16 Abs. 3 GmbHG – muss angeordnet werden. Ein ebensolcher Anwendungsfall der Leistungsverfügung wurde jüngst in der bereits oben angesprochenen Entscheidung vom LG Heidelberg in ansprechender und überzeugender Klarheit bejaht.349 Ein Gesellschafter einer zweigliedrigen Gesellschaft mit paritätischer Beteiligung zog den Anteil des Mitgesellschafters rechtswidrig ein und erreichte die Aufnahme der geänderten Liste, die den „ausgeschlossenen“ Gesellschafter nicht mehr aufführte. Da die Gesellschaft in finanzielle Schieflage geriet, jede Verzögerung das gemeinsame Projekt, den Aufbau einer Systemgastronomie, gefährden würde und daher nicht wieder gut zu machende Nachteile drohten, wurde die Einreichung einer Korrekturliste Zug um Zug gegen Bewilligung eines Widerspruchs gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG einstweilen angeordnet.350 Durch diese Anordnung treten auch keine Verzögerungen ein, etwa weil der einzutragende Listengesellschafter erst die Aufnahme der Liste nicht abzuwarten bräuchte. Er kann bereits vor der Aufnahme der Liste in das Handelsregister handeln, wenn die Liste unverzüglich nach der Rechtshandlung des Gesellschafters in das Handelsregister aufgenommen wird. Seine Handlungen gelten nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG analog351 als von Anfang an wirksam.

347

So OLG München BWNotZ 2021, 470 (478) unter Verweis auf BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 – Tz. 39; ebenso Michels/Palinkasch, NZG 2022, 69 (72). 348 OLG München BWNotZ 2021, 470 (478); hierzu Michels/Palinkasch, NZG 2022, 69 (72). 349 LG Heidelberg, Urteil v. 9. 5. 2018, 12 O 19/18 KfH. 350 LG Heidelberg, Urteil v. 9. 5. 2018, 12 O 19/18 KfH. 351 Die Analogie ist erforderlich, weil § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine „vom Erwerber“ vorgenommene Rechtshandlung voraussetzt. Der neue Listengesellschafter erwirbt den Anteil aber nicht von dem vormaligen Listengesellschafter, sondern er hat seine materielle Gesellschafterstellung niemals verloren. Er ist also kein „Erwerber“. Der Rechtsgedanke des § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist im Interesse der Handlungsfähigkeit des neu einzutragenden Listengesellschafters auf die Korrekturfälle aber übertragbar.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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dd) Adressat der einstweiligen Verfügungen Die einstweilige Verfügung ist ebenso wie die Klage im Hauptsacheverfahren gegen die Gesellschaft und nicht gegen den Listengesellschafter zu richten.352 Denn die Beteiligten im Verfahren der einstweiligen Verfügung sind dieselben wie im Hauptsacheverfahren.353 Einstweilige Verfügungen gegenüber den Listengesellschaftern sind zwar ebenfalls möglich, allerdings nur, wenn im Hauptsacheverfahren gegen den Listengesellschafter vorgegangen wird. Von vornherein nicht zulässig sind dagegen einstweilige Verfügungen gegen den Notar. Denn § 15 Abs. 2 BNotO regelt abschließend den Rechtsweg und die Verfahrensart für den Rechtsschutz bei einer Amtsverweigerung durch den Notar.354 d) Rechtsschutz gegenüber dem Listengesellschafter Wiewohl die Korrekturansprüche gegen die Gesellschaft zu richten sind, so kann sich ein (vermeintlich) materiell berechtigter Gesellschafter ergänzend auch direkt gegen drohende nachteilige Rechtshandlungen des Listengesellschafters zur Wehr setzen, etwa wenn letzterer Gesellschafterbeschlüsse zulasten des Anspruchsstellers fassen will. Er kann dann zwar von dem Listengesellschafter keine Listenkorrektur verlangen. Allerdings wird er die Unterlassung der nachteiligen Rechtsakten (v. a. Mitwirkung an Beschlüssen) ihm gegenüber beanspruchen (aa)) und sodann den Anspruch gerichtlich durchsetzen und sichern (bb)) können. aa) Unterlassungsanspruch Der materiell-rechtliche Gesellschafter hat auch gegen den Listengesellschafter einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. dem Mitgliedschaftsverhältnis.355 Der Anspruch ist als Unterlassungsanspruch in erster Linie darauf gerichtet, die Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte durch den Listengesellschafter zu beschränken oder zu verbieten, soweit dadurch die behauptete Gesellschafterstellung des wirklichen Ge-

352 Vgl. zu einem Fall des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Gesellschaft zur Sicherung der Listenkorrektur OLG München GmbHR 2015, 1214. 353 OLG Brandenburg BWNotZ 2020, 56 (58) unter Verweis auf § 926 ZPO; allg. Bruns, ZPO, F. Stein/Jonas, Vor § 935 Rn. 20. 354 OLG Stuttgart DNotZ 1982, 644; OLG Düsseldorf DNotZ 1983, 703; Hertel, in: Festschrift 200 Jahre Notarkammer Pfalz, S. 167 (168 f.); siehe ferner LG Düsseldorf NZG 2018, 782: § 15 Abs. 2 BNotO gilt nicht, wenn von Notar die Korrektur einer von ihm eingereichten Liste verlangt wird. 355 Vgl. grundlegend Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (703 f.); ebenso Lieder, GmbHR 2016, 189 (194). Zu denken wäre darüber hinaus an einen Anspruch aus einem Kausalgeschäft zwischen dem wahren Gesellschafter und dem Listengesellschafter, vgl. Lieder, GmbHR 2016, 189 (194).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

sellschafters beeinträchtigt werden könnte.356 Der Anspruch auf Unterlassung ist schon gegeben, wenn erstmalig eine Beeinträchtigung durch den Listengesellschafter droht. Eine Unterlassung „weiterer“ Beeinträchtigungen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) meint nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht, dass schon eine Beeinträchtigung stattgefunden haben muss.357 Prozessual wird der Unterlassungsanspruch im Wege der Leistungsklage durchgesetzt.358 Der Unterlassungsanspruch zielt nicht auf eine Listenkorrektur.359 Klagt der wahre Gesellschafter nur diesen Anspruch ein und fordert nicht von der Gesellschaft parallel die Listenkorrektur, kann dem Listengesellschafter zwar die Ausübung der Gesellschafterrechte untersagt werden. Die Gesellschaft ist an die Entscheidung zwischen dem wahren Gesellschafter und dem Listengesellschafter aber nicht gebunden. Sie kann den Listengesellschafter nach wie vor als relativen Gesellschafter nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG behandeln. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes ist dem wahren Gesellschafter daher zu raten, jedenfalls auch gegen die Gesellschaft die Listenkorrektur einzuklagen und ggf. eine einstweilige Verfügung ihr gegenüber zu beantragen. Die Gesellschaft darf dann den Listengesellschafter nur entsprechend des Inhalts der Verfügungsanordnung als relativen Gesellschafter behandeln.360 bb) Einstweiliger Rechtsschutz Der Unterlassungsanspruch kann im einstweiligen Rechtsschutz mittels Sicherungs- oder Regelungsverfügung gesichert werden.361 Der Antragsteller kann zunächst beantragen, dem Listengesellschafter (Antragsgegner) die Ausübung seiner Gesellschaftsrechte einstweilen zu untersagen.362 Dadurch wird das Begehren des Anspruchstellers vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache befriedigt. Diese 356 Lieder, GmbHR 2016, 189 (194); Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (703). Denkbar wäre es auch, dem Kläger durch den Anspruch ein Instrument an die Hand zu geben, damit er den Listengesellschafter zur Mitwirkung bei der Listenkorrektur (Abgabe der Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG) zwingen kann. Das ist nach hier vertretenem Verständnis aber überflüssig. Er wird stattdessen direkt den Anspruch auf Listenkorrektur gegenüber der Gesellschaft geltend machen. 357 Siehe etwa Raff, in: MüKoBGB, § 1004 Rn. 302. 358 Lieder, GmbHR 2016, 189 (194). 359 Vgl. Lieder, GmbHR 2016, 189 (194). 360 Vgl. BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979 – zur Bindung der Gesellschaft an einstweilige Verfügungen im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 GmbHG. 361 Die Regelungsverfügung nach § 940 ZPO ist möglich, obwohl streng dogmatisch zwischen dem wahren Gesellschafter und dem Listengesellschafter kein zu regelndes Rechtsverhältnis vorliegt. Es genügt aber, dass der Antragsteller die Möglichkeit seiner Rechtsinhaberschaft glaubhaft macht; vgl. Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704). 362 Zur Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung im Anwendungsbereich des § 1004 BGB siehe etwa OLG Dresden NJW 2005, 1871; Fritzsche, in: BeckOK/BGB, § 1004 Rn. 147; Raff, in: MüKoBGB, § 1004 Rn. 332.

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vorläufige, zeitlich begrenzte Befriedung gegenüber der Gesellschaft erinnert an Leistungsverfügungen, die nur in sehr engen Extremfällen in Betracht kommen.363 Unterlassungsverfügungen sind aber trotz der vorläufigen Befriedigungswirkung nicht den Leistungsverfügungen gleichzustellen. Sie haben anders als Leistungsverfügungen abwehrenden Charakter, werden für einen begrenzten Zeitraum beantragt und stehen folglich den Sicherungsverfügungen i. S. d. § 935 ZPO näher.364 Praktische Konsequenz ist, dass sie nicht den strengen Voraussetzungen der Leistungsverfügungen unterliegen. Erforderlich ist aber dennoch gemäß §§ 935, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO die Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs und -grundes. Die Anordnung der vorläufigen Untersagung muss stets wegen drohender Nachteile dringlich sein. Fehlt es an dieser Dringlichkeit, können auch minderinvasive Maßnahmen Erfolg versprechen. Ein weniger einschneidender Antrag kann im Einzelfall beispielsweise auf Anordnung eines unbeschränkten Wettbewerbsverbots gegenüber dem Listengesellschafter gerichtet sein.365 Im Übrigen bestimmt das Gericht gemäß § 938 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. 2. Erhaltung der Listenposition Die Frage nach (einstweiligem) Rechtsschutz kann ebenso in der umgekehrten Situation virulent werden, nämlich wenn die Gesellschaft die nach ihrer Ansicht unrichtige Liste korrigieren, der Listengesellschafter sich aber dagegen wehren möchte. Naturgemäß kann der Listengesellschafter gegen eine drohende Listenkorrektur nur aktiv werden, wenn er hiervon Kenntnis hat. In der Regel wird dies wegen des vor der Korrektur durchzuführenden Anhörungsverfahrens nicht problematisch sein.366 Die Erhaltung der Listenposition wird der Listengesellschafter effektiv erreichen können, wenn er einen Anspruch hierauf hat (a)) und diesen Anspruch sowie seine Interessen rasch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sichern kann (b)). a) Anspruch auf Erhaltung der Listenposition Dem Listengesellschafter, der tatsächlich der wahre Gesellschafter ist, steht nach allgemeiner Meinung ein Anspruch auf Untersagung der Listenkorrektur gegen die 363

Vgl. etwa OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 29 (Cerebro Card) sowie oben Kapitel 4 C. III. 1. c) cc). 364 Allgemein Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 940 Rn. 1; speziell Lieder, GmbHR 2016, 271 (275) (Sicherungsanordnung nach § 935 ZPO). 365 Vgl. zur Anordnung eines unbeschränkten Wettbewerbsverbots gegen Mitgesellschafter KG ZIP 2010, 2047 (2051 f.). Der Fall betraf allerdings nicht eine einstweilige Verfügung gegen einen zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter, sondern gegenüber Mitgesellschaftern. 366 Zu problematischen Fällen, wenn sich der Geschäftsführer über das Korrekturverfahren hinwegsetzt, siehe unten Kapitel 4 D. I. 3. d) bb).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Gesellschaft zu.367 Woraus der Anspruch dogmatisch gewonnen werden soll, wird unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird er aus der gesellschaftlichen Treuepflicht hergeleitet.368 Andere sehen ihn als quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch nach §§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. dem Mitgliedschaftsverhältnis.369 Der Streit um die richtige Anspruchsgrundlage ist akademischer Natur. Beide Ansprüche begreifen doch die Mitgliedschaft als Maßstab und Quelle der Anspruchsvoraussetzungen. Sofern trotzdem zwischen den Meinungen entscheiden werden soll, scheint inhaltlich überzeugend eher die zweite Auffassung, die zu Recht die Untersagung einer Handlung (hier: der Listenkorrektur) mit einem Unterlassungsanspruch durchsetzt. Steht ein rechtswidriges Korrekturvorhaben durch die Geschäftsführer im Raum, kann der Betroffenen im Wege der Leistungsklage gegen die Gesellschaft als (Handlungs-)Störerin370 vorgehen. b) Einstweiliger Rechtsschutz Die Ergebnisse des Hauptsacheverfahrens kann der wahre Gesellschafter durch einstweiligen Rechtsschutz sichern. Insbesondere wenn die Gesellschaft die Korrektur erkenntlich vornehmen will, der Kläger (Listengesellschafter) die anstehende Korrektur aber für falsch hält, ist er neben dem Hauptsacheverfahren auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen. Denkbar sind Sicherungs- (aa)) und Regelungsverfügungen (bb)) sowie die Anregung an das Registergericht, die Aufnahme der neuen Gesellschafterliste abzulehnen, oder das Aufnahmeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorübergehend auszusetzen (cc)). aa) Unterlassungsverfügung als Sicherungsverfügung, § 935 ZPO Der Listengesellschafter könnte an erster Stelle eine Unterlassungsverfügung gegen die Gesellschaft beantragen.371 Bei Erfolg der Verfügung wird der Antragsteller vorläufig befriedigt. Die Listenkorrektur wird der Gesellschaft vorläufig untersagt. Dadurch wäre der Listengesellschafter bis zu dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens geschützt. Allerdings bindet die Untersagungsverfügung im Ausgangspunkt nur die Gesellschaft, nicht aber das Registergericht. Die Registergerichte dürfen die Gesellschafterlisten aber aufgrund der Untersagungsverfügung

367 Vgl. BGH GmbHR 2014, 198 (202) – Tz. 39; KG GmbHR 2018, 361 (363); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rn. 100; Lieder, GmbHR 2016, 271 (273 f.); Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704); B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (467). 368 B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (467). 369 So Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704). 370 Vgl. Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (704); ferner B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (467). 371 Vgl. BGH GmbHR 2014, 198 (202) – Tz. 39; Lieder, GmbHR 2016, 271 (275 f.); Voß, jurisPR-HaGesR 4/2014 Anm. 3, D. 4).

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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zurückweisen, wenn der Betroffene nach § 16 Abs. 2 HGB analog widerspricht.372 Wird mangels Widerspruchs des Betroffenen oder unter Missachtung des § 16 Abs. 2 HGB analog (z. B. weil § 16 Abs. 2 HGB vom Registergericht im Einklang mit der Ansicht des KG373 nicht für anwendbar gehalten wird) die Liste trotz Anordnung einer einstweiligen Untersagungsverfügung aufgenommen, darf sich die Gesellschaft nicht auf deren Rechtswirkung berufen (§ 242 BGB).374 Die beantragte Unterlassungsverfügung wird in der Regel durch das Gericht angeordnet, wenn ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wurde, also das Gericht nach umfangreicher Interessenabwägung gemäß § 938 Abs. 1 ZPO in freiem Ermessen davon ausgehen darf, dass alleine die Untersagung zur Sicherung des Anspruchstellers erforderlich ist. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes können im Einzelfall hoch sein.375 Entscheidend sind auch die Erfolgsaussichten des Unterlassungsanspruch im Hauptsacheverfahren und die Frage, ob die Rechte des Listengesellschafters nicht in einfacherer Weise geschützt werden können.376 Kommt allerdings ein minder invasiver Weg zu dem Schutz der Interessen des Listengesellschafters in Betracht, scheidet eine Untersagungsverfügung regelmäßig aus. bb) Nachträglicher Rechtsschutz durch die Regelungsverfügung Sofern eine Untersagungsverfügung vom Gericht für nicht erforderlich angesehen wird, ist es der Gesellschaft nicht verwehrt, die Liste in ihrem Sinne zu „korrigieren“ und dem Antragsteller die Listenposition zu entziehen. Der Antragsteller kann unverzüglich nach der „Korrektur“ gegen die Richtigkeit der Gesellschafterliste einen Widerspruch nach § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG zuordnen lassen. Dadurch wird der gutgläubige Wegerwerb verhindert. Der Widerspruch hat allerdings keine Auswirkungen auf die relative Gesellschafterstellung.377 Neben der Widerspruchsmöglichkeit kann der Antragsteller seine Interessen durch Beantragung einer Rege372

Otto, GmbHR 2018, 367; Bayer/Selentin, GmbHR 2020, 1 (5 f.); Bayer, in: Festschrift Marsch-Barner, 2018, S. 35 (42); Kleindiek, GmbHR 2017, 815 (821 f.); Fluck, GmbHR 2017, 67 (69 f.); Lieder/Becker, GmbHR 2019, 505 (506); a. A. KG GmbHR 2016, 416: § 16 Abs. 2 HGB gilt nur für Eintragungen in das Handelsregister, nicht für die Aufnahme von Dokumenten in den Registerordner; im Erg. ebenso KG GmbHR 2018, 361. 373 GmbHR 2016, 416. 374 BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979; Miller, ZIP 2020, 62 (67); siehe dazu unten Kapitel 4 D. II. 3. b) bb). 375 Siehe etwa OLG München NZG 2021, 293 (294); dazu Könen/Dietlein/Schubert, NZG 2021, 771 ff. 376 B. Wagner, GmbHR 2016, 463 (468); Lieder, GmbHR 2016, 271 (275); s. a. Voß, jurisPR-HaGesR 4/2014 Anm. 3, D. 4), der den Unterlassungsverfügungen oftmals das Rechtsschutzbedürfnis (Verfügungsgrund) abspricht. 377 OLG München GmbHR 2015, 1214 (1216); OLG Frankfurt GmbHR 2017, 868 (872); BT Drucks. 16/6140, S. 39; ebenso etwa Kort, GmbHR 2009, 169 (175); Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (701 f.).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

lungsverfügung verfolgen (sog. nachträglicher Rechtsschutz).378 Eine einstweilige Regelung kommt dort in Betracht, wo das Schutzbedürfnis des Betroffenen nicht so weit reicht, dass eine Untersagung der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste möglich ist.379 Zur Bestimmung des konkreten Inhalts solcher Regelungen können die oben dargelegten Maßstäbe für den einstweiligen Rechtsschutz des Nichtlistengesellschafters herangezogen werden.380 Die Situationen sind identisch: Der Anspruchsteller steht nicht mehr in der Liste, geriert sich aber als materieller Gesellschafter. Es wird auch hier die Aufgabe der Gerichte sein, die Sachverhalte zu erforschen und unter Abwägung der gegenläufigen Interessen nach den Umständen des Einzelfalles geeignete und angemessene Regelungen zu treffen. cc) Anregungen an das Registergericht Neben der Beantragung einstweiliger Verfügungen könnte der Listengesellschafter auch direkt bei dem Registergericht anregen (§ 24 FamFG), die von den Geschäftsführern eingereichte „Korrekturliste“ zurückzuweisen oder deren Aufnahme nach den §§ 21 Abs. 1, 381 FamFG auszusetzen. Denn ohne Aufnahme entsteht keine Legitimationswirkung. Der Listengesellschafter kann aber weder die Zurückweisung noch die Aussetzung der Aufnahme durch Antrag (§ 23 FamFG) erzwingen, sondern beides lediglich anregen.381 Effektiven Rechtsschutz verspricht eine Anregung nicht. Zudem ist völlig unklar, unter welchen Voraussetzungen die Registergerichte befugt sind, die Listen zurückzuweisen. Das belegen unzählige zu dieser Thematik ergangenen Judikate.382 Losgelöst von der Zurückweisung hat das 378 BGH GmbHR 2014, 198 (202) – Tz. 39 a. E. („einstweilige Regelung“); Lieder, GmbHR 2016, 271 (275). 379 BGH GmbHR 2014, 198 (202) – Tz. 39 a. E. 380 Siehe oben Kapitel 4 C. III. 1. c) bb) (3). 381 Die Zurückweisung und Aussetzung des Verfahrens stehen im Ermessen des Gerichts und können grundsätzlich nicht auf null reduziert werden. Zu § 21 FamFG vgl. OLG Rostock FGPrax 2012, 74 unter Hinweis auf Sternal, in: Keidel, FamFG, § 21 Rn. 8; ebenso Munzig, in: BeckOK/FamFG, § 381 Rn. 16. Ausnahmsweise kann das Ermessen auf eine Aussetzungspflicht reduziert sein, wenn die Voraussetzungen einer Sachentscheidung im auszusetzenden Verfahren nicht geklärt werden können, vgl. OLG Rostock FGPrax 2012, 74. 382 Zurückweisungen durch das Registergericht wurden gebilligt etwa in: BGHZ 191, 84 = GmbHR 2011, 1269; GmbHR 2015, 526; OLG München GmbHR 2009, 825; OLG München GmbHR 2009, 1211; OLG Bamberg GmbHR 2010, 594; OLG Hamburg GmbHR 2011, 32; OLG Köln GmbHR 2011, 141; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198; OLG Jena GmbHR 2011, 980; OLG München GmbHR 2012, 39; OLG München GmbHR 2013, 269; OLG Hamm GmbHR 2016, 1090; OLG Rostock GmbHR 2017, 523; OLG München GmbHR 2018, 35; OLG Nürnberg GmbHR 2018, 86; OLG Nürnberg GmbHR 2018, 256; KG GmbHR 2019, 1070; KG GmbHR 2020, 774; Zurückweisungen durch das Registergericht wurden beanstandet etwa in: BGH GmbHR 2011, 474; BGHZ 199, 270 = GmbHR 2014, 248; OLG Hamm GmbHR 2010, 205; OLG Jena GmbHR 2010, 598; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 823; OLG Düsseldorf GmbHR 2011, 417; OLG Zweibrücken GmbHR 2012, 689; KG GmbHR 2019, 585; OLG Bremen GmbHR 2020, 218; OLG Hamm GmbHR 2020, 708; OLG Düsseldorf GmbHR 2020, 703.

