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German Pages 249 Year 2012
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1203
Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittel- und des Medizinproduktegesetzes Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 34 GG
Von Swenja Rieck
Duncker & Humblot · Berlin
SWENJA RIECK
Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittelund des Medizinproduktegesetzes
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1203
Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittel- und des Medizinproduktegesetzes Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 34 GG
Von Swenja Rieck
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
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Für Boris Finkelsteyn
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 von der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Redaktionsschluss war der 30. Juni 2008. Später veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur – insbesondere van der Sanden, Haftung medizinischer Ethik-Kommissionen bei klinischer Arzneimittelprüfung, erschienen im Herbst 2008 in der Reihe Düsseldorfer Rechtswissenschaftliche Schriften des Nomos-Verlags – konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Ebenso konnte im Rahmen dieser Arbeit leider nicht mehr auf wichtige Normentwicklungen in der Zeit zwischen Redaktionsschluss und Veröffentlichung eingegangen werden: Hervorzuheben ist hier zum einen das Bundesgesetz vom 29. Juli 2009 (GVBl. I 2009, 2326), mit welchem die §§ 22 bis 23 b des Medizinproduktegesetzes (MPG) neugefasst und dem Arzneimittelgesetz (AMG) angeglichen wurden, so dass u. a. für die zustimmende Bewertung klinischer Prüfungen nur noch landesrechtlich gebildete Ethikkommissionen zuständig sind. Die Ausführungen über sog. „private“ Ethikkommissionen sowie sonstige Unterschiede zwischen AMG und MPG haben somit – ich meine, glücklicherweise – ihre praktische Bedeutung verloren. Zum anderen ist auf das Berliner Gesetz vom 3. März 2010 (GVBl. 2010, 122) hinzuweisen, welches im Sinne des in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisses klarstellt, dass die Mitglieder der EthikKommission des Landes Berlin gemäß § 2 Abs. 5 EKG n. F. keine „Gebührenbeamten“ im Sinne des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes sind. Die Entstehung der Arbeit wurde von vielen Personen begleitet, denen ich von ganzem Herzen für ihre Unterstützung danke. Zunächst ist mein Doktorvater Prof. Dr. Christian Pestalozza zu nennen, der mir stets und mit unfassbarer Geschwindigkeit und Präzision bei allen Fragen zur Seite stand. Prof. Dr. Philip Kunig erstellte nicht nur zügig das Zweitgutachten, sondern sorgte wesentlich für die Finanzierung der Arbeit, indem er mir in den Jahren 2005 bis 2007 die Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl ermöglichte. Michael Scharbert unterstützte mich tatkräftig bei der Recherche. Meiner ehemaligen Kollegin Anja Türmer danke ich für anregende Diskussionen einzelner Fachfragen. Für ständige Rechtschreibfehlersuche und Stilkritik trugen mein Vater Dietrich Schlotter und Dorothée Bierbaum Sorge. Die abschließenden Korrekturlesearbeiten führten meine Mutter Heide-Margret Rieck, Dr. Giseltraud Otten,
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Vorwort
Richterin am BGH a. D., und Markolf Hoffmann durch. Sie alle erwiesen mir durch ihre freiwillige – und arbeitsintensive! – Vertiefung in meine Gedanken um meinen Forschungsgegenstand einen Freundschaftsdienst, der kaum wiedergutzumachen sein wird. Die Arbeit hat mich mehrere Jahre begleitet. Emotionale Unterstützung in den Durststrecken habe ich dabei von so vielen Menschen erhalten, dass ihre namentliche Erwähnung den hier vorgesehenen Rahmen sprengen würde. Ohne ihre freundliche Zuwendung hätte ich mein Ziel aber wohl nicht erreicht, so dass ihnen allen mein Dank gebührt, unabhängig davon, wie gering ihnen selbst ihr Beitrag zum Gelingen meines Vorhabens erscheinen mag. Swenja Rieck
Inhaltsübersicht Teil 1 Einleitung
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A. Der Anlass der Untersuchung: Haftungssorgen der Ärztekammern . . . . . . . . .
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B. Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittel- und des Medizinproduktegesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klinische Prüfungen am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rolle der Ethikkommission bei der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestandsaufnahme: Ethikkommissionen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . .
23 24 29 37
C. Das Schädigungspotential von Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Durchführung klinischer Prüfungen am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhinderung klinischer Prüfungen am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 43 44
D. Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 2 Grundüberlegungen zur Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen
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A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur des Votums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltungsorganisationsrechtliche Stellung der Ethikkommissionen. . . III. Das Problem fehlender demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 51 58 65
B. Dogmatische Überlegungen zu Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 34 GG als Überleitungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die vermeintliche Anbindung an § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Verschulden des Amtsträgers erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 76 78
C. Der I. II. III. IV.
79 80 89 94 97
nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 839 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere gegen den Amtswalter gerichtete Schadensersatzansprüche . . . . Unmittelbare Staatshaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
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Inhaltsübersicht Teil 3 Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
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A. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verletzung einer ihm einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begründung einer Verantwortlichkeit – hier: § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . .
120 120
B. Kein Ausschluss der Haftungsüberleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 1 Abs. 3 des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 5 Nr. 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes sowie gleichlautende Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 148
123 126
158 163
C. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I. Die grundsätzlich haftende juristische Person des öffentlichen Rechts . . 164 II. Die für die Ethikkommissionen haftenden Körperschaften. . . . . . . . . . . . . 178 Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick
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A. Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur rechtlichen Einordnung von Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Dogmatik des Art. 34 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zu Anspruchsbegründung und Anspruchsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Frage nach der haftenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220 220 221 221 223
B. Nachteile der Haftungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Risiko fehlender Haftungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Risiken bei unselbständigen Versorgungswerken der Ärztekammern. . . . III. Fehlende Regressmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226 226 229 231
C. Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beseitigung von Legitimationsdefiziten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regressregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übertragung der Passivlegitimation für öffentlich-rechtliche Ethikkommissionen auf die Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231 231 232 232
D. Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung A. Der Anlass der Untersuchung: Haftungssorgen der Ärztekammern . . . . . . . . . B. Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittel- und des Medizinproduktegesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klinische Prüfungen am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffe und Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klinische Prüfung von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klinische Prüfung von Medizinprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablauf der klinischen Prüfung am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklungsphasen von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklungsphasen von Medizinprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rolle der Ethikkommission bei der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff Ethikkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nach dem Arzneimittelgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach dem Medizinproduktegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Aufgaben der Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensablauf und Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arzneimittelprüfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Medizinprodukteprüfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestandsaufnahme: Ethikkommissionen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen der Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ethikkommissionen zur Beurteilung von Arzneimittelprüfungen b) Ethikkommissionen zur Beurteilung von Medizinprodukteprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heutige Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammensetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19 23 24 24 24 25 26 26 28 29 29 30 31 32 32 33 33 35 37 37 37 40 41 42
C. Das Schädigungspotential von Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Durchführung klinischer Prüfungen am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhinderung klinischer Prüfungen am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Teil 2 Grundüberlegungen zur Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur des Votums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Votum nach Arzneimittelgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Medizinprodukteprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zustimmendes Votum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ablehnendes Votum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltungsorganisationsrechtliche Stellung der Ethikkommissionen . . . 1. Private Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durch Beleihung in Verwaltung eingebunden . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungsorganisationsrechtlicher Status des Beliehenen . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bei Ärztekammer, staatlicher Universität oder einem Land angesiedelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organ eines Verwaltungsträgers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Durch Organisationsrecht errichtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur eigenständigen Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gesetzlich berufen . . . . . . . . . . . . . . . ee) In eigenem Namen handelnd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Statusänderung durch Registrierung bei der Bundesoberbehörde? d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Problem fehlender demokratischer Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die sich aus dem Demokratieprinzip ergebenden Anforderungen an Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimationsdefizite der einzelnen Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . a) Privatrechtlich gebildete Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ethikkommissionen an Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ethikkommissionen an Ärztekammern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ethikkommissionen auf Landesebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen fehlender demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 51 51 52 53 54 55 55 56 57 57 57 58 58 59 59 60 61 62 62 62 62 63 63 64 64 64 65 65 66 67 67 68 69 70 71
Inhaltsverzeichnis
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B. Dogmatische Überlegungen zu Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 34 GG als Überleitungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die vermeintliche Anbindung an § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Verschulden des Amtsträgers erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 839 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Beamtenbegriff nach allgemeiner Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Willkürliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine überzeugende Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung des § 839 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung des Begriffs zur Zeit der Entstehung der Norm. . . . . b) Aufnahme des Begriffs in Art. 131 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Abänderung durch das Beamtenrechtsänderungsgesetz von 1933. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Abänderung durch neuen Wortlaut des Art. 34 GG. . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere gegen den Amtswalter gerichtete Schadensersatzansprüche . . . . 1. Allgemeine Ansicht zum Verhältnis des § 839 BGB zu anderen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnung der Deutung des § 839 BGB als lex specialis . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unmittelbare Staatshaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weitergehende Auslegung von „Verantwortlichkeit“ in Art. 34 GG 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anspruchsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausschluss des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fallkonstellationen im Rahmen der Tätigkeit der Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unvollständige Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG . . . . bb) Nichtumsetzung der Richtlinie 2005/28/EG . . . . . . . . . . . . . . (1) Schadensersatz wegen fehlenden Informationsaustausches? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schadensersatz wegen nicht erlassener Verfahrensvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79 80 80 81 81 82 84 85 85 86 86 88 88 89 89 90 91 92 94 94 94 95 97 98 98 98 100 100 101 102 103 104 104
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Inhaltsverzeichnis (3) Schadensersatz wegen unterlassener Aufbewahrung von Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des Anspruchsgegners in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . a) Die nationale Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinschaftsrechtlicher Haftungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . bb) Anpassung der nationalen Anspruchsgrundlagen an das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die gemeinschaftsrechtliche Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgegner grundsätzlich der Mitgliedstaat . . . . . . . . . . bb) Abweichungen können mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine abweichende Haftungsverteilungsregel in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die gemischte Lösung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinschaftsrechtlicher Anspruch sui generis. . . . . . . . . . . . bb) Anspruchsgegner nach Grundsätzen des Art. 34 Satz 1 GG zu bestimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 106 106 107 107 108 109 110 110 112 112 113 113 114 115 117
D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Teil 3 Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB A. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verletzung einer ihm einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht 1. Gegenüber Patienten und Probanden obliegende Amtspflichten . . . . 2. Gegenüber Sponsoren und forschenden Ärzten obliegende Amtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begründung einer Verantwortlichkeit – hier: § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . . 1. Beamter im Sinne des § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht 3. Verursachung eines Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kausalitätsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abstimmungsverhalten innerhalb der Ethikkommission . . . . bb) Bei multizentrischen Studien/Beteiligung mehrerer Ethikkommissionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bei gleichlautender Entscheidung der Bundesoberbehörde bezüglich Arzneimittelprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120 120 120 123 124 124 126 127 127 127 128 128 129 131
Inhaltsverzeichnis
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dd) Bei Medizinprodukteprüfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bei fehlender demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechenbarkeit des Schadens nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz von Körper und Leben der Versuchsteilnehmer . . . . bb) Selbstbestimmungsrecht der Versuchsteilnehmer . . . . . . . . . . cc) Wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen des Durchführenden der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensumfang und Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fahrlässigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einheitlicher Sorgfaltsmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktionaler Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Haftungsausschlüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Subsidiarität, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . aa) Ansprüche der Versuchsteilnehmer gegen die Versicherung bb) Ansprüche der Versuchsteilnehmer gegen übrige Schädiger bei nicht von der Versicherung gedeckten Schäden. . . . . . . . cc) Ansprüche gegen andere juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz des Primärrechtsschutzes, § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . aa) Rechtsmittel des Durchführenden der Studie . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsmittel des Versuchsteilnehmers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spezialgesetzlicher Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
132 133
B. Kein Ausschluss der Haftungsüberleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 1 Abs. 3 des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebührenbeamte gemäß dem ersten Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keinerlei Besoldung durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetzlich geregelter Zahlungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anwendbarkeit auf Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebührenbeamte gemäß dem zweiten Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigener gesetzlicher Zahlungsanspruch gegen den Beteiligten . . c) Für einzelne Amtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anwendbarkeit auf Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 5 Nr. 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes sowie gleichlautende Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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133 134 134 135 135 136 136 136 136 138 139 139 140 141 142 143 143 144 144
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Inhaltsverzeichnis 1. Vergütung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Besoldung vom Staat außer der Entschädigung für den Dienstaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigener gesetzlicher Zahlungsanspruch gegen den Beteiligten . . . . . 4. Anwendbarkeit auf Ethikkommissionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die grundsätzlich haftende juristische Person des öffentlichen Rechts . . 1. Erster Ansatz: Der Dienstherr, ansonsten der Staat?. . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweiter Ansatz: Die Körperschaft, in deren Dienst der Amtswalter steht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriff des „in Dienst stehen“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG. . . . a) Dienstverhältnis im Sinne des Beamten- und Dienstrechts? . . . . . b) Bei Beamten das Dienstverhältnis, sonst bloße Aufgabenwahrnehmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufgaben wahrnehmen, die der Körperschaft obliegen? . . . . . . . . d) Ein Amt anvertraut bekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anwendung auf die Mitglieder der Ethikkommissionen . . . . . . . . aa) Erste Faustregel: Anstellungskörperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweite Faustregel: Bestellung ins Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundregel: Anvertrauende Körperschaft ist diejenige, die entscheidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die für die Ethikkommissionen haftenden Körperschaften. . . . . . . . . . . . . 1. Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die grundsätzlich haftenden Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Sonderregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 6. Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein. . . . . . . . . . . . bb) Ethikkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe . . . . . . cc) Ethikkommissionen der nordrhein-westfälischen Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Sachsen-Anhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die grundsätzlich haftenden Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesgesetzliche Abweichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 16. Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlich haftende Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Die privatrechtlichen Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217 217 218 219
Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick
220
A. Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur rechtlichen Einordnung von Ethikkommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Dogmatik des Art. 34 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zu Anspruchsbegründung und Anspruchsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Frage nach der haftenden Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte Landeshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alleinige Primärhaftung der Ärztekammer bzw. Universität . . . . . . . 3. Haftung des Landes neben der Trägerkörperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung des Landes im Innenverhältnis bei Versicherungsausfall . . . 5. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220 220 221 221 223 223 224 224 225 225
B. Nachteile der Haftungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Risiko fehlender Haftungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bei Haftung von Ärztekammern ohne Landesdeckung . . . . . . . . . . . . 2. Bei Stiftungsuniversitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Risiken bei unselbständigen Versorgungswerken der Ärztekammern. . . . III. Fehlende Regressmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226 226 227 229 229 231
C. Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beseitigung von Legitimationsdefiziten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regressregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übertragung der Passivlegitimation für öffentlich-rechtliche Ethikkommissionen auf die Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pauschale Anordnung der Landeshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einführung von Landesethikkommissionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231 231 232 232 233 233
D. Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
Teil 1
Einleitung A. Der Anlass der Untersuchung: Haftungssorgen der Ärztekammern „Haftungsrisiken gefährden Ärzterenten!“ ließ der Vizepräsident der Berliner Ärztekammer im Editorial des Berliner Ärzteblattes vom 31. August 2004 verlauten. Ein weiterer Artikel ist überschrieben mit „Gesetzgeber zwingt Ärztekammern in existentielle Risiken“.1 Was war geschehen? Das 12. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes war verabschiedet worden.2 Eine der zahlreichen Neuerungen besteht darin, dass eine klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen nicht mehr ohne ein zustimmendes Votum einer Ethikkommission3 beginnen kann.4 Die Beteiligung von Ethikkommissionen war zwar schon vorher vorgeschrieben, doch kann nun das ablehnende Votum der Ethikkommission die klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen erstmals verbindlich untersagen und somit unter Umständen auch die Zulassung des Arzneimittels verhindern.5 1
Berliner Ärzteblatt Bd. 117 (2004), Heft 7/8. Gesetz vom 30. Juli 2004, BGBl. I S. 2031; im Folgenden: 12. AMG-Novelle. 3 Das Arzneimittelgesetz schreibt „Ethik-Kommission“, das Medizinproduktegesetz dagegen „Ethikkommission“. Der unterschiedlichen Schreibweise kommt jedoch keine Bedeutung im Sinne eines terminus technicus zu. Die Eigennamen der hier zu untersuchenden Kommissionen enthalten teils die eine, teils die andere Schreibweise, ohne dass dies einen Hinweis auf das von ihnen zu beachtende Regelwerk gäbe. Zumeist sind sie ohnehin nach beiden Gesetzen für die Begutachtung klinischer Prüfungen zuständig. In dieser Arbeit wird durchgehend die Schreibweise ohne Bindestrich verwendet, es sei denn, es handelt sich um Eigennamen oder wörtliche Zitate. 4 Einen Überblick über die Neuerungen insgesamt geben z. B. Laufs, MedR 2004, 583–593, und Lippert, VersR 2005, 48–53. 5 § 40 Abs. 1 S. 3 AMG a. F. lautete insoweit: „Soweit keine zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission vorliegt, darf mit der klinischen Prüfung erst begonnen werden, wenn die zuständige Bundesoberbehörde innerhalb von 60 Tagen . . . nicht widersprochen hat.“ Dagegen lautet nunmehr § 40 Abs. 1 S. 2 AMG n. F.: „Die klinische Prüfung eines Arzneimittels am Menschen darf vom Sponsor nur begonnen werden, wenn die zuständige Ethik-Kommission diese nach Maßgabe des § 42 Abs. 1 zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde diese nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 genehmigt hat.“ 2
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1. Teil: Einleitung
Jede Ärztekammer und fast jede Universität mit medizinischem Forschungsbereich im Bundesgebiet beherbergt mindestens eine Ethikkommission für die Begutachtung medizinischer Forschungsvorhaben am Menschen.6 Mit der nunmehr eingeführten rechtlichen Macht zur Verhinderung solcher Forschungsvorhaben und damit womöglich des Markteintritts eines gewinnbringenden Medikaments sahen die Kammern gewaltige Haftungsrisiken auf sich zukommen. Eine fehlerbehaftete Entscheidung der Ethikkommission lässt sich nie ganz ausschließen. Hinzu kam, dass im Rahmen der 12. AMG-Novelle knapp bemessene Entscheidungsfristen eingeführt wurden.7 Schon während des Gesetzgebungsverfahrens hatte die Ärztekammer Berlin in der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses ihre Befürchtungen drastisch geschildert: „Haftungsansprüche in mehrstelliger Millionenhöhe“ seien nicht auszuschließen; diese Risiken seien zudem „[l]aut Auskunft aus der Versicherungswirtschaft . . . aufgrund ihrer Größenordnung für Kammern nicht versicherbar“.8 Die Landesärztekammer Hessen sah sich nach Inkrafttreten der neuen Regelungen „[w]egen des Haftungsrisikos . . . zunächst außer Stande, Prüfanträge nach dem AMG anzunehmen.“9 In der Folge wurde eilig nach Auswegen gesucht. Die Ärztekammer Berlin beschritt den Klageweg und weigerte sich, durch ihre Ethikkommission Arzneimittelforschungsvorhaben begutachten zu lassen, bis die Frage geklärt sei, wer für eventuelle Fehler der Ethikkommissionsmitglieder zu haften habe.10 Andere Ärztekammern wählten informelle Mittel und erreichten 6
Siehe näher S. 37 und S. 41. Nach § 42 Abs. 1 S. 9 AMG n. F. soll die Ethikkommission grundsätzlich über den Antrag innerhalb von 60 Tagen nach Eingang der erforderlichen Unterlagen entscheiden; diese Frist kann nach Maßgabe einer nach S. 8 zu erlassenden Rechtsverordnung verlängert oder sogar noch verkürzt werden (vgl. die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen vom 9. August 2004, BGBl. I S. 2081; zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. November 2006, BGBl. I S. 2523). 8 Stellungnahme der Ärztekammer Berlin in der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung am 28. Januar 2004, Auss.-Drs. 0444 vom 23. Januar 2004, Frage 1; abrufbar im Internet unter http://webarchiv.bun destag.de/archive/2005/0825/parlament/gremien15/a13/a13a_anhoerungen/50_Sitzung/ Stellungnahmen/index.html, letzter Zugriff am 30. September 2008. 9 So die Pressemitteilung der Landesärztekammer Hessen vom 19. Oktober 2004, in der wegen der Unterzeichung einer Haftungsfreistellungsvereinbarung mit dem Land die Wiederaufnahme der Geschäfte der Ethikkommission angekündigt wird. Im Internet abrufbar auf der Homepage der Landesärztekammer, http://www.laekh. de, letzter Zugriff am 30. September 2008. 10 Die Senatsverwaltung hatte die Ärztekammer am 6. August 2004 angewiesen, die bei ihr angesiedelte Ethikkommission die Funktionen nach §§ 40 ff. AMG n. F. 7
A. Der Anlass der Untersuchung: Haftungssorgen der Ärztekammern
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eine Haftungsübernahme durch die Länder auf dem Verhandlungswege.11 Im Laufe der letzten Jahre brachen die Haftungssorgen der Kammern dann einen Damm für den Gesetzgebungsfluss: Mittlerweile existieren in vielen Ländern spezielle Haftungsregelungen.12 Die Befürchtungen sind heute abwahrnehmen zu lassen. Dagegen klagte die Kammer vor dem VG Berlin. Land und Kammer schlossen nach dessen Vorschlag einen Vergleich (vom 3. Dezember 2004, VG 14 A 102.04/VG 14 A 114.04), der im Gegenzug für die vorläufige Wiederaufnahme der Geschäfte eine Haftungsübernahme des Landes für die Versicherung der Kammer übersteigende Haftungssummen vorsah. Zudem errichtete das Land Berlin mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 eine eigene Ethikkommission, die nunmehr ausschließlich für die Bewertung klinischer Prüfungen nach §§ 40–42 AMG zuständig ist; Gesetz zur Errichtung der Ethik-Kommission des Landes Berlin vom 1. September 2005, GVBl. S. 466. Außerdem wurde in § 4b Abs. 7 KammerG festgelegt, dass Verbindlichkeiten der Kammer nicht aus dem Vermögen des Versorgungswerks erfüllt werden können, Art. 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung des Berliner Kammergesetzes vom 19. Juni 2006, GVBl. S. 570. Zu den Hintergründen des Verfahrens und zu der neuen Ethik-Kommission des Landes Pestalozza, LKV 2006, 255–259; siehe auch die Pressemitteilung des VG Berlin vom 21. Januar 2005, http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/20050121.23714.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 11 Wie bereits erwähnt, die Landesärztekammer Hessen, Pressemitteilung vom 19. Oktober 2004, Fn. 9; auch die Ärztekammer Saarland hat mit dem Land eine Vereinbarung getroffen, wonach sie über die Versicherung von 5 Mio. Euro hinaus für Fahrlässigkeit freigestellt wird, bis ein entsprechendes Gesetz erlassen wird, siehe Drs. 13/252 (13/176) des Landtages des Saarlands vom 10. März 2005; siehe auch die Entschließung der Kammerversammlung der Ärztekammer NordrheinWestfalen vom 20. November 2004, in der die Kammer das Land zum baldigen Erlass eines Gesetzes auffordert; im Internet abrufbar unter http://www.aekno.de/ htmljava/i/themenmeldung.asp?id=524, letzter Zugriff am 30. September 2008. 12 Baden-Württemberg: § 5 Abs. 4 des Gesetzes über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz-HBKG) i. d. F. vom 16. März 1995, GBl. S. 314; neu eingefügt durch Gesetz vom 1. Februar 2006, GBl. S. 23, bereinigt S. 83. Bayern: Art. 29 g Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsund Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz – GDVG) vom 24. Juli 2003, GVBl. S. 452; Art. 29 a bis 29 g eingefügt durch § 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2005, GVBl. S. 648. Berlin reagierte mit der Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes für die Beurteilung von klinischen Prüfungen nach §§ 40–42 AMG; Gesetz zur Errichtung einer Ethikkommission des Landes Berlin vom 7. September 2005, GVBl. S. 466. Mecklenburg-Vorpommern übertrug in § 16 a ÖGDG-M-V die Aufgabe der Beurteilung nach §§ 40 AMG vollständig den zwei an Universitäten angesiedelten Ethikkommissionen; Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG-M-V) vom 3. Juli 2006, GVOBl. M-V S. 523. Nordrhein-Westfalen: § 7 Abs. 6 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) i. d. F. vom 9. Mai 2000, GV. NRW. S. 403, entsprechend geändert durch Gesetz vom 1. März 2005, GV. NRW. S. 148, sieht vor, dass die Kammer für nicht versicherbare Scha-
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1. Teil: Einleitung
geebbt. Einige Fragen blieben aber offen: Sind in den tatenlos gebliebenen Ländern die Renten der Ärzte immer noch gefährdet? Oder waren sie nie in Gefahr, da das Vermögen des Versorgungswerks der Ärztekammer gar nicht als Haftungsmasse zur Verfügung steht? Warum haben sich die Universitäten nicht über eine etwaige Haftung gesorgt? Bevor jedoch eine Aussage über die Verteilung des finanziellen Risikos getroffen werden kann, muss zunächst feststehen, wann der Staat für Fehler der Ethikkommission einzustehen hat und welche staatliche Körperschaft in diesem Fall die Haftung trifft. Schaut man hier näher hin, zeigen sich plötzlich zahlreiche Einzelprobleme.13 Als Grundlage zu deren Verständnis wird zunächst das Untersuchungsobjekt „Ethikkommission im Sinne des Arzneimittel- und Medizinproduktegesetzes“ vorgestellt und das ihr innewohnende Schädigungspotential näher beleuchtet.14 Das Medizinproduktegesetz wird in die Untersuchung aus folgendem Grund mit einbezogen: Die meisten Ethikkommissionen begutachten zwar sowohl klinische Prüfungen von Arzneimitteln als auch solche von Medizinprodukten. In der rechtlichen Ausgestaltung weicht das Medizinproduktegesetz jedoch in einigen Punkten vom Arzneimittelgesetz ab. Zum densersatzverpflichtungen freizustellen ist; das Nähere soll in einer Vereinbarung zwischen Kammer und Land geregelt werden. Sachsen: § 5 a Abs. 4 des Gesetzes über die Berufsausübung, Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker im Freistaat Sachsen (Sächsisches Heilberufekammergesetz – SächsHKaG) vom 24. Mai 1994, SächsGVBl. S. 935; § 5 a eingefügt durch Gesetz vom 11. November 2005, SächsGVBl. S. 277, bestimmt, dass die Ärztekammer für über 5 Mio. Euro hinausgehende Haftungsansprüche vom Freistaat Sachsen freigestellt wird. Sachsen-Anhalt errichtete die Ethik-Kommission des Landes Sachsen-Anhalt und übertrug ihr die zuvor der Ethikkommission der Ärztekammer obliegende Aufgabe der Beurteilung klinischer Prüfungen nach § 40 AMG, § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Ethik-Kommission zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln (Ethik-Kom-VO LSA) vom 19. Dezember 2005, GVBl. LSA S. 755; später schob das Land eine landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage nach: § 27 c des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt (Gesundheitsdienstgesetz – GDG LSA) vom 21. November 1997, GVBl. LSA, S. 1023; eingefügt durch Gesetz vom 10. August 2007, GVBl. LSA, S. 306. Schleswig-Holstein: § 6 Abs. 5 des Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe (Heilberufekammergesetz-HBKG) vom 29. Februar 1996, GVOBl. Schl.-H. S. 248; eingefügt durch Gesetz vom 11. Dezember 2007, GVOBl. Schl.-H. S. 487, sieht vor, dass die Kammer für nicht versicherbare Schadensersatzverpflichtungen freizustellen ist, sofern die Kammer eine Versicherung abgeschlossen hat. 13 Siehe für die Problemstellung und Gang der Untersuchung Teil D der Einleitung; S. 45. 14 Teile B und C der Einleitung; S. 23–44.
B. Ethikkommissionen
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Beispiel schreibt das Medizinproduktegesetz keine landesrechtliche – also öffentlich-rechtliche – Bildung von Ethikkommissionen vor. Eine Begutachtung von Medizinprodukteprüfungen am Menschen darf daher auch von privatrechtlich organisierten Ethikkommissionen vorgenommen werden.15 Davon sind zurzeit vier in Deutschland tätig.16 Die Frage der Staatshaftung wurde – soweit sie bislang in der Literatur überhaupt thematisiert wurde – für diese so genannten privaten Ethikkommissionen bislang noch gar nicht aufgeworfen.17 Mit der Einbeziehung von Ethikkommissionen nach dem Medizinproduktegesetz wird der Kreis der zu Untersuchenden somit um einige Unbekannte erweitert.
B. Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittelund des Medizinproduktegesetzes Viele, die den Namen „Ethikkommission“ zum ersten Mal hören, stellen sich unwillkürlich vor, das müsse eine Zusammenkunft hehrer Männer und Frauen sein, welche über die höchsten moralischen Güter debattieren – vielleicht Philosophen. In den Reihen der hier zu untersuchenden Ethikkommissionen im Sinne des Arzneimittel- und des Medizinpoduktegesetzes finden sich jedoch nur teilweise Philosophen oder Theologen. Ihre Aufgaben sind handfester, auch wenn ihr Auftrag ein nicht weniger hehrer ist. Dies ist jedoch in der Regel nur denjenigen bewusst, die mit medizinischer Forschung am Menschen schon in der einen oder anderen Form in Berührung gekommen sind.
15 Zum Vergleich: § 42 Abs. 1 S. 1 und 3 AMG lauten: „Die . . . Bewertung der Ethik-Kommission ist . . . bei der nach Landesrecht zuständigen . . . Ethik-Kommission zu beantragen. . . . Das Nähere zur Bildung, Zusammensetzung und Finanzierung der Ethik-Kommission wird durch Landesrecht bestimmt.“ Dagegen verlangt § 20 Abs. 7 S. 1 MPG lediglich, dass „eine zustimmende Stellungnahme einer . . . beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registrierten Ethikkommission vorliegt“. 16 Die International Medical Dental Ethic Commission GmbH (imdec), die Freiburger Ethik-Kommission International GmbH (feki), die Ethik-Kommission des Instituts für angewandte Ethik e. V. sowie die ebenfalls als eingetragener Verein geführte Ethikkommission der privaten Universität Witten-Herdecke. 17 Siehe die Dissertationen von Kreß, Die Ethik-Kommissionen im System der Haftung 1990, und Scheffold, Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von institutional review boards und von Ethik-Kommissionen 1992. Redaktionsschluss für diese Arbeit war der 30. Juni 2008, so dass später erschienene Arbeiten nicht berücksichtigt werden konnten.
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1. Teil: Einleitung
I. Klinische Prüfungen am Menschen 1. Begriffe und Regelungen Der Umgang und der Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten sind ausführlich gesetzlich geregelt und staatlicher Kontrolle unterworfen.18 Vor einer Marktzulassung eines Arzneimittels für die Anwendung am Menschen ist der Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit mittels klinischer Prüfungen vorzulegen.19 Bevor Medizinprodukte in den Verkehr gebracht werden, bedürfen sie einer CE-Kennzeichnung, die ihre Konformität mit den grundlegenden Anforderungen bestätigt.20 Ihre Eignung für die vorgesehene Verwendung kann auch durch die Ergebnisse klinischer Prüfungen nachgewiesen werden.21 Eine klinische Prüfung am Menschen ist allgemein gefasst ein wissenschaftlicher Versuch, bei dem unter kontrollierten Bedingungen an menschlichen Versuchspersonen nach einem bestimmten Erkenntnisziel geforscht wird. Das schließt alle möglichen Methoden, eingesetzten Mittel und Erkenntnisziele ein. Der Beginn der klinischen Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten am Menschen unterliegt bestimmten gesetzlichen Regelungen. a) Klinische Prüfung von Arzneimitteln Ein Arzneimittel ist gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 AMG im Wesentlichen ein Stoff oder eine Zubereitung von Stoffen, der bzw. die dazu bestimmt ist, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten zu heilen oder zu lindern, Körperzustände zu erkennen oder zu beeinflussen, körpereigene Wirkstoffe zu ersetzen oder Erreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren. 18 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) vom 24. August 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005, BGBl. I S. 3394; zuletzt geändert durch Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 23. November 2007, BGBl. I S. 2631; Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) vom 2. August 1994 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002, BGBl. I S. 3146; zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 14. Juni 2007, BGBl. I S. 1066. 19 § 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 Nr. 2, 4, 5 und § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AMG. 20 § 6 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 7 MPG und den einschlägigen EG-Richtlinien. 21 § 19 Abs. 1 MPG. Für Medizinprodukte der Klasse I und nicht invasive Medizinprodukte der Klassen II a und II b ist das in den meisten Fällen nicht erforderlich, Schwarz/Wachenhausen in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts 2003, § 6 Rn. 15.
B. Ethikkommissionen
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Die klinische Prüfung eines Arzneimittels ist in § 4 Abs. 23 AMG ebenfalls gesetzlich definiert als „jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, mit dem Ziel sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen.“ Der Beginn der klinischen Prüfung bedarf der Genehmigung durch die zuständige Bundesoberbehörde sowie der zustimmenden Bewertung der zuständigen Ethikkommission.22 Zum Schutz der beteiligten Versuchspersonen enthält das Arzneimittelgesetz bestimmte Vorgaben, deren Einhaltung von der Ethikkommission und zum Teil von der Bundesoberbehörde geprüft wird.23 Die Durchführung der klinischen Prüfung unterliegt der Überwachung durch die zuständige Bundesoberbehörde.24 b) Klinische Prüfung von Medizinprodukten Medizinprodukte sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 1 MPG im Wesentlichen einzeln oder miteinander verbunden verwendete Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Stoffzubereitungen oder andere Gegenstände einschließlich der für das Funktionieren verantwortlichen eingesetzten Software, die zum Zwecke der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder Behinderungen, der Untersuchung, Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs eingesetzt werden oder der Empfängnisregelung zu dienen bestimmt sind und deren Hauptwirkung weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird. Die klinische Prüfung von Medizinprodukten ist nicht gesetzlich definiert. Aus den §§ 19–21 MPG ergibt sich jedoch, dass es sich um systematische Untersuchungen am Menschen handeln muss, die zum Ziel haben, die Eignung für den vorgesehenen Zweck und die nach § 4 Abs. 1 MPG vorgeschriebene Ungefährlichkeit des Produkts für die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern und Dritten nachzuweisen.25 22
§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG. § 42 Abs. 1 und 2 AMG umschreiben den jeweiligen Prüfungsumfang. Näheres siehe S. 33. 24 § 64 Abs. 1 AMG. § 64 Abs. 3 AMG ordnet eine Besichtigungspflicht der Behörde an; § 64 Abs. 4 AMG erteilt ihr umfassende Betretens-, Einsichts- und Fragerechte. 25 Anhang X Abschnitt 2.1 der EG-Richtlinie 93/42/EWG beschreibt den Zweck der klinischen Prüfung neben der Feststellung der Eignung und Leistung des Medi23
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1. Teil: Einleitung
Die klinische Prüfung bedarf der zustimmenden Bewertung durch eine Ethikkommission und muss bei den zuständigen Behörden angezeigt werden.26 Ist die Bewertung der Ethikkommission ablehnend, darf die Prüfung nur beginnen, wenn die Behörde innerhalb von 60 Tagen nicht widersprochen hat.27 Zum Schutz der Versuchsteilnehmer ist ein Katalog von zu erfüllenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit der klinischen Prüfung aufgestellt.28 Ihre Durchführung wird behördlich überwacht.29 2. Ablauf der klinischen Prüfung am Menschen Der tatsächliche Ablauf der klinischen Prüfung und dementsprechend der eingereichte und zu beurteilende Prüfplan sind je nach dem gerade verfolgten Erkenntnisziel verschieden. Die wissenschaftlichen Methoden für Arzneimittel- und Medizinproduktetests sind jedoch ähnlich. Zum Zweck der Objektivierung der angewandten Methoden werden zum Beispiel grundsätzlich vergleichende Studien durchgeführt, in denen mindestens zwei Gruppen gegenübergestellt werden, die eine unterschiedliche Behandlung erfahren.30 a) Entwicklungsphasen von Arzneimitteln Der endgültige Nachweis der Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Arzneimittels erfordert immer mehrere klinische Prüfungen an gesunden wie einschlägig erkrankten Personen. Um die Versuchspersonen jeweils minimalem Risiko auszusetzen, hat sich in der medizinischen Forschung ein Verfahren etabliert, bei dem in einzelnen Schritten zunächst die Verträglichkeit im Allgemeinen und die richtigen Dosierung und dann die Heilwirkung und Wechselwirkung mit anderen Medikamenten geprüft werden. Je nach Erzinprodukts wie folgt: „etwaige bei normalen Einsatzbedingungen auftretende unerwünschte Nebenwirkungen zu ermitteln und zu beurteilen, ob diese unter Berücksichtigung der vorgegebenen Leistungen irgendwelche Risiken darstellen“; siehe Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, ABl. L 161, S. 1. 26 § 20 Abs. 7 S. 1 MPG. 27 § 20 Abs. 7 S. 4 MPG. 28 § 20 Abs. 1 und § 21 MPG. Zum Prüfungsumfang der Ethikkommission siehe näher S. 33–37. 29 § 26 Abs. 1 MPG. § 26 Abs. 3 MPG verleiht dazu umfangreiche Betretens-, Prüf-, Einsichts-, und Fragerechte. 30 Zu Medizinproduktestudien siehe Ratzel/Lippert, MPG 2000, Rn. 94; zu Arzneimittelstudien siehe Ziffer 2.2 der Bekanntmachung von Grundsätzen für die ordnungsgemäße Durchführung der klinischen Prüfung von Arzneimitteln vom 9. Dezember 1987, BAnz. Nr. 243 S. 16617.
B. Ethikkommissionen
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kenntnisstufe wird hierbei die klinische Prüfung einer Phase I bis IV zugeordnet. In Phase I wird das Arzneimittel an zehn bis 50 Gesunden (Probanden) auf allgemeine Verträglichkeit, die Resorption im menschlichen Organismus und Ausscheidung getestet sowie die Dosierung erprobt.31 Treten bei diesen Tests bereits schwere Nebenwirkungen auf, wird auf weitere klinische Prüfungen verzichtet. In einer klinischen Prüfung der Phase II wird die Heilwirkung des Arzneimittels an bis zu 200 einschlägig erkrankten Patienten im Vergleich zu herkömmlichen Therapieformen untersucht.32 Wenn das Arzneimittel Heilwirkungen erzielt, wird eine klinische Prüfung der Phase III begonnen, bei der nun anhand einer großen Gruppe (ggf. mehreren 1000) Patienten im randomisierten Doppel-Blind-Verfahren33 die Heilwirkung des Arzneimittels statistisch signifikant belegt werden soll.34 In dieser Phase III zeigen sich auch seltener auftretende Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.35 Zeigt das Arzneimittel die erhoffte signifikante Heilwirkung bei relativ gesehen geringen Nebenwirkungen, kann die Zulassung des Arzneimittels beantragt werden. Auch nach der Zulassung kann die Überprüfung des Arzneimittels in einer Phase IV fortgesetzt werden, um sehr selten auftretende Nebenwirkungen zu erfassen oder die Dosierung zu verbessern.36 Jede dieser klinischen Prüfungen muss einzeln genehmigt werden, da in jeder Phase mit unterschiedlichen Versuchspersonen gearbeitet und auf eine jeweils unterschiedliche Erkenntnis abgezielt wird. In die gesetzlichen Regelungen ist die Klassifizierung der klinischen Prüfungen als Phasen I bis IV nicht aufgenommen, jedoch wird in § 8 Abs. 3 S. 2 GCP-Verordnung37 31 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1305; Rehmann, AMG 2003, § 40 Rn. 3; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 40 AMG, Anm. 1d. 32 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1306; Rehmann, AMG 2003, § 40 Rn. 3; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 40 AMG, Anm. 1d. 33 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1306: Dazu werden die Patienten in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen der einen Gruppe das zu prüfende Arzneimittel verabreicht wird, während die Kontrollgruppe die bisherige Standardtherapie oder ein Placebo einnimmt. Um eine Beeinflussung der Versuchsergebnisse durch die Erwartungshaltungen der Patienten sowie der behandelnden Ärzte auszuschließen, wird die Zugehörigkeit zu den Gruppen ausgelost, und es wissen weder der Patient noch der behandelnde Arzt, welcher der beiden Gruppen der Patient angehört. 34 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1307; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 40 AMG, Anm. 1d. 35 Rehmann, AMG 2003, § 40 AMG, Rn. 3. 36 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1308. 37 Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen
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1. Teil: Einleitung
die Entscheidungsfrist der Ethikkommission für eine klinische Prüfung der Phase I, die als Teil eines Entwicklungsprogramms auf einer schon zustimmend bewerteten klinischen Prüfung aufbaut, auf 14 Tage verkürzt. b) Entwicklungsphasen von Medizinprodukten Auch die verschiedenen klinischen Prüfungen zur Entwicklung eines Medizinprodukts werden in Phasen I bis IV eingeteilt.38 In Phase I wird das Medizinprodukt in einer orientierenden Überprüfung hinsichtlich Verträglichkeit, Wirksamkeit und Handhabung an wenigen Probanden oder an Patienten untersucht, sofern noch nicht genügend Erfahrungen oder Informationen darüber vorliegen.39 In Studien der Phase II werden die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit soweit möglich in Kurzzeitanwendungen an einer begrenzten Anzahl einschlägig erkrankter bzw. behinderter Patienten untersucht.40 Bei einer klinischen Prüfung der Phase III wird schließlich in randomisierten Doppel-Blind-Studien ein Vergleich zu therapeutisch verfügbaren Alternativen vorgenommen, um den konfirmatorischen Nachweis über die Zweckbestimmung und Verträglichkeit zu führen.41 Klinische Prüfungen mit schon CE-gekennzeichneten Medizinprodukten entsprechen der Phase IV bei den Arzneimittelprüfungen.42 Sollen CE-gekennzeichnete Medizinprodukte für eine neue Zweckbestimmung geprüft werden oder sind zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen geplant, so gelten auch für eine klinischen Prüfung der Phase IV gemäß § 23 MPG dieselben Voraussetzungen der §§ 19 bis 21 MPG wie für die klinischen Prüfungen der Phasen I bis III.
(GCP-Verordnung) vom 9. August 2004, BGBl. I S. 2081; zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. November 2006, BGBl. I S. 2523. 38 Ratzel/Lippert, MPG 2000, Rn. 94. 39 Dies ist allerdings im Gegensatz zu Arzneimittelstudien nur in Ausnahmefällen der Fall, Schwarz/Wachenhausen in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts 2003, § 6 Rn. 108. 40 Schwarz/Wachenhausen in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts 2003, § 6 Rn. 111. 41 Schwarz/Wachenhausen in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts 2003, § 6 Rn. 113. 42 Schwarz/Wachenhausen in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts 2003, § 6 Rn. 114.
B. Ethikkommissionen
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II. Rolle der Ethikkommission bei der klinischen Prüfung 1. Der Begriff Ethikkommission Es gibt viele Gremien, die „Ethik“ in ihrem Namen tragen. Der Deutsche Ethikrat zum Beispiel führt als Berater der Bundesregierung und des Bundestages einen interdisziplinären Diskurs über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften und gibt selbständig Stellungnahmen und Empfehlungen zu Themen in diesem Kontext ab.43 Die Enquete-Kommission des 14. Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ sowie die EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ der 15. Legislaturperiode setzten sich mit wichtigen Entwicklungen in der biowissenschaftlichen und medizinischen Forschung, in der Diagnostik, Prävention und Therapie unter Einbeziehung ethischer, rechtlicher, sozialer und gesellschaftlicher Aspekte auseinander und erarbeiteten Handlungsvorschläge für den Gesetzgeber.44 Die von der Bundesärztekammer45 gegründete Zentrale Ethikkommission nimmt zu den durch medizinischen Fortschritt aufgeworfenen Fragen, die eine gemeinsame Antwort für die Bundesrepublik Deutschland erfordern, sowie zu Fragen ärztlicher Berufsausübung von grundsätzlicher Bedeutung Stellung.46 Einige Kliniken haben Ethik-Komitees eingerichtet, die die behandelnden Ärzte bei schwierigen ethischen Fragen beraten, die bei der Behandlung von Patienten, zum Beispiel der Sterbebegleitung, auftreten 43 § 1 und § 2 des Ethikratgesetzes vom 16. Juli 2007, BGBl. I S. 1385, mit dem der Deutsche Ethikrat als Nachfolger des Nationalen Ethikrates ins Leben gerufen wurde. Er besteht aus 26 Mitgliedern aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen sowie weiteren „anerkannten“, mit ethischen Fragen vertrauten Personen, die je zur Hälfte vom Bundestag und von der Bundesregierung vorgeschlagen und vom Bundestagspräsidenten berufen werden, §§ 3 und 4 EthRG. 44 Gemäß § 56 GOBT werden Enquete-Kommissionen zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe eingesetzt. Die oben genannten Enquete-Kommissionen hatten 26 Mitglieder; zur einen Hälfte fachkundige Abgeordnete, zur anderen Hälfte Sachverständige aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen. Zu ihrem Auftrag siehe den jeweiligen Einsetzungsantrag vom 22. März 2000, BTDrs. 14/3011 und vom 18. Februar 2003, BT-Drs. 15/464. 45 Die Bundesärztekammer vertritt als Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Ärztekammern mit Sitz in Berlin die bundespolitischen Interessen der Landesärztekammern. Sie ist ein nicht eingetragener Verein. 46 Statut der Zentralen Ethikkommission in der Fassung vom 14. Oktober 1994, abrufbar unter http://www.zentrale-ethikkommission.de/page.asp?his=0.2.29; letzter Zugriff am 30. September 2008. Die Zentrale Ethikkommission besteht aus 16 von der Bundesärztekammer benannten Mitgliedern.
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1. Teil: Einleitung
können.47 Die Liste könnte noch fortgesetzt werden, doch sollen diese Beispiele nur das weite Anwendungsfeld für Ethik in der Forschung und insbesondere der medizinischen Forschung verdeutlichen. Die hier zu untersuchenden Ethikkommissionen entscheiden nicht über Grundsatzfragen und sind auch nicht, jedenfalls nicht nur,48 mit der Lösung täglich auftretender Gewissensfragen im Medizinbetrieb befasst. Sie beurteilen die konkrete ärztliche Vertretbarkeit von klinischen Prüfungen am Menschen. Ethische Erwägungen sind dabei größtenteils schon in dem von ihnen zu beachtenden Regelwerk kodifiziert. Der Freiraum der Ethikkommissionen bei ihren Entscheidungen sollte daher nicht überschätzt werden.49 a) Nach dem Arzneimittelgesetz Das Arzneimittelgesetz überträgt in § 42 Abs. 1 S. 1 die Bewertung der klinischen Prüfung der zuständigen „unabhängigen interdisziplinär besetzten Ethik-Kommission“. Eine weitergehende Definition des Begriffs Ethikkommission wird hier nicht gegeben. Da das Arzneimittelgesetz jedoch sekundäres Europarecht umsetzt, kann dieses für die Auslegung darin verwendeter Begriffe herangezogen werden. Art. 2 k der Richtlinie 2001/20/ EG50 und wortgleich die aufgrund § 42 Abs. 3 AMG erlassene GCP-Verordnung51 in § 3 Abs. 2 c definieren die Ethikkommission als „unabhängiges Gremium aus im Gesundheitswesen und in nichtmedizinischen Bereichen tätigen Personen“. Die ICH/GCP-Leitlinien52, die gemäß Art. 1 Abs. 4 i. V. m. Art. 2 Satz 1 2001/20/EG bei der Durchführung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln zu beachten sind, sehen in Nr. 3.2.1 eine Mindestanzahl von 47 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 35. 48 Meist erfüllen die hier untersuchten Ethikkommissionen im Rahmen ihrer zusätzlichen Zuständigkeiten auch allgemein beratende Funktionen, die aber für diese Untersuchung nicht von Interesse sind. 49 So auch Pestalozza, HFR 2007, 177 (177 Rn. 3). 50 Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABl. EG Nr. L 121, S. 34. 51 Fundstelle siehe Fn. 37. 52 Guideline for Good Clinical Practice in the Conduct of Clinical Trials on Medicinal Products for Human Use. Im Internet abrufbar unter http://www.ich.org/ (Guideline E6/R1); letzter Zugriff am 30. September 2008. Die ICH-GCP-Leitlinie wurde 1996 von der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) konzipiert und vom Committee for Proprietary Medicinal Product (CPMP) der European Medicines Agency (EMEA) am 17. Juli 1997 für die Europäischen Gemeinschaften angenommen.
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fünf Mitgliedern vor und schreiben unter anderem eine Zusammensetzung derart vor, dass die Mitglieder zusammengenommen die für die Bewertung der wissenschaftlichen, medizinischen und ethischen Aspekte der Studie notwendigen Qualifikationen und Erfahrungen besitzen.53 b) Nach dem Medizinproduktegesetz Nach § 20 Abs. 7 und 8 MPG ist eine Ethikkommission ein unabhängig und interdisziplinär mit mindestens fünf medizinischen Sachverständigen und nichtmedizinischen Mitgliedern besetztes Gremium. Mehr ist im nationalen Medizinprodukterecht nicht geregelt. Auch im heranzuziehenden sekundären Europarecht sind Ethikkommissionen nur am Rande erwähnt, jedoch bestimmen Abschnitt 2.2 des Anhangs 7 der Richtlinie 90/385/EWG54 und Art. 15 Abs. 5 i. V. m. Abschnitt 2.2 des Anhangs X zu Richtlinie 93/42/EWG55, die klinischen Prüfungen von Medizinprodukten müssten im Einklang mit der Deklaration von Helsinki56 stehen. Diese erläutert in Nr. 13 die geforderte Unabhängigkeit der Ethikkommission näher, und zwar als Unabhängigkeit vom Forschungsteam, vom Sponsor oder von anderen unangemessenen Einflussfaktoren.
53 „The IRB/IEC should consist of a reasonable number of members, who collectively have the qualifications and experience to review and evaluate the science, medical aspects and ethics of the proposed trial. It is recommended that the IRB/ IEC should include a. At least five members. b. At least one member whose primary area of interest is a non-scientific area. c. At least one member who is independent of the institutional/trial site.“ 54 Richtlinie 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte vom 20. Juni 1990, ABl. L 189, S. 17; zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007, ABl. L 247, S. 21. 55 Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, ABl. L 161, S. 1; zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007, ABl. L 247, S. 21. 56 Die Deklaration von Helsinki von 1963 ist eine unverbindliche Erklärung des Weltärztebundes, die als Stand ärztlicher Ethik gilt. Die 1975 in Tokio revidierte sowie die 1983 in Venedig revidierte Version sind im Bundesanzeiger veröffentlicht: BAnz. vom 14. August 1976, Nr. 152 sowie BAnz vom 3. Juni 1987, Nr. 108 und vom 3. Juni 1987, Nr. 7109. Zuletzt wurde die Deklaration von Helsinki im Jahre 2008 in Seoul revidiert. Informativ zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Inkorporation dieses privaten Regelwerks in das ärztliche Standesrecht (Berufsordnungen des Landesärztekammern wie auch Satzungen der Ethikkommissionen verweisen auf verschiedene Versionen der Deklaration) Straßburger, MedR 2006, 462.
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1. Teil: Einleitung
c) Zusammenfassung In beiden Regelwerken (Arzneimittelgesetz und Medizinproduktegesetz) sind also mit Ethikkommissionen unabhängige Gremien gemeint, die aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen und interdisziplinär aus medizinischen und nichtmedizinischen Sachverständigen besetzt sind, die zusammen die für die Bewertung der Forschungsvorhaben notwendige Fachkompetenz besitzen. Angesichts dieser wenigen gesetzlichen Vorgaben weisen die in Deutschland errichteten Ethikkommissionen eine enorme Vielfalt auf, was ihre Größe und Zusammensetzung betrifft.57 2. Die Aufgaben der Ethikkommissionen Die Aufgaben der Ethikkommissionen sind der Schutz der Rechte und die Wahrung der Sicherheit und des Wohlergehens der Probanden und Patienten während ihrer Teilnahme an der klinischen Prüfung. Dies ergibt sich aus Art. 2 k der Richtlinie 2001/20/EG58 sowie aus der Definition des § 3 Abs. 2 c GCP-Verordnung59, die weiter lauten: . . . deren Aufgabe es ist, den Schutz der Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen von betroffenen Personen . . . zu sichern.
Auch ist der 6. Abschnitt des Arzneimittelgesetzes mit „Schutz des Menschen bei der Klinischen Prüfung“ überschrieben. Aus den Regelungen zu Medizinprodukten lässt sich keine ausdrücklich übertragene Aufgabe erkennen, jedoch soll gemäß § 1 MPG das Medizinproduktegesetz für den erforderlichen Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten Sorge tragen. Aus dem Prüfungsumfang der Ethikkommission nach § 20 Abs. 8 MPG ergibt sich, dass sie genau für diesen Zweck eingesetzt sind.60 Sowohl im Arzneimittel- als auch im Medizinprodukterecht ist also die Ethikkommission eine Institution zum Schutz der Versuchsteilnehmer. Sie schützt aber auch die Forscher vor einer Überschreitung ethischer Grenzen in ihrem Erkenntnisdrang.61 Als Reflex des Schutzes der Forschungsteilnehmer werden zudem das Ansehen der Forschungsinstitution und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die medizinische Forschung gewahrt, wie wie57 58 59 60 61
Siehe näher S. 42. Fundstelle siehe Fn. 50. Fundstelle siehe Fn. 37. Zum genauen Prüfungsumfang siehe S. 35. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1351.
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derum Art. 2 k der Richtlinie 2001/20/EG und § 3 Abs. 2c GCP-Verordnung deutlich machen: . . . und diesbezüglich Vertrauen der Öffentlichkeit zu schaffen . . .
3. Verfahrensablauf und Prüfungsumfang a) Arzneimittelprüfungen Jede klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen bedarf einer „zustimmenden Bewertung“ der zuständigen Ethikkommission und einer „Genehmigung“ der zuständigen Bundesoberbehörde62, bevor mit ihr begonnen werden kann.63 Den Antrag bei der Ethikkommission und der Bundesoberbehörde stellt der Sponsor der Studie.64 Sponsor ist diejenige natürliche oder juristische Person, die die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung der Arzneimittelstudie übernimmt.65 Der Sponsor hat der Ethikkommission laut § 42 Abs. 1 S. 4 AMG alle Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen, die zur Bewertung nötig sind. Diese sind in der GCP-Verordnung aufgezählt.66 Der Bundesoberbehörde muss er die in § 42 Abs. 2 S. 2 AMG sowie die in der GCP-Verordnung genannten67 Unterlagen übermitteln. Eine Entscheidung der Ethikkommission erfolgt in der Regel innerhalb von 60 Tagen nach Eingang der Unterlagen68, bei monozentrischen Prüfungen, also solchen, die nur an einer einzigen Prüfstelle durchgeführt werden, innerhalb von 30 Tagen.69 Die Ethikkommission übermittelt ihre mit Gründen versehene Bewertung neben dem Sponsor auch der Bundesoberbehörde.70 Die Genehmigung der Behörde gilt als erteilt, wenn diese inner62
Zuständig ist grundsätzlich das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Knochenmarkszubereitungen, Allergenen, Testsera, Testantigenen, Gentransferarzneimitteln und somatischen oder genetisch hergestellten Blutbestandteilen das Paul-Ehrlich-Institut; § 77 Abs. 1 und 2 AMG. 63 § 40 Abs. 1 S. 2 AMG. 64 § 42 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 AMG. 65 § 4 Abs. 24 AMG. 66 § 7 Abs. 2 Nr. 1–15 und Abs. 3 Nr. 1–19 GCP-Verordnung; Fundstelle siehe Fn. 37. 67 § 7 Abs. 2 Nr. 1–15 und Abs. 4 Nr. 1–4 GCP-Verordnung; Fundstelle siehe Fn. 37. 68 § 42 Abs. 1 S. 9 AMG. Genauer zu den verschiedenen Fristen siehe Meuser/ Platter, PharmaR 2005, 395 (396–399). 69 § 8 Abs. 3 S. 1 GCP-V. 70 § 8 Abs. 2 S. 1 GCP-V.
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halb von 30 Tagen nach Eingang der Antragsunterlagen keine Einwände erhebt.71 Bei bestimmten, in § 42 Abs. 2 S. 7 Nr. 1–4 AMG genannten Arzneimitteln muss eine ausdrückliche Genehmigung erteilt werden. Die Frist beträgt dann in der Regel 60 Tage nach Eingang der erforderlichen Unterlagen.72 Die Behörde schickt eine Kopie der ausdrücklichen Genehmigung oder endgültigen Ablehnung an die Ethikkommission.73 Die Ethikkommission darf die zustimmende Bewertung nur versagen, wenn die Unterlagen unvollständig sind oder nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen oder die folgenden in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 bis 9, Abs. 4 und § 41 AMG genannten Vorraussetzungen nicht erfüllt sind:74 Die Versuchsteilnehmer müssen einwilligungsfähig sein und nach ordnungsgemäßer Aufklärung schriftlich in die Teilnahme eingewilligt haben. Diese Einwilligung muss sich auch auf die Datenerhebung beziehen.75 Die Versuchsteilnehmer dürfen nicht auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht sein.76 Die klinische Prüfung muss in einer geeigneten Einrichtung von angemessen qualifizierten Prüfern durchgeführt werden, die über die Ergebnisse der dem Stand der Wissenschaft entsprechend durchgeführten pharmakologisch-toxikologischen Prüfung des Arzneimittels und die mit der klinischen Prüfung voraussichtlich verbundenen Risiken informiert sind.77 Für den Fall, dass bei der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder an Körper und Gesundheit verletzt wird, muss eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Versicherung bestehen.78 Für die medizinische oder zahnmedizinische Versorgung der Versuchsteilnehmer muss ein Arzt bzw. Zahnarzt verantwortlich sein.79 Bei klinischen Prüfungen an Minderjährigen und nichteinwilligungsfähigen Voll71
§ 42 Abs. 2 S. 4 AMG. § 42 Abs. 2 S. 8 AMG. 73 § 9 Abs. 2 S. 4 GCP-V. 74 § 42 Abs. 1 S. 7 AMG. 75 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 AMG; bei Minderjährigen wird die Einwilligung nach Aufklärung vom gesetzlichen Vertreter abgegeben und muss dem mutmaßlichen Willen des Minderjährigen entsprechen, § 40 Abs. 4 Nr. 3 AMG; ebenso gibt für volljährige nicht einwilligungsfähige Teilnehmer der gesetzliche Vertreter die Einwilligung ab, § 41 Abs. 3 Nr. 2 AMG. Bei klinischen Prüfungen an einschlägig erkrankten Personen braucht in einer Notfallsituation die Einwilligung erst später eingeholt zu werden, wenn die Behandlung zur Lebensrettung oder Heilung ohne Aufschub erforderlich ist, § 41 Abs. 1 S. 2 AMG. 76 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG. 77 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 bis 7 AMG. 78 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG. Die Versicherung wird im allgemeinen Sprachgebrauch Probandenversicherung genannt, schützt aber alle Versuchsteilnehmer, also auch Patienten. 79 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG. 72
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jährigen dürfen keine Vorteile mit Ausnahme einer angemessenen Entschädigung gewährt werden.80 Nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung muss das Vorhaben „ärztlich vertretbar“ sein.81 Dieser ausfüllungsbedürftige Begriff bietet Raum für ethische Erwägungen. Aber auch ausdrückliche Vorgaben, wie das unbedingte Erfordernis einer freiwilligen Einwilligung nach Aufklärung, sind letztlich Normierungen eines ethischen Anspruchs an Experimente mit Menschen. Die zuständige Bundesoberbehörde darf nach § 42 Abs. 2 S. 3 AMG die Genehmigung nur verweigern, wenn die Unterlagen unvollständig sind oder nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen oder die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, 2, 2a und 6 und gegebenenfalls Nr. 8 AMG geregelten Anforderungen nicht erfüllt sind. Sie hat somit einen etwas anderen Prüfungsmaßstab als die Ethikkommission. Zudem ist keine ausdrückliche Entscheidung notwendig, denn die Genehmigung gilt gemäß § 42 Abs. 2 S. 4 AMG als erteilt, wenn die zuständige Bundesoberbehörde nicht innerhalb von 30 Tagen nach Antragstellung dem Antragsteller ihre Einwände übermittelt. b) Medizinprodukteprüfungen Im Gegensatz zu Arzneimittelprüfungen ist das Verfahren vor der Ethikkommission im Medizinprodukterecht nur sehr sparsam geregelt. Für den sofortigen Beginn einer klinischen Prüfung von Medizinprodukten bedarf es Anzeigen bei den zuständigen Behörden unter Vorlage einer zustimmenden Stellungnahme einer Ethikkommission.82 Ist die Bewertung ablehnend83, kann mit der Prüfung 60 Tage nach der Anzeige begonnen wer80
§ 40 Abs. 4 Nr. 5 AMG bzw. § 41 Abs. 3 Nr. 4 AMG. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG. Für den zu erwartenden Nutzen und das zu tolerierende Risiko werden für erkrankte Volljährige in § 41 Abs. 1 S. 1 AMG, für gesunde Minderjährige in § 40 Abs. 4 Nr. 1, 2 und 4 AMG, für erkrankte Minderjährige in § 41 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 AMG und für erkrankte nichteinwilligungsfähige Volljährige in § 41 Abs. 3 Nr. 1 und 3 AMG den § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG ergänzende und teilweise abweichende Vorgaben gemacht. 82 § 20 Abs. 6 S. 1 und Abs. 7 S. 1 MPG. Eine Liste der zuständigen Landesbehörden ist im Internet abrufbar unter http://www.dimdi.de/static/de/mpg/adress/ behoerden/index.htm, letzter Zugriff am 30. September 2008. 83 § 20 Abs. 7 S. 4 MPG Soweit eine zustimmende Stellungsnahme nicht vorliegt . . . lässt sich auch als Nicht-Anrufung einer Ethikkommission deuten, jedoch gehört (irgend-)ein Votum der Ethikkommission zu den bei der Behörde bei der Anzeige einzureichenden Unterlagen; siehe Anmerkung zur Anlage 4 der Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Medizinprodukte des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DMIDI-Verordnung) vom 4. Dezember 2002, BGBl. I S. 4456. 81
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1. Teil: Einleitung
den, es sei denn, die zuständige Behörde entscheidet gegenteilig.84 Die Anzeigen werden vom Auftraggeber der klinischen Prüfung sowie von den beteiligten Prüfeinrichtungen bei den jeweils für sie zuständigen Behörden getätigt.85 Auch bei multizentrischen Studien reicht ein Votum einer Ethikkommission.86 Fristen für die Abgabe des Votums der Ethikkommission regelt das Medizinproduktegesetz nicht.87 Aus der Stellungnahme muss hervorgehen, dass die zu beachtenden Aspekte geprüft wurden.88 Die Ethikkommission hat den Prüfplan und die erforderlichen Unterlagen mündlich zu beraten und zu prüfen, ob die folgenden Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 4 bis 9, Abs. 4 Nr. 1 bis 3 und Abs. 5 MPG vorliegen:89 Der Prüfplan muss dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen.90 Die Prüfung muss von einem entsprechend qualifizierten und spezialisierten Arzt oder einer sonstigen qualifizierten und befugten Person geleitet werden.91 Der Leiter muss über die Ergebnisse der, soweit erforderlich, nach dem Stand der Wissenschaft und Technik durchgeführten biologischen Sicherheitsprüfung, der Überprüfung der sicherheitstechnischen Unbedenklichkeit oder sonst erforderlichen Prüfung sowie über die mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken informiert sein.92 Für den Fall, dass bei der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder an Körper und Gesundheit verletzt wird, muss wie im Arzneimittelgesetz eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Versicherung bestehen.93 Auch das Medizinproduktegesetz schreibt eine Einwillligung des Versuchsteilnehmers bzw. seines gesetzlichen Vertreters vor94, jedoch gehört dies seltsamerweise nicht zu den von der Ethikkommission zu prüfenden Voraussetzungen. Bei der zustimmenden Bewertung der Ethikkommission kann die klinische Prüfung des Medizinprodukts sofort beginnen.95 Das Recht, die klinische Prüfung zu verhindern, hat die zuständige Bundesoberbehörde nur, 84
§ 20 Abs. 7 S. 4 MPG. § 20 Abs. 6 S. 1 MPG. 86 § 20 Abs. 7 S. 2 MPG. 87 Allenfalls die Satzungen der Ethikkommissionen selbst sehen Fristen vor. 88 § 20 Abs. 7 S. 3 MPG. 89 § 20 Abs. 8 S. 1 MPG. 90 § 20 Abs. 1 Nr. 8 MPG. 91 § 20 Abs. 1 Nr. 4 MPG. 92 § 20 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 MPG. 93 § 20 Abs. 1 Nr. 9 MPG. 94 § 20 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 4 MPG. Auch darf keine klinische Prüfung an in Anstalten Verwahrten durchgeführt werden, § 20 Abs. 1 Nr. 3 MPG. 95 § 20 Abs. 7 S. 1 MPG. 85
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wenn die Ethikkommission die klinische Prüfung ablehnend bewertet und sofern diese Entscheidung auf Gründe der öffentlichen Gesundheit oder öffentlichen Ordnung gestützt wird.96
III. Bestandsaufnahme: Ethikkommissionen in Deutschland Das Arzneimittelrecht und das Medizinprodukterecht regeln, wie gezeigt, die inhaltlichen Anforderungen an klinische Prüfungen und die Beteiligung von Ethikkommissionen an ihrer Bewertung. Errichtet werden die jeweils zuständigen Ethikkommissionen durch diese Gesetze aber nicht. Für ihre Organisation und Zusammensetzung werden allenfalls Minimalvorgaben gemacht. Das erklärt das vielfältige und bunte Bild, das die zahlreichen Ethikkommissionen in Deutschland zeichnen. Zwei Gruppen lassen sich jedoch ausmachen, was die Rechtsgrundlagen der Errichtung betrifft: landesrechtlich gebildete (so genannte öffentlich-rechtliche) Ethikkommissionen und solche, deren Errichtung auf Privatinitiative beruht und dementsprechend nur im Rahmen des Privatrechts erfolgen kann. Diese Rechtsgrundlagen sollen zunächst näher vorgestellt werden. Daraufhin kann eine Aussage über die heutige Verbreitung und, sofern verallgemeinerungsfähig, die Zusammensetzung der Ethikkommissionen getroffen werden. 1. Rechtsgrundlagen der Errichtung In Deutschland können öffentlich-rechtliche und private Ethikkommissionen und auch öffentlich-rechtliche Ethikkommissionen verschiedener Zuständigkeiten nebeneinander existieren, weil das Arzneimittelgesetz und das Medizinproduktegesetz voneinander abweichende Vorgaben machen. a) Ethikkommissionen zur Beurteilung von Arzneimittelprüfungen Um als Ethikkommission Bewertungen nach dem Arzneimittelgesetz abgeben zu können, musste die Kommission schon vor der 12. AMG-Novelle gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 AMG a. F. „nach Landesrecht gebildet“ worden sein.97 96
§ 20 Abs. 7 S. 4 MPG. § 42 Abs. 1 S. 1 AMG n. F. spricht von „der nach Landesrecht zuständigen unabhängigen interdisziplinären Ethik-Kommission“, nach S. 3 werden die „Bildung, Zusammensetzung und Finanzierung der Ethik-Kommissionen durch Landesrecht bestimmt“. 97
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Alle Ärztekammern und fast alle staatlichen Universitäten mit medizinischen Fakultäten98 haben Satzungen erlassen, die entsprechende Ethikkommissionen errichten und ihre Zusammensetzung, die Mitgliederwahl, das einzuhaltende Verfahren und die Vergütung der Mitglieder detailliert regeln.99 Die Satzungen der Ärztekammern sind gestützt auf Errichtungsverpflichtungen oder -ermächtigungen in den jeweils einschlägigen Gesetzen der Länder.100 Zur Bildung von Ethikkommissionen an medizinischen Fa98 In Hamburg, Rheinland-Pfalz und Saarland bestehen keine an den Hochschulen gebildeten Ethikkommissionen. Brandenburg hat keine Universität mit medizinischer Fakultät. 99 Die Fundstellen und relevanten Inhalte dieser Satzungen folgen für jede Ethikkommission gesondert in Teil 3 bei der Prüfung der Haftungsverteilung in den Bundesländern; S. 178–218. 100 Baden-Württemberg: § 5 des Gesetzes über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-KammergesetzHBKG) i. d. F. vom 16. März 1995, GBl. S. 314; zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Februar 2007, GBl. S. 135. Bayern: Art. 29 a bis Art. 29 g des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsund Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz – GDVG) vom 24. Juli 2003, GVBl. S. 452; eingefügt durch § 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2005, GVBl. S. 648; zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2008, GVBl. S. 464. Berlin: § 4 c des Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Berliner Kammergesetz) i. d. F. vom 4. September 1978, GVBl. S. 1980; zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2007, GVBl. S. 617. Brandenburg: § 7 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) i. d. F. des Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Heilberufsrechts im Land Brandenburg vom 28. April 2003, GVBl. I/03, S. 126; zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juni 2008, GVBl. I/08, S. 134. Bremen: § 11 a i. V. m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Berufsvertretung, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Tierärzte und Apotheker (Heilberufsgesetz – HeilBerG) i. d. F. der Bek. vom 15. April 2005, Brem.GBl. S. 149; zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. November 2007, Brem.GBl. S. 476. Hamburg: § 9 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HmbKGH) vom 14. Dezember 2005, HmbGVBl. S. 495; zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2007, HmbGVBl. 2008, S. 17. Hessen: § 6 a des Gesetzes über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufsgesetz) i. d. F. der Bek. vom 7. Februar 2003, GVBl. I S. 66, 242, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Oktober 2006, GVBl. I S. 519. Mecklenburg-Vorpommern: § 7 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) vom 22. Januar 1993, GVOBl. M-V S. 62; zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2008, GVOBl. M-V S. 374.
