Die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB im Lichte des Pharmamarketings [1 ed.] 9783428581252, 9783428181254

Der Apotheker nimmt im Gesundheitswesen aufgrund der Apothekenpflicht für Arzneimittel eine Schlüsselstellung ein, die i

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German Pages 218 [219] Year 2021

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Die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB im Lichte des Pharmamarketings [1 ed.]
 9783428581252, 9783428181254

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Schriften zum Strafrecht Band 363

Die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB im Lichte des Pharmamarketings

Von

Anne Türke

Duncker & Humblot · Berlin

ANNE TÜRKE

Die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB im Lichte des Pharmamarketings

Schriften zum Strafrecht Band 363

Die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB im Lichte des Pharmamarketings

Von

Anne Türke

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18125-4 (Print) ISBN 978-3-428-58125-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand neben meiner Tätigkeit als Strafrichterin und zuletzt als Staatsanwältin im Justizdienst des Landes Baden-Württemberg. Sie wurde im Sommersemester 2020 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Mai 2020 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herrn Professor Dr. Gerson Trüg für seine hervorragende Unterstützung und seine konstruktiven Anmerkungen und Hinweise. Durch seine Bereitschaft, mich als externe Doktorandin zu betreuen, hat er es mir überhaupt ermöglicht, die Arbeit berufsbegleitend zu erstellen. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Walter Perron für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt ferner meinen Eltern, meinem Bruder sowie meinen Freunden für all ihre Unterstützung und Geduld während dieser Zeit. Schließlich möchte ich mich bei meinem Verlobten Herrn Dr. Oliver Kanzler bedanken, der mich nicht nur durch fachliche Gespräche, sondern auch mit sehr viel Verständnis und Rückhalt während des gesamten Promotionsverfahrens unentwegt unterstützt hat. Ihm soll die Arbeit gewidmet sein. Stuttgart, im Juni 2020

Anne Türke

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anstoß für das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen II. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dimensionen des Gesundheitsmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ultima-ratio Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen des ultima-ratio Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie im Lichte des ultima-ratio Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Defizite der Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie . . . . . . . . . . . bb) Zweckbestimmung der Maßnahmen der Verfahrensordnungen . . c) Berufsrecht im Lichte des ultima-ratio Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Defizite der berufsrechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckbestimmung berufsrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . d) Approbationsrecht im Lichte des ultima-ratio Prinzips . . . . . . . . . . . . aa) Defizite der approbationsrechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckbestimmung des Widerrufs der Approbation . . . . . . . . . . . e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ordnungswidrigkeitenrecht im Lichte des ultima-ratio Prinzips . . . . aa) § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis zum Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unionsrechtlich determinierte Regelungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Rahmenbeschluss der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Untersuchung des § 299a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung des Gesetzgebungsverfahrens für die Auslegung des § 299a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Etappen des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzesantrag des Freistaates Bayern (BayE) . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung . . . . . . . . . . (3) Sog. Berufsrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (RefE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung . . . . . . . . . . (3) Sog. Berufsrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesetzentwurf der Bundesregierung (RegE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung . . . . . . . . . . (3) Sog. Berufsrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung . . . . . . . . . . (3) Sog. Berufsrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen . . c) Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich des § 299a StGB aus Apothekersicht . . . . . . . . . . . . a) Tauglicher Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Tatvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, § 299a Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, § 299a Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial, § 299a Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grammatische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Geschützte Rechtsgüter des § 299a StGB . . . . . . . . . . . . . (aa) Schutz des fairen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anwendung auf den Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (3) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Abgrenzung zur restriktiven Auslegung . . . . . . . . . . . . . . (b) Wesen der teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ratio legis des § 299a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Auslegung und Rechtsfortbildung durch die Gerichte . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Zulässigkeit der Rechtsfortbildung durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 299a Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) § 299a Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers . . . . . . . . . I. Entscheidungsspielräume von Apothekern bei der Abgabe von Arzneimitteln 1. Verschreibungspflichtige Arzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidungsspielräume im System der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorliegen einer Rabattvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkstoffverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Namensverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungsspielräume im System der privaten Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschreibungsfreie Arzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafbarkeit des Apothekers nach §§ 331, 332 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlegendes zum Amtsträgerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ursprünglicher Meinungsstand zur Amtsträgereigenschaft des Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragbarkeit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 auf den Apotheker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entscheidung im Hinblick auf die Amtsträgereigenschaft . . . . . . b) Konsequenzen der Entscheidung des Großen Senats für den Apotheker II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafbarkeit des Apothekers als Inhaber der Apotheke . . . . . . . . . . . . . . . 2. Apotheker als Beauftragter der PKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegendes zum Beauftragten- und Unternehmensbegriff des § 299 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Apotheker als Beauftragter der GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ursprünglicher Meinungsstand zur Beauftragteneigenschaft des Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragbarkeit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 auf den Apotheker . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung im Hinblick auf die Beauftragteneigenschaft . . bb) Konsequenzen der Entscheidung des Großen Senats für den Apotheker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abwandlung: Strafbarkeit des angestellten Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegendes zum Angestelltenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Tatbestandmerkmale des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . c) Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strafbarkeit des Apothekers nach § 263 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betrug bei der Abrechnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel . . . . a) Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung konkludente Täuschung und Täuschung durch Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen des einheitlichen Apothekenabgabenpreises . . . . . b) Vermögensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrug bei der Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel . . . . . . . . . a) Eingepreiste Rückvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vermögensverfügung und Vermögensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückvergütung „auf eigene Rechnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einordnung in den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 6 Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit einer Reform de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hinführung zum Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erweiterung der Bezugsvariante und Aufnahme der heilberuflichen Abgabeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergänzung des Straftatenkatalogs des § 100a Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . III. Reformvorschlag im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 7 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 § 8 Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Abkürzungsverzeichnis A. A., a. A. ABDA Abs. AcP a. F. AKG e.V. AKG-Kodex

andere(r) Ansicht Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Absatz Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V. Verhaltenskodex der Mitglieder des „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V.“ AKG-VO Verfahrensordnung für die Schlichtungs- und Schiedsstelle des „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V.“ Alt. Alternative AMG Arzneimittelgesetz AMPreisVO Arzneimittelpreisverordnung Anl. Anlage Anm. Anmerkung AnwBl Das Anwaltsblatt – die Fachzeitschrift für den Anwalt AöR Archiv des öffentlichen Rechts ApoBetrO Apothekenbetriebsordnung ApoG Apothekengesetz A&R Arzneimittel & Recht – Zeitschrift für Arzneimittelrecht und Arzneimittelpolitik ARGE Arbeitsgemeinschaft Art. Artikel ArztR ArztRecht – Zeitschrift für Rechts- und Vermögensfragen AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage BÄO Bundesärzteordnung BApO Bundes-Apothekerordnung BayE Gesetzentwurf des Freistaates Bayern BayLandesberufsG Bayerisches Landesberufsgericht BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BB Betriebs-Berater BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Beih. Beiheft BerGerOÄ Berufsgerichtsordnung Ärzte Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch

12 BGBl. BGH BGHSt BGHZ BMJV BNotO BORA BRAO BR-Drs. BSG BSGE BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BZRG bzw. Ca., ca. CCZ DAZ ders. d.h. dies. DJT DÖV Dr. DStR EGV Einl. EU EuGH EuR Europ. EUV EuZW e.V. f. ff. Fn.

Abkürzungsverzeichnis Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesnotarordnung Berufsordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundessozialgericht Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister beziehungsweise circa Corporate Compliance Zeitschrift Deutsche Apotheker Zeitung derselbe das heißt dieselbe/dieselben Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung – Zeitschrift für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften Doktor Deutsches Steuerrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Europäische Union Europäischer Gerichtshof Zeitschrift Europarecht Europäisch(es) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein folgend folgende Fußnote

Abkürzungsverzeichnis FS FSA e.V. FSA-Kodex

13

Festschrift Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. Verhaltenskodex des „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ FSA-VO Verfahrensordnung des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GesR GesundheitsRecht GG Grundgesetz GKV Gesetzliche Krankenversicherung GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR-RR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz HBKG Heilberufe-Kammergesetz HGB Handelsgesetzbuch HK-AKM Heidelberger Kommentar Arztrecht Krankenhausrecht Medizinrecht H. M., h. M. herrschende(n) Meinung HRRS Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Hs. Halbsatz HWG Heilmittelwerbegesetz Intern. International(es) JA Juristische Arbeitsblätter – Zeitschrift für Studenten und Referendare JEK Jahrbuch Ethik in der Klinik jM juris – Die Monatszeitschrift JR Juristische Rundschau Jura Juristische Ausbildung jurisPR-Compl juris PraxisReport Compliance & Investigations jurisPR-MedizinR juris PraxisReport Medizinrecht jurisPR-StrafR juris PraxisReport Strafrecht JuS Juristische Schulung – Zeitschrift für Studium und Referendariat JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht KPKp Kölner Papiere zur Kriminalpolitik KrV Kranken- und Pflegeversicherung LG Landgericht lit. littera LK Leipziger Kommentar

14 MBO-Ärzte MDR MedR medstra MEZIS Mio. MPG MPJ MPR Mrd. MüKo n. F. NJW NJW-RR Nr./Nrn. NRW NStZ NStZ-RR NZS NZWiSt OLG OVG OWiG PharmR PKV PsychThG PZ RDG RefE RegE RGSt S. SGB V s. o. sog. StGB StPO StraFo

Abkürzungsverzeichnis (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht medstra – Zeitschrift für Medizinstrafrecht Mein Essen zahle ich selbst – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte Million Medizinproduktegesetz Medizinprodukte Journal Medizin Produkte Recht – Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht Milliarde Münchener Kommentar neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer/Nummern Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report Strafrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Pharma Recht – Fachzeitschrift für das gesamte Arzneimittelrecht Private Krankenversicherung Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Pharmazeutische Zeitung Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen Referentenentwurf Regierungsentwurf Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Strafsachen Seite Sozialgesetzbuch Fünftes Buch siehe oben sogenannte(r) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger-Forum

Abkürzungsverzeichnis StrafR StV Tz. u. u. a. Urt. UWG v. Var. VerwArch VGH Vgl., vgl. Vorb. VVG VwVfG WiJ wistra WiStrafR WRP WSS WzS ZaöRV z. B. ZHG ZIS zit. ZJS ZRP ZStW ZWH

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Strafrecht Strafverteidiger Teilziffer und und andere, unter anderem Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von, vom Variante Verwaltungs-Archiv – Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsverfahrensgesetz WiJ – Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. wistra – Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaftsstrafrecht Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wege zur Sozialversicherung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen

§ 1 Einleitung I. Anstoß für das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Im Jahr 2005 entflammte – angefacht durch den Hamburger Strafrechtler Pragal – eine in den Folgejahren hitzige und kontrovers geführte Debatte.1 Gegen1 Nach Pragal, NStZ 2005, 133 ff.; ders., Korruption, 165 ff.; ders./Apfel, A&R 2007, 10 ff. sei der niedergelassene Vertragsarzt Beauftragter der gesetzlichen Krankenkasse und könne daher tauglicher Täter des § 299 StGB sein. Darüber hinaus erfüllten Vertragsärzte bei der Verordnung von Arzneimitteln die Amtsträgereigenschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB, woraus eine Strafbarkeit gemäß § 331 StGB resultiere. Zustimmend zu der Beauftragtenstellung des niedergelassenen Vertragsarztes OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.02.2010 – Ws 17/10; LG Hamburg, Urt. v. 09.12.2010 – 618 KLs 10/09; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 299 Rn. 10a; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 18 u. 32; ders., WiStrafR BT, 2. Aufl., Rn. 210b; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 299 Rn. 8; Böse/Mölders, MedR 2008, 585 ff.; Schmitz-Elvenich, KrV 2007, 240 ff.; Frister, in: Lindemann/Ratzel, Brennpunkte Gesundheitswesen, S. 99, 107 u. 110; Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, Kap. 2 Rn. 348 ff.; Pfuhl, Verkaufsförderung, S. 137 ff.; Schmidt, NStZ 2010, 393, 394 f. Die Beauftragtenstellung des niedergelassenen Vertragsarztes hingegen ablehnend Geis, wistra 2005, 369 ff.; ders., GesR 2006, 345, 347; ders., wistra 2007, 361 ff., der zudem kritisch auf das von der Rechtsprechung angenommene Exklusivitätsverhältnis der §§ 299, 331 StGB hinweist. Ebenso eine Beauftragtenstellung des niedergelassenen Vertragsarztes ablehnend Schmidl, wistra 2006, 286, 288; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419 ff.; Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 195; Reese, PharmR 2006, 92; ders./Stallberg, PharmR 2008, 221, 224; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Arztrecht, 4. Aufl., § 152 Rn. 113 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 6. Aufl., S. 306 f.; Klötzer, NStZ 2008, 12 ff.; Krafczyk, FS Mehle, 2009, S. 325, 334 ff.; Dannecker, GesR 2010, 281, 284 f.; Dieners, PharmR 2010, 230, 233; ders., PharmR 2010, 613 ff.; Schneider, HRRS 2010, 241, 246 f.; ders., StV 2010, 366, 367 f.; Sobotta, GesR 2010, 471, 473 f.; Schroth, FS I. Roxin, 2012, S. 327, 330 ff.; Brand/Hotz, PharmR 2012, 317, 319; Joecks, StudKomm StGB, § 299 Rn. 5; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 299 Rn. 2; Warntjen/Schelling, PharmR 2010, 509; Schnapp, FS Herzberg, 2008, S. 795, 805 dortige Fn. 53; Taschke; in: Dieners, Zusammenarbeit, Kap. 2 Rn. 9; Bannenberg/Schaupensteiner, Korruption, S. 28; Wostry, JR 2011, 165; Sahan, ZIS 2007, 69 ff.; ders., ZIS 2012, 386, 389; ders./Urban, ZIS 2011, 23, 26; Schmidt, in: Ratzel/Luxenburger, Medizinrecht, § 14 Rn. 144; Makoski, MedR 2009, 376, 378 f.; Manthey, GesR 2010, 601, 602 f.; Rübenstahl, HRRS 2011, 324, 330 f.; Wittmann, MedR 2008, 716, 718; in diese Richtung wohl auch Krüger, ZIS 2011, 692, 704; differenzierend Badle, NJW 2008, 1028, 1033. Zustimmend zu der Amtsträgereigenschaft des niedergelassenen Vertragsarztes Neupert, NJW 2006, 2811, 2814; kritisch hingegen LG Hamburg, Urt. v. 09.12.2010 – 618 KLs 10/09; Taschke, in: Dieners, Handbuch Compliance, 2. Kap. B. 2. Rn. 8; Beukelmann, NJW-Spezial 2010, 312; Schuhr, NStZ 2012, 11, 14. Eine Amtsträgereigenschaft des niedergelassenen Vertragsarztes hingegen ablehnend Reese, PharmR 2006, 92, 94; Brand/Hotz, PharmR 2012, 317, 319; Schroth, FS I. Roxin, 2012, S. 327, 334 ff.; Reese/Stallberg, PharmR 2008,

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§ 1 Einleitung

stand des Diskurses war die Frage der Strafbarkeit der Beeinflussung des Verordnungsverhaltens eines niedergelassenen Vertragsarztes durch die Gewährung materieller Zuwendungen.2 Erst mehr als zehn Jahre später sollte die Diskussion ihr Ende finden. Mit einem „Paukenschlag“ entschied der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs am 29. März 2012,3 dass ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V, hier: Verordnung von Arzneimitteln) weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB handele. Der Vertragsarzt mache sich daher nicht strafbar, wenn er für die Verordnung eines bestimmten Arzneimittels einen geldwerten Vorteil annimmt. Die Entscheidung war jedoch nicht nur für den niedergelassenen Vertragsarzt von herausragender Bedeutung: Werden von § 299 Abs. 1 StGB allein „Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens“ erfasst, sind nicht nur niedergelassene Vertragsärzte vom Tatbestand ausgenommen, sondern darüber hinaus sämtliche selbständig auf dem Gesundheitsmarkt Tätige wie beispielsweise Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Physiotherapeuten, Krankenpfleger oder auch Hebammen.4 Dies voraussehend, appellierte der Große Senat in seiner Entscheidung im Rahmen eines obiter dictum an den Gesetzgeber, die über den konkret entschiedenen Fall hinaus bestehenden Strafbarkeitslücken zu schließen.5 Im Rahmen seines Mahnrufes formuliert das Gericht, dass es nicht die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens, Missstände, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitswesens zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten, verkenne.6 Der Große Senat nimmt damit nicht nur den niedergelassenen Vertragsarzt ins Visier, sondern allgemein alle selbständig handelnden Akteure des Gesundheitswesens. Der Appell des Gerichts verhallte nicht ungehört: Der Freistaat Bayern legte im Januar 2015 einen Gesetzentwurf vor. Dieser verfolgte zugleich den im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode festgelegten Eckpunkt, einen neuen Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im

221, 224; Schmidt, in: Ratzel/Luxenburger, Medizinrecht, § 14 Rn. 144; Rübenstahl, HRRS 2011, 324, 325 ff.; Klötzer, NStZ 2008, 12, 16; in diese Richtung wohl auch Sturm, ZWH 2011, 41 ff.; Krüger, ZIS 2011, 692, 704. 2 Badle, medstra 2015, 2. 3 BGHSt 57, 202 ff.; kritisch hierzu Kölbel, StV 2012, 592 ff.; Krüger, StraFo 2012, 308, 309. 4 Vgl. BR-Drs. 16/15, S. 2. 5 Siehe dazu auch Fischer, medstra 2015, 1. 6 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 46.

II. Untersuchungsgegenstand

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Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch zu schaffen.7 Das erklärte Ziel dieses Gesetzentwurfs8 und des späteren Gesetzentwurfs der Bundesregierung9 bestand darin, umfassend alle korruptiven Praktiken, der auf dem Gesundheitsmarkt selbstständig Tätigen, zu pönalisieren. Nach einem bewegten Gesetzgebungsverfahren10 trat schließlich am 4. Juni 2016 das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft.11 Nach § 299a StGB macht sich nunmehr strafbar, wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt.

II. Untersuchungsgegenstand 1. Hinführung Eine zentrale Rolle nimmt bei der vorliegenden Arbeit die Untersuchung der Frage ein, ob sich der Apotheker nach § 299a StGB strafbar machen kann. Diese Untersuchung soll konkret am Beispiel des Pharmamarketings erfolgen. Der Apotheker nimmt im Gesundheitswesen eine zentrale Rolle ein. Dies lässt sich anhand der jüngst veröffentlichten Statistik der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) eindrucksvoll belegen: Deutschlandweit versorgten im Jahr 2018 19.423 öffentliche Apotheken ihre Kunden mit Arzneimitteln. Täglich betreuen Apotheken in Deutschland 3,5 Mio. Patienten und kommen so auf rund 1 Mrd. Patientenkontakte pro Jahr. Die öffentlichen Apotheken erzielten im Jahr 2018 einen Umsatz in Höhe von 50,76 Mrd. Euro. Dabei entfielen 45,87 Mrd. Euro allein auf Arzneimittel.12 Diese Zahlen sind der praktische Beweis für die Rolle, die der Gesetzgeber dem Apotheker in § 1 ApoG zuge7 „Deutschlands Zukunft gestalten“, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 14.12.2013, S. 55. 8 Vgl. BR-Drs. 16/15, S. 2 f. 9 BT-Drs. 18/6446, S. 1. 10 Dann/Scholz, NJW 2016, 2077; vgl. auch Brettel/Mand, A&R 2016, 99; näher zum Gesetzgebungsverfahren siehe § 3 II. 1. 11 BGBl. 2016 I, S. 1254 ff. 12 Zum Ganzen https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ ZDF_2019_Brosch.pdf, zuletzt abgerufen am 25.05.2020.

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§ 1 Einleitung

wiesen hat: Danach sind Apotheker zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gesetzlich verpflichtet. Diese Schlüsselstellung des Apothekers macht ihn aber auch als Adressat für korruptive Verhaltensweisen besonders attraktiv.13 Was unter Korruption zu verstehen ist, kann nicht mit einem Satz beantwortet werden, denn bei der „Korruption“ handelt es sich um einen Begriff mit zahlreichen Facetten. Demzufolge verwundert es auch nicht, dass eine einheitliche Definition nicht vorhanden ist. Dies resultiert aus dem Umstand, dass der Korruptionsbegriff in vielen wissenschaftlichen Disziplinen (wie beispielsweise der Sozialwissenschaft, der Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft aber auch der Rechtswissenschaft) verwendet wird und einhergehend mit seiner fachspezifischen Funktion oft auch eine fachbezogen variierende Reichweite besitzt.14 Auch die hier vorliegende Arbeit kommt nicht umhin, ihre weitere Untersuchung auf das Fundament einer bestimmten Korruptionsdefinition zu stützen. Der Begriff „Korruption“ leitet sich ab von dem lateinischen Wort „corruptio“, was so viel bedeutet wie „Bestechlichkeit“, „Verderbtheit“ oder „Sittenverfall“.15 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch assoziiert die Gesellschaft mit dem Begriff „Korruption“ ein weites Feld moralisch verwerflicher Sachverhalte, die vom Amtsmissbrauch bis zum gesellschaftlichen Sittenverfall reichen.16 Sowohl der Wortsinn als auch der allgemeine Sprachgebrauch sind jedoch für eine Definition wenig trennscharf. Der Arbeit soll daher folgendes – weitaus präziseres – Verständnis von Korruption zugrunde gelegt werden: Korruption ist der Missbrauch von Einfluss und Entscheidungsmacht auf Seiten des Nehmers (hier: des Apothekers), der dies in eine Tauschbeziehung mit dem Geber (hier: dem Pharmaunternehmen) einbringt – diesen nämlich im Gegenzug für einen irregulär gewährten Vorteil sachwidrig bevorzugt (hier: durch den Bezug bzw. die Abgabe der Arzneimittel des Pharmaunternehmens).17 Dieses vorstehend beschriebene regelwidrige Tauschverhältnis schlägt sich in den Korruptionsdelikten im Strafrecht im Tatbestandmerkmal der sog. „Unrechtsvereinbarung“ nieder.18 13

Vgl. auch Fischer, Stellungnahme MEZIS zum Regierungsentwurf, S. 2. Kölbel/Herold/Lubner, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 193; vgl. auch Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 120. 15 Gaßner/Klars, PharmR 2002, 309, 310 dortige Fn. 8; vgl. auch Rotsch, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 159, 161; Kindhäuser, ZIS 2011, 461, 462; Bannenberg/Schaupensteiner, Korruption, S. 24; Vasilikou, Zuwendungen, S. 26; Ellbogen, ArztR 2015, 173. 16 Gaßner/Klars, PharmR 2002, 309, 310; Gaßner, NZS 2012, 521, 522; Reinholz, rescriptum 2016, 134, 135. 17 Definition von Kölbel, ZIS 2016, 452 dortige Fn. 12; ders., in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 87, 88 f. Ähnlich Pragal, Korruption, S. 138 u. 146. In diese Richtung auch Volk, GS Zipf, 1999, S. 419, 421. 18 Vgl. BGHSt, 39, 45 – juris Rn. 6; BR-Drs. 16/15, S. 19; Geade/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 143 u. 149; Brettel/Mand, A&R 2016, 99, 104; Dann/ 14

II. Untersuchungsgegenstand

21

Eine Ausprägung korruptiven Verhaltens kann das sog. „Pharmamarketing“ darstellen. Die Bezeichnung „Pharmamarketing“ kann zunächst als Oberbegriff für sämtliche Aktivitäten verstanden werden, mit denen die Arzneimitteldistribution unterstützt werden soll.19 Durch einen strukturellen Wandel der pharmazeutischen Industrie – den Schönhöfer eindrucksvoll beschreibt – hat das „Pharmamarketing“ in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Bereits in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts setzte ein schleichender Prozess ein, der sich in der Folge nicht mehr aufhalten ließ: Zunächst ersetzten viele Pharmaunternehmen auf der Führungsebene die Pharmawissenschaftler durch Wirtschaftswissenschaftler und Marketingvertreter. Die Konsequenzen hieraus bestanden in Einbußen an Kompetenz für Innovation und Forschungsprobleme. Langfristige innovative Forschungsprojekte wurden nicht mehr durchgeführt, da viele der nunmehr Verantwortlichen lediglich über Geschäftsführerverträge mit einer kurzen Laufzeit verfügten. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stand daher die Erzielung kurzfristiger Renditen und damit einhergehenden Prämien.20 In den 80er Jahren kam es aus Kostengründen zu Einsparungen an der eigenen Grundlagenforschung, was den Verlust an Innovationskraft noch weiter verstärkte. Seit den 80er Jahren ist, ausgelöst durch den Abbau der eigenen Forschung, eine Minimierung des Forschungs- und Entwicklungsetats der „forschenden“ Pharmaunternehmen auf 10 % des Umsatzes zu beobachten. Im Vergleich hierzu ist das für Marketing zur Verfügung stehende Budget auf 40 % des Umsatzes gestiegen. Das Ziel der Pharmaunternehmen besteht mittlerweile weniger in der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden, als vielmehr darin, bei möglichst vielen Patienten Umsatz zu generieren.21 Es werden kaum neue Wirkstoffe auf den Markt gebracht.22 Aus Kostengründen fokussiert sich die Produktentwicklung vielmehr auf den Nachbau bekannter Wirkprinzipien. Diese „Nachbauten“ können sich jedoch im Qualitätswettbewerb mit Konkurrenzprodukten anderer Pharmaunternehmen nur schwer durchsetzen bzw. von diesen abheben, da sie keine therapeutischen Vorteile aufweisen.23 Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass von den Pharmaunternehmen alternative Wege gesucht werden, um ihre Produkte anzupreisen und beispielsweise Apotheker davon zu überzeugen, gerade die Arzneimittel ihres Unternehmens zu beziehen und an den Patienten abzugeben. Scholz, NJW 2016, 2077, 2078; Passarge, DStR 2016, 482, 486; s. auch Luczak, BTPlenarprotokoll, 137. Sitzung, 13.11.2015, S. 13479, 13480. 19 Kölbel, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 87, 90; ders., ZIS 2016, 452. 20 Schönhöfer, in: v. Arnim, Defizite in der Korruptionsbekämpfung, S. 53. 21 Schönhöfer, in: v. Arnim, Defizite in der Korruptionsbekämpfung, S. 53 f. 22 Nach Schönhöfer, in: v. Arnim, Defizite in der Korruptionsbekämpfung, S. 53, 54 f. seien von den im Zeitraum von 1990 bis 2005 etwa 450 neu eingeführten Wirkstoffen lediglich sieben Wirkstoffe echte Innovationen, die die Lebenserwartung vieler Patienten verbessern. Ungefähr 25 Wirkstoffe seien sog. „Schrittinnovationen“ mit einer limitierten Verbesserung. Der Rest seien sog. „Scheininnovationen“. 23 Schönhöfer, in: v. Arnim, Defizite in der Korruptionsbekämpfung, S. 53, 54 f.

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§ 1 Einleitung

Versucht man daher den Begriff des „Pharmarketings“ in den Untersuchungsgegenstand der Arbeit einzuordnen, soll unter der Bezeichnung konkret die Konstellation zu verstehen sein, in der dem Apotheker von dem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung für eine Bevorzugung durch den vorrangigen Bezug bzw. die vorrangige Abgabe ihrer Arzneimittel gewährt werden. Zum besseren Verständnis soll folgender Beispielsfall gebildet werden, der auch für die Prüfung der Strafbarkeit des Apothekers in der Arbeit an verschiedenen Stellen wieder aufgegriffen wird: Ein Pharmareferent der P-GmbH bietet dem Apotheker A als Geschäftsherr einer öffentlichen Apotheke einen Vorteil an, wenn er künftig die Arzneimittel der PGmbH bevorzugt bezieht und bevorzugt an Patienten abgibt. Hierauf lässt sich A ein. Als Gegenleistung für die bevorzugt bezogenen bzw. abgegebenen Arzneimittel soll A in der Folgezeit eine umsatzbezogene Rückvergütung (sog. kick-back) erhalten.

Der Vorteil für den Apotheker besteht im hier gebildeten Beispielsfall in Gestalt der umsatzbezogenen Rückvergütung des Pharmaunternehmens. Denkbar sind grundsätzlich aber auch andere immaterielle und materielle Vorteile. Vom Untersuchungsgegenstand hingegen nicht erfasst sind branchenübliche und allgemein gewährte Skonti.24 Bei diesen geht man im Regelfall – zu Recht – davon aus, dass sie keinen Vorteil darstellen, der die Auswahlentscheidung zu Gunsten eines bestimmten Mitbewerbers beeinflusst und damit keinen unlauteren Vorteil begründen. Um den Untersuchungsgegenstand vollständig abzustecken, bleibt schließlich zu klären, was unter „Arzneimitteln“ zu verstehen ist. Hierbei kann auf die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AMG zurückgegriffen werden. Danach sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (Nr. 1) oder die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Mensch verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (Nr. 2). 2. Untersuchung im Einzelnen Der erste Teil der Arbeit (§ 2) beschäftigt sich mit der Frage der Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung, die korruptives Verhalten des Apothekers im Gesundheitssektor sanktioniert. Denn nur, wenn sich überhaupt ein solches Be24 Vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/6446, S. 23; Tillmanns, DAZ 2016, 286, 288; Hellmann/Herffs, Abrechnungsbetrug, Rn. 445; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 16; Bahner, Praxishandbuch, S. 201.

II. Untersuchungsgegenstand

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dürfnis nachweisen lässt, erscheint ein gesetzgeberisches Tätigwerden erforderlich. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet zunächst ein kurzer Blick auf die Dimensionen des Gesundheitsmarktes (§ 2 II. 1.) Hiernach gilt es, unter dem Aspekt des im Strafrecht geltenden ultima-ratio Prinzips zu prüfen, ob die bestehenden Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie und die vorhandenen Regelungen des Berufs-, Approbations- und Ordnungswidrigkeitenrechts und ihre Sanktionsmöglichkeiten ausreichen, um korruptive Praktiken von Apothekern und Pharmaunternehmen im Gesundheitswesen hinreichend zu bekämpfen (§ 2 II. 2.). Der erste Teil der Arbeit schließt mit der Frage, ob aus unionsrechtlichen Vorgaben eine Regelungspflicht des Gesetzgebers folgt (§ 2 II. 3.). Einen zentralen Teil der Arbeit (§ 3) bildet die Frage nach der Strafbarkeit des Apothekers gemäß § 299a StGB. Hierzu wird zunächst das Gesetzgebungsverfahren und seine Bedeutung für eine spätere Auslegung der Norm näher zu beleuchten sein (§ 3 II. 1.), bevor anschließend der Anwendungsbereich des § 299a StGB aus dem Blickwinkel des Apothekers zu prüfen sein wird (§ 3 II. 2.). Zunächst muss geklärt werden, ob der Apotheker unter den Täterkreis der Norm zu subsumieren ist. Sodann sind die verschiedenen Handlungsalternativen des § 299a StGB unter die Lupe zu nehmen. Ein besonderes Augenmerk soll hierbei auf die Prüfung der Tatbestandsvariante des § 299a Nr. 3 StGB der „Zuführung von Patienten“ gelegt werden, da eine Strafbarkeit des Apothekers am ehesten nach dieser Handlungsvariante in Betracht kommt (§ 3 II. 2. b) cc)). Im Anschluss hieran wird auch die Frage zu untersuchen sein, wie Gerichte die Handlungsvarianten des § 299a Nr. 2 und Nr. 3 StGB auslegen würden und, ob gegebenenfalls eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte in Betracht käme (§ 3 II. 2. b) dd)). Im Ergebnis wird dies – und damit auch eine Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB – zu verneinen sein. Eng mit der Frage verbunden, ob sich der Apotheker nach § 299a StGB strafbar machen kann, ist die Problemstellung, ob der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption seine Intention – Strafbarkeitslücken zu schließen – erreichen konnte. Um dies beurteilen zu können, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln über Auswahlmöglichkeiten verfügt (§ 4 I.). Denn nur wenn sich dies nachweisen lässt, besteht überhaupt ein Anreiz der Pharmaunternehmen auf den Apotheker korruptiv einzuwirken und damit eine Strafbarkeitslücke. Da Auswahlmöglichkeiten des Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln zu bejahen sein werden, gilt es in einem zweiten Schritt das Ausmaß der Entscheidungsspielräume des Apothekers exakt zu vermessen (§ 4 II.). An diesem Punkt wird herauszuarbeiten sein, dass die bestehenden Entscheidungsspielräume durchaus weitreichend sind und damit eine Strafbarkeitslücke anzunehmen ist. Mit Blick auf das Berufsbild und die herausgehobene Stellung des Apothekers im Gesundheitswesen ist diese Strafbarkeitslücke auch nicht hinnehmbar, sodass ein erneutes Tätigwerden des Gesetzgebers rechtspolitisch erforderlich erscheint (§ 4 II.).

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§ 1 Einleitung

Das soeben dargestellte Ergebnis gibt insofern die Richtschnur der nachfolgenden Untersuchung vor: Nur wenn das in Rede stehende korruptive Verhalten des Apothekers bereits durch andere Straftatbestände erfasst ist, könnte die Erforderlichkeit eines gesetzgeberischen Tätigwerdens entfallen. Anhand des eingangs gebildeten Beispielsfalles soll daher geprüft werden, ob sich der Apotheker wegen Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit nach §§ 331, 331 StGB (§ 5 I.), wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB (§ 5 II.) oder wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB (§ 5 III.) strafbar machen kann. Die Untersuchung wird zeigen, dass die Strafbarkeitlücke des § 299a StGB auch nicht de lege lata zufriedenstellend geschlossen werden kann (§ 5 IV.). Die Arbeit schließt mit Überlegungen de lege ferenda im Hinblick auf eine Reformierung des § 299a StGB (§ 6).

§ 2 Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung I. Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand Eingangs wurde bereits auf die kontrovers geführte Debatte hingewiesen, die der Frage nachgeht, ob ein Vertragsarzt als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB oder gar als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB handeln kann. Dieser Diskussion wurde mit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs im März 2012 in praxi ein Ende gesetzt.25 Der Große Senat forderte darin den Gesetzgeber auf, die bestehenden Strafbarkeitslücken zu schließen. Der Fokus darf hierbei jedoch nicht zu eng auf die Diskussion um die Strafbarkeit des niedergelassenen Vertragsarztes verengt werden; gibt es doch auch andere bedeutsame Akteure im Bereich des Gesundheitssektors. Die Frage ist daher nicht, ob es einer strafrechtlichen Regelung bedarf, um korruptive Verhaltensweisen eines niedergelassenen Vertragsarztes sanktionieren zu können. Vielmehr ist auch zu klären, ob die Erforderlichkeit für die Einführung eines Straftatbestands besteht, der korruptive Verhaltensweisen des Apothekers im Zusammenhang mit Pharmamarketing erfasst. Dieses Kapitel dient dazu, herauszuarbeiten, weshalb ein Bedürfnis besteht, Pharmamarketing im Hinblick auf den Apotheker mit dem Mittel des Strafrechts zu begegnen. Denn nur, wenn sich ein solches Bedürfnis nachweisen lässt, erscheint ein gesetzgeberisches Tätigwerden überhaupt erforderlich. Die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm soll aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht werden: Zunächst gilt es, die Dimensionen des Gesundheitsmarktes allgemein und im Speziellen für den Apotheker und für Arzneimittel zu beleuchten (II. 1.). Hieran schließt sich die Frage an, ob bestehende Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des Strafrechts – mit Blick auf den im Strafrecht herrschenden ultimaratio Grundsatz – die Einführung einer Norm entbehrlich machen (II. 2.). Abschließend soll geprüft werden, ob sich aus dem Unionsrecht eine Regelungspflicht dahingehend ableiten lässt, korruptive Verhaltensweisen des Apothekers zu pönalisieren (II. 3.).

25

BGHSt 57, 202 – juris Rn. 46.

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§ 2 Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung

II. Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm 1. Dimensionen des Gesundheitsmarktes Der Gesundheitsmarkt in Deutschland ist letzten Erhebungen zur Folge mit ca. 5,5 Mio. Beschäftigten26 einer der größten Wirtschaftssektoren des Landes. Er setzte im Jahr 2017 ca. 376 Mrd. Euro um,27 was einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 11,6 % entsprach.28 Der Apothekenumsatz im Jahr 2018 belief sich auf 50,76 Mrd. Euro wovon allein 45,87 Mrd. Euro auf Arzneimittel entfielen.29 Jeder Markt, auf dem derart viel Kapital verteilt wird, bietet einen Anreiz für korruptives Rent-Seeking durch die Verletzung von Regeln und Verzerrung von Verfahren.30 Unter dem Begriff des Rent-Seeking ist ein Verhalten von Marktakteuren zu verstehen, das darauf abzielt, unter Einsatz von Ressourcen wirtschaftspolitische Privilegien zu erlangen, um so das eigene Einkommen zulasten des Einkommens anderer Marktteilnehmer zu steigern.31 Der Grund für korruptive Winkelzüge der Marktakteure ist darin zu sehen, dass in Solidarsystemen wie dem Gesundheitsmarkt jedes Jahr große Mengen Geld transferiert werden. Die Ressourcen scheinen endlos vorhanden und ein geschädigtes Individuum selten erkennbar zu sein.32 Dennoch muss korruptiven Praktiken entschieden entgegengetreten werden, denn „Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“.33 Die enorme wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Gesundheitswesens spricht daher für eine Bekämpfung korruptiv beeinflusster Verhaltensweisen auch mit dem Mittel des Strafrechts.34

26 Statistisches Bundesamt, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/logon? sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=23621-0001&zeitscheiben=10, zuletzt abgerufen am 07.09.2019. 27 Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 7.1.1, https://www.destatis.de/DE/ Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/Tabellen/ ausgabentraeger.html, zuletzt abgerufen am 06.06.2020. 28 Gesundheitsberichterstattung des Bundes, http://www.gbe-bund.de/oowa921-in stall/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/& p_aid=i&p_aid=60278134&nummer=522&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid=12921585, zuletzt abgerufen am 06.06.2020. 29 https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ZDF_2019_Brosch. pdf, zuletzt abgerufen am 06.06.2020. 30 Kubiciel/Tsambikakis, medstra 2015, 11, 12. 31 Duden Wortbedeutung Rent-Seeking, https://www.duden.de/rechtschreibung/ Rent_Seeking, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 32 Vgl. Fischer, medstra 2015, 1. 33 BT-Drs. 18/6446, S. 1. 34 BMJV-Referentenentwurf, S. 9; vgl. auch Schröder, NZWiSt 2015, 321, 323; Kubiciel, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 4.

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Das Mittel des Strafrechts kann indes nicht grenzenlos eingesetzt werden, um ein als unerwünscht erkanntes Verhalten zu sanktionieren. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das im Strafrecht geltende ultima-ratio Prinzip zu beachten, das dem Gesetzgeber in seiner Rechtsetzungskompetenz Schranken auferlegt. Im folgenden Abschnitt soll daher untersucht werden, ob sich aus dem ultima-ratio Grundsatz Einschränkungen für den hier vorliegenden Fall ergeben können. 2. Ultima-ratio Prinzip Unter dem Aspekt des ultima-ratio Prinzips gilt es zu prüfen, ob bereits bestehende Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des Strafrechts dem Erlass eines neuen Straftatbestands, der die korruptiven Verhaltensweisen von Apothekern und Pharmaherstellern im Zusammenhang mit dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln pönalisiert, entgegenstehen.35 a) Grundlagen des ultima-ratio Prinzips Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt dem Strafrecht seit jeher die Aufgabe zu, die Grundlagen eines geordneten Gemeinschaftslebens zu schützen. Der Schutz des geordneten Gemeinschaftslebens erfolgt dadurch, dass Strafrecht eingesetzt wird, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist.36 Demnach versteht das Bundesverfassungsgericht das Strafrecht als Schutzrecht37 bestimmter Rechtsgüter; denn sozialschädlich kann nur ein Verhalten sein, das bestimmte zu schützende Rechtsgüter in besonderem Maße verletzt oder gefährdet.38 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass es sich beim Ein35 Vgl. in diesem Zusammenhang Taschke/Zapf, medstra 2015, 332, 335 f.; Frank/ Vogel, AnwBl 2016, 94, 98 f.; Schneider, HRRS 2010, 241, 247; ders., HRRS 2013, 473, 476 ff.; Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 196; Dieners, MPR 2012, 118, 119; Ulsenheimer, FS Steinhilper, 2013, S. 225, 236; ders., MedR 2005, 622, 628; Steinhilper, MedR 2005, 238, 240; ders., MedR 2010, 499, 502 und dortige Fn. 38; Krüger, StraFo 2012, 308, 315 u. 316, die der Erforderlichkeit einer Strafnorm zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen – mit Blick auf das ultima-ratio Prinzip – skeptisch gegenüberstehen. Vgl. auch Bittmann/Brockhaus/Rübenstahl/Schröder/Tsambikakis, WiJ 2015, 176 ff.; Kindhäuser, ZIS 2011, 461, 468 f. Kritisch im Hinblick auf die strafrechtliche Normenwirkung Kölbel, ZIS 2016, 452, 454 ff. 36 BVerfGE 88, 203 – juris Rn. 176; 90, 145 – juris Rn. 225. Vgl. hierzu auch Gärditz, JZ 2016, 641, 644; Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 64; Lenckner, Strafe, S. 21 ff. 37 BVerfGE 27, 18 – juris Rn. 31. So auch Vogel, StV 1996, 110, 111; Günther, JuS 1978, 8, 9; Lackner, FS Gallas, 1973, S. 118; vgl. auch Kempf, NJW 1997, 1729, 1730; Zipf, Kriminalpolitik, S. 23; Jescheck, FS Lange, 1976, S. 365, 380; Hassemer, Theorie und Soziologie, S. 87 ff.; Bausback, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 33, 39; Roxin, JuS 1966, 377, 382. 38 Günther, JuS 1978, 8, 9, 12; vgl. auch Dannecker, ZRP 2013, 37, 38.

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satz von Strafrecht um die schärfste dem Gesetzgeber zur Verfügung stehende Waffe handelt.39 Die Kriminalstrafe stellt innerhalb des Ensemble von Maßnahmen der Sozialkontrolle gegenüber unerwünschtem Verhalten die schärfste Form der Verurteilung dar.40 Die Kriminalstrafe sollte daher wegen ihres sozialethischen Unwerturteils und der Tiefe ihres Eingriffs in das Leben des Einzelnen nur als letztes Mittel verwendet werden.41 Im Einklang hierzu steht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Strafrecht als ultima ratio staatlicher Reaktion auf unerwünschtes und sozialschädliches Verhalten eingesetzt werden muss.42 Insgesamt kommt Strafe damit nur die Aufgabe eines subsidiären Rechtsgüterschutzes zu.43 Die Subsidiarität des Strafrechts und damit einhergehend ein möglichst sparsamer Einsatz von Strafe ist ferner deshalb geboten, da die Strafe ansonsten durch einen inflationären Gebrauch ihre soziale und individuelle Wirkung verlieren würde.44 Geht es um die Beurteilung, ob bestimmten Verhaltensweisen mit dem Mittel des Strafrechts begegnet werden wollte, ist entscheidend, ob das in Rede stehende Verhalten strafwürdig und strafbedürftig ist. Nur in diesem Fall erscheint der Einsatz des Strafrechts als legitim. Während der Begriff der Strafwürdigkeit das sozialethische Unwerturteil abbildet, dass mit der Kriminalstrafe zum Ausdruck gebracht werden soll, beinhaltet der Begriff der Strafbedürftigkeit das Zweckmoment der Strafe.45 Unter Strafwürdigkeit ist die legitime Möglichkeit zu verstehen, bestimmten Verhaltensweisen mit dem Mittel des Strafrechts zu begegnen, da das in Rede stehende Verhalten geeignet ist, Rechtsgüter erheblich zu gefährden oder zu schädigen und es daher sozialethisch zu missbilligen ist.46 Der Begriff der Strafbe39 BVerfGE 32, 98 – juris Rn. 28; 39, 1 – juris Rn. 170; 88, 203 – juris Rn. 176. Vgl. auch BVerfGE 90, 145 – juris Rn. 120; Hanack, Gutachten 47. DJT, S. A34; Maurach/ Zipf, StrafR AT-1, § 1 I Rn. 9. 40 BVerfGE 39, 1 – juris Rn. 162; Weigend, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, Einl. Rn. 1. 41 Kempf, NJW 1997, 1729, 1730; Weigend, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, Einl. Rn. 1; vgl. auch Hassemer/Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, Vorb. zu § 1 Rn. 72; Müller/Opper, FS Schlothauer, 2018, S. 401; Günther, JuS 1978, 8, 11; Hefendehl, JA 2011, 401; Dannecker, ZRP 2013, 37, 38. 42 BVerfGE 88, 203 – juris Rn. 176; 90, 145 – juris Rn. 225; 96, 245 – juris Rn. 10. Vgl. auch BVerfGE 39, 1 – juris Rn. 162; Müller-Dietz, FS Schmitt, 1992, S. 95, 113; Kempf, NJW 1997, 1729, 1730. 43 Braun, MedR 2013, 277, 280; Roxin, StrafR AT, Band 1, § 2 Rn. 1 u. 97. Vgl. auch Müller/Opper, FS Schlothauer, 2018, S. 401; Hanack, Gutachten 47. DJT, S. A34; Tiedemann, Gutachten 49. DJT, S. C33; Schmidhäuser, StrafR AT, Tz. 2/14; Peters, ZStW 1965, 470, 475; Jäger, in: SK-StGB, Band I, Vorb. § 1 Rn. 24; Roxin, JuS 1966, 377, 382. 44 Weigend, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, Einl. Rn. 1. 45 Trüg, Insiderstrafrecht, S. 75; Otto, Allgemeine Strafrechtslehre, § 1 Rn. 49 f. 46 Trüg, Insiderstrafrecht, S. 74; Otto, Allgemeine Strafrechtslehre, § 1 Rn. 50.

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dürftigkeit ist von demjenigen der Strafwürdigkeit zu unterscheiden47 und meint wiederum die Notwendigkeit, auf bestimmte Verhaltensweisen mit dem Mittel des Strafrechts zu reagieren.48 Als notwendig erscheint der Einsatz des Strafrechts lediglich dann, wenn es das einzige Mittel darstellt, um die Allgemeinheit vor strafwürdigen Rechtsgutsangriffen hinreichend zu schützen. Voraussetzung hierfür ist, dass Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des Strafrechts nicht ausreichend sind.49 Insoweit ist das, was unter dem Begriff Strafbedürftigkeit zu verstehen ist, eng verknüpft mit dem Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts als Ausfluss des ultima-ratio Prinzips und spiegelt außerdem den fragmentarischen Charakter des Strafrechts wider.50 Die vorstehenden Überlegungen bilden die Richtschnur für die weitere Untersuchung, ob die bestehenden Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie und die Sanktionierbarkeit etwaiger Kodex-Verstöße sowie die bestehenden Maßnahmen des Berufs-, Approbations- und Ordnungswidrigkeitenrechts ausreichen, um die Gemeinschaftsordnung hinreichend vor korruptivem Verhalten von Apothekern und Pharmaherstellern im Zusammenhang mit dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln zu schützen und damit den Erlass einer Strafnorm entbehrlich machen. b) Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie im Lichte des ultima-ratio Prinzips Die Pharmaindustrie hat zwischenzeitlich Versuche unternommen, den Gesundheitsmarkt von korruptiven Verhaltensweisen selbst zu „heilen“. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Verhaltenskodizes geschaffen, die Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Angehörigen der Fachkreise – d.h. Ärzte, Apotheker sowie alle Angehörigen sonstiger Heilberufe51 – aufstellen. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf den Verhaltenskodex der Mitglieder des „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V.“ (AKG-Kodex)52 sowie auf den Verhaltenskodex des „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA-Kodex)53 hingewiesen. Nach § 16 AKG-Kodex 47

Vgl. Trüg, Insiderstrafrecht, S. 74; Deckert, ZIS 2013, 266, 269. Trüg, Insiderstrafrecht, S. 74; Otto, Allgemeine Strafrechtslehre, § 1 Rn. 50; vgl. auch Deckert, ZIS 2013, 266, 269. 49 Trüg, Insiderstrafrecht, S. 74; Otto, Allgemeine Strafrechtslehre, § 1 Rn. 50; vgl. auch Günther, JuS 1978, 8, 11. 50 Trüg, Insiderstrafrecht, S. 74; vgl. auch Otto, Allgemeine Strafrechtslehre, § 1 Rn. 49. Zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts siehe auch Hefendehl, JA 2011, 401 ff. 51 Vgl. § 2 AKG-Kodex und § 2 FSA-Kodex. 52 http://www.ak-gesundheitswesen.de/verhaltenskodex/, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 53 https://www.fsa-pharma.de/de/kodizes/zusammenarbeit/fachkreise, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 48

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bzw. § 17 FSA-Kodex ist es etwa unzulässig, Angehörigen der Fachkreise oder Dritten für die Verordnung und die Anwendung eines Arzneimittels oder die Empfehlung eines Arzneimittels gegenüber Patienten ein Entgelt oder einen sonstigen geldwerten Vorteil anzubieten, zu gewähren oder zu versprechen. Zur Verfolgung etwaiger Kodex-Verstöße existieren sanktionsbefugte Schiedsgerichte.54 Der Ablauf des Verfahrens ist in den jeweiligen Verfahrensordnungen55 geregelt. aa) Defizite der Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie Die „Selbstheilungsversuche“ der Pharmaindustrie sind zwar im Ansatz begrüßenswert, machen eine strafrechtliche Regelung aber gleichwohl nicht entbehrlich, da den Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie diverse Schwächen anhaften:56 Bei den Verhaltenskodizes handelt es sich nicht um Gesetze im materiellen Sinn, d.h. sie können keine Allgemeingültigkeit für sich in Anspruch nehmen und gelten nur für diejenigen Pharmaunternehmen, die zuvor dem jeweiligen Verein beigetreten sind.57 Ein Kodex-Verstoß eines Nicht-Mitglieds ist somit nicht ahndungsfähig. Dabei erfolgt der Beitritt der Pharmaunternehmen zu den Vereinen lediglich auf freiwilliger Basis.58 Eine Pflicht zur Mitgliedschaft für Pharmaunternehmen besteht nicht. Ferner stellen die Kodizes nur Verhaltensregeln für die Pharmaunternehmen und damit nur für die Geber eines Entgelts oder geldwerten Vorteils auf.59 Das Annehmen eines solchen Vorteils durch einen Angehörigen der Fachkreise – also auch durch den Apotheker – stellt keinen Verstoß gegen den Verhaltenskodex dar und bleibt daher ohne Konsequenz. Eine weitere Schwäche der Verhaltenskodizes besteht darin, dass die Vereine als Kontrollinstanz auf die Mithilfe externer Hinweisgeber, wie beispielsweise 54 Diener, medstra 2015, 259, 260; Kölbel, ZIS 2016, 452, 456. Vgl. auch Dieners, FS Doepner, 2008, S. 181, 190. 55 Die Verfahrensordnung des AKG e.V. findet sich unter: https://www.ak-gesund heitswesen.de/wp-content/uploads/akg-verfahrensordnung-geaendert-22-04-2015-verfah rensuebersicht-114-44-kbyte.pdf, zuletzt abgerufen am 25.05.2020; diejenige des FSA e.V. findet sich unter: https://www.fsa-pharma.de/de/schiedstelle/ueber-die-schied stelle/verfahrensausschuss, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 56 Ebenfalls kritisch Fischer, medstra 2015, 1, wonach die „Selbstheilungskräfte“ des Systems oder viel gepriesene „Compliance“-Programme ohne einen tatsächlich spürbaren Einsatz des Strafrechts keine Abhilfe schaffen. Vgl. auch Kölbel, ZIS 2016, 452, 459. 57 Vasilikou/Grinblat, MPR 2016, 189, 190; Kölbel, ZIS 2016, 452, 457; vgl. auch Jung, A&R 2016, 111; Bahner, Praxishandbuch, S. 231 f. 58 https://www.ak-gesundheitswesen.de/der-akg-e-v/mitglieder/, zuletzt abgerufen am 25.05.2020; https://www.fsa-pharma.de/de/der-fsa/mitgliedschaft/vorteile-einer-mit gliedschaft, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 59 In diesem Sinne auch Kölbel, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 87, 100.

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Patienten, Angehörige der Fachkreise oder andere Pharmaunternehmen angewiesen sind; denn nur wenn diese eine Beanstandung melden, können die Vereine ein Verfahren einleiten und die Schiedsgerichte den jeweiligen Sachverhalt prüfen und gegebenenfalls sanktionieren.60 Hinzu kommt, dass sich der Beanstandende zu erkennen geben muss. Eine anonym eingereichte Beanstandung wird in der Regel nicht behandelt.61 Erschwerend kommt hinzu, dass die Schiedsgerichte nur in geringem Maße über Ermittlungsbefugnisse verfügen, nicht jedoch über solch weitreichende Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse, wie sie den Strafverfolgungsbehörden zustehen.62 Die Schiedsgerichte haben die Möglichkeit zur Aufklärung des Sachverhalts Zeugen oder einen Sachverständigen zu vernehmen63 oder das mit der Beanstandung konfrontierte also betroffene Mitglied aufzufordern, eine Stellungnahme abzugeben64 oder ergänzende Unterlagen zu überlassen.65 Gibt das betroffene Mitglied keine Stellungnahme ab oder überlasst es keine ergänzenden Unterlagen, so hat das Schiedsgericht keine Befugnisse, die vorgenannten Maßnahmen zwangsweise durchzusetzen. Es entscheidet vielmehr nach Lage der Akten oder auf Grundlage des vorhandenen Beweismaterials.66 Wurde bei den jeweils zuständigen Stellen der Vereine ein bestimmtes Verhalten beanstandet und ein Verfahren wegen des Verdachts eines Kodex-Verstoßes eingeleitet, besteht ferner für das betroffene Pharmaunternehmen die Möglichkeit, ein solches Verfahren gegen Abgabe einer Unterlassungserklärung frühzeitig zu beenden.67 Um nachvollziehen zu können, wie ein Verfahren entweder frühzeitig beendet oder im Falle der Nichtbeendigung fortgeführt werden kann, sind zunächst die verschiedenen Verfahrensabläufe näher zu beleuchten. Im Anschluss hieran können gemeinsame Schlussfolgerungen aus beiden Verfahren gezogen und weitere Schwächen herausgearbeitet werden: Gibt ein betroffenes Mitglied des AKG e.V. eine Unterlassungserklärung ab, ist das Verfahren beendet, ohne dass ein Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung oder eine Sanktion gegen das Mitglied verhängt wird.68

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So auch Kölbel, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 87, 99. Vgl. § 2 Abs. 3 AKG-VO; § 4 Abs. 3 FSA-VO. Zur Ausnahme siehe § 2 Abs. 3 FSA-VO. 62 Vgl. hierzu auch Diener, medstra 2015, 259, 261; Kölbel, ZIS 2016, 452, 457. 63 Vgl. § 13 AKG-VO; §§ 6 Abs. 5, 20 Abs. 1 FSA-VO. 64 Vgl. § 10 Abs. 1 AKG-VO; § 20 Abs. 1 FSA-VO. 65 Vgl. § 10 Abs. 2 AKG-VO; §§ 6 Abs. 4, 20 Abs. 1 FSA-VO. 66 Vgl. § 11 AGK-VO; § 20 Abs. 1 u. 3 FSA-VO. 67 Vgl. § 10 Abs. 1 AKG-VO; § 20 Abs. 4 u. 5 FSA-VO. 68 Vgl. § 10 Abs. 1 AKG-VO. 61

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Ergreift das betroffene Pharmaunternehmen die Möglichkeit der Abgabe einer solchen Unterlassungserklärung nicht, gibt der Geschäftsführer des AKG e.V. das Verfahren an den Schlichter (1. Instanz) weiter.69 Hält der Schlichter nach etwaiger Sachaufklärung die gemeldete Beanstandung für zulässig und begründet, stellt dieser einen Kodex-Verstoß fest und verpflichtet das betroffene Mitglied die Verletzung zu beseitigen und/oder vergleichbare Regelverstöße zukünftig zu unterlassen. Diese Unterlassungsverpflichtung wird mit einer Ordnungsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung verbunden.70 Der Schlichter kann ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,– Euro festsetzen.71 Daneben ist die Verhängung einer oder mehrerer Sanktionen möglich.72 Als Sanktionen stehen eine Geldstrafe bis zu 20.000,– Euro, die Veröffentlichung des Namens des betroffenen Mitglieds und die öffentliche Rüge zur Auswahl. Die beiden letztgenannten Sanktionen kommen jedoch nur bei besonders hartnäckiger Nichtbeachtung der Verhaltensvorschriften bzw. bei mehreren schweren, mindestens grob fahrlässigen Rechtsverletzungen und einem hohen Maß an Uneinsichtigkeit des betroffenen Mitglieds in Betracht.73 Gegen die Entscheidung des Schlichters kann das betroffene Mitglied Beschwerde einlegen.74 Die Entscheidung wird sodann in der zweiten Instanz – der Schiedsstelle – nochmals überprüft.75 Härtere Sanktionen oder ein höheres Ordnungsgeld stehen der zweiten Instanz nach der AKG-VO indes nicht zu. Nach der Verfahrensordnung des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ ist das Verfahren anders ausgestaltet. Zunächst ist zu konstatieren, dass Beanstandungen, die Vorgänge betreffen, die länger als ein Jahr zurückliegen, überhaupt nicht behandelt werden.76 Diese sind schlicht unbeachtlich. Hält der Spruchkörper der ersten Instanz nach etwaiger Sachaufklärung eine Beanstandung für begründet, mahnt er das betroffene Mitglied in einem sog. „Regelverfahren“ ab und fordert es zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Auch im Rahmen dieses Verfahrens hat das betroffene Mitglied die Möglichkeit, das Verfahren frühzeitig zu beenden. Im Unterschied zu dem Verfahren nach der AKG-VO wird die Abgabe einer Unterlassungserklärung hier jedoch in jedem Fall mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Geldstrafe verbunden.77 Verweigert das betroffene Mitglied hingegen die Abgabe einer Unterlassungserklärung im Rahmen des Regelverfahrens, wird das Verfahren beim Spruchkör69 70 71 72 73 74 75 76 77

Vgl. § 10 Abs. 1 AKG-VO. Vgl. §§ 10 Abs. 2, 17 Abs. 3 AKG-VO. Vgl. § 19 Abs. 2 AKG-VO. Vgl. § 17 Abs. 3 AKG-VO. Vgl. § 20 AKG-VO. Vgl. § 21 Abs. 1 AKG-VO. Vgl. § 22 Abs. 2 AKG-VO. Vgl. § 4 Abs. 2 FSA-VO. Vgl. § 20 Abs. 4 u. 5 FSA-VO.

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per der ersten Instanz fortgesetzt.78 Dieser stellt sodann einen Kodex-Verstoß fest und verpflichtet das betroffene Mitglied das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen und bei einem wiederholten Verstoß ein Ordnungsgeld zu bezahlen.79 Das festgesetzte Ordnungsgeld darf den Betrag von 200.000,– Euro nicht überschreiten.80 Daneben verhängt der Spruchkörper eine Geldstrafe von mindestens 5.000,– Euro und höchstens 200.000,– Euro zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung.81 Gegen diese Entscheidung kann das betroffene Mitglied Einspruch einlegen.82 Der Spruchkörper der zweiten Instanz ist befugt, schärfere Maßnahmen als der Spruchkörper der ersten Instanz zu verhängen: Er kann Ordnungsgelder und Geldstrafen von jeweils bis zu 400.000,– Euro festsetzen. Bei schwerwiegenden und wiederholten Kodex-Verstößen kommt zudem eine öffentliche Rüge in Betracht.83 Nach der Darstellung der Abläufe der verschiedenen Verfahren, kann folgendes festgestellt werden: Beide Verfahrensordnungen lassen es zu, dass das Verfahren beendet wird, ohne dass überhaupt ein Ordnungsgeld verhängt wird. Falls es in einem der wenigen Fälle überhaupt zu einer Verhängung eines Ordnungsgeldes kommen sollte, wird dieses nur bei einem erneuten Kodex-Verstoß fällig, der jedoch zunächst einmal erneut entdeckt und gemeldet werden muss. Zudem besteht auch hier abermals das Problem der eingeschränkten Ermittlungsbefugnisse der Schiedsgerichte, wodurch den Schiedsgerichten die Aufklärung des Sachverhalts eines wiederholten Kodex-Verstoßes erschwert wird. Hinzu kommt, dass sich die verhängten Ordnungsgelder und Sanktionen gegen das Pharmaunternehmen als solches und nicht gegen die den Kodex-Verstoß zu verantwortende Person richten. Der für den Kodex-Verstoß Verantwortliche wird damit nicht belangt. Für das betroffene Pharmaunternehmen sind Geldstrafen von höchstens 20.000,– Euro nach der AKG-VO oder maximal 200.000,– Euro in der ersten Instanz bzw. 400.000,– Euro in der zweiten Instanz nach der FSA-VO oder Ordnungsgelder in Höhe von bis zu 250.000,– Euro nach der AKG-VO und 200.000,– Euro bzw. 400.000,– Euro nach der FSA-VO im Vergleich zu den Jahresumsätzen der Pharmaunternehmen ohne weiteres zu verschmerzen.84 Teilweise liegen die Jahresumsätze der Pharmahersteller im Milliardenbereich85, sodass 78

Vgl. §§ 20 Abs. 6, 21 FSA-VO. Vgl. § 22 Abs. 1 FSA-VO. 80 Vgl. § 22 Abs. 2 FSA-VO. 81 Vgl. § 22 Abs. 2 FSA-VO. 82 Vgl. §§ 24 Abs. 2, 25 FSA-VO. 83 Vgl. § 24 Abs. 1, 3 u. 4 FSA-VO. 84 Im Ergebnis so auch Lubner/Schmelter, in: Kölbel, Institutionelle Korruption, S. 321, 338. 85 Vgl. instruktiv den Geschäftsbericht des schweizerischen Pharmaunternehmens „Novartis AG“ für das Jahr 2017. Abrufbar unter: https://www.novartis.com/sites/www. novartis.com/files/novartis-annual-report-2017-de.pdf, zuletzt abgerufen am 25.05. 79

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eine verhängte Maßnahme überhaupt nicht ins Gewicht fällt und keine abschreckende Wirkung entfalten kann. Die fehlende Abschreckungswirkung der verhängten Maßnahmen wird eindrucksvoll durch einen Blick in den Jahresbericht 2016 des FSA unterstrichen: Im Jahr 2016 lagen die verhängten Geldstrafen gegen Mitglieder des FSA zwischen 5.000,– Euro und maximal 22.000,– Euro.86 Angesichts der hohen Jahresumsätze der großen Pharmaunternehmen können diese Geldstrafen keine abschreckende Wirkung erzielen. Aufgrund der aufgezeigten Schwächen kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Regelungen der Verhaltenskodizes nicht geeignet sind, korruptiven Verhaltensweisen auf dem Gesundheitsmarkt effektiv entgegenzutreten und diese wirksam zu bekämpfen.87 Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine strafrechtliche Regelung unumgänglich; denn Verantwortliche der Pharmaunternehmen richten ihr Verhalten primär nach dem Ziel der Gewinnmaximierung aus. Sittlich motivierte Selbstbeschränkungen sind dem Wirtschaftssystem nicht immanent und werden daher meist nur aufgrund von legislativem Druck realisiert.88 bb) Zweckbestimmung der Maßnahmen der Verfahrensordnungen Schließlich reichen die in den Verhaltenskodizes enthaltenen Regelungen nicht aus, um die Allgemeinheit vor korruptiven Verhaltensweisen des Apothekers bei der Arzneimittelabgabe hinreichend zu schützen, da sich die Maßnahmen der Verfahrensordnungen des AKG e.V. und FSA e.V. hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung im Vergleich zur Kriminalstrafe unterscheiden: Das Ordnungsgeld dient allein der Verringerung einer Wiederholungsgefahr.89 Daneben richtet sich der Inhalt der zu verhängenden Sanktionen danach, was notwendig aber auch ausreichend ist, um das betroffene Mitglied nachhaltig zu künftig kodexkonfor2020. Auf S. 272 des Berichts wird für das Geschäftsjahr 2017 ein Gewinn nach Steuer von ca. 8,4 Milliarden CHF ausgewiesen. Siehe ferner den Geschäftsbericht des Pharmaunternehmens „Bayer AG“ für das Jahr 2017. Für das Geschäftsjahr 2017 wird ein Gewinn nach Steuer von 7,3 Milliarden Euro ausgewiesen. Abrufbar unter: http:// www.geschaeftsbericht2017.bayer.de/auf-einen-blick/geschaeftsjahr-2017.html?pk_cam paign=startseite&pk_source=Kennzahlen-btn-1#/datasheet-bayer_ar_oekonomisch/vert bar/0/0,1,2,3,4/figures/0, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 86 Vgl. FSA Jahresbericht 2016, S. 26 ff., abrufbar unter https://www.fsa-pharma.de/ de/mediencenter#jahresberichte, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 87 In diesem Sinne auch Duttge, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 3, 10, der die Ansicht vertritt, die Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie weckten eher den Verdacht, dass es sich dabei um ein weiteres Marketinginstrument handeln könnte, nicht aber um eine effektive „Selbstreinigung“. Vgl. auch Fischer, Stellungnahme MEZIS zum Regierungsentwurf, S. 6; Spielberg, Deutsches Ärzteblatt 2010, A-2431. Anders Diener, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 233, 241, wonach die vergangenen Jahre gezeigt hätten, dass die Selbstkontrolle funktioniert und greift. 88 Vgl. Murmann, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 109, 110; siehe hierzu auch Murmann, in: Koriath/Krack/Radtke/Jehle, Grundfragen, S. 189, 204 f. 89 Vgl. § 19 Abs. 1 AKG-VO.