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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OLG Hamburg im Übrigen zu § 21 FamFG zutreffend hervorgehoben, dass eine Aussetzung der Listenaufnahme bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich ohnehin ausgeschlossen ist.383 Das Registergericht hat formal richtige Listen aufzunehmen, formal unrichtige zurückzuweisen. Für eine Verfahrensaussetzung ist im Anwendungsbereich der Listenaufnahme (§ 40 GmbHG) dagegen kein Platz. Das ist sachlich richtig, da von einer Aussetzung des Verfahrens zwangsläufig nur der Anregende profitieren würde.384 Die Interessen des neu einzutragenden Gesellschafters wären vollständig ausgeblendet. Im Ergebnis bleibt in Anbetracht der vorstehenden Unwägbarkeiten einziger effektiver einstweiliger Rechtsschutz die Beantragung einstweiliger Verfügungen bei dem Gericht der Hauptsache (§ 937 Abs. 1 ZPO) und nicht die Anregung an das Registergericht. 3. Beseitigung der falschen Listenposition Nicht nur der sich als materieller Gesellschafter gerierende Prätendent bedarf des gerichtlichen Schutzes. Ebenfalls mögen Situationen entstehen, in denen ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter diesen erbittet. Angesprochen sind im Wesentlichen haftungsrechtliche Tatbestände. Der relative Gesellschafter hat schließlich für alle mitgliedschaftlichen Pflichten einzustehen. Er wird von seiner mitgliedschaftlichen Haftung für bestehende und künftige Verbindlichkeiten allerdings frei, wenn die Liste korrigiert wird.385 Der Listengesellschafter verspürt so ein gesteigertes Interesse seine Listenkorrektur gerichtlich durchzusetzen. Hierfür ist erforderlich, dass ihm ein Anspruch auf Korrektur der Liste zusteht (siehe a)). Denn die Listenkorrektur kann er weder als legitimierter Gesellschafter selbst vornehmen (hierzu ist er nicht zuständig) noch kann er die Geschäftsführer kraft Mehrheitsbeschlusses zur Korrektur anweisen.386 Diesen Korrekturanspruch muss er zudem gerichtlich geltend machen können (siehe b)). a) Anspruch auf Listenkorrektur Der erforderliche Anspruch des Listengesellschafters auf Listenkorrektur gegen die Gesellschaft ist allgemein anerkannt.387 Woraus sich aber die Anspruchsgrundlage ergibt, ist unklar. 383

OLG Hamburg GmbHR 2014, 1321; zustimmend Lieder, GmbHR 2016, 189 (190). Schlosser, in: Festschrift G. H. Roth, S. 695 (706). 385 Siehe oben Kapitel 3 B. III. 3. a). 386 Gegen ein Anweisungsrecht Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 180; Lieder, GmbHR 2017, 520 (521); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 148; a. A. wohl Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 38 („GfterBeschl möglich, der GFührer zur Korrektureinreichung anhält“); offengelassen BGH GmbHR 2017, 519 (520). 387 Siehe etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 26; Lieder, GmbHR 2016, 189 (190 f.); Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 523. 384

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Zunächst können die oben bejahten Anspruchsgrundlagen zur Listenkorrektur durch einen materiell-rechtlichen Gesellschafter nicht für die Listenkorrektur eines zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafters herangezogen werden. Weder auf einen Anspruch aus dem Mitgliedschaftsverhältnis als solches noch auf die §§ 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. dem Mitgliedschaftsverhältnis kann der Anspruch gestützt werden.388 Der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter ist kein Mitglied im materiellen Sinne. Ihm ist lediglich die mitgliedschaftliche aktive und passive Ausübungsbefugnis über § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zugeordnet. Sie ist ein „Weniger“ und gerade nicht mit dem Mitgliedschaftsverhältnis deckungsgleich. Zudem kann anstelle der Mitgliedschaft nicht die bloße formale Gesellschafterstellung als sonstiges Recht i. S. d. §§ 1004, 823 BGB analog angesehen werden. Ein sonstiges Recht besteht nur, wenn eine rechtlich geschützte Position die Charakteristika anderer unter § 823 Abs. 1 BGB fallender Güter oder Rechte aufweist, nämlich einen Zuweisungsgehalt und eine Ausschlussfunktion kennt.389 Schon ersteres kommt nach der dogmatischen Konstruktion nicht dem Listengesellschafter, sondern ausschließlich dem materiellen Rechtsinhaber zu. Schließlich wird vorgeschlagen, die Anspruchsgrundlage aus dem Sinn und Zweck der relativen Gesellschafterstellung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG390 oder aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen dem formalen Gesellschafter und der GmbH herzuleiten, das durch die Listenposition begründet wird.391 Mit dem Verweis auf Sinn und Zweck ist allerdings wenig gewonnen, da aus dem telos alleine typischerweise keine Anspruchsgrundlagen hergeleitet werden. Dem Verweis auf das gesetzliche Schuldverhältnis ist der richtige Gedanke immanent, dass eine irgendwie geartete Beziehung zwischen dem Listengesellschafter und der Gesellschaft bestehen muss. In der Tat kann wohl zwischen der Gesellschaft und dem Listengesellschafter ein gesetzliches Schuldverhältnis sui generis konstruiert werden, kraft dessen der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter die Listenkorrektur verlangen kann. Denn wenn der Listengesellschafter aufgrund der Legitimationswirkung sogar aus der Gesellschaft austreten und so den materiellen Anteil zu dem Erlöschen bringen kann,392 dann muss er kraft des durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vermittelten gesetzlichen Schuldverhältnisses erst recht bei Fortbestehen der Mitgliedschaft lediglich aus seiner formalen Position „austreten“ können (argumentum a fortiori).

388

A. A. wohl Lieder, GmbHR 2016, 189 (191). Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 4) a) (S. 392). 390 Ähnlich Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 26; s. a. Altmeppen, ZIP 2009, 345 (353). 391 Fell, GmbH-Gesellschafterliste, S. 523. 392 Siehe hierzu oben Kapitel 3 B. I. 3. b). 389

C. Ausreichender Schutz der Individualinteressen

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b) Aktiv- und Passivprozess Dieser Anspruch kann gerichtlich im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden (Aktivprozess). Neben dem Vorgehen im Hauptsacheverfahren ist zur Sicherung der Interessen des Listengesellschafters darüber hinaus kein einstweiliger Rechtsschutz erforderlich. Jedenfalls fehlt es regelmäßig am Verfügungsgrund. Denn wenn die Gesellschaft von dem Listengesellschafter die Erbringung rückständiger Leistungen einfordert, kann er ihr den Korrekturanspruch, im Passivprozess im Wege der Widerklage entgegenhalten.393 Zulässig ist daneben eine negative Zwischenfeststellungswiderklage.394 Solange unklar ist, ob der Listengesellschafter der wirkliche Gesellschafter ist, muss die Entscheidung über die Widerklage abgewartet werden. Die bestehende Vakanz in Bezug auf einen Einlageschuldner ist hinzunehmen.395 Bei erfolgreicher Widerklage wird der Gesellschaft aufgegeben, die Liste zu korrigieren. Nach der Listenkorrektur hat der vormals falsche Listengesellschafter für keine mitgliedschaftlichen Pflichten mehr einzustehen.396 Hat die Widerklage aber keinen Erfolg, wird die Liste nicht korrigiert, der Listengesellschafter ist nach Rechtskraft der Entscheidung zur Einlageerbringung verpflichtet und hat Verzugszinsen sowie möglicherweise entstandene Verzögerungsschäden wegen der zu späten Einlageerbringung (z. B. Aufwendungen für ein Brückendarlehen) zu ersetzen.397 Macht der Listengesellschafter demnach von dem zivilprozessualen Instrument der Widerklage Gebrauch, überlagert das Prozessrecht während der Rechtshängigkeit der Widerklage die passive Ausübungsbefugnis des relativen Gesellschafters. Mitgliedschaftsrechte wird er aber in den Grenzen von Treu und Glauben ausüben dürfen. 4. Zwischenergebnis Sowohl der materielle als auch der formale Gesellschafter sind wegen der strengen Anwendung der Legitimationswirkung auf eigenständige Rechtschutzersuche angewiesen. Die materiell-rechtlichen und prozessualen Instrumente zur effektiven Rechtsverfolgung werden ihnen durch das Gesellschafts- und Verfahrensrecht zur Verfügung gestellt. Bei unklaren Sachverhalten sind allerdings die Gerichte

393 Altmeppen, GmbHG, § 16 Rn. 57; Lieder, GmbHR 2016, 189 (196); a. A. wohl Wiersch, ZGR 2015, 591 (612), wonach der Listengesellschafter bis zur Löschung seine Nichtberechtigung nicht einwenden könne, siehe auch oben Kapitel 3 B. III. 3. b). 394 Lieder, GmbHR 2016, 189 (196). 395 Zur Kostenverteilung zwischen der GmbH und dem materiell-rechtlichen Gesellschafter nach einer erfolgreichen Widerklage siehe Lieder, GmbHR 2016, 189 (196). 396 Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 3 B. III. 3. a). 397 Vgl. Wiersch, ZGR 2015, 591 (612), der allerdings (auch) den zu Unrecht eingetragenen Listengesellschafter vor der Listenkorrektur als ersatzpflichtig sieht.

252

Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

gefordert. Sie haben die widerstreitenden Interessen der Prätendenten zu einem angemessenen Ausgleich zu führen.

IV. Ergebnis Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Verzicht auf die ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung der Zurechenbarkeit zu einer strengen Anwendung des formalen Listenprinzips nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG führt. Wird ein derart strenges formales Prinzip vertreten, müssen ein betroffener wahrer Gesellschafter und ein zu Unrecht eingetragener Listengesellschafter auf anderem Wege als durch diese teleologische Einschränkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG geschützt werden. Die Individualinteressen werden durch ein dreigliedriges Schutzsystem angemessen berücksichtigt. Erstens stehen der von der unrichtigen Liste betroffenen Person zivilrechtliche Ausgleichs- und Ersatzansprüche zu. Zweitens wird Listenfälschungen und daraus resultierenden Risiken für GmbH-Gesellschafter durch präventive strafrechtliche Sanktionsmechanismen begegnet. Drittens – und das ist der effektivste Schutz – können sich die Betroffenen durch die (einstweilige) prozessuale Rechtsdurchsetzung schützen. Es obliegt dem wahren Gesellschafter oder falschen Listengesellschafter selbst, bei Unrichtigkeit der Gesellschafterlisten die Korrektur anzuleiten. Sie müssen jeweils aktiv werden. Nutzen die betroffenen Personen diese Handlungsmöglichkeit nicht, sind sie nicht schutzbedürftig. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist zu ihren Lasten konsequent. Es obliegt ihnen daher, die Gesellschafterlisten einzusehen und ggf. korrigieren zu lassen. Das dreigliedrige Schutzsystem kompensiert die Ausnahmen, die ansonsten durch das Zurechnungssystem gelten würden – nicht mehr und nicht weniger. Eine abschließende Aussage zu den Grenzen der Legitimationswirkung trifft es nicht.

D. Grenzen des reinen Listensystems Mit der Erteilung einer Absage an die Zurechenbarkeit in § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist noch nicht endgültig entschieden, ob aus anderen als aus Zurechnungsgründen die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste Grenzen erfährt. Eingangs wurde hervorgehoben, dass auch bei fehlerhaftem Eintragungsverfahren – also aus formellen Gründen – und rechtsmissbräuchlichem Verhalten – also aus materiellen Gründen – im Schrifttum Ausnahmen zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG anerkannt sind. Unter Gerechtigkeitsaspekten sind die Grenzen durchaus nachvollziehbar. Ein gewisses Maß an formaler Integrität von Legitimationsträgern und Schutz vor Rechtsmissbrauch hat der Rechtsstaat zu gewähren. Grenzziehungen, die

D. Grenzen des reinen Listensystems

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zur Beeinträchtigung von Rechtssicherheit, Verkehrsschutz und Transparenz führen können, dürfen aber nur bei „schwerwiegenden“398 formellen oder materiellen Verstößen in Erwägung gezogen werden. Das Beharren auf die Legitimationswirkung muss in den zu entscheidenden Sachverhalten unerträglich anmuten. Ansonsten wird das Listensystem und mit ihm die Rechtssicherheit gefährdet. Die Ausnahmetatbestände dürfen insbesondere nicht solche, dem Zurechnungskriterium nahekommende Grenzen in anderem Kleide in das Listensystem einfügen. Hierauf ist in den folgenden Ausführungen zu achten. Die formellen und materiellen Grenzen werden im Folgenden in das sog. reine Listensystem eingeordnet und unter diesem Begriff entwickelt. Das Attribut „rein“ wird verwendet, da die Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage nach dem hiesigen Verständnis unabhängig von Zurechnungsgesichtspunkten Wirkung entfaltet.399 Die terminologische und inhaltliche Nähe zu dem oben dargestellten „reinen Rechtsscheinprinzip“ ist unverkennbar und bewusst gewählt. Formelle Grenzen können sich – wie eingangs angesprochen – alleine aus einem Bedürfnis nach Integrität des Verfahrensablaufs rechtfertigen (siehe I.). Materielle Grenzen sind dagegen erforderlich, wenn in einzelnen Sachverhalten Individualinteressen schwerwiegend, bewusst und gezielt beeinträchtigt werden (siehe II.). Aus dieser Differenzierung resultiert ein unterschiedlicher Grenzmaßstab, der sich kohärent in das Listensystem einzufügen hat und im Gerichtsverfahren bewiesen werden muss (zur Beweislast siehe III.).

I. Formelle Grenzen Ausnahmen aus formalen Gründen können nur in Erwägung gezogen werden, wenn die Interessen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes trotz der Einschränkungen gewahrt bleiben. Wie bereits oben ausgebreitet, will die Literatur die Grenzen aus formellen Gründen im Ausgangspunkt einheitlich bestimmen. Im Verhältnis zur Gesellschaft soll ein Listengesellschafter nur dann als Inhaber des Geschäftsanteils unwiderleglich vermutet werden, wenn die Eintragung in der Gesellschafterliste „im Großen und Ganzen“ ordnungsgemäß erfolgt ist.400 Wann eine Eintragung „im Großen und Ganzen“ korrekt ist, also welche Zuständigkeitsverstöße und Verfahrensfehler (noch) nicht zu dem Ausschluss der Wirkung führen, ist in unzähligen Unteransichten streitig. Die Aufgabe der folgenden Ausführungen ist es, die Maßstäbe zur Bestimmung der formalen Grenzen festzuzurren, um sodann die 398 Ausdrücklich zu Verfahrensfehlern Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 11. 399 So schon zur Terminologie der reinen Vertrauenstatbeständen Westermann, JuS 1963, 1 (6); ebenso Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 I 2 (S. 471) Fn. 14; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, S. 42. 400 Siehe oben Kapitel 4 A. I.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

konkreten formalen Ausnahmen von der Legitimationswirkung einzeln herauszukristallisieren. 1. Rechtssicherheit und Verkehrsschutz als Maßstäbe der formalen Grenzziehung Formale Grenzen sind anerkannt, um rechtspolitischen Bedenken wegen einer zu weitreichenden Legitimationswirkung bei formal fehlerhaft zustande gekommenen Listen entgegenzuwirken.401 Ohne Zweifel fördert die strenge Einhaltung eines geregelten Eintragungsverfahrens die Richtigkeit der Listen. Diese Feststellung darf aber nicht zu dem Fehlschluss führen, dass die Beachtung sämtlicher Verfahrensvorgaben zur Voraussetzung der Legitimationswirkung zu fordern ist. Denn schon nicht alle formalen Voraussetzungen sichern in gleicher Qualität die Richtigkeit der Listen. Überdies verfälscht nicht jeder formale Verstoß die Liste automatisch inhaltlich. Schließlich sind nicht alle Verfahrensverstöße dem Rechtsverkehr ersichtlich und treten nach außen in Erscheinung. Schwierige Rechtsfolgen hätte es, wenn alleine aufgrund eines versteckten und unentdeckt gebliebenen Fehlers im Verfahren die Legitimationswirkung der Listenposition nicht gelten würde. Eine solche Lesart würde zu ähnlichen Unzuträglichkeiten führen, wie die aus diesem Grunde abzulehnende Grenze der Zurechenbarkeit.402 Auf die Aussage der Gesellschafterliste als Legitimationsgrundlage könnte sich der Rechtsverkehr nicht sicher verlassen. Der scheinbare Gewinn für die Integrität der Listen durch vollständig formal richtige Listen wiegt die dadurch provozierten Unsicherheiten nicht auf.403 Statt das Eintragungsverfahren in Gänze in den Fokus zu rücken, lohnt ein Blick an den Wendepunkt des Verfahrens, an dem die Listen veröffentlicht werden, nämlich an die Entscheidung der Registergerichte. Erst an diesem Verfahrensabschnitt entscheidet für alle Listen ein Hoheitsträger verbindlich, ob die Wirkungen mit Aufnahme der Liste eintreten sollen oder nicht. Eine vergleichbare Perspektive nimmt derjenige ein, der die Grenzen des Grundbuchs als reinen Rechtsscheinträger auslotet. Dort wird auf das Grundbuchamt abgestellt. In Grundbuchfällen ist nach der wohl herrschenden Meinung trotz Eintragung eines Bucheigentümers von diesem ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich, wenn für das Grundbuchamt die Unzulässigkeit

401

Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 11. Siehe hierzu ausführlich oben unter Kapitel 4 B. V. 3. c) aa). 403 Diese Rechtsunsicherheiten bei versteckten Verfahrensfehlern wurden auch von Reymann erkannt (BB 2009, 506 [509, 512]). Er will sie aber nicht auf materieller Ebene beheben, sondern im Gerichtsprozess, nämlich dann, wenn die sich auf die Ausnahme berufende Person den Verstoß gegen das Verfahren nicht beweisen kann. Diese Lösung über das Prozessrecht genießt hier keinen Zuspruch. Schon vor Prozessbeginn muss der intendierte Zweck der Norm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, Rechtssicherheit zu schaffen, materiell-rechtlich gewährt werden. So wird ein klarer Rechtsrahmen geschaffen, wodurch künftige Prozesse verhindert werden können und die Justiz entlastet wird. 402

D. Grenzen des reinen Listensystems

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der Eintragung erkennbar war und die Eintragung dennoch vorgenommen wurde.404 Unstreitig gilt dies für inhaltlich unzulässige und unvollständige Eintragungen im Grundbuch.405 Aber auch sonstige, dem Grundbuchbeamten ersichtliche Fehler sollen die Rechtsscheinwirkung der Eintragung ausschalten. Wird etwa der Grundbuchbeamten bedroht und nimmt trotzdem die Eintragung vor, erkennt er den Fehler. Die Eintragung entfaltet also keine Rechtsscheinwirkung.406 Der Vorteil an der Verknüpfung der formalen Grenzziehung mit der Erkennbarkeit für die Registergerichte zeigt sich an folgendem Gedankenspiel. Einen Fehler, den das Gericht unter Zugrundelegung objektiver Sorgfaltsmaßstäbe nicht zu erkennen vermag, kann erst recht nicht vom Rechtsverkehr erkannt werden. Der Rechtsverkehr und v. a. die Gesellschaft dürfen sich im Interesse der Rechtssicherheit auf die Richtigkeit solcher Listen, denen man die Fehlerhaftigkeit nicht ansieht, verlassen. Formale Fehler, die das Registergericht nicht prüfen kann, dürfen daher die Legitimationswirkung nicht beeinträchtigen. Sofern das Registergericht demgegenüber einen formalen Fehler der Eintragung im Rahmen seiner Prüfungsbefugnis identifizieren kann, muss die Listenaufnahme in den Registerordner unterbleiben. Wird sie dennoch vorgenommen, ist darin ein Verfahrensfehler zu sehen, der die Legitimationswirkung beeinträchtigen kann.407 Allerdings überschneidet sich das breite Tableau an Zurückweisungsgründen aus offensichtlich formalen Fehlern nicht vollständig mit den Grenzen der Legitimationswirkung. Es gibt formale Fehler, die zwar zur Zurückweisung durch die Rechtspfleger berechtigen, aber nicht derart schwer wiegen, dass die Versagung der Legitimationswirkung gerechtfertigt wäre. 404 Vgl. etwa BGHZ 7, 64; Herrler, in: Grüneberg, BGB, § 873 Rn. 13; Picker, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 17 ff.; a. A. Lutter, AcP 164 (1964), 122 (154 f.). 405 Vgl. etwa RGZ 88, 21 (27); 98, 215 (219); 113, 223 (231); 130, 64 (67); BGHZ 130, 159 (167) = NJW 1995, 2851 (2854); Herrler, in: Grüneberg, BGB, § 873 Rn. 13; Picker, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 17 ff.; Lieder, AcP 210 (2010), 857 (865 f.); Lutter, AcP 164 (1964), 122 (152 ff.). 406 Ausdrücklich zur Bedrohung eines Grundbuchbeamten in der Nachkriegszeit am 23. 6. 1945, also unmittelbar nach Kriegsende (!): Der Grundbuchbeamte habe bei Verweigerung der Grundbuchblattänderung damit zu rechnen, „an die Wand gestellt zu werden“, vgl. BGH, Urteil v. 11. 07. 1952, V ZR 57/51 – Tatbestand (Anm.: In der zur amtlichen Sammlung aufgenommenen Entscheidung in BGHZ 7, 64 wurde diese Tatbestandspassage ausgespart); ferner Herrler, in: Grüneberg, BGB, § 873 Rn. 13; Picker, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 22; Lieder, AcP 210 (2010), 857 (878 ff.); a. A. aber Lutter, AcP 164 (1964), 122 (154 f.), der nicht auf die Erkennbarkeit des Grundbuchbeamten, sondern eines erwerbsbereiten Dritten abstellt. Etwas anderes ist bei einer dem Beamten nicht erkennbaren Täuschung anzunehmen – die Eintragung gilt; so auch Herrler, in: Grüneberg, BGB, § 873 Rn. 13; Picker, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 22; hier a. A. Lieder, AcP 210 (2010), 857 (878 ff.). 407 Die „Offenkundigkeit“ als Einschränkungskriterium spricht knapp – ohne nähere Ausführungen – bereits Leyendecker-Langner in ZGR 2015, 516 (527) an. Zudem werden mit der Offenkundigkeit Ausnahmen teilweise zutreffend für § 16 Abs. 3 GmbHG gezogen, allerdings mit ausdrücklichem Hinweis, sie würden nicht für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gelten; vgl. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 272