B. Ethikkommissionen
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kultäten verpflichten die meisten dieser Gesetze ebenfalls.101 Nur einige regeln jedoch nähere Vorgaben zum Beispiel zur Zusammensetzung der Ethikkommission, zur Berufung der Mitglieder und zur Zuständigkeit; überwiegend ist dies dem Satzungsgeber überlassen.102 Die Satzungen der übriNiedersachsen: § 10 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) i. d. F. vom 8. Dezember 2000, Nds.GVBl. S. 301; zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2008, Nds.GVBl. S. 392. Nordrhein-Westfalen: § 7 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) i. d. F. vom 9. Mai 2000, GV. NRW. S. 403; zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. November 2007, GV. NRW. S. 572. Rheinland-Pfalz: § 5 a des Landesgesetzes über die Kammern für die Heilberufe (Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz – HeilBG) vom 20. Oktober 1978, GVBl. S. 649, GVBl. 1979 S. 22; zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. März 2008, GVBl. S. 52. Saarland: § 5 Gesetz Nr. 1405 über die öffentliche Berufsvertretung, die Berufspflichten, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte/Ärztinnen, Zahnärzte/Zahnärztinnen, psychologischen Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-psychotherapeutinnen, Tierärzte/ Tierärztinnen und Apotheker/Apothekerinnen im Saarland (Saarländisches Heilberufekammergesetz – SHKG) vom 11. März 1998, Amtsbl. S. 338; i. d. F. der Bek. vom 19. November 2007, Amtsbl. S. 2190. Sachsen: § 5 a des Gesetzes über die Berufsausübung, Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugenslichenpsychotherapeuten im Freistaat Sachsen (Sächsisches Heilberufekammergesetz – SächsHKaG) vom 24. Mai 1994, SächsGVBl. S. 935; zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Mai 2008, SächsGVBl. S. 302; § 5 a eingefügt durch Gesetz vom 11. November 2005, SächsGVBl. S. 277. Sachsen-Anhalt: § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt (KGHB-LSA) vom 13. Juli 1994, GVBl. LSA S. 832; zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 14. Februar 2008, GVBl. LSA S. 58. Schleswig-Holstein: § 6 des Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe (Heilberufekammergesetz-HBKG) vom 29. Februar 1996, GVOBl. Schl.-H. S. 248; zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2007, GVOBl. Schl.-H. S. 487. Thüringen: §§ 17a bis 17g Thüringer Heilberufegesetz (ThürHeilBG) i. d. F. der Bek. vom 29. Januar 2002, GVBl. S. 125; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2007, GVBl. S. 162. 101 Abweichend: In Niedersachen werden die an medizinischen Fakultäten errichteten Ethikkommissionen lediglich zur Zuständigkeitsabgrenzung erwähnt, ohne ausdrücklich zu ihrer Errichtung zu ermächtigen. In Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Saarland existieren keine an medizinischen Fakultäten eingerichteten Ethikkommissionen. In Bremen ist die universitäre Ethikkommission weder nach AMG noch nach MPG zuständig. In Mecklenburg-Vorpommern existiert eine eigenständige Ermächtigungsregelung: § 16 a des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG M-V) vom 19. Juli 1994, GVOBl. M-V S. 747; eingefügt durch Gesetz vom 3. Juli 2006, GVOBl. M-V S. 523. 102 Art. 29 a bis Art. 29 g BayGSDG, § 4 c Berliner KammerG, § 7 HeilBerG Bbg, § 7 HeilBerG NRW und §§ 17 a bis 17 g Thüringer HeilberufeG enthalten sehr detaillierte Regeln; § 6 HeilberufeG Schleswig-Holstein sieht als Sollvorschrift
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1. Teil: Einleitung
gen Ethikkommissionen stützen sich allein auf die allgemeine Satzungsbefugnis der Hochschulen,103 sofern das entsprechende Hochschulgesetz keine ausdrückliche Regelung trifft.104 In Berlin105, Bremen106 und Sachsen-Anhalt107 gibt es zudem auch Ethikkommissionen des Landes, die durch Landesgesetz errichtet wurden. Alle diese Ethikkommissionen sind durch öffentlich-rechtliches Organisationsrecht der Länder und damit „nach Landesrecht“ errichtet.108 Sie dürfen somit, sofern sie nach Landesrecht dafür zuständig sind109, Voten nach §§ 40–42 AMG abgeben. b) Ethikkommissionen zur Beurteilung von Medizinprodukteprüfungen Das Medizinproduktegesetz schreibt lediglich eine Registrierung der Ethikkommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die geschlechterparitätische Besetzung der Kommission sowie das Erfordernis eines Apothekers als Mitglied vor. 103 Statt aller Hochschulgesetze: § 15 S. 2 Niedersächsiches Hochschulgesetz (NHG) i. d. F. vom 26. Februar 2007, Nds.GVbl. S. 69; zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 13. September 2007, Nds.GVBl. S. 444. 104 In Sachsen-Anhalt enthält § 1 Abs. 4 des Hochschulmedizingesetzes vom 12. August 2005, GVBl. LSA S. 508, in Hessen § 60 des Hessischen Hochschulgesetzes i. d. F. vom 15. November 2007, GVBl. I S. 710, eine Verpflichtung zur Errichtung einer Ethikkommission, jedoch jeweils ohne nähere Vorgaben. 105 Gesetz zur Errichtung einer Ethikkommission des Landes Berlin vom 7. September 2005, GVBl. S. 466 und Verordnung über die Ethikkommission des Landes Berlin vom 10. Januar 2006, GVBl. S. 26. 106 § 30 Abs. 1 S. 3 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Lande Bremen (Gesundheitsdienstgesetz – ÖGDG) vom 27. März 1995, Brem.GBl. S. 175; zuletzt geändert am 20. Dezember 2005, Brem.GBl. S. 637 i. V. m. § 2 Abs. 2 und 4 der Verordnung über die Ethikkommission des Landes Bremen vom 28. November 1996, Brem.GBl. S. 347; zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. Januar 2006, Brem.GBl. S. 55. 107 Verordnung über die Ethik-Kommission zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln (Ethik-Kom-VO LSA) vom 19. Dezember 2005, GVBl. LSA S. 755 sowie § 27 c des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt (Gesundheitsdienstgesetz – GDG LSA) vom 21. November 1997, GVBl. LSA, S. 1023; eingefügt durch Gesetz vom 10. August 2007, GVBl. LSA, S. 306. 108 Ob dieses „Landesrecht“ jedoch den Vorgaben des Demokratiegebots genügt, wird auf S. 65 ff. näher untersucht. 109 Die Ethikkommission der Ärztekammer Berlin, die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Ethikkommission der Ärztekammer Bremen und die Ethikkommission der Ärztekammer Sachsen-Anhalt sind wegen der ausschließlichen Zuständigkeit der jeweiligen Landesethikkommission nicht für Beurteilung von Arzneimittelprüfungen zuständig.
B. Ethikkommissionen
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(BfArM) vor. Damit lässt es die Rechtsform der Errichtung völlig offen. Eine Ethikkommission muss lediglich die Voraussetzungen für die Registrierung erfüllen: Sie muss unabhängig und mit mindestens fünf medizinischen Sachverständigen und nichtmedizinischen Mitgliedern besetzt sein, und in ihrer veröffentlichten Verfahrensordnung müssen das Verfahren der Ethikkommission, ihre Anschrift und eine angemessene Vergütung aufgeführt sein.110 Die nach Landesrecht hierfür zuständigen öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen haben sich fast alle beim BfArM registrieren lassen.111 Eine Registrierung ist aber auch für privatrechtlich organisierte Ethikkommissionen möglich. 2. Heutige Verbreitung Derzeit bestehen in Deutschland 54 landesrechtlich gebildete Ethikkommissionen.112 Drei davon sind allein für die berufsethische Beratung der Ärzte, zwei sind ausschließlich für die Begutachtung von Medizinprodukteprüfungen und vier sind ausschließlich für die Beurteilung von Arzneimittelstudien zuständig.113 Die übrigen Ethikkommissionen sind in allen diesen Bereichen tätig. 110
§ 20 Abs. 8 und Abs. 7 S. 1 MPG. Die beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte geführte Liste ist abrufbar unter http://www.bfarm.de/cln_030/nn_424508/DE/Medizinprodukte/ethik kom/ethikkommissionenListe.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 112 Eine Liste der Adressen ist beim Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland veröffentlicht unter http://www.ak-med-ethik-komm.de, letzter Zugriff am 30. September 2008; jedoch ist die Ethikkommission der privaten Universität Witten-Herdecke zu den „öffentlich-rechtlichen“ Ethikkommissionen aufgenommen, während z. B. die Ethikkommission der Universität Osnabrück fehlt. Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland ist ein privater Zusammenschluss, der für die Vernetzung und länderübergreifende Harmonisierung der Tätigkeit der Ethikkommissionen sorgt. Z. B. erarbeitet er Mustersatzungen, in denen er (rechtlich unverbindliche) Empfehlungen für die Bildung, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ethikkommissionen gibt. 113 Die Ethikkommission der Ärztekammer Berlin und die Ethikkommission der Ärztekammer Bremen sind ausschließlich für die berufsethische Beratung der Mitglieder zuständig. Die Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern ist zwar für Medizinprodukteprüfungen grundsätzlich zuständig, aber faktisch nicht mehr tätig; vgl. Fn. 300 und 301. Die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Ethikkommission der Ärztekammer Sachsen-Anhalt sind nicht für Arzneimittelstudien zuständig. Die Ethikkommission des Landes Berlin und die Ethikkommission des Landes Sachsen-Anhalt, in Bayern die Ethikkommission der Universität Würzburg und in MecklenburgVorpommern die Ethikkommission der Universität Rostock sind nicht für Medizinprodukteprüfungen zuständig. 111
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1. Teil: Einleitung
Damit stehen für die Begutachtung klinischer Arzneimittelstudien am Menschen 49 Ethikkommissionen zur Verfügung. Für Medizinprodukteprüfungen sind 47114 landesrechtlich gebildete Ethikkommissionen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registriert; außerdem zurzeit noch vier private Ethikkommissionen.115 Letztere erfüllen zwar nicht die Kriterien des § 42 Abs. 1 S. 1 AMG („landesrechtlich gebildet“) und können somit eine Beurteilung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln an Menschen nicht abgeben.116 Jedoch ist es möglich, diese Ethikkommissionen zur Begutachtung von klinischen Prüfungen von Medizinprodukten anzurufen, da § 17 Abs. 7 S. 1 MPG lediglich eine Registrierung der Ethikkommission beim BfArM vorschreibt. 3. Zusammensetzung Wegen der minimalen gesetzlichen Vorgaben ist die Besetzung von Ethikkommission zu Ethikkommission verschieden. Zusammenfassend lassen sich einige Hauptaussagen treffen: Die Ethikkommissionen setzen sich überwiegend aus Medizinern der verschiedensten Fachrichtungen sowie immer einem Juristen zusammen.117 Theologen, Philosophen oder Vertreter anderer medizinischer Berufe wie Apotheker sind nur selten vertreten.118 Fast überall ist dagegen ein so genannter Laie, teilweise definiert als Vertreter von Patientenorganisationen, Mitglied der Ethikkommission.119 Die Mitgliederzahl schwankt zwischen fünf und 40120, jedoch werden die größeren 114 Allerdings ist offenbar aufgrund eines Redaktionsversehens nicht ersichtlich, dass es sich bei der Ethikkommission der Ärztekammer Schleswig-Holstein eigentlich um zwei (mit unterschiedlichen Personen besetzte) Ethikkommissionen mit demselben Sitz handelt. Die Liste ist abrufbar unter http://www.bfarm.de/ cln_030/nn_424508/DE/Medizinprodukte/ethikkom/ethikkommissionenListe.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 115 Die International Medical & Dental Ethics Commission GmbH (imdec), die Freiburger Ethik-Kommission International GmbH (feki), die Ethik-Kommission des Instituts für angewandte Ethik e. V. sowie die ebenfalls als eingetragener Verein geführte Ethikkommission der privaten Universität Witten-Herdecke. 116 Es bleibt den Auftraggebern der Studie unbenommen, sich auch von einer privaten Ethikkommission beraten zu lassen, es muss dann aber zusätzlich das Votum einer öffentlich-rechtlichen Ethikkommission eingeholt werden. 117 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 69. 118 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 69. 119 Pestalozza, HFR 2007, 177 (182 Rn. 20). 120 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 66.
C. Das Schädigungspotential von Ethikkommissionen
43
Ethikkommissionen meist in Arbeitsausschüsse unterteilt, die circa zehn Mitglieder haben und im Namen der Ethikkommission Voten abgeben.121
C. Das Schädigungspotential von Ethikkommissionen Nach dem Blick auf den rechtlichen Rahmen, in dem sich die Ethikkommissionen nach dem Arzneimittel- und dem Medizinproduktegesetz bewegen, folgt nun ein Blick auf die realen Folgen etwaiger Verstöße gegen diesen Rahmen. Eine Schadensverursachung durch eine fehlerhafte Entscheidung der Ethikkommission ist sowohl bei einem zustimmenden als auch bei einem ablehnenden Votum denkbar.122 Im Hinblick auf die Schadenshöhe ist das Schädigungspotential der Ethikkommissionen enorm. Die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Großschaden tatsächlich eintritt, ist dagegen recht gering – allerdings nicht auszuschließen.
I. Durchführung klinischer Prüfungen am Menschen Bei der Anwendung unerprobter Arzneimittel oder Medizinprodukte am Menschen besteht immer die Gefahr von Körperverletzungen oder gar Tod der Versuchspersonen. Von entsprechend tragischen Vorfällen ist daher immer wieder zu lesen.123 Kommt es wegen der Zustimmung der Ethikkom121 Z. B. sind die Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern in drei Spruchkörper mit je zwölf Mitgliedern, die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin in vier Ausschüsse mit je mindestens zehn Mitgliedern und die Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn in vier Ausschüsse mit je acht Mitgliedern unterteilt. 122 Wann das Verhalten eines einzelnen Mitglieds einer Ethikkommission als kausal für einen Schaden anzusehen ist, wird im Einzelnen bei der Prüfung des Anspruchs aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB untersucht; siehe S. 127–135. 123 Die am 13. März 2006 in London durchgeführte klinische Prüfung der Phase I des von der Firma TeGenero entwickelten Antikörpers vom Typ TGN1412 an acht Männern führte zu lebensgefährlichen Abwehrreaktionen. Innerhalb weniger Stunden nach Verabreichung des Mittels versagten bei den sechs Männern, die nicht ein Placebo gespritzt bekommen hatten, alle lebenswichtigen Organe. Eine Woche nach dem Vorfall lagen zwei Probanden immer noch im Koma. Der Prüfplan war im Februar nach Begutachtung durch eine Ethikkommission auch in Deutschland vom Paul-Ehrlich-Institut genehmigt worden; entsprechende Versuche in Deutschland waren geplant. Siehe näher Die Zeit, Ausgabe Nr. 13 vom 23. März 2006, Rubrik Wissen, S. 41. Wie die Süddeutsche Zeitung vom 5. Dezember 2006, S. 16 berichtete, musste die – offenbar in den Vereinigten Staaten durchgeführte – klinische Prüfung der Phase III des Mittels Torcetrapib an 15.000 Versuchspersonen abgebrochen werden.
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1. Teil: Einleitung
mission zu einer Durchführung einer klinischen Prüfung, deren Gefährlichkeit sie falsch eingeschätzt hat, könnte sie als Verursacher der daraus resultierenden Vermögensschäden durch Krankenhauskosten, Arbeitsunfähigkeit etc. angesehen werden. Eventuell werden auch Schmerzensgeldforderungen geltend gemacht. Statistische Erhebungen über die Häufigkeit solcher Vorfälle bei in Deutschland durchgeführten klinischen Prüfungen liegen jedoch nicht vor. Wegen der fehlenden Medienberichterstattung kann man annehmen, dass Schädigungen größeren Ausmaßes hier sehr selten sind.
II. Verhinderung klinischer Prüfungen am Menschen Ablehnende Voten sind allem Anschein nach ebenso recht selten.124 Häufig wird ein positives Votum jedoch an die Erfüllung zusätzlicher Auflagen geknüpft.125 Führt das Votum der Ethikkommission zur Verhinderung einer klinischen Prüfung, steht für die Durchführenden der Studie eventuell das gesamte Zulassungsverfahren auf dem Spiel. Nutzlos gewordene Aufwendungen und Patentrechte sowie entgangener Gewinn könnten die Schadenssumme in Milliardenhöhe treiben. Aber auch schon bloße Verzögerungen bis zur Marktreife eines Arzneimittels oder Medizinprodukts können negative finanzielle Auswirkungen haben. Torcetrapib wurde von der Unternehmensgruppe Pfitzer entwickelt und sollte als Eiweißhemmer im Cholesterinstoffwechsel die Konzentration des HDL-Cholesterins im Blut erhöhen und so Herzinfarkten vorbeugen. In der Gruppe, die Torcetrapib verabreicht bekam, waren seit dem Versuchsbeginn 2004 jedoch signifikant mehr Personen gestorben als in der Vergleichsgruppe, die nur ein Placebo einnahm. Auch Tests der Forschungsorganisation Conrad in Benin, Indien, Südafrika, Uganda und Nigeria mit einem virushemmenden Microbizid wurden abgebrochen. In einem Vaginalgel verwendet, sollte das Mittel mit dem Wirkstoff Zellulosesulfat vor Ansteckung mit HIV schützen. Wie die Süddeutsche Zeitung vom 3./4. Februar 2007, S. 24 berichtete, hatten sich jedoch mehr Frauen, die das zu testende Gel benutzten, mit dem HI-Virus angesteckt als die Frauen der Vergleichsgruppe, die ein Placebo-Gel bekamen. 124 Nach von Dewitz/Luft in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 65, sind im Jahr 2002 1,6% und im Jahr 2003 0,6% aller gestellten Anträge zu Arzneimittelprüfungen abgelehnt worden. Anträge auf Medizinprodukteprüfungen wurden noch seltener abgelehnt. Datenmaterial lag zu 20 Ethikkommissionen vor. 125 Nach dem „Bericht der Bundesregierung zu den Erfahrungen mit dem Verfahren der Beteiligung von Ethik-Kommissionen bei klinischen Prüfungen“ vom 20. Dezember 2007, BT-Drs. 16/7703, 8, waren im Jahr 2006 uneingeschränkt positive Voten ebenso wie Ablehnungen sehr selten. Zumeist werde das positive Votum unter die Bedingung der Erfüllung weiterer Auflagen gestellt. Datenmaterial lag zu 31 Ethikkommissionen vor.
D. Problemstellung und Gang der Untersuchung
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Hat die Ethikkommission bei der Ablehnung oder Erteilung einer Auflage einen Fehler gemacht und erfüllt der Prüfplan der klinischen Prüfung entgegen ihrer Ansicht die gesetzlichen Voraussetzungen, werden die Geschädigten – in der Regel pharmazeutische Unternehmen – versuchen, vom Verantwortlichen Schadensersatz zu erlangen.
D. Problemstellung und Gang der Untersuchung Angesichts des Schädigungspotentials der Ethikkommissionen sind die Haftungssorgen der Ärztekammern126 nicht aus der Luft gegriffen. Ein einziger Haftungsfall könnte ausreichen, um ein erhebliches Loch in die Kasse zu reißen. Die Haftungsfrage betrifft überdies die Ärztekammern nicht allein. Ethikkommissionen, die klinische Arzneimittel- oder Medizinprodukteprüfungen begutachten, sind auch bei Universitäten oder direkt auf Landesebene angesiedelt oder in privatrechtlichen Rechtsformen organisiert.127 In der durch die 12. AMG-Novelle angestoßenen Diskussion um Haftungsfreistellungen durch den Landesgesetzgeber wurde die Haftungsverantwortlichkeit der Träger der Ethikkommissionen bislang als selbstverständlich angenommen. Dabei liegen dieser Verantwortlichkeit zahlreiche rechtliche Stolpersteine im Weg. Fragt man nach Staatshaftung für Ethikkommissionen, ist zunächst zu klären, ob die Tätigkeit der Ethikkommission überhaupt als staatliches Handeln zu qualifizieren ist. Das Schrifttum gibt darauf keine einhellige Antwort. Die Voten der Ethikkommissionen werden zwar überwiegend als Verwaltungsakte oder als schlicht-hoheitliches Handeln, vereinzelt aber auch als bloße, sich im Bereich des Privatrechts bewegende Beratungstätigkeit angesehen.128 Berücksichtigt man das Selbstverständnis vieler, insbesondere der privatrechtlich organisierten Ethikkommissionen als Instrument der so genannten „peer review“,129 also der freiwilligen Selbstkontrolle der Ärzteschaft, erscheint es zudem sinnvoll zu untersuchen, inwiefern sie in die Verwaltungsorganisation einzuordnen sind. Dass der Landesgesetzgeber allzu oft die genaueren Regelungen der Trägerkörperschaft im Wege der Satzungsgebung überlassen hat, wirft dabei die Frage nach der demokratischen 126
Siehe S. 19. Siehe S. 37–42. 128 Ratzel/Lippert, MPG 2000, Rn. 132, vertreten z. B. die Auffassung, Beurteilungen nach dem Medizinproduktegesetz seien privatrechtliches Handeln aufgrund eines mit dem Antragsteller geschlossenen Dienstvertrags. 129 Siehe zu diesem Ursprungstypus der Ethikkommission Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2008, Rn. 1019. 127
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1. Teil: Einleitung
Legitimation der Ethikkommissionen auf. Bei fehlender rechtlicher Grundlage der Ethikkommission könnten ihre Voten von vornherein mit einem Fehler behaftet sein. All diese Problemfelder werden im Rahmen einer rechtlichen Einordnung der Ethikkommissionen behandelt.130 Sodann gilt es, unter mehreren möglichen Staatshaftungsansprüchen auszuwählen. In Betracht kommen neben dem Anspruch gemäß Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB unmittelbare Staatshaftungsansprüche, wie zum Beispiel nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR131, aus enteignungsgleichem Eingriff, Aufopferung oder gar nach polizeigesetzlichen Haftungstatbeständen.132 Diese Untersuchung konzentriert sich auf die Haftung des Staates gemäß Art. 34 Satz 1 GG, da dem so genannten Amtshaftungsanspruch in der Literatur wie auch in der Praxis die meiste Bedeutung zukommt. Der Ausdruck „Amtshaftung“ für den Anspruch gegen den Staat gemäß Art. 34 Satz 1 GG wird jedoch in dieser Arbeit vermieden, da er mit missverständlicher Bedeutung gebraucht wird.133 Teilweise wird mit „Amtshaftung“ die persönliche Haftung des Beamten aus § 839 BGB bezeichnet.134 Mehrheitlich aber wird der Begriff für das Institut der Haftungsüberleitung auf den Staat nach Art. 34 Satz 1 GG verwendet.135 Meis130
Teil 2, S. 51–71. Weiterhin in Kraft in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Das Staatshaftungsgesetz der DDR vom 12. Mai 1969 (DDRGBl. I (1969) S. 34), geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1988 (DDR-GBl. I (1988) S. 329), galt aufgrund des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 Anlage II B, Kapitel III Sachgebiet B, Abschnitt III (BGBl. 1990 II S. 1168) zunächst mit Maßgaben, die den Haftungsumfang wesentlich erweiterten, in allen neuen Bundesländern als Landesrecht fort. In Berlin (Gesetz vom 21. September 1995, GVBl. S. 607) und Sachsen (Gesetz vom 17. April 1998, SächsGVBl. S. 151) ist es mittlerweile aufgehoben. Das in Sachsen-Anhalt neugefasste Gesetz zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Lande Sachsen-Anhalt ist mit Wirkung zum 1. Mai 2002 außer Kraft getreten, Art. 1 Satz 1 des 4. Rechtsbereinigungsgesetzes vom 19. März 2002, GVBl. LSA S. 130. 132 Denkbar ist eine solche Haftung zwar an sich nur, wenn die Schädigung in Anwendung des jeweiligen Polizeigesetzes erfolgte, so dass die Haftung für Handeln im Rahmen von Spezialgesetzen grundsätzlich ausgeschlossen ist, Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 2007, L Rn. 3–8. Die Ordnungsbehördengesetze in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen stellen allerdings eine Querschnittsmaterie für das gesamte behördliche Handeln im Bereich des Gefahrenabwehrrechts dar, so dass dort die polizeigesetzliche Unrechtshaftung umfassend gilt, Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 2007, L Rn. 10–11. Sofern Ethikkommissionen als Gefahrenabwehrbehörden verstanden würden, wäre ein entsprechender Anspruch auch gegen sie denkbar. 133 Schon Leiß in: A. Kayser/Leiß, Die Amtshaftung 1958, 20, kritisierte die Mehrdeutigkeit dieses Begriffs. Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 2004, Art. 34 Rn. 11, spricht allein von „mittelbarer Staatshaftung“. 134 Jarass in: Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 2. 131
D. Problemstellung und Gang der Untersuchung
47
tens wird der so genannte „Amtshaftungsanspruch“ dann näher als Anspruch aus „Art. 34 GG i. V. mit § 839 BGB“ definiert. So entsteht der Eindruck, dass diese beiden Normen zwingend zusammengehören. Fragt man nach einem Staatshaftungsanspruch, also nach einer den Staat verpflichtenden Haftungsnorm, fällt jedoch nur Art. 34 Satz 1 GG in den Blick. In den dogmatischen Überlegungen zu Art. 34 Satz 1 GG dieser Arbeit wird diese Norm daher zunächst einmal isoliert betrachtet.136 Die geschichtliche Entwicklung des Art. 34 Satz 1 GG zeigt, dass es sich hierbei nicht um einen unmittelbaren Staatshaftungsanspruch, sondern um eine Haftungsüberleitungsnorm handelt. Doch welche Verantwortlichkeit(en) gilt es überzuleiten? Von § 839 BGB ist in Art. 34 Satz 1 GG nicht die Rede. Die verbreitete Ansicht, nach der Art. 34 GG „mit § 839 BGB zusammen zu lesen ist“137, ist daher auf den Prüfstein zu stellen. Kappt man das Seil, mit dem Art. 34 Satz 1 GG mit § 839 BGB verbunden zu sein scheint,138 kommen mehrere Anspruchsgrundlagen zur Überleitung in Frage.139 Allgemeine zivilrechtliche Schadensersatzsansprüche werden möglicherweise von § 839 BGB als lex specialis verdrängt. § 839 BGB ist jedoch nur einschlägig, wenn die Mitglieder der Ethikkommissionen als „Beamte“ im Sinne dieser Norm anzusehen sind. Sollte dazu Beamtenstatus im Sinne der Beamtengesetze Voraussetzung sein, fielen so manche Mitglieder der Ethikkommission wie selbständige Ärzte, Juristen oder Vertreter von Patientenorganisationen nicht hierunter. Es gilt also, einen genaueren Blick auf den Beamtenbegriff des § 839 BGB zu werfen. Zu untersuchen ist zudem, ob Art. 34 Satz 1 GG auch auf Ansprüche anwendbar ist, die sich unmittelbar gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft richten. Immerhin wendet der Bundesgerichtshof zur Bestimmung des Anspruchsgegners des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs die Grundsätze des Art. 34 Satz 1 GG an.140 In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob eventuell Art. 34 Satz 1 GG für sämtliche Schadensersatzansprüche, welche aufgrund amtspflichtwidrigen Verhaltens ausgelöst werden, die passivlegitimierte Körperschaft bestimmt. Nach der hier vertretenen Ansicht wird sich jedoch allein Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB als Anspruchsgrundlage herauskristallisieren.
135 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 10; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 6; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB Bd. 2 2008, § 839 Rn. 1; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 8. 136 Teil 2, S. 72–79. 137 Siehe nur Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 12. 138 Den Ausdruck „angeseilt“ prägte Jellinek, JZ 1955, 147 (149). 139 Teil 2, S. 79–117. 140 BGHZ 161, 224 (236).
48
1. Teil: Einleitung
Nachdem Teil 2 somit das dogmatische Grundgerüst für die weitere Untersuchung geschaffen hat, widmet sich Teil 3 der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB, etwaigen Haftungsausschlüssen sowie der Bestimmung der passivlegitimierten Körperschaft. Dabei zeigen sich weitere Schwierigkeiten, die auf die Eigenheiten von Ethikkommissionen zurückzuführen sind. Auf der Ebene der Tatbestandsvoraussetzungen ist insbesondere die Prüfung des von § 839 BGB geforderten Verschuldens problematisch. Als interdisziplinäres Gremium vereinigt die Ethikkommission Sachverstand aus verschiedenen Wissenschaften und Fachrichtungen innerhalb dieser Disziplinen mit dem Blick des so genannten Laien. Welchem Mitglied der Kommission welcher Fehler im Sinne eines fahrlässigen Verhaltens vorwerfbar ist, hängt entscheidend vom anzulegenden Sorgfaltsmaßstab ab. Sollte dieser Maßstab ein einheitlicher sein, wie dies für andere Entscheidungsgremien wie die Gemeindeversammlung angenommen wird, könnte dem juristischen Mitglied ein Fehler in der medizinischen Beurteilung des Prüfplans ebenso vorwerfbar sein wie den ärztlichen Mitgliedern und umgekehrt. Oder der Sorgfaltsmaßstab wird einheitlich so niedrig angesetzt, dass Fahrlässigkeit praktisch nicht vorkommt. Beide Lösungen sind auf den ersten Blick unbefriedigend. Die Frage der Maßstabsbestimmung bedarf daher einer näheren Betrachtung.141 Etwaige Haftungsausschlüsse sind in zweierlei Hinsicht zu berücksichtigen. Erstens enthält § 839 BGB mit den Grundsätzen der Subsidiarität und des Primärrechtsschutzes Haftungsausschlussgründe.142 Bei Schädigungen der Versuchsteilnehmer wird daher allgemein darauf vertraut, dass wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Probandenversicherung eine Inanspruchnahme der Mitglieder der Ethikkommission ausgeschlossen ist.143 Diese Versicherungen enthalten jedoch in der Regel Deckungshöchstsummen und teilweise weitreichende Haftungsausschlüsse.144 Die den Sponsoren von klinischen Prüfungen möglicherweise entstehenden Schäden, deren Ausmaß teilweise nicht für versicherbar gehalten wurde, werden dagegen vermutlich durch das Erfordernis des Primärrechtsschutzes reduziert. Es bedarf daher der Einordnung, ob die Haftungsrisiken aus der von den Ärztekammern vermuteten oder aus einer ganz anderen Richtung drohen. Zweitens gilt: Selbst 141
Teil 3, S. 136–139. Teil 3, S. 139–144. 143 So erklärt sich, dass die Ärztekammern erst mit der 12. AMG-Novelle die Haftungsrisiken thematisierten. Nicht die Ermöglichung, sondern die Verhinderung klinischer Prüfungen wird als risikoreich empfunden. 144 So die Kritik an der Probandenversicherung bei Koyuncu, PHi 2005, 86 (88–89). 142
D. Problemstellung und Gang der Untersuchung
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wenn ein Anspruch nach § 839 BGB gegeben ist, kann die Überleitung der Haftung auf den Staat spezialgesetzlich ausgeschlossen sein. Hier ist an die Regelungen über so genannte Gebührenbeamte zu denken. Für die Tätigkeit der Ethikkommissionen werden in den meisten Fällen Gebühren von den Antragstellern erhoben. Von dem Gebührenaufkommen finanzieren sich einige Ethikkommissionen selbst, bezahlen also davon die Entschädigungen ihrer Mitglieder sowie den Aufwand der Geschäftsstelle. Nach § 1 Abs. 3 des in einigen Bundesländern als Landesrecht fortgeltenden Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes, nach § 5 Nr. 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes sowie nach gleichlautenden Landesgesetzen ist die Haftung des Staates ausgeschlossen für „Beamte, die auf Gebühren angewiesen sind“. Bislang fehlte in der Literatur eine ausführliche Untersuchung sowohl der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Normen als auch der Frage, ob diese auf Mitglieder von Ethikkommissionen anzuwenden sind. Dies soll hier nachgeholt werden.145 Sind alle Hürden auf dem Weg zu einem Staatshaftungsanspruch genommen, stellt sich die Frage, wie nach Art. 34 Satz 1 GG die passivlegitimierte Körperschaft zu bestimmen ist. Die Norm lautet: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.
Bei der bisherigen Diskussion von Staatshaftung für Ethikkommissionen wurde überwiegend ihre Trägerkörperschaft in der Verantwortlichkeit gesehen.146 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB der einen einzelnen Amtswalter persönlich treffende Schadensersatzanspruch übergeleitet wird. Daher ist grundsätzlich für jedes Mitglied der Ethikkommission einzeln die Körperschaft zu bestimmen, in deren Dienst es steht. In Literatur und Rechtsprechung sind verschiedene Theorien entwickelt worden, wie das „in Dienst stehen“ zu verstehen ist. Stellt man 145
S. 145–163. Eines der Tagungsthemen der Sommertagung des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen des Jahres 2004 war die „Haftung von Ethikkommissionen“. Diskutiert wurden für die Ethikkommissionen an Ärztekammern wie an medizinischen Fakultäten jedoch jeweils nur Fragen der Haftungsbegründung. Als Haftungsfolge wurde von den Vortragenden ohne vertiefte Prüfung die Passivlegitimation der Ärztekammern bzw. Universitäten gemäß Art. 34 GG i. V. mit § 839 BGB angenommen, siehe TOP 4 des Protokolls der Sommertagung des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen vom 11./12. Juni 2004; abrufbar im Internet unter http://www.ak-med-ethik-komm.de/protokolle.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. Siehe auch die sich mit universitären Ethikkommissionen befassenden Dissertationen von Kreß, Die Ethik-Kommissionen im System der Haftung 1990, 162–164, und Scheffold, Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von institutional review boards und von Ethik-Kommissionen 1992, 109. 146
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1. Teil: Einleitung
auf Dienstverhältnisse im Sinne des Beamtenrechts ab, sind für die verbeamteten Mitglieder der Kommission (zum Beispiel Universitätsprofessoren oder Richter) andere Körperschaften in die Haftung zu nehmen als für die nicht verbeamteten Mitglieder (zum Beispiel freiberuflich tätige Ärzte und Anwälte). Aber auch wenn man im Sinne der herrschenden Anvertrauenstheorie des Bundesgerichtshofs für die Bestimmung des „in Dienst stehen“ auf die Berufungsmodalitäten abstellt, lässt sich die passivlegitimierte Körperschaft nicht pauschal bestimmen. Die Modalitäten, wie und von wem die Mitglieder der Ethikkommissionen ihr Amt anvertraut bekommen, sind von Land zu Land und von Kommission zu Kommission verschieden. Teilweise stoßen die vom Bundesgerichtshof verwendeten Regeln zur Bestimmung der Passivlegitimation dabei an ihre Grenzen. Zur Lösung dieser Grenzfälle wird der zugrunde liegende Kern der Anvertrauenstheorie herauszuarbeiten sein. Danach wird für jede einzelne Ethikkommission die haftende Körperschaft bestimmt. Die neu eingeführten landesgesetzlichen Haftungsfreistellungsregelungen werden dabei daraufhin überprüft, ob sie Abweichungen von der Passivlegitimation bewirken. Anhand der so ermittelten Ergebnisse wird im Schlussteil die Ausgangsfrage wieder aufgegriffen, ob „die Renten der Ärzte“ gefährdet sind. Dabei zeigt sich, welche Nachteile die derzeitige Haftungsverteilung birgt und wie ihnen begegnet werden kann.
Teil 2
Grundüberlegungen zur Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen Damit Staatshaftung nach Art. 34 Satz 1 GG überhaupt in Betracht kommen kann, müssen die Ethikkommissionen dem Staat im weitesten Sinne zugeordnet werden können, sei es als Verwaltungsträger, Verwaltungsorgane, als Beliehene oder als Verwaltungshelfer.1 Zur Einordnung einer Tätigkeit als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ i. S. d. Art. 34 Satz 1 GG wird überwiegend auf die Zugehörigkeit des Handelns zum öffentlichen Recht abgestellt.2 Daher wird zunächst die Rechtsnatur der Voten der Ethikkommissionen bestimmt. Anschließend wird untersucht, ob Ethikkommissionen etwa selbst als mögliche Haftungssubjekte in Betracht kommen. Dies wäre der Fall, wenn sie verwaltungsorganisationsrechtlich als Verwaltungsträger zu qualifizieren wären.
I. Rechtsnatur des Votums Unter der „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ wird allgemein öffentlich-rechtliches Handeln verstanden.3 Bei der Prüfung der Rechtsnatur des Votums der Ethikkommissionen ist also an sich nur festzustellen, ob es sich um Maßnahmen des öffentlichen Rechts im Gegensatz zu solchen des Privatrechts handelt. Weil aber im Staatshaftungsrecht der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes gilt und die Rechtschutzmöglichkeiten von der konkreten Form des Verwaltungshandelns abhängen, soll an dieser 1 Zur Staatshaftung nach Art. 34 Satz 1 GG bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes durch Privatpersonen als Beliehene oder als Verwaltungshelfer siehe Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 14–20, mit Rechtsprechungsnachweisen. 2 Siehe S. 120; nach a. A. soll es auch auf die organisatorische Zugehörigkeit des Handelnden zum Staat ankommen, so dass auch die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben in Formen des Privatrechts zur „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ zu zählen sei. 3 Maurer, AllgVerwR 2006, § 9 Rn. 11.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
Stelle auch geklärt werden, in welcher Handlungsform die Voten jeweils ergehen. Seit der 12. AMG-Novelle weicht die Mitwirkung der Ethikkommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln von der Vorgehensweise bei Medizinprodukteprüfungen ab. Daher wird die Rechtsnatur der Voten nach Arzneimittelgesetz und nach Medizinproduktegesetz getrennt geprüft. 1. Votum nach Arzneimittelgesetz Welche Rechtsnatur das Votum der Ethikkommission im Rahmen der klinischen Prüfung von Arzneimitteln am Menschen besitzt, ist in der Literatur lange Zeit unterschiedlich beantwortet worden.4 Nach der 12. AMG-Novelle und der damit verbundenen Neuregelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 40 AMG gehen die neueren Stimmen einheitlich davon aus, es handele sich bei dem Votum um einen Verwaltungsakt.5 Der Begriff des Verwaltungsakts richtet sich nach der Legaldefinition in § 35 Satz 1 VwVfG (Bd).6 Danach ist Verwaltungsakt jede hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Außenwirkung.
4 Gegen die Annahme eines Verwaltungsakts nach alter Rechtslage z. B. Classen, MedR 1995, 148 (149); Sobota, AöR 121 (1996), 229 (241); Stamer, Die EthikKommissionen in Baden-Württemberg 1998, 121; Rupp in: Kästner, FS für Martin Heckel 1999, 839 (853 f.); Hägele, Arzneimittelprüfung am Menschen 2004, 685/686; für die Annahme eines Verwaltungsakts Deutsch, VersR 1995, 121 (124); Wilkening, Der Hamburger Sonderweg im System der öffentlich-rechtlichen EthikKommissionen Deutschlands 2000, 59/60; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2003, Rn. 760; Rehmann, AMG 2003 § 40 Rn. 13; Eine differenzierende Lösung fanden Arndt, PharmaRecht 1996, 72 (74), und Alber-Malchow, Die arzneimittelrechtliche Regelung der Mitwirkung von Ethik-Kommissionen 2005, 66 ff. Zum Streitstand allgemein Wölk, EthikMed 2002, 252 (262–264). 5 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 190; Meuser/Platter, PharmaRecht 2005, 395 (396); Deutsch, MedR 2006, 411 (415); tendenziell zuneigend Pestalozza, NJW 2004, 3374 (3379); Schlette, NVwZ 2006, 785 (787), nennt das Votum der Ethikkommission nach AMG n. F. ohne weitere Begründung „Genehmigung“. Das VG Berlin ging in Nr. 3b) der Begründung des zwischen Ärztekammer Berlin und dem Land Berlin geschlossenen Vergleichs davon aus, bei verwaltungsgerichtlicher Klage auf Erteilung der Zustimmung sei die Verpflichtungsklage einschlägig; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 10. 6 Der besseren Übersichtlichkeit wegen wird § 35 des Bundesverwaltungsverfahrensgesetzes stellvertretend für die entsprechenden Bestimmungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze herangezogen.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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a) Hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes stellt lediglich auf den funktionalen Behördenbegriff ab, indem es in § 1 Abs. 4 VwVfG (Bd) „jede Stelle, die Verwaltungstätigkeit ausübt“, als Behörde in seinem Sinne ansieht. Damit sind auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und Beliehene sowie ihre Organe vom Behördenbegriff des § 1 IV VwVfG umfasst.7 Es kommt lediglich darauf an, ob Aufgaben der Verwaltung wahrgenommen werden. Mit der Regelung der Arzneimittelüberwachung, insbesondere zur Arzneimittelforschung, erfüllt der Gesetzgeber seinen grundrechtlichen Schutzauftrag. Die Begutachtung und Bewertung klinischer Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz ist eine Verwaltungsaufgabe im Rahmen der Arzneimittelüberwachung, mit der die Ethikkommissionen gesetzlich betraut wurden. Die Ethikkommissionen sind damit Behörden im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG.8 Daran ändert auch der Hinweis auf § 9 VwVfG nichts, dem sich entnehmen lässt, dass die Verfahrensregelungen nur auf solche Verwaltungstätigkeiten anwendbar sind, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet sind. Daraus könnte sich zwar schließen lassen, dass die Verwaltungstätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG nur nach außen wirkende, zum Bürger gerichtete Tätigkeiten umfassen. Jedoch würde sich die Definition des Verwaltungsakts dann als Zirkelschluss erweisen: Erst wenn die übrigen Merkmale des Verwaltungsakts bejaht werden, handelte es sich um eine Behörde im Sinne des Gesetzes. Richtigerweise muss zur Qualifikation einer Stelle als Behörde im funktionalen Sinn eine wie auch immer geartete Durchführung von Verwaltungstätigkeiten reichen.9 Schließlich bewegt sich die Ethikkommission auch im Rahmen des öffentlichen Rechts, da ihr Votum im Vollzug öffentlich-rechtlicher Vorschriften ergeht. Das Arzneimittelgesetz unterwirft den Umgang mit Arzneimit7 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2 2000, § 45 Rn. 19; Maurer, AllgVerwR 2006, § 23 Rn. 59; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3 2004, § 90 Rn. 54. 8 So auch Alber-Malchow, Die arzneimittelrechtliche Regelung der Mitwirkung von Ethik-Kommissionen 2005, 67; von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 186; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Teil A 1, § 40 Anm. 4b am Ende; Stamer, Die Ethik-Kommissionen in Baden-Württemberg 1998, 88–110 (95, 110); Arndt, PharmaRecht 1996, 72 (74); Classen, MedR 1995, 148 (149). 9 Nach Peine, AllgVerwR 2006, Rn. 330, üben z. B. auch Stellen, die beim Verwaltungshandeln einer anderen Behörde mitwirken, Verwaltungstätigkeit aus; Stelkens/Bonk/Sachs-Stelkens/Schmitz, VwVfG 2001, § 1 Rn. 219, sehen ausdrücklich die rein gutachterlich beratende Stelle als Behörde an.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
teln, insbesondere die klinische Prüfung zum Zwecke der Arzneimittelsicherheit, der staatlichen Aufsicht und ist damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen.10 Zu einem anderen Ergebnis kommt man selbst dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass eine Einordnung als hoheitliche Maßnahme die Einseitigkeit der Maßnahme erfordert. Denn trotz des Beratungscharakters der Kommissionstätigkeit und der wechselseitigen Interaktion zwischen Kommission und Antragsteller wird die sich an die Beratung anschließende Bewertung des Forschungsvorhabens allein und autonom und damit einseitig von der Ethikkommission vorgenommen.11 Somit lässt sich feststellen, dass die Ethikkommission eine Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist und ihre Bewertung nach §§ 40–42 AMG eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts darstellt. b) Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung Eine Regelung ist das Setzen einer Rechtsfolge, also das Begründen, Aktualisieren, Ändern, Aufheben oder Feststellen von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus.12 Ein Verwaltungsakt ist eine behördliche Regelung, die auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet ist, also die ihre Wirkungen für den Bürger oder andere außenstehende Rechtspersonen nicht nur tatsächlich entfaltet, sondern auch rechtlich entfalten soll.13 § 40 Abs. 1 S. 2 AMG bestimmt, dass eine klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen nur bei Vorliegen eines positiven Votums der Ethikkommission beginnen darf. Das ablehnende Votum bestätigt das vom Gesetz vorgesehene präventive Verbot endgültig: Die Durchführung der klinischen Prüfung bleibt für den Antragsteller unzulässig. Die Ablehnung der Zustimmung durch die Ethikkommission regelt damit verbindlich die Nichtdurchführung des Vorhabens mit unmittelbarer Wirkung nach außen. Die Zustimmung der Ethikkommission entscheidet verbindlich über die Durchführung der klinischen Prüfung und genehmigt somit das Vorhaben des Antragstellers, soweit es den Prüfungsrahmen der Ethikkommission betrifft. Auch wenn für die Zulässigkeit der Durchführung der klinischen Prüfung zusätzlich noch die (ggf. stillschweigende) Genehmigung der Bundes10 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 186. 11 Alber-Malchow, Die arzneimittelrechtliche Regelung der Mitwirkung von Ethik-Kommissionen 2005, 68. 12 Maurer, AllgVerwR 2006, § 9 Rn. 6. 13 Maurer, AllgVerwR 2006, § 9 Rn. 26.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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oberbehörde erforderlich ist, so steht doch deren Genehmigungsverfahren vollständig getrennt neben dem Zustimmungsverfahren. Es handelt sich nicht um eine Maßnahme in einem gestuften Verfahren, bei dem eine Behörde die Letztentscheidungskompetenz besitzt, denn die Zustimmung der Ethikkommission hängt nicht von der Genehmigung der Bundesoberbehörde ab oder umgekehrt.14 Auch für das zustimmende Votum lässt sich die Außenwirkung der Entscheidung bejahen. c) Ergebnis Im Rahmen der Arzneimittelprüfung nach § 40 AMG n. F. ergehen sowohl die zustimmenden als auch die ablehnenden Voten der Ethikkommissionen als Verwaltungsakte. 2. Medizinprodukteprüfung Die Einordnung der Mitwirkung der Ethikkommissionen im Rahmen von Medizinprodukteprüfungen gestaltet sich schwieriger. § 20 Abs. 7 MPG sieht eine Beteiligung derart vor, dass bei Vorlage eines zustimmenden Votums einer registrierten Ethikkommission mit der klinischen Prüfung sofort begonnen werden darf, während bei einem ablehnenden Votum der Prüfungsbeginn nur um 60 Tage verzögert wird, sofern nicht die Bundesoberbehörde dem Vorhaben widerspricht. In ähnlicher Weise hatte das Arzneimittelgesetz das Verfahren vor der 12. AMG-Novelle gestaltet. Die Bestimmung der Rechtsnatur des Votums ist wie für das Arzneimittelgesetz a. F. auch für das Medizinproduktegesetz umstritten. Wenige Literaturstimmen ordnen das Votum als Verwaltungsakt ein15, während die Mehrzahl lediglich schlicht-hoheitliches Handeln annimmt.16 Vereinzelt wird vertreten, die Begutachtung nach dem Medizinproduktegesetz sei privatrechtliches Handeln aufgrund eines zwischen Antragsteller und Ethikkommission geschlossenen Dienstvertrags.17 14 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 189. 15 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 2003, Rn. 760, für das Votum nach AMG a. F.; Wilkening, Der Hamburger Sonderweg im System der öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen Deutschlands 2000, 59/60. 16 Stamer, Die Ethik-Kommissionen in Baden-Württemberg 1998, 121; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts 2002, § 130 Rn. 18, Fn. 49; von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 240; Kage, MPG 2005, 321. 17 Ratzel/Lippert, MPG 2000, Rn. 132.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
Klarheit verschafft hier wiederum eine Prüfung der einzelnen Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts. Nach der Legaldefinition in § 35 Satz 1 VwVfG (Bd) ist jede hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Außenwirkung ein Verwaltungsakt. a) Hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Anders als § 42 Abs. 1 S. 1 AMG, der nur landesrechtlich gebildete Ethikkommissionen als für die Beurteilung zuständig sieht, verlangt § 20 Abs. 7 S. 1 MPG lediglich ein Votum einer beim BfArM registrierten Ethikkommission. Die Registrierung setzt keine „nach Landesrecht“ gebildete Ethikkommission voraus.18 Mithin können auch die privatrechtlichen Ethikkommissionen in rechtlich erheblicher Weise die Zulässigkeit von Medizinprodukteprüfungen am Menschen beurteilen. Bei der Einordnung als Behörden im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergeben sich jedoch keine Unterschiede. Die Bewertung klinischer Prüfungen nach dem Medizinproduktegesetz ist eine Verwaltungsaufgabe im Rahmen der staatlichen Aufsicht zum Zweck der Medizinproduktesicherheit.19 Die Ethikkommissionen handeln damit auch im Rahmen des Medizinproduktegesetzes als Behörden im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG.20 Schließlich bewegt sich die Ethikkommission auch im Rahmen des öffentlichen Rechts, da ihr Votum im Vollzug öffentlichrechtlicher Vorschriften ergeht. Das Medizinproduktegesetz unterwirft den Umgang mit Medizinprodukten, insbesondere die klinische Prüfung, der staatlichen Aufsicht und schafft so ein Über-/Unterordungsverhältnis zwischen der Ethikkommission und dem Antragsteller. Wie schon für die Beurteilungen klinischer Prüfungen von Arzneimitteln lässt sich auch für Medizinprodukteprüfungen demnach feststellen, dass die nach § 20 Abs. 7 MPG i. V. mit § 20 Abs. 8 MPG registrierten Ethikkommissionen Behörden im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG sind.
18 Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass keine solche Anforderung ausdrücklich im Gesetz niedergelegt ist, sowie im Umkehrschluss aus § 20 Abs. 8 S. 2 MPG. 19 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 239. 20 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 239; Stamer, Die Ethik-Kommissionen in Baden-Württemberg 1998, 88–110 (95, 110); Classen, MedR 1995, 148 (149).
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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b) Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung Um als Verwaltungsakt qualifiziert werden zu können, müsste das Votum der Ethikkommission im Rahmen der Medizinprodukteprüfung für den außenstehenden Antragsteller Rechte und Pflichten begründen, aktualisieren, ändern, aufheben oder feststellen.21 Dabei ist hinsichtlich der Rechtswirkung zwischen dem zustimmenden und dem ablehnenden Votum der Ethikkommission zu unterscheiden. aa) Zustimmendes Votum Bei Vorlage der Zustimmung durch die Ethikkommission kann die klinische Prüfung des Medizinprodukts gemäß § 20 Abs. 7 S. 1 MPG sofort begonnen werden. Das Votum ändert in diesem Fall verbindlich die Rechtslage des Antragstellers, und das ohne jede Mitwirkung der Bundesbehörde.22 Als letztentscheidende Behörde erteilt die Ethikkommission im Falle der Zustimmung inhaltlich eine Genehmigung des Vorhabens.23 Das zustimmende Votum besitzt also unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Antragsteller und stellt somit einen Verwaltungsakt dar. bb) Ablehnendes Votum Das ablehnende Votum der Ethikkommission löst nicht die Undurchführbarkeit des Vorhabens aus, sondern verzögert gemäß § 20 Abs. 7 MPG den Beginn allenfalls um 60 Tage, sofern die Bundesoberbehörde dem Vorhaben nicht widerspricht. Damit löst das Votum zwar eine Rechtsfolge aus, indem die Bundesoberbehörde nunmehr in dem Verfahren auf den Plan tritt,24 diese Rechtsfolge entspricht jedoch nicht der an sich mit dem ablehnenden Votum beabsichtigten Verhinderung der klinischen Prüfung. Die Ethikkommission hat keinen weitergehenden rechtlichen Einfluss auf die Entscheidung der Bundesoberbehörde, zumal diese ihren Widerspruch auch nur auf 21
Maurer, AllgVerwR 2006, § 9 Rn. 26. Anderer Auffassung unter dem fehlgehenden Hinweis, das Votum könne die Medizinprodukteprüfung nicht verhindern, sondern lediglich beschleunigen: von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 240; Kage, MPG 2005, 321; Sobota, AöR 121 (1996), 229 (241/242). 23 So Arndt, PharmaRecht 1996, 72 (74), und Alber-Malchow, Die arzneimittelrechtliche Regelung der Mitwirkung von Ethik-Kommissionen 2005, 87, für die vergleichbare Situation nach § 40 AMG a. F. 24 Siehe auch Alber-Malchow, Die arzneimittelrechtliche Regelung der Mitwirkung von Ethik-Kommissionen 2005, 72, für die vergleichbare Situation nach § 40 AMG a. F. 22
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
die engen Voraussetzungen der Gefahr für die öffentliche Gesundheit und Ordnung stützen kann. Das ablehnende Votum kann die Rechtslage im Außenverhältnis zum Antragsteller nicht unmittelbar ändern, denn der weitere Ausgang des Verfahrens hängt von der Entscheidung der widerspruchsbefugten Bundesoberbehörde ab.25 Mangels Außenwirkung ist dem ablehnenden Votum daher der Verwaltungsaktcharakter abzusprechen. Bei der Ablehnung handelt die Ethikkommission schlicht-hoheitlich. c) Ergebnis Bei der Beurteilung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten kommt dem zustimmenden Votum Verwaltungsaktcharakter zu, während das ablehnende Votum mangels unmittelbarer, verbindlicher Änderung der Rechtslage des Antragstellers lediglich schlicht-hoheitliches Handeln darstellt. In jedem Fall ist die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Handelns der privaten wie der öffentlichrechtlich gebildeten Ethikkommissionen zu bejahen.
II. Verwaltungsorganisationsrechtliche Stellung der Ethikkommissionen Nachdem der öffentlich-rechtliche Charakter der Voten der Ethikkommissionen nach Arzneimittelrecht und Medizinprodukterecht feststeht, bleibt die Frage, ob sie eventuell selbst als mögliche Haftungssubjekte für das Handeln ihrer Mitglieder in Betracht kommen. Dabei ist an sich lediglich zu klären, ob die Ethikkommissionen Verwaltungsträger sind und damit rechtsfähige Anspruchsgegner sein können. Um sowohl die Anwendbarkeit landesrechtlicher Staatshaftungsnormen als auch eventuelle Ausschlussgründe bestimmen zu können, ist jedoch zusätzlich wichtig zu wissen, auf welcher Ebene die Ethikkommissionen anzusiedeln sind. Es ist daher eine präzise Einordnung der Ethikkommissionen in die Verwaltungsorganisation vorzunehmen. Bei der Untersuchung wird dazu zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen unterschieden.
25 von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 240; Stamer, Die Ethik-Kommissionen in Baden-Württemberg 1998, 120; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts 2002, § 130 Rn. 18, Fn. 49; Sobota, AöR 121 (1996), 229 (241). A. A. ist Wilkening, Der Hamburger Sonderweg im System der öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen Deutschlands 2000, 59, die die weitere Undurchführbarkeit des Projektes als Wirkung nach außen ansieht.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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1. Private Ethikkommissionen Zunächst ist festzuhalten, dass alle derzeit vorhandenen freien Ethikkommissionen juristische Personen des Privatrechts sind.26 Damit stehen sie zunächst außerhalb der staatlichen Verwaltung. Eine Einbindung in die staatliche Verwaltungsorganisation kann nur durch das Institut der Beleihung erfolgen. a) Durch Beleihung in Verwaltung eingebunden Beleihung ist die staatliche Übertragung von Verwaltungsaufgaben an eine Privatperson zur hoheitlichen Wahrnehmung in eigenem Namen.27 Die Beurteilung der Zulässigkeit einer klinischen Prüfung von Medizinprodukten am Menschen nach den Vorgaben des § 20 MPG ist eine Aufgabe der öffentlichen Gefahrenabwehr zum Zweck der Medizinproduktesicherheit, also eine Verwaltungsaufgabe. Die Ethikkommissionen geben ihre als öffentlich-rechtlich zu beurteilenden Voten in eigenem Namen ab. Diese Aufgabe wird ihnen durch die Registrierung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 20 Abs. 7 S. 1 MPG i. V. m. Abs. 8 S. 2 MPG übertragen. Vor der Registrierung werden die gesetzlichen Voraussetzungen28 von der Bundesoberbehörde geprüft. Erst die Registrierung ermöglicht ein Tätigwerden der privaten Ethikkommissionen im Rahmen des § 20 MPG.29 Die Entscheidung über die Registrierung ist somit eine Entscheidung über die Beleihung. Die privaten Ethikkommissionen sind demnach als vom Bund Beliehene anzusehen.30
26 Siehe die Aufzählung oben Teil 1, Fn. 115. Ein eingetragener Verein besitzt Vollrechtsfähigkeit gemäß § 21 BGB, die GmbH nach § 13 GmbH-Gesetz. 27 Maurer, AllgVerwR 2006, § 23 Rn. 56; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3 2004, § 90 Rn. 4; Burgi in: Geis/Lorenz, FS für Maurer 2001, 581 (585); Steiner in: Schäffer/Berka/Stolzlechner/Werndl, FS für Koja 1998, 603 (603). 28 Nach § 20 Abs. 8 S. 2 MPG erfolgt die Registrierung nur, wenn in einer veröffentlichten Verfahrensordnung die Mitglieder, das Verfahren der Ethikkommission, die Adresse und eine angemessene Vergütung aufgeführt sind. Zu der notwendigen Zusammensetzung der Ethikkommission nach dem Medizinproduktegesetz siehe S. 40. 29 Hinsichtlich der öffentlich-rechtlich gebildeten Ethikkommissionen kommt eine Beleihung durch die Registrierung nicht in Betracht, da sie keiner weiteren Einbindung in die öffentliche Hand bedürfen. Dort hat die Registrierung eher die Funktion einer Zuständigkeitszuweisung. Ihr verwaltungsorganisationsrechtlicher Status ändert sich nicht; siehe S. 64. 30 So auch von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 238.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
b) Verwaltungsorganisationsrechtlicher Status des Beliehenen Umstritten ist die Frage, ob die Beleihung privaten juristischen Personen oder auch Privatpersonen den Status eines Verwaltungsträgers verleiht oder ob sie vielmehr als Behörde des beleihenden Verwaltungsträgers anzusehen sind. Dieser Streit entzündet sich vor allem an der Bestimmung des richtigen Klagegegners im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, also der Frage, wer – unabhängig von der Passivlegitimation31 – die passive Prozessführungsbefugnis besitzt. Nach der Norm ist die Klage gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richten, deren Behörde den Verwaltungsakt erlassen hat. Mehrheitlich wird der Beliehene als Körperschaft im Sinne des § 78 VwGO angesehen32, so dass die Klage gegen ihn zu richten ist. Vereinzelt wird aber vertreten, der beleihende Verwaltungsträger sei der richtige Klagegegner.33 Die unterschiedlichen Auffassungen gewinnen an Berechtigung, wenn man bedenkt, dass es neben beliehenen Unternehmen auch beliehene natürliche Personen gibt. Bei Letzteren kann man sich schwer vorstellen, sie als Körperschaft, also als juristische Person zu bezeichnen. Gegen die Qualifizierung juristischer Personen des Privatrechts als Bundesbehörden spricht hingegen, dass der Behördenbegriff als Unterfall des Organbegriffs rechtliche Unselbständigkeit voraussetzt.34 Die Behörden gliedern sich möglicherweise noch in weitere Unterorgane, handeln aber letztlich durch natürliche Personen als Organwalter. Juristische Personen sind hier nicht ohne dogmatische Verrenkungen zwischenschaltbar. Richtigerweise ist also davon auszugehen, dass die beliehene privatrechtlich gegründete Ethikkommission ein eigenständiger Verwaltungsträger ist35, der wegen der Beleihung durch eine Bundesbehörde auf Bundesebene anzusiedeln ist. 31
Dazu siehe S. 61. Maurer, AllgVerwR 2006, § 23 Rn. 56; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3 2004, § 90 Rn. 55; Burgi in: Geis/Lorenz, FS für Maurer 2001, 581 (593). Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private 1975, 227–229, sowie das VG Bremen, GewArch 2002, 465 (466), stellen darauf ab, dass das beliehene Unternehmen in eigenem Namen auftritt. 33 BayVGH, DÖV 1975, 210; VG Bremen, NZM 2002, 38. Stelkens sieht jedenfalls vom Bund beliehene Privatpersonen als Bundesoberbehörden an; Stelkens, NVwZ 2004, 304 (307). 34 Maurer, AllgVerwR 2006, § 21 Rn. 32. 35 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private 1975, 229: „Werden juristische Personen oder sonstige Personenverbände des Privatrechts mit staatlichen Funktionen betraut, so wird sich ihr eigenständiger Status in der Regel von selbst verstehen“. 32
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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c) Ergebnis Die privaten, beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registrierten Ethikkommissionen haben den Status von Beliehenen und sind als Verwaltungsträger auf Bundesebene anzusehen. Damit kämen diese Gremien zwar grundsätzlich als Anspruchsgegner eines Staatshaftungsanspruchs in Betracht. Dass beliehene juristische Personen des Privatrechts als „Körperschaften“ im Sinne des Art. 34 S. 1 GG gelten könnten, wird mehrheitlich jedoch abgelehnt.36 Vielmehr soll für den Beliehenen das Gemeinwesen haften, das ihn mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet hat.37 Entscheidend ist vor diesem Hintergrund die verwaltungsorganisatorische Einordnung der privaten Ethikkommissionen als Beliehene auf Bundesebene für die Anwendbarkeit von einfachgesetzlichen Abweichungen von Art. 34 GG. Sieht man die Mitglieder der privaten Ethikkommissionen als „Bundesbeamte“ an, ist auf sie das Reichsbeamtenhaftungsgesetz anwendbar.38 Somit wird vor der Frage, welche Körperschaft für sie haftet, zu prüfen sein, ob sie als Gebührenbeamte nicht von der Staatshaftung ganz ausgeschlossen sind.39
36 Nach herrschender Ansicht sind mit dem Wort Körperschaften seit jeher nur öffentlich-rechtliche Organisationen gemeint: RGZ 142, 190 (194) für Art. 131 WRV; BGHZ 2, 350 (355); BGHZ 149, 108 (115/116); Michaelis, Der Beliehene 1969, 201; Dagtoglou in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 232; Hamann/Lenz, Das Grundgesetz 1970, Art. 34 Anm. B 8; Kühlhorn, Haftung für die durch Verwaltungshilfe Privater entstandenen Schäden 1972, 60; Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 65; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 114; Wurm in: Staudinger, BGB 2007, § 839 Rn. 50; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 363. Dass privatrechtliche Körperschaften auch von Art. 34 GG erfasst werden, vertritt Huber, DVBl. 1952, 456 (460). Frenz, Staatshaftung in Beleihungstatbeständen 1992, 138, schließt sogar die Anwendung von Art. 34 GG auf beliehene natürliche Personen nicht aus, indem er das Wort Körperschaft als „Hoheitsträger“ deutet (133); Ablehnend zu Frenz ausführlich Defren, Der haftungsrechtliche Beamtenbegriff 2002, 109, der wie Ossenbühl insbesondere darauf abstellt, es wäre zweckwidrig, dem Geschädigten den zahlungskräftigsten Schuldner, den Staat, zu entziehen. 37 BGHZ 49, 108 (116); BGHZ 122, 85 (88); BGHZ 147, 169 (171–176); NVwZ-RR 2002, 168 (169). 38 Siehe S. 127. 39 Siehe S. 158–163.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
2. Bei Ärztekammer, staatlicher Universität oder einem Land angesiedelt Für die öffentlich-rechtlich gebildeten und von einer Ärztekammer, Universität oder direkt vom Land errichteten Ethikkommissionen ist zu untersuchen, ob sie als Verwaltungsträger, eigenständige Behörde oder Behördenteil einzustufen sind. a) Verwaltungsträger Voraussetzung für die Qualifizierung als Träger öffentlicher Verwaltung ist nach allgemeiner Auffassung eine juristische Person.40 Dieser Status muss förmlich durch die Verleihung der Rechtsfähigkeit durch das errichtende Gesetz begründet werden.41 Rechtspersönlichkeit ist jedoch keiner öffentlich-rechtlich gebildeten Ethikkommission gesetzlich beigegeben, sodass eine Qualifizierung als juristische Person des öffentlichen Rechts und somit als eigenständiger Verwaltungsträger nicht in Betracht kommt. b) Verwaltungsbehörde Eine Verwaltungsbehörde ist ein Organ eines Verwaltungsträgers, das durch Organisationsrecht gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und aufgrund rechtlicher Zuständigkeitsregelung berufen ist, unter eigenem Namen nach außen eigenständig Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu übernehmen.42 aa) Organ eines Verwaltungsträgers Organe sind sowohl institutionell als auch funktionell zu charakterisieren. Institutionell ist ein Organ eine organisatorisch, aber nicht rechtlich selbständige Einrichtung eines Verwaltungsträgers. Funktionell nimmt das Organ nicht eigene Zuständigkeiten, sondern Zuständigkeiten des Verwaltungsträgers mittels seiner Organwalter wahr.43 Die öffentlich-rechtlichen 40 Maurer, AllgVerwR 2006, § 21 Rn. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3 2004, § 83 Rn. 93 m. w. N., wenn auch nach dessen „Neukonzeption“ des Verwaltungsträgerbegriffs noch strengere Voraussetzungen hinzukommen: § 83 Rn. 104 ff. 41 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3 2004, § 83 Rn. 15. 42 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2 2000, § 45 Rn. 20. Siehe auch BVerwGE 9, 172 (178); Maurer, AllgVerwR 2006, § 21 Rn. 19–24. 43 Siehe dazu Peine, AllgVerwR 2006, Rn. 48.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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Ethikkommissionen werden in den Heilberufsgesetzen der Länder und anderen Normtexten zwar nicht ausdrücklich als Organe oder Behörden, sondern, sofern überhaupt eine Benennung erfolgt, als „unselbständige Einrichtungen“ bezeichnet.44 Damit wird immerhin die Zuordnung der Ethikkommission zu der sie errichtenden Körperschaft klargestellt. Dadurch, dass die Ethikkommissionen über eine Geschäftsstelle, einen eigenen Namen und einen Sitz verfügen, können sie zudem als organisatorisch selbständiger Teil der Errichtungskörperschaft qualifiziert werden. Ethikkommissionen nehmen für die Errichtungskörperschaften deren Aufgaben der Forschungsüberwachung bzw. Aufgaben der Selbstverwaltung wahr. Sowohl institutionell als auch funktionell sind sie somit als Organe ihrer Errichtungskörperschaften anzusehen. bb) Durch Organisationsrecht errichtet Organisationsrecht ist das Recht der Bildung, Errichtung, Strukturierung, Änderung und Aufhebung von Verwaltungsträgern und ihrer Organe.45 Die bei einer Ärztekammer, einer staatlichen Universität oder bei einem Land angesiedelten Ethikkommissionen beruhen auf einer landesrechtlichen Grundlage, nämlich jeweils auf Kammer-, Satzungs- oder sonstigem öffentlichen Organisationsrecht. Dieses regelt die Aufgaben, die Zuständigkeiten, den inneren Aufbau, die Wahl der Mitglieder und das einzuhaltende Verfahren.46 cc) Vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig Die öffentlich-rechtlich gebildete Ethikkommission hat einen in der Satzung festgelegten Namen. Die Mitglieder wechseln in regelmäßigen Abständen, die Ethikkommission wird daraufhin aber nicht neu errichtet. Sie behält ihren Namen, ihren Sitz, ihre Geschäftsstelle unabhängig davon, wer ihre Mitglieder sind. Die Ethikkommission besteht also unabhängig von den Amtsinhabern.
44 Siehe z. B. § 5 HeilBerKG Baden-Württemberg; § 4 c Berliner Kammergesetz; § 7 HeilBerG Brandenburg; § 15 a HmbKHG; § 17 a ThürHeilbG; Fundstelle jeweils Teil 1, Fn. 100. 45 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3 2004, § 80 Rn. 69. 46 Siehe S. 37–40.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
dd) Zur eigenständigen Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gesetzlich berufen Die Zuständigkeit der Ethikkommissionen für die Beurteilung von klinischen Arzneimittelprüfungen ergibt sich aus § 40 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 42 Abs. 1 S. 1 AMG. Für die Beurteilung von Medizinprodukteprüfungen ergibt sich die Zuständigkeit aus § 20 Abs. 7 S. 1 MPG in Verbindung mit der Registrierung. ee) In eigenem Namen handelnd Das Unterscheidungskriterium für Verwaltungsbehörden gegenüber anderen Organisationseinheiten der Verwaltung ist die Tätigkeit nach außen in eigenem Namen, also ihr Auftreten gegenüber dem Bürger. Demgemäß sind unselbständige Stellen wie Referate, Dezernate, Dienststellen, Projektgruppen etc. keine Behörden, sondern Teile der jeweiligen übergeordneten Behörde.47 Ob die Ethikkommissionen nun im Falle des ablehnenden Votums nach § 20 Abs. 7 S. 1 MPG schlicht-hoheitlich handeln oder ansonsten Verwaltungsakte erlassen – immer treten sie unter eigenem Namen gegenüber dem Bürger auf. Der Durchführende des Vorhabens stellt durch seinen Antrag den Kontakt zur Ethikkommission selbst her und bekommt die Ergebnisse der Begutachtung nicht nur über die genehmigende Behörde, sondern auch von der Ethikkommission direkt mitgeteilt. Die Tätigkeit der Ethikkommission ist damit auch immer nach außen gerichtet. c) Statusänderung durch Registrierung bei der Bundesoberbehörde? Als Einwand gegen die Einordnung als unmittelbare oder mittelbare Landesbehörden könnte vorgebracht werden, dass sich die Zuordnung zu einem Landesverwaltungsträger durch die Registrierung nach § 20 Abs. 8 S. 2 MPG ändere. Die Registrierung stellt jedoch lediglich eine Aufgabenzuweisung dar, nicht die Errichtung der Ethikkommission als Bundesbehörde. § 20 MPG setzt eine schon bestehende Ethikkommission voraus. Die Aufgabenzuweisung stellt in diesem Fall zudem deshalb keine Beleihung dar, da die landesrechtlich errichteten Ethikkommissionen, wie gezeigt, keine Privatpersonen sind. Die Zuweisung der Aufgabe bzw. Zulassung zur Aufgabenerfüllung ändert nichts an der organisatorischen Eingliederung in das Land oder die landesunmittelbare Körperschaft. 47
Peine, AllgVerwR 2006, Rn. 334.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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d) Ergebnis Öffentlich-rechtlich gebildete Ethikkommissionen sind Behörden der sie errichtenden Verwaltungsträger.48 Dies sind Ärztekammern und staatliche Universitäten sowie im Falle der Ethikkommissionen des Landes Berlin, des Landes Bremen und des Landes Sachsen-Anhalt die Länder selbst. Diese Ethikkommissionen sind alle als Landesbehörden im weiteren Sinne anzusehen. Weder mögliche Legitimationsdefizite noch die Registrierung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ändern etwas an ihrer verwaltungsorganisationsrechtlichen Stellung.
III. Das Problem fehlender demokratischer Legitimation Nach dem in Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Demokratieprinzip bedürfen die Staatsgewalt ausübenden Organe einer Legitimation, die sich auf das Staatsvolk zurückführen lässt.49 Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Als Staatsgewalt in diesem Sinne gilt alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter.50 Dies gilt gleichermaßen für nach außen wirkende Entscheidungen als auch solche, die nur verwaltungsintern die Vorausetzungen für nach außen wirkende Tätigkeit schaffen.51 Ethikkommissionen üben solche Staatsgewalt aus. Wie oben dargestellt, haben ihre Voten nach dem Arzneimittelgesetz sowie zustimmende Voten nach dem Medizinproduktegesetz Verwaltungsaktqualität.52 Dem ablehnenden Votum nach dem Medizinproduktegesetz fehlt es zwar an Außenwirkung, dafür eröffnet es eine Widerspruchsbefugnis der zuständigen Bundesoberbehörde.53 Somit ist es Voraussetzung für eine Entscheidung mit Außenwirkung und stellt ebenfalls die Ausübung von Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG dar.