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men Verhalten zu bewegen.90 Die Maßnahmen der Verfahrensordnungen des AKG e.V. und FSA e.V. verfolgen vor diesem Hintergrund rein präventive Zwecke. Sie dienen im Vergleich zur Kriminalstrafe nicht auch dem Schuldausgleich. Nach alledem können das Bestehen der Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie und die Sanktionierbarkeit etwaiger Kodex-Verstöße nicht gegen die Entbehrlichkeit einer strafrechtlichen Regelung ins Feld geführt werden. c) Berufsrecht im Lichte des ultima-ratio Prinzips Im Zusammenhang mit dem Berufsrecht enthalten die Berufsordnungen der verschiedenen verkammerten Heilberufe berufsrechtliche Pflichten, die korruptive Praktiken im Gesundheitswesen verhindern sollen. Diese berufsrechtlichen Pflichten werden von den jeweiligen Kammern erlassen und sind für alle verkammerten Mitglieder verbindlich.91 Für die Arbeit allein von Relevanz ist dabei das Standesrecht der Apotheker. Im Folgenden soll beispielhaft die Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg untersucht werden. Diese enthält im Hinblick auf die Bezugs- und Abgabeentscheidung von Arzneimitteln verschiedene Berufspflichten. Gemäß § 3 der Berufsordnung entscheidet der Apotheker in pharmazeutischen Fragen frei und eigenverantwortlich. Vereinbarungen, Absprachen und Handlungen, die diese Unabhängigkeit beeinflussen, sind unzulässig. Ferner sind Apotheker nach § 8 der Berufsordnung verpflichtet, Kunden, Ärzte und Angehörige anderer Berufe im Gesundheitswesen herstellerunabhängig über Arzneimittel und Medizinprodukte zu beraten. Daneben hat der Apotheker nach § 18 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung in Baden-Württemberg Wettbewerbsmaßnahmen zu unterlassen, soweit sie unlauter sind. Regelbeispiele für unlautere und damit unzulässige Wettbewerbsmaßnahmen finden sich in § 19 der Berufsordnung. Danach ist insbesondere das Überlassen von Flächen der Apotheke gegen Entgelt für die Empfehlung von apothekenpflichtigen Produkten unzulässig, vgl. § 19 Nr. 2 der Berufsordnung. Ferner ist nach § 19 Nr. 3 der Berufsordnung das Anbieten oder Gewähren von Geschenken oder sonstiger Vorteile (z. B. Rückvergütung) bei Abgabe von Arzneimitteln oder zu einem späteren Zeitpunkt, das geeignet ist, die freie Wahl der Apotheke zu beeinflussen, einzuschränken oder zu beseitigen, untersagt. Standeswidrig sind darüber hinaus das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen und Annehmen von Geschenken oder anderen Vorteilen für sich oder Dritte, wenn dadurch die apothekerliche Unabhängigkeit beeinflusst wird, vgl. § 19 Nr. 4 der Berufsordnung. Die Einhaltung dieser standesrechtlichen Verbote wird von der Landesapothekerkammer überwacht,92 die 90 91 92

Vgl. § 20 AKG-VO. Bahner, Praxishandbuch, S. 103. Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 HBKG-Baden-Württemberg.

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etwaige Verstöße dem Kammeranwalt anzeigt.93 Der Kammeranwalt erforscht sodann den Sachverhalt zur Entschließung darüber, ob eine berufsgerichtliche Klage zu erheben ist.94 Voraussetzung für die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens ist eine Berufspflichtverletzung bzw. berufsunwürdige Handlung. Berufsunwürdig ist eine Handlung, durch welche schuldhaft gegen Pflichten verstoßen wird, die einem Kammermitglied zur Wahrung des Ansehens seines Berufes obliegen.95 Bestätigt sich in einem berufsgerichtlichen Verfahren ein schuldhafter Verstoß gegen standesrechtliche Pflichten,96 kommen als Maßnahmen – je nach der Schwere der Verfehlung – eine Warnung, ein Verweis, eine Geldbuße bis zu 50.000,– Euro, die Aberkennung der Mitgliedschaft in Kammerorganen oder auch die Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts bis zur Dauer von fünf Jahren in Betracht.97 aa) Defizite der berufsrechtlichen Vorschriften Wie soeben dargestellt, existieren im Berufsrecht bereits Vorschriften, die das Ziel verfolgen, korruptiv beeinflusste Verhaltensweisen des Apothekers zu bekämpfen. Fraglich ist indes, ob diese standesrechtlichen Normen die Einführung eines Straftatbestands entbehrlich machen, der ebenfalls das gleiche Ziel verfolgen würde. Dies ist im Ergebnis zu verneinen, da die bestehenden Vorschriften des Berufsrechts Defizite gegenüber einer strafrechtlichen Regelung aufweisen und folglich nicht ausreichen, um die Gemeinschaftsordnung vor korruptivem Verhalten des Apothekers hinreichend zu schützen:98 Die standesrechtlichen Normen können lediglich das Fehlverhalten ihrer jeweiligen Berufsträger sanktionieren.99 Korruptive Praktiken von Nicht-Berufsträgern können dagegen durch die jeweilige Berufskammer nicht verfolgt werden,

93

Vgl. § 18 Abs. 1 BerGerOÄ. Vgl. § 20 Abs. 1 BerGerOÄ. 95 Zum Ganzen Stollmann, GesR 2016, 76, 80; Bahner, Praxishandbuch, S. 291. Vgl. auch Rehborn, GesR 2004, 170, 172. 96 Vgl. auch Stollmann, GesR 2016, 76, 80. 97 Vgl. § 58 Nr. 1 bis 5 HBKG-Baden-Württemberg. 98 Ähnlich Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 140, wonach die bisherigen berufsrechtlichen und freiwilligen Maßnahmen Missstände im Gesundheitswesen nicht erkennbar zurückdrängen konnten. In diesem Sinne auch ders., NZWiSt 2015, 321, 324; Passarge, DStR 2016, 482, 487; Fischer, medstra 2015, 1, 2; Gädigk, medstra 2015, 268, 271; Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 73. Vgl. ferner Fischer, in: Kempf/Lüderssen/Volk, WiStrafR, S. 163, 175 u. 176. A. A. Frank/Vogel, AnwBl 2016, 94, 99, die im Vergleich zur „stumpfe(n) Klinge des Strafrechts“ vom „scharfe(n) Schwert berufsrechtlicher Sanktionen“ reden. 99 Vgl. auch Vasilikou/Grinblat, MPR 2016, 189, 190; Maas, NStZ 2015, 305, 308; Cosack, ZIS 2013, 226, 232; Ellbogen, ArztR 2015, 173, 176. 94

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sodass insbesondere das Anbieten, Versprechen oder Gewähren von unzulässigen Vorteilen der Geberseite ungeahndet bleibt.100 Eine wirksame Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen setzt jedoch die Sanktionierbarkeit sowohl der Nehmer- als auch der Geberseite voraus.101 Hinzu kommt, dass zunächst eine lang andauernde Pflichtwidrigkeit oder wiederholte Pflichtverletzungen notwendig sind, um überhaupt empfindliche berufsrechtliche Maßnahmen verhängen zu können. Bei einmaligen bzw. erstmaligen Pflichtverletzungen sind die berufsrechtlichen Konsequenzen eher gering.102 Schließlich besteht de lege lata ein weiterer Schwachpunkt darin, dass es im Berufsrecht an wirksamen Durchsetzungsmechanismen fehlt.103 Drittschädigende Absprachen erfolgen in der Regel konspirativ und lassen sich durch die im berufsrechtlichen Verfahren zur Verfügung stehenden Ermittlungsmaßnahmen – wie beispielsweise die Anhörung des Betroffenen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens – nicht aufdecken.104 Einzig die Behörden im Bereich des Strafrechts verfügen über weitreichende Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse. Beispielsweise dürfen gemäß § 94 StPO Gegenstände zu Beweiszwecken sichergestellt und beschlagnahmt werden. Ferner dürfen nach §§ 102, 103 StPO – unter bestimmten Voraussetzungen – Wohn- und Geschäftsräume beim Beschuldigten und Dritten durchsucht werden. bb) Zweckbestimmung berufsrechtlicher Maßnahmen Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regelung besteht darin, dass die Maßnahmen des Berufsrechts und die Kriminalstrafe unterschiedliche Zwecke verfolgen: Während die Kriminalstrafe im Bereich des Strafrechts neben der Abschreckung und Besserung dem Schuldausgleich dient und sich nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der 100 Zum Ganzen BR-Drs. 16/15, S. 14; BMJV-Referentenentwurf, S. 12; BT-Drs. 18/ 6446, S. 13; Großkopf/Schanz, RDG 2016, 220, 222; Vasilikou/Grinblat, MPR 2016, 189, 190; Fischer, Stellungnahme MEZIS zum Regierungsentwurf, S. 6. Vgl. auch Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 18; Müller/Opper, FS Schlothauer, 2018, S. 401, 406 f. 101 So auch Cosack, ZIS 2013, 226, 232. 102 So für Rechtsanwälte Reelsen, in: Weyland, BRAO, § 114 Rn. 35 u. 67 ff. Vgl. auch Litzka, WiJ 2013, 80, 88. 103 Vgl. auch BR-Drs. 16/15, S. 14; BMJV-Referentenentwurf, S. 12; BT-Drs. 18/ 6446, S. 13; dem folgend Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 36; Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 139. Vgl. ferner Schröder, NZWiSt 2015, 321, 323; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 18; Neupert, NJW 2006, 2811 und dortige Fn. 5; Cosack, ZIS 2013, 226, 231; Kölbel, ZIS 2016 452, 457 dortige Fn. 69; Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 73. 104 BMJV-Referentenentwurf, S. 12; BT-Drs. 18/6446, S. 13; dem folgend Großkopf/ Schanz, RDG 2016, 220, 222 f. Vgl. auch Gädigk, medstra 2015, 268, 272.

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Schuld des Täters bemisst,105 verfolgen die standesrechtlichen Maßnahmen gerade keinen Schuldausgleich. Vielmehr sind die berufsrechtlichen Sanktionen ihrem Wesen nach Zucht- und Erziehungsmittel. Ihnen kommt damit gerade keine Sühnefunktion zu.106 Während die Kriminalstrafe auch dem Schuldausgleich dient,107 sollen die berufsrechtlichen Maßnahmen die Berufsangehörigen zur Erfüllung ihrer speziellen Berufspflichten anhalten und dadurch Ansehen und Funktionsfähigkeit des jeweiligen Berufsstandes sicherstellen.108 Die Maßnahmen des Standesrechts dienen vor diesem Hintergrund Ordnungszwecken.109 Die Kriminalstrafe trifft den Täter hingegen in seinem allgemeinen Staatsbürgerstatus, der Freiheit oder dem Vermögen.110 Diese unterschiedlichen Schutzzwecke treten auch bei der Frage der Verhängung einer Maßnahme des Berufsrechts neben einer strafrechtlichen Sanktion deutlich hervor: Besteht nach einem Strafurteil weiterhin ein sog. berufsrechtlicher Überhang, darf das Berufsgericht zusätzlich eine berufsrechtliche Maßnahme verhängen, ohne gegen das in Art. 103 Abs. 3 GG verankerte Doppelbestrafungsverbot („ne bis in idem“) zu verstoßen.111 Ein derartiger berufsrechtlicher Überhang liegt vor, wenn der berufsrechtliche Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erheblich über den strafrechtlichen hinausgeht, wenn also der Umstand, dass die Tat zugleich eine Berufspflichtverletzung enthält, ein zusätzliches Ahndungsbedürfnis hervorruft, dem – da außerhalb des Strafzwecks liegend – nicht bereits bei der Strafzumessung Rechnung getragen werden konnte.112

105 BVerfGE 21, 378 – juris Rn. 20; 109, 133 – juris Rn. 125, 140 u. 142; 128, 326 – juris Rn. 105; 131, 268 – juris Rn. 116 u. 125; 134, 33 – juris Rn. 110. So im Ergebnis auch BR-Drs. 16/15, S. 13. 106 Berufsgericht für Heilberufe Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2005 – 21 BG 6932/04 – juris Rn. 19; Braun, MedR 2013, 277, 281; vgl. auch BVerfGE 27, 180 – juris Rn. 13; OVG Münster, Landesberufungsgericht für Heilberufe, MedR 1991, 156, 157; Frehse/ Weimer, in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Stellpflug/Ziegler, HK-AKM, Beitrag 872 Rn. 8. 107 BVerfGE 109, 133 – juris Rn. 125, 140 u. 142; 128, 326 – juris Rn. 105; 131, 268 – juris Rn. 116 u. 125; 134, 33 – juris Rn. 110. 108 BayLandesberufsG für die Heilberufe MDR 1988, 1078; Braun, MedR 2013, 277, 281; Frehse/Weimer, in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Stellpflug/Ziegler, HK-AKM, Beitrag 872 Rn. 8; Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, MBO-Ärzte, Vorb. Rn. 6; Taupitz, NJW 1986, 2851, 2852; vgl. auch BVerfGE 27, 180 – juris Rn. 16; BVerwGE 76, 43 – juris Rn. 13; Berufsgericht für Heilberufe Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2005 – 21 BG 6932/04 – juris Rn. 19; OVG Münster, Landesberufungsgericht für Heilberufe, MedR 1991, 156, 157. 109 Vgl. Berufsgericht für Heilberufe Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2005 – 21 BG 6932/ 04 – juris Rn. 19; Taupitz, NJW 1986, 2851, 2852. 110 BVerfGE 21, 378 – juris Rn. 20. 111 OVG NRW, Beschl. v. 03.02.2004 – 13 B 2369/03 – juris Rn. 7; Laufs/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Arztrecht, § 17 Rn. 24; Stollmann, GesR 2016, 76, 80; Taupitz, NJW 1986, 2851, 2852; Rehborn, GesR 2004, 170, 174. Vgl. ferner Krüger, StraFo 2012, 308, 312 f.

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Gegen das Erfordernis einer strafrechtlichen Sanktion für korruptive Verhaltensweisen regt sich insbesondere im Hinblick auf das bereits de lege lata bestehende Berufsrecht in der Literatur vereinzelt Widerstand: So wird angeführt, der These, dass durch korruptive Verhaltensweisen Einzelner ein ganzer Berufsstand zu Unrecht unter Verdacht gestellt wird und das Vertrauen der Patienten in das Gesundheitswesen insgesamt Schaden nehmen kann,113 könne gefolgt werden. Dies sei jedoch kein Argument für die Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Sanktionierung. Die Notwendigkeit des Vertrauensschutzes und der „Reinhaltung“ ihrer Reihen sei den freien Berufen seit jeher bekannt und werde durch die in den Berufsordnungen enthaltenen Maßnahmen geregelt. Diese enthielten abgestufte Sanktionsmöglichkeiten, bis hin zum Ausschluss aus der Berufsgruppe, gerade um das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit in die Berufsgruppe zu erhalten.114 Vor diesem Hintergrund hält diese Ansicht eine Kriminalstrafe für entbehrlich. Zieht man an dieser Stelle indes eine Parallele zum anwaltlichen Berufsrecht, wird offensichtlich, dass einer solchen Argumentation nicht gefolgt werden kann: Einerseits sind im anwaltlichen Berufsrecht gleichfalls Vorschriften vorhanden, die dazu dienen, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Berufsgruppe der Rechtsanwälte zu erhalten. So gibt es verschiedene Vorschriften in der BRAO und BORA, die sicherstellen sollen, dass der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertritt: § 43 BRAO normiert zunächst die allgemeine Berufspflicht des Rechtsanwalts. Demgemäß hat er seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen. Als einer seiner Grundpflichten darf der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten, vgl. § 43a Abs. 4 BRAO. Ähnliches regelt auch § 3 BORA. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BORA darf der Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat. Verstöße gegen die vorgenannten Pflichten sind auch im Berufsrecht der Rechtsanwälte standesrechtlich sanktionierbar. Nach § 113 Abs. 1 BRAO wird gegen einen Rechtsanwalt, der schuldhaft gegen Pflichten verstößt, die in der BRAO oder in der BORA bestimmt sind, eine anwaltsgerichtliche Maßnahme verhängt. Als berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten kommen hier nach § 114 Abs. 1 BRAO die Warnung, der Verweis, die Geldbuße bis zu 25.000,– Euro, das Verbot, auf bestimmten Rechtsgebieten als Vertreter und Beistand für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren tätig zu werden und die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft in Betracht. 112 BayLandesberufsG für die Heilberufe MDR 1988, 1078; Laufs/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Arztrecht, § 17 Rn. 24; vgl. ferner Stollmann, GesR 2016, 76, 80; Bahner, Praxishandbuch, S. 292. 113 BT-Drs. 18/6446, S. 11; BMJV-Referentenentwurf, S. 9. 114 Taschke/Zapf, medstra 2015, 332, 335.

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Unabhängig von den berufsrechtlichen Regelungen besteht mit § 356 StGB aber auch eine Strafvorschrift, die genau das in den berufsrechtlichen Vorschriften geregelte Verhalten unter Strafe stellt und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit und Integrität der Anwaltschaft schützen soll.115 Gemäß § 356 Abs. 1 StGB wird ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, bestraft. Ein solches Verhalten eines Rechtsanwaltes ist bereits seit langem strafrechtlich sanktionierbar. Bereits § 356 Abs. 1 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 stellte den Parteiverrat unter Strafe. Die Wurzeln des Instituts des Parteiverrats reichen sogar bis in das Römische Recht zurück.116 Am 1. August 1959 ist die Bundesrechtsanwaltsordnung erlassen worden117 und am 1. Oktober 1959 in Kraft getreten.118 Zwar stellt sich die Situation bei den Rechtsanwälten dergestalt dar, dass zunächst die strafrechtliche Regelung existierte und zeitlich nachfolgend die berufsrechtlichen Regelungen geschaffen wurden; dennoch hat es der Gesetzgeber bis zum heutigen Tag – mit Blick auf das bestehende Berufsrecht – nicht als erforderlich angesehen, den Tatbestand des Parteiverrats aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Wenn nun Rechtsanwälte, im Falle einer Vertretung widerstreitender Interessen, einer Kriminalstrafe unterliegen, obwohl das selbe Verhalten auch standesrechtlich sanktioniert werden kann, lässt sich mit Blick auf die Rechtsanwälte – für den Bereich der verkammerten Heilberufe – nur schwerlich die Entbehrlichkeit eines Straftatbestands vertreten. Bestehende berufsrechtliche Maßnahmen, die dazu dienen, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Berufsgruppe zu erhalten, lassen das Erfordernis einer strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeit gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Zweckbestimmungen nicht von vornherein entfallen. Die hier vertretene These des Nebeneinanders von Berufs- und Strafrecht wird auch durch ein jüngeres Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2018119 gestützt. Danach müssen Notare, die im Gegenzug für eine künftig bevorzugte Beauftragung auf einen Teil ihrer Gebühren verzichten, neben 115 BVerfG NJW 2001, 3180, 3181; BGHSt 45, 148 – juris Rn. 15; LG Itzehoe NStZRR 2008, 170, 172; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 356 Rn. 1; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 356 Rn. 6; Maurach/Schroeder/Maiwald, StrafR BT-2, § 78 Rn. 2; Geppert, Parteiverrat, S. 30; Beulke/Ruhmannseder, FS ARGE Strafrecht, 2009, 259, 262. 116 Zur Entstehungsgeschichte des § 356 StGB siehe Gillmeister, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 13, § 356 Rn. 1 f.; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 356 Rn. 1 ff. 117 BGBl. 1959 I, S. 565 ff. 118 Siehe hierzu § 237 BRAO in der Fassung vom 1. August 1959. 119 BGH, Urt. v. 22.03.2018 – 5 StR 566/17.

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berufsrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen befürchten, da sie sich nach der Rechtsprechung des 5. Strafsenats wegen Bestechlichkeit gemäß § 332 StGB strafbar machen.120 Der Notar ist also einerseits nach der berufsrechtlichen Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO dazu verpflichtet, für seine Tätigkeit die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren zu erheben. Das Berufsrecht verbietet es Notaren somit, Absprachen im Hinblick auf ihre Vergütung zu treffen. Treffen die Notare dennoch – entgegen der berufsrechtlichen Regelung – eine Vergütungsabrede, wird dies berufsrechtlich sanktioniert. Obwohl die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO gerade die Sicherung einer funktionsfähigen Rechtspflege bezweckt,121 zieht ein Verstoß des Notars gegen diese Vorschrift – trotz des bestehenden Berufsrechts, das der „Reinhaltung“ des Berufsstandes dient – andererseits auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Der Notar macht sich als Amtsträger122 wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB strafbar. Dies deshalb, da er bei der Erhebung von Gebühren nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO eine Diensthandlung im Sinne der §§ 332, 334 StGB vornimmt. Unterschreitet er die gesetzlich vorgegebenen Gebühren im Gegenzug für eine Beauftragung mit einer Beurkundung, ohne dass er hierauf einen Anspruch hat, verletzt er diese Dienstpflicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO und gleichzeitig stellt die Beauftragung mit der Beurkundung den im Sinne der §§ 331 ff. StGB zur Tatbestandverwirklichung erforderlichen Vorteil dar.123 Resümierend lässt sich daher festhalten, dass die bestehenden berufsrechtlichen Normen nicht ausreichen, um die Gemeinschaftsordnung vor korruptiven Praktiken der Apotheker und Pharmahersteller im Zusammenhang mit Pharmamarketing hinreichend zu schützen. Aus diesem Grund sind die Verhaltensweisen nach wie vor als strafbedürftig anzusehen. Auf eine strafrechtliche Regelung kann somit nicht verzichtet werden. Selbst wenn es wegen einer Handlung parallel zu einer berufsrechtlichen Maßnahme und zu einer strafrechtlichen Sanktion kommen sollte, spricht dies nicht gegen die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Vorschrift. d) Approbationsrecht im Lichte des ultima-ratio Prinzips Neben den berufsrechtlichen Maßnahmen besteht nach dem Approbationsrecht der Apotheker mit der Möglichkeit des Widerrufs der Approbation eine weitere Handhabe gegen einen Apotheker vorzugehen, der mit Pharmaherstellern bei der 120

BGH, Urt. v. 22.03.2018 – 5 StR 566/17 – juris Rn. 8 ff.; Hoven, NJW 2018,

1768. 121 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 01.12.2010 – 1 BvR 1747/10 – juris Rn. 17; BGH, Urt. v. 22.03.2018 – 5 StR 566/17 – juris Rn. 10; vgl. auch Schäfer, in: Schippel/ Bracker, BNotO, § 17 Rn. 5; Frenz, in: Eylmann/Vaasen, BNotO, § 17 Rn. 7a; Diehn, in: Diehn, BNotO, § 17 Rn. 18. 122 Vgl. §§ 1 BNotO, 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b StGB. 123 Zum Ganzen BGH, Urt. v. 22.03.2018 – 5 StR 566/17 – juris Rn. 8 ff.

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Abgabe von Arzneimitteln in korruptiver Weise zusammenwirkt. Die Approbation stellt die staatliche Zulassung zum Betreiben des Apothekenberufs dar124 und ist Voraussetzung für die Führung der Berufsbezeichnung „Apotheker“125 und die Abgabe von Arzneimitteln.126 Gemäß § 6 Abs. 2 i.V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO ist die Approbation zwingend zu widerrufen, wenn ein Apotheker sich nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekenberufs ergibt.127 Nach der Rechtsprechung ist eine Unwürdigkeit, den Heilberuf auszuüben, anzunehmen, wenn der Betroffene durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist.128 Erforderlich ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das bei Würdigung aller Umstände die weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lässt.129 Der Blickwinkel der „Unwürdigkeitsbetrachtung“ bezieht sich damit auf einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum.130 Auf ein zu erwartendes zukünftiges Verhalten des Approbierten oder auf eine etwaige Wiederholungsgefahr kommt es bei der Bestimmung der Unwürdigkeit nicht an.131 Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzuverlässigkeit ist hingegen durch eine Prognose gekennzeichnet. Unzuverlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Approbierte nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seinen Beruf in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Betroffene werde entsprechend seinem bisherigen Verhalten in der Vergangenheit und seiner inneren Einstellung nach auch in Zu124

Vgl. § 2 Abs. 1 BApO. Vgl. § 3 BApO. 126 Vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 BApO. 127 Gleiches gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO für die Ärzteschaft, nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG für die Zahnärzte und nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 PsychThG für die Psychotherapeuten. 128 BVerwG, Beschl. v. 28.01.2003 – 3 B 149/02 – juris Rn. 4; BVerwG, Beschl. v. 02.11.1992 – 3 B 87.92 – juris Rn. 16; BVerwG, Beschl. v. 09.01.1991 – 3 B 75.90 – juris Rn. 3; VGH München, Urt. v. 30.09.2010 – 21 BV 09.1279 – juris Rn. 23; VGH München, Urt. v. 15.02.2000 – 21 B 96.1637 – juris Rn. 24; VG Halle, Urt. v. 14.04.2016 – 5 A 2/15 HAL – juris Rn. 39. 129 BVerwG, Beschl. v. 28.01.2003 – 3 B 149/02 – juris Rn. 4; VGH München, Urt. v. 30.09.2010 – 21 BV 09.1279 – juris Rn. 23; Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, BÄO, § 5 Rn. 20. 130 VG Halle, Urt. v. 14.04.2016 – 5 A 2/15 HAL – juris Rn. 39; Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, BÄO, § 5 Rn. 16. 131 BVerwG, Beschl. v. 02.11.1992 – 3 B 87.92 – juris Rn. 11; VGH Mannheim, NJW 2010, 692, 693; VGH München, Urt. v. 28.03.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 23; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.09.2009 – 8 LA 99/09 – juris Rn. 2; OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.12.2009 – 8 LA 197/09 – juris Rn. 6; VG Halle, Urt. v. 14.04.2016 – 5 A 2/15 HAL – juris Rn. 39; Stollmann, GesR 2016, 76. 125

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kunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten.132 Maßgeblich für die Zukunftsprognose sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die konkreten Umstände, nämlich die Situation des Betroffenen im Zeitpunkt der Prognosestellung und sein vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die Berufspflicht manifest gewordener Charakter.133 Ausgehend von diesen Definitionen erscheint es durchaus denkbar, dass man – bei Vorliegen entsprechender Gesamtumstände – von einer Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO ausgehen kann, wenn ein Apotheker von der Pharmaindustrie Vorteile annimmt und im Gegenzug an seine Patienten ein Arzneimittel des zuwendenden Pharmaherstellers bevorzugt abgibt; denn der betroffene Apotheker wird dadurch in der Regel die notwendigen charakterlichen Voraussetzungen für eine integre Berufsausübung vermissen lassen.134 Den möglichen Verlust der Approbation ziehen Frank/Vogel u. a. als Argument gegen die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm heran. Gerade der Verlust der Approbation gefährde die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen und dessen Renommee im Berufsstand. Vor diesem Hintergrund trieben die approbationsrechtlichen Rechtsfolgen den Heilberuflern „regelmäßig mehr die Schweißperlen auf die Stirn als ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren“.135 Bei genauerer Betrachtung greift diese Argumentation indes zu kurz; denn selbst der – zweifelsohne – wirtschaftlich sehr einschneidende Verlust der Approbation, vermag nicht die Defizite zu überspielen, die den approbationsrechtlichen Vorschriften anhaften. aa) Defizite der approbationsrechtlichen Vorschriften Im Hinblick auf das ultima-ratio Prinzip und die in diesem Zusammenhang erforderliche Strafbedürftigkeit eines bestimmten Verhaltens ist zu konstatieren, dass auch die approbationsrechtlichen Vorschriften Schwächen im Vergleich zum Strafrecht aufweisen und daher nicht ausreichen, um einen hinreichenden Schutz der Gemeinschaftsordnung vor korruptiven Praktiken des Apothekers im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln zu gewährleisten. Die Vorschriften des Approbationsrechts richten sich ausschließlich gegen die Approbierten und damit gegen die Nehmer eines Vorteils. Die Geberseite hat hingegen keine Kon132 Zum Ganzen VGH München, Beschl. v. 27.11.2009 – 21 ZB 09.1589 – juris Rn. 16; VGH München, Urt. v. 15.02.2000 – 21 B 96.1637 – juris Rn. 24. Vgl. auch VG Halle, Urt. v. 14.04.2016 – 5 A 2/15 HAL – juris Rn. 38; Bahner, Praxishandbuch, S. 287. 133 BVerwG, Beschl. v. 16.07.1996 – 3 B 44/96 – juris Rn. 4; VGH München, Beschl. v. 27.11.2009 – 21 ZB 09.1589 – juris Rn. 16; Stollmann, GesR 2016, 76, 77. Vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.09.2005 – 6 A 10556/05 – juris Rn. 40. 134 Zum Ganzen vgl. Braun, MedR 2013, 277, 278. 135 Frank/Vogel, AnwBl 2016, 94, 98.

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sequenzen ihres korruptiven Verhaltens zu befürchten. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, setzt eine effektive Bekämpfung der Korruption voraus, dass sowohl die Geber- als auch die Nehmerseite erfasst wird.136 Zudem fehlt es den verwaltungsrechtlichen Behörden an den notwendigen Eingriffsbefugnissen zur Erforschung des Sachverhalts. Vielmehr sind die Behörden auf die bereits getroffenen Feststellungen in einem Strafverfahren angewiesen, um eine verwaltungsbehördliche Entscheidung über den Fortbestand der Approbation treffen zu können. Müsste die Behörde den Sachverhalt selbständig aufklären, so fehlten ihr hierzu bereits die rechtlichen Möglichkeiten. Beispielsweise besteht – im Gegensatz zur Strafprozessordnung137 – schon keine Aussagepflicht für Zeugen.138 Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen in einem behördlichen Verfahren um den Widerruf der Approbation zur Grundlage der verwaltungsbehördlichen Entscheidung gemacht werden dürfen, solange sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der getroffenen Feststellungen ergeben.139 Schließlich kommt der Widerruf der Approbation aufgrund des ihm anhaftenden schwerwiegenden Grundrechtseingriffs nur bei einem schwerwiegenden Fehlverhalten überhaupt in Betracht. Für ein solches schwerwiegendes Fehlverhalten muss das Verhalten des Approbierten in seiner inhaltlichen Schwere, der Begehungsweise und hinsichtlich der Folgen als gravierend angesehen werden.140 Der Anwendungsbereich eines Widerrufs der Approbation ist daher denkbar gering und wird nur in Extremfällen zur Anwendung gelangen. Im Gegensatz dazu wäre man auf der Rechtsfolgenseite eines strafrechtlichen Verstoßes durchaus in der Lage, den Gegebenheiten des Einzelfalls angemessen Rechnung zu tragen und den einzelnen Fall schuld- und tatangemessen zu würdigen. Die im Approbationsrecht vorgezeichnete „Alles-oder-Nichts-Lösung“ wird so vermieden. bb) Zweckbestimmung des Widerrufs der Approbation Ein weiteres Argument für die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regelung besteht darin, dass sich die Zweckbestimmungen der Kriminalstrafe und der ap136

Siehe bereits § 2 II. 2. c) aa). Vgl. Stollmann, GesR 2016, 77, 78. 138 Vgl. § 26 Abs. 3 Satz 1 VwVfG vor dem Hintergrund, dass eine besondere Rechtsvorschrift für das Verfahren des Approbationswiderrufs nicht vorgesehen ist. 139 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.03.2003 – 3 B 10/03 – juris Rn. 2; BVerwG, Beschl. v. 10.03.1997 – 6 B 72/96 – juris Rn. 9; OVG NRW, Beschl. v. 31.08.2006 – 13 A 1190/05 – juris Rn. 6; OVG NRW, Beschl. v. 03.02.2004 – 13B 2369/03 – juris Rn. 14; OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.01.2009 – 8 LA 88/08 – juris Rn. 7 f.; VG Halle, Urt. v. 14.04.2016 – 5 A 2/15 HAL – juris Rn. 41. 140 Litzka, WiJ 2013, 80, 87. 137

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probationsrechtlichen Maßnahme unterscheiden141 und damit nicht in gleicher Weise geeignet sind, der Allgemeinheit einen hinreichenden Schutz zu bieten. Während die Kriminalstrafe bestimmte Rechtsgüter schützt, soll mit dem Widerruf der Approbation das Ansehen des Heilberufs gewahrt werden.142 Der Approbationswiderruf hat damit keinen repressiven, sondern einen präventiven Charakter:143 Er dient der Gefahrenabwehr und enthält auch keine individuelle Schuldzuweisung,144 weshalb er als Sicherungsmaßnahme zum Schutz der Patienten und – wie bereits erwähnt – zum Schutz des Ansehens des Heilberufs zu klassifizieren ist. Es handelt sich nicht um eine Strafe oder Nebenstrafe.145 Die unterschiedlichen Zweckbestimmungen treten auch dadurch zu Tage, dass sich der bereits strafrechtlich verurteilte Approbierte gegenüber der Verwaltungsbehörde146 nicht auf den aus Art. 103 Abs. 3 GG resultierenden Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung berufen kann.147 e) Bewertung Wie in den vorstehenden Absätzen herausgearbeitet wurde, existieren bereits einige außerstrafrechtliche Vorschriften in Form von Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie oder Regelungen im Bereich des Berufs- und Approbationsrechts, die das Ziel verfolgen, korruptiv beeinflusste Verhaltensweisen des Apothekers zu bekämpfen. Allerdings wurde ebenfalls aufgezeigt, dass diese Regelungen außerhalb des Strafrechts allesamt Defizite gegenüber einer Strafnorm aufweisen. Ferner verfolgen die Maßnahmen, die bei einem Pflichtenverstoß gegen einen Verhaltenskodex der Pharmaindustrie, das Berufsrecht oder Approbationsrecht in Betracht kommen, andere Zwecke im Vergleich zur Kriminalstrafe. Vor diesem Hintergrund können die außerhalb des Strafrechts existierenden Vorschriften nicht als Argumentationsgrundlage gegen die Einführung einer strafrechtlichen Norm herangezogen werden.

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So bereits BR-Drs. 16/15, S. 13. Vgl. Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, BÄO, § 5 Rn. 52; Hoppe/Seebohm/ Rompf, in: Prütting, MedR-FAKomm, § 5 BÄO Rn. 10. 143 Braun, MedR 2013, 277, 281. 144 Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, BÄO, § 5 Rn. 52; vgl. auch Bahner, Praxishandbuch, S. 292 f.; Hoppe/Seebohm/Rompf, in: Prütting, MedR-FAKomm, § 5 BÄO Rn. 10a. 145 Frehse/Kleinke, in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 1, § 1 Rn. 89; Braun, MedR 2013, 277, 281. Vgl. auch Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 73. 146 Vgl. § 35 OWiG; auch Gerhold, in: BeckOK, OWiG, Einl. Rn. 1. 147 Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, BÄO, § 5 Rn. 49; Stollmann, GesR 2016, 76, 81; Frehse/Kleinke, in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 1, § 1 Rn. 98; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 09.12.2003 – 13 B 1944/03 – juris Rn. 9; Bahner, Praxishandbuch, S. 292. 142

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Darüber hinaus muss beachtet werden, dass nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur die Kriminalstrafe echte Strafe ist, die mit einem ethischen Schuldvorwurf verbunden ist.148 Einzig mit der Verhängung einer Kriminalstrafe sind ein ehrenrühriges, autoritatives Unwerturteil über eine Verhaltensweise des Täters, der Vorwurf einer Auflehnung gegen die Rechtsordnung und die Feststellung der Berechtigung dieses Vorwurfs verknüpft.149 Sanktionen im Bereich der Verhaltenskodizes, des Berufs- und Approbationsrechts bleiben mit ihrem Unwerturteil daher hinter strafrechtlichen Verurteilungen zurück. Sie vermögen folglich nicht in gleicher Weise wie eine Kriminalstrafe die sozialethische Verwerflichkeit von Korruption zu erfassen und zu kompensieren.150 Schließlich bleibt zu prüfen, ob bestehende Tatbestände im Ordnungswidrigkeitenrecht und die mit ihnen einhergehende Möglichkeit zur Verhängung einer Geldbuße die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regelung entbehrlich machen. f) Ordnungswidrigkeitenrecht im Lichte des ultima-ratio Prinzips Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten existieren bereits zwei Tatbestände im Heilmittelwerberecht und im Apothekenrecht, die korruptes Abgabeverhalten eines Apothekers sanktionieren. Zu nennen sind an dieser Stelle § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG i.V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Var. 4 HWG und § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG i.V. m. § 10 ApoG, auf die im Folgenden näher einzugehen sein wird. aa) § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG handelt derjenige ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 7 Abs.1 HWG als Angehöriger eines Fachkreises eine Zuwendung oder sonstige Werbegabe annimmt. § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG setzt einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Var. 4 HWG151 voraus. Danach ist es grundsätzlich unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) als Angehöriger eines Fach148

BVerfGE 22, 49 – juris Rn. 105. BVerfGE 22, 49 – juris Rn. 110; 27, 18 – juris Rn. 31; vgl. auch Maas, NStZ 2015, 305, 308; Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 65; Noll, Ethische Begründung, S. 17; Henkel, Strafe, S. 7; Kaufmann, Strafrechtsdogmatik, S. 265; v. Hirsch/Jareborg, Strafmaß, S. 12. 150 Braun, MedR 2013, 277, 280 ff.; BR-Drs. 16/15, S. 14; BMJV-Referentenentwurf, S. 12; BT-Drs. 18/6446, S. 13; dem folgend Gaede/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142; Großkopf/Schanz, RDG 2016, 220, 222; Schröder, NZWiSt 2015, 321, 323; ders., in: JEK 9 (2016), S. 119, 139; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 36; Vasilikou/Grinblat, MPR 2016, 189, 190. Vgl. hierzu auch Murmann, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 109 dortige Fn. 2; Gädigk, medstra 2015, 268, 271 f. 151 § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Var. 4 HWG wurde durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 in den Tatbestand des § 7 HWG eingefügt. 149

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kreises anzunehmen, soweit nicht eine ausdrückliche Ausnahme greift.152 Sinn und Zweck dieses generellen Verbots ist es, eine unsachliche Beeinflussung der Angehörigen der Fachkreise durch Werbegaben im Bereich der Heilmittelwerbung auszuschließen.153 Im Hinblick auf Apotheker sollen hierdurch insbesondere Verkaufsförderungspraktiken verhindert werden, die geeignet sind, bei Apothekern ein wirtschaftliches Interesse an der Abgabe von Arzneimitteln zu wecken.154 Dadurch soll eine pharmazeutische Praxis gefördert werden, die im Einklang mit den bestehenden Berufsregeln steht.155 § 7 Abs. 1 HWG verbietet Zuwendungen und Werbegaben. Erfasst sind damit nicht nur Waren oder Leistungen, sondern jeder zuwendungsfähige wirtschaftliche Vorteil.156 Das Verbot gilt für alle Heilmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 HWG, also für sämtliche Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Allerdings ist das Verbot lediglich auf produktbezogene Werbung (Produkt-, Absatzwerbung) beschränkt, während die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens-, Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Präparate für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt, vom Geltungsbereich des HWG nicht erfasst ist, obwohl natürlich auch die allgemeine Firmenwerbung – mittelbar – den Absatz der Produkte des Unternehmens fördern kann und soll.157 Die skizzierte Differenzierung ist für den hier zu untersuchenden Fall des korruptiven Zusammenwirkens zwischen der Pharmaindustrie und Apothekern von Relevanz; denn die korrumpierenden Vorteile der Pharmahersteller werden ver152 § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Var. 4 HWG steht in Einklang mit dem geltenden EU-Recht: In der vollharmonisierenden Richtlinie 2001/82/EG findet sich in Art. 94 Abs. 3 eine vergleichbare Regelung. 153 BT-Drs. 7/3060, S. 68; Doepner, HWG, § 7 Rn. 6; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 5, § 7 HWG Rn. 14 u. 16. Vgl. auch Brixius, in: Bülow/Ring/ Arzt/Brixius, HWG, § 7 Rn. 7. 154 EuGH PharmR 2010, 283, 286 Rn. 29; BGH GRUR 2012, 1279, 1282 Rn. 29; GRUR 2014, 689, 691 Rn. 14; Zimmermann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 28 Rn. 85; Mand, in: Prütting, MedR-Komm, § 7 HWG Rn. 3a; Bahner, Praxishandbuch, S. 153. 155 EuGH PharmR 2010, 283, 286 Rn. 29; BGH GRUR 2012, 1279, 1282 Rn. 29; Zimmermann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 28 Rn. 85; Doepner, HWG, § 7 Rn. 8. 156 BGH GRUR 1990, 1041; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 5, § 7 HWG Rn. 16; Brixius, in: Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, § 7 Rn. 16; Doepner, HWG, § 7 Rn. 22; Mand, in: Prütting, MedR-Komm, § 7 HWG Rn. 44. 157 Vgl. BGH NJW 1992, 2964; NJW 1995, 1617; GRUR 2002, 1088, 1091; GRUR 2006, 949, 952; OLG Naumburg GRUR-RR 2007, 159 f.; Fritzsche, in: Spickhoff, Medizinrecht, HWG, § 7 Rn. 3 u. 10; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 5, § 7 HWG Rn. 15; Zimmermann, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 28 Rn. 90; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, S. 1151; Brixius, in: Bülow/Ring/ Arzt/Brixius, HWG, § 1 Rn. 3 u. § 7 Rn. 11; Reinhart, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, Band 1, S4 Rn. 424; Bahner, Praxishandbuch, S. 156.

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mutlich nicht für ein oder mehrere konkret bestimmbare Arzneimittel gewährt, sondern unter der Prämisse zugewendet, dass der Apotheker sämtliche Arzneimittel aus dem Warensortiment des Pharmaherstellers bevorzugt.158 Die Werbegaben beziehen sich in diesem Fall gerade nicht auf einzelne Arzneimittel oder abgrenzbare Teile des Sortiments, sondern auf alle Arzneimittel im Sortiment des Pharmaherstellers. Ob hier noch unbedenkliche Firmenwerbung oder vielmehr bereits produktbezogene Werbung vorliegt, war bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahre 2009 lange Zeit umstritten.159 In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass ein Ausloben und Gewähren von Werbegaben eine produktbezogene Werbung darstellt, unabhängig davon, ob die Werbegaben allein für genau benannte Heilmittel, für eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl von Heilmitteln oder sogar für das gesamte Heilmittelsortiment gewährt wird.160 Dies überzeugt, da in einem Ausloben oder Gewähren von Werbegaben für das Gesamtsortiment denknotwendig auch ein Ausloben oder Gewähren von Werbegaben für jedes einzelne Heilmittel liegt, das diesem Gesamtsortiment angehört.161 Damit ist ein Produktbezug bereits zu bejahen, wenn die Gewährung der Werbegabe beispielsweise vom Erreichen bestimmter Umsätze des Apothekers abhängt und folglich im Zusammenhang mit dem Absatz von Arzneimitteln eines bestimmten Pharmaherstellers steht.162 Sähe man dies anders, würde man denjenigen privilegieren, der die Absatzwerbung möglichst umfassend betreibt.163 Während das Pharmaunternehmen, das lediglich einzelne Arzneimittel bewirbt, unter Umständen eine Ordnungswidrigkeit begehen würde. In § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nrn. 1 bis 5 und Abs. 2 HWG hat der Gesetzgeber enumerativ Ausnahmefälle vorgesehen, bei deren Vorliegen eine Zuwendung oder sonstige Werbegabe nicht unter das generelle Werbegabenverbot fällt. Hinsichtlich des Pharmamarketings gegenüber Apothekern könnte der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nr. 2 HWG im Blickfeld der Pharmahersteller und Apotheker liegen, der Zuwendungen oder Werbegaben in Gestalt von Geldrabatten (lit. a) oder Mengenrabatten (lit. b) für ausnahmsweise zulässig er158

Braun, MedR 2013, 277, 279. Für eine produktbezogene Absatzwerbung OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2005, 393; OLG München GRUR-RR 2007, 297, 298 f.; OLG Saarbrücken GRUR-RR 2008, 84, 86 f.; OLG Nürnberg WRP 2009, 106; Reese/Holtorf, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 11 Rn. 108; Schmid, FS Ullmann, 2006, S. 875, 884 ff. Für eine Firmenwerbung OLG Düsseldorf WRP 2005, 135, 136; OLG Naumburg GRUR-RR 2006, 336 f.; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 403, 404; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 11.135; Auerbach, PZ 2004, 552, 554; Kieser, PharmR 2004, 129, 132 f.; Kappes, WRP 2009, 250, 252; vgl. auch Purnhagen, MedR 2006, 315, 319. 160 BGH NJW-RR 2010, 397. So auch OLG Stuttgart Urt. v. 10.12.2009 – 2 U 66/ 09 – juris Rn. 41. 161 So auch Reese/Holtorf, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 11 Rn. 108. 162 Vgl. Mand, in: Prütting, MedR-Komm, § 7 HWG Rn. 38; Brixius, in: Bülow/ Ring/Arzt/Brixius, HWG, § 7 Rn. 15. 163 Schmid, FS Ullmann, 2006, S. 875, 885 f. 159

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klärt. Allerdings erfährt diese Ausnahme für Arzneimittel sogleich wieder eine Einschränkung164 dergestalt, dass Geldrabatte nicht entgegen der Preisvorschriften gewährt werden dürfen, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten.165 Folglich stellt der von der Arzneimittelpreisverordnung vorgegebene Rahmen das Maß erlaubter Rabatte dar.166 Soweit die Preisvorschriften indes keine Regelung vorsehen – etwa für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel167 – bleiben Geldrabatte zulässig, weil sie außerhalb und damit nicht entgegen der Preisvorschriften gewährt werden.168 Ferner erfährt § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nr. 2 HWG eine weitere Einschränkung im Hinblick auf Warenrabatte. Diese sind für apothekenpflichtige Arzneimittel verboten.169 Somit bleiben Werbegaben in Form von Warenrabatten insgesamt und Geldrabatte mit Ausnahme verschreibungsfreier Arzneimittel heilmittelwerberechtlich unzulässig. Die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nr. 2a HWG ausnahmsweise zulässigen Werbegaben in Form von Geldrabatten gegenüber Apothekern für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel erhalten jedoch ebenfalls eine heilmittelwerberechtliche Einschränkung: Werbegaben an Apotheker sind nur dann zulässig, wenn sie zur Verwendung in der pharmazeutischen Praxis bestimmt sind,170 was bei Geldrabatten regelmäßig nicht der Fall sein dürfte, da Geldrabatte in keinem Zusammenhang mit der Ausübung des Apothekenberufes stehen. Im Ergebnis bleibt es dabei: Es ist dem Apotheker untersagt, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzunehmen, die im Zusammenhang mit dem Absatz von Arzneimitteln stehen. Ein Apotheker, der diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG i.V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Var. 4 HWG, die von den Verwaltungsbehörden171 nach § 15 Abs. 3 HWG mit einer Geldbuße bis zu 50.000,– Euro geahndet werden kann.172 164

Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nr. 2 Hs. 2 HWG. Siehe § 78 AMG i.V. m. AMPreisV. 166 Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nr. 2a HWG ist beispielsweise die Direktbelieferung von Apotheken durch einen Hersteller zum Herstellerabgabenpreis – d.h. ohne einen Großhandelszuschlag und damit ohne ein Entgelt für die Liefertätigkeit – zulässig, KG Berlin MedR 2013, 373, 374; Fritzsche, in: Spickhoff, Medizinrecht, HWG, § 7 Rn. 25. 167 § 1 Abs. 4 AMPreisV. 168 BT-Drs. 16/691, S. 18; Zimmermann, HGW, § 7 Rn. 5; ders., in: Fuhrmann/Klein/ Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 28 Rn. 90. Vgl. auch Mand, in: Prütting, MedRKomm, § 7 HWG Rn. 5. 169 Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 Nr. 2 Hs. 3 HWG. 170 Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG in Umsetzung von Art. 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. 171 Vgl. § 35 OWiG; auch Pfohl, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, § 15 HWG Rn. 1; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 5, § 15 HWG Rn. 2; Gerhold, in: BeckOK, OWiG, Einl. Rn. 1. 165

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bb) § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG § 10 ApoG verbietet es dem Erlaubnisinhaber einer Apotheke sich zu verpflichten, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben oder anderweitig die Auswahl der von ihm abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller oder Händler oder von Gruppen von solchen zu beschränken. Wer auf Grund einer nach § 10 ApoG unzulässigen Vereinbarung Leistungen erbringt oder annimmt oder eine solche Vereinbarung in sonstiger Weise ausführt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG, die von den Verwaltungsbehörden nach § 25 Abs. 3 ApoG mit einer Geldbuße bis zu 20.000,– Euro geahndet werden kann.173 Übertragen auf den Untersuchungsgegenstand bedeutet dies: Verpflichtet sich der Apotheker, Arzneimittel eines bestimmten Pharmaherstellers (oder Großhändlers) ausschließlich oder bevorzugt dem Patienten anzubieten oder an diesen abzugeben und setzt er dies in die Tat um, handelt der Apotheker ordnungswidrig gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG. Ebenso ordnungswidrig handelt nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG derjenige, der die Leistung annimmt. In diesem Fall das durch die nach § 10 ApoG verbotene Abrede begünstigte Pharmaunternehmen.174 Vom Tatbestand des § 10 ApoG sind ausschließlich Arzneimittel175 erfasst, unabhängig davon, ob es sich um freiverkäufliche, apothekenpflichtige oder verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt. Nicht erfasst ist hingegen das Nebensortiment der Apotheke.176 Dies korreliert mit dem Normzweck des § 10 ApoG: Die Vorschrift zielt darauf ab, die Unabhängigkeit der Arzneimittelauswahl zu gewährleisten.177 § 10 ApoG enthält eine verfassungsgemäße sachgerechte Regelung der Berufsausübung zur Sicherstellung der Eigenverantwortlichkeit des Apothekers und seiner Entscheidungsfreiheit gegenüber anderen am Arzneimittelverkehr beteiligter Kreise, wodurch verhindert werden soll, dass der „Arzneimittelschatz der Apotheken“ durch Bindung an die Waren bestimmter Hersteller

172 Gemäß § 17 Abs. 4 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat. Reicht das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden. 173 Unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 OWiG kann das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße noch überschritten werden. Dies kommt insbesondere bei einem Täter in Betracht, der aus einer unzulässigen Vereinbarung im Sinne des § 10 ApoG einen sehr hohen Gewinn erzielt, Senge/Hadamitzky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, § 25 ApoG Rn. 13. 174 Vgl. Senge/Hadamitzky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, § 25 ApoG Rn. 4. 175 Vgl. hierzu die Legaldefinition des Arzneimittelbegriffs in § 2 AMG. 176 Prütting, in: Prütting, MedR-Komm, § 10 ApoG Rn. 6. 177 Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, § 10 Rn. 1; vgl. auch Senge/Hadamitzky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, § 10 ApoG Rn. 1; Prütting, in: Prütting, MedR-Komm, § 10 ApoG Rn. 1; Meyer, PharmR 2013, 39, 41.

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zum Schaden einer geordneten Arzneimittelversorgung beschränkt wird.178 Der Apotheker soll durch die rechtliche Bindung – zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – nicht sachfremden Einwirkungen ausgesetzt sein.179 Ferner soll er nicht in die Lage versetzt werden, die Abgabe eines verschriebenen Arzneimittels deshalb ablehnen zu müssen, weil er sich exklusiv an einen Konkurrenten gebunden hat.180 cc) Verhältnis zum Strafrecht Die Ausführungen zu den bereits bestehenden Ordnungswidrigkeiten haben gezeigt, dass bereits versucht wird, korruptivem Abgabeverhalten des Apothekers mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts zu begegnen. Es gilt nun die Frage zu beantworten, ob die Sanktionierung des Ordnungswidrigkeitenrechts in Gestalt der Geldbuße die strafrechtliche Erfassung des vorliegend zu untersuchenden Abgabeverhaltens des Apothekers entbehrlich macht, weil die Geldbuße ausreicht, um die Allgemeinheit vor dem in Rede stehenden Verhalten des Apothekers hinreichend zu schützen und damit die Strafbedürftigkeit eines solchen Verhaltens entfallen lässt. Die Geldbuße ist im Verhältnis zur Kriminalstrafe als milderes Mittel im Sinne des ultima-ratio Prinzips anzusehen. Dies deshalb, weil die Geldbuße lediglich als eine nachdrückliche Pflichtenmahnung angesehen und empfunden wird, die keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Ansehens und des Leumundes des Betroffenen zur Folge hat, mag sie dessen Vermögen auch ebenso stark belasten wie eine vergleichbare Geldstrafe.181 Der Bereich der sittlichen Persönlichkeit und die Sphäre des Ethischen werden nicht berührt.182 Der Geldbuße als nachdrückliche Pflichtenmahnung fehlt der Ernst des staatlichen Strafens,183 weshalb sie auch nicht als echte Strafe qualifiziert werden kann.184 Dagegen ist 178 BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 67; KG Berlin MedR 2013, 373, 375; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, § 10 Rn. 1; Prütting, in: Prütting, MedR-Komm, § 10 ApoG Rn. 1; Mecking, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 10 ApoG Rn. 1. 179 VG Würzburg, Urt. v. 11.03.2002 – W 8 K 01.225 – juris Rn. 20; KG Berlin MedR 2013, 373, 375; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, § 10 Rn. 1. 180 KG Berlin MedR 2013, 373, 375; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, § 10 Rn. 1; Bahner, Praxishandbuch, S. 145. 181 BVerfGE 27, 18 – juris Rn. 42; 45, 272 – juris Rn. 35; BGHSt 39, 291 – juris Rn. 26; Gürtler, in: Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 9. Vgl. auch Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 59; Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 1; Klesczewski, OWiR, S. 181; Rotberg, OWiG, S. 44. 182 BVerfGE 9, 167 – juris Rn. 17; Mitsch, in: KK-OWiG, Einl. Rn. 85; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 9. 183 BVerfGE 9, 167 – juris Rn. 17; 22, 49 – juris Rn. 105; 27, 18 – juris Rn. 42; 45, 272 – juris Rn. 35; Gürtler, in: Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 9. 184 BVerfGE 22, 49 – juris Rn. 105; Brixius, in: Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, § 15 Rn. 7.

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mit der Kriminalstrafe als echter Strafe ein öffentliches sozialethisches Unwerturteil verbunden.185 Dieses Unwerturteil ist ehrenrührig;186 es wirft dem Täter die Auflehnung gegen die Rechtsordnung überhaupt vor.187 Darüber hinaus wird die Geldbuße im Gegensatz zur Kriminalstrafe nicht ins Bundeszentralregister eingetragen.188 Der Betroffene gilt daher nicht als vorbestraft und sein Verhalten ist für den Rechtsverkehr nicht nachverfolgbar. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob der Einsatz des Strafrechts das einzige Mittel darstellt, um der Gemeinschaftsordnung einen hinreichenden Schutz zu bieten. Zwar gibt es durchaus Übereistimmungen zwischen dem Zweck der Geldbuße und der Kriminalstrafe. So kommt beiden Maßnahmen sowohl eine repressive189 als auch eine präventive Funktion190 im Sinne einer Spezial- und Generalprävention zu. Ferner bezwecken beide Sanktionen auch den Schutz von Rechtsgütern.191 Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass sich die Geldbuße und die Kriminalstrafe deutlich voneinander unterscheiden. Die der Geldbuße zukommende repressive Funktion ist mit der Repression der Strafe nicht vergleichbar.192 Dies folgt zum einen daraus, dass der Ordnungswidrigkeit jener hohe Grad an Verwerflichkeit der Tätergesinnung fehlt, welcher alleine das schwere sozialethische Unwerturteil der Kriminalstrafe rechtfertigt.193 Mit anderen Worten kommt der Ordnungswidrigkeit im Vergleich zur Straftat ein geringerer Unrechtsgehalt zu,194 weshalb Ordnungswidrigkeiten nach allgemein gesellschaftlicher Auffas185 BVerfGE 22, 49 – juris Rn. 105 u. 110; 27, 18 – juris Rn. 30; Mitsch, in: KKOWiG, Einl. Rn. 84; Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 65; Noll, Ethische Begründung, S. 17 f.; Henkel, Strafe, S. 7. Vgl. auch Kaufmann, Strafrechtsdogmatik, S. 265. 186 BVerfGE 27, 18 – juris Rn. 42; Mitsch, in: KK-OWiG, Einl. Rn. 84; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 13. 187 BVerfGE 22, 49 – juris Rn. 110; 27, 18 – juris Rn. 42; Mitsch, in: KK-OWiG, Einl. Rn. 84. 188 Vgl. §§ 3, 4 BZRG; siehe auch BVerfGE 22, 49 – juris Rn. 105; Gürtler, in: Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 9; Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 6; Gassner, in: Blum/Gassner/Seith, OWiG, Einl. Rn. 5; Mitsch, in: KK-OWiG, § 17 Rn. 6. 189 Brixius, in: Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, § 15 Rn. 7; Gassner, in: Blum/Gassner/Seith, OWiG, § 17 Rn. 2; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 13; Klesczewski, OWiR, S. 19; Achenbach, BB 2000, 1116, 1119; Schroth, wistra 1986, 158, 159; Bohnert/Bülte, OWiR, § 2 Rn. 127. 190 Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 5 u. 7; Gassner, in: Blum/Gassner/ Seith, OWiG, § 17 Rn. 2; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 13; Klesczewski, OWiR, S. 19; Bohnert/Bülte, OWiR, § 2 Rn. 128; Lemke/Mosbacher, OWiG, Einl. Rn. 12. 191 Mitsch, in: KK-OWiG, Einl. Rn. 114; Hefendehl, ZIS 2016, 636, 639; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 9; vgl. auch Gramse, BB 1984, 371, 378; Lemke/Mosbacher, OWiG, Einl. Rn. 13; Roxin, StrafR AT, Band I, § 2 Rn. 62. 192 Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 6. 193 Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 59. 194 BVerfGE 8, 197 – juris Rn. 38; 9, 167 – juris Rn. 17; 22, 49 – juris Rn. 103; 27, 18 – juris Rn. 30; 27, 36 – juris Rn. 17; Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 1;

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sung auch nicht im engeren Sinne strafwürdig sind.195 Für den Betroffenen soll mit der Verhängung einer Geldbuße lediglich spürbar gemacht werden, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat,196 ohne dass hiermit ein sozialethisches Unwerturteil und eine damit einhergehende Stigmatisierung des Betroffenen verbunden sein soll.197 Der Geldbuße kommt im Ergebnis zwar eine repressive Funktion zu, sie bleibt aber hinter der Repression der Strafe zurück. Die Geldbuße verfolgt vielmehr zuvörderst spezial- und generalpräventive Zwecke, in dem sie den Betroffenen oder in ähnlicher Position befindliche Dritte anhalten soll, die sie treffenden Ge- und Verbote zukünftig zu beachten.198 Zudem ist die repressive Funktion der Geldbuße nicht mit der Repression der Strafe vergleichbar, weil die Ahndung eines Verstoßes gegen Verhaltensnormen mit einer Geldbuße lediglich der Bewahrung eines Ordnungsgefüges dient, das unterhalb des Schutzbereichs des Strafrechts und den hierdurch zu schützenden elementaren Rechtsgütern zu verorten ist. Im Vergleich zum Strafrecht kommt dem Ordnungswidrigkeitenrecht damit die Funktion eines Ordnungsgefüges zweiten Ranges zu.199 Aufgrund dieser Unterschiede zwischen der Geldbuße und der Kriminalstrafe reicht die Geldbuße als Sanktionsform des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht aus, um einen hinreichenden Schutz der Gemeinschaftsordnung vor korruptiven Praktiken des Apothekers bei der Arzneimittelabgabe sicherzustellen. Dieser Befund bestätigt sich überdies mit Blick auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht: Zwar besteht eine – hier nicht weiter interessierende – Kontroverse darüber, ob sich die einzelnen Bereiche des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in qualitativer oder quantitativer Hinsicht unterscheiden.200 Die herrschende Auffassung,201 die mit der quanFörster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 9 u. 11. Vgl. auch Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, § 25 Rn. 1. 195 BVerfGE 8, 197 – juris Rn. 38; 27, 18 – juris Rn. 30; Mitsch, in: KK-OWiG, Einl. Rn. 85; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 9 u. 11. 196 Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 6; Achenbach, ZIS 2012, 178, 180; Bohnert/Bülte, OWiR, § 2 Rn. 127. 197 Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 6; Mitsch, in: KK-OWiG, § 17 Rn. 8; Bohnert/Bülte, OWiR, § 2 Rn. 127; Achenbach, ZIS 2012, 178, 180; vgl. auch Gramse, BB 1984, 371, 378. 198 Vgl. auch Gürtler, in: Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 9; Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 7; Mitsch, in: KK-OWiG, § 17 Rn. 9; Bohnert/Bülte, OWiR, § 2 Rn. 128. 199 Zum Ganzen Sackreuther, in: BeckOK, OWiG, § 17 Rn. 2; Mitsch, in: KK-OWiG, § 17 Rn. 7. Vgl. auch BVerfGE 9, 167 – juris Rn. 19. 200 Für einen qualitativen Unterschied Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 558 ff.; Wolf, FG v. Frank, Band II, 1930, S. 516 ff.; Schmidt, FS Arndt, 1969, S. 415 ff.; ders., WiStrafR, S. 26 ff.; Lange, GA 1953, 3 ff.; ders., JZ 1956, 73, 77; Schmidt von Rhein, NStZ 1981, 380, 381; Mattes, Ordnungswidrigkeiten, Band 1, S. 5 ff.; Klesczewski, OWiR, S. 15 ff. Eine bloß quantitative Abstufung vertreten hinge-

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titativ-qualitativen Theorie eine Kombination aus beiden Aspekten vertritt, grenzt im Ergebnis die Bereiche zumindest auch anhand quantitativer Kriterien ab. Wenn man aber beide Bereiche auch mittels quantitativer Kriterien abgrenzt, wird deutlich, dass das Strafrecht „ein Mehr“ gegenüber dem Ordnungswidrigkeitenrecht darstellt. Vor diesem Hintergrund ist vom Einsatz des Strafrechts ein effektiverer Schutz der Allgemeinheit zu erwarten. Darüber hinaus lassen die bereits bestehenden Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 15 HWG und § 25 OWiG das Verhalten, das hier näher untersucht werden soll, unberücksichtigt. § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG i.V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Var. 4 HWG greift bereits dann ein, wenn eine schlichte Annahme von Zuwendungen vorliegt. Das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung, d.h. eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung, ist dem Tatbestand des § 7 HWG nicht immanent. Gerade die Unrechtsvereinbarung begründet aber die besondere Strafwürdigkeit von Korruption.202 Es macht einen Unterschied, ob ein Apotheker eine Zuwendung ohne „bösen Hintergedanken“ annimmt oder ob zwischen der Tathandlung und der heilberuflichen Entscheidung ein Zusammenhang dergestalt besteht, dass jedenfalls nach dem Vorstellungsbild des Täters ein „do ut des“-Verhältnis zwischen dem Vorteil und der von ihm zu erbringenden Handlung begründet ist.203 Ebenso setzt der Tatbestand des § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG i.V. m. § 10 ApoG keine Unrechtsvereinbarung voraus, sondern lediglich das Erbringen der auf einer nach § 10 ApoG unzulässigen Vereinbarung beruhenden Leistung – also die bevorzugte oder ausschließliche Arzneimittelabgabe eines bestimmten Herstellers – ist mit einem Bußgeld bedroht.

gen Schäfer, in: Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, StrafR, S. 454; Mayer, StrafR AT, § 11 II; Eisele, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, StrafR AT, § 3 Rn. 9; Welzel, JZ 1956, 238; 240 f.; Baumann, JZ 1972, 1, 3 dortige Fn. 28; Schoreit, GA 1967, 225, 231; dieser Auffassung wohl zuneigend Bohnert/Bülte, OWiR, § 1 Rn. 31 f. u. Rn. 36, die zudem feststellen, dass das Ordnungswidrigkeitenrecht bislang nur Bagatelldelinquenz gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit und nicht gegen Individualrechtsgüter erfasse. 201 BVerfGE 9, 167 – juris Rn. 19; 22, 49 – juris Rn. 113; 27, 18 – juris Rn. 30; 45, 272 – juris Rn. 35; 51, 60 – juris Rn. 61; 80, 182 – juris Rn. 7; Gürtler, in: Göhler, OWiG, vor § 1 Rn. 5; Förster, in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Band 1, vor § 1 Rn. 9; Sander, Umweltstraf- und OWiR, S. 17; Rosenkötter/Louis, Ordnungswidrigkeiten, S. 21 f.; Krey/Esser, StrafR AT, S. 9 f.; Maurach/Zipf, StrafR AT-1, § 1 III Rn. 35; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, vor § 38 Rn. 37; Roxin, StrafR AT, Band I, § 2 Rn. 131 ff.; Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 58 f.; wohl auch Lemke/Mosbacher, OWiG, Einl. Rn. 17; kritisch Mitsch, in: KK-OWiG, Einl. Rn. 109. 202 BT-Drs. 18/6446, S. 18; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 132. 203 Vgl. Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 133.