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Die weiteren Ausführungen werden zeigen, welche konkreten formellen Fehler die Legitimationswirkung beeinflussen können. Die Prüfungsbefugnis und -reichweite der Registergerichte stellt dabei die Grundlage für die Bestimmung der legitimationsrelevanten formalen Fehler dar. Hieraus ergibt sich im Grundsatz folgende Differenzierung: Fehler, die das Gericht nicht prüfen kann, hindern die Legitimationswirkung und damit die relative Gesellschafterstellung aus formalen Gründen nicht. Fehler, die dagegen objektiv durch die Registergerichte erkannt werden können, sind ein Indiz für eine formale Ausnahme von der Legitimationswirkung, können aber unter bestimmten Anwendungsfällen trotzdem die relative Gesellschafterstellung auslösen. Die letztgenannten Fälle werden in den nachfolgenden Ausführungen herausgearbeitet. 2. Prüfungskompetenz des Registergerichts – Grundlage für die formelle Grenzziehung Die Reichweite der Prüfungskompetenz von Registergerichten bei der Aufnahme von Gesellschafterlisten in den Registerordner wird facettenreich in zahlreichen Gerichtsentscheidungen und Aufsätzen diskutiert. Die Unstimmigkeiten drehen sich um die Frage, ob das Registergericht nur formal oder auch inhaltlich die Listen prüfen darf. Dieser Streit ist regelmäßig in der gerichtlichen Praxis relevant, wenn das Registergericht eine Liste zurückgewiesen hat und die Beteiligten gegen die Ablehnung der Aufnahme Beschwerde einlegen.408 Es lohnt ein vertiefter Blick auf die Frage, ob das Registergericht die Listen nur aus formalen oder auch aus materiellen Gründen zurückweisen darf. a) Formelles Prüfungsrecht und formelle Prüfungspflicht Allgemein anerkannt ist zunächst ein formelles Prüfungsrecht der Rechtspfleger bei dem Registergericht vor der Aufnahme von Gesellschafterlisten in das Handelsregister.409 Die formelle Prüfung erlaubt es den Gerichten, Gesellschafterlisten 408 Vgl. exemplarisch statt vieler BGH GmbHR 2011, 474; BGHZ 199, 270 = GmbHR 2014, 248; BGH NJW 2018, 2794. 409 So BGHZ 191, 84 (86 f.) = GmbHR 2011, 1269 (1270) – Tz. 10; BGHZ 199, 270 (273 f.) = GmbHR 2014, 248 f. – Tz. 7 ff.; BGH GmbHR 2015, 526 f. – Tz. 7; NJW 2018, 2794 – Tz. 9; KG ZIP 2016, 1383 (1384); OLG München GmbHR 2009, 825 (826); OLG München GmbHR 2009, 1211; OLG Jena GmbHR 2010, 598 (599); OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198 (200); OLG Frankfurt GmbHR 2011, 823 (825 f.); OLG München GmbHR 2012, 1367; OLG München GmbHR 2013, 269; OLG Köln GmbHR 2014, 28; OLG Hamburg GmbHR 2014, 1321 (1322); OLG Rostock GmbHR 2017, 523 (524); OLG Nürnberg GmbHR 2018, 86 (87); OLG Nürnberg GmbHR 2018, 256 (257); KG NZG 2019, 314 (315); KG NZG 2019, 1111 (1112) – Tz. 12; KG GmbHR 2019, 1070; KG GmbHR 2020, 774; DNotI-Report, 2009, 190 (192); Eickelberg/Ries, NZG 2015, 1103 (1107); Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 659; Link, RNotZ 2009, 193 (209); D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1039); Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 40 Rn. 75; Preuß, ZGR 2008, 676 (689); H. Schmidt/Sikora/Tiedtke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, Rn. 330;

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zurückzuweisen, wenn sie nicht den Anforderungen des § 40 GmbHG410 und neuerdings auch denen der GesLV entsprechen.411 Sie haben aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Listen bei relevanten formellen Fehlern zurückzuweisen. An der Schaffung formell fehlerhafter Listen dürfen sie nicht wissentlich mitwirken. Konkret geprüft werden können und müssen nur Voraussetzungen, die für die Registergerichte erkennbar sind, weil nur erkennbare Fehler überhaupt überprüfbar sind. Die Erkennbarkeit bestimmt sich dabei nicht nach der subjektiven Sicht der jeweiligen Registergerichte, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Zu fragen ist, was für ein ordnungsgemäß handelndes, die allgemeine Sorgfalt berücksichtigendes Registergericht erkennbar gewesen wäre. Der Rechtspfleger ist auf die Prüfung der eingereichten Gesellschafterliste beschränkt. Ergänzende Unterlagen benötigt er zur rein formalen Prüfung nicht und darf solche daher nicht verlangen. b) Materielles Prüfungsrecht Wesentlich leidenschaftlicher diskutiert wird das materielle Prüfungsrecht der Registergerichte. Die Frage steht im Raum, ob die Rechtspfleger Gesellschafterlisten auch aus materiellen Gründen zurückweisen dürfen. Teilweise wird vertreten, die Registergerichte dürfen die Aufnahme von Gesellschafterlisten in das Handelsregister ausnahmsweise verweigern, wenn die Angaben in der Gesellschafterliste offenkundig inhaltlich falsch sind412 oder die Gerichte sichere Kenntnis von der Unrichtigkeit haben.413 Insoweit – aber nur insoweit – soll ein materielles Prüfungsrecht bejaht werden.414 Die Registergerichte sollen nicht wissentlich an der Schaffung eines falschen Legitimations- und Rechtsscheinträgers mitwirken dürfen und damit u. U. Schadensersatzansprüche ermöglichen.415 Terlau, in: Michalski et al., GmbHG, § 40 Rn. 41; offengelassen noch von BGH GmbHR 2011, 474 (475) – Tz. 12. 410 Statt vieler BGHZ 191, 84 (86 f.) = GmbHR 2011, 1269 (1270) – Tz. 10; krit. D. Mayer, DB 2009, 1037 (1039); Lieder/Czipuka, GmbHR 2018, 231 (233) (nur formal evidente Fehler sollen zur Zurückweisung ermächtigen; ansonsten Aufnahme der Liste und Zwischenverfügung zur Einreichung korrekter Listen). 411 Cramer, NZG 2018, 721 (723); Miller, NJW 2018, 2518 (2522); Wicke, DB 2017, 2528 (2529). 412 OLG München GmbHR 2009, 825 (826); OLG Köln GmbHR 2014, 28; Link, RNotZ 2009, 193 (209); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 103; Schneider, GmbHR 2009, 393 (394 f.); unklar LG Augsburg NZG 2009, 1032: „Zwar obliegt dem Registergericht keine materielle Prüfung der nach § 40 GmbHG einzureichenden Liste der Gesellschafter. Es hat aber ein Beanstandungsrecht bei inhaltlichen Fehlern (…)“. 413 OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198 (200 f.); OLG Frankfurt GmbHR 2011, 823 (826); Biebinger, GmbHR 2011, 201; Eickelberg/Ries, NZG 2015, 1103 (1107). 414 Noch weiter geht aber Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 362 f., der ein umfassendes materielles Prüfungsrecht und eine entsprechende Prüfungspflicht fordert. 415 Eickelberg/Ries, NZG 2015, 1103 (1107).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Demgegenüber lehnen andere Stimmen in der Rechtsprechung und im Schrifttum ein materielles Prüfungsrecht vollständig ab.416 Hierfür werden gewichtige Argumente angeführt. Bei Erlass des neuen § 16 GmbHG im Zuge des MoMiG wurde beraten, ob den Registergerichten ein umfassendes Prüfungsrecht zugestanden werden soll. Auf Widerstand der Registergerichte, die einen hohen und bürokratischen Prüfungsaufwand befürchteten, wurde davon abgesehen.417 Die Gesellschafterstellung wird nach der aktuellen Rechtslage daher nicht direkt in das Handelsregister eingetragen, was eine umfassende Prüfung der Gesellschafterstellung bedeutet hätte. Sie wird vielmehr über die Gesellschafterlisten ausgewiesen, die eben nicht auf inhaltliche Richtigkeit geprüft werden, sondern in einem ordnungsgemäß einzuhaltenden Verfahren in den Registerordner (§ 9 Abs. 1 HRV) im Handelsregister aufgenommen werden. Dadurch werden gezielt Verzögerungen wegen langwieriger registergerichtlicher Prüfungen verhindert.418 Die Listen werden also von den Registergerichten nur verwahrt, nicht aber umfassend inhaltlich geprüft.419 Für die letztgenannte Ansicht spricht, dass die Voraussetzungen für ein etwaiges inhaltliches Prüfungsrecht unklar sind.420 Registergerichte könnten in Einzelfällen Gesellschafterlisten zurückweisen, wenn sie sich insoweit als prüfungsbefugt ansähen. Es wäre von der eigenen, originären Einschätzungsprärogative der funktional zuständigen Rechtspfleger abhängig, ob Gesellschafterlisten zeitnah aufgenommen werden oder nicht. Die bezweckte zügige Aufnahme wäre gefährdet. Überdies wird diese restriktive Sichtweise durch die klare gesetzgeberische Konzeption untermauert. Für die inhaltliche Richtigkeit haben Geschäftsführer und Notare zu sorgen.421 Bei sorgfaltswidriger Erstellung der Listen sind sie nach § 40 Abs. 3 GmbHG oder § 19 BNotO den Geschädigten zu dem Schadensersatz verpflichtet. Daneben sind die Registergerichte nicht nochmals zur inhaltlichen Prüfung berufen, auch nicht in Evidenzfällen. Liegen Unrichtigkeiten vor, die sofort in das Auge springen, ist an die Korrekturbefugnis der Geschäftsführer zu appellieren, nicht aber an die – in den Voraussetzungen unklare – materielle Prüfung von Registergerichten. Im Ergebnis ist daher ein materielles Prüfungsrecht der Registergerichte abzulehnen, und zwar auch für offenkundige inhaltliche Unrichtigkeiten. Registergerichte dürfen Listen nur aus formalen Gründen zurückweisen. 416 OLG Bamberg GmbHR 2010, 594 (595); DNotI-Report 2009, 190 (191) m. w. N.; Hasselmann, NZG 2009, 486 (490); Kort, GmbHR 2009, 169 (171); D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1039); restriktiv auch Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 354 f.; Herrler, GmbHR 2013, 617 (622); Wachter, NZG 2009, 1001 (1002 f.); wohl auch BGH NJW 2018, 2794 – Tz. 9; grds. ebenso gegen inhaltliches Prüfungsrecht, aber offengelassen für inhaltliches Prüfungsrecht bei sicherer Kenntnis von Unrichtigkeit: BGHZ 199, 270 (281) = GmbHR 2014, 248 (251) – Tz. 23; KG ZIP 2016, 1383 (1385). 417 Dazu Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 651. 418 D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1039). 419 Vgl. etwa BT Drucks., 16/6140, S. 44; KG ZIP 2016, 1383 (1384). 420 Ebenso DNotI-Report 2009, 190 (192); Heidinger, GmbHR 2011, 475 (476). 421 KG NZG 2019, 314 f.

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3. Konkrete formelle Grenzen der Legitimationswirkung a) Vorbemerkung Eine im Ausgangspunkt notwendige, aber nicht hinreichende Orientierung für die formalen Grenzen bietet der Vergleich zu dem Umfang der Prüfung der Listen durch die Registergerichte. In der Rechtsprechung und im Schrifttum haben sich im Wesentlichen drei Fallgruppen herausgebildet, in denen die Registergerichte die Aufnahme von Gesellschafterlisten aus formalen Gründen verweigern dürfen. Erstens dürfen unvollständige Listen zurückgewiesen werden. Gemeint sind insbesondere Listen, bei denen nicht der Mindestinhalt nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG abgebildet ist, eine Unterschrift fehlt,422 die bei Notarlisten nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbHG erforderliche Notarbescheinigung nicht beigefügt ist,423 die seit Mitte 2017 aufzuführenden Prozentangaben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und 3 GmbHG fehlen,424 oder es bei Bereinigungslisten nach § 1 Abs. 4 GesLV an der zwingend vorgeschriebenen Veränderungsspalte gemäß § 2 Abs. 2 GesLV mangelt.425 Zweitens darf die Aufnahme von Listen mit inhaltlich unzulässigen Eintragungen verweigert werden, etwa bei solchen Eintragungen, die eine Veränderung i. S. d. § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nur ankündigen, aber nicht ausweisen.426 Gleiches gilt für Eintragungen, die den zwingenden Vorschriften des § 40 Abs. 1 GmbHG und der GesLV widersprechen und aus diesem Grunde unzulässig sind.427 Drittens dürfen Listen, die von absolut unzuständigen Personen, also weder von Geschäftsführern noch Notaren, erstellt und eingereicht wurden, abgelehnt werden.428 Das gilt auch für Listen, die von einem Geschäftsführer eingereicht werden, 422

Siehe etwa Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, GmbH, Kap. 13 Rn. 659. Siehe Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 22; Wachter, NZG 2009, 1001 (1002), Zudem bejahen das Prüfungsrecht hinsichtlich des Vorliegens einer Notarbescheinigung inzident OLG Jena 2010, 1038; OLG München GmbHR 2009, 825; OLG Stuttgart GmbHR 2011, 542. 424 OLG München GmbHR 2018, 35; Miller, NJW 2018, 2518 (2522); Wicke, DB 2017, 2528 (2529); krit. Lieder/Czipuka, GmbHR 2018, 231 (233) (teleologische Reduktion des Prüfungsumfangs). 425 Miller, NJW 2018, 2518 (2520, 2522). 426 BGHZ 191, 84 (86 ff.) = GmbHR 2011, 1269 (1270 ff.) – Tz. 10 ff.: Eine Gesellschafterliste darf zurückgewiesen werden, wenn sie in der Veränderungsspalte den Vermerk „aufschiebend bedingt abgetreten“ führt; a. A. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 40 Rn. 114 ff. 427 Vgl. BGH GmbHR 2015, 526 (527 ff.) – Tz. 8 ff. (zur Unzulässigkeit von Testamentsvollstreckervermerken); vgl. zu weiteren unzulässigen Eintragungen (Insolvenzvermerk, Nacherbenvermerk, gesetzliche Vertretung etc.) Herrler, NZG 2011, 1321 (1322 f.); Miller, NJW 2018, 2518 (2520 ff.); Wicke, DB 2015, 1094 (1095); großzügiger noch Heidinger, in: Festschrift Stilz, S. 253 (262 ff.). 428 Vgl. BGHZ 199, 270 (273 ff.) = GmbHR 2014, 248 f. – Tz. 9 ff., wonach das Registergericht die Liste nicht zurückweisen darf, wenn sie durch einen ausländischen – im Fall: schweizer – Notar eingereicht wurde; schweizer Notare seien nicht offensichtlich unbefugt, die 423

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

solange er nicht im Handelsregister als „Geschäftsführer“ deklaratorisch eingetragen ist. Denn fehlt die Eintragung des Geschäftsführers im Handelsregister, darf der Rechtspfleger wegen seines nur formalen Prüfungsrechts von fehlender Einreichungsbefugnis ausgehen.429 Anders als in den drei beschriebenen Fallgruppen darf das Registergericht Listen allerdings nicht zurückweisen, wenn es der Auffassung ist, das Eintragungsverfahren sei im Übrigen nicht eingehalten worden. In Abweichung zu dem Grundbuchverfahren trägt das Registergericht hier die Veränderungen in die Gesellschafterlisten nicht selbst ein und kann den Listenerstellungsvorgang daher nicht beurteilen. Vor diesem Hintergrund ist im Folgenden anhand der beschriebenen Fallgruppen darzulegen, wann bei formalen Verstößen, die zur Zurückweisung der Listen berechtigen, tatsächlich auch die Legitimationswirkung versagt werden muss. b) Fallgruppe 1: Unvollständigkeit der Liste Die Gesellschafterlisten müssen den Mindestinhalt nach § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 GmbHG sowie die zwingenden Vorgaben der GesLV wiedergeben. Im Einzelnen ist fraglich, inwieweit die Unvollständigkeit jeweils dazu führt, dass solchen Listen in Ansehung des betroffenen Anteils die Legitimationswirkung abgesprochen werden muss. Im Vordergrund der weiteren Ausführungen steht die Unvollständigkeit wegen fehlender Angaben zur Person oder zu dem Geschäftsanteil sowie wegen fehlender Unterschrift und wegen fehlender Notarbescheinigung. aa) Fehlende oder unrichtige Angaben zur Person Fehlen in der aufgenommenen Liste Angaben zur Person oder sind diese widersprüchlich, kann dies dazu führen, dass die Person des Gesellschafters nicht bestimmt werden kann (z. B. fehlender Nachnahme bei gleichzeitig fehlendem Geburtsdatum). Trotz Listeneintragung kann nicht bestimmt werden, wer als Inhaber eines Geschäftsanteils unwiderleglich vermutet wird. Solche Listen können in Ansehung des unbestimmten Gesellschafters keine Legitimationswirkung auslösen.430 Demgegenüber gilt die Legitimationswirkung, wenn lediglich Angaben zur Person fehlen oder unrichtig sind, die Person aber dennoch zweifelsfrei identifiziert werden kann. Ändern sich also etwa Angaben in der Person, wie z. B. die Firma einer als Gesellschafter eingetragenen Gesellschaft durch Umfirmierung oder Formwechsel, löst auch die noch nicht aktualisierte Liste die Legitimationswirkung aus, Listen einzureichen und daher nicht Dritten gleichzustellen; vgl. auch BGH GmbHR 2015, 526 (527) – Tz. 7. 429 KG NZG 2019, 314. 430 Im Ergebnis so auch Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 70; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 63; Horstkotte, ZInsO 2009, 209 (214); Link, RNotZ 2009, 193 (211); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rn. 30.

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wenn die Person des Gesellschafters zweifelsfrei feststeht. Davon geht auch das OLG Dresden aus, wenn es unausgesprochen einen Gesellschafter, der umfirmiert wurde (konkret „V-M GmbH & Co. KG“ umfirmiert in „M-P GmbH & Co. KG“), als legitimiert ansieht, obwohl die Gesellschafterliste insoweit noch nicht geändert wurde.431 Gleiches gilt bei Namensänderungen von natürlichen Personen, etwa durch Heirat oder Adoption. Darüber hinaus hatte sich das OLG Nürnberg mit einer falschen Namenseintragung in einer Gesellschafterliste und deren Legitimationswirkung im Dezember 2017 zu beschäftigen.432 Im zugrunde liegenden Fall hatte der einreichende Notar den Nachnamen einer Gesellschafterin verwechselt. Er hat nicht die Gesellschafterin „S. V.“ eingetragen, sondern einen falschen Namen („S. D.“) vermerkt. Die fehlerhafte Liste wurde publiziert. Der Streit drehte sich um die Frage, wie der Notar diesen Fehler beheben kann. Hier interessiert der Aspekt, ob das OLG Nürnberg im Rahmen seiner Argumentation der falschen Liste Legitimationswirkung zusprach. Das ist tatsächlich mit einer kargen Formulierung angenommen worden: „Die fehlerbehaftete Gesellschafterliste ist seit 18. 4. 2017 im Registerordner veröffentlicht; ihr kommen seit diesem Zeitpunkt die Rechtswirkungen des § 16 GmbHG zu.“433 Diese Feststellung ist in dieser Pauschalität schwer haltbar. Es kommt für die Legitimationswirkung darauf an, ob der neu aufgenommene Gesellschafter durch die Liste identifiziert werden kann. Das wäre nur der Fall, wenn eine Person mit dem Namen S. D., mit dem gleichen Geburtsdatum und Wohnort der S. V. existieren würde oder aus vorangehenden Listen und anderen veröffentlichten Dokumenten (Gesellschaftsvertrag etc.) erkennbar wäre, dass ein Schreibversehen besteht. Der erstgenannte Zufall ist schwer vorzustellen. Ein Schreibversehen käme dagegen in Betracht. Ausführungen wären hierzu aber hilfreich gewesen, da bei fehlender Identifikation die Liste insoweit keine Legitimationswirkung auslösen kann. bb) Fehlende und unrichtige Angaben zu dem Geschäftsanteil Wie im vorstehenden Absatz ist auch zu differenzieren, wenn Angaben über den Geschäftsanteil fehlen oder widersprüchlich sind.434 Ist nicht klar, welcher Anteil welcher Person zugeordnet ist, etwa weil entgegen der Vorgabe der Nummerie-

431 OLG Dresden GmbHR 2017, 306; siehe ebenso etwa Bayer, GmbHR 2012, 1 (4); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 91; Ising, NZG 2010, 812 (816). 432 OLG Nürnberg GmbHR 2018, 256. 433 OLG Nürnberg GmbHR 2018, 256 (258). 434 In vergleichbarer Weise wird im Grundbuchrecht für die Wirkungen der §§ 892 f. BGB verfahren. Widersprüchliche Eintragungen im Grundbuch heben sich gegenseitig auf und stellen keine Rechtsscheingrundlage dar. Ist aber eine Eintragung unrichtig, die Zuordnung und der Inhalt der Eintragung aber erkennbar, ist das Grundbuch eine für den Redlichkeitsschutz geeignete objektive Rechtsscheinbasis; vgl. Picker, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 13; anders aber OLG Köln NJW-RR 1998, 1630.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

rungskontinuität in § 1 Abs. 2 GesLV Nummern doppelt vergeben werden, kann die Liste keine Legitimationswirkung zeitigen. Die Liste ist dagegen taugliche Legitimationsgrundlage, wenn Angaben in der Liste fehlen, die Zuordnung der Anteile aus der Gesamtschau der Liste aber dennoch möglich ist. Das ist etwa anzunehmen, wenn die nach § 2 GesLV vorgesehene Veränderungsspalte fehlt oder keine Prozentangaben nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und 3 GmbHG angegeben sind. Beide haben ausschließlich informatorische Bedeutung und wirken sich daher nicht auf die Legitimationswirkung aus.435 Gleiches gilt, wenn sowohl der Nennbetrag als auch der prozentuale Anteil jedes einzelnen Geschäftsanteils zwar nicht einzeln in der Liste vermerkt sind, sie sich aber ohne Weiteres aufgrund der restlichen Angaben aus ihr errechnen lassen.436 cc) Fehlende Unterschrift Gesellschaferlisten entfalten von vornherein keine Wirkung, wenn sie nicht unterschrieben wurden. Durch die Unterschrift wird der Gesellschafterliste Authentizität verliehen. Fehlt die Unterschrift, ist die Liste erkennbar unvollständig und daher insgesamt kein tauglicher Legitimationsträger. Es gilt die formal korrekte Vorgängerliste als Legitimationsgrundlage.437 Zudem ist die Liste unvollständig, wenn die Geschäftsführer die Listen in nicht vertretungsberechtigter Zahl unterschrieben haben.438 Insbesondere ist aus dem chronologischen Handelsregisterauszug aufgrund der Eintragungen gemäß §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 39 Abs. 1 GmbHG ersichtlich, wer zur Vertretung der GmbH zu dem Zeitpunkt der Listenerstellung in welchem Umfang vertretungsbefugt war.439 Ebenso ist die Legitimationswirkung Gesellschafterlisten abzusprechen, wenn bei unechter Gesamtvertretung ein Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen die Liste unterzeichnet hat. Diese Form der Stellvertretung genügt – wie oben bereits gesehen440 – für § 40 Abs. 1 GmbHG nicht (argumentum e § 40 Abs. 3 GmbHG). Entsprechend unvollständige Listen können die Legitimationswirkung nicht auslösen.441 Die Geschäftsführer sollen diszipliniert werden, vollständige Listen einzureichen. 435 Vgl. zu Prozentangaben: BR Drucks. 105/18, S. 12; Miller, NJW 2018, 2518 (2522); Wachter, GmbHR 2017, 1177 (1192). 436 Solche Listen sind sogar in das Handelsregister aufzunehmen, vgl. OLG Bremen GmbHR 2020, 218. 437 Ähnlich Reymann, BB 2009, 506 (512). 438 Zum Erfordernis der Erstellung und Einreichung in vertretungsberchtigter Zahl siehe oben Kapitel 4 A. I. 1. a). 439 Anders Ising, NZG 2010, 812 (814), der konstatiert, dass es für Außenstehende nicht (!) erkennbar sei, ob die unterzeichnenden Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl unterschrieben haben. 440 Siehe oben Kapitel 4 A. I. 1. a). 441 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 16; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 77.