48 So auch Sobota, AöR 121 (1996), 229 (239); Stamer, Die Ethik-Kommissionen in Baden-Württemberg 1998, 88–110 (95, 110). 49 BVerfGE 77, 1 (40); 83, 60 (71); 93, 37 (66); 107, 59 (87). 50 BVerfGE 47, 253 (273); 77, 1 (40); 83, 60 (73); 93, 37 (68). 51 BVerfGE 93, 37 (68). 52 Siehe S. 52–58. 53 Siehe S. 57.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
1. Die sich aus dem Demokratieprinzip ergebenden Anforderungen an Ethikkommissionen Das Demokratiegebot fordert eine ununterbrochene Legitimationskette vom Staatsvolk zu den handelnden Organen und Amtswaltern.54 Grundsätzlich gilt daher: Die Ausübung von Staatsgewalt ist dann demokratisch legitimiert, wenn sich sowohl die Bestellung der Amtsträger als auch ihr Handeln auf das Staatsvolk zurückführen lassen.55 Die von Rechtsprechung und Literatur unterschiedenen Formen der institutionellen, organisatorischen, sachlich-inhaltlichen und personellen Legitimation haben allerdings keine eigenständige Bedeutung, sondern müssen lediglich im Zusammenwirken das nötige Legitimationsniveau ergeben.56 Entscheidend kommt es darauf an, ob ein hinreichend effektiver Einfluss des Staatsvolkes auf die Ausübung der Staatsgewalt gewährleistet ist.57 Bei der mittelbaren Staatsverwaltung in Selbstverwaltungskörperschaften wie den Ärztekammern und Hochschulen beispielsweise ist die Kette der personellen Legitimation in der Regel unterbrochen. Dies ist mit dem Demokratiegebot grundsätzlich vereinbar. Der Grundsatz der Selbstverwaltung ergänzt den Demokratiegedanken, sofern die Körperschaft so verfasst ist, dass dem demokratischen Prinzip entsprechend den Betroffenen ausreichend Mitspracherechte eingeräumt sind.58 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Mitglieder, das Wahlvolk der Körperschaft, nicht identisch mit dem Staatsvolk sind und daher keine völlig gleichwertige demokratische Legitimation vermitteln können. Folglich ist – insbesondere, wenn auch Entscheidungsbefugnisse gegenüber Dritten übertragen werden sollen – darauf zu achten, dass in anderer Hinsicht dieses strukturelle Demokratiedefizit ausgeglichen wird.59 Das Bundesverfassungsgericht fordert daher zur demokratischen Legitimation von Organen der mittelbaren Staatsverwaltung, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem parlamentarischen Gesetz ausreichend vorher54
BVerfGE 107, 59 (87). BVerfGE 93, 37 (67). 56 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66); 107, 59 (87). 57 BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66/67); 107, 59 (87). 58 BVerfGE 107, 59 (92/93). 59 Im Ergebnis so auch VG Berlin, Vergleich vom 3. Dezember 2004, VG 14 A 114.04, in der schriftlichen Begründung des Vergleichsvorschlags, S. 2–3, in welchem es die Beurteilung klinischer Prüfungen auf Antrag der Sponsoren (also in der Regel Nicht-Kammermitgliedern) nach § 40 AMG n. F. als kammerfremde Aufgabe angesehen hat, die nicht der genuinen Selbstverwaltungsaufgabe zugehörig ist und daher ausdrücklich vom Gesetzgeber der Kammer übertragen werden muss. Siehe zu den Hintergründen des Vergleichs Teil 1, Fn. 10. 55
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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bestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht durch personell demokratisch legitimierte Amtswalter unterliegt.60 Daneben ist zu berücksichtigen, dass dem Demokratiegebot ohnehin ein allgemeiner Gesetzesvorbehalt für die Bildung von Organen insbesondere von unterstaatlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts entspringt.61 Sollen diese Organe zu Grundrechtseingriffen ermächtigt werden, reicht die allgemeine Satzungsautonomie für ihre Errichtung nicht aus; der Inhalt der Satzungen, mit denen neue Organe gebildet werden, muss gesetzlich mindestens umrissen werden.62 Zusammengefasst sind die Anforderungen an die demokratische Legitimation von Ethikkommissionen die folgenden: Die Errichtung, die Aufgaben und die Befugnisse der Ethikkommissionen müssen gesetzlich geregelt sein. In personeller Hinsicht bringen die Ethikkommissionen in doppelter Form ein Legitimationsdefizit mit. Die wenigsten Ethikkommissionsmitglieder werden durch Vertreter der unmittelbaren Staatsverwaltung bestellt. Sie unterliegen zudem als unabhängige so genannte „weisungsfreie“ Gremien allenfalls der Rechts-, nicht aber der Fachaufsicht durch die unmittelbare Staatsverwaltung. Diese fehlende personelle demokratische Legitimation muss ebenfalls der Gesetzgeber ausgleichen. Ein gewisser Einfluss auf die Auswahl der Amtswalter durch das Staatsvolk muss gewahrt bleiben, indem gesetzliche Anforderungen an ihre Qualifikation aufgestellt werden. Die Zusammensetzung der Ethikkommission bedarf daher ebenfalls in Grundzügen einer gesetzlichen Regelung. 2. Legitimationsdefizite der einzelnen Ethikkommissionen Leider verfügen zurzeit nur wenige Ethikkommissionen über die notwendige demokratische Legitimation für die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des Arzneimittel- und des Medizinproduktegesetzes. a) Privatrechtlich gebildete Ethikkommissionen Dieselben, wenn nicht gar strengere Anforderungen des Gesetzesvorbehalts, wie sie eben skizziert wurden, gelten für die Übertragung staat60
BVerfGE 107, 59 (94). Stelkens, LKV 2003, 489 (491); für mittelbare Landes- oder Bundesverwaltung Köttgen VVDStrL 16 (1958), 154 (172). A. A. für Handwerkskammern Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265 (266). 62 Pestalozza in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 119. 61
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
licher Aufgaben auf Private im Wege der Beleihung.63 Hinter diesen Anforderungen bleibt das Medizinproduktegesetz weit zurück. Zwar sind die Aufgaben der Ethikkommissionen im Rahmen der Bewertung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten an sich durch die §§ 19 bis 21 MPG hinreichend beschrieben. An die Übertragung dieser staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr stellt § 20 Abs. 7 MPG mit dem bloßen Registrierungserfordernis zu geringe Anforderungen. Registriert wird nur die beantragende Ethikkommission als Ganzes. Auf die in der registrierten Kommission tätigen Mitglieder hat die beleihende Bundesoberbehörde nicht den geringsten Einfluss. Noch nicht einmal in sachlicher Hinsicht werden Vorgaben gemacht, denn die geforderte Interdisziplinarität der Ethikkommission wird nicht präzisiert. Ein Aufsichtsverhältnis ist ebenfalls nicht normiert. Weder sind die Mitglieder personell legitimiert, noch kann die Aufgabenwahrnehmung von staatlicher Seite kontrolliert werden. Den privatrechtlich gebildeten Ethikkommissionen fehlt es damit an der erforderlichen demokratischen Legitimation für ihr Tätigwerden. b) Ethikkommissionen an Hochschulen Sofern Ethikkommissionen an den medizinischen Fakultäten der Hochschulen allein auf der Grundlage der allgemeinen Satzungsbefugnis der Universität errichtet wurden, mangelt es den Kommissionen schon an einer hinreichenden gesetzlichen Aufgabenzuweisung. Das betrifft die Länder Bremen,64 Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.65 In Baden-Württemberg,66 Hessen,67 Mecklenburg-Vorpommern,68 Sachsen69 und Schleswig-Holstein70 verfügen die universitären Ethikkommissionen zwar immerhin über eine ausdrückliche gesetzliche Errichtungsermäch63 Pestalozza in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 117. 64 Die Ethikkommission der Universität Bremen ist allerdings ohnehin nicht für die Begutachtung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten am Menschen zuständig. 65 Das Hochschulmedizingesetz Sachsen-Anhalt vom 12. August 2005, GVBl. LSA S. 508, enthält zwar in § 1 Abs. 4 eine Verpflichtung zur Errichtung von Ethikkommissionen, überlässt jedoch jede nähere Regelung – auch zum Aufgabenbereich – den universitären Ordnungen. 66 § 5 Abs. 5 HBKG Baden-Württemberg; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 67 § 60 des Hessischen Hochschulgesetzes i. d. F. vom 15. November 2007, GVBl. I S. 710. 68 § 16 a Abs. 5 ÖGDG Mecklenburg-Vorpommern; eingefügt durch Gesetz vom 3. Juli 2006, GVOBl. M-V S. 523. 69 § 5 a Abs. 3 S. 1 SächsHKaG; eingefügt durch Gesetz vom 11. November 2005, SächsGVBl. S. 277.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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tigung und hinreichende Aufgabenzuweisung. Der Mangel an Legitimation in personeller Hinsicht wird durch die sachlichen Regelungen jedoch nicht aufgefangen. In Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern fehlen gesetzliche Anforderungen an die Qualifikation der Mitglieder durch entsprechende Vorgaben für die Zusammensetzung völlig; dies wird dem Satzungsgeber überlassen.71 Die schleswig-holsteinische Regelung sieht vor, dass mindestens ein Apotheker Mitglied der Ethikkommission sein solle. Diese Vorgabe reicht jedoch nicht aus, um die Interdisziplinarität der Ethikkommission näher zu umschreiben, da die Qualifikationen der übrigen Mitglieder immer noch im Dunkeln bleiben. Den Anforderungen des Demokratiegebots entsprechen danach lediglich die universitären Ethikkommissionen in Bayern,72 Berlin,73 NordrheinWestfalen74 und Thüringen.75 In Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Saarland existieren keine an medizinischen Fakultäten eingerichteten Ethikkommissionen. c) Ethikkommissionen an Ärztekammern Die Ärztekammern verfügen allesamt über eine ausreichende gesetzliche Grundlage zur Einrichtung einer Ethikkommission. Das Heilberufekammergesetz Sachsen-Anhalt76 enthält jedoch keine ausdrückliche Aufgabenzuweisung für die Beurteilungen nach dem Arzneimittel- oder Medizinproduktegesetz. Auch den Ethikkommissionen der Ärztekammern in Mecklenburg-Vorpommern77 und Saarland78 fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Aufgabenzuweisung, jedenfalls für Prüfungen nach 70 § 6 Abs. 6 Heilberufgesetz Schleswig-Holstein; eingefügt durch Gesetz vom 11. Dezember 2007, GVOBl. Schl.-H. S. 487. 71 Großzügiger diesbezüglich Pestalozza in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 128. 72 Art. 29 a BayGDVG; eingefügt durch Gesetz vom 24. Dezember 2005, GVBl. S. 648. 73 § 4 c Abs. 3 BerlKammerG; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 74 § 7 Abs. 7 HeilberG; eingefügt durch Gesetz vom 1. März 2005, GV. NRW. S. 148. 75 § 17 g Thüringer HeilberufeG; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 76 § 5 Abs. 2 KGHB-LSA; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 77 § 7 Abs. 1 HeilBerG M-V weist den Ethikkommissionen „Beratung in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen“ zu, zu beachten sei dabei die Aufgabenzuweisung des § 16 a ÖGDG M-V, wonach für Aufgaben nach dem Arzneimittelgesetz die universitären Ethikkommissionen zuständig sind; Fundstellen siehe Teil 1, Fn. 100 und Fn. 101. 78 Nach § 5 Abs. 1 S. 1 2. HS SHKG; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100, habe die Ethikkommission „insbesondere“ Aufgaben nach dem Arzneimittelgesetz wahr-
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
dem Medizinproduktegesetz. Damit ist für diesen Aufgabenbereich der Ethikkommissionen dem Demokratiegebot schon in sachlicher Hinsicht nicht Genüge getan. Zudem gilt: Werden die Mitglieder nicht durch eine personell demokratisch legitimierte Person bestellt, fehlt ihnen die personelle demokratische Legitimation. Wenn die gesetzliche Errichtungsermächtigung dann keine näheren Vorgaben zur Zusammensetzung der Ethikkommission macht, wird das Legitimationsdefizit nicht ausgeglichen. Dies ist in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein der Fall.79 Demokratisch ausreichend legitimiert sind danach lediglich die Ethikkommissionen der Ärztekammern in Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen.80 In Berlin und in Bremen ist die jeweilige Ethikkommission der Ärztekammer weder für Beurteilungen nach dem Arzneimittel- noch nach dem Medizinproduktegesetz zuständig. d) Ethikkommissionen auf Landesebene Bei den Ethikkommissionen, die auf Landesebene angesiedelt sind, ist die personelle demokratische Legitimation unproblematisch gegeben, da die Mitglieder ihr Amt von demokratisch legitimierten Personen verliehen bekommen. Dennoch ist damit allein dem Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG nicht Genüge getan. In sachlicher Hinsicht sind zwar womöglich weniger detaillierte Regelungen ausreichend. Wenigstens für die Aufgabenzuweisung, also für die Bestimmung der Zuständigkeit, muss aber eine gesetzliche Regelung getroffen werden. Diese Anforderung erfüllen die Ethikkommission des Landes Berlin81 sowie die Ethikkommission des Landes Bremen vollständig.82 zunehmen – der Tätigkeitsbereich im Übrigen ist vollständig dem Satzungsgeber überlassen. 79 § 5 Abs. 2 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg, § 10 Abs. 2 HKG Niedersachsen und § 5 a Abs. 2 SächsHKaG überlassen die Fragen der Zusammensetzung der Ethikkommission dem Satzungsgeber. § 6 Abs. 3 HBKG SchleswigHolstein fordert lediglich einen Apotheker als Mitglied; zu den jeweiligen Fundstellen siehe Teil 1, Fn. 100. Wie auf S. 69 erläutert, reicht diese Vorgabe nicht aus, um die fehlende personelle Legitimation der Mitglieder auszugleichen. 80 Zu den Fundstellen der jeweiligen Rechtsgrundlagen siehe Teil 1, Fn. 100. 81 Gesetz zur Errichtung einer Ethikkommission des Landes Berlin vom 7. September 2005, GVBl. S. 466. 82 § 30 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Lande Bremen (Gesundheitsdienstgesetz – ÖGDG) vom 27. März 1995, Brem.GVBl. S. 175.
A. Rechtliche Einordnung der Ethikkommissionen
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Für die Ethikkommission des Landes Sachsen-Anhalt gar bestand bis zum August 2007 noch keine gesetzliche Grundlage.83 Die Verordnung, aufgrund derer sie Ende 2005 errichtet wurde, gibt als Ermächtigungsgrundlage § 42 Abs. 1 S. 3 AMG an.84 Diese Norm setzt jedoch nach Landesrecht gebildete Ethikkommissionen voraus und ermächtigt nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, zu ihrer Errichtung. Auch in systematischer Hinsicht wäre eine Verordnungsermächtigung an dieser Stelle seltsam. § 42 AMG enthält in Absatz 3 eine ausdrückliche Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung, so dass eine Verordnungsermächtigung an die Landesregierung schwerlich in einem Nebensatz versteckt worden wäre. Nach der Kritik an der fehlenden Verordnungsermächtigung in der Literatur85 schob der Landesgesetzgeber Sachsen-Anhalt mit § 27 c ÖGDG LSA eine Ermächtigungsgrundlage nach. Hier wird das zuständige Ministerium zur Errichtung einer Ethikkommission im Sinne des § 42 AMG im Verordnungswege ermächtigt. Weitere Vorgaben werden nicht gemacht, aber da die Aufgabenzuweisung jedenfalls gesetzlich vorgegeben ist, genügt die Ethik-Kommission des Landes Sachsen-Anhalt nunmehr wohl den Anforderungen an demokratische Legitimation. 3. Folgen fehlender demokratischer Legitimation Fehlende demokratische Legitimation einer Ethikkommission führt zwar nicht dazu, dass ihr die Behördeneigenschaft abgesprochen werden könnte. Auch wenn die Errichtung fehlerhaft war, sind nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft in Erscheinung getretene Behörden gleichwohl existent. Allerdings sind ihre Maßnahmen wegen Verstoßes gegen die Zuständigkeitsordnung rechtswidrig.86 Geben zum Beispiel die an Ärztekammern angesiedelten Ethikkommissionen ohne ausreichenden gesetzlichen Auftrag Voten über klinische Prüfungen von Arzneimitteln ab, handeln sie außerhalb ihres gesetzlichen Zuständigkeitsbereiches. Bei mängelbehafteten Rechtsgrundlagen für das Tä83
§ 27 c des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen-Anhalt (Gesundheitsdienstgesetz – GDG LSA) vom 21. November 1997, GVBl. LSA, S. 1023 wurde erst durch Gesetz vom 10. August 2007, GVBl. LSA, S. 306 eingefügt. 84 So die Präambel der Verordnung über Ethik-Kommissionen zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln (Ethik-Kom-VO LSA) vom 19. Dezember 2005, GVBl. LSA S. 755. 85 Pestalozza, LKV 2006, 255 (Fn. 4) hielt die Verordnung mangels gesetzlicher Ermächtigung für verfassungswidrig. § 42 AMG stelle keine, jedenfalls keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage dar. 86 Stelkens, LKV 2003, 489 (495).
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
tigwerden sind die Voten der Ethikkommission schon aus diesem Grund und unabhängig von ihrem Inhalt rechtswidrig. Dies wird bei der Prüfung eines Staatshaftungsanspruchs zu beachten sein.87
B. Dogmatische Überlegungen zu Art. 34 GG I. Art. 34 GG als Überleitungsnorm Art. 34 Satz 1 GG lautet: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.
Dem Wortlaut der Norm ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie aus sich heraus schon eine Haftung für Amtspflichtverletzungen begründet oder ob sie eine Haftungsüberleitungsnorm darstellt. Das Wort „Verantwortlichkeit“ kann unterschiedlich interpretiert werden. Läse man Verantwortlichkeit schlicht als „Schadensersatzpflicht“, so träfe unter den in Art. 34 GG genannten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht den Staat oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft. Daher wurde vereinzelt vertreten, Art. 34 GG begründe selbständig eine unmittelbare Haftung des Staates für amtspflichtwidriges Handeln seiner Amtswalter.88 Versteht man jedoch unter Verantwortlichkeit „seine Verantwortlichkeit“, also eine Schadensersatzpflicht des handelnden „Jemand“, so trifft dessen Schadensersatzpflicht unter den in Art. 34 GG genannten Voraussetzungen den Staat oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft. So gelesen, ordnet Art. 34 Satz 1 GG eine Überleitung der an sich den Handelnden treffenden Ersatzpflicht an. Diese ist von Haftungsrecht außerhalb des Art. 34 GG abhängig. Für die letztere Lesart und gegen die Annahme einer unmittelbaren Staatshaftung spricht die Entstehungsgeschichte des Art. 34 GG. Die Norm steht in der Tradition vorkonstitutioneller Haftungsüberleitungsnormen. 87
Siehe dazu unter anderem S. 133. Bettermann, JZ 1961, 482 (482/483), plädiert für eine Deutung des Art. 34 GG als unmittelbare Verbandshaftung, als öffentlich-rechtliches Gegenstück zu §§ 31, 89 BGB. In Bettermann, DÖV 1954, 299 (304), hatte er zwar noch gesagt, Art. 34 bestimme lediglich das Rechtssubjekt, dem die Ansprüche zuzurechnen seien, in JZ 1961, 482 (482), meint er jedoch, diese Auffassung entspräche nicht einem modernen Verständnis von Staatshaftung. Auch Jarass in: Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 1 sieht in Art. 34 eine anspruchsbegründende Norm, die lediglich einfachgesetzlich konkretisiert wird. 88
B. Dogmatische Überlegungen zu Art. 34 GG
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Dass jeweils nur die Haftung der handelnden Person auf den Staat übergeleitet wurde, der Staat aber nicht unmittelbar für rechtswidriges Verhalten haftete, lag in den Rechtsauffassungen des 19. Jahrhunderts begründet. Seinerzeit war die Auffassung vorherrschend, ein rechtswidrig und damit außerhalb seines Mandates handelnder Beamter handele als Privatmann und müsse daher auch persönlich für die daraus erwachsenden Schäden heranzuziehen sein.89 Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 wurde diese Auffassung in § 839 BGB reichseinheitlich kodifiziert: (1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht in anderer Weise Ersatz zu erlangen vermag. (2) . . .
Allerdings bestanden schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts gegen die persönliche Haftung der Beamten Bedenken. Zum einen würde dem Gläubiger so der solventeste Schuldner, der Staat, entzogen.90 Zum anderen sei der Staat als juristische Person allein durch seine Beamten handlungsfähig. Für 89 Sog. Mandatstheorie, Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 1; ausführliche Nachweise bei Kohl, Die Lehre von der Unrechtsunfähigkeit des Staates 1977, 78–80. Diese Auffassung schlug sich in verschiedenen Gesetzen nieder: §§ 88, 89 in Zweyter Theil, Zehnter Titel des Preuß. ALR von 1794 bestimmte wie folgt: „§ 88. Wer ein Amt übernimmt, muß auf die pflichtmäßige Führung desselben die genaueste Aufmerksamkeit wenden. § 89. Jedes dabey begangene Versehen, welches bey gehöriger Aufmerksamkeit, und nach den Kenntnissen, die bey der Verwaltung des Amts erfordert werden, hätte vermieden werden können, muß er vertreten.“ Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863/1865 sah vor: „§ 1506. Wer durch absichtliche Verschuldung oder grobe Fahrlässigkeit eines richterlichen Beamten bei Verhandlung oder Entscheidung eines Rechtsstreites, oder in Geschäften der freiwilligen Gerichtsbarkeit Schaden erleidet, kann dessen Ersatz von dem schuldigen Beamten fordern. Dieser Anspruch fällt weg, wenn der Verletzte Rechtsmittel nicht gebraucht hat, durch welche er die ihm Schaden bringende richterliche Handlung hätte abwenden können. § 1507. Von dem Staate oder von Gemeinden angestellte Verwaltungsbeamte haften für den Schaden, welchen sie bei Behandlung der ihnen obliegenden Geschäfte absichtlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursachen, ausgenommen wenn der Beschädigte unterlassen hat, die gesetzlichen Mittel zu gebrauchen, durch welche er die Schadenszufügung hätte abwenden können.“ § 13 des „Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten“ vom 31. März 1873, RGBl. 1873 S. 61, lautete: „Jeder Reichsbeamte ist für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen Handlungen verantwortlich.“ 90 Sundheim, Ueber Schadensstiftung durch Staatsbeamte 1827, 1; siehe auch die weiteren Nachweise bei Gehre, Die Entwicklung der Amtshaftung in Deutschland 1958, 63–82.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
diesen Fall der notwendigen Repräsentation müsse deren rechtswidriges Verhalten eigentlich ihm zuzurechnen sein.91 Im Bereich des Grundbuchrechts bestanden einige Regelungen, die eine Haftung des Staates bestimmten.92 Bei Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches wollte der Reichsgesetzgeber jedoch öffentlich-rechtliche Regelungen vermeiden.93 Ohnehin hätte es für eine Einführung einer Staatshaftung für Landes- und Kommunalbeamte an der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz gefehlt.94 Der landesgesetzlichen Einführung einer Haftungsüberleitung oder einer ausschließlichen Staatshaftung sollten durch § 839 BGB aber auch keine Steine in den Weg gelegt werden: Art. 77 EGBG bestimmt: Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die Haftung des Staates, der Gemeinden und anderer Kommunlaverbände (Provinzial-, Kreis-, Amtsverbände) für den von ihren Beamten in Ausübung der diesen anvertrauten öffentlichen Gewalt zugefügten Schaden sowie die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Recht des Beschädigten, von dem Beamten den Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen, insoweit ausschließen, als der Staat oder Kommunalverband haftet.
Die Vorschrift stellt somit zum einen das Fortbestehen entsprechender landesrechtlicher Überleitungs- oder Ausfallregelungen klar95 und gestattet zum anderen sogar den landesrechtlichen Ausschluss der persönlichen, zi91 Sundheim, Ueber Schadensstiftung durch Staatsbeamte 1827, 2; Zachariä, ZgS 19 (1863), 582 (619). 92 § 29 der Preußischen Grundbuchordnung von 5. Mai 1872 lautete: „Die Beamten des Grundbuchamtes haften für jedes Versehen bei Wahrnehmung ihrer Amtspflichten, soweit für den Beschädigten von anderer Seite der Ersatz nicht zu erlangen ist. Soweit der Beschädigte nicht im Stande ist, Ersatz seines Schadens von dem Grundbuchbeamten zu erhalten, haftet ihm für denselben der Staat.“ § 12 der Reichsgrundbuchordnung vom 24. März 1897, RGBl. 1897 S. 139, lautete: „Verletzt ein Grundbuchbeamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegende Amtspflicht, so trifft den Beteiligten gegenüber die im § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienste der Beamte steht. Das Recht des Staates oder der Körperschaft, von dem Beamten Ersatz zu verlangen, bleibt unberührt.“ 93 Die Frage nach Haftung des Staates für die Ausübung öffentlicher Gewalt durch seine Beamten wurde als rein öffentlich-rechtliche Frage angesehen; den Motiven lässt sich entnehmen, dass nicht dem Privatrecht angehörene Fragen von § 736 (später § 839) BGB „selbstverständlich“ unberührt blieben; siehe Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, II. Band 1899, 462. Demgegenüber war für die Haftung des Staates für fiskalisches Handeln der Beamten („Ausübung privatrechtlicher Vertretungsmacht“) im 1. Entwurf § 46 (später §§ 31, 89) BGB vorgesehen. 94 BVerfGE 61, 149, 179; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 9. 95 Württemberg, Baden, Bayern und Preußen regelten die Haftungsüberleitung auf den Staat; so Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 9.
B. Dogmatische Überlegungen zu Art. 34 GG
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vilrechtlichen Haftung des Beamten in den Fällen unmittelbarer Staatshaftung.96 In Preußen trat 1909 ein Beamtenhaftungsgesetz97 in Kraft, welches Vorbild für das Reichsgesetz für die Haftung des Reichs für seine Beamten98 vom 22. März 1910 war. § 1 Abs. 1 des preußischen BHaftG und des ReichsBHaftG lauteten: (1) Verletzt ein unmittelbarer Staatsbeamter [Im Reichsgesetz: ein Reichsbeamter (§ 1 des Reichsbeamtengesetzes)] in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtpflicht, so trifft die in § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat [im Reichsgesetz: das Reich].
Den Abschluss dieser Entwicklung bildete Art. 131 der Reichsverfassung vom 11. August 191999, der in Anlehnung an das preußische Beamtenhaftungsgesetz und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz die Haftungsübernahme nunmehr reichseinheitlich anordnete und zudem der Regelung den Rang einer verfassungsrechtlichen Garantie verlieh. Die Bezugnahme auf § 839 BGB fehlt hier jedoch. (1) Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden. (2) Die nähere Regelung liegt dem zuständigen Gesetzgeber ob.
Art. 131 WRV wurde von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Der Kreis der Haftungsübernahme umfasste Amtspflichtverletzungen aller Personen, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt betraut waren.100 Die Ausübung öffentlicher Gewalt wurde aber zudem nicht nur als Ausübung staatlicher Zwangsbefugnisse, sondern auch als Ausübung anderer der Erfüllung staatlicher Aufgaben dienender Tätigkeiten ausgelegt.101 96
Merten in: Staudinger, EGBGB 2005, Art. 77 Rn. 2. Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung öffentlicher Gewalt vom 1. August 1909, Gesetzessammlung S. 691. 98 RGBl. 1910 S. 798. 99 RGBl. 1919 S. 1383. 100 Jaenicke in: Mosler, Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe 1964, 69 (77). Damit übernahm die Rechtsprechung den weiten Beamtenbegriff des § 839 BGB, siehe S. 85–89. 101 Z. B. RGZ 101, 354 (356). Der Soldat, der im Dienstzimmer seine Waffe entlädt, erfülle seine Dienstpflicht, seine Waffen zu versorgen, und befinde sich somit „im Dienst“. Mit dem Dienst in ursächlichem Zusammenhang stehende Tätigkeiten wurden vom Gericht als Ausübung „öffentlicher Gewalt“ angesehen. 97
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
Dieser Entwicklung wurde im Wortlaut des Art. 34 GG Rechnung getragen.102 Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
Der Grundgesetzgeber übernahm damit die aus der Ablehnung der Verbandshaftung entstandene mittelbare Haftung des Staates bei öffentlichrechtlichen Amtspflichtverletzungen seiner Beamten.103 Es handelt sich bei Art. 34 Satz 1 GG also nicht um einen unmittelbaren Staatshaftungsanspruch, sondern um eine Verlagerung der aufgrund anderer Normen begründeten Haftung auf den Staat.
II. Die vermeintliche Anbindung an § 839 BGB Welcher Schadensersatzanspruch im Einzelnen zur Überleitung in Betracht kommt, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Art. 34 GG. Schon Art. 131 WRV bestimmte lediglich, dass die „Verantwortlichkeit“ den Staat treffen sollte. Der Zusatz „die in § 839 BGB bestimmte“ aus dem preußischen Gesetz von 1909 und dem Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 taucht in Art. 131 WRV und Art. 34 GG nicht auf. Eindeutige Stellung bezieht jedoch Ossenbühl, indem er sagt: „Wenn Art. 34 GG von Verantwortlichkeit spricht, ist damit die in § 839 BGB bestimmte Verantwortung gemeint.“104 Der Grund seiner Auffassung wird von ihm im Folgenden zwar nicht näher erläutert105, jedoch kann man annehmen, dass er aus historischen Erwägungen zu diesem Schluss gelangt. So begründet auch von Brünneck die Annahme eines alleinigen Anschlusses des Art. 34 GG an § 839 BGB damit, dass der Begriff der Verantwortlichkeit aufgrund der Vorgeschichte des Art. 34 GG so zu interpretieren sei.106 Diese enge Auslegung des Verantwortlichkeitsbegriffs wird vor dem Hintergrund verständlich, dass bei der Formulierung des Art. 131 WRV und 102
Änderungen kursiv hervorgehoben. BVerfGE 61, 149 (198) – Entscheidung vom 19. Oktober 1982 über die Nichtigkeit des Staatshaftungsgesetzes. 104 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 11 oben. 105 Ebenso wenig erläutern Wurm in: Staudinger, BGB 2007, § 839 Rn. 9, Jarass in: Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 1, und Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG 2004, Art. 34 Rn. 13, ihre alleinige Bezugnahme auf § 839 BGB. 106 von Brünneck in: Denninger, AK-GG 2001, Art. 34 Rn. 57. 103
B. Dogmatische Überlegungen zu Art. 34 GG
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des Art. 34 GG tatsächlich an § 839 BGB gedacht wurde.107 Allerdings bringen die Normen dies in ihrem gestutzten Wortlaut nicht mehr zum Ausdruck, so dass aus diesem Blickwinkel der Weg für die Überleitung der Haftung auch aus anderen Normen auf den Staat an sich frei steht.108 Dementsprechend bekundete schon 1959 der Bundesgerichtshof anlässlich der Beurteilung eines Verkehrsunfalls eines Postbeamten, bei der Bestimmung des Umfanges der Staatshaftung nach Art. 34 GG müsse „auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zurückgegriffen werden, zu denen neben § 839 BGB auch § 18 StVG gehört.“109 Das Gericht wies darauf hin, dass es dem Schutzzweck des Art. 34 GG widerspräche, wenn bei einer Handlung, die eine Amtspflichtverletzung im Sinne des Art. 34 GG darstelle, aber mangels nachgewiesenem Verschulden nicht dem § 839 BGB, sondern nur dem § 18 StVG unterfalle, nicht die für den Bürger günstige Überleitung auf den leistungsfähigen Staat zum Zuge kommen sollte. Art. 34 GG enthalte den allgemeinen Grundsatz, dass die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die öffentlich-rechtliche Körperschaft trifft, wenn jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt.110 Damit hat das Gericht „Verantwortlichkeit“ i. S. des Art. 34 Satz 1 GG als eine den Amtswalter aus zivilrechtlichen Vorschriften treffende Schadensersatzpflicht interpretiert. In der Tat wiegt das teleologische Argument, auf den Schutzzweck des Art. 34 GG abzustellen, bei der Interpretation des Begriffs der Verantwortlichkeit schwer. Folgte man den Anhängern der historischen Auslegung, würde der Begriff auf eine einzige Norm des Bürgerlichen Gesetzbuches verkürzt. Sieht man aber in der verfassungsrechtlichen Haftungsüberleitung einen Ausdruck des Rechtsstaatsgedankens, bei ausgeweiteter Staatstätigkeit deren Risiken nicht den zufällig betroffenen Beamten oder den Geschädigten zu überlassen, sondern der Allgemeinheit aufzuerlegen111, erscheint die volle Ausschöpfung der Weite des Begriffs Verantwortlichkeit sogar geboten. Art. 34 GG meint mit Verantwortlichkeit also nicht lediglich eine den Amtswalter nach § 839 BGB treffende Haftung. Das Seil zu § 839 BGB ist schon seit der Entstehung der Vorgängernorm Art. 131 WRV gekappt. 107
Siehe oben zur Entstehungsgeschichte. Jellinek, JZ 1955, 147 (149), sowie Pestalozza in: Brink/Wolff, FS für v. Arnim 2004, 283 (289). 109 BGH, JZ 1960, 174 (175), rechte Spalte. Das Urteil offensichtlich im Sinn bezeichnen Bryde in: Münch/Kunig, GG Bd. 2 2001, Art. 34 Rn. 1 und 11, sowie Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 11, mit Verantwortlichkeit „§ 839 BGB oder andere vergleichbare Normen wie § 18 StVG“. 110 BGH, JZ 1960, 174 (175, rechte Spalte, Mitte). 111 So selbst der Befürworter der historischen Auslegung, von Brünneck in: Denninger, AK-GG 2001, Art. 34 Rn. 25 und 30. 108
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
III. Kein Verschulden des Amtsträgers erforderlich Die Anzahl der denkbaren überzuleitenden Schadensersatzpflichten könnte durch die Überlegung verringert werden, Art. 34 GG ermögliche nur die Überleitung verschuldensabhängiger Haftungspflichten des Amtswalters. Es ist daher zu prüfen, ob Art. 34 GG eine schuldhafte Verletzung von Amtspflichten voraussetzt oder nicht. Art. 34 Satz 1 GG sagt nicht ausdrücklich etwas von Verschulden. Auch aus Art. 34 Satz 2 GG kann nicht gefolgert werden, dass zumindest leichte Fahrlässigkeit des Amtswalters gegeben sein müsse, denn dieser Satz nennt die Voraussetzungen des Regresses, nicht die der Überleitung.112 Dem Wortlaut nach konstituiert Art. 34 Satz 1 GG somit kein Verschuldenserfordernis.113 Bettermann ist dennoch der Ansicht, Art. 34 GG setze ein Verschulden des Amtsträgers voraus.114 Auch der Bundesgerichtshof scheint dieser Meinung zu sein, da er die Überleitung einer Ersatzpflicht aus vermutetem Verschulden des Fahrzeugführers gemäß § 18 StVG bejaht, eine Überleitung der vom Verschulden völlig unabhängigen Haftung des Fahrzeughalters aus § 7 StVG jedoch ablehnt.115 Während der Bundesgerichtshof für ein Verschuldenserfordernis aus Art. 34 GG keine Begründung liefert, führt Bettermann aus, der Begriff „Verantwortlichkeit“ in Art. 34 Satz 1 GG „erschöpft sich nicht in der Schadenshaftung“. Eine solche Interpretation ist jedoch nur schwer nachvollziehbar. Warum sollte aus dem bloßen Erfordernis eines Einstehenmüssens, eines Verantwortlichseins eine Aussage darüber gefolgert werden können, dass die dazu führende Handlung schuldhaft erfolgte? Auch der aus Gefährdungshaftung schuldlos Pflichtige ist für den Schaden „verantwortlich“. „Verantwortung“ in Art. 34 Satz 1 GG kann nicht mehr meinen als die Haftung des Amtsträgers für einen Schaden – aus welchen Gründen auch immer sie besteht. 112 Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 217; Pestalozza in: Brink/Wolff, FS für v. Arnim 2004, 283 (288). 113 Dagtoglou in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 38; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 217; Bonk in: Sachs, GG 2007, Art. 34 Rn. 83; von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn. 95; und so auch Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 2004, Art. 34 Rn. 15, demnach Art. 34 GG in den Fällen der Überleitung der Beamtenhaftung einem Verzicht auf das Verschuldensprinzip nicht entgegenstünde. 114 Bettermann, DÖV 1954, 299 (304 linke Spalte Mitte). 115 BGH, JZ 1960, 174 (175). Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB und die übrigen Haftungsbeschränkungen des § 839 BGB hält das Gericht gleichwohl auch auf eine Haftung aus § 18 StVG für anwendbar.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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Auch wird von niemandem sonst ausdrücklich behauptet, Art. 34 GG selbst enthalte ein Verschuldenserfordernis. Wird dennoch angenommen, dass die Haftungsüberleitung auf schuldhafte Amtspflichtverletzungen begrenzt sei, so wird dies mit der vermeintlich exklusiven Anbindung des Art. 34 GG an § 839 BGB erklärt.116 Damit wird jedoch implizit ausgesagt, dass nicht Art. 34 GG die Schuldhaftigkeit der Amtspflichtverletzung anordnet. Ein Verschuldensprinzip117 bei der Überleitung der Schadensersatzpflicht des Amtsträgers kann also nur so lange angenommen werden, wie man davon ausgeht, dass sich Art. 34 GG allein auf § 839 BGB bezieht. Dass und warum Art. 34 GG nicht an § 839 BGB angebunden ist, wurde schon im vorherigen Abschnitt dargelegt.118 Prinzipiell ist damit eine Überleitung auch von Schadensersatzpflichten denkbar, die bei schuldlosem Handeln des Amtsträgers entstehen, sofern dieses die übrigen Voraussetzungen des Art. 34 Satz 1 GG erfüllt.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch Fehlerhaftes Verhalten von Ethikkommissionen kann verschiedene Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz oder Entschädigung erfüllen. Neben § 839 BGB sind andere Normen des Deliktsrechts oder der Gefährdungshaftung denkbar, die sich gegen den Amtsträger richten. Ob diese Ansprüche nach Art. 34 Satz 1 GG übergeleitet werden, hängt von ihrem Konkurrenzverhältnis untereinander ab. Aber auch § 1 StGH-DDR, Aufopferung, enteignungsgleicher Eingriff oder der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch kommen bei fehlerhaftem Verhalten von Ethikkommissionen in Betracht. Sofern man den Begriff der Verantwortlichkeit entsprechend weit auslegt, könnten auch diese unmittelbaren Staatshaftungsansprüche gemäß Art. 34 Satz 1 GG sozusagen „weitergeleitet“ werden. Die zur Überleitung nach Art. 34 Satz 1 GG in Betracht kommenden Ansprüche werden im Folgenden einzeln genauer betrachtet. 116 So die ausdrückliche Erläuterung bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 72; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 179; von Brünneck in: Denninger, AK-GG 2001, Art. 34 Rn. 57; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 218; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 282; und so implizit auch die anderen, nach denen Art. 34 GG mit § 839 BGB zusammen zu lesen ist, wie etwa Bryde in: Münch/Kunig, GG Bd. 2 2001, Art. 34 Rn. 7; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB Bd. 2 2008, § 839 Rn. 77; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 14/15; von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn. 55/95. 117 Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 22. 118 Siehe S. 76.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
I. § 839 BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB lautet: Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Bei unbefangenem Lesen des Wortlauts stellt sich die Frage, ob die Norm überhaupt auf die Mitglieder der Ethikkommission anwendbar ist. Denn nicht alle von ihnen sind Beamte, jedenfalls nicht im Sinne der Beamtengesetze des Bundes und der Länder. Bevor auf das Verhältnis des § 839 BGB zu anderen zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen eingegangen werden kann, ist daher zunächst der Beamtenbegriff des § 839 BGB zu untersuchen. 1. Der Beamtenbegriff nach allgemeiner Ansicht Sofern „Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ gemäß Art. 34 GG gehandelt hat, ist nach einhelliger Auffassung auch der Anwendungsbereich des § 839 BGB eröffnet.119 Daraus könnte man folgern, § 839 BGB enthalte einen weiten Beamtenbegriff für die Zwecke des Staatshaftungsrechts: Beamter wäre danach jeder, der in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt. Allerdings gilt nach herrschender Ansicht, soweit es allein um privatrechtliches Handeln geht, der so genannte staatsrechtliche Beamtenbegriff: § 839 BGB sei dann nur anwendbar auf Personen, die Beamte im Sinne des einschlägigen Beamtengesetzes sind.120 Die Erklärungen für diesen zweifachen Beamtenbegriff variieren.121 Jedoch überwiegt die Grundannahme, mit dem „Beamten“ des § 839 BGB sei, für sich genommen, nur der Beamte im Sinne der Beamtengesetze gemeint.122 Dass im Zusammenspiel mit Art. 34 GG aber ein größerer Per119
Zumindest lassen sich keine gegenteiligen Stimmen finden. Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (228); Dagtoglou in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 81; Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 50; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 14; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 129; von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn. 57, 59; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 33, 34; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 5; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB Bd. 2 2008, § 839 Rn. 3; a. A. Defren, Der haftungsrechtliche Beamtenbegriff 2002, 93/94; Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (280). 121 Sofern überhaupt eine Erklärung versucht wird. Reinert in: Bamberger/Roth, BGB Bd. 2 2008, § 839 Rn. 3 stellt nur das Ergebnis dar. 122 Dagtoglou in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 81; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 14; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, 120
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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sonenkreis erfasst werde, wird teilweise mit der Verquickung der beiden Normen miteinander, teilweise mit der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsnorm begründet. Sofern öffentlich-rechtlich gehandelt wurde, werde der „Beamte“ des § 839 BGB beim „Zusammenlesen“ der Normen entweder vom „Jemand“ des Art. 34 GG verdrängt123 oder der Beamtenbegriff müsse verfassungskonform weiter ausgelegt werden, so dass er unabhängig von ihrem beamtenrechtlichen Status alle Personen umfasst, die in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben.124 2. Kritik Die verschiedenartige Anwendbarkeit bzw. Auslegung des Beamtenbegriffs des § 839 BGB je nach Einschlägigkeit des Art. 34 GG hat jedoch auch Kritik gefunden, und zwar unabhängig von der Frage, ob Art. 34 Satz 1 GG zwingend nur auf § 839 BGB verweist oder mehr Anspruchsgrundlagen zur Überleitung in Betracht kommen. Im Wesentlichen werden den Anhängern dieser Auffassung zwei Kritikpunkte entgegengebracht: Erstens führe eine Auslegung, nach der der Beamtenbegriff des § 839 BGB unterschiedlich ausgefüllt wird, je nachdem ob eine Überleitung nach Art. 34 GG stattfindet oder nicht, zu willkürlichen Ergebnissen. Zweitens sei eine den Anwendungsbereich erweiternde „Wirkung“ des Art. 34 GG auf § 839 BGB nicht überzeugend hergeleitet. Die Argumente der Kritiker werden im Folgenden vorgestellt und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen erörtert. a) Willkürliche Ergebnisse Tatsächlich ergäben sich bei der konsequenten Anwendung der Konstrukte des „Zusammenlesens“ oder der „verfassungskonformen Auslegung“ § 839 Rn. 129; von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn. 57, 59; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 33, 34; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 5 (spricht von dienstrechtlichem Beamtenbegriff); Reinert in: Bamberger/Roth, BGB Bd. 2 2008, § 839 Rn. 3. 123 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 14; sich anschließend von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn. 57, 59. 124 Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 106, spricht von „Ausstrahlung oder Einwirkung der institutionellen Garantie“, die bei Ausübung öffentlicher Gewalt eine erweiterte Auslegung bewirke; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 129, spricht dementsprechend davon, dass der Beamtenbegriff § 839 BGB im Anwendungsbereich des Art. 34 GG „über seinen eigentlichen staatsrechtlichen Bedeutungsgehalt hinaus interpretiert“ werde; sich anschließend Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 33, 34; nach Jarass/Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 5, „weitet“ Art. 34 GG die Haftung auf jede Ausübung öffentlicher Gewalt „aus“.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
zum Teil willkürliche Ergebnisse. Denn damit die Verdrängungs- oder Ausstrahlungskraft der Norm überhaupt zum Einsatz kommen kann, muss eine Überleitung ja auch tatsächlich stattfinden.125 Dies ist zum Beispiel nicht der Fall in der Konstellation, dass ausnahmsweise die Staatshaftung gesetzlich ausgeschlossen wurde, obwohl an sich jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes öffentlich-rechtlich gehandelt hat.126 Diesen Personen kämen, sofern sie keine Beamten im Sinne der Beamtengesetze sind, die Haftungserleichterungen der Norm nicht zugute, zugleich hafteten sie nur, wenn andere Normen wie § 823 BGB einschlägig sind.127 Damit hinge der Umfang der Haftung in einigen Konstellationen nicht von der Qualifizierung der Tätigkeit als staatliche, sondern entscheidend von dem beamtenrechtlichen Status der handelnden Person ab. Es mutet außerdem seltsam an, dass der verbeamtete Amtsträger bei privatrechtlichen Handlungen gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei gleichzeitiger Haftung des Fiskus aus §§ 89, 31 BGB freigestellt wird, während der nicht verbeamtete Amtsträger weiterhin neben dem Fiskus haftet.128 Zudem könnten sich Schwierigkeiten beim Rückgriff ergeben, wenn zum Beispiel ein öffentlich-rechtlicher Angestellter an sich persönlich nicht aus § 839 BGB gehaftet hätte.129 b) Keine überzeugende Herleitung Noch schwerer wiegt jedoch die Frage, warum Art. 34 GG dazu nötigen sollte, im Falle seiner Einschlägigkeit alle Personen in Ausübung eines öffentlichen Amtes als Beamte im Sinne des § 839 BGB zu behandeln.130 Dass es bei einem „Zusammenlesen“ von Art. 34 GG und § 839 BGB auf das Tatbestandsmerkmal Beamter nicht ankommen soll, käme allenfalls dann in Betracht, wenn man davon ausginge, dass Art. 34 GG selbst die eigentliche Anspruchsgrundlage ist und § 839 BGB lediglich konkretisierendes Beiwerk liefert.131 Dann gewönne die Vorstellung, der „Jemand“ des 125 Die herrschende Ansicht ist hier jedoch inkonsequent. Die Erweiterung des Beamtenbegriffs soll nicht nur im Regelfall der Überleitung nach Art. 34 GG gelten, sondern auch, wenn diese ausgeschlossen ist. Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 130; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 35. 126 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (215). 127 Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (282). 128 Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 14 und 15; Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (282). 129 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (217). 130 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (215); Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (281).
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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Art. 34 GG verdränge den „Beamten“ des § 839 BGB,132 etwas mehr Überzeugungskraft. Jedoch wird man unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Art. 34 GG nicht umhinkönnen, die Verfassungsnorm als Überleitungsnorm statt als eigenständige Haftungsanspruchsgrundlage zu qualifizieren.133 Dass im Falle einer Überleitung nach Art. 34 GG der Begriff des „Beamten“ wegen der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsnorm weiter auszulegen sei,134 überzeugt ebenso wenig. Dieser Ansicht liegt die Überlegung zugrunde, dass es ansonsten für Nichtbeamte im staatsrechtlichen Sinn bei der persönlichen Haftung verbliebe. Dem Wortlaut des Art. 34 GG steht jedoch zum einen, wie oben dargestellt, die Deutung nicht entgegen, dass sich die überzuleitende persönliche Haftung des Amtsträgers aus verschiedenen Haftungstatbeständen ergibt und für sonstige Personen außer Beamten im beamtenrechtlichen Sinn einfach andere Haftungsgrundlagen als § 839 BGB heranzuziehen sind.135 Es könnte dann zwar durchaus noch in Frage gestellt werden, ob eine solche im Ergebnis je nach Person des Schädigers unterschiedlich umfangreiche Staatshaftung wünschenswert wäre.136 Dieses Problem ist aber mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 839 BGB nicht zu lösen. Denn zum anderen würde diese voraussetzen, dass Art. 34 GG Vorgaben zu den Voraussetzungen der einfachrechtlichen Haftung macht, die § 839 BGB einhalten müsste. Art. 34 GG enthält aber nur Vorgaben für die Voraussetzungen der Überleitung einer Verantwortlichkeit. Der Umfang und die Ausgestaltung dieser Verantwortlichkeit bleiben einfachem Gesetzesrecht überlassen. Art. 34 GG nimmt auf die Gestalt der eine Haftung begründenden Normen keinen Einfluss, sondern setzt sie voraus.137 Der Umfang eines Anspruchs nach Art. 34 GG hängt natürlich von der haftungsbegründenden Norm ab, aber umgekehrt ist diese von Art. 34 GG völlig unabhängig.138 131 Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 8, erwähnt die Möglichkeit, Art. 34 GG und § 839 BGB dergestalt ins Verhältnis zu setzen, nennt jedoch keine Nachweise. 132 So ausdrücklich Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 14. 133 Siehe S. 72–76. 134 Siehe Teil 2, Fn. 124. 135 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (215). Dieser Auslegung wird vorliegend auch der Vorzug gegeben, siehe S. 76–77. 136 Dagtoglou in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 81, gibt diese sonst willkürlichen Ergebnisse als Argument für eine weite Auslegung des Beamtenbegriffs im Falle hoheitlichen Handelns an, auch wenn er zugibt, dass es „gesetzestechnisch nicht glücklich“ ist, zwei Begriffe in einem Wort unterzubringen. 137 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (213); Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (281). 138 Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (281).
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
c) Schlussfolgerung Das Tatbestandsmerkmal „Beamter“ in § 839 BGB ist neben dem „Jemand“ des Art. 34 GG selbständig zu prüfen: Tatbestandsmerkmale der Überleitungsnorm kommen für die Begründung der Staatshaftung hinzu, sind jedoch nicht in der Lage, Tatbestandsmerkmale der privatrechtlichen Haftungsgrundlage zu verdrängen. Art. 34 GG kann auch keine Ausdehnung des Beamtenbegriffs des § 839 BGB qua „verfassungskonformer Auslegung“ bewirken. Entscheidend ist allein, was der Begriff in der Zivilrechtsnorm selbst bedeutet. Es ist somit auf die gängige Grundannahme einzugehen, § 839 BGB meine, für sich genommen, mit „Beamter“ nur Personen im Sinne der Beamtengesetze. Diese erscheint auf den ersten Blick einleuchtend. Wenn dem so wäre, müsste man jedoch in Kauf nehmen, dass sich Unterschiede im Umfang des Anspruchs aus Art. 34 GG ergeben können, je nachdem, wer die Amtspflichtverletzung begangen hat.139 Das wäre im Falle der Ethikkommission natürlich besonders prekär, da diese Gremien überwiegend gemischt besetzt sind. An der Fehlentscheidung beteiligte verbeamtete Mitglieder würden nach § 839 BGB mit all seinen Vorzügen und Nachteilen haften, während die mitschuldigen nicht verbeamteten Mitglieder, soweit überhaupt die §§ 823 ff. BGB einschlägig wären, nicht auf die Haftungsbegrenzungen des § 839 BGB wie das Subsidiaritätsprinzip oder die versäumte Rechtsmitteleinlegung verweisen könnten. Für die dahinter stehende öffentlich-rechtliche Körperschaft würde das eventuell bedeuten, dass sie auch für Schäden in Konstellationen in die Pflicht genommen werden könnte, in denen ihr ansonsten die Haftungsbegrenzungen des § 839 BGB zugutekämen. Damit besäßen insbesondere die bürgernahen Ethikkommissionen, die zum Teil mit so genannten Laien besetzt sind, für die für sie haftende öffentlich-rechtliche Körperschaft ein höheres Gefahrenpotential. Fraglich ist jedoch, ob die herrschende Ansicht nicht fehl darin geht, in § 839 BGB lediglich den Beamten der Beamtengesetze angesprochen zu sehen. Näher liegt die Vermutung, dass der Inhalt der haftungsrechtlich älteren Norm des BGB den Inhalt des heutigen Art. 34 GG beeinflusst hat, statt umgekehrt. Sollte § 839 BGB von Beginn an weit ausgelegt worden sein, wären die Unterschiede der Tatbestandsmerkmale bezüglich des Schädigerkreises in Art. 34 GG und § 839 BGB rein sprachlicher und nicht inhaltlicher Natur. Um das festzustellen, sind die Auslegungsgeschichte des § 839 BGB sowie die weitere Rechtsentwicklung genauer zu betrachten.
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Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (217).
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3. Auslegung des § 839 BGB Das Bürgerliche Gesetzbuch ist ein über hundert Jahre altes Regelwerk. Der Begriff des Beamten taucht nicht nur dort auf, sondern auch im Strafgesetzbuch und natürlich in verschiedenen Beamtengesetzen. Um zu ergründen, was der Beamtenbegriff des § 839 BGB beinhaltet, soll chronologisch nachvollzogen werden, wie der Begriff zur Zeit der Entstehung der Norm gemeint war und ob sich nachfolgende Gesetzesentwicklungen darauf ausgewirkt haben. a) Bedeutung des Begriffs zur Zeit der Entstehung der Norm Das BGB legte den Begriff des Beamten nicht selbst fest, sondern setzte ihn als gegeben voraus. Daher war man bei der Auslegung des Begriffs des Beamten in § 839 BGB auf das öffentliche Recht angewiesen.140 Der Beamtenbegriff war zur Zeit der Entstehung des BGB nirgends gesetzlich definiert und deshalb aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herzuleiten.141 Die Beamteneigenschaft wurde in der Regel an einigen Merkmalen festgehalten. Es musste eine Ernennung durch einseitigen staatlichen Hoheitsakt mit freiwilliger Zustimmung der Ernannten vorliegen.142 Die zu leistenden Dienste mussten zur Förderung staatlicher Zwecke bestimmt sein.143 Weiterhin war für die Beamteneigenschaft notwendig, dass dem Dienstpflichtigen eine besondere Gehorsams- und Treuepflicht obliegt.144 Unerheblich waren jedoch die Art der Vorbildung oder der Dienstleistung, der Grad der Selbständigkeit, die Dauer des Dienstverhältnisses, die Ablegung eines Diensteides oder die Entlohnung.145 Die Umkleidung mit öffentlicher Gewalt indizierte das Vorliegen eines Beamtenverhältnisses. Abgesehen von der normalen formellen Berufung unter Verleihung einer Urkunde wurde daher ausnahmsweise auch schlicht die Übertragung obrigkeitlicher Hoheitsrechte als Anstellung in ein Beamtenverhältnis angesehen.146 140 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (218); Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 49. 141 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (219). 142 Meltz, Die Beamtenhaftpflicht nach § 839 BGB 1904, 10; Schelhorn, Die Amtshaftung 1925, 17. 143 Meltz, Die Beamtenhaftpflicht nach § 839 BGB 1904, 10. 144 Schelhorn, Die Amtshaftung 1925, 18. 145 Meltz, Die Beamtenhaftpflicht nach § 839 BGB 1904, 12; Schelhorn, Die Amtshaftung 1925, 18.
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Unter den staatsrechtlichen Beamtenbegriff fielen also in versorgungsrechtlicher Hinsicht auch alle Personen, denen die Ausübung hoheitlicher Befugnisse übertragen worden war.147 b) Aufnahme des Begriffs in Art. 131 WRV Bei der Auslegung des Beamtenbegriffs des Art. 131 WRV wurde auf den Beamtenbegriff des § 839 BGB zurückgegriffen, beide waren also deckungsgleich.148 Das Reichsgericht definierte den Beamtenbegriff des Art. 131 WRV dahin, dass als Beamter im Sinne der Haftungsnorm eine Person dann anzusehen ist, wenn der Staat sie mit öffentlicher Gewalt umkleidet hat, in deren Ausübung sie (pflichtwidrig) handelte.149 Diese Einschränkung des Beamtenbegriffs auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt war für Art. 131 WRV theoretischer Natur, da eine Überleitung der persönlichen Haftung sowieso nur in Betracht kam, wenn „in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt“ gehandelt wurde.150 Sie machte aber im Blick auf § 839 BGB Sinn, wo sich die Frage stellt, ob eine Person, der hoheitliche Befugnisse anvertraut sind, für eine fiskalische, also privatrechtliche Handlung auch nach § 839 BGB haftbar gemacht werden kann.151 Man kann daher davon ausgehen, dass, da das Reichsgericht die Einschränkung wohl nicht grundlos gemacht hat, diese Definition des Beamtenbegriffs mehr auf § 839 BGB denn auf Art. 131 WRV gerichtet ist.152 Auch die folgenden Urteile, die sich dem Wortlaut nach nur auf den Beamtenbegriff des Art. 131 WRV beziehen, deuten nicht darauf hin, dass der Beamtenbegriff des § 839 BGB anders auszulegen wäre.153 c) Keine Abänderung durch das Beamtenrechtsänderungsgesetz von 1933 Mit dem Beamtenrechtsänderungsgesetz vom 30. Juni 1933154 wurde zum ersten Mal eine gesetzliche Begriffsbestimmung des Beamten geschaffen. § 1 des Reichsbeamtengesetzes erhielt folgende Fassung: 146 Reimer, Die Amtspflicht der Reichs- und Staatsbeamten 1919, 8; Schelhorn, Die Amtshaftung 1925, 17; Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (219). 147 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 49. 148 Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (277). 149 RGZ 105, 334 (335); Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (222). 150 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (223). 151 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (223). 152 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (223). 153 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (224).
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Reichsbeamte im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die zum Reiche in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis) stehen. Das Beamtenverhältnis wird durch Aushändigung einer Urkunde begründet, in der die Worte „unter Berufung in das Beamtenverhältnis“ enthalten sind. Wer keine solche Urkunde erhalten hat, ist nicht Reichsbeamter im Sinne dieses Gesetzes. Die Rechte der Reichsbeamten stehen ihm nicht zu.
Indem der Erwerb der Beamteneigenschaft an den Formalakt der Urkundenaushändigung geknüpft wurde, sollte jedoch lediglich das Innenverhältnis des Beamten zum Staat geregelt werden, das heißt die Frage, wer zum Dienstherrn in einem Beamtenverhältnis mit den entsprechenden Versorgungsansprüchen und wer lediglich in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis steht.155 Der Beamtenbegriff des Haftungsrechts war davon dagegen nicht berührt. Der Beamtenbegriff des Art. 131 der ranghöheren Verfassung konnte durch das Änderungsgesetz auch nicht verengt werden und ebenso wenig war § 839 BGB gemeint, wie in den Materialien ausgeführt wird: „Nicht dagegen wird durch den Entwurf die Frage berührt, wer nach außen Beamter ist, vor allem im strafrechtlichen Sinne und im Sinne der Haftungsvorschriften.“156 Die Verweisung auf das Reichsbeamtengesetz in § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes,157 das als „nähere Regelung“ im Sinne Art. 131 Abs. 2 WRV weiterhin in Kraft war, wurde folgerichtig mit dem Änderungsgesetz gestrichen158 und damit der haftungsrechtliche von dem neuen, engeren beamtenrechtlichen Begriff abgekoppelt. Die Verengung des Beamtenbegriffs der Beamtengesetze führte zu einer bis dahin nicht vorhandenen Aufspaltung in einen beamtenrechtlichen und einen haftungsrechtlichen Beamtenbegriff.159 Dies stellte das Reichsgericht kurze Zeit später für das Verhältnis des neuen § 1 des Reichsbeamtengeset154
Reichsgesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts vom 30. Juni 1933 (Beamtenrechtsänderungsgesetz), RGBl. I S. 433. 155 So die Begründung des Gesetzesentwurfs, Verhandlungen des Reichstags Bd. 456 (1932), Nr. 278 vom 7. Januar 1933, S. 3; Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (227); Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 49. 156 Begründung des Gesetzesentwurfs, Verhandlungen des Reichstags Bd. 456 (1932), Nr. 278 vom 7. Januar 1933, S. 3. 157 Die Norm lautete bis dahin in Abs. 1: „Verletzt ein Reichsbeamter (§ 1 des Reichsbeamtengesetzes) in Ausübung der ihm anvertrauten Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die im § 839 BGB des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten das Reich.“ 158 Art. 2 des Beamtenrechtsänderungsgesetzes vom 30. Juni 1933, RGBl. I S. 433. 159 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 49.
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zes zum Art. 131 WRV ausdrücklich fest.160 § 839 BGB wurde im Urteil nicht ausdrücklich erwähnt, war aber auch gemeint. Dies kommt später in RGZ 165, 91 (99) deutlich zum Ausdruck, da weiterhin als Beamte im Sinne des Art. 131 WRV und des § 839 BGB alle Personen angesehen werden, die der Staat oder eine dazu befugte Körperschaft mit öffentlicher Gewalt umkleidet. Das Beamtenrechtsänderungsgesetz hat somit den Beamtenbegriff des § 839 BGB nicht beeinflusst.161 d) Keine Abänderung durch neuen Wortlaut des Art. 34 GG Art. 34 GG schließlich wollte trotz geändertem Wortlaut keine Änderung der Rechtslage herbeiführen, sondern lediglich den bis dahin erreichten Rechtszustand übernehmen.162 Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Amtshaftungsrecht hatte ja nie einen weiteren Beamtenbegriff als den des § 839 BGB gekannt.163 Der Begriff des „Jemand“ des Art. 34 GG geht damit auch nicht über den Beamtenbegriff hinaus, den das Reichsgericht schon für Art. 131 WRV und § 839 BGB herausgearbeitet hatte.164 Auch den heutigen Beamtengesetzen ist nicht zu entnehmen, dass sie eine Veränderung des Inhalts des § 839 BGB herbeiführen wollen.165 e) Ergebnis Es bleibt also festzuhalten, dass der Beamtenbegriff des § 839 BGB von Beginn an weit verstanden wurde und, als der beamtenrechtliche Beamtenbegriff gesetzlich verengt wurde, der haftungsrechtliche davon unberührt blieb. Wenn nach allgemeiner Ansicht der § 839 BGB für sich genommen lediglich den beamtenrechtlichen Beamtenbegriff meinen soll, so bedeutet dies eine nachträgliche Verengung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs, für die es keinen Anlass gibt und die daher abzulehnen ist. Dennoch werden auch von den dieser allgemeinen Ansicht entgegentretenden Autoren verschiedene Definitionen für den „Beamten“ des § 839 BGB gegeben. Nach Kleinhoff und mit ihm Kreft sind Beamte im Sinne 160 161 162 163 164 165
RGZ 142, 190 (192). So auch Defren, Der haftungsrechtliche Beamtenbegriff 2002, 79. Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (226). Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (227). Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (227). Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 50.
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des § 839 BGB außer den Beamten im staatsrechtlichen Sinne auch diejenigen Personen, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig werden, die ihnen vom Staat oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft anvertraut wurden.166 Nach Pestalozza ist jede Person Beamter im Sinne des § 839 BGB, die mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben betraut wurde. Dabei sei allerdings nicht wichtig, ob diese Tätigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich erfolge.167 Nach Defren ist dagegen als Beamter im Sinne des § 839 BGB (wie im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG) allein eine öffentlichrechtlich handelnde Person zu verstehen.168 Unterschiede in dem von den Definitionen erfassten Personenkreis ergeben sich nur für Handlungen im privatrechtlichen Bereich. Nach der ersteren Ansicht sind für fiskalisches oder sonstiges privatrechtliches Tun nur Beamte im staatsrechtlichen Sinn von § 839 BGB erfasst, während nach zweiter Ansicht die Unterscheidung der Rechtsbereiche keine Rolle spielt, sondern die staatliche Aufgabe entscheidend ist und nach dritter Ansicht privatrechtliches Handeln überhaupt nicht erfasst ist. Welche Ansicht vorzugswürdig ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn es besteht Einigkeit darüber, dass § 839 BGB, zumindest soweit es um öffentlichrechtliche Tätigkeit geht, denselben Personenkreis umfasst wie Art. 34 GG. 4. Zusammenfassung Nach dem Vorangegangenen kann mit sämtlichen Ansichten übereinstimmend gesagt werden, dass der Jemand im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG auch Beamter im Sinne des § 839 BGB ist. Sofern die Mitglieder von Ethikkommissionen von Art. 34 Satz 1 GG erfasst werden, sind sie damit zugleich Beamte im Sinne des § 839 BGB.
II. Andere gegen den Amtswalter gerichtete Schadensersatzansprüche Art. 34 Satz 1 GG fordert eine Verletzung einer einem Dritten gegenüber bestehenden Amtspflicht. Sofern es sich bei der schädigenden Handlung um eine bloße Verletzung einer Amtspflicht und nicht einer allgemeinen Rechtspflicht handelt, kann also nur § 839 BGB allein als Grundlage der überzuleitenden Haftung einschlägig sein. Stellt die Amtspflichtverletzung je166 Kleinhoff, AcP 156 (1957), 212 (228); Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 50. 167 Pestalozza in: Jacobs/Papier/Schuster, FS für Peter Raue 2006, 269 (280). 168 Defren, Der haftungsrechtliche Beamtenbegriff 2002, 93/94.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
doch zugleich eine Rechtsverletzung im Sinne der §§ 823 ff. BGB oder anderer verschuldensabhängiger bzw. -unabhängiger Haftungsnormen dar, ist neben § 839 BGB auch die Erfüllung weiterer Tatbestände durch ein und dasselbe Verhalten denkbar. Für diesen Fall ist es notwendig, das Konkurrenzverhältnis des § 839 BGB zu anderen Normen zu bestimmen.169 Verschuldensabhängige Ansprüche stehen grundsätzlich gleichberechtigt neben § 839 BGB, denn auch diese Norm fordert schuldhaftes Verhalten. § 839 BGB könnte solche deliktischen Tatbestände jedoch als Spezialregelung verdrängen. Gegenüber den Tatbeständen der Gefährdungshaftung kann § 839 BGB dagegen nicht spezieller sein, sondern stellt als deliktischer Anspruch ein aliud dar.170 Unabhängig davon ist jedoch keine zivilrechtliche Norm der Gefährdungshaftung ersichtlich, die bei einem fehlerhaften Votum der Ethikkommission zu einem Schadensersatzanspruch gegen die Mitglieder der Ethikkommission führen könnte. Es wird deshalb hier nur der Frage nachgegangen, wie sich § 839 BGB zu anderen Normen verhält, aus denen sich verschuldensabhängige Ansprüche ergeben könnten. 1. Allgemeine Ansicht zum Verhältnis des § 839 BGB zu anderen Normen Vielfach wird in § 839 BGB ein Sondertatbestand des Deliktsrechts für Beamte im Sinne dieser Norm gesehen, der die §§ 823 ff. BGB sowie die übrigen verschuldensabhängigen Normen verdränge.171 Eine solche lex specialis liegt vor, wenn in einer Norm alle Tatbestandsmerkmale einer anderen und zusätzlich mindestens ein weiteres Merkmal entweder begrifflich oder sinngemäß enthalten sind. Der Annahme des § 839 BGB als Sondertatbestand liegt zugrunde, dass vom Bestehen einer allgemeinen Amtspflicht ausgegangen wird, die Rechtsordnung zu beachten. Damit stellt jede von einem Beamten im Sinne der 169 Ist das Merkmal „jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG erfüllt, handelt es sich immer auch um einen „Beamten“ im Sinne des § 839 BGB, so dass diese Norm in jedem denkbaren Fall grundsätzlich zu prüfen ist. Näheres zum Beamtenbegriff des § 839 BGB siehe S. 80–89. 170 Konsequenterweise müsste auch die Halterhaftung des Beamten für seinen eigenen Pkw aus § 7 StVG nach Art. 34 Satz 1 GG überzuleiten sein; Frenz, Staatshaftung in Beleihungstatbeständen 1992, 111. A. A. BGHZ 29, 38 (45). Jedenfalls wird aus Sicht der Rechtsprechung aber ausdrücklich § 7 StVG nicht durch § 839 BGB verdrängt; LG Frankfurt, Urteil vom 24. November 1999, 2/16 S 148/99, abrufbar im Internet unter http://welt.com/gerichtsurteile/zivilrecht/lg/3940; letzter Zugriff am 30. September 2008. 171 Meltz, Die Beamtenhaftpflicht nach § 839 BGB 1904, 7; BGB-RGRK-Kreft 1989, § 839 Rn. 12; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 20; Wurm in: Staudinger, BGB 2007, § 839 Rn. 34.
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Norm begangene Rechtsverletzung im Sinne der §§ 823 ff. BGB auch zugleich eine Amtspflichtverletzung dar. Der Tatbestand des § 839 BGB umfasst nach dieser Ansicht alle Tatbestandsmerkmale der anderen deliktischen Normen. Als zusätzliches Merkmal fordert § 839 BGB das Verhalten eines „Beamten“ und erweitert dessen Haftung darüber hinaus auch auf bloße Amtspflichtverletzungen, die nicht die allgemeinen deliktsrechtlichen Haftungsgrundlagen erfüllen. Zugleich wird durch die Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung und des Haftungsausschlusses dem Beamten mehr Schutz geboten, die Haftung also eingeengt. Daraus wird gefolgert, dass die Norm eine umfassende Haftungsregelung speziell für eine bestimmte Schädigergruppe darstellt, die eingreift und anderen vorgeht, sobald der Schädiger ein Beamter im Sinne der Norm war.172 Denn die speziellen Haftungsausschlussmöglichkeiten würden bei gleichzeitiger Anwendbarkeit allgemeiner deliktsrechtlicher Haftungsgrundlagen sonst wieder ausgehebelt werden. 2. Ablehnung der Deutung des § 839 BGB als lex specialis Die Ansicht, § 839 BGB gehe als lex specialis den übrigen deliktischen Anspruchsgrundlagen vor, wird von Pestalozza abgelehnt. § 839 BGB sei lediglich zur Schließung einer befürchteten Haftungslücke gedacht gewesen, sollte sich das Handeln eines Beamten wegen der bloßen Verletzung einer Amtspflicht nicht unter § 823 ff. BGB subsumieren lassen.173 Dem folgend wäre die Norm lediglich eine Haftungsergänzung und sollte ursprünglich nur diejenigen Amtspflichtverletzungen erfassen, die nicht Rechtsverletzungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB darstellen. Die Haftungsbegrenzungen stellten sich dann lediglich als ein Ausgleich auf die nur insoweit – weil nur die nicht unter § 823 ff. BGB subsumierbaren Amtspflichtverletzungen umfassende – schärfere Haftung für Beamte dar. Die Frage nach Konkurrenzen unter den Haftungsnormen würde sich damit gar nicht stellen, da jeweils nur die eine oder die andere einschlägig wäre. Die Gesetzesväter hätten § 839 BGB nicht zur speziellen Regelung einer Schädigergruppe als solcher eingefügt, sondern zur Ergänzung der Haftung für bloße Amtspflichtverletzungen. Selbst wenn man davon ausginge, dass mit dem weiten Begriff der Amtspflicht mittlerweile auch Rechtsverletzungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB von § 839 BGB erfasst sind, entspräche eine Verdrängung der übrigen Ver172 173
Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 20. Pestalozza in: Brink/Wolff, FS für v. Arnim 2004, 283 (287 unten).