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g) Zwischenfazit Nach einer Betrachtung der bereits bestehenden Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des Strafrechts steht mit Blick auf das ultima-ratio Prinzip und dem damit eng verbundenen Erfordernis der Strafbedürftigkeit eines bestimmten Verhaltens fest: Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten in Bereich der geltenden Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie, des Berufs-, Approbations- und Ordnungswidrigkeitenrechts sind nicht in der Lage, die Notwendigkeit einer Strafnorm, die korruptive Verhaltensweisen des Apothekers im Zusammenhang mit Pharmamarketing erfassen würde, in Frage zu stellen. Denn das bereits vorhandene Instrumentarium an Maßnahmen außerhalb des Strafrechts genügt aufgrund der ihnen jeweils anhaftenden Schwächen nicht, um die Gemeinschaftsordnung vor korruptivem Verhalten von Apothekern und Pharmaherstellern bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln hinreichend zu schützen. Das in Rede stehende Verhalten des Apothekers ist daher im Ergebnis als strafbedürftig einzustufen, weshalb auch das ultima-ratio Prinzip dem Erlass eines neuen Straftatbestands, der korruptive Arzneimittelabgabepraktiken des Apothekers im bewussten Zusammenwirken mit der Pharmaindustrie pönalisieren würde, nicht entgegensteht.204 3. Unionsrechtlich determinierte Regelungspflicht Im nachfolgenden Abschnitt gilt es, die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm unter dem Gesichtspunkt einer unionsrechtlichen Regelungspflicht näher zu beleuchten. Diese Untersuchung erscheint vor dem Hintergrund der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden Pflicht des nationalen Gesetzgebers, in seinem innerstaatlichen Recht die Konsequenzen aus seiner Zugehörigkeit zur Europäischen Union zu ziehen, als geboten.205 Konkret bedeutet dies für den Gesetzgeber, das natio-

204 So im Ergebnis auch Fischer, medstra 2015, 1; ders., medstra 2015, 323; Braun, MedR 2013, 277 ff.; Kubiciel, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 4; ders., WiJ 2016, 1, 2 f.; ders., MedR 2016, 1, 2; ders., in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 69, 70; ders./Tsambikakis, medstra 2015, 11 f.; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 60; Badle, medstra 2015, 2, 3; ders., in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 27, 31; Gaede/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 145; Schröder, NZWiSt 2015, 321, 323 ff.; ders., in: JEK 9 (2016), S. 119, 139 f.; Großkopf/ Schanz, RDG 2016, 220, 221 ff.; Vasilikou/Grinblat, MPR 2016, 189, 190 f.; Duttge, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 15, 20 u. 27; Maas, NStZ 2015, 305, 308; Cosack, ZIS 2013, 226, 231 f.; Passarge, DStR 2016, 482, 487; Wigge, NZS 2015, 447, 448; Meseke, KrV 2015, 133, 138; Gädigk, medstra 2015, 268, 271; Herbertz, medstra 2016, 288; Bausback, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 33, 37; Dannecker, ZRP 2013, 37, 41; ders./Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 43, 52 f.; Rosenau/Lorenz/ Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 73; Brettel/Duttge/Schuhr, JZ 2015, 929, 930; Raum, in: JEK 9 (2016), S. 107, 115. 205 EuGH, Urt. v. 08.02.1973 – 30/72 – juris Rn. 11; Calliess/Kahl/Puttler, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 55.

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nale Recht so zu ändern, aufzuheben oder zu erlassen, dass die Vorgaben des EURechts ihre volle praktische Wirksamkeit (effet utile) entfalten können.206 Es soll daher untersucht werden, ob europarechtliche Vorgaben existieren, die die Einführung eines Straftatbestands zur Erfassung korruptiven Bezugs- oder Abgabeverhaltens des Apothekers notwendig machen. Als derartige europarechtliche Vorgabe kommt Art. 2 Abs. 1 lit. b des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI des Rates der Europäischen Union vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (im Folgenden: „Rahmenbeschluss“) in Betracht. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b des Rahmenbeschlusses trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass vorsätzliche Handlungen, bei denen jemand, der in einem Unternehmen im privaten Sektor in leitender oder sonstiger Stellung tätig ist, unmittelbar oder über einen Mittelsmann für sich oder einen Dritten einen unbilligenden Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, dass er unter Verletzung seiner Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt, Straftaten darstellen, wenn sie im Rahmen von Geschäftsvorgängen ausgeführt werden. Bevor indes aus Art. 2 Abs. 1 lit. b des Rahmenbeschlusses Rückschlüsse auf eine möglicherweise bestehende unionsrechtliche Regelungspflicht gezogen werden können, gilt es zunächst, eine Verständniskulisse dafür zu schaffen, was unter einem „Rahmenbeschluss“ zu verstehen ist und welche Rechtswirkungen von diesem ausgehen. a) Der Rahmenbeschluss der Europäischen Union Ein Rahmenbeschluss ist eine vormals in Art. 34 Abs. 2 lit. b EUV a. F. verortete Handlungsform der Europäischen Union im Bereich der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) zur Harmonisierung der nationalen Strafrechtssysteme, die mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam im Jahre 1999 eingeführt wurde.207 Bis zur Umgestaltung der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, glich die Struktur der Europäischen Union einem „Drei-Säulen-Konzept“208, welches auf Art. 1 Abs. 3 EUV a. F. gestützt wurde. Die erste Säule bildete das Recht der Europäischen Gemeinschaften („Gemeinschaftsrecht“). Die zweite und dritte Säule wurde als „Unionsrecht“ bezeichnet, wobei die zweite 206 Calliess/Kahl/Puttler, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 55; Härtel, Handbuch Föderalismus, Band IV, § 82 Rn. 217. Vgl. auch Lück, Gemeinschaftstreue, S. 25 ff. 207 Vgl. Schönberger, ZaöRV 2007, 1107 u. 1114; Pechstein/Koenig, Europäische Union, S. 135; Herdegen, Europarecht, S. 432; Satzger, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 34 EUV Rn. 9; Adam, EuZW 2005, 558, 559; Hecker, Europ. StrafR, S. 191 f.; Böse, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 34 EUV Rn. 6. 208 BVerfGE 89, 155 – juris Rn. 4; vgl. Streinz, Europarecht, S. 51; Herdegen, Europarecht, S. 61; Lorenzmeier, ZIS 2016, 576.

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Säule inhaltlich die Zusammenarbeit in den Bereichen der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (GASP) regelte.209 Die PJZS wurde der dritten Säule zugeschrieben,210 die wie die zweite Säule intergouvernemental ausgestaltet war.211 Das Ziel dieser dritten Säule bestand darin, die sich aus dem Wegfall der Grenzkontrollen ergebenden Gefahren durch eine erleichterte internationale Zusammenarbeit in Strafsachen zu kompensieren.212 Nach Art. 34 Abs. 2 Satz 2 EUV a. F. musste die Entscheidung über die Annahme eines Rahmenbeschlusses durch den Rat der Europäischen Union einstimmig erfolgen.213 Dieser bestand wie heute aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung seines Mitgliedstaats verbindlich zu handeln.214 Eine Zustimmung des Europäischen Parlaments war für die Annahme eines Rahmenbeschlusses nicht erforderlich. Dieses war lediglich anzuhören und zur Abgabe einer Stellungnahme befugt.215 Hinsichtlich des zu erreichenden Ziels waren Rahmenbeschlüsse für die Mitgliedstaaten verbindlich, überließen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.216 Eine unmittelbare Wirksamkeit ließ sich nach Art. 34 Abs. 2 lit. b Satz 3 EUV a. F. aus den Rahmenbeschlüssen nicht herleiten,217 sodass es zur Entfaltung ihrer unmittelbaren Wirksamkeit – ähnlich wie bei Richtlinien – einer Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedurfte.218 209

Vgl. BVerfGE 89, 155 – juris Rn. 4; Schroeder, EuR 2007, 349 f. Lorenzmeier/Rohde, Europarecht, S. 29 u. 93; Dannecker, Jura 2006, 95, 98; Schönberger, ZaöRV 2007, 1107, 1110; Herdegen, Europarecht, S. 49 u. 431. 211 BVerfGE 113, 273 – juris Rn. 73; Lorenzmeier, ZIS 2016, 576; Schroeder, EuR 2007, 349, 350; Streinz, Europarecht, S. 52; Schönberger, ZaöRV 2007, 1107, 1110; Satzger, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 29 EUV Rn. 4, Art. 34 EUV Rn. 9; Adam, EuZW 2005, 558, 559; Vogel, GA 2003, 314, 320; Herdegen, Europarecht, S. 66; Böse, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 34 EUV Rn. 6; vgl. auch Hecker, Europ. StrafR, S. 191. A. A. v. Bogdandy, EuR Beih. 2/1998, S. 171. 212 Vgl. BVerfGE 113, 273 – juris Rn. 73; Lorenzmeier/Rohde, Europarecht, S. 92; Lorenzmeier, ZIS 2016, 576; Schönberger, ZaöRV 2007, 1107, 1110. 213 BVerfGE 113, 273 – juris Rn. 81; Schönberger, ZaöRV 2007, 1107, 1114; Morgenstern, Untersuchungshaft, S. 309; Schroeder, EuR 2007, 349, 350; Dannecker, Jura 2006, 95, 99; Hecker, Europ. StrafR, S. 192; Vogel, GA 2003, 314, 321. 214 Vgl. Art. 203 Abs. 1 EGV a. F.; Art. 16 Abs. 2 EUV n. F. 215 Vgl. Art. 39 Abs. 1 EUV a. F.; Morgenstern, Untersuchungshaft, S. 309; Satzger, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 34 EUV Rn. 9; Schönberger, ZaöRV 2007, 1107, 1135; Vogel, GA 2003, 314, 321. 216 Vgl. Art. 34 Abs. 2 lit. b Satz 2 EUV a. F.; Herdegen, Europarecht, S. 432; Satzger, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 34 EUV Rn. 9 217 Vgl. Dannecker, Jura 2006, 95, 99; Lorenzmeier/Rohde, Europarecht, S. 95; Morgenstern, Untersuchungshaft, S. 309; Pechstein/Koenig, Europäische Union, S. 135; Satzger, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 34 EUV Rn. 9; Herdegen, Europarecht, S. 433; Vogel, GA 2003, 314, 322; Lorenzmeier, ZIS 2006, 576, 577; Böse, in: Schwarze, EUKommentar, Art. 34 EUV Rn. 6. 218 Morgenstern, Untersuchungshaft, S. 308; Herdegen, Europarecht, S. 61. Vgl. auch BVerfGE 113, 273 – juris Rn. 81. 210

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§ 2 Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die dritte Säule der PJZS in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) überführt.219 Die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ist seither in Art. 82 ff. AEUV und die polizeiliche Zusammenarbeit in Art. 87 ff. AEUV geregelt. Rahmenbeschlüsse, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon durch den Rat der Europäischen Union angenommen wurden, behielten indes ihre Gültigkeit220 und enthalten für den nationalen Gesetzgeber nach wie vor eine verbindliche Handlungspflicht zur Umsetzung. Die bis Ende 2009 angenommenen Rahmenbeschlüsse wurden nach Ablauf einer Übergangzeit von fünf Jahren sogar insofern aufgewertet, als die Kommission bei einer unterbliebenen Umsetzung seit dem 1. Dezember 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einleiten und gegebenenfalls auch den Europäischen Gerichtshof anrufen kann221, was zuvor nicht möglich war.222 b) Bewertung Nachdem die Verbindlichkeit des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung von Bestechung im privaten Sektor feststeht, bleibt nunmehr die Frage zu klären, ob hieraus eine Handlungspflicht des nationalen Gesetzgebers zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes, der korruptiv beeinflusstes Bezugs- oder Abgabeverhalten des Apothekers unter Strafe stellen würde, resultiert. Hierzu gilt es zunächst, den Wortlaut der Norm näher zu betrachten. Art. 2 Abs. 1 lit. b des Rahmenbeschlusses spricht von „Handlungen, bei denen jemand, der in einem Unternehmen im privaten Sektor in leitender oder sonstiger Stellung tätig ist“. Zwar unterfallen Apotheken dabei ohne jeden Zweifel der Begrifflichkeit „Unternehmen im privaten Sektor“, jedoch sind allein Personen, die für ihren Geschäftsherren als (leitende) Angestellte tätig werden, im legislativen Blickfeld des Rahmenbeschlusses. Nicht erfasst, ist hingegen das pflichtwidrige Agieren von Geschäftsherren selbst.223 Eine Regelungspflicht hinsichtlich des Apothekers, der als Angehöriger eines freien 219

Frenz, Europarecht, S. 378 f. Vgl. Art. 9 des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen; Morgenstern, Untersuchungshaft, S. 309; Gaede, NZWiSt 2014, 281, 284; Hoven, NStZ 2015, 553, 556; Kubiciel, KPKp 4/2014, S. 11; Ambos/Poschadel, in: Ambos/König/Rackow, Rechtshilferecht, 1. Hauptteil, 3. Teil, 1. Abschnitt Rn. 31; Satzger, Intern. StrafR, § 10 Rn. 27. 221 Vgl. Art. 10 Abs. 1 und 3 des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen; Morgenstern, Untersuchungshaft, S. 309; Frenz, Europarecht, S. 378; Gaede, NZWiSt 2014, 281, 283; Satzger, Intern. StrafR, § 10 Rn. 27. 222 BVerfGE 113, 273 – juris Rn. 81; Schönberger, ZaöRV 2007, 1107, 1116. Vgl. auch Vogel, GA 2003, 314, 322. 223 So auch Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 30. Vgl. auch Gaede/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 153; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 67. 220

II. Notwendigkeit einer strafrechtlichen Norm

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Berufes in aller Regel als Geschäftsherr im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt, lässt sich daher aus dem Wortlaut des Art. 2. Abs. 1 lit. b des Rahmenbeschlusses nicht herleiten. Überdies geht die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 18. März 2015, selbst davon aus, mit der Ergänzung des § 299 StGB um das sog. Geschäftsherrenmodell, den Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor vom 22. Juli 2003 vollständig umgesetzt zu haben.224 Im Ergebnis folgt aus Art. 2 Abs. 1 lit. b des Rahmenbeschlusses kein Erfordernis für den nationalen Gesetzgeber, einen Straftatbestand zu schaffen, der das korruptive Verhalten eines Apothekers als Geschäftsherr pönalisiert. Wer nun aber diesen Befund für die Behauptung nutzt, es bestünde kein Bedürfnis dafür, eine Strafnorm zu schaffen, die das Verhalten von Apothekern sanktioniert, der irrt. Dem Gesetzgeber steht – außerhalb der unionsrechtlichen Vorgaben – immer noch ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung zu, welches Verhalten als strafwürdig anzusehen ist. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt die dem Gesetzgeber eingeräumte Kompetenz, Strafnormen zu erlassen, einer sehr weiten Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative, die nur in seltenen Fällen als überschritten angesehen werden kann.225 4. Fazit Die Ausführungen unter § 2 der Arbeit dienten zunächst dazu, eine Verständniskulisse dafür zu schaffen, weshalb es angezeigt ist, mit Hilfe einer strafrechtlichen Regelung korruptiven Praktiken des Apothekers entgegenzutreten. Hierzu wurde herausgearbeitet, dass Apotheken im Jahr 2018 mit Arzneimitteln einen Umsatz von 45,87 Mrd. Euro erzielten. Da nach § 1 ApoG ausschließlich dem Apotheker die Aufgabe zukommt, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen, liegt es für Pharmaunternehmen nahe, an diesen heranzutreten, um die Umsatzverteilung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Weder sind die bereits bestehenden Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie noch die berufsrechtlichen und approbationsrechtlichen Vorschriften in der Lage, die Notwendigkeit einer Strafnorm in Frage zu stellen: Zwar muss sich jedes Strafgesetz an dem ultima-ratio Grundsatz messen lassen, wonach Strafrecht wegen seiner Schwere des Eingriffs in das Leben des Einzelnen als staatliche Reaktion auf unerwünschtes und sozialschädliches Verhalten nur als letztes Mittel ein224 Vgl. BT-Drs. 18/4350, S. 12; Gaede, NZWiSt 2014, 281, 282; ders., in: Leitner/ Rosenau, WSS, § 299 Rn. 16; Hoven, NStZ 2015, 553 u. 555; Dann, NJW 2016, 203; Dannecker/Schröder, ZRP 2015, 48; Kubiciel, KPKp 4/2104, S. 4. 225 Vgl. BVerfGE 90, 145 – juris Rn. 122; 120, 224 – juris Rn. 36; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 53; Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 138, vgl. auch Appel, Verfassung, S. 171 ff.; Gärditz, JZ 2016, 641, 643.

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§ 2 Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung

gesetzt werden darf. Ferner muss ein bestimmtes Verhalten vom Gesetzgeber als strafwürdig und strafbedürftig eingestuft werden, um darauf mit dem Mittel des Strafrechts zu reagieren. Die bereits vorhandenen, außerhalb des Strafrechts stehenden, Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um die Gemeinschaftsordnung vor korruptivem Verhalten des Apothekers im Zusammenhang mit dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln hinreichend zu schützen, da ihnen einerseits verschiedene Schwächen anhaften und andererseits die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten allesamt nur eine generalpräventive Zweckbestimmung verfolgen. Im Ergebnis ist daher die Strafbedürftigkeit zu bejahen. Auch die bereits vorhandenen Ordnungswidrigkeitentatbestände in § 15 Abs. 1 Nr. 4a HWG und § 25 Abs. 1 Nr. 2 ApoG lassen die Notwendigkeit der Einführung eines Straftatbestands nicht entfallen. Die mit der Verwirklichung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes einhergehende Möglichkeit zur Verhängung einer Geldbuße reicht ebenfalls nicht aus, um der Allgemeinheit einen hinreichenden Schutz gegen korruptiv beeinflusste Arzneimittelabgabeentscheidungen des Apothekers zu bieten, da die Geldbuße eine andere Stoßrichtung als die Kriminalstrafe verfolgt. Zwar kommt der Geldbuße durchaus auch eine repressive Funktion zu. Es fehlt ihr allerdings als ausdrückliche Pflichtenmahnung der Ernst des staatlichen Strafens. Für den Betroffenen soll lediglich spürbar gemacht werden, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat, ohne dass hiermit – wie bei der Kriminalstrafe – ein sozialethisches Unwerturteil verbunden wäre. Vor diesem Hintergrund ist weiterhin von einer Strafbedürftigkeit des in Rede stehenden Verhaltens auszugehen. Im Ergebnis ist damit zu konstatieren, dass der Gesetzgeber korruptiven Verhaltensweisen des Apothekers mit dem Mittel des Strafrechts begegnen darf. Einen solchen Versuch hat der Gesetzgeber mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Gestalt der §§ 299a, 299b StGB unternommen. Der nachfolgende Abschnitt dient dazu, die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB im Zusammenhang mit Pharmamarketing näher zu beleuchten.

§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB I. Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand § 299a StGB pönalisiert die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen: Wer als Angehöriger eines Heilberufs im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung für seine Verordnungs- oder Bezugsentscheidung oder für die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, macht sich strafbar. Dabei muss hinzukommen, dass der Täter einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Zu dem potentiellen Täterkreis des § 299a StGB zählt somit auch der Apotheker als Angehöriger eines akademischen Heilberufs, dessen Ausbildung staatlich geregelt wird.226 Da der Apotheker bei seiner Entscheidung, welche Arzneimittel er an den Patienten abgibt, eine Schlüsselstellung im Gesundheitswesen einnimmt,227 macht ihn dies auch besonders attraktiv für Handlungen die darauf abzielen, seine Entscheidung in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen. Diese Schlüsselstellung beruht auf der in § 43 AMG festgeschriebenen Apothekenpflicht: Danach dürfen Arzneimittel grundsätzlich nur durch einen Apotheker in den Verkehr gebracht werden.228 Bei dem Entscheidungsfindungsprozess, welche Arzneimittel an den Patienten abgegeben werden, spielt der Apotheker also eine herausragende Rolle. Der wirtschaftliche Erfolg der Pharmaunternehmen hängt daher auch ganz maßgeblich von der Abgabeentscheidung des Apothekers ab. Zwar variieren die Entscheidungsspielräume des Apothekers danach, ob es sich gemäß § 48 AMG um verschreibungspflichtige Arzneimittel oder um verschreibungs- bzw. rezeptfreie Arzneimittel des sog. „OTC-Bereichs“229 handelt. Zudem ist bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zwischen der Auswahlkompetenz bei privat und gesetzlich versicherten Patienten zu unterscheiden. Soweit es sich aber um den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, besteht ein deutlich engerer Entscheidungskorridor des Apothekers bei

226

Vgl. § 5 BApO i.V. m. der Approbationsordnung für Apotheker. Vgl. auch Fischer, Stellungnahme MEZIS zum Regierungsentwurf, S. 2. 228 Zu den Ausnahmen siehe § 43 AMG. 229 OTC steht für „Over-The-Counter“ und meint die verschreibungsfrei „über die Ladentheke“ abgebbaren Arzneimittel, vgl. Geiger, medstra 2016, 9, 14 dortige Fn. 57. 227

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB

seiner Abgabeentscheidung.230 Trotz gewisser Unterschiede im Einzelfall bleibt festzuhalten, dass in sämtlichen Bereichen Entscheidungsspielräume für den Apotheker – wie in § 4 der Arbeit noch näher darzulegen sein wird – bestehen. Die Pharmaindustrie ist für den Absatz ihrer Produkte von dem Votum des Apothekers abhängig. Hieraus resultiert ein Interesse der Pharmaunternehmen, die Abgabeentscheidung des Apothekers in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gerade im sensiblen Bereich des Gesundheitswesens hat jedoch der Patient ein besonderes Interesse daran, dass die Abgabeentscheidung des Apothekers nicht von sachfremden Motiven geleitet wird. Vor diesem Hintergrund soll das nachfolgende Kapitel dazu dienen, die Strafbarkeit des Apothekers nach dem neu eingeführten § 299a StGB näher zu beleuchten. Insbesondere soll untersucht werden, ob sich die Intention des Gesetzgebers, mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen Strafbarkeitslücken zu schließen, insoweit, d.h. mit Blick auf den Apotheker, tatsächlich verwirklicht hat.

II. Untersuchung des § 299a StGB Um die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB beurteilen zu können, beschäftigt sich die Arbeit in diesem Abschnitt zuerst mit der Entstehungsgeschichte der Norm (1.), bevor anschließend der Anwendungsbereich des § 299a StGB (2.) näher beleuchtet und ausgelegt werden soll. Wie zu zeigen sein wird, lassen sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm entscheidende Hinweise für die Auslegung der Vorschrift im Hinblick auf den Apotheker ableiten. 1. Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens a) Bedeutung des Gesetzgebungsverfahrens für die Auslegung des § 299a StGB Zunächst ist die Frage zu klären, welche Bedeutung dem Gesetzgebungsverfahren für die spätere Auslegung der Norm überhaupt zukommt. Hierfür ist ein Exkurs in die juristische Methodenlehre unerlässlich. Nur auf Basis einer dogmatischen Grundsteinlegung lässt sich die Bedeutung des Gesetzgebungsverfahrens für die aufgeworfene Untersuchungsfrage beurteilen. Bei der Auslegung von Gesetzen ist stets das Ziel, die Bedeutung der Gesetzesbegriffe zu erforschen.231 Um dieses Ziel zu erreichen, stehen dem Rechtsanwender vier Auslegungskriterien zur Verfügung: Der Wortlaut der Norm 230

Näheres hierzu Geiger, medstra 2016, 9, 14 und unter § 4 I. Wank, Auslegung, S. 29; Vogel, Juristische Methodik, S. 112. Vgl. auch Walz, ZJS 2010, 482, 483. 231

II. Untersuchung des § 299a StGB

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(grammatische Auslegung), die Systematik (systematische Auslegung), die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) und der Zweck der jeweiligen Vorschrift (teleologische Auslegung). Diese vier Auslegungskriterien gehen bereits auf die Vorarbeiten im Jahre 1840 von Carl Friedrich von Savigny zurück232 und werden nach wie vor in der heutigen Zeit sowohl im Schrifttum233 als auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts234 zur Gesetzesauslegung herangezogen. Im Rahmen der historischen Auslegung wird ein besonderes Augenmerk auf die Entstehungsgeschichte der Norm gelegt. Ziel ist es, anhand des Gesetzgebungsverfahrens und der Gesetzesmaterialien den Willen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln.235 Gemeint ist damit nicht der Wille einer kleinen, an der Gesetzgebung beteiligten, Personengruppe. Vielmehr soll der aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte erkennbare historische Regelungszweck herausgearbeitet werden.236 Über den Stellenwert der historischen Auslegung und damit über die Verbindlichkeit des auf diese Weise gefundenen Willens des Gesetzgebers herrscht jedoch Uneinigkeit. Die Anhänger der sog. subjektiven Theorie237 legen ein entscheidendes Gewicht auf den historischen Willen des Gesetzgebers und sehen sich an diesen gebunden. Nach der sog. objektiven Theorie238 besteht

232

Vgl. v. Savigny, Römisches Recht, Band I, S. 212 ff. Wienbracke, Methodenlehre, S. 48; Zippelius, Methodenlehre, S. 35 ff.; Wank, Auslegung, S. 41; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 183; Hassemer, ZRP 2007, 213, 215; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 43; Walter, ZIS 2016, 746, 747; vgl. auch Schwintowski, Methodenlehre, S. 65; Möllers, Methodenlehre, S. 114. A. A. Bydlinski, Methodenlehre, S. 437; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 447 ff., wonach es sich bei der teleologischen Auslegung nicht um ein Auslegungskriterium handele. Vielmehr stelle die Ermittlung des Normzwecks das Ziel der Auslegung dar. Ähnlich auch Walz, ZJS 2010, 482, 488. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141 ff. weisen darauf hin, dass sich die von ihnen vorgeschlagenen Auslegungskriterien keineswegs mit denen von v. Savigny vorgeschlagenen vier Elementen der Auslegung decken, sondern weit über diese hinausgingen. 234 BVerfGE 11, 126 – juris Rn. 17; 69, 1 – juris Rn. 120; 93, 37 – juris Rn. 168. 235 Wienbracke, Methodenlehre, S. 67; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 486; vgl. auch Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 620. 236 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 490. 237 v. Savigny, Römisches Recht, Band I, S. 213; Regelsberger, Pandekten, Band I, S. 143; Bierling, Prinzipienlehre, Band IV, S. 230 f.; Stammler, Rechtsphilosophie, § 129; Beling, FG Heck u. a., 1931, S. 1, 12; Petraschek, Rechtsphilosophie, § 30; Nawiasky, Rechtslehre, S. 126 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 493 ff.; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 356 ff.; Wank, Grenzen, S. 59 ff.; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 188 u. 190; Looschelders/Roth, Methodik, S. 29 ff. u. 226; vgl. auch Pawlowski, Methodenlehre, S. 84 ff. Nach Heck, AcP 112 (1914), 1, 20 wird der Richter im Rahmen der subjektiven Auslegung zu einem denkenden Gehilfen des Gesetzgebers. 238 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 206 ff.; Engisch, Einführung, S. 161 ff.; Ryffel, Rechts- und Staatsphilosophie, S. 387; Schenke, AöR 103 (1978), 566, 580; Bydlinski, Methodenlehre, S. 428 ff.; so auch die ständige Rechtsprechung des BVerfG seit 233

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB

das Ziel der Auslegung nicht darin, den gesetzgeberischen Willen zu ergründen, sondern vielmehr den „Willen des Gesetzes“ zu erforschen.239 Nach den Anhängern der objektiven Theorie löse sich das Gesetz mit der Publikation vom Gesetzgeber und sei von nun an selbständig, sodass dem Willen des Gesetzgebers kein entscheidendes Gewicht beizumessen sei.240 Da sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse mit der Zeit in einem Wandel befinden, könnten Gesetze nicht kontinuierlich in ihrer ursprünglichen Bedeutung weitergelten.241 Dem Willen des Gesetzgebers komme für die Auslegung einer Norm nur in jenem Fall Bedeutung zu, in dem der gesetzgeberische Wille das Ergebnis einer nach Wortlaut und Sinn und Zweck ermittelten Auslegung bestätige oder Zweifel behebe.242 Diese vorstehend skizzierte Diskussion ist vorliegend jedoch nicht von Relevanz, da es sich bei § 299a StGB um ein noch junges Gesetz handelt.243 Die Frage, in welcher Weise ein Gesetz an sich wandelnde Verhältnisse angepasst werden muss und inwieweit in diesem Fall dem Willen des historischen Gesetzgebers Bedeutung beizumessen ist, stellt sich daher nicht. Bei einem nahezu taufrischen Gesetz besteht noch kein großer zeitlicher Abstand zu dessen Entstehungszeitpunkt. Ein Wandel der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist bei einem jungen Gesetz noch nicht eingetreten, sodass für die Auslegung der Wille des Gesetzgebers maßgeblich sein muss. Im Einklang hierzu führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11. Juni 1980 aus: „Bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen kommt den anhand des Gesetzgebungsverfahrens deutlich werdenden Regelungsabsichten des Gesetzgebers erhebliches Gewicht bei der Auslegung zu, sofern Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offenlassen. Über die erkennbare Regelungsabsicht darf die Auslegung in solcher Lage nicht hinweggehen. Dies gilt allerdings nur für die

BVerfGE 1, 299 – juris Rn. 56; 10, 234 – juris Rn. 40; 11, 126 – juris Rn. 16 ff.; 34, 269 – juris Rn. 41; kritisch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 501 ff.; differenzierend Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 137 ff.; Vogel, Juristische Methodik, S. 129 dortige Fn. 66; Loos, FS Wassermann, 1985, S. 123 ff.; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 630 f., die die Ansicht vertreten, dass die subjektive Theorie nicht immer zu einem Ergebnis führe, andererseits sich die Gerichte mit der objektiven Theorie „von Dienern zu Herren des Gesetzes“ aufgeschwungen haben. 239 Kritisch hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 444, die die Ansicht vertreten, bei der Rechtsanwendung könnten nur zwei Regelungswillen verwirklicht werden, entweder derjenige des Gesetzgebers oder derjenige des Rechtsanwenders. Einen Willen des Gesetzes und damit einen „dritten“ Willen gebe es hingegen nicht. So auch Walz, ZJS 2010, 482, 485. 240 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 493 f. 241 BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 41; vgl. Wank, Auslegung, S. 33; ders., Grenzen, S. 65. 242 BVerfGE 1, 299 – juris Rn. 56; 11, 126 – juris Rn. 19. 243 Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist erst am 4. Juni 2016 in Kraft getreten, BGBl. 2016 I, S. 1254 ff.

II. Untersuchung des § 299a StGB

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in dieser Regelung erkennbar ausgeprägten und in ihr angelegten Grundentscheidungen, Wertsetzungen und Regelungszwecke.“ 244 Aus diesem Grund soll die Diskussion um die objektive und subjektive Theorie an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Vielmehr bleibt festzuhalten, dass für junge Gesetze allein der subjektiven Theorie zu folgen ist.245 Im Rahmen der Auslegung junger Gesetze kommt dem Willen des Gesetzgebers daher eine herausragende Bedeutung zu.246 Mit anderen Worten: Der Wille des Gesetzgebers ist für den Rechtsanwender bindend.247 Im Folgenden sollen aus diesem Grund die einzelnen Etappen des Gesetzgebungsverfahrens untersucht werden, um auf diese Weise den gesetzgeberischen Willen für die spätere Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 299a StGB herausarbeiten zu können. b) Einzelne Etappen des Gesetzgebungsverfahrens § 299a StGB in seiner heutigen Fassung blickt auf ein bewegtes Gesetzgebungsverfahren zurück,248 in dem die Norm vielfache Änderungen erlebt hat. Nachfolgend sollen allerdings allein die Änderungen näher beleuchtet werden, die für die Arbeit Relevanz besitzen. aa) Gesetzesantrag des Freistaates Bayern (BayE) Am 15. Januar 2015 legte der Freistaat Bayern dem Bundesrat einen Gesetzesantrag249 vor. Dieser Antrag nahm einen der Diskontinuität anheimgefallenen Regelungsvorschlag des Bundesrates aus dem Jahr 2013250 auf und entwickelte ihn weiter. Der Antrag des Freistaates Bayern enthielt einen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen und hatte nachfolgenden Wortlaut: 244

BVerfGE 54, 277 – juris Rn. 60. Wank, Auslegung, S. 35; ders., Grenzen, S. 66; Walz, ZJS 2010, 482, 486. Vgl. auch BGHZ 124, 147 – juris Rn. 12; Bydlinski, Methodenlehre, S. 453; Möllers, Methodenlehre, S. 447; Rahlf, in: v. Savigny, Dogmatik, S. 27, 35; Kramer, Methodenlehre, S. 142. 246 Vgl. hierzu auch BVerfGE 1, 117 – juris Rn. 26; BGHZ 124, 149 – juris Rn. 12; Walter, ZIS 2016, 746, 747; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 190; Walz, ZJS 2010, 482, 486 u. 487; Schmalz, Methodenlehre, S. 95; Tettinger/Mann, Juristische Arbeitstechnik, S. 41 u. 143; Pawlowski, Methodenlehre, S. 86. 247 Vgl. Wank, Grenzen, S. 65; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 190; Walz, ZJS 2010, 482, 486 u. 487. 248 Dann/Scholz, NJW 2016, 2077; vgl. auch Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2016 Anm. 1, S. 1. 249 BR-Drs. 16/15. 250 Siehe BR-Drs. 451/13. 245

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB § 299a StGB-BayE Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, für den im gesamten Inland berufsständische Kammern eingerichtet sind, im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung, der Verabreichung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder 2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung, der Verabreichung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder 2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze.

Der Gesetzentwurf des Freistaates Bayern beabsichtigte demnach die Bestechlichkeit und die Bestechung im Gesundheitswesen innerhalb eines Straftatbestands als abstraktes Gefährdungsdelikt251 zu regeln.252 Der Tatbestand sollte als neuer § 299a im Anschluss an § 299 StGB in den 26. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs – unter der Überschrift „Straftaten gegen den Wettbewerb“ – eingefügt werden.253 Die Strafbarkeit des Bestochenen (Passiv- oder Nehmerseite) fand in § 299a Abs. 1 StGB-BayE ihren Niederschlag. § 299a Abs. 2 StGB-BayE stellte hingegen die aktive Bestechung (Geberseite) unter Strafe und pönalisierte damit das Verhalten des Bestechers. (1) Täterkreis Der Täterkreis sollte nach dem Bayerischen Entwurf auf Angehörige von Heilberufen beschränkt werden, für die im gesamten Inland berufsständische Kam251 Abstraktes Gefährdungsdelikt bedeutet in diesem konkreten Fall, dass die Bevorzugung nicht tatsächlich eintreten muss. Ausreichend ist vielmehr, dass sie Gegenstand der (zumindest angestrebten) Unrechtsvereinbarung ist (BT-Drs. 18/6446, S. 21; Rönnau/Wegner, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, WiStrafR, 3. Teil, 3. Kapitel, B., I. Rn. 28; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 136; Wissing/Cierniak, NZWiSt 2016, 41, 45; Ellbogen, ArztR 2015, 173, 174 f.). 252 BR-Drs. 16/15, S. 16. 253 BR-Drs. 16/15, S. 16.

II. Untersuchung des § 299a StGB

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mern eingerichtet sind. Es sollten somit nur Angehörige der sog. akademischen Heilberufe – namentlich Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – erfasst werden. Begründet wurde diese Beschränkung mit einer zentralen Lenkungs- und Verteilungsfunktion auf dem Gesundheitsmarkt, die gerade den akademischen Heilberufen zukomme.254 Insbesondere bei ärztlichen Heilberufen gelte dies im Hinblick auf Fragen der medizinischen Behandlung. Bei Apothekern resultiere diese hervorgehobene Stellung auf dem Gesundheitsmarkt daraus, dass ihnen nach § 1 ApoG die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung obliege.255 Demgegenüber komme den von § 299a Abs. 1 StGB-BayE nicht erfassten sog. Gesundheitsfachberufen, wie beispielsweise Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, keine solche zentrale Lenkungs- und Verteilungsfunktion zu. Vielmehr seien diese Berufsgruppen faktisch überwiegend von ärztlichen Verordnungen, Zuweisungen und Empfehlungen abhängig. Sie gerieten daher eher in ihrer Funktion als Vorteilsgeber ins Visier der Strafverfolgungsbehörden, weshalb sie vom Täterkreis des § 299a Abs. 1 StGB-BayE nicht erfasst sein sollten.256 Als Vorteilsgeber fielen sie ohnehin unter die Bestechungsvariante des § 299a Abs. 2 StGB-BayE. (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung Hinsichtlich der möglichen Handlungsvarianten des § 299a Abs. 1 StGBBayE, die insbesondere für den Apotheker von Relevanz sind, erfasste der Tatbestand des Bayerischen Gesetzentwurfs zum einen die heilberufliche Bezugsentscheidung und zum anderen die heilberufliche Abgabeentscheidung. Demnach machte sich strafbar, wer als Angehöriger eines Heilberufs, für den im gesamten Inland berufsständische Kammern eingerichtet sind, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt oder in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletzt. Nach Maßgabe der Begründung des Gesetzentwurfs meint „Bezug“ jedes Geschäft, das auf die Erlangung der Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder Medizinprodukte gerichtet ist.257 Unter den Begriff der „Abgabe“ fiel jede Form der Übergabe an den Patienten.258 Von Relevanz sind diese zwei Handlungsvarianten 254 255 256 257 258

BR-Drs. 16/15, S. 17. Vgl. BR-Drs. 16/15, S. 17. Vgl. BR-Drs. 16/15, S. 17. BR-Drs. 16/15, S. 20. BR-Drs. 16/15, S. 20.

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB

für den Apotheker gerade deshalb, da dieser zunächst die Arzneimittel von den Pharmaherstellern bezieht und anschließend im Rahmen der Ausübung seiner pharmazeutischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Nr. 5, 6 BApO, § 1a Abs. 3 Nr. 3 ApoBetrO diese Arzneimittel an den Patienten abgibt. (3) Sog. Berufsrechtsmodell Ferner forderte der Tatbestand des § 299a Abs. 1 StGB-BayE als weiteres Tatbestandsmerkmal eine sog. Unrechtsvereinbarung. Eine solche ist wesenhaft für Korruptionsdelikte259 und setzt bei § 299a Abs. 1 StGB-BayE eine inhaltliche Verknüpfung zwischen dem Vorteil und der Gegenleistung voraus. Der Heilberufsangehörige muss demnach den Vorteil für den Bezug, die Verordnung, die Verabreichung oder die Abgabe von Mitteln oder Produkten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb (sog. „Wettbewerbsmodell“) oder als Gegenleistung für eine Verletzung von Berufsausübungspflichten (sog. „Berufsrechtsmodell“) fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Durch die Aufnahme des Berufsrechtsmodells in den Tatbestand sollte der beabsichtigte doppelte Rechtsgüterschutz zum Ausdruck gebracht werden. Bezweckt waren der Schutz des fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen und der Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen.260 Nach dem Berufsrechtsmodell erfüllte derjenige den Tatbestand, der „in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten“ verletzte. In der Begründung des Gesetzentwurfs hieß es hierzu: „Die Berufspflichten ergeben sich namentlich aus den für den jeweiligen Heilberuf geltenden spezialgesetzlichen Regelungen (Bundesärzteordnung, Bundes-Tierärzteordnung, Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde, Gesetz über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apothekengesetz sowie jeweils auf diesen Grundlagen erlassener Regelungen), den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder und den darauf gestützten Berufsordnungen sowie den Regelungen des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs.“261 Trotz dieser Aufzählung blieb rätselhaft, ob hiermit jeder berufsrechtliche Verstoß vom Tatbestand des § 299a StGB-BayE erfasst sein sollte oder lediglich solche Verstöße gegen Berufsausübungspflichten unter Strafe gestellt werden sollten, die im Zusammenhang mit der heilberuflichen Entscheidung stehen.262

259 Vgl. BGHSt, 39, 45 – juris Rn. 6; BR-Drs. 16/15, S. 19; Geade/Lindemann/ Tsambikakis, medstra 2015, 142, 143 u. 149; Brettel/Mand, A&R 2016, 99, 104; Dann/ Scholz, NJW 2016, 2077, 2078; Passarge, DStR 2016, 482, 486; siehe auch Luczak, BTPlenarprotokoll, 137. Sitzung, 13.11.2015, S. 13479, 13480. 260 BR-Drs. 16/15, S. 16. 261 BR-Drs. 16/15, S. 21. 262 Vgl. auch Kubiciel/Tsambikakis, medstra 2015, 11, 14.

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bb) Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (RefE) Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz263 vom 4. Februar 2015 orientierte sich ebenfalls an einem der Diskontinuität anheimgefallenen Regelungsentwurf.264 Wie der Gesetzentwurf des Freistaates Bayern sah auch der Referentenentwurf vom 4. Februar 2015 vor, die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen als abstraktes Gefährdungsdelikt265 in einem Straftatbestand im 26. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (Straftaten gegen den Wettbewerb)266 zu regeln: § 299a StGB-RefE Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder 2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfs263 https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/Geset zesmaterialien/18_wp/Korruption_Gesundheitswesen/refe.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 264 Siehe BT-Drs. 17/14575. 265 BMJV-Referentenentwurf, S. 20. 266 BMJV-Referentenentwurf, S. 15. Dem zustimmend Kubiciel, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 15, der konstatiert, Angehörige von Heilberufen repräsentierten anders als Amtsträger nicht den Staat und hätten somit keine mit Amtsträgern vergleichbaren generellen Loyalitäts- und Integritätspflichten, vgl. hierzu auch Duttge, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 3, 9; Grinblat, MPJ 2016, 3, 5. A. A. Brettel/ Duttge/Schuhr, JZ 2015, 929, 934 f., die sich für eine Regelung im 30. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (Straftaten im Amt) aussprechen und u. a. auf § 352 StGB verweisen, der auch Nichtamtsträger erfasst, vgl. hierzu auch Dannecker, ZRP 2013, 37,41 f. Nach Kubiciel, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 15 dortige Fn. 58, sei dies jedoch nur eine „punktuelle Ausnahme“, aber keine „tragfähige Grundlage“ für weitere Straftatbestände im 30. Abschnitt des Strafgesetzbuches, die Nichtamtsträger erfassten.

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB mitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder 2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze.

(1) Täterkreis Hinsichtlich des potentiellen Täterkreises des § 299a Abs. 1 StGB-RefE sah der Referentenentwurf im Vergleich zum Gesetzentwurf des Freistaates Bayern267 eine Änderung vor. Der Täterkreis sollte sich an § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) orientieren und sich auch auf die sog. Gesundheitsfachberufe, wie beispielsweise Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, erstrecken.268 Eine Begrenzung des Täterkreises auf Angehörige akademischer Heilberufe sollte nicht erfolgen. Zwar seien nicht-akademische Heilberufsgruppen nicht in demselben Maße wie Ärzte und Apotheker in die Ausgabenverteilung im Gesundheitswesen eingebunden. Sie hätten insbesondere für andere Leistungserbringer nicht dieselbe wirtschaftliche Bedeutung wie diese. Das generelle Risiko unlauterer Einflussnahme auf Entscheidungen nicht-akademischer Heilberufsgruppen dürfte daher etwas weniger schwer wiegen. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass korruptive Einflussnahmen auf Angehörige nicht-akademischer Heilberufe und korruptiv beeinflusste Verhaltensweisen im Bereich der nicht-ärztlichen Gesundheitsversorgung weniger strafwürdig seien. Vielmehr seien die von nichtakademischen Heilberufsgruppen erbrachten Leistungen für die Patienten und damit für die Gesundheitsversorgung insgesamt in gleicher Weise wichtig und notwendig. Es sei daher auch für diese Leistungen mit den Mitteln des Strafrechts sicherzustellen, dass sie frei von unzulässiger Einflussnahme erbracht würden.269 Mit Blick auf § 63 Abs. 3c SGB V gelte dies umso mehr für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. In § 63 Abs. 3c SGB V ist – unter gewissen Voraussetzungen – die Übertragung bestimmter ärztlicher Aufgaben auf nicht-ärztliche Heilberufsgruppen vorgesehen,270 sodass auch ihre wirtschaftliche Bedeutung für andere Leistungserbringer steige.271 Mit einer Ausklammerung dieser Heilberufsgruppen entstünden hingegen Schutzlücken.272 267 BR-Drs. 16/15, S. 17; siehe auch Bausback, BR-Plenarprotokoll, 930. Sitzung, 06.02.2015, S. 23, 24. 268 BMJV-Referentenentwurf, S. 16. 269 BMJV-Referentenentwurf, S. 16. 270 Zu den genauen Voraussetzungen siehe § 63 Abs. 3c SGB V. Siehe auch Ullrich, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, § 63 SGB V Rn. 22 ff. 271 Vgl. BMJV-Referentenentwurf, S. 16; kritisch Geade/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 148, welche § 63 Abs. 3c SGB V eine praktische Bedeutung absprechen.

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(2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung Ebenso wie der Bayerische Gesetzentwurf erfasste der Referentenentwurf als mögliche Handlungsvarianten des § 299a Abs. 1 StGB-RefE die heilberufliche Bezugsentscheidung und die heilberufliche Abgabeentscheidung, die – wie bereits oben unter § 3 II. 1. b) aa) (2) ausgeführt – insbesondere für die Tätigkeit des Apothekers von Relevanz sind. Der Begriff des Bezugs von Mitteln oder Produkten als mögliche Tatvariante des § 299a StGB-RefE wurde im Referentenentwurf – im Vergleich zum Bayerischen Entwurf – mit anderen Worten definiert. Während der Bezug von Mitteln oder Produkten im Bayerischen Gesetzentwurf noch als „jedes Geschäft, das auf die Erlangung der Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder Medizinprodukte gerichtet ist“,273 definiert wurde, findet sich im Referentenentwurf die nachfolgende Begriffsbestimmung. Unter „Bezug“ ist demnach jegliche Form des Sich-Verschaffens zu subsumieren, sei es für den eigenen Berufsbedarf oder zur Weitergabe an den Patienten. Ferner wurde in der Begründung ausgeführt, dass die Erfassung des Bezugs als selbständige Handlungsalternative des § 299a StGB-RefE geboten sei, da eine unlautere Bevorzugung beim Bezug bei der späteren Entscheidung insbesondere über die Abgabe des Mittels fortwirken könne.274 Konsequenz beider Definitionen war jedoch, dass auch Bezugsentscheidungen für den eigenen Berufsbedarf (beispielsweise Entscheidungen zur Einrichtung von Behandlungsräumen, wie etwa die Auswahl eines Behandlungsstuhls oder Röntgengeräts) in gleicher Weise nicht von wirtschaftlichen Interessen geleitet sein durften, wie Entscheidungen, die den Bezug solcher Mittel oder Produkte betreffen, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt waren. (3) Sog. Berufsrechtsmodell Ferner setzte der Tatbestand des Berufsrechtsmodells in § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-RefE – ebenso wie der Gesetzentwurf des Freistaates Bayern – eine Verletzung der Berufsausübungspflicht „in sonstiger Weise“ voraus. Diese Formulierung wurde vielfach kritisiert. Es stand der Vorwurf im Raum, das Berufsrechtsmodell des § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-RefE verstoße sowohl gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot als auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.275

272 BMJV-Referentenentwurf, S. 16. Siehe auch Wissing/Cierniak, NZWiSt 2016, 41, 42 in Bezug auf den Regierungsentwurf. 273 BR-Drs. 16/15, S. 20. 274 Zum Ganzen BMJV-Referentenentwurf, S. 19. 275 Zur Kritik Aldenhoff/Valluet, medstra 2015, 195, 196 ff.; Geiger, medstra 2015, 97, 102 f.; Steenbreker, MedR 2015, 660, 662 ff.; Rauer/Pfuhl, PharmR 2016, 357, 358; Jary, PharmR 2015, 99, 103; Pragal/Handel, medstra 2015, 337, 342; Gaede/Lin-

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Gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Nach dem Gleichheitsgrundsatz darf daher eine Person oder eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders behandelt werden, es sei denn zwischen beiden bestehen „Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“ 276 Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG dient einem doppelten Zweck: Zum einen soll der parlamentarische Gesetzgeber selbst die wesentlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen festlegen (sog. Wesentlichkeitstheorie277). Zum anderen muss es dem Adressat einer Norm möglich sein, vorhersehen zu können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.278 Kritik wurde zunächst dahingehend geäußert, dass die unbestimmte Formulierung „in sonstiger Weise“ in § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-RefE das Bestimmtheitsgebot in seiner „freiheitsgewährenden Funktion“ 279 verletze, da das unter Strafe gestellte Verhalten für den Normadressaten gerade nicht vorhersehbar sei.280 Ein weiterer Kritikpunkt betraf sowohl das Bestimmtheitsgebot als auch den Gleichheitsgrundsatz. Die Kritik resultierte aus dem Umstand, dass der Referentenentwurf hinsichtlich der Konkretisierung der Berufsausübungspflichten auf die für den jeweiligen Beruf geltenden spezialgesetzlichen Regelungen, insbeson-

demann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 152 f.; Wigge, NZS 2015, 447, 449; Schneider, Rechtsgutachten, S. 18 ff.; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 18; Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 10/15, April 2015, S. 4; Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Stellungnahme vom 10.04.2015, S. 2; Kassenärztliche Bundesvereinigung, Stellungnahme vom 09.04.2015, S. 4; vgl. auch Marburger Bund, Stellungnahme vom 01.04.2015, S. 4; Hartmannbund, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 1. 276 BVerfGE 55, 72 – juris Rn. 47; 71, 146 – juris Rn. 30; 78, 232 – juris Rn. 45; Kischel, in: BeckOK, GG, Art. 3 Rn. 14. 277 Zur Wesentlichkeitstheorie siehe BVerfGE 49, 89 – juris Rn. 77; 61, 260 – juris Rn. 74; 80, 124 – juris Rn. 21; 101, 1 – juris Rn. 125; 126, 170 – juris Rn. 71; Möllers, Methodenlehre, S. 463 ff.; Herbertz, medstra 2016, 288, 289 u. 291. 278 Zum Ganzen BVerfGE 47, 109 – juris Rn. 38; 71, 108 – juris Rn. 14; 75, 329 – juris Rn. 35; 87, 209 – juris Rn. 95; 126, 170 – juris Rn. 68 ff.; Radtke, in: BeckOK, GG, Art. 103 Rn. 23; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63; Hecker, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 1 Rn. 16; Burghart, in: Leibholz/Rinck, GG, Art. 103 Rn. 1356; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Band IX, Art. 103 Abs. 2, Rn. 87; Schröder, NZWiSt, 2015, 321, 330; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band III, Art. 103 Abs. 2 Rn. 28; Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 103 Rn. 14 f.; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, Art. 103 Rn. 57 u. 65; Nolte/Aust, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 3, Art. 103 Abs. 2 Rn. 140; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 68 u. 72; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Band 2, Art. 103 Rn. 21. 279 BVerfGE 75, 329 – juris Rn. 35; 126, 170 – juris Rn. 70; Schröder, NZWiSt 2015, 321, 330; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 63; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 103 Rn. 57. 280 Aldenhoff/Valluet, medstra 2015, 195, 196; Steenbreker, MedR 2015, 660, 662; vgl. auch Diener, PharmR 2015, 338, 341.

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dere auch auf die Berufsordnungen verwies.281 Aufgrund der vielen verschiedenen regional unterschiedlich ausgestalteten Berufsordnungen sei eine bundeseinheitliche Definition von Berufsausübungspflichten nicht möglich, was insbesondere aus gleichheitsrechtlicher Sicht problematisch erscheine.282 Es bestünde somit die Gefahr eines strafrechtlichen „Flickenteppichs“, der landesrechtliche Differenzierungen im Hinblick auf die Strafbarkeitsrisiken eröffne.283 Die Konsequenz aus diesem Befund wäre also, dass ein und dasselbe Verhalten in den einzelnen Bundesländern von unterschiedlicher strafrechtlicher Relevanz wäre. Zudem verfügen bereits nicht alle vom Täterkreis erfassten Heilberufe überhaupt über eine Berufsordnung.284 Das Verhalten der jeweiligen Berufsgruppen bliebe damit straflos. Hinzu kommt, dass den jeweiligen berufsständischen Kammern de facto die Möglichkeit eingeräumt würde, selbständig Einfluss darauf zu nehmen, welches Verhalten strafbar sein sein soll,285 was insbesondere im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz problematisch erscheint. Nach der sog. Wesentlichkeitstheorie286 fällt diese Aufgabe dem parlamentarisch legitimierten Gesetzgeber zu. Die Aufgabe des Gesetzgebers umschreibt das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zur Untreue dabei wie folgt: Für den Gesetzgeber enthält Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot dementsprechend die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.287

281

BMJV-Referentenentwurf, S. 21. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Stellungnahme vom 10.04.2015, S. 3; Marburger Bund, Stellungnahme vom 01.04.2015, S. 4; vgl. auch Rauer/Pfuhl, PharmR 2016, 357, 358; Taschke/Zapf, medstra 2015, 332, 336; ähnlich in Bezug auf den Gesetzesantrag des Freistaates Bayern Kubiciel/Tsambikakis, medstra 15, 11,14. Siehe auch Dieners, PharmR 2015, 529, 531; Cahnbley, MPR 2015, 145, 147 in Bezug auf den Regierungsentwurf. 283 Schneider, Rechtsgutachten, S. 19; Schneider/Kaltenhäuser, medstra 2015, 24, 31. Ebenso Schneider/Ebermann, A&R 2015, 202, 207 in Bezug auf den Regierungsentwurf. Vgl. hierzu auch Mand, DAZ 2015, 3192, 3195. 284 Schneider, Rechtsgutachten, S. 18; Bundesärztekammer, Stellungnahme vom 20.11.2015, S. 2. 285 Aldenhoff/Valluet, medstra 2015, 195, 198; Schneider, Rechtsgutachten, S. 19 f.; vgl. auch Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 10/15, S. 4; Marburger Bund, Stellungnahme vom 01.04.2015, S. 4. Ähnlich in Bezug auf den Bayerischen Gesetzentwurf Schneider/Kaltenhäuser, medstra 2015, 24, 31. Siehe auch Dieners, PharmR 2015, 529, 531; Schneider/Ebermann, A&R 2015, 202, 207 in Bezug auf den Regierungsentwurf. 286 Zur Wesentlichkeitstheorie siehe BVerfGE 49, 89 – juris Rn. 77; 61, 260 – juris Rn. 74; 80, 124 – juris Rn. 21; 101, 1 – juris Rn. 125; 126, 170 – juris Rn. 71; Möllers, Methodenlehre, S. 463 ff.; Herbertz, medstra 2016, 288, 289 u. 291. 287 BVerfGE 126, 170 – juris Rn. 71. 282

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cc) Gesetzentwurf der Bundesregierung (RegE) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde dem Bundesrat am 14. August 2015 zugeleitet288 und lag den Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 21. Oktober 2015 als Drucksache 18/6446 vor.289 Dieser Gesetzentwurf lehnte sich zwar ebenso wie der Referentenentwurf an den der Diskontinuität anheimgefallenen Gesetzentwurf des Bundesrates aus der 17. Legislaturperiode an,290 sah jedoch – im Gegensatz zu den vorangegangenen Entwürfen des Freistaates Bayern und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – vor, die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen in zwei getrennten Straftatbeständen – namentlich in § 299a und § 299b StGB-RegE – zu regeln: § 299a StGB-RegE Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder 2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze. § 299b StGB-RegE Bestechung im Gesundheitswesen (1) Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 288 289 290

BR-Drs. 360/15. BT-Drs. 18/6446. Siehe BT-Drs. 17/14575.

II. Untersuchung des § 299a StGB

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1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder 2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der Heilberuflichen Unabhängigkeit verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.

(1) Täterkreis Der Tatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen § 299a StGB-RegE sah ebenso wie der Referentenentwurf keine Begrenzung der tauglichen Täter auf Angehörige der sog. akademischen Heilberufe vor.291 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht damit von einem weit gefassten Täterkreis aus, der auch die sog. Gesundheitsfachberufe erfassen sollte.292 Zur Begründung wurde wie bereits im Rahmen des Referentenentwurfs angeführt,293 dass zwar das generelle Risiko unlauterer Einflussnahme auf Entscheidungen nicht-akademischer Heil-

291

BT-Drs. 18/6446, S. 17. Zustimmend Pragel/Handel, medstra 2015, 337, 339; Vasilikou/Grinblat, MPR 2016, 189, 190; Kubiciel, MedR 2016, 1, 3; Kubiciel, Stellungsnahme zum Regierungsentwurf, S. 7; in Bezug auf den Referentenentwurf des BMJV ebenso Aldenhoff/Valluet, medstra 2015, 195, 196; Kubiciel, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 5, der den weit gefassten Täterkreis damit begründet, dass die neu zu schaffende Norm nicht das Vermögen der Patienten, der Solidargemeinschaft oder der Wettbewerber schütze, sondern vielmehr das Gesundheitswesen als Institution. Wer gegen die auf dem Gesundheitsmarkt geltenden Ordnungsregeln verstoße, beeinträchtige damit auch die Institution. Diese habe daher ebenso Schutz gegenüber korruptiven Handlungen von Personen verdient, die in geringerem Umfang Gesundheitsleistungen abnehmen bzw. verordnen würden. Gegen eine Erfassung der sog. Gesundheitsfachberufe Dieners, PharmR 2015, 529, 532; Gaede/Lindemann/Tsambikakis, medstra 2015, 142, 148 f.; Steenbreker, MedR 2015, 660, 662; Bittmann/Brockhaus/Rübenstahl/Schröder/Tsambikakis, WiJ 2015, 176, 182; Bausback, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 33, 38; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 40/2015, S. 9 mit dem Argument, Angehörige der Gesundheitsfachberufe würden in der Regel keine Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder Medizinprodukte verordnen. Vielmehr würden ihre Tätigkeiten verordnet werden. Soweit sie diese Verordnung durch korruptive Praktiken unlauter beeinflussen würden, seien sie jedoch vom Straftatbestand der Bestechung im Gesundheitswesen erfasst. Ebenso Kubiciel/Tsambikakis, medstra 2015, 11, 15 in Bezug auf den Bayerischen Gesetzentwurf. Vgl. auch Mansdörfer, jM 2016, 213, 215; Schröder, NZWiSt 2015, 361, 363. Brettel/Duttge/Schuhr, JZ 2015, 929, 934 f. plädieren sogar für eine Beschränkung des Täterkreises lediglich auf Ärzte und Zahnärzte. 293 Zur ausführlichen Begründung s. o. § 3 II. 1. b) bb) (1). 292

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berufsgruppen eher etwas weniger schwer wiegen dürfte. Nichtsdestotrotz seien korruptive Praktiken in diesem Bereich aber nicht weniger strafwürdig.294 (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung Des Weiteren enthielt auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung die heilberufliche Abgabeentscheidung als mögliche Handlungsalternative des § 299a Abs. 1 StGB-RegE. Korruptive Verhaltensweisen des Apothekers bei der Abgabe von Mitteln oder Produkten wären demnach vom Tatbestand erfasst gewesen. Definiert wurde der Begriff der Abgabe auch in diesem Gesetzentwurf als jede Form der Übergabe an den Patienten.295 Hinsichtlich tatbestandlich relevanter Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf bleibt festzustellen, dass die Handlungsvariante des Bezugs von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten aus § 299a Abs. 1 StGBRefE herausgenommen und unter modifizierten Bedingungen in einem neu eingefügten § 299a Abs. 2 StGB-RegE geregelt wurde.296 Erforderlich ist fortan, dass die bezogenen Mittel oder Produkte zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind. Während unter den Begriff des Bezugs im Referentenentwurf noch jegliche Form des Sich-Verschaffens zu subsumieren war, sei es für den eigenen Berufsbedarf oder zur Weitergabe an den Patienten, stellt der Gesetzentwurf der Bundesregierung nun eindeutig klar, dass lediglich solche Bezugsentscheidungen erfasst sein sollten, die sich auf den Bezug von Mitteln oder Produkten zur Weitergabe an den Patienten erstrecken. Um dies zu verdeutlichen wurde der Zusatz „Bezug von Arzneimitteln (. . .) oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind“, in den Tatbestand des § 299a Abs. 2 StGB-RegE mit aufgenommen. Dadurch wird klargestellt, dass Entscheidungen, die den Bezug solcher Mittel oder Produkte betreffen, die nicht zur unmittelbaren Abgabe an den Patienten bestimmt sind, von wirtschaftlichen Interessen des Heilberufsangehörigen gelenkt sein dürfen. Mit anderen Worten fallen beispielsweise Entscheidungen zur Einrichtung von Behandlungsräumen – wie etwa die Auswahl eines Behandlungsstuhls oder Röntgengeräts – nicht unter den Tatbestand des § 299a Abs. 2 StGB-RegE, da Patienteninteressen hierdurch grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden.297 Zudem sollte es entgegen § 299a Abs. 1 Nr. 1 StGB-RegE nicht auf eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb ankommen, da sich bei Bezugsentscheidungen die Unlauterkeit einer Bevorzugung auch aus Verstößen gegen Preis- und Rabatt294 Vgl. BT-Drs. 18/6446, S. 17 als Beispiel für solche Praktiken der Gesundheitsfachberufe werden korruptive Absprachen genannt, die die Weiterverweisung von Patienten an andere Leistungserbringer zum Gegenstand haben. 295 BT-Drs. 18/6446, S. 20. 296 Pragal/Handel, medstra 2015, 337, 338. 297 Zum Ganzen vgl. BT-Drs. 18/6446, S. 22.