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dd) Fehlende Notarbescheinigung? Schließlich ist eine Gesellschafterliste unvollständig eingereicht worden, wenn die für Notarlisten erforderliche Notarbescheinigung fehlt. Das Registergericht darf Notarlisten ohne Bescheinigung nicht aufnehmen. Geschieht es versehentlich doch, ist das Fehlen der Notarbescheinigung aus dem Registerordner erkenntlich. Denkbar wäre daher, solchen Notarlisten ohne Bescheinigung die Legitimationswirkung zu versagen. Diese Folgerung wird aus nachvollziehbaren und überzeugenden Gründen nach allgemeiner Meinung aber nicht gezogen.442 Der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG knüpft die Legitimationswirkung nämlich nur an die Gesellschafterliste, nicht an die Gesellschafterliste mit zugehöriger Notarbescheinigung. Die Notarbescheinigung ist weder Legitimationsträger noch Voraussetzung für die relative Gesellschafterstellung. Aus diesem Grunde wirken solche Notarlisten ohne Bescheinigungen legitimierend, wenngleich sie nicht in den Registerordner hätten aufgenommen werden dürfen. c) Fallgruppe 2: Unzulässige Eintragungen Des Weiteren werden Gesellschafterlisten, die inhaltlich unzulässige Eintragungen aufweisen, nicht von den Registergerichten in das Handelsregister aufgenommen. Werden sie irrtümlicherweise doch veröffentlicht, können sich diese Zusatzeintragungen – ähnlich wie im Grundbuchrecht –443 nicht auf die relative Gesellschafterstellung auswirken. So verhält es sich etwa bei der Ankündigung einer Veränderung in der Liste, ohne dass die Veränderung ausgewiesen wird. Eine Gesellschafterliste, die mit dem Vermerk in der Veränderungsspalte „aufschiebend bedingt abgetreten“ versehen ist,444 kann keine relative Gesellschafterstellung begründen. Aus dieser Liste geht nur hervor, dass eine Abtretung irgendwann wirksam werden könnte, nicht aber, wann dies der Fall ist. Überdies sind unzulässige Vermerke in der Veränderungspalte für die Legitimationswirkung unbeachtlich. Wird etwa unzulässigerweise eine Liste mit einem Testamentsvollstrecker-, Insolvenz- oder Nacherbenvermerk verlautbart, bedeutet dies nicht, dass im Verhältnis zur Gesellschaft eine Testamentsvollstreckung, eine 442

OLG Jena GmbHR 2010, 1038 (1039); OLG Stuttgart GmbHR 2011, 542 (543); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 14; Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 71; Gottschalk, NZG 2009, 896 (898); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 80; Kort, GmbHR 2009, 169 (172); Link, RNotZ 2009, 193 (211); Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 54; D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (415); Paefgen, in: GroßkommGmbHG, § 40 Rn. 216; Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 23; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31; Wicke, GmbHG, § 16 Rn. 4; ähnlich das obiter dictum vom OLG Celle NZG 2010, 959 (960): „Die Notarbescheinigung (…) ist (…) kein Rechtsscheinträger“. 443 Picker, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 19. 444 So der Fall des BGHZ 191, 84 (86 ff.) = GmbHR 2011, 1269 (1270 ff.) – Tz. 10 ff.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Insolvenz des Listengesellschafters oder ein Vor- und Nacherbenverhältnis unwiderleglich vermutet wäre. Ist etwa eine eingetragene Testamentsvollstreckung nach materieller Rechtslage überhaupt nicht angeordnet, kann sich die Gesellschaft nicht auf den Listenvermerk berufen. Die mittlerweile in § 2 GesLV vorgesehene Veränderungsspalte hat lediglich informatorische Bedeutung.445 Schließlich hat die Zulässigkeit verschiedener Nummerierungsmöglichkeiten durch die GesLV neue Einschränkungen erfahren. Nach § 1 GesLV sind nur arabische Einzelnummern und bei der Schaffung und Teilung von Anteilen ausnahmsweise auch arabische Abschnittsnummern (z. B. 1.1. und 1.2.) zulässig. Nicht zugelassen sind etwa Nummerierungen von Geschäftsanteilen in römischen Zahlen oder in Dezimalzahlen. Eine solche falsch nummerierte Liste darf nicht zu dem Register aufgenommen werden. Sie löst aber die Legitimationswirkung dann aus, wenn die Zuordnung der Anteile zur Person der Gesellschafter aus der Gesamtschau der Liste möglich bleibt und die Nummerierung dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Die GesLV soll formale Vereinheitlichung schaffen, aber keine materiellen Eingriffe in die Legitimationswirkung erlauben.446 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass unzulässige Eintragungen in der Regel die Legitimationsfunktion der Listen insgesamt zwar nicht beeinträchtigen, die einzelnen unzulässigen Angaben aber für die relative Gesellschafterstellung unbeachtlich sind. d) Fallgruppe 3: Unzuständigkeit Es fragt sich weiter, inwieweit die Mitwirkung einer unzuständigen Person die Legitimationswirkung beeinflusst. Diese Frage kann nicht einheitlich beantwortet werden. Das Kriterium der Überprüfbarkeit durch die Registergerichte hilft auch hier bei der Lösungsfindung. Nach außen und für das Registergericht ersichtlich sind u. U. Listen, die von unzuständigen Personen erstellt worden sind (siehe aa)). Schwieriger ist die Unzuständigkeit bei der Einreichung der Liste zu dem Handelsregister zu bestimmen (siehe bb)). aa) Erstellung durch unzuständige Personen Bei der Listenerstellung werden die Listen unterschrieben. Ob diese Unterschrift von einer zuständigen Person (Geschäftsführer oder Notar) stammt, ist nur in bestimmten Grenzen ersichtlich und kann damit überprüft werden.

445 BR Drucks. 105/18, S. 9; Miller, NJW 2018, 2518 (2522); zur fehlenden Eintragungsfähigkeit solcher Zusatzvermerke siehe Kapitel 3 B. I. 5. a). 446 Vgl. Miller, NJW 2018, 2518 (2522).

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(1) Absolute Unzuständigkeit Unterzeichnet offenkundig und für den Rechtsverkehr ersichtlich eine absolut unzuständige Person die Liste, also ein Dritter, der weder Notare noch Geschäftsführer ist, verliert die Gesellschafterliste insgesamt die Legitimationswirkung. Die Unterschrift des Falschen infiziert die gesamte Liste. Die Legitimationswirkung richtet sich dann nach der Vorgängerliste. Anders ist zu entscheiden, wenn zwar eine absolut unzuständige Person tatsächlich gehandelt hat, diese Person aber eine Unterschrift der zuständigen Personen gefälscht hat und der Zuständigkeitsverstoß daher nicht offenkundig ist. Den Verstoß kann hier weder das prüfende Registergericht noch der Rechtsverkehr aus der publizierten Liste erkennen. Daher wird solchen gefälschten Listen die Legitimationswirkung aus formellen Gründen nicht versagt.447 Aus materiellen Gründen (z. B. Rechtsmissbrauch) können Einschränkungen der Legitimationswirkung dagegen selbstredend in Betracht kommen.448 (2) Relative Unzuständigkeit Unter Umständen kann auch fraglich sein, inwieweit der unterzeichnende Notar oder Geschäftsführer in der konkreten Situation zur Listenerstellung berufen war. Wenn der Geschäftsführer eine Liste erstellt, obwohl an sich der Notar zuständig gewesen wäre, lässt sich die relative Unzuständigkeit nicht immer leicht erkennen. Soweit die relative Unzuständigkeit für das Registergericht und den Rechtsverkehr nicht offenkundig ist, sind die Listen ungeachtet des Zuständigkeitsverstoßes Legitimationsgrundlage. Im Einzelfall sind allerdings auch offenkundige relative Zuständigkeitsverstöße denkbar. Einen solchen Fall hatte das OLG Frankfurt zu entscheiden.449 Dort reichte ein Notar gemeinsam mit dem Nachweis der Abtretung eine Gesellschafterliste zu dem Register ein. Die Liste wurde aber entgegen § 40 Abs. 2 GmbHG nicht von ihm, sondern von den Geschäftsführern unterschrieben. Der formale Verstoß erlaubte dem Registergericht, die Aufnahme der Liste zu versagen. Zu Recht bestätigte das OLG Frankfurt die Entscheidung des AG Darmstadt – Registergericht –, die Listenaufnahme abzulehnen und damit die Legitimationswirkung der einzureichenden Liste zu unterbinden. Hätte das AG Darmstadt – Registergericht – vorliegend allerdings die Liste zu Unrecht aufgenommen, dürfte an diese Liste konsequenterweise ausnahmsweise keine Legitimationswirkung knüpfen, wenn der formale Zuständigkeitsverstoß auch für den Rechtsverkehr offenkundig ist. Seit Geltung der GesLV ab dem 1. 7. 2018 kann anhand der Veränderungsspalte und ggf. unter Vergleich zur Vorgängerliste regelmäßig erkannt werden, welche Veränderung der Listenänderung zugrunde lag. So kann explizit auch eine notarielle Anteilsübertragung in der Ver447 448 449

Sie dazu die Ausführungen oben Kapitel 4 C. II. Siehe unten Kapitel 4 D. II. 3. OLG Frankfurt GmbHR 2011, 198 (200).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

änderungsspalte nachvollzogen werden (§ 2 Abs. 3 Nr. 7 GesLV). Zuständig ist dann nach der zwingenden Kompetenzzuweisung des § 40 Abs. 2 GmbHG der Notar. Der Ausschluss der Legitimationswirkung überzeugt in der Sache. Die zwingende Kompetenzregelung des § 40 Abs. 2 GmbHG will ein höheres Maß an authentischen und richtigen Listen gewähren, wenn an der Änderung der Gesellschafterstellung ohnehin ein Notar beteiligt war. Als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) können die Notare mit juristischer Fachkunde und besonderer Sorgfalt korrekte Listen erstellen. Es ist notwendig, diese Kompetenzzuweisung im Interesse richtiger Listen wirkungsvoll durchzusetzen – notfalls mit dem Absprechen der Legitimationswirkung von Gesellschafterlisten, die offenkundig zu Unrecht von dem Geschäftsführer erstellt worden sind. Sollten die Zuständigkeiten im Einzelfall ausnahmsweise unklar sein, empfiehlt sich für die Praxis daher, die Listen durch den Geschäftsführer und den Notar unterschreiben zu lassen. Streng dogmatisch widerspricht dieses Vorgehen zwar der ausschließlichen Zuständigkeitsanordnung des § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG. Solchen Listen kommt aber immerhin die Legitimationswirkung zu, da jedenfalls auch die zuständige Person unterschrieben hat.450 bb) Einreichung durch unzuständige Personen Anders sind die Fallgestaltungen, wenn Gesellschafterlisten von einer zuständigen Person erstellt werden, aber die abschließende elektronische Einreichung nicht von ihr vorgenommen oder initiiert ist. Dann fehlt es an einer von der zuständigen Person und von ihrem Willen getragenen Weggabe der Gesellschafterliste in den Rechtsverkehr. Solche Situationen sind praktisch selten relevant, aber denkbar, wenn der Geschäftsführer einen Listenentwurf unterzeichnet, ihn vor Abschluss der vollständigen Klärung der Gesellschaftereigenschaft, etwa nach dem Tod eines Gesellschafters, nicht einreicht, der Listenentwurf aber durch einen unbefugten Dritten trotzdem eingereicht wird. Da das Registergericht bei der Einreichung über das EGVP die Identität des Einreichenden nicht mit abschließender Sicherheit prüfen kann, wird der Verstoß bisweilen nicht auffallen. Daher kann selbst bei unbefugter Einreichung solchen Listen die Legitimationswirkung alleine aus formalen Gründen nicht versagt werden. e) Fehler im Eintragungsverfahren Neben den beschriebenen formalen Fehlern, die u. U. die Legitimationswirkung beeinträchtigen können, sind Fehler im Eintragungsverfahren denkbar. Sowohl bei

450 Ebenso OLG Hamm NZG 2010, 475; Ising, NZG 2010, 812 (813); Löbbe, GmbHR 2012, 7 (15); krit. zur gleichzeitigen Unterzeichnung Heilmeier, in: BeckOK/GmbHG, § 40 Rn. 152.

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der Listenänderung als auch bei der Listenkorrektur i. e. S. sind Verfahrensabläufe einzuhalten. aa) Listenänderung Die Listenänderung erfolgt durch die Geschäftsführer grundsätzlich nach § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG auf Mitteilung und Nachweis. Ob diese Verfahrensanforderungen eingehalten worden sind, ist aus der zum Register aufgenommenen Liste für den Rechtsverkehr nicht ersichtlich. Ändern daher etwa die Geschäftsführer eine Gesellschafterliste ohne ordnungsgemäße Mitteilung, löst die geänderte Liste die Legitimationswirkung im Interesse der Rechtssicherheit trotzdem aus. Gleiches gilt, wenn ein Notar oder Geschäftsführer bei der Erstellung der Gesellschafterliste bedroht oder getäuscht wurde. Auch hier kann durch die Registergerichte und den Rechtsverkehr die Täuschungs- und Bedrohungslage nicht erkannt werden. Ebenso ist zu entscheiden, wenn ein Beteiligter einer Veränderung der Geschäftsführer- oder Notarliste widersprochen hat, die Liste aber dennoch geändert wird. Der verfahrensinterne Widerspruch wird regelmäßig an keiner Stelle des Veröffentlichungsverfahrens nach außen in Erscheinung treten. In allen diesen Fällen sind die veröffentlichten Listen zwar verfahrensfehlerhaft erstellt worden. Sie verlieren aber, da die Verfahrensfehler typischerweise durch die Registergerichte nicht geprüft werden können, nicht ihre materielle Legitimationswirkung. Unter Umständen bestehen aber Ersatzansprüche gegen die Geschäftsführer (§ 40 Abs. 3 GmbHG), den Notar (§ 19 BNotO) oder Dritte (z. B. nach § 826 BGB). Zudem ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall die Legitimationswirkung aus materiellen Gründen bei Rechtsmissbrauch versagt werden muss.451 bb) Listenkorrektur i. e. S. Das Korrekturverfahren muss eigenen, anderen Verfahrensanforderungen genügen. Die Geschäftsführer dürfen aufgrund ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 43 Abs. 1 GmbHG die Gesellschafterlisten erst korrigieren, nachdem sie den betroffenen Personen (Listengesellschafter und [vermeintlicher] materieller Rechtsinhaber) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.452 Fraglich ist, ob bei unterlassener Anhörung die aufgenommene Gesellschafterliste die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entfaltet. Diese Frage wird in der Literatur – wie oben bereits kurz dargelegt wurde – unterschiedlich beantwortet. So soll etwa entscheidend sein, ob der gelöschte Gesellschafter materiell berechtigter Gesellschafter war oder ob er zuvor ordnungsgemäß in die Liste eingetragen wurde.453 Überzeugen können diese Argumentationsansätze nicht, so451 452 453

Siehe dazu unten Kapitel 4 D. II. 3. Siehe dazu oben Kapitel 4 A. I. 2. c) aa). Siehe zu den unterschiedlichen Ansichten oben Kapitel 4 A. I. 2. c) bb).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

fern sie die Legitimationswirkung aus formalen Gründen versagen wollen. Maßgeblich ist hier erneut die Erkennbarkeit des Fehlers für das Registergericht und für den Rechtsverkehr. Nicht erkennbar ist aber, ob die Neueinreichung der Liste überhaupt eine Listenkorrektur oder eine Listenänderung darstellt. Der Rechtspfleger am Registergericht sieht lediglich die über das EGVP eingereichte neue Liste und kann die Person des Einreichenden anhand dessen EGVP-Kennung identifizieren. Der Grund der Einreichung zeigt sich ihm in der Regel nicht. Bemerkt er aber doch, dass es sich um eine Korrektur handeln muss, etwa weil dies in der Veränderungsspalte vermerkt ist, kann er weiter nicht einsehen, ob vor der Korrektur den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Aus formalen Gründen ist in konsequenter Anwendung der beschriebenen Grundsätze eine Ausnahme von der Legitimationswirkung zu verneinen.454 Allenfalls aus materiellen Gründen wären Ausnahmen von der Legitimationswirkung denkbar, etwa wenn die Gesellschaft in missbräuchlicher Art und Weise das Korrekturverfahren bewusst nicht einhält.455 4. Zusammenfassung Formale Grenzen der Legitimationswirkung bedeuten, den befugten Listenerstellern und Registergerichten ein gewisses Maß an Sorgfalt und Präzision im Listenerstellungsverfahren abzuverlangen. Nur wenn die Listen formal im Großen und Ganzen in Ordnung erstellt, eingereicht und geprüft wurden und daher keine nach außen für den Rechtsverkehr erkennbare Unrichtigkeiten zeigen, kommen sie als Legitimationsgrundlage für die Wirkungen des § 16 Abs. 1 GmbHG in Betracht. Die Anforderungen an die formale Richtigkeit dürfen aber nicht überspannt werden. Nicht jede kleine formelle Ungenauigkeit darf die legitimierende Wirkung der Liste ausschalten. Sie sind nur dann beachtlich, wenn die Listen erstens wegen der formalen Unrichtigkeit von einem nach objektiven Maßstäben sorgfältig prüfenden Registergericht zurückgewiesen werden durften und zweitens der Fehler derart schwer wiegt, dass der Liste die Eigenschaft eines tauglichen Legitimationsträgers abgesprochen werden muss (z. B. fehlende Unterschrift), oder aufgrund der Formalverstöße die Inhaberschaft eines jeden Anteils nicht mehr einem bestimmten relativen Gesellschafter klar und eindeutig zugeordnet werden kann. Überwinden die Listen jedoch diese formale Hürde, sind also im Großen und Ganzen formal ordnungsgemäß erstellt worden, können sie zwar nicht mehr aus formellen, wohl aber aus materiellen Gründen die Legitimationswirkung verlieren. Formal richtige Listen sind also keine hinreichende, aber doch notwendige Bedingung für die Legitimationswirkung. Erst wenn auch keine materiellen Hinderungsgründe bestehen (dazu sogleich), kommt der Listeneintragung legitimierende Wirkung zu.

454 455

Im Ergebnis ebenso Tebben, DB 2014, 585 (587). Siehe unten Kapitel 4 D. II. 3. b) bb).

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II. Materielle Grenzen Listen, die im Großen und Ganzen formell ordentlich erstellt wurden und keine Verfahrensfehler erkennen lassen, lösen grundsätzlich die Legitimationswirkung aus. Maßgebend ist hier nach der klaren gesetzgeberischen Vorstellung der Abstraktion der Listengesellschafterstellung von der materiellen Stellung grundsätzlich nur der Listeninhalt. Dieses auch in anderem Zusammenhang aus den allgemeinen Grundlagen des bürgerlichen Rechts bekannte Abstraktionsprinzip soll jeweils der Leichtigkeit und Sicherheit des Rechtsverkehrs dienen.456 Wo aber das Abstraktionsprinzip anerkannt und in das deutsche Recht implementiert wurde, dort sind auch Durchbrechungen dieses Prinzips anerkannt. Unerträgliche Ergebnisse dürfen durch einen zu weit verstandenen Abstraktionsgedanken nicht hervorgerufen werden. Interessant ist dabei, auf welcher dogmatischen Grundlage die bislang anerkannten Durchbrechungen der Abstraktion im Zivilrecht erklärt werden können (1.). Auf diesem vergleichenden und theoretischen Befund aufbauend zeigen sich für die relative Gesellschafterstellung die Maßstäbe (2.), anhand derer konkrete Grenzen unter Missbrauchserwägungen hergeleitet werden sollen (3.). Aspekte der Zurechenbarkeit bleiben selbstredend auch hier weiterhin ausgeblendet. Zuletzt wird eine von der Rechtsprechung erwähnte Ausnahme aus verfassungsrechtlichen Gründen besprochen (4.). 1. Abstraktionen und Durchbrechungen im Zivilrecht Dem deutschen Zivilrecht sind Abstraktionen und materielle Durchbrechungen bekannt. a) Abstraktion zwischen dinglichem und kausalem Rechtsgeschäft Die wohl berühmteste „Abstraktion“ ist die Trennung von kausalem und dinglichem Rechtsgeschäft. Im Grundsatz gilt das Abstraktionsprinzip.457 Überschreiten die Rechtsanwender aber die Schwelle zur Sittenwidrigkeit oder zum Rechtsmissbrauch, löst sich die strikte Abstraktion auf. Die Rechtsprechung sieht eine solche Durchbrechung des Abstraktionsprinzips gekommen, „wenn die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt, wenn also mit dem dinglichen Rechtsvorgang sittenwidrige Zwecke verfolgt werden oder in ihm die Sittenwidrigkeit begründet

456

Vgl. allgemein zum Sinn der Abstraktion Mot. zum BGB III, S. 7 (Mugdan, III, S. 4); Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 3; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 226. 457 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 41 Rn. 74 (S. 753); vgl. auch Leipold, BGB I, § 8 Rn. 1 ff.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 220 ff.