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schuldensnormen durch § 839 BGB nach dieser Ansicht nicht dem Zweck der Norm: Es wäre nicht einzusehen, warum ein Beamter, der die allgemeinen Deliktstatbestände erfüllt, wegen einer Verdrängung der §§ 823 ff. BGB durch § 839 BGB gegenüber Nicht-Beamten besser gestellt sein sollte, obwohl das nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag. 3. Stellungnahme Eine Haftungsprivilegierung für Beamte ließe sich jedoch durchaus rechtfertigen. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches war eine Haftungsüberleitung auf den Staat noch nicht allgemein etabliert. Die Staatsaufgaben, die der Beamte erfüllt, vergrößern seine Schädigungsmacht im Vergleich zu einem normalen Bürger und damit auch sein Haftungsrisiko. Aber auch schon die Annahme, § 839 BGB solle in Ergänzung zu den §§ 823 ff. BGB lediglich „bloße Amtspflichtverletzungen“ erfassen, lässt sich den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch nicht entnehmen. Darin wird erläutert, warum mit § 839 BGB (im Entwurf zunächst § 736, dann § 762, dann § 839) eine ausdrückliche Regelung der Haftung von Beamten für Amtspflichtverletzungen zunächst eingefügt wurde. Es sollte vermieden werden, dass Pflichtverletzungen, die nach den als Vorbild dienenden landesrechtlichen Vorschriften zu einer Haftung des Beamten führten, eventuell nicht unter §§ 823 ff. BGB (im Entwurf zunächst § 704, dann § 746, dann § 808) subsumiert würden.174 Jedoch wird aus dem weiteren Zusammenhang deutlich, dass die Verfasser des BGB selbst nicht daran zweifelten, dass § 823 Abs. 1 oder 2 BGB grundsätzlich auch für Verletzungen von Amtspflichten, die dem Beamten einem Dritten gegenüber obliegen, einschlägig sei.175 Sie befürchteten jedoch angesichts der Kürze der Norm Missverständnisse und wollten ungewollte Auslegungsergebnisse in die eine oder andere Richtung vermeiden. Denn zum einen erschien es ihnen unbillig, wenn womöglich jegliche Amtspflichten zu „Gesetzen“ im Sinne § 823 Abs. 2 BGB gezählt würden. Zum anderen wollten sie aber nicht Auslegungen Vorschub leisten, nach denen die Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht nicht als Rechtsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden könnte. Dazu sei erwähnt, dass § 823 Abs. 1 BGB im ersten Entwurf noch nicht katalogartig auf absolute Rechte beschränkt war, sondern eine echte deliktsrechtliche Generalklausel enthielt.176 174
Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, II. Band 1899, Motive, 459
Mitte. 175
Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, II. Band 1899, Motive, 460.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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So sollte § 839 BGB „den Gedanken zum Ausdrucke bringen, daß ein Beamter, welcher die ihm einem Dritten gegenüber gesetzlich obliegende Amtspflicht aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit verletzt, eine widerrechtliche Handlung begeht, welche ihn nach Maßgabe des § 704 [des ersten Entwurfs des BGB] [. . .] für den aus der Verletzung der Amtspflicht einem Dritten entstehenden Schaden verantwortlich macht.“177 Damit war § 839 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst als eine Klarstellungsnorm gedacht und nicht als Ergänzung und Erweiterung der Haftung für Beamte. Den Entwurfsverfassern erschien es dann jedoch als notwendig, dass bei einer ausdrücklichen Erwähnung der Haftung für Beamte in Abgrenzung zur Tätigkeit der Richter das Spruchrichterprivileg des Abs. 2 eingefügt wurde.178 Zusätzlich wurden nach Vorbild der schon bestehenden Landesgesetze die Subsidiarität der Haftung des Beamten bei gleichzeitiger Haftung eines Dritten sowie der Ausschluss der Haftung bei versäumter Rechtsmitteleinlegung angeordnet. Hier war den Verfassern bewusst, dass die Haftung für die Gruppe der Beamten im Sinne der Norm nun vom allgemeinen Deliktsrecht abwich und sie privilegierte.179 Erst durch die spätere Einschränkung des § 823 Abs. 1 BGB auf einen Katalog von absoluten Rechten stellt sich das Tatbestandsmerkmal „Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht“ als umfassender und weitergehend dar. Daraus ist ersichtlich, dass, anders als von Pestalozza dargestellt, die Haftungsprivilegien nicht als Ausgleich einer Haftungserweiterung des Beamten gemeint waren. Am Anfang stand die Klarstellung, dass Rechtsverletzungen auch aus Amtspflichtverletzungen entstehen können, sofern diese Amtspflicht einem Dritten gegenüber obliegt. Als man sich für eine ausdrückliche Regelung der Beamtenhaftung entschieden hatte, gewann offenbar der Gedanke die Oberhand, der Beamte solle durch Haftungseinschränkungen davor geschützt werden, seine Entschlussfreude im Amt zu verlieren. 176
Die Norm lautete zunächst „§ 704 Hat Jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung – Thun oder Unterlassen – einem Anderen einen Schaden zugefügt, dessen Entstehen er vorausgesehen hat oder voraussehen mußte, so ist er dem Anderen zum Ersatze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht“. . . . und dann „§ 746 Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Recht eines Anderen widerrechtlich verletzt . . .“. 177 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, II. Band 1899, Motive, 460 Mitte Rn. 824. 178 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, II. Band 1899, Motive, 460. 179 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, II. Band 1899, Motive, 461 Rn. 825. Und sie hegten an sich Bedenken gegen eine Abweichung von den allgemeinen Deliktsvorschriften.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
§ 839 BGB stellt damit eine bewusst geschaffene Sonderhaftungsregelung im Deliktsrecht für die Gruppe der Beamten im Sinne der Norm180 dar. Gegenüber anderen verschuldensabhängigen Anspruchsgrundlagen geht § 839 BGB vor, sofern die Norm einschlägig ist.181 4. Zusammenfassung Es bleibt festzuhalten, dass nach der hier vertretenen Ansicht § 839 BGB andere verschuldensabhängige Normen des Zivilrechts als lex specialis verdrängt. Da Normen der Gefährdungshaftung für das Verhalten von Ethikkommissionen nicht einschlägig sind, kommt als gegen ihre Mitglieder gerichtete Anspruchsgrundlage hier nur § 839 BGB zur Überleitung in Frage.
III. Unmittelbare Staatshaftungsansprüche Bei Amtspflichtverletzungen von Mitgliedern der Ethikkommissionen können neben persönlich die Amtsträger treffenden Haftungsgrundlagen auch unmittelbare Staatshaftungsansprüche einschlägig sein. Geht man davon aus, dass Art. 34 GG nicht nur an § 839 BGB angeseilt ist, ist auch über eine mögliche Über- bzw. Weiterleitung unmittelbarer Staatshaftungsansprüche mittels Art. 34 Satz 1 GG nachzudenken. Zu welchem Ergebnis dieses Nachdenken führt, hängt davon ab, ob man das Wort Verantwortlichkeit in Art. 34 Satz 1 GG als „seine Verantwortlichkeit“ liest, also einen gegen den Amtsträger persönlich gerichteten Anspruch voraussetzt, oder ob man von einer noch weitergehenden Auslegungsmöglichkeit ausgeht. 1. Weitergehende Auslegung von „Verantwortlichkeit“ in Art. 34 GG Pestalozza definiert die Verantwortlichkeit als „Verantwortlichkeit nach einschlägigen Haftungsnormen“.182 So gelesen, bestimmt Art. 34 GG die 180 Wie schon auf S. 80–89 erläutert, wird teilweise angenommen, dass nur jemand, der öffentlich-rechtlich handelt, Beamter i. S. d. § 839 BGB sein kann. Danach wäre § 839 BGB lex specialis, soweit es um schuldhafte Rechtsverletzungen im öffentlich-rechtlichen Bereich geht; Frenz, Staatshaftung in Beleihungstatbeständen 1992, 110–111. Die Literatur geht dagegen mehrheitlich davon aus, dass für Beamte im Sinne des Beamtenrechts § 839 BGB auch bei privatrechtlichem Verhalten einschlägig ist und vorgeht. 181 Meltz, Die Beamtenhaftpflicht nach § 839 BGB 1904, 7; Kreft in: BGBRGRK 1989, § 839 Rn. 12; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 20. 182 Pestalozza in: Brink/Wolff, FS für v. Arnim 2004, 283 (289–290).
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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jeweils grundsätzlich haftende öffentlich-rechtliche Körperschaft, sofern die Amtspflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht auslöst. Nach dieser Auslegung könnte Art. 34 Satz 1 GG die Haftung anderer aus beliebigen schadensersatzpflichtbegründenden Normen überleiten. Die Norm wäre damit auch auf eine Ersatzpflicht anwendbar, welche nicht eine Privatperson, sondern eine juristische Person des öffentlichen Rechts trifft, also auf unmittelbare Staatshaftungsansprüche. So gesehen diente die Norm als eine allgemeine Haftungsverteilungsregel. Für die Voten der Ethikkommissionen sind beispielsweise Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR183 oder bei Verletzung von EG-Recht aus dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch184 denkbar. Nähme man auch ungeschriebene „Haftungsnormen“ hinzu, kämen Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff oder auch aus Aufopferung in Betracht. Auch für diese Ansprüche würde Art. 34 Satz 1 GG also die grundsätzliche Haftungsverteilung regeln. Sofern das jeweilige Haftungsinstitut die Passivlegitimation anders regelt, müsste geprüft werden, ob dies eine zulässige Abweichung vom Grundsatz des Art. 34 Satz 1 GG darstellt. 2. Stellungnahme Für Pestalozzas Ansicht spricht, dass durch das Dickicht der Staatshaftungsansprüche so ein einheitlicher Pfad den Weg zur haftenden Körperschaft weisen könnte. Mit dem reinen Wortlaut der Norm, die nur von „die Verantwortlichkeit“ spricht, ist diese Auslegung ebenfalls vereinbar. 183 Das StHG-DDR vom 12. Mai 1969 (DDR-GBl. I (1969) S. 34), geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1988 (DDR-GBl. I (1989) S. 329) und den Einigungsvertrag, ist weiterhin in Kraft in den Bundesländern Brandenburg (geändert durch Gesetz vom 3. September 1997, GVBl., S. 107), Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen (i. d. F. d. B. vom 2. Oktober 1998, GVBl., S. 336). Das Staatshaftungsgesetz der DDR galt aufgrund des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 Anlage II, Kapitel III Sachgebiet B, Abschnitt III, Nr. 1 (BGBl. 1990 II S. 1168) zunächst mit Maßgaben, die den Haftungsumfang wesentlich erweiterten, in allen neuen Bundesländern als Landesrecht fort (in Berlin nur in dem Gebiet des früheren Ostsektors). In Berlin (Gesetz vom 21. September 1995, GVBl. S. 607) und Sachsen (Gesetz vom 17. April 1998, SächsGVBl. S. 151) ist es mittlerweile aufgehoben. In Sachsen-Anhalt wurde es durch das Gesetz zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Lande Sachsen-Anhalt vom 16. November 1993 i. d. F. vom 1. Januar 1997, GVBl. LSA, S. 2, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. November 2005, GVBl. LSA, S. 698, ersetzt. 184 Dieser Anspruch kommt in Betracht, wenn es z. B. um Voten aus einem Zeitraum geht, in der die EG-Vorgaben zu klinischen Prüfungen noch nicht nationalgesetzlich umgesetzt wurden, die entsprechenden EG-Richtlinien aber wegen Fristablaufs unmittelbar anwendbar sind. Siehe S. 101–106.
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
Gegen diese Ansicht spricht, dass die historische Entwicklung eine so weitgehende Auslegung nicht nahelegt, wie schon auf S. 72 erläutert. Die Vorläufernormen sprachen von der sich aus § 839 BGB ergebenden Verantwortlichkeit, die an Stelle des Beamten den Staat treffen sollte. Auch wenn der Bezug zu einer bestimmten Norm des Bürgerlichen Gesetzbuches schon in Art. 131 WRV weggefallen war, war die Verfassungsnorm doch weiterhin als Überleitung der persönlich den Amtswalter treffenden Haftung gedacht.185 Zudem würde für die Haftungsverteilung an Punkte angeknüpft, die für die Anspruchsbegründung nicht entscheidend sind. Für unmittelbare Staatshaftung ist nur relevant, dass im Ergebnis rechtswidriges hoheitliches Handeln vorliegt, nicht jedoch, wer die Entscheidung getroffen hat und in welchem Verhältnis dieser Amtswalter zum Staat steht und wer ihm sein Amt anvertraut hat. Ohnehin besteht kein Bedürfnis, über die Überleitung privatrechtlicher Ansprüche hinaus eine allgemeine Verteilungsregel für unmittelbare Staatshaftungsansprüche in Art. 34 GG hineinzulesen. Denn in der Regel bestimmen unmittelbare Staatshaftungsnormen ihren Anspruchsgegner selbst.186 Bei den richterrechtlich enwickelten Instituten gelten überdies von Art. 34 GG abweichende Haftungszuordnungskriterien.187 Die Anwendbarkeit des Art. 34 GG würde dabei keine Vereinheitlichung der Kriterien der Passivlegitimation bewirken. Denn die Bestimmung des Anspruchsgegners in der jeweiligen Staatshaftungsnorm wäre wohl in jedem Fall eine zulässige Ausnahme vom Grundsatz des Art. 34 GG.188 Dann erscheint es aber widersinnig, die in sich abgeschlossenen Institute der unmittelbaren Staatshaftung zunächst über Art. 34 GG in das Korsett der mittelbaren Staatshaftung zu zwängen, nur um sie auf dem Umweg der „Ausnahme vom 185 Jedenfalls ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass an eine mögliche weitergehende Anwendung gedacht wurde. 186 Siehe z. B. § 63 ASOG Bln zum polizeirechtlichen Ersatzanspruch, [Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln) in der Fassung vom 11. Oktober 2006, GVBl. S. 930; zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 15. Dezember 2007, GVBl. S. 605] oder § 1 Abs. 1 StHGDDR, Fundstelle(n) siehe Teil 2, Fn. 183. 187 Das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs stellt z. B. auf die Körperschaft ab, die durch den Eingriff unmittelbar „begünstigt“ wurde, BGHZ 11, 248 (256); BGHZ 13, 81 (82). Begünstigt ist der Hoheitsträger, dessen Aufgaben wahrgenommen wurden oder dem die Vorteile des Eingriffs zugeflossen sind, BGH NJW 1962, 1673; BGHZ 40, 49 (52); BGHZ 76, 387 (396). 188 Für die richterrechtlich entwickelten Ansprüche ist dies jedoch zweifelhaft: Es fehlt ihnen an einer formalgesetzlichen Ausnahmeregelung, und es ist fraglich, ob eine gewohnheitsrechtliche Abweichung von Verfassungsrecht als zulässig angenommen werden könnte.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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Grundsatz“ wieder zu ihren eigenen, differenzierenden Ergebnissen kommen zu lassen. Eine solche weitgehende Auslegung des Art. 34 GG wäre allenfalls sinnvoll, um den bestehenden Streit beizulegen, wie der Anspruchsgegner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zu bestimmen ist. Denn diejenigen, die davon ausgehen, als supranationales Haftungsinstitut könne dieser Anspruch allein gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet sein, kommen zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass der Bund selbst dann für Fehlverhalten von Ländern oder unterstaatlichen Körperschaften haftet, wenn er auf deren Verhalten keinen Einfluss hat. Hier könnte Art. 34 GG eine Brücke zu einer möglicherweise gerechteren Haftungsverteilung darstellen. Der Bundesgerichtshof bestimmt tatsächlich den Anspruchsgegner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs „nach denselben Grundsätzen [. . .], die für die Übernahme der Haftung nach Art. 34 GG gelten“.189 Ob die Rechtsprechung damit der Auslegung des Art. 34 Satz 1 GG im Sinne einer Haftungsverteilungsregel folgt oder einen dritten Weg geht, bedarf einer näheren Untersuchung, in deren Rahmen die zum Verhältnis von Art. 34 GG zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch vertretenen Ansichten gegeneinander abgewogen werden. Es ist jedenfalls festzuhalten, dass nach der hier vertretenen Auffassung unmittelbare Staatshaftungsansprüche von der „Verantwortlichkeit“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG nicht umfasst sind und für eine solche Auslegung, außer eventuell für den im Folgenden zu betrachtenden gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, auch kein Bedürfnis erkennbar ist.
IV. Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch ist ein vom Europäischen Gerichtshof entwickeltes Institut, nach dem die Mitgliedstaaten für Verstöße ihrer Organe gegen Gemeinschaftsrecht dem Bürger gegenüber haftbar gemacht werden können.190 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist teilweise auf Kritik innerhalb der Rechtswissenschaft gestoßen. Insbesondere wurde ihm vorgeworfen, außerhalb seiner Rechtsfortbildungskompetenzen gehandelt zu haben.191 Mittlerweile ist der gemein189
BGHZ 161, 224 (236). Zuerst in EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 31 ff. – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I). 191 Vgl. von Danwitz, JZ 1994, 335 (341); Cornils, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch 1995, 317/318; Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht 1997, 215; von Danwitz, DVBl. 1997, 1 (3, linke 190
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schaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch als solcher weithin anerkannt.192 Meinungsverschiedenheiten bestehen allerdings noch in Einzelfragen über die konkrete Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale des Anspruchs sowie über seine Durchsetzung im Rahmen des nationalen Rechts.193 Besonders die Frage der Passivlegitimation ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Bevor dies näher behandelt wird, sind jedoch die Konstellationen aufzuzeigen, in denen das Votum einer Ethikkommission überhaupt gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen und den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösen könnte.194 1. Anspruchsbegründung a) Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs Detailliert geht der Europäische Gerichtshof auf die Tatbestandsvoraussetzungen sowie Ausschlussgründe ein. Dagegen sind seine Aussagen zur Frage des Anspruchsgegners verhaltener. Bereiche, die das Gericht zur Haftungsausfüllung und prozessualen Durchsetzung zählt, wie Verjährung oder Gerichtszuständigkeiten, sind vollständig der Regelung durch die Mitgliedstaaten überlassen. aa) Tatbestandsvoraussetzungen Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind im Wesentlichen vier Tatbestandsvoraussetzungen für den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zu entnehmen. Zunächst muss ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliegen, der dem betreffenden Mitgliedstaat zurechenbar ist.195 Dem Mitgliedstaat zurechenSp. oben). Für eine zulässige Rechtsfortbildung damals schon Zuleeg, JZ 1994, 1 (6); Pieper, NJW 1992, 2454 (2457/2458), sowie ausführlich in der Rückschau Hermes, Die Verwaltung 1998, 371 (378–392); Hidien, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der EU-Mitgliedstaaten 1999, 12–15. 192 In Deutschland wird der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch in st. Rspr. angewandt, siehe BGHZ 134, 30; BGHZ 146, 153; BGHZ 156, 294; BGHZ 162, 49. Auch die übrigen mitgliedstaatlichen Gerichte haben sich auf den Anspruch eingestellt, Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 497 m. w. N. 193 Allen diesen Meinungsverschiedenheiten liegt die Frage zugrunde, ob der EuGH einen eigenständigen Anspruch oder nur einen das nationale Staatshaftungsrecht punktuell überlagernden Grundsatz geschaffen hat; siehe dazu S. 106–115. 194 Siehe S. 101–106. 195 EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/9 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 33 – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I); EuGH, Urt.
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bar sind Verstöße aller seiner Organe und unterstaatlichen Körperschaften im Bereich der Legislative, Judikative und Exekutive.196 Der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht muss zweitens qualifiziert sein.197 Wann dies der Fall ist, muss am Einzelfall beurteilt werden. Abstrakte Vorgaben hat der Europäische Gerichtshof dazu nicht aufgestellt. Im Bereich der Verwaltung liegt jedenfalls dann ein qualifizierter Verstoß vor, wenn Ermessensgrenzen offenkundig und erheblich überschritten wurden.198 Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch ist ausdrücklich nicht verschuldensabhängig. Der Europäische Gerichtshof berücksichtigt allerdings bei der Wertung, ob ein qualifizierter Verstoß vorliegt, auch die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist.199 Drittens muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verstoß und dem beim Bürger entstandenen Schaden bestehen.200 Die verletzte Norm des Gemeinschaftsrechts muss viertens zumindest auch den Schutz des geschädigten Bürgers bezwecken.201
v. 5. März 1996 – C-46/93 und C-48/93, Slg.1996, I-1131, Rn. 20–22 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/Factortame). 196 EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C-46/93 und C-48/93, Slg.1996, I-1131, Rn. 32 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/ Factortame); zur Haftung für behördliches Handeln siehe EuGH, Urt. v. 23. Mai 1996 – C-5/94, Slg. 1996, I-2553, Rn. 23–32 (27) – The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte: Hedley Lomas (Ireland) Ltd (Hedley Lomas); zur Haftung für gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Gerichtsurteile EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – C-224/01, Slg. 2003, I-10239 – Gerhard Köbler/Republik Österreich (Köbler). 197 EuGH EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C46/93 und C48/93, Slg.1996, I-1131, Rn. 51 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/ Factortame). 198 EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C46/93 und C48/93, Slg.1996, I-1131, Rn. 55 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/Factortame). 199 EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C46/93 und C48/93, Slg.1996, I-1131, Rn. 56 und 79 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/ Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/ Factortame). 200 EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/9 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 40 – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I). 201 EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/9 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 31–34 – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I).
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bb) Ausschluss des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs Der Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte zuvor nicht gegen das rechtswidrige staatliche Handeln den Rechtsweg beschritten hat, sofern die Möglichkeit dazu bestand.202 Dagegen wird eine Beschränkung der Haftung für Richter im Rahmen des so genannten Richterprivilegs nach § 839 Abs. 2 S. 1 BGB aber gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen und nicht anwendbar sein.203 Denn der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch kennt als unmittelbare Staatshaftung keine Amtswalterprivilegien. Auch Staatshaftungsausschlüsse für die Tätigkeit von Gebührenbeamten204 dürften nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sein. Damit würde dem Geschädigten der Staat als solventer Schuldner entzogen. Angesichts des Grundsatzes des effet utile ist daher zweifelhaft, ob eine Ausnahme von der Staatshaftung für das Verhalten von Gebührenbeamten aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht gerechtfertigt sein kann.205 cc) Passivlegitimation Hinsichtlich des Anspruchsgegners hat der Europäische Gerichtshof bisher nur verhaltene Aussagen gemacht. In den Entscheidungen werden wiederholt nur allgemein „die Mitgliedsstaaten“ genannt, die von der Haftung betroffen sein sollen.206 In der Entscheidung „Brasserie du Pêcheur“ wird 202 EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C46/93 und C48/93, Slg. 1996, I-1131, Rn. 83–85 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/ Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/ Factortame). In Deutschland wird in diesem Fall § 839 Abs. 3 BGB als konkretisierende Norm des Mitverschuldens entsprechend angewendet, BGHZ 156, 294 (294/298). 203 EuGH, Urt. v. 13. Juni 2006 – C 173/03, Slg. 2006, I-5177, Leitsatz Nr. 1 – Traghetti del Mediterraneo SpA in Liquidation/Italienische Republik (Traghetti del Mediterraneo); zu den Auswirkungen des Urteils auf das deutsche Richterprivileg siehe die Anmerkung von Haratsch, JZ 2006, 1176 (1177). 204 Siehe dazu S. 145–163. 205 In diesem Fall ist auch für das Verhalten der privaten Ethikkommissionen und der rheinland-pfälzischen und hessischen Ethikkommissionen an Staatshaftung zu denken. 206 EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/9 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 34, 35, 36 – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I): „Entschädigung durch den Mitgliedsstaat“, „Haftung des Staates“, „Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zum Ersatz dieser Schäden“; EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C46/93 und C48/93, Slg. 1996, I-1131, Rn. 36 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factor-
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dabei ausdrücklich der völkerrechtliche Charakter des Europarechts betont.207 Dies deutet darauf hin, dass als haftungsverpflichtetes (Völker-)Rechtssubjekt zunächst der Mitgliedstaat als Einheit in Betracht kommt. Der Gerichtshof sieht aber auch eine Verschiebung der Haftung auf unterstaatliche Körperschaften nicht als Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht an, solange sichergestellt ist, dass sich der Mitgliedstaat damit nicht seiner Verantwortlichkeit entzieht.208 b) Fallkonstellationen im Rahmen der Tätigkeit der Ethikkommissionen Auch im Rahmen der Tätigkeit von Ethikkommissionen kann der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch in bestimmten Fallkonstellationen einschlägig sein. Die Normierung der klinischen Prüfungen und der Beteiligung der Ethikkommissionen hieran ist stark vom Europarecht geprägt. Sowohl zum Arzneimittelrecht als auch zum Medizinprodukterecht bestehen EG-Richtlinien, die Regelungen zur Einrichtung von Ethikkommissionen und deren Beteiligung an klinischen Prüfungen treffen.209 Auch in Zukunft sind weitere detaillierte Richtlinien zur Harmonisierung der medizinischen Forschung am Menschen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu erwarten.210 tame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/Factortame): „Grundsatz, daß die Mitgliedsstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, . . .“; EuGH, Urt. v. 12. Juni 2003 – C112/00, Slg. 2003, I-05659, Rn. 27, 66, 95, 96 – Eugen Schmidberger, Internationale Transporte und Planzüge/Republik Österreich (Schmidberger): „Haftung eines/des Mitgliedsstaats“; EuGH, Urt. v. 30. September 2003 – C224/01, Slg. I-10290, Rn. 30 – Gerhard Köbler/Republik Österreich (Köbler): „Grundsatz der Haftung eines Mitgliedsstaates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zurechenbare Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht entstehen“. 207 EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C46/93 und C48/93, Slg. 1996, I-1131, Rn. 34 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/Factortame): „. . ., wird im Völkerrecht der Staat, dessen Haftung wegen Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung ausgelöst hat, ebenfalls als Einheit betrachtet, ohne daß danach unterschieden wird, ob der schadensverursachende Verstoß der Legislative, der Judikative oder der Exekutive zuzurechnen ist. Dies gilt umso mehr in der Gemeinschaftsrechtsordnung, als alle staatlichen Instanzen einschließlich der Legislative bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die vom Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Normen . . . zu beachten haben.“ 208 EuGH, Urt. v. 1. Juni 1999 – C-302/97, Slg. I-3122, Rn. 61–63 – Klaus Konle/Republik Österreich (Konle); EuGH, Urt. v. 4. Juli 2000 – C-424/97, Slg. I-5148, Rn. 25–34 – Salomone Haim/Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein (Haim II). Siehe näher hierzu S. 112. 209 Siehe S. 30–32.
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Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch kommt in diesem Bereich dann in Betracht, wenn Richtlinien wegen fehlender oder falscher gesetzgeberischer Umsetzung unmittelbar anwendbar geworden sind und auf diese Weise auch unmittelbar einen normativen Befehl für die Ethikkommissionen darstellen. Zurzeit bieten sich die Richtlinien 2001/20/EG211 und 2005/28/EG212 im Bereich des Arzneimittelrechts für eine nähere Untersuchung an. Bei erstgenannter Richtlinie bestehen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit ihrer Umsetzung in deutsches Recht. Bei letztgenannter Richtlinie ist die Umsetzungsfrist213 seit dem 29. Januar 2006 ereignislos verstrichen. aa) Unvollständige Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/20/EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Ethikkommissionen einzurichten und diesen ihre Arbeit zu ermöglichen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin verwies § 42 des daraufhin novellierten Arzneimittelgesetzes214, welcher die Bildung und Einrichtung von Ethikkommissionen dem Landesrecht überlässt, jedoch auf zumindest in Berlin noch gar nicht bestehendes Landesrecht.215 Denn für die Tätigkeit der an der Berliner Ärztekammer angesiedelten Ethikkommission im Rahmen des Arzneimittelgesetzes fehlte die notwendige landesgesetzliche Grundlage. Somit sei die EG-Richtlinie 2001/20/EG nur unvollständig umgesetzt worden. Den Berliner Gesetzgeber treffe daher eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, schnellstmöglich die gesetzlichen Grundlagen zur Erfüllung der Aufgaben nach den veränderten §§ 40 ff. AMG durch eine Ethikkommission zu schaf210
Denkbar wäre eine Angleichung der Vorschriften über klinische Prüfungen von Medizinprodukten an die Regeln über Good Clinical Practice im Bereich der Humanarzneimittel. 211 Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABl. EG Nr. L 121, S. 34. 212 Richtlinie 2005/28/EG der Kommission vom 8. April 2005 zur Festlegung von Grundsätzen und ausführlichen Leitlinien der guten klinischen Praxis für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate sowie von Anforderungen für die Erteilung einer Genehmigung zur Herstellung oder Einfuhr solcher Produkte, Abl. EG Nr. 91, S. 31. 213 Art. 31 Abs. 1 der RL 2005/28/EG, Abl. EG Nr. 91, S. 31. 214 12. AMG-Novelle, BGBl. 2004 I S. 2031. 215 Vergleich vom 3. Dezember 2004, VG 14 A 114.04, schriftliche Begründung des Vergleichsvorschlags durch das VG Berlin, Punkt 2, S. 3.
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fen.216 Ein Verstoß gegen die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/20/EG aufgestellte Anordnung zur Einrichtung von Ethikkommissionen könnte einen – hier jedoch nicht zu prüfenden217 – gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch gegen die untätigen Gesetzgebungsorgane auslösen. Begutachtet eine bei einer Ärztekammer angesiedelte Ethikkommission ohne ausreichende gesetzliche Grundlage Prüfvorhaben im Sinne der §§ 40 ff. AMG, kommt der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch wegen ihrer Tätigkeit dagegen nicht in Betracht. Zwar dient Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/20/EG dem Schutz der Versuchsteilnehmer, in dem er die Einrichtung von Ethikkommissionen anordnet.218 Diese Anordnung ist aber gar nicht an die Ethikkommissionen adressiert. Sie enthält keine Handlungsanweisungen bezüglich der Versuchsteilnehmer oder Antragsteller. Sie ist vielmehr an den Gesetzgeber gerichtet und stellt damit keine für Behörden, insbesondere nicht für Ethikkommissionen ausführbare Regelung dar. Ein Verstoß gegen die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/20/EG aufgestellte Pflicht zur (rechtlichen) Einrichtung von Ethikkommissionen ist nur den Gesetzgebungsorganen zurechenbar. Gegen ohne ausreichende demokratische Legitimation tätige Ethikkommissionen besteht somit der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch nicht. bb) Nichtumsetzung der Richtlinie 2005/28/EG Eine derzeit noch nicht umgesetzte Richtlinie zum Arzneimittelrecht, deren Umsetzungsfrist am 29. Januar 2006 abgelaufen ist, ist die Richtlinie 2005/28/EG.219 Ihr Artikel 6 enthält in Ergänzung der Richtlinie 2001/20/ 216
Dieser Verpflichtung kam das Land Berlin mit dem Gesetz zur Errichtung einer Ethikkommission des Landes Berlin vom 7. September 2005, GVBl. S. 466 nach. 217 Vermutlich wird er abzulehnen sein: Denkbar ist zwar ein Schaden des Sponsors der Studie, wenn ihre Durchführung abgelehnt wird. Eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der Zustimmung wird aber keinen Erfolg haben, da unabhängig von der Erfüllung aller Tatbestandsvoraussetzungen die Zuständigkeit der angerufenen Ethikkommission nicht gegeben ist. Fehlt ihr die demokratische Legitimation, fehlt es ihr auch an der für ihr Handeln erforderlichen Rechtsgrundlage. Der durch die Verzögerung oder Undurchführbarkeit der Studie entstandene Schaden beruht auf der Untätigkeit des Gesetzgebers und damit auf einem Verstoß gegen die Richtlinie 2001/20/EG. Jedoch soll die Einrichtung einer Ethikkommission dem Schutz der Versuchsteilnehmer dienen. Die Sponsoren gehören nicht zum geschützten Personenkreis. 218 Die Ethikkommission ist gemäß Art. 2 k) der Richtlinie ein Gremium u. a. zum Schutz der Versuchsteilnehmer. 219 Art. 31 Abs. 1 2005/28/EG; Fundstelle siehe Teil 2, Fn. 212.
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EG konkretisierende Vorschriften, die nach Abs. 4 und 10 der der Richtlinie 2005/28/EG vorstehenden Erwägung ausdrücklich dem Schutz der Versuchsteilnehmer bei klinischen Prüfungen dienen sollen. Sollten diese Regelungen bestimmt genug sein, sind sie folglich seit dem 29. Januar 2006 unmittelbar anwendbar und von den Ethikkommissionen bei ihrer Begutachtungstätigkeit im Rahmen von Arzneimittelprüfungen zu beachten. In diesem Fall ist weiter zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch die Ethikkommission zur Auslösung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs führen kann. (1) Schadensersatz wegen fehlenden Informationsaustausches? Gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2005/28/EG sollen angemessene und wirksame Systeme eingerichtet werden, um den Informationsfluss zwischen der Ethikkommission und den zuständigen Behörden sicherzustellen. Da aus der Vorschrift jedoch nicht hervorgeht, welche Informationen ausgetauscht werden sollen, scheidet eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 3 mangels genügender Bestimmtheit aus. (2) Schadensersatz wegen nicht erlassener Verfahrensvorschriften? Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/28/EG sollen die Ethikkommissionen die zur Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG erforderlichen Verfahren festlegen. Wie das genau zu geschehen hat, wird in der Richtlinie nicht weiter präzisiert. Die durch die Richtlinie konstituierte Handlungspflicht, überhaupt für entsprechende Verfahrensregeln zu sorgen, ist allerdings bestimmt genug. Insofern ist der Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/28/EG unmittelbar anwendbar und für die Ethikkommissionen verpflichtend. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 kann sich dann aus völligem Untätigbleiben ergeben.220 Wie aus fehlenden Verfahrensregeln der Ethikkommission ein Schaden entstehen soll, bedarf jedoch einiger Vorstellungskraft. Denkbar wäre, dass wegen fehlender Bestimmungen über das Vorgehen bei multizentrischen Prüfungen, bei denen ein Votum einer Ethikkommission im Mitgliedstaat genügen soll221, die Ethikkommission sich unberechtigterweise für die Ab220
Hinsichtlich der Qualifiziertheit des Verstoßes kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei ist ein Untätigbleiben bei ausdrücklicher Handlungspflicht als offensichtlicher Verstoß anzusehen. Bei einem entschuldbaren Rechtsirrtum der Ethikkommission über ihre Pflichten könnte dagegen die Qualifiziertheit des Verstoßes zu verneinen sein. Dies bedarf jeweils der konkreten Abwägung. 221 Siehe Art. 7 der Richtlinie 2001/20/EG.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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gabe eines weiteren Votums für zuständig hält. Der dabei entstehende Schaden für den Antragsteller könnte in der entrichteten Begutachtungsgebühr sowie in dem durch eine etwaige Verzögerung entgangenen Gewinn liegen.222 Die Richtlinie spricht jedoch nur vom Schutz der Belange der Prüfungsteilnehmer und erwähnt die Interessen der Durchführenden an keiner Stelle. Die Aufforderung zur Festlegung eines Verfahrens erscheint als bloße Ordnungsvorschrift, die nicht den Schutz Dritter bezweckt. In solch einer Konstellation wären daher die Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs nicht erfüllt. (3) Schadensersatz wegen unterlassener Aufbewahrung von Dokumenten Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2005/28/EG bestimmt eine Aufbewahrungspflicht für die wesentlichen Dokumente aller klinischen Prüfungen nach Art. 15 Abs. 5 der Richtlinie 2001/20/EG für eine Dauer von drei Jahren. Diese Vorschrift kann grundsätzlich durch den nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der genaueren Definition, welche Dokumente als wesentlich anzusehen sind, weiter konkretisiert werden. Die Aufbewahrungspflicht als solche wird allerdings meines Erachtens schon bestimmt genug festgelegt, da sich aus der Vorschrift unmittelbar eine konkrete Handlungspflicht ohne Ermessensspielraum des Gesetzgebers ergibt. Somit ist auch Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2005/28/EG unmittelbar anwendbar und von den Ethikkommissionen zu beachten. Wesentliche Dokumente über klinische Prüfungen sind – den Schutz der Versuchsteilnehmer als Zweck der Vorschrift bedenkend – in jedem Fall solche, aus denen das zu prüfende Arzneimittel und der Prüfplan hervorgehen. Die Nichtaufbewahrung dieser Unterlagen stellt damit einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2005/28/EG dar.223 Sollte nun ein Versuchsteilnehmer einer klinischen Prüfung eines Arzneimittels zu Schaden kommen, ist Folgendes denkbar: Es stellt sich heraus, dass die Risiko-Nutzen-Abwägung der Ethikkommission deshalb fehlerhaft war, weil sie bei Aufbewahrung der Dokumente früherer klinischer Prüfungen die Überflüssigkeit der erneuten Prüfung hätte erkennen können. In diesem Fall wäre der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch für die Geschädigten eröffnet.
222
Zur Schadensberechnung siehe S. 135. Zu bedenken ist, dass es hinsichtlich der Qualifiziertheit des Verstoßes auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Zu fragen ist, inwiefern die Aufbewahrungspflicht zwingend oder ein etwaiger Rechtsirrtum der Ethikkommission über ihre Pflichten entschuldbar ist. 223
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c) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Verstöße der Ethikkommission gegen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2005/28/EG den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösen können.224 Im Zuge der Harmonisierung der Rechtsordnungen sind weitere, möglicherweise noch detailliertere EG-Richtlinien im Bereich der medizinischen Forschung am Menschen zu erwarten. Zugleich gelingt dem Gesetzgeber die fristgerechte und vollständige Umsetzung erfahrungsgemäß nicht immer. Damit wird der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch bei fehlerhaftem Verhalten der Ethikkommission in Zukunft wohl in größerem Umfang zu beachten sein. Dann wird auch der im Folgenden nachzugehenden Frage nach dem Anspruchsgegner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs größere Bedeutung zukommen. 2. Bestimmung des Anspruchsgegners in Deutschland Die Rechtswissenschaft gibt auf die Frage, wie der Schuldner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs in Deutschland zu bestimmen sei, keine einhellige Antwort. Die minimalen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs werden auf unterschiedliche Weise interpretiert. Bei den verschiedenen Konzeptionen zur Passivlegitimation spielt insbesondere eine Rolle, in welcher „Mutterrechtsordnung“ die Grundlage des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs verortet wird: Ein Teil der Literatur geht von einer bloßen Überlagerung der nationalen Staatshaftungsansprüche durch einen „Haftungsgrundsatz“ des Gemeinschaftsrechts aus. Von dieser Prämisse ausgehend bestimmt sich der Anspruchsgegner nach der „nationalen Konzeption“ auch allein nach nationalem Recht.225 Der Bundesgerichtshof sowie weitere Literaturstimmen verstehen dagegen den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch als einen dem Gemeinschaftsrecht entspringenden Anspruch sui generis. Während aber die Anhänger der „gemeinschaftsrechtlichen Lösung“ auch den Anspruchsgegner dem Gemeinschaftsrecht entnehmen,226 bestimmt der Bundesgerichtshof 224 Ein Schadensersatzanspruch aufgrund Verstoßes gegen andere, hier nicht geprüfte, gemeinschaftsrechtliche Vorschriften ist nicht ausgeschlossen. Wichtig war mir nur zu zeigen, dass schon heute eine Fallkonstellation denkbar ist, in der der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch einschlägig wäre. 225 Siehe S. 107–109. 226 Siehe S. 110–113.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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in einer Art „gemischten Lösung“ die passivlegitimierte Körperschaft nach den Grundsätzen des Art. 34 GG.227 In praktischer Hinsicht ist durch die höchstzivilrichterliche Entscheidung der Streit beendet. Es ist jedoch fraglich, ob der Bundesgerichtshof einen alle Ansichten vereinigenden Mittelweg gefunden hat oder ob sich die nunmehr bestehende Rechtsklarheit allein auf den gerichtlichen Machtanspruch stützen kann. Im Folgenden werden daher die verschiedenen Konzepte der Umsetzung der EG-Rechtsprechung in den deutschen Rechtskreis vorgestellt und kritisch gewürdigt. a) Die nationale Konzeption Teilweise wird der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch als ein Haftungsgrundsatz verstanden, der lediglich Mindestvorgaben für das nationale Staathaftungsrecht aufstellt.228 Bei Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht sei daher als Anspruchsgrundlage für eine Haftung die jeweils einschlägige nationale Staatshaftungsnorm als primäre Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Diese sei in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung dann den Erfordernissen des „gemeinschaftsrechtlichen Haftungsgrundsatzes“ anzupassen.229 aa) Gemeinschaftsrechtlicher Haftungsgrundsatz Begründet wird die Annahme eines bloßen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts damit, dass der Europäische Gerichtshof mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen allenfalls den Torso eines Anspruchs geschaffen habe. Dadurch, dass der Europäische Gerichtshof die prozessuale Durchsetzung und die Schadensberechnung den Mitgliedstaaten überlassen habe230, 227
Siehe S. 113–115. Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1000); Ehlers, JZ 1996, 776 (777); Martin-Ehlers, EuR 1996, 376 (396); Maurer in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong 1996, 591 (599); Gundel, DVBl. 2001, 95 (100); Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 80. 229 Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1004); Ehlers, JZ 1996, 776 (777); Martin-Ehlers, EuR 1996, 376 (397); Maurer in: Ebenroth/Hesselberger/Rinne, FS für Boujong 1996, 591 (598); Hermes, Die Verwaltung 1998, 371 (399); Gundel, DVBl. 2001, 95 (101); Kluth, DVBl. 2004, 393 (402); Kremer, NJW 2004, 480 (482); Maurer, AllgVerwR 2006, § 31 Rn. 6, 9; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 80. 230 EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/9 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 42 – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I): „Unter diesem Vorbehalt hat der Staat im Rahmen des nationalen Haftungsrechts die Folgen des verursachten Schadens zu beheben. Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist es nämlich Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitglied228
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sei deutlich geworden, dass es sich nicht um einen vollständigen Anspruch, sondern um einen bloßen Haftungsgrundsatz handele.231 Auch dass die Mitgliedstaaten die innerstaatlich haftende Körperschaft nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs frei bestimmen können, sei ein weiterer Beleg zur Untermauerung dieser These.232 Geht man nur von dem Bestehen eines allgemeinen Haftungsgrundsatzes für Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht aus, ist es tatsächlich unerheblich, wen die Haftung trifft. Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts muss nur sichergestellt werden, dass die nationalen Haftungsinstitute bei Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht auch für zum Beispiel legislative Untätigkeit oder Richterunrecht greifen – Bereiche, die in den meisten Mitgliedstaaten von einer Staatshaftung ausgeschlossen sind. bb) Anpassung der nationalen Anspruchsgrundlagen an das Gemeinschaftsrecht Die Vertreter dieser Ansicht gehen überwiegend davon aus, dass lediglich der Anspruch gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB entsprechend anzupassen sei, wenn die von dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien gegeben sind.233 Tatbestandsmerkmale, die dem gemeinschaftsrechtlichen Haftungsgrundsatz entgegenstehen, blieben unangewendet.234 Dies müsste also unter anderem ein Wegfallen des Verschuldenserfordernisses des § 839 Abs. 1 BGB, des Subsidiaritätsgrundsatzes des § 839 Abs. 1 staaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, . . .“ EuGH, Urt. v. 5. März 1996 – C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1131, Rn. 90 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/Factortame): „Soweit es auf diesem Gebiet keine Gemeinschaftsvorschriften gibt, ist es Sache der nationalen Rechtsordnung jedes Mitgliedsstaats, die Kriterien festzulegen, anhand deren der Umfang der Entschädigung bestimmt werden kann, wobei diese Kriterien nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden, auf nationales Recht gestützten Ansprüchen.“ 231 Nach Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1000); Ehlers, JZ 1996, 776 (777), kommt der Rechtsprechung des EuGH nur richtlinienähnlicher Charakter zu, sie verpflichte die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der Haftungsgrundsätze in nationales Recht; Martin-Ehlers, EuR 1996, 376 (396), stellt besonders auf die Formulierung „im Rahmen des nationalen Haftungsrechts“, s. Fn. 230, ab. 232 Gundel, DVBl. 2001, 95 (100): „Eine Anspruchsgrundlage, der nicht einmal der Anspruchsgegner zu entnehmen ist, ist schwer vorstellbar.“ 233 Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1004); Ehlers, JZ 1996, 776 (777); Gundel, DVBl. 2001, 95 (102). Dabei sind konsequenterweise sämtliche Haftungsgrundlagen in den Blick zu nehmen; so Martin-Ehlers, EuR 1996, 376 (397), der vorrangig auf die Anpassung des enteignungsgleichen Eingriffs eingeht. 234 Nettesheim, DÖV 1992, 999 (1004).
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S. 2 BGB sowie des Richterprivilegs des § 839 Abs. 2 BGB bewirken.235 Zwanglos ergäbe sich dann auch der Anspruchsgegner aus Art. 34 GG. cc) Kritik Die Konzeption eines bloßen Grundsatzes der Haftung kann aus zwei Gründen nicht überzeugen. Zum einen steht dieser Annahme die klare Aussage des Europäischen Gerichtshofs entgegen, der in der Entscheidung Francovich I feststellte, „[d]iese Voraussetzungen reichen aus, um dem einzelnen einen Anspruch auf Entschädigung zu geben, der unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet ist“.236 Der Gerichtshof geht demzufolge selbst davon aus, in richterlicher Rechtsfortbildung dem Europäischen Gemeinschaftsvertrag unmittelbar eine Anspruchsgrundlage entnommen zu haben.237 Zum anderen handelt es sich auch bei der Annahme eines bloßen Haftungsgrundsatzes um einen Grundsatz der unmittelbaren Staatshaftung. Zu dessen Durchsetzung die Konstruktion der mittelbaren Staatshaftung über § 839 BGB mit anschließender Überleitung durch Art. 34 GG zu bemühen, wirkt widersprüchlich. Denn bei der „Überlagerung“ des Anspruchs gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB durch Gemeinschafsrecht müssten gerade sämtliche auf die Eigenhaftung des Amtswalters hindeutende Elemente getilgt werden.238 Das Endergebnis der „gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung“ hat mit dem nationalen Amtshaftungsanspruch nichts mehr zu tun.239 Dann allerdings ist ernsthaft zu fragen, welchen Sinn die Konstruktion der Überlagerung nationalen Rechts durch einen Haftungsgrundsatz überhaupt hat. Die Anknüpfung an positives Recht, die dieser Ansatz scheinbar bietet240, stellt 235
§ 839 Abs. 2 BGB dürfte gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen; siehe Haratsch, JZ 2006, 1176 (1177). 236 EuGH, Urt. v. 19. November 1991 – C-6/9 und C-9/90, Slg. 1991, I-5403, Rn. 41 – Andrea Francovich u. a./Italienische Republik (Francovich I). 237 Dass der EuGH im Urt. v. 5. März 1996 – C-46/93 und C-48/93, Slg.1996, I-1131, Rn. 31 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary State of Transport, ex parte: Factortame Ltd. u. a. (Brasserie du Pêcheur/Factortame) von einem „Grundsatz der Haftung“ spricht, erscheint dagegen eher als eine rein sprachliche Abschwächung, die mit dazu dienen sollte, den Vorwürfen der unzulässigen richterlichen Rechtsfortbildung zu begegnen. 238 Kischel, EuR 2005, 441 (458/459), weist darauf hin, dass keine der nationalen Anspruchsgrundlagen des Staatshaftungsrechts dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch besonders nahe steht, sondern jeweils ein Abweichen gerade bei wesensprägenden Merkmalen fordert. 239 Kischel, EuR 2005, 441 (460). 240 Kluth, DVBl. 2004, 393 (402), fordert aus rechtsstaatlichen Gründen ein Anknüpfen an § 839 BGB statt an ungeschriebenes Richterrecht, das dem Bürger die Anspruchsdurchsetzung wesentlich erschwere.
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sich jedenfalls nur als ein Feigenblatt dar, mit dem die richterrechtlich von Europäischem Gerichtshof und Bundesgerichtshof auszuformenden Tatbestandsmerkmale bedeckt werden. Ebenso gut kann der Europäische Gerichtshof beim Wort genommen und von einem genuin gemeinschaftsrechtlichen Anspruch ausgegangen werden, welcher zur Durchsetzung der Haftung durch nationales Rechts flankiert wird. An den Haftungsvoraussetzungen ändert sich im Ergebnis nichts; sie lassen sich bei einer „gemeinschaftsrechtlichen Lösung“ jedoch ohne dogmatische Verrenkungen entwickeln. b) Die gemeinschaftsrechtliche Lösung Geht man aber davon aus, dass der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch dem Gemeinschaftsrecht als Anspruch sui generis entspringt, ist auch die Antwort auf die Frage nach dem Anspruchsgegner zunächst im Gemeinschaftsrecht zu suchen. aa) Anspruchsgegner grundsätzlich der Mitgliedstaat Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruchs müsste, wie alle dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmenden Ansprüche, grundsätzlich an den Mitgliedstaat als Gesamtstaat gerichtet sein.241 Dies klingt auch in den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs an, in denen nur von den Mitgliedstaaten als Anspruchsverpflichteten die Rede ist und in denen auf den völkerrechtlichen Charakter des Gemeinschaftsrechts rekurriert wird.242 Völkerrechtlich gesehen sind nur die Vertragsstaaten als Ganzes Rechtssubjekte und damit die einzig möglichen Gegner eines dem EG-Vertrag entstammenden Anspruchs.243 Auch mit den neueren Urteilen Konle244 und Haim II245 weicht der Europäische Gerichtshof, genau besehen, nicht von dieser Auffassung ab. In beiden Fällen hielt der Gerichtshof es für mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, 241 Jarass, NJW 1994, 881 (884/886); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 520; Folz in: Hafner/Loibe/Rest, Liber Amicorum Seidl-Hohenveldern 1998, 175 (196); sehr ausführlich Wollgast, Das haftende Subjekt der gemeinschaftsrechtlich gebotenen Staatshaftung in der Bundesrepublik Deutschland 1998, 47–70; Hidien, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der EU-Mitgliedstaaten 1999, 29 und 72; Kischel, EuR 2005, 441 (452). 242 Siehe Fn. 206 und Fn. 207. 243 Zwar können auch andere natürliche oder juristische Personen aus Völkerrecht Rechte und Pflichten ableiten. Dies aber nur, wenn die Völkerrechtssubjektivität ausdrücklich verliehen wird. 244 EuGH, Urt. v. 1. Juni 1999 – C-302/97, Slg. I-3122 – Klaus Konle/Republik Österreich (Konle). 245 EuGH, Urt. v. 4. Juli 2000 – C-424/97, Slg. I-5148 – Salomone Haim/Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein (Haim II).
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dass die Haftung eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft als den Gesamtstaat trifft.246 Dies solle aber nur dann der Fall sein, wenn sichergestellt sei, dass eine Entschädigung tatsächlich möglich ist.247 Der Gesamtstaat solle sich durch Zuständigkeitsverteilungen auf andere öffentlichrechtliche Körperschaften nicht seiner Haftung entziehen können.248 Gerade aus der letzten Aussage wird deutlich, dass der Europäische Gerichtshof grundsätzlich den Gesamtstaat in der Verpflichtung zum Schadensersatz sieht, wenn abweichende Regelungen fehlen.249 Die Entscheidungen Konle und Haim II des Europäischen Gerichtshofs widerlegen somit die teilweise vertretene Ansicht250, die haftende staatliche Körperschaft sei jeweils diejenige, deren Organ gehandelt habe. Zugleich hat das Gericht die Frage nach dem Anspruchsgegner nicht der alleinigen Regelung durch die Mitgliedstaaten überlassen, sondern trifft eine klare Grundaussage: Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist der Anspruchsgegner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zunächst eindeutig der Mitgliedstaat, also in Deutschland die Bundesrepublik. 246 EuGH, Urt. v. 1. Juni 1999 – C-302/97, Slg. I-3122, Rn. 64 – Klaus Konle/ Republik Österreich (Konle): „ein bundesstaatlich aufgebauter Mitgliedsstaat [kann] seine Verpflichtungen auch dann erfüllen (. . .), wenn nicht der Gesamtstaat den Ersatz der einem einzelnen durch gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Maßnahmen entstandenen Schäden sicherstellt.“; EuGH, Urt. v. 4. Juli 2000 – C-424/97, Slg. I-5148, Rn. 34 – Salomone Haim/Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein (Haim II): „es [ist] gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden (. . .), wenn die Haftung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf Ersatz des Schadens, der einem Einzelnen durch von ihr unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht getroffene Maßnahmen entstanden ist, neben derjenigen des Mitgliedstaats selbst gegeben ist.“ 247 EuGH, Urt. v. 1. Juni 1999 – C-302/97, Slg. I-3122, Rn. 62–64 – Klaus Konle/Republik Österreich (Konle); EuGH, Urt. v. 4. Juli 2000 – C-424/97, Slg. I-5148, Rn. 30 – Salomone Haim/Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein (Haim II): „ein solcher Mitgliedsstaat [kann] seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nur erfüllen (. . .), (. . .) sofern die innerstaatlichen Verfahrensregelungen einen wirksamen Schutz der Rechte ermöglichen, die dem Einzelnen auf Grund des Gemeinschaftsrechts zustehen, (. . .).“ 248 EuGH, Urt. v. 1. Juni 1999 – C-302/97, Slg. I-3122, Rn. 62 – Klaus Konle/ Republik Österreich (Konle): „Jeder Mitgliedstaat muss sicherstellen, daß dem einzelnen der Schaden ersetzt wird, der ihm durch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht entstanden ist, gleichgültig welche staatliche Stelle diesen Verstoß begangen hat und welche Stelle nach dem Recht des betreffenen Mitgliedstaats den Schadensersatz grundsätzlich zu leisten hat. Ein Mitgliedstaat kann sich daher seiner Haftung nicht dadurch entziehen, daß er auf die Aufteilung der Zuständigkeit und der Haftung auf Körperschaften verweist, die nach seiner Rechtsordnung bestehen.“ 249 So auch Weber, NVwZ 2001, 287 (288/289), der daraus jedoch eine generelle Subsidiarität des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs folgert. 250 So Detterbeck, AöR 125 (2000), 202 (248), und Beljin, Staatshaftung im Europarecht 2000, 82. Schockweiler, EuR 1993, 107 (117), und Jarass, NJW 1994, 881 (886), nehmen daneben auch die (subsidiäre) Haftung des Gesamtstaats an.
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bb) Abweichungen können mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sein Sofern es für den Geschädigten im Ergebnis keinen Unterschied macht, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Anpassung der Haftung an interne Zuständigkeitsverteilungen mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Diese Ausnahme bedarf aus der Sicht des Mitgliedstaats aufgrund des Gesetzesvorbehalts aber jeweils einer ausdrücklichen Regelung.251 Für die Rechtslage in Deutschland gibt die Entscheidung Haim II jedoch nichts her, auch wenn es sich um die Beantwortung der Vorlagefrage eines deutschen Gerichts handelte. Da sich die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts beschränkt, müssen sich seine Urteile einer Prüfung der mitgliedstaatlichen Rechtslage enthalten. Also trifft der Europäische Gerichtshof an keiner Stelle eine Aussage darüber, ob die Einschätzung der vorlegenden Gerichte, der Anspruchsgegner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs sei eine andere Körperschaft als der Gesamtstaat, mit der nationalen Rechtslage überhaupt übereinstimmt. Ob die Haftung innerstaatlich anders verteilt wird, muss daher aus dem jeweiligen Recht des Mitgliedstaats heraus beurteilt werden. cc) Keine abweichende Haftungsverteilungsregel in Deutschland Eine die Haftung des Bundes für den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch innerstaatlich auf die Bundesländer oder andere Körperschaften verteilende Norm besteht in Deutschland derzeit nicht. Art. 104 a Abs. 6 GG252 und das Lastentragungsgesetz253 würden zwar vom Wortlaut her eine solche Verteilungsregel hergeben. Der Gesetzgeber hat aber ersichtlich nur an die Frage der Lastenverteilung im Falle von Zahlungsverpflichtungen aufgrund von Entscheidungen der Europäischen Union oder anderer zwischenstaatlichen Einrichtungen wie dem EGMR gedacht.254 Diese Normen kommen als Haftungsverteilungsregel somit nicht in Betracht. 251
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 521. Durch Gesetz vom 28. August 2006 eingefügt, BGBl. I S. 2034. 253 Gesetz zur Lastentragung im Bund-Länder-Verhältnis bei Verletzungen von supranationalen und völkerrechtlichen Verpflichtungen (Lastentragungsgesetz-LastG) vom 5. September 2006, BGBl. I S. 2098. 254 Siehe die Begründung zu Art. 15 des Entwurfs eines Föderalismusreform-Begleitgesetzes vom 7. März 2006, BT-Drs. 16/814. 252
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Wie schon auf S. 94 dargelegt, schlägt Pestalozza vor, den Begriff „Verantwortlichkeit“ in Art. 34 Satz 1 GG weit zu interpretieren, so dass auch der eigentlich den Bund treffende gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch auf die Körperschaft übergeleitet wird, in deren Dienst der „Jemand“ steht, der die EG-Rechtsverletzung verursacht hat.255 Nach der hier vertretenen Ansicht ist Art. 34 Satz 1 GG jedoch nicht zur Haftungsverteilung unmittelbarer Staatshaftungsansprüche gedacht, sondern leitet nur Schadensersatzansprüche über, die direkt den handelnden „Jemand“ treffen. Eine noch weitere Öffnung der Norm würde ihren Charakter und das gesamte Gefüge des deutschen Staatshaftungssystems ändern. Für die innerdeutschen Staatshaftungsansprüche besteht das Bedürfnis nach einer Feinsteuerung der Passivlegitimation nicht. Beschränkte man die weite Auslegung deswegen allein auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, hätte man allerdings ohne Not einen „doppelten Verantwortlichkeitsbegriff“ in Art. 34 GG geschaffen: Bei Verletzung von EG-Recht könnte auch ein unmittelbarer Staatshaftungsanspruch übergeleitet werden. Bei Verletzung nationalen Rechts bliebe es dabei, dass nur direkt den Handelnden als Privatperson treffende Ansprüche zur Überleitung in Betracht kommen. Das Bedürfnis nach einer feineren innerstaatlichen Haftungsverteilung kann eine solche Unterscheidung allein nicht rechtfertigen. Auch Art. 34 Satz 1 GG ist somit keine geeignete Haftungsverteilungsregel. Anspruchsgegner des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs ist für das gemeinschaftswidrige Verhalten aller deutschen Behörden, Gerichte und Legislativorgane – ohne spezielle gesetzliche Regelungen – nach der hier vertretenen Ansicht derzeit die Bundesrepublik Deutschland. c) Die gemischte Lösung des Bundesgerichtshofs Auch der Bundesgerichtshof geht von einer gemeinschaftsrechtlichen Anspruchsgrundlage sui generis aus. Bei der Frage nach dem Anspruchsgegner wendet das Gericht in der Entscheidung vom 2. Dezember 2004 über die Haftung der See-Berufsgenossenschaft jedoch die „Grundsätze des Art. 34 GG“ an.256 aa) Gemeinschaftsrechtlicher Anspruch sui generis Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wurzelt der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch mit seinem haftungsbegründenden Tatbestand 255 256
Pestalozza in: Brink/Wolff, FS für v. Arnim 2004, 283 (289–290). BGHZ 161, 224 (336).
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im richterrechtlichen Gemeinschaftsrecht, während für den haftungsausfüllenden Tatbestand nationale Rechtsgrundlagen heranzuziehen seien.257 Der Bundesgerichtshof geht mit dieser „dualistischen Konzeption“258 mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konform. Er übernimmt das Selbstverständnis des Europäischen Gerichtshofs, dem Vertragswerk einen Staatshaftungsanspruch durch Auslegung entnommen zu haben, und beendet so für die deutsche Rechtspraxis den Streit über die Zulässigkeit solcher Rechtsfortbildung. Zudem werden die Stimmen in der Literatur, die in dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch einen Anspruch sui generis erblicken,259 durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt. bb) Anspruchsgegner nach Grundsätzen des Art. 34 Satz 1 GG zu bestimmen Der Bundesgerichtshof geht in der Entscheidung vom 2. Dezember 2004 über die Haftung der See-Berufsgenossenschaft für ihre Mitarbeiter zum ersten Mal auf die Frage nach der Bestimmung des Anspruchsgegners im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs ein. Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung Haim II stellt der Senat zunächst fest, dass den Mitgliedstaat gemeinschaftsrechtlich die Pflicht trifft, den Ersatz von Schäden sicherzustellen, die dem Einzelnen aus der Verletzung von Gemeinschaftsrecht entstehen. Denn das Gericht betont den Ausspruch des Europäischen Gerichtshofs, nach dem es dem Mitgliedstaat freigestellt sei, wie er den Anspruchsgegner bestimmt, solange die innerstaatlichen Verfahrensregelungen einen wirksamen Schutz der Rechte ermöglichen, die dem Einzelnen aufgrund Gemeinschaftsrechts zustehen. Im Anschluss daran führt es aus, dass 257
BGHZ 134, 30 (32); BGHZ 146, 153 (158/159); BGHZ 161, 224 (236). Mit diesem Begriff belegt Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 526, den Ansatz des BGH, den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch als Anspruch sui generis ideal konkurrierend neben den nationalen Staatshaftungsansprüchen anzuwenden. Hier soll der Begriff zusätzlich die Trennung zwischen Haftungsbegründung (Gemeinschaftsrecht) und Haftungsausfüllung (nationales Recht) verdeutlichen. Hidien, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der EU-Mitgliedstaaten 1999, 37, spricht insofern von einer „dualistischen Haftungsnorm“; Link, Das Verschulden in der Amtshaftung 2006, 302, von einem „dualistischen Konzept“. 259 Vgl. von Danwitz, DVBl. 1997, 1 (6); Geiger, Der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Staatshaftung 1997; Folz in: Hafner/Loibe/Rest, Liber Amicorum Seidl-Hohenveldern 1998, 175 (181); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 526; Detterbeck, AöR 125 (2000), 202 (239/240); Kischel, EuR 2005, 441 (465). Schlemmer-Schulte/Ukrow, EuR 1992, 82 (83), Pieper, NJW 1992, 2454 (2458), und Link, Das Verschulden in der Amtshaftung 2006, 305, sprechen wie der BGH vom „haftungsbegründenden Tatbestand“, der im Gemeinschaftsrecht angesiedelt sei. 258
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es dann naheliege, „die Folgen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs . . . weitgehend mit den nach innerstaatlichem Recht geltenden Regeln in Einklang zu bringen“.260 Der Senat sehe „daher angesichts des Umstandes, daß der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch aufgrund der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in die innerstaatliche Rechtspraxis selbstverständlichen Einzug gehalten hat, keine Bedenken, die Bestimmung des Haftungssubjekts für diesen Anspruch nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die für die Übernahme der Haftung nach Art. 34 GG gelten“.261 Für solches Vorgehen spricht die Praktikabilität: In der Regel ist so dieselbe Körperschaft sowohl für den Anspruch aus Gemeinschaftsrecht als auch für einen Anspruch aus Art. 34 i. V. mit § 839 BGB passivlegitimiert. cc) Kritik In wenigen Sätzen hat der Bundesgerichtshof mit dieser Entscheidung qua Richterrecht eine Verteilungsregel für den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch eingeführt. Das Gericht wendet nicht etwa Art. 34 Satz 1 GG direkt an262 – in diesem Fall hätte es sich ohnehin näher mit der Auslegung des Begriffs der überzuleitenden „Verantwortlichkeit“ auseinandersetzen müssen263 –, sondern es benutzt die Bestimmungskritierien für die Passivlegitimation aus Art. 34 Satz 1 GG264, um den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch an die Haftung nach Art. 34 Satz 1 GG i. V. m. § 839 BGB anzupassen. Offen bleibt, ob der Senat die Frage der Passivlegitimation als eine „Haftungsfolge“ dem jeweiligen Mitgliedstaat zur Regelung überlassen glaubte und daher richterliche Lückenfüllung für notwendig hielt oder ob diese Bestimmungsregel eine richterrechtliche Abweichung von der gemeinschaftsrechtlich bestimmten Haftung der Bundesrepublik Deutschland darstellen 260
BGHZ 161, 224 (236 Mitte). BGHZ 161, 224 (236 Mitte). 262 Denn sonst hätte es wohl mindestens formuliert: „keine Bedenken, die innerstaatliche Bestimmung des Haftungssubjekts dieses Anspruchs nach Art. 34 GG vorzunehmen.“ Die Wendung „nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die für die Überleitung der Haftung nach Art. 34 GG gelten“ deutet dagegen darauf hin, dass das Gericht hier gerade nicht von einer Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG ausgeht, sondern nur die gleiche Folge herbeiführen will. 263 Siehe dazu Pestalozza in: Brink/Wolff, FS für v. Arnim 2004, 283 (289–290), auf dessen Vorschlag auf S. 94 und S. 112 näher eingegangen wird. 264 Also: Es haftet wohl „diejenige Körperschaft, in deren Dienst der Amtsträger steht“, der Gemeinschaftsrecht verletzt hat. 261
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
soll. Für die letztgenannte Deutung spricht, dass gerade der Leitsatz der Entscheidung ausdrücklich von der gemeinschaftsrechtlich den Bund treffenden Haftung spricht.265 In den Gründen wird zwar nur eher abstrakt von einer Verpflichtung des Mitgliedstaats gesprochen, für die Gewährung von Schadensersatz zu sorgen, und betont, dass nach dem Europäischen Gerichtshof dies nicht notwendigerweise durch den Mitgliedstaat selbst zu erfolgen hat. Die letztgenannte Deutung erklärt jedoch, warum der Senat davon spricht, die Folgen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs mit dem innerstaatlichen Recht in Einklang bringen zu wollen. Denn dann muss das Gericht davon ausgegangen sein, dass die Bestimmung des Anspruchsgegners nach Gemeinschaftsrecht an sich nicht mit innerstaatlichem Staatshaftungsrecht im Einklang steht. Nimmt man also an, dass mit der vorliegenden Entscheidung in Abweichung von Gemeinschaftsrecht eine innerstaatliche Haftungsverteilungsregel geschaffen wurde, ist zwar davon auszugehen, dass gemeinschaftsrechtlich eine solche Abweichung zulässig ist. Innerstaatlich gesehen begegnen diesem Richterspruch jedoch Bedenken. Zum einen ist fraglich, ob angesichts des Gesetzesvorbehalts diese richterliche Abweichung von Gemeinschaftsrecht überhaupt wirksam ist. Auf zulässige Rechtsfortbildung in Form einer Analogie könnte das Gericht sich an sich nur dann berufen, wenn eine – überdies planwidrige – Regelungslücke vorhanden wäre. Gemeinschaftsrechtlich ist der Anspruchsgegner jedoch schon bestimmt. Dass dies keine auf das Innenleben des Mitgliedstaats zugeschnittene Bestimmungsregel ist, macht den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nicht lückenhaft. Es ist jedoch zuzugeben, dass richterliche Rechtsschöpfung im Bereich der Staatshaftung in Deutschland Tradition hat. Wird der Rechtsprechung des Senats gefolgt266, kann sich die Anwendung der Grundsätze des Art. 34 Satz 1 GG auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zu Gewohnheitsrecht verdichten. Allerdings hat der Senat für eine neu zu schaffende Haftungsbestimmungsregel erstaunlich wenig Begründungsaufwand geleistet. Denn es wird 265
Der Leitsatz lautet unter 2.: „Auch bei der Geltendmachung eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 34 GG. Der Bund, der gemeinschaftsrechtlich verpflichtet ist, den Ersatz des durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstandenen Schadens sicherzustellen, ist innerstaatlich nur dann Schuldner eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, wenn ihn zugleich die Verantwortlichkeit nach Art. 34 Satz 1 GG trifft.“ 266 Derzeit kann darüber keine Prognose abgegeben werden. Es hat sich bisher kein Gericht zustimmend oder ablehnend zu BGHZ 161, 224 geäußert. Auch in der Aufsatzliteratur scheint das Urteil im Wesentlichen unbemerkt durchzugehen. In: Link, Das Verschulden in der Amtshaftung 2006, 280/281, ist es ohne nähere inhaltliche Auseinandersetzung lediglich erwähnt.
C. Der nach Art. 34 GG überzuleitende Anspruch
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nicht deutlich, warum als innerstaatliches Recht, mit dem der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch in Einklang zu bringen sei, Art. 34 GG herangezogen werden muss und nicht etwa das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs. Die Bestimmung der Passivlegitimation im deutschen Staatshaftungsrecht ist durchaus nicht einheitlich. Der Hinweis, dass „der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch aufgrund der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in die innerstaatliche Rechtspraxis selbstverständlichen Einzug gehalten“ hat, reicht als Begründung nicht aus: Denn aus der bloßen Akzeptanz des vom Europäischen Gerichtshof geschaffenen Anspruchs folgt nichts für eine innerstaatliche Bestimmungsregel für das Haftungssubjekt. Erst recht kann diese Akzeptanz nicht als Begründung dafür dienen, dass die Wahl ausgerechnet auf die „Grundsätze des Art. 34 GG“ gefallen ist. Weiter äußert sich der Senat jedoch nicht. Nahe liegt deren Anwendung allenfalls aus dem Einzelfall heraus, denn im zu entscheidenden Fall bejahte der Bundesgerichtshof auch einen Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 Satz 1 GG i. V. m. § 839 BGB und es traf sich demnach gut, für beide Ansprüche einen Beklagten heranziehen zu können. Rechtliche Gründe für die Heranziehung der „Grundsätze des Art. 34 GG“ sind jedoch nicht ersichtlich. Zusammenfassend ist festzuhalten: Es mag ein praktisches Bedürfnis nach einer feineren Verteilung der Haftung gerade in föderalistisch aufgebauten Staaten bestehen. Für dessen Stillung ist aber der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen. Zwar können auch richterliche Aussprüche zu Gewohnheitsrecht erstarken. Eine richterrechtlich eingeführte Gleichschaltung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs mit dem innerstaatlichen Anspruch aus Art. 34 Satz 1 GG i. V. m. § 839 BGB war jedoch nicht geboten. Jedenfalls steht eine befriedigende Begründung hierfür noch aus. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich der Ausspruch widerspruchslos durchsetzen wird. 3. Ergebnis Art. 34 GG findet nach der hier vertretenen Ansicht für die Bestimmung des Anspruchsgegners des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs keine Anwendung. Sollten die Ethikkommissionen bei ihrer Tätigkeit Gemeinschaftsrecht verletzen, ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch allein gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten. Eine abweichende gesetzliche Haftungsverteilung besteht (noch) nicht. Hält der Bundesgerichtshof dagegen an seiner derzeitigen Rechtsprechung fest, kommen als Anspruchsgegner grundsätzlich dieselben Körperschaften in Betracht wie für den nationalen Anspruch aus Art. 34 GG
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Teil 2: Grundüberlegungen zur Staatshaftung
i. V. m. § 839 BGB.267 Fraglich ist jedoch, ob die die Haftungsverteilung abändernden Landesgesetze Anwendung finden. In Einzelfällen könnte das gefundene Ergebnis gegen die Grundsätze des effet utile verstoßen, nämlich dann, wenn eine Befriedigung des Geschädigten wegen fehlender Haftungsmasse der unterstaatlichen Körperschaft unwahrscheinlich erscheint. Das kann namentlich bei solchen Ärztekammern der Fall sein, deren Versorgungswerke rechtlich selbständig sind und deren Haftungsmasse daher nur die zur Verwaltungsarbeit nötigen Finanzmittel umfasst.268 Dann wäre nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ohnehin wieder die Haftung der Bundesrepublik Deutschland als Gesamtstaat im Spiel. Der grundsätzliche Vorteil einer Anwendung der Grundsätze des Art. 34 GG, für den nationalen und den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch die gleichen Anspruchsgegner heranziehen zu können, entfiele in diesen Konstellationen. Auch aus diesen Gründen ist daher für ein erneutes Überdenken der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Bestimmung des Anspruchsgegners zu plädieren. Vorzuziehen wäre jedoch die Schaffung einer auf unser föderalistisches System zugeschnittenen gesetzlichen Haftungsverteilungsregel für den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch.269
D. Zwischenergebnis Nach den hier angestellten Vorüberlegungen lässt sich Folgendes festhalten: Alle Ethikkommissionen nach dem Arzneimittel- oder dem Medizinproduktegesetz sind in die staatliche Verwaltungsorganisation eingebunden. Sie handeln bei der Abgabe von Voten in Formen des öffentlichen Rechts. Damit handelt es sich bei ihrer Tätigkeit um staatliche Tätigkeit, für die, wenn sie Schäden verursacht, Staatshaftung in Betracht kommt. Daran ändert auch das teilweise Fehlen demokratischer Legitimition der Ethikkommissionen nichts. Im Gegenteil, die aufgrund des Verstoßes gegen das Demokratiegebot des Art.20 Abs. 2 GG per se fehlerhaften Voten können das staatliche Haftungsrisiko vergrößern. Diese Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung von Staatshaftung für Ethikkommissionen gemäß Art. 34 GG. Hinsichtlich der Dogmatik dieser 267
Siehe dazu S. 178–219. Siehe näher auf S. 227. 269 Der durch Gesetz vom 28. August 2006 eingefügte Art. 104a Abs. 6 GG, BGBl. I S. 2034, und das Lastentragungsgesetz vom 5. September 2006, BGBl. I S. 2098 kommen als Verteilungsregel nicht in Betracht, siehe S. 112. 268
D. Zwischenergebnis
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Verfassungsnorm und ihres Verhältnisses zu § 839 BGB konnten einige auf den ersten Blick überraschende Erkenntnisse gewonnen werden. Im Ergebnis verläuft die Prüfung jedoch nicht so weitab der vertrauten Pfade, wie vermutet werden könnte: Art. 34 Satz 1 GG ist eine Überleitungsnorm, die die aufgrund anderer Hafungsnormen begründete Schadensersatzpflicht auf den Staat oder eine andere Körperschaft verlagert, in deren Dienst der Amtsträger steht. Nach der hier vertretenen Ansicht ist Art. 34 GG zwar nicht allein an § 839 BGB angeseilt, jedoch meint Art. 34 Satz 1 GG mit „Verantwortlichkeit“ eine den Amtsträger persönlich treffende privatrechtliche Haftung. Die Überoder Weiterleitung anderer unmittelbarer Staatshaftungsansprüche gemäß Art. 34 Satz 1 GG ist nicht möglich. Auch eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des Art. 34 Satz 1 GG auf den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, wie sie der Bundesgerichtshof vornimmt, wird hier abgelehnt. Danach kommen zur Überleitung nach Art. 34 Satz 1 GG nur Schadensersatzpflichten des Amtsträgers aus dem Bereich des Zivilrechts in Betracht. Verschuldensunabhängige Normen wie die der Gefährdungshaftung sind als Anspruchsgrundlagen wegen fehlerhaften Verhaltens von Ethikkommissionen nicht ersichtlich. Schadensersatzansprüche des allgemeinen Deliktsrechts werden von § 839 BGB als lex specialis verdrängt. Somit ist bei der Frage nach Staatshaftung gemäß Art. 34 GG für Ethikkommissionen allein der klassische „Amtshaftungsanspruch“ Art. 34 GG i. V. mit § 839 BGB zu prüfen.