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vorschriften ergeben könne, bei denen es an einem korruptionsspezifischen Unrechtsgehalt fehle.298 Vielmehr war daher einzig eine Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit entscheidend. (3) Sog. Berufsrechtsmodell Ferner wurde das Berufsrechtsmodell in § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-RegE enger gefasst. Es erhielt eine schärfere Kontur: Die Strafbarkeit von Verordnungs-, Abgabe- und Zuführungsentscheidungen sollte nunmehr an eine Verletzung von Berufsausübungspflichten „zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“ anknüpfen und nicht wie vormals an eine Verletzung von Berufsausübungspflichten „in sonstiger Weise“.299 Es ging daher bei Verstößen gegen berufsrechtliche Pflichten einstweilen um solche Pflichten, die die heilberufliche Unabhängigkeit schützen. Diese sollten sich insbesondere aus den verbindlichen Berufsordnungen der Heilberufskammern ergeben.300 Auch Apotheker seien bei der Abgabe von Arzneimitteln, unabhängig vom Bestehen einer Wettbewerbslage, berufsrechtlich gegenüber Patienten zur heilberuflichen Unabhängigkeit verpflichtet. Eine solche Verpflichtung komme beispielsweise in dem in allen Berufsordnungen enthaltenen Gebot zur herstellerunabhängigen Beratung (vgl. § 8 Abs. 1 der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg) zum Ausdruck. Eine Verletzung dieser Pflicht könne beispielsweise dadurch erfolgen, dass der Apotheker für die Abgabe bestimmter Arzneimittel Vorteile erhält und danach seine Beratung und Abgabe ausrichte.301 Trotz des unternommenen Versuchs, die relevanten Berufsausübungspflichten im Regierungsentwurf einzugrenzen, war das Berufsrechtsmodell weiterhin der Kritik ausgesetzt, es sei mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG nicht in Einklang zu bringen.302 Der Maßstab für die Berufsausübungspflichten sei weiterhin unklar,303 insbesondere sei nicht ersichtlich, wie die Begrifflich298

BT-Drs. 18/6446, S. 22. Vgl. Dieners, PharmR 2015, 529, 530; Pragal/Handel, medstra 2015, 337, 338. 300 BT-Drs. 18/6446, S. 21. 301 BT-Drs. 18/6446, S. 21 f. 302 Brettel/Duttge/Schuhr, JZ 2015, 929, 931 f.; Mansdörfer, jM 2016, 213, 218; Steenbreker, MedR 2015, 660, 665; Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11.2015, S. 2; Bundesärztekammer, Stellungnahme vom 20.11.2015, S. 2 u. 7 ff.; Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 22/15, November 2015, S. 3; Die forschenden Pharma-Unternehmen, Stellungnahme vom 02.11.2015, S. 5 ff.; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 40/2015, S. 9. A. A. Gaede, medstra 2015, 263, 266; Kubiciel, MedR 2016, 1, 3; ders., jurisPR-StrfR 11/2016 Anm. 1, S. 2; ders., in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 69, 81 f.; ders., Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 9; ders., WiJ 2016, 1, 4 ff.; Scholz, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 89, 92 ff.; Nestler, GesR 2016, 70, 74; Raum, in: JEK 9 (2016), S. 107, 110; Corts, MJP 2015, 317, 323; differenzierend Schröder, NZWiSt 2015, 321, 327 ff. 303 Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 22/15, S. 3; Corts, MPJ 2015, 317, 323. 299

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keit der „heilberuflichen Unabhängigkeit“ vorhersehbar auszulegen sein soll.304 Die Konkretisierung dieser Begrifflichkeit der Rechtsprechung zu überlassen, erscheine im Hinblick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit strafrechtlich relevanten Verhaltens problematisch.305 dd) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz Nach einer ersten Beratung im Bundestag am 13. November 2015 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung in den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) überwiesen.306 Am 13. April 2016 legte der 6. Ausschuss zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Beschlussempfehlung vor.307 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz regte die Annahme des Gesetzentwurfs in einer geänderten Fassung an. Der Vorschlag des Ausschusses sah folgenden Wortlaut vor: § 299a StGB-E Bestechlichkeit im Gesundheitswesen Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 299b StGB-E Bestechung im Gesundheitswesen Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er 304 Steenbreker, MedR 2015, 660, 665; Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11.2015, S. 2 ff. 305 Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11. 2015, S. 2 ff.; vgl. Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 22/15, S. 4. 306 BT-Plenarprotokoll, 137. Sitzung, 13.11.2015, S. 13477–13485. 307 BT-Drs. 18/8106.

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1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Täterkreis Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz geht damit in seinem modifizierten Gesetzentwurf weiterhin von einem weit gefassten Täterkreis aus, der sowohl die Angehörigen der sog. akademischen Heilberufe als auch die der sog. Gesundheitsfachberufe umfasst. Der Rechtsausschuss empfiehlt jedoch auch Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. (2) Heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung Nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz erfährt die heilberufliche Bezugsentscheidung in § 299a Nr. 2 StGB-E eine Einschränkung. Vom Bezug erfasst seien Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder Medizinprodukte, die der Heilberufsangehörige nicht (zunächst) verordne, sondern ohne Verordnung unmittelbar beim oder am Patienten anwende, wie beispielsweise Prothesen, Implantate, und unmittelbar vom Heilberufsangehörigen anzuwendende Arzneimittel.308 Die Tatvariante des Bezugs bezieht sich fortan nicht mehr auf Mittel oder Produkte, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind. Vielmehr soll die heilberufliche Bezugsentscheidung auf die zur unmittelbaren Anwendung durch den beziehenden Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmten Arznei- oder Hilfsmittel oder Medizinprodukte beschränkt werden.309 In diesen Fällen könnten gemäß der Beschlussempfehlung die geschützten Rechtsgüter des lauteren Wettbewerbs und der Integrität heilberuflicher Entscheidungen auch durch auf Bezugsentscheidungen gerichtete Vorteile in strafwürdiger Weise beeinträchtigt werden.310 Die ohnehin nur sehr schlanke Begründung vermag nicht zu überzeugen. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich auch nicht um eine Begründung für eine 308 309 310

BT-Drs. 18/8106, S. 14. BT-Drs. 18/8106, S. 14. BT-Drs. 18/8106, S. 14.

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Beschränkung der Bezugsentscheidung, da nicht ausgeführt wird, aus welchem Grund die Beschränkung erfolgt. Vielmehr wird lediglich festgestellt, dass es bei Bezugsentscheidungen hinsichtlich solcher Mittel und Produkte, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen bestimmt sind, zu einer Beeinträchtigung der Schutzgüter in strafwürdigen Weise kommen kann. Hierzu ist kritisch anzumerken, dass dies jedoch nicht nur bei Sachverhalten der Fall sein kann, bei denen die Mittel oder Produkte zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen bestimmt sind. Vielmehr können auch Bezugsentscheidungen solcher Arzneimittel, die zur Weitergabe an den Patienten bestimmt sind, in strafwürdiger Weise beeinflusst werden. Auch in diesen Konstellationen kann das Schutzgut des fairen Wettbewerbs mit dem Bezug der Arzneimittel bereits beeinträchtigt werden. Das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen wird ebenfalls zu diesem Zeitpunkt zumindest mittelbar tangiert; denn der bevorzugte Bezug wird in der Folge auch zu einer bevorzugten Abgabe an den Patienten führen. Diese Handlungen wären jedoch von § 299a Nr. 2 StGB-E nicht mehr erfasst. Als Konsequenz dieser Änderung muss daher deutlich hervorgehoben werden, dass das Verhalten des Apothekers zukünftig nicht mehr von der Bezugsvariante erfasst ist; denn der Apotheker trifft zwar heilberufliche Bezugsentscheidungen. Es handelt sich hierbei aber nicht um Arzneimittel, denen eine unmittelbare Anwendung am Patienten folgt.311 Vielmehr gibt der Apotheker die Mittel oder Produkte lediglich an den Patienten weiter. Dieser wendet sie anschließend selbst an. Mit einer recht schlanken Begründung hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine sehr weitreichende Änderung vorgenommen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Berufsgruppe der Apotheker hat. Ferner soll die Handlungsalternative des Bezugs einen anderen Standort erhalten. Einen Absatz 2 soll es in § 299a StGB-E zukünftig nicht mehr geben. Für die Bezugsentscheidung gelten die gleichen Tatbestandvoraussetzungen wie für die Verordnungs- und Zuführungsentscheidung. Die drei tatbestandlichen Heilberufsentscheidungen werden daher für eine bessere Übersichtlichkeit als neue Nummern 1 bis 3 in § 299a StGB-E gegliedert.312 Als zweite wesentliche Änderung soll die heilberufliche Abgabeentscheidung als Handlungsvariante aus dem Tatbestand des § 299a StGB-RegE gestrichen werden. Eine ausführliche Begründung lässt die Beschlussempfehlung auch an dieser Stelle bedauerlicherweise vermissen. Hierzu heißt es lediglich: „Eine gesonderte Erfassung von Abgabeentscheidungen soll nicht mehr erfolgen, da der Tatbestand aus den genannten Gründen schon beim Bezug nur Arznei-, Hilfsmittel und Medizinprodukte abdeckt, die zur unmittelbaren Anwendung durch den

311 312

Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132; Lorenz, medstra 2017, 342, 344. BT-Drs. 18/8106, S. 14.

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Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer und nicht nur zur bloßen Abgabe bestimmt sind. Werden die Vorteile ausdrücklich bezogen auf die unmittelbare Anwendung als besondere Form der Abgabe gewährt, (. . .) dürfte die Vereinbarung in aller Regel aber auch die vorgelagerte, zwingend erforderliche Bezugsentscheidung beinhalten.“313 An dieser Stelle verweist die Beschlussempfehlung auf die Begründung für die Begrenzung der Bezugsvariante des § 299a Nr. 2 StGB-E („aus den genannten Gründen“). Wie bereits im Rahmen der Bezugsentscheidung dargestellt, nennt die Beschlussempfehlung jedoch gerade keine Gründe für eine solche Einschränkung. Aus der Beschränkung der Bezugsentscheidung folgert der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, dass für die der Bezugsentscheidung nachgelagerten Abgabeentscheidung kein eigenständiger Anwendungsbereich mehr verbleibt.314 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz liefert damit zwar eine aus seiner Sicht konsequente Schlussfolgerung für die Streichung der Abgabeentscheidung. Bei genauerer Betrachtung überzeugt der Blickwinkel des Rechtsausschusses jedoch nicht restlos:315 Man könnte ebenso gut den Standpunkt einnehmen, dass – gerade weil die Bezugsentscheidung eingeschränkt wurde – ein eigenständiger Anwendungsbereich für die Abgabeentscheidung bestehen muss.316 Dies ergibt sich daraus, dass die Bezugsentscheidung auf die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen bzw. seinen Berufshelfer bestimmten Arznei- und Hilfsmittel und Medizinprodukte beschränkt wurde. Damit fallen jedoch vorgelagerte, in die Unrechtsvereinbarung einbezogene Bezugsentscheidungen hinsichtlich solcher Arzneimittel, die zur Weitergabe an den Patienten bestimmt sind, bereits nicht mehr unter den Tatbestand des § 299a Nr. 2 StGB-E. Werden diese Arzneimittel später beeinflusst durch den Vorteil bevorzugt an den Patienten abgegeben, kann ein solches Verhalten des Apothekers nach der Beschlussempfehlung auch nicht mehr durch die Abgabevariante erfasst werden. Als Konsequenz bliebe ein solches Verhalten des Apothekers weiterhin straflos. Für die heilberufliche Abgabe313

BT-Drs. 18/8106, S. 15. BT-Drs. 18/8106, S. 15. 315 Ähnlich auch Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 109; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 299a Rn. 15; Tsambikakis, medstra 2016, 1313, 132. 316 Das Fehlen eines eigenständigen Anwendungsbereiches der Abgabeentscheidung hätte man lediglich bei der ursprünglichen Fassung der Bezugsentscheidung in § 299a Abs. 2 StGB-RegE in Erwägung ziehen können: Denn jede korruptiv beeinflusste Bezugsentscheidung hinsichtlich solcher Arzneimittel, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, hätte bei der späteren Abgabeentscheidung fortgewirkt. In diesem Fall sind die heilberufliche Bezugs- und Abgabeentscheidung untrennbar miteinander verwoben. Entweder bezieht der Apotheker beeinflusst von einem Vorteil bevorzugt bestimmte Arzneimittel und gibt diese als logische Schlussfolgerung auch bevorzugt an den Patienten ab. Oder der Fall gestaltet sich in der Weise, dass der Apotheker den Vorteil für eine bevorzugte Abgabe eines bestimmten Arzneimittels an den Patienten erhält. Bei dieser Variante wird der Apotheker das Arzneimittel aber auch bevorzugt beziehen, um es anschließend bevorzugt abgeben zu können. 314

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entscheidung hätte durch die Änderung der Bezugsvariante in jedem Fall ein eigener Anwendungsbereich bestanden. Durch die Kombination aus Einschränkung der Bezugsentscheidung und Streichung der Abgabevariante hat dies vielmehr die weitreichende Konsequenz, dass der Apotheker gänzlich aus dem Tatbestand des § 299a StGB-E herausfällt. (3) Sog. Berufsrechtsmodell Schließlich wird das Berufsrechtsmodell nach der vielfach geäußerten Kritik und verfassungsrechtlichen Bedenken317 aus dem Tatbestand ersatzlos gestrichen. Damit kommen die drei tatbestandlichen Heilberufsentscheidungen – namentlich die Verordnung, der Bezug und die Zuführung – nur noch als Anknüpfungspunkt für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb in Betracht. Der Tatbestand des § 299a StGB-RegE wird damit auf das Wettbewerbsmodell reduziert. In der Literatur wird aufgrund der Streichung des Berufsrechtsmodells diskutiert, ob damit auch der ursprünglich bezweckte doppelte Rechtsgüterschutz318 obsolet geworden sei oder zumindest das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen nur noch mittelbar bzw. reflexartig geschützt sein könne.319 In seiner Beschlussempfehlung geht der Rechtsausschuss hingegen nach wie vor davon aus, dass mit der Einführung des § 299a StGB-E ein doppelter Rechtsgüterschutz verfolgt werde und neben der Sicherung des fairen Wettbewerbs auch das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen geschützt werden solle.320 Wie noch an anderer Stelle nachzuweisen ist, verdient diese Meinung Beifall.321 ee) Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Am 14. April 2016 stand in der 164. Sitzung des Deutschen Bundestages der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesund317

Zur geäußerten Kritik s. o. § 3 II. 1. b) bb) (3) und § 3 II. 1. b) cc) (3). BT-Drs. 18/6446, S. 12 f. 319 Siehe hierzu Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 12 ff.; Rübenstahl/ Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299a Rn. 4 f.; Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 8; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299a Rn. 1; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132 f.; Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 49 f.; Duttge, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 15, 22; Kubiciel, jurisPR-Compl 3/2016 Anm. 1; Dann/Scholz, NJW 2016, 2077 f.; Kölbel, medstra 2016, 193 f.; Lorenz, medstra 2017, 342, 344; Schneider, in: Bleicken/Zumdick, Gesetz zur Bekämpfung von Korruption, S. 17; Wittig, WiStrafR, § 26 Rn. 65; Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 57 ff. 320 BT-Drs. 18/8106, S. 17. 321 Siehe hierzu die näheren Ausführungen unter § 3 II. 2. b) cc) (2) (a) (bb). 318

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heitswesen322 anlässlich seiner zweiten und dritten Beratung im Bundestag auf der Tagesordnung. Im Rahmen der zweiten Beratung führte Renate Künast aus, dass sie nicht nachvollziehen könne, „wieso Apotheker jetzt draußen“ seien; denn Apotheker hätten auch die Möglichkeit, den einen oder anderen zu bevorzugen. Schon gar nicht verstehe sie, wenn die Apotheker draußen seien, warum eigentlich andere Heilberufe wie Hebammen, Physiotherapeuten oder Gehilfen immer noch erfasst seien. Bei diesen könne sie sich weniger Korruption vorstellen als bei den Apothekern.323 Nur wenig später merkte Dr. Edgar Franke kritisch an, dass die Herausnahme der Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln bzw. Medizinprodukten aus dem Tatbestand nicht ganz unproblematisch in diesem Gesetzentwurf sei.324 Dennoch beschloss der Deutsche Bundestag in einer dritten Beratung und Schlussabstimmung das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in seiner geänderten Ausschussfassung anzunehmen.325 Am 28. April 2016 empfahl sodann der Rechtsausschuss dem Bundesrat von seiner Befugnis den Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Abs. 2 GG anzurufen, keinen Gebrauch zu machen.326 Dieser Empfehlung folgte der Bundesrat am 13. Mai 2016 in seiner Beschlussdrucksache,327 obwohl er gleichzeitig – wie zuvor auch vom Ausschuss empfohlen – deutlich darauf hinwies, dass die „vorgenommene Beschränkung des Gesetzes auf den Bezug und die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln sowie Medizinprodukten dazu führt, dass ganze Berufsgruppen, vor allem die der Apothekerinnen und Apotheker, aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen. Vor dem Hintergrund des Stellenwerts, den diese Berufsgruppen innerhalb des Gesundheitswesen besitzen, können auch insoweit nicht zu rechtfertigende Strafbarkeitslücken entstehen.“ 328 Weiter heißt es in der Beschlussdrucksache des Bundesrates: „Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung zu beobachten, ob zukünftig in der Praxis die vorbeschriebenen Strafverfolgungslücken in einem Umfang auftreten, der geeignet ist, das Vertrauen der Patienten in das Gesundheitssystem zu beeinträchtigen. Sollte dies der Fall sein, müssten die notwendigen gesetzlichen Änderungen (. . .) vorgenommen werden.“ 329 An dieser Stelle bleibt jedoch die Frage unbeantwortet, wie eine solche Beobachtung durch die Bundesregierung tatsächlich erfolgen und ausgestaltet sein soll. Sollte es tatsächlich zu Absprachen zwischen der Pharmaindustrie und Apo322 323 324 325 326 327 328 329

BT-Drs. 18/6446. Künast, BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16159. Franke, BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16162. BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16154–16165. BR-Drs. 181/16, S. 1. BR-Drs. 181/16, S. 1. BR-Drs. 181/16, S. 2. BR-Drs. 181/16, S. 2.

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thekern kommen, werden diese sicherlich nicht öffentlich gemacht. Es ist daher zu befürchten, dass die Bitte des Bundesrates nichts weiter als eine leere Floskel bleiben wird und der hiermit verbundene Appell, gegebenenfalls gesetzliche Änderungen vorzunehmen, ungehört verhallt. Am 4. Juni 2016 trat sodann das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft.330 Die §§ 299a und 299b StGB wurden als abstrakte Gefährdungsdelikte in den 26. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (Straftaten gegen den Wettbewerb) eingefügt. Das Ziel dieser neu geschaffenen Tatbestände besteht darin, die existierenden Strafbarkeitslücken zu schließen und damit strafwürdige korruptive Praktiken im Gesundheitswesen vollumfänglich zu erfassen.331 c) Wille des Gesetzgebers Wie bereits – oben unter § 3 II. 1. a) – ausgeführt, ist unter der Begrifflichkeit „Wille des Gesetzgebers“ nicht der Wille einer kleinen, an der Gesetzgebung beteiligten, Personengruppe gemeint. Vielmehr ist der Wille des Gesetzgebers anhand des Kontextes der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu ermitteln.332 Aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte lässt sich für § 299a StGB Folgendes ableiten: Zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Apotheker im Gesetzesantrag des Freistaates Bayern noch mit seiner „zentralen Lenkungsund Verteilungsfunktion auf dem Gesundheitsmarkt“ hervorgehoben.333 Im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wurde ferner die „Schlüsselstellung des Apothekers im Gesundheitswesen“ betont und erwähnt, dass auch Fälle aus der Praxis bekannt seien, in denen unter Umgehung der geltenden Preisvorgaben auf Bezugs- und Abgabeentscheidungen von Apothekern eingewirkt werde, um unlautere Wettbewerbsvorteile zu erlangen.334 In der Folgezeit rückte der Apotheker indes immer weiter aus dem Fokus des Gesetzgebers heraus. Dieses legislative Desinteresse fand seinen Höhepunkt in dem Vorschlag des Rechtsausschusses vom 13. April 2016, auf eine gesonderte Erfassung der heilberuflichen Abgabeentscheidung als Tatvariante des § 299a StGB-E gänzlich zu verzichten und die heilberufliche Bezugsentscheidung des § 299a Nr. 2 StGB-E auf solche Mittel und Produkte zu beschränken, die zur unmittelbaren Anwendung durch den beziehenden Heilberufsangehörigen bestimmt sind.335 Der Deutsche Bundestag nahm sodann am 14. April 2016 das Gesetz zur

330 331 332 333 334 335

BGBl. 2016 I, S. 1254 ff. Vgl. BT-Drs. 18/6446 , S. 16. Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 490. BR-Drs. 16/15, S. 17. BMJV-Referentenentwurf, S. 9. BT-Drs. 18/8106, S. 14 f.

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Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in seiner geänderten Ausschussfassung an.336 Darüber hinaus hatte der Rechtsausschuss dem Bundesrat am 28. April 2016 empfohlen, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen.337 Anstatt jedoch den Vermittlungsausschuss anzurufen, folgte auch der Bundesrat den Änderungen des Rechtsausschusses. Er begnügte sich trotz seines Hinweises, dass mit den vorgenommenen Änderungen des Gesetzes ganze Berufsgruppen, vor allem die der Apotheker, aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfielen, floskelhaft mit der Bitte an die Bundesregierung zu beobachten, ob zukünftig in der Praxis die vorbeschriebenen Strafbarkeitslücken in einem Umfang auftreten, die geeignet seien, das Vertrauen der Patienten in das Gesundheitssystem zu beeinträchtigen.338 Der Bundesrat nahm also mit seiner Entscheidung den Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht anzurufen, sehenden Auges eine fortbestehende Strafbarkeitslücke in Kauf. Aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte tritt der gesetzgeberische Wille damit eindeutig hervor: Mit Erlass des § 299a StGB verfolgte der Gesetzgeber grundsätzlich das Ziel, bestehende Strafbarkeitslücken im Hinblick auf korruptive Verhaltensweisen im Gesundheitswesen zu schließen. Die korruptiv beeinflusste heilberufliche Abgabeentscheidung – wie sie Apotheker treffen – sollte hingegen nicht als selbständige Handlungsvariante vom Tatbestand des § 299a StGB erfasst sein. Einzig für den Fall, dass sich der gewährte Vorteil auf die unmittelbare Anwendung von Mitteln oder Produkten als besondere Form der Abgabe bezieht, sollte dies über die vorgelagerte, zwingend erforderliche Bezugsentscheidung gemäß § 299a Nr. 2 StGB unter Strafe gestellt werden.339 Die heilberufliche Bezugsentscheidung bezüglich solcher Mittel und Produkte, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind – wie sie § 299a Abs. 2 StGB-RegE noch vorgesehen hatte – sollte hingegen nicht mehr vom Tatbestand des § 299a StGB-E erfasst sein. Trotz des vorstehend skizzierten Willens des Gesetzgebers findet sich im Schrifttum dennoch der Hinweis, die Streichung der „Apotheker“-Variante sei keine bewusste kriminalpolitische Entscheidung für eine Privilegierung der Berufsgruppe der Apotheker gewesen. Vielmehr handle es sich hierbei um einen „Kollateraleffekt“ aufgrund der Streichung der Bezugnahme auf berufsrechtliche Pflichten.340 Für einen solchen unbewussten Kollateraleffekt sprächen ferner die Worte eines federführenden Abgeordneten im Bundestag, mit denen dieser 336

BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16154–16165. BR-Drs. 181/1/16, S. 1. 338 BR-Drs. 181/16, S. 2. 339 Vgl. BT-Drs. 18/8106, S. 15. 340 Zum Ganzen Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2016 Anm. 1, S. 3; so auch Bahner, Praxishandbuch, S. 32 f. Vgl. auch Reinholz, rescriptum 2016, 134, 139. 337

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für Zustimmung warb:341 „,Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.‘ [. . .] Dieser Satz macht deutlich, welches Vertrauen der Gesetzgeber, aber vor allen Dingen welches Vertrauen Patienten Ärzten und Apothekern, aber auch anderen Gesundheitsberufen entgegenbringen. [. . .] Umso schwerer wiegt es dann, wenn Einzelne dieses Vertrauen der Patienten enttäuschen, wenn Einzelne sich bereichern, wenn sie sich Vorteile verschaffen, wenn sie sich also bestechen lassen und korrupt sind. [. . .] Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Gesetz zu, damit Patienten auch weiterhin uneingeschränkt voller Vertrauen zu Risiken und Nebenwirkungen ihren Arzt oder Apotheker fragen können!“ 342 Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten: Zunächst ist festzustellen, dass mit der Streichung des Berufsrechtsmodells die heilberufliche Abgabeentscheidung keineswegs unbewusst aus dem Tatbestand des § 299a Abs. 1 StGB-RegE herausgefallen ist. Hätte der Gesetzgeber lediglich die Eliminierung des Berufsrechtsmodells beabsichtigt, wäre es ein Leichtes gewesen, lediglich § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-RegE zu streichen. Hierbei blieb es jedoch nicht. Die Abgabevariante musste ebenfalls aus dem Tatbestand des § 299a Abs. 1 StGB-RegE weichen, obwohl diese ursprünglich – wie auch die Verordnungs- und Zuführungsvariante – sowohl an eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb (§ 299a Abs. 1 Nr. 1 StGB-RegE) als auch an eine Verletzung einer berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit (§ 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-E) anknüpfte. Während die Abgabeentscheidung aus dem Tatbestand des § 299a StGB-E herausfiel, blieben die Verordnungs- und Zuführungsvariante jedoch trotz Streichung des Berufsrechtsmodells in § 299a Nr. 1 und 3 StGB-E enthalten. Dies spricht in einer Gesamtschau für eine bewusste Streichung der heilberuflichen Abgabeentscheidung. Ferner übersieht die Gegenauffassung, dass eine Bezugsvariante weiterhin existiert, obwohl die Unrechtsvereinbarung in § 299a Abs. 2 StGB-RegE ursprünglich einzig an eine Verletzung von berufsrechtlichen Pflichten anknüpfen konnte. Anstatt § 299a Abs. 2 StGB-RegE in seiner Gänze zu streichen, wurde die Handlungsvariante des Bezugs neu gefasst und in § 299a Nr. 2 StGB-E eingefügt. Die geänderte Fassung sieht nunmehr als Anknüpfungspunkt für eine Unrechtsvereinbarung eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb vor. Außerdem erfasst die Bezugsvariante des „neuen“ § 299a Nr. 2 StGB-E fortan nicht mehr den Bezug solcher Mittel und Produkte, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind. Der Anwendungsbereich wurde auf solche Mittel und Produkte reduziert, die zur unmittelbaren Anwendung des beziehenden Heilberufsangehöri-

341 Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 135 f. dortige Fn. 88; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 110. 342 Luczak, BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16156–16158.

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gen bestimmt sind. Es erfolgte somit zusätzlich zur Streichung des Berufsrechtsmodells eine bewusste Restriktion der Bezugsvariante. Abschließend vermögen auch die werbenden Worte des Bundestagsabgeordneten nicht zu überzeugen, merkt doch schon die nächste Rednerin sinngemäß an, dass sie es aufgrund der hervorgehobenen Stellung der Apotheker im Gesundheitswesen nicht nachvollziehen könne, weshalb diese vom Tatbestand nicht mehr erfasst seien.343 Wiederum drei Redner später wurde darauf hingewiesen, dass es nicht ganz unproblematisch sei, dass die Abgabe aus dem Tatbestand herausgenommen wurde.344 Die Konsequenzen der Änderungen waren den Abgeordneten also durchaus bewusst, als sie später über das Gesetz abstimmten. Der Verweis auf eine einzelne Äußerung eines Bundestagsabgeordneten kann – aus methodischer Sicht – ohnehin nicht überzeugen. Der Wille des Gesetzgebers kann niemals nur an der Äußerung einer Person oder einer kleinen Personengruppe festgemacht werden. Vielmehr ist der Wille des Gesetzgebers anhand des Kontextes der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu ermitteln. Resümierend ist daher festzuhalten, dass von einem „versehentlichen Herausfallen“ der „Apotheker“-Variante aus dem Tatbestand des § 299a StGB-RegE nicht die Rede sein kann. Vielmehr ist von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für die Streichung der heilberuflichen Abgabeentscheidung und für die Beschränkung der Bezugsvariante und damit für eine Privilegierung der Apotheker auszugehen. d) Zwischenfazit Nachdem zunächst herausgearbeitet wurde, dass dem gesetzgeberischen Willen im Rahmen der Auslegung zumindest bei einem noch jungen Gesetz herausragende Bedeutung zukommt,345 wurden im Folgenden die einzelnen Etappen des Gesetzgebungsverfahrens näher beleuchtet.346 Anhand der nachgezeichneten Entstehungsgeschichte konnte sodann der Wille des Gesetzgebers für die spätere Auslegung des § 299a StGB herausgearbeitet werden.347 Hierbei hat sich herauskristallisiert, dass die heilberufliche Abgabeentscheidung lediglich im Hinblick auf die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen der Bezugsentscheidung als besondere Form der Abgabe erfasst sein soll. Im Übrigen soll die Abgabeentscheidung des Apothekers in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte aus dem Tatbestand des § 299a StGB herausfallen.

343 344 345 346 347

Künast, BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16158, 16159. Franke, BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16161, 16162. Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 1. a). S. o. § 3 II. 1. b). S. o. § 3 II. 1. c).

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2. Anwendungsbereich des § 299a StGB aus Apothekersicht Um beurteilen zu können, ob sich der Apotheker trotz der Beschränkung der Bezugsvariante und der Streichung der heilberuflichen Abgabeentscheidung wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen nach § 299a StGB strafbar machen kann und damit die bisher aufgedeckten Strafbarkeitslücken geschlossen werden könnten, ist der Anwendungsbereich der Norm näher zu beleuchten. Abgesteckt wird der Anwendungsbereich des § 299a StGB durch das Tatbestandsmerkmal des tauglichen Täters sowie durch die möglichen Tatvarianten.348 Diese Tatbestandmerkmale sind im Folgenden zu untersuchen. a) Tauglicher Täter Der Täterkreis des § 299a StGB erstreckt sich auf alle Angehörigen eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert. Der Gesetzgeber verwendet damit eine aus § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Zusammenhang mit der Strafbarkeit der Verletzung von Privatgeheimnissen bekannte Terminologie.349 Wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des § 299a StGB anzusehen ist, folgt aus der in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgesehenen Regelung.350 Hierzu gehören neben den akademischen Heilberufen, namentlich den Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern, psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, auch die sog. Gesundheitsfachberufe. Zu letzteren zählen medizinisch-technische und pharmazeutisch-technische Assistenten, Krankenpfleger, Kinderkrankenschwestern, Ergo- und Physiotherapeuten, Rettungsassistenten, Masseure, Altenpfleger, Diät-Assistenten, Medizinische Bademeister, Orthoptisten, Hebammen und Logopäden. Nicht zum Kreis der Normadressaten gehören hingegen Heilpraktiker351 und sog. Gesundheitshandwerker, wie etwa Hörgeräteakustiker, Augenoptiker oder Orthopädieschuh-Techniker.352 Diese Berufsgruppen durchlaufen keine staatlich geregelte Ausbildung.353 Bei der Ausge348

Vgl. Lorenz, medstra 2017, 342. Lorenz, medstra 2017, 342. 350 BT-Drs. 18/6446, S. 17. 351 Stebner, PharmR 2017, 178, 181 f.; Fischer, StGB, § 299a Rn. 5 zählt den Heilpraktiker hingegen als tauglichen Täter auf, um seine Auffassung sogleich selbst zu widerlegen. 352 Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 96; Großkopf/Schanz, RDG 2016, 220, 224. Zunächst zweifelhaft Heil/Oeben, PharmR 2016, 217, 218 im Ergebnis jedoch auch verneinend. A. A. Grinblat, MPJ 2016, 3, 5. 353 Zum Ganzen Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 14; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, § 203 Rn. 62; Schünemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 6, § 203 Rn. 61; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rn. 3; Cierniak/Niehaus, in: MüKo StGB, Band 4, § 203 Rn. 34; Weidemann, in: BeckOK, StGB, § 203 Rn. 16; Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, § 203 StGB Rn. 5; Dannecker/Schröder, in: Kind349

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staltung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 299a StGB hat sich der Gesetzgeber – entgegen des Entwurfs des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz354 – bewusst gegen eine Restriktion des Täterkreises auf akademische Heilberufe entschieden. Zur Begründung wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung – wie bereits zuvor auch schon im Rahmen des Referentenentwurfs – angeführt,355 dass zwar das generelle Risiko unlauterer Einflussnahme auf Entscheidungen nicht-akademischer Heilberufsgruppen eher etwas weniger schwer wiegen dürfte. Nichtsdestotrotz seien korruptive Praktiken in diesem Bereich aber nicht weniger strafwürdig.356 Bei § 299a StGB handelt es sich nach oben Gesagtem um ein sog. Sonderdelikt. Ein solches liegt vor, wenn nicht jedermann als Täter in Betracht kommt, sondern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um vom Täterkreis erfasst zu werden.357 Aus der Einstufung als Sonderdelikt folgt, dass Täter, mittelbarer Täter oder Mittäter des § 299a StGB nur sein kann, wer Angehöriger eines Heilberufs mit einer staatlich geregelten Ausbildung ist und damit die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Angehörige eines Heilberufs ohne eine staatliche geregelte Ausbildung können dagegen nur als Anstifter oder Gehilfen erfasst werden.358 Die Tätereigenschaft stellt damit ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB dar.359 Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass der Apotheker als akademischer Heilberufsangehöriger, dessen Ausbildung staatlich geregelt wird (vgl. § 5 BApO i.V. m. der Approbationsordnung für Apotheker) ohne Zweifel zunächst als tauglicher Täter des § 299a StGB in Betracht kommt. häuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 93 ff.; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 33 f.; Bannenberg, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, StGB, § 299a Rn. 8; Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, WSS, § 299a Rn. 7; Ufer, in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 299a StGB Rn. 14 ff.; Rosenau, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 299a Rn. 5 ff.; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 133. Gegen eine Anwendung des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf sog. Heilhilfsberufe (wie Krankenpflegepersonal, medizinisch-technische Assistenten und Rettungsassistenten) Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 203 Rn. 12, da das Gesetz nur von Heil-, nicht aber von Assistenzberufen spreche. Eine Anwendbarkeit der Norm auf diese Berufe sei daher mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar. 354 BR-Drs. 16/15, S. 17; siehe hierzu auch die Ausführungen unter § 3 II. 1. b) aa) (1). 355 Zur ausführlichen Begründung siehe die Ausführungen zum Referentenentwurf unter § 3 II. 1. b) bb) (1). 356 Vgl. BT-Drs. 18/6446, S. 17; BMJV-Referentenentwurf, S. 16. Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiel für solche Praktiken der Gesundheitsfachberufe korruptive Absprachen, welche die Weiterverweisung von Patienten an andere Leistungserbringer zum Gegenstand haben, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 357 Stebner, PharmR 2017, 178, 181. 358 Stebner, PharmR 2017, 178, 181. 359 Tsambikakis, medstra 2016, 131, 133; Müller/Opper, FS Schlothauer, 2018, S. 401, 407. Zum Ganzen Rengier, StrafR AT, § 10 Rn. 27.

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b) Mögliche Tatvarianten Ferner wird der Anwendungsbereich der Norm – wie oben bereits einleitend erwähnt – durch die verschiedenen Tatvarianten als Anknüpfungspunkte für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb begrenzt. An dieser Stelle sieht der Gesetzgeber enumerativ drei mögliche Gegenleistungen für einen geforderten, versprochenen oder angenommenen Vorteil vor. aa) Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, § 299a Nr. 1 StGB In § 299a Nr. 1 StGB ist als mögliche unlautere Bevorzugung im Wettbewerb die Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten genannt. Zu den Begriffen Arzneimittel und Medizinprodukt finden sich Legaldefinitionen in § 2 AMG und § 3 MPG. Die Begriffe Heil- und Hilfsmittel sind laut der Gesetzesbegründung § 32 SGB V und § 33 SGB V entnommen. Zur Definition soll auf die in der Rechtsprechung hierzu entwickelten Begriffsbestimmungen zurückgegriffen werden.360 Unter Heilmitteln sind danach Dienstleistungen zu verstehen, die einem Heilzweck dienen und einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildetem Personal erbracht werden dürfen. Hierunter fallen insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie, der podologischen Therapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie Maßnahmen der Ergotherapie.361 Hilfsmittel sind sächliche Mittel, die durch ersetzende, unterstützende oder entlastende Wirkung den Erfolg der Krankenbehandlung sichern, eine Behinderung ausgleichen oder ihr vorbeugen.362 Unter dem Begriff der Verordnung ist ausweislich des Gesetzentwurfs die Verschreibung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln und Medizinprodukten zugunsten von Patienten zu verstehen. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob für das verschriebene Mittel oder Produkt eine Verschreibungspflicht besteht.363 Damit ist zwar unabhängig von der Verschreibungspflicht des § 48 AMG jede Verschreibung zugunsten des Patienten erfasst.364 Dennoch fällt der Apotheker nicht unter die Tatvariante des § 299a Nr. 1 StGB, da der Apotheker zwar Arznei-, Heil- oder 360

BT-Drs. 18/6446, S. 20. BSG, Urt. v. 30.01.2001 – B 3 KR 6/00 R – juris Rn. 15; Wabnitz, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 32 Rn. 4; Moritz-Ritter, in: Hänlein/Schuler, SGB V, § 32 Rn. 2; Joussen, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Sozialrecht, § 32 SGB V Rn. 3; Wagner, in: Krauskopf, Krankenversicherung, Band 1, § 32 SGB V Rn. 4. Vgl. auch BSGE 86, 223 – juris Rn. 29. 362 BSGE 116, 120 – juris Rn. 9; Butzer/Lungstras, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 33 Rn. 4; Wabnitz, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 33 Rn. 2; Joussen, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Sozialrecht, § 33 SGB V Rn. 3. Vgl. auch BSG, Urt. v. 30.01.2001 – B 3 KR 6/00 R – juris Rn. 15; Ellbogen, ArztR 2015, 173, 177. 363 BT-Drs. 18/6446, S. 20. 364 Lorenz, medstra 2017, 342. 361

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Hilfsmittel und Medizinprodukte abgibt, aber nicht verordnet.365 Die Verordnungsentscheidung liegt – anders als die Abgabeentscheidung – ausschließlich im Tätigkeitsbereich des Arztes. bb) Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, § 299a Nr. 2 StGB Die Tatvariante des § 299a Nr. 2 StGB erfasst den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind. Was unter dem Begriff des Bezugs zu verstehen ist, definiert wiederum der Gesetzentwurf. Hiernach umfasst der Bezug jegliche Form des Sich-Verschaffens, sei es auf eigene oder auf fremde Rechnung.366 Nachdem es – wie bereits oben unter § 3 II. 1. b) cc) erläutert – im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch darauf ankam, dass es sich im Rahmen der Bezugsentscheidung um Mittel oder Produkte handelte, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind,367 weicht die heutige Fassung des § 299a Nr. 2 StGB entscheidend vom früheren Regierungsentwurf ab: Nunmehr muss es sich um den Bezug von Mitteln oder Produkten handeln, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind. Soweit es sich also um die Bezugsentscheidung von Arzneimitteln handelt, die zur späteren Abgabe an den Patienten bestimmt sind, fällt dieses Handeln nicht mehr unter die Tatvariante des § 299a Nr. 2 StGB. Da der Apotheker Bezugsentscheidungen trifft, denen keine unmittelbare Anwendung am Patienten folgt,368 führt dies dazu, dass der Apotheker durch die Änderung der Bezugsvariante nicht mehr als „Vorteilsnehmer“ vom Tatbestand des § 299a Nr. 2 StGB erfasst wird; denn der Apotheker gibt die Mittel oder Produkte lediglich an den Patienten weiter. Der Patient selbst wendet sie unmittelbar an.369 Diese Ausführungen beanspruchen im Ergebnis auch Geltung für den (Sonder-) Fall eines Krankenhausapothekers. Auch seine Bezugsentscheidungen erfüllen nicht die Tatvariante des § 299a Nr. 2 StGB. Krankenhausapotheken versorgen, im Unterschied zu öffentlichen Apotheken, nicht die allgemeine Öffentlichkeit. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, die Versorgung eines Krankenhauses mit Arzneimitteln sicherzustellen.370 Aus diesem Grund geben Krankenhausapotheker Arzneimittel nicht an die Patienten ab. 365

Momsen/Niang, medstra 2018, 12, 14. BT-Drs. 18/6446, S. 22. 367 BT-Drs. 18/6446, S. 22. 368 Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132; Lorenz, medstra 2017, 342, 344. 369 Vgl. Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 51. 370 Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 33. 366

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Zulässig ist allein eine Abgabe an Ärzte bzw. an Stationen der Krankenhäuser, andere Teileinheiten sowie an Personen, die im Krankenhaus beschäftigt sind.371 Wendet der Arzt im Krankenhaus oder einer seiner Berufshelfer Arzneimittel, die der Krankenhausapotheker zuvor für den Arzt bezogen hat, unmittelbar am Patienten an, könnte bei flüchtiger Betrachtung in Erwägung gezogen werden, dass die Tatvariante des § 299a Nr. 2 StGB durch den Krankenhausapotheker erfüllt ist; denn der Krankenhausapotheker bezieht als Angehöriger eines Heilberufs und damit als tauglicher Täter des § 299a StGB Arznei-, Hilfsmittel oder Medizinprodukte, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung beim Patienten durch einen Arzt als weiteren Heilberufsangehörigen bestimmt sind. Mit Blick auf die Formulierung des § 299a Nr. 2 StGB ist jedoch eine Erfüllung der Tatvariante durch den Krankenhausapotheker zu verneinen. Aus dem Wortlaut „durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer“ wird deutlich, dass gerade derjenige das Mittel oder Produkt unmittelbar am Patienten anwenden muss, der auch der Täter des § 299a StGB ist. Könnten tauglicher Täter des § 299a StGB und der unmittelbar anwendende Heilberufsangehörige im Sinne des § 299a Nr. 2 StGB zwei unterschiedliche Personen sein, müsste die Formulierung vielmehr „durch einen Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer“ lauten. Da der Krankenhausapotheker als tauglicher Täter des § 299a StGB nicht zugleich unmittelbar anwendender Heilberufsangehöriger ist, erfüllt auch der Krankenhausapotheker im Ergebnis nicht die Handlungsvariante des § 299a Nr. 2 StGB. cc) Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial, § 299a Nr. 3 StGB Schließlich sieht § 299a Nr. 3 StGB als mögliche Gegenleistung eines geforderten, versprochenen oder angenommenen Vorteils die Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial vor. Mit der Verwendung der Begrifflichkeit „Zuführung“ anstelle des im Sozial- und Berufsrecht bereits bekannten Begriffs der „Zuweisung“372 wollte der Gesetzgeber verdeutlichen, dass im Rahmen der Zuführung die Form der Einwirkung auf den Patienten keine Rolle spielt. Vielmehr sollen unter den Terminus der „Zuführung“ auch mündliche und unverbindliche Empfehlungen des Heilberufsangehörigen subsumiert werden.373 Es soll damit die korruptiv beeinflusste Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit des Patienten zugunsten eines Dritten verhindert werden. Im Folgenden ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sich der Apotheker nach der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB strafbar machen kann. 371 Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 33. 372 Z. B. § 73 Abs. 7 SGB V oder § 31 MBO-Ärzte. 373 BT-Drs. 18/6446, S. 20.

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(1) Grammatische Auslegung Den Ausgangspunkt einer jeden Auslegung bildet der Wortlaut.374 Viele Begriffe haben mehrere Bedeutungen.375 Das Ziel der grammatischen Auslegung besteht daher darin, den Sprachsinn oder Sprachgebrauch einer Norm bzw. eines einzelnen in ihr enthaltenen Begriffs zu ermitteln.376 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bildet der mögliche Wortsinn auch die Grenze der Auslegung, welche grundsätzlich nur im Wege der Rechtsfortbildung überwunden werden kann.377 Maßgeblich für die Bestimmung des möglichen Wortsinns ist die Sicht des Normadressaten.378 Dies bedeutet, dass im Rahmen der grammatischen Auslegung der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich ist.379 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „zuführen“ auch „zuleiten“ oder „mit jemandem zusammenbringen“.380 Dieser Wortsinn bildet die Grenze für die grammatische Auslegung der Tatbestandvariante „Zuführen von Patienten“. Unterstellt, ein Apotheker verkauft aufgrund eines finanziellen Vorteils seitens eines Pharmaunternehmens bestimmte Arzneimittel bevorzugt an seine Kunden bzw. Patienten, ist es durchaus vom Wortsinn erfasst, dass der Apotheker dem Pharmaunternehmen den jeweiligen Patienten zugeleitet bzw. den Patienten durch den Kauf des Arzneimittels mit dem Pharmaunternehmen zusammengebracht hat. Im Ergebnis könnte diese „erkaufte“ Anpreisung eines Arzneimittels 374 BVerfGE 122, 248 – juris Rn. 98 – Sondervotum Voßkuhle, Osterloh, Di Fabio; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band III, S. 670; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 613; Zippelius, Methodenlehre, S. 37; Schmalz, Methodenlehre, S. 88; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 453; Schwacke, Juristische Methodik, S. 93 u. 107; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163; Möllers, Methodenlehre, S. 120. 375 Wienbracke, Methodenlehre, S: 50; Schwintowski, Methodenlehre, S. 67; Zippelius, Methodenlehre, S. 17 u. 38; Wank, Auslegung, S. 42; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 133. 376 Vogel, Juristische Methodik, S. 114; Wienbracke, Methodenlehre, S. 50; Wank, Auslegung, S. 41; Schwintowski, Methodenlehre, S. 67; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 361; vgl. auch Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 613. 377 BVerfGE 71, 108 – juris Rn. 16; 73, 206 – juris Rn. 65; 85, 69 – juris Rn. 18; 92, 1 – juris Rn. 35 u. 46; so auch Vogel, Juristische Methodik, S. 117; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 294; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163 f.; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 235 f.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 93 u. 121; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 614 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 39; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 189 f.; Walz, ZJS 2010, 482, 487; in diese Richtung ebenfalls Engisch, Einführung, S. 131. A. A. Reimer, Methodenlehre, S. 249; Wank, Auslegung, S. 44 u. 84, nach dem sich die Grenze der Auslegung aus dem Sinn des Gesetzes ergibt. 378 BVerfGE 73, 206 – juris Rn. 65; 92, 1 – juris Rn. 69; Vogel, Juristische Methodik, S. 117; Rengier, StrafR AT, § 4 Rn. 31; Schwacke, Juristische Methodik, S. 93; vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 439; Schwintowski, Methodenlehre, S. 112. 379 Vogel, Juristische Methodik, S. 117; vgl. auch Möllers, Methodenlehre, S. 124; a. A. Wank, Auslegung, S. 43, nach dem die juristisch-fachsprachliche Bedeutung maßgeblich sein soll. 380 https://www.duden.de/rechtschreibung/zufuehren#Bedeutung1b, zuletzt abgerufen am 25.05.2020.

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an einen Kunden als eine „Zuführung von Patienten“ angesehen werden. Nach dem Wortlaut erscheint es prima vista nicht unvertretbar, ein solches Verhalten des Apothekers unter die Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB zu subsumieren. (2) Teleologische Auslegung Mit Hilfe der teleologischen Auslegung soll der Zweck einer Norm ermittelt werden.381 Die hieran anknüpfende und zu beantwortende Frage lautet daher: Aus welchem Grund wurde das jeweilige Gesetz erlassen.382 Dieser Frage liegt im Strafrecht die Prämisse zugrunde, dass ein bestimmtes Verhalten nur unter Strafe gestellt werden darf, wenn hiermit der Schutz eines bestimmten und schützenswerten Rechtsguts des Einzelnen oder der Allgemeinheit verfolgt wird.383 Der Grund für den Erlass des jeweiligen Gesetzes bzw. der zu ermittelnde Normzweck ergibt sich daher bei Strafvorschriften aus dem jeweiligen zu schützenden Rechtsgut.384 Es ist somit zunächst herauszuarbeiten, welches Rechtsgut bzw. welche Rechtsgüter mit der Einführung des § 299a StGB geschützt werden sollen. Anschließend ist die Frage zu beantworten, ob der oben gebildete Beispielsfall, wonach der Apotheker aufgrund eines finanziellen Vorteils seitens eines Pharmaherstellers bestimmte Arzneimittel bevorzugt an seine Kunden abgibt, von diesem Normzweck erfasst ist. (a) Geschützte Rechtsgüter des § 299a StGB (aa) Schutz des fairen Wettbewerbs Zweifellos soll § 299a StGB – wie auch die anderen im 26. Abschnitt des Strafgesetzbuchs enthaltenen Straftatbestände – den „wettbewerbsrechtlich strukturierten Ordnungsmechanismus“ schützen.385 Gemeint ist damit im Hinblick auf 381 Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 187; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band III, S. 676; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 364; Vogel, Juristische Methodik, S. 124; Schmalz, Methodenlehre, S. 97; Möllers, Methodenlehre, S. 159 f. Nach Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 447 ff. handelt es sich bei der Ermittlung des Normzwecks nicht um ein Auslegungskriterium. Vielmehr stelle die Ermittlung des Normzwecks das Ziel der Auslegung dar. 382 Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 364; vgl. auch Möllers, Methodenlehre, S. 160. 383 Vgl. v. Heintschel-Heinegg, Beck-OK, StGB, § 1 Rn. 1.1; Weigend, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, Einl. Rn. 7; Hassemer/Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, Vorb. zu § 1 Rn. 62; Günther, JuS 1978, 8, 9; Vogel, Juristische Methodik, S. 125. 384 Vogel, Juristische Methodik, S. 125; vgl. auch Wienbracke, Methodenlehre, S. 71 Vasilikou, Zuwendungen, S. 200. 385 BT-Drs. 18/6446, S. 16.

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§ 299a StGB der faire Wettbewerb im Gesundheitswesen,386 der vor korruptiven Verhaltensweisen geschützt werden soll. Umfasst ist hierbei nicht nur der inländische, sondern auch der ausländische Wettbewerb. Nach der Gesetzesbegründung komme der Schutz des fairen Wettbewerbs der ganz großen Mehrheit der ehrlich arbeitenden und Korruptionsrisiken vermeidenden Ärzte, Apotheker und sonstigen Heilberufsausübenden zugute.387 Dies bedeutet, dass auch die Mitbewerber im Gesundheitswesen von dem zu schützenden Rechtsgut mitumfasst sein sollen.388 Lediglich mittelbar soll nach h. M. § 299a StGB hingegen die Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen, der Patienten sowie der gesetzlichen Krankenversicherung schützen.389 Aus diesem Grund handelt es sich bei diesem Straftatbestand auch nicht um ein Vermögensgefährdungsdelikt. (bb) Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen Im Hinblick auf das mögliche zweite Schutzgut des § 299a StGB bedarf es hingegen eines größeren Argumentationsaufwands: Ursprünglich waren zwei Anknüpfungspunkte für eine Unrechtsvereinbarung in der Tatbestandsfassung vorgesehen, um einem vom Gesetzgeber beabsichtigten doppelten Rechtsgüterschutz – Schutz des fairen Wettbewerbs und Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen390 – zu verfolgen. Zum einen war nach § 299a Abs. 1 Nr. 1 StGB-RegE nach dem sog. „Wettbewerbsmodell“ das Fordern, Annehmen oder Sich-Versprechen-Lassen eines Vorteils als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung eines anderen im Wettbewerb unter Strafe gestellt. Andererseits sollten nach dem sog. „Berufsrechtsmodell“ gemäß § 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB-RegE näher bezeichnete Heilberufsangehörige strafrechtlich verfolgt werden, wenn diese Vorteile als Gegenleistung für eine Verletzung ihrer berufsrechtlichen Pflichten zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit for-

386

Vgl. BT-Drs. 18/6446, S. 12. BT-Drs. 18/6446, S. 12. 388 Vgl. auch Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 9; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 45. 389 BT-Drs. 18/6446, S. 13; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299a Rn. 2; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299a Rn. 1; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/ Saliger/Tsambikakis, WSS, § 299a Rn. 5; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 10; Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 8; Bannenberg, in: Dölling/ Duttge/König/Rössner, StGB, § 299a Rn. 6; Fischer, StGB, § 299a Rn. 3; Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 60; Hohmann, in: MüKo StGB, § 299a Rn. 1; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 45; Wollschläger, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, StGB, § 299a Rn. 3. 390 BT-Drs. 18/6446, S. 12. 387

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dern, annehmen oder sich versprechen lassen. Nach vielfach geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken391 empfahl der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seiner abschließenden Beschlussempfehlung, das Berufsrechtsmodell ersatzlos zu streichen.392 Dieser Empfehlung folgte der Bundestag und nahm das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in seiner geänderten Ausschussfassung an.393 Aufgrund der zwischenzeitlichen Streichung des Berufsrechtsmodells wird in der Literatur jedoch vielfach die Frage aufgeworfen, ob weiterhin ein doppelter Rechtsgüterschutz verfolgt wird und damit auch weiterhin das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen als schützenswertes Rechtsgut des § 299a StGB angesehen werden kann.394 In diesem Zusammenhang wird vertreten, mit Wegfall des Berufsrechtsmodells sei das Anliegen des Gesetzgebers, mit § 299a StGB einen doppelten Rechtsgüterschutz zu verfolgen, aufgrund der gesetzgewordenen Tatbestandsausgestaltung nicht mehr möglich. Vielmehr stelle der Schutz des fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen das einzig zu schützende Rechtsgut dar. Anknüpfungspunkt für eine Unrechtsvereinbarung sei nunmehr ausschließlich die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb, sodass das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen durch § 299a StGB allenfalls nur noch mittelbar bzw. reflexartig geschützt werden könne.395 Zudem spreche die Einordnung in den 26. Abschnitt des Strafgesetzbuches („Straftaten gegen den Wettbewerb“) gegen ein pluralistisches Rechtsgutsmodell.396 Nach dieser Auffassung könnte das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen im Rahmen der teleologischen Auslegung nicht mehr als eigenständiges Rechtsgut herangezogen werden.397 391 Siehe hierzu die näheren Ausführungen unter § 3 II. 1. b) cc) (3). Siehe ferner bereits die Kritik zum Referentenentwurf unter § 3 II. 1. b) bb) (3). 392 BT-Drs. 18/8106, S. 15. 393 Siehe hierzu die näheren Ausführungen unter § 3 II. 1. b) dd) und ee). 394 Siehe hierzu Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 12 ff.; Rübenstahl/ Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299a Rn. 4 ff.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299a Rn. 1; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132 f.; Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 49 f.; Dann/Scholz, NJW 2016, 2077 f.; Kölbel, medstra 2016, 193 f.; Lorenz, medstra 2017, 342, 344; Wittig, WiStrafR § 26 Rn. 65. 395 Zum Ganzen vgl. Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 12 ff.; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299a Rn. 4 f.; Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 8; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299a Rn. 1; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132 f.; Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 49 f.; Duttge, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 15, 22; Kubiciel, jurisPR-Compl 3/ 2016 Anm. 1; Dann/Scholz, NJW 2016, 2077 f.; Kölbel, medstra 2016, 193 f.; Lorenz, medstra 2017, 342, 344; Seifert, medstra 2017, 280, 282 f.; Reinholz, rescriptum 2016, 134, 140; Schneider, in: Bleicken/Zumdick, Gesetz zur Bekämpfung von Korruption, S. 17; Wittig, WiStrafR § 26 Rn. 65; Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/ Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 57 ff. 396 Dann/Scholz, NJW 2016, 2077; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132. 397 Vgl. Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 13.

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Die besseren Argumente sprechen hingegen für einen Rechtsgüterpluralismus. Der Gesetzgeber hielt trotz der Streichung des Berufsrechtsmodells weiterhin an einem doppelten Rechtsgüterschutz des § 299a StGB fest.398 Dies bedeutet, dass über den Wettbewerbsschutz auch der Patient geschützt werden soll. Geiger begründet die These vom Schutz des Patienten über den Schutz des Wettbewerbs zutreffend mit der in § 1 UWG verankerten Zweckbestimmung: § 1 UWG schütze zum einen das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb und zum anderen die Verbraucherinnen und Verbraucher. Im Gesundheitswesen seien dies die Patientinnen und Patienten. Gerade das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sei aber bei der Auslegung des Tatbestandmerkmals der Unlauterkeit als „Referenzmaterie“ des § 299a StGB heranzuziehen.399 Als ein weiteres überzeugendes Argument für einen doppelten Rechtsgüterschutz wird von Dannecker/Schröder vorgebracht, es müsse bei § 299a StGB zwischen Handlungsobjekt und Rechtsgut differenziert werden. Demnach sei das Rechtsgut des Schutzes des Vertrauens der Patienten in die Integrität der heilberuflichen Entscheidung beeinträchtigt, wenn der Heilberufsangehörige illegale finanzielle Zuwendungen von Wettbewerbern erhalte. Der unbeeinflusste Wettbewerb stelle dann das Handlungsobjekt dar, dessen Verletzung zwei Rechtsgüter beeinträchtige. Beide Rechtsgüter erforderten es, dass korruptive Beeinflussungen unterbleiben. Diese Differenzierung zwischen Handlungsobjekt und Rechtsgut sei auch keine eigens für § 299a StGB geschaffene Konstruktion. Vielmehr sei diese bereits an anderen Stellen des StGB zu finden, beispielsweise in § 212 StGB (Handlungsobjekt: Mensch, Rechtsgut: Leben) oder in § 267 StGB (Handlungsobjekt: Urkunde, Rechtsgut: Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs).400 Die letztgenannte Auffassung, § 299a StGB bezwecke einen doppelten Rechtsgüterschutz, verdient im Ergebnis Beifall401, da nur diese Ansicht sich mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Einklang bringen lässt. Wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet, kommt gerade diesem gesetzgeberischen Willen im Rahmen der Auslegung eine herausragende Bedeutung zu.402 Die von der Gegenmeinung propagierte Auffassung, der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachte doppelte Rechtsgüterschutz sei nicht mehr als eine bloße 398

BT-Drs. 18/8106, S. 13 u. 17. Geiger, CCZ 2016, 172, 174. 400 Dannecker/Schröder, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 43, 63 f. 401 Für einen doppelten Rechtsgüterschutz auch Fischer, StGB, § 299a Rn. 3; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 28 ff.; dies., in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 43, 60 ff.; Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 147 ff.; Bannenberg, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, StGB, § 299a Rn. 6; Sahan, in: Graf/ Jäger/Wittig, WSS, § 299a Rn. 3; Geiger, CCZ 2016, 172, 173 f.; Grzesiek/Sauerwein, NZWiSt 2016, 369, 370; Bahner, Praxishandbuch, S. 21 f. 402 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 1. a). 399

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB

„Leerformel“ 403 oder stelle leidglich eine „unverbindliche Rechtsmeinung“ dar, die für die Auslegung unbeachtlich sei,404 kann mit Blick auf die Kriterien der Methodenlehre nicht überzeugen. (b) Anwendung auf den Beispielsfall Den Ausgangspunkt der Überlegung bildete die Frage, ob der Apotheker sich nach der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB strafbar machen kann. Dies ist auch anhand der teleologischen Auslegung zu überprüfen. Nachdem herausgearbeitet wurde, dass der Straftatbestand des § 299a StGB zwei Rechtsgüter schützt – den fairen Wettbewerb und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen – und damit klar erkennbar der Grund für den Erlass des § 299a StGB hervorgetreten ist, ist an dieser Stelle der Arbeit nunmehr zu erörtern, ob der oben dargelegte Beispielsfall von diesem Normzweck erfasst ist. Zunächst ist der Beispielsfall nochmals in Erinnerung zu rufen: Ein Pharmareferent der P-GmbH bietet dem Apotheker A als Geschäftsherr einer öffentlichen Apotheke einen Vorteil an, wenn er künftig die Arzneimittel der P-GmbH bevorzugt bezieht und bevorzugt an Patienten abgibt. Hierauf lässt sich A ein. Als Gegenleistung für die bevorzugt bezogenen bzw. abgegebenen Arzneimittel soll A in der Folgezeit eine umsatzbezogene Rückvergütung (sog. kickback) erhalten. Ein solches Verhalten des Apothekers unter Strafe zu stellen, würde zweifellos sowohl dem Schutz des fairen Wettbewerbs, als auch dem Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen dienen und würde damit nicht den Normzweck des § 299a StGB konterkarieren; denn der faire Wettbewerb zwischen den Pharmaunternehmen wäre geschützt und die Patienten könnten darauf vertrauen, dass sich der Apotheker bei seiner heilberuflichen Entscheidung nicht von sachfremden Motiven leiten lässt. Die teleologische Auslegung spricht damit für eine Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a Nr. 3 StGB. (3) Historische Auslegung Im Rahmen der historischen Auslegung wird ein besonderes Augenmerk auf die Entstehungsgeschichte der Norm gelegt. Ziel ist es, anhand des Gesetzgebungsverfahrens und der Gesetzesmaterialien den Willen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln.405 Dabei soll nochmals in Erinnerung gerufen werden, dass nicht der Wille einer kleinen, an der Gesetzgebung beteiligten, Personen-

403

Kölbel, medstra 2016, 193. Dann/Scholz, NJW 2016, 2077 f. 405 Wienbracke, Methodenlehre, S. 67; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 486; vgl. auch Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 620; Möllers, Methodenlehre, S. 140 u. 150. 404

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gruppe entscheidend ist. Vielmehr soll der aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte erkennbare historische Regelungszweck herausgearbeitet werden.406 Zunächst verweist die Gesetzesbegründung bei der Definition der Begrifflichkeit der Zuführung von Patienten mit § 73 Abs. 7 SGB V und § 31 MBO-Ärzte allein auf Vorschriften, die für (Vertrags-)Ärzte gelten.407 Es drängt sich daher die Frage auf, ob der Apotheker von der Tatbestandsalternative des § 299a Nr. 3 StGB überhaupt erfasst ist oder die Vorschrift – insbesondere durch den Verweis auf § 73 Abs. 7 SGB V und § 31 MBO-Ärzte – allein (Vertrags-)Ärzte in den Blick nehmen möchte. Apotheker können – wie Ärzte – auf die Entschlussfreiheit der Patienten einwirken, um deren Auswahl zu beeinflussen. Auf diesen Befund wird an anderer Stelle aufgebaut: Gemäß § 8 der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg sind Apotheker verpflichtet, Kunden, Ärzte und Angehörige anderer Berufe im Gesundheitswesen herstellerunabhängig über Arzneimittel und Medizinprodukte zu beraten. Die Vorschrift nimmt demnach auch Patienten in den Blick. Des Weiteren enthält die Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg eine mit § 31 MBO-Ärzte vergleichbare Regelung: Nach § 12 der Berufsordnung für Apotheker in Baden-Württemberg sind Vereinbarungen, Absprachen und Handlungen, die die Zuführung von Patienten zum Gegenstand haben, vorbehaltlich gesetzlich geregelter Ausnahmen unzulässig. Dadurch, dass die Begrifflichkeiten „Zuführung“ und „Patienten“ auch in der Berufsordnung der Apotheker verwendet werden, lässt dies den Schluss zu, dass – obwohl die Gesetzesbegründung ihre Definition auf (vertrags-)ärztliche Vorschriften stützt – der Apotheker nicht ohne weiteres vom Anwendungsbereich der Zuführungsvariante ausgeschlossen werden kann. Nimmt man die Definition des Zuführungsbegriffs noch einmal genauer unter die Lupe, wird die vorstehende These weiter durch die nachfolgende Überlegung gestützt: Laut Gesetzesbegründung entspricht der Begriff „Zuführung“ inhaltlich dem sozial- und berufsrechtlichen Zuweisungsbegriff des § 73 Abs. 7 SGB V und § 31 MBO-Ärzte.408 Unter den Terminus der Zuweisung subsumiert man damit „jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Auswahl eines Arztes oder eines anderen Leistungserbringers zu beeinflussen. Erfasst wird danach jede erfolgreiche Patientenzuführung, ob durch Zuweisung oder Überweisungen, Verweisung oder Empfehlung.“ 409 Demnach muss gerade die Auswahl des Patienten im Hinblick auf einen Arzt oder anderen Leistungserbringer im Gesund406

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 490; Möllers, Methodenlehre, S. 153. Lorenz, medstra 2017, 342, 344. 408 BT-Drs. 18/6446, S. 20. 409 Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, MBO-Ärzte, § 31 Rn. 3; vgl. auch BGH, Urt. v. 13. Januar 2011, I ZR 111/08 – juris Rn. 68. 407

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heitswesen beeinflusst werden. Der Apotheker müsste also bei der Abgabe der Arzneimittel die Auswahl des Patienten im Hinblick auf einen anderen Leistungserbringer beeinflussen. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Pharmaunternehmen ein solcher Leistungserbringer sein kann. Eine Definition des Begriffs des Leistungsempfängers lässt die Gesetzesbegründung zwar vermissen. Vieles spricht jedoch dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff des Leistungsempfängers an das tradierte Begriffsverständnis der §§ 69 ff. im vierten Kapitel des SGB V anknüpfen wollte; denn bereits an anderer Stelle – namentlich bei der Definition des Zuführungsbegriffs – hat der Gesetzgeber auf eine Begrifflichkeit des Sozialrechts verwiesen. Das vierte Kapitel des SGB V geht von einem weiten Leistungserbringerbegriff aus, der sich nicht nur auf diejenigen Leistungserbringer beschränkt, die im Wege des Sachleistungsprinzips410 für die gesetzlichen Krankenkassen Leistungen unmittelbar gegenüber den Versicherten erbringen. Auch solche Leistungserbringer, die nicht in direktem Kontakt mit den Versicherten stehen, wie die pharmazeutischen Unternehmer, sind Leistungserbringer im Sinne der §§ 69 ff. SGB V.411 Überträgt man diesen Befund auf die Definition der Zuführung, wird deutlich, dass der Apotheker demnach die Auswahl des Patienten durch seine Empfehlung von Arzneimitteln eines bestimmten Pharmaunternehmens im Hinblick auf einen Leistungserbringer – nämlich genau das empfohlene Pharmaunternehmen – beeinflussen kann. Dies hat zur Konsequenz, dass der Apotheker dem Pharmaunternehmen nach der Begriffsdefinition der Gesetzesbegründung den Patienten zugeführt hätte. Der Apotheker unterfällt somit – zumindest nach der Definition des Zuführungsbegriffs – der Tatvariante des § 299a Nr. 3 StGB. Richtet man den Blick hingegen weg von der Definition des Zuführungsbegriffes und hin zu den einzelnen Etappen des Gesetzgebungsverfahrens, tritt dagegen eine entgegengesetzte gesetzgeberische Grundentscheidung deutlich hervor: Die Abgabeentscheidung soll lediglich im Hinblick auf die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen der Bezugsentscheidung als besondere Form der Abgabe erfasst sein. Im Übrigen soll die Abgabeentscheidung des Apothekers in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte aus dem Tatbestand des § 299a StGB herausfallen.412 Würde man nun die Empfehlung eines Arzneimittels oder Medizinproduktes unter die Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB subsumieren, durchkreuzte man die Intention des Gesetzgebers.413

410 Zum Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung siehe die näheren Ausführungen unter § 4 I. 1. a). 411 Engelmann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 69 Rn. 18; vgl. auch Wendtland, in: BeckOK, SGB V, § 69 Rn. 5. 412 Siehe hierzu BT-Drs. 18/8106, S. 15 und die Ausführungen unter § 3 II. 1. c). 413 So auch Tillmanns/Braun, MPR 2016, 151, 152.