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ist.“458 Beispiele sind insbesondere aus dem Kreditsicherungsrecht bei fiduziarischen Sicherheiten zu benennen,459 etwa bei anfänglicher Übersicherung,460 der Vereinbarung eines Knebelungsvertrags461 und Fällen der Gläubigergefährdung462. b) Abstraktion im Stellvertretungsrecht aa) Abstraktion zwischen Vertretungsmacht und Grundgeschäft Plastisch wird die Abstraktion mit ihren Durchbrechungen zudem im Stellvertretungsrecht. Im Jahre 1866 wurde diese Abstraktion von Grundgeschäft und Vertretungsmacht im Handelsrecht „entdeckt“.463 Sie wurde in der Folge von den Gründungsvätern des BGB dort eingeführt (vgl. etwa § 168 Satz 2 BGB, wonach die Vollmacht im Außenverhältnis auch bei Bestehenbleiben des Grundverhältnisses widerrufen werden kann). Die Abstraktion sorgt für Sicherheit und Leichtigkeit im Rechtsverkehr, da die Berechtigung des Vertreters gegenüber dem Vertragspartner im Außenverhältnis von seiner Verpflichtung zum Geschäftsherrn im Innenverhältnis verselbstständigt ist.464 Es wäre – wie Flume zutreffend hervorhebt – wenig geholfen, wenn sich die Vertragspartner auf die Vertretungsmacht nur verlassen könnten, wenn der Vertreter innerhalb seiner Pflichtenbindung im Innenverhältnis aufträte.465 bb) Ausnahmen bei Missbrauch der Vertretungsmacht Auch im Stellvertretungsrecht sind seit jeher Anwendungsfälle anerkannt, in denen die Pflichtenbindung im Innenverhältnis in so unerträglichem Maße über458 So ausdrücklich BGH NJW 1985, 3006 (3007); s. a. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 41 Rn. 70 ff. (S. 751 f.); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, § 4 II 6 a); restriktiver Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 712. 459 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I, § 4 II 2. 460 Wohl BGHZ 137, 212 (223) = NJW 1998, 671 (674); BGH NJW-RR 2003, 1490 (1492); ausdrücklich Tetzlaff, ZIP 2003, 1826 (1836 f.); a. A. Oechsler, in: MüKoBGB, Anh. §§ 929 – 936 Rn. 14; krit. auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 57 Rn. 29d. 461 BGHZ 19, 12 (18) = NJW 1956, 337 (Unwirksamkeit von Abtretungen, die keine Sicherungsabtretungen sind); BGH NJW 1962, 102 f.; BGHZ 138, 291 (303) = NJW 1998, 2592 (2595); vgl. allgemein zur Unwirksamkeit eines Knebelungsvertrages ohne Durchbrechung des Abstraktionsprinzips BGH NJW 1993, 1587 (1588). 462 BGHZ 10, 228 (232) = NJW 1953, 1665 f.; BGH NJW 1970, 657 (658). 463 Laband, ZHR 10 (1866), 183 (206): „Der Auftrag ist (…) für die Stellvertretungsbefugnis irrelevant.“ Zur Bedeutung des Laband‘schen Beitrags für die rechtswissenschaftliche und -praktische Entwicklung vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 2); Vedder, Missbrauch der Vertretungsmacht, S. 8 f. 464 Kipp, in: Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben, Bd. 2, S. 273 (274); Krebs, in: MüKoHGB, § 50 Rn. 1; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, § 31 Ia; Leptien, in: Soergel, BGB, Vor § 164 Rn. 40; Lieder, JuS 2014, 681 (682). 465 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 2).

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schritten wurde, dass die äußere Macht zur Vertretung eingeschränkt werden muss. In der Diskussion werden diese Ausnahmen unter den Schlagworten „Missbrauch der Vertretungsmacht“ entwickelt. Weitgehend geklärt ist, dass bei Kollusion, also dem sittenwidrigen Zusammenwirken des Vertreters mit dem Geschäftspartner zum Schaden des Vertretenen, die Vertretungsmacht im Außenverhältnis beschränkt ist. Ob die Kollusion zur Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB führt,466 die Anwendung der §§ 177 ff. BGB analog467 auslöst oder lediglich die Anfechtung des zunächst wirksamen Vertretergeschäfts ausreicht,468 ist zwar umstritten, ändert aber nichts an der anerkannten Durchbrechung der Abstraktion. Die Ausnahme erklärt sich mit fehlenden schutzwürdigen Interessen der Beteiligten. Missbrauchen sie die Verselbstständigung der Vertretungsmacht in so eklatanter und unerträglicher Weise bewusst zum Nachteil des Vertretenen, hat ihr konkretes Interesse hinter den Interessen des Vertretenen zurückzustehen. Daneben werden Ausnahmen bei einseitigem missbräuchlichem Verhalten des Bevollmächtigten besprochen, wenn der Vertragspartner das missbräuchliche Verhalten positiv kennt und billigt.469 Weitergehend wird die Vertretungsmacht sogar dann versagt, wenn der Vertragspartner den Missbrauch zwar nicht kennt, aber einfach470 oder grob fahrlässig471 die Überschreitung der Pflichtenbindung hätte erkennen können oder sie objektiv evident war.472 Die Vorschläge, die auf subjektive Faktoren (Kenntnis/Kennenmüssen) zur Bestimmung der Reichweite der Vertretungsmacht setzen, sind allerdings problematisch. Ein wesentlicher Vorteil der Abstrahierung ginge verloren, wenn auf die schwer überprüfbaren subjektiven Sorgfaltspflichten des Vertragspartners abgestellt wird. Zurecht kanalisiert Flume daher die Problemstränge und unterstreicht den objektiv evidenten Missbrauch, der für einen reasonable man erkennbar ist, als maßgeblichen weiteren Anwendungsfall der Durchbrechung neben Kollusionsfällen.473 Bei einseitigem Verstoß sollten nicht 466 RGZ 136, 359 (360); BGH NJW 2000, 2896 (2897); GmbHR 2014, 421 (422) – Tz. 10; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 3); Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 966; Schubert, in: MüKoBGB, § 164 Rn. 227 f. 467 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 46 Rn. 143 (S. 865 f.); Lieder, JuS 2014, 681 (685 f.). 468 Vedder, Missbrauch der Vertretungsmacht, S. 132 ff. 469 Vgl. etwa Kipp, in: Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben, Bd. 2, S. 273 (274); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 46 Rn. 141 (S. 865); Lieder, JuS 2014, 681 (682); Steffen, in: RGRK, § 167 Rn. 24. 470 Etwa Kipp, in: Die Reichsgerichtspraxis im Deutschen Rechtsleben, Bd. 2, S. 273 (274). 471 Leptien, in: Soergel, BGB, § 177 Rn. 18, der in der Sache grob fahrlässige Unkenntnis in Fällen der objektiven Evidenz des Missbrauchs bejaht, in der Sache insoweit keinen Unterschied zur Lehre der objektiven Evidenz sieht. 472 BGH NJW-RR 1992, 1135 (1136); BGHZ 127, 239 (241 f.) = BGH NJW 1995, 250 (251); BGH NJW 1999, 2883; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 3); Lieder, JuS 2014, 681 (683) m. w. N. 473 Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II 3).

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vage innere Motive die materiellen Grenzen vorgeben, sondern objektiv bestimmbare Maßstäbe. Es kommt dann im Übrigen nicht darauf an, dass bewusst zu dem Nachteil eines anderen gehandelt wurde. Schon das objektiv pflichtwidrige und als solches erkennbare Verhalten kann der Vertretungsmacht ihre Geltung entziehen.474 Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des BGH aber, dass der missbräuchlich Handelnde von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass bei dem Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege.475 Der Missbrauch der Vertretungsmacht muss dabei objektiv evident sein.476 Die objektive Evidenz ist namentlich gegeben, wenn sich nach den jeweiligen Umständen „die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt“.477 2. Dogmatik und Maßstab zur materiellen Grenze der relativen Gesellschafterstellung a) Dogmatische Anknüpfung Grundlage und dogmatische Anknüpfungspunkte der Abstraktionsgrenzen sind in den unter 1. beschriebenen Fällen typisierte und normierte Tatbestände der Sittenwidrigkeit sowie des Rechtsmissbrauchs. Der Sittenverstoß wird ausdrücklich in den §§ 138 Abs. 1, 826 BGB als Unwirksamkeitspostulat oder Haftungstatbestand proklamiert. Die Grenze des Rechtsmissbrauchs wurde zunächst in § 226 BGB entdeckt und wird heute allgemein aus dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben i. S. d. § 242 BGB gewonnen.478 474 BGH NJW 2006, 2276; Huber, in: BeckOGK-BGB, § 164 Rn. 89; Schilken, in: Staudinger, BGB, § 167 Rn. 95; s. a. Schubert, in: MüKoBGB, § 164 Rn. 235; a. A. Joost, in: Staub, HGB, § 50 Rn. 42. 475 BGH NJW 1999, 2883. 476 BGH NJW 1999, 2883; BGH NJW-RR 1992, 1135 (1136); BGHZ 127, 239 (241 f.) = BGH NJW 1995, 250 (251). 477 BGH NJW 1999, 2883. 478 Siehe Schubert, in: MüKoBGB, § 242 Rn. 220 ff.; Siebert, Vom Wesen des Rechtsmissbrauchs, S. 8, 12 ff., speziell zum Missbrauch im Kapitalgesellschaftsrecht S. 35 f. In der konkreten Ausgestaltung der Generalklausel kann Siebert allerdings nicht gefolgt werden. In seinen Ausführungen werden stets die „Gemeinschaft“ und das „Gemeinschaftsinteresse“ in den Vordergrund gerückt; beide Terminologien entspringen dem Dritten Reich. So nimmt es nicht Wunder, dass er in der Anwendung der Generalklauseln keine Gefahr von Rechtsunsicherheiten, sondern sie als „die sichersten und kraftvollsten Rechtssätze, die wir überhaupt kennen“ ansieht (S. 25). Siehe zur klaren Kritik an der uferlosen, zu Willkür und Rechtsunsicherheiten führenden Anwendung der Generalklauseln im Dritten Reich Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, passim. Vgl. allgemein zur Anwendung des § 242 BGB bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten etwa BGHZ 204, 145 (149 ff.) = NJW 2015, 1087 (1088) – Tz. 16 ff.; BGH ZIP 2015, 2426 – Tz. 34; vgl. zu Treu und Glauben als der das gesamte Rechtsleben beherrschende allgemeine Grundsatz BGH NJW 1981, 1439 (1440); BGHZ 85, 39 (48) = NJW 1983, 109 (110 f.); Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 242 Rn. 1.

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Gemünzt auf die Festlegung der materiellen Grenzen der Legitimationswirkung dient allenfalls der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben als dogmatischer Anker. Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB kann ergänzend hinzutreten, beschreibt aber nicht die Rechtsmacht, Handlungen einzuschränken. Für die Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB fehlt es, anders als in Vertretungsfällen oder im Spielfeld des schuldrechtlich-dinglichen Trennungs- und Abstraktionsdogmas, an dem notwendigen „Rechtsgeschäft“. Durch die im Einvernehmen mit der Gesellschaft geschaffene Listenposition entsteht zwar ein Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Listengesellschafter. Allerdings erklärt § 138 Abs. 1 BGB nicht abstrakte Rechtsverhältnisse, sondern konkrete Rechtsgeschäfte für nichtig. b) Maßstab zur Bestimmung der materiellen Grenzen Ungeachtet der tatbestandlichen Anwendbarkeit ist Raum für den Einwand des Rechtsmissbrauchs nur dort gegeben, wo die Einzelfallumstände und gesetzlichen Wertungen ihn zulassen. Soweit das Gesetz feste und starre Regelungen vorsieht, wie etwa Fristenbestimmungen, den Eintragungszwang in das Grundbuch bzw. Handelsregister oder die Rechtsfolgen von Eintragungen in öffentliche Register, trifft der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf gesetzesimmanente Schranken.479 Der Rechtsverkehr muss sich nämlich auf die Gültigkeit der Formalakte verlassen können.480 Genau auf einen solchen Formalakt, nämlich die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste, müssen sich die GmbH und der Rechtsverkehr berufen dürfen. Dann bleibt die Gesellschaft verbandsintern handlungsfähig und der wahre Gesellschafter wird zur Listenkorrektur angereizt. Das wiederum führt zur Richtigkeit der Listen. Rechtfertigen lassen sich Ausnahmen von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bei Rechtsmissbrauch also nur unter strengen Voraussetzungen, nämlich wenn die Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die Ausnahme tragen kann und der vorwerfbare Rechtsmissbrauch derart schwer wiegt, also geradezu ein unerträgliches Ausmaß erreicht, dass eine Durchbrechung des formalen Listensystems erforderlich und geboten erscheint.481 Wird das formale Listensystem wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben durchbrochen, wird eine dem Recht immanenten Inhaltsbeschränkung begründet, also kein subjektives Gegenrecht, das erst erhoben werden müsste.482 Für die Ziehung ungeschriebener Grenzen zu § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bleibt die oben beschriebene theoretische und vergleichende zivilrechtliche Bestandsaufnahme wichtiger Maßstab und Wertungskanon. 479

Boehmer, Grundlagen der Bürgerlichen Rechtsordnung, II, 2, S. 74; Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, S. 55; Larenz, Schuldrecht I, § 10 I (S. 130). 480 So Larenz, Schuldrecht I, § 10 I (S. 130). 481 Ähnlich Lieder/Becker, GmbHR 2019, 441 (447): „schlechthin untragbare Ergebnisse“; Cramer/S. Koch, DStR 2020, 664 (670): „hohe Hürden“. 482 Vgl. Schubert, in: MüKoBGB, § 242 Rn. 165.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

3. Rechtsmissbrauch als facettenreiche materielle Grenze Die materiellen Grenzen lassen sich weitgehend unter der Überschrift des Rechtsmissbrauchs zusammenfassen. Diese unklare Weite des Rechtsinstituts verlangt aber nach inhaltlicher Präzisierung. Für die Ausnahme bei kollusivem Zusammenwirken drängt sich eine Durchbrechung des strengen Listensystems auf (a)). Handeln nicht mehrere zusammen, sondern agiert nur ein Beteiligter (in der Regel einseitig) missbräuchlich, können Kriterien der objektiven Evidenz zur Grenzbestimmung hilfreich sein (b)). Beide Ausnahmetatbestände richten sich an den gleichen Maßstäben aus, nämlich dass die Beteiligten jeweils durch einen schwerwiegenden und geradezu unerträglich anmutenden Verstoß den Tatbestand der relativen Gesellschafterstellung ausgenutzt haben müssen. a) Sittenwidrige Kollusion Ein unerträgliches Maß ist erreicht, wenn die Gesellschaft kollusiv – vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer – mit einem Dritten zusammenwirkt und so eine objektiv unrichtige Gesellschafterliste schafft.483 Die Gesellschaft verliert durch die Ausnutzung der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zur Schädigung des wirklichen Rechtsinhabers ihre Schutzbedürftigkeit. Kollusive Sachverhalte sind etwa denkbar, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer den Austritt eines unliebsamen Minderheitsgesellschafters durch eine Manipulation der Gesellschafterliste vorspiegeln möchte oder diesen Minderheitsgesellschafter dadurch aus der Gesellschaft ausschließen möchte. Er kann etwa eine neue Liste mit der unrichtigen Behauptung einreichen, der gelöschte Gesellschafter sei aus der Gesellschaft ausgetreten. Gewiefte Geschäftsführer vermerken diesen Grund, sei es Austritt oder auch Ausschluss/Einziehung, in der Veränderungsspalte. Für die Registergerichte sind solche Praktiken nicht kontrollfähig. Für den Rechtsverkehr ist der Fehler nicht erkennbar. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Geschäftsführer eine neue Gesellschafterliste, die nicht mehr den Minderheitsgesellschafter, sondern eine andere, ihm nahestehende Person ausweist, erstellt und zu dem Register einreicht. Gelingt die Aufnahme durch das Registergericht, sei es durch kriminelle Täuschung, Fälschungen oder Unachtsamkeit des Rechtspflegers, hat sich ausweislich der Liste die Gesellschafterstruktur geändert. Um dieser formalen Rechtslage materielle Taten folgen zu lassen, könnte mit Zustimmung des falschen Listengesellschafters die Einziehung dessen Anteils gegen Abfindung beschlossen werden. Einziger Gesellschafter wäre danach, die Rechtswirksamkeit unterstellt, formal und materiell der ursprüngliche Mehrheitsgesellschafter. Solche „verkürzten“ Umstrukturierungen der Gesellschafterstruktur ohne Einhaltung gesellschafts- oder umwandlungsrecht483 Allg. Meinung, vgl. etwa Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 17; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 58.

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licher Vorgaben müssen im Keim erstickt werden. Gelingen kann dies, indem der missbräuchlich erstellten Liste ausnahmsweise eine immanente Inhaltsbeschränkung auferlegt wird, ihr also die Legitimationswirkung zugunsten des falschen und zulasten des wahren Gesellschafters abgesprochen wird. In diesen Fällen wirkt die immanente Beschränkung aus § 242 BGB allerdings nur einseitig zu dem Schutz des wahren Gesellschafters. Nur insoweit bedarf es Korrekturen aus Billigkeitserwägungen. Daher bliebe der falsche Listengesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft insoweit legitimiert, als die Gesellschaft den sittenwidrig handelnden Listengesellschafter für mitgliedschaftliche Pflichten in Anspruch nimmt. Rechtsmissbrauch scheidet dann aus.484 Diese Wirkrichtung wird aber wohl eher theoretischer Natur bleiben. Geschäftsführer werden kaum kollusiv zusammenwirken, um anschließend ihren „Partner“ zu schädigen – zumal der falsche Listengesellschafter einer Inanspruchnahme den Korrekturanspruch entgegenhalten könnte. Kollusives Verhalten kann ferner angenommen werden, wenn die Gesellschaft gemeinsam mit den Mitgesellschaftern und einem Notar eine Liste dergestalt ändern, dass an die Stelle eines Gesellschafters, der noch rückständige Einlageverbindlichkeiten zu bedienen hat, ein unbeteiligter Dritter in die Liste eingetragen wird. Solche Situationen werden äußerst selten relevant und sind – soweit ersichtlich – bislang nicht gerichtlich entschieden worden. Finden sie aber statt, muss der Listengesellschafter freilich keine Inanspruchnahme für ausstehende Einlagen fürchten. Er muss sich nicht wie sonst üblich einer Listenkorrektur bedienen, um haftungsfrei zu werden, sondern kann einer Inanspruchnahme schlicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs – andere bemühen für vergleichbare Probleme den dolo-facitEinwand485 oder den Rechtsgedanken des § 162 BGB486 – entgegenhalten. Abschließend lohnt ein Blick auf die durch die Legitimationswirkung bezweckten Interessen des Rechtsverkehrs, die durch § 242 BGB hintangestellt werden. Der Rechtsverkehr kann etwa den beschlossenen Strukturmaßnahmen (Kapitalerhöhungen, Umwandlungen etc.) vorangehendes kollusives Verhalten nicht ansehen. Trotzdem scheitert die Durchsetzung solcher Strukturmaßnahmen bis zu einer möglichen Heilung (z. B. nach § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG analog) aus Gerechtigkeitsund Präventionsgründen an der Inhaltsschranke des § 242 BGB. Die Maßnahmen sind also rechtsunwirksam und daher rückabzuwickeln. Rechtstatsächlich muss unterbunden werden, dass unliebsame Gesellschafter durch sittenwidrige Ausnutzung der Legitimationswirkung mithilfe gesellschaftsrechtlicher Instrumente aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Zusätzlich ist es billig, die Gesellschaft mit den 484

Im Ergebnis zutreffend Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 57. Vgl. Schubert, in: MüKoBGB, § 164 Rn. 228. In der Rechtsprechung hat im Ergebnis der Arglisteinwand zudem Eingang gefunden etwa in RGZ 143, 275 (277); BGHZ 74, 293 (300) = NJW 1979, 2150 (2152); BGHZ 79, 201 (204, 210) = NJW 1981, 980 (981 f.); s. a. OLG München BeckRS 2013, 05128 – juris Rn. 25 ff.: Ein Garantiegeber kann einem Zahlungsverlangen des Garantienehmers den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten, wenn die zu sichernde Forderung durch Konfusion erloschen ist. 486 So zu § 16 GmbHG a. F. Limmer, ZIP 1993, 412 (418). 485

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

erheblichen Schwierigkeiten der Rückabwicklung zu belasten, da der Geschäftsführer durch das der Gesellschaft zurechenbare kollusive Mitwirken selbst den Nährboden hierfür geschaffen hat. Im Übrigen kann der redliche Rechtsverkehr bei rechtsmissbräuchlichem kollusiven Zusammenwirken von mehreren Rechtssubjekten Ausgleichsansprüche verlangen. Zunächst ist der Geschäftsführer nach § 40 Abs. 3 GmbHG den Gläubigern der Gesellschaft und dem wirklichen Rechtsinhaber persönlich zu dem Schadensersatz verpflichtet. Daneben bestehen Ansprüche nach § 826 BGB gegen den Geschäftsführer, für den die Gesellschaft einzustehen hat (§ 31 BGB), sowie gegen einen u. U. neu eintretenden rechtsmissbräuchlich handelnden Dritten. b) Weitere Fälle missbräuchlichen Verhaltens – objektive Evidenz Facettenreicher und differenzierter ist die Problematik, wenn nur ein einseitiges rechtsmissbräuchliches Verhalten beobachtet werden kann, also eine falsche Listenposition eindimensional geschaffen oder ausgenutzt wird. aa) Maßstab der objektiven Evidenz Maßstab für solche weiteren Ausnahmen bei missbräuchlichem Verhalten kann die aus dem Stellvertretungsrecht bekannte objektive Evidenz sein. Denn wie die Diskussion im Stellvertretungsrecht gezeigt hat, vermag einzig das Kriterium der objektiven Evidenz tragfähige rechtssichere Ergebnisse zu vermitteln. Die entsprechenden Maßstäbe werden daher an dieser Stelle für das GmbH-Recht fruchtbar gemacht. Objektiv evident muss der Rechtsmissbrauch, also die Missbrauchshandlung sein, nicht die Unrichtigkeit der Liste. Die Unrichtigkeit ist lediglich die Folge, nicht aber die vorwerfbare Handlung. Ein anderes Verständnis widerspräche der Einordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes,487 wonach selbst offenkundig unrichtige Listen – auch bei Kenntnis der Gesellschaft – im dogmatischen Ausgangspunkt die Legitimationswirkung auslösen.488 Es kann einer Übertragung der Errungenschaften zur objektiven Evidenz im Stellvertretungsrecht auf die hiesigen Rechtsprobleme vorgeworfen werden, dass es hier keinen „Vertragspartner“ gibt, der Beurteilungsperson und Maßstab für die objektive Evidenz des Rechtsmissbrauchs sein kann. Offensichtlich ist daher, dass die Grundzüge modifiziert anwendet werden müssen. Nicht aus der Sicht einer einzelnen, auf den Thron der Objektivität gehobenen Person, dem „Vertragspartner“, 487