Teil 3
Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB A. Anspruchsvoraussetzungen Art. 34 Satz 1 GG enthält drei haftungsbegründende Tatbestandsmerkmale. Zunächst muss gefragt werden, ob sich die Tätigkeit der Ethikkommissionsmitglieder als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt. Daraufhin wird untersucht, ob und welche einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflichten durch ein fehlerhaftes Votum verletzt sein könnten. Schließlich muss die Amtspflichtverletzung eine den Amtswalter treffende zivilrechtliche Verantwortlichkeit begründen. Wie in Teil 2 erläutert, kommt für die Tätigkeit von Ethikkommissionen lediglich § 839 BGB in Betracht.
I. Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes Sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung wird die Amtshaftung als Funktionshaftung, nicht als Statushaftung verstanden.1 Es besteht Einigkeit, dass es für eine Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG nicht auf den Beamtenstatus des Handelnden ankommt. Allerdings wird der so genannte „funktionale Beamtenbegriff“2 unterschiedlich definiert. Bei der Bestimmung, wann jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt, liegt der Schwerpunkt entweder auf der Tätigkeit als solcher oder auf dem öffentlichen „Amt“. In der Literatur wird überwiegend in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 34 GG „in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ auf das Tätigwerden der Person abgestellt. Amtswalter ist danach jede Person, deren Tätigkeit dem hoheitlichen Funktionskreis zugeordnet werden kann. Auf die organisatorische Eingliederung oder Rechtsstellung der Person kommt es nicht an.3 Nach dieser Auffassung ist zunächst allein die Rechts1 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 12; Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 12. 2 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (350). 3 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 12; Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 12.
A. Anspruchsvoraussetzungen
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form des Handelns entscheidend.4 Es ist also zu prüfen, ob das schadensbegründende Verhalten dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Teilweise wird sogar dafür plädiert, in konsequenter Fortführung des Funktionsgedankens unabhängig von der Rechtsform jede Erfüllung staatlicher Aufgaben als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen, um auch Verwaltungsprivatrecht und Realakte mit einbeziehen zu können.5 Auch bei diesen unterschiedlich weiten Ansätzen besteht jedenfalls Einigkeit darüber, dass öffentlich-rechtliches Handeln in jedem Fall als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist. Wie schon in Teil 2 herausgearbeitet wurde, hat sowohl das Votum einer Ethikkommission nach § 40 Abs. 1 Satz 2 AMG als auch ein Votum nach § 20 Abs. 7 Satz 1 MPG öffentlich-rechtlichen Charakter. Betont man die Tätigkeit der Ethikkommission als solche, dann liegt die Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG vor.6 Teilweise wird unter Betonung der Wendung „in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ der funktionale Beamtenbegriff des Art. 34 Satz 1 GG etwas enger eingegrenzt. Nach Kreissl ist unter Amt (wie sonst in der Verwaltungslehre) eine generelle, auf einen bestimmten Aufgabenkreis bezogene und nicht auf einen speziellen Anlass beschränkte Kompetenzzuweisung zu verstehen, die wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage bedarf.7 Danach sind im Einzelfall zur Durchführung einer Aufgabe beauftragte Private von einer Qualifizierung als Amtswalter ausgeschlossen, selbst wenn sie im Rahmen öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden.8 Diese Abgrenzung stimmt mit der Rechtsprechung überein, die nur dann bei privatrechtlichem Handeln eine Zuordnung zum staatlichen Funktionskreis vornimmt, wenn die betreffende Privatperson derart den Weisungen und der Einflussnahme der staatlichen Stellen unterliegt, dass sie als lediglich ausführendes Werkzeug des eigentlichen Amtswalters angesehen werden kann.9 Nach dieser Ansicht wäre bei der Frage, 4
BHGZ 110, 253 (255); Bryde in: Münch/Kunig, GG Bd. 2 2001, Art. 34 Rn. 17; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 11; Jarass in: Jarass/ Pieroth, GG 2007, Art. 34 Rn. 8. 5 Böhme, Die Beschränkung der Amtshaftung auf die Hoheitsverwaltung 1969, 158–163; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 27/28. 6 So auch Kreß, Die Ethik-Kommissionen im System der Haftung 1990, 186; Scheffold, Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von institutional review boards und von Ethik-Kommissionen 1992, 109; Wilkening, Der Hamburger Sonderweg im System der öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen Deutschlands 2000, 70. 7 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (350) unter Verweis auf Würtenberger, DAR 1983, 155 (159–160), der dies jedoch in der Prägnanz nicht formulierte. 8 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (350–351). 9 BGHZ 48, 98 (103); BGHZ 121, 161.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
ob jemandem ein öffentliches Amt anvertraut wurde, ausschließlich nach einer rechtlichen Grundlage für die ihm zustehenden Kompetenzen und nach einem förmlichen Verleihungsakt zu suchen. Die Ausübung dieser durch die Amtsübergabe verliehenen gesetzlichen Zuständigkeit stellte dann die „Ausübung des öffentlichen Amtes“ dar. Die Tätigkeit der Mitglieder der Ethikkommissionen ist in den §§ 40 Abs. 1 Satz 2, 42 Abs. 1 AMG und § 20 Abs. 7 und 8 MPG in ihren Grundzügen gesetzlich geregelt. Bei den öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen ist die Art der Bestellung landesrechtlich verschieden geregelt, immer wird das Amt aber förmlich durch eine Form der Berufung verliehen. Danach ist auch nach dieser Ansicht die Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Ethikkommission als öffentliches Amt zu verstehen. Die Abgabe eines Votums über den ärztlichen Prüfplan ist die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe, die Ausübung der der Ethikkommission gewährten Kompetenz. Bei den privaten Ethikkommissionen könnte man zweifeln, ob die einzelnen Mitglieder ein öffentliches Amt ausüben. Denn dadurch, dass für die Betrauung mit den Aufgaben nach dem Medizinproduktegesetz lediglich die Ethikkommission als Ganzes registriert werden muss, hat keine staatliche Stelle Einfluss darauf, wer Mitglied der Ethikkommission wird.10 Sie verdanken ihr jeweiliges Amt nicht der staatlichen Hand. Allerdings ist die privatrechtlich organisierte Ethikkommission als solche mit der Registrierung zur Beliehenen geworden.11 Da juristische Personen nur durch ihre Mitglieder handlungsfähig sind, sind auch jene als Beliehene mit hoheitlichen Befugnissen anzusehen.12 Die Mitglieder privatrechtlich organisierter Ethikkommissionen bekleiden damit auch ein öffentliches Amt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Abgabe der eigenen Stimme bei der Entscheidung über das Votum eine „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG darstellt. Dabei ist es unerheblich, ob der funktionale Beamtenbegriff unter Betonung der Tätigkeit als solcher oder des öffentlichen Amtes gedeutet wird.
10 § 20 Abs. 8 S. 2 MPG verlangt für die Registrierung lediglich die öffentliche Bekanntgabe der Mitglieder, gibt aber keine Handhabe für das BfArM, die Mitglieder mit auszuwählen. Auch die öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen, deren Mitglieder regelmäßig wechseln, sind nach diesen Vorgaben beim BfArM registriert. 11 Siehe S. 60. 12 Siehe auch BGHZ 122, 85 (93); BGH NVwZ 1994, 823 (823); BGH NVwZ 2001, 835 (835).
A. Anspruchsvoraussetzungen
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II. Verletzung einer ihm einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht Die Amtspflichtverletzung ist die Verletzung der Pflichten, die sich aus dem amtlichen Verhältnis des Amtswalters zum Staat ergeben.13 Das können interne Anweisungen oder Verwaltungsvorschriften sein. Der Amtswalter hat aber auch und gerade die Pflicht, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die den Staat gegenüber dem Bürger bindenden Rechtspflichten zu beachten.14 Dies ergibt sich aus der Gesetzesbindung der drei Gewalten aus Art. 20 Abs. 3 GG und der Überlegung, dass diese Bindung sich sinnvollerweise auch auf die für sie handelnden Amtswalter erstrecken muss.15 Amtspflichten ergeben sich somit überwiegend aus den einschlägigen Rechtsvorschriften. Die speziellen von der Ethikkommission bei der Abgabe des Votums zu beachtenden Vorschriften sind in den §§ 40 Abs. 1 Satz 2, 42 Abs. 1 AMG in Verbindung mit der Ausführungsverordnung und der jeweiligen Satzung der Ethikkommission bzw. § 20 Abs. 7 und 8 MPG und der jeweiligen Satzung der Ethikkommission geregelt. Damit werden zum einen inhaltliche Anforderungen an das Votum gestellt und zum anderen ein bestimmtes Verfahren sowie Entscheidungsfristen vorgegeben. Zu fragen ist nun, inwiefern diese Amtspflichten Dritten gegenüber obliegen. Die Drittbezogenheit ist anhand der die Amtspflicht begründenden Vorschriften und der besonderen Natur des Amtsgeschäfts zu ermitteln.16 Die vom Amtswalter zu beachtende Norm müsste den Zweck haben, nicht nur dem Allgemeinwohl zu dienen, sondern zumindest auch Individualinteressen zu schützen.17 Das ist dann der Fall, wenn die Norm eine von der Allgemeinheit abgrenzbare und individualisierbare Personengruppe schützen soll.
13 Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 16; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 42; Windhorst in: Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht 2000, § 9 Rn. 57. 14 Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 16; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 43; Windhorst in: Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht 2000, § 9 Rn. 59. 15 Windhorst in: Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht 2000, § 9 Rn. 59. 16 Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 19; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 58. 17 Ständige Rechtsprechung: BGHZ 56, 40 (45); 63, 35 (38 f.); 74, 144 (146); 89, 1 (5); 100, 313 (317); 106, 326 (331); 129, 23 (25); 134, 268 (276).
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
1. Gegenüber Patienten und Probanden obliegende Amtspflichten Die der Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten am Menschen vorgeschaltete Begutachtung des Prüfplans durch eine Ethikkommission dient insbesondere dem Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der Entscheidungsfreiheit der beteiligten Probanden und Patienten. Das Erfordernis der ärztlichen Vertretbarkeit, die Anforderungen an die medizinisch-fachliche Betreuung, die Anforderungen an die Einwilligung18 und die so genannte Probandenversicherung sollen damit die Interessen der Versuchsteilnehmer schützen.19 Diese sind als individualisierbare Personengruppe von der Allgemeinheit abgrenzbar und somit Dritte im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG. Diese Vorschriften des Probandenschutzes begründen somit gegenüber den Versuchsteilnehmern obliegende Amtspflichten der Ethikkommission. Nicht dazu gehören andere, das Verfahren und einzuhaltende Fristen betreffende Normen. Ein unter Missachtung von § 42 Abs. 1 Satz 7 Nr. 2 und 3 AMG bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 4–9; Abs. 4 Nr. 1–4 und Abs. 5 MPG ergehendes zustimmendes Votum der Ethikkommission stellt folglich eine Verletzung der gegenüber den Probanden und Patienten obliegenden Amtspflichten dar. Insbesondere der nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Versicherungsschutz wird hierbei eine häufige Fehlerquelle darstellen, da die derzeitige Ausgestaltung der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die klinische Prüfung von Arzneimitteln (Probandenversicherung)“ zu niedrige Höchstbetragssummen vorsieht.20 2. Gegenüber Sponsoren und forschenden Ärzten obliegende Amtspflichten Die von der Ethikkommission zu beachtenden Vorschriften dienen jedoch auch dem Schutz der Interessen des Antragstellers und des prüfenden Arztes, indem sie ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufstellen: 18 Das Vorliegen der erforderlichen Einwilligung ist bei Medizinprodukteprüfungen (seltsamerweise) jedoch nicht von der Ethikkommission zu überprüfen, § 10 Abs. 8 S. 1 MPG. 19 Siehe zu den zu prüfenden Voraussetzungen im Einzelnen für Arzneimittelprüfungen S. 33 und für Medizinprodukteprüfungen S. 35. 20 So wird für den einzelnen Geschädigten der Versicherungsschutz auf 512.000 Euro begrenzt und in Massenschadensfällen sogar schlechtestenfalls auf 5113 Euro reduziert; vgl. die ABV der Gothaer Versicherungen von 2002, veröffentlicht von European Leukemia Net unter http://www.leukemia-net.org/trial/download/public/ALL_ GMALL-MabCampath_InsureCond.pdf?id=219; letzter Zugriff am 30. September 2008. Siehe zu dem Stand vor der Euroumstellung ausführlich Wenckstern, Die Haftung bei der Arzneimittelprüfung und die Probandenversicherung 1999, 268, 293/294.
A. Anspruchsvoraussetzungen
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Die Verweigerung eines zustimmenden Votums zur Prüfung eines Arzneimittels am Menschen bewirkt, dass die geplante Studie nicht stattfinden kann, da die Zustimmung der Ethikkommission nach § 40 Abs. 1 Satz 2 AMG zwingende Voraussetzung für den Beginn der klinischen Prüfung ist. Dies stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Sponsors der Studie aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie in die Forschungsfreiheit des prüfenden Arztes aus Art. 5 Abs. 3 GG dar. Sind die zu beachtenden Vorschriften nach dem Prüfplan aber erfüllt, darf kein ablehnendes Votum ergehen, sondern besteht ein grundrechtlicher Anspruch auf Zustimmung. Dementsprechend darf eine Ablehnung des Prüfplans gemäß § 42 Abs. 1 Satz 7 AMG nur erfolgen, wenn die Unterlagen unvollständig sind oder nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen oder die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4 und § 41 AMG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ein zustimmendes Votum darf nur dann mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn sie dazu dienen, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zustimmung zu erfüllen.21 Aber auch ein fehlerhaftes Verfahren oder nicht eingehaltene Fristen können – bei fehlender Heilung gemäß § 45 VwVfG – zur Rechtswidrigkeit des Votums führen, das damit den Eingriff in die Berufs- bzw. Forschungsfreiheit nicht zu rechtfertigen vermag. Ebenso folgt aus den Grundrechten ein Recht des Antragstellers auf Bescheidung, so dass eine Amtspflicht zur Befassung mit dem Antrag besteht. Ein die Prüfung von Arzneimitteln am Menschen rechtswidrig ablehnendes Votum der Ethikkommission oder das Unterlassen der Begutachtung stellt damit eine Verletzung der dem Sponsor und dem prüfenden Arzt gegenüber obliegenden Amtspflicht zur Beachtung seiner Grundrechte dar. Dasselbe gilt für ein zustimmendes Votum, das mit ungerechtfertigten Nebenbestimmungen versehen wurde. Alle von den Ethikkommissionsmitgliedern zu beachtenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes sowie die Regeln über das Verwaltungsverfahren obliegen ihnen somit sowohl gegenüber dem Sponsor der Studie als auch gegenüber dem prüfenden Arzt. Zu beachten ist, dass bei an Ärztekammern angesiedelten Ethikkommissionen auch schon der fehlende gesetzliche Auftrag zur Prüfung nach dem Arzneimittelgesetz zur Rechtswidrigkeit ihres Votums führt. 21 Gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Eine entsprechende Ermächtigung sieht das Arzneimittelgesetz nicht vor, somit kommt eine Nebenbestimmung nach § 36 Abs 1 Var. 2 VwVfG in Betracht. Siehe dazu von Dewitz in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 214–216 sowie Pestalozza, HFR 2007, 177 (187/188); im Ergebnis a. A. Meuser/Platter, PharmaR 2005, 395 (399–402), die außer in Fällen des Nachreichens von Unterlagen Auflagen zum Prüfplan für ein aliud und damit nicht für echte Nebenbestimmungen halten.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Wird zu der Prüfung eines Medizinprodukts am Menschen die Zustimmung durch die Ethikkommission verweigert oder liegt sie noch nicht vor, darf sie gemäß § 20 Abs. 7 Satz 3 MPG dennoch innerhalb von 60 Tagen nach der Anzeige beginnen, es sei denn, die zuständige Behörde entscheidet aus bestimmten Gründen gegenteilig. Ein negatives Votum der Ethikkommission hat somit zwar keine endgültige Auswirkung auf die Berufsfreiheit des Sponsors oder die Forschungsfreiheit des prüfenden Arztes, führt aber immerhin zu einer Verzögerung des Prüfungsbeginns um den genannten Zeitraum. Dieser Eingriff in die grundrechtlich geschützten Freiheiten ist nur gerechtfertigt, wenn er rechtmäßig erfolgt. Die Durchführenden der klinischen Prüfung haben somit einen grundrechtlichen Anspruch auf die Einhaltung der von der Ethikkommission zu beachtenden Vorschriften. Eine Ablehnung des Prüfplans darf nur erfolgen, wenn die gemäß § 20 Abs. 8 Satz 1 MPG von der Ethikkommission zu prüfenden Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 4–9, Abs. 4 Nr. 1–3 und Abs. 5 MPG nicht vorliegen. Auch hier darf ein zustimmendes Votum nur dann mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn diese dazu dienen, die genannten Voraussetzungen zu erfüllen.22 Nimmt die Ethikkommission die Begutachtung überhaupt nicht vor, wurde der grundrechtliche Anspruch des Antragstellers auf Bescheidung nicht beachtet. Ein rechtswidriges ablehnendes, ein unterlassenes oder ein mit einer ungerechtfertigen Nebenbestimmung versehenes zustimmendes Votum der Ethikkommission bezüglich einer Prüfung von Medizinprodukten am Menschen stellt damit ebenfalls eine Verletzung der dem Sponsor und dem prüfenden Arzt gegenüber obliegenden Amtspflichten dar.
III. Begründung einer Verantwortlichkeit – hier: § 839 BGB Art. 34 Satz 1 GG leitet die Verantwortlichkeit des Amtswalters auf den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht, über. Die Folge dieser mittelbaren Staatshaftung ist, dass es nicht auf die fehlerhafte staatliche Entscheidung als solche ankommt, sondern auf das fehlerhafte Verhalten des einzelnen Entscheidungsträgers.23 Das Verhalten des einzelnen Amtswalters muss also einen gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch begründet haben. Als Anspruchsgrundlage bei fehlerhaften Voten von Ethikkommissionen ist die einzig in Betracht kommende Norm § 839 BGB.24 22 Das Medizinproduktegesetz enthält ebenso wie das Arzneimittelgesetz keine ausdrückliche Bestimmung, nach der das Votum der Ethikkommission mit Nebenbestimmungen versehen werden kann. 23 Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (146). 24 Siehe S. 118.
A. Anspruchsvoraussetzungen
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Es bedürfen daher nur die Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB der Untersuchung, ob und unter welchen Umständen die Mitglieder der Ethikkommission sie erfüllen. 1. Beamter im Sinne des § 839 BGB Der Beamtenbegriff des § 839 BGB wurde schon in Teil 2 auf S. 80 bis 89 eingehend behandelt. Nach allen vertretenen Auffassungen ist der Anwendungsbereich des § 839 BGB in jedem Fall eröffnet, sofern „jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ gemäß Art. 34 GG gehandelt hat. Dies ist, wie auf S. 120 bis 122 festgestellt, bei den Mitgliedern der Ethikkommissionen im Rahmen der Begutachtung von Arzneimittel- und Medizinprodukteprüfungen der Fall. 2. Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht Mit der Verletzung einer „ihm einem Dritten gegenüber obliegende(n) Amtspflicht“ gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB ist dasselbe gemeint wie in Art. 34 Satz 1 GG. Bezüglich der Frage, inwiefern durch ein rechtswidrig zustimmendes oder ablehnendes Votum Amtspflichten gegenüber den Versuchsteilnehmern oder den die Studie Durchführenden verletzt sein können, kann also auf obige Ausführungen auf S. 123 bis 126 verwiesen werden. 3. Verursachung eines Schadens § 839 BGB spricht von dem „daraus [aus der Amtspflichtverletzung] entstehenden Schaden“. Damit ist das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung des Amtsträgers, also des Mitglieds der Ethikkommission, und der Schädigung aufgestellt. Nach der Äquivalenztheorie ist ein Ereignis dann kausal für einen Erfolg, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non).25 Der Schaden wird dennoch nicht jedem kausalen Ereignis zugerechnet; hier erfolgen verschiedene Einschränkungen aufgrund wertender Betrachtungen26: Zum einen muss der Schaden adäquat verursacht sein, sein Eintritt darf also nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit gelegen haben.27 Zudem könnte der Zurechnung des Schadens der 25 26 27
Statt aller: Heinrichs in: Palandt, BGB 2008, Vorb. v. § 249 Rn. 57. Zum Ganzen einführend: Brox, Schuldrecht AT 2007, § 30. Heinrichs in: Palandt, BGB 2008, Vorb. v. § 249 Rn. 57.
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Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegenstehen: Schäden, die auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden wären, sind grundsätzlich nicht zu ersetzen.28 Schließlich werden nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm Schäden dem pflichtwidrigen Verhalten dann nicht zugerechnet, wenn sie vom geschützten Interessenbereich der verletzten Norm nicht umfasst sind.29 a) Kausalitätsfragen Ob ein bestimmtes Verhalten für einen bestimmten eingetretenen Nachteil kausal war, kann jeweils nur am Einzelfall entschieden werden. Im Folgenden soll daher nur einigen typischen Einwänden gegen die Ursächlichkeit nachgegangen werden. Dabei ist zu beachten, dass das Votum der Ethikkommission nicht hinweggedacht werden kann im Sinne eines Nichtstuns. Wird ein Antrag auf Beurteilung einer klinischen Prüfung gestellt, muss die Ethikkommission auch zu einer Entscheidung kommen. Aus diesem Grund muss man sich beim Hinwegdenken eines pflichtwidrigen Votums zugleich eine ordnungsgemäße, gegenteilig lautende Entscheidung hinzudenken. An sich wird mit solchen Überlegungen zum rechtmäßigen Alternativverhalten erst die Zurechnung eines Schadens zum kausalen Tun eingeschränkt. Aufgrund des Entscheidungszwangs der Ethikkommission sind sie hier schon bei der Prüfung der Kausalität anzustellen. aa) Abstimmungsverhalten innerhalb der Ethikkommission Abstimmungen innerhalb der Ethikkommissionen werden mit Mehrheit entschieden. Findet der Beschluss mehr Befürworter als nötig, könnten sich die „überzähligen“ Mitglieder darauf berufen, dass ihre Stimmen nichts am Abstimmungsergebnis geändert hätten und das Votum auch ohne sie zu28 Das Verhalten ist zwar kausal für den Schaden, weil er bei „Nichtstun“ nicht aufgetreten wäre. Wäre er allerdings auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden, fehlt es am Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen dem Schaden und der verletzten Norm. Der Schaden wird deshalb dem pflichtwidrigen Verhalten nicht zugerechnet, Brox, Schuldrecht AT 2007, § 30 Rn. 16. S. a. Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 178; Heinrichs in: Palandt, BGB 2008, Vorb. v. § 249 Rn. 105. 29 Obwohl zunächst nur auf Verletzung von Schutzgesetzen im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB angewandt, ist die Schutznormlehre mittlerweile für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannt, Heinrichs in: Palandt, BGB 2008, Vorb. v. § 249 Rn. 62; so auch für § 839 BGB, Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 295.
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stande gekommen wäre. Ihre Amtshandlung wäre somit nicht kausal für den Schaden, der durch das Votum der Ethikkommission entstand. Da aber nicht feststellbar ist, wessen Stimme überschüssig war, und sich mit diesem Argument sämtliche Befürworter der Entscheidung ihrer Haftung entziehen könnten, ist der Kausalitätszusammenhang weiter zu bejahen.30 Die den Beschluss befürwortenden Stimmen kann man zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinwegdenken, so dass sie alle als (Mit-)Verursacher des Votums anzusehen sind. Ob sie auch als Schadensverursacher anzusehen sind, hängt davon ab, ob das pflichtwidrige Votum in zurechenbarer Weise einen Schaden verursacht hat. bb) Bei multizentrischen Studien/Beteiligung mehrerer Ethikkommissionen Sobald mehrere Ethikkommissionen an der Bewertung einer so genannten multizentrischen Studie beteiligt sind, gelten folgende Regelungen: Nach § 20 Abs. 7 S. 2 MPG genügt bei multizentrischen klinischen Prüfungen von Medizinprodukten die Vorlage eines Votums. Über die weitere Beteiligung anderer Ethikkommissionen ist nichts geregelt. Wird eine klinische Prüfung im Rahmen des Arzneimittelgesetzes in mehreren Prüfstellen durchgeführt, so sind in entsprechender Weise auch nicht mehrere Voten einzuholen, sondern ist der Antrag auf zustimmende Bewertung bei der für den Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung zuständigen Ethikkommission zu stellen.31 Diese federführende Ethikkommission bewertet den Prüfplan in der Regel innerhalb von 60 Tagen nach Vorliegen des ordnungsgemäßen Antrags.32 Dabei entscheidet sie gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 GCP-Verordnung33 „im Benehmen“ mit den beteiligten Ethikkommissionen, die nach § 8 Abs. 5 S. 2 GCP-Verordnung für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich die Qualifikation der Prüfer und die Eignung der Prüfstellen bewerten. Die Bewertung der beteiligten Ethikkommissionen muss innerhalb von 30 Tagen der federführenden Ethikkommission übermittelt werden.34 Damit sind die lokalen Ethikkommissionen nur an der Prüfung der Qualifikation der Prüfer und der Eignung der Prüfstelle beteiligt.35 Der federfüh30 Pestalozza in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 163–164. 31 § 42 Abs. 1 S. 2 AMG. 32 § 8 Abs. 2 S. 1 GCP-Verordnung; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 37. 33 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 37. 34 § 8 Abs. 5 S. 3 GCP-Verordnung; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 37. 35 A. A. Baldus, MedR 2006, 202 (203), der grundsätzlich „Benehmen“ über den gesamten Bewertungsvorgang fordert, jedoch angesichts der knapperen Frist von
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renden Ethikkommission dagegen obliegt der volle Prüfumfang. Damit wird die Eignung von Prüfern und Prüfstellen sowohl von der federführenden Ethikkommission als auch von den jeweils lokal zuständigen Ethikkommissionen geprüft. In diesem Bereich muss die federführende Kommission im Benehmen mit den beteiligten Ethikkommissionen entscheiden. In jedem Fall ist bei der Frage der Kausalität zu berücksichtigen, welche rechtliche Bedeutung die Beurteilung der Eignung der lokalen Prüfstelle und Prüfer durch die ansässige Kommission für die federführende Kommission hat. Es ist also näher zu bestimmen, was „Beurteilen im Benehmen“ rechtlich bedeutet. Im Verwaltungsrecht bedeutet Im-Benehmen-Entscheiden eine Form der Einholung einer nicht verbindlichen Stellungnahme, ein gemeinsames Beraten mit dem Ziel der Verständigung.36 Einvernehmen dagegen ist stärkere Form der Beteiligung anderer Stellen, eine verbindliche Zustimmung.37 Wer im Benehmen mit jemandem entscheidet, braucht also nicht seine Zustimmung zu erlangen, sondern muss seine Einwände zur Kenntnis nehmen und in seine Überlegungen mit einbeziehen. Aber letztlich entscheidet derjenige allein. Im Benehmen entscheiden heißt, dass die federführende Ethikkommission rechtlich nicht an die Beurteilungen der beteiligten Ethikkommissionen gebunden ist, sondern diese wie eine Empfehlung zu behandeln hat.38 Dann aber kann die beteiligte Ethikkommission gegen die Annahme der Kausalität ihrer Beurteilung immer einwenden, dass auch beim Hinwegdenken ihres pflichtwidrigen Beitrags der Schaden nicht entfiele, da die federführende Ethikkommission auch bei anderslautendem Votum ihre Entscheidung nicht hätte ändern müssen. Umgekehrt gelingt der federführenden Ethikkommission dieser Einwand nicht, so dass hier kein Fall der alternativen Kausalität vorliegt. Die letztlich allein entscheidende federführende Ethikkommission, die das Votum gegenüber dem Antragsteller abgibt, ist auch als einzige Ethikkommission für daraus entstehende Schäden kausal. Ein Abbruch der Kausalität könnte nur in der Entscheidung der jeweils zuständigen Bundesoberbehörde liegen. 30 Tagen eine schwerpunktmäßige Befassung der beteiligten Ethikkommission mit den örtlichen Gegebenheiten für zulässig hält. Die Ethikkommission dürfe nach pflichtgemäßem Ermessen auch Hinweise zu anderen Bewertungskomplexen abgeben. M. E. nach hat die beteiligte Ethikkommission jedoch schlicht einen kleineren Prüfungsrahmen und ist nur in diesem Umfang Benehmen herzustellen. Anderenfalls ist die mit den Regelungen beabsichtigte Zeitersparnis nicht zu erreichen. Auch Deutsch, MedR 2006, 411 (413) geht nicht von einer Pflicht der beteiligten Ethikkommission zu einer umfassenden Prüfung aus. 36 Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 330, „Einvernehmen“. 37 Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon 2001, 637 u. 1274. 38 So auch Baldus, MedR 2006, 202 (203).
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cc) Bei gleichlautender Entscheidung der Bundesoberbehörde bezüglich Arzneimittelprüfungen Bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln sind zwei Szenarien gleichlautender Entscheidungen vorstellbar, die zu einem Schaden führen können: Die Ethikkommission lehnt den Prüfplan in rechtswidriger Weise ab; die Bundesoberbehörde ebenso.39 Oder beide Stellen stimmen dem Prüfplan zu, während bei pflichtgemäßem Verhalten die Ethikkommission ein ablehnendes Votum hätte erlassen müssen. Im letzteren Fall führt schon die Durchführung der normalen Conditiosine-qua-non-Prüfung zur Bejahung der Kausalität des Votums der Ethikkommission im Fall des Eintritts eines Schadens. Denn ohne ihr zustimmendes Votum kann nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG die Arzneimittelprüfung nicht beginnen. Unabhängig von dem Verhalten der Bundesoberbehörde hätte in diesem Fall durch rechtmäßiges Verhalten der Ethikkommission der Schaden vermieden werden können. Wenn sowohl die Ethikkommission als auch die Bundesoberbehörde pflichtwidrig den Beginn der Arzneimittelprüfung verhindert haben40, könnte jede Stelle sich darauf berufen, dass auch bei Hinwegdenken ihres eigenen pflichtwidrigen Handelns der Schaden eingetreten wäre. Jedoch ist das Handeln der Kommission und der Behörde zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinwegdenkbar, ohne dass der Schaden entfiele. In einem solchen Fall sind die Entscheidungen beider staatlicher Stellen gleichermaßen kausal für den Schaden.41 Diese Situation ist vergleichbar mit den „überschüssigen“ Stimmen innerhalb der Ethikkommission. Die Kausalitätskette ist aber dann abgebrochen, wenn die Bundesoberbehörde, die nach § 42 Abs. 2 S. 3 AMG einen etwas anderen Prüfumfang als die Ethikkommission hat, pflichtgemäß den Prüfplan abgelehnt hat und diese Entscheidung zwingend war, also genau so hätte ergehen müssen. In einem solchen Fall findet der Einwand Berücksichtigung, dass auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Ethikkommission der Schaden nicht hätte vermieden werden können42, denn es trat keine pflichtwidrige Entscheidung zum Votum der Ethikkommission hinzu.
39 Dasselbe gilt für von beiden Stellen rechtswidrig auferlegte belastende Nebenbestimmungen. 40 Bzw. wenn beide Stellen pflichtwidrig die Durchführung durch Nebenbestimmungen erschwert haben, siehe Fn. 39. 41 Pestalozza in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 164.
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dd) Bei Medizinprodukteprüfungen Bei klinischen Prüfungen von Medizinprodukten treten derartige Kausalitätsprobleme nicht auf. Bei der Beurteilung von Medizinprodukteprüfungen ergehen nicht in jedem Fall zwei getrennte Beurteilungen. Bei zustimmender Bewertung durch die Ethikkommission wird die Genehmigung der Bundesoberbehörde unwiderleglich fingiert43, sodass im Fall der pflichtwidrigen Zustimmung überhaupt nur die Ethikkommission als alleiniger (staatlicher) Verursacher eines Schadens in Frage kommt. Es bleibt das Szenario, in welchem die Ethikkommission pflichtwidrig ihre Zustimmung zum Prüfplan verweigert und daraufhin auch die Bundesoberbehörde die Genehmigung ausdrücklich nicht erteilt. Sofern kein zustimmendes Votum der Ethikkommission vorliegt, kann gemäß § 20 Abs. 7 S. 3 MPG mit der Medizinprodukteprüfung nach Ablauf von 60 Tagen begonnen werden, sofern die Bundesoberbehörde nicht aus Gründen der öffentlichen Gesundheit oder öffentlichen Ordnung die Genehmigung ausdrücklich verweigert. Verweigert die Bundesoberbehörde nun pflichtwidrig die Genehmigung, so gilt die Ethikkommission als Mitverursacher. Ihr pflichtwidriges Verhalten kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Schaden entfiele. Denn hätte sie pflichtgemäß ihre Zustimmung erteilt, hätte die Medizinprodukteprüfung ohne Einschaltung der Behörde sofort begonnen werden können. Und auch wenn Gründe der öffentlichen Gesundheit oder öffentlichen Ordnung für die Versagung der Genehmigung vorliegen, hat zwar die Bundesoberbehörde rechtmäßig gehandelt. In einem solchen Fall ist an sich wie bei der rechtmäßigen Verweigerung der Arzneimittelprüfung durch die Bundesoberbehörde die Kausalitätskette abgebrochen. Ohne die Ablehnung der Ethikkommission hätte die Bundesoberbehörde aber nie die Widerspruchsbefugnis erlangt. So kann das ablehnende Votum der Ethikkommission trotz der Rechtmäßigkeit des Widerspruchs der Bundesoberbehörde als für den Schaden kausal angesehen werden.
42
Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 305; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 278. 43 Dies ergibt sich im Umkehrschluss zu § 20 Abs. 7 S. 3 MPG. Problematisch ist jedoch, dass in diesem Fall keine unabhängige Stelle das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 MPG prüft, nämlich die Einwillligung und Unabhängigkeit der Versuchsteilnehmer.
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ee) Bei fehlender demokratischer Legitimation Lehnt die Ethikkommission die Durchführung einer klinischen Prüfung ab, kann fehlende demokratische Legitimation der Ethikkommission kausal für einen Schaden sein. Unabhängig davon, ob ihre Entscheidung inhaltlich richtig ist oder nicht, vermag der Durchführende der klinischen Prüfung auch im Rechtswege kein zustimmendes Votum zu erlangen, wenn der Tätigkeit der Ethikkommission keine ausreichende Rechtsgrundlage zugrunde liegt. Das Gericht kann dann keine Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung aussprechen. Die klinische Prüfung kann dann solange nicht durchgeführt werden, bis eine andere, zuständige und entscheidungsbefugte Ethikkommission gefunden wird. Ursächlich für einen daraus resultierenden Verzögerungsschaden wäre die Verletzung der dem Sponsor gegenüber obliegenden Pflicht, in seine Grundfreiheiten nicht ohne ausreichende Ermächtigung einzugreifen. Dagegen kann ein Kausalitätszusammenhang mit Schädigungen an Versuchsteilnehmern nicht entdeckt werden. Dazu ist eine inhaltlich fehlerhafte Entscheidung notwendig, die bloße formelle Rechtswidrigkeit des Votums der Ethikkommission führt nicht zu einem Schaden. Auch könnte ein Schaden an Versuchsteilnehmern nicht durch eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit der Ethikkommission verhindert werden. b) Zurechenbarkeit des Schadens nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm § 839 BGB führt zu einer Ersatzpflicht für alle Vermögensschäden, die aus der Amtspflichtverletzung resultieren.44 Damit ist aber nicht jeder Schadensposten gemeint, für den die verletzende Handlung kausal war. Vielmehr muss der Schaden nach dem Schutzzweck der verletzten Amtspflicht dem Schädiger zuzurechnen sein.45 Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm sind diejenigen Schäden nicht zu ersetzen, welche die Norm, gegen die verstoßen wurde, gar nicht verhindern wollte. Es ist also zu fragen, ob der zu ersetzende Schaden im Bereich der von der verletzten Amtspflicht geschützten Interessen liegt. Die den Mitgliedern der Ethikkommission obliegenden Amtspflichten wurden schon auf S. 123 bis 126 behandelt und entsprechend dem geschützten Personenkreis unter44
Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 307. Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 302. Zur Lehre vom Schutzzweck der Norm allgemein Wagner in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 823 Rn. 277 ff.; Mertens in: Soergel, BGB Bd. 2 1990, Vor § 249 Rn. 146–149. 45
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teilt. Hier werden die wesentlichen Pflichten nach den Interessensbereichen, deren Schutz sie dienen, gebündelt. aa) Schutz von Körper und Leben der Versuchsteilnehmer Sowohl das Arzneimittelgesetz als auch das Medizinproduktegesetz erfordern der klinischen Prüfung am Menschen vorgeschaltete Tests, dem Stand der Wissenschaft entsprechend46, die ärztliche Vertretbarkeit der Prüfung nach einer Risiko-Nutzen-Abwägung47 sowie die Erfüllung bestimmter Anforderungen an die Qualifikation der prüfenden Ärzte48. Diese Regelungen verfolgen den Zweck, den Versuchsteilnehmer vor gefährlicher Forschung in seiner körperlichen Integrität zu schützen.49 Alle aus der Körperverletzung und dem Tod eines Versuchsteilnehmers folgenden Vermögenseinbußen oder immateriellen Schäden sind damit vom Schutzzweck dieser Regelungen umfasst.50 bb) Selbstbestimmungsrecht der Versuchsteilnehmer Die Voraussetzungen der Freiwilligkeit51 und der Einwilligung nach Aufklärung52 schützen das Selbstbestimmungsrecht der Versuchsteilnehmer.53 Alle aus der Beeinträchtigung dieser Willensfreiheit resultierenden Schäden sind somit vom Schutzzweck dieser Normen umfasst. Also sind auch Körperschäden oder Unwohlsein aufgrund von zwar ärztlich vertretbaren, aber quasi nicht „freiwilligen“ Nebenwirkungen ersatzfähig, wenn der Versuchsteilnehmer nicht in die Teilnahme eingewilligt hat oder solche Auswirkungen bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht hätte erdulden wollen.
46
§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG; § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 6 MPG. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG; § 20 Abs. 1 Nr. 1 MPG. 48 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG; § 20 Abs. 1 Nr. 4 MPG. 49 Deutsch in: Deutsch/Lippert, AMG 2007, § 40 Rn. 18; Kage, MPG 2005, 320. 50 Inwieweit immaterielle Schäden wie z. B. Schmerzen in Geld ersetzt werden können, ist eine Frage des Schadensumfangs und der Schadensberechnung, siehe S. 135. 51 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG. 52 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 b und c AMG. 53 Schwarz/Wachenhausen in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts 2003, § 6 Rn. 41; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 40 Anm. zum 5. Änderungsgesetz. 47
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cc) Wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen des Durchführenden der Studie Das Arzneimittelgesetz und das Medizinproduktegesetz bezwecken den Ausgleich von Berufs- und Wissenschaftsfreiheit der die klinische Prüfung Durchführenden mit den Schutzinteressen der Versuchsteilnehmer.54 Der Sponsor bzw. Leiter der Studie hat bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen grundrechtlich begründeten Anspruch auf Erteilung der zustimmenden Bewertung.55 Sämtliche Schäden, die aus einer Beeinträchtigung der an die klinische Prüfung geknüpften wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen resultieren, sind somit vom Schutzzweck der Regelungen des Arzneimittelgesetzes und des Medizinproduktegesetzes umfasst.56 c) Schadensumfang und Schadensberechnung Der Schadensersatz wird zumeist in Geld geleistet, sofern Naturalrestitution nicht in Person des Amtswalters geleistet werden kann57, und zwar die Summe, die zur Wiedergutmachung des Schadens nötig ist (§ 249 Abs. 1 BGB). Berechnet wird die Schadenshöhe durch einen Vergleich der gegenwärtigen Vermögenslage mit derjenigen, wie sie ohne Eintritt des Schadensereignisses bestehen würde.58 Daher ist nach § 252 BGB auch entgangener Gewinn mit vom Schadensersatz umfasst.59 Allerdings wirken sich durch den Schadenseintritt erlangte Vorteile schadensmindernd aus (Vorteilsangleichung).60 Auch Schmerzensgeld ist unter den näheren Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB vom Schadensersatz umfasst.61
54
Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 40 Anm. zum 5. Änderungsgesetz. Siehe S. 124. 56 Anders sieht dies jedenfalls für Verzögerung aufgrund Verstoßes gegen die verkürzten Fristenregelungen des AMG Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (147), der geneigt ist, in der damit verbundenen Verfahrensbeschleunigung eine bloße Reflexwirkung zugunsten des Sponsors zu sehen. 57 Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 243; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 233. 58 Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 245. 59 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 307. 60 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 308. 61 RGZ 113, 104 (106), und BGHZ 12, 278 (281/282), zur Anwendbarkeit des wortgleichen, mittlerweile aufgehobenen § 847 Abs. 1 BGB im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB. 55
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4. Verschulden Das Mitglied der Ethikkommission muss gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB die Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben. a) Vorsatz Vorsatz liegt vor, wenn bewusst gegen eine Amtspflicht verstoßen wird.62 Wissen die Mitglieder der Ethikkommission beispielsweise, dass sie nicht ausreichend gesetzlich legitimiert sind, um Arzneimittelprüfungen am Menschen zu begutachten, verstoßen sie vorsätzlich gegen die ihnen gegenüber den Sponsoren obliegenden Amtspflichten. b) Fahrlässigkeit Fahrlässigkeit bestimmt sich nach § 276 Abs. 2 BGB. Danach handelt fahrlässig, wer bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt den Verstoß gegen die Amtspflicht hätte erkennen können.63 Es genügt der Nachweis, dass das Verhalten nicht der gebotenen Sorgfalt entsprach.64 Der Name des Amtswalters braucht nicht angegeben zu werden.65 Nachzuweisen ist also lediglich ein Verstoß gegen einen objektivierten Sorgfaltsmaßstab. An dieser Stelle stellt sich zunächst die Frage, welcher Sorgfaltsmaßstab an das Handeln der Mitglieder der Kommission anzulegen ist. aa) Einheitlicher Sorgfaltsmaßstab? Generell sind für die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs im Rahmen des § 839 BGB nicht die vorhandenen Fähigkeiten des Amtswalters, sondern die zur Wahrnehmung des Amtes erforderlichen Fähigkeiten entscheidend.66 Der Sorgfaltsmaßstab orientiert sich somit an den durchschnittlichen Anforderungen, die von einem pflichtgetreuen Amtswalter erwartet werden können.67 62 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 288; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 182; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 285. 63 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 289. 64 Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 186; Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 24. 65 RGZ 100, 102 (103); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 77; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 292. 66 RGZ 156, 34 (51): Es ist „auszugehen von den Kenntnissen und Einsichten, die für die Führung des von ihm übernommenen Amtes erforderlich waren“; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 76. 67 Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 288.
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Ethikkommissionen sind interdisziplinär besetzt, um den schwierigen wissenschaftlichen Fragen aus den unterschiedlichsten Bereichen, die sich bei der Beurteilung eines Prüfplans für eine klinische Prüfung am Menschen ergeben, mit umfassendem Expertentum begegnen zu können. Gödicke sieht angesichts der unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen der Mitglieder einer Ethikkommission Probleme bei der Bestimmung des anzulegenden Sorgfaltsmaßstabs.68 Tatsächlich haben der Jurist, der Theologe oder der Patientenvertreter vermutlich größere Schwierigkeiten beim Erfassen medizinischer Sachverhalte. Umgekehrt werden die ärztlichen Mitglieder bei rechtlichen und ethischen Fragen dem Ratschlag der erstgenannten vertrauen müssen. Insofern sind alle Mitglieder zugleich „Fachleute“ und „Laien“. Es ist zweifelhaft, ob von den Mitgliedern der Ethikkommission verlangt werden kann, sich außerhalb ihres Fachgebiets das erforderliche Breitenwissen anzueignen.69 Zwar gelten zum Beispiel für Mitglieder kommunaler Gebietskörperschaften oder sonstiger Selbstverwaltungskörperschaften grundsätzlich keine milderen Sorgfaltsmaßstäbe. Die notwendigen Sachkenntnisse müssen sie sich aneignen oder notfalls Sachverständige hinzuziehen.70 Amtswalter, die nicht juristisch vorgebildet sind, müssen sich zuverlässigen juristischen Rat holen.71 Wollte man danach aber einen Sorgfaltsmaßstab für die Tätigkeit eines Ethikkommissionsmitglieds als solches aufstellen, so müsste man von jedem Mitglied die zur Abgabe eines sachgerechten Votums erforderlichen Fähigkeiten verlangen. Damit verlangte man eine Bündelung des medizinischen, ethischen und juristischen Sachverstands in einer Person. Diese Anforderungen sind nicht erfüllbar, gerade deshalb ist die Ethikkommission mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen besetzt. Es kann daher keinen einheitlichen Sorgfaltsmaßstab, kein einheitliches Anforderungsprofil an die Tätigkeit eines Mitglieds einer Ethikkommission geben. Die Ethikkommission ist nicht gleichzusetzen mit einem Gemeinderat, dessen Mitglieder unabhängig von ihrer Vorbildung darin einen Sitz haben, weil sie demokratisch gewählt sind, und die sich dann bemühen müssen, den allgemeinen Anforderungen an die Gemeinderatsarbeit nachzukommen. Die Mitglieder der Ethikkommission sind im Hinblick auf ihre unter Um68
Gödicke, MedR 2004, 481 (483). Gödicke, MedR 2004, 481 (483). Näher führt er diese Problematik später aus in Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (148–149). 70 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 289; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 183; Windthorst in: Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht 2000, § 9 Rn. 178; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 288. 71 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 290. 69
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ständen durchaus unterschiedlichen fachlichen Kenntnisse oder – insbesondere was die so genannten Laien anbelangt – ihr sonstiges Urteilsvermögen ausgewählt worden und sollen sich gegenseitig ergänzen. Es kann daher nicht von allen Ethikkommissionsmitgliedern der gleiche Kenntnisstand verlangt werden. bb) Funktionaler Sorgfaltsmaßstab Bei der Aufstellung des jeweils zu beachtenden Sorgfaltsmaßstabs sollte man vielmehr auf die Materie abstellen, deren Beurteilung zu einem Schaden geführt hat. Bei Fragen nach der ärztlichen Vertretbarkeit oder nach der Beachtung des aktuellen Standes der Wissenschaft ist von den medizinisch vorgebildeten Mitgliedern zu erwarten, dass ihre Beurteilungen, gemessen an medizinisch-wissenschaftlichen Sorgfaltsstandards, mindestens den durchschnittlichen Erwartungen entsprechen. Reicht dagegen beispielsweise der Versicherungsschutz nicht aus und die Ethikkommission bewertet den Prüfplan dennoch zustimmend, müsste von dem Juristen der Kommission mehr Sorgfalt verlangt werden können als von seinen Kollegen.72 Scheffold verlangt von den Mitgliedern der Ethikkommission sogar nicht nur durchschnittliche Kenntnisse, sondern „Expertenwissen“ auf ihrem jeweiligen Gebiet, da nur so ein verbesserter Schutz für Patienten und Probanden erreicht werden könne.73 Richtigerweise wird jedoch auf die abstrakte Regelung der Zusammensetzung der Ethikkommission abgestellt. Ist nur von „Ärzten“ und „Juristen mit der Befähigung zum Richteramt“ die Rede74, sind im Zweifel für das ärztliche oder juristische Mitglied der Ethikkommission lediglich durchschnittliche Kenntnisse zu fordern. Wer jedoch als „in der klinischen Grundlagenforschung tätiger Arzt für Pharmakologie und Toxikologie“75 Mitglied der Ethikkommission ist, von dem muss Expertenwissen im Bereich der Toxikologie verlangt werden können. Es bleibt die Frage zu beantworten, ob dies bedeutet, dass niemand schuldhaft handelte, wenn der jeweilige Fachmann der fehlerhaft beurteilten 72
So auch Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (148–149). Scheffold, Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von institutional review boards und von Ethik-Kommissionen 1992, 131. 74 Wie z. B. in § 3 Abs. 1 des Status des Ethikkommission der Universität Ulm vom 20. Juli 2006, Amtl. Bekanntmachung 2006, 210. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-ulm.de/ethikkommission/formulare.php; letzter Zugriff am 30. September 2008. 75 So § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Thüringen vom 22. November 2006; veröffentlicht im Ärzteblatt Thüringen. Im Internet abrufbar unter http://www.laek-thueringen.de/ „Ausschüsse/Kommissionen“, „Ethikkommission“; letzter Zugriff am 30. September 2008. 73
A. Anspruchsvoraussetzungen
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Materie von den anderen überstimmt wurde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die übrigen Mitglieder gegen die im Verkehr übliche Sorgfalt verstoßen, wenn sie zum Beispiel die Bedenken des anders abstimmenden juristischen Mitglieds unberücksichtigt lassen. Es lässt sich also ein praktikables Ergebnis durch die Differenzierung des Sorgfaltsmaßstabs je nach „Mitgliedstyp“ bzw. Funktion innerhalb der Ethikkommission erzielen. Für jedes Mitglied ist ein typisierter Anforderungsmaßstab feststellbar, der sich aus der Funktion ergibt, die es in der Kommission erfüllt. Das führt jedoch nicht dazu, dass die Geschädigten auf diese Weise jedem einzelnen Mitglied fahrlässiges Verhalten nachzuweisen haben. Denn es bleibt bei dem Grundsatz, dass der Amtswalter nicht namentlich bestimmt werden muss.76 Wie es zum Abstimmungsergebnis innerhalb der Ethikkommission kam, kann ohnehin ein Außenstehender nicht ermitteln. Anhand des hier entwickelten funktionalen Sorgfaltsmaßstabs wird vielmehr den Kommissionsmitgliedern eine Entlastungsmöglichkeit eröffnet. Im Regelfall handeln somit entweder nur diejenigen Mitglieder fahrlässig, in deren Kompetenzbereich der Fehler der Entscheidung fällt, oder diejenigen Mitglieder, die das in diesem Bereich kompetente Mitglied entgegen seinen Bedenken überstimmen. 5. Keine Haftungsausschlüsse Sind die positiven Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB erfüllt, bleibt in negativer Hinsicht zu prüfen, ob die Haftung der Mitglieder der Ethikkommission nicht ausgeschlossen ist. a) Grundsatz der Subsidiarität, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kommt in drei Konstellationen in Betracht. „Ersatz auf sonstige Weise“ könnte ein geschädigter Versuchsteilnehmer etwa durch Leistungen der nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG und § 20 Abs. 1 Nr. 9 MPG erforderlichen Versicherung oder durch Leistungen anderer Schädiger, zum Beispiel des Durchführenden der Studie, erlangen. Oder es könnte ein Schadensersatzanspruch gegen eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts, zum Beispiel den Bund als Träger der zuständigen Bundesoberbehörde, bestehen.
76 RGZ 100, 102 (103); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 77; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 292.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
aa) Ansprüche der Versuchsteilnehmer gegen die Versicherung Unabhängig vom Bestehen von Schadensersatzansprüchen haftet die gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG bzw. § 17 Abs. 1 Nr. 9 MPG vorgeschriebene Versicherung, wenn bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird. Die Inanspruchnahme der Versicherung könnte die Erlangung des Ersatzes „auf andere Weise“ im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB darstellen. Die Subsidiaritätsklausel wird im Falle der Überleitung der Haftung auf den Staat, wenn auch nicht aufgegeben77, so doch von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt. Insbesondere bezüglich der Ersatzmöglichkeit durch Versicherungen hat sich der Satz herausgebildet, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB sei nur anwendbar, wenn die anderweitige Grundlage für Ersatzansprüche die Aufgabe habe, auch Schäden, die durch Dritte wie die Amtswalter verursacht wurden, endgültig aufzufangen.78 Wenn Ansprüche gegen die Schädiger gesetzlich auf die Versicherung übergingen, dürfte folglich ihre Leistung nicht als Ersatz auf andere Weise gelten. Nach der Rechtsprechung zu sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen hat nämlich die Anordnung einer cessio legis den Zweck, dem Versicherer nicht endgültig den Schaden unter Entlastung des eigentlichen Schädigers, sondern lediglich das Risiko der Undurchsetzbarkeit des Anspruchs aufzubürden.79 Anderenfalls würde der zu übertragende Anspruch in dem Moment erlöschen, in dem eine Versicherung bestünde, und die Versicherung hätte keinerlei Möglichkeiten, den Schadensverursacher zum Er77 Selbst der BGH bezeichnet das ursprünglich zum Schutz des Amtswalters und zur Bewahrung seiner Entschlussfreudigkeit eingeführte Verweisungsprivileg als „antiquiert“, BGHZ 42, 176 (181); unter Berufung auf Scheuner, DÖV 1955, 545 (548). Ein großer Teil der Literatur zieht aus dem Wegfall dieses Zwecks bei der Haftungsüberleitung auf den Staat den Schluss, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB dürfte in diesem Fall nicht anwendbar sein, Bettermann, DÖV 1954, 299 (304); Dagtoglou in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 260; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 80; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 252; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 303; von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn. 100. Meines Erachtens ist die Erstreckung des Verweisungsprivilegs auf die Staatshaftung jedoch als unvermeidbare und in Kauf genommene Folge der Konstruktion einer Haftungsüberleitung hinzunehmen; für die Anwendung der Subsidiaritätsklausel s. a. Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 489. 78 BGHZ 91, 48 (54); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 81. 79 Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 311; verweist auf BGHZ 79, 26 (31) und BGH NJW 1983, 2191.
A. Anspruchsvoraussetzungen
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satz heranzuziehen. Dieses Argument gilt auch für privat abgeschlossene Schadensversicherungen. Für diese ordnet § 67 Abs. 1 S. 1 VVG an, dass Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen Dritte auf sie übergehen, sobald sie aus der Versicherung geleistet haben. Auch bei übrigen privatrechtlichen Versicherungen soll nach der Rechtsprechung der Schädiger nicht voll entlastet werden. Vielmehr habe sich der Geschädigte unter Aufwendung eigener Mittel die Leistung der Versicherung erkauft, mit der lediglich das Risiko der Undurchsetzbarkeit auf den Versicherer übergewälzt wird.80 Bei der Versicherung i. S. des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG und § 19 Abs. 1 Nr. 9 MPG handelt es sich um eine privat abgeschlossene Versicherung, deren Versicherungsnehmer der Sponsor der Studie ist. Die cessio legis des § 67 Abs. 1 S. 1 VVG bezieht sich daher nur auf etwaige Ansprüche des Sponsors, die ihm wegen der Schädigung der Probanden gegen irgendjemanden zustehen könnten. Die Leistungen aus der Versicherung gehen an die geschädigten Versuchsteilnehmer, so dass sie einer Haftpflichtversicherung vergleichbar ist, die gerade dafür abgeschlossen wird, das Risiko der vom Versicherungsnehmer selbst verursachten Schäden endgültig zu übernehmen. In solchen Fällen gilt die Leistung aus der Versicherung als „Ersatz auf sonstige Weise“.81 Dem entsprechen auch die ausdrücklichen Regelungen in § 40 Abs. 3 S. 3 AMG sowie § 20 Abs. 3 S. 3 MPG, nach denen ein Anspruch auf Schadensersatz erlischt, soweit aus der Versicherung geleistet wurde. Der Anspruch gegen Mitglieder der Ethikkommission ist damit gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, soweit ein Schaden von der Versicherung i. S. des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG und § 19 Abs. 1 Nr. 9 MPG gedeckt ist. bb) Ansprüche der Versuchsteilnehmer gegen übrige Schädiger bei nicht von der Versicherung gedeckten Schäden Durch die klinische Prüfung geschädigte Patienten oder Probanden können bei fehlender Deckung durch die Versicherung einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller des Arzneimittels bzw. Medizinprodukts oder, sofern dies eine andere Person ist, den Sponsor der Studie geltend machen.82 Nach § 40 Abs. 3 S. 3 AMG und § 20 Abs. 3 S. 3 MPG erlischt ein Anspruch auf Schadensersatz nur, soweit aus der Versicherung 80 Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 311; verweist auf BGHZ 79, 35 (36). 81 BGHZ 91, 48 (54); Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 199. 82 Denkbar sind deliktische Ansprüche oder Ansprüche aus Produkthaftung.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
geleistet wird. Für nicht von der Versicherung ersetzte Schäden gilt dieser Ausschluss damit nicht. Fehlende Deckung könnte sich zum Beispiel aus Haftungsobergrenzen im Versicherungsvertrag ergeben, sofern die Schadenssumme die versicherte Summe übersteigt. Denn es ist zu bedenken, dass die Versicherungen oft recht weitreichende Leistungsbegrenzungen enthalten.83 Oder es könnte eine bestimmte Form von Schäden nicht von der Versicherung mit umfasst sein. Nach der Schadensersatzrechtsreform,84 durch die nunmehr gemäß § 253 BGB bei Bestehen eines jeglichen, nicht nur deliktischen Schadensersatzanspruchs auch der Ersatz von Schmerzensgeld möglich ist, kann der Proband oder Patient grundsätzlich Ersatz vollumfänglich durch Inanspruchnahme der Versicherung erlangen.85 Die Haftung für Schmerzensgeld wird jedoch regelmäßig im Versicherungsvertrag ausgeschlossen.86 Sofern also die Versuchsteilnehmer Ansprüche gegen die Durchführenden der Studie oder gegen andere private Unternehmen geltend machen können, greift die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB gegen die Mitglieder der Ethikkommission ausgeschlossen ist. Damit wird ein Staatshaftungsanspruch aus Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB nur in dem Fall praktisch, in dem der Schadensumfang die Deckungssumme der Versicherung übersteigt und zugleich Ansprüche gegen andere etwa wegen fehlenden Verschuldensnachweises ausgeschlossen sind. cc) Ansprüche gegen andere juristische Personen des öffentlichen Rechts Sofern auf anderer Rechtsgrundlage, aber auf demselben Tatsachenkreis beruhende Ersatzansprüche gegen die in Anspruch genommene Körperschaft 83 Siehe S. 124; Wenckstern, Die Haftung bei der Arzneimittelprüfung und die Probandenversicherung 1999, 262–269; Osieka, Das Recht der Humanforschung 2006, 226–231. 84 Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (am 1. August 2002 in Kraft getreten), BGBl. I, 2674. 85 Anderer Auffassung sind Wille/Kleinke, KHuR 2004, 92 (98). Der Gesetzgeber habe, indem er im Zuge der 2. Schadensersatzrechtsreform die Mindestversicherungssumme kaum erhöht habe, deutlich gemacht, dass der Begriff „angemessenen Umfangs“ des § 40 Abs. 3 AMG weiterhin immaterielle Schäden nicht umfassen solle. Meines Erachtens kann dieses Unterlassen des Gesetzgebers jedoch nicht als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn keine entsprechende Erwägungen in den Gesetzgebungsbegründungen zu AMG-Novellierungen nachzuweisen sind. 86 Koyuncu, PHi 2005, 86 (89); Osieka, Das Recht der Humanforschung 2006, 231.
A. Anspruchsvoraussetzungen
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oder eine andere öffentliche Stelle wie zum Beispiel ein Universitätskrankenhaus gerichtet werden können, kommt § 839 Abs. 1 S. 2 BGB allerdings nicht zur Anwendung.87 Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden als wirtschaftliches Ganzes betrachtet.88 Das ist insofern sinnvoll, als bei gegenseitiger Verweisungsmöglichkeit der Anspruch sonst ganz ausgeschlossen wäre und bei Bestehen mehrerer Ansprüche gegen denselben Schädiger das Verweisungsprivileg seinen Entlastungszweck verfehlen würde. b) Grundsatz des Primärrechtsschutzes, § 839 Abs. 3 BGB Der Anspruch aus § 839 BGB ist zudem gemäß Abs. 3 ausgeschlossen, wenn es vorsätzlich oder fahrlässig versäumt wurde, Rechtsmittel einzulegen, die zur Abwendung oder Minderung des Schadens geführt hätten. Rechtsmittel sind alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung richten und ihre Beseitigung oder Berichtigung ermöglichen.89 Dazu muss das Rechtsmittel geeignet sein, den durch die Amtshandlung entstehenden Schaden abzuwenden oder zu minimieren.90 Durch diese Vorschrift wird eine Sicherung des Vorranges des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes erreicht.91 Dabei ist zu beachten, dass diese Sonderform des Mitverschuldens unabhängig vom Grad des Verschuldens des Geschädigten einen völligen Anspruchsverlust bewirkt,92 jedenfalls soweit das schuldhafte Nichteinlegen des Rechtsmittels den Schaden verursacht hat.93 aa) Rechtsmittel des Durchführenden der Studie Gegen ein Votum der Ethikkommission nach dem Arzneimittelgesetz muss der Sponsor der Studie zunächst Widerspruch einlegen94 und dann 87 BGHZ 13, 88 (104/105); BGHZ 62, 394 (397); Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 503. 88 Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 310. 89 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 529; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 218. 90 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 531. 91 Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005, § 839 Rn. 217. 92 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 93 weist darauf hin, dass dieses harsche „Entweder-Oder“ insbesondere dann misslich ist, wenn das Rechtsmittel ohnehin nicht den gesamten Schaden hätte abwenden oder verringern können. 93 BGH NJW 1986, 1924 (1925) eröffnet mit dieser Vorgabe eine Abstufung zwar nicht nach dem Grad des Verschuldens, sondern sozusagen nach dem „Grad der Ursächlichkeit“ des Versäumens für die Schadenshöhe. 94 Es sei denn, ein Widerspruchsverfahren ist ausgeschlossen, wie z. B. gemäß § 2 Abs. 7 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin vom 7. September 2005, GVBl. S. 466.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
den Verwaltungsrechtsweg in Form der Anfechtungsklage beschreiten.95 Bei einem ablehnenden Votum nach dem Medizinproduktegesetz wird er, da hier die Auswirkung nur in einer Zeitverzögerung besteht, auf den einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht angewiesen sein.96 bb) Rechtsmittel des Versuchsteilnehmers Fraglich ist, ob von den Versuchsteilnehmern verlangt werden kann, die weitere Durchführung der klinischen Prüfung zu verhindern, sofern ihnen die Rechtswidrigkeit des zustimmenden Votums der Ethikkommission auffällt. Zum einen wird ihnen das vermutlich erst zur Kenntnis gelangen, wenn es bei ihnen selbst zu einem Schaden gekommen ist. Ist der Schaden dann eingetreten, sind sie zwar zu Schadensbegrenzung und -vermeidung verpflichtet, sie können dieser Pflicht aber durch sofortigen Abbruch der Teilnahme nachkommen. Mit weiteren gerichtlichen Schritten gegen die Durchführung der Studie erreichen sie keine zusätzliche Minderung des eigenen Schadens. Lediglich Schädigungen an anderen Versuchsteilnehmern könnten vermieden werden. Zur allgemeinen Schadensvermeidung in jeder Hinsicht verpflichtet § 839 Abs. 3 BGB aber nicht. c) Spezialgesetzlicher Haftungsausschluss Die Haftung aus § 839 BGB könnte schließlich generell für einen bestimmten Personenkreis gesetzlich ausgeschlossen oder beschränkt sein, wie es zum Beispiel nach § 11 Abs. 3 PostG a. F.97 der Fall war. Bei den Beratungen zu der 12. AMG-Novelle ist der Vorschlag aufgetaucht, die Mitglieder von Ethikkommissionen nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften zu lassen.98 Dies wurde jedoch nicht aufgegriffen. Damit existiert keine von § 839 BGB abweichende bundesgesetzliche Regelung. Auf Landesebene kann ein Ausschluss der persönlichen Haftung der Amtsträger wegen des Vorrangs des Bundesrechts nicht erfolgen.99 95 Die Voten der Ethikkommission nach § 40 AMG haben Verwaltungsaktcharakter, siehe S. 52 ff. 96 Das ablehnende Votum der Ethikkommission nach § 20 MPG ist kein Verwaltungsakt, aber das zustimmende Votum ist einer (siehe S. 55–58). Es würde daher in der Hauptsache um eine Verpflichtungsklage gehen. 97 Postgesetz vom 28. Juli 1968, BGBl. 1969 I S. 1006. 98 Beschluss des Bundesrates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses auf seiner 799. Sitzung vom 14. Mai 2004, BR-Dr. 287/04 (B), Ziffer 7; auf Vorschlag des Freistaates Sachsen, BRDr. 287/3/04. 99 Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 340; Dies gilt unabhängig davon, ob die Regelung der persönlichen Haftung des Amtswalter zu der Sachmaterie
B. Kein Ausschluss der Haftungsüberleitung
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B. Kein Ausschluss der Haftungsüberleitung Art. 34 Satz 1 GG bestimmt, dass die durch die Amtspflichtverletzung begründete Verantwortlichkeit „grundsätzlich“ den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Amtsträger steht, treffen soll. Die Norm erlaubt daher auch einfachgesetzliche Abweichungen vom Grundsatz der Haftungsüberleitung. Ältestes Beispiel hierfür ist der Ausschluss der Staatshaftung für so genannte Gebührenbeamte. § 1 Abs. 3 des PreußBHaftG100, das in einigen ehemals zu Preußen gehörigen Bundesländern fortgilt101, lautet: „Bürgerliches Recht“ i. S. v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG oder „Staatshaftung“ i. S. v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG zu rechnen ist, Gödicke, MedR 2004, 481 (484). 100 Preußisches Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei der Ausübung öffentlicher Gewalt vom 1. August 1909, PrGS, 691. § 1 PreußBHaftG lautet in Abs. 1 und 2: „(1) Verletzt ein unmittelbarer Staatsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die im § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat. (2) Ist die Verantwortlichkeit des Beamten deshalb ausgeschlossen, weil er den Schaden im Zustand der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat, so hat gleichwohl der Staat den Schaden zu ersetzen, wie wenn dem Beamten Fahrlässigkeit zur Last fiele, jedoch nur insoweit, als die Billigkeit die Schadloshaltung erfordert.“ 101 Berlin: Fortgeltung zunächst in Westberlin ohne §§ 2–4, 5 gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. Anhang Nr. 33 des 1. RBerG vom 24. November 1961, GVBl. S. 1647 und später auch für Ostberlin gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts vom 28. September 1990, GVBl. S. 2119; abgedruckt in der Amtlichen Sammlung Berliner Rechtsvorschriften unter Nr. 204-1. Das in Ostberlin bis 1995 fortgeltende Staatshaftungsgesetz der DDR verdrängte diese auf die Haftungsüberleitung aus Art. 34 GG bezogene Ausschlussregelung m. E. nicht, denn der Anspruch aus Art. 34 GG steht gleichberechtigt neben dem des § 1 StHG-DDR; a. A. VG Berlin, Nr. 3c) der Begründung des Vergleichs vom 3. Dezember 2004, VG 14 A 102.04/14 A 114.04. Hamburg: Preußisches Recht ist gemäß § 1 Nr. 2 i. V. m. § 2 des Zweiten Gesetzes über die Sammlung des hamburgischen Landesrechts vom 23. Juni 1969, HmbGVBl. S. 129 aufgehoben, sofern es in der Anlage nicht auftaucht (ist der Fall); allerdings ist gemäß § 8 desselben Gesetzes i. V. m. § 4 des Gesetzes über Rechtsvereinheitlichung vom 15. Juni 1950, HmbGVBl. S. 129 preußisches Recht anwendbar, sofern und solange Rechtsverhältnisse nicht durch hamburgisches Landesrecht geregelt sind. Niedersachsen: Fortgeltung ohne § 1 Abs. 1, §§ 2, 3 und 5 gemäß § 1 i. V. m. Nr. 153 der Anlage des Dritten Gesetzes zur Bereinigung des niedersächsischen Rechts vom 17. Mai 1967; Nds.GVBl. S. 135, § 4 Abs. 1 S. 2 und § 7 aufgehoben, gemäß Art. 1 des Gesetzes zur Gleichstellung von deutschen und ausländischen Staatsangehörigen im Staatshaftungsrecht vom 6. November 1995, Nds.GVBl. S. 424.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Die Verantwortlichkeit ist ausgeschlossen bei Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind, sowie bei solchen Amtshandlungen anderer Beamten, für welche die Beamten eine besondere Vergütung durch Gebühren von den Beteiligten zu beziehen haben.