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Im Résumé bleibt festzuhalten, dass der Apotheker nach der grammatischen und teleologischen Auslegung zwar durchaus vom Tatbestand des § 299a Nr. 3 StGB erfasst sein könnte und auch ein mögliches Handeln des Apothekers unter die Definition des Zuführungsbegriffes nach § 299a Nr. 3 StGB subsumiert werden kann. Dies entspräche in einem ersten Schritt auch der grundsätzlichen Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Strafbarkeitslücken zu schließen.414 Das Ergebnis lässt sich jedoch nicht mit dem gesetzgeberischen Willen im Hinblick auf den Apotheker in Einklang bringen. Aus der Gesetzgebungshistorie geht eindeutig die Absicht hervor, die heilberufliche Abgabeentscheidung nur mit Blick auf die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln im Zusammenhang mit der Bezugsentscheidung als besondere Form der Abgabe zu pönalisieren. Abgesehen hiervon sollte die Abgabeentscheidung des Apothekers in Bezug auf Arzneimittel vom Tatbestand des § 299a StGB nicht erfasst sein. Nach alledem gelangt man im Rahmen der historischen Auslegung zu dem Ergebnis, dass sich der Apotheker nicht nach der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB strafbar machen kann, wenn er von einem Pharmaunternehmen eine umsatzbezogene Rückvergütung als Gegenleistung für dessen unlautere Bevorzugung im Wettbewerb erhält. (4) Teleologische Reduktion (a) Abgrenzung zur restriktiven Auslegung Fraglich ist, wie der obige Befund dogmatisch stimmig eingeordnet werden kann. Als möglicher Transmissionsriemen bietet sich hierfür entweder eine restriktive Auslegung oder eine teleologische Reduktion an. Beide Lösungsvarianten kommen bei einem zu weit gefassten Anwendungsbereich einer Norm in Betracht. Die restriktive Auslegung gelangt jedoch innerhalb der Grenzen des möglichen Wortsinns zu einem Interpretationsergebnis des jeweiligen Tatbestandsmerkmals, wohingegen die teleologische Reduktion eine Art Rechtsfortbildung darstellt, die ein Ergebnis jenseits des möglichen Wortsinns sucht.415 Sowohl die restriktive Auslegung als auch die teleologische Reduktion sind im Strafrecht im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmtheit der Strafbarkeit (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB)416 zulässig, soweit sie sich für den Normadressaten nicht zu dessen Nachteil auswirken.417 Gemessen an diesem Maßstab, bedeutet dies für 414

BT-Drs. 18/6446, S. 1. Vgl. Wank, Auslegung, S. 83 u. 86; Reimer, Methodenlehre, S. 270; Möllers, Methodenlehre, S. 229. 416 Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. 417 Vogel, Juristische Methodik, S. 135. 415

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den vorliegenden Fall, dass sowohl eine restriktive Auslegung als auch eine teleologische Reduktion der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB zulässig wäre, da beide Lösungsansätze hier tatbestandseinschränkend wirken und das strafbare Verhalten nicht zulasten des Normadressaten unvorhersehbar ausdehnen. Wie bereits erwähnt, kann bei einem zu weit geratenen Wortlaut, eine restriktive Auslegung des Tatbestandmerkmals in Betracht kommen. Erst wenn eine restriktive Auslegung ausscheidet, ist eine teleologische Reduktion in Erwägung zu ziehen,418 da eine Rechtsfortbildung nur zulässig ist, wenn die Möglichkeit einer Auslegung ausscheidet.419 Im Rahmen der restriktiven Auslegung ist der zu weit geratene Wortlaut eng zu interpretieren.420 Allerdings kommt eine enge Auslegung nur in Betracht, wenn Zweifel bestehen, ob der zu entscheidende Fall noch vom Wortsinn des auszulegenden Tatbestandsmerkmals erfasst ist.421 Ein solcher Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor. Zweifel, ob der Apotheker bei dem bevorzugten Verkauf bestimmter Arzneimittel an einen Patienten unter den Wortsinn des Tatbestandmerkmals „zuführen“ fällt, bestehen nicht. Vielmehr ist der Apotheker nach dem Wortsinn eindeutig von der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB erfasst.422 Eine restriktive Auslegung scheidet somit aus. (b) Wesen der teleologischen Reduktion Vor diesem Hintergrund verleibt allein die teleologische Reduktion als dogmatischer Ansatzpunkt, um den obigen Befund stimmig einzuordnen. Bei der teleologischen Reduktion handelt es sich um eine Form der Rechtsfortbildung, die jedoch grundsätzlich dem Aufgabenbereich des Gesetzgebers unterfällt.423 Von der teleologischen Reduktion darf daher – im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung – nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.424 Zudem sollte bedacht werden, dass eine Abweichung vom klaren Wortlaut des Gesetzes eine Beeinträchtigung des Vertrauens in das geschriebene Gesetz und der Rechtssicherheit nach sich ziehen kann.425 Dies spricht umso mehr dafür, das Instrument der teleologischen Reduktion sparsam einzusetzen. Eine Anwendung des Instru418

Schmalz, Methodenlehre, S. 131; vgl. auch Wank, Auslegung, S. 83. Schmalz, Methodenlehre, S. 125; Wienbracke, Methodenlehre, S. 92; Schwacke, Juristische Methodik, S. 121; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191. Vgl. auch Möllers, Methodenlehre, S. 443. 420 Schwacke, Juristische Methodik, S. 93; vgl. Wank, Auslegung, S. 46. 421 Schmalz, Methodenlehre, S. 131; vgl. Beaucamp/Treder, Methoden, S. 98. 422 S. o. § 3 II. 2. b) cc) (1). 423 Vgl. Wank, Auslegung, S. 84; Zippelius, Methodenlehre, S. 53. 424 Vgl. BVerfGE 88, 145 – juris Rn. 66 ff.; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191; Vogel, Juristische Methodik, S. 87 f. u. 135; Wank, Auslegung, S. 86; Kanzler, Beratungsverträge, S. 112. Mit weiteren Gründen gegen eine Rechtsfortbildung Wank, Grenzen, S. 154 ff.; Reimer, Methodenlehre, S. 247. 425 Schmalz, Methodenlehre, S. 133; vgl. Zippelius, Methodenlehre, S. 54. 419

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ments ist jedoch ausnahmsweise geboten, wenn der zu weit gefasste Wortlaut eines Tatbestandsmerkmals begrenzt werden muss, um den Sinn des Gesetzes, die ratio legis, zu wahren.426 In diesem Fall werden bestimmte Konstellationen vom Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen, obwohl diese vom Wortlaut ohne weiteres erfasst wären.427 Der Anwendungsbereich wird dadurch entsprechend dem Sinn des Gesetzes eingeschränkt. Im Folgenden ist daher die ratio legis des § 299a StGB herauszuarbeiten, um anschließend die Reichweite der teleologischen Reduktion bestimmen zu können. (c) Ratio legis des § 299a StGB Zunächst ist demnach der Sinn des § 299a StGB zu ermitteln. Es stellt sich daher zunächst die Frage, welcher rechtspolitische Gestaltungswille mit dem Erlass der Norm verwirklicht werden sollte. Eine Antwort auf diese Frage liefert das mit der Vorschrift verfolgte Ziel des Gesetzgebers.428 Der Normsinn kann dadurch ermittelt werden, dass man sich Klarheit darüber verschafft, welche Missstände der Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses beheben wollte.429 Zusätzlich muss bei der Bestimmung des Gesetzessinns aber auch bedacht werden, dass der Wille des Gesetzgebers immer noch die Leitlinie für eine Rechtsfortbildung darstellt.430 Aufgrund dessen, muss ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, welche Sachverhalte der Gesetzgeber von der Norm erfasst wissen wollte und welche Sachverhalte er gerade nicht beabsichtigte, zu regeln. Wirft man einen Blick in den Gesetzentwurf der Bundesregierung,431 so tritt der zum damaligen Zeitpunkt vorherrschende, unbefriedigende Rechtszustand unmittelbar zu Tage. Nach Auffassung der Gesetzesbegründung beeinträchtige Korruption im Gesundheitswesen den Wettbewerb, verteuere medizinische Leistungen und untergrabe das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuf426 Vgl. BVerfGE 35, 263 – juris Rn. 44 ff.; 88, 145 – juris Rn. 66 ff.; Beaucamp/ Treder, Methoden, S. 97; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 f.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 480; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 286 f. u. 311 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 551 f.; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 621; Kanzler, Beratungsverträge, S. 112; Schwacke, Juristische Methodik, S. 140; Vogel, Juristische Methodik, S. 134; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191; Zippelius, Methodenlehre, S. 56; Reimer, Methodenlehre, S. 270; Möllers, Methodenlehre, S. 229. 427 Beaucamp/Treder, Methoden, S. 97; Wank, Auslegung, S. 46; Schwacke, Juristische Methodik, S. 140; vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 311; Schmalz, Methodenlehre, S. 131; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191. 428 Vgl. Pawlowski, Methodenlehre, S. 84; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 444. 429 Vgl. Wank, Grenzen, S. 64. 430 Vgl. BVerfGE 18, 97 – juris Rn. 50; 71, 81 – jruis Rn. 56; Tettinger/Mann, Juristische Arbeitstechnik, S. 168; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 192; Vogel, Juristische Methodik, S. 125 431 BT-Drs. 18/6446.

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licher Entscheidungen. Wegen der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens sei korruptiven Praktiken in diesem Bereich daher auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Dies sei aber nach gegenwärtiger Rechtslage nur unzureichend möglich, weshalb bei der strafrechtlichen Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Lücken bestünden.432 Demnach verfolgte der Gesetzgeber mit dem Erlass des § 299a StGB das Ziel, bestehende Strafbarkeitslücken im Hinblick auf korruptive Verhaltensweisen im Gesundheitswesen zu schließen. In diesem Kontext darf aber nicht aus den Augen verloren werden, welche Fälle der Gesetzgeber trotz seines angestrebten Ziels mit der Vorschrift nicht regeln wollte. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift geht – wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet – eindeutig hervor, dass heilberufliche Abgabeentscheidungen als eigenständige Handlungsvariante vom Tatbestand des § 299a StGB nicht erfasst sein sollten.433 Dieser gesetzgeberische Wille ist bei der Bestimmung des Normsinnes als Leitlinie maßgeblich und steckt die Grenzen der ratio legis ab. Entsprechend dieser ratio ist der Anwendungsbereich des § 299a Nr. 3 StGB in der Folge einzuschränken. Für den eingangs aufgeworfenen Ausgangsfall bedeutet dies Folgendes: Unterstellt, der Apotheker verkauft aufgrund eines finanziellen Vorteils seitens eines Pharmaherstellers bestimmte Arzneimittel bevorzugt an seine Patienten, stellt dies eine korruptiv beeinflusste heilberufliche Abgabeentscheidung des Apothekers dar. Wäre der Anwendungsbereich des § 299a Nr. 3 StGB für diesen Fall eröffnet, so führte dies dazu, dass man unter dem Deckmantel der Zuführungsvariante eine heilberufliche Abgabeentscheidung erfasst. Dies widerspricht aber dem Sinn des Gesetzes. Eine teleologische Reduktion ist in diesem Fall somit geboten. Um den Sinn des § 299a StGB zu wahren, muss der bevorzugte Verkauf eines bestimmten Arzneimittels des Apothekers an einen Patienten aus dem Anwendungsbereich der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB ausgeklammert werden. Aufgrund dieser Einschränkung kann sich der Apotheker aber auch nicht gemäß § 299a Nr. 3 StGB strafbar machen. dd) Auslegung und Rechtsfortbildung durch die Gerichte Ausgehend von den bisher gefundenen Ergebnissen, wonach sich der Apotheker erstens aufgrund der geänderten Bezugsvariante nicht mehr nach § 299a Nr. 2 StGB strafbar machen kann434 und zweitens eine korruptiv beeinflusste Abgabeentscheidung des Apothekers aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 299a Nr. 3 StGB auszuklammern

432

Zum Ganzen BT-Drs. 18/6446, S. 1; so bereits zuvor BMJV-Referentenentwurf,

S. 1. 433 434

S. o. § 3 II. 1. c) und § 3 II. 2. b) cc) (3); siehe auch BT-Drs. 18/8106, S. 15. S. o. § 3 II. 2. b) bb).

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ist,435 stellt sich die Frage, ob eine Auslegung oder eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte an diesen Ergebnissen etwas zu ändern vermögen. (1) Grundsätzliche Zulässigkeit der Rechtsfortbildung durch die Gerichte Rechtsfortbildung bedeutet, dass die Gerichte bzw. der einzelne Richter an bereits bestehenden Gesetzen Ergänzungen oder Korrekturen vornimmt.436 Voraussetzung hierfür ist, dass das geltende Recht Fehler oder Lücken aufweist.437 Die grundsätzliche Befugnis von Richtern das Recht fortzuentwickeln wird überwiegend anerkannt.438 Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt: „Rechtsfortbildung war in der deutschen Rechtsgeschichte nicht nur seit jeher eine anerkannte Funktion der Rechtsprechung; sie ist im modernen Staat geradezu unentbehrlich.“ 439 Nach Schwintowski ist Rechtsfortbildung „nicht nur ein Recht, sondern zugleich auch eine Pflicht des Richters“, da dieser die Entscheidung eines Falles nicht mit der Begründung verweigern dürfe, dass das Gesetz für den zu entscheidenden Sachverhalt keine Regelung enthalte.440 Wank hingegen ist der Auffassung, die Argumentation, Rechtsfortbildung sei erforderlich, weil der Richter sonst gegen das Rechtsverweigerungsverbot verstoße, sei unzutreffend. Jeder Sachverhalt könne ohne Rechtsfortbildung auf dem Boden des geltenden Rechts gelöst werden. Im Rahmen eines zivilrechtlichen Streits könne sich ergeben, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch habe, 435

S. o. § 3 II. 2. b) cc) (4). Schwacke, Juristische Methodik, S. 122. 437 Schwacke, Juristische Methodik, S. 121; vgl. auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 514 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 67; Vogel, Juristische Methodik, S. 133; Schmalz, Methodenlehre, S. 136; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 84; Rüthers, ZRP 2008, 48, 49; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 635; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 297; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 119; Gusy, DÖV 1992, 461 f. 438 BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 39; 49, 304 – juris Rn. 27; 65, 196 – juris Rn. 39; 69, 188 – juris Rn. 51; 71, 354 – juris Rn. 23; 74, 129 – juris Rn. 63; 82, 6 – juris Rn. 21 f.; 84, 212 – juris Rn. 41; 96, 56 – juris Rn. 18; 96, 375 – juris Rn. 59; 111, 54 – juris Rn. 170; 122, 248 – juris Rn. 97 – Sondervotum Voßkuhle, Osterloh, Di Fabio; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 516; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 83; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band III, S. 708; Vogel, Juristische Methodik, S. 135; Röhl/ Röhl, Rechtslehre, S. 635; Säcker, in: MüKo BGB, Band 1, Einl. Rn. 126; Wienbracke, Methodenlehre, S. 96; Reimer, Methodenlehre, S. 247; Möllers, Methodenlehre, S. 17 f.; Walz, ZJS 482, 490. A. A. Hillgruber, JZ 2008, 745, 746, wonach die Entstehungsgeschichte des Art. 20 Abs. 3 GG keinen Anhaltspunkt für die Befugnis des Richters zur Rechtsfortbildung biete. 439 BVerfGE 65, 182 – juris Rn. 31; 69, 188 – juris Rn. 51. 440 Schwintowski, Methodenlehre, S. 83. In diese Richtung auch Beaucamp/Treder, Methoden, S. 84; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 508 u. 516; Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 141; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 181; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 120; Schmalz, Methodenlehre, S. 107; Möllers, Methodenlehre, S. 18; Looschelders/Roth, Methodik, S. 287. 436

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weil das Gesetz keine Anspruchsgrundlage vorsehe. In einem Strafverfahren könne es sein, dass der Täter nicht zu bestrafen sei, da es für sein Handeln keinen Straftatbestand gebe. Rechtsfortbildung sei daher nicht aufgrund des Rechtsverweigerungsverbotes erforderlich, sondern vielmehr aus dem Grund, dass ein Fall zwar mit dem Gesetz lösbar wäre, die Lösung aber zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen würde.441 Dieser letztgenannten Auffassung ist beizupflichten. Die bereits bestehenden Gesetze sind nie in der Lage, alle denkbaren Lebenssachverhalte zu erfassen. Lücken wird es in der bestehenden Rechtsordnung – und sei sie noch so ausdifferenziert – immer geben.442 So unterliegen Gesetze dem Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, mit dessen Geschwindigkeit der Gesetzgeber nicht immer Schritt zu halten vermag oder der Gesetzgeber übersieht schlicht und einfach einen Sachverhalt zu regeln.443 In solchen Fällen erscheint eine Rechtsfortbildung erforderlich, jedoch nicht aus dem Grund, dass der Fall anhand des bestehenden Rechts nicht zu lösen wäre, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass die gefundene Lösung zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen würde. In verfassungsrechtlicher Hinsicht kann als Legitimationsgrund für eine Rechtsfortbildung auf Art. 20 Abs. 3 GG verwiesen werden.444 Demnach ist die Rechtsprechung nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht gebunden.445 Zum „Recht“ in diesem Sinne gehören nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft.“ 446 Der Richter ist daher befugt, die bereits existierenden Gesetze im Sinne dieser Gerechtigkeitsvorstellungen fortzuentwickeln.447 Vor jeder Änderung der Gesetzes- oder Rechtslage hat der Richter jedoch eine Abwägung durchzuführen. In eine solche Abwägung sind zum einen die Ände441 Zum Ganzen Wank, Auslegung, S. 83; vgl. auch Schwacke, Juristische Methodik, S. 121. 442 So auch BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 38; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 84; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 508; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 635; Bitter/ Rauhut, JuS 2009, 289, 297; Reimer, Methodenlehre, S. 248; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 119; Gusy, DÖV 1992, 461; Hassemer, ZRP 2007, 213, 214, beschreibt die Situation folgendermaßen: „Ein vollständiges und eindeutiges Gesetz ist nicht mehr als ein Traum.“ 443 Vgl. auch Beaucamp/Treder, Methoden, S. 84; Schmalz, Methodenlehre, S. 124; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 635; Tettinger/Mann, Juristische Arbeitstechnik S. 159; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 116 f. u. 119; Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 297; Hirsch, JZ 2007, 853, 855; Schwintowski, Methodenlehre, S. 85. 444 BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 38; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191; Looschelders/Rot, Methodik, S. 287 f. 445 BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 38; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 183; Neuner, Rechtsfindung, S. 65 ff.; Looschelders/Roth, Methodik, S. 287; Möllers, Methodenlehre, S. 17. 446 BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 38. 447 Zippelius, Methodenlehre, S. 68.

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rungsinteressen und zum anderen die Interessen der Rechtssicherheit einzustellen.448 Zu beachten ist hierbei, dass Richterrecht im Vergleich zum Gesetzesrecht eine Rechtsunsicherheit nach sich zieht,449 da die Entwicklung des Richterrechts für den Normadressaten grundsätzlich nicht vorhersehbar ist.450 (2) Verfassungsrechtliche Grenzen Die skizzierte generelle Befugnis des Richters zur Rechtsfortbildung besteht indes nicht unbegrenzt:451 Der Richter muss sich innerhalb der Grenzen bewegen, die das Verfassungsrecht ihm vorgibt. Zu diesen Grenzen zählen namentlich das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sowie der Grundsatz der Gewaltenteilung, die zu berücksichtigen sind.452 In einem Rechtsstaat dürfen Gerichte die bestehenden Gesetze nicht entgegen ihrem Wortlaut und Gesetzessinn fortbilden,453 da hierdurch die gesetzgeberischen Gestaltungs- und Regelungsabsichten bzw. Wertentscheidungen „verfehlt oder verfälscht“ 454 würden.455 Eine solche Entscheidung contra legem ist mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG – insbesondere mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung – nicht zu vereinbaren. Die „prinzipielle Zielsetzung“, die der Gesetzgeber „zu erreichen bestrebt war“, muss damit gewahrt bleiben.456 Ferner dürfen nach dem in Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG festgeschriebenen Demokratieprinzip politisch umstrittene Neuregelungen nicht im Rahmen einer Rechtsfortbildung durch die Gerichte eingeführt werden. Richter werden vom 448

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 584; vgl. auch Zippelius, Methodenlehre,

S. 54. 449 Beaucamp/Treder, Methoden, S. 85; Wienbracke, Methodenlehre, S. 94; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 585; vgl. auch Zippelius, Methodenlehre, S. 54 u. 67; Tettinger/Mann, Juristische Arbeitstechnik, S. 160; Hillgruber, JZ 1996, 118; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 62 u. 114. 450 Vgl. BVerfGE 82, 6 – juris Rn. 20; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 85; Wienbracke, Methodenlehre, S. 94; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 114. 451 BVerfGE 34, 269 – juris Rn. 40; 49, 304 – juris Rn. 27; 71, 354 – juris Rn. 23; 74, 129 – juris Rn. 63; 111, 54 – juris Rn. 170; 122, 248 – juris Rn. 97 f.; vgl. auch Schwacke, Juristische Methodik, S. 121 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 585. Ausführlich zu den Grenzen des Richterrechts Wank, Grenzen, S. 82 ff. 452 Zum Ganzen Wank, Auslegung, S. 86; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 85; vgl. auch BVerfGE 122, 248 – juris Rn. 96 – Sondervotum Voßkuhle, Osterloh, Di Fabio. Zum Rechtsstaatsprinzip vgl. BVerfGE 74, 129 – juris Rn. 63; 111, 54 – juris Rn. 170. Zum Demokratieprinzip Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Art. 20 Rn. 55 ff. Zum Gewaltenteilungsgrundsatz Zippelius, Methodenlehre, S. 67; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191; Hillgruber, JZ 1996, 118, 122; Looschelders/Roth, Methodik, S. 250 ff. 453 Vgl. auch Schwacke, Juristische Methodik, S. 122. 454 BVerfGE 35, 263 – juris Rn. 50. 455 Schwacke, Juristische Methodik, S. 123. 456 BVerfGE 86, 288 – juris Rn. 102; Schwacke, Juristische Methodik, S. 123. Vgl. auch BVerfGE 54, 277 – juris Rn. 65.

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Volk nicht gewählt, sodass die Befugnis zur Rechtsetzung dem durch Wahlen legitimierten Gesetzgeber vorbehalten bleibt,457 der – anders als der Richter – bei legislativen Missgriffen auch abgewählt werden kann.458 Schließlich gebietet der Grundsatz der Gewaltenteilung, dass eine Aufgabe von derjenigen Teilgewalt erfüllt wird, die hierfür am besten geeignet erscheint.459 Für die Einführung neuer Regelungen sind eingehende Untersuchungen und unter Umständen auch weitreichende Umgestaltungen des bestehenden Rechtssystems erforderlich. Vor diesem Hintergrund bleibt diese Aufgabe dem Gesetzgeber vorbehalten, der über die entsprechenden Ressourcen verfügt.460 (3) § 299a Nr. 2 StGB Nach der im Gesetzgebungsverfahren geänderten Bezugsvariante macht sich nach § 299a Nr. 2 StGB nunmehr strafbar, wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Wie bereits an anderer Stelle festgestellt wurde,461 trifft der Apotheker keine Bezugsentscheidungen, denen eine unmittelbare Anwendung am Patienten folgt.462 Vielmehr gibt der Apotheker die Mittel oder Produkte lediglich an den Patienten weiter, der sie selbst unmittelbar anwendet.463 Daraus resultiert, dass das Handeln des Apothekers nicht mehr vom möglichen Wortsinn des § 299a Nr. 2 StGB erfasst werden kann. Da dieser mögliche Wortsinn jedoch die Grenze der Auslegung darstellt,464 scheidet eine korrigierende Auslegung durch die Gerichte vorliegend aus. 457 Zum Ganzen Wank, Auslegung, S. 86; vgl. auch Zippelius, Methodenlehre, S. 53 f. 458 Beaucamp/Treder, Methoden, S. 60. 459 Wank, Auslegung, S. 87; vgl. auch Ipsen, Richterrecht, S. 134 f.; Schlüter, Grenzen, S. 17 f. 460 Vgl. Wank, Auslegung, S. 87; Zippelius, Methodenlehre, S. 53 f.; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 332; Möllers, Methodenlehre, S. 459; Beaucamp/ Treder, Methoden, S. 60. 461 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 2. b) bb). 462 Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132; Lorenz, medstra 2017, 342, 344. 463 Vgl. Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 51. 464 BVerfGE 71, 108 – juris Rn. 16; 73, 206 – juris Rn. 65; 85, 69 Rn. 18; 92, 1 – juris Rn. 35, 46; so auch Vogel, Juristische Methodik, S. 117; Larenz/Canaris, Metho-

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Um zu einer Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a Nr. 2 StGB zu gelangen, verbleibt daher nur eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte. In Betracht kommt dabei eine analoge Anwendung des § 299a Nr. 2 StGB. Eine Analogie liegt vor, wenn eine Rechtsnorm mit anderen Tatbestandvoraussetzungen auf einen ähnlichen, ungeregelten Sachverhalt angewendet wird. Die Gerichte gehen dabei davon aus, dass die zu entscheidende Interessenlage der gesetzlich geregelten wertungsmäßig so ähnlich sei, dass der Gesetzgeber die bestehende Rechtsnorm auch für den ungeregelten Fall vorsehen würde.465 Nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist die analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden:466 „Sie stellt nicht die Äußerung unzulässiger richterlicher Eigenmacht dar, durch die der erkennbare Wille des Gesetzgebers beiseitegeschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird. Vielmehr wird aus den Wertungen des Gesetzes entnommen, ob eine Lücke besteht und in welcher Weise sie geschlossen werden soll.“ 467 Im Strafrecht folgt jedoch – zusätzlich zu den oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung – aus dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ des Art. 103 Abs. 2 GG ein Analogieverbot zu Lasten des Täters.468 Art. 103 Abs. 2 GG soll „einerseits sicherstellen, dass der Normadressat vorhersehen kann, welches Verhalten mit Strafe oder Buße bedroht ist, und andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber und nicht erst die Gerichte über die Strafbarkeit oder Ahndbarkeit entscheiden. Daher schließt Art. 103 Abs. 2 GG jede Rechtsanwendung aus, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht.“ 469 Eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte scheidet damit in diesem denlehre, S. 163 f.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 93; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 614 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 39; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 189 f. A. A. Reimer, Methodenlehre, S. 249; Wank, Auslegung, S. 44 u. 84, nach dem sich die Grenze der Auslegung aus dem Sinn des Gesetzes ergibt. 465 Zum Ganzen Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 545 f.; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 87 f.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 130 f. Vgl. auch BVerfGE 82, 6 – juris Rn. 22; Zippelius, Methodenlehre, S. 55; Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 140; Roxin, StrafR AT, Band I, § 5 Rn. 8; Rengier, StrafR AT, § 4 Rn. 31; Reimer, Methodenlehre, S. 249; Kramer, Methodenlehre, S. 205 f.; Würdinger/Bergmeister, Jura 2007, 15, 16. 466 BVerfGE 82, 6 – juris Rn. 20. 467 BVerfGE 82, 6 – juris Rn. 22. 468 Wank, Auslegung, S. 84; Zippelius, Methodenlehre, S. 54; Schwacke, Juristische Methodik, S. 124; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 90; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 516; Vogel, Juristische Methodik, S. 135; Schwintowski, Methodenlehre, S. 112; Möllers, Methodenlehre, S. 127 f. Vgl. auch Wienbracke, Methodenlehre, S. 97; Reimer, Methodenlehre, S. 252. Zum Analogieverbot im Strafrecht siehe auch Roxin, StrafR AT, Band I, § 5, Rn. 8, 26 ff.; Jescheck/Weigend, StrafR AT, S. 134 ff.; Rengier, StrafR AT, § 4 Rn. 31 ff. 469 BVerfGE 87, 399 – juris Rn. 58. Vgl. auch BVerfGE 47, 109 – juris Rn. 38; 82, 236 – juris Rn. 103

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Fall aus. Es bleibt bei dem bisherigen Befund, dass korruptiv beeinflusste Bezugsentscheidungen eines Apothekers nicht von § 299a Nr. 2 StGB erfasst sein können. Darüber hinaus läge auch keine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber hatte die Bezugsvariante noch auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens bewusst eingeschränkt.470 (4) § 299a Nr. 3 StGB Unter § 3 II. 2. b) cc) wurde herausgearbeitet, dass eine korruptiv beeinflusste Abgabeentscheidung des Apothekers aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB auszuklammern ist. Es gilt nun zu prüfen, wie ein Richter die Fallkonstellation, in der ein Apotheker als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb einen finanziellen Vorteil seitens eines Pharmaherstellers für den bevorzugten Bezug seiner Arzneimittel und die bevorzugte Abgabe an die Kunden bzw. Patienten des Apothekers erhält, entscheiden würde. Dabei ist zu untersuchen, ob das Gericht eine Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a Nr. 3 StGB bejahen oder verneinen würde. Ausganspunkt der Überlegungen bilden folgende Grundhypothesen: Das Gesetz – § 299a StGB – ist erst seit kurzem in Kraft getreten. Gewandelte tatsächliche Verhältnisse sind nicht eingetreten, da es sich um ein noch junges Gesetz handelt. Im Vorfeld und während des Gesetzgebungsverfahrens wurde eine kontroverse Debatte in der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Strafbarkeit von korruptiv beeinflusster Heilberufsentscheidungen geführt. Die Mehrheit des Parlaments hat sich am Ende des streitig geführten Gesetzgebungsverfahrens471 zwar dafür entschieden, dass bestimmte korruptiv beeinflusste Handlungen von Heilberufsangehörigen unter Strafe gestellt und damit Strafbarkeitslücken geschlossen werden sollen. Die korruptiv beeinflusste Abgabeentscheidung soll jedoch lediglich im Hinblick auf die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen der Bezugsentscheidung als besondere Form der Abgabe erfasst sein. Im Übrigen soll die heilberufliche Abgabeentscheidung in Be470

Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 1. b) dd) (2). Im Rahmen der zweiten Beratung im Bundestag führte Renate Künast (BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16159) aus, dass sie nicht nachvollziehen könne, „wieso Apotheker jetzt draußen“ seien; denn Apotheker hätten auch die Möglichkeit, den einen oder anderen zu bevorzugen. Schon gar nicht verstehe sie, wenn die Apotheker draußen seien, warum eigentlich andere Heilberufe wie Hebammen, Physiotherapeuten oder Gehilfen immer noch drin seien. Bei diesen könne sie sich weniger Korruption vorstellen als bei den Apothekern. Nur wenig später merkte Dr. Edgar Franke (BT-Plenarprotokoll, 164. Sitzung, 14.04.2016, S. 16162) kritisch an, dass die Herausnahme der Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln bzw. Medizinprodukten aus dem Tatbestand nicht ganz unproblematisch in diesem Gesetzentwurf sei. 471

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zug auf Arzneimittel und Medizinprodukte aus dem Tatbestand des § 299a StGB herausfallen.472 Der Wille des Gesetzgebers ist damit klar erkennbar hervorgetreten. Darf sich der Richter nun bei seiner Entscheidung über den eindeutig zu Tage getretenen gesetzgeberischen Willen hinwegsetzen oder ist er an diesen gebunden? Mit anderen Worten: Darf der Richter seine Erkenntnisse aus dem Gesetzgebungsverfahren und damit den Willen des Gesetzgebers ausblenden und stattdessen das Gesetz nach seiner widersprechenden Auffassung auslegen?473 Ein solches Auslegungsergebnis widerspricht jedoch dem an anderer Stelle bereits herausgearbeiteten Ergebnis,474 dass bei jungen Gesetzen allein der subjektiven Auslegungstheorie zu folgen ist475 und dem Willen des Gesetzgebers daher im Rahmen der Auslegung eine bindende Wirkung zukommt.476 Eine Auslegung des Richters lediglich nach dem Wortlaut und Zweck des § 299a StGB – vollkommen losgelöst vom Willen des Gesetzgebers – ist daher aus methodischer Sicht nicht haltbar. Aufgrund der Tatsache, dass im Wege der Auslegung eine Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a Nr. 3 StGB ausscheidet, ist zu eruieren, ob der Richter im Wege einer Rechtsfortbildung zu einer Strafbarkeit gelangen könnte, indem er sich bei seiner Entscheidungsfindung von seinem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden oder auch dem Strafverlangen der Öffentlichkeit leiten lässt und hierbei den erkennbaren Willen des Gesetzgebers beiseiteschiebt. Eine Antwort auf diese Frage liefert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. „Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine Judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar war.“ 477 Auch Stimmen in der Literatur teilen diese Ansicht. Dem Richter ist es verwehrt, seine eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen zum Maßstab seiner Entscheidung zu machen.478 Außerdem darf Rechtsfortbildung nicht zur Durchsetzung gesellschafts472

S. o. § 3 II. 2. b) cc) (3); siehe auch BT-Drs. 18/8106, S. 15. Vgl. zum Ganzen Wank, Grenzen, S. 64 f. 474 S. o. § 3 II. 1. a). 475 Wank, Auslegung, S. 35; ders., Grenzen, S. 66; Walz, ZJS 2010, 482, 486. Vgl. auch BGHZ 124, 147 – juris Rn. 12; Bydlinski, Methodenlehre, S. 453; Möllers, Methodenlehre, S. 447; Rahlf, in: v. Savigny, Dogmatik, S. 27, 35; Kramer, Methodenlehre, S. 142. 476 Vgl. Wank, Grenzen, S. 65; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 190. 477 BVerfGE 82, 6 – juris Rn. 20; 122, 248 – juris Rn. 97 f. – Sondervotum Voßkuhle, Osterloh, Di Fabio; 128, 193 – juris Rn. 52; 132, 99 – juris Rn. 75; BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14 – juris Rn. 73; vgl. auch BVerfGE 69, 315 – juris Rn. 111; 78, 20 – juris Rn. 14. 478 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, S. 590; Vogel, Juristische Methodik, S. 135; Schwacke, Juristische Methodik, S. 121 u. 123; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 191; Beaucamp/Treder, Methoden, S. 85; Rüthers, Gerechtigkeit, S. 122; Ipsen, Richterrecht, S. 236; Möllers, Methodenlehre, S. 460 f.; vgl. auch Hillgruber, JZ 2008, 745, 746; 473

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB

politischer, wirtschaftlicher oder gar ideologischer Zielsetzungen betrieben werden.479 Dem Willen des Gesetzgebers kommt daher auch im Bereich des Richterrechts eine herausragende Rolle zu, indem dieser die Grenze der Rechtsfortbildung bildet.480 Wer sich darüber hinwegsetzt, bewegt sich nicht mehr auf dem Boden der Verfassung. Der Richter ist an das Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG gebunden und diesem nach Art. 97 Abs. 1 GG unterworfen. Eine in diesem Maße eigenmächtige Entscheidung verstieße gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip und gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Der Richter vermag daher das Recht nicht in der Weise fortbilden, dass er zu einer Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a Nr. 3 StGB gelangt. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass auch eine Auslegung oder eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte an den herausgearbeiteten Ergebnissen, dass sich der Apotheker zum einen aufgrund der geänderten Bezugsvariante nicht mehr nach § 299a Nr. 2 StGB strafbar machen kann481 und zum anderen eine korruptiv beeinflusste Abgabeentscheidung aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 299a Nr. 3 StGB auszuklammern ist,482 nichts zu ändern vermag. Es bleibt dabei: Dem Apotheker droht – nach dem gebildeten Beispielsfall – weder eine Strafbarkeit nach § 299a Nr. 2 StGB noch eine nach § 299a Nr. 3 StGB. 3. Bewertung Die Ausgangsfrage, ob sich der Apotheker gemäß § 299a StGB strafbar machen kann, korreliert mit der Frage, ob der Gesetzgeber seine Intention, mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Strafbarkeitslücken zu schließen, verwirklicht hat. Zur Beantwortung dieser Fragen, hat sich die Arbeit zu Beginn von § 3 mit der Historie des Gesetzes näher befasst. Untersucht wurde zunächst die Bedeutung des Gesetzgebungsverfahrens für die spätere Auslegung des § 299a StGB.483 Hierbei wurde herausgearbeitet, dass der Wille des Gesetzgebers anhand des Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens zu bestimmen ist. Außerdem wurde verdeutlicht, dass diesem gesetzgeberischen Willen im Rahmen der Auslegung bei einem noch jungen Gesetz – wie § 299a StGB – eine herausragende Bedeutung beizumessen ist. ders., JZ 2011, 861, 864; Walz, ZJS 2010, 482, 486; Tettinger/Mann, Juristische Arbeitstechnik, S. 161; Looschelders/Roth, Methodik, S. 251. 479 Schwacke, Juristische Methodik, S. 123; vgl. auch Neuner, Rechtsfindung, S. 68. 480 Wank, Grenzen, S. 69; Sauer, in: Krüper, Grundlagen, S. 192 f.; Wienbracke, Methodenlehre, S. 98; Looschelders/Roth, Methodik, S. 226 ff. u. 288 ff. Vgl. auch BVerfGE 38, 386 – juris Rn. 35; 122, 248 – juris Rn. 98 – Sondervotum Voßkuhle, Osterloh, Di Fabio; Wank, Auslegung, S. 85; Neuner, Rechtsfindung, S. 132. 481 S. o. § 3 II. 2. b) bb). 482 S. o. § 3 II. 2. b) cc) (4). 483 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 1. a).

II. Untersuchung des § 299a StGB

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Anhand des Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens konnte sodann der Wille des Gesetzgebers ermittelt werden: Aus dem Kontext der Entstehungsgeschichte lässt sich ableiten, dass korruptiv beeinflusste heilberufliche Abgabeentscheidungen nicht als selbständige Handlungsvariante vom Tatbestand des § 299a StGB erfasst sein sollten. Zudem sollte die heilberufliche Bezugsentscheidung bezüglich solcher Mittel und Produkte, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, nicht nach § 299a StGB strafrechtlich sanktioniert werden.484 Im Anschluss an die dogmatische Grundsteinlegung wurde der Anwendungsbereich des § 299a StGB aus Apothekersicht eingehend beleuchtet, um die eingangs erwähnten Ausgangsfragen beantworten zu können. Bei der Untersuchung des Anwendungsbereichs ergab sich Folgendes: Der Apotheker kommt als akademischer Heilberufsangehöriger, dessen Ausbildung staatlich geregelt wird (vgl. § 5 BApO i.V. m. der Approbationsordnung für Apotheker), ohne Zweifel als tauglicher Täter des § 299a StGB in Betracht. Verkauft der Apotheker aufgrund eines finanziellen Vorteils seitens eines Pharmaherstellers bestimmte Arzneimittel bevorzugt an seine Kunden bzw. Patienten, lässt sich dieses Verhalten unter keine der in § 299a Nrn. 1 bis 3 StGB genannten Tatvarianten subsumieren. An diesem Ergebnis vermag auch eine Auslegung oder eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte nichts zu ändern.485 Die gefundenen Ergebnisse lassen folgende Rückschlüsse zu: Die Berufsgruppe der Apotheker gehört zwar durchaus zum Täterkreis des § 299a StGB, ist jedoch faktisch weitestgehend vom Tatbestand ausgenommen,486 da ihr Verhalten den objektiven Tatbestand der Norm nicht erfüllen kann. Somit scheidet der Apotheker auf Nehmerseite, das heißt als Adressat einer Bestechungshandlung im Gesundheitswesen, aus. Der Apotheker kann sich daher de lege lata nicht gemäß § 299a StGB strafbar machen. Der – zunächst eröffnete – persönliche Anwendungsbereich läuft insoweit ins Leere.487 484

Zum Ganzen siehe § 3 II. 1. b) und c). Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 2. b) dd). 486 So auch Momsen/Niang, medstra 2018, 12, 14; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132 f.; Kirsch, PharmR 2016, 265, 270; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299a Rn. 15; Fischer, StGB, § 299a Rn. 5; Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 24; Rauer/Pfuhl, PharmR 2016, 357, 360; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 107 ff. Vgl. auch Brettel/Mand, A&R 2016, 99, 100 u. 103; Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 50 f.; Jäger, medstra 2017, 694, 696; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 6; Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, WSS, § 299a Rn. 13 f.; Bahner, Praxishandbuch, S. 29 ff. u. 212 f.; Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2016 Anm. 1; Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 135; Dann/Scholz, NJW 2016, 2077, 2078; Müller/Opper, FS Schlothauer, 2018, S. 401, 407; Grzesiek/Sauerwein, NZWiSt 2016, 369, 371; Schlund, NJW-Spezial 2016, 312; Leopold, WzS 2016, 218; Ufer, in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 299a StGB Rn. 17. 487 Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 24; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 135. 485

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§ 3 Strafbarkeit des Apothekers nach § 299a StGB

Folgerichtig ist damit auch der Versuch des Gesetzgebers, mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen Strafbarkeitslücken zu schließen, im Hinblick auf die Bestechlichkeit von Apothekern, nicht geglückt.488 Es bestehen weiterhin Strafbarkeitslücken: Der Apotheker kann sich bei seiner heilberuflichen Abgabeentscheidung bzw. der ihr vorgelagerten heilberuflichen Bezugsentscheidung auch weiterhin korruptiv beeinflussen lassen. Ein solches Handeln stellt zwar in der Regel eine Ordnungswidrigkeit dar489 und verstößt darüber hinaus gegen die Berufsordnung der Apotheker,490 eine strafrechtliche Ahndung haben Apotheker indes nicht zu befürchten.491 Aus der Straflosigkeit des Apothekers folgt auch zwangsläufig, dass ein Handeln der Vorteilsgeber auf Seiten der Pharmaunternehmen nicht von § 299b StGB erfasst werden kann.492 Dieser Befund vergrößert die bestehenden Strafbarkeitslücken noch zusätzlich. Vertreter der Pharmaunternehmen könnten dies fortan vermehrt zum Anlass nehmen, nicht mehr die Verordnungsentscheidung des Arztes in ihrem Sinne zu beeinflussen, sondern ihre Bemühungen ganz auf den Apotheker zu fokussieren, in dem sie auf dessen heilberufliche Bezugs- oder Abgabeentscheidung in korruptiver Weise Einfluss nehmen. Im Weiteren wird genauer zu untersuchen sein, welches Ausmaß die Strafbarkeitslücke tatsächlich annimmt und, ob hieraus ein rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers resultiert. Dies ist Gegenstand der weiteren Untersuchung.

488 So auch Pressemitteilung des AOK-Bundesverbands vom 14.04.2016, https:// www.aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2016/index_16240.html, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 489 Siehe hierzu §§ 25 Abs. 1 Nr. 2, 10 ApoG und §§ 15 Abs. 1 Nr. 4a, 7 Abs. 1 HWG und die weiteren Ausführungen unter § 2 II. 2. f). 490 Vgl. §§ 3, 18 Abs. 2, 19 Nr. 4 der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. 491 Vgl. Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 108. 492 So auch Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2016 Anm. 1.

§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers Nachdem im vorherigen Abschnitt herausgearbeitet wurde, dass sich der Apotheker nicht nach § 299a StGB strafbar machen kann, wenn er Arzneimittel gegen Annahme eines materiellen oder immateriellen Vorteils bezieht und abgibt, gilt es nunmehr unter § 4 näher zu untersuchen, ob der Apotheker – im Rahmen seiner Abgabeentscheidung – überhaupt Ermessensspielräume besitzt. Denn nur wenn sich nachweisen lässt, dass der Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln über keine Auswahlmöglichkeiten verfügt, wäre eine Strafbarkeitslücke hinnehmbar.493 Ist dem Apotheker – etwa durch die vorherige ärztliche Verschreibung – überhaupt kein Ermessen eingeräumt, könnte er nur eine gebundene Entscheidung treffen, bei der er nicht korruptiv beeinflussbar wäre. Aus der Sicht eines Pharmaunternehmens ergebe es keinen Sinn, an den Apotheker in unlauterer Weise heranzutreten. Wenn die Untersuchung dagegen zum Ergebnis gelangt, dass der Apotheker durchaus über Entscheidungsspielräume verfügt, gilt es diese Entscheidungsspielräume exakt zu vermessen; denn nur so lässt sich eine verlässliche Aussage über das genaue Ausmaß der Strafbarkeitslücke treffen. Nur wer diese Grundlagenarbeit leistet, kann sich im Folgenden dazu äußern, wie dringend ein gesetzgeberisches Handeln tatsächlich erscheint. Im Einzelnen werden nun die Entscheidungsspielräume des Apothekers differenziert nach verschreibungspflichtigen und verschreibungsfreien apothekenpflichtigen Arzneimitteln begutachtet. Innerhalb der Gruppe der verschreibungspflichtigen Arzneimittel ist weiter zwischen den Spielräumen bei der Abgabeentscheidung im System der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung zu unterscheiden. In der Apotheke werden darüber hinaus auch freiverkäufliche Arzneimittel494 und apothekenübliches Ergänzungssortiment verkauft. Diese sind nicht Gegenstand der weiteren Untersuchung, da hier von vornherein feststeht, dass der Apotheker keinerlei Restriktionen bei deren Abgabe unterliegt und ihm damit ein unbegrenzter Entscheidungsspielraum zukommt. 493 So gehen Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 111 davon aus, dass auf dem Gebiet der verschreibungspflichtigen Arzneimittel die Entscheidungsmöglichkeiten des Apothekers durch seine öffentlich-rechtlichen Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen erheblich eingegrenzt seien. 494 Vgl. §§ 44, 45 AMG.

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers

I. Entscheidungsspielräume von Apothekern bei der Abgabe von Arzneimitteln Nach der gesetzlichen Funktionsverteilung zwischen Arzt und Apotheker im Gesundheitswesen ist die Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln ausschließlich dem Apotheker vorbehalten.495 Dieses vom Gesetzgeber eingeräumte Abgabemonopol für verschreibungspflichtige und verschreibungsfreie Arzneimittel beruht auf der zentralen Aufgabe des Apothekers, die in der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln besteht.496 In strikter Trennung hierzu obliegt es dem Arzt im Rahmen seines Therapie- und Verordnungsmonopols, die für den Patienten angemessene Arzneimitteltherapie festzulegen.497 Aus dieser Aufgabenverteilung folgt das Dispensierverbot, wonach die Abgabe von Arzneimitteln durch den Arzt untersagt ist.498 Die strikte Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des Apothekers dient der Wahrung einer funktionell differenzierten Gesundheitsfürsorge und soll einerseits gewährleisten, dass der Arzt sich bei der Auswahl der Arzneimittel ausschließlich von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärztlichen Gewissen und nicht etwa von wirtschaftlichen Interessen leiten lässt; andererseits soll die Trennung dazu beitragen, dass der Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der Lieferung und Aushändigung von Arzneimitteln sachgerecht und eigenverantwortlich entsprechend seiner herausgehobenen Stellung im Gesundheitssystem wahrnimmt.499 Bei der Arzneimittelabgabe als originärer Aufgabe des Apothekers ist hinsichtlich der hiermit verbundenen Auswahlmöglichkeiten zwischen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach § 48 AMG und verschreibungsfreien Arzneimitteln, sog. „OTC-Präparaten“,500 zu differenzieren, da hier – wie im Folgenden näher dazulegen sein wird – die Entscheidungsspielräume des Apothekers variieren.

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Vgl. § 43 AMG. Vgl. § 1 Abs. 1 ApoG, § 1 Abs. 1 Satz 2 ApoBetrO, § 1 BApO; Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 210. 497 Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 383; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 275; Wigge, PharmR 2002, 2. Vgl. auch Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar Bundesmantelvertrag, § 29 Rn. 2; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 191. 498 Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 383; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 274; Wigge/ Schütz, A&R 2016, 243, 245; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 191. 499 Vgl. OVG NRW, Urt. v. 02.09.1999 – 13 A 3323/97 – juris Rn. 8. 500 OTC steht für „Over-The-Counter“ und meint die verschreibungsfrei „über die Ladentheke“ abgebbaren Arzneimittel, vgl. Geiger, medstra 2016, 9, 14 dortige Fn. 57. 496

I. Entscheidungsspielräume bei Abgabe von Arzneimitteln

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1. Verschreibungspflichtige Arzneimittel Gemäß § 48 Abs. 1 AMG dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung an den Verbraucher abgegeben werden. Bei der Abgabe hat der Apotheker seine aus § 17 Abs. 5 Satz 1 ApoBetrO resultierende Pflicht zu beachten: Er hat dasjenige Arzneimittel abzugeben, welches auf der ärztlichen Verschreibung genannt ist. Hieraus folgt ein Substitutionsverbot des Apothekers,501 d.h. der Apotheker darf sich nicht über die Verordnung des Arztes hinwegsetzen und ein anderes als das vom Arzt verordnete Arzneimittel an den Patienten abgeben.502 Ansonsten würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte strikte Trennung der Berufe von Arzt und Apotheker503 konterkariert.504 Hinzu kommt, dass die abgegebenen Arzneimittel nach § 17 Abs. 5 Satz 1 ApoBetrO neben den ärztlichen Verschreibungen auch den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen müssen, in dem alle Vorschriften zur gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind. Dies hat zur Folge, dass für die Abgabe von Arzneimitteln im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Besonderheiten im Sozialrecht zu beachten sind und im Weiteren somit ferner zwischen den Entscheidungsspielräumen des Apothekers bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und im Bereich der privaten Krankenversicherung (PKV) zu unterscheiden ist. a) Entscheidungsspielräume im System der gesetzlichen Krankenversicherung Das System der deutschen Krankenversicherung ist gekennzeichnet durch ein Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Beide Systeme sind Ausfluss des in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzips,505 501 Vgl. auch Kieser, Apothekenrecht, S. 72; ders., in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 250; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 191; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 274 f.; Beyerlein, PharmR 2006, 18, 19. 502 Ausnahmsweise darf der Apotheker nach § 17 Abs. 5a ApoBetrO bei der Dienstbereitschaft während der Bereitschaftszeiten nach § 23 Abs. 1 Satz 2 ApoBetrO ein anderes, mit dem verschriebenen Arzneimittel nach Anwendungsgebiet und nach Art und Menge der wirksamen Bestandteile identisches sowie in der Darreichungsform und pharmazeutischen Qualität vergleichbares Arzneimittel abgeben, wenn das verschriebene Arzneimittel nicht verfügbar ist und ein dringender Fall vorliegt, der die unverzügliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich macht. 503 Vgl. auch OLG NRW, Beschl. v. 14.02. 2013 – 13 A 2521/11 – juris Rn. 4; OLG Hamm, Urt. v. 29.08.2006 – 19 U 39/06 – juris Rn. 26; OVG NRW, Urt. v. 02.09.1999 – 13 A 3323/97 – juris Rn. 8; Bahner, Praxishandbuch, S. 146. 504 Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 384; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 275. Vgl. auch Wigge, PharmR 2002, 2; Beyerlein, PharmR 2006, 18, 19. 505 Vgl. Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 308 f.

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers

basieren jedoch auf unterschiedlichen Grundpfeilern. Die GKV fußt maßgeblich auf dem Sachleistungsprinzip.506 Danach erbringen die Krankenkassen die Leistungen der GKV grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistungen.507 Hierzu bedienen sich die Krankenkassen der Hilfe sogenannter Leistungserbringer, zu denen auch der Apotheker zählt.508 Eine weitere zentrale Maxime im Bereich der GKV ist das vorherrschende Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V. Hiernach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.509 Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.510 Das Wirtschaftlichkeitsgebot resultiert aus den finanziellen Grenzen, die der Leistungspflicht der GKV durch die Belastbarkeit der Beitragszahler gesetzt werden511 und soll die finanzielle Stabilität und als deren Folge die Funktionsund Leistungsfähigkeit der Krankenkassen gewährleisten.512 Das Wirtschaftlichkeitsgebot schlägt sich auch im Bereich der Arzneimittelversorgung nieder und führt in Gestalt des § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V zu einer Durchbrechung des in § 17 Abs. 5 Satz 1 ApoBetrO festgeschriebenen Substitutionsverbots des Apothekers bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel.513 Die Vorschrift des § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V regelt gemeinsam mit dem zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband geschlossenen Rahmenvertrag514 unter welchen Voraussetzungen die öffentli-

506 v. Dewitz, in: BeckOK, SGB V, § 129 Rn. 3; Bickenbach, MedR 2010, 302; Becker, Arzneimittelversorgung, S. 109. 507 Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 315. 508 Grötschel, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 2 SGB V Rn. 20; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 70. Vgl. auch Becker, Arzneimittelversorgung, S. 109; Bickenbach, MedR 2010, 302. 509 Vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V. 510 Vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V. 511 Engelhard/Helbig, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 12 Rn. 24; Reese/ Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 65; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 316. Vgl. auch Bickenbach, MedR 2010, 302, 303. 512 Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 65. 513 Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 276; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 384; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 191. Vgl. auch Kieser, in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 251; Beyerlein, PharmR 2006, 18, 20; Becker, Arzneimittelversorgung, S. 335. 514 Rahmenvertrag zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 30.09.2016.

I. Entscheidungsspielräume bei Abgabe von Arzneimitteln

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chen515 Apotheken dazu verpflichtet sind, das jeweils ärztlich verordnete Arzneimittel durch ein preisgünstiges, wirkstoffgleiches Arzneimittel zu ersetzen.516 Daneben können die gesetzliche Krankenkasse oder ihre Verbände mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene gemäß § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V ergänzende Verträge zum Rahmenvertrag abschließen. Der in Baden-Württemberg geschlossene Arzneiversorgungsvertrag517 sieht für die Abgabe preisgünstiger Arzneimittel keine ergänzende Regelung vor.518 § 129 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB V statuiert damit eine sozialrechtliche Ausnahme vom arzneimittel- und apothekenrechtlichen Substitutionsverbot. Durch die Abgabe preisgünstiger, wirkstoffgleicher Arzneimittel sollen weitreichende Einsparungen auf dem Gebiet der Arzneimittelversorgung in der GKV erreicht werden.519 Der Apotheker ist jedoch nur befugt, Arzneimittel zu Lasten der GKV an Patienten abzugeben, wenn er entweder einem Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes angehört oder dem oben erwähnten Rahmenvertrag beigetreten ist und der Rahmenvertrag damit für den Apotheker Rechtswirkung entfaltet.520 Nach der Regelung in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V sind die Apotheken zur Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels verpflichtet, wenn der verordnende Arzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet (Wirkstoffverordnung nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a SGB V) oder bei namentlicher Nennung des Präparates (Namensverordnung nach § 129 Abs. 1 Satz 1 515 v. Dewitz, in: BeckOK, SGB V, § 129 Rn. 3; Hencke, in: Peters, Handbuch Krankenversicherung, Band 3, § 129 SGB V Rn. 4; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 33; Murawski, in: Hänlein/Schuler, SGB V, § 129 Rn. 1. 516 Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 272. Vgl. auch Beyerlein, PharmR 2006, 18, 20; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 196. 517 Arzneiversorgungsvertrag – Ergänzungsvertrag zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V in Baden-Württemberg zwischen dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V. und der AOK Baden-Württemberg und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche Krankenkasse, Stand 01.04.2015. 518 Vgl. § 7 des Arzneiversorgungsvertrags Baden-Württemberg in seiner Fassung vom 01.04.2015. 519 Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 384; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 196; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 275; Becker, Arzneimittelversorgung, S. 334. Vgl. auch SG Frankfurt, Beschl. v. 12.08.2002 – S 30/9 KR 2220/02 ER – juris Rn. 36; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 5; Schneider, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 129 Rn. 11; Dalichau, in: Prütting, MedR-FAKomm, § 129 SGB V Rn. 2 u. 55. 520 Vgl. § 129 Abs. 3 SGB V, § 2 Abs. 2 des Rahmenvertrages. Siehe ferner Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 129 Rn. 13; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 8; v. Dewitz, in: BeckOK, SGB V, § 129 Rn. 23; Hencke, in: Peters, Handbuch Krankenversicherung, Band 3, § 129 SGB V Rn. 10.

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers

Nr. 1 lit. b SGB V) die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat. Letztgenannte Variante wird auch als „aut-idem“-Substitution („oder das Gleiche“) bezeichnet.521 Die Apotheken haben bei beiden in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V genannten Alternativen nach § 129 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 SGB V ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt. Liegen die genannten Voraussetzungen nach § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, so sind die Apotheken gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V nach Maßgabe des Rahmenvertrages zum Austausch verpflichtet.522 Die Auswahl, die der Apotheker zu treffen hat, wird in § 4 des Rahmenvertrages näher geregelt. Die Auswahlmöglichkeiten lassen sich in drei Fallgruppen unterteilen. aa) Vorliegen einer Rabattvereinbarung Gemäß § 129 Abs. 1 Sätze 3, 5 SGB V i.V. m. § 4 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenvertrages hat die Apotheke das verordnete Arzneimittel sowohl bei der Wirkstoffverordnung als auch bei Namensverordnung vorrangig durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel zu ersetzen, für das eine Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V besteht. § 130a Abs. 8 SGB V eröffnet Krankenkassen oder ihren Verbänden die Möglichkeit, mit pharmazeutischen Unternehmen Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel auf einzelvertraglicher Grundlage zu vereinbaren.523 Die vereinbarten Rabatte werden von den Pharmaunternehmen unmittelbar an die Krankenkasse gewährt.524 Ein Vorrang rabattbegünstigter Arzneimittel besteht auch in den Fällen, in denen gemessen am Apothekenabgabenpreis ein anderes preisgünstigeres Arzneimittel zur Verfügung steht.525 Dies folgt zum einen aus dem klaren Wortlaut des § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V, der keine zusätzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung des Apothekers vorsieht.526 Zum anderen 521 Geiger, medstra 2016, 9, 14; vgl. auch Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 17; Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 218; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 272 dortige Fn. 419; Uwer/Koch, PharmR 2008, 461, 462; Bickenbach, MedR 2010, 302, 303; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 52; Murawski, in: Hänlein/Schuler, SGB V, § 129 Rn. 3. 522 Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 287. 523 Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 89; Kaufmann, in: Meier/ von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 342. 524 Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 89. 525 Uwer/Koch, PharmR 2008, 461, 465; Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 288; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 317; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 58; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 386. 526 Uwer/Koch, PharmR 2008, 461, 465.

I. Entscheidungsspielräume bei Abgabe von Arzneimitteln

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räumt auch § 4 Abs. 2 des Rahmenvertrages dem Apotheker insoweit keine Möglichkeit ein, ein preisgünstigeres, nicht rabattiertes Arzneimittel einem rabattbegünstigten Arzneimittel vorzuziehen.527 Eine zusätzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung wäre dem Apotheker ohnehin nicht möglich, da ihm der Inhalt der Rabattvereinbarung und damit die genaue Höhe des ausgehandelten Rabattes nicht bekannt ist.528 Ein Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs. 1 SGB V ist hierin nicht zu sehen, da der Regelung des § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Vorstellung zugrunde liegt, dass Arzneimittel, die Gegenstand einer Rabattvereinbarung sind, immer die Voraussetzung der Preisgünstigkeit im Sinne des § 129 Abs. 1 SGB V erfüllen.529 Die Pflicht zur vorrangigen Abgabe kann jedoch entfallen, wenn die rabattbegünstigten Arzneimittel der Krankenkassen den Apotheken nicht bekannt oder die rabattbegünstigten Arzneimittel zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung nicht verfügbar sind.530 In einem solchen Fall gilt der Vorrang der Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel nicht und die allgemeine Vorschrift des § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages räumt dem Apotheker Wahlfreiheiten ein.531 Hat eine Krankenkasse mehrere Rabattverträge abgeschlossen und stehen dadurch mehrere austauschbare Arzneimittel zur Verfügung, kann der Apotheker unter mehreren rabattbegünstigten Arzneimitteln frei wählen.532 Innerhalb der rabattbegünstigten Arzneimittel kann der Apotheker auch das Arzneimittel mit dem teuersten Herstellerpreis abgeben.533 bb) Wirkstoffverordnung Hat der verordnende Arzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet und besteht kein Abgabevorrang eines rabattbegünstigten Arznei527

Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 288. Uwer/Koch, PharmR 2008, 461, 462 u. 465 f. 529 Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 58; Kaufmann, in: Meier/ von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 386. Vgl. auch Uwer/Koch, PharmR 2008, 461, 465 f. 530 Vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 des Rahmenvertrages; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 59. 531 Siehe hierzu sogleich die Ausführungen unter § 4 I. 1. a) bb) und cc). 532 Vgl. § 4 Abs. 2 Satz 5 des Rahmenvertrages; Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 129 Rn. 7; Uwer/Koch, PharmR 2008, 461, 466 Hess, in: Kasseler Kommentar, Band 1, SGB V, § 129 Rn. 5; Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 197 f. u. 317; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 58. 533 Baierl/Kellermann, Arzneimittelrecht, S. 317; Reese/Stallberg, in: Dieners/ Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 288 f.; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 58; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 387; Volkwein, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, § 129 SGB V Rn. 7. 528

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mittels,534 stehen dem Apotheker nach § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages die drei preisgünstigsten Arzneimittel zur Auswahl. Gibt es mehr Arzneimittel, die den gleichen Preis aufweisen, kann die Auswahl auch mehr als drei Arzneimittel umfassen.535 Neben der Pflicht zur Abgabe preisgünstiger, wirkstoffgleicher Arzneimittel (§ 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V) trifft den Apotheker auch die Pflicht zur Abgabe preisgünstiger Importarzneimittel (§ 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V), wenn die Preisersparnis gegenüber dem Bezugsarzneimittel 536 eine bestimmte Schwelle überschreitet.537 Die Wahl des Apothekers kann daher auch auf ein preisgünstiges Importarzneimittel fallen. Jedoch ist auch in diesem Fall zu beachten, dass die Pflicht zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln Vorrang vor der Abgabe eines nicht rabattbegünstigten Importarzneimittels hat.538 Bei der Pflicht zur Abgabe preisgünstiger, wirkstoffgleicher Arzneimittel und der Pflicht zur Abgabe preisgünstiger Importarzneimittel handelt es sich systematisch um jeweils eigenständige Abgabepflichten, die nebeneinander stehen.539 Der Apotheker ist somit nicht strikt verpflichtet, in jedem Einzelfall ein Importprodukt abzugeben. § 5 Abs. 3 bis 5 des Rahmenvertrages sieht jedoch eine sog. Importquotenregelung vor. Hierdurch soll erreicht werden, dass der Apotheker dennoch hinreichend oft ein Importprodukt abgibt, um weitere Einsparungen bei der Arzneimittelversorgung zu erzielen.540 Die Importquote beläuft sich nach § 5 Abs. 3 des Rahmenvertrages derzeit auf 5 % des gesamten Fertigarzneimittelumsatzes einer Apotheke. Unter welchen Umständen ein Importarzneimittel als preisgünstig anzusehen ist, hat der Gesetzgeber in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V selbst festgelegt. Preisgünstigkeit liegt danach vor, wenn der für den Patienten maßgebliche Arzneimittelabgabenpreis unter Berücksichtigung der Herstellerzwangsabschläge541 mindestens 15 von Hundert oder mindestens 15,– Euro niedriger ist als der Preis des Bezugsarzneimittels.