Siehe oben Kapitel 2 C. II. 2. b). Diese Feststellung ist dogmatisch richtig, wirkt sich aber wohl nur in der Theorie rechtlicher Dogmatik aus. Denn sind Listen offenkundig inhaltlich falsch, aktiviert sich die Korrekturpflicht der Geschäftsführer. Korrigieren die Geschäftsführer trotz offensichtlicher Unrichtigkeit die Liste nicht und berufen sich dennoch auf deren Listeninhalt, liegt in dem Unterlassen der Listenkorrektur der objektiv evidente Missbrauchsvorwurf; siehe hierzu auch unten Kapitel 4 D. II. 3. b) bb). 488

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wird die objektive Evidenz beurteilt werden können, sondern aus der objektiven Perspektive derjenigen, die sich allesamt auf die Legitimationswirkung kraft Listeneintragung verlassen. Das kann die Gesellschaft, ein Mitgesellschafter, aber schließlich auch der Rechtsverkehr als Ganzes sein. Der Rechtsmissbrauch ist nach dem Vorgesagten – in Anlehnung an die oben erwähnten Grundzüge bei Missbrauch der Vertretungsmacht – objektiv evident, wenn massive Verdachtsmomente bestehen und sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit von Rückfragen der Gesellschaft, der Mitgesellschafter oder des Rechtsverkehrs geradezu aufdrängen. Relevant ist, ob die Listenposition in ersichtlich verdächtiger Weise erlangt oder aufgedrängt wurde, so dass nach objektiven Maßstäben für den Rechtsverkehr oder die Gesellschaft begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß gegenüber dem vormaligen oder jetzigen Listengesellschafter vorliege. Kernelement ist die objektiv typisierende Betrachtungsweise. Es kommt gerade nicht auf die Kenntnis der Gesellschaft, von Mitgesellschaftern oder des Rechtsverkehrs von dem missbräuchlichen Handeln an. Freilich mag deren Kenntnis bei eigenem, ihnen vorwerfbarem Missbrauchshandeln regelmäßig, wenn nicht sogar zwingend vorliegen.489 Anders ist es, wenn sich der Missbrauchsvorwurf nicht in der Person des Beurteilungssubjekts ausbildet. Das mag sein, wenn ein (vermeintlicher) Gesellschafter missbräuchlich handelt. Es kommt hier darauf an, ob aus Sicht der Gesellschaft, die sich auf die Legitimationswirkung verlassen möchte, der Missbrauch objektiv evident war. Subjektive Faktoren spielen keine Rolle, denn die objektive Evidenzbetrachtung aus Sicht der Gesellschaft ist einer subjektiven Individualbetrachtung unter Aspekten der Rechtssicherheit deutlich überlegen. Die Gesellschaft kann daher im Einzelfall bei objektiv evidentem Missbrauch nicht durch Bestreiten der Kenntnis des Treueverstoßes die Legitimationswirkung aufrechterhalten. Bei alledem ist es für die objektive Beurteilung unerheblich, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten mit Benachteiligungsabsicht vorgenommen wurde. Es genügt der objektive Pflichtenverstoß. Liegt aber die Schädigungsabsicht vor, bewegt man sich nicht selten bereits im Anwendungsbereich der sittenwidrigen Kollusion. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist zunächst an eigenes treuwidriges Verhalten der Gesellschaft vermittelt durch das Handeln der Geschäftsführer zu denken (siehe bb)). Rechtsmissbräuchliches Verhalten könnte ferner einem falschen Listengesellschafter selbst (siehe cc)) oder einem wirklichen Gesellschafter, etwa wenn er auf seiner Listenposition beharrt, obwohl er aus der Gesellschaft zu Recht auszuscheiden droht, (dd)) vorgehalten werden.

489 Siehe daher Miller, ZIP 2020, 62 (67): In Fällen des Missbrauchs der Gesellschaft wird die Kenntnis der Gesellschaft als notwendiges Element der Missbrauchsgrenze betrachtet.

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

bb) Rechtsmissbräuchliches Verhalten der Gesellschaft Die Gesellschaft sieht sich außerhalb des Anwendungsbereichs der Kollusion dem Vorwurf des objektiv evidenten Rechtsmissbrauchs ausgesetzt, wenn sie sich auf den Inhalt einer Liste beruft, das Beharren auf die Wirkung der Listeneintragungen aber im Sinne einer objektiven Evidenz als missbräuchlich erscheint. Ein solcher objektiv evidenter Missbrauch liegt nicht schon vor, wenn die Geschäftsführer bewusst eine falsche Liste erstellen und zu dem Handelsregister einreichen. Das gilt auch für die nur zum Schein erfolgte Einreichung von Gesellschafterlisten durch Geschäftsführer oder Notare.490 Es kommt jeweils auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an, ob der Sachverhalt eine objektive Evidenz trägt. Dabei sind alle wesentlichen Umstände und Feststellungen, die massive Verdachtsmomente begründen können, zu erfassen und zu beurteilen. Ob objektive Evidenz vorliegt ist keine Rechts-, sondern Tatfrage, die der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten ist.491 Aus den Gesamtumständen kann sich der Rechtsmissbrauch als objektiv evident darstellen, wenn schlechterdings nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Gesellschafterliste von den Geschäftsführern oder dem Notar mit dem konkreten Inhalt eingereicht wurde, sich also die Listenänderung als geradezu missbräuchlich aufdrängen muss. Hier ist ein strenger Maßstab anzulegen. Ein solcher Fall kann angenommen werden, wenn eine Gesellschaft, die in wirtschaftliche Schieflage geraten ist, im Wege einer Kapitalerhöhung einen unliebsamen, aber wohlhabenden Dritten als Investor in die Gesellschaft aufnimmt, die Liste zunächst richtig durch den Notar geändert wird, aber im Nachgang die Geschäftsführer die Einziehung der Anteile des Investors ohne nachvollziehbaren Grund behaupten und deswegen eine weitere Liste ohne den Investor als Listengesellschafter einreichen. Hier drängen sich massive Verdachtsmomente eines treuwidrigen Verhaltens auf, insbesondere wenn die Geschäftsführer und Altgesellschafter dieses Vorgehen bewusst zu dem Nachteil des Investors geplant haben. Ist dem so, kann sich der Investor trotz fehlender Listenstellung auf die tatsächliche Rechtslage berufen und mitgliedschaftliche Rechte geltend machen (§ 242 BGB).492 Ebenfalls liegt eine objektive Evidenz des Missbrauchs bei Handeln (Tun oder Unterlassen) der Gesellschaft entgegen der Anordnung einer gerichtlichen Entscheidung vor. Es geht hier um Fallkonstellationen, in denen der Gesellschaft von dem Prozessgericht die Aufnahme einer Korrekturliste im Wege der Unterlassungsverfügung untersagt oder ihr im Wege der Leistungsverfügung die Aufnahme der Korrekturliste aufgegeben wurde. Die Gesellschaft sieht sich mit einer massive Verdachtsmomente voraussetzenden objektiven Evidenz des Missbrauchs konfron490 Selbst wenn aber eine solche Evidenz abglehnt wird, liegt solchen Fällen bisweilen doch ein kollusives Handeln der Geschäftsführer mit Mitgesellschaftern zu Grunde, weshalb hieraus die Legitimationswirkung versagt werden kann. 491 BGH NJW 1999, 2883 (zum Missbrauch der Vertretungsmacht). 492 Vgl. zu einem Fall objektiver Evidenz bei Missbrauch einer umfassenden Kontovollmacht siehe BGH NJW 1999, 2883.

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tiert, wenn sie sich über die Entscheidung einer neutralen staatlichen Gerichtsinstanz hinwegsetzt. So entfällt die Legitimationswirkung zunächst für Listen, die die Gesellschaft entgegen der Unterlassungsverfügung eingereicht hat.493 Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschaft sich trotz Erlass einer Leistungsverfügung weigert, eine Korrekturliste aufzunehmen und sich stattdessen auf die alte Liste beruft.494 Im Unterlassen bildet sich hier der Vorwurf der Treuwidrigkeit aus.495 Zuletzt – und hierzu hat der BGH in einer beachtlichen, viel rezipierten, sauber argumentierten und im Ergebnis zutreffenden Entscheidung zur Legitimationswirkung entschieden – darf sich die Gesellschaft nicht auf eine Liste als Legitimationsgrundlage berufen, wenn ihr durch einstweilige Verfügung untersagt wurde, die Liste einzureichen (insoweit wie oben), die Liste aber nicht durch die Gesellschaft selbst, sondern durch einen Notar eingereicht wurde.496 Auch hier ist der Treuwidrigkeitsvorwurf im Unterlassen der Gesellschaft zu erblicken.497 Die Geschäftsführer haben nämlich die fälschlicherweise aufgenommene Liste nicht korrigiert, sondern sich stattdessen auf deren Gültigkeit berufen. In all diesen Fällen darf sich die Gesellschaft in Abweichung zu § 16 Abs. 1 GmbHG nicht auf die aktuelle Gesellschafterliste berufen. Stattdessen gilt in den Fällen, in denen zu Unrecht eine neue Liste aufgenommen wurde, die Vorgängerliste. Denn wäre die missbräuchliche Handlung nicht erfolgt, so wäre auch die Vorgängerliste noch in Geltung. In den Fällen bei Verstoß gegen eine Einreichungspflicht (v. a. aufgrund einer Leistungsverfügung) gilt dagegen ausnahmsweise trotz fehlender Publizität in Ansehung des betroffenen Anteils die verfügungswidrig nicht eingereichte Liste als Legitimationsgrundlage. cc) Rechtsmissbräuchliches Verhalten des unberechtigten Listengesellschafters Die bereits gewonnen Erkenntnisse sind ebenso gültig, wenn die Legitimationswirkung bei missbräuchlichem Verhalten eines unberechtigten Listengesellschafters in Frage steht. V. a. bei Fälschungen wird diese Frage virulent. Maßgeblich ist auch hier, ob nach objektiven Maßstäben massive Verdachtsmomente vorliegen, so dass sich der Gesellschaft und dem Rechtsverkehr das missbräuchliche Verhalten geradezu aufdrängt.

493

Miller, ZIP 2020, 62 (67). Im Erg. ebenso Cramer/S. Koch, DStR 2020, 464 (469). 495 Vgl. zum Aktienrecht schon Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 141. 496 BGHZ 222, 323 = NZG 2019, 979; ebenso die Vorinstanz KG Berlin GmbHR 2018, 361; dazu Bayer/Selentin, GmbHR 2020, 1; Heckschen, NZG 2019, 1097; Liebau/Schindler, DB 2019, 2010; Münnich, GmbHR 2019, 998; Stöber, BB 2019, 2031; Wachter, DB 2019, 2058; Miller, ZIP 2020, 62; Cramer/S. Koch, DStR 2020, 664. 497 Miller, ZIP 2020, 62 (67). 494

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Ein Dritter kann selbst die gesamte Liste fälschen und sich als Listengesellschafter ausweisen. In solchen Fällen wird die „Änderung“ der Liste für den Rechtsverkehr und die Gesellschaft schwerlich nachzuvollziehen sein. Es drängt sich vielmehr ohne plausible Rahmenumstände objektiv evident auf, dass die Liste durch missbräuchliches Verhalten entstanden sein muss. Sie zeitigt dann freilich keine Legitimationswirkung. Es gilt die Vorgängerliste. Anders wäre es, wenn der Dritter eine Vollmacht zur Abtretung von GmbHAnteilen fälscht und unter Verwendung der Vollmacht sich GmbH-Anteile in notarieller Form abtreten lässt. Die neue Liste wird sodann vom Notar eingereicht. Hier drängt sich für den Rechtsverkehr und die Gesellschaft nicht ohne Weiteres aus dem Inhalt der Liste auf, dass die Abtretung mittels gefälschter Vollmacht erfolgt ist. Ohne zusätzliche, die objektive Evidenz begründende Umstände, fällt es schwer, der Liste die Legitimationswirkung zu versagen. Dieses Ergebnis ist im Interesse der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes nicht unbillig. Es gelten stattdessen die oben ausführlich ausgeführten Schutzmechanismen, nämlich zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, strafrechtliche Sanktionsmechanismen und (einstweiliger) Rechtsschutz.498 dd) Rechtsmissbrauch eines wirklichen Rechtsinhabers Abschließend ist klarzustellen, dass einem Listengesellschafter die Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Rechte nicht durch den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens versagt werden kann, solange er der wahre Rechtsinhaber ist.499 Er ist Listengesellschafter und zugleich wirklicher Rechtsinhaber, weshalb er sich gegenüber dem wahren Rechtsinhaber, der er ja selbst ist, nicht rechtsmissbräuchlich verhalten kann. Zutreffend hat das OLG Düsseldorf mit rechtskräftigem500 Urteil vom 24. 6. 2016501 ebenso entschieden. Im Fall vor dem OLG Düsseldorf hatte der materiell berechtigte Listengesellschafter die in der Satzung vorgesehene Kündigung seiner Mitgliedschaft aus der zweigliedrigen GmbH erklärt. Nach Abgabe der Kündigungserklärung, aber bevor der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist und seine Listenposition verloren hat, lud der verbleibende Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung ein, ohne eine Einladung an den (ausscheidenden) Listengesellschafter zu adressieren. Die in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse waren – nach einer satzungsmäßig vorgesehenen wirksamen Klage durch den (ausscheidenden) Listengesellschafter – wegen des Ladungsmangels für unwirksam erklärt worden. Ein Rechtsmissbrauch des Listengesellschafters, etwa weil der Listengesellschafter ohnehin aus der Gesellschaft ausscheiden werde

498 499 500 501

Siehe schon oben Kapitel 4 C. So auch Illhardt, GmbHR 2016, 991 (992). Die Revision wurde nicht zugelassen, vgl. OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 988 (991). OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 988.

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und deshalb die Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte unterlassen sollte, wurde ausdrücklich zu Recht abgelehnt.502 4. Justizgewährungsanspruch Neben den Tatbeständen des Rechtsmissbrauchs sind Ausnahmen von der Legitimationswirkung aus materiellen Gründen nur äußerst restriktiv und wohl nur zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu erwägen. In der Rechtsprechung ist eine solche weitere Ausnahme – soweit ersichtlich – (bislang) nur in einem Fall durch das OLG Jena503 und im hierzu ergangenen Nichtzulassungsbeschluss durch den BGH504 besprochen und anerkannt worden. Dort begehrte nach Einziehung der nicht mehr in der Liste eingetragene Gesellschafter die gerichtliche Überprüfung des Einziehungsbeschlusses. Trotz fehlender relativer Gesellschafterstellung, die für die Erhebung von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage grundsätzlich erforderlich ist,505 wurde ihm die Anfechtungsbefugnis zugesprochen. Der Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtstaatsprinzip versichert, dass der Zugang zur gerichtlichen Prüfung des Einziehungsbeschlusses nicht unzumutbar und verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar erschwert ist. Daher muss auch hier einem Nichtlistengesellschafter der Rechtsschutz offenstehen.506 Der BGH äußerte sich hierzu nur sehr knapp. Für ihn erscheint diese Auslegung glasklar, weil in der Senatsrechtsprechung geklärt.507 Die Entscheidung ist uneingeschränkt zu begrüßen.508 Mit dieser singulären verfassungsrechtlichen Grenze drohen keine Rechtsunsicherheiten, da sie vergleichbar mit einer innerprozessualen Bedingung erst im Prozess streitig und dort aufgelöst wird.509 Ohnehin kann man in Frage stellen, ob es sich hierbei überhaupt um eine gesellschaftsrechtliche „Ausnahme“ von dem reinen Listensystem handelt oder schlicht um eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Denn die verfassungsrechtlichen Justizgewährung ist stets vorrangig zu einfachgesetzlichen Regelungen.

502 OLG Düsseldorf GmbHR 2016, 988 (990) mit im Ergebnis zust. Anm. Illhardt, GmbHR 2016, 991 (992). 503 GmbHR 2020, 433 (435). 504 BeckRS 2019, 2668. 505 Siehe oben Kapitel 3 B. I. 1. c). 506 OLG Jena GmbHR 2020, 433 (435) unter Verweis auf BVerfG NZG 2010, 902; s. a. Miller, ZIP 2020, 62 (68). 507 BGH BeckRS 2019, 2668 unter Verweis auf BGHZ 192, 236 – Tz. 24; BGH NJW 1977, 2316 (zur GmbH); BGHZ 189, 32 – Tz. 7 ff. (zur AG). 508 Miller, ZIP 2020, 62 (68); s. a. Cramer/S. Koch, DStR 2020, 664 (668); Garbe, GWR 2019, 106. 509 Schon Miller, ZIP 2020, 62 (68).

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Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

III. Beweislast Mit der Implementierung der Grenzen der Legitimationswirkung in das materielle Recht ist noch nicht beantwortet, wer im Zivilverfahren zu beweisen hat, dass eine Listeneintragung ausnahmsweise nicht die Legitimationswirkung auslöst. 1. Ansicht des Reichsgerichts im Aktienrecht Die Beweislastfrage hat schon das RG im Jahre 1906 zu dem aktienrechtlichen Parallelfall des § 223 Abs. 3 HGB (1897) beschäftigt. Es vertrat, dass die ordnungsgemäße Eintragung mit Willen des Eingetragenen derjenige zu beweisen habe, der aus der Eintragung Rechte herleite. So habe die AG nachzuweisen, dass die Eintragungswirkungen gelten, wenn sie den Eingetragenen für mitgliedschaftliche Verpflichtungen in Anspruch nehmen möchte.510 Übertragen auf die GmbH, würde diese Ansicht den Zweck des § 16 Abs. 1 GmbHG konterkarieren und die fein erarbeiteten Grenzen ad absurdum führen. Die reichsgerichtliche Entscheidung bedeutete, dass jeder, der sich auf die Legitimationswirkung berufen wollte, zunächst beweisen müsste, dass die Liste tatsächlich ordnungsgemäß erstellt wurde und somit den materiellen Gesellschafter ausweist. Nur dann würde die Liste die Legitimationswirkung auslösen. Die Gesellschafterliste soll aber gerade in Zweifelsfällen ohne gesonderte Prüfung die Legitimationswirkung dem formal Berechtigten zuschreiben. Das Verfahrensrecht würde mit der reichsgerichtlichen Interpretation die materielle Deutungshoheit aushebeln. Es wundert daher nicht, dass diese aktienrechtliche Stimme zu § 223 Abs. 3 HGB (1897) wenig Aufmerksamkeit im GmbH-Recht nach dem MoMiG gefunden hat. 2. Beweislast nur zulasten der Gesellschaft In der GmbH-rechtlichen Literatur wird vereinzelt die Auffassung vertreten, den Beweis der ordnungsgemäßen Eintragung stets der Gesellschaft aufzubürden, da der zu Unrecht eingetragene oder aus der Liste gestrichene Listengesellschafter „schlecht den gegenteiligen Beweis führen“ kann.511 Dieses rechtspraktische Argument verfängt für die hier beschriebene formelle und materielle Grenzziehung nicht. Für die materiellen Ausnahmen wegen Rechtsmissbrauchs gilt das formale Argument von vornherein nicht, insbesondere wenn der Missbrauchsvorwurf nicht gegenüber der Gesellschaft erhoben wird. Und formelle Ausnahmen werden nach hier vertretenem reinen Listensystem regelmäßig erkennbar sein und damit nachweisbar. 510 RG JW 1906, 433 – zu Art. 223 Abs. 1 i. V. m. Art. 183 Abs. 2 ADHGB (1861); hierzu auch Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl. 1933, § 223 Rn. 6. 511 Bayer, Liber Amicorum M. Winter, S. 9 (27); s. a. Bayer/Horner/Möller, GmbHR 2022, 1 (19); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 12 unter Verweis auf RG JW 1906, 433 (zu Art. 223 Abs. 1 i. V. m. Art. 183 Abs. 2 ADHGB [1861]).

D. Grenzen des reinen Listensystems

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3. Beweislast nach allgemeinen Grundsätzen Schließlich wäre denkbar, die Beweislast nach allgemeinen Grundsätzen zu verteilen.512 Vorliegend besteht kein zwingendes Bedürfnis, von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen. Insbesondere überzeugt die pauschale einseitige Aufbürdung der Beweislast einer Seite nicht. Denn auch mit den anerkannten Instrumenten in der Beweislastdogmatik (etwa sekundäre Darlegungslast) können Problemfälle mit typischer Beweisnot gelöst werden. Nach der von Rosenberg im Jahre 1900 entwickelten Grundregel zur Beweislastverteilung hat demzufolge jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen.513 Zu klären ist dabei, welche Normen im Anwendungsbereich der relativen Gesellschafterstellung „günstig“ sind.514 Es gibt Normen, die rechtsbegründend wirken.515 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat derjenige zu beweisen, der sich auf die rechtsbegründende Regel beruft. Es bestehen als Ausnahmevorschriften hierzu insbesondere sog. rechtshindernde Normen, die vor oder gleichzeitig mit den rechtsbegründenden Normen erfüllt sind.516 Diese Ausnahmen sind in gewisser Weise als negative Voraussetzungen der Rechtsbegründung zu sehen.517 Die Voraussetzungen der rechtshindernden Normen muss ebenso derjenige dartun, für den die Norm günstig ist, der also regelmäßig den Nichteintritt der Regelwirkung behauptet.518 Entsprechend dieser Terminologien ist die rechtsbegründende Norm für die Legitimationswirkung im GmbH-Recht der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Die Eintragung in der veröffentlichten Gesellschafterliste begründet die relative Gesellschafterstellung. Wer sich auf die relative Gesellschafterstellung beruft, muss nur die Eintragung in der aktuellen Gesellschafterliste beweisen, was wegen der öffentlichen Einsehbarkeit unschwer möglich ist.

512

So die h. M.: Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 66; Reymann, BB 2009, 506 (509); Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 16 GmbHG Rn. 31; ebenso noch Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638 (639). 513 Siehe Rosenberg, Beweislast, S. 98 f.; ebenso Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115 Rn. 7 ff.; Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rn. 18. 514 Rosenberg, Beweislast, S. 99. 515 Vgl. etwa anspruchsbegründende Vorschriften wie die §§ 817 Satz 1, 823 Abs. 1, 826, 985, 987 Abs. 1 BGB und ferner die zahlreichen dispositiven Vorschriften im besonderen Schuldrecht, wodurch Primärleistungspflichten durch einen Vertrag begründet werden, z. B. §§ 433 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 611 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB. 516 Grundlegend Rosenberg, Beweislast, S. 122 ff.; die Existenz rechtshindernder Normen wird aber bestritten von Leonhard, Die Beweislast, S. 78 ff., 138 ff.; hiergegen wieder Rosenberg, Beweislast, S. 132 ff. Rechtshindernde Normen sind etwa die Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit im Vertragsrecht (§§ 104 ff. BGB) oder § 817 Satz 2 BGB als Ausnahme zu § 817 Satz 1 BGB. 517 Ausdrücklich Rosenberg, Beweislast, S. 122. 518 Rosenberg, Beweislast, S. 124.