Gemäß § 5 Nr. 1 RHBG102 findet eine Haftungsüberleitung auf das Reich nicht statt für diejenigen (Reichs-)Beamten, die „abgesehen von der Entschädigung für den Dienstaufwand, auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind.“ § 21 des Hessischen AGBGB sowie § 18 b des AGBGB Rheinland-Pfalz treffen eine sprachlich dem Reichsbeamtenhaftungsgesetz Nordrhein-Westfalen: Fortgeltung gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. der Anlage I des Gesetzes zur Bereinigung des in Nordrhein-Westfalen geltenden preußischen Rechts vom 7. November 1961, GV. NRW. S. 325; ohne § 7 gemäß Gesetz von 10. März 1987, GV. NRW. S. 222, abgedruckt in Nr. 44 von Hippel/Rehborn, Gesetze NRW 2007. Saarland: Fortgeltung gemäß § 1 Abs. 2 i. V. m. der Anlage Nr. 63 des Dritten Saarländischen Rechtsbereinigungsgesetzes vom 27. März 1974, Amtsbl. S. 462. Schleswig-Holstein: Fortgeltung in der Fassung der Bekanntgabe vom 31. Dezember 1971 gemäß § 4 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes über die Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts vom 5. April 1971, GVOBl. Schl.-H. S. 182; abgedruckt in der Gesetzessammlung Schleswig-Holstein II Nr. 2030-1. In den neuen Bundesländern befassen sich die Rechtsbereinigungsgesetze nicht mit preußischem Landesrecht, jedoch ist unsicher, ob nach der Auflösung der DDR preußisches Recht wiederauflebt oder ob es unwiderruflich seine Gültigkeit in diesen Gebieten verloren hat. Da das PreußBHaftG aber in keiner Gesetzessammlung dort auftaucht, gehe ich von seiner Ungültigkeit in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aus. 102 Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten vom 22. Mai 1910, RGBl. S. 798; gilt als Bundesgesetz fort gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958, BGBl. I S. 437; abgedruckt in BGBl. III, bereinigte Fassung, Nr. 2030-9; geändert durch Gesetz vom 28. Juli 1993. §§ 1 und 5 RHBG lauten: „§ 1 (1) Verletzt ein Reichsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die in § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte Verantwortlichkeit an des Stelle des Beamten das Reich. (2) Ist die Verantwortlichkeit des Beamten deshalb ausgeschlossen, weil er den Schaden im Zustand der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat, so hat gleichwohl das Reich den Schaden zu ersetzen, wie wenn dem Beamten Fahrlässigkeit zur Last fiele, jedoch nur insoweit, als die Billigkeit die Schadloshaltung erfordert. (3) Personen des Soldatenstandes mit Ausnahme derjenigen des Königlich Bayerischen Kontingents stehen im Sinne dieses Gesetzes den Reichsbeamten gleich. § 5 Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung: 1. soweit es sich um Verhalten solcher Beamten handelt, die, abgesehen von der Entschädigung für Dienstaufwand, auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind 2. soweit es sich um das Verhalten eines mit Angelegenheiten des auswärtigen Dienstes befassten Beamten handelt und dieses Verhalten nach einer amtlichen Erklärung des Reichskanzlers politischen oder internationalen Rücksichten entsprochen hat.“
B. Kein Ausschluss der Haftungsüberleitung
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entsprechende Regelung.103 Auch hier ist jeweils mit „Beamter“ derjenige gemeint, der in Ausübung öffentlicher Gewalt handelt, es gilt also der weite Amtswalterbegriff des Haftungsrechts.104 Beliehene sind somit ebenfalls von den Haftungsausschlussregelungen erfasst. Für die privaten Ethikkommissionen als Beliehene auf Bundesebene105 kommt daher das Reichsbeamtenhaftungsgesetz in Betracht.106 Für die übrigen öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen ist das jeweilige Landesgesetz zu prüfen. Alle Ethikkommissionen erheben für ihre Bewertungstätigkeit Gebühren.107 Sollten die Mitglieder der Ethikkommission zu den so genannten Gebührenbeamten im Sinne des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes oder der Landesgesetze zählen, wäre der Staatshaftungsanspruch aus Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB ausgeschlossen mit der Folge, dass Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder der Ethikkommission persönlich zu richten wären.108 Die Ausschlussregelungen für Gebührenbeamte sollen als Ausnahme vom Grundsatz des Art. 34 GG dabei eng auszulegen sein.109 103 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. Dezember 1984, GVBl. I S. 344; zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2005, GVBl. I S. 229, und Rheinland-Pfälzisches Landesgesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. November 1976, GVBl. S. 259; zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. April 2005, GVBl. S. 95. § 18 b AGBGB Rheinland-Pfalz wurde eingefügt durch Gesetz vom 12. Oktober 1995, GVBl. S. 421. 104 BGHZ 62, 372 (378); siehe auch die Ausführungen zu Art. 34 Satz 1 GG auf S. 121 und zu § 839 BGB auf S. 88. 105 Siehe S. 61. 106 Eine Anwendung des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes auf die medizinprodukterechtlichen Beurteilungen der übrigen beim BfArM registrierten öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen kommt nicht in Betracht. Sie sind ungeachtet der bundesrechtlichen Aufgabenübertragung als landesrechtliche Behörden einzuordnen, deren Amtswalter nicht als „Bundes-“ bzw. „Reichsbeamte“ in Betracht kommen; siehe auch S. 64. 107 Teilweise nur für Anträge industrieller Forscher, wie z. B. nach § 8 Abs. 1 der Satzung für die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vom 10. November 2005; veröffentlicht in den Amtlichen Mitteilungen 47/2005. Im Internet abrufbar unter http://www.medizin.uni-koeln.de/dekanat/ethik/ einricht-ethiksatzung.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 108 Es kann sich allerdings aus dem sachlichen Grund, der zu der Beschränkung der Staatshaftung führt, auch eine Beschränkung der Eigenhaftung ergeben; Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 26. 109 Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839 Rn. 25. Nach Hartmann in: Soergel, BGB Bd. 10 1996, Art. 77 EGBGB, Rn. 5, soll der Ausschluss der Staatshaftung für Gebührenbeamte schon von Art. 77 EGBGB gedeckt sein. Die Norm eröffnet jedoch keine Landesgesetzgebungskompetenz in der als öffentlich-rechtlich eingestuften Frage, ob und wie weit Körperschaften des öffentlichen Rechts für die den Beamten nach § 839 BGB treffende Verantwortung einstehen sollen. Art. 77 BGB sollte lediglich zweierlei klarstellen: Erstens schweigt das BGB zur Haftung des Staates für die Ausübung öffentlicher Gewalt, zweitens ist keine landesgesetzliche Abweichung
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Als älteste Regelung wird zunächst § 1 Abs. 3 PreußBHaftG untersucht. Sodann folgt die Auslegung des § 5 Nr. 1 RBHG und der wortgleichen hessischen und rheinland-pfälzischen Normen.
I. § 1 Abs. 3 des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes Die Formulierung des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG umschreibt zwei Arten von Gebührenbeamten. Zu beiden hat die Rechtsprechung in fast allen Aspekten schon Stellung genommen. 1. Gebührenbeamte gemäß dem ersten Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG Der erste Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG lautet: Die Verantwortlichkeit ist ausgeschlossen bei Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind.
Diese Variante stellt also zwei Voraussetzungen für die Qualifizierung als Gebührenbeamter auf: den Bezug von Gebühren sowie das ausschließliche Angewiesensein auf diesen Bezug. a) Vergütung Als Erstes stellt sich die Frage, was mit dem Begriff Gebühr gemeint ist. Mit dem terminus technicus „Gebühr“ ist nach heutigem Verständnis eine öffentliche Abgabe gemeint, die für eine besondere Gegenleistung, hier die Inanspruchnahme der Verwaltung, zu entrichten ist. Sie soll der jeweiligen Gegenleistung entsprechen.110 Allerdings geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Gesetzgeber des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG nicht nur öffentlichrechtliche, sondern jegliche Entgelte gemeint hat. Der Ausdruck „Gebühr“ werde zum Teil auch für privatrechtliche Entgelte gebraucht, zum Beispiel in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Den Ausschluss der Staatshaftung für Gebührenbeamte habe der Gesetzgeber zudem mit der Überlegung begründet, dass solche Beamten in einem wesentlich lockereren Verhältnis zum Staat stünden als besoldete Beamte. Handele es sich um privatrechtvon der privatrechtlichen Haftung des Staates nach § 31, 89 BGB zulässig; siehe Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, I. Band 1899, 39–40. Für die Schaffung oder Einschränkung von Staatshaftung sind danach die allgemeine Kompetenzordnung sowie der Vorrang höherrangigen Rechts (heute Art. 34 Satz 1 GG) zu beachten. 110 Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 5, „Abgaben“.
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liche Entgelte, die der Beamte beziehe, gestalte sich das Verhältnis nicht enger, eher sei das Gegenteil anzunehmen.111 Die Rechtsprechung geht weiter davon aus, dass es sich bei den „Gebühren“ um Entgelte handelt, die zur der Abgeltung der Leistung des jeweiligen Beamten bestimmt sind.112 Schon das Reichsgericht hat dementsprechend für eine bloße Aufwandsentschädigung des Beamten die Anwendbarkeit der Ausschlussnorm verneint. Die Gebühren müssten eine Vergütung für seine Amtstätigkeit darstellen.113 Für unentgeltlich geführte Ehrenämter treffe dies nicht zu, da hier eine etwa empfangene Aufwandsentschädigung lediglich verhindern soll, dass der Beamte durch seine unentgeltliche Tätigkeit nicht noch einen Vermögensnachteil erleidet.114 Der Grundgedanke der Regelung, dass der nicht vom Staat besoldete Beamte in einer so lockeren Verbindung zu ihm stehe, dass der Ausschluss der Staatshaftung gerechtfertigt erscheint,115 führt daher nicht dazu, dass für Ehrenämter die Staatshaftung ausgeschlossen ist. „Bezug von Gebühren“ bedeutet vielmehr, dass dem Beamten seine Leistung unmittelbar durch die vom Bürger bezogenen Gebühren vergolten wird. Eine Aufwandsentschädigung bleibt dagegen regelmäßig unter dem eigentlichen Geldwert der Amtshandlung. Entgegen Pestalozza116 kommt es daher für die Frage, ob die Ethikkommissionsmitglieder Gebühren im Sinne der Norm erhalten, auf die Bemessung ihrer Entschädigung an. b) Keinerlei Besoldung durch den Staat Die Formulierung des ersten Halbsatzes des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG, „ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen“, könnte auf das 111
BGHZ 62, 372 (379). RGZ 88, 51 (52) und BGHZ 146, 17 (23) im Rahmen der Prüfung des 2. Halbsatzes des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG verwenden den Begriff „Vergütung“. BGHZ 36, 193 (195) zu Schiedsmännern in Nordrhein-Westfalen spricht von „Gebühren, die danach bemessen und danach bestimmt sind, die amtliche Tätigkeit abzugelten“; ebenso BGHZ 113, 71 (79) zu Ortsgerichtsmitgliedern in Hessen. 113 So wie auch ausdrücklich der zweite Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG von einer „besonderen Vergütung“ spricht. 114 RGZ 88, 51 (52) zu ehrenamtlich tätigen Schiedsmännern, die eine so genannte Schreibgebühr erhalten. 115 Das Argument geht zurück auf einen Kommissar des Justizministers, der als Vertreter der Staatsregierung an den Beratungen der verstärkten Justizkommission über den Gesetzentwurf über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung öffentlicher Gewalt teilgenommen hat; siehe Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1908/1909, Anlagen, Drs. Nr. 354 A, 4523. 116 Pestalozza, LKV 2006, 255 (259 unten, Fn. 34). 112
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Erfordernis hindeuten, dass der Amtswalter von der Erhebung der Gebühren seinen Lebensunterhalt bestreitet. Jedoch ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass es darauf nicht ankommen sollte. Vielmehr war mit „ausschließlich“ gemeint, dass der Beamte für seine Amtshandlungen kein staatliches Entgelt neben der von den Beteiligten erhobenen Gebühr erhielt.117 Bekam er aus der Staatskasse eine Form von Besoldung, die von der Höhe der erhobenen Gebühren unabhängig war, wie etwa ein Mindestgehalt oder eine Pauschale, fiel er nach Ansicht der Gesetzesväter aus der ersten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG heraus.118 Das wurde von der Rechtsprechung bestätigt. Die Anwendung des ersten Halbsatzes des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG wird bei solchen Beamten abgelehnt, die zusätzlich Besoldung erhalten.119 Eine Art von Besoldung soll selbst darin liegen, wenn das Entgelt aus dem gesammelten Gebührenaufkommen gespeist wird und somit monatlich in der Höhe schwankt – sofern es auch im Krankheitsfalle und daher unabhängig von dem Eigenanteil gezahlt wird.120 Dass die erhobenen Gebühren der Schaffung des Lebensunterhalts des Beamten dienen, wird dagegen in keinem Urteil vorausgesetzt.121 117 Der erste Entwurf des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG drückte dies noch klarer aus: „Die Verantwortlichkeit des Staates ist ausgeschlossen bei solchen Amtshandlungen, für welche der Beamte Gebühren lediglich von den Beteiligten [Hervorhebung nur hier] zu beziehen hat.“; Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1908/1909, Anlagen, Drs. Nr. 32, 604. 118 Dies ergibt sich unter anderem daraus, wie die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG auf Fleischbeschauer bestimmt wurde. Für die Fleischbeschau wurde in Preußen durchweg Gebühren von den Tierbesitzern erhoben. Die Art der Bezahlung der Beschauer variierte jedoch: Beschauer, denen die unmittelbare Einziehung der Gebühren von den Tierbesitzern (unter Verpflichtung der Abführung eines Anteils) überlassen war, fielen unproblematisch in den Anwendungskreis. Beschauer, für die die öffentlichen Kassen die Gebühren einzogen und anteilig weiterreichten, ebenso. Nicht anwendbar war nach – unbestrittener – Auffassung eines Kommissars des Ministers für Landwirtschaft dagegen § 1 Abs. 3 Var. 1 auf solche Beschauer, die eine Pauschalvergütung von den öffentlichen Kassen erhielten; Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1908/1909, Anlagen, Drs. Nr. 354 A, 4522/4523. In der zweiten Beratung des Gesetzes wurden Gebührenbeamte der zweiten Kategorie des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG folglich beschrieben als Beamte, die an sich nicht nur durch Gebühren, sondern durch Gehalt oder Pauschquantum abgegolten werden für ihre Bemühungen, und die daneben für besondere Amtshandlungen Gebühren unmittelbar von den Dritten, für die sie tätig werden, beziehen; Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1908/1909, Sitzungen Bd. 3, 61. Sitzung v. 26. März 1909, 4556. 119 BGHZ 146, 17 (23) zu Gerichtsvollziehern, die Dienstbezüge nach Besoldungsrecht (A8 oder A9) erhalten. 120 RGZ 93, 35 (38) zu Revierlotsen.
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Die Notwendigkeit einer Abgrenzung von der Besoldung folgt daraus, dass der Gebührenbeamte der ersten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG die Gebühren nicht unbedingt „von den Beteiligten“ beziehen, also keinen eigenen Zahlungsanspruch gegen sie haben muss. Anders als die zweite Variante spricht der erste Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG lediglich von „Bezug von Gebühren“. Ausdrücklich sollten mit dieser – nachträglich dem Entwurf zugefügten – ersten Variante auch jene Beamten erfasst sein, die für ihre Amtshandlungen Gebühren über die öffentliche Kasse erhielten.122 So hat auch schon das Reichsgericht es für die erste Variante des Gebührenbeamten als unerheblich angesehen, ob er einen eigenen Zahlungsanspruch gegen den Bürger hat oder nicht.123 Bei der Beratung des Entwurfs in der Justizkommission wurde allerdings fein unterschieden: Nicht anwendbar sollte die erste Variante auf jene Beamten sein, die eine Pauschalgebühr für ihre Amtshandlungen aus der öffentlichen Kasse erhielten.124 Das Nichtbestehen eines eigenen Zahlungsanspruchs des Beamten sollte offenbar nur dann unerheblich sein, wenn die öffentliche Kasse lediglich eine Durchleit- oder Sammelstelle für die zu beziehenden Gebühren darstellte. In diesem Fall war es sogar unschädlich, wenn die öffentliche Hand einen Anteil einbehielt. Denn dies wurde als vergleichbar mit der Situation derjenigen Beamten angesehen, die selbst die Gebühren einzogen und dann einen Teil an die öffentlichen Kassen abzuführen hatten. Zusammengefasst also bedeutet „ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen“ Folgendes: Der Beamte wird unabhängig von einem eigenen Zahlungsanspruch für seine Amtshandlungen allein durch das von den Beteiligten zu zahlende Entgelt vergütet, erhält also keinerlei Besoldung in irgendeiner Form durch die öffentliche Hand für seine Tätigkeit. Sobald er losgelöst vom Gebührenaufkommen eine Pauschale erhält oder aber leistungsunabhängig auch im Krankheitsfalle aus der öffentlichen Kasse bezahlt wird, fällt er nicht unter die erste Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG. 121 Im Gegenteil, der Ausschluss der Staatshaftung für nebenberuflich tätige Schiedsmänner wird allein darauf gestützt, dass sie lediglich eine Aufwandsentschädigung und keine Vergütung erhalten; RGZ 88, 51 (52) und BGHZ 36, 193 (195). Bei Schornsteinfegern macht der Anteil gebührenpflichtiger hoheitlicher Tätigkeit, nämlich die Feuerstättenschau, ebenfalls nur einen Teil seiner Erwerbstätigkeit aus, ohne dass ihn das nach Ansicht des BGH von dem Ausschluss der Staatshaftung ausnimmt; BGHZ 62, 372 (374/378). 122 So die Ausführungen eines Kommissars des Justizministers, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1908/1909, Anlagen, Drs. Nr. 354 A, 4523. 123 RGZ 134, 178 (179); RGZ 93, 35 (39) hatte diese Frage noch ausdrücklich offengelassen. 124 Siehe oben Fn. 118.
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c) Gesetzlich geregelter Zahlungsmodus Ein eigener Gebührenanspruch des Beamten gegen den Beteiligten bedurfte schon zur Zeit der Entstehung des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes einer gesetzlichen Grundlage.125 Wenn aber ein eigener Anspruch fehlt, vielmehr die von den Beteiligten zu beziehende Gebühr über die öffentliche Hand eingezogen und weitergeleitet werden soll, müsste dies folgerichtig ebenfalls gesetzlich geregelt sein. Dieses Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage wird in der Rechtsprechung und bisherigen Literatur bisher nicht ausdrücklich genannt. Allerdings lagen ohnehin allen entschiedenen Streitfällen ausführliche gesetzliche Regelungen zugrunde. So auch bezüglich Lotsen und Schiedsmännern, die keinen eigenen Zahlungsanspruch gegen die Beteiligten besaßen, sondern ihr Entgelt aus der öffentlichen Kasse erhielten.126 Der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dem Gebührenbezug lägen immer gesetzliche Regelungen zugrunde. Bei den Gesetzesberatungen wurde die Befürchtung geäußert, die Verwaltung hätte es bei einer Anknüpfung des Haftungsausschlusses an die Zahlungsmodalitäten selbst in der Hand, Gebührenbeamte zu schaffen und die Staatshaftung für deren Tätigkeit auszuschließen. Diese Befürchtung wurde aber mit dem Hinweis auf den Gesetzesvorbehalt beruhigt.127 Somit ging der Gesetzgeber davon aus, dass nicht die in der Praxis ausgeübte Zahlungsweise, sondern die gesetzlichen Regelungen über die Vergütung der Beamten für die Einstufung als Gebührenbeamter entscheidend sein würden. Dafür spricht auch der Sinn und Zweck des Staatshaftungsausschlusses. Für eine abstrakt bestimmbare Gruppe von Beamten sollte die Eigenhaftung beibehalten werden. Dann aber ist, auch wenn als Kriterium der Gebührenbezug gewählt wurde, nicht an den tatsächlichen Zahlmodus, sondern nur an den gesetzlich geregelten Zahlmodus anzuknüpfen. Sonst könnten willkürliche Unterschiede bei Beamten mit ein und demselben Tätigkeitsfeld entstehen, selbst ein und derselbe Beamte könnte bei verwaltungsintern veranlassten Änderungen der Vergütungsmodalitäten mal Gebührenbeamter sein, dann wieder nicht. Gebührenbeamter im Sinne des § 1 Abs. 3 Var. 1 PreußBHaftG ist demnach nur der, dessen Vergütung durch von den Beteiligten zu erhebende Gebühren gesetzlich geregelt ist. 125 In den Gesetzesberatungen wurde auf Art. 102 der Verfassung verwiesen, wonach Beamte für sich Gebühren nur aufgrund eines Gesetzes beziehen durften. 126 RGZ 93, 35 zu Revierlotsen sowie RGZ 88, 51 und BGHZ 36, 193 zu Schiedsmännern. Die Qualifizierung als Gebührenbeamte scheiterte bei ihnen aus anderen Gründen. 127 Verhandlungen des Herrenhauses 1908/1909, Anlagen, Aktenstück Nr. 139, 688.
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d) Keine weiteren Voraussetzungen Fraglich ist, ob bei einem fehlenden eigenen Zahlungsanspruch zusätzlich das Vorliegen eines irgendwie gearteten unmittelbaren Rechtsverhältnisses zu fordern ist. Diese Forderung scheint ein Urteil des Bundesgerichtshofs aufzustellen, das die Anwendung des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG auf Prüfingenieure für Baustatik verneint.128 Hergeleitet werden soll das Erfordernis offenbar aus dem Gedanken, dass der Ausschluss der Staatshaftung unter anderem dann gerechtfertigt ist, wenn der Bürger sich den Beamten selbst auswählen kann, also freiwillig mit ihm in Beziehung tritt.129 Jedoch hat schon das Reichsgericht darauf hingewiesen, dass der Gedanke der freien Wählbarkeit des Beamten sich in keiner Weise im Wortlaut der Norm niedergeschlagen hat, sodass auch eventuell unerwünscht von der Staatshaftung ausgeschlossene Fälle hinzunehmen seien.130 In den Gesetzesberatungen war dies schon kritisiert worden, diese Kritik wurde allerdings mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Anknüpfung an den Gebührenbezug ein ebenso sachliches Kriterium für den Ausschluss der Staatshaftung sei.131 Das unmittelbare Rechtsverhältnis wird vom Bundesgerichtshof auch weder positiv definiert132, noch beruhte die Entscheidung auf dem Fehlen dieser 128 BGHZ 39, 358 (362) zum innerhalb des Baugenehmigungsverfahrens von der Genehmigungsbehörde eingesetzten Prüfingenieur für Baustatik. 129 So tauchte in diesem Zusammenhang auch bei RGZ 88, 256 (259) der Begriff des unmittelbaren Rechtsverhältnisses auf. Darunter verstand das Gericht aber den eigenen Zahlungsanspruch des Beamten gegenüber dem Bürger; es bezog sich zudem auf die zweite Variante der Norm. 130 RGZ 93, 35 (38). 131 Dies ergibt sich aus der Erwiderung des Justizministers an ein Kommissionsmitglied im Bericht der Kommission für Justizangelegenheiten zu dem Gesetzesentwurf, siehe Verhandlungen des Herrenhauses 1908/1909, Anlagen, Aktenstück Nr. 139, 681. 132 Vermutungen lassen sich dennoch anstellen. Es scheint eine direkte Verbindung zwischen dem Bürger und dem Gebührenbeamten gemeint zu sein, die schon mit der Beantragung der jeweiligen Amtshandlung entsteht. Nicht ausreichend ist offensichtlich ein später durch die Amtspflichtverletzung entstehender Schadensersatzanspruch gegen den Beamten. Gefordert ist aber eine ähnliche Rechtsbeziehung wie die, die durch den Zahlungsanspruch des Gebührenbeamten gegenüber dem Bürger besteht. Ein unmittelbares Rechtsverhältnis bestünde demnach dann, wenn der Antrag auf die Amtshandlung selbst schon dem Bürger Rechte gegenüber dem Gebührenbeamten verleiht, z. B. einen Anspruch auf Tätigwerden. Dieses Merkmal könnten die Mitglieder der Ethikkommissionen nicht erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen sind rechtlich unselbständig und Organ der jeweiligen übergeordneten Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Antrag des Bürgers stellt zwischen ihm und dieser Körperschaft ein Rechtsverhältnis her, nicht zwischen ihm und den natürlichen Personen, den Mitgliedern der Ethikkommission. Genauso geht der Anspruch auf Beurteilung bei den privaten Ethikkommissionen ge-
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Anforderung. So kann man in der Gesamtschau nicht von einem in der Rechtsprechung neu etablierten Kriterium für die Anwendbarkeit der ersten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG sprechen. Auch ein weiteres in jüngerer Zeit in der Literatur aufgestelltes Kriterium ist ausdrücklich von der Rechtsprechung abgelehnt worden. Die Ausnahme von der Haftung wurde und wird zusätzlich zur typischerweise freien Wählbarkeit mit der Selbständigkeit der Amtswalter gerechtfertigt, bei denen die staatlichen Einwirkungs- und Aufsichtsmöglichkeiten erheblich gelockert sind.133 Daraus folgert Burrichter, dass die Anwendung der Ausschlussnormen abzulehnen sei, wenn die Amtswalter in einem Rechtsverhältnis zum Staat stünden, das in den Einzelheiten in einer dem Beamtenverhältnis vergleichbaren Weise geregelt sei.134 Er stellt also als ungeschriebenes Kriterium die relative Unabhängigkeit des Gebührenbeamten vom Staat auf. Der Bundesgerichtshof sieht richtigerweise das Maß der Unabhängigkeit jedoch als nicht entscheidend an, da auch diese Überlegungen des Gesetzgebers keinen Eingang in den Wortlaut der Norm gefunden haben.135 e) Anwendbarkeit auf Ethikkommissionen Es bleibt Folgendes festzuhalten: Für die Anwendung der ersten Variante des § 1 Abs. 3 PreußHaftG ist erforderlich, dass die Gebühren dazu bestimmt sind, den Beamten für seine geleisteten Dienste zu vergüten, also so bemessen sind, dass das erhaltene Entgelt keine bloße Aufwandsentschädigung darstellt. Der Zahlungsmodus, also entweder ein eigener Gebührenanspruch gegen den Beteiligten oder die Weiterleitung von Gebühren über die öffentliche Hand, muss gesetzlich geregelt sein. Daneben darf der Beamte für seine Tätigkeit in keiner Form eine Besoldung aus der öffentlichen Kasse erhalten. Weitere Kriterien sind nicht zu erfüllen. Von der Anwendung des § 1 Abs. 3 Var. 1 PreußBHaftG sind damit diejenigen Ethikkommissionen ausgeschlossen, deren Mitglieder überhaupt kein Entgelt erhalten. An der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Universität Düsseldorf und der Universität Duisburg-Essen wird die Kommissionstätigkeit für Mitglieder der Universitäten als Dienstaufgabe angesehen, die nicht zusätzlich vergütet wird.136 Sämtliche Mitglieder der Ethikkomgen die juristische Person „Ethikkommission“, nicht gegen die einzelnen Mitglieder. Siehe zur organisationsrechtlichen Stellung der Ethikkommissionen auch S. 58–65. 133 RGZ 88, 256 (259); BGHZ 113, 71 (81); Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 278; Galke, DÖV 1992, 53 (56); siehe oben Fn. 115. 134 Burrichter, NJW 1973, 192 (193) zum Urteil des OLG Hamm vom 28. April 1972 – 11 U 269/71 über den Bezirksschornsteinfegermeister. 135 BGHZ 62, 372 (380) zum Bezirksschornsteinfegermeister.
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missionen der Universitäten Göttingen und Bochum erhalten ebenfalls ausdrücklich keine Entschädigung.137 Kein Mitglied einer Ethikkommission hat einen eigenen Gebührenanspruch gegen den Antragsteller. Auch erhebt keine der öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen im Geltungsbereich des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes die Gebühren selbst. Als unselbständige Verwaltungseinheiten besitzen sie nicht die erforderliche Rechtsfähigkeit, um überhaupt einen Anspruch zu erlangen. Die Gebühren werden von der Körperschaft des öffentlichen Rechts eingezogen, bei der sie angesiedelt sind. Die Mitglieder der Ethikkommission selbst haben allenfalls einen Anspruch auf Aufwandsentschädigung gegenüber der Trägerkörperschaft. Aber unabhängig von der Höhe dieser Aufwandsentschädigung und unabhängig davon, ob diese faktisch eine Weiterleitung der erhobenen Gebühr darstellt, kommt auch hier eine Anwendung des § 1 Abs. 3 Var. 1 PreußBHaftG nicht in Betracht. Kein Gesetz sieht vor, dass, falls überhaupt Gebühren von den Antragstellern erhoben werden, diese direkt oder anteilig an die Mitglieder der Ethikkommissionen weiterzuleiten sind. Nach § 20 Abs. 8 S. 2 MPG ist vor der Registrierung zwar eine angemessene Vergütung der Mitglieder nachzuweisen, das Gesetz fordert aber nicht, dass diese Vergütung von den Durchführenden der klinischen Prüfungen getragen werden soll. Ein solches Erfordernis widerspräche ohnehin dem Gesetzeszweck sowohl des Arzneimittel- als auch des Medizinproduktegesetzes: Die geforderte Unabhängigkeit der Ethikkommissionsmitglieder ist zu bezweifeln, wenn die Antragsteller, die sie kritisch prüfen sollen, allein für ihre Vergütung aufkommen 136 § 17 Abs. 1 der Medizinische Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin Ethikkommission Satzung vom 7. Juni und 2. August 2004, FU-Mitteilungen 34/2004 vom 31. August 2004. Im Internet abrufbar unter http://www.charite.de/ ethikkommission/satzung_0.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. § 10 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vom 28. Juli 2008. Im Internet abrufbar unter http://medfak.uniklinikum-duesseldorf.de/deutsch/Dekanat/kommissionen/Ethikkom mission/DownloadDokumente/page.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. § 10 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen vom 12. Juli 2007. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-duisburg-essen.de/zentralverwaltung/verkuendungsblatt/vbl_jahrgang 6_2008.shtml; letzter Zugriff am 30. September 2008. 137 § 11 Abs. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Universität Göttingen vom 16. Januar 2006. Im Internet abrufbar unter http://www.ethikkommission. med.uni-goettingen.de/pdf/SATZUNG.pdf; letzter Zugriff am 30. September 2008. Und § 6 Abs. 4 der Satzung der Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vom 14. Januar 2008, veröffentlicht in den Amtlichen Bekanntmachungen der Ruhr-Universität Bochum. Im Internet abrufbar unter http://www.ruhr-uni-bochum.de/ethik/Satzung.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008.
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und mit der Zahl der zu begutachtenden Studien auch ihr Entgelt steigt. Sollte die tatsächliche Entschädigungspraxis so aussehen, ist dies hinsichtlich der Unabhängigkeit der Ethikkommission somit zu bedauern. An der Haftung des Staates für ihre Fehler ändert dies jedoch nichts. 2. Gebührenbeamte gemäß dem zweiten Halbsatz des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG Die Staatshaftung sollte nach der zweiten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG ausgeschlossen sein „für solche Amtshandlungen anderer Beamter, für welche die Beamten eine besondere Vergütung durch Gebühren von den Beteiligten zu beziehen haben“. a) Vergütung Mit diesem Wortlaut ist zum einen klargestellt, dass in jedem Fall die Gebühren so bemessen sein müssen, dass sie eine Dienstleistung vergüten und nicht lediglich eine Aufwandsentschädigung für den durch das Ehrenamt entstandenen Zeitverlust darstellen.138 b) Eigener gesetzlicher Zahlungsanspruch gegen den Beteiligten Zusätzlich beziehen in der zweiten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG die Amtswalter die Gebühr „von den Beteiligten“. Mit dieser Formulierung sollte ausgedrückt werden, dass dem Beamten ein eigener Zahlungsanspruch unmittelbar gegen den Dritten, für den er tätig wird, zusteht.139 Die Rechtsprechung legt die Norm ebenfalls einhellig so aus.140 Auch die Definition Bonks lautet dementsprechend – leider undifferenziert für alle Regelungen über Gebührenbeamte –, dass Gebührenbeamte nur diejenigen Amtsträger sind, die nicht an den Staat abzuführende Gebühren oder andere Entgelte selbst erheben und für sich selbst behalten dürfen.141 Aus den auf S. 152 angestellten Erwägungen ergibt sich, dass ein solcher Anspruch des Beamten gesetzlich vorgesehen sein muss. 138 Ausdrücklich schon RGZ 88, 51 (52) zu Schiedsmännern in Preußen und BGHZ 36, 193 (195) zu Schiedsmännern in Nordrhein-Westfalen. 139 Siehe die Erläuterung des Berichterstatters Mertin in der 2. Beratung des Gesetzesentwurfs, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, Sitzungen Bd. III, 61. Sitzung am 26. März 1909, 4556. 140 RGZ 88, 256 (258/259); BGHZ 146, 17 (23/24). 141 Bonk in: Sachs, GG 2007, Art. 34 Rn. 101.
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c) Für einzelne Amtshandlungen Bei den Beratungen des Gesetzesentwurfs wurde den Feinheiten des Wortlauts der zweiten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG große Beachtung geschenkt. „Solche Amtshandlungen anderer Beamter“ bedeutete nach Ansicht des Gesetzgebers zweierlei: In Abgrenzung zum Gebührenbeamten der ersten Variante erhalten die der zweiten Variante grundsätzlich eine Besoldung vom Staat. Für einzelne Amtshandlungen jedoch stand ihnen ein Gebührenanspruch direkt gegen den Bürger zu.142 Letzteres Kriterium wurde wörtlich genommen. Denn der Gerichtsvollzieher, der neben seinem Gehalt für alle Amtshandlungen auch Gebühren von den Beteiligten selbst einzog, sollte gerade nicht unter § 1 Abs. 3 PreußBHaftG fallen. Unter die erste Variante passte er nicht, da er Gehalt bezog, und unter die zweite Variante passte er nicht, da er nicht nur für einzelne Tätigkeiten einen eigenen Zahlungsanspruch besaß.143 In strikter Anlehnung an den Wortlaut ist also davon auszugehen, dass § 1 Abs. 3 Var. 2 PreußBHaftG nur für solche Beamten Anwendung findet, die neben ihrem vom Staat bezogenen Gehalt für einzelne Amtshandlungen einen eigenen Zahlungsanspruch besitzen. d) Keine weiteren Voraussetzungen Weitere, aus den Gründen für den Haftungsausschluss herleitbare Kriterien für die zweite Variante der preußischen Norm sind nicht ersichtlich. Das Reichsgericht erwähnte zwar einmal die fehlende Wählbarkeit des betreffenden Amtswalters und betonte das öffentliche Interesse an seiner Tätigkeit, jedoch war dies für die Ablehnung der Anwendung des § 1 Abs. 3 Var. 2 PreußBHaftG nicht entscheidend.144 Die Argumentation machte eher den Eindruck, dass klargestellt werden sollte, dass der Zweck der Norm der gefundenen Auslegung nicht entgegenstand, nicht aber, dass damit weitere Voraussetzungen des Begriffs des Gebührenbeamten geprüft wurden.
142 So die Erläuterung des Berichterstatters Mertin in der 2. Beratung des Gesetzesentwurfs, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, Sitzungen Bd. III, 61. Sitzung am 26. März 1909, 4556. 143 So der Berichterstatter Mertin ausdrücklich in der 2. Beratung des Gesetzesentwurfs, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, Sitzungen Bd. III, 61. Sitzung am 26. März 1909, 4557. 144 RGZ 88, 51 (52).
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e) Anwendbarkeit auf Ethikkommissionen Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Gebührenbeamte in der zweiten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG derjenige Amtswalter ist, der neben seinem Gehalt für einzelne Amtshandlungen einen eigenen Zahlungsanspruch gegen die Beteiligten hat. Kein Mitglied einer Ethikkommission im Geltungsbereich des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes145 hat jedoch einen eigenen Gebührenanspruch gegen den Antragsteller. § 1 Abs. 3 PreußBHaftG findet also schon aus diesem Grund auch in der zweiten Variante für keine Ethikkommission Anwendung.
II. § 5 Nr. 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes sowie gleichlautende Normen Gemäß § 5 Nr. 1 RHBG146 sowie § 21 des Hessischen AGBGB und § 18 b des AGBGB Rheinland-Pfalz147 ist die Haftung ausgeschlossen für diejenigen Beamten, „die, abgesehen von der Entschädigung für den Dienstaufwand, auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind.“ Der hessische und der rheinland-pfälzische Gesetzgeber haben ausdrücklich die reichsrechtliche Norm zum Vorbild genommen.148 Neue Erwägungen zur Rechtfertigung des Haftungsausschlusses für Gebührenbeamte finden sich in den Gesetzesmaterialien nicht.149 Zur Auslegung aller drei gesetzlichen Regelungen kann daher auf die Entstehungsgeschichte des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes zurückgegriffen werden. Höchstrichterliche 145
Siehe Teil 3, Fn. 101. Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten vom 22. Mai 1910, RGBl. S. 798. 147 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch und RheinlandPfälzisches Landesgesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs; Fundstellen siehe Fn. 103. 148 Siehe die Begründung zu § 21 HessAGBGB, Hessischer Landtag, Drs. 11/1981 vom 18. September 1984, 18 sowie die Begründung zu § 18 b AGBGB R-P, Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 12/7107 vom 22. August 1995, 58. 149 Es wurde lediglich als Beispiel für die Anwendung der Norm der Bezirksschornsteinfeger genannt und wiederholt, dass der Ausschluss der Staatshaftung in diesem Fall aus zwei Gründen gerechtfertigt erscheine: Zum einen stünden diese Beamten in keinem so engen Verhältnis zum Staat, zum anderen sei ihnen zuzumuten, durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung Vorsorge für Haftungsfälle zu treffen. Siehe die Begründung zu § 21 HessAGBGB, Hessischer Landtag, Drs. 11/1981 vom 18. September 1984, 19 sowie die Begründung zu § 18 b AGBGB R-P, Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 12/7107 vom 22. August 1995, 58. 146
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Rechtsprechung findet sich nur für das Hessische AGBGB, die jedoch ebenfalls auf die reichsrechtliche Vorbildnorm Bezug nimmt. 1. Vergütung Die Formulierung „Bezug von Gebühren“ weist, wie schon für die erste Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG erläutert, darauf hin, dass es sich bei diesen Gebühren nicht um bloße Aufwandsentschädigungen handeln darf. Auch der Wortlaut „abgesehen von der Entschädigung des Dienstaufwandes“ stellt den Begriff der Entschädigung dem der bezogenen Gebühr gegenüber. Entscheidend ist daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, „ob die erhobenen Gebühren danach bemessen und dazu bestimmt sind, die Amtstätigkeit der handelnden Beamten abzugelten.“150 Auch hier ist also eine echte Vergütung des Amtswalters durch Gebührenbezug erforderlich, damit dieser als Gebührenbeamter angesehen werden kann. 2. Keine Besoldung vom Staat außer der Entschädigung für den Dienstaufwand Wie auch bei der Auslegung der ersten Variante des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes nimmt der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der Normen an, es sei nicht notwendig für die Qualifizierung als Gebührenbeamter, dass er von den Gebühren seinen Lebensunterhalt bestreitet.151 Grund für den Ausschluss der Staatshaftung sei die finanzielle Unabhängigkeit vom Staat gewesen, was sich in dem unter Anwendung des § 1 Nr. 5 RHBG als Gebührenbeamten angesehenen Wahlkonsul zeige, der seine Tätigkeit typischerweise als Nebenamt versah.152 „Auf Gebühren angewiesen“ bedeute danach lediglich, dass der Amtswalter keine Dienstbezüge vom Staat erhält, seine Beziehung zu diesem also anders als bei den normalen Beamten sehr viel lockerer gestaltet ist. Mit der „Entschädigung für den Dienstaufwand“ war vom Reichsgesetzgeber in diesem Zusammenhang eine besondere Konstellation bei den Wahlkonsuln angesprochen. Einige von ihnen erhielten nämlich, sofern ihre Aufwendungen durch die von ihnen selbst erhobenen Gebühren für Amtshandlungen nicht gedeckt wurden, eine Entschädigung, die den Sollbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben deckte.153 Diese verhinderte, dass sie 150
BGHZ 113, 71 (79) zu Mitgliedern von Ortsgerichten in Hessen. BGHZ 113, 71 (79) zu Mitgliedern von Ortsgerichten in Hessen. 152 BGHZ 113, 71 (79/81) unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 3 RHBG, dass als Vorlage für § 21 HessAGBGB diente. 151
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für ihre konsularische Tätigkeit im Auftrage des Staates Verluste erlitten. Keinesfalls war sie als staatliche Vergütung gedacht. Die Formulierung des § 5 Nr. 1 RBHG sollte diesbezüglichen Missverständnissen vorbeugen.154 3. Eigener gesetzlicher Zahlungsanspruch gegen den Beteiligten § 5 Nr. 1 RBHG, § 21 HessAGBGB und § 18 b AGBG Rheinland-Pfalz sind fast wortgleich zu § 1 Abs. 3 Var. 1 PreußBHaftG. Der Bundesgerichtshof hat es demnach als unerheblich für die Anwendung des § 21 HessAGBGB angesehen, ob die Gebühr vom Staat eingezogen und dem Beamten über eine öffentliche Kasse zugeleitet wird oder er selbst einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Bürger hat.155 Zur Begründung verwies das Gericht allerdings nur kurz und ohne weitere Erläuterung auf Entscheidungen des Reichsgerichts zu der preußischen Haftungsauschlussnorm.156 Auf dieses Kriterium kam es ohnehin nicht an, da aus einem anderen Grund die Anwendung des § 21 HessAGBGB ausgeschlossen werden konnte.157 Bei genauerem Hinsehen hätte das Gericht sicherlich berücksichtigt, dass sich aus der Entstehungsgeschichte des § 5 Nr. 1 RBHG Unterschiede zu § 1 Abs. 3 Var. 1 PreußBHaftG ergeben. Bei den Beratungen zum Reichsbeamtenhaftungsgesetz wurde zwar eine Angleichung der Formulierung an die preußische Norm erwogen.158 Dies wurde jedoch abgelehnt, weil man davon ausging, die eigene Fassung würde deutlicher machen, für welche Beamten man die Staatshaftung ausschließen wollte159: Gedacht war lediglich an Wahlkonsuln und Notare. 153 Siehe den Bericht der 8. Kommission, Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, Bd. 275, Aktenstück Nr. 366, 1912. 154 So die Begründung des Gesetzesentwurfs in Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, Bd. 270, Aktenstück Nr. 5, 19. 155 BGHZ 113, 71 (78). 156 RGZ 88, 256 (258), bezog sich allein auf die zweite Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG; RGZ 93, 35 (37) ließ die Frage ausdrücklich offen. Allein RGZ 134, 178 (180/181) stellte für § 1 Abs. 3 Var. 1 PreußBHaftG fest, dass für dessen Anwendung kein eigener Zahlungsanspruch des Beamten gegeben sein muss. 157 Die Entschädigung wurde der Höhe nach lediglich als Aufwandsentschädigung, nicht als Vergütung angesehen, BGHZ 113, 71 (79). 158 So der Antrag einiger Kommissionsmitglieder laut Bericht der 8. Kommission, Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, Bd. 275, Aktenstück Nr. 366, 1911. 159 „Verschiedene Kommissionsmitglieder traten für die Beibehaltung des Entwurfs ein, die die zweckmäßigste und klarste Fassung enthalte“; Bericht der 8. Kommission, Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, Bd. 275, Aktenstück Nr. 366, 1912.
B. Kein Ausschluss der Haftungsüberleitung
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Diesen Beamten war zum einen gemeinsam, dass sie kein Gehalt von der öffentlichen Hand bezogen. Ein Haftungssausschluss für die Stabsveterinäre, die für die Behandlung der Pferde der Offiziere in Einzelfällen neben dem Gehalt einen eigenen Zahlungsanspruch gegen die Offiziere besaßen, war ausdrücklich nicht gewünscht.160 Zum anderen erhoben die Notare und Wahlkonsuln ihre Gebühren unmittelbar von den Beteiligten. Die Frage, ob für Kanallotsen nach dieser Norm ebenfalls die Staatshaftung ausgeschlossen sei, wurde mit dem Hinweis verneint, nicht sie, sondern die Kanalverwaltung ziehe die Gebühren von den Interessenten ein.161 Offenbar gingen die Gesetzesväter demnach davon aus, dass § 5 Nr. 1 RHBG nur Beamte umfasse, die einen eigenen Gebührenanspruch besitzen. Auch der hessische und der rheinland-pfälzische Gesetzgeber dachten nur an einen Gebührenbeamten dieser Art – an den Bezirksschornsteinfeger.162 Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, „auf den Bezug von Gebühren angewiesen“ so auszulegen, dass ein eigener Gebührenanspruch des Beamten erforderlich ist. Diese Auslegung stimmt zudem mehr mit den Motiven der Gesetzgeber für den Haftungsausschluss überein. Die Staatshaftung sollte für solche Beamten ausgeschlossen sein, die selbst in einem so lockeren Verhältnis zum Staat stehen, dass sie ihre Vergütung von den beteiligten Dritten erhalten, und denen zugleich zumutbar ist, sich für Haftungsfälle abzusichern.163 Dies trifft doch am ehesten bei solchen Beamten zu, die mit den Beteiligten in einem unmittelbaren Gläubiger-SchuldnerVerhältnis stehen und daher ihre Amtshandlung wie eine Dienstleistung begreifen. Solche Personen sichern sich, wie andere im Wirtschaftsleben tätige Dienstleister auch, ohnehin vor Schadensersatzforderungen ab.
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Der Regierungsvertreter ging zunächst davon aus, dass es im Reich keine der zweiten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG entsprechenden Beamten gäbe. Als der Vertreter des Kriegsministeriums auf die Stabsveterinäre hinwies, wurde im Anschluss der Änderungsantrag abgelehnt; Bericht der 8. Kommission, Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, Bd. 275, Aktenstück Nr. 366, 1912. 161 So der Regierungsvertreter laut Bericht der 8. Kommission, Verhandlungen des Reichstages, 12. Legislaturperiode, Bd. 275, Aktenstück Nr. 366, 1912. 162 Siehe die Begründung zu § 21 HessAGBGB, Hessischer Landtag, Drs. 11/1981 vom 18. September 1984, 18 sowie die Begründung zu § 18 b AGBGB R-P, Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 12/7107 vom 22. August 1995, 58. 163 Siehe die Begründung zu § 5 Nr. 1 RHBG, Verhandlungen des Reichstags, 12. Legislaturperiode, Bd. 270, Aktenstück Nr. 5, 19; die Begründung zu § 21 HessAGBGB, Hessischer Landtag, Drs. 11/1981 vom 18. September 1984, 18; sowie die Begründung zu § 18 b AGBGB R-P, Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 12/7107 vom 22. August 1995, 58.
162
Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
4. Anwendbarkeit auf Ethikkommissionen Festzuhalten ist: Für den Ausschluss der Staatshaftung nach § 5 Nr. 1 RHBG, § 21 HessAGBGB oder §18 b AGBGB Rheinland-Pfalz ist es erforderlich, dass der Beamte einen eigenen Gebührenanspruch gegen die Beteiligten hat. Die Gebühren müssen dazu bestimmt sein, den Beamten für seine geleisteten Dienste zu vergüten. Daneben darf der Beamte für seine Tätigkeit in keiner Form eine Besoldung aus der öffentlichen Kasse erhalten, es sei denn, es handelt sich lediglich um eine Dienstaufwandsentschädigung. Damit könnten allenfalls die privatrechtlich organisierten Ethikkommissionen in den Anwendungsbereich dieser Ausschlussnormen fallen. Sie besitzen als GmbH oder eingetragener Verein164 die erforderliche Rechtsfähigkeit, um selbst Gebührenansprüche geltend zu machen. Zwar hat das einzelne Mitglied der Ethikkommission auch hier – wie bei den öffentlichrechtlichen Ethikkommissionen – keinen eigenen Anspruch auf Vergütung seiner Dienste gegenüber dem Antragsteller. Als beliehene juristische Person des Privatrechts könnte man die Ethikkommission als solche jedoch eventuell als „Beamter“ im Sinne des § 5 Nr. 1 RBHG ansehen. Allerdings hat der Reichsgesetzgeber ersichtlich nicht an eine solche Konstellation gedacht. Und auch wenn juristische Personen des Privatrechts über das Institut der Beleihung heutzutage hoheitliche Aufgaben erfüllen, und als Beliehene auch „Jemand“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG sind, so ergibt doch der Haftungsausschluss für Gebührenbeamte nur bei natürlichen Personen einen Sinn. Es geht schließlich um solche Personen, die bei ihren Amtshandlungen mit dem Bürger direkt in eine Beziehung treten, bei der das anonyme Konstrukt Verwaltung in den Hintergrund tritt. Dass bei solchen direkten Beziehungen zwischen Beamten und Bürger, bei denen die Gebührenschuld ohne den Verwaltungsapparat abgewickelt wird, der Staat auch bei der Haftung ausscheidet, ist nachvollziehbar und kann gerechtfertigt werden. Beliehene juristische Personen des Privatrechts sind jedoch in dieser Hinsicht mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts vergleichbar. Sie sind insofern genauso abstrakte und anonyme Gebilde. Sie als „Beamte“ im Sinne einer Norm anzusehen, die zu einer Zeit entstand, als damit nur natürliche Personen verbunden wurden, fällt daher schwer. § 5 Nr. 1 RHBG findet daher auch auf privatrechtlich organisierte Ethikkommissionen keine Anwendung.
164
Siehe Teil 1, Fn. 115.
C. Passivlegitimation
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III. Ergebnis Die Anwendung des PreußBHaftG auf die Ethikkommissionen in denjenigen Ländern, in denen dieses Gesetz noch Gültigkeit besitzt, scheitert hinsichtlich der ersten Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG daran, dass eine etwaige Entschädigung der Mitglieder der Ethikkommission allein aus dem Gebührenaufkommen der Antragsteller gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die zweite Variante des § 1 Abs. 3 PreußBHaftG sowie § 5 Nr. 1 RHBG, § 21 HessAGBGB und § 18 b AGBGB Rheinland-Pfalz sind ebenfalls nicht anwendbar, da keinem Mitglied einer Ethikkommission ein eigener gesetzlicher Zahlungsanspruch gegenüber den gebührenzahlenden Antragstellern zukommt. Damit sind weder die öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen noch die privaten Ethikkommissionen vom Ausschluss der Staatshaftung für Gebührenbeamte betroffen.
C. Passivlegitimation Art. 34 Satz 1 GG bestimmt, die Verantwortung treffe „grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht“. Damit werden zwei Regelaussagen getroffen: Erstens bedeutet das Wort „grundsätzlich“, dass in der Regel eine Überleitung der persönlichen Verantwortung des Amtswalters auf den Staat stattfindet. Von dieser Regel kann es Ausnahmen geben, die jedoch einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und auf sachgerechten Erwägungen beruhen müssen.165 Es wurde demgemäß zunächst untersucht, ob eine Haftungsüberleitung für Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder der Ethikkommission etwa von vornherein ausgeschlossen ist. Zweitens enthält die Bestimmung des Art. 34 Satz 1 GG eine Grundregel darüber, wer die passivlegitimierte Person des öffentlichen Rechts sein soll. Auch von dieser Regel kann gesetzlich abgewichen und ein anderer Haftungsträger bestimmt werden.166 In einigen Bundesländern existieren Gesetze, die die Haftungsübernahme für die Tätigkeiten der Ethikkommissionen regeln. Um festzustellen, ob sie Abweichungen von der Grundregel darstellen oder lediglich klarstellenden Charakter haben, wird im Folgenden zunächst ermittelt, was unter den Begriffen „Staat oder Körperschaft, in deren Dienst er steht“ zu verstehen ist.167 Dann wird für die Ethikkommissionen der einzelnen Bundesländer untersucht, welche öffentlich-rechtliche 165 166 167
Vinke in: Soergel, BGB 2005, § 839 Rn. 230. Siehe BayVerfGHE, VGH n. F. 12 (1959), II 91 (116 oben). S. 164–178.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Körperschaft unter Berücksichtigung etwaiger abweichender Regelungen konkret für Fehler der Mitglieder haften muss.168
I. Die grundsätzlich haftende juristische Person des öffentlichen Rechts Gemäß Art. 34 Satz 1 GG „trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst“ der Amtswalter steht. Um die grundsätzlich haftenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu bestimmen, kann man sich dem Wortlaut des Art. 34 Satz 1 GG von verschiedenen Ansätzen her nähern. Die zunächst vorzustellende Interpretation des Art. 34 Satz 1 GG ergibt sich in Folge einer konsequenten Anwendung der grammatikalischen Auslegungsmethode. Dabei wird gezeigt, dass der Wortlaut allein bei der Ermittlung von Kriterien für die Passivlegitimation jedoch nicht weiterhilft. Der zweite Auslegungsansatz liegt allen in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten zugrunde. 1. Erster Ansatz: Der Dienstherr, ansonsten der Staat? Die Formulierung „den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht“ ist grammatikalisch nicht eindeutig. Grammatikalisch korrekt sind zwei Aussagen, von denen jedoch eine sofort ausgeschlossen werden kann: Versteht man „deren“ als ein Personalpronomen im Plural, steht „er“ im Dienst von sowohl einem Staat als auch einer Körperschaft. Dass ein Amtswalter zugleich in zwei verschiedenen Dienstverhältnissen steht, ist jedoch, wie auch immer man diese definiert,169 äußerst selten. Art. 34 Satz 1 GG kann dies nicht sinnvollerweise bedeuten, denn dann hätte die Regelung viel zu wenig Anwendungsfälle, um eine grundsätzliche Regelung der Passivlegitimation darzustellen. Versteht man „deren“ als ein weibliches Personalpronomen im Singular, bezieht sich der Nebensatz nur auf die Körperschaft. Der Satz enthält dann die Aussage, dass die Schadensersatzverpflichtung zwei verschiedenen Subjekten obliegen kann: Entweder sie trifft die Körperschaft, in deren Dienst der Amtswalter steht, oder sie trifft einen Staat. Diese Aussage ist jedoch 168
S. 178–219. Als Dauerdienstverhältnis verstanden, müsste der Amtswalter mindestens zweifach angestellt oder verbeamtet sein. Versteht man „in Dienst stehen“ als die Wahrnehmung von Aufgaben (also das Leisten eines Dienstes), müsste es sich um Aufgaben handeln, die zugleich einem Staat und einer anderen Körperschaft obliegen. 169
C. Passivlegitimation
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wiederum nicht eindeutig. Es bleibt die Frage, wann der Staat und wann die Körperschaft haftet. Geht man davon aus, dass dies nach einem weiteren, in Art. 34 Satz 1 GG nicht ausdrücklich genannten Kriterium zu entscheiden ist, verlässt man schon an dieser Stelle die Ebene der Wortlautauslegung. Ein wenig mehr Honig lässt sich aus dem Wortlaut saugen, wenn man die Formulierung als eine Unterscheidung von Spezial- und Auffangverantwortlichkeit auffasst. Dies setzt allerdings voraus, dass das „In-Dienst-Stehen“ ein Kriterium ist, das nicht jeder erfüllt, der hoheitlich handelt. Unter dieser Prämisse lautet die Aussage: Sofern der Handelnde im Dienst einer Körperschaft steht, haftet immer diese. Der Staat ist Auffangverantwortlicher für die übrigen Amtswalter. „In Dienst stehen“ müsste bei dieser Auslegung ein öffentlich-rechtliches Dauerdienstverhältnis bezeichnen.170 Wäre damit einen – auch nur gelegentlichen – Dienst erweisen gemeint, wäre die Auffangverantwortlichkeit unnötig. Mit der Ausübung öffentlicher Gewalt erweist der Amtswalter immer jemandem einen Dienst, nämlich der Körperschaft, der diese Aufgabe obliegt. Zu fragen wäre im Rahmen dieser Auslegung demnach zunächst nach einem Dienstherrn. Ist dieser nicht vorhanden, haftete der Staat. Aber auch diese Interpretation des Wortlauts führt nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. „Staat“ meint sowohl den Bund als auch die Länder.171 Der Wortlaut lässt völlig offen, welcher Staat denn jeweils für den Amtswalter haftet, der in keinem öffentlich-rechtlichen Dauerdienstverhältnis steht. Auf ein wie auch immer geartetes „in Dienst stehen“ abzustellen, wäre inkonsequent, denn das Kriterium ist bei dieser Interpretation sozusagen schon verbraucht, wenn man bei der Auffangverantwortlichkeit ankommt. Für die Beantwortung dieser Frage wäre man daher auf ein Kriterium angewiesen, das sich aus der grammatikalischen Auslegung des Wortlauts des Art. 34 Satz 1 GG allein nicht ergibt. Das ist natürlich kein unüberwindliches Hindernis. Dennoch wird diese Auslegung (soweit ersichtlich) nirgends vertreten. Die Rechtsprechung und die Literatur gehen, so unterschiedlich die Frage der Passivlegitimation im Ergebnis beantwortet wird, bei der Wortlautinterpretation einen bequemeren Weg, der zugleich Anhaltspunkte für die weitere Auslegung bietet.
170
Öffentlich-rechtlich deshalb, weil Art. 34 Satz 1 GG mit Körperschaften nur solche des öffentlichen Rechts meint. Dass das Wort auch privatrechtliche Organisationen erfasst, wird nur von Einzelnen vertreten; siehe Teil 2, Fn. 36. 171 Art. 34 GG steht im Abschnitt „Bund und Länder“. Es ist zudem kaum denkbar, dass die Verfassung eines föderalistischen Staates unbedacht von „Staat“ spricht, wo nur der Bund gemeint ist.
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2. Zweiter Ansatz: Die Körperschaft, in deren Dienst der Amtswalter steht Allen zur Passivlegitimation nach Art. 34 Satz 1 GG vertretenen Ansichten liegen zwei Annahmen zugrunde. Erstens: Der Staat ist ein Unterfall des Oberbegriffs Körperschaft.172 Zweitens: Die Verantwortlichkeit trifft diejenige Körperschaft, in deren Dienst der Amtswalter steht.173 Unterschiede bestehen nur bei der Beantwortung der Frage, was „in Dienst stehen“ bedeuten soll. Wie oben gezeigt, enthält Art. 34 Satz 1 GG in grammatikalischer Hinsicht diese Aussage nicht. Anders ist es, wenn man sich ein Wort hinzudenkt: „. . . trifft die Verantwortlichkeit den Staat oder die sonstige Körperschaft, in deren Dienst er steht.“ Bei dieser Formulierung bezieht sich der zweite Halbsatz grammatikalisch korrekt auch auf den Staat als Unterfall von Körperschaften sowie auf sonstige Körperschaften. Für solch ein Verständnis des Art. 34 Satz 1 GG spricht, dass man anders als bei der zuerst dargestellten Auslegung ein einheitliches Zuordnungskriterium erhält. Für die Frage, ob der Bund, ein Land oder eine sonstige unterstaatliche Körperschaft haftet, ist jeweils entscheidend, ob der Amtswalter in dessen oder deren „Dienst steht“. Nach dieser Lesart gibt Art. 34 Satz 1 GG auch für die Zurechnung der Verantwortlichkeit zu einem Staat immerhin eine Richtung vor, bei der man im Rahmen der weiteren Auslegung ansetzen kann.174 3. Begriff des „in Dienst stehen“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG Das Kriterium „in Dienst stehen“ kann man unterschiedlich verstehen. Im Folgenden wird die Entwicklung zu der mittlerweile verfestigten Interpretation argumentativ dargestellt. 172 Diese Grundannahme könnte auch erklären, warum nach herrschender Meinung nur öffentlich-rechtliche Körperschaften von Art. 34 Satz 1 GG erfasst sind, siehe Teil 2, Fn. 36. 173 In der Kommentarliteratur erscheint schon in den Gliederungen als Oberbegriff statt z. B. „Passivlegitimation“ bei von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34, oder „Haftungsadressat“ bei Jarass in: Jarass/ Pieroth, GG 2007, Art. 34, fast durchweg nur „Die haftende Körperschaft“, siehe Kreft in: BGB-RGRK 1989, § 839; Vinke in: Soergel, BGB Bd. 12 2005; Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34; Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB Bd. 2 2008, § 839; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 2004, Art. 34. 174 Anders die oben dargestellte grammatikalische Auslegung, sofern dem Wortlaut nichts gedanklich hinzugefügt wird.
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167
a) Dienstverhältnis im Sinne des Beamten- und Dienstrechts? Wird die Betonung auf den Begriff „Dienst“ gelegt, könnte man versucht sein, lediglich nach einem dienstrechtlichen Verhältnis zwischen dem Amtswalter und der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu suchen. Haftende Körperschaft wäre die Anstellungskörperschaft.175 Wenn das Kriterium „im Dienst stehen“ jedoch für jede zu bestimmende Haftungskörperschaft gelten soll, kann es nicht allein ein Dienstverhältnis im dienstrechtlichen Sinne meinen.176 Möglicher Amtswalter im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG ist jeder „Jemand“, der in Ausübung öffentlicher Gewalt handelt. Das umfasst einen größeren Personenkreis als nur Beamte, Richter oder sonstige Personen in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen. Weder die Dienstherrenfähigkeit noch das Vorhandensein eines Dienstverhältnisses zum schädigenden Amtswalter kann danach alleiniger Anknüpfungspunkt für die Passivlegitimation einer Körperschaft sein.177 b) Bei Beamten das Dienstverhältnis, sonst bloße Aufgabenwahrnehmung? Für die Bestimmung der haftenden Körperschaft wäre die Anknüpfung an die Anstellungskörperschaft nur sinnvoll, wenn sie in Kombination mit einem weiteren Anknüpfungspunkt erfolgt, sofern ein Anstellungsverhältnis nicht vorliegt. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts war dementsprechend so interpretiert worden, dass bei Beamten immer die Dienstherrenkörperschaft haftete („Anstellungstheorie“), während zum Beispiel bei privatrechtlichen Angestellten zu fragen wäre, wessen Aufgaben, wessen Funktion sie erfüllten 175 Jellinek, Verwaltungsrecht 1950, 322, rechnet z. B. die Haftung für Amtspflichtverletzungen mit zu den für die Person des Beamten zu machenden Aufwendungen. Die Haftung gegenüber Dritten wird an die auch die sonstigen Kosten des Beamten tragende Körperschaft geknüpft: die Anstellungskörperschaft. Der BGH hat ihn somit in BGHZ 6, 215 (217) als Vertreter der Anstellungstheorie gesehen. 176 Jedenfalls nicht nach der Formalisierung des Beamtenrechts im Jahre 1933. Das Reichsgericht hat für Art. 131 WRV in RGZ 158, 95 (97–98) dargelegt, dass „in Dienst stehen“ sich tatsächlich auf ein Beamtenverhältnis bezog. Allerdings wurde ein solches Dienstverhältnis zur Zeit der Entstehung der Norm schon allein durch das Anvertrauen öffentlicher Gewalt begründet, sodass es damals dienstrechtlich keinen Unterschied zwischen formal bestellten Beamten und anderen Amtswaltern gab. Siehe auch S. 85–89. 177 So auch BGH NVwZ 1992, 298 (299). Erst recht bei Anwendung der ersten Auslegungsmöglichkeit des Art. 34 Satz 1 GG kann die Frage nach dem für Amtswalter ohne Dienstherrenkörperschaft haftenden Staat nicht mit dem Verweis auf eine Anstellungskörperschaft beantwortet werden, da diese ja gerade fehlt.
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(„Funktionstheorie“).178 Wie Schröer aber ausführlich dargestellt hat, hatte das Reichsgericht keine solch differenzierten Zuordnungsregeln verfolgt, sondern nach anderen, einheitlichen Kriterien entschieden, wer als Dienstherr im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG anzusehen sei.179 Der Bundesgerichtshof hat dies in späteren Urteilen noch deutlicher gemacht.180 In der Literatur wird – soweit ersichtlich – eine solche Differenzierung nicht vertreten. Zudem ist eine unterschiedliche Behandlung von Beamten und Nichtbeamten auf der Grundlage der herrschenden Auslegung des Wortlauts, die das Kriterium des „in Dienst“-Stehens sowohl auf „Staat“ als auch „Körperschaft“ bezieht, nicht vertretbar.181 Vor diesem Hintergrund wäre es widersprüchlich, bei der Bestimmung der haftenden Körperschaft zwischen verschiedenen Arten von Amtswaltern zu differenzieren. c) Aufgaben wahrnehmen, die der Körperschaft obliegen? Es könnte allerdings stattdessen argumentiert werden, dass jemand im Dienst dessen steht, dem man einen Dienst leistet, also dessen Aufgaben man erfüllt. Nach der damit unterschiedslos angewandten Funktionstheorie würde immer die Körperschaft haften, deren Aufgaben der Amtswalter wahrgenommen hatte, als er die Amtspflichtverletzung beging.182 Zu fragen wäre lediglich, ob die Aufgaben, in deren Wahrnehmung ein Schaden verursacht wurde, Aufgaben einer Gemeinde oder anderen Selbstverwaltungskörperschaft, des Landes oder des Bundes sind.183 178
So noch in BGHZ 6, 215 (216) erläutert. Schröer, JZ 1952, 129 (130–131). 180 Z. B. BGHZ 53, 217 (218). Die Rechtsprechung stellt heute ausdrücklich auf die anvertrauende Körperschaft ab, siehe ab S. 169. 181 So schon die Kritik von Heidenhain, NJW 1949, 841 (844). Für die auf S. 164–165 dargestellte Auslegungsmöglichkeit, die „den Staat“ als Auffangkörperschaft haften lässt, passt das Anknüpfungskriterium der erfüllten Funktion ebenfalls nicht: Denn welchem Staat sollen nichtstaatliche (z. B. gemeindliche) Aufgaben zuzuordnen sein? 182 Vgl. die Erläuterungen in Maurer, AllgVerwR 2006, § 26 Rn. 41; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1998, 112; Windthorst in: Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht 2000, § 11 Rn. 6. Scheffold wandte (vermutlich) die Funktionstheorie an, da er für die universitäre Ethikkommission pauschal den Träger des Universitätskrankenhauses in der Haftung nach Art. 34 GG sieht; siehe Scheffold, Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von institutional review boards und von Ethik-Kommissionen 1992, 109/136. 183 Heidenhain, NJW 1949, 841 (844/845), und noch expliziter W. Kayser, NJW 1951, 95 (96), traten dafür ein, dass diese Aufgaben nicht als „Hoheitsrechte“, son179
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Die Abgrenzung der Aufgabenbereiche wurde jedoch schon früh als schwierig und uneindeutig bewertet.184 Die Anwendung der Funktionstheorie wird von der Rechtsprechung daher seit Langem ausdrücklich abgelehnt.185 Auch in der aktuellen Literatur wird sie so nicht mehr vertreten. d) Ein Amt anvertraut bekommen Durchgesetzt hat sich eine Interpretation, die ein weiteres Tatbestandsmerkmal des Art. 34 Satz 1 GG mit einbezieht. Mit Verweis auf die Formulierung „Ausübung der ihm anvertrauten Gewalt“ wird angenommen, man stehe im Dienst derjenigen Körperschaft, die einem das Amt, in dem man die Amtspflichtverletzung beging, anvertraut hat. Damit ist die Ermächtigung zur Ausübung öffentlicher Gewalt gemeint.186 Die Auslegung, nach der die das Amt anvertrauende Körperschaft passivlegitimiert ist, hat in der praktischen Anwendung den Vorteil, dass zunächst an vorhandene und einfach zu ermittelnde187 dienstrechtliche oder dienstrechtsähnliche Verhältnisse angeknüpft werden kann. So fragt der Bundesgerichtshof zur Ermittlung der anvertrauenden Körperschaft zunächst, ob ein Anstellungsverhältnis in irgendeiner Form besteht. Denn im Allgemeinen ermöglicht der Dienstherr dem Amtswalter durch die Einsetzung in das Amt die Ausübung seiner Tätigkeit und vertraut ihm dieses somit an.188 Die Ausübung öffentlicher Gewalt wird aber nicht nur durch Anstellung, sondern auch durch Bestellung in ein Amt oder die Ermächtigung zur jeweiligen Amtstätigkeit möglich gemacht.189 Auch das Treffen einer Auswahl, die dern als „Zuständigkeiten“ zu begreifen seien. Haften würde danach der Träger der Behörde, deren Zuständigkeit der Amtswalter ausgeübt hatte – unabhängig davon, ob es sich um die zugewiesene Ausübung staatlicher Hoheitsrechte oder originäre Selbstverwaltungsaufgaben handelt. 184 BGHZ 2, 350 (352, 354) und BGHZ 6, 215 (219). 185 BGHZ 53, 217 (218). 186 BGHZ 53, 212 (218): Ausgehend von dem Wortlaut des Art. 34 GG haftet danach die Körperschaft, „die dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgaben, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, übertragen hat.“ 187 Papier sieht den Vorzug im Abstellen auf die Anstellungskörperschaft gerade darin, dass dem Bürger ein eindeutiges Kriterium zur Feststellung des Schuldners an die Hand gegeben wird, Papier in: Ulmer, MüKo Bd. 5 2004, § 839 Rn. 361. 188 BGHZ 99, 326 (330): „Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die diesen Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet hat.“ 189 BGH NVwZ 1982, 395 (396): Der Gutachterausschuss nach BauGB wird bei der Gemeinde gebildet, die Mitglieder aber von der höheren Verwaltungsbehörde
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dann zwingend zu einer Bestellung durch eine andere Körperschaft führt, „ermöglicht“ die Amtstätigkeit.190 Bei mehreren Anstellungskörperschaften191 oder sofern keine Anstellungskörperschaft vorhanden ist192, kommt demnach die das konkrete Amt anvertrauende Körperschaft zum Zuge.193 Fraglich bleibt, warum es dann eigentlich in Art. 34 Satz 1 nicht heißt „. . ., trifft die Verantwortlichkeit diejenige Körperschaft, die ihm sein Amt anvertraut hat.“ Dies könnte darauf hinweisen, dass gerade zwischen „ein Amt anvertraut bekommen“ und „in Dienst stehen“ unterschieden werden muss. Die bestehende Formulierung kann aber auch einfach als sprachlich schönerer Ausdruck für ein und denselben Begriff verstanden werden, welcher ohne Tautologien auskommt. Für die so genannte Anvertrauenstheorie des Bundesgerichtshofs spricht zudem folgende Erwägung: Auch nach den bisher dargestellten anderslautenden Interpretationen des „in Dienst stehen“ stimmt im Normalfall, nämlich dann, wenn ein Beamter handelt, die das Amt anvertrauende Körperschaft mit dem jeweils ermittelten Dienstherrn überein.194 In der Regel kommen also alle Auslegungen zu demselben Erdes Landes bestellt – dem Land wird die Haftung zugerechnet; BGH NVwZ 1992, 298 (299): Die Mitglieder des „Beurteilungsausschusses“ der Architektenkammer Baden-Württemberg werden von dem Landesausschuss der Kammer bestellt. Die Kammer haftet danach für Amtspflichtverletzungen der Mitglieder des Beurteilungsausschusses. 190 BGH VersR 1963, 748: Der Vorsitzende des Landesschiedsamts war Richter im Dienst des Landes und vom Landesminister in dieses Nebenamt bestellt. Der Minister handelte nach Auffassung des Gerichts jedoch aufgrund einer Vereinbarung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der zuständigen Ortskrankenkasse, der Betriebskrankenkasse und der Innungskrankenkasse, den Richter als unabhängige Person mit den Aufgaben des Vorsitzenden zu betrauen. Diese vier Körperschaften hatten damit für sein Amtsversehen einzustehen (752). 191 Z. B. wenn der Beamte zugleich Bundes- und Landesbeamte ist; wie es etwa beim Oberfinanzpräsident gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 FVG (Finanzverwaltungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 2006, BGBl. I S. 846, 1202) bis zur Änderung durch Gesetz vom 13. Dezember 2007, BGBl. I S. 2897, der Fall war. 192 Also bei Personen, die in keinerlei Dienstverhältnis zum Staat stehen. BGH, NVwZ 1992, 298 (298): „. . . Dabei ist jedoch anerkannt, dass die Anknüpfung an die Anstellung dann versagt, wenn kein Dienstherr vorhanden ist.“ 193 BGHZ 99, 326 (330): „Lediglich dann, wenn kein Dienstherr oder mehrere Dienstherrn vorhanden sind, ist darauf abzustellen, wer dem Amtsträger die Aufgaben, bei deren Erfüllung er gefehlt hat, anvertraut hat.“ Mit „Dienstherr“ war offensichtlich eine Anstellungskörperschaft gemeint, sonst hätte sich das Gericht in Widerspruch zu seiner ersten Aussage, s. Fn. 188, gesetzt. Siehe auch BGHZ 87, 204 (205). 194 Die Wahrnehmung öffentlicher Gewalt, also sein Amt, wird dem Beamten durch die Verbeamtung anvertraut – und zwar von seinem Dienstherrn, zu dem er in einem Dienstverhältnis steht. Zugleich erfüllen Landesbeamte in der Regel Landesaufgaben, Bundesbeamte Bundesaufgaben und Gemeindebeamte gemeindliche Aufgaben.