534 Entweder weil kein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 SGB V besteht oder weil die Pflicht zur vorrangigen Abgabe entfallen ist. 535 Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 291. 536 Bezugsarzneimittel ist das Arzneimittel, auf das der Importeur bei Beantragung der Zulassung für das Importarzneimittel Bezug genommen hat, vgl. Axer, in: Becker/ Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 26. 537 Schneider, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 129 Rn. 5. 538 Vgl. § 129 Abs. 1 Satz 8 SGB V, § 5 Abs. 1 Satz 3 des Rahmenvertrages; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 56. 539 Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 57; Becker, Arzneimittelversorgung, S. 344. 540 Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 26; vgl. auch Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 221. 541 § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3a und 3b SGB V.

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cc) Namensverordnung Wurde das Arzneimittel unter namentlicher Nennung des Präparates durch den Arzt verordnet und besteht wiederum kein Abgabevorrang eines rabattbegünstigten Arzneimittels,542 steht dem Apotheker im Fall der hier gegebenen „autidem“-Substitution nach § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages zusätzlich zu den drei preisgünstigsten Arzneimitteln das namentlich verordnete – unter Umständen teurere543 – Arzneimittel zur Abgabe an den Patienten zur Verfügung. Die Substitutionspflicht ist insoweit rahmenvertraglich aufgehoben.544 Der Apotheker kann daher bei der Abgabe wählen, ob er das ärztlich genannte Präparat, eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel oder ein preisgünstiges Importarzneimittel abgibt.545 Zählt das namentlich verordnete Arzneimittel bereits zu den preisgünstigsten Arzneimitteln, bildet dieses die Preisgrenze und das ersetzende Arzneimittel darf nicht teurer sein als das namentlich verordnete.546 b) Entscheidungsspielräume im System der privaten Krankenversicherung Im Gegensatz zur GKV, deren System maßgeblich auf dem Sachleistungsprinzip fußt, beruht die PKV auf dem Prinzip der Kostenerstattung.547 Zudem spielen Wirtschaftlichkeitsaspekte eine geringere Rolle als im System der GKV.548 Nach dem vorherrschenden Kostenerstattungsprinzip bedient sich die PKV zur Erfüllung ihrer Pflichten nicht der Hilfe sog. Leistungserbringer. Vielmehr verschafft sich der Patient die notwendige Krankenbehandlung selbst. Die dem Patienten gewährten Sach- und Dienstleistungen werden diesem, anstelle der Krankenkasse im System der GKV, durch den jeweiligen Erbringer in Rechnung gestellt. Der Patient hat seinerseits gegen die PKV einen Kostenerstattungsanspruch, soweit die medizinische Leistung „notwendig“ 549 war.550 Aufgrund der Tatsache, dass im Bereich der PKV keine Restriktionen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu beachten sind, bleibt es bei dem bereits 542 Entweder weil kein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 SGB V besteht oder weil die Pflicht zur vorrangigen Abgabe entfallen ist. 543 Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 21. 544 Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 21. 545 Vgl. § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages; siehe hierzu auch die Ausführungen unter § 4 I. 1. a) bb). 546 Vgl. § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages; Wodarz, in: Sodan, Handbuch KrankenVersR, § 27 Rn. 55. 547 v. Koppenfels-Spies, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 192 VVG Rn. 3; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 317. 548 Vgl. Cosack, ZIS 2013, 226, 227. 549 Vgl. § 192 Abs. 1, 2, 4 VVG. 550 Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 317.

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oben dargestellten Substitutionsverbot des Apothekers nach § 17 Abs. 5 ApoBetrO,551 nach dem es dem Apotheker untersagt ist, ein anderes als das ärztlich verschriebene Arzneimittel an den Patienten abzugeben. Bei den bestehenden Auswahlmöglichkeiten des Apothekers bei der Arzneimittelabgabe ist daher zwischen zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Verschreibt der Arzt ein Arzneimittel unter Nennung seines Namens, folgt aus dem Substitutionsverbot, dass der Apotheker strikt dasjenige Arzneimittel herauszugeben hat, das auf der ärztlichen Verordnung genannt ist.552 Insoweit besteht keine Auswahlmöglichkeit des Apothekers. Eine Ersetzungsbefugnis wird dem Apotheker lediglich in den Fällen eingeräumt, in denen der Arzt die Ersetzung ausdrücklich wünscht.553 Beschränkt sich der Arzt bei seiner Verordnung hingegen auf die Angabe eines Wirkstoffes, lässt er die Ersetzung des verordneten Arzneimittels zu.554 Der Apotheker hat ein Wahlrecht und ist befugt, unabhängig vom Preis jedes Arzneimittel abzugeben, das mit dem in der Verordnung genannten Wirkstoff identisch ist.555 Ein zwingender Abgabevorrang rabattbegünstigter Arzneimittel, wie ihn die GKV kennt, besteht im System der PKV nicht. Jüngst wurden zwar die ersten Rabattverträge mit Krankenkassen der PKV abgeschlossen. Allerdings besteht hier – im Unterschied zur GKV – keine Substitutionspflicht für den Apotheker. Vielmehr erfolgt die Umsetzung auf freiwilliger Basis, indem der Patient bei seinem Arzt oder Apotheker aktiv ein rabattbegünstigtes Arzneimittel einfordern muss.556 Dies setzt jedoch wiederum voraus, dass der Patient überhaupt Kenntnis von den bestehenden Rabattverträgen haben muss und er in Folge dessen ein rabattiertes Arzneimittel auch einfordert. Vor diesem Hintergrund dürfte die vorrangige Abgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels im Bereich der PKV die Ausnahme darstellen. 2. Verschreibungsfreie Arzneimittel Im Bereich der verschreibungsfreien Arzneimittel, den „OTC“-Präparaten,557 ist der Entscheidungsspielraum des Apothekers ausgesprochen weit. Begrenzungen der Auswahlfreiheiten bestehen nicht. 551

Zum Substitutionsverbot s. o. § 4 I. 1. Vgl. § 17 Abs. 5 ApoBetrO. 553 Neukirchen, Gesetzeskunde, S. 123. 554 Wigge, PharmR 2002, 2, 3. Vgl. auch Neukirchen, Gesetzeskunde, S. 123. 555 Wigge, PharmR 2002, 2, 3. 556 https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/09/18/pkv-rabatt vertraege-mit-teva-wie-funktioniert-das-in-der-apotheke, zuletzt abgerufen am 25.05. 2020. 557 OTC steht für „Over-The-Counter“ und meint die verschreibungsfrei „über die Ladentheke“ abgebbaren Arzneimittel, vgl. Geiger, medstra 2016, 9, 14 dortige Fn. 57. 552

II. Bewertung

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Verschreibungsfreie Arzneimittel setzen, wie ihr Name schon andeutet, keine ärztliche Verschreibung nach § 48 AMG voraus. Sie sind in der Apotheke freiverkäuflich erhältlich. Dies führt zur Aufhebung der oben aufgezeigten strikten Trennung zwischen dem Beruf des Arztes, dem die Therapie- und Verordnungshoheit obliegt, und dem des Apothekers, der die Aufgabe der Arzneimittelabgabe wahrnimmt.558 Der Apotheker schlüpft im Falle der Selbstmedikation durch verschreibungsfreie Arzneimittel zusätzlich in die Rolle des Arztes, indem er dessen Therapie- und Verordnungsentscheidung übernimmt und den Patienten informiert, welche Arzneimittel bei dessen Beschwerden in Betracht kommen.559 Hierbei hat der Apotheker bereits die Möglichkeit, das Arzneimittel eines bestimmten Herstellers bevorzugt zu empfehlen. Da verschreibungsfreie Arzneimittel grundsätzlich560 nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht zum Leistungsumfang der GKV gehören,561 werden die Entscheidungsspielräume des Apothekers nicht durch sozialrechtliche Vorgaben begrenzt.

II. Bewertung Nachdem die bestehenden Auswahlmöglichkeiten des Apothekers bei der Arzneimittelabgabe ausführlich nachgezeichnet wurden, gilt es nun, diese Entscheidungsspielräume zu bewerten. Hierzu sollen die Auswahlmöglichkeiten zunächst noch einmal überblicksartig zusammengefasst werden: Bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Bereich der GKV hat der Apotheker für den Fall, dass eine Ersetzung mit einem rabattbegünstigten Arzneimittel nicht vorrangig in Betracht kommt, Auswahlmöglichkeiten bei der Entscheidung, welches Arzneimittel er abgibt. Das Ermessen ist bei einer Wirkstoffverordnung auf die drei preisgünstigsten Arzneimittel beschränkt. Bei einer Namensverordnung stehen in der Regel die drei preisgünstigsten Arzneimittel und das ursprünglich verordnete Präparat zur Abgabe an den Patienten zur Verfügung. Kommt eine vorrangige Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel in Betracht und bestehen mehrere Rabattverträge, eröffnen diese dem Apotheker ebenfalls einen Entscheidungskorridor. Im Bereich der PKV besteht eine Auswahlmöglichkeit bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Falle einer Namensverordnung nur, wenn 558

Zur strikten Trennung zwischen den Berufen des Arztes und Apothekers s. o.

§ 4 I. 559 Vgl. Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 230; Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 112. 560 Zu den Ausnahmen vgl. § 34 Abs. 1 Sätze 2, 5 SGB V. 561 Vgl. Steinmeyer, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 129 SGB V Rn. 17; Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 129 Rn. 18; Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar Bundesmantelvertrag, § 29 Rn. 13.

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers

der Arzt dies ausdrücklich wünscht, wohingegen der Apotheker bei einer Wirkstoffverordnung bei seiner Auswahl unbegrenzt agieren kann. Im Bereich der verschreibungsfreien Arzneimittel ist der Apotheker in seiner Auswahlentscheidung völlig frei. Hinsichtlich der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Bereich der GKV stellt Geiger die These auf, dass die Spielräume überaus begrenzt seien und dem Apotheker für eine eigene Auswahlentscheidung nur sehr eingeschränkt Raum ließen.562 Dem ist nicht beizupflichten. Die Regelung des § 129 SGB V sah ursprünglich vor, dass eine Substitution durch den Apotheker nur zulässig war, wenn der Arzt dies durch Ankreuzen des „aut-idem“-Kästchens auf dem jeweiligen Rezept erlaubte.563 Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15. Februar 2002564 ist dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis indes umgekehrt worden: Seither muss der Apotheker regelmäßig einen Austausch vornehmen, sofern nicht ausnahmsweise ein Ausschluss durch den Arzt erfolgt, indem dieser das entsprechende Kästchen auf dem jeweiligen Rezept ankreuzt.565 Diese in § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB V festgeschriebene Umkehrung des generellen Substitutionsverbotes in eine grundsätzliche Substitutionspflicht räumt dem Apotheker erhebliche Entscheidungsspielräume ein566 und macht ihn damit zum neuen „Entscheider“ bei der Arzneimittelabgabe. Dieser Befund steht im Einklang mit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012, in welcher der Senat hervorhebt, dass es in vielen Fällen der ärztlichen Verordnung im Bereich der GKV letztlich der die Verordnung entgegennehmenden Apotheke obliege, das abzugebende Arzneimittel auszuwählen.567 Zwar ließe sich gegen die hier vertretene Auffassung einwenden, die Entscheidungsspielräume bestünden lediglich in den Fällen, in denen ein rabattbegünstigtes Arzneimittel nicht vorrangig abzugeben ist, was diese Entscheidungsspielräume erheblich einschränke. Hiergegen lässt sich jedoch einwenden, dass auf dem Arzneimittelmarkt im Januar 2018 50.132 verschreibungspflichtige Arzneimittel erhältlich waren und die Zahl der hiervon rabattbegünstigten Arzneimittel 562

Geiger, medstra 2016, 9, 15. Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 272; Kamps, MedR 2002, 193. 564 BGBl. I 2002, S. 684. 565 Reese/Stallberg, in: Dieners/Reese, Handbuch Pharmarecht, § 17 Rn. 272; vgl. auch SG Frankfurt, Beschl. v. 12.08.2002 – S 30/9 KR 2220/02 ER – juris Rn. 35; BTDrs. 14/7144, S. 5; Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 129 Rn. 4; Rompf/ Schröder/Willaschek, Kommentar Bundesmantelvertrag, § 29 Rn. 3; Neukirchen, Gesetzeskunde, S. 123; Volkwein, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, § 129 SGB V Rn. 1 u. 5; Gassner, PharmR 2002, 165, 167; Kamps, MedR 2002, 193. 566 Barth, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB V, § 129 Rn. 4. 567 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 39. 563

II. Bewertung

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gerade einmal 17.800 Stück ausmachte,568 was in etwa 35,5 % entspricht. Damit kommt lediglich bei jeder dritten Abgabeentscheidung des Apothekers die Ersetzung durch ein rabattbegünstigtes Arzneimittel in Betracht. Abgesehen hiervon, besteht zudem die Möglichkeit, dass für ein zu ersetzendes Arzneimittel mehrere Rabattverträge bestehen, was wiederum dem Apotheker eine Auswahlentscheidung ermöglicht. Dass die Entscheidungsspielräume im Bereich der GKV durchaus so weit reichen, dass sie das Interesse der Pharmaindustrie wecken, auf die Auswahlkompetenz von Apothekern korruptiv Einfluss zu nehmen, zeigt ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom 11. September 2012.569 Dem Urteil lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Pharmaunternehmen, das unter anderem Arzneimittel, die eine wirkstoffgleiche Kopie eines bereits unter einem Markennamen im Handel befindlichen Arzneimittels sind (sog. Generika), herstellt und über Apotheken vertreibt, bot im Jahre 2009 Apothekern ein sog. Partnerprogramm an. Dessen Ziel bestand darin, dass die teilnehmenden Apotheker Produkte des Pharmaunternehmens bei der Abgabe an den Patienten bevorzugt berücksichtigen, und zwar für den Fall, dass der verschreibende Arzt eine Substitution des verschriebenen Arzneimittels nicht ausschließt („aut-idem“-Substitution) und dem Apotheker eine Wahlfreiheit in der Auswahl zwischen verschiedenen Arzneimitteln eröffnet ist. Als Gegenleistung erhielten Apotheker die Möglichkeit, die Arzneimittel von dem Pharmaunternehmen im Wege des Direktbezugs zum niedrigeren Herstellerabgabenpreis570 anstatt zum Apothekeneinkaufspreis571 zu bestellen. Hierdurch erhöhte sich die Gewinnmarge der teilnehmenden Apotheker.572 Abschließend bleibt zu konstatieren, dass neben die durchaus merklich vorhandenen Entscheidungsspielräume im Bereich der GKV die unbegrenzten Auswahlmöglichkeiten des Apothekers bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Bereich der PKV treten, wenn die verschreibungspflichtigen Arzneimittel einzig unter Angabe ihres Wirkstoffes verordnet wurden. Ferner existiert eine weitere unbegrenzte Auswahlmöglichkeit bei der Abgabe verschreibungsfreier Arzneimittel, die mit einer Anzahl von 53.080 etwas mehr als die Hälfte der insgesamt auf dem Markt verfügbaren Arzneimittel ausmacht.573 568 Siehe hierzu https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ ZDF_2019_Brosch.pdf, S. 22 u. 31, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 569 KG Berlin MedR 2013, 373 ff. 570 Herstellerabgabenpreis meint den Preis des Herstellers gegenüber dem Großhandel. 571 Apothekeneinkaufspreis meint den Preis des Großhandels gegenüber den Apotheken. 572 Zum Ganzen KG Berlin MedR 2013, 373. 573 Siehe hierzu https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ ZDF_2019_Brosch.pdf, S. 22, zuletzt abgerufen am 25.05.2020.

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers

Vor diesem Hintergrund kann die zu Beginn der Untersuchung aufgeworfene Fragestellung nach dem Bestehen einer Strafbarkeitslücke nur positiv beantwortet werden. Selbst im Bereich der GKV, den man vorschnell als streng reguliert beschreiben könnte, verfügt der Apotheker über vielfältige und weitreichende Entscheidungsspielräume bei der Arzneimittelabgabe. Insofern besteht – was der Fall des Kammergerichts Berlin eindrücklich unterstreicht – ein Anreiz für Pharmaunternehmen, die vorgenannte Abgabeentscheidung des Apothekers in ihrem Sinne unsachlich zu beeinflussen. Die bestehenden weitreichenden Entscheidungsspielräume des Apothekers führen zu der Erkenntnis, dass ein legislatives Eingreifen des Gesetzgebers dringend erforderlich erscheint. Die Dringlichkeit dieses Tätigwerdens wird weiter durch einen Blick auf das Berufsbild des Apothekers verstärkt. Das Berufsbild des Apothekers ist in § 1 BApO verankert. Danach ist der Apotheker berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. In Umsetzung dieser gesetzlich zugewiesenen öffentlichen Aufgabe574 stellen Apotheken in geringem Umfang Arzneimittel noch immer selbst her. Vornehmlich liegt die Aufgabe des Apothekers aber in der Abgabe der von der pharmazeutischen Industrie hergestellten Arzneimittel an die Patienten.575 Diese Hauptaufgabe des Apothekers ist gepaart mit der Pflicht, Patienten bei der Arzneimittelversorgung zu beraten,576 um eine höhere Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten.577 Bei der Ausübung seines Berufes kommt dem Apotheker sowohl der rechtliche Status eines Kaufmannes578 als auch der eines Angehörigen eines freien Berufes zu.579 574 BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 31; Kieser, Apothekenrecht, S. 1 u. 7; Dettling/Kieser, in: Herzog/Dettling/Kieser/Spielvogel, Filialapotheken, S. 76; Kieser, in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 2 u. 17; Ring, NJW 1997, 768, 770. 575 BVerfGE 94, 372 – juris Rn. 2; Ring, NJW 1997, 768, 769. 576 Vgl. § 20 ApoBetrO. Siehe hierzu auch Wigge/Schütz, A&R 2016, 7, 8; Frohn/ Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 228; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 15. 577 Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 229. 578 Vgl. § 1 HGB. 579 Vgl. BVerfGE 5, 25 – juris Rn. 11 ff.; 7, 377 – juris Rn. 36 f.; 17, 232 – juris Rn. 31 u. 34; 94, 372 – juris Rn. 5; BGHSt 47, 285 – juris Rn. 8; Hencke, in: Peters, Handbuch Krankenversicherung, Band 3, § 129 SGB V Rn. 3; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, Vorb. Rn. 3; Holzner, in: BeckOK, GewO, § 6 Rn. 15; Geiger, CCZ 2016, 58, 59 f.; Purnhagen, MedR 2006, 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 7; ders., in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 18; Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11.2015, S. 4; Marcks, in: v. Landmann/ Rohmer, GewO, Band I, § 6 Rn. 5; Dettling/Kieser, in: Herzog/Dettling/Kieser/Spielvogel, Filialapotheken, S. 78 ff.; Grau, in: Rixen/Krämer, ApoG, § 1 Rn. 2; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Band I, Teil 5, Kap. XVI, § 59 I 4b aa und Kap. XVIII, § 65 I 1c; Ring, NJW 1997, 768, 769.

II. Bewertung

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Da der Apotheker als einziger Akteur im Gesundheitswesen diese Doppelfunktion einnimmt580 und als Kaufmann ein Handelsgewerbe betreibt, drängt sich zwar die Frage auf, ob Strafbarkeitslücken im Hinblick auf die Bezugs- und Abgabeentscheidung des Apothekers gerechtfertigt und hinzunehmen sind, da der Apotheker kaufmännische Aspekte verfolgen darf.581 Dies ist jedoch zu verneinen. Bei der Festschreibung des Berufsbildes des Apothekers durch den Gesetzgeber ging dieser von der Erkenntnis aus, dass das Arzneimittel keine gewöhnliche Ware, sondern eines der wichtigsten Hilfsmittel der ärztlichen Kunst ist, um Krankheiten zu erkennen, zu heilen und ihnen vorzubeugen, Schmerzen zu lindern und darüber hinaus allgemein die Gesundheit zu fördern. Arzneimittel dienen daher unmittelbar dem öffentlichen Wohl.582 Da das Arzneimittel – anders als ein Lebens- oder Genussmittel – auf die Funktionen des menschlichen Körpers in besonders gezielter Weise einwirkt, ist es nicht nur heilsam, sondern kann – etwa durch Überdosen oder durch ungünstige, oft nicht ohne weiteres voraussehbare Nebenwirkungen – auch schaden.583 Um dieser Ambivalenz willen hat die Rechtsordnung den Beruf des Apothekers als besonderen, qualifizierten Beruf des Gesundheitswesens geschaffen. Zwischen Herstellern und Patienten ist nicht nur der Arzt, sondern auch der selbständige Apotheker eingeschaltet. Gerade die wachsende Zahl der Arzneispezialitäten verlangt den wissenschaftlich gebildeten Apotheker. Nur er ist in der Lage, den Überblick über die Arzneimittel zu behalten; er kann auch dem Arzt beratend zur Seite stehen.584 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aufgrund dieser Eigenart des Berufs des selbständigen Apothekers von einem Überwiegen der Züge des freien Berufes auszugehen. Dem Apotheker sind Dienste höherer Art aufgetragen, hinter die das Streben nach Gewinn, wie es sonst die gewerbliche Wirtschaft kennzeichnet, zurücktritt.585 Strafbarkeitslücken mit Verweis auf seine Kaufmannseigenschaft hinzunehmen, kommt daher nicht in Betracht. 580

Wigge/Schütz, A&R 2015, 243. Im Einklang hierzu mutmaßt Dieners in einem Interview, dass der Apotheker nicht mehr vom Straftatbestand des § 299a StGB erfasst sei, da der Gesetzgeber wahrscheinlich das kaufmännische Merkmal beim Apotheker von vornherein stärker ausgeprägt sehe als das beratende, https://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/ 2016/06/anti-korruptionsgesetz-wirkung-wie-die-angst-vorm-zahnarzt, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 582 Zum Ganzen BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 32. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.05. 2009 – C-171/07 und C-172/07 – juris Rn. 31. 583 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.05.2009 – C-171/07 und C-172/07 – juris Rn. 32. 584 Zum Ganzen BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 33. 585 BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 34. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.05.2009 – C-171/07 und C-172/07 – juris Rn. 37; BVerfGE 75, 166 – juris Rn. 47; Wigge/Schütz, A&R 2015, 243 f.; Ring, NJW 1997, 768, 769. Kritisch Hamel, NJW 1964, 1072. 581

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§ 4 Rechtspolitisches Erfordernis einer Strafbarkeit des Apothekers

Ferner spricht gegen die Hinnehmbarkeit von Strafbarkeitslücken die herausgehobene Stellung des Apothekers586 im Gesundheitswesen. Diese resultiert aus der Bedeutung seines Berufes für die Gesundheit der Bevölkerung.587 Er erbringt bei der Beratung des Patienten in der Apotheke eine höchstpersönliche Leistung. Im Gegenzug bringt der Patient dem Apotheker ein besonderes Vertrauen entgegen.588 Die herausgehobene Stellung des Apothekers lässt sich anhand bloßer Zahlen eindrucksvoll belegen: Aus einer jüngeren Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ergibt sich, dass in Deutschland täglich 3,5 Mio. Patienten in öffentlichen Apotheken versorgt werden. Pro Jahr zählen öffentliche Apotheken damit etwa eine Milliarde Patientenkontakte. Dabei geben 83 % der befragten Bundesbürger an, Vertrauen zu ihrem Apotheker zu haben.589 Im Hinblick auf ihre Bedeutung im Gesundheitswesen ist es daher nicht hinnehmbar, dass Apotheker strafrechtlich nicht belangt werden können.590 Das besondere Vertrauen, das die Patienten dem Apotheker sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht entgegenbringen, gilt es gegen Missbräuche zu schützen. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers erscheint damit rechtspolitisch erforderlich. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers erscheint umso dringlicher, wenn man bedenkt, dass selbst das korruptiv beeinflusste Handeln anderer Akteure im Gesundheitswesen, die weit weniger Bedeutung haben wie der Apotheker (z. B. ein psychologischer Psychotherapeut), unter Strafe gestellt ist. Hinzu kommt, dass mit der Einführung der §§ 299a, 299b StGB die korruptiv beeinflusste Verordnungsentscheidung eines Arztes strafrechtlich erfasst ist. Bestraft wird sowohl die Geber- als auch die Nehmerseite. Aus der Kombination von Pönalisierung der korruptiv beeinflussten Verordnungsentscheidung des Arztes und der Straffreiheit des Apothekers folgt jedoch, dass der Apotheker als nunmehr einzig verbleibende „Stellschraube“ vermehrt in den Fokus der Pharmaindustrie rücken wird.591 Nach allem erscheint ein gesetzgeberisches Tätigwerden als erforderlich. Ein solches könnte nur entfallen, wenn das in Rede stehende Verhalten des Apothekers bereits durch andere Straftatbestände erfasst wäre. Dies ist im Folgenden näher zu prüfen. 586 Vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 02.09.1999 – 13 A 3323/97 – juris Rn. 8; BMJVReferentenentwurf, S. 9; BT-Drs. 18/6446, S. 11; BR-Drs. 181/16, S. 3. 587 BVerfGE 7, 377 – juris Rn. 37; 17, 232 – juris Rn. 36. 588 Wigge/Schütz, A&R 2015, 243. 589 https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ZDF_2019_Brosch. pdf, S. 5, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 590 So auch Kubiciel, jurisPR-Compl 3/2016 Anm. 1; Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 136; Reinholz, rescriptum 2016, 134, 139. Vgl. auch Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132. 591 Ähnlich auch Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 136; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132.

§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften Bevor man sich anschickt, die Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften zu untersuchen, bedarf es einer kurzen Rückbesinnung auf den in der Einleitung gebildeten Beispielsfall: Das Pharmaunternehmen P-GmbH produziert und vertreibt Arzneimittel. Ein Pharmareferent der P-GmbH bietet dem Apotheker A als Geschäftsherr einer öffentlichen Apotheke einen Vorteil an, wenn er künftig die Arzneimittel der P-GmbH bevorzugt bezieht und bevorzugt an Patienten abgibt. Hierauf lässt sich A ein. Als Gegenleistung für die bevorzugt bezogenen bzw. abgegebenen Arzneimittel soll A in der Folgezeit eine umsatzbezogene Rückvergütung (sog. kick-back) erhalten. Den gedanklichen Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung bildet die Prüfung der Amtsträgerdelikte der §§ 331, 332 StGB, Vorteilsnahme und Bestechlichkeit (I.). Anschließend wird die Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, geprüft (II.). Sodann soll untersucht werden, ob sich der Apotheker nach dem gebildeten Beispielsfall nach § 263 StGB wegen Betruges strafbar machen kann (III.). Nur wer sich bemüht, die Strafbarkeit des Apothekers auch nach anderen Vorschriften auszuloten, kann eine verlässliche Aussage darüber treffen, ob die oben unter § 3 II. 3. und § 4 II. skizzierten Strafbarkeitslücken durch andere Straftatbestände geschlossen werden können oder weiterhin bestehen. Sollte man zu dem Ergebnis gelangen, dass die vorhandenen Strafbarkeitslücken nicht ausgemerzt werden können, lässt sich ein gesetzgeberisches Tätigwerden endgültig nicht mehr von der Hand weisen.

I. Strafbarkeit des Apothekers nach §§ 331, 332 StGB Im Hinblick auf den gebildeten Beispielsfall kommt im Rahmen der Amtsträgerdelikte sowohl eine Strafbarkeit nach § 331 StGB wegen Vorteilsannahme als auch eine Strafbarkeit gemäß § 332 StGB wegen Bestechlichkeit in Betracht. Gemäß § 331 Abs. 1 StGB wird ein Amtsträger, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Nach § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB wird hingegen ein Amtsträger, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, mit Frei-

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heitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung wird daher die Frage sein, ob der Apotheker als Amtsträger anzusehen ist. Innerhalb der Prüfung der §§ 331, 332 StGB werden daher zunächst die konstituierenden Merkmale des Amtsträgerbegriffs darzulegen sein (1.), bevor anschließend in aller Kürze der Meinungsstand zur Amtsträgereigenschaft des Apothekers vor der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012592 skizziert wird (2.). Hieran anschließend soll geprüft werden, ob sich diese Entscheidung des Großen Senats, die zum Vertragsarzt erging, auf den Apotheker übertragen lässt (3.). 1. Grundlegendes zum Amtsträgerbegriff Den Amtsträgerdelikten ist gemein, dass sie als Sonderdelikte ausgestaltet sind. Tauglicher Täter kann damit lediglich derjenige sein, der die Stellung eines Amtsträgers innehat. Der Begriff des Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB ist auch derjenige Amtsträger, der sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen. In der hier zu untersuchenden Konstellation kommt die Alternative eines Handelns des Apothekers im Auftrag der Krankenkasse als „sonstiger Stelle“ in Betracht. Der Begriff des Amtsträgers in § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB ist als Generalklausel ausgestaltet593 und gebietet daher in seiner Gesamtheit – auf Grund verfassungsrechtlicher Vorgaben594 – eine restriktive Auslegung.595 Für die vorliegend in Betracht kommende Alternative des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB können dem Gesetzeswortlaut drei Voraussetzungen entnommen werden: Erstens muss der Betreffende selbst Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen. Zweitens ist es erforderlich, dass er diese Aufgaben im Auftrag einer sonstigen Stelle ausübt und drittens muss er zur Erfüllung dieser Aufgaben bestellt sein. a) Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung Der Begriff der „Aufgaben öffentlicher Verwaltung“ soll nach Ansicht des Gesetzgebers lediglich in Abgrenzung zur Judikative und Legislative erfolgen und 592

BGHSt 57, 202 ff. Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 11 Rn. 16. 594 Vgl. BVerfGE 126, 170 – juris Rn. 73 ff. 595 Vgl. BGHSt 43, 96 – juris Rn. 44 ff.; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 11 Rn. 16; Hilgendorf, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, § 11 Rn. 33; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 11 Rn. 26; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn. 19; v. Coelln, FS I. Roxin, 2012, S. 209, 224. 593

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damit weit ausgelegt werden.596 Dementsprechend sind alle Tätigkeiten erfasst, die sich aus der Staatsgewalt ableiten, staatlichen Zwecken dienen und dabei nicht dem Bereich der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung zuzuordnen sind.597 Die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung umfassen neben der Eingriffsverwaltung auch die Leistungsverwaltung.598 Zur Leistungsverwaltung zählen nach Ansicht der Rechtsprechung in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber grundsätzlich auch die Daseinsvorsorge und damit alle Tätigkeiten, die unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Mitglieder sorgen sollen.599 Die Daseinsvorsorge schließt ihrerseits die Gesundheitsfürsorge als Teilaspekt mit ein.600 Um den Begriff der öffentlichen Aufgabe im Bereich der Gesundheitsfürsorge als Teil der Daseinsvorsorge allerdings nicht allzu sehr ausufern zu lassen, erfährt dieser durch die Judikatur eine Einschränkung: Die Gesundheitsfürsorge stellt zwar grundsätzlich eine öffentliche Aufgabe dar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bereits jeder Rechtsakt oder jedes Rechtsgeschäft, die diesem Zweck im Ergebnis dienen, als Teil einer vom Staat zu leistenden Daseinsvorsorge zu bewerten sind.601 Die Frage, ob im Bereich der Gesundheitsfürsorge eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird, ist für jeden Einzelfall – auf Grundlage einer wertenden Betrachtung – gesondert zu untersuchen. Diese Einschränkung überzeugt mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene restriktive Auslegung von Generalklauseln im Strafrecht. Handelt der Betreffende als Privater im Auftrag einer sonstigen Stelle, muss seine Tätigkeit zudem Merkmale aufweisen, die eine Gleichstellung mit behördlichem Handeln rechtfertigen können, um die Tätigkeit dem Bereich der öffent-

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BT-Drs. 7/550, S. 209; vgl. auch Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 11 Rn. 30; Hilgendorf, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, § 11 Rn. 42. 597 BGHSt 8, 21, 22; 11, 345, 349; 12, 89; 31, 264 – juris Rn. 21; 38, 199 – juris Rn. 12; BGH, Beschl. v. 14.01.2009 – 1 StR 470/08 – juris Rn. 9; Gaede, in: Leitner/ Rosenau, WSS, § 11 Rn. 20; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 11 Rn. 30; Heinrich, wistra 2016, 471, 472; ders., Amtsträgerbegriff, S. 394. 598 BT-Drs. 13/5584, S. 12; Fischer, StGB, § 11 Rn. 22; Welp, FS Lackner, 1987, S. 761, 775 ff.; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 11 Rn. 23; Saliger, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 11 Rn. 32; ders., FS Puppe, 2011, S. 933, 939. Vgl. auch Stein/Deiters, in: SK-StGB, Band I, § 11 Rn. 49. 599 BGHSt 12, 89, 90; 31, 264 – juris Rn. 20; 38, 199 – juris Rn. 12; 49, 214 – juris Rn. 19; 52, 290 – juris Rn. 9; BGH, Urt. v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03 – juris Rn. 11; BT-Drs. 7/550, S. 209; BT-Drs. 13/5584, S. 12; Hilgendorf, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, § 11 Rn. 44; Saliger, FS Puppe, 2011, S. 933, 939; Fischer, StGB, § 11 Rn. 22. Vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.10.2006 – 5 StR 70/06 – juris Rn. 6; Jutzi, NStZ 1991, 105; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 407. 600 BGH, Urt. v. 24.03.2016 – ZR 263/14 – juris Rn. 39; vgl. auch OLG Naumburg, Beschl. v. 17.02.2004 – 1 Verg 15/03 – juris Rn. 50. 601 BGHSt 46, 310 – juris Rn. 35; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 11 Rn. 25; Saliger, FS Puppe, 2011, S. 933, 939 f.; v. Coelln, FS I. Roxin, 2012, S. 209, 213.

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lichen Verwaltung zuordnen zu können.602 Dies ist insbesondere der Fall, wenn der privat Handelnde bei einer Gesamtbetrachtung als verlängerter Arm des Staates erscheint.603 Schließlich muss der Betreffende die Aufgaben öffentlicher Verwaltung selbst wahrnehmen.604 Dies setzt voraus, dass die Tätigkeit von einer gewissen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägt ist.605 Indiz dafür ist das Vorhandensein eines eigenen Entscheidungsspielraums bei Ausübung der Tätigkeit.606 b) Sonstige Stelle Unter einer „sonstigen Stelle“ versteht man eine behördliche Institution, die – unabhängig von ihrer Organisationsform – rechtlich dazu befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken, ohne dadurch eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein.607 c) Bestellungsakt Die Amtsträgereigenschaft im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB setzt schließlich eine Bestellung durch eine zuständige Stelle voraus, d.h. die bloß faktische Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben genügt nicht, um die Amtsträgereigenschaft zu begründen. Dahinter steht der Gedanke, dass dem Bestellungsakt eine Warnfunktion für den Betroffenen zukommt, die ihm die gesteigerte Verantwortung seiner Position vor Augen führt. Eines förmlichen, öffentlich-rechtlichen Bestellungsaktes bedarf es jedoch nicht; ausreichend ist insoweit entweder die Eingliederung in die Organisationsstruktur einer sonstigen Stelle oder aber eine über den Einzelauftrag hinausgehende längerfristige Tätigkeit bei oder für eine sonstige Stelle.608

602 BGHSt 45, 16 – juris Rn. 7; 46, 310 – juris Rn. 32; 49, 214 – juris Rn. 15. Vgl. auch BGHSt 38, 199 – juris Rn. 18. 603 BGHSt 43, 370 – juris Rn. 20; 45, 16 – juris Rn. 7; 46, 310 – juris Rn. 32; 49, 214 – juris Rn. 15. Vgl. auch BGHSt 57, 202 – juris Rn. 17. 604 BGHSt 61, 135 – juris Rn. 17; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rn. 9a; Radtke, in: MüKo StGB, Band 1, § 11 Rn. 86; Hilgendorf, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 1, § 11 Rn. 52; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 11 Rn. 29. Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.11.1979 – 3 StR 405/79 – juris Rn. 20. 605 BGHSt 61, 135 – juris Rn. 17; Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 11 Rn. 38. 606 Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 11 Rn. 38. 607 BGHSt 52, 290 – juris Rn. 11; 54, 39 – juris Rn. 43; 56, 97 – juris Rn. 14; 57, 202 – juris Rn. 10; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rn. 8; v. Heintschel-Heinegg, in: Beck-OK, StGB, § 11 Rn. 17; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn. 23; Heinrich, wistra 2016, 471, 473. 608 Zum Ganzen BGHSt 43, 96 – juris Rn. 46; 61, 135 – juris Rn. 13.

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2. Ursprünglicher Meinungsstand zur Amtsträgereigenschaft des Apothekers Zur Beantwortung der Frage, ob ein Apotheker als Amtsträger zu klassifizieren ist, soll zunächst der ursprüngliche Meinungsstand zur Amtsträgereigenschaft des Apothekers im Schrifttum vor der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs skizziert werden. Dieser Meinungsstand leitet sich zum Teil von der einst umstrittenen Thematik ab, ob ein Vertragsarzt als Amtsträger einzuordnen ist. Schickt man sich an, den früheren Meinungsstand im Schrifttum zu vermessen, stößt man zunächst auf die Stellungnahme von Reese. Dieser verweist auf die Ausführungen von Taschke zum Vertragsarzt,609 wonach die Verordnung von Rezepten durch den Vertragsarzt allein die abwicklungstechnische Seite der dem Staat obliegenden Gesundheitsversorgung betreffe und diese nach ihrem Gesamtbild gerade keine hoheitliche Tätigkeit darstelle. Durch die Verordnung von Rezepten nehme der Vertragsarzt somit keine dem Staat zuzuordnende Tätigkeit und damit keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahr. Er könne demzufolge kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB sein. Die Einordnung des Apothekers als Amtsträger scheide nach Ansicht von Reese ebenfalls aufgrund der rein abwicklungstechnischen Tätigkeit des Apothekers und seiner im Gegensatz zum Vertragsarzt noch schwächeren öffentlich-rechtlichen Einbindung in das System der GKV erst recht aus.610 Pragal/Apfel vertreten hingegen den entgegengesetzten Standpunkt, wonach der Apotheker aufgrund seiner eingeräumten Befugnis zur „aut-idem“-Substitution611 als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB anzusehen sei.612 Durch die Berechtigung zur „aut-idem“-Substitution seien die Apotheker in das Sachleistungsprinzip der GKV eingebunden, da sie zur Auswahl eines wirkstoffgleichen, preigünstigeren Medikaments und zur Abgabe desselben ohne unmittelbare Kaufpreiszahlung verpflichtet seien.613 Der im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB erforderliche eigene Entscheidungsspielraum liege beim Apotheker somit unbestreitbar vor. Vieles spricht dafür, dass diese Kernthese der Autoren so zu verstehen ist, dass aus der Einbindung des Apothekers in das Sachleistungsprinzip der GKV eine Gleichstellung der Tätigkeit des Apothekers mit behördlichem Handeln abzuleiten ist und der Apotheker damit eine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. Ferner kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Tatbestandsvoraussetzung des Bestellungsaktes erfüllt sei. Der Be609 610 611 612 613

64.

Taschke, StV 2005, 406, 409 f. Zum Ganzen Reese, PharmR 2006, 92, 94. Siehe hierzu die Ausführungen unter § 4 I. 1. a). Pragal/Apfel, A&R 2017, 10, 18. Pragal/Apfel, A&R 2017, 10, 18. In diese Richtung auch Herffs, wistra 2006, 63,

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stellungsakt liege hier aus Sicht des Staates in Gestalt des von der Krankenkasse mit dem Deutschen Apothekerverband gemäß § 129 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenvertrages bzw. durch die Annahme der Betrittserklärung eines Apothekers gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2 SGB V vor.614 3. Übertragbarkeit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 auf den Apotheker Am 29. März 2012 hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V, hier: Verordnung von Arzneimitteln) nicht als ein für die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB handelt.615 Bevor jedoch näher untersucht werden soll, ob sich die Entscheidung des Großen Senats auf den Apotheker übertragen lässt, sollen zunächst die wesentlichen Begründungsansätze der Entscheidung dargelegt werden. a) Die Entscheidung im Hinblick auf die Amtsträgereigenschaft Der Entscheidung des Großen Senats lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Pharmareferentin praktizierte seit vielen Jahren unter der Bezeichnung „Verordnungsmanagement“ ein Prämiensystem für die ärztliche Verordnung von Medikamenten aus ihrem Vertrieb. Danach sollte der verschreibende Arzt fünf Prozent der Herstellerabgabenpreise als Prämie dafür erhalten, dass er Arzneimittel des Unternehmens verordnete. Die Zahlungen wurden später als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen. Auf der Grundlage dieses Prämiensystems übergab die angeklagte Pharmareferentin in insgesamt 16 Fällen verschiedenen Vertragsärzten Schecks in einer Gesamthöhe von etwa 18.000,– Euro. Zu der Frage der Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes, die der Große Senat im Ergebnis verneinte, führte er wie folgt aus: Zwar seien die gesetzlichen Krankenkassen als sonstige Stellen der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB einzuordnen, da sie auf der Grundlage des für sie in den §§ 1, 2 SGB V formulierten gesetzlichen Auftrags als solidarische und eigenverantwortliche Krankenversicherung ihren beitragspflichtigen Pflichtmitgliedern (vgl. §§ 5 ff., 226 SGB V) Leistungen zur Verfügung stellen und somit – in mittelbarer Staatsverwaltung616 – Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.617 614

Pragal/Apfel, A&R 2017, 10, 18. BGHSt 57, 202 ff. 616 BVerfGE 39, 302 – juris Rn. 68 u. 70; Baier, in: Krauskopf, Krankenversicherung, Band 1, § 29 SGB IV Rn. 11. 615

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Die Vertragsärzte seien jedoch nicht dazu bestellt, im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.618 Das Vertragsarztsystem der gesetzlichen Krankenversicherung sei darauf ausgerichtet, eine gleichmäßige und an solidarischen Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ausgerichtete Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Leistungen der Heil- und Gesundheitsfürsorge sicherzustellen, was unzweifelhaft eine öffentliche Aufgabe darstelle.619 Gleichwohl sei das System der vertragsärztlichen Versorgung so ausgestaltet, dass der einzelne Vertragsarzt keine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrnehme.620 Die öffentliche Verwaltung erfasse grundsätzlich auch das Handeln Privater, wenn diese wie ein verlängerter Arm hoheitlicher Gewalt tätig werden. Für die Zuordnung der Tätigkeit von Privaten zum Bereich öffentlicher Verwaltung komme es darauf an, dass der Ausführende dem Bürger nicht auf der Ebene vertraglicher Gleichordnung mit der grundsätzlichen Möglichkeit individueller Aushandlung des Verhältnisses entgegentritt, sondern quasi als ausführendes Organ hoheitlicher Gewalt. Es fehle Rechtsbeziehungen im Rahmen öffentlicher Verwaltung daher typischerweise ein bestimmendes Element individuell begründeten Vertrauens, der Gleichordnung und der Gestaltungsfreiheit.621 Im Rahmen einer wertenden Abgrenzung sei jeweils zu prüfen, ob der Tätigkeit der betreffenden Person im Verhältnis zum Bürger der Charakter eines hoheitlichen Eingriffs zukomme oder ob das persönliche Verhältnis zwischen den Beteiligten so im Vordergrund stehe, dass ein hoheitlicher Charakter der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dahinter zurücktrete. Letzteres sei im Verhätlnis zwischen Vertragsarzt und Patient der Fall.622 Die Vertragärzte üben ihren Beruf in freiberuflicher Tätigkeit aus und werden im konkreten Fall nicht aufgrund einer in eine hierarchische Struktur integrierten Dienststellung täitg, sondern aufgrund der individuellen, freien Auswahl der versicherten Person.623 Ferner würde das Verhältnis des Versicherten zum Vertragsarzt wesentlich bestimmt von Elementen persönlichen Vertrauens und einer der Bestimmung durch die Krankenkassen entzogenen Gestaltungsfreiheit, da die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen können (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V).624

617 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 11 f. Zustimmend Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 11 Rn. 23; Radtke, in: MüKo StGB, Band 1, § 11 Rn. 89; Heger, in: Lackner/ Kühl, StGB, § 11 Rn. 8. 618 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 14. 619 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 15. 620 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 16. 621 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 17. 622 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 18. 623 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 19. 624 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 20.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

Die Ausführungen des Großen Senats zum Bestellungsakt des Vertragsarztes konnten kurz gehalten werden, da sich diese Frage – vor dem Hintergrund der verneinten Wahrnehmung einer Aufgabe öffentlicher Verwaltung – als nicht entscheidungserheblich darstellte. Eine Bestellung setze zwar keinen förmlichen Bestellungsakt voraus. Die Zulassung eines Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 SGB V) sei jedoch schon keine Bestellung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB, weil es insoweit an einer der Krankenkasse unmittelbar zurechenbaren Entscheidung fehle.625 b) Konsequenzen der Entscheidung des Großen Senats für den Apotheker Mit Blick auf die Entscheidung des Großen Senats muss zunächst festgestellt werden, dass eine Amtsträgereigenschaft des Apothekers und damit eine Strafbarkeit nach §§ 331, 332 StGB ohnehin nur im Bereich der Arzneimittelversorgung der gesetzlich versicherten Patienten in Betracht kommt. Das resultiert aus dem Umstand, dass die PKV nicht als sonstige Stelle der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB einzuordnen ist; denn die PKV fußt nicht auf dem Sachleistungsprinzip, sondern vielmehr auf dem Kostenerstattungsprinzip.626 Die PKV ist gerade keine solidarische Krankenversicherung, die auf Grundlage eines gesetzlichen Auftrags ihren beitragspflichtigen Pflichtmitgliedern Leistungen zur Verfügung stellt. Sie wirkt vor diesem Hintergrund nicht bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit. Daraus folgt womöglich eine unterschiedliche Strafbarkeit des Apothekers in Abhängigkeit davon, ob dieser Arzneimittel an einen gesetzlich versicherten Patienten als Amtsträger oder an einen privat versicherten Patienten bervorzugt abgibt. Eine Amtsträgereigenschaft des Apothekers wäre anzunehmen, wenn dieser durch die Arzneimittelabgabe an Patienten der GKV eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und er hierzu auch bestellt wäre. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind unter Berücksichtigung der bereits dargelegten grundsätzlichen Anforderungen an eine Amtsträgereigenschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB, der Argumente des ursprünglichen Meinungsstandes und der Entscheidung des Großen Senats zum Vertragsarzt zu beurteilen. Gesetzliche Krankenkassen sind nach der Enscheidung des Großen Senats unproblematisch sonstige Stellen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB. Nichts anderes kann daher auch in Bezug auf die Amtsträgereigenschaft des Apothekers gelten. Eingehender Erörterung bedarf hingegen die Frage, ob der Apotheker eine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. 625 626

BGHSt 57, 202 – juris Rn. 24. Siehe hierzu die Ausführung unter § 4 I. 1. b.

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Gemäß § 1 BApO ist der Apotheker dazu berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Vor dem Hintergund des in § 1 BApO umschriebenen Berufsbildes des Apothekers steht unzweifelhaft fest, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln als Teil der Gesundheitsfürsorge eine öffentliche Aufgabe darstellt.627 Im Folgenden wird zu untersuchen sein, ob der Apotheker bei Erfüllung dieser Funktion auch eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Überträgt man hierfür den oben aufgezeigten Prüfungsmaßstab des Großen Senats, so zeigt sich, dass auch beim Apotheker das persönliche Verhältnis zwischen ihm und dem Patienten so im Vordergrund steht, dass ein hoheitlicher Charakter der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dahinter zurücktritt und der Apotheker im Ergebnis keine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. Die Apotheker üben ihren Beruf zumindest auch in freiberuflicher Tätigkeit aus.628 Die Eigenschaft des Apothekers als Freiberufler hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung festgestellt und bis heute – soweit ersichtlich – nicht aufgegeben.629 Der Apotheker fungiert nicht als Angestellter oder bloßer Funktionsträger einer öffentlichen Behörde bzw. einer sonstigen Stelle; er wird im konkreten Fall nicht aufgrund einer in eine hierarchische Struktur integrierten Dienststellung tätig, sondern vielmehr aufgrund der individuellen freien Auswahl der versicherten Person. Die GKV bedient sich zwar des Apothekers zur Erfüllung ihrer eigenen Sachleistungpflicht630 gegenüber ihren Versicherten. Gleichwohl handelt der Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln auch in Erfüllung seiner eigenen – aus § 1 BApO folgenden – Aufgabe, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen. Der Apotheker ist daher in das Versorgungssystem der GKV nicht organisatorisch eingebunden.631 In diese Richtung

627 Siehe hierzu auch BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 31; Kieser, Apothekenrecht, S. 1 u. 7; Dettling/Kieser, in: Herzog/Dettling/Kieser/Spielvogel, Filialapotheken, S. 76; Kieser, in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 2 u. 17; Ring, NJW 1997, 768, 770. 628 Vergleiche dazu BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 31 u. 34; 94, 372 – juris Rn. 5; BGHSt 47, 285 – juris Rn. 8; Hencke, in: Peters, Handbuch Krankenversicherung, Band 3, § 129 SGB V Rn. 3; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, Vorb. Rn. 3; Geiger, CCZ 2016, 58, 59 f.; Purnhagen, MedR 2006, 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 7; ders., in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 18; Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11.2015, S. 4. Marcks, in: v. Landmann/ Rohmer, GewO, Band I, § 6 Rn. 5; Dettling/Kieser, in: Herzog/Dettling/Kieser/Spielvogel, Filialapotheken, S. 78 ff.; Grau, in: Rixen/Krämer, ApoG, § 1 Rn. 2; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Band I, Teil 5, Kap. XVI, § 59 I 4b aa und Kap. XVIII, § 65 I 1c; Ring, NJW 1997, 768, 769. 629 BVerfGE 94, 372 – juris Rn. 5. 630 Vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. 631 In diese Richtung auch Taschke, StV 2005, 406, 409 in Bezug auf den Vertragsarzt.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

deutet auch die Überschrift des Vierten Kapitels des SGB V, die „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern“ lautet. Dies deutet ebenfalls an, dass der Apotheker als Leistungserbringer nicht in das Versorgungssystem der GKV eingegliedert, sondern vielmehr außerhalb dieses Systems anzusiedeln ist. Ferner wird auch das Verhältnis des versicherten Patienten zum Apotheker wesentlich bestimmt von Elementen persönlichen Vertrauens und einer der Bestimmung durch die Krankenkassen entzogenen Gestaltungsfreiheit: Nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung entfaltet und die damit befugt sind, Arzneimittel zu Lasten der GKV an Patienten abzugeben, frei wählen. Bei der Wahl des Apothekers und dem Besuch der Apotheke hat der Patient gerade nicht das Gefühl einem Hoheitsträger gegenüberzustehen, vielmehr überwiegt das persönliche Element zwischen Patient und Apotheker.632 Anknüpfend an die bereits unter § 5 I. 1. a) erwähnte einschränkende Auslegung des Begriffs der öffentlichen Aufgabe im Bereich der Gesundheitsfürsorge durch die Rechtsprechung, wonach die Gesundheitsfürsorge zwar grundsätzlich eine öffentliche Aufgabe darstellt, dies jedoch nicht bedeutet, dass bereits jeder Rechtsakt oder jedes Rechtsgeschäft, die diesem Zweck im Ergebnis dienen, als Teil einer vom Staat zu leistenden Daseinsvorsorge zu bewerten sind,633 lässt sich für den Apotheker im Ergebnis feststellen, dass dieser bei der Abgabe von Arzneimitteln an gesetzlich versicherte Patienten bereits kein eigenes Rechtsgeschäft abschließt, das als Teil der vom Staat zu leistenden Daseinsvorsorge zu bewerten sein könnte: Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich der Vergütungsanspruch des Apothekers gegen eine gesetzliche Krankenversicherung unmittelbar aus § 129 Abs. 1 SGB V i.V. m. den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB V.634 Die früher vertretene kaufvertragsrechtliche Deutung,635 wonach der Vertragsarzt als Vertreter für die Krankenkasse ein Angebot abgab, das in der Verordnung verkörpert, von dem Versicherten als Bote 632

So zum Vertragsarzt Heinrich, wistra 2016, 471, 474. BGHSt 46, 310 – juris Rn. 35; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 11 Rn. 25; Saliger, FS Puppe, 2011, S. 933, 939 f.; v. Coelln, FS I. Roxin, 2012, S. 209, 213. 634 BSGE 105, 157 – juris Rn. 12 u. 15 ff.; 106, 303 – juris Rn. 12 ff.; BSG, Urt. v. 02.07.2013 – B 1 KR 5/13 R – juris Rn. 8; BSG, Urt. v. 08.07.2015 – B 3 KR 17/14 R – juris Rn. 12; BGHSt 57, 202 – juris Rn. 35; Schneider, in: Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB V, § 129 Rn. 35; v. Dewitz, in: BeckOK, SGB V, § 129 Rn. 4; Volkwein, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, § 129 SGB V Rn. 3; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 11; Weiß, in: Krauskopf, Krankenversicherung, Band 2, § 129 SGB V Rn. 3; Saalfrank, A&R 2011, 22, 24; Manthey, GesR 2010, 601, 602. 635 BSGE 94, 213 – juris Rn. 17; BSG, Urt. v. 03.08.2006 – B 3 KR 6/06 R – juris Rn. 20; BSGE 97, 23 – juris Rn. 17; 105, 157 – juris Rn. 15; Saalfrank, A&R 2011, 22, 24; Weiß, in: Krauskopf, Krankenversicherung, Band 2, § 129 SGB V Rn. 3; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 10. Vgl. auch Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 376. 633

I. Strafbarkeit des Apothekers nach §§ 331, 332 StGB

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dem Apotheker überbracht und von diesem angenommen wurde,636 wurde zwischenzeitlich aufgegeben.637 Selbst wenn man im Bereich der GKV bei der Abgabe von Arzneimitteln – neben dem kraft Gesetzes bestehenden Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die GKV – einen zivilrechtlichen Beratungsvertrag zwischem dem Apotheker und dem gesetzlich versicherten Patienten konstruieren möchte,638 führt dies nach der Rechtsprechung noch nicht dazu, dass jedes zivilrechtliche Geschäft, das im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge geschlossen wird, als eine dem staatlichen Bereich zugeordnete Tätigkeit zu behandeln wäre.639 Auch der Umstand, dass die GKV sich zur Erbringung ihrer geschuldeten Sachleistung des Apothekers als Erfüllungsgehilfe bedient, führt nicht zur Annahme, der Apotheker nehme eine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahr, da dies auf jeden Apotheker zutrifft, der Arzneimittel zu Lasten der GKV abgeben kann und der gesetzlich versicherte Patient gleichwohl – wie bereits ausgeführt – gemäß § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V zwischen diesen Apothekern frei wählen kann. Resümierend lässt sich daher festhalten, dass es sich bei der Abgabe von Arzneimitteln durch den Apotheker an gesetzlich Versicherte nach dem gesamten Erscheinungsbild nicht um eine hoheitliche Tätigkeit des Apothekers handelt. Er nimmt daher keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahr. Die Befugnis des Apothekers zur „aut-idem“-Substitution begründet zwar durchaus einen eigenen Entscheidungsspielraum des Apothekers. Wenn der Apotheker allerdings überhaupt keine Aufgabe öffentlicher Verwaltung ausübt, spielt die nachgelagerte Frage, ob der Apotheker diese Aufgabe öffentlicher Verwaltung auch selbst wahrnimmt, keine Rolle mehr. Obschon das Vorliegen eines Bestellungsaktes für das Ergebnis der Amtsträgereigenschaft des Apothekers nach dem hier eingenommenen Standpunkt nicht mehr von entscheidender Relevanz ist, soll gleichwohl im Folgenden auf diesen Problemkreis eingegangen werden: Zunächst bedarf es einer gedanklichen Rückbesinnung an die von Pragal/Apfel vertretene Auffassung, wonach ein Bestellungsakt aus Sicht des Staates in Gestalt des von der Krankenkasse mit dem Deutschen Apothekerverband gemäß § 129 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rah636 BSGE 77, 194 – juris Rn. 25; 94, 213 – juris Rn. 17; BSG, Urt. v. 03.08.2006 – B 3 KR 6/06 R – juris Rn. 20; BSGE 105, 157 – juris Rn. 15; Schneider, in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB V, § 129 Rn. 35; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 10; Weiß, in: Krauskopf, Krankenversicherung, Band 2, § 129 SGB V Rn. 3. 637 BSGE 105, 157 – juris Rn. 15; Weiß, in: Krauskopf, Krankenversicherung, Band 2, § 129 SGB V Rn. 3; Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 129 Rn. 10; vgl. auch BGHSt 57, 202 – juris Rn. 35; Saalfrank, A&R 2011, 22, 24; Manthey, GesR 2010, 601, 602. 638 In diese Richtung Frohn/Schmidt, in: Clausen/Schroeder-Printzen, Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 16 Rn. 377. 639 BGHSt 46, 310 – juris Rn. 35.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

menvertrages bzw. durch die Annahme der Betrittserklärung eines Apothekers gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2 SGB V vorliege.640 Diese Ansicht verdient auch im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats zum Vertragsarzt641 keinen Beifall. Greift man die Argumentation des Großen Senats erneut auf, kann weder in dem gemäß § 129 Abs. 2 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband als Spitzenorganisation der gesetzlichen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband als Spitzenorganisation der Apotheker geschlossenen Rahmenvertrag noch in der Annahme der Beitrittserklärung eines Apothekers zu diesem Rahmenvertrag ein Bestellungsakt liegen, denn auch hier fehlt es an einer der gesetzlichen Krankenkasse unmittelbar zurechenbaren Entscheidung: Apotheken sind befugt, Arzneimittel zu Lasten der GKV an Patienten abzugeben, wenn der nach § 129 Abs. 2 SGB V abzuschließende Rahmenvertrag Rechtswirkung für die Apotheke entfaltet.642 Der Rahmenvertrag entfaltet für Apotheken Rechtswirkung, wenn sie entweder einem Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes als Spitzenorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörende Apotheke haben oder Apotheken dem Rahmenvertrag beitreten.643 Damit liegt es aber in der Hand des jeweiligen Apothekers selbst, ob der Rahmenvertrag in welcher Weise auch immer ihnen gegenüber Rechtswirkung entfaltet. Nichts anderes ergibt sich auch aus § 2a des Rahmenvertrages,644 der den Beitritt der Apotheken zum Rahmenvertrag regelt. Nach dem Wortlaut des § 2a Satz 3 des Rahmenvertrages informiert der Deutsche Apothekerverband den GKV-Spitzenverband lediglich über erfolgte Beitritte der Apotheken. Beitritte der Apotheker gelten lediglich dann nicht als wirksam erklärt, wenn die abgegebene Erklärung bestimmte Pflichtangaben vermissen lässt, vgl. § 2a Sätze 4 und 5 des Rahmenvertrages. Eine Möglichkeit der gesetzlichen Krankenkassen bzw. des GKV-Spitzenverbandes die Beitrittserklärung eines Apothekers abzulehnen bzw. nicht anzunehmen, besteht nach § 2a des Rahmenvertrages hingegen nicht, sodass es hinsichtlich der Beitrittserklärung auf eine Entscheidung der Krankenkasse bzw. des GKV-Spitzenverbandes nicht ankommt. Da eine Annahme der Betrittserklärung des Apothekers überhaupt nicht stattfindet, kann hierin auch keine unmittelbar zurechenbare Entscheidung der Krankenkasse gesehen werden. Auch in dem bloßen Abschluss des Rahmenvertrages kann keine der Krankenkasse unmittelbar zurechenbare Entscheidung erkannt werden, da die Entscheidung letztlich beim Apotheker verbleibt, seinen 640

Pragal/Apfel, A&R 2017, 10, 18. BGHSt 57, 202 – juris Rn. 24. 642 Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenvertrages. 643 Vgl. § 129 Abs. 3 SGB V. 644 Rahmenvertrag zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 30.09.2016. 641

II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB

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Beitritt zum Rahmenvertrag zu erklären. Im Ergebnis liegt also kein Bestellungsakt des Apothekers vor. Nach allem ist die Amtsträgereigenschaft des Apothekers im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB zu verneinen. Auf Grund der fehlenden Amtsträgereigenschaft kann sich der Apotheker im gebildeten Beispielsfall somit weder nach § 331 StGB noch nach § 332 StGB strafbar machen. Würde man die Amtsträgereigenschaft des Apothekers im Bereich des Strafrechts bejahen, so hätte dies – konsequenterweise – auch Auswirkungen im Bereich einer Amtsträgerhaftung gemäß § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Sähe man in einem Apotheker einen Amtsträger, müssten bei einer fehlerhaften Abgabe von Arzneimitteln Amtshaftungsansprüche in Betracht kommen. Dies wird – soweit ersichtlich – bislang nicht vertreten.