284

Kap. 4: Grenzen der Legitimationswirkung

Die Rechtsbegründung wird verhindert, wenn die Liste formelle Fehler erkennen lässt oder durch die rechtshindernde Norm des § 242 BGB (Rechtsmissbrauch) einzuschränken ist. Die formellen Fehler können durch Vorlage der veröffentlichten Liste weitgehend ebenso unproblematisch bewiesen werden, wie die Begründung der Legitimation durch die Liste selbst. Anderes gilt für die materiellen Ausnahmen. Die Voraussetzungen der rechtshindernden Norm hat nach der allgemeinen Regel derjenige darzulegen und zu beweisen, für den sie günstig sind.519 Das kann je nach Ausnahmefall (Ziel: Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte) der wirkliche Rechtsinhaber sein, der nicht Listengesellschafter ist, oder der zu Unrecht eingetragene Listengesellschafter (Ziel: Vermeidung mitgliedschaftlicher Haftung). Steht allerdings der Darlegungspflichtige außerhalb des Geschehensablaufs, trifft die Gegenseite nach Treu und Glauben die sog. sekundäre Darlegungslast.520 Das kann insbesondere bei missbräuchlichem Verhalten der Gesellschaft relevant werden, wenn die Umstände, die den Rechtsmissbrauch begründen, nur in der Sphäre der Gesellschaft liegen und von ihr ermittelt werden können. Gelingt der Beweis dem Betroffenen nicht, trägt er die Beweislast. Der rechtsbegründende Inhalt der Gesellschafterliste gilt fort.

E. Ergebnis Die Grenzen der relativen Gesellschafterstellung im GmbH-Recht sind vielschichtig diskutiert und eines der umstrittensten Probleme des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Die in der Literatur vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten sind zu dieser Frage – schon wegen der Komplexität der geführten Diskussion – kaum tragfähig, um rechtssichere Ergebnisse zu erzielen. Die Probleme beginnen bereits mit einer unterschiedlichen Handhabung von Geschäftsführer- und Notarlisten und führen hin zu einem nicht einheitlich verstandenen einschränkenden Kriterium der Zurechenbarkeit. Die Zurechenbarkeit – so wird festgestellt – sei im Interesse der von unrichtigen Eintragungen Betroffenen unumgänglich. Damit wird aber nur die halbe Wahrheit ausgesprochen. Individualinteressen im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 GmbHG zu berücksichtigen ist nicht falsch. Allerdings dürfen bei der Gewichtung die Verkehrsschutzinteressen und das Streben nach Transparenz und Rechtssicherheit durch das Listensystem nicht ausgeblendet werden. Wer aber die Zurechnung als teleologisch einschränkendes vages Kriterium fordert, spricht dem Individualschutz 519 Wie hier OLG Naumburg ZIP 2016, 2217 (2220); vgl. allgemein zur Beweislast nach den allgemeinen Grundsätzen bei § 242 BGB als Einwendung wegen Rechtsmissbrauch BVerfG NJW 1988, 2233; BGHZ 64, 5 (11) = NJW 1975, 827 (829); BGH NJW 2013, 1526 (1527) – Tz. 23; Olzen/Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 329; Sutschet, in: BeckOK/BGB, § 242 Rn. 170. 520 Vgl. zur sekundären Darlegungslast etwa BGH GRUR 2017, 386; BGH NJW-RR 2020, 720; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 138 Rn. 10a.

E. Ergebnis

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erhöhte Bedeutung zu, ohne die gewichtigen Interessen der Gesellschaft und des Rechtsverkehrs konkret und angemessen in den Blick zu nehmen. Wer sich diesen Interessen widmet, bemerkt, welch hoher Schutz ihnen durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eigentlich zukommen sollte. Die Individualinteressen sind wichtige, die Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aber vorrangige Ziele. Darüber hinaus sind die individuell Betroffenen nicht schutzlos gestellt. Durch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, präventive Strafandrohungen und (einstweilige) Rechtsschutzmöglichkeiten mit dem Ziel, eine Listeneinreichung zu untersagen oder zu erzwingen, werden ihre Interessen angemessen berücksichtigt. Insbesondere mit letzterem motiviert das reine Listensystem die betroffenen Personen, die Richtigkeit der Listen zu überprüfen und ggf. Korrekturen durchzusetzen. Trotz ihrer hohen Bedeutung für die Rechtssicherheit gilt die Legitimation aber nicht, wenn der Legitimationsträger selbst an erkennbaren, die Legitimation beeinträchtigenden formellen Mängeln leidet. Die Rechtssicherheit ist ob der Erkennbarkeit weniger stark gefährdet. Obendrein kann im Einzelfall das Festhalten an dem reinen Listenprinzip aus materiellen Gründen unerträglich anmuten. Hier hilft das Korrektiv des § 242 BGB. Rechtsmissbräuchliches und treuwidriges Verhalten der Gesellschaft darf nicht geduldet werden. So ist es in diesen Fällen geboten, ausnahmsweise doch den Individualinteressen den Vorrang vor den Interessen des Rechtsverkehrs einzuräumen. Die Anforderungen an das missbräuchliche Verhalten sind streng und dürfen nicht mit der hier nicht in Geltung befindlichen Grenze der Zurechenbarkeit verwechselt werden.

Kapitel 5

Alte Gesellschafterlisten – Übergangsfälle All die in den ersten fünf Kapiteln beschriebenen Anwendungsfälle mit den dortigen Ausführungen zu dem Umfang und zu den Grenzen der Legitimationswirkung basieren auf der Anwendbarkeit der Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Wie eingangs gesehen ist diese Vorschrift aber eine Erfindung des MoMiG aus dem Jahre 2008. Vor der Neugestaltung der relativen Gesellschafterstellung im November 2008 knüpfte die Legitimationswirkung nach Anteilsübertragungen an eine Anmeldung bei der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1 GmbHG a. F.) und nicht an den Listeninhalt. Dem praktischen Rechtsanwender begegnen hin und wieder Gesellschafterlisten, die vor dem 1. 11. 2008 datieren. Es stellt sich dann die Frage, ob der Listengesellschafter oder der angemeldete Gesellschafter als relativer Gesellschafter legitimiert ist. Üblicherweise erkennt der Gesetzgeber die Problematik eines Konzeptionswechsels und erlässt Übergangsvorschriften.1 Für die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG existiert keine solche Übergangsvorschrift. Es ist daher ein Streit darüber entbrannt, wie mit solchen Altlisten umzugehen ist, wenn sich die relative Gesellschafterstellung vor dem Konzeptionswechsel aus der Anzeige bei der Gesellschaft ergab.

A. Bestandsaufnahme der vertretenen Ansichten Teilweise wird – insbesondere von der hierzu ergangenen Rechtsprechung des OLG Dresden – vertreten, es gelte das alte System (§ 16 Abs. 1 GmbHG a. F.) neben dem neuen System fort.2 Danach sei die Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht anwendbar für Listen, die nach dem 1. 11. 2008 noch nicht aktuell zu dem Handelsregister eingereicht worden sind. Der Listeneintragung komme ausnahmsweise keine Legitimationswirkung zu. Maßstab für die Legitimation sei die Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. Wurde die Liste dagegen nach dem 1. 11. 1 Bsp. für Übergangsregelungen im GmbH-Recht sind etwa § 3 Abs. 3 EGGmbHG für § 16 Abs. 3 GmbHG sowie § 8 EGGmbHG und § 5 GesLV für die neuen formalen Anforderungen (Prozentangaben, Veränderungsspalte etc.) an die Gesellschafterlisten. 2 OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (308 ff.); LG München I GmbHR 2010, 149 f.; Begemann/Galla, GmbHR 2009, 1065 (1066 f.); Brandmüller, MittBayNot 2010, 147 (148); Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 207; Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 52; Heckschen, MoMiG in der notariellen Praxis, Rn. 542 f.; D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1040); Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, MoMiG, § 4 Rn. 21 f.

A. Bestandsaufnahme der vertretenen Ansichten

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2008 aktualisiert, so sei umfassend die relative Gesellschafterstellung des Listengesellschafters nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entscheidend. Hierfür sollen verfassungsrechtliche Argumente sprechen, wonach es eine verfassungsrechtlich nicht erlaubte echte Rückwirkung bedeuten würde, wenn die unwiderlegliche Vermutung an alte Gesellschafterlisten anknüpft.3 Zudem könne die Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hierfür herangezogen werden. Der Gesetzgeber habe bewusst auf eine Übergangsregelung zur relativen Gesellschafterstellung verzichtet und damit zum Ausdruck gebracht, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nur für „neue“ Gesellschafterlisten gelten solle.4 Diesem Verständnis ist explizit das KG im Einklang mit großen Teilen im Schrifttum entgegengetreten.5 Das Ziel des neu geschaffenen Konzepts der relativen Gesellschafterstellung, Rechtssicherheit und Transparenz zu schaffen, wäre durch Parallelsysteme der Legitimation im Verhältnis zur Gesellschaft ausgehöhlt.6 Zudem solle § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG an alle Listen anknüpfen, weil eine Übergangsregel – anders als zu § 16 Abs. 3 GmbHG – fehlt (sog. strenges Listensystem)7. Daher solle mit Inkrafttreten des MoMiG am 1. 11. 2008 die relative Gesellschafterstellung nur noch über die Gesellschafterliste bestimmbar sein (vollständiger Konzeptionswechsel). Ausgehend von dieser Argumentation werden teilweise Ausnahmen von dem strengen Listensystem wegen fehlender Zurechenbarkeit vorgeschlagen.8 Insoweit wird das Zurechnungskriterium für neue Listen auf Übergangsfälle übertragen. Wie die Zurechnung aber inhaltlich zu verstehen ist, bleibt erneut offen. Kümmert sich ein materieller Rechtsinhaber nach Erwerb der Gesellschafterstellung nicht um seine Eintragung in die Gesellschafterliste, soll ihm die Unrichtigkeit zurechenbar sein.9 Andere stellen weitaus höhere Anforderungen an die Zurechnung. Zwar sollen Eintragungen in alten Listen die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG hervorrufen, dies allerdings nur, soweit der Eintragung eine wirksame 3

OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (309 f.); LG München I GmbHR 2010, 149 (150); D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1040). 4 So ausdrücklich OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (309). 5 KG GmbHR 2020, 270; DNotI-Report 2008, 185 (186 ff.); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 139 ff.; ders., GmbHR 2017, 273; Horstkotte, ZInsO 2009, 209 (214); Noack, in: Festschrift Hüffer, S. 723 (728); ausführlich Saenger/Sandhaus, DNotZ 2012, 346 (350 ff.); Wachter, DB 2009, 159 (160 Fn. 15); implizit Ries, NZG 2009, 654 (655); vorsichtig noch Hasselmann, NZG 2009, 409 (412); krit. aber Kallweit, GmbHR 2010, 150 (151); Wicke, NotBZ 2009, 1 (12). 6 KG GmbHR 2020, 270 (272); instruktiv auch Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 135 ff. 7 Zur Terminologie vgl. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 139. 8 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 108; Löbbe, in: GroßkommGmbHG, § 16 Rn. 196; instruktiv Reymann, BB 2009, 506 (511 f.); ebenso Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 16 Rn. 108. 9 Vgl. BT Drucks. 16/6140, S. 39 – zur Zurechenbarkeit in § 16 Abs. 3 GmbHG; s.a. Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 142, 145.

288

Kap. 5: Alte Gesellschafterlisten – Übergangsfälle

Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. zugrunde lag und die alten Eintragungen durch die damals zuständigen Geschäftsführer nach heutigen formalen Voraussetzungen (Mitteilung und Nachweis, § 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG) ordnungsgemäß erfolgt sind.10 Im praktischen Ergebnis führt dieser Ansatz allerdings dazu, dass alte Listeneintragungen als Legitimationsgrundlage häufig ausscheiden, weil das Verfahren nach heutigen Maßstäben früher nach alter Rechtslage gemäß § 40 Abs. 1 GmbHG a. F. nicht eingehalten werden musste und daher nicht eingehalten wurde.11 Weitergehend wird vertreten, dass bei Unzurechenbarkeit die Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. für die Legitimationswirkung relevant sein soll. Überdies sei ein eingetragener Anteilsveräußerer nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, sondern allenfalls nach § 16 Abs. 2 GmbHG legitimiert, wenn sich der Erwerber nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. angemeldet hat.12 Schließlich wird die Problematik – nicht zuletzt durch den BGH – zuweilen offengelassen.13

B. Rechtssicherheit und Transparenz durch einen klaren Konzeptionswechsel Die Stimmen, die mit dem Inkrafttreten des MoMiG einen vollständigen Konzeptionswechsel einläuten, gewinnen hier Sympathien. Überspitzt, aber in der Sache auf den Punkt, formuliert Heidinger, dass der Denkansatz des OLG Dresden auf einem grundlegenden Missverständnis beruht; die relative Gesellschafterstellung ergibt sich seit November 2008 einzig aus der Gesellschafterliste und wird nicht durch Veränderungen außerhalb der Liste bestimmt.14 Daher darf es für die Legitimationswirkung keinen Unterschied bedeuten, ob die Gesellschafterlisten vor oder nach Inkrafttreten des MoMiG am 1. 11. 2008 erstellt worden sind. Der Rechtsverkehr und die Gesellschaft müssen sich zu dem Stichtag 1. 11. 2008 auf alle Eintragungen in Gesellschafterlisten – ob alt oder neu – verlassen können, um rechtssicher die relativen Gesellschafter bestimmen zu können. Im Übrigen wäre unklar, wann Gesellschafterlisten „alt“ sind. Müssen sie vor dem 1. 11. 2008 eingereicht worden sein, um „alt“ zu sein,15 oder davor zu dem Register aufgenommen worden sein?16 Ist 10

Reymann, BB 2009, 506 (512); weniger streng Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 145. 11 Reymann, BB 2009, 506 (511 f.). 12 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rn. 108. 13 BGH ZIP 2018, 2018 (2020) – Tz. 28; F.-H. Lange, NJW 2016, 1852 (1854); s. a. Punte/ Stefanink, DB 2018, 364 (365 ff.). 14 Heidinger, GmbHR 2017, 273 (274). 15 So wohl Servatius, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 16 Rn. 52. 16 Unklar welcher Zeitpunkt entscheidend sein soll Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 208.

B. Rechtssicherheit und Transparenz durch einen klaren Konzeptionswechsel

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jede nach dem Stichtag neu aufgenommene Liste eine taugliche Legitimationsgrundlage?17 Oder muss der geänderten Liste auch eine materiell-rechtliche Veränderung zugrunde liegen?18 Machen bloß formale Änderungen der Liste diese „neu“ oder bleibt sie „alt“? All die Fragen sind mit einem strengen Konzeptionswechsel obsolet. Die Ziele des neu gefassten § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG können daher am effektivsten verwirklicht werden, wenn die Legitimationswirkung an alle Listen, die vor oder nach November 2008 erstellt wurden, anknüpft.19 Dabei darf es insbesondere nicht darauf ankommen, ob und inwieweit die Listenposition aus den alten Listen dem wahren Gesellschafter zurechenbar ist.20 Neben der Rechtssicherheit wird durch das strenge Listensystem die Transparenz über die Anteilseignerstruktur einer GmbH erhöht. Vor dem Konzeptionswechsel mit der erheblichen Aufwertung der Gesellschafterliste waren die Listen häufig unrichtig, weil sie keine Rechtswirkungen auslösten.21 Das sollte sich mit dem MoMiG grundlegend ändern. Mit dem strengen Listenprinzip sind sowohl die Gesellschafter als auch die Gesellschaft angehalten, die Listen einzusehen, zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Die Gesellschafter gelten nach einem strengen Listensystem nur durch die Listenstellung als legitimiert. Es ist jedem Gesellschafter einer GmbH dabei zumutbar, einmal nach Erlass des MoMiG die Listen auf Richtigkeit zu prüfen, zumal die Einsicht der Gesellschafterliste bei dem Registergericht vor Ort in der Regel kostenlos ist, für den digitalen Abruf eine Gebühr von lediglich 1,50 Euro anfällt (Nr. 1141 KV JVKostG) und ab 01. 08. 2022 durch Änderung des IVKostG nach Art. 11 DiRUG sogar sämtliche Abrufgebühren bei digitalem Abruf entfallen. Einsehende haben insbesondere herauszufinden, ob die Gesellschafter, die bei ihnen angemeldet sind oder die sie sonst als Gesellschafter behandeln, auch in der Liste eingetragen sind. Ist dem nicht so, ist eine Korrektur unumgänglich. Eine Korrektur mag u. U. anstrengend und bei Widerstand eines Listengesellschafters prozessual aufwendig sein, insbesondere wenn die Gesellschafterlisten seit Jahrzehnten unsauber geführt waren. Das Ziel der Transparenzschaffung kann aber nur so voll verwirklicht werden.22 Alle Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren aktuelle Gesellschafterlisten auf einem Stand vor dem 1. 11. 2008 sind, trifft diese Prüf- und Aktualisierungsobliegenheit. Kurzfristig könnten dadurch möglicherweise Zivilverfahren zur Klärung der materiellen Gesellschafterstellungen anhängig werden. Langfristig wird aber Rechtssicherheit und Transparenz geschaffen.

17 So Ebbing, in: Michalski et al., GmbHG, § 16 Rn. 208; Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 138. 18 So wohl D. Mayer, ZIP 2009, 1037 (1040). 19 Ausdrücklich KG GmbHR 2020, 270 (272). 20 Siehe ausführlich zu den Argumenten gegen das Zurechnungskriterium oben Kapitel 4 B. 21 Vgl. etwa Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 40 Rn. 20. 22 Wie hier KG GmbHR 2020, 270 (272).

290

Kap. 5: Alte Gesellschafterlisten – Übergangsfälle

C. Keine verfassungswidrige echte Rückwirkung Unklar scheint mit dem strengen Ansatz des klaren Konzeptionswechsels, ob hiermit ein Verfassungsverstoß einhergeht. Die Frage der Verfassungskonformität ist deswegen von besonderer Brisanz, weil das OLG Dresden einen vollständigen Konzeptionswechsel im Wesentlichen nur wegen (scheinbarer) verfassungsrechtlicher Bedenken ablehnt, die strenge Ansicht im Übrigen aber „in weiten Teilen für sehr gut nachvollziehbar, ja für überzeugend“23 hält. Gezweifelt werden kann an der Unterstellung, das strenge Listensystem manifestiere eine echte Rückwirkung, die grundsätzlich mit der Verfassung – konkret dem Rechtsstaatsprinzip – unvereinbar sei.24 Nach verfassungsrechtlichen Grundlagen entfaltet eine Rechtsnorm echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift, also ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (sog. Rückbewirkung von Rechtsfolgen).25 Dagegen wird von unechter Rückwirkung gesprochen, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (sog. tatbestandliche Rückanknüpfung).26 Es trifft zu, dass ein vor dem 1. 11. 2008 nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. ordnungsgemäß angemeldeter, aber nicht in die Gesellschafterliste aufgenommener Gesellschafter die relative Gesellschafterstellung inne hatte. Sie wird ihm rückwirkend für die Vergangenheit aber nicht entzogen. Erst mit Inkrafttreten des MoMiG gilt als relativer Gesellschafter nur noch der Listengesellschafter. Für die Zukunft, also mit der Gesetzesänderung, verliert der nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. angemeldete, aber nicht eingetragene Gesellschafter seine relative Gesellschafterstellung. Dadurch wird aber keine belastende Rechtswirkung an Tatbestände, die bereits vor Verkündung des MoMiG abgeschlossen waren, geknüpft,27 sondern die Rechtslage für die Zukunft neu gestaltet. Die relative Gesellschafterstellung, die mit der Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. erlangt wurde, ist kein in der Vergangenheit abschließend begründeter Status, der durch ein neues Gesetz für die Zukunft nicht entzogen werden dürfte. Wird der genannte Status ab Inkrafttreten des 23

OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (310). KG GmbHR 2020, 270 (273). 25 Der Erste Senat spricht überwiegend von „echte“ und „unechter“ Rückwirkung (vgl. jüngst BVerfGE 135, 1 [13 f.] = AG 2014, 322 [324] – Tz. 37 ff.); der Zweite Senat verwendet dagegen häufig die Begriffspaare „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ und „tatbestandliche Rückanknüpfung“ (vgl. BVerfGE 72, 200 [242] = NJW 1987, 1749); beide Terminologien gleichbedeutend verwendet aber der Zweite Senat in BVerfGE 127, 1 (16 f.) = NJW 2010, 3629 (3630); siehe ausführlich auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 Rn. 156 ff. 26 Siehe etwa BVerfGE 101, 239 (263 f.) = NJW 2000, 413 (415); BVerfGE 132, 302 (318) = DStR 2012, 2322 (2326). 27 So aber OLG Dresden GmbHR 2017, 306 (309 f.). 24

D. Ergebnis

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MoMiG nachträglich für die Zukunft entwertet, verwirklicht sich eine unechte, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige Rückwirkung, also eine tatbestandliche Rückanknüpfung, wie sie vielen Gesetzen immanent ist.28 Der hier vertretene eindeutige Konzeptionswechsel der relativen Gesellschafterstellung sieht sich im Ergebnis keinen vom OLG Dresden unterstellten verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.29 Wird die echte Rückwirkung zu Recht abgelehnt, so wird der Ansicht, die einen Parallellauf von alter und neuer Rechtslage vorsieht, die maßgebliche Argumentationsgrundlage entzogen.

D. Ergebnis Der strenge Konzeptionswechsel löst die Übergangsproblematik. Nur die Eintragungen in die alten Listen sind für die relative Gesellschafterstellung beachtlich, nicht daneben oder stattdessen die Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. oder die materielle Rechtslage. Es besteht also ein vollständiger Gleichlauf von alten und neuen Gesellschafterlisten ab Inkrafttreten des MoMiG zu dem 1. 11. 2008 trotz und gerade wegen einer fehlender Übergangsregelung.