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gebnis. Bei den ungewöhnlichen Fällen, in denen weder ein Beamter noch ein öffentlicher Angestellter den Schaden verursacht, zeigt sich der Vorteil der Anvertrauenstheorie. Die Anstellungstheorie hülfe hier ohnehin nicht weiter. Die Funktionstheorie, die auf den erfüllten Aufgabenbereich abstellt, könnte dann zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn der Aufgabenträger keinerlei Einfluss auf den Amtswalter hat, weder durch Aufsichtsbefugnisse noch durch die Auswahl der Person.195 Er müsste dann Haftungsrisiken auf sich nehmen, deren Entstehung er noch nicht einmal im weitesten Sinne beherrscht. In einem solchen Fall hat eher diejenige Körperschaft einen gewissen Einfluss, die dem Amtswalter sein Amt anvertraut. Es erscheint daher sachgerechter, mit der Anvertrauenstheorie auch diese haften zu lassen. e) Anwendung auf die Mitglieder der Ethikkommissionen Aufgrund der Aussage des Bundesgerichtshofs, dass in der Regel die Anstellungskörperschaft hafte, geht Literatur teilweise davon aus, die Rechtsprechung vertrete die „Anstellungstheorie“.196 Wäre dies der Fall, müsste bei Schädigungen durch eine Ethikkommission für verbeamtete oder beim Staat angestellte Mitglieder immer deren Dienstherr haften. Dementsprechend gelangen einige sich bisher mit der Staatshaftung für Ethikkommissionen beschäftigende Autoren zu der Aussage, für die Hochschullehrer an universitären Ethikkommissionen hafte das Land bzw. in Berlin die Universität.197 Der Bundesgerichtshof hat jedoch, wie schon dargestellt, der Anstellungstheorie eine Absage erteilt.198 Auch wenn das Gericht in einem späteren Urteil ausgeführt hat, es hafte „im Regelfall die Körperschaft, die diesen 195
Dies ist bei einem weisungsfreien Gremium wie der Ethikkommission dann der Fall, wenn über die Besetzung der Ethikkommission eine andere Körperschaft entscheidet als diejenige, der die Aufgabe obliegt, eine Ethikkommission zu errichten. So z. B. die Ethikkommisson der Ärztekammer Berlin, deren Mitglieder von der Senatsverwaltung bestellt werden. 196 Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 289, sieht keinen großen Unterschied zur Anstellungstheorie: „in der Sache . . . keine wesentlichen Neuerungen gebracht. Es bleibt dabei, dass im Regelfall diejenige Körperschaft haftpflichtig ist, die den Amtsträger angestellt hat, . . .“ 197 Diese Folge entnimmt Pestalozza in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 165, dem Urteil in BGHZ 99, 326 (330/332), siehe Fn. 188; sich anschließend Deutsch, MedR 2006, 411 (415). Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (147), geht allerdings nicht nur davon aus, dass für Hochschullehrer ihr jeweiliger Dienstherr hafte, sondern für Mitglieder der Ärztekammer die Kammer. Dabei stehen diese natürlich in keinem Anstellungsverhältnis. 198 BGHZ 53, 217 (218).
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Amtsträger angestellt hat“199, macht die Formulierung deutlich, dass es auch Abweichungen von der Regel geben muss. Als Dienstherr im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG sieht die Rechtsprechung die anvertrauende Körperschaft an und hat verschiedene Faustregeln entwickelt, um diese zu bestimmen. aa) Erste Faustregel: Anstellungskörperschaft Das Abstellen auf die anstellende Körperschaft ist nur eine Faustregel, die sich daraus ergibt, dass die Anstellung und das Übertragen öffentlicher Gewalt in einem Aufgabenbereich meist Hand in Hand gehen. Denn der Bundesgerichtshof stellt entscheidend darauf ab, dass der Dienstherr es dem Amtswalter mit der Anstellung ermöglicht hat, die Aufgaben auszuüben, bei denen er die Amtspflicht verletzte.200 Danach kann die Anstellungskörperschaft dann nicht als haftende Körperschaft in Frage kommen, wenn sie die Amtsausübung nicht ermöglicht.201 Betrachtet man die Mitglieder der Ethikkommissionen, ergibt sich daraus Folgendes: Die Verbeamtung oder sonstige Anstellung bei Bund, Land, Gemeinde, Universität oder sonstiger Körperschaft hat grundsätzlich nichts damit zu tun, ob jemand die Funktion eines Ethikkommissionsmitglieds ausüben kann. Das juristische Mitglied zum Beispiel kann Hochschulprofessor, Staatsanwalt oder Richter sein. In diesen Fällen ermöglicht nicht die Aufnahme in den Staatsdienst die Ausübung der Aufgaben in der Ethikkommission, sondern die Auswahl für und die Bestellung in die Ethikkommission 199
BGHZ 99, 326 (330). BGHZ 99, 326 (330): „Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die diesen Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet hat.“; BGHZ 87, 202 (205) stellt z. B. für die Haftung für Beamten in „unechter Doppelstellung“ auf die Möglichkeitseröffnung durch die Anstellung ab. „Aufgrund dieses Dienstverhältnisses können sie zwar in beiden Verwaltungen, nämlich der kommunalen und der staatlichen, eingesetzt werden. Diese doppelte Möglichkeit hat aber ihre Grundlage und Rechtfertigung allein in der ursprünglichen Anstellung, ohne dass es einer zusätzlichen Einstellung oder Abordnung bedarf.“ Nach von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG Bd. 2 2005, Art. 34 Rn 121, liegt gerade in dieser Betonung der dem Amtsträger eröffneten Möglichkeit zur Amtsausübung die Fortentwicklung der Anstellungstheorie zur Anvertrauenstheorie. 201 Z. B. wenn es sich um ein vom Hauptamt unabhängiges Nebenamt handelt: BGH NJW 1961, 969 (970) für bei einem Stadtkrankenhaus angestellte Ärzte, die vom Versorgungsamt mit einer Untersuchung beauftragt wurden; BGH, VersR 1966, 1049 (1050) für einen Amtsbaumeister einer Gemeinde, der persönlich vom Land zum Ortsbeauftragten für den Wiederaufbau bestellt wurde; OLG Celle, NJW 1958, 264 (264) für den Amtsarzt beim Staatlichen Gesundheitsamt, der von der Landesversicherungsanstalt mit einem Gutachten beauftragt war. 200
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selbst. Auch in Fällen, in denen die Satzung der Ethikkommission vorsieht, dass alle oder ein Teil der Kommissionsmitglieder zum Beispiel Hochschulangehörige sein müssen202, hat die Anstellung an der Hochschule oder die Verbeamtung als Hochschullehrer nicht direkt zur Folge, dass die Person eine Funktion in der Ethikkommission ausüben darf. Es bedarf wiederum der gesonderten Auswahl und Bestellung in das Amt.203 Für Mitglieder von Ethikkommissionen lässt sich also keine „das Amt ermöglichende“ Anstellungskörperschaft finden. Entweder weil sie überhaupt nicht in einem Dienstverhältnis zum Staat stehen oder weil der betreffende Dienstherr eben nicht schon mit der Anstellung die Amtsausübung in der Ethikkommission ermöglicht. bb) Zweite Faustregel: Bestellung ins Amt Gibt es demnach keine Anstellungskörperschaft, ist die anvertrauende Körperschaft nach der zweiten Faustregel des Bundesgerichtshofs zu bestimmen: Diejenige Körperschaft vertraut dem Amtswalter die Ausübung öffentlicher Gewalt an, die ihn in das konkret ausgeübte Amt bestellt.204 202 Z. B. bei: Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg, § 4 Abs. 1 S. 2 EKSatzung; Ethikkommission der Universität Göttingen (Niedersachsen), § 3 Abs. 1 S. 1 EK-Satzung; Ethikkommission der Universität Halle-Wittenberg (Sachsen-Anhalt), § 3 Abs. 2 EK-Satzung; Ethikkommission der Universität Magdeburg (Sachsen-Anhalt), § 1 Abs. 2 EK-Satzung. In der Ethikkommission der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sind nach § 2 Nr. 2 und 3 der Satzung der Ethikkommission der Dekan und die Frauenbeauftragte automatisch Mitglieder. 203 A. A. Kreß, Die Ethik-Kommissionen im System der Haftung 1990, 164, der darauf abstellt, dass die Teilnahme an forschungsüberwachenden Auschüssen zum wesentlichen Arbeitsbereich eines Hochschulmitglieds im Fachbereich Medizin gehöre und somit eine dienstliche Tätigkeit darstelle, dagegen der Dienstherr eines Richters als juristischem Mitglied der Ethikkommission nicht belangt werden könne. Auch wenn Kreß somit nicht jede Anstellungskörperschaft als Dienstherrn im Sinne des Art. 34 GG ansieht, hat seine weite Auslegung von „Anvertrauen“ eines Amtes dennoch hier keine Berücksichtigung gefunden. 204 Dabei ist es auch unerheblich, ob das Gremium, in dem der Amtswalter tätig werden soll, eventuell bei einem anderen Verband als der bestellenden Körperschaft angesiedelt ist, BGH NVwZ 1982, 395 (396). Anders vorher BayObLGZ 1952, 59 (66): „[Die Anstellung] ist jedenfalls nicht der entscheidende Gesichtspunkt für die gesetzliche Regelung der Haftung von Körperschaften für Fehler ihrer Beamten und Angestellten. Der leitende Gedanke war vielmehr der, der Körperschaft die Verantwortung aufzuerlegen, deren Organe [Hervorhebung nur hier] durch ihre Fehler den Schaden verursacht hätten“ zu Art. 97 Satz 1 BayVerf und sich ihm anschließend BayVerfGHE, VGH n. F. 12 (1959), II 91 (116 unten) „Schon Art. 131 WRV beruhte auf dem Leitgedanken, daß für Pflichtverletzungen eines Beamten die Körperschaft einzustehen hat, die sich seiner zur unmittelbaren Erfüllung ihrer Aufgaben bedient und der die Ergebnisse seiner Tätigkeit zugute kommen.“ Der BayVerfGH
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Es ist möglich, die bestellende Körperschaft für die Mitglieder der Ethikkommissionen eindeutig zuzuordnen: Die Satzungen und die wenigen die Mitgliederbestellung regelnden Gesetze sprechen zwar nicht immer von Bestellung, sondern wahlweise von „bestellen“205, „berufen“,206 „ernennen“207, „wählen“208 oder benutzen andere Termini.209 Damit ist aber immer derselbe Vorgang gemeint. Die den Amtswalter in sein Amt bestellende Körperschaft kann bei Ethikkommissionen also in jedem Fall ermittelt werden. cc) Grundregel: Anvertrauende Körperschaft ist diejenige, die entscheidet Die Anknüpfung allein an den Akt der Bestellung für die Bestimmung der anvertrauenden Körperschaft wirkt aber dann unbefriedigend, wenn bei der Auswahl des Amtswalters zur Bestellung und damit bei der Ermöglichung seiner Amtsausübung mehrere Körperschaften beteiligt sind. Überwiegend werden zwar die Mitglieder einer Ethikkommission von Organen ihrer jeweiligen Trägerkörperschaft ausgewählt und bestellt. In Bayern, Hamburg und Thüringen müssen die Ärztekammern oder Hochschulen jedoch für die Bestellung der Mitglieder ihrer Ethikkommission zunächst das Einvernehmen oder das Benehmen einer Landesbehörde einholen.210 hatte im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften über die Rechtsstellung des Landrats die dem Art. 34 Satz 1 GG ähnliche Formulierung des Art. 97 Satz 1 der Bayerischen Verfassung auszulegen, die wie folgt lautet: „Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt schuldhaft die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so haftet für die Folgen der Staat oder diejenige öffentliche Körperschaft, in deren Diensten der Beamte steht“. 205 Dieser Ausdruck wird weit überwiegend in den Satzungen verwendet; z. B. in Baden-Württemberg: Ethikkommission der Universität Ulm, § 3 Abs. 2 S. 2 EKSatzung; Mecklenburg-Vorpommern: Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, § 2 Abs. 1 S. 1 EK-Satzung. Welche Termini für welche Ethikkommission verwendet werden, wird auf S. 178–218 ausführlich dargestellt. 206 Z. B. Berlin: Ethikkommission des Landes Berlin, § 2 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Errichtung der Ethikkommission; Hamburg: Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg, § 9 Abs. 9 S. 3 HmbKGH. 207 Z. B. Bayern: Ethikkommission der Ärztekammer Bayern, § 2 Abs. 3 EK-Satzung; Nordrhein-Westfalen: Ethikkommission der Universität Düsseldorf, § 2 Abs. 2 S. 1 EK-Satzung. 208 Z. B. Sachsen-Anhalt: Ethikkommission der Universität Halle-Wittenberg, § 3 Abs. 2 EK-Satzung; Schleswig-Holstein: Ethikkommission der Universität Kiel, § 3 Abs. 4 S. 2 EK-Satzung; Ethikkommission der Universität Lübeck, § 4 Abs. 1 S. 1 EK-Satzung. 209 Wie z. B.: „bestimmen“ (Nordrhein-Westfalen: Ethikkommission der Universität Bochum, § 2 Abs. 1 EK-Satzung) oder „bestätigen“ (Nordrhein-Westfalen: Ethikkommission der Universität Aachen, § 2 Abs. 2 S. 1 EK-Satzung).
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Umgekehrt schlagen in Berlin die Ärztekammer und die Medizinische Fakultät der Charité die Mitglieder der bei ihnen jeweils angesiedelten Ethikkommission vor, welche dann nach Herstellen des Einvernehmens von der Landesbehörde bestellt werden.211 In Mecklenburg-Vorpommern und bei der Ethikkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Universität Münster wirken Ärztekammern und Universitäten in wieder anderer Art und Weise bei der Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission zusammen.212 Es stellt sich die Frage, ob auch in diesen Fällen der Akt der Bestellung allein als Ermöglichung der Amtsausübung angesehen werden kann, so dass nur die bestellende Körperschaft haftet, obwohl sie die Auswahl nicht allein durchgeführt hat. Zu zwei Konstellationen der Beteiligung mehrerer Körperschaften an der Ermöglichung der Amtsausübung hat die Rechtsprechung schon entschieden: Erstens, die bestellende Körperschaft handelt auf Vorschlag einer anderen Körperschaft, prüft den Kandidaten aber selbst und entscheidet letztlich allein über die Bestellung. Sie initiiert die Bestellung nicht, hat aber das letzte Wort über die Auswahl des Amtsträgers. Darüber hinaus handelt es sich bei der Amtsausübung um ihren eigenen Aufgabenbereich. Der Bundesgerichtshof sieht hier allein die bestellende Körperschaft als anvertrauende Körperschaft an.213 In der zweiten Konstellation bestellt eine Körperschaft den Amtsträger auf verbindlichen Vorschlag anderer Körperschaften ohne eigene Mitsprache bei der Kandidatenauswahl. Das betreffende Amt liegt im Aufgabenbereich der vorschlagenden Körperschaften. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall die vorschlagenden Körperschaften als anvertrauende Körperschaften und die Bestellung als unerheblich angesehen.214 210
Siehe S. 183–187, S. 192–193 und S. 217–218. Siehe S. 187–189. 212 Siehe S. 196–200 und S. 201–206 (S. 203). 213 BGHZ 53, 217 (221): Schiedsmänner in Braunschweig werden von der Gemeindevertretung gewählt, die Kosten trägt die Gemeinde. Die Wahl ist allerdings vom Präsidium des Landgerichts zu bestätigen, welches selbst die Eignung der Gewählten prüft und nicht zur Bestätigung verpflichtet ist. Dass nach der Bestätigung die Schiedsmänner zu Ehrenbeamten der Gemeinde ernannt werden, war unbeachtlich. Der Schiedsmann erfülle staatliche Aufgaben und werde vom Staat und nicht der Gemeinde mit diesem Dienst betraut. Weniger ausführlich auch schon BGHZ 36, 193 (196) für einen Schiedsmann in Nordrhein-Westfalen. 214 BGH VersR 1963, 748: Der Vorsitzende des Landesschiedsamts war Richter im Dienst des Landes und vom Landesminister in dieses Nebenamt bestellt. Der Minister handelte nach Auffassung des Gerichts „nicht in seiner Eigenschaft als Vertreter des Landes, sondern als unparteiischer Beauftragter“ aufgrund einer Vereinbarung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der zuständigen Ortskrankenkasse, der Betriebskrankenkasse und der Innungskrankenkasse, den Richter als 211
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In der Begründung wurden in beiden Fällen sowohl das Ausmaß der Entscheidungsmacht als auch die Zuordnung des Amtes zum jeweiligen Aufgabenbereich der als haftend angesehenen Körperschaft herangezogen. Somit bleibt offen, wie in Fällen entschieden werden würde, in denen die Aufgabenverteilung andersherum liegt. Den bisher entschiedenen Fällen ist nicht eindeutig zu entnehmen, welche Bedeutung der Bundesgerichtshof der Zuordnung des Amtes zu einem bestimmten Aufgabenbereich zuweist.215 Dass der Aufgabenbereich überhaupt in die Erwägungen einbezogen wird, könnte auf die Auffassung zurückgehen, dem Amtswalter könnten nur eigene Aufgaben anvertraut werden.216 Allerdings würde das Gericht sich, stellte es darauf entscheidend ab, in Widerspruch zu seiner eigenen (neueren) Rechtsprechung setzen. Für Kreisangestellte, deren Dienstbereich es vorsieht, sowohl Kreisaufgaben als auch (nicht übertragene) staatliche Aufgaben ohne besondere Abordnung zu erfüllen, wird der Kreis als mit der Anstellung anvertrauende Körperschaft angesehen – auch was die Ausführung staatlicher Aufgaben betrifft.217 Letztlich entspräche ein so formulierter Grundsatz, „nur eigene Aufgaben lassen sich anvertrauen“, der Funktionstheorie. Von dieser hat sich der Bundesgerichtshof jedoch eindeutig abgewandt.218 Auf die erfüllten Aufgaben, seien es eigene oder nicht, komme es ausdrücklich nicht an. Der Bundesgerichtshof sah zudem in einer anderen Konstellation ausdrücklich das Ausmaß der Entscheidungsmacht über die Kandidatenauswahl, nicht aber die Zuordnung des Amtes zu einem Aufgabenbereich als entscheidend an.219 unabhängige Person mit den Aufgaben des Vorsitzenden zu betrauen. Diese vier Körperschaften hatten damit für sein Amtsversehen einzustehen (752). So ähnlich auch BGH NJW-RR 1991, 475. 215 Auch BGHZ 34, 20 (23) grenzt nicht zwischen den Aufgabenbereichen verschiedener staatlicher Verwaltungsträger ab, sondern unterscheidet die staatliche Aufgabe von kirchlichem Amt (Letzteres wird nur hinsichtlich Inhalt und Lehre des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen ausgeübt, nicht aber hinsichtlich der Handhabung der Schulordnung und Schulzucht). 216 Siehe BayVerfGHE, VGH n. F. 12 (1959), II 91 (116): „Der Anstellungstheorie liegt die in der Regel zutreffende Erwägung zu Grunde, daß eine Körperschaft Beamte im allgemeinen nur für ihre [Hervorhebung nur hier] Aufgaben berufen wird“ zu dem Art. 34 Satz 1 GG im Wortlaut ähnlichen Art. 97 Satz 1 BayVerf., abgedruckt oben Fn. 204. 217 BGH NJW 1984, 228 (228). 218 BGHZ 53, 217 (218). Damit ist die Entscheidung BGHZ 6, 215 (223) überholt, in der das Gericht allein auf den Aufgabenbereich des Beamten abgestellt hat (Kreisaufgaben), obwohl der Kreis bei der Bestellung des Beamten auf Weisung des Landes handelte, also keine eigene Entscheidungsmacht besaß. 219 BGH NVwZ 1992, 298 (299) stellte entscheidend auf die Einflussnahmemöglichkeit der haftenden Körperschaft ab: „. . ., daß hier für eine Haftung des Landes kein Raum ist, weil das Land keine rechtliche Möglichkeit der Einflußnahme auf
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Dies stellt sich letztlich als konsequente Fortführung der Anvertrauenstheorie dar: Es eröffnet diejenige Körperschaft dem Amtswalter die Möglichkeit der Amtsausübung, die für seine Einsetzung ins Amt die verbindliche Ursache setzt. Zudem ist an dieser Sichtweise vorteilhaft, dass nur diejenige Körperschaft ein Haftungsrisiko auf sich nehmen muss, die auf dessen Entstehung Einfluss hat. Bei einem ansonsten weisungsfreien Gremium ist der einzige Moment, bei dem Risikokontrolle stattfinden kann, derjenige, in dem entschieden wird, welcher Person die Schädigungsmacht verliehen, also das Amt übertragen wird. Die die Bestellung maßgeblich beeinflussende Körperschaft hat die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu minimieren, indem zuverlässige, sorgfältige und kompetente Personen mit dem Amt betraut werden. Zumindest bei Ämtern, die weisungsfrei ausgeübt werden, wie das Amt des Schiedsmanns, des Schöffen oder des Mitglieds einer Ethikkommission, ist keine weitere Einflussnahme auf die Amtsausübung und damit die Art der Aufgabenwahrnehmung möglich. Nur die rechtlich verbindliche Entscheidungsmacht darüber, welche Person welches Amt ausüben darf, sollte der eigentliche Grund für die Haftung sein. Die hier untersuchten Aussagen der Rechtsprechung lassen sich damit auf die Grundregel verdichten, dass die über die Auswahl des Amtswalters entscheidende Körperschaft die Verantwortlichkeit im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG tragen soll. Das Abstellen auf den Bestellungsakt stellt sich dabei als eine Faustregel dar, die die Suche nach der Körperschaft, welche dem Amtsträger die Amtsausübung ermöglicht hat, erleichtert, da in der Regel die Bestellung auch von der entscheidenden Körperschaft vorgenommen wird. Es besteht auch kein Bedürfnis, aus Gründen der Rechtsklarheit am formellen Akt der Bestellung als Anknüpfungspunkt für die Haftung festzuhalten. Zum einen hat die Rechtsprechung dies schon anders gesehen, indem sie im oben erwähnten ersten Urteil220 weder auf die Wahl des Schiedsmanns noch auf die Ernennung zum Ehrenbeamten der Gemeinde, sondern die Bestätigung der Wahl durch das Landgericht abstellte. Zum anderen sind die Wege der Mitwirkung bei der Bestellung mitunter zwar kompliziert, aber dafür im jeweiligen Normapparat geregelt, sodass der Geschädigte sich jederzeit Klarheit zu verschaffen vermag. Ist einer Körperschaft ein Einfluss auf die Bestellungsentscheidung einer anderen vorbehalten, ist auch nicht einzusehen, warum nicht auch sie, sondern die bestellende Körperschaft aldie Berufung des Eintragungsausschusses hatte“; siehe dagegen aber BayVerGHE 12 (1959), II, 91 (104): „Wenn der Staat auch, . . ., bei der Bestellung des Landrats nicht mitwirkt, so kommt ihm doch gegenüber seiner Tätigkeit, seinem dienstlichen und außerdienstlichem Verhalten ausreichender Einfluss zu.“ 220 Siehe Fn. 213.
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lein das Risiko für die Handlungen des Amtswalters zu tragen hat. Schließlich spricht auch der Zweck des Art. 34 Satz 1 GG, eine eindeutige Haftungszuordnung zu regeln, nicht gegen die Annahme mehrerer gleichermaßen haftender Körperschaften. Denn für den Geschädigten ergibt sich daraus kein Nachteil. Die Frage nach der in Anspruch zu nehmenden Körperschaft lässt sich nach den Regeln der Gesamtschuldnerschaft lösen: Der Geschädigte hat die Wahl, an welchem Schuldner er sich vollständig schadlos hält. Die Schuldner untereinander führen später einen Innenausgleich durch. 4. Zusammenfassung Festzuhalten ist, dass die Rechtsprechung und die ihr folgende Literatur als haftpflichtige Körperschaft gemäß Art. 34 Satz 1 GG diejenige Körperschaft ansehen, die dem Amtsträger seine Aufgabe anvertraut. Den schon entschiedenen Fällen lassen sich Faustregeln zur schnellen und eindeutigen Bestimmung der anvertrauenden Körperschaft ableiten: Ist eine Anstellungskörperschaft des Amtswalters vorhanden, ist zu fragen, ob diese ihm die Amtsausübung tatsächlich ermöglicht hat. Steht sie mit der tatsächlichen, konkret zum Schaden führenden Ausübung öffentlicher Gewalt nicht im Zusammenhang, kann sie nicht als anvertrauende und haftende Körperschaft angesehen werden. Dann ist auf die Bestellung in das konkrete Amt abzustellen. Dabei muss überprüft werden, inwiefern die bestellende Körperschaft über die Auswahl des Amtswalters entscheidet. Entscheidet sie dies nicht oder nicht allein, findet die Grundregel der Anvertrauenstheorie Anwendung. Im Kern bedeutet Anvertrauen das rechtsverbindliche Ermöglichen der Amtsausübung: Der Amtswalter steht im Dienst derjenigen Körperschaft, die ihm das Amt anvertraut hat, in dessen Ausübung er fehlerhaft handelte, also im Dienst derjenigen, die darüber entschieden hat, ihm Schädigungsmacht zu verleihen. Existieren zwei oder mehr gleichermaßen in dieser Weise verantwortliche Körperschaften, haften sie gesamtschuldnerisch.
II. Die für die Ethikkommissionen haftenden Körperschaften Die herausgearbeiteten Regeln zur Bestimmung der haftenden Körperschaft werden im Folgenden für jede Ethikkommission, nach Bundesländern geordnet, angewandt. Auf etwaige Anstellungskörperschaften der Mitglieder der Ethikkommissionen wird, wie schon auf S. 172 dargestellt, dabei nicht eingegangen, da sie die Ausübung dieses freiwilligen Ehrenamts in keinem Fall ermöglichen. So wird in den meisten Fällen für die Bestimmung der Haftung zunächst entscheidend sein, welche Körperschaft den Bestellungs-
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akt221 vornimmt. Wo in einzelnen Fällen mehrere Körperschaften beteiligt sind, muss das Geflecht der Einflussnahme auf die Amtsausübung der Mitglieder näher untersucht werden. In diesem Rahmen kann dann nachfolgend auf etwaige landesgesetzliche Regelungen eingegangen werden, welche die nach Art. 34 Satz 1 GG vorgegebene Haftungsverantwortlichkeit abändern. 1. Baden-Württemberg In Baden-Württemberg sind sechs Ethikkommissionen tätig: Zum einen die aus neun Mitgliedern bestehende „Ethikkommission bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg“.222 Zum anderen die neunköpfige „EthikKommission der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg“223, die mit sechs Mitgliedern besetzte „Ethikkommission der Universität Ulm“,224 die zwei Ethikkommissionen der Universität Heidelberg mit je sechs bis zwölf Mitgliedern225 und die neun- bis zehnköpfige Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.226 221 Die jeweiligen verwendeten Bezeichnungen für den Vorgang „ins Amt bestellen“ werden zunächst möglichst exakt wiedergegeben. Der Terminus „bestellen“ wird dabei als Oberbegriff verwendet. 222 Statut einer Ethikkommission bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg, vom 2. August 1995, Ärzteblatt B-W 1995, 392; Statut neugefasst durch Satzung vom 16. August 2006, Ärzteblatt BW 9/2006, 429. Im Internet abrufbar unter http://www.aerztekammer-bw.de/20/ethik/index.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 223 Verfahrensordnung der Ethik-Kommission der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg vom 19. Juli 1995, Amtl. Bekanntm. Jg 26, Nr. 26, 118; zuletzt geändert durch Satzung vom 19. September 2007, Amtl. Bekanntm. Jg 38, Nr. 56, 228. Im Internet abrufbar unter http://www.uniklinik-freiburg.de/ethik-kommission/live/ satzung.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 224 Statut der Ethikkommission der Universität Ulm vom 16. Februar 1995, Amtl. Bekanntm. 1995, 5; neugefasst durch Satzung vom 20. Juli 2006, Amtl. Bekanntmachung 2006, 210. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-ulm.de/ethikkom mission/formulare.php; letzter Zugriff am 30. September 2008. 225 Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Heidelberg (Ethikkommission I der Universität) und der Ethikkommission der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim (Ethikkommission II der Universität) in der Fassung vom 23. Juni 2004. Im Internet abrufbar unter http://www.medizinische-fakultaet-hd.uniheidelberg.de/Satzung.106048.0.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 226 Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum der Eberhard-Karls-Universität Tübingen vom 26. Juli 2007, Amtl. Bekanntm. 2007, Nr. 12, 305. Im Internet abrufbar unter http://www.medizin.unituebingen.de/pages/med_fakultaet/ethik_kommis/page/index.html; letzter Zugriff am 30. September 2008.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
a) Die grundsätzlich haftenden Körperschaften Das Heilberufe-Kammergesetz227 von Baden-Württemberg gibt in § 5 Abs. 2 Nr. 3 den Satzungsgebern Ärztekammer und Universitäten auf, das Verfahren der Berufung der Mitglieder zu regeln. Die Mitglieder der „Ethikkommission bei der Landesärztekammer BadenWürttemberg“ werden durch die Vertreterversammlung der Landesärztekammer auf Vorschlag der Vorstände eben dieser und der Landeszahnärztekammer „bestellt“.228 Da diese Bestellung durch ein Organ der Landesärztekammer229 erfolgt, ist die Landesärztekammer die anvertrauende Körperschaft. Die Mitglieder der „Ethik-Kommission der Albert-Ludwigs-Universität“ Freiburg werden vom Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät „ernannt“230. Die Mitglieder der „Ethikkommission der Universität Ulm werden vom Rektorat der Universität „bestellt“.231 Die Mitglieder der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Heidelberg und der Ethikkommission an der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim werden auf Vorschlag des jeweiligen Fakultätsrats vom Senat der Universität Heidelberg bestellt.232 Damit berufen jeweils Organe der Universitäten die Mitglieder der Ethikkommissionen in ihr Amt. Die Universitäten sind somit die gemäß Art. 34 Satz 1 GG das Amt anvertrauenden Körperschaften. Bei der Universität Tübingen ist eine etwas andere Verfahrensweise gewählt worden. Die Mitglieder der „Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum der Eberhard-Karls-Universität Tübingen“ werden vom Klinikumsvorstand im Benehmen mit der medizinischen Fakultät bestellt.233 Damit wirken bei der Auswahlentscheidung über die Mitglieder die Organe zweier juristischer Personen des Öffentlichen Rechts mit: zum einen über die Fakultät die Universität, zum anderen über den Vorstand das Universitätsklinikum Tübingen, eine Anstalt des Öffentlichen Rechts der Universität.234 Allerdings kommt der Universität 227
Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. § 2 Abs. 1 S. 1 EK-Statut; Fundstelle siehe Fn. 222. 229 § 17 Abs. 1 Nr. 1 Heilberufe-Kammergesetz. 230 § 2 Abs. 2 S. 1 Verfahrensordnung; Fundstelle siehe Fn. 223. 231 § 3 Abs. 2 EK-Statut, Fundstelle siehe Fn. 224. 232 § 2 Nr. 2 S. 1 EK-Satzung, Fundstelle siehe Fn. 225. 233 § 2 Abs. 2 EK-Satzung, Fundstelle siehe Fn. 226. 234 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Art. 1 des Hochschulmedizinreformgesetzes vom 24. November 1997, GBl. 1997, S. 474. 228
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nur eine untergeordnete Rolle in der Mitwirkung zu, da die Entscheidung lediglich im Benehmen mit der Fakultät getroffen werden muss. Wäre ihr „Einvernehmen“ gefordert, würde dies bedeuten, dass die Zustimmung der Universität zur Auswahl erforderlich wäre. Fehlte die Zustimmung, wäre der Klinikumsvorstand hieran gebunden und dürfte das entsprechende Mitglied nicht berufen. „Benehmen“ meint allgemein eine schwächere Form der Mitwirkung, bei der die Ansichten der ins Benehmen zu setzenden Behörde oder Körperschaft berücksichtigt werden müssen, aber nicht verbindlich sind.235 Die letztlich verbindliche Entscheidung trifft somit der Klinikumsvorstand, wenn er den Bestellungsakt vornimmt. Damit ist als anvertrauende Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG das Universitätsklinikum Tübingen anzusehen.236 b) Landesgesetzliche Sonderregelung Bezüglich der Haftung der Landesärztekammer für ihre Ethikkommission ist im Jahr 2006 eine Sonderregelung in Kraft getreten.237 Der neu eingefügte § 5 Abs. 4 S. 1 des HeilberufeKammergesetzes bestimmt, dass für Schadensersatzverpflichtungen der Ärztekammer im Rahmen von Arzneimittelprüfungen, die nicht versicherbar sind, die Ärztekammer vom Land „freigestellt“ wird.238 Das setzt allerdings gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 Heilbe235
Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 330, „Einvernehmen“. Problematisch an dieser Konstellation ist, dass zur Errichtung der Ethikkommission und zur Satzungsgebung nach dem Heilberufe-Kammergesetz nur die Universität ermächtigt ist, die Satzung die verbindliche Auswahlentscheidung und Bestellung der Mitglieder aber einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts überlässt. Es ist zweifelhaft, ob sich dies noch im Rahmen des gesetzlichen Auftrags hält. Allerdings hat dies keine Auswirkungen auf die Haftung, sondern ist eine Frage der demokratischen Legitimation der Ethikkommission. 237 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes und des Versorgungsanstaltsgesetzes vom 14 Februar 2006, GBl. 2006 S. 23, berichtigt S. 83. 238 § 5 Abs. 4 Heilberufe-KammerG lautet: „Ergibt sich durch ein Verhalten der Ethikkommission im Rahmen der Bewertung klinischer Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz eine Schadensersatzverpflichtung, so ist die Kammer durch das Land von Schadensersatzverpflichtungen freizustellen, soweit diese nicht bei einem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassenen Versicherungsunternehmen versicherbar sind. Die Freistellung setzt voraus, dass die Landesärztekammer eine Haftpflichtversicherung zur Vorsorge für die Erfüllung von Schadensersatzverpflichtungen wegen Amtpflichtverletzung durch die Tätigkeit ihrer Ethikkommission abgeschlossen hat und das Nähere, insbesondere zur Mindesthöhe der Haftpflichtversicherung, zur Ausstattung einer Geschäftsstelle der Ethikkommission und zu Regressmöglichkeiten in einer Vereinbarung zwischen dem Land und der jeweiligen Kammer geregelt ist“. 236
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
rufe-Kammergesetz voraus, dass die Kammer eine entsprechende Versicherung wegen Amtspflichtverletzungen der Mitglieder der Ethikkommission abgeschlossen hat. Darüber hinaus muss das Nähere zur Mindesthöhe dieser Versicherung, Ausstattung der Geschäftsstelle der Ethikkommission und zu Regressmöglichkeiten in einer Vereinbarung zwischen Kammer und Land geregelt sein. Derzeit wird eine solche Vereinbarung noch verhandelt.239 In der Begründung des Entwurfs des Änderungsgesetzes wurde ausgeführt, dass das Land in die Haftung für Schäden von über 10 Millionen Euro „eintritt“.240 Wenn damit ab einer bestimmten Schadenssumme die Haftungszuordnung auf das Land übergehen sollte, so findet diese Absicht in der gefundenen Formulierung keinen Ausdruck. Dem Wortlaut der Regelung nach handelt es sich um eine Option auf Rückversicherung der Kammer durch das Land. Die Formulierung „Freistellung“ und die Bedingung, die Ärztekammer müsse sich zunächst selbst um Versicherungsschutz bemühen, weisen darauf hin, dass die Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes keine Änderung von der Zuordnungsregel des Art. 34 Satz 1 GG bewirken soll. An der Passivlegitimation der Landesärztekammer wird nicht gerüttelt. Es wird lediglich die Möglichkeit eines Anspruchs der Kammer gegen das Land für nicht versicherbare Summen konstituiert, welcher jedoch von konkreten Vereinbarungen abhängig ist. c) Ergebnis Die Landesärztekammer Baden-Württemberg, die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und die Universität Ulm sind diejenigen Körperschaften, auf die gemäß Art. 34 GG die Haftung der Mitglieder der von ihnen errichteten Ethikkommissionen nach § 839 BGB übergeleitet wird. Für die Mitglieder der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum der Eberhard-Karls-Universität Tübingen ist das Universitätsklinikum Tübingen gemäß Art. 34 GG passivlegitimiert. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 LHG241 sind die Einnahmen und Ausgaben der Universitäten in den Staatshaushalt eingestellt, so dass die finanzielle Belastung 239 So die Auskunft der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 14. Januar 2008 sowie des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg vom 28. Januar 2008. 240 Punkt B zu Nummer 5 c) auf S. 25 der Begründung des Entwurfs (Drs. 13/4902 des Landtags von Baden-Württemberg). 241 Gesetz über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz – LHG) vom 1. Januar 2005, GBl. S. 1, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. November 2007; GBl. S. 505.
C. Passivlegitimation
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im Falle der Haftung der Universitäten vollständig das Land Baden-Württemberg trifft. Für die Ärztekammer besteht nach § 5 Abs. 4 Heilberufe-Kammergesetz die Option, nicht versicherbare Haftungssummen im Rahmen der Begutachtung von Arzneimittelprüfungen vom Land ersetzt zu bekommen. Das war nicht das, was sich die Kammer vom Land an Zugeständnissen erhofft hatte. Sie forderte im Gesetzgebungsverfahren vergeblich eine unbeschränkte Haftung des Landes.242 Außerdem bleibt es bei der Haftung für Fehler der Ethikkommissionsmitglieder bei Medizinprodukteprüfungen bei der alleinigen Belastung der Ärztekammer. 2. Bayern In Bayern wirken sechs Ethikkommissionen: Die achtköpfige „EthikKommission der Bayerischen Landesärztekammer“243, die mindestens fünfköpfige „Ethikkommission an der Universität Regensburg“244, die mit zwölf Mitgliedern besetzte Ethikkommission der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München245, die von der Universität errichtete, mindestens sechsköpfige Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München246, die Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität 242 Ergebnisse der Anhörung zusammengefasst unter Punkt C II 5 der Entwurfsbegründung des Änderungsgesetzes, Drs. 13/4902 des Landtags von Baden-Württemberg, S. 38. Siehe auch S. 41–43 des 9. Tätigkeitsberichts der Landesärztekammer Baden-Württemberg 2004/2005. Im Internet abrufbar unter http://www.aerzte kammer-bw.de/ueberuns/02laek/tb/tb2005.pdf; letzter Zugriff am 30. September 2008. 243 Geschäfts- und Verfahrensordnung der Ethik-Kommission der Bayerischen Landesärztekammer in der Neufassung vom 1. August 2005 in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 14. Oktober 2006, BayÄrzteblatt 12/2006, 637. Im Internet abrufbar unter www.blaek.de/hauptseite.cfm?id_seite=47; letzter Zugriff am 30. September 2008. 244 Verfahrensordnung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg vom 19. Juli 2006. Im Internet abrufbar unter www.uni-regens burg.de/Universitaet/Rechtsgrundlagen; letzter Zugriff am 30. September 2008. 245 Siehe § 1 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der Ethikkommission der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München, Version 3. April 2006. Im Internet abrufbar unter http://www.ek.med.tum.de/html/geschord.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 246 Siehe § 2 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Internet abrufbar unter http://ethikkommission.web.med.uni-muenchen.de/index.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Würzburg, die mit neun Mitgliedern besetzt ist247, und die achtköpfige Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg.248 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Mit der Einfügung der Art. 29 a bis 29 g in das Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz hat Bayern Ende 2005 die Errichtung der Ethikkommissionen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und dabei die Zuständigkeit für Beurteilung von klinischen Arzneimittelprüfungen sowie Beurteilungen nach § 8 TFG, die Zusammensetzung der Kommissionen und das Verfahren der Bestellung der Mitglieder ausführlich geregelt.249 Fraglich ist, ob die Art. 29 a bis 29 g GDVG sich allein auf Ethikkommissionen beziehen, die für Beurteilungen nach §§ 40–42 AMG und nach § 8 TFG zuständig sind. Schließlich enthält Art. 29 a GDVG nur diesbezüglich einen Errichtungsauftrag: Bei den staatlichen Hochschulen mit Medizinischen Fakultäten und der Bayerischen Landesärztekammer werden unabhängige Ethik-Kommissionen zur Bewertung der klinischen Prüfung eines Arzneimittels am Menschen nach den §§ 40 bis 42 des Arzneimittelgesetzes . . . und zur Abgabe eines Votums nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Transfusionsgesetzes . . . errichtet.
Allerdings folgt in Satz 4 die Aufgabe: Die Ethik-Kommissionen machen bei der Wahrnehmung der nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben in geeigneter Weise kenntlich, dass sie in dieser Funktion tätig werden.
Der Gesetzgeber geht demnach offenbar davon aus, dass die in Art. 29 a bis 29 g beschriebenen Ethikkommissionen auch in anderen Zusammenhängen tätig werden können.250 Dafür spricht auch die Haftungsregel des 247
Geschäftsordnung der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Im Internet abrufbar unter http://www.ethik-kommission.medizin.uni-wuerzburg.de/amg-studien/satzung/; letzter Aufruf vom 3. Februar 2008. 248 Satzung für die Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vom 9. März 1998, KWMBl. II, 619; zuletzt geändert durch Satzung vom 19. Mai 1999, KWMBl. II, 555. Im Internet abrufbar unter http://www.ethik.med.uni-erlangen.de/; letzter Zugriff am 30. September 2008. 249 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. Art. 29a ff. GDVG, eingefügt durch § 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2005, GVBl. S. 648. 250 So ausdrücklich auch unter Punkt C zu Art. 29 a in der Gesetzesbegründung der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbrauchergesetzes
C. Passivlegitimation
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Art. 29 g Abs. 1 Satz 1 GDVG, nach der bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben unmittelbar der Staat haften soll.251 Zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Aufgaben müsste nicht differenziert werden, setzte man nicht voraus, dass in derselben personellen Besetzung die Ethikkommissionen auch über anderes als Voten nach Arzneimittelgesetz und Transfusionsgesetz entscheiden.252 Damit gelten die Regeln der Art. 29 b bis 29 f GDVG, insbesondere die Regeln über die Bestellung der Mitglieder, für alle Ethikkommissionen, welche die nach Art. 29 a Abs. 1 Satz 1 GDVG zugewiesenen Aufgaben erfüllen, und zwar unabhängig von ihrer sonstigen Tätigkeit. Die Mitglieder der Ethikkommissionen an den staatlichen Hochschulen werden gemäß Art. 29 c Abs. 2 S. 1 GDVG von den Hochschulen im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst bestellt. Die Mitglieder der Ethik-Kommission der Bayerischen Landesärztekammer werden von dieser gemäß Art. 29 c Abs. 2 S. 2 GDVG im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz bestellt. Von den sechs in Bayern tätigen Ethikkommissionen wurde erst für die Hälfte ihre Satzung bezüglich der Regelung der Bestellung entsprechend angepasst.253 Für die übrigen gilt aber aufgrund des Vorrangs des Gesetzes dieselbe Pflicht, ihre Mitglieder im Einvernehmen mit dem jeweiligen Ministerium zu bestellen. „Im Einvernehmen bestellen“ bedeutet, dass die Zustimmung des jeweiligen Ministeriums eingeholt werden muss und die Universität oder Ärztekammer bei Ablehnung des Mitglieds an die Entscheidung des Ministeriums gebunden ist.254 Es ist zur Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission also erforderlich, dass sowohl die bestellende Körperschaft als auch das Land sich für das jeweilige Mitglied entschieden haben. Damit und des Heilberufe-Kammergesetzes vom 26. Juli 2005, BayLandtag, Drs. 15/3947: „Unbeschadet der Regelungen in den Art. 29a ff. GDVG können die Ethik-Kommissionen auch weitere Aufgaben, z. B. nach dem Medizinproduktegesetz, . . . übernehmen.“ 251 Dazu mehr auf S. 186. 252 So auch unter Punkt C zu Art. 29 a in der Gesetzesbegründung der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbrauchergesetzes und des Heilberufe-Kammergesetzes vom 26. Juli 2005, BayLandtag, Drs. 15/3947: „Die Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben kann bei den staatlichen Hochschulen und der Bayerischen Landesärztekammer im Rahmen der eigenen Organisationshoheit in Personenidentität wahrgenommen werden . . .“. 253 Die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Regensburg, die Ethikkommission der Fakultät für Medizin der Technischen Universität München und die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. 254 Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 330, „Einvernehmen“.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
entscheiden jeweils zwei Körperschaften über die Auswahl der Mitglieder der Ethikkommission und somit sind beide als anvertrauende Körperschaften anzusehen. b) Landesgesetzliche Abweichung Das von Art. 34 Satz 1 GG grundsätzlich vorgegebene Ergebnis wird durch Art. 29 g Abs. 1 S. 1 GDVG folgendermaßen abgeändert: Für die schuldhafte Verletzung von Amtspflichten bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben „haftet unmittelbar der Staat“ [Bayern]. Mit staatlichen Aufgaben ist offenbar die nach Art. 29 a GDVG den Hochschulen und den Ärztekammern zugewiesene Beurteilung von Forschungsvorhaben gemäß §§ 40 bis 42 AMG und § 8 TFG durch von ihnen errichtete Ethikkommissionen gemeint.255 Die Anordnung unmittelbarer Staatshaftung könnte man zunächst als Befreiung der Mitglieder der Ethikkommission von ihrer persönlichen Haftung aus § 839 BGB verstehen. Für eine Ausnahmeregelung zu § 839 BGB besteht jedoch keine Landesgesetzgebungskompetenz.256 Die Formulierung „unmittelbar“ soll vielmehr darauf hindeuten, dass sich Geschädigte direkt an den Staat Bayern zu wenden haben. Art. 29 g GDVG verschiebt die grundsätzlich bestehende Passivlegitimation der Hochschulen und der Ärztekammer für Fehlverhalten der Ethikkommissionsmitglieder auf den Staat Bayern.257 Eine landesgesetzliche Abweichung von der Zuordnungsregel des Art. 34 Satz 1 GG wird aufgrund des Wortlauts „grundsätzlich“ für zulässig gehalten.258 Art. 29 g Abs. 1 S. 2 GDVG ordnet an: Regressansprüche der staatlichen Hochschulen oder der Bayerischen Landesärztekammer gegen die Mitglieder der Ethik-Kommissionen gehen auf den Freistaat Bayern über. 255
Siehe auch Punkt C zu Art. 29 a der Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbrauchergesetzes und des Heilberufe-Kammergesetzes vom 26. Juli 2005, BayLandtag, Drs. 15/3947. 256 Siehe S. 144. 257 Siehe auch Punkt Kosten „Der Staat als Haftungsträger“ und Punkt C, zu Art. 29 g Abs. 1, der Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbrauchergesetzes und des Heilberufe-Kammergesetzes vom 26. Juli 2005, BayLandtag, Drs. 15/3947. 258 Papier in: Maunz/Dürig, GG Bd. 4 2002, Art. 34 Rn. 237. Lediglich die Auslegung des Wortes „grundsätzlich“ als Vorbehalt zur Einschränkung der Haftungsübernahme als solcher soll teilweise abgelehnt werden.
C. Passivlegitimation
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Diese Regelung ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verschiebung der Passivlegitimation so zu verstehen, dass etwaige bestehende Regressregeln den Staat Bayern berechtigen sollen. Denn ein echter Übergang von Ansprüchen ist nicht möglich, wenn sie bei der Ärztekammer oder den Universitäten gar nicht erst entstehen können. c) Ergebnis Damit stellt sich ein nach Aufgabenwahrnehmung zu differenzierendes Bild der Haftungsverteilung dar. Für Amtspflichtverletzungen der Mitglieder der Ethikkommissionen im Rahmen der Beurteilung von Arzneimittelprüfungen trifft nach Art. 29 g Abs. 1 S. 1 GDVG abweichend von Art. 34 Satz 1 GG die Haftung den Staat Bayern. Für Beurteilungen von Medizinprodukteprüfungen durch die Ethikkommissionen bleibt es bei der grundsätzlichen Haftungsverteilung: Die Bayerische Ärztekammer und die Universitäten haften jeweils mit dem Staat Bayern in Gesamtschuldnerschaft. Für die Universitäten stellt sich das Haftungsrisiko jedoch noch milder dar als für die Ärztekammer. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayHochschulG259 stellt Bayern den Universitäten die Mittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben aus dem Staatshaushalt zur Verfügung, so dass diese ohnehin auf die finanzielle Rückendeckung des Staates Bayern zählen können. 3. Berlin In Berlin sind drei Ethikkommissionen tätig: Die mindestens 40 Mitglieder umfassende „Ethikkommission des Landes Berlin“260, die für sämtliche Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz zuständig ist, für Begutachtungen nach dem Medizinproduktegesetz die 40 bis 50 Mitglieder zählende „Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin“261 und für ethische Beratung im Übrigen die mindestens 15 Mitglieder starke „Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Berlin“.262 Da Letztere 259
Bayerisches Hochschulgesetz vom 23. Mai 2006, GVBl. S. 245; zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 6. Mai 2008, GVBl. S. 156. 260 Gesetz zur Errichtung der Ethikkommission des Landes Berlin vom 7. September 2005, GVBl. S. 466. 261 Medizinische Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin Ethikkommission Satzung vom 7. Juni und 2. August 2004, FUMitteilungen 34/2004 vom 31. August 2004. Im Internet abrufbar unter http://www.charite.de/ethikkommis sion/satzung_0.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 262 § 4 c Abs. 1 Satz 3 Berliner KammerG, Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. Die neue Satzung für die Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Berlin vom 27. September 2006, ABl. 2007, S. 31 ist am 6. Januar 2007 in Kraft getreten. Im Internet
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
erst seit 2004 nicht mehr für Bewertungen nach §§ 40 bis 42 AMG zuständig ist, wird auch für sie die Frage der Passivlegitimation untersucht. a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Die Mitglieder der Ethikkommission des Landes Berlin werden vom Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin berufen.263 Damit ist das Land Berlin allein die den Mitgliedern ihr Amt anvertrauende Körperschaft. Die Mitglieder der Ethik-Kommission der Ärztekammer werden gemäß § 4 c Abs. 1 S. 5 KammerG264 von der Ärztekammer vorgeschlagen und nach Herstellung des Einvernehmens von der zuständigen Senatsverwaltung berufen.265 Die Mitglieder der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin werden gemäß § 4c Abs. 3 S. 2 KammerG von der Fakultät vorgeschlagen und nach Herstellung des Einvernehmens von der zuständigen Senatsverwaltung berufen. In beiden Fällen ist das Einvernehmen, also die Zustimmung der Senatsverwaltung erforderlich.266 Anders als in Bayern bestellt das Land Berlin die Mitglieder zudem selbst. Die Mitwirkung der Ärztekammer und der Charité beschränkt sich auf einen unverbindlichen Vorschlag. Für die Einsetzung ins Amt des Ethikabrufbar unter http://www.aerztekammer-berlin.de/35_Recht/06_Gesetze_Verordnun gen/index.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. Die Satzung nennt keine Mindestmitgliederzahl, aber nach § 5 der Satzung arbeitet die Kommission in Ausschüssen von jeweils mindestens fünf Mitgliedern, die sich gegenseitig bei Abwesenheit vertreten. Auch erklärt die Satzung die Ethikkommission nicht ausdrücklich als zuständig für Begutachtungen nach dem Medizinproduktegesetz: Zwar übernimmt sie die bundesgesetzlich einer Ethikkommission zugewiesenen Aufgaben, soweit sie nicht durch Gesetz oder Verordnung einer anderen Ethikkommission zugewiesen sind. Solch ein Gesetz oder Verordnung existieren in Berlin nicht, die Ethikkommission der Charité ist allein aufgrund von Satzungsrecht für Medizinprodukteprüfungen zuständig. Allerdings übernimmt die Ethik-Kommission bei der Ärztekammer nach § 2 Abs. 2 S. 2 der Satzung bundesgesetzlich einer Ethikkommission übertragene Aufgaben nur, sofern die Zulässigkeit oder Genehmigung eines Vorhabens nicht von ihrer zustimmenden Bewertung oder Stellungnahme abhängt. Sofern damit nur gemeint ist, dass das Vorhaben auch ohne ihre Zustimmung beginnen darf, sind Medizinprodukteprüfungen umfasst; sie sind aber ausgeschlossen, sofern keinerlei rechtliche Auswirkung von ihrer Stellungnahme ausgehen soll. Siehe näher dazu S. 55–58. 263 § 2 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Errichtung der Ethikkommission des Landes Berlin. 264 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 265 Nach § 3 Abs. 1 der Satzung der Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Berlin vom 27. September 2006 erfolgt der Vorschlag der Ärztekammer durch den Vorstand der Ärztekammer. 266 Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 330, „Einvernehmen“. Siehe auch die Ausführungen zu Baden-Württemberg und Bayern, S. 181 und 185.
C. Passivlegitimation
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kommissionsmitglieds ist allein die Zustimmung des Landes erforderlich, da die Landesbehörde auch die Bestellung vornimmt. Verbindlich entscheidende und damit allein anvertrauende Körperschaft ist also das Land Berlin. b) Ergebnis Für alle drei Ethikkommissionen ist das Land Berlin als anvertrauende Körperschaft passivlegitimiert. Gesetzliche Abweichungen von diesen Regeln bestehen nicht. So waren die Befürchtungen der Ärztekammer des Landes Berlin267, die zur Errichtung einer allein für Arzneimittelstudien zuständigen Ethikkommission des Landes Berlin führten, unbegründet, denn nicht sie, sondern allein das Land Berlin ist die für alle Ethikkommissionen jedweder Zuständigkeit haftende Körperschaft.268 4. Brandenburg In Brandenburg besteht lediglich die Ethik-Kommission der Landesärztekammer Brandenburg, die von der Ärztekammer durch Satzung vom 25. Juni 2003 errichtet wurde.269 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft § 7 Abs. 1 HeilBerG270 regelt zur Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission nichts und überlässt dies auch nicht ausdrücklich der Ärztekammer zur näheren Regelung als Satzungsgeber. Den in § 7 Abs. 4 HeilberG aufgezählten Regelungsbereichen, unter anderem „Voraussetzungen für die Tätigkeit“ oder „Anforderungen an die Sachkunde . . . der Mitglieder“, lässt sich jedoch entnehmen, dass die Ärztekammer nach Auffassung des Gesetzgebers auch die Bestellung der Mitglieder regeln soll. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethikkommission werden die Mitglieder vom Vorstand der Landesärztekammer Brandenburg nach Bestätigung durch die Kammerversammlung der Landesärztekammer „berufen“. Da somit zwei Organe der Ärztekammer, also Organe derselben Körperschaft, über die Auswahl der Mitglieder entscheiden, ist diese die allein entscheidende und die Mitglieder in ihr Amt bestellende Körperschaft. 267
Siehe S. 19. So auch Pestalozza, LKV 2006, 255 (256). 269 Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Brandenburg vom 25. Juni 2003, Ärzteblatt 2003, 74. Im Internet abrufbar unter http://www.laekb.de/ 10arzt/70Ethik/20satzung/index.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 270 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 268
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
b) Landesgesetzliche Abweichung Ende des Jahres 2006 wurde mit § 7 Abs. 3 HeilBerG eine Freistellungsregelung eingefügt.271 Danach ist die Ärztekammer verpflichtet, für ihre Ethikkommission eine Haftpflichtversicherung über mindestens fünf Millionen Euro im Jahr abzuschließen. § 7 Abs. 3 S. 2 HeilberG lautet: Im Falle der Inanspruchnahme der Landesärztekammer oder der für diese handelnden Kommissionsmitglieder aus der Tätigkeit der Ethikkommission im Rahmen der Bewertung klinischer Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz stellt das Land die Landesärztekammer von Schadensersatzverpflichtungen frei, soweit diese nicht bei einem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen versicherbar sind.
Diese Regelung verändert damit die grundsätzliche Haftungsverteilung nicht, sondern bewirkt lediglich eine Rückversicherung der Ärztekammer für nicht versicherbare Risiken; dies auch nur für den Bereich der Beurteilung von Arzneimittelprüfungen durch die Ethikkommission. c) Ergebnis Die Landesärztekammer Brandenburg ist als anvertrauende Körperschaft gemäß Art. 34 Satz 1 GG für Amtspflichtverletzungen der Mitglieder ihrer Ethikkommission haftende Körperschaft. Von ihrem Haftungsrisko für die Tätigkeit der Ethikkommission im Rahmen des Arzneimittelgesetzes wird die Ärztekammer in finanzieller Hinsicht durch die Haftungsfreistellungsregelung des § 7 Abs. 3 HeilBerG entlastet. 5. Bremen In Bremen sind drei Ethikkommissionen tätig: die Ethikkommission der Ärztekammer Bremen,272 die Ethikkommission der Universität Bremen273 und die Ethikkommission des Landes Bremen. Da letztere allein zuständig 271
Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2006, GVBl. I/06, S. 167. Errichtet von der Ärztekammer durch Satzung vom 21. April 1997, ABl. 1997, Nr. 46, 279; zuletzt geändert durch Satzung vom 24. November 2003, ABl. 2004, Nr. 4, 10. Im Internet abrufbar unter http://www.aekhb.de/arztrecht.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 273 Errichtet durch Ordnung vom 15. Oktober 2003. Im Internet abrufbar unter http://www.ethikkommission.uni-bremen.de/EthikO.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 272
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ist für Bewertungen nach §§ 40 bis 42 AMG und § 20 MPG, muss nur für diese die Frage der Haftung untersucht werden. Die Ethikkommission des Landes Bremen wurde am 1. Oktober 1995 durch das Bremer Gesundheitsdienstgesetz274 errichtet. a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Aufgaben und Zusammensetzung der Ethikkommission sind in den §§ 30 und 30 a ÖGDG geregelt. Das Nähere zu Verfahren und Geschäftsführung der Ethikkommission ist der „Verordnung über die Ethikkommission des Landes Bremen“275 zu entnehmen. Nach § 30 a Abs. 4 S. 1 ÖGDG werden die Mitglieder vom Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz aus einer größeren Anzahl von Vorgeschlagenen ausgewählt. Mit Zustimmung der „zuständigen Deputation“ werden sie gemäß § 30 a Abs. 4 S. 3 ÖGDG auch von ihm berufen. Die Deputation ist ein Verwaltungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft, des Landtags von Bremen.276 Wirken bei der Einsetzung der Mitglieder der Ethikkommission zwei Organe einer Körperschaft zusammen, so ist die Entscheidung der Körperschaft, hier dem Land Bremen, zuzurechnen. b) Ergebnis Das Land Bremen ist die nach Art. 34 Satz 1 GG für die Mitglieder seiner Ethikkommission passivlegitimierte Körperschaft. Als erstes Land hat Bremen durch die Errichtung einer eigenen Ethikkommission eine klare Zuordnung der Haftungsverantwortlichkeit zum Land geschaffen. Diese Lösung erscheint auch sachgerechter als eine Ansiedlung der Ethikkommission bei einer Selbstverwaltungskörperschaft. Zwar sind eine Ärztekammer oder eine medizinische Fakultät in einer gewissen fachlichen Nähe zu der von der Ethikkommission zu bewältigenden Aufgabe. Bei der Tätigkeit der Ethikkommission nach Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz handelt es sich jedoch mehr um die Wahnehmung staatlicher Aufgaben der Gefahrenabwehr als um eine Selbstverwaltungsangelegenheit. Durch die organisatorische Einordnung der Ethikkommission in die unmittelbare Staatsverwaltung wird dies in Bremen widergespiegelt.
274 275 276
Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 106. Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 106. Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 221, „Bremen“ und 265, „Deputation“.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
6. Hamburg In Hamburg existiert eine Ethikkommission, die mit 15 Mitgliedern besetzte „Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg“.277 Sie ist für die Beurteilung klinischer Forschungsvorhaben zuständig, die in Hamburg durchgeführt werden. a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Die detaillierten Regelungen der ehemaligen §§ 15 a bis 15 g des Hamburger Ärztegesetzes278 über die Aufgaben der Ethikkommission, die in der Satzung zu regelnden Fragen, die Zusammensetzung der Ethikkommission der Ärztekammer und die Berufung der Mitglieder wurden in das nach der 12. AMG-Novelle neu erlassene Hamburgische Kammergesetz für die Heilberufe vom 14. Dezember 2005 übernommen.279 Gemäß § 9 Abs. 9 S. 3 HmbKGH werden alle Mitglieder von der Kammer „berufen“. Bei der Auswahl der Mitglieder wirkt das Land in unterschiedlicher Weise mit: Die der Kammer angehörigen Mitglieder „benennt“ die Ärztekammer im Einvernehmen mit der zuständigen Landesbehörde, während die nichtkammerangehörigen, also nichtärztlichen Mitglieder von der Landesbehörde im Einvernehmen mit der Kammer benannt werden.280 Die Kammer benötigt für die Auswahl der zu berufenden Mitglieder also die Zustimmung des Landes.281 Umgekehrt ist der Vorschlag des Landes über die nichtärztlichen Mitglieder für die Kammer unverbindlich, nur nach ihrer Zustimmung zur Benennung beruft die Kammer diese Mitglieder. Damit ergibt sich das überraschende und wohl unbeabsichtigte Ergebnis282, dass für die nichtärztlichen Mitglieder der Ethikkommission die Ärz277
Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Hamburg vom 20. Mai 1996. Im Internet abrufbar unter http://www.aerztekammer-hamburg.de/diekammer/ ethikkom.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 278 Dort eingefügt durch Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Ärztegesetzes vom 27. September 1995, HmbGVBl. S. 231. 279 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 280 § 9 Abs. 9 S. 1 HmbKGH. 281 Zur Bedeutung des Begriffs „Einvernehmen“ siehe S. 184; Fn. 254. 282 Dem Senat und der Bürgerschaft sollte nach Ansicht der GAL-Fraktion eigentlich umfassender Einfluss auf die Benennung der Mitglieder eingeräumt werden. Die CDU-Fraktion wiederum plädierte für ein alleiniges Wahlrecht der Ärztekammer für die ärztlichen Mitglieder der Ethikkommission. Siehe die ausführliche Zusammenfassung des Gesetzgebungsvorgangs in Wilkening, Der Hamburger Sonderweg im System der öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen Deutschlands 2000, 123–127 m. w. N. und vgl. Nr. 5.3 des Berichts über die Arbeit der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg, Bürgerschafts-Drs. 16/6550 vom 14. August
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tekammer die allein verbindlich entscheidende und sie berufende Körperschaft ist. Dagegen hat das Land bei der Auswahl der ärztlichen Mitglieder verbindliche Entscheidungsmacht, so dass in diesem Falle die Ärztekammer als berufende und das Land als zustimmende Körperschaft gemeinsam dem Mitglied der Ethikkommission das Amt anvertrauen. Das Land Hamburg und die Ärztekammer Hamburg sind also beide als anvertrauende Körperschaften für die kammereigenen Mitglieder der Ethikkommission anzusehen. Für die nicht kammerangehörigen Mitglieder ist die Ärztekammer allein anvertrauende Körperschaft. b) Landesgesetzliche Abweichung § 9 Abs. 7 Nr. 11 HmbKGH ermächtigt den Satzungsgeber „die Abdeckung der Haftung durch den Träger oder eine Versicherung“ zu regeln. § 14 der Satzung der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg bestimmt, dass die Kammer eine Haftpflichtversicherung für die Mitglieder abschließt, was in dieser Form jedoch lediglich eine Versicherung gegen die Inanspruchnahme im Wege des Regresses darstellt. Von einer landesgesetzlichen Regelung der Haftung für die Tätigkeit der Ethikkommission als solche wurde in Erwartung einer bundeseinheitlichen Lösung bewusst abgesehen.283 Für die Übergangszeit soll eine Regelung zwischen Ärztekammer und Land auf dem Verhandlungswege erfolgen. c) Ergebnis Es bleibt also bei dem grundsätzlichen Befund, dass das Land Hamburg und die Ärztekammer gemeinschaftlich für schuldhafte Amtspflichtverletzungen der Mitglieder der Ethikkommission haften, sofern es sich um kammereigene Mitglieder handelt. Für kammerfremde Mitglieder haftet die Ärztekammer Hamburg allein.
2001 zum Gesetzgebungsverfahren über das Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Ärztegesetzes vom 27. September 1995. Alle an der Gesetzgebung Beteiligten scheinen dabei von einer alleinigen Haftung der Ärztekammer für die Ethikkommission ausgegangen zu sein. 283 Punkt II „Einzelbegründungen“ zu § 9, letzter Absatz des Senatsentwurfs des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe, Bürgerschafts-Drs. 18/1963 vom 15. März 2004.
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7. Hessen In Hessen bestehen vier Ethikkommissionen: die Ethikkommission der Landesärztekammer Hessen mit mindestens sieben Mitgliedern284, die sechsköpfige Ethik-Kommission des Fachbereichs Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.,285 die achtköpfige Kommission für Ethik in der ärztlichen Forschung des Fachbereichs Humanmedizin der Philipps-Universität Marburg286 und die Ethik-Kommission des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen mit neun Mitgliedern.287 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Das Hessische Heilberufsgesetz288 macht in § 6 a keine Vorgaben für die Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer und überlässt diese Regelung dem Satzungsgeber. Für die Errichtung von Ethikkommissionen an staatlichen Hochschulen macht § 60 des Hessischen Hochschulgesetzes ebenfalls keine näheren Vorgaben.289 Die Mitglieder der Ethikkommission der Landesärztekammer werden vom Präsidium der Landesärztekammer berufen.290 Die Mitglieder der Ethikkommission am Fachbereich Humanmedizin der Universität Frankfurt werden auf Vorschlag des Fachbereichsrats vom Dekan des Fachbereichs Humanmedizin berufen.291 Damit sind zwei Organe 284
Satzung der Ethik-Kommission bei der Landesärztekammer Hessen vom 6. Dezember 2006, HÄBl. 1/2007, 54. Im Internet abrufbar unter http://www.laekh.de/ Aerzte/Aerzte-Rund-ums-Recht/Aerzte-Rund-ums-Recht-Ethik-Kommission/Rund_ ums_Recht,cat367.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 285 Ordnung der Ethik-Kommission des Fachbereichs Humanmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2005, Staatsanzeiger, 2711. Im Internet abrufbar unter http://ethik-kommission.kgu.de/; letzter Zugriff am 30. September 2008. 286 Ordnung der Kommission für Ethik in der ärztlichen Forschung des Fachbereichs Humanmedizin der Philipps-Universität vom 4. Februar 1982, zuletzt geändert am 19. Mai 1999. Im Internet abrufbar unter http://www.med.uni-marburg.de/ stpg/zentr/ethikkomm/webneu/index.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 287 Satzung der Ethik-Kommission des Fachbereichs Medizin der Justus-LiebigUniversität Gießen vom 20. Januar 2005. Im Internet abrufbar unter http://www.med. uni-giessen.de/intranet/ethik/index.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 288 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 289 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 104. 290 § 3 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission bei der Landesärztekammer Hessen vom 6. Dezember 2006. 291 § 3 Abs. 2 S. 1 Ordnung der Ethik-Kommission des Fachbereichs der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2005.