II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB Mit Blick auf den gebildeten Beispielsfall645 kommt ferner eine Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in Betracht. Gemäß § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Denkbar sind im Zusammenhang mit der Strafbarkeit des Apothekers vier verschiedene Konstellationen: Der Apotheker könnte sich zunächst in seiner Funktion als Inhaber der Apotheke nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen (1.). Anschließend wird untersucht, ob eine Strafbarkeit daraus resultiert, dass der Apotheker als Beauftragter der PKV (2.) und/oder als Beauftragter der GKV (3.) einzuordnen ist. Schließlich erfährt der Beispielsfall eine Abwandlung und es gilt zu prüfen, ob der angestellte Apotheker sich nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen kann (4.). 1. Strafbarkeit des Apothekers als Inhaber der Apotheke Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Frage, ob der Apotheker als Inhaber seiner Apotheke bei Annahme eines Vorteils als tauglicher Täter des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht kommt. § 299 Abs. 1 StGB stellt ein sog. Sonderdelikt dar.646 Tauglicher Täter kann daher nur sein, wer Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens ist. Bevor im Folgenden (§ 5 II. 2. a)) näher auf den 645 646

S. o. § 5. Grützner/Behr, in: Momsen/Grützner, WiStrafR, Kap. 9 B. III. 1. b) Rn. 46.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

Unternehmens- und Beauftragtenbegriff einzugehen sein wird, kann an dieser Stelle bereits festgestellt werden, dass nach ganz herrschender Auffassung Betriebsinhaber weder Angestellte noch Beauftragte ihres Unternehmens sind. Der Inhaber seines Unternehmens ist somit grundsätzlich nicht vom Tatbestand des § 299 Abs. 1 StGB erfasst.647 Hieraus folgt für die Strafbarkeit des Apothekers, dass derjenige, der für den bevorzugten Bezug und die bervorzugte Abgabe von Arzneimitteln eines bestimmten Pharmaherstellers einen Vorteil annimmt, nicht bestechlich sein kann und daher nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB straflos bleibt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Unternehmensinhaber als Beauftragter eines anderen Unternehmens tätig wird. In diesem Fall kommt er durchaus als tauglicher Täter des § 299 Abs. 1 StGB in Betracht.648 Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob der Apotheker als Beauftragter der PKV und/oder als Beauftragter der GKV tätig wird. 2. Apotheker als Beauftragter der PKV a) Grundlegendes zum Beauftragten- und Unternehmensbegriff des § 299 StGB Beauftragter im Sinne von § 299 StGB ist, wer, ohne Angestellter oder Inhaber eines Unternehmens zu sein, aufgrund seiner Stellung im Betrieb berechtigt und verpflichtet ist, auf Entscheidungen dieses Unternehmens, die den Waren- oder Leistungsaustausch betreffen, unmittelbar oder mittelbar Einfluss zu nehmen. Der Begriff des Beauftragten ist weit auszulegen649 und hat Auffangfunktion.650 647 BGH, Urt. v. 10.07.2013 – 1 StR 532/12 – juris Rn. 30; BGH, Urt. v. 27.03.1968 – I ZR 163/65 – juris Rn. 22; Grützner/Behr, in: Momsen/Grützner, WiStrafR, Kap. 9 B. III. 1. b) Rn. 56; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 20; Kindhäuser, ZIS 2011, 461, 462. Vgl. auch BGHSt 57, 202 – juris Rn. 30; BGH, Beschl. v. 05.05.2011 – 3 StR 458/10 – juris Rn. 65; BayObLG, Beschl. v. 20.07.1995 – 4 St RR 4/95, NJW 1996, 268, 270; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 12 u. 34; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 2; Momsen/Niang, medstra 2018, 12, 15; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 299 Rn. 13; Schickert/Jary, MPR 2014, 52, 55; Passarge, DStR 2016, 482, 484; Bürger, wistra 2003, 130, 135; Bannenberg, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch WSS, 12. Kap. Rn. 86; Fischer, StGB, § 299 Rn. 12; Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 44; Rönnau, in: Achenbach/Ransiek/ Rönnau, WiStrafR, 3. Teil, 2. Kapitel, B., I. Rn. 17; Möhrenschlager, in: Dölling, Korruptionsprävention, S.433. So im Ergebnis zum Vertragsarzt auch Sahan, ZIS 2007, 69, 70 f.; Taschke, StV 2005, 406, 410; Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 1048; Röske/ Böhme, wistra 2011, 445. Siehe auch BT-Drs. 18/6446, S. 12 speziell in Bezug auf selbständig tätige Angehörige von Heilberufen. 648 BGH, Beschl. v. 05.05.2011 – 3 StR 458/10 – juris Rn. 65; Wollschläger, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwKomm-StGB, § 299 Rn. 13; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 20; vgl. auch Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 32 u. 34. Vgl. auch Reese, PharmR 2006, 92, 95. 649 BGHSt 2, 396, 401; BGH, Urt. v. 27.03.1968 – I ZR 163/65 – juris Rn. 22; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.03.1999 – 19 U 59/98 – juris Rn. 30; Dannecker, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 35; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299

II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB

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Unerheblich ist daher, ob dem Verhältnis des Beauftragten zu dem jeweiligen Unternehmen eine Rechtsbeziehung zugrunde liegt oder dieser lediglich durch seine faktische Stellung im oder zum Betrieb in der Lage ist, Einfluss auf geschäftliche Entscheidungen auszuüben.651 Eine fehlende Einordnung in das Unternehmen spricht daher nicht per se gegen eine Stellung als Beauftragter.652 Eine Einschränkung erfährt der Beauftragtenbegriff jedoch durch das Erfordernis eines sog. personalen Befugniselements.653 Daraus wird abgeleitet, dass der Auftraggeber sich den Beauftragten frei auswählen und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleiten muss,654 sei es, dass er ihm im Rahmen eines zivilrechtlichen Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 665, 675 BGB) Weisungen erteilt655 oder ihn bevollmächtigt,656 sei es, dass der Beauftragte faktisch657 mit einer für den geschäftlichen Betrieb wirkenden Befugnis handelt.658 Ferner muss der Beauftragte im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB für ein Unternehmen handeln. Der Begriff des Unternehmens wurde erst mit der Novellierung durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption659 im Jahr 2015 eingeführt.660 Zuvor stellte der Gesetzgeber auf den Begriff des geschäftlichen Betriebs ab. Inhaltliche Änderungen hat der Gesetzgeber mit der Ersetzung des Begriffs allerRn. 31; Grützner/Behr, in: Momsen/Grützner, WiStrafR, Kap. 9 B. III. 1. b) Rn. 48; Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 586. Für eine restriktive Auslegung hingegen Wollschläger, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwKomm-StGB, § 299 Rn. 11; ders., Täterkreis, S. 74 f. 650 Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 35; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 31; Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 586; Fischer, StGB, § 299 Rn. 15; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 16; Sinner, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 299 Rn. 12; Reese, PharmR 2006, 92, 95. 651 Vgl. BGHSt 57, 202 – juris Rn. 28; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 31; vgl. auch Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 32; Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 35. 652 Vgl. BGHSt 57, 202 – juris Rn. 30. Vgl. auch Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 299 Rn. 12. 653 Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 35; vgl. auch Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 36. 654 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 28. Vgl. auch BGH, Urt. v. 08.11.1963 – Ib ZR 25/62 – juris Rn. 53; BGHZ 28, 1, 12 f.; Taschke, StV 2005, 406, 410; ders., in: Dieners, Zusammenarbeit, Kap. 2 Rn. 9. 655 Vgl. Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 299 Rn. 22; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 16. 656 Vgl. RGSt 68, 70, 74 f. 657 Vgl. Geis, wistra 2005, 369, 370; ders., wistra 2007, 361, 362; Reese, PharmR 2006, 92, 97. 658 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 28. 659 Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.2015 (BGBl. 2015 I, S. 2025) ist am 26.11.2015 in Kraft getreten. 660 BT-Drs. 18/4350, S. 22; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 22; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 1 u. 7.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

dings explizit nicht beabsichtigt,661 sodass der Unternehmensbegriff weiterhin anhand des früher verwendeten Begriffs des geschäftlichen Betriebs auszulegen ist. Unter einem geschäftlichen Betrieb versteht man jede auf gewisse Dauer betriebene Tätigkeit im Wirtschaftsleben, die sich durch den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen vollzieht.662 Zudem muss der Betrieb darauf angelegt sein, dauerhaft am Wirtschaftsleben teilzunehmen.663 b) Subsumtion Ausgehend von den vorstehend dargelegten Voraussetzungen ist der Apotheker im Ergebnis nicht als Beauftragter der PKV anzusehen. Eine Beauftragtenstellung des Apothekers durch die PKV scheidet von vornherein aus, da sich diese zur Erfüllung ihrer Pflichten nicht der Hilfe des Apothekers bedient. Das System der PKV basiert nicht wie das System der GKV auf dem Sachleistungsprinzip, sondern auf dem Prinzip der Kostenerstattung.664 Dies bedeutet, dass die PKV ihren Versicherten keine Sach- oder Dienstleistungen schuldet, zu deren Erfüllung sie sich der Hilfe von Leistungserbringern, zu denen auch der Apotheker zählt, bedient.665 Vielmehr verschafft sich der Patient die notwendige Krankenbehandlung selbst. Die dem Patienten gewährten Sach- und Dienstleistungen werden diesem, anstelle der Krankenkasse im System der GKV, durch den jeweiligen Erbringer in Rechnung gestellt. Der Patient hat seinerseits gegen die PKV einen Kostenerstattungsanspruch, soweit die medizinische Leistung „notwendig“ 666 war.667 Bezieht oder gibt der Apotheker bevorzugt Arzneimittel eines bestimmten Herstellers an privat versicherte Patienten ab, bleibt es daher dabei, dass der Apotheker nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB straflos bleibt. 661

BT-Drs. 18/4350, S. 22. BGHSt 2, 396, 401 ff.; 10, 359, 365 f.; 37, 191 – juris Rn. 67; Fischer, StGB, § 299 Rn. 5; Grützner/Behr, in: Momsen/Grützner, WiStrafR, Kap. 9 B. III. 1. b) Rn. 59; Wollschläger, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwKomm-StGB, § 299 Rn. 8. Vgl. auch Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 19; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 2; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 7; Sahan, ZIS 2007, 69, 70. 663 BGHSt 2, 396, 401 f.; 57, 202 – juris Rn. 26; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 22. Vgl. auch Fischer, StGB, § 299 Rn. 5. 664 v. Koppenfels-Spies, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 192 VVG Rn. 3; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 317. 665 Vgl. Grötschel, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 2 SGB V Rn. 20; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 70. Vgl. auch Becker, Arzneimittelversorgung, S. 109; Bickenbach, MedR 2010, 302. 666 Vgl. § 192 Abs. 1, 2, 4 VVG. 667 Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 317. 662

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3. Apotheker als Beauftragter der GKV Nachdem die Arbeit im vorherigen Abschnitt zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Apotheker nicht als Beauftragter der PKV eingeordnet werden kann, bleibt zu untersuchen, ob der Apotheker bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln als Beauftragter der GKV handelt. Um dies bejahen zu können, müsste der Apotheker als Beauftragter für die GKV tätig werden und die GKV die Merkmale eines Unternehmens im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB erfüllen. Was unter den Begriffen „Beauftragter“ und „Unternehmen“ zu verstehen ist, wurde bereits unter § 5 II. 2. a) ausgeführt, sodass im Folgenden sogleich der ursprüngliche Meinungsstand zur Beauftragteneigenschaft des Apothekers im Schrifttum vor der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012668 skizziert werden soll (a)). Hieran anknüpfend wird zu prüfen sein, ob die Entscheidung des Großen Senats, die zum Vertragsarzt erging, auf den Apotheker übertragen werden kann (b)). a) Ursprünglicher Meinungsstand zur Beauftragteneigenschaft des Apothekers Der Meinungsstand im Schrifttum leitet sich – wie auch bereits der Meinungsstand zur Amtsträgereigenschaft des Apothekers669 – teilweise von der einst umstrittenen Frage ab, ob der Vertragsarzt als Beauftragter der GKV einzuordnen ist. Reese führt in seiner Stellungnahme zunächst aus, dass ein Vertragsarzt die Beauftragteneigenschaft nicht erfüllen könne. Zum einen fehle es an einem Tätigwerden des Vertragsarztes für die Krankenkasse, da die gesetzliche Systematik der §§ 72 bis 106 SGB V zeige, dass zwischen den Vertragsärzten und den Krankenkassen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen existieren.670 Zudem habe das Bundesverfassungsgericht671 die vertragsärztliche Versorgung als freiberufliche Tätigkeit eingestuft. Mit dieser Einstufung sei die Annahme, der Vertragsarzt werde gerade wegen seiner öffentlich-rechtlichen Einbindung für die Krankenkassen und damit als Beauftragter tätig, unvereinbar.672 Zum anderen fehle es an der Berufung des Vertragsarztes zum Beauftragten. Beauftragter könne nur sein, wer durch einen (rechtsgeschäftlichen) Willensentschluss des Geschäftsinhabers von diesem und für diesen „berufen“ worden sei. Eine solche Berufung lasse sich für den Vertragsarzt nur über die förmliche Zulassung als Vertragsarzt begründen. Die kassenärztliche Zulassung erfolge jedoch nicht durch die Krankenkas668 669 670 671 672

BGHSt 57, 202 ff. Siehe hierzu die Ausführungen unter § 5 I. 2. Reese, PharmR 2006, 92, 96. BVerfGE 11, 31 – juris Rn. 28 f. Reese, PharmR 2006, 92, 97.

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sen selbst, sondern durch die bei den kassenärztlichen Vereinigungen einzurichtenden Zulassungsausschüsse.673 Wenn schon der Vertragsarzt kein Beauftragter der GKV sei, müsse dies – so der Autor – ebenfalls für den Apotheker gelten; denn die öffentlich-rechtliche Einbindung des Apothekers in das System der GKV sei wesentlich schwächer ausgeprägt als diejenige des Vertragsarztes. Bei der Arzneimittelabgabe stünden sich Apotheker und Krankenkassen sogar als Vertragsparteien gegenüber.674 Der Apotheker werde also – wirtschaftlich betrachtet – nicht für die, sondern gegenüber der Krankenkasse tätig. Auch wenn der den Apotheker treffende Pflichtenkreis durch die „aut-idem“-Verpflichtung inhaltlich mitbestimmt werde, ändere dies nichts an der Zielrichtung und Zwecksetzung seines Handelns.675 Hinzu komme, dass es auch bei dem Apotheker an einer „Berufung durch die Krankenkasse“ fehle. Auch aus diesem Grund könne er nicht als Beauftragter im Sinne des § 299 StGB angesehen werden.676 Pragal/Apfel sind hingegen der Auffassung, dass Apotheker gerade wegen der ihnen übertragenen „aut-idem“-Entscheidungskompetenz als Beauftragte der GKV in Betracht kämen. Die Einräumung dieses Entscheidungsspielraumes mache den Apotheker ökonomisch zum „agent“ der Krankenkasse. Die Apotheker seien somit berechtigt und verpflichtet, für die jeweilige gesetzliche Krankenkasse befugtermaßen tätig zu werden und könnten unmittelbar oder mittelbar auf die im Rahmen des Betriebs zu treffenden Entscheidungen Einfluss nehmen, sodass Apotheker – wie auch Vertragsärzte – Beauftragte im Sinne des § 299 StGB seien. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass Apotheker berechtigt seien, Arzneimittel an gesetzlich versicherte Patienten abzugeben.677 b) Übertragbarkeit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 auf den Apotheker Am 29. März 2012 hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs nicht nur entschieden, dass ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V, hier: Verordnung von Arzneimitteln) nicht als ein für die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung

673

Reese, PharmR 2006, 92, 97 f. Die Auffassung Reeses ist mittlerweile mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insoweit überholt, als die Rechtsbeziehung des Apothekers und der GKV nicht mehr verrtraglicher Natur ist, vgl. BSGE 105, 157 – juris Rn. 16 f. Dennoch stehen sich Apotheker und GKV als Parteien kraft Gesetzes gegenüber. 675 Reese, PharmR 2006, 92, 98. 676 Reese, PharmR 2006, 92, 98. 677 Zum Ganzen Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 14. 674

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bestellter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB handelt. Zugleich hat er auch entschieden, dass ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkasse im Sinne des § 299 StGB tätig wird. Bevor jedoch der Frage nachgegangen werden soll, ob sich die Entscheidung des Großen Senats auf den Apotheker übertragen lässt, müssen zunächst die wesentlichen Argumente des Großen Senats dargelegt werden. Ansonsten würde es an der notwendigen Verständniskulisse für die sich anschließende Übertragung auf den Apotheker fehlen. aa) Die Entscheidung im Hinblick auf die Beauftragteneigenschaft Wie bereits unter § 5 I. 3. a) erwähnt, hatte der Große Senat über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Eine Pharmareferentin praktizierte seit vielen Jahren unter der Bezeichnung „Verordnungsmanagement“ ein Prämiensystem für die ärztliche Verordnung von Medikamenten aus ihrem Vertrieb. Danach sollte der verschreibende Arzt fünf Prozent der Herstellerabgabenpreise als Prämie dafür erhalten, dass er Arzneimittel des Unternehmens verordnete. Die Zahlungen wurden später als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen. Auf der Grundlage dieses Prämiensystems übergab die angeklagte Pharmareferentin in insgesamt 16 Fällen verschiedenen Vertragsärzten Schecks in einer Gesamthöhe von etwa 18.000,– Euro. Die Frage, ob eine gesetzliche Krankenkasse die Merkmale eines Unternehmens im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB erfüllt, hat der Große Senat im Ergebnis offen gelassen. Hierfür spreche allerdings, dass der geschäftliche Betrieb zwar darauf angelegt sein müsse, dauerhaft am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Im Unterschied zum Gewerbebetrieb müsse der geschäftliche Betrieb aber nicht darauf angelegt sein, Gewinn zu erzielen. Deshalb könnten grundsätzlich zum Kreis der geschäftlichen Betriebe neben gemeinnützigen und sozialen Einrichtungen auch – unabhängig von ihrer Organisationsform und unabhängig von der Frage, ob sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen – staatliche Stellen zählen, sofern sie durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung am Wirtschaftsleben teilnehmen.678 Auf eine Entscheidung dieser Frage komme es aber letztlich nicht an, da der Vertragsarzt bei der Verordnung von Arzneimitteln jedenfalls nicht als Beauftragter der Krankenkassen handele.679 Der Annahme einer Beauftragtenstellung, die der Große Senat im Ergebnis verneint, stehe allerdings nicht schon entgegen, dass der Vertragsarzt einen freien Beruf ausübe und in diesem Zusammenhang Inhaber einer eigenen ärztlichen

678 679

BGHSt 57, 202 – juris Rn. 26. BGHSt 57, 202 – juris Rn. 27.

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Praxis und damit eines Betriebes im Sinne von § 299 StGB sei.680 Für einen Beauftragten sei die fehlende Einordnung in den geschäftlichen Betrieb auf der Grundlage der Ausübung einer eigenen geschäftlichen oder freiberuflichen Tätigkeit sogar typisch.681 Jedoch spreche gegen die Annahme einer Beauftragtenstellung des Vertragsarztes, dass die gesetzliche Krankenkasse keinerlei und der Vertragsarzt nur in geringem Maße Einfluss auf das Zustandekommen des einzelnen Behandlungsverhältnisses nehmen könne, auf dessen Grundlage sich die ärztliche Verordnung eines Arzneimittels zu Lasten der Krankenkasse vollziehe. Vielmehr liege diese Entscheidung beim Patienten, der gemäß § 76 SGB V seinen Vertragsarzt frei wählen könne. Den gewählten Arzt habe die Krankenkasse zu akzeptieren. Dieser werde vom Versicherten als „sein“ Arzt wahrgenommen, den er beauftragt hat und dem er sein Vertrauen schenkt.682 Der Umstand, dass die Entscheidung des Vertragsarztes bei der Verordnung von Medikamenten auch Relevanz für die GKV hat, rechtfertige keine andere Beurteilung. Vielmehr führe eine sachgerechte Bewertung der ärztlichen Verordnung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Vertragarzt nicht als Beauftragter der Krankenkassen anzusehen sei. Dies deshalb, weil die Rechtsmacht des Vertragsarztes zur Konkretisierung des Anspruchs des gesetzlich Versicherten eingeschränkt sei. Insbesondere werde der Vertragsarzt nicht als Vertreter der Krankenkasse beim Zustandekommen jedes einzelnen Kaufvertrages über ein verordnetes Medikament tätig.683 bb) Konsequenzen der Entscheidung des Großen Senats für den Apotheker Mit Blick auf die Entscheidung des Großen Senats kann der Beauftragtenstellung des Apothekers nicht schon entgegenstehen, dass er einen freien Beruf 684 ausübt und damit eine Einordnung in die GKV fehlt.685 680 So aber Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 195 f.; Brockhaus/Dann/Teubner/ Tsambikakis, wistra 2010, 418, 421; Klötzer, NStZ 2008, 12, 14; Sobotta, GesR 2010, 471, 474; Taschke, StV 2005, 406, 410; Reese, PharmR 2006, 92, 97. 681 Zum Ganzen BGHSt 57, 202 – juris Rn. 30. 682 Zum Ganzen BGHSt 57, 202 – juris Rn. 33. 683 Zum Ganzen BGHSt 57, 202 – juris Rn. 34 ff. 684 Vgl. BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 31 u. 34; 94, 372 – juris Rn. 5; BGHSt 47, 285 – juris Rn. 8; Hencke, in: Peters, Handbuch Krankenversicherung, Band 3, § 129 SGB V Rn. 3; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, Vorb. Rn. 3; Geiger, CCZ 2016, 58, 59 f.; Purnhagen, MedR 2006, 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 7; ders., in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 18; Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11.2015, S. 4. Marcks, in: v. Landmann/Rohmer, GewO, Band I, § 6 Rn. 5; Dettling/Kieser, in: Herzog/Dettling/Kieser/Spielvogel, Filialapotheken, S. 78 ff.; Grau, in: Rixen/Krämer, ApoG, § 1 Rn. 2; Huber, Wirtschaftsverwal-

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Gemessen an den Voraussetzungen der Beauftragtenstellung, den Argumenten des ursprünglichen Meinungsstandes im Schrifttum und der Entscheidung des Großen Senats handelt der Apotheker bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln an gesetzlich versicherte Patienten dennoch nicht als Beauftragter der GKV. Seine Argumentation zum Vertragsarzt stützt der Große Senat maßgeblich auf zwei Säulen, die sich auf den Apotheker übertragen lassen: Als einschränkendes Kriterium der Beauftragtenstellung im Sinne des § 299 StGB fordert der Große Senat ein personales Befugniselement. Das bedeutet, dass der Auftraggeber sich seinen Beauftragten frei auswählen und bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleiten muss.686 An einem solchen personalen Befugniselement fehlt es aber mit Blick auf den Apotheker. Eine freie Auswahl der tätig werdenden Apotheke obliegt der GKV nicht. Ganz im Gegenteil: Zunächst liegt die Entscheidung bei der jeweiligen Apotheke, ob sie befugt sein möchte, Arzneimittel an gesetzlich versicherte Patienten abzugeben. Hierfür muss der nach § 129 Abs. 2 SGB V zu schließende Rahmenvertrag Rechtswirkung für die Apotheke entfalten. Der Rahmenvertrag entfaltet für Apotheken Rechtswirkung, wenn sie entweder einem Mitgliedsverband des Deutschen Apothekerverbandes als Spitzorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörende Apotheken haben oder Apotheken dem Rahmenvertrag selbst beitreten.687 Hat sich die Apotheke für die Befugnis zur Versorgung gesetzlich versicherter Patienten entschieden, trifft allein der Patient die Auswahl, welche Apotheke das ärztlich verordnete Arzneimittel an ihn abgeben soll. Der gesetzlich versicherte Patient kann nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung entfaltet, frei wählen. Die gewählte Apotheke hat die Krankenkasse zu akzeptieren. Ein „Anleiten“ der Tätigkeit des Apothekers durch die Krankenkasse ist ebenfalls nicht gegeben. Dieses könnte zwar auf den ersten Blick darin zu sehen sein, dass der Apotheker bei der Auswahl preigünstiger Arzneimittel trotz seiner eingeräumten Entscheidungsspielräume doch nicht völlig frei agieren kann. Vielmehr hat der Apotheker die Vorgaben des § 129 Abs. 1 SGB V i.V. m. dem nach § 129 Abs. 2 SGB V zu schließenden Rahmenvertrag zu beachten.688 Gegen ein Anleiten lässt sich jedoch einwenden, dass diese Vorgaben zwischen den Vertungsrecht, Band I, Teil 5, Kap. XVI, § 59 I 4b aa und Kap. XVIII, § 65 I 1c; Ring, NJW 1997, 768, 769. 685 Vgl. BGHSt 57, 202 – juris Rn. 30. 686 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 28. 687 Vgl. § 129 Abs. 3 SGB V. 688 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 4 I. 1. a).

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tragspartnern des Rahmenvertrags nämlich dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. auf der Gleichordnungsebene ausgehandelt und nicht einseitig von den gesetzlichen Krankenkassen aufgestellt werden, sodass ein „Anleiten“ der Krankenkasse ausscheidet. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass die GKV die Apotheke nicht frei auswählen kann. Es fehlt daher bereits an dem vom Großen Senat geforderten „personalen Befugniselement“.689 Die zweite Säule des Begründungsansatzes des Großen Senats fußt auf einer Bewertung der Beauftragtenstellung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges. Überträgt man auch diesen zweiten Begründungsansatz auf den Apotheker, so stützt auch dieser die Annahme der fehlenden Beauftragtenstellung des Apothekers. Bevor jedoch die Rechtsbeziehungen zwischen den verschiedenen Beteiligten näher zu beleuchten sind, ist eine Rückbesinnung auf die von § 299 Abs. 1 StGB erfasste Konstellation erforderlich: Dem normativen Regelungsbereich liegt ein Drei-Personen-Verhältnis zugrunde. Dieses Drei-Personen-Verhältnis besteht aus dem Unternehmen, dessen Angestellten oder Beauftragten, aufgrund deren Vermittlung die Vertragsbeziehung zwischen dem Geschäftsherrn und dem Lieferanten oder Bezieher von Waren oder Dienstleistungen infolge einer Zuwendung zustande kommt, und dem Bestechenden (Prinzipal-Agent-Beziehung).690 Der Beauftragte muss demnach dem „Lager“ des Unternehmens zuzurechnen sein. Übertragen auf den Beispielsfall bedeutet dies folgendes: Die GKV müsste als Unternehmen (Prinzipal) anzusehen sein und die Waren in Form von Arzneimitteln beziehen. Beauftragter (Agent) wäre der Apotheker und als Bestechender ist der Pharmareferent des Pharmaunternehmens P-GmbH anzusehen. Der Apotheker müsste den Vorteil des Pharmareferenten als Gegenleistung dafür annehmen, dass er als Beauftragter der GKV bei dem Bezug von Arzneimitteln die P-GmbH in unlauterer Weise bevorzugt. Durch das Tätigwerden bzw. die Vermittlung des Apothekers müsste eine Vertragsbeziehung zwischen der GKV und der P-GmbH entstehen. Dies ist jedoch mit Blick auf das geltende sozialrechtliche Regelungsgefüge nicht der Fall. Das System der GKV wird solidarisch finanziert. Das bedeutet, dass die gesetzlich versicherten Patienten und deren Arbeitgeber Beiträge entrichten, die sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten bemessen.691 Als Gegenleistung für ihre Beitragszahlungen haben die Versicherten einen Anspruch auf bestimmte Leistungen, welche die GKV ihnen zur Verfügung stellt. Hierzu zählt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V der Anspruch auf Krankenbe689 690 691

So im Ergebnis bereits Reese, PharmR 2006, 92, 98. Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 20. Vgl. § 3 SGB V.

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handlung. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Arzneimitteln. Der Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln wird in § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V konkretisiert.692 Die geschuldeten Leistungen der GKV werden in der Regel als Sach- und Dienstleistungen erbracht.693 Hierfür bedienen sich die Krankenkassen der Hilfe sogenannter Leistungserbringer, zu denen auch der Apotheker zählt.694 Gemäß § 129 SGB V geben die Apotheken nach Maßgabe der ergänzenden Verträge (§ 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB V) vertragsärztlich verordente Arzneimittel an Versicherte der GKV ab. Mit Abgabe der Arzneimittel wird die Krankenkasse von ihrer im Verhältnis zum Versicherten bestehenden Pflicht zur Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V und § 31 SGB V frei.695 § 129 SGB V begründet wiederum im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimittel an die Versicherten. Im Gegenzug erwerben die Apotheken einen vertraglich näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen.696 Um die bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Abgabe von Arzneimitteln erfüllen zu können, bezieht der Apotheker Arzneimittel von Pharmaunternehmen. Unter Bezug im Sinne von § 299 StGB werden alle wirtschaftlichen Vorgänge von der Bestellung über die Abwicklung der Lieferung (Abnahme, Prüfung und Beanstandung) bis zur Bezahlung verstanden, also „das gesamte wirtschaftlich auf die Erlangung von Ware gerichtete Geschäft“.697 Jedoch erfolgt dieser Bezug von Arzneimitteln durch den Apotheker auf eigene Rechnung. Er bezieht die Arzneimittel nicht für die GKV, sondern vielmehr für seine eigene Apotheke, mit der Folge, dass zwischen dem Pharmaunternehmen und dem Apotheker eine Vertragsbeziehung in Form eines Kaufvertrages698 ent692 Zu den Ausnahmen des Anspruchs siehe §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 34 und 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. 693 Vgl. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 315. 694 Grötschel, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes MedR, § 2 SGB V Rn. 20; Kaufmann, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, S. 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 70. Vgl. auch Becker, Arzneimittelversorgung, S. 109; Bickenbach, MedR 2010, 302. 695 Vgl. BSGE 105, 157 – juris Rn. 17. 696 BSGE 105, 157 – juris Rn. 16; Saalfrank, A&R 2001, 22, 23; Wesser, jurisPRMedizinR 7/2010 Anm. 3. 697 BGHSt 10, 269, 270; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 31; Hoven/Kubiciel, KPKp 4/2016, S. 12; Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 87; Fischer, StGB, § 299 Rn. 23; Bannenberg, in: Dölling/ Duttge/König/Rössner, StGB, § 299 Rn. 13. 698 Man könnte den Vertrag auch als Werklieferungsvertrag begreifen, was im Ergebnis wegen § 650 Satz 1 BGB dahinstehen kann, da aufgrund des in § 650 Satz 1 BGB enthaltenen Verweises auch auf den Werklieferungsvertrag im Wesentlichen Kaufrecht Anwendung findet.

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steht. Zwischen dem Pharmaunternehmen und der GKV kommt durch den Bezug der Arzneimittel durch den Apotheker jedoch keine Vertragsbeziehung zustande. Es fehlt damit am Erfordernis eines Bezugs von Waren durch die GKV, da der Apotheker in Ausübung seiner Tätigkeit keinen Bezug durch die GKV auslöst oder beeinflusst. Der Apotheker handelt vielmehr allein auf eigene Rechnung und in Erfüllung der ihn treffenden Pflicht zur Abgabe von Arzneimitteln. Als Zwischenfazit lässt sich daher festhalten: Bei dem Bezug von Arzneimitteln durch den Apotheker entsteht zwar eine Vertragsbeziehung zwischen dem Pharmaunternehmen und dem Apotheker. Eine erforderliche Vertragsbeziehung zwischen der GKV und dem Pharmaunternehmen, die durch eine „Vermittlung“ seitens des Apothekers hätte entstehen können, existiert bei dem Bezug der Arzneimittel jedoch nicht. Dieser Befund wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass Krankenkassen oder ihre Verbände mit den pharmazeutischen Unternehmern nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V Rabatte für die zu ihren Lasten abgegeben Arzneimittel vereinbaren können. Gemäß § 130a Abs. 8 Satz 5 SGB V sind diese Rabatte zwar von den pharmazeutischen Unternehmern direkt an die Krankenkassen zu vergüten. Dies ändert aber nichts an den dargelegten Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten. Gibt der Apotheker ein rabattbegünstigtes Arzneimittel an einen gesetzlich versicherten Patienten ab, erwirbt der Apotheker einen Vergütungsanspruch gegen die GKV. Das rabattbegünstigte Arzneimittel bezieht er jedoch weiterhin auf eigene Rechnung bei dem Pharmaunternehmen, sodass das Pharmaunternehmen gegenüber dem Apotheker und nicht gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Zahlung hat. Hinzu kommt lediglich, dass der Krankenkasse von dem pharmazeutischen Unternehmer der vereinbarte Rabatt vergütet wird. Überdies spricht gegen eine Beauftragtenstellung des Apothekers, dass die GKV die Merkmale eines Unternehmens im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB nicht erfüllt.699 Die einzelnen Senate des Bundesgerichtshofs haben die Frage, ob eine gesetzliche Krankenkasse die Merkmale erfüllt, bislang noch nicht entschieden700 und auch der Große Senat hat diese Frage in seiner Entscheidung offen

699 So im Ergebnis auch Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 299 Rn. 42. In diese Richtung wohl auch Krüger, ZIS 2011, 692, 700 f.; Schnapp, in: Duttge, Tatort Gesundheitsmarkt, S. 47, 64 f. A. A. Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, WSS, § 299 Rn. 10; ders., ZIS 2007, 69, 70 f.; Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 586; Eisele, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 299 Rn. 7; Reese, PharmR 2006, 92, 95; Schneider, HRRS 2010, 241, 247 dortige Fn. 49; Kölbel, StV 2012, 592, 594. 700 Zu dieser Frage hat sich soweit ersichtlich bislang nur der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschl. v. 05.05.2011 – 3 StR 458/10 – juris Rn. 74 geäußert, mit dem er die Frage, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V; hier: Verordnung eines Hilfsmittels) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB oder hilfsweise im Sinne des § 299 als Beauftragter der

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gelassen.701 Er hat lediglich angemerkt, dass für eine Erfüllung der Merkmale spreche, dass der geschäftliche Betrieb zwar darauf angelegt sein müsse, dauerhaft am Wirtschaftsleben teilnzunehmen, im Unterschied zum Gewerbebetrieb aber nicht darauf, Gewinn zu erzielen.702 Deshalb könne grundsätzlich zum Kreis der geschäftlichen Betriebe neben gemeinnützigen und sozialen Einrichtungen auch – unabhängig von ihrer Organisationsform und unabhängig davon, ob sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen – staatliche Stellen zählen, sofern sie durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung am Wirtschaftsleben teilnehmen.703 Dies ist aber gerade nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt, beziehen gesetzliche Krankenkassen von Pharmaunternehmen keine Arzneimittel, sondern rechnen diese nur im Verhältnis zum Apotheker ab.704 Die GKV übt damit keine Tätigkeit im Wirtschaftsleben aus, die sich durch den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen vollzieht und erfüllt damit nicht den Unternehmensbegriff im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB. Im Ergebnis bleibt es folglich bei dem Befund, dass der Apotheker in dem hier zu beurteilenden Beispielsfall bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln an gesetzlich versicherte Patienten nicht als Beauftragter der GKV handelt. Hieran kann auch die Befungnis des Apothekers zur „aut-idem“-Substitution nichts ändern, weshalb dem bereits dargestellten Standpunkt von Pragal/Apfel 705 entgegenzutreten ist. Der Apotheker hat zwar in dem Sinne Einfluss auf Entscheidungen der GKV, dass ihm die Auswahl obliegt, für welches Arzneimittel die GKV die Kosten ihm gegenüber zu erstatten hat. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Apotheker in Ausübung seiner Tätigkeit keinen Bezug von Waren durch die GKV auslöst oder beeinflusst. Auch wenn dem Apotheker die Befugnis zukommt, zwischen verschiedenen Arzneimitteln auswählen zu können, bezieht er die Arzneimittel immer noch für seine Apotheke. Nach allem bleibt es dabei, dass eine Beauftragtenstellung des Apothekers im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB im gebildeten Beispielsfall zu verneinen ist. Auf

gesetzlichen Krankenkassen handelt, nach § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorgelegt hatte. 701 BGHSt 57, 202 – juris Rn. 26. 702 BGHSt 2, 396, 401 f.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 2; Grützner/ Behr, in: Momsen/Grützner, WiStrafR, Kap. 9 B. III. 1. b) Rn. 59; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 299 Rn. 6; Fischer; StGB, § 299 Rn. 5; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 7. 703 BGHSt 2, 396, 401 f.; 57, 202 – juris Rn. 26; Fischer, StGB, § 299 Rn. 5; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 19; Dannecker, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 41; Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, WSS, § 299 Rn. 7. 704 In diese Richtung auch Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 420. 705 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 5 II. 3. a).

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

Grund der fehlenden Beauftragtenstellung kann sich der Apotheker nicht nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen.706 4. Abwandlung: Strafbarkeit des angestellten Apothekers Nachdem herausgearbeitet wurde, dass sich der Inhaber (Geschäftsherr) einer Apotheke wegen seiner fehlenden Bauftragtenstellung nicht nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen kann, soll nun geprüft werden, ob der angestellte Apotheker ebenfalls straflos bleibt. Um dies untersuchen zu können, muss der Beispielsfall abgewandelt werden: Das Pharmaunternehmen P-GmbH produziert und vertreibt Arzneimittel. Ein Pharmareferent der P-GmbH bietet dem Apotheker B als Angestellten einer öffentlichen Apotheke einen Vorteil an, wenn er künftig die Arzneimittel der P-GmbH bevorzugt bezieht und bevorzugt an Patienten abgibt. Hierauf lässt sich B ein. Als Gegenleistung für die bevorzugt bezogenen bzw. abgegebenen Arzneimittel soll B in der Folgezeit eine umsatzbezogene Rückvergütung (sog. kick-back) erhalten. Eingangs sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass auch der angestellter Apotheker bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln nicht als Beauftragter der GKV handelt. Insoweit gelten die Ausführungen unter § 5 II. 3. zum Geschäftsherrn einer Apotheke für den angestellten Apotheker entsprechend. Denkbar wäre demzufolge allein eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Angestellter der Apotheke. a) Grundlegendes zum Angestelltenbegriff Der Begriff des Angestellten im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB ist – ebenso wie der Begriff des Beauftragten – weit auszulegen.707 Angestellter ist jeder, der auf Grund eines Vertrages oder zumindest faktisch in einem Dienstverhältnis zum 706 Falls die Ansicht vertreten werden sollte, der gesetzlich versicherte Patient beziehe anstelle des Apothekers die Arzneimittel, scheidet eine Beauftragtenstellung im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB und damit eine Strafbarkeit des Apothekers in dem hier zugrunde liegenden Beispielsfall ebenso aus. Dies deshalb, da als Bezieher der Ware im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB lediglich der Vorteilsgeber und der Geschäftsherr des Vorteilsnehmers in Betracht kommt (BGHSt 2, 396, 401; Dannecker, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 87; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 64; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 73; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 31; vgl. auch Pfeiffer, FS v. Gamm, 1990, S. 129, 138; Pragal, Korruption S. 48; Rönnau, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, WiStrafR, 3. Teil, 2. Kapitel, B., II. Rn. 64 f.). Der Patient ist aber in der zu prüfenden Konstellation weder als Vorteilsgeber noch als Geschäftsherr des Apothekers anzusehen. 707 Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 23; Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 29; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299 Rn. 6; Rosenau, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 299 Rn. 7; Pfeiffer, FS v. Gamm, 1990, S. 129, 133; Maurach/Schroeder/Maiwald, StrafR BT-2, § 68 Rn. 11; Fischer, StGB, § 299 Rn. 11.

II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB

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Inhaber eines Geschäftsbetriebes steht und dessen Weisungen unterliegt.708 Der angestellte Apotheker ist zweifellos als Angestellter im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB zu bezeichnen, da er aufgrund eines Arbeitsvertrages in einem Dienstverhältnis zum Inhaber der Apotheke steht und dessen Weisungen unterworfen ist. Einzig näher zu erörtern ist daher die Frage, ob die Apotheke als Unternehmen im Sinne des § 299 StGB anzusehen ist. Die Apotheker üben ihren Beruf als gewerbliche und zugleich als freiberufliche Tätigkeit aus.709 Die gewerbliche Tätigkeit des Apothekers erfüllt unproblematisch den Unternehmensbegriff des § 299 Abs. 1 StGB.710 Aber auch die geschäftliche Tätigkeit von Freiberuflern, die auf Dauer angelegt ist, stellt ein Unternehmen im Sinne der Vorschrift dar.711 Nach allem ist der angestellte Apotheker im Ergebnis daher als Angestellter eines Unternehmens einzuordnen. b) Weitere Tatbestandmerkmale des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB Für die Erfüllung des Tatbestands des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist weiter erforderlich, dass der angestellte Apotheker im geschäftlichen Verkehr handelt, einen Vorteil annimmt und eine Unrechtsvereinbarung zwischen dem Pharmareferent der P-GmbH und dem angestellten Apotheker vorliegt. Der angestellte Apotheker steht bei dem Bezug von Arzneimitteln in einer geschäftlichen Beziehung zum Pharmaunternehmen. Somit scheidet ein rein privates Handeln aus und der angestellte Apotheker agiert im geschäftlichen Verkehr.712 Ferner nimmt der angestellte Apotheker einen Vorteil an. Unter einem Vorteil wird jede Leistung verstanden, die die Lage des Empfängers in wirtschaftlicher, 708 Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, WSS, § 299 Rn. 11; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 10; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299 Rn. 6; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 23; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 11; Bannenberg, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, StGB, § 299 Rn. 7. 709 Vgl. dazu BVerfGE 17, 232 – juris Rn. 31 u. 34; 94, 372 – juris Rn. 5; BGHSt 47, 285 – juris Rn. 8; Hencke, in: Peters, Handbuch Krankenversicherung, Band 3, § 129 SGB V Rn. 3; Sieper, in: Spickhoff, Medizinrecht, ApoG, Vorb. Rn. 3; Geiger, CCZ 2016, 58, 59 f.; Purnhagen, MedR 2006, 315; Kieser, Apothekenrecht, S. 7; ders., in: Saalfrank, Handbuch MedR, Band 3, § 11 Rn. 18; Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Stellungnahme vom 25.11.2015, S. 4. Marcks, in: v. Landmann/ Rohmer, GewO, Band I, § 6 Rn. 5; Dettling/Kieser, in: Herzog/Dettling/Kieser/Spielvogel, Filialapotheken, S. 78 ff.; Grau, in: Rixen/Krämer, ApoG, § 1 Rn. 2; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Band I, Teil 5, Kap. XVI, § 59 I 4b aa und Kap. XVIII, § 65 I 1c; Ring, NJW 1997, 768, 769. 710 Siehe zum Unternehmensbegriff die Ausführungen unter § 5 II. 2. a). 711 Grützner/Behr, in: Momsen/Grützner, WiStrafR, Kap. 9 B. III. 1. b) Rn. 60; Fischer, StGB, § 299 Rn. 5; vgl. auch Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 7; Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299 Rn. 18. 712 Vgl. hierzu Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 47.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

rechtlicher oder persönlicher Hinsicht objektiv verbessert und auf die er keinen Anspruch hat.713 Die Rückvergütung durch das Pharmaunternehmen verbessert die Lage des angestellten Apothekers als Empfänger dieser Geldzuwendung in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie stellt einen materiellen Vorteil dar, auf den der angestellte Apotheker keinen Anspruch hat. Schließlich müsste zwischen dem Pharmareferenten und dem angestellten Apotheker eine Unrechtsvereinbarung getroffen worden sein. Die Unrechtsvereinbarung im Sinne von § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine zukünftige Bevorzugung im Wettbewerb angenommen wird.714 Das Ziel der mit dem Bestochenen getroffenen Unrechtsvereinbarung muss darin bestehen, den Vorteilsgeber oder einen von diesem bestimmten Dritten gegenüber mindestens einem Mitbewerber unsachgemäß besser zu stellen.715 Ausgehend von diesen Maßstäben muss die Absprache zwischen dem angestellten Apotheker und dem Pharmareferenten als eine Unrechtsvereinbarung eingeordnet werden. Der angestellte Apotheker hat den vom Pharmareferenten angebotenen Vorteil dafür angenommen, dass er zukünftig bei dem Bezug von Arzneimitteln das Pharmaunternehmen P-GmbH mindestens gegenüber einem weiteren Pharmaunternehmen ohne sachlichen Grund besser stellt, indem er bevorzugt die Arzneimittel der P-GmbH bezieht. Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass der angestellte Apotheker die Tatbestandvoraussetzungen des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt und sich folglich wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr strafbar machen kann.716 Zu einem anderen Ergebnis könnte man lediglich gelangen, wenn die Vorschrift des § 299a StGB als Sonderregel abschließenden Charakter für den Bereich des Gesundheitswesens hätte und eine Anwendbarkeit des § 299 StGB damit ausgeschlossen wäre. Zu untersuchen ist daher das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Tatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB und dem Tatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen gemäß § 299a StGB. Mit anderen Worten ist zu prüfen, ob § 299a StGB als lex specialis § 299 StGB verdrängt.

713 BGHSt 31, 264 – juris Rn. 45 (zu § 331 StGB); 35, 133 – juris Rn. 19 (zu § 331 StGB); BGH, Urt. v. 11.04.2001 – 3 StR 503/00 – juris Rn. 18; BGH, Urt. v. 18.06.2003 – 5 StR 489/02 – juris Rn. 23 (zu § 332 StGB); Momsen/Niang, medstra 2018, 12, 16; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 299 Rn. 18; Fischer, StGB, § 299 Rn. 8; Kienle/Koppel, NJW 2007, 3530, 3532; Corts, MPJ 2015, 317, 322. 714 Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 64. 715 Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 61. 716 So im Ergebnis auch Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2016 Anm. 1; ders., jurisPRCompl 3/2016 Anm. 1; ders., in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 69, 84; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 51.

II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB

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c) Konkurrenzen Das Verhältnis des § 299a StGB zu dem weiteren Korruptionstatbestand des § 299 StGB ist umstritten. Nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 299a StGB sei wegen der teilweise unterschiedlichen Schutzrichtung von § 299 StGB und § 299a StGB regelmäßig Tateinheit anzunehmen.717 Daraus folgt, dass § 299 StGB für Angestellte und Beauftragte im Gesundheitswesen anwendbar bleiben soll.718 Nach dem Willen des Gesetzgebers wird § 299a StGB daher nicht als Spezialnorm angesehen, die § 299 StGB verdrängen soll.719 Geschütztes Rechtsgut des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nach ganz h. M. der faire Wettbewerb.720 Neben dem Allgemeininteresse an fairem Wettbewerb schützt § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB nach der herrschenden Ansicht aber auch die Mitbewerber,721 vor denen sich der Vorteilsgeber einen Vorsprung verschaffen 717 BT-Drs. 18/6446, S. 16. Selbst im späteren Gesetzgebungsverfahren, in dessen Verlauf das Berufsrechtsmodell gestrichen wurde, hält der Gesetzgeber weiterhin an einem doppelten Rechtsgüterschutz fest (vgl. BT-Drs. 18/8106, S. 17), weshalb weiterhin von Tateinheit auszugehen ist. 718 Vgl. auch Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 102. 719 So im Ergebnis auch Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 212; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 102; Kubiciel, jurisPR-StrafR 11/2016 Anm. 1; Rosenau, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, § 299a Rn. 40; Rübenstahl/Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299a Rn. 57; Sahan, in: Graf/Jäger/Wittig, WSS, § 299a Rn. 30; Fischer, StGB, § 299a Rn. 28 720 BGHSt 10, 358, 367; 49, 214 – juris Rn. 41; BGH, Urt. v. 09.08.2006 – 1 StR 50/ 06 – juris Rn. 84; Wollschläger, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwKomm-StGB, § 299 Rn. 2; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 1; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 1 u. 5; Rogall, in: SK-StGB, Band V, § 299 Rn. 9; Haft/Schwoerer, FS Weber, 2004, S. 367, 372; Vogel, FS Weber, 2004, S. 395, 404; Vasilikou, FS I. Roxin, 2012, S. 359, 362 ff.; Gössel/Dölling, StrafR BT-1, § 55 Rn. 6; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, StrafR BT-2, § 17 Rn. 704; dies., Zuwendungen, S. 69; Arzt/Weber, StrafR BT, § 49 Rn. 51; Ludwig, in: Müller-Gugenberger, WiStrafR, § 53 Rn. 71; Androulakis, Korruptionsbekämpfung, S. 429; Höltkemeier, Sponsoring, S. 163 ff.; Nestoruk, Strafrechtliche Aspekte, S. 112; Rönnau/Golombek, ZRP 2007, 193, 194. A. A. Jaques, Bestechungstatbestände, S. 107; Pragal, ZIS 2006, 63, 75 ff.; ders., Korruption, S. 146, der als geschütztes Rechtsgut die „Nichtkäuflichkeit übertragener oder sonst besonders fremdverantwortlicher Entscheidungen sowie das diesbezügliche Vertrauen der Allgemeinheit“ ansieht. 721 Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 1; Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann, Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 12; Gössel/Dölling, StrafR BT-1, § 55 Rn. 6; Dölling, ZStW 2000, 334, 351; Ludwig, in: Müller-Gugenberger, WiStrafR, § 53 Rn. 71; Vogel, FS Weber, 2004, S. 395, 404; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 1; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 15; Rogall, in: SK-StGB, Band V, § 299 Rn. 10 f.; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 3; Bürger, wistra 2003, 130, 133; Wolters JuS 1998, 1100, 1103; Nestoruk, Strafrechtliche Aspekte, S. 112; Tiedemann, WiStrafR BT, Rn. 197. A. A. Fischer, StGB, § 299 Rn. 2; Bannenberg, Korruption und strafrechtliche Kontrolle, S. 25; Rönnau, in: Achenbach/Ransiek/ Rönnau, WiStrafR, 3. Teil, 2. Kapitel, B., I. Rn. 12, die für einen lediglich mittelbaren Schutz der Mitbewerber plädieren. Dagegen für einen vorrangigen Schutz BGH, Urt. v.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

will. Konkret geschützt sind die Mitbewerber in ihrer Chancengleichheit 722 und in ihrem Vermögensinteresse.723 Lediglich mittelbar sind die Kunden des Unternehmens gegen Verteuerung der Ware, Erhalt schlechter Ware und unrichtiger Beratung724 und die Vermögensinteressen des Geschäftsherrn geschützt.725 In aller Kürze sei nochmals festgehalten, dass § 299a StGB hingegen – selbst nach der Streichung des Berufsrechtsmodells weiterhin – den Schutz des fairen Wettbewerbs und den Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen und lediglich mittelbar den Schutz der Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen sowie der Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherung bezweckt.726 Eine Gegenauffassung in der Literatur, der jedoch nicht beizupflichten ist,727 vertritt hingegen die Ansicht, dass nach der Streichung des Berufsrechtsmodells der Schutz des fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen das einzig zu schützende Rechtsgut des § 299a StGB darstelle und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen durch die Vorschrift allenfalls mittelbar oder reflexartig geschützt werden könne.728 Hieraus wird für das Konkurrenzverhältnis zwischen § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 299a StGB folgende 27.03.1968 – I ZR 163/65 – juris Rn. 29 (zu § 12 UWG a. F.); Pfeiffer, FS v. Gamm, 1990, S. 129, 130 f. 722 BGHSt 2, 396, 402; Tiedemann, WiStrafR BT, Rn. 197; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 15. 723 Tiedemann, WiStrafR BT, Rn. 197; Nestoruk, Strafrechtliche Aspekte, S. 112. 724 BGH, Urt. v. 27.03.1968 – I ZR 163/65 – juris Rn. 29 (zu § 12 UWG a. F.); Dannecker, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299 Rn. 14; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 4; Ludwig, in: Müller-Gugenberger, WiStrafR, § 53 Rn. 71; Höltkemeier, Sponsoring, S. 165; Nestoruk, Strafrechtliche Aspekte, S. 113; Pfeiffer, FS v. Gamm, 1990, S. 129, 131. 725 Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 10, § 299 Rn. 5; Ludwig, in: Müller-Gugenberger, WiStrafR, § 53 Rn. 71; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299 Rn. 10; vgl. auch Rönnau, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, WiStrafR, 3. Teil, 2. Kapitel, B., I. Rn. 12; Fischer, StGB, § 299 Rn. 2. A. A. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299 Rn. 1; Krick, in: MüKo StGB, Band 5, § 299 Rn. 15; Rogall, in: SK-StGB, Band V, § 299 Rn. 12 f.; Wolters JuS 1998, 1100, 1103, die sich für einen gleichrangigen Schutz des fairen Wettbewerbs und der Vermögensinteressen des Geschäftsherrn aussprechen. 726 Sie hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 2. b) cc) (2) (a). 727 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 2. b) cc) (2) (a) (bb). 728 Vgl. hierzu Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 12 ff.; Rübenstahl/ Teubner, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WiStrafR, § 299a Rn. 4 f.; Momsen/Laudien, in: BeckOK, StGB, § 299a Rn. 8; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 299a Rn. 1; Tsambikakis, medstra 2016, 131, 132 f.; Dieners/Cahnbley, MPR 2016, 48, 49 f.; Duttge, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 15, 22; Kubiciel, jurisPR-Compl 3/2016 Anm. 1; Dann/Scholz, NJW 2016, 2077 f.; Kölbel, medstra 2016, 193 f.; Lorenz, medstra 2017, 342, 344; Seifert, medstra 2017, 280, 282 f.; Reinholz, rescriptum 2016, 134, 140; Schneider, in: Bleicken/Zumdick, Gesetz zur Bekämpfung von Korruption, S. 17; Wittig, WiStrafR, § 26 Rn. 65; Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/ Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 57 ff.

II. Strafbarkeit des Apothekers nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB

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Konsequenz gezogen: Angesichts des lediglich reflexhaften Schutzes der außerhalb des fairen Wettbewerbs liegenden Rechtsgüter des § 299a StGB liege Spezialität des § 299a StGB aufgrund des spezifischen Täterkreises bzw. der spezielleren Tatkonstellation näher.729 Nach dieser Ansicht soll § 299a StGB für den Bereich des Gesundheitswesens abschließende Wirkung entfalten und § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB verdrängen.730 Dieser Ansicht ist jedoch nicht beizupflichten, da sie dem Willen des Gesetzgebers widerspricht und mit diesem nicht in Einklang gebracht werden kann. Dem Willen des Gesetzgebers kommt aber auch bei dieser Streitfrage eine herausragende Bedeutung zu.731 Überdies spricht auch der nachfolgende Gedanke gegen die Annahme einer Spezialität des § 299a StGB: Würde man den Gedanken der Sperrwirkung konsequent weiterverfolgen, müsste die Sperrwirkung des § 299a StGB nicht nur gegenüber § 299 StGB gelten, sondern auch gegenüber den Korruptionstatbeständen der §§ 331, 332 StGB. Dies würde aber dazu führen, dass der Unrechtscharakter der §§ 331, 332 StGB, der gerade darin besteht, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit von Amtsträgern besonders zu sanktionieren, für den Bereich des Gesundheitswesens verloren ginge.732 Die besseren Argumente sprechen dafür, dass § 299a StGB nicht als lex specialis im Verhältnis zu § 299 StGB anzusehen ist. § 299a StGB stellt damit keine abschließende Regelung dar, die § 299 StGB vedrängen würde. Das bisherige Ergebnis, wonach sich der angestellte Apotheker wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen kann, bedarf daher keiner Korrektur. Dies führt wiederum zu dem eklatant widersprüchlichen Ergebnis einer unterschiedlichen strafrechtlichen Bewertung des Verhaltens des angestellten Apothekers und des als Geschäftsherr handelnden Apothekers: Lässt sich der angestellte Apotheker bestechen, macht er sich strafbar. Der Apotheker als Inhaber seiner Apotheke bleibt hingegen trotz Bestechung straffrei. Die Strafbarkeit des Apothekers für ein und dasselbe Verhalten hängt mithin von dem Umstand ab, ob der Apotheker als Angestellter oder in seiner Funktion als Geschäftsherr der Apotheke tätig wird. Bereits an dieser Stelle sei betont, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 299a StGB und seiner Entscheidung den Apotheker – als Geschäftsinhaber – 729

Tsambikakis, medstra 2016, 131, 139. So im Ergebnis auch Pragal/Handel, medstra 2015, 337, 344; Kubiciel/Tsambikakis, medstra 2015, 11, 15; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 299 Rn. 52, § 299a Rn. 44; Ellbogen, ArztR 2015, 173, 178; Seifert, medstra 2017, 280, 282 f. 731 Zur Bedeutung des Willens des Gesetzgebers bei der Auslegung siehe die Ausführungen unter § 3 II. 1. a). 732 So im Ergebnis auch Dannecker/Schröder, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 299a Rn. 212; Gaede, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 299a Rn. 102. 730

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

zu privilegieren, den angestellten Apotheker aus den Augen verloren hat. Letzterer kann sich nach wie vor nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen. Allein diese Friktion sollte den Gesetzgeber de lege ferenda dazu veranlassen, aktiv zu werden und die entstandenen Widersprüchlichkeiten zu beseitigen.

III. Strafbarkeit des Apothekers nach § 263 StGB Ferner soll unter Zugrundelegung des gebildeten Beispielfalls733 eine Strafbarkeit des Apothekers gemäß § 263 Abs. 1 StGB wegen Betruges geprüft werden, wenn der Apotheker – nachdem er die Arzneimittel an den Patienten abgegeben hat – die Kosten hierfür gegenüber der GKV bzw. dem Privatpatienten abrechnet. Nach § 263 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch schädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Die nachfolgende Prüfung differenziert zwischen der Abrechnung verschreibungspflichtiger (1.) und verschreibungsfreier Arzneimittel (2.), da die Vorschrift des § 78 AMG für beide Gruppen unterschiedliche Vorgaben hinsichtlich der Preisbindung von Arzneimitteln enthält. 1. Betrug bei der Abrechnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel Ein Betrug des Apothekers bei der Abrechnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist in zwei Konstellationen denkbar: Zum einen kann der Apotheker die Kosten für Arzneimittel, die er zuvor an gesetzlich versicherte Patienten abgegeben hat, gegenüber der GKV als Kostenträger abrechnen. In diesem Fall käme ein Betrug zu Lasten der GKV in Frage. Zum anderen kommt ein Betrug zu Lasten des privat versicherten Patienten in Betracht, da dieser bei der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar Vertragspartner des Apothekers wird und der Apotheker damit direkt gegenüber dem Patienten abrechnet.734 Da beide Varianten – wie noch zu zeigen sein wird – gleich zu entscheiden sein werden, sollen beide Fallkonstellationen nunmehr gemeinsam erörtert werden. a) Täuschung Der Betrugstatbestand setzt zunächst das Vorliegen einer Täuschungshandlung voraus. Unter einer Täuschungshandlung im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, die geeignet 733 734

S. o. § 5. Vgl. auch Kudlich, in: Kubiciel/Hoven, Korruption, S. 111, 114 f.

III. Strafbarkeit des Apothekers nach § 263 StGB

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und dazu bestimmt ist, beim Adressaten der Erklärung eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen, zu verstehen. Die Täuschung besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen.735 Eine Täuschung kann demnach sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Im Rahmen des aktiven Tuns kann die Täuschung durch eine ausdrückliche Erklärung oder durch ein konkludentes Verhalten erfüllt werden. Eine ausdrückliche Täuschung scheidet im hier zu untersuchenden Fall von vornherein aus, da der Apotheker bei der Abrechnung der Arzneimittel nicht ausdrücklich erklärt, dass der für die Arzneimittel abgerechnete Preis nicht durch Rückvergütungen des Pharmaherstellers überhöht ist. Indem der Apotheker die verschreibungspflichtigen Medikamente entweder gegenüber der GKV oder dem privat versicherten Patitenten abrechnet, könnte aber zum einen eine Täuschung durch Unterlassen oder zum anderen eine konkludente Täuschung vorliegen. aa) Abgrenzung konkludente Täuschung und Täuschung durch Unterlassen Eine Täuschung durch Unterlassen liegt vor, wenn der Täter entgegen einer ihn treffenden Aufklärungspflicht, die seine Garantenstellung begründet, und trotz tatsächlich vorhandener Gelegenheit, einen Irrtum des Verfügenden nicht verhindert oder beseitigt.736 Von einer konkludenten Täuschung ist hingegen auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt.737 Der konkludenten Täuschung liegt demnach stets ein unausgesprochener Kommunikationsinhalt zugrunde.738 Die Abgrenzung zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anhand der sog. „Schwerpunkttheorie“ vorzunehmen. Maßgeblich ist danach der relevante Handlungsschwerpunkt. Mit anderen Worten ist entscheidend, ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Tun oder Unterlassen

735 Zum Ganzen BGH, Urt. v. 05.03.2014 – 2 StR 616/12 – juris Rn. 16; BGH, Urt. v. 08.10.2014 – 1 StR 359/13 – juris Rn. 19; BGH, Urt. v. 12.02.2015 – 2 StR 109/14 – juris Rn. 17. 736 Vgl. BGHSt 6, 198, 199; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 21. 737 BGHSt 47, 1 – juris Rn. 10; 51, 165 – juris Rn. 19; BGH, Beschl. v. 25.07.2017 – 5 StR 46/17 – juris Rn. 44; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 32; Vogel, GS Keller, 2003, S. 313, 314 f. 738 Vgl. auch BGHSt 51, 165 – juris Rn. 20; BGH, Urt. v. 10.12.2014 – 5 StR 405/ 13 – juris Rn. 11; BGH, Beschl. v. 25.07.2017 – 5 StR 46/17 – juris Rn. 44; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 263 Rn. 109.

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liegt.739 Im Rahmen der Abgrenzung ist zunächst durch Auslegung der Erklärungswert des aktiven Verhaltens zu ermitteln. Kann in dem Erklärungswert bereits eine Täuschungshandlung erblickt werden, liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem aktiven Tun, sodass eine Täuschung durch aktives konkludentes Verhalten zu bejahen ist. In diesem Fall kann dahinstehen, ob auch eine Täuschung durch Unterlassen gegeben ist.740 Entsprechend der dargelegten Grundsätze ist somit zunächst durch Auslegung zu ermitteln, welcher Erklärungswert dem aktiven Verhalten des Apothekers innewohnt. Die Auslegung erfolgt nach der Rechtsprechung sowohl anhand von faktischen als auch normativen Gesichtspunkten.741 Diesem faktisch-normativen Mischansatz des Bundesgerichtshofs haben sich auch Teile der Literatur angeschlossen.742 Hiernach ergibt sich der Erklärungswert eines Verhaltens aus den Gesamtumständen der konkreten Situation.743 Der unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen tatsächlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (sog. faktische Betrachtungsweise).744 Die tatsächlichen Erwartungen der Beteiligten werden jedoch auch durch die jeweilige Verkehrsanschauung und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (sog. normative Betrachtungweise).745 Übertragen auf den Beispielsfall bedeutet dies, dass anhand der Gesamtumstände der konkreten Situation zu ermitteln ist, ob das Fordern eines bestimmten Preises für ein abgegebenes Arzneimittel, den unausgesprochenen Erklärungswert beinhaltet, dass der verlangte Preis üblich und angemessen (und nicht durch 739 Zum Ganzen BGHSt 6, 46, 59; 40, 257 – juris Rn. 31; BGH, Beschl. v. 17.08.1999 – 1 StR 390/99 – juris Rn. 3; BGH, Urt. v. 01.02.2005 – 1 StR 422/04 – juris Rn. 8; BGH, Urt. v. 12.07.2005 – 1 StR 65/05 – juris Rn. 14; Holtz, MDR 1982, 623, 624; Fischer, StGB, § 13 Rn. 5; vgl. auch Trüg/Habetha, JZ 2007, 878, 882. Kritisch hingegen Stein, JR 1999, 265, 267; Freund, in: MüKo StGB, Band 1, § 13 Rn. 6 ff. 740 Vgl. zum Ganzen BGHSt 51, 165 – juris Rn. 27; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/ Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 33. 741 BGHSt 51, 165 – juris Rn. 20. 742 Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 34; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 14/15; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 30; Kasiske, GA 2009, 367 f.; vgl. auch Wessels/Hillenkamp/ Schuhr, StrafR BT-2, § 13 Rn. 496; Lindemann, NZWiSt 2012, 334, 336. Restriktiver Trüg/Habetha, JZ 2007, 878, 879 ff.; Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 217 f. 743 BGHSt 51, 165 – juris Rn. 20; vgl. auch Vogel, GS Keller, 2003, S. 313, 315. 744 BGHSt 51, 165 – juris Rn. 20; BGH, Beschl. v. 09.06.2009 – 5 StR 394/08 – juris Rn. 15; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 33 u. 35. 745 BGHSt 51, 165 – juris Rn. 20; BGH, Beschl. v. 09.06.2009 – 5 StR 394/08 – juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 12.02.2015 – 2 StR 109/14 – Rn. 17; Hefendehl, in: MüKo StGB, Band 5; § 263 Rn. 74; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 30; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 33 u. 35.

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Rückvergütungen überhöht) ist. Dies ist im Grundsatz zunächst zu verneinen.746 Wurde keine besondere Zusicherung erteilt, liegt allein im Fordern eines im Verhältnis zur Gegenleistung überhöhten Preises noch keine betrugsrelevante konkludente Täuschung.747 Das ergibt sich aus dem Grundsatz der freien Marktwirtschaft, in der sich der Preis nach Angebot und Nachfrage richtet. Vereinbarungen über den Austausch von Gütern und Leistungen unterliegen der Vertragsfreiheit. Insoweit ist es in der Regel die Aufgabe des Käufers, abzuwägen und sich zu entscheiden, ob er den geforderten Preis aufwenden will oder nicht.748 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch anzunehmen, wenn der Verkäufer sich planmäßig den Umstand zu nutze macht, dass der Vertragspartner nicht ohne umständliche Erkundigung in der Lage ist, die Ordnungsgemäßheit der berechneten Vergütung nachzuprüfen und sich deshalb auf die Berechnung verlässt.749 Die GKV und der privat versicherte Patient gehen davon aus, dass die Abrechnung des Apothekers für die Kosten des verschreibungspflichtigen Arzneimittels die stillschweigende Erklärung enthält, dass der geltend gemachte Preis üblich und angemessen und nicht durch Rückvergütungen an den Apotheker überhöht ist. Dies auch deshalb, weil sowohl die GKV als auch der privat versicherte Patient keine Möglichkeit dazu haben, zu überprüfen, ob der Apotheker Rückvergütungen vom Pharmahersteller erhält. Vor diesem Hintergrund werden sich die Beteiligten daher auf die Berechnung des Preises verlassen müssen. Zudem sind bei der Auslegung des Erklärungswertes die tatsächlichen Erwartungen der Beteiligten zu berücksichtigen. Der Empfängerhorizont der Mitarbeiter der GKV bzw. der privat versicherten Patienten wird maßgeblich auch von ihrem Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Apothekers geprägt. So gaben etwa im Jahr 2018 in einer Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände 83 % der be746 Vgl. RGSt 42, 147, 150; BGH, Urt. v. 02.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; BGH Beschl. v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89 – juris Rn. 13 f.; BGH, Beschl. v. 29.07.2009 – 2 StR 91/09 – juris Rn. 11; BGH, Urt. v. 20.05.2015 – 5 StR 547/14 – juris Rn. 14; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 10; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 47; Perron, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 263 Rn. 17c; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 35; Hoyer, in: SK-StGB, Band V, § 263 Rn. 32; Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, S. 579, 592; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 32; Mayer Lux, Täuschung, 2013, S. 237 f.; Maaß, GA 1984, 264, 273 f. 747 RGSt 50, 340 f.; BGH, Urt. v. 02.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 47. 748 Zum Ganzen BGH, Urt. v. 20.05.2015 – 5 StR 547/14 – juris Rn. 14; OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 47; vgl. auch BayObLG, NJW 1994, 1078, 1079; OLG München, Beschl. v. 07.09.2009, 5St RR 246/09 – juris Rn. 10; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 35; Maaß, GA 1984, 264, 273. 749 Vgl. BGH, Urt. v. 02.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; BGH Beschl. v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89 – juris Rn. 14; OLG München, Beschl. v. 07.09.2009, 5 St RR 246/09 – juris Rn. 11; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 48; Maaß, GA 1984, 264, 274. Siehe auch Kasiske, GA 2009, 360, 368 f.