28

Ebenso KG GmbHR 2020, 270 (273). Wie hier KG GmbHR 2020, 270 (273); Heidinger, in: MüKoGmbHG, § 16 Rn. 139; ders., GmbHR 2017, 273 (277 f.). 29

Kapitel 6

Zusammenfassung – System und Grenzen der relativen Gesellschafterstellung A. System – Strenges Listensystem I. Bedeutungswandel im Jahre 2008 Von der Entstehung der GmbH im Deutschen Kaiserreich 1892 bis zu dem Erlass des MoMiG im Jahre 2008 war die relative Gesellschafterstellung teilweise in § 16 Abs. 1 GmbHG 1892 statuiert. Wurden GmbH-Anteile veräußert, so galt nur der bei der Gesellschaft angemeldete Gesellschafter als Inhaber des Anteils, § 16 Abs. 1 GmbHG 1892. Für andere Erwerbsvorgänge als durch Rechtsgeschäft – etwa durch Gesamtrechtsnachfolge – galt die relative Gesellschafterstellung allerdings nicht. Mit dem MoMiG im Jahre 2008 wurde ein Bedeutungswandel der relativen Gesellschafterstellung eingeläutet. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt nunmehr als Inhaber eines Geschäftsanteils nur der Listengesellschafter. Ob er den GmbH-Anteil durch Rechtsgeschäft oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworben hat, ist für die Anwendung der relativen Gesellschafterstellung unbeachtlich. Selbst wenn der Listengesellschafter die materielle Inhaberschaft überhaupt nicht erlangt hat (unwirksamer Erwerb, Anfechtung etc.) sowie für Gründergesellschafterlisten nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG oder das Musterprotokoll gemäß § 2 Abs. 1a Satz 4 GmbHG gilt die Legitimationsanordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.

II. Zielsetzungen Mit der Neufassung von § 16 Abs. 1 GmbHG werden zwei wichtige Ziele verfolgt, nämlich Rechtssicherheit und Transparenz. Beide Zielrichtungen können verwirklicht werden, wenn die Gesellschafterlisten (fast) ausnahmslos als Legitimationsträger für die relative Gesellschafterstellung fungieren. Dabei kann von einem sog. strengen Listensystem gesprochen werden. Nur die Listengesellschafter dürfen im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des GmbH-Anteils unwiderleglich vermutet werden, und zwar ungeachtet der tatsächlichen materiellen Rechtslage. Bestehen Diskrepanzen zwischen der wirklichen Rechtslage und der formal aus den Listen ausgewiesenen Rechtslage, bleibt letztere für die relative Gesellschafterstellung maßgeblich. Diese relative Gesellschafterstellung ist keine nur im Innen-

A. System – Strenges Listensystem

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verhältnis zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft relevante Rechtsposition, sondern schützt weit darüber hinaus die Mitgesellschafter und den Rechtsverkehr. Sie schafft Rechtssicherheit durch die umfassende Beständigkeit verbandsinterner Akte. Soweit im Einzelfall die Legitimation eines Listengesellschafters bei Handlungen gegenüber der Gesellschaft in Streit steht (z. B. Zustimmung zu Anteilsabtretungen oder Kapitalerhöhung unter Aufnahme eines Dritten in den Gesellschafterkreis), können sich auch außenstehende Dritte auf die durch die Gesellschafterliste vermittelte relative Gesellschafterstellung berufen. Gleiches gilt erst recht für die Gesellschaft, die sich in der Regel rechtssicher auf den Listeninhalt verlassen darf, also etwa Gewinne an die Listengesellschafter mit Rechtsgrund ausschütten oder die Listengesellschafter wirksam zu Gesellschafterversammlungen laden und dadurch die Fassung wirksamer Beschlüsse ermöglichen kann.

III. Dogmatische Erfassung Der Gedanke der Rechtssicherheit wird durch die dogmatische Einordnung der neuen Legitimationsnorm des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG untermauert. Die Vorschrift ist als Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes in Form einer unwiderleglichen Vermutung konzipiert, findet also auch Anwendung, wenn die Gesellschaft positive Kenntnis von der Unrichtigkeit einer Gesellschafterliste hat. Rechtskonstruktiv werden durch die Regelungsanordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten (sog. aktive und passive Ausübungsbefugnis) abgespalten und dem Listengesellschafter zugeordnet. Im Ergebnis bleibt der materiell-rechtliche Gesellschafter bereicherungsrechtlich berechtigt und kann u. U. Rückgriffsansprüche gemäß §§ 816 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gegen den falschen Listengesellschafter erheben. Die Abspaltung und Zuordnung der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten ist ein gedankliches Abstraktionskonstrukt. Selbst wenn sich die Listengesellschafterstellung mit der materiellen Inhaberschaft deckt, sind beide Positionen selbstständig und abstrakt voneinander. Wird der Anteil übertragen, ohne dass die Liste geändert wird, oder wird die Liste korrigiert, ohne dass ein Gesellschafterwechsel stattgefunden hat, fallen beide Positionen automatisch auseinander. Dabei ist aber die Listenposition als solche durch die Abspaltung nicht gegenständlich von der materiellen Mitgliedschaft losgelöst und daher niemals verkehrsfähig.

IV. Umfang der Legitimationswirkung Wer in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, wird grundsätzlich als Inhaber des Anteils unwiderleglich vermutet (sog. positive Legitimationswirkung). Im Umkehrschluss gilt das nicht für Personen, die keine Listenposition innehabe (sog. negative Legitimationswirkung). Weitere Vor-

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Kap. 6: Zusammenfassung – System und Grenzen

aussetzungen als die Eintragung in die veröffentlichte Liste sind für das Entstehen der relativen Gesellschafterstellung nicht notwendig. Der relative Gesellschafter ist befugt, im Verhältnis zur Gesellschaft alle mitgliedschaftlichen Rechte auszuüben und hat für alle mitgliedschaftlichen Pflichten einzustehen. Wie weit die Legitimation reicht, bestimmt der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG abschließend. De lege lata wird nur die Inhaberschaft an einem GmbH-Anteil unwiderleglich vermutet. Nur insoweit wird der Listengesellschafter legitimiert. Ist sein Anteil dinglich belastet, unterfällt er einer Amtsverwaltung oder ist der Gesellschafter gesetzlich vertreten, kann die Gesellschafterliste hierüber keine Informationen geben und daher insoweit nicht als Legitimationsgrundlage dienen. Die Legitimation der Listeneintragung erstreckt sich auch auf die mitgliedschaftlichen Pflichten und somit auf die mitgliedschaftliche Haftung vollumfänglich. Ein Listengesellschafter hat demzufolge gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für alle mitgliedschaftlichen Pflichten einzustehen. Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 GmbHG behandelt dagegen nicht die Haftung des Listengesellschafters, sondern die Forthaftung des Veräußerers nach der Veräußerung eines GmbH-Anteils. Mit § 16 Abs. 2 GmbHG wird bezweckt, dass der Veräußerer sich nicht durch einen Gesellschafterwechsel seiner mitgliedschaftlichen Haftung entziehen kann, es wird keine mitgliedschaftliche Haftung des Listengesellschafters begründet.

B. Grenzen – Reines Listensystem Obwohl das strenge Listensystem Rechtssicherheit und Transparenz schaffen soll und daher Ausnahmen von der Legitimationswirkung des Listengesellschafters nicht zugelassen werden sollten, gilt das (neue) Listensystem nicht ausnahmslos. Die in der Literatur und Rechtsprechung vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten zur Frage, wann Grenzen der Legitimationswirkung zu ziehen sind, können aber nicht vollständig befürwortet werden. Nach diesen Stimmen solle die Legitimationswirkung trotz formaler Eintragung bei fehlerhaftem Eintragungsverfahren und rechtsmissbräuchlichem Verhalten ausgeschlossen sein. Zudem erfahre die Legitimationswirkung dort ihre Grenzen, wo die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste dem wahren Rechtsinhaber oder betroffenen Listengesellschafter nicht zurechenbar ist. Mit der Einführung des zuletzt genannten ungeschriebenen Zurechnungskriteriums wird der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG allerdings zu eng eingegrenzt. Durch die Zurechnung sollen die Individualinteressen der betroffenen Personen berücksichtigt werden. Wann aber eine Listenposition unzurechenbar erlangt wurde, ist aus den Listen selbst nicht ersichtlich. Der Rechtsverkehr und die Gesellschaft könnten sich also nicht zuverlässig auf den Inhalt der Gesellschafterlisten als alleinige Legitimationsgrundlage verlassen. Die Individualinteressen sind zwar wichtig, die Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aber vorrangig. Das gilt umso mehr, als die individuell Betroffenen

B. Grenzen – Reines Listensystem

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nicht schutzlos gestellt sind. Durch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, präventive Strafandrohungen und die Möglichkeit des (einstweiligen) Rechtsschutzes werden ihre Interessen angemessen berücksichtigt. Insbesondere steht dem Betroffenen bei unrichtigen Listen ein Listenkorrekturanspruch zu, der im Wege der Leistungsklage gegen die Gesellschaft durchgesetzt werden kann. Das Zurechnungskriterium als einschränkendes Moment darf für § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG folglich keine Rolle spielen. Aber auch die formelle Ausnahme von der Legitimationswirkung des Listengesellschafters, wenn das Eintragungsverfahren nicht eingehalten wurde, kann nicht befürwortet werden. Für den Rechtsverkehr ist aus den veröffentlichten Listen nicht erkennbar, ob und inwieweit das bisweilen privat organisierte (§ 40 Abs. 1 GmbHG) Eintragungsverfahren eingehalten wurde. Dadurch entstehen Rechtsunsicherheiten, die durch das strenge Listensystem verhindert werden sollen. Entwickelt wurde stattdessen das sog. reine Listensystem, „rein“ deshalb, weil es frei von Zurechnungsaspekten gilt. Diese Ansicht bedeutet freilich nicht, dass überhaupt keine Grenzen der relativen Gesellschafterstellung und damit der Legitimationswirkung bestehen. Welche Grenzen konkret zu ziehen sind, wurde nach Abwägung der widerstreitenden Interessen – Funktionsfähigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs auf der einen Seite gegen Einzelinteressen auf der anderen Seite – und unter Analyse von Durchbrechungstatbeständen zu anerkannten zivilrechtlichen Abstraktionen entwickelt. Die Hauptaussagen des neuen Systems lauten: Das reine Listensystem motiviert die Gesellschafter selbst, für korrekte Listen zu sorgen. Hierfür werden ihnen die Instrumentarien der Korrekturansprüche eröffnet und (einstweilige) Rechtsschutzmöglichkeiten gewährt. Nur aus eng begrenzten formellen und materiellen Gründen darf von der klaren Regelungsanordnung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG abgewichen werden. Aus formellen Gründen knüpft an fehlerhafte oder unzulässige Eintragungen keine Legitimationswirkung an, wenn aus der in das Register aufgenommenen Liste die formalen Unrichtigkeiten erkennbar sind und die Legitimationswirkung beeinträchtigen können. Materielle Grenzen bestimmen sich dagegen nach dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 242 BGB. Insoweit können die Grenzen bei Rechtsmissbrauch, wie sie das Schrifttum vorgezeichnet und die Rechtsprechung übernommen hat, im Ausgangspunkt auch im reinen Listensystem überzeugen. Neben der Kollusion scheidet danach die Legitimationswirkung aus, wenn der Treuverstoß für die Gesellschaft, Mitgesellschafter oder den Rechtsverkehr objektiv evident ist. Abschließend bleibt nur noch zu bemerken: Die Gedanken dieser Arbeit sind als Anleitung zur Anwendung der relativen Gesellschafterstellung zu lesen, zu begreifen und zu benutzen. Sie sollen einen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten, aber mit von Hayek wohl wissend, dass völlige Gewissheit des Rechts ein Ideal ist, das wir anstreben müssen, aber nie vollkommen erreichen können.1

1

Von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 289.

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Sachwortverzeichnis Abfindung 121 Abfindungsanspruch 121 – Dogmatik, Abfindungsanspruch 122 – Legitimationswirkung 123 – Surrogatcharakter 122 Absoluter Verkehrsschutz, Tatbestand 85 f., 192, 194, 210, 222, 276, 293 Abspaltungsverbot 72 – 74 Abstraktion – Dingliches und kausales Geschäft 269 – Durchbrechung 272 ff. – Relative Gesellschafterstellung 28, 180, 185, 269 ff. – Stellvertretungsrecht 270 ff. Actio pro socio Gesellschafterklage Aktienbuch 28, 32 f., 35, 56, 62 f., 77 Anonymität 37 f., 41, 44, 61 Anregung – des Registergerichts 248 Ausschluss des Listengesellschafters 125 ff. – Anteilsverlust 126 – Ausschließungsurteil 126 – Trägerloser Anteil 126 Austritt aus wichtigem Grund 124 Betrug 226 Beweislast 282 ff. – Rosenbergsche Formel 283 – Sekundäre Darlegungslast 284 Bedingung und Listenerstellung 62, 172 Centros, EuGH 45 Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft 34 Differenzhaftung 110, 154 Dogmatik – Abspaltung der Ausübungsbefugnis 80, 250, 293 – Abspaltung der Rechtszuständigkeit 72, 74 – Duplizität 71 f., 79 f., 82, 86, 108 – Fiktion Fiktion

– – – –

Rechtsfolgendogmatik 80, 82 Rechtsscheintatbestand 75 – 77, 86 Rechtstechnik j -konstruktion 74, 80 Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes Absoluter Verkehrsschutz, Tatbestand – Teleologische Extension Teleologische Extension – Unwiderlegliche Vermutung Unwiderlegliche Vermutung EGVP 169, 175, 182, 225 Einheitlichkeit der Mitgliedschaft 72 – 74, 146 Einlagepflichten j -leistungen 66, 110, 154 ff. Einstweiliger Rechtsschutz 65, 123, 177, 227 ff. Einziehung 119 ff. – Abfindung, Rechtsfortwirkung 123 f. – Abfindung Abfindung – Erlöschen des Anteils 121 – freiwillige 120 – Legitimationswirkung 122 – Listenänderung als Wirksamkeitsvoraussetzung 121 – Zustimmungsvorbehalt 120 Erbschein 200, 216 Fälschung von Gesellschafterlisten 173, 225, 227, 252, 279 Feststellungsklage 98, 234 Fiktion 78 – 80, 83 – 86 – Rückwirkungsfiktion Rückwirkungsfiktion Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) 47, 51 Forderungsabtretung 204 Forthaftung, mitgliedschaftliche 40, 42 f., 144 – 155, 157 – 159, 161, 294 – Aktiengesellschaft 147 – Einlageverpflichtungen Einlagepflichten j -leistungen – Erfüllung der Einlageforderung 159

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Sachwortverzeichnis

– Listenkorrektur 155 – Personengesellschaften 146 – Veräußerer 150 – Zurückbehaltungsrecht 161 Führungslosigkeit 69, 117 – 119 Geldwäscherichtlinie – 3. Gw-RL 47, 69 – 4. Gw-RL 50 f., 53, 220 f. – 5. Gw-RL 56, 221 Gesamtschuldnerische Haftung 43 Geschäftsführerabberufung 143 Geschäftsführerbestellung 140 ff. – Fehlerhafte Organbestellung 141 f. – Vertragsgestaltung 142 Geschäftsführerhaftung (§ 40 Abs. 3 GmbHG) 73, 166, 177, 225, 229, 258, 267, 276 Geschäftsführung ohne Auftrag 82 Geschäftsunfähigkeit 134 Gesellschafterbeschluss 211 – Legitimationswirkung 212 – Nichtigkeit 211, 218 – Nichtigkeit, Heilung 212 Gesellschafterklage 98, 99, 101 Gesellschafterliste – Geburtsdatum 45, 51, 91, 135, 260 f. – Nummerierung 54, 262, 264 – Prozentangabe 52, 54, 97, 259, 262 – Wohnort 51, 91, 261 Gesetzgebungsmaterialien – Referentenentwurf 138 – Referentenentwurf 1939 37 – 41, 114, 149 f. – Referentenentwurf 1969 42 f., 150 – Referentenentwurf 2006 47 – 49, 154 – Regierungsentwurf 1972 42 f., 114, 150 – Regierungsentwurf 2007 48 – 50, 154 Gewinnverwendungsbeschluss 218 Grundbuch 198, 254 Gründergesellschafterliste 88, 292 Gutgläubiger Erwerb – bewegliche Sachen 201 – Geld und Inhaberpapiere 201 – Geschäftsanteile 48, 111, 196

Haftung, mitgliedschaftlich 144 f. Haftung pro rata 113 f. Hypothek 198 f. Informationsrecht 95, 100 f. Inhaberschuldverschreibungen 204 Insolvenz – Gewinnausschüttung 130 – Insolvenzantragspflicht 117 – Insolvenzrisiko 134, 157, 218 – Insolvenzvermerk 127, 129, 263 – Insolvenzverwalter 130 f. – Ladung zur Gesellschafterversammlung 130 Inspire Art, EuGH 45 Justizgewährungsanspruch 190, 281 Kaduzierung 111 – 113, 169, 172 – Relative Gesellschafterstellung 111, 113 – Wirkung 112 Kapitalerhöhung 103 – 109, 213, 275, 278, 293 – Aufstockung 106 – Effektive 103 – Eintragung 104, 106 – Euroumstellung 107 – Kapitalerhöhungsbeschluss 104 f., 107 – Legitimationswirkung 109 – Nachträgliche Schutzmöglichkeiten 105 – Nominelle 108 – Präventive Schutzmöglichkeiten 104 – Reparierende 213 Klagenhäufung 234 Kollusion – Durchbrechung Listensystem 274 – Missbrauch der Vertretungsmacht 271 Leistungsklage 233 – 235, 244, 246, 251, 295 Leistungsverfügung 235, 241 – Vorwegnahme der Hauptsache 241 Liberationswirkung 198, 209 Listenänderung 169 ff. – Allgemeines 165 – durch Geschäftsführer 169 – durch Notare 172 – Fehler 267 – Mitteilung 170

Sachwortverzeichnis – Nachweis 171 – Verfahrensvoraussetzungen 169 ff. Listenkorrektur 175 ff. – Allgemeines 165 – Anspruch 228 – Anspruchsgegner 230 – Anspruchsgrundlage 228 f. – Fehler 267 – Gelegenheit zur Stellungnahme 175 – Voraussetzungen 175 Minderheitsrechte 96 Minderjährigkeit 134 f. Mitteilungsfiktion, Geldwäsche 52, 56 MoPeG 54, 146 Musterprotokoll 162, 292 Nachlasspflegschaft 134, 136 Nachschusspflicht 95, 110 Nebenleistungspflichten 115, 154 Nießbrauch 36, 131 ff. – Eintragungsfähigkeit 132 – Eintragungsfähigkeit, Gesellschafterliste 133 – Eintragungsfähigkeit, Kommanditgesellschaft 132 – Legitimationswirkung 133 – Nutzungen 132 – Verwaltungsrechte 131 Notar – Alleinzuständigkeit des Notars 56 Notarbescheinigung 173, 263 Notarhaftung (§ 19 BNotO) 225, 258, 267 Öffentliche Versteigerung 36, 113, 202 f., 207 Österreichisches Recht 33, 36, 64 f. Pfändung 36 Pflegschaft 242 Pflegschaft für unbekannte Beteiligte 136 Preisgaberecht 110 Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaft 32 Preußisches Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen 31 Prozessführungsbefugnis 97 Prozessstandschaft 98

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Rechtsmissbrauch 187 ff., 274 ff. – Materieller Gesellschafter 280 – Meinungsspektrum 187 ff. – Unberechtigter Listengesellschafter 279 – Verhalten der Gesellschaft 278 Regelungsverfügung 235 f., 247 – Inhalt 237 – Verfügungsanspruch 236 – Verfügungsgrund 237 Registergericht – Formelle Prüfungskompetenz 256 – Materielle Prüfungskompetenz 257 – Zuständigkeit 92 Reichjustizministerium 37 – 40 ReineVertrauenstatbestände 197 Relative Gesellschafterstellung – Begriff 57 f. – Disponibilität 63 – Dogmatik Dogmatik – Grenzen 163 – Zweck 60 ff. Rückwirkungsfiktion 99, 138, 140, 144 Satzungsänderung 211 Scheinerben 224 Scheingesellschafter 77 f. Schuldnerschutz 207 Sicherungsverfügung 235 – Unterlassungsverfügung 246 Sozialversicherungsrecht 110 Stimmrecht 95 f., 116, 130, 240 Teilnahmerecht 95, 240 Teleologische Extension 90 f. Testamentsvollstreckung 127 – Eintragungsfähigkeit 127 – Legitimationswirkung 129 – Veränderungsspalte 263 Treu und Glauben 272 Treuepflichten 115 f. Übergangsfälle 286 – Konzeptionswechsel 288 – Rückbewirkung von Rechtsfolgen 290 – Tatbestandliche Rückanknüpfung 290 – Verfassungskonformität 290 Überseering, EuGH 45 Umwandlungsfälle 36, 100, 150, 153

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Sachwortverzeichnis

Unbekannter Gesellschafter 135 Ungerechtfertigte Bereicherung 105, 160, 219, 224 – Aufwendungskondiktion 105, 224 – Eingriffskondiktion 81 – Mehrpersonenverhältnisse 224 – Rückgriffsansprüche 293 Unterschrift, Gesellschafterliste 171, 259, 262, 265, 268 Untreue 226 Unverzügliche Listeneinreichung 139 f. Unwiderlegliche Vermutung 78 – 80, 83, 85 f., 168, 187, 189, 287 Urkundenfälschung 226 Veränderungspalte 54, 128, 151, 259, 262 f. Veranlasserprinzip 198 Vermögensrechte – Abfindungsrecht 101 – Allgemein 101 – Allgemeines 103 – Gewinnbezugsrecht 102, 240 – Gewinnrecht 101 – Liquidationserlös 101 Verpfändung 36, 71, 131

Vinkulierungsklausel 214, 217 – Zustimmungsbeschluss 214 Vorgängerliste 262, 265, 279 f. Zurechenbarkeit 179 ff. – Meinungsspektrum 179 f. – Rechtsprechung 184 – Spezielle Zurechnungsprinzipen 192 – Systematische Einordnung 179 – Zurechnungsfähigkeit 192 – Zurechnungslehre 192 Zuständigkeit, Gesellschafterlisten – Absolute Unzuständigkeit 265 – Listenänderung 165 – Listenkorrektur 166 – Listenkorrektur, Notarlisten 166 – Relative Unzuständigkeit 265 Zwangsgeld 233 – Androhung 234 Zwangsvollstreckung 36, 66, 233 Zwingendes Recht, relative Gesellschafterstellung 50, 70 Zwischenfeststellungsklage 234 f. Zwischenfeststellungswiderklage 251