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fragten Bundesbürger an, Vertrauen zu ihrem Apotheker zu haben.750 Dieses hohe Maß an Vertrauen schlägt sich in Erwartungen an die Integrität des Verhaltens des Apothekers nieder. Nach alledem kann festgestellt werden, dass anhand der Gesamtumstände der konkreten Situation das Fordern eines bestimmten Preises für ein abgegebenes Arzneimittel ausnahmsweise den unausgesprochenen Erklärungswert beinhaltet, der verlangte Preis sei üblich und angemessen und nicht durch Rückvergütungen überhöht. Dem aktiven Verhalten des Apothekers ist folglich ein Erklärungswert beizumessen, in dem bereits eine Täuschungshandlung erblickt werden kann. Der relevante Handlungsschwerpunkt liegt somit in einem aktiven Tun des Apothekers, sodass eine Täuschung durch konkludentes Verhalten zunächst grundsätzlich zu bejahen ist. Eine Täuschung durch Unterlassen scheidet aus.751 bb) Auswirkungen des einheitlichen Apothekenabgabenpreises Im hier zu untersuchenden Fall ist indes zu beachten, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel einem sog. „einheitlichen Apothekenabgabenpreis“ unterliegen. Dieser einheitliche Apothekenabgabenpreis könnte Auswirkungen auf das Vorliegen einer konkludenten Täuschung haben: Gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG ist für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheke ausgeschlossen sind, ein einheitlicher Apothekenabgabenpreis zu gewährleisten. Dies gilt nach § 78 Abs. 2 Satz 3 AMG jedoch nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der GKV abgegeben werden. Im Ergebnis sind somit vom einheitlichen Apothekenabgabenpreis alle verschreibungspflichten Arzneimittel erfasst. Verschreibungsfreie Arzneimittel unterliegen hingegen in der Regel nicht dem einheitlichen Apothekenabgabenpreis.752 Die ratio des einheitlichen Apothekenabgabenpreises besteht darin, im Hinblick auf die Beratungs- und Schlüsselfunktion der Apotheken einen Preiswettbewerb auf der Handelsstufe der Apotheken auszuschließen oder jedenfalls zu vermindern.753 Dadurch soll im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende 750 https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ZDF_2019_Brosch. pdf, S. 5, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 751 A. A. Dietel/Guttau, PharmR 2010, 440, 441 die den Handlungsschwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens in der Nichtweiterleitung der gewährten Vorteile an den Kostenträger erblicken und im Ergebnis eine Täuschung durch Unterlassen annehmen. 752 Verschreibungsfreie Arzneimittel sind nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich von dem Versorgungsanspruch der gesetzlich versicherten Patienten nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Nur ausnahmsweise kann ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel zu Lasten der GKV abgegeben werden. Zu den Ausnahmen vgl. § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 SGB V. 753 BGHZ 194, 354 – juris Rn. 25; BGH, Urt. v. 10.12.2014 – 5 StR 405/13 – juris Rn. 21. Vgl. auch BVerfG, Stattgegebener Kammerbeschl. v. 19.09.2002 – BvR 1385/

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und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.754 Zur Bestimmung des einheitlichen Apothekenabgabenpreises sind neben den Vorgaben des § 78 AMG auch die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) heranzuziehen. Die AMPreisVO wurde aufgrund der in § 78 Abs. 1 AMG enthaltenen Ermächtigung erlassen und legt für Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel), 755 unter anderem die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe an Apotheken und die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf fest.756 Den Ausgangspunkt der konkreten Bemessung des einheitlichen Abgabenpreises bildet der Abgabenpreis des pharmazeutischen Unternehmers. In der Festlegung seines Abgabenpreises ist der pharmazeutische Unternehmer grundsätzlich frei. Nach § 78 Abs. 3 AMG muss er lediglich einen einheitlichen Abgabenpreis sicherstellen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass der pharmazeutische Unternehmer für alle Marktakteure einheitlich festlegen muss, zu welchem Preis er seine Arzneimittel verkauft. Neben dem Abgabenpreis des pharmazeutischen Unternehmers wird der Apothekenabgabenpreis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisVO zudem aus dem Großhandelshöchstzuschlag nach § 2 AMPreisVO, dem Festzuschlag der Apotheke nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisVO sowie der Umsatzsteuer gebildet.757 Ob der pharmazeutische Unternehmer die von ihm selbst hergestellten Arzneimittel direkt an eine Apotheke abgibt oder zunächst an einen Großhändler, der sie im Anschluss an Apotheken weitergibt, spielt für die Bemessung des einheitlichen Apothekenabgabenpreises keine Rolle: Entscheidet sich der pharmazeutische Unternehmer für den „Direktvertrieb“ an die Apotheke ist er zwar im Sinne der Großhandeldefinition des § 4 Abs. 22 AMG im Großhandel tätig, er gibt diese Arzneimittel aber nicht im Wiederverkauf ab, da der Begriff Wiederverkauf die entgeltliche Abgabe einer von einer dritten Stelle erworbene Ware erfasst.758 Dies führt zwar zunächst dazu, dass der Anwendungsbereich der AMPreisVO nicht eröffnet ist, vgl. §§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG, 1 Abs. 1 Nr. 1 AMPreisVO. Allerdings gelten in diesem Fall aufgrund des § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG die Preisvorschriften für den Großhandel ebenfalls unmittelbar für den 01 – juris Rn. 23; Koyuncu, in: Deutsch/Lippert, Arzneimittelgesetz, § 78 Rn. 5; Rehmann, Arzneimittelgesetz, § 78 Rn. 1; Heßhaus, in: Spickhoff, Medizinrecht, AMG, § 78 Rn. 2. 754 BT-Drs. 11/5373 Anl. 2, S. 27; BGHZ 194, 354 – juris Rn. 25; Kloesel/Cyran, AMG, Band V, § 78 Anm. 1 u. 34; Witt/Gregor, PharmR 2016, 481. 755 Vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AMG. 756 Vgl. §§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG, 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 3 Abs. 1 AMPreisVO. 757 Zum Ganzen siehe auch BGHZ 194, 354 – juris Rn. 26. 758 Kloesel/Cyran, AMG, Band V, § 78 Anm. 6.

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pharmazeutischen Unternehmer, der eine Tätigkeit im Großhandel (§ 4 Abs. 22 AMG) ausübt, bei der Abgabe an Apotheken, die die Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher beziehen. Resümierend lässt sich daher festhalten, dass es für die weitere Untersuchung keine Rolle spielt, ob der Apotheker die Arzneimittel von einem Großhändler bezieht oder ob der Apotheker – wie im hier gebildeten Beispielsfall – die Arzneimittel unmittelbar vom Pharmaunternehmen erwirbt.759 In beiden Konstellationen wird der einheitliche Apothekenabgabenpreis nach den gleichen Vorschriften berechnet.760 Für das Vorliegen einer konkludenten Täuschung folgt aus der Geltung des einheitlichen Apothekenabgabenpreises folgendes: Bei der Abrechnung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels hat der Apotheker in jedem Fall den einheitlichen Apothekenabgabenpreis zugrunde zu legen, unabhängig davon, ob er eine Rückvergütung erhalten hat oder nicht. Mit anderen Worten muss der Apotheker für jedes abgegebene verschreibungspflichtige Arzneimittel den gleichen Preis abrechnen. Eine Rückvergütung, die der Apotheker von dem Pharmaunternehmen erhält, kann sich – de lege lata – nicht preiserhöhend auswirken, da das Gesetz selbst in Gestalt von § 78 Abs. 1 AMG i.V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisVO den Abgabenpreis für den Apotheker bindend festlegt. Auf Grund des Bestehens des einheitlichen Apothekenabgabenpreises kann abgeleitet werden, dass die Abrechnung des Apothekers gegenüber der GKV bzw. dem Privatpatienten nicht den tatsächlichen Einkaufspreis des Apothekers enthalten muss, da dieser für die Höhe des geltend gemachten Erstattungs- bzw. Zahlungsanspruchs des Apothekers nach der Verkehrsanschauung objektiv nicht von Belang ist. Der GKV bzw. dem Privatpatienten stehen selbst für den Fall einer Offenlegung der Einkaufsvorteile durch den Apotheker – wegen des einheitlichen Apothekenabgabenpreises – keine Abschläge auf seine geltend gemachten Erstattungs- bzw. Zahlungsansprüche zu.761 Die konkludente Erklärung des Apothekers bei Vorlage der Abrechnung ist mithin objektiv nicht falsch, da dem Apotheker der geltend gemachte Erstattungs- bzw. Zahlungsanspruch gegenüber der GKV und dem privat versicherten Patienten in dieser Höhe tatsächlich zusteht. Eine konkludente Täuschung scheidet im Ergebnis somit aus. b) Vermögensschaden Selbst wenn man von einer konkludenten Täuschung ausgehen würde, müsste ein Betrug des Apothekers mangels Vermögensschadens ausscheiden. Ein Ver759

Zum Ganzen vgl. Kloesel/Cyran, AMG, Band V, § 78 Anm. 10 u. 18. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich der Apothekenabgabenpreis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 AMPreisVO für den Fall errechnet, dass ein Arzneimittelbezug der Apotheke ausschließlich beim pharmazeutischen Unternehmer möglich ist, vgl. Kloesel/Cyran, AMG, Band V, § 78 Anm. 19. 761 Vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2014 – 5 StR 405/13 – juris Rn. 17. 760

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mögensschaden ist anzunehmen, wenn der Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Getäuschten zu einem negativen Saldo führt.762 Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Vermögensverfügung.763 Gemessen an diesen Vorgaben scheidet ein Vermögensschaden des Kostenträgers in Gestalt der GKV bzw. des Privatpatienten aus.764 Vergleicht man den Wert des Vermögens des jeweiligen Kostenträgers vor und unmittelbar nach Erstattung bzw. Bezahlung des Arzneimittelpreises, ist keine Minderung des Vermögens festzustellen; denn die GKV bzw. der Privatpatient bezahlt aufgrund des einheitlichen Apothekenabgabenpreises für das jeweilige Arzneimittel keinen um die Rückvergütung des Apothekers überhöhten Preis. Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Strafbarkeit des Apothekers wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB ausscheidet, wenn der Apotheker – nachdem er verschreibungspflichtige Arzneimittel eines bestimmten Pharmaherstellers an den Patienten aufgrund einer gewährten Rückvergütung bevorzugt abgegeben hat – die Kosten hierfür gegenüber der GKV bzw. dem Privatpatienten abrechnet. 2. Betrug bei der Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel Desweiteren kommt eine Strafbarkeit des Apothekers wegen Betruges zum Nachteil des Patienten bei der Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel, den „OTC“-Präparaten,765 gemäß § 263 Abs. 1 StGB in Betracht. Eine Differenzierung zwischen privat und gesetzlich versicherten Patienten ist im Rahmen der Prüfung nicht notwendig, da verschreibungsfreie Arzneimittel zu Lasten der GKV nur ausnahmsweise abgegeben werden können.766 In aller Regel trägt der gesetzlich versicherte Patient die Kosten solcher Arzneimittel selbst. Dies hat zur Folge, dass sowohl der privat als auch der gesetzlich versicherte Patient bei der Abgabe verschreibungsfreier Arzneimittel unmittelbar Vertragspartner des Apothekers werden. Der Apotheker rechnet direkt gegenüber dem Patienten ab. Zu unterscheiden ist jedoch im weiteren Verlauf der Untersuchung zwischen zwei theoretisch möglichen Fallkonstellationen: Denkbar erscheint einerseits, 762 Vgl. BVerfG, NStZ 1998, 506, BGHSt 16, 220, 221; 30, 388 – juris Rn. 4; BGH, Beschl. v. 30.07.1996 – 5 StR 168/96 – juris Rn. 6; Fischer, StGB, § 263 Rn. 110; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 36. 763 Vgl. BGHSt 16, 220, 221; 30, 388 – juris Rn. 4; 34, 199 – juris Rn. 12; 57, 95 – juris Rn. 76. 764 So im Ergebnis auch zum Vertragsarzt Hecker, JuS 2012, 852; 854; Schneider, HRRS 2010, 241, 242 u. 247; Cosack, ZIS 2013, 226, 233. Vgl. auch Kölbel, NStZ 2011, 195, 196. 765 OTC steht für „Over-The-Counter“ und meint die verschreibungsfrei „über die Ladentheke“ abgebbaren Arzneimittel, vgl. Geiger, medstra 2016, 9, 14 dortige Fn. 57. 766 Zu den Ausnahmen vgl. § 34 Abs.1 Sätze 2 bis 5 SGB V.

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dass der Pharmahersteller die an den Apotheker zu gewährende Rückvergütung bereits in den pharmazeutischen Abgabenpreis eingepreist hat und der Apotheker dies zumindest billigend in Kauf nimmt (a)).767 Andererseits ist auch in Erwägung zu ziehen, dass der Pharmahersteller die Aufwendungen für die Rückvergütung „auf eigene Rechnung“ verbucht und diese selbst trägt. In diesem Fall sind die Aufwendungen des Pharmaunternehmens gerade nicht in dem pharmazeutischen Abgabenpreis enthalten (b)). a) Eingepreiste Rückvergütung aa) Täuschung Im Rahmen der Ausführungen unter § 5 III. 1. a) aa) wurde bereits herausgearbeitet, dass in der Abrechnung verschreibungspflichtiger Medikamente des Apothekers gegenüber der GKV oder dem Privatpatienten allenfalls eine konkludente Täuschung liegen kann. Für die nunmehr zu untersuchende Konstellation kann nichts anderes gelten. Indem der Apotheker die verschreibungsfreien Arzneimittel gegenüber den Patienten abrechnet, könnte er daher konkludent täuschen. Gibt der Apotheker ein verschreibungsfreies Arzneimittel bevorzugt an den Patienten ab, weil er hierfür vom Pharmaunternehmen eine in den pharmazeutischen Abgabenpreis bereits eingepreiste Rückvergütung erhält und rechnet gegenüber dem Patienten den vollen Preis hierfür ab, täuscht der Apotheker (konkludent) darüber, dass er nur die tatsächlichen Kosten für das Arzneimittel abrechnet. Er bringt die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck, erklärt sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten mit. Der Apotheker legt dem Patienten die Abrechnung in dem Bewusstsein vor, dass er für die Abgabe des Arzneimittels eine bereits eingepreiste Rückvergütung erhält. Er rechnet damit Beträge ab, die mit den Kosten für das Arzneimittel nicht in Zusammenhang stehen. Der Patient geht hingegen davon aus, dass die Abrechnung des Apothekers für das verschreibungsfreie Arzneimittel die stillschweigende Erklärung enthält, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch dem Apotheker in dieser Höhe tatsächlich zusteht und keine herstellungsfremden Kosten in Gestalt von Rückvergütungen enthält. Dies auch deshalb, weil der Patient keine Möglichkeit hat zu überprüfen, ob der Apotheker Rückvergütungen vom Pharmahersteller erhält. Der Abrechnung durch den Apotheker liegt demnach in dieser Konstellation eine konkludente Täuschung über unwahre Tatsachen zugrunde. Im Gegensatz zur Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Patienten kann eine konkludente Täuschung nicht mit Hinweis auf einen einheitlichen Ab767 Beide Aspekte müssten im Einzelfall tatrichterlich festgestellt werden, was insbesondere im Hinblick auf die subjektive Tatseite des Apothekers mit Schwierigkeiten verbunden sein kann.

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gabenpreis der pharmazeutischen Unternehmer (§ 78 Abs. 3 Satz 1 AMG) und einem daraus resultierenden einheitlichen Apothekenabgabenpreis in Abrede gestellt werden; denn verschreibungsfreie Arzneimittel unterfallen nicht dem Anwendungsbereich der AMPreisVO, vgl. § 1 Abs. 4 AMG. Damit hat der pharmazeutische Unternehmer keinen einheitlichen Abgabenpreis sicherzustellen, vgl. § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG. Zudem hat der Apotheker für verschreibungsfreie Arzneimittel in der Regel keinen einheitlichen Apothekenabgabenpreis zu gewähren, vgl. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG.768 Dies führt in der Konsequenz dazu, dass dem pharmezeutischen Unternehmer die Möglichkeit eröffnet ist, eine gewährte Rückvergütung in den Abgabenpreis einzupreisen. Die in der Abrechnung enthaltene konkludente Erklärung des Apothekers ist damit objektiv falsch, da dem Apotheker der geltend gemachte Preis – überhöht durch die Rückvergütung – dem Patienten gegenüber in dieser Höhe nicht tatsächlich zusteht. bb) Irrtum Durch die Täuschungshandlung des Apothekers muss ein Irrtum bei dem Patienten erregt werden.769 Dieser Irrtum bildet das spiegelbildliche Gegenstück zur Täuschung770 und ist zu bejahen, wenn ein Widerspruch zwischen der (subjektiven) Vorstellung und der (objektiven) Wirklichkeit besteht.771 Angewendet auf den Beispielsfall bedeutet dies, dass ein Irrtum anzunehmen wäre, wenn der Patient subjektiv davon ausginge, der Preis für das Arzneimittel beinhalte lediglich die Kosten für dieses, während sich in Wirklichkeit der Preis aber aus den Kosten für das Arzneimittel und die an den Apotheker gewährte Rückvergütung zusammensetzt. Ein Irrtum liegt unstreitig vor, wenn der Getäuschte eine positive Vorstellung der unrichtigen Tatsachenbehauptung hat,772 die stets das Ergebnis eines im Be768 Verschreibungsfreie Arzneimittel sind nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich von dem Versorgungsanspruch der gesetzlich versicherten Patienten nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Nur ausnahmsweise kann ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel zu Lasten der GKV abgegeben werden. Zu den Ausnahmen vgl. § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 SGB V. 769 Vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rn. 53; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 32. 770 Fischer, StGB, § 263 Rn. 53; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 86. Vgl. auch Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 77. 771 Vgl. BGHSt 57, 95 – juris Rn. 68; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 33; Fischer, StGB, § 263 Rn. 54; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 77. 772 Vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1990 – 1 StR 144/90 – juris Rn. 4; Saliger, in: Esser/ Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 87; Duttge, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, StGB, § 263 Rn. 23; Hefendehl, in: MüKo StGB, Band 5, § 263 Rn. 250; Heger/Petzsche, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 263 Rn. 63; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 18.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

wusstsein reflektiert ablaufenden Denkprozesses ist.773 Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der jeweilige Patient in der Regel keine aktiven Gedanken dazu machen wird, ob Rückvergütungen der Pharmahersteller an den Apotheker in dem Arzneimittelpreis enthalten sind oder nicht. Von einer positiven Vorstellung des Patienten und einem reflektiert ablaufenden Denkprozess kann daher keine Rede sein. Wesentlich lebensnäher dürfte es sein, dass die Vielzahl der Patienten keine Kenntnis von der Möglichkeit einer solchen Rückvergütung hat. Bei einer konkludenten Täuschung – wie sie im vorliegenden Fall anzunehmen ist – soll jedoch bereits eine ungefähre Vorstellung im Sinne eines unreflektierten sachgedanklichen Mitbewusstseins oder die aus bestimmten Tatsachen abgeleitete allgemein gehaltene Vorstellung, dass „alles in Ordnung“ ist, für einen Irrtum ausreichen.774 Nicht ausreichend ist hingegen ein allgemeines Gefühl der Sicherheit, weil es nicht auf konkrete Tatsachen bezogen ist.775 Da sich der im Rahmen der konkludenten Täuschungshandlung maßgebliche Empfängerhorizont regelmäßig in dem Vorstellungsbild auf Seiten der Empfänger widerspiegelt,776 gehen die Patienten aufgrund ihres Vertrauens in den Apotheker und ihren fehlenden Prüfmöglichkeiten zur Preisbildung davon aus, die Bemessungsgrundlage für den Arzneimittelpreis sei zutreffend bestimmt worden und der Preis nicht zu ihren Lasten durch die Rückvergütung überhöht. Aus dem Vetrauen in den Apotheker und der Unkenntnis über die Preisbildung leitet sich die allgemein gehaltene Vorstellung des jeweiligen Patienten ab, der Preis des konkreten Arzneimittels sei „in Ordnung“. Insofern liegt bei dem jeweiligen Patienten aufgrund der Täuschungshandlung des Apothekers ein Irrtum vor. cc) Vermögensverfügung und Vermögensschaden Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt der Betrug eine Verfügung des Irrenden über eigenes oder fremdes Vermögen voraus.777 Eine Vermögensverfü773

Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 88. BGHSt 2, 325, 326; 54, 44 – juris Rn. 17; 57, 95 – juris Rn. 69; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 88; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 79; Heger/Petzsche, in: Leitner/Rosenau, WSS, § 263 Rn. 65 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 18; Fischer, StGB, § 263 Rn. 62; Beukelmann, in: BeckOK, StGB, § 263 Rn. 25; Hefendehl, in: MüKo StGB, Band 5, § 263 Rn. 252 f.; Rengier, StrafR BT-1, § 13 Rn. 43; Perron, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 263 Rn. 39; Brettel/Schneider, WiStrafR, § 3 Rn. 30; Wittig, WiStrafR, § 14 Rn. 56; vgl. auch Maurach/Schroeder/Maiwald, StrafR BT-1, § 41 Rn. 59. Kritisch zum sachgedanklichen Mitbewusstsein Högel, Betrug, S. 92 f. 775 Fischer, StGB, § 263 Rn. 62; vgl. auch Hefendehl, in: MüKo StGB, Band 5, § 263 Rn. 253; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 79. 776 BGHSt 54, 44 – juris Rn. 17; Saliger, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, WSS, § 263 Rn. 88. 777 RGSt 64, 226, 228; BGHSt 14, 170, 171 f.; Fischer, StGB, § 263 Rn. 70; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.06.2006 – 2 StR 57/06 – juris Rn. 8; Tiedemann, in: Laufhütte 774

III. Strafbarkeit des Apothekers nach § 263 StGB

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gung ist jedes Tun oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.778 Dieses Tatbestandmerkmal ist zweifelsfrei erfüllt: Bezahlt der Patient aufgrund des Irrtums den Preis für das verschreibungsfreie Arzneimittel, wirkt sich seine Handlung unmittelbar vermögensmindernd aus. Dem Patienten entsteht aufgrund der Vermögensverfügung auch ein Vermögensschaden. Vergleicht man den Wert des Vermögens des Patienten vor und unmittelbar nach Bezahlung des Arzneimittelpreises, ist eine Minderung des Vermögens festzustellen; denn der Patient bezahlt für das verschreibungsfreie Arzneimittel einen um die Rückvergütung des Apothekers überhöhten Preis. Hierin liegt der Schaden des Patienten.779 Erhält der privat versicherte Patient die Kosten für das verschreibungsfreie Arzneimittel ausnahmsweise von seiner privaten Krankenkasse erstattet, ändert dies an dem Eintritt eines Vermögensschadens nichts.780 Hierin kann lediglich eine nachträgliche Schadenskompensation erblickt werden, die allenfalls im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden könnte.781 Im Ergebnis kann sich der Apotheker damit wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar machen, wenn er gegenüber dem Patienten den um die Rückvergütung überhöhten Preis eines verschreibungsfreien Arzneimittels abrechnet. Handelt der Apotheker dabei in der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, so kann er sich sogar wegen gewerbsmäßigen Betruges gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB und damit wegen Betruges in einem besonders schweren Fall strafbar machen.782

u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 96; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, § 263 Rn. 195; Duttge, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, StGB, § 263 Rn. 27. 778 BGHSt 14, 170, 171; 50, 174 – juris Rn. 17; Fischer, StGB, § 263 Rn. 70; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 22; Tiedemann, in: Laufhütte u. a., StGB LK, Band 9.1, § 263 Rn. 97; Hoyer, in: SK-StGB, Band V, § 263 Rn. 158 ff. 779 Vgl. BGHSt 49, 317 – juris Rn. 49 zu § 266; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 37; Fischer, StGB, § 263 Rn. 131; Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193; siehe ferner BGH, Beschl. v. 27.04.2004 – 1 StR 165/03 – juris Rn. 8. A. A. Forkel, PharmR 2011, 189, 191f. in Bezug auf den Vertragsarzt. 780 Vgl. BGH, Urt. v. 04.03.1999 – 5 StR 355/98 – juris Rn. 26; BGHSt 53, 199 – juris Rn. 11; BGH, Beschl. v. 14.04.2011 – 2 StR 616/10 – juris Rn. 18; BGHSt 57, 95 – juris Rn. 35 u. 76; Fischer, StGB, § 263 Rn. 155; Lindemann, NZWiSt 2012, 334, 335; Freitag, Abrechnungsbetrug, S. 158 u. 164; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 38; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695, 696 dortige Fn. 9. 781 Vgl. BGHSt 51, 10 – juris Rn. 23; 53, 199 – juris Rn. 11; Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, StGB, § 263 Rn. 38. 782 Vgl. zur Gewerbsmäßigkeit BGHSt 1, 383; BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – 5 StR 543/07 – juris Rn. 5; BGH, Beschl. v. 07.09.2011 – 1 StR 343/11 – juris Rn. 6; Fischer, StGB, vor § 52 Rn. 61.

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

b) Rückvergütung „auf eigene Rechnung“ Anders ist die Fallkonstellation hingegen zu bewerten, wenn das Pharmaunternehmen die Aufwendungen für die Rückvergütungen „auf eigene Rechnung“ verbucht und selbst trägt, weil es sich durch die Gewährung der Rückvergütungen langfristig erhöhte Umsätze und damit auch erhöhte Gewinne verspricht. Eine Täuschung des Apothekers scheidet in dieser Konstellation aus, da er gegenüber dem Patienten nur Beträge abrechnet, die mit den Kosten für das Arzneimittel in Zusammenhang stehen. Der Patient bezahlt für das Arzneimittel keinen um die Rückvergütung überhöhten Preis, weshalb die vom Apotheker in der Abrechnung enthaltene konkludente Erklärung, der geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe ihm in dieser Höhe tatsächlich zu, objektiv richtig ist. Eine konkludente Täuschung liegt damit nicht vor. Mangels Täuschung scheidet bei dieser Fallkonstellation eine Strafbarkeit des Apothekers wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB aus. 3. Zwischenfazit Die Strafbarkeit des Apothekers wegen Betruges im Zusammenhang mit dem Pharmamarketing lässt sich wie folgt zusammenfassen: Rechnet der Apotheker verschreibungspflichtige Arzneimittel gegenüber dem privat oder gesetzlich versicherten Patienten ab, kommt eine Strafbarkeit wegen Betruges aufgrund des einheitlichen Apothekenabgabenpreises nicht in Betracht.783 Im Ergebnis gilt dies auch für die Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel, wenn das Pharmaunternehmen die an den Apotheker zu gewährende Rückvergütung nicht in den pharmazeutischen Abgabenpreis einpreist, sondern die Rückvergütung vielmehr selbst trägt. In diesem Fall scheidet eine Strafbarkeit des Apothekers mangels Täuschung aus.784 Allein in der Konstellation, in der das Pharmaunternehmen die Rückvergütung auf den Patienten überwälzt und im pharmazeutischen Abgabenpreis berücksichtigt, kann sich der Apotheker bei der Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel wegen Betruges strafbar machen.785

IV. Einordnung in den Untersuchungsgegenstand Um die Ergebnisse der unter § 5 erfolgten Prüfung sachgerecht in den größeren Zusammenhang des Untersuchungsgegenstandes einordnen zu können, ist es zunächst erforderlich, die bisherigen Untersuchungsergebnisse nochmals überblicksartig zu rekapitulieren: Zu Beginn steht die Erkenntnis, dass sich der Apotheker bei seiner heilberuflichen Abgabeentscheidung bzw. der ihr vorgelagerten 783 784 785

Siehe hierzu die Ausführungen unter § 5 III. 1. a) bb). Siehe hierzu die Ausführungen unter § 5 III. 2. b). Siehe hierzu die Ausführungen unter § 5 III. 2. a).

IV. Einordnung in den Untersuchungsgegenstand

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heilberuflichen Bezugsentscheidung auch weiterhin korruptiv beeinflussen lassen kann. Sein Verhalten unterfällt nicht dem neu eingeführten Straftatbestand des § 299a StGB.786 Da der Apotheker – wie weiter nachgewiesen wurde – im Rahmen seiner Abgabeentscheidung von Arzneimitteln durchaus über erhebliche Ermessenspielräume verfügt, erscheint es aus Sicht eines Pharmaunternehmens als lohnenswert, in unlauterer Weise an den Apotheker heranzutreten.787 Vor diesem Hintergrund wurde die Forderung nach einem legislativen Eingreifen geäußert. Dies gilt umso mehr mit Blick auf das Berufsbild und die herausgehobene Stellung des Apothekers im Gesundheitswesen.788 Der Ruf nach dem Gesetzgeber hätte nur verstummen können, wenn korruptive Verhaltensweisen des Apothekers bereits durch andere Straftatbestände erfasst wären. Eine nähere Prüfung dieser „anderen Straftatbestände“ hat indes gezeigt, dass nach wie vor ein gesetzgeberisches Tätigwerden angezeigt ist: Im Rahmen der Untersuchung einer Strafbarkeit nach § 331 StGB wegen Vorteilsannahme oder § 332 StGB wegen Bestechlichkeit hat sich ergeben, dass der Apotheker nicht als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB zu klassifizieren ist. Eine Strafbarkeit nach § 331 StGB oder § 332 StGB scheidet demnach aus. Im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr wurde ein ambivalentes Ergebnis zu Tage gefördert: Während sich der Apotheker in seiner Funktion als Geschäftsinhaber nicht nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen kann, unterfällt er der Norm, wenn er als angestellter Apotheker handelt. Im Ergebnis hängt damit eine Strafbarkeit von der bloßen arbeitsrechtlichen Position des Apothekers ab.789 Ähnlich stellt sich die Situation im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB dar: In dieser Konstellation hängt eine Strafbarkeit des Apothekers von bloßen Zufälligkeiten ab; denn unter § 263 StGB fällt nur die Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel, bei denen der Pharmahersteller die an den Apotheker zu gewährende Rückvergütung bereits in seinen Abgabenpreis eingepreist hat. Ist dies nicht der Fall, fehlt es bereits an einer Täuschung und der Apotheker bleibt straflos. Wegen des einheitlichen Apothekenabgabenpreises bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bleibt der

786

Siehe hierzu die Auführungen unter § 3 II. 3. Mit diesem Befund auch Schönhöfer, in: v. Arnim, Defizite in der Korruptionsbekämpfung, S. 53, 60. 788 Siehe hierzu § 4 II. 789 Die bloße arbeitsrechtliche Stellung im Bereich von Klinikärzten (Amtsträger) und niedergelassenen Vertragsärzten (keine Amtsträger) haben den Gesetzgeber unter anderem dazu veranlasst, den Tatbestand des § 299a StGB einzuführen, vgl. BT-Drs. 18/ 6446, S. 11 f. 787

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§ 5 Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften

Apotheker ebenfalls straflos, wenn er verschreibungspflichtige Arzneimittel abrechnet. Somit hängt eine Strafbarkeit wegen Betruges lediglich davon ab, ob der Apotheker verschreibungspflichtige oder verschreibungsfreie Arzneimittel abrechnet und ob bei den verschreibungsfreien Arzneimitteln das Pharmaunternehmen die Rückvergütung bereits in den pharmazeutischen Abgabenpreis eingepreist hat oder diese selbst trägt. Hinzu kommt, dass die Straftatbestände der §§ 299a und 263 StGB unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen, mit denen auch eine unterschiedliche Wertung der Strafbarkeit verbunden ist. § 299a StGB schützt den fairen Wettbewerb und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen, wohingegen § 263 StGB dem Vermögensschutz dient.790 Da § 263 StGB ausschließlich das Vermögen des Geschädigten schützt, kann § 263 StGB in Konstellationen nicht eingreifen, in denen dem Apotheker allein immaterielle Vorteile gewährt werden. § 299a StGB würde dagegen auch solche Vorteile erfassen, greift de lege lata aber in Bezug auf den Apotheker nicht ein. Resümierend bleibt daher festzuhalten, dass die bestehenden anderen Strafnormen nicht in der Lage sind, die aufgezeigten Strafbarkeitslücken zufriedenstellend zu schließen. Der bisherige Befund zeigt vielmehr einen unbefriedigenden und von Zufällen abhängenden Flickenteppich der Strafbarkeit des Apothekers. Ein gesetzgeberisches Tätigwerden ist demnach weiterhin erforderlich. Im nun folgenden Abschnitt gilt es daher, einen Reformvorschlag zu erarbeiten.

790 Ähnlich BT-Drs. 18/6446, S. 1 wonach die auf den Vermögensschutz ausgerichteten Straftatbestände der Untreue und des Betruges das Geben und Nehmen von Bestechungsgeldern nur eingeschränkt erfassen könnten und den Unrechtsgehalt von Korruption nicht hinreichend abdeckten.

§ 6 Reformvorschlag I. Notwendigkeit einer Reform de lege ferenda Die nachfolgenden Ausführungen dienen dazu, die bereits herausgearbeiteten Ergebnisse zu einem Gesamtbild zusammenzufügen und aufbauend auf den bereits geleisteten – notwendigen – Vorarbeiten einen Reformvorschlag zu entwickeln. Die Erforderlichkeit eines solchen reformierenden Normvorschlags791 ergibt sich aus einer Gesamtschau der bisherigen Ergebnisse: Das Pharmamarketing bleibt auch nach Einführung des § 299a StGB für die Berufsgruppe der Apotheker weitestgehend straflos. Die Apotheker gehören zwar durchaus zum Täterkreis des § 299a StGB, ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Pharmamarketing fällt jedoch weder unter die Bezugsvariante des § 299a Nr. 2 StGB noch unter die Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB.792 Dazu treten weitreichende Entscheidungsspielräume des Apothekers bei der Auswahl der an die Patienten abzugebenden Arzneimittel.793 Die bestehenden Entscheidungsspielräume des Apothekers in Kombination mit seiner Straflosigkeit nach § 299a StGB führen zu einer Strafbarkeitslücke, die auch nicht zufriedenstellend durch die Tatbestände der §§ 331, 332, 299 und 263 StGB geschlossen werden kann.794 Aufgrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts – als Ausfluss des ultima-ratio Prinzips795 – sind Strafbarkeitslücken dem Strafrecht zwar immanent.796 Mit Blick auf das Berufsbild und die herausgehobene Stellung des Apothekers im Gesundheitswesen erscheint ein gesetzgeberisches Tätigwerden dennoch erforderlich. Nach § 1 ApoG ist der Apotheker berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des Einzelnen und des gesamten Volkes. Diese zentrale Rolle des Apothekers im Gesundheitswesen wird durch eine veröffentlichte Statistik der Bundesvereini-

791

Für eine Reformierung auch Schröder, in: JEK 9 (2016), S. 119, 151 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 3 II. 2. 793 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 4. 794 Siehe hierzu die Ausführungen unter § 5. 795 Roxin, StrafR AT, Band 1, § 2 Rn. 97; Möllers, Methodenlehre, S. 129. 796 Rosenau/Lorenz/Wendrich, in: Kuhlen/Kudlich/Gómez Martín/Ortiz de Urbina Gimeno, Korruption, S. 53, 67 dortige Fn. 95 u. S. 70; vgl. ferner BVerfGE 90, 145 – juris Rn. 225; Peters, ZStW 1965, 470, 475. Zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts siehe auch Hefendehl, JA 2011, 401 ff. 792

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§ 6 Reformvorschlag

gung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) für das Jahr 2018 unterstrichen:797 Im gesamten Bundesgebiet versorgten im Jahr 2018 19.423 öffentliche Apotheken ihre Patienten mit Arzneimitteln. Die Abgabe von 1.363 Mio. Packungen Arzneimittel führte zu einem Arzneimittelumsatz von 45,87 Mrd. Euro. Apotheken betreuen in Deutschland täglich 3,5 Mio. Patienten und kommen so auf rund 1 Mrd. Patientenkontakte pro Jahr. Im Rahmen dieser Patientenkontakte und Beratungsgespräche bringt der Patient dem Apotheker ein besonderes Vertrauen entgegen. Nach der bereits erwähnten Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände gaben 83 % der befragten Bundesbürger an, Vertrauen zu ihrem Apotheker zu haben. Vor diesem Hintergrund erscheint die bestehende Strafbarkeitslücke de lege lata im Hinblick auf den Apotheker rechtspolitisch nicht hinnehmbar. Der Gesetzgeber ist daher dazu berufen, legislativ korrigierend tätig zu werden, um die Rechtsgüter des fairen Wettbewerbs und des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen auch hinsichtlich des Apothekers hinreichend zu schützen.

II. Hinführung zum Reformvorschlag Nachdem die Erforderlichkeit einer Novellierung des § 299a StGB aufgezeigt wurde, gilt es nun, Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung des Reformvorschlags anzustellen. 1. Erweiterung der Bezugsvariante und Aufnahme der heilberuflichen Abgabeentscheidung Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Erweiterung der Bezugsvariante des § 299a Nr. 2 StGB – wie sie ursprünglich auch im Regierungsentwurf vorgesehen war798 – oder die Aufnahme der heilberuflichen Abgabeentscheidung als weitere Tatvariante des § 299a StGB für sich ausreichen würde, um das Verhalten des Apothekers im Zusammenhang mit dem Pharmamarketing unter Strafe zu stellen. Im Rahmen dieser Überlegungen könnte man in Erwägung ziehen, ob eine von beiden Möglichkeiten ausreicht. Dies deshalb, weil man sich auf den Standpunkt stellen könnte, dass entweder die nachgelagerte Abgabeentscheidung durch die Pönalisierung der Bezugsvariante miterfasst wäre oder die vorgelagerte Bezugsentscheidung in der späteren Abgabeentscheidung fortwirkt. Beide Handlungsvarianten könnten insofern untrennbar miteinander verwoben sein: Bezieht ein Apotheker bevorzugt Arzneimittel eines bestimmten Pharmaunternehmens, wird 797 https://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2019/ABDA_ZDF_2019_Brosch. pdf, zuletzt abgerufen am 25.05.2020. 798 S. o. § 3 II. 1. b) cc).

II. Hinführung zum Reformvorschlag

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er diese in der Folge konsequenterweise auch bevorzugt an die Patienten abgeben. Gleichwohl sollte jedoch sowohl die Bezugsvariante des § 299a Nr. 2 StGB erweitert werden, als auch die heilberufliche Abgabeentscheidung in den Tatbestand des § 299a StGB als weitere Handlungsalternative aufgenommen werden, falls sich in Zukunft – etwa durch arbeitsteiliges Vorgehen bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln – ergeben sollte, dass tatsächlich ein selbständiger Anwendungsbereich für die Abgabe neben dem Bezug verbleibt. Der Gesetzgeber sollte demnach die heilberufliche Abgabeentscheidung als weitere Variante in den Tatbestand des § 299a StGB aufnehmen. Zudem sollte die Bezugsvariante des § 299a Nr. 2 StGB weiter gefasst werden. Es sollte nunmehr der Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten erfasst sein, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind. Die bisher erfassten Fallkonstellationen des Bezugs von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, wären von dem erweiterten Tatbestand weiterhin erfasst, da die unmittelbare Anwendung am Patienten eine besondere Form der Abgabe darstellt.799 Gegen eine solche Erweiterung der Bezugsvariante spricht auch nicht der beabsichtigte doppelte Rechtsgüterschutz. Bezieht ein Apotheker bevorzugt Arzneimittel eines Pharmaunternehmens, die zur späteren Abgabe an die Patienten bestimmt sind, ist bereits zum Zeitpunkt der Bezugshandlung das Rechtsgut des fairen Wettbewerbs abstrakt gefährdet. Das zweite zu schützende Rechtsgut – das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen – wird ebenfalls zu diesem Zeitpunkt zumindest mittelbar tangiert; denn der bevorzugte Bezug wird in der Folge auch zu einer bevorzugten Abgabe an den Patienten führen. 2. Ergänzung des Straftatenkatalogs des § 100a Abs. 2 StPO Einen weiteren zentralen Punkt der Reformüberlegungen bildet die Frage, ob die Straftaten des § 299a StGB und § 299b StGB in den Katalog der schweren Straftaten des § 100a Abs. 2 StPO aufgenommen werden sollten, mit dem Ergebnis, dass eine Überwachung der Telekommunikation unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre.800 Da es sich bei der Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO um eine besonders einschneidende Ermittlungsmaßnahme in die Grundrechte des Betroffenen handelt, kommt von vornherein nur die Aufnahme der besonders schweren Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen nach §§ 299a, 299b, 300 Satz 2 StGB in Betracht. Auf diese 799 800

Siehe hierzu BT-Drs. 18/8106, S. 15. Siehe hierzu die weiteren Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO.

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§ 6 Reformvorschlag

Weise würde man sicherstellen, dass die besondere Ermittlungsmaßnahme nur Sachverhalten vorbehalten bleibt, bei denen ein besonderes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dreh- und Angelpunkt des Nachweises einer Straftat nach § 299a StGB oder § 299b StGB ist die Unrechtsvereinbarung. Der Nachweis der Unrechtsvereinbarung stellt die Strafverfolgungsbehörden vor besondere Herausforderungen, da korruptive Absprachen in den meisten Fällen verdeckt oder unter Verschleierung der tatsächlichen Umstände stattfinden. Sowohl die Geber- als auch die Nehmerseite wird darauf bedacht sein, die Absprache geheim zu halten, sodass in der Regel die Vereinbarungen unter Ausschluss von Dritten – also Zeugen – getroffen werden.801 Dieser Umstand erschwert die Nachweisbarkeit einer Unrechtsvereinbarung und spricht für die Erweiterung des Straftatenkatalogs des § 100a Abs. 2 StPO. Durch die Aufnahme der Straftaten nach §§ 299a, 299b, 300 Satz 2 StGB würde die Möglichkeit des Tatnachweises erleichert. In diesem Zusammenhang muss auch die generalpräventive Wirksamkeit einer Strafvorschrift bedacht werden. Strafvorschriften kommt nur in den Fällen eine präventive Wirkung zu, wenn ein Verstoß gegen die Norm auch nachgewiesen und geahndet werden kann.802 Ansonsten würde die Strafvorschrift lediglich zu einem stumpfen Schwert verkommen, von dem keine abschreckende Wirkung ausgeht. Ferner spricht auch nicht der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Heilberufsangehörigen und Patienten gegen eine Aufnahme der Straftaten in den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO.803 Im Gesetzesantrag des Freistaates Bayern wird zwar ausgeführt, dass „auf die Erweiterung des Katalogs des § 100a StPO um § 299a StGB-E und somit auf die Möglichkeit einer Telekommunikationsüberwachung im Interesse eines effektiven Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Heilberufsangehörigen und Patienten verzichtet“ wird.804 Der Referenten- und Regierungsentwurf schweigen sich zu dieser Thematik aus. Bei genauerer Betrachtung vermag die Argumentation indes nicht zu überzeugen; denn dem besonderen Vertrauensverhältnis wird bereits durch die in § 160a Abs. 2 StPO enthaltene Abwägungslösung Rechnung getragen.805 Überdies wird der Patient bei korruptiven Absprachen im Gesundheitswesen wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen bzw. überhaupt nicht an der Absprache beteiligt sein. Die im Wesentlichen relevante Kommunikation dürfte sich vielmehr zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens – beispielsweise im hier

801 802 803 804 805

Zum Ganzen siehe Gädigk, medstra 2015, 268, 272. Vgl. Cosack, ZRP 2016, 18. So im Ergebnis auch Gädigk, medstra 2015, 268, 272. BR-Drs. 16/15, S. 4. Siehe ferner Cosack, ZRP 2016, 18, 19 f.

III. Reformvorschlag im Einzelnen

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zu untersuchenden Fall zwischen Pharmaunternehmen und Apotheker – abspielen und den Patienten nicht involvieren. Vor allem im Verhältnis zwischen dem Pharmaunternehmen und dem Apotheker wird es nahe liegen, von einer Gewerbsmäßigkeit der Bestechung bzw. Bestechlichkeit auszugehen.806 Schließlich kann gegen eine Erweiterung des Katalogs des § 100a Abs. 2 StPO auch nicht der besonders enge Adressatenkreis insbesondere des § 299a StGB eingewandt werden.807 Hierfür spricht die Systematik des § 100a StPO: Auch an anderer Stelle innerhalb des Straftatenkatalogs des § 100a Abs. 2 StPO ist der Adressatenkreis beschränkt. So zielen die in § 100a Abs. 2 Nr. 3 StPO enthaltenen Straftaten nach § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b des Anti-Doping Gesetzes vor allem auf Ärzte ab und die in § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. b StPO enthaltene Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e StGB nimmt zumindest mit § 108e Abs. 1 StGB als Sonderdelikt lediglich Mandatsträger in den Blick. Vor diesem Hintergrund erscheint eine ergänzende Reformierung des § 100a Abs. 2 StPO als geboten. Die Nutzung des Instruments der Telekommunikationsüberwachung auch bei Verdacht von Straftaten nach §§ 299a, 299b, 300 Satz 2 StGB – also beschränkt auf besonders schwere Fälle – würde den Strafverfolgungsbehörden ein wirksames Instrument an die Hand geben, um einen effektiven Rechtsgüterschutz gewährleisten zu können.808

III. Reformvorschlag im Einzelnen Die vorstehenden Überlegungen waren notwendig, um auf den nachstehenden konkreten Reformvorschlag hinzuführen. Nach den angestellten Überlegungen könnte § 299a n. F. StGB wie folgt lauten: § 299a StGB Bestechlichkeit im Gesundheitswesen Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, 3. bei der Abgabe von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder 4. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 806 807 808

Zum Ganzen Cosack, ZRP 2016, 18, 19. So auch Cosack, ZRP 2016, 18, 19. Vgl. auch Gädigk, medstra 2015, 268, 272.

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§ 6 Reformvorschlag

einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Bei einer Änderung des § 299a StGB ist auch eine Reformierung des spiegelbildlich aufgebauten § 299b StGB notwendig. Dieser wäre demnach wie folgt anzupassen: § 299b StGB Bestechung im Gesundheitswesen Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, 3. bei der Abgabe von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder 4. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Schließlich soll eine ergänzende Reformierung des § 100a Abs. 2 StPO erfolgen. Die Straftaten der §§ 299a, 299b, 300 Satz 2 StGB wären systematisch bei § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. t StPO zu integrieren. § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. t StPO n. F. könnte demnach wie folgt gefasst werden: § 100a StPO Telekommunikationsüberwachung (1) 1Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn 1. bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat, 2. (. . .) (2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind: 1. aus dem Strafgesetzbuch (. . .) t) Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach §§ 299, 299a und 299b, (. . .)

§ 7 Schlussbetrachtung Der Gesetzgeber ist mit seiner Intention, Strafbarkeitslücken im Bereich des Gesundheitswesens zu schließen, im Hinblick auf den Berufsstand der Apotheker gescheitert. Er ist zwar einen Schritt in die richtige Richtung gegangen, da er durch die Einführung der §§ 299a, 299b StGB eine Vielzahl von Heilberufsangehörigen erfasst und eine Vielzahl korruptiver Handlungsweisen unter Strafe stellt. Dies trifft jedoch nicht auf den Apotheker im Zusammenhang mit dem Pharmamarketing zu. Die Berufsgruppe der Apotheker ist zwar zunächst vom Täterkreis des § 299a StGB erfasst, ihr Handeln fällt jedoch nach derzeitiger Gesetzeslage unter keine der Handlungsvarianten des § 299a StGB. Letztlich liegt es in der Hand des Gesetzgebers, ob er seine selbstgesetzten Ziele noch zur Gänze umsetzen oder auf halbem Weg stehen bleiben möchte. Auf der anderen Seite wird sich die Rechtsprechung entscheiden müssen, wie sie bei der Handhabung des § 299a StGB in der Praxis mit dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen umgeht. Nach hier vertretener Ansicht ist die legislatorische Wertentscheidung – den Apotheker weitestgehend aus dem Tatbestand auszunehmen – zwingen zu respektieren, um sich nicht zu einem „Ersatzgesetzgeber“ aufzuschwingen.

§ 8 Untersuchungsergebnisse Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Der Apotheker nimmt aufgrund der in § 43 AMG verankerten Apothekenpflicht für Arzneimittel im Gesundheitswesen – insbesondere im Bereich der Arzneimittelversorgung – eine Schlüsselstellung ein. Diese zentrale Rolle macht ihn als Adressaten für korruptive Verhaltensweisen besonders attraktiv für Pharmaunternehmen, da der wirtschaftliche Erfolg der Pharmaunternehmen auch ganz maßgeblich von der Abgabeentscheidung des Apothekers abhängt. 2. Mit Blick auf das im Strafrecht herrschende ultima-ratio Prinzip und die Frage der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit eines bestimmten Verhaltens, sind die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten im Bereich der geltenden Verhaltenskodizes der Pharmaindustrie, des Berufs-, Approbations- und Ordnungswidrigkeitenrechts nicht in der Lage, die Notwendigkeit einer Strafnorm, die korruptive Praktiken des Apothekers im Zusammenhang mit Pharmamarketing erfassen würde, in Frage zu stellen. Denn das bereits vorhandene Instrumentarium an Maßnahmen außerhalb des Strafrechts ist aufgrund der ihnen jeweils anhaftenden Schwächen nicht ausreichend, um die Gemeinschaftsordnung vor korruptiven Verhaltensweisen von Apothekern und Pharmaherstellern bei dem Bezug und der Abgabe von Arzneimitteln hinreichend zu schützen. Das Strafrecht stellt damit das einzige Mittel dar, um einen hinreichenden Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten. 3. Mit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen, welches am 4. Juni 2016 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die Tatbestände des § 299a StGB Bestechlichkeit im Gesundheitswesen und 299b StGB Bestechung im Gesundheitswesen neu geschaffen. Dem Willen des Gesetzgebers ist im Rahmen der Auslegung bei einem noch jungen Gesetz – wie § 299a StGB – eine herausragende Bedeutung beizumessen. Anhand der Begutachtung der Entstehungsgeschichte der §§ 299a und 299b StGB hat sich der legislatorische Wille hervorgetan: Die heilberufliche Abgabeentscheidung soll lediglich im Hinblick auf die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen der heilberuflichen Bezugsentscheidung als besondere Form der Abgabe erfasst sein. Im Übrigen soll die heilberufliche Abgabeentscheidung als selbständige Handlungsvariante aus dem Tatbestand des § 299a StGB herausfallen. Zudem sollte die heilberufliche Bezugsentscheidung hinsichtlich solcher Mittel und Produkte, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, nicht nach § 299a StGB strafrechtlich sanktioniert werden.

§ 8 Untersuchungsergebnisse

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4. Bezieht und/oder gibt der Apotheker Arzneimittel als Gegenleistung für einen materiellen oder immateriellen Vorteil seitens des Pharmaherstellers bevorzugt an seine Patienten ab, kann sich der Apotheker de lege lata nicht gemäß § 299a StGB strafbar machen. Der Apotheker kommt zwar ohne Zweifel als tauglicher Täter des als Sonderdelikt ausgestalteten § 299a StGB in Betracht. Eine durch ein Pharmaunternehmen korruptiv beeinflusste Bezugs- und/oder Abgabeentscheidung des Apothekers lässt sich jedoch unter keine der in § 299a Nrn. 1 bis 3 StGB genannten Tatbestandsvarianten subsumieren. Insbesondere die Anwendung der Zuführungsvariante, § 299a Nr. 3 StGB, auf das in Rede stehende Verhalten des Apothekers, die nach der grammatischen und teleologischen Auslegung durchaus in Erwägung zu ziehen wäre, scheidet wegen einer teleologischen Reduktion aus. Der Rückgriff auf eine teleologische Reduktion ist unter Beachtung des gesetzgeberischen Willens und dessen herausragender Bedeutung bei einem noch jungen Gesetz ausnahmsweise geboten. 5. An diesem Ergebnis vermag auch eine Auslegung oder eine Rechtsfortbildung der Tatbestandsalternativen des § 299a Nrn. 2 und 3 StGB durch die Gerichte nichts zu ändern; denn eine korrigierende Auslegung durch die Gerichte scheidet hinsichtlich der Bezugsvariante des § 299a Nr. 2 StGB aus. Das Handeln des Apothekers ist nicht mehr vom möglichen Wortsinn erfasst. Der mögliche Wortsinn steckt aber auch für den Richter die Grenze der noch möglichen Auslegung ab. Eine Rechtsfortbildung in Form einer Analogie scheidet ferner aus, da diese zu Lasten des Täters ginge und im Strafrecht mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht in Betracht kommt. Bei der Zuführungsvariante des § 299a Nr. 3 StGB ist eine korrigierende Auslegung durch die Gerichte ebenfalls abzulehnen. Eine Auslegung des Richters lediglich nach dem Wortlaut und dem Zweck des § 299a StGB – vollkommen losgelöst vom Willen des Gesetzgebers – ist aus methodischer Sicht nicht haltbar. Ebenso wenig ist mit Blick auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip eine Rechtsfortbildung durch die Gerichte in Erwägung zu ziehen. Dem Richter ist es verwehrt, seine eigene Gerechtigkeitsvorstellung zum Maßstab seiner Entscheidung zu machen und sich auf diese Weise über den gesetzgeberischen Willen hinwegzusetzen. 6. Bei der Abgabe von Arzneimitteln verfügt der Apotheker über durchaus weitreichende Entscheidungsspielräume. Vor diesem Hintergrund besteht ein Anreiz für Pharmaunternehmen, die Abgabeentscheidung des Apothekers in ihrem Sinne unsachlich zu beeinflussen. Die durch die Straflosigkeit des Apothekers nach § 299a StGB bestehende Strafbarkeitslücke ist daher nicht hinnehmbar und ein legislatives Eingreifen des Gesetzgebers erforderlich. Bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Bereich der GKV hat der Apotheker für den Fall, dass eine Ersetzung mit einem rabattbegünstigten Arzneimittel nicht vorrangig in Betracht kommt, Auswahlmöglichkeiten bei der

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§ 8 Untersuchungsergebnisse

Entscheidung, welches Arzneimittel er abgibt. Das Ermessen ist bei einer Wirkstoffverordnung auf die drei preisgünstigsten Arzneimittel beschränkt. Bei einer Namensverordnung stehen in der Regel die drei preisgünstigsten Arzneimittel und das ursprünglich verordnete Präparat zur Abgabe an den Patienten zur Auswahl. Kommt eine vorrangige Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel in Betracht und bestehen mehrere Rabattverträge, eröffnen diese dem Apotheker ebenfalls einen Entscheidungskorridor. Dieses Korsett an Vorgaben im Bereich der GKV ist jedoch nicht so eng geschnürt, dass von überaus begrenzten Spielräumen die Rede sein kann. Vielmehr räumt die in § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB V festgeschriebene Umkehrung des generellen Substitutionsverbotes in eine grundsätzliche Substitutionspflicht dem Apotheker erhebliche Entscheidungsspielräume ein und macht ihn damit zum neuen „Entscheider“ bei der Arzneimittelabgabe. Im Bereich der PKV besteht eine Auswahlmöglichkeit bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Falle einer Namensverordnung, wenn der Arzt dies ausdrücklich wünscht. Bei einer Wirkstoffverordnung kann der Apotheker bei seiner Auswahl unbegrenzt agieren. Ebenso ist der Apotheker im Bereich der verschreibungsfreien Arzneimittel in seiner Auswahlentscheidung völlig frei. 7. Die Notwendigkeit des gesetzgeberischen Tätigwerdens wird durch einen Blick auf das Berufsbild des Apothekers verstärkt. Der Apotheker nimmt zwar bei der Ausübung seines Berufes eine Doppelfunktion als Kaufmann und als Angehöriger eines freien Berufes wahr. Strafbarkeitslücken mit Verweis auf seine Kaufmannseigenschaft hinzunehmen, kommt dennoch nicht in Betracht. Dem Apotheker sind Dienste höherer Art aufgetragen, hinter die das Streben nach Gewinn, wie es sonst die gewerbliche Wirtschaft kennzeichnet, zurücktritt. Es ist daher von einem Überwiegen der Merkmale des freien Berufes auszugehen. Ferner gilt es, das besondere Vertrauen, das die Patienten dem Apotheker sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht entgegenbringen, gegen Missbräuche zu schützen. 8. Richtet man den Blick abschließend auf die Strafbarkeit des Apothekers nach anderen Vorschriften, setzt sich die Erkenntnis durch, dass die bestehende Strafbarkeitslücke auch nicht durch andere Straftatbestände zufriedenstellend geschlossen werden kann. Eine Strafbarkeit nach § 331 StGB wegen Vorteilsannahme oder § 332 StGB wegen Bestechlichkeit scheidet aus, da der Apotheker gemessen an der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 nicht als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB klassifiziert werden kann. Ebenso wenig ist der Apotheker – im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs – in seiner Funktion als Geschäftsherr der Apotheke als Beauftragter der GKV anzusehen. Aus diesem Grund ist eine Strafbarkeit des Apothekers gemäß § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verneinen. Etwas anderes gilt jedoch für den angestellten Apotheker. Dieser kann sich durchaus nach

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§ 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr strafbar machen, da § 299a StGB nach der hier vertretenen Auffassung § 299 StGB nicht als lex specialis verdrängt. Eine Strafbarkeit hängt damit von der bloßen arbeitsrechtlichen Position ab, ob der Apotheker als Geschäftsherr oder als angestellter Apotheker handelt. Ähnlich stellt sich die Situation im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB dar: In dieser Konstellation hängt eine Strafbarkeit des Apothekers von bloßen Zufälligkeiten ab, denn unter § 263 Abs. 1 StGB fällt nur die Abrechnung verschreibungsfreier Arzneimittel, bei denen der Pharmahersteller die an den Apotheker zu gewährende Rückvergütung bereits in seinen Abgabenpreis eingepreist hat. Ist dies nicht der Fall, fehlt es bereits an einer Täuschung und der Apotheker bleibt straflos. Er bleibt ebenfalls straflos, wenn er verschreibungspflichtige Arzneimittel abrechnet. Wegen des einheitlichen Apothekenabgabenpreises bezahlt der Privatpatient bzw. die GKV für das jeweilige verschreibungspflichtige Arzneimittel keinen um eine etwaige eingepreiste Rückvergütung überhöhten Preis. Vor diesem Hintergrund wird es jedenfalls an einem Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB fehlen.

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Stichwortverzeichnis Amtsträger 18, 25, 69, 131 f., 135 f., 138, 143, 149, 154, 175, 186 Analogie 109 f., 185 Analogieverbot 109 Apothekenabgabenpreis 120, 166 ff., 171 Apothekenpflicht 61, 184 Approbation 41 ff. Arzneimittelpreisverordnung 49, 167 Arzneimittelversorgung 20, 51, 67, 117 ff., 122, 138, 184 Aut-idem 120, 123, 126 f., 135, 141, 148, 155

Faktisch-normativer Mischansatz 164 Fragmentarischer Charakter des Strafrechts 29, 177

Beauftragter 17 f., 25, 143 ff., 154 ff., 186 Berufsbild 23, 128 f., 139, 175, 177, 186 Berufsordnung 35, 39, 68, 73, 77, 99, 114 Berufspflichten 35, 38, 68 Berufsrechtlicher Überhang 38 Berufsrechtsmodell 68, 71, 82, 86 f., 95 ff., 160 Bestimmtheitsgebot/Bestimmtheitsgrundsatz 71 ff., 77, 89

Heilberufliche Unabhängigkeit siehe Unabhängigkeit Heilmittel 47 f., 90 Heilmittelwerberecht 46 Heilmittelwerbung 47 Herstellerabgabenpreis 49, 127, 136, 149 Hilfsmittel 90

Daseinsvorsorge 133, 140 Demokratieprinzip 107, 112, 185 Dispensierverbot 116 Doppelbestrafungsverbot 38, 45 Effet utile 56 Eingriffsbefugnisse 31, 37, 44 Einheitlicher Apothekenabgabenpreis siehe Apothekenabgabenpreis Entstehungsgeschichte 40, 62 f., 84 f., 87, 98 f., 104 f., 113, 184 Ermittlungsbefugnisse 31, 33, 37 Ermittlungsmaßnahme 179 f.

Geldbuße 36, 39, 46, 49 ff., 60 Geschäftsherr 22, 58 f., 98, 131, 152, 156, 160 f., 186 f. Gesundheitsfachberufe 67, 70, 75 f., 79, 88 f. Gleichheitsgrundsatz 71 f. Grundsatz der Gewaltenteilung 102, 107 f., 112

Kostenerstattungsprinzip 123, 138, 146 Krankenhausapotheker 91 f. Kriminalstrafe 28, 34 f., 37 ff., 40, 44 ff., 51 f., 53, 60 Leistungserbringer 70, 76, 89, 99 f., 118, 123, 140, 146, 153 Objektive Theorie 63 f. Ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung siehe Arzneimittelversorgung Pharmazeutischer Abgabenpreis 170, 174, 176 Preisvorschriften 49, 167

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Stichwortverzeichnis

Quantitativ-qualitative Theorie 53 f. Rabattvereinbarung 120 f. Rabattverträge 121, 124 f., 127, 186 Rahmenbeschluss 56 ff. Ratio legis 103 f. Rechtsfortbildung 23, 93, 101 ff., 105 ff., 109, 111 ff., 185 Rechtsgüterschutz – doppelter 68, 82, 95 ff., 159, 179 – effektiver 181 – subsidiärer 28 Rechtssicherheit 102, 107 Rechtsstaatsprinzip 107, 112, 185 Restriktive Auslegung 101 f., 132 f., 145 Rückvergütung 22, 35, 98, 101, 131, 156, 158, 168 ff., 187 Sachgedankliches Mitbewusstsein 172 Sachleistungsprinzip 100, 118, 123, 135, 138, 146 Schiedsgericht 30 f., 33 Schuldausgleich 35, 37 f. Schwerpunkttheorie 163 Sonderdelikt 89, 132, 143, 181, 185 Sozialstaatsprinzip 117 Strafbedürftigkeit 28 f., 43, 51, 55, 60, 184 Strafwürdigkeit 28 f., 54, 73, 184 Subjektive Theorie 63 ff. Subsidiarität des Strafrechts 28 f.

Substitutionspflicht 123 f., 126, 186 Substitutionsverbot 117 ff., 124, 126, 186 Teleologische Reduktion 101 ff., 185 Ultima-ratio Prinzip 23, 27, 29, 43, 51, 55, 177, 184 Unabhängigkeit 35, 50, 74 f., 77 f., 86, 95 Unrechtsvereinbarung 20, 54, 66, 68, 81, 86, 95 f., 157 f., 180 Unterlassungserklärung 31 f. Unwerturteil 28, 46, 52 f., 60 Unwürdigkeit 42 f. Unzuverlässigkeit 42 f. Verhaltenskodex 29 f., 45 Verhaltenskodizes 23, 29 f., 34 f., 45 f., 55, 59, 184 Vermögensinteressen 95, 160 Vermögensschaden 168 f., 172 f., 187 Vermögensverfügung 169, 172 f. Verschreibungspflicht 90 Werbegabe 46 ff. Wesentlichkeitstheorie 72 f. Wettbewerbsmodell 68, 82, 95 Widerruf der Approbation 41, 44 Wille des Gesetzgebers 64 f., 84, 87, 103, 109, 111 ff. Wirtschaftlichkeitsgebot 118, 121