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des Fachbereichs an der Auswahl der Mitglieder beteiligt. Mangels Rechtspersönlichkeit des Fachbereichs ist die Auswahl und Berufung der darüber stehenden Körperschaft zuzurechnen: der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. Die Mitglieder der Kommission für Ethik in der ärztlichen Forschung des Fachbereichs Humanmedizin der Philipps-Universität Marburg werden vom Fachbereichsrat berufen.292 Die Auswahlentscheidung liegt damit auch hier allein bei der Universität Marburg. Die Mitglieder der Ethik-Kommission des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen werden auf Vorschlag des Fachbereichsrats durch Beschluss des Dekanats bestellt.293 Auch hier ist die Bestellung der Mitglieder der Universität Gießen zuzurechnen. Die Landesärztekammer und die Universitäten in Hessen sind damit als anvertrauende Körperschaften der Mitglieder der von ihnen errichteten Ethikkommissionen anzusehen. b) Landesgesetzliche Abweichung Die Landesärztekammer Hessen hat aufgrund der 12. AMG-Novelle Anstrengungen unternommen, durch eine Haftungsvereinbarung mit dem Land eine Freistellung von den durch die Tätigkeit ihrer Ethikkommissionen verursachten Haftungsrisiken zu erreichen.294 Im Jahre 2006 wurde mit § 6 a Abs. 4 HeilberufsG eine solche Freistellungsregelung eingefügt.295 Ähnlich wie in der baden-württembergischen Vorschrift ist vorgesehen, dass die Ärztekammer für nicht versicherbare Schadensersatzverpflichtungen, die sich im Rahmen der Tätigkeit der Ethikkommission nach dem Arzneimittelgesetz ergeben, vom Land „freigestellt“ wird. Dies erfolgt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Ärztekammer eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat und das Nähere zu deren Mindesthöhe, zur Ausstattung der Geschäftsstelle und zu Regressmöglichkeiten in einer Vereinbarung zwischen Land und Kammer geregelt ist. Eine solche Haftungsfreistellungsvereinbarung wurde schon – allerdings in unbekannter Höhe und unbekannten Inhalts – getroffen.296 An der grundsätzlichen Pas292 § 3 Satz 4 der Ordnung der Kommission für Ethik in der ärztlichen Forschung des Fachbereichs Humanmedizin der Philipps-Universität vom 4. Februar 1982. 293 § 4 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen. 294 Siehe Einleitung Teil 1, S. 19, insbesondere Fn. 9. 295 § 6 a wurde durch Gesetz vom 16. Oktober 2006, GVBl. I S. 519, geändert. 296 Lediglich die Mitteilung über eine solche Vereinbarung ist zugänglich, siehe: Pressemitteilung der Landesärztekammer Hessen vom 19. Oktober 2004, abrufbar
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sivlegitimation der Ärztekammer nach Art. 34 Satz 1 GG wird durch diese Regelungen der Rückversicherung nichts geändert. c) Ergebnis Derzeit sind die Landesärztekammer und die Universitäten in Hessen für die von ihnen errichteten Ethikkommissionen gemäß Art. 34 Satz 1 GG passivlegitimiert. Die finanzielle Belastung ist allerdings verschieden verteilt: Die Universitäten in Marburg und Gießen werden gemäß § 89 HessHochschG vom Landeshaushalt getragen, so dass im Ergebnis hier das finanzielle Risiko beim Land Hessen liegt. Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. ist dagegen Stiftungsuniversität und verwaltet somit eigenes Vermögen, welches grundsätzlich zunächst als Haftungsmasse in Anspruch zu nehmen ist. Gemäß § 100 i Abs. 7 HessHochschG haftet das Land Hessen für Verbindlichkeiten dieser Hochschule jedoch im Wege der Gewährträgerschaft neben ihr unbeschränkt, soweit Befriedigung nicht aus ihrem Vermögen erlangt werden konnte. Die finanzielle Belastung der Kammer wird von dem vereinbarungsgemäß im Hintergrund stehenden Land im Schadensfalle abgemildert, jedoch nur, sofern es sich um klinische Prüfungen von Arzneimitteln handelt. 8. Mecklenburg-Vorpommern In Mecklenburg-Vorpommern sind drei Ethikkommissionen tätig. Seit dem 1. Januar 2007 sind allein die durch das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst errichtete „Ethik-Kommission Rostock“ und die „EthikKommission Greifswald“ für die Begutachtung von Arzneimittelprüfungen zuständig.297 Die örtliche Zuständigkeit ist dabei zwischen den beiden Ethikkommissionen nach Landkreisen aufgeteilt.298 Beide Ethikkommissioim Internet auf der Homepage der Ärztekammer http://www.laekh.de; letzter Zugriff am 30. September 2008, sowie die Kurznachricht im Deutschen Ärzteblatt 2004, 3140. 297 Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst vom 3. Juli 2006, GVOBl. M-V S. 523. Die Satzung der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock vom 23. November 2006 ist abrufbar unter http://www.ethik.med.uni-rostock.de/ „Über uns“, „Satzung“; letzter Zugriff am 30. September 2008. Die Satzung der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 23. Januar 2007 ist abrufbar unter http://www.medizin.uni-greifswald.de/pharmako/ Ethik/; letzter Zugriff am 30. September 2008. 298 § 16 a Abs. 2 und 3 ÖGDG-MV; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 101.
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nen sehen in ihrer Satzung auch eine Zuständigkeit für Medizinprodukteprüfungen vor.299 Die zuvor allein bestehende „Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern“ ist grundsätzlich auch weiterhin für die Begutachtung von Medizinprodukteprüfungen zuständig.300 Sie ist jedoch nicht mehr beim BfArM registriert, sodass sie nicht in diese Untersuchung einbezogen wird.301 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Das Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern regelt das Verfahren der Berufung der Mitglieder der „Ethik-Kommission Rostock“ und der „Ethik-Kommission Greifswald“ nicht, sondern überlässt in § 16 a Abs. 5 S. 3 Nr. 2 ÖGDG M-V dies den Universitäten als Satzungsgeber. Die einzige Vorgabe lautet, dass in jede 299 § 2 Abs. 3 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock vom 23. November 2006 sowie § 2 Abs. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 23. Januar 2007. Die Kommissionen sind beim BfArM registriert; vgl. den Link zur Liste des BfArM unter Teil 1, Fn. 114. 300 Dies ergibt sich daraus, dass den neuen universitären Ethikkommissionen (nur) Aufgaben nach dem Arzneimittelrecht zugewiesen werden (§ 16 a Abs. 1 ÖGDG-MV) und die Ethikkommission der Ärztekammer gleichzeitig bestehen bleibt (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 HeilBerG M-V; § 16 a Abs. 4 S. 2 ÖGDG-MV). Sie ist in drei Spruchkörper untergliedert, die an der Ärztekammer und an den Universitäten Rostock und Greifswald tätig werden. In Punkt „Zu 1 a)“ des Entwurfs der Landesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst, Landtags-Drs. 4/2168 vom 23. März 2006, ist zwar die Rede davon, statt der zwei universitären Spruchkörper die neuen Ethikkommissionen zu errichten, eine entsprechende Anpassung ist aber vom Gesetz nicht vorgesehen und bisher nicht erfolgt, siehe § 1 Abs. 1 und 2 der Satzung für die Ethikkommission der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Stand 2. November 2002, im Internet noch abrufbar unter http://www.aek-mv.de/, „Arzt und Recht“, „Satzungen und Formulare“; letzter Zugriff am 30. September 2008. Die Ärztekammer weist dort lediglich darauf hin, dass ihre Ethikkommission für Aufgaben nach dem Arzneimittelrecht nicht mehr zuständig ist. Nach Auskunft der Ärztekammer vom 10. Oktober 2008 besteht die Ethikkommission nur noch mit ihrem ehemaligen Spruchkörper I (bei der Kammer), ist jedoch praktisch gar nicht mehr tätig. Eine neue Satzung wird es daher nicht mehr geben. 301 Nach Auskunft der Ärztekammer vom 10. Oktober 2008 ist die Ethikkommission zwar noch registriert, allerdings taucht sie auf der Liste des BfArM seit der Aktualisierung am 7. August 2008 nicht mehr auf. Im Internet abrufbar unter http://www.bfarm.de/cln_030/nn_424508/DE/Medizinprodukte/ethikkom/ethikkom missionenListe.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. Dem entspricht im Tatsächlichen, dass ihr keine Anträge nach Medizinproduktegesetz mehr gestellt werden.
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Ethikkommission zwei Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer auf deren Vorschlag zu benennen sind.302 Sofern allerdings der Vorschlag der Ärztekammer als verbindlich und unabänderlich angesehen wird, wäre sie für diese Mitglieder die allein anvertrauende Körperschaft, unabhängig davon, wer sie letztendlich bestellt. Damit würde allerdings das Ziel des § 16 a ÖGDG-MV, die von der Ärztekammer nach der 12. AMG-Novelle befürchteten Haftungsrisiken bei Arzneimittelprüfungen von ihr abzuwenden und dem Land aufzuerlegen303, teilweise vereitelt werden. Die aufgrund des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst erlassenen Satzungen der Ethikkommissionen sind in diesem Licht auszulegen. Die 13 Mitglieder der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und ihre Stellvertreter werden vom Falkultätsrat für die Dauer von zwei Jahren gewählt.304 Zwei der Mitglieder werden auf Vorschlag der Ärztekammer gewählt.305 Ob der Vorschlag für den Fakultätsrat verbindlich ist oder nicht, geht aus der Formulierung nicht hervor. Jedoch ist davon auszugehen, dass bei der Wahl die in § 1 der Satzung der Ethikkommission aufgestellten Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitglieder der Ethikkommission auch für die Vorgeschlagenen zu beachten sind. Der Fakultätsrat kann somit ungeeignete Aspiranten auch ablehnen und die Ärztekammer zu einem erneuten Vorschlag auffordern; ihm obliegt die letztendliche Entscheidung. Damit vertraut die Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald den Mitgliedern der Ethikkommission ihr Amt an. Die Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock besteht aus mindestens zwölf stimmberechtigten Mitgliedern und elf Stellvertretern, darunter zwei Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die auf deren Vorschlag „benannt“ werden.306 Die Mitglieder und ihre Stellvertreter werden vom Rat der Medizinischen Fakultät für die Dauer von vier Jahren „ernannt“.307 Der unterschiedlichen Verwendung der Verben „benennen“ und „ernennen“ ist zu entnehmen, dass offenbar zunächst eine Benennung von möglichen 302
§ 16 a Abs. 4 S. 2 ÖGDG-MV. Siehe Punkt „Zu 1 a)“ des Gesetzesentwurfs der Landesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst, Landtags-Drs. 4/2168 vom 23. März 2006. 304 § 3 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 23. Januar 2007. 305 § 3 Abs. 2 S. 2 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 23. Januar 2007. 306 § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock vom 23. November 2006. 307 § 3 Abs. 4 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock vom 23. November 2006. 303
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Kandidaten vorgesehen ist. Ob die von der Ärztekammer vorgeschlagenen Personen auch ernannt werden, oder ob um einen erneuten Vorschlag gebeten wird, liegt auch hier in der Hand des Fakultätsrats. Die Entscheidungsmacht über die Ernennung der Mitglieder liegt damit vollständig bei der Universität Rostock; sie ist die den Mitgliedern der Ethikkommission ihr Amt anvertrauende Körperschaft. b) Landesgesetzliche Abweichung Für die Ethikkommissionen der Universitäten Rostock und Greifswald schreibt § 16 a Abs. 6 ÖGDG vor: Die Ethik-Kommissionen der Universitäten Rostock und Greifswald versichern gemeinsam das Haftungsrisiko aus den Aufgaben nach Absatz 1 durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung über eine Haftungssumme in Höhe von fünf Millionen Euro. Der Abschluss und der Bestand der Versicherung sind gegenüber dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur nachzuweisen. Ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung nach Satz 1 nicht möglich, müssen die medizinischen Fakultäten der Universitäten Rostock und Greifswald angemessene Rückstellungen zur Abdeckung eines eventuellen Haftungsfalles bilden.
Wie oben festgestellt, ist als grundsätzlich haftende Körperschaft jeweils die Universität anzusehen, an der die neue Ethikkommission angesiedelt ist. Die Landesregierung ging in der Gesetzesbegründung dagegen davon aus, dass für die Universitäten als Landeseinrichtung das Land hafte.308 Das ist nur insofern richtig, als das Land gemäß § 16 LHG M-V309 den Haushalt der Universitäten finanziert. Der auf Betreiben des mitberatenden Finanzausschusses hin eingefügte letzte Satz des Abs. 6 bewirkt somit lediglich, dass aufgrund der zu bildenden Rückstellungen das Land nur im Notfall über die für die Universitäten geplanten Haushaltsmittel hinaus einzuspringen hat.310 Es wird durch § 16 a Abs. 6 ÖGDG-MV also von der grundsätzlichen Haftungsverteilung nicht abgewichen, sondern lediglich eine Vorsorgemodalität qua Gesetz geregelt. 308 Den letzten Satz enthielt der Entwurf der Landesregierung noch nicht, so dass unter Punkt „5. Kosten zu 1a)“ es dort hieß: „Im Haftungsfall haftet das Land für die Schäden, die über die durch eine insoweit vorrangige Haftpflichtversicherung abgedeckten Schäden hinausgehen.“ So auch in der Begründung „Zu Artikel 1, Nummer 3“ des Gesetzesentwurfs der Landesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst, Landtags-Drs. 4/2168 vom 23. März 2006. 309 Gesetz über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Juli 2002, GVOBl. M-V S. 398; zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2006, GVOBl. M-V 2006 S. 539. 310 Siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung, Landtags-Drs. 4/2284 vom 2. Juni 2006.
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c) Ergebnis Für die Mitglieder ihrer jeweiligen universitären Ethikkommission sind die Universität Rostock und die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald gemäß Art. 34 Satz 1 GG passivlegitimiert. Über die Haushaltsfinanzierung der Universitäten trifft das finanzielle Risiko hier jedoch letztlich das Land Mecklenburg-Vorpommern. 9. Niedersachsen In Niedersachsen sind vier Ethikkommissionen tätig: Die „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen“ hat elf Mitglieder.311 Die „Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachen“ besteht aus sieben Mitgliedern.312 Die „Ethik-Kommission der Universität Osnabrück“ setzt sich aus mindestens acht Mitgliedern zusammen.313 Die „Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover“ schließlich hat mindestens sieben Mitglieder.314 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Das Kammergesetz für die Heilberufe (HKG) überlässt in § 10 Abs. 2 die Regelung der Wahl der Mitglieder der Ärztekammer durch Satzung.315 Für die Ethikkommissionen an den Hochschulen ist außer einer Zuständigkeitsfeststellung in § 10 Abs. 3 HKG nichts geregelt. Die Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer werden auf Vorschlag des Vorstands der Ärztekammer von der Kammerversammlung be311 Satzung der Ethik-Kommission der Universität Göttingen vom 16. Januar 2006, geändert am 4. Februar 2008. Im Internet abrufbar unter http://www.ethik kommission.med.uni-goettingen.de/pdf/SATZUNG.pdf; letzter Zugriff am 30. September 2008. 312 § 3 Abs. 1 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen vom 31. Juli 1997, zuletzt geändert am 9. Dezember 2005. Im Internet abrufbar unter http://www.aekn.de/, „Wir über uns“, „Kommissionen“, „Ethikkommission . . . mehr Info“; letzter Zugriff am 30. September 2008. 313 § 2 Abs. 1 der Verfahrensgrundsätze der Ethik-Kommission der Universität Osnabrück vom 29. September 2003, AMBl. der Universität Osnabrück Nr. 12/2003, 401. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-osnabrueck.de/D4Ordnungen_allg/ VerfGrunds-Ethik-Komm_2003-10.pdf; letzter Zugriff am 30. September 2008. 314 § 3 Nr. 1 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover vom 13. Juli 2005, abrufbar im Internet unter http://www99.mh-hanno ver.de/einrichtungen/ethik/html/haupttext_satzung.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 315 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100.
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stellt.316 Die Ärztekammer ist damit als alleinige Körperschaft anzusehen, die den Ethikkommissionsmitgliedern ihr Amt anvertraut. Die Mitglieder der „Ethik-Kommission der Georg-August-Universität Göttingen“ werden vom Fakultätsrat bestellt.317 Die Mitglieder der „EthikKommission der Universität Osnabrück“ werden vom Präsidenten der Universität bestellt.318 Die Mitglieder der „Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover“ werden vom Senat der Universität bestellt.319 Die Universitäten vertrauen damit wie die Ärztekammer den Mitgliedern ihrer jeweiligen Ethikkommission allein das Amt an. Eine gesetzliche Abweichung von dieser Haftungszuordnung ist nicht vorgesehen. b) Ergebnis Für die Ethikkommission der Ärztekammer Niedersachsen ist die Ärztekammer, für die universitären Ethikkommissionen ist die jeweilige Universität die gemäß Art. 34 Satz 1 GG passivlegitimierte Körperschaft. Die Universitäten Osnabrück und Hannover werden nach § 49 NiedersächsHochschulG320 als Landesbetriebe geführt und verwalten zur Erfüllung ihrer Aufgaben Landesvermögen. Hier liegt das finanzielle Risiko also beim Land Niedersachsen. Die Göttinger Universität ist dagegen eine Stiftungsuniversität. Nach § 57 a Abs. 1 S. 1 NiedersächsHochschulG wird das Vermögen der Hochschulmedizin zudem als gesondertes Stiftungsvermögen geführt. Als Haftungsmasse steht damit nicht das gesamte Vermögen zur Verfügung. Finanzieller Rückhalt des Landes im Haftungsfall ist für diese Universität gesetzlich nicht vorgesehen. 10. Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen sind neun Ethikkommissionen tätig. Dabei handelt es sich zum einen um die „Ethikkommission der Landesärztekammer 316 § 3 Abs. 1 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen. 317 § 3 Abs. 4 der Satzung der Ethik-Kommission der Universität Göttingen. 318 § 2 Abs. 2 der Verfahrensgrundsätze der Ethik-Kommission der Universität Osnabrück. 319 § 3 Nr. 4 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover. 320 Niedersächsisches Hochschulgesetz vom 26. Februar 2007, Nds.GVBl. S. 69; zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007, Nds.GVBl. S. 444.
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Nordrhein“321, die gemeinsame Ethikkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Universität Münster322 sowie um Ethikkommissionen an den Universitäten Aachen323, Düsseldorf324, Köln325, Bochum326, Bonn327 und Duisburg-Essen.328
321 Neu errichtet am 19. November 2005 durch die Neufassung der Satzung der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein, zuletzt geändert am 17. November 2007. Im Internet abrufbar unter http://aekno.de/htmljava/a/kommissionen/ethik satzung.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 322 Eingerichtet bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe mit Sitz unter der Anschrift der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, § 1 Abs. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 24. September 2005 (Neufassung); veröffentlicht im Westfälischen Ärzteblatt 2006, 62. Im Internet abrufbar unter http://www.klinikum.uni-muenster.de/forschung undlehre/fakultaet/ethikkommission/satzung/index.php; letzter Zugriff am 30. September 2008. 323 Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der RheinischWestfälischen Technischen Hochschule Aachen vom 20. März 2008. Im Internet abrufbar unter http://www.ukaachen.de/index.jsp, „Einrichtungen“, „Weitere Funktionen, Dienste und Schulen“, „Ethik-Kommission“; letzter Zugriff am 30. September 2008. 324 Errichtet von der Medizinischen Fakultät, § 1 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vom 28. Juli 2008. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-duessel dorf.de/home/Ueber_uns/daten/bekanntmachungen; letzter Zugriff am 30. September 2008. 325 Errichtet von der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Präambel der Satzung für die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vom 10. Dezember 2005; veröffentlicht in den Amtlichen Mitteilungen 47/2005. Im Internet abrufbar unter http://www.uk-koeln.de/dekanat/ethik/einrichtethiksatzung.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 326 Die Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat zwei Ethikkommissionen eingerichtet, § 1 Abs. 1 S. 1 der „Satzung der Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vom 14. Januar 2008, veröffentlicht in den Amtlichen Bekanntmachungen der Ruhr-Universität Bochum. Im Internet abrufbar unter http://www.ruhr-uni-bochum.de/ethik/Satzung.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 327 Errichtet von der Medizinischen Fakultät, § 1 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 7. März 2006. Veröffentlicht in den Amtlichen Bekanntmachungen 6/2006. Im Internet abrufbar unter http://ethik.meb.uni-bonn.de/ satzung.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 328 Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen vom 12. Juli 2007, veröffentlicht am 10. April 2008 im Verkündungsblatt der Universität Duisburg-Essen Nr. 31/2008, 191. Im Internet abrufbar unter http:/ /www.uni-duisburg-essen.de/zentralverwaltung/verkuendungsblatt/vbl_ jahrgang6_2008.shtml; letzter Zugriff am 30. September 2008.
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a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Das Heilberufsgesetz von Nordrhein-Westfalen ermächtigt für die nähere Regelung der Errichtung und Tätigkeit der Ethikkommissionen der Ärztekammern in § 7 Abs. 1 HeilBerG329 die Ärztekammern als Satzungsgeber, ohne weitere Vorgaben zu machen. Für die Hochschulen besteht keine spezielle gesetzliche Ermächtigung für die Errichtung von Ethikkommissionen. Lediglich die Zuständigkeiten der Ethikkommissionen der Ärztekammern und der Hochschulen werden in § 7 Abs. 3 HeilBerG abgegrenzt. aa) Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein Die acht Mitglieder der „Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein“ werden allein vom Vorstand der Ärztekammer Nordrhein bestellt.330 Die Ärztekammer ist damit als anvertrauende Körperschaft anzusehen. bb) Ethikkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe Die zwölf Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer WestfalenLippe und der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster werden vom Kammervorstand „vorgeschlagen“, von der Kammerversammlung „gewählt“ und schließlich vom Fachbereichsrat der Medizinischen Fakultät der Universität Münster „bestätigt“.331 Weder der Ausdruck „Bestellung“ noch „Berufung“ noch „Zustimmung“ wird in der Satzung der Ärztekammer Westfalen-Lippe verwandt. Der Umstand, dass die Ethikkommission durch die Satzung der Ärztekammer „bei der Ärztekammer“332 errichtet wurde und die Ethikkommissionsmitglieder „für die Dauer der Wahlperiode der Organe der Ärztekammer“ gewählt werden333, deutet darauf hin, dass es sich bei der Wahl durch die Kammerversammlung und nicht bei der Bestätigung der Mitglieder um einen Berufungsakt handelt. „Bestätigen“ ist vom Wortsinn her mit „zustimmen“ verwandt, daher handelt es sich bei der Formulierung der Satzung offenbar um ein Zustimmungserfordernis der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. Die Wahl der Kammerversammlung ist also erst nach der Bestätigung wirksam, dennoch als Berufungsakt zwingend notwendig. Diese Konstruktion des Zusammenwirkens von Ärztekammer und Universität rührt vermutlich 329 330 331 332 333
Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. § 3 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Ärztekammer Nordrhein. § 2 Abs. 1 der Satzung der Ärztekammer Westfalen-Lippe. § 1 Abs. 1 der Satzung der Ärztekammer Westfalen-Lippe. § 2 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Ärztekammer Westfalen-Lippe.
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daher, dass die gemeinsame Ethikkommission die ursprünglich an der Universität Münster bestehende Ethikkommission abgelöst hat. Sicherlich wollte die Universität Mitspracherechte über die Zusammensetzung der weiterhin mit Sitz in der Universität tätigen und Fakultätsmitglieder beratenden Kommission behalten. Bei der Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission wirken also Organe der Ärztekammer und der Universität mit gleichem Entscheidungsumfang zusammen. Die Ärztekammer WestfalenLippe und die Universität Münster sind damit die den Mitgliedern der Ethikkommission das Amt gemeinsam anvertrauenden Körperschaften. cc) Ethikkommissionen der nordrhein-westfälischen Universitäten Bei den an den übrigen Universitäten angesiedelten Ethikkommissionen sind an der Auswahl und Berufung der Mitglieder nur Universitätsorgane beteiligt: Die mindestens 20 Mitglieder der „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln“ werden auf Vorschlag des Dekans vom Rektor der Universität zu Köln bestellt.334 Die acht Mitglieder der „Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen“ werden von den Professoren und Professorinnen der Medizinischen Fakultät vorgeschlagen und vom Fakultätsrat bestätigt.335 Ein gesonderter Bestellungsakt ist nicht erwähnt, daher ist offenbar die Bestätigung als ein solcher anzusehen. Die 14 Mitglieder der „Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf“ werden vom Fakultätsrat der Medizinischen Fakultät „ernannt“336 Die mindestens 16 Mitglieder der „Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn“ werden vom Fakultätsrat „gewählt“.337 Ein weiterer Berufungsakt wird in der Satzung nicht gefordert, daher ist die Wahl als ein solcher anzusehen. Die jeweils mindestens acht Mitglieder der zwei Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum werden durch den Fakultätsrat „bestimmt“.338 Diese „Bestimmung“ ist offenbar ausreichender Ernennungsakt. 334
§ 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Universität Köln vom 10. November 2006. § 2 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen vom 20. März 2008. 336 § 3 Abs. 1 und 2 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vom 28. Juli 2008. 337 § 2 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 7. März 2006. 338 § 2 Abs. 1 der Satzung der Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vom 14. Januar 2008. 335
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Eine besondere Konstellation besteht an der Universität Duisburg-Essen. Die mindestens sechsköpfige „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen“ besteht aus mindestens drei ärztlichen Mitgliedern der Universität. Darüber hinaus gehört ihr mindestens ein Jurist mit der Befähigung zum Richteramt, eine Person mit wissenschaftlicher oder beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik und eine Person aus dem Bereich der Patientenvertretungen an.339 Die ärztlichen Mitglieder werden von der Medizinischen Fakultät gewählt, während die übrigen Mitglieder von den ärztlichen Mitgliedern der Ethikkommission gewählt werden.340 Ein weiterer Ernennungsakt als die Wahl ist in der Satzung nicht vorgesehen. Die über die Bestellung der ärztlichen Mitglieder entscheidende Körperschaft ist damit die Universität Duisburg-Essen. Fraglich ist allein, ob die Bestimmung der übrigen Mitglieder ihr auch zurechenbar ist. Die Ethikkommission als Organ der Universität ist zwar schon mit fünf statt sechs Mitgliedern beschlussfähig, dabei aber mit dem juristischen Mitglied eingeschlossen.341 Das spricht an sich gegen eine Zurechenbarkeit der Wahl der übrigen Mitglieder. Allerdings sind die ärztlichen Mitglieder zugleich Mitglieder der Universität Duisburg-Essen, die auch für den Zweck der Wahl der übrigen Personen vom Fakultätsrat ausgewählt wurden. Die Universität kann damit noch als mittelbar anvertrauende Körperschaft angesehen werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Universitäten durch ihre jeweils tätig werdenden Organe, die allein über die Auswahl und Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission entscheiden, diesen ihr Amt anvertrauen. b) Landesgesetzliche Abweichung Hinsichtlich der Haftung der Ärztekammern wurde das Heilberufsgesetz im Jahre 2005 um eine Freistellungsregelung ergänzt.342 Ähnlich wie dies später Brandenburg regelte, müssen die Ärztekammern gemäß § 7 Abs. 6 S. 1 HeilBerG eine Haftpflichtversicherung gegen Schadensersatzforderungen aufgrund von Amtspflichtverletzungen der Ethikkommission abschließen. Für nicht versicherbare Schadensersatzforderungen im Rahmen der Bewertung klinischer Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz ist gemäß § 7 339 § 3 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen vom 12. Juli 2007. 340 § 3 Abs. 2 S. 1 und 4 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen vom 12. Juli 2007. 341 § 8 Abs. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen vom 12. Juli 2007. 342 Gesetz vom 1. März 2005, GV. NRW. S. 148.
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Abs. 6 S. 2 HeilberG die jeweilige Kammer durch das Land „freizustellen“. Die Passivlegitimation der Ärztekammern ändert sich dadurch nicht. Lediglich im Innenverhältnis erfolgt ein Schadensausgleich. c) Ergebnis Die Ärztekammer Nordrhein ist die anvertrauende Körperschaft für die Mitglieder ihrer Ethikkommission gemäß Art. 34 Satz 1 GG. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe und die Westfälische Wilhelms-Universität Münster sind die für ihre gemeinsame Ethikkommission gemeinsam gemäß Art. 34 Satz 1 GG haftenden Körperschaften. Das Haftungsrisiko der Ärztekammern wird für den Bereich der Beurteilung von Arzneimittelprüfungen in finanzieller Hinsicht durch das im Hintergrund stehende Land abgemildert. Die Universitäten sind in Nordrhein-Westfalen die gemäß Art. 34 Satz 1 GG für ihre Ethikkommissionen passivlegitimierten Körperschaften. Da sie gemäß § 5 HG343 staatlich finanziert werden, trifft das finanzielle Risiko hier insgesamt das Land. 11. Rheinland-Pfalz Die Ethik-Kommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz hat sieben Mitglieder.344 Sie ist für die Bewertung von Forschungsvorhaben am Menschen und an humanen Zellen, Geweben und Körperflüssigkeiten zuständig; darunter auch klinische Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten.345 Die Zuständigkeit erstreckt sich auch auf Vorhaben im universitären Bereich, denn in Rheinland-Pfalz besteht an keiner medizinischen Fakultät eine eigene Ethikkommission.
343 Hochschulgesetz NRW (HG) vom 14. März 2000, GV. NRW. S. 190; zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 21. März 2006, GV.NRW. S. 119. 344 § 5 a Abs. 2 1. HS HeilBG, Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100; sowie § 2 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer RheinlandPfalz in der Fassung vom 9. November 2005, in Kraft getreten am 15. April 2006, Ärzteblatt RLP, 59 (4), 2006, 39. Im Internet abrufbar unter http://www.laek-rlp.de/ framesuchb.htm, Stichwort Ethik-Kommission; letzter Zugriff am 30. September 2008. § 5 a Abs. 4 HeilBG ermächtigt die Landeszahnärztekammer, die Landespsychotherapeutenkammer und die Landesapothekerkammer, ebenfalls Ethikkommissionen zu errichten. Von dieser Ermächtigung ist Gebrauch gemacht worden, diese Kommissionen bleiben bei der vorliegenden Arbeit aber außer Betracht. 345 § 5 a Abs. 1 S. 3 HeilBG sowie § 1 Abs. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz.
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a) Haftende Körperschaft § 5 a Abs. 3 Nr. 2 HeilBG Rheinland-Pfalz346 überlässt die nähere Regelung des Verfahrens der Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer. Die Mitglieder der Ethikkommission werden auf Vorschlag des Vorstands von der Vertreterversammlung der Landesärztekammer bestellt.347 Damit ist die Ärztekammer als anvertrauende Körperschaft anzusehen. b) Ergebnis Die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz haftet gemäß Art. 34 Satz 1 GG für die bei ihr angesiedelte Ethikkommission.348 12. Saarland Im Saarland ist eine Ethikkommission tätig, die mindestens siebenköpfige „Ethik-Kommission bei der Ärztekammer des Saarlandes“.349 Sie ist zuständig für die Begutachtung und Beratung von Forschungsvorhaben; insbesondere nach dem Arzneimittelgesetz350 und nach dem Medizinproduktegesetz.351 Dies gilt offenbar auch für Vorhaben im universitären Bereich, denn die Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes hat keine eigene Ethikkommission eingerichtet. a) Grundsätzlich haftende Körperschaft § 5 Abs. 2 Nr. 3 SHKG352 überlässt die nähere Regelung des Verfahrens der Berufung der Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer. Die 346
Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. § 2 Abs. 3 der Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. 348 So auch – deklatorisch – § 10 der Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. 349 Errichtet von der Ärztekammer des Saarlandes, § 1 Satz 1 des Statuts der Ethik-Kommission bei der Ärztekammer des Saarlandes vom 12. Januar 2004. Im Internet abrufbar unter http://www.aerztekammer-saarland.de/30/04Satzungen/Statut Eth.html; letzter Zugriff am 1. Juni 2008. 350 Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 2.HS SHKG: „insbesondere Aufgaben nach den §§ 40 bis 42 AMG“. 351 § 2 Nr. 1 des Statuts der Ethik-Kommission bei der Ärztekammer des Saarlandes vom 12. Januar 2004; dies ist von der Ermächtigung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 SHKG gedeckt, wonach die Ärztekammer auch die „Aufgaben“ regeln darf. 352 Saarländisches Heilberufkammergesetz; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 347
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Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
Mitglieder der Ethikkommission werden vom Vorstand der Ärztekammer berufen.353 Damit ist allein die Ärztekammer als anvertrauende Körperschaft anzusehen. b) Landesgesetzliche Abweichung Eine gesetzliche Regelung zur Begegnung der die Ärztekammer treffenden Haftungsrisiken wurde schon im Jahre 2005 angekündigt.354 Eine entsprechende Regelung trat Mitte 2007 in Kraft.355 Nach § 5 Abs. 1 S. 2 SHKG hat die Ärztekammer eine Haftpflichtversicherung für die sich aus der Tätigkeit der Ethikkommission ergebenen Risiken abzuschließen. Bei Schadensereignissen im Rahmen der Aufgaben nach §§ 40 bis 42 AMG stellt das Land gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 SHKG die Ärztekammer von Schadensersatzansprüchen in den Fällen frei, in denen der Ethikkommission Fahrlässigkeit zur Last fällt.356 Die grundsätzliche Haftungsverantwortung der Ärztekammer bleibt daher bestehen; insbesondere soweit die Mitglieder der Ethikkommission vorsätzlich eine Amtspflicht verletzen. c) Ergebnis Die Ärztekammer des Saarlandes ist die für Fehler der Mitglieder der bei ihr errichteten Ethikkommission haftende Körperschaft gemäß Art. 34 Satz 1 GG. Nach Inkrafttreten der 12. AMG-Novelle hat die Kammer dieses Haftungsrisiko über fünf Millionen Euro versichert.357 Lediglich bei fahrlässigem Verhalten der Ethikkommission im Bereich von Arzneimittelprüfungen übernimmt das Land für darüber hinausgehende Schadensersatzforderungen im Innenverhältnis das finanzielle Risiko. 13. Sachsen In Sachsen sind drei durch Satzung errichtete Ethikkommissionen tätig. Die Ethikkommission bei der Sächsischen Landesärztekammer hat sechs bis 353 § 3 Nr. 3 S. 1 des Statuts der Ethik-Kommission bei der Ärztekammer des Saarlandes vom 12. Januar 2004. 354 Drs. 13/252 des Landtages der Saarlandes (Antwort zu der Anfrage des Abgeordneten Manfred Baldauf (FDP) vom 10. März 2005). 355 Artikel 1 des Gesetzes Nr. 1624 zur Änderung des Saarländischen Heilberufekammergesetzes vom 4. Juli 2007, Amtsbl. S. 1730. 356 Das Nähere soll in einer Vereinbarung zwischen Land und Ärztekammer geregelt werden, § 5 Abs. 1 S. 4 SHKG. Ob eine solche Vereinbarung geschlossen wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. 357 Siehe Fn. 354.
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elf Mitglieder.358 Die „Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig“ umfasst neun Mitglieder.359 Die „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden“ hat zwölf Mitglieder.360 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft In das Sächsische Heilberufekammergesetz (SächsHKaG)361 wurde durch Gesetz vom 11. November 2005362 ein § 5 a eingefügt, in dessen Absätzen 1 und 3 die Ärztekammer und die Universitäten Leipzig und Dresden zur Errichtung von Ethikkommissionen ermächtigt und verpflichtet werden und dessen Absatz 2 dem jeweiligen Satzungsgeber die nähere Regelung überlässt. Damit haben die Satzungen der Ethikkommissionen nunmehr eine gesetzliche Grundlage bekommen, wenn diese auch recht unbestimmt ist. Die Mitglieder der Ethikkommission bei der Sächsischen Landesärztekammer werden vom Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer „berufen“.363 Gemäß § 5 a Abs. 1 S. 2 SächsHKaG erfolgt die Berufung der Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer nunmehr außerdem im Einvernehmen mit der Landesaufsichtsbehörde.364 Damit entscheiden die 358 § 1 der Geschäftsordnung der Ethikkommission der Sächsischen Landesärztekammer vom 26. November 2005. Im Internet abrufbar unter http://www.slaek.de/ wir/35kommiss/ethik/geschfts.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 359 Der Errichtungszeitpunkt ist unbekannt. Für das Verfahren gilt die Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig mit ebenfalls unbekanntem Beschlussdatum. Die Mitgliederzahl ergibt sich aus den Anforderungen an die Zusammensetzung der Kommission in § 2 Abs. 1 der Satzung. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-leipzig.de/~ethik/satzung.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 360 § 2 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden vom 23. Mai 2005; veröffentlicht in den Amtlichen Bekanntmachungen der TU Dresden 4/2005 vom 31. Mai 2005, Aktualisierung in den Amtlichen Bekanntmachungen 9/2007 vom 20. September 2007 veröffentlicht. Im Internet abrufbar unter http://www.ethikkommission.med.tu-dresden. de/, „über uns“; letzter Zugriff am 30. September 2008. 361 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 362 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Heilberufekammergesetzes und des Heilberufezuständigkeitsgesetzes vom 11. November 2005, SächsGVBl. S. 277. 363 § 2 Abs. 1 S. 1 der Geschäftsordnung der Ethikkommission der Sächsischen Landesärztekammer. 364 Nach der Gesetzesbegründung ist dieses Erfordernis eingefügt worden, da Sachsen in § 5a Abs. 4 die Ärztekammer für ein fünf Mio. Euro übersteigendes Haftungsrestrisiko freistellt; siehe Begründung B zu Artikel 1 zu Nr. 5 in Drs. 4/2829 des Sächsischen Landtages vom 7. September 2005. Im Gegenzug dazu wollte das Land offenbar bei der Berufung der Mitglieder mitwirken können.
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Ärztekammer und das Land gemeinsam über die Auswahl der Mitglieder der Ethikkommission und sind somit beide als anvertrauende Körperschaften anzusehen. Die Mitglieder der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden werden vom Dekan der Universität „bestellt“365, und die Mitglieder der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig werden vom Rat der Medizinischen Fakultät „berufen“.366 Die Berufung der Mitglieder liegt in beiden Fällen bei einem Organ der Universität. Die Universitäten sind damit die den Mitgliedern der bei ihnen errichteten Ethikkommissionen das Amt anvertrauenden Körperschaften. b) Landesgesetzliche Abweichung Fraglich ist, ob § 5 a Abs. 4 SächsHKaG367 die Haftung für die Ethikkommission der Sächsischen Landesärztekammer abweichend regelt: Die Ärztekammer schließt gemäß § 5 a Abs. 4 S. 1 SächsHKaG für mögliche Haftungsschäden bei der Wahrnehmung der nach Abs. 1 Nr. 1 bis 5 zugewiesenen Aufgaben (darunter auch die Begutachtung von Arzneimittelprüfungen und Medizinprodukteprüfungen) eine Versicherung ab. Diese soll eine Deckungssumme von mindestens fünf Millionen Euro im Jahr aufweisen. Für darüber hinausgehende Schäden „stellt“ der Freistaat Sachsen gemäß § 5 a Abs. 4 S. 2 SächsHKaG die Kammer „frei“, sofern sie nicht durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln der Ethikkommissionsmitglieder verursacht wurden. Die Formulierung gleicht der in § 5 Abs. 4 S. 1 des HeilberufeKammergesetzes Baden-Württemberg.368 Während dort aber die Ärztekammer allein haftende Körperschaft für die Fehler der Mitglieder der Ethikkommission ist, so dass die Regelung lediglich eine Art Rückversicherung durch das Land darstellt, ist die Lage hier anders. Die Gesetzesbegründung hilft bei der Auslegung in diesem Fall nur begrenzt weiter, da die Gesetzesväter ersichtlich von der alten Rechtslage ausgegangen sind, als nur die Ärztekammer gehaftet hatte.369 § 5 a Abs. 4 S. 2 SächsHKaG war, von dieser Lage ausgehend, offensichtlich als Rückversicherung eines Restrisikos gedacht und sollte keine Haftungsverlagerung 365 § 2 Abs. 1 S. 3 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden. 366 § 2 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. 367 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 368 Siehe S. 181–182. 369 Begründung B zu Artikel 1 zu Nr. 5 in Drs. 4/2829 des Sächsischen Landtages vom 7. September 2005.
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auf das Land bewirken. Dies entspräche auch nicht der Formulierung „freistellen“. Durch die Einfügung des Erfordernisses der einvernehmlichen Berufung der Mitglieder wurde, wie oben festgestellt, jedoch die Haftungsverteilung geändert, so dass nunmehr Ärztekammer und Freistaat Sachsen gesamtschuldnerisch passivlegitimiert sind. Vor diesem Hintergrund stellt § 5 a Abs. 4 S. 2 SächsHKaG keine Rückversicherung der Ärztekammer dar, sondern kann lediglich den Innenausgleich im Gesamtschuldverhältnis regeln. Damit muss die Norm so auszulegen sein, dass bis zu einem Höchstbetrag von fünf Millionen Euro im Jahr die Ärztekammer einsteht und das Land nur für darüber hinaus entstehende Schadenssummen aufkommen muss. Wendet sich ein Geschädigter also zunächst an das Land statt an die Ärztekammer, kann dieses von der Kammer entsprechend Innenausgleich fordern, soweit der Schaden unter fünf Millionen Euro liegt. c) Ergebnis Die Ärztekammer und der Freistaat Sachsen sind die für die Mitglieder der Ethikkommission der Ärztekammer haftenden Körperschaften gemäß Art. 34 Satz 1 GG. Der Innenausgleich in diesem Gesamtschuldnerverhältnis wird durch § 5 a Abs. 4 S. 2 SächsHKaG geregelt: Für „kleinere“, also versicherbare Schadenssummen kommt die Ärztekammer vollständig auf, während für das Restrisiko das Land die finanzielle Last trägt. Die Universität Leipzig und die TU Dresden sind die für ihre Ethikkommissionen allein passivlegitimierten Körperschaften. Da sie jedoch unmittelbar aus dem Staatshaushalt finanziert werden (§ 98 SächsHG), trifft das finanzielle Risiko hier vollständig den Freistaat Sachsen.370 14. Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt wirken vier Ethikkommissionen. Die „Ethikkommission bei der Ärztekammer Sachsen-Anhalt“ besteht aus neun Mitgliedern,371 die „Ethik-Kommission der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg an 370 So ist auch die Aussage in der Begründung B zu Artikel 1 zu Nr. 5 in Drs. 4/2829 des Sächsischen Landtages vom 7. September 2005 zu verstehen, für universitäre Ethikkommissionen „haftet der Freistaat Sachsen unmittelbar“. 371 § 3 Abs. 1 der Satzung der Ethikkommission bei der Ärztekammer SachsenAnhalt vom 8. April 2006, veröffentlicht im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt. Im Internet abrufbar unter http://www.aeksa.de/, „Über uns“, „Ethikkommission“; letzter Zugriff am 30. September 2008.
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der Medizinischen Fakultät“ aus zehn Mitgliedern372 und die „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg“ aus neun Mitgliedern.373 Die zuletzt hinzugekommene „EthikKommission des Landes Sachsen-Anhalt“ hat elf Mitglieder und ist für die Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln zuständig, die außerhalb von Universitätseinrichtungen durchgeführt werden.374 Sie nimmt damit der Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Sachsen-Anhalt einen Bereich ihrer Zuständigkeiten ab. a) Die grundsätzlich haftenden Körperschaften Das Gesetz über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt (KGHBLSA)375 ermächtigt in § 5 Abs. 2 die Ärztekammer, eine Ethikkommission zu errichten und unter anderem das Verfahren und die Zusammensetzung in einer Satzung zu regeln. Näheres zur Berufung der Mitglieder sagt das Gesetz nicht. Zu den Hochschulen äußert sich das Kammergesetz nicht, weitere spezialgesetzliche Ermächtigungen zu Errichtung und Regelung der Ethikkommissionen sind für die Universitäten nicht vorhanden. Die bei der Berufung mitwirkenden Körperschaften ergeben sich damit aus den jeweiligen Satzungen der Ethikkommissionen: Die Mitglieder der „Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Sachsen-Anhalt“ werden von der Kammerversammlung auf Vorschlag des Kammervorstands „berufen“.376 Die Mitglieder der „Ethik-Kommission der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg an der Medizinischen Fakultät“ werden vom Fakultätsrat „be372 § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum Magdeburg in der am 16. April 2007 vom Rektorat beschlossenen Neufassung; im Internet abrufbar unter http://www.ovgu.de/verwaltung/verwaltungshandbuch/satzun gen/satzung_EK.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 373 § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 10. April 2001, veröffentlicht im Amtsblatt der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Nr. 6/2001, 7; zuletzt geändert durch Satzung vom 11. Mai 2004, Amtsblatt Nr. 4/2004, 13. Im Internet abrufbar unter http://www.medizin.uni-halle.de/index.php?cid=350; letzter Zugriff am 30. September 2008. 374 § 27 c ÖGDGD LSA, Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 107, sowie § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Ethik-Kommission zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln (Ethik-Kom-VO LSA) vom 19. Dezember 2005, GVBl. LSA S. 755. Im Internet abrufbar unter http://st.juris.de/st/EthikKomV_ST_rahmen.htm; letzter Zugriff am 30. September 2008. 375 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 376 § 3 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vom 21. April 1997.
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stellt“.377 Die Mitglieder der „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg werden vom Fakultätsrat „gewählt“.378 Lediglich ihr Geschäftsführer wird aus ihrer Mitte vom Fakultätsrat ausdrücklich „bestellt“.379 Ansonsten ist offenbar die Wahl allein schon der Bestellungsakt. Bei allen drei Ethikkommissionen entscheiden die Trägerkörperschaften der Ethikkommission allein über die Berufung der Mitglieder. Sie sind damit jeweils als anvertrauende Körperschaften im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG anzusehen. Die Mitglieder der „Ethik-Kommission des Landes Sachsen-Anhalt“ werden vom Landesamt für Verbraucherschutz berufen, davon die ärztlichen Mitglieder auf Vorschlag der Ärztekammer Sachsen-Anhalt.380 Ein „Vorschlag“ ist jedoch schon dem Wortlaut nach eine unverbindliche Mitwirkungsform, so dass die letztentscheidende Körperschaft auch bei den ärztlichen Mitgliedern das Land Sachsen-Anhalt bleibt. Sachsen-Anhalt ist demnach die für die Mitglieder seiner Ethikkommission haftende Körperschaft. b) Landesgesetzliche Abweichung Von dieser grundsätzlichen Haftungsverteilung bestehen keine gesetzlichen Abweichungen. § 5 Abs. 2 KGHB-LSA ermächtigt zwar die Ärztekammer ohne weitere Vorgaben in Nr. 6, „die Haftung“ zu regeln. Die Satzung führt dazu in § 7 aus: Die Mitglieder der Ethik-Kommission haften nicht für ihr Votum. Gemäß § 2 Abs. 2 ist ausschließlich der Antragsteller (zuständiger ärztlicher Leiter/ärztliche Leiterin) des betreffenden Vorhabens Dritten gegenüber verantwortlich.
Sofern damit beabsichtigt war, die persönliche Haftung der Mitglieder nach § 839 BGB per Satzung auszuschließen, scheitert dies am Gesetzesvorbehalt, oder, sollte die vage landesgesetzliche Ermächtigung dem Bestimmtheitserfordernis genügen, an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz 377 § 3 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum Magdeburg vom 16. April 2007. 378 § 3 Abs. 2 Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 10. April 2004. 379 § 4 Satz 5 Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 10. April 2004. 380 § 3 Abs. 2 S. 1 und 3 der Verordnung über die Ethik-Kommission zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln (Ethik-Kom-VO LSA) vom 19. Dezember 2005.
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des Landes. Auch an der grundsätzlichen Haftungsverteilung gemäß Art. 34 Satz 1 GG ändert die Satzungsnorm schon dem Wortlaut nach nichts. Allenfalls könnte sie als ein Verzicht auf etwaige Regressforderungen der Ärztekammer gegen ihre Mitglieder gedeutet werden. c) Ergebnis Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt haftet als die das Amt anvertrauende Körperschaft für die Fehler der Mitglieder ihrer Ethikkommission. Das Haftungsrisiko ist etwas dadurch verringert, dass die Zuständigkeit für die Beurteilung von Arzneimittelprüfungen außerhalb des universitären Bereichs nunmehr bei der „Ethik-Kommission des Landes Sachsen-Anhalt“ liegt, für welche das Land haftet. Für die Ethikkommissionen, die bei der Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg und der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg angesiedelt sind, haftet jeweils die Universität. Da aber die Universitäten nach § 108 Abs. 2 HSGLSA381 aus Haushaltsmitteln des Landes finanziert werden, liegt das finanzielle Risiko wie auch bei der landeseigenen Ethikkommission beim Land Sachsen-Anhalt. 15. Schleswig-Holstein In Schleswig-Holstein sind vier Ethikkommissionen tätig. Die zwei „Ethik-Kommissionen der Ärztekammer Schleswig-Holstein“ haben jeweils sieben Mitglieder.382 Desweiteren besteht eine neunköpfige „Ethik-Kommission bei der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel“.383 Die „Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck“ schließlich hat acht Mitglieder.384 381 Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Mai 2004, GVBl. LSA S. 256; zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2006, GVBl. LSA S. 102, 124 i. V. m § 1 Abs. 1 des Hochschulmedizingesetzes vom 12. August 2005, GVBl. LSA S. 508. 382 § 2 Abs. 1 der Satzung für die Ethik-Kommissionen der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 9. April 2008, veröffentlicht im Amtsblatt für Schleswig-Holstein. Im Internet abrufbar unter http://www.aeksh.de/, „Recht/Ethik/GOÄ“; letzter Zugriff am 30. September 2008. 383 § 3 Abs. 1 der Richtlinien der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Christians-Albrechts-Universität zu Kiel vom 7. Dezember 1981, zuletzt geändert am 30. April 2001. Im Internet abrufbar unter http://www.ethik-komm.medfak.uni-kiel.de/; letzter Zugriff am 30. September 2008. 384 § 3 Abs. 1 S. 1 der Verfahrensordnung für die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck vom 8. Mai 2006, veröffentlicht in FOCUS MUL 2006, 132. Im Internet abrufbar unter http://www.uni-luebeck.de/fakultaeten/ medizinischefakultaet/ethikkommission.php; letzter Zugriff am 30. September 2008.
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a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Das Heilberufekammergesetz von Schleswig-Holstein ermächtigt in § 6 Abs. 1 die Ärztekammer, eine (und bei Bedarf weitere) Ethikkommission(en) zu errichten.385 Zur Berufung der Mitglieder werden keine Vorgaben gemacht. Für die Universitäten bestehen keine speziellen gesetzlichen Ermächtigungen. § 6 Abs. 6 HBKG bestimmt lediglich, dass schon errichtete universitäre Ethikkommissionen für den Hochschulbereich an Stelle der Ethikkommissionen der Ärztekammer zuständig sind. Die bei der Berufung mitwirkenden Körperschaften ergeben sich damit aus den jeweiligen Satzungen der Ethikkommissionen: Die Mitglieder der „Ethik-Kommissionen der Ärztekammer Schleswig-Holstein“ werden vom Vorstand der Ärztekammer „berufen“.386 Die Ärztekammer ist als anvertrauende Körperschaft anzusehen. Die Mitglieder der „Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel“ werden vom Fakultätskonvent „gewählt“.387 Da kein weiterer Berufungsakt erwähnt ist, muss davon ausgegangen werden, dass den Mitgliedern schon mit der „Wahl“ ihr Amt durch ein Organ der Universität anvertraut wurde. Die Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel ist damit die Anvertrauenskörperschaft für die Mitglieder ihrer Ethikkommission. Die Mitglieder der „Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck“ werden vom Fakultätskonvent „gewählt“ und können aus wichtigem Grund „abberufen“ werden.388 Hier macht die Wortwahl, im Zusammenhang gelesen, noch deutlicher, dass die Wahl den Berufungsakt darstellt. Die Universität zu Lübeck ist damit ebenfalls als anvertrauende Körperschaft anzusehen.
385 Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 „. . . wird durch Satzung errichtet“ und § 6 Abs. 1 Satz 4 „. . . können errichtet werden“; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 386 § 2 Abs. 1 der Satzung für die Ethik-Kommissionen der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 9. April 2008. Fundstelle siehe Fn. 382. 387 § 3 Abs. 4 S. 1 der Richtlinien der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Christians-Albrechts-Universität zu Kiel vom 7. Dezember 1981. 388 § 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 2 der Verfahrensordnung für die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck vom 8. Mai 2006.
216
Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
b) Landesgesetzliche Abweichung In der Verfahrensordnung für die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck bestimmt § 11: Die Haftung der Mitglieder der Ethikkommission für ihre Mitwirkung bei deren Verfahren ist ausgeschlossen.
Die persönliche Haftung der Mitglieder der Ethikkommission nach § 839 BGB kann so jedoch mangels Gesetzesranges der von der Universität erlassenen Satzung und mangels Normsetzungskompetenz nicht ausgeschlossen werden.389 Auch ändert diese Bestimmung nichts an der Verantwortlichkeit der Universität zu Lübeck nach Art. 34 Satz 1 GG. Jedoch kann § 11 der Verfahrensordnung als ein Verzicht der Universität auf etwaige Regressforderungen gegen die Mitglieder der Ethikkommission gedeutet werden. Für die Haftung der Ärztekammer für die Ethikkommissionen sieht § 6 Abs. 5 HBKG vor: Ergibt sich durch ein Verhalten der Ethikkommission im Rahmen der Bewertung klinischer Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz eine Schadensersatzverpflichtung, ist die Kammer vom Land insoweit freizustellen, als derartige Schadensersatzverpflichtungen nicht bei einem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen versicherbar sind. Die Freistellung setzt voraus, dass die Ärztekammer eine Haftpflichtversicherung zur Vorsorge für die Erfüllung von Schadensersatzverpflichtungen wegen Amtspflichtverletzung durch die Tätigkeit ihrer Ethikkommission abgeschlossen hat.390
Die Formulierung „Freistellung“ und die Bedingung, die Ärztekammer müsse sich zunächst selbst um Versicherungsschutz bemühen, weisen darauf hin, dass die Änderung des Heilberufekammergesetzes keine Änderung von der Zuordnungsregel des Art. 34 Satz 1 GG bewirken soll. Die Passivlegitimation der Landesärztekammer ändert sich nicht. Es wird lediglich die Option eines Anspruchs der Kammer gegen das Land für nicht versicherbare Summen eingeführt. c) Ergebnis Für die an der Ärztekammer tätigen Ethikkommissionen ist die Ärztekammer weiterhin gemäß Art. 34 Satz 1 GG passivlegitimiert.391 Mit der Freistellungsregelung übernimmt das Land das finanzielle Risiko nicht ver389 390
So schon auf S. 213 ausgeführt. Gesetz vom 11. Dezember 2007, GVOBl. Schl.-H. S. 487.
C. Passivlegitimation
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sicherbarer Schadenssummen. Für die Mitglieder der an den Universitäten tätigen Spruchkörper sind die jeweiligen Universitäten passivlegitimiert. Da aber die Universitäten nach § 8 Abs. 1 HSG S-H392 aus Haushaltsmitteln des Landes finanziert werden, liegt auch hier das finanzielle Risiko beim Land Schleswig-Holstein. 16. Thüringen In Thüringen bestehen zwei Ethikkommissionen.393 Die „Ethik-Kommission der Landesärztekammer Thüringen“ hat neun Mitglieder.394 Die „Ethik-Kommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena“ ist ebenfalls neunköpfig.395 a) Grundsätzlich haftende Körperschaft Nach § 17 g Abs. 3 ThürHeilBG396 beruft die Friedrich-Schiller-Universität Jena die Mitglieder ihrer Ethikkommission „im Einvernehmen mit dem für das Hochschulwesen zuständigen Ministerium und im Benehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium“. „Einvernehmen“ bedeutet, dass die Zustimmung des Ministeriums zur Auswahl erforderlich ist.397 Fehlt die Zustimmung, ist die Universität hieran gebunden und darf das entsprechende Mitglied nicht berufen. „Benehmen“ meint allgemein eine schwächere Form der Mitwirkung, bei der die Ansichten der ins Be391 Für diese Risiken hat die Ärztekammer Schleswig-Holstein eine Haftpflichtversicherung über 10 Millionen Euro abgeschlossen, Auskunft der Geschäftsstelle der Ethikkommissionen der Ärztekammer vom 8. Januar 2007. 392 Gesetz über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein i. d. F. der Bekanntmachung vom 28. Februar 2007, GVOBl. SchlH. S. 187. 393 § 17 a ThürHeilBG ermächtigt die Ärztekammer zwar, bei Bedarf weitere Ethik-Kommissionen zu anderen als durch Gesetz vorgeschriebenen ethischen Fragestellungen zu errichten. Hiervon ist jedoch kein Gebrauch gemacht worden. 394 § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Thüringen vom 22. November 2006, veröffentlicht im Ärzteblatt Thüringen. Im Internet abrufbar unter http://www.laek-thueringen.de/, „Ausschüsse/Kommissionen“, „Ethikkommission“; letzter Zugriff am 30. September 2008. 395 § 4 Abs. 1 S. 1 der Satzung für die Ethik-Kommission der Friedrich-SchillerUniversität Jena an der Medizinischen Fakultät vom 20. Juli 1999, veröffentlicht im Amtsblatt des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst 1999, 452. Im Internet abrufbar unter http://www.med.uni-jena.de/ethik/inhalt/satzung. html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 396 Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 397 Siehe auch die Ausführungen zu Baden-Württemberg, Bayern und Berlin; S. 180–181, S. 185 und S. 188–189.
218
Teil 3: Staatshaftung gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB
nehmen zu setzenden Behörde berücksichtigt werden müssen, aber nicht verbindlich sind.398 Verbindlichen Einfluss auf die Auswahl der Mitglieder der Ethikkommission nehmen damit die Friedrich-Schiller-Universität Jena mit der Berufung und das Land Thüringen durch das Einvernehmen des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Universität und Land sind somit die gemeinsam anvertrauenden Körperschaften. Nach § 17 c Abs. 4 Satz 1 ThürHeilBG beruft die Landesärztekammer die Mitglieder ihrer Ethikkommission im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde. In der Gesetzesbegründung wurde dagegen das Wort „Einvernehmen“ verwandt.399 Verständlich, denn es ist auch seltsam, warum nur bei der Universität die stärkere Mitwirkung des Ministeriums erforderlich sein soll. Auf der anderen Seite sind diese Absichten nicht in den Wortlaut des § 17 c eingeflossen. Auch § 3 Abs. 3 Satz 1 der (vom Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit genehmigten) Satzung der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Thüringen vom 22. November 2006 spricht von „Benehmen“. Nimmt man den Wortlaut der Normen ernst, ist die Ärztekammer daher nicht auf eine Zustimmung angewiesen. Selbst wenn sie sich die Ansichten des Ministeriums regelmäßig zu Eigen machen würde, wäre sie nicht daran gebunden. Damit ist die Ärztekammer als allein die Mitglieder verbindlich in ihr Amt berufende Körperschaft auch die alleinige Haftungskörperschaft für die Mitglieder ihrer Ethikkommission. Eine Abweichung von dieser Haftungsverteilung ist gesetzlich nicht vorgesehen. b) Ergebnis Für die „Ethik-Kommission der Landesärztekammer Thüringen“ ist die Ärztekammer allein gemäß Art. 34 Satz 1 GG passivlegitimiert. Für die „Ethik-Kommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena“ haften die Universität und das Land in Gesamtschuldnerschaft. Da die Universität aus dem Landeshaushalt finanziert wird, trifft de facto das finanzielle Risiko hier vollständig das Land.
398
Creifelds, Rechtswörterbuch 2007, 330, „Einvernehmen“. „Sämtliche Mitglieder der Kommission werden von der Landesärztekammer im Einvernehmen mit der zuständigen Aufsichtsbehörde berufen“, Thüringer Landtags-Drs. 2/2029 vom 11. Juni 1997, Begründung B zu § 17 c Abs. 1 bis 3, S. 12. 399
C. Passivlegitimation
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17. Die privatrechtlichen Ethikkommissionen Die vier derzeit in Deutschland tätigen privatrechtlich organisierten Ethikkommissionen400 werden durch die Registrierung beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte mit der hoheitlichen Aufgabe der Begutachtung nach § 20 MPG beliehen.401 Damit wird ihnen die Amtsausübung durch ein Organ des Bundes ermöglicht. Für Fehler ihrer Mitglieder haftet gemäß Art. 34 Satz 1 GG die Bundesrepublik Deutschland.
400 Die International Medical Dental Ethic Commission GmbH (imdec), die Freiburger Ethik-Kommission International GmbH (feki), die Ethik-Kommission des Instituts für angewandte Ethik e. V. sowie die ebenfalls als eingetragener Verein geführte Ethikkommission der privaten Universität Witten-Herdecke. 401 Siehe S. 59.
Teil 4
Zusammenfassung und Ausblick Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Sorge der Berliner Ärztekammer, die Tätigkeit ihrer Ethikkommission gefährde aufgrund der durch die 12. AMG-Novelle gesteigerten Haftungsrisiken die Renten der Berliner Ärzte. Diese Sorge konnte genommen werden: In Berlin war von Anfang an allein das Land die aus Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB haftende Körperschaft.1 Das Modell der Landeshaftung ist jedoch in der Bundesrepublik selten. Welche Risiken birgt die derzeitige Haftungsverteilung also in den übrigen Bundesländern? Bevor dies analysiert und nach Verbesserungsvorschlägen gesucht wird, folgt zunächst eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse, auf denen der hier vorgestellte Überblick über die für Ethikkommissionen haftenden staatlichen Körperschaften beruht.
A. Wesentliche Ergebnisse I. Zur rechtlichen Einordnung von Ethikkommissionen Ethikkommissionen handeln bei der Abgabe von Voten nach § 40 AMG oder § 20 MPG in Formen des öffentlichen Rechts.2 Ethikkommissionen sind Behörden im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze und damit der staatlichen Verwaltung zuzuordnen. Privatrechtlich organisierte Ethikkommissionen sind im Rahmen der Tätigkeit nach dem Medizinproduktegesetz als Beliehene anzusehen.3 Allerdings fehlt es ihnen wie auch einer großen Anzahl öffentlich-rechtlicher Ethikkommissionen an der erforderlichen demokratischen Legitimation.4
1
Siehe S. 187–189. Zur Rechtsnatur der Voten der Ethikkommissionen siehe S. 51–58. 3 Zur verwaltungsorganisatorischen Einordnung der Ethikkommissionen siehe S. 58–65. 4 Siehe S. 65–72. Zu den Auswirkungen auf die Haftung siehe S. 133. 2
A. Wesentliche Ergebnisse
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II. Zur Dogmatik des Art. 34 Satz 1 GG Art. 34 Satz 1 GG leitet die Schadensersatzpflicht des öffentlich-rechtlich handelnden Amtswalters auf den Staat über.5 Diese persönliche Haftung kann sich aus unterschiedlichen zivilrechtlichen Normen ergeben, denn Art. 34 GG ist nicht allein an § 839 BGB angebunden.6 § 839 BGB verdrängt jedoch als lex specialis andere verschuldensabhängige Anspruchsgrundlagen des Deliktsrechts.7 Unabhängig von einer zwingenden Zusammengehörigkeit von Art. 34 GG und § 839 BGB ist der Beamtenbegriff des § 839 BGB weit im Sinne des Haftungsrechts auszulegen. Aus der Entstehungsgeschichte des § 839 BGB ergibt sich, dass die Norm auch im Bereich des privatrechtlichen Handelns mit dem Begriff „Beamter“ nicht solche im Sinne des Beamtenrechts meint. Die genaue Definition ist umstritten, jedenfalls aber ist „jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG vom Beamtenbegriff des § 839 BGB erfasst.8 Somit kommen neben § 839 BGB nur verschuldensunabhängige Normen der Gefährdungshaftung zur Überleitung nach Art. 34 Satz 1 GG in Betracht. Unmittelbare Staatshaftungsansprüche werden nicht von Art. 34 GG erfasst.9 Auch eine Anwendung der „Grundsätze des Art. 34 GG“ zur Bestimmung der Passivlegitimation beim gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, wie sie der Bundesgerichtshof vornimmt, steht der Systematik der mittelbaren Staatshaftung entgegen.10
III. Zu Anspruchsbegründung und Anspruchsausschluss Für Ethikkommissionen kommt als Anspruchsgrundlage gegen die einzelnen Mitglieder nur § 839 BGB in Betracht. Normen der Gefährdungshaftung sind nicht einschlägig. Zu prüfen war daher der klassische „Amtshaftungsanspruch“ Art. 34 Satz 1 GG i. V. mit § 839 BGB. Festzuhalten ist: Die Geschädigten müssen recht hohe Hürden überwinden, bevor sie einen Schadensersatzanspruch wegen des Verhaltens einer Ethikkommission geltend machen können. Hinsichtlich des Verschuldens gilt kein einheitlich hoher Sorgfaltsmaßstab für die Mitglieder, sondern ein so genannter funktionaler Sorgfaltsmaß5
Zur Einordnung des Art. 34 Satz 1 GG als Überleitungsnorm siehe S. 72–76. Siehe Seite 76–77, zu dem von Art. 34 Satz 1 GG überzuleitenden Anspruch siehe S. 79–118. 7 Siehe S. 89–94. 8 Siehe S. 80–89. 9 Siehe S. 94–97. 10 Siehe S. 106–117. 6
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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
stab, der sich an der Qualifikation und Position des jeweiligen Mitglieds der Ethikkommission ausrichtet.11 Bei Fehlern der Ethikkommission ist für die Beurteilung der Fahrlässigkeit daher das Verhalten der einzelnen Mitglieder zu rekonstruieren. Allerdings reicht für die Haftungsbegründung aus, dass einem einzigen, an der Abstimmung positiv beteiligten Mitglied Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.12 Aus den Haftungsausschlussgründen des § 839 BGB ergibt sich zudem eine gewisse Eingrenzung der forderbaren Schadenssumme. Denn der gesetzlich vorgeschriebene Versicherungsschutz für die Probanden bewirkt, dass bei fehlerhafter Zustimmung zur klinischen Prüfung der Anspruch nach § 839 BGB erst ab einer die Versicherungssumme übersteigenden Schadenssumme oder bei anderen Gründen für die Nichtdeckung in Betracht kommt.13 Und das Gebot des Primärrechtsschutzes hat zur Folge, dass es sich bei dem wegen der Ablehnung geltend gemachten entgangenen Gewinn allenfalls um einen Verzögerungsschaden handeln kann.14 Ebenso führen an die Erfüllung gewisser Auflagen geknüpfte zustimmende Voten allenfalls zu Verzögerungen. Damit sind sowohl geringere als auch ins Utopische reichende Schadenssummen von der Staatshaftung ausgeschlossen. In der Praxis können sich insbesondere Beweisfragen als zusätzliche Hemmnisse herausstellen. Beispielsweise wird für die bei einer klinischen Studie geschädigten Teilnehmer der Kausalitätsnachweis teilweise recht schwer zu führen sein, wenn die körperliche Beeinträchtigung nicht in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme auftritt. Zudem sind die Fälle auszuschließen, in denen der Schaden auf Fehlern der die klinische Prüfung durchführenden Personen beruht, die vom genehmigten Prüfplan abgewichen sind.15 Den durch die rechtswidrige Ablehnung der Zustimmung zur klinischen Prüfung geschädigten pharmazeutischen Unternehmen dagegen wird die genaue Bezifferung und der Nachweis des entgangenen Gewinns Schwierigkeiten bereiten. Eine persönliche Haftung der Mitglieder der Ethikkommissionen ist ausgeschlossen. Sofern der Anspruch nach § 839 BGB gegeben ist, findet die Überleitung nach Art. 34 Satz 1 GG auf den Staat in jedem Fall statt: Gebührenbeamte im Sinne des Preußischen Beamtenhaftungsgesetzes oder des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes sind die Mitglieder der Ethikkommissionen nicht.16 11
Siehe S. 138. Zu Fragen der Kausalität siehe S. 128–133. 13 Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (152), hält dies für „praktisch nur schwer denkbar“. Siehe dazu auch S. 140. 14 Siehe dazu S. 143. 15 Siehe Beispiele dazu bei Gödicke, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 144 (150/151). 12
A. Wesentliche Ergebnisse
223
IV. Zur Frage nach der haftenden Körperschaft Die nach Art. 34 S. 1 GG haftende Körperschaft ist nach der Anvertrauenstheorie diejenige, die dem Amtswalter sein Amt anvertraut hat.17 Zur Ermittlung der die Ausübung des Amtes dadurch ermöglichenden Körperschaft ist als Faustregel zunächst nach der Anstellungskörperschaft zu suchen, dann nach der Körperschaft, die die Bestellung ins Amt vornimmt. Sind mehrere Körperschaften bei der Bestellung beteiligt, vertraut diejenige dem Amtsträger das Amt an, die verbindlich entscheidet. Die nach Art. 34 Satz 1 GG passivlegitimierte Körperschaft bestimmt sich daher nach den jeweiligen Regeln über die Bestellung der Mitglieder der Ethikkommission in ihr Amt. Aus der auf S. 178 bis 219 durchgeführten Untersuchung der für die Ethikkommissionen in den einzelnen Bundesländern haftenden Körperschaften lässt sich ersehen, dass die Frage nach der Passivlegitimation nicht einheitlich beantwortet werden kann. Dennoch lassen sich die Ergebnisse nach Modellen zusammenfassen. Zurzeit kann man vier Lösungen der Haftungsfrage unterscheiden: 1. Direkte Landeshaftung In vier Ländern ergibt sich aus den landesrechtlichen Regelungen über die Bestellung der Kommissionsmitglieder oder durch ausdrückliche gesetzliche Haftungsverschiebung die direkte Haftung des jeweiligen Landes. In Berlin und Bremen haftet das Land als primär passivlegitimierte Körperschaft für die Tätigkeit der Ethikkommissionen im Bereich der klinischen Prüfungen von Arzneimitteln wie auch von Medizinprodukten.18 In Bayern erstreckt sich die gesetzlich vorgesehene Landeshaftung lediglich auf die Begutachtung von Arzneimittelstudien, umfasst aber dafür sowohl die Ethikkommission der Ärztekammer als auch universitäre Ethikkommissionen.19 In Sachsen-Anhalt haftet das Land für die bei ihm angesiedelte Ethikkommission, die jedoch nur für Arzneimittelstudien zuständig ist, die außerhalb der universitären Forschung durchgeführt werden.20
16
Zur Auslegung dieser Gesetze siehe S. 145–163. Zur Auslegung des Art. 34 Satz 1 GG hinsichtlich des Terminus „Körperschaft, in deren Dienst er steht“ siehe S. 164–178. 18 Siehe S. 187–189 und S. 190–191. Berlin haftet dabei als einziges Land auch für die nicht bei ihm angesiedelten Ethikkommissionen. 19 Siehe S. 183–187. 20 Siehe S. 211–214. 17
224
Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
2. Alleinige Primärhaftung der Ärztekammer bzw. Universität Sofern keine alleinige Haftung des Landes vorgesehen ist, haftet die jeweilige Ärztekammer oder Universität21 zunächst voll verantwortlich für die bei ihr angesiedelte Ethikkommission. Vollkommen ohne finanzielle Rückendeckung durch das Land sind dabei die Ärztekammern in Baden-Württemberg22, Hamburg23, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen. Sechs weitere Ärztekammern tragen (lediglich) das finanzielle Risiko für Beurteilungen nach dem Medizinproduktegesetz allein.24 Für die Universitäten ist ein Ausgleich mit dem Land in der Regel nicht gesetzlich vorgesehen. Sie werden jedoch, abgesehen von den Universitäten Frankfurt a. M. und Göttingen, durch den Landeshaushalt finanziert,25 so dass das Risiko eines Schadensfalls dennoch mittelbar das Land trifft. 3. Haftung des Landes neben der Trägerkörperschaft Die finanzielle Last der Haftungsverantwortlichkeit wird für die Ärztekammern und für die Universitäten in den Ländern Bayern und Hamburg durch die Gesamtschuldnerschaft mit dem Land in bestimmten Fällen abgemildert.26 Das Land Sachsen haftet gemeinschaftlich mit der Sächsischen Ärztekammer für die Tätigkeit ihrer Ethikkommission.27 Das Land Thüringen sieht Gesamtschuldnerschaft mit der Universität Jena für deren Ethikkommission vor.28 Geschädigte werden sich in diesen Fällen wohl vorran21 Eine Ausnahme besteht für die gemeinsame Ethikkommission der Universität Tübingen und des Universitätsklinikums, für die das Klinikum haftet, siehe S. 180–181. 22 In Baden-Württemberg hängt die Freistellung im Rahmen von Arzneimittelprüfungen durch das Land für nichtversicherbare Beträge noch von dem Abschluss einer näheren Vereinbarung ab, siehe S. 179–183. 23 Dies gilt allerdings nur für die nichtärztlichen Mitglieder der Ethikkommission, siehe S. 192–193. 24 Die Ärztekammern in Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen (Ärztekammer Nordrhein), Saarland, Sachsen-Anhalt (da nur für diese zuständig) und Schleswig-Holstein. 25 Siehe S. 196 und S. 201. 26 Dies gilt in Bayern für den Bereich außerhalb von Arzneimittelprüfungen, für die alleinige Landeshaftung vorgesehen ist, siehe S. 183–187. Die Gesamtschuldnerschaft der Hamburger Ärztekammer mit Hamburg besteht nur für Schadensersatzansprüche aufgrund von Amtspflichtverletzungen der kammerangehörigen ärztlichen Mitglieder, siehe S. 192–193. 27 Siehe S. 208–211.
A. Wesentliche Ergebnisse
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gig an das Land als solventeren Schuldner wenden. Im Innenausgleich hat die Ärztekammer oder Universität bei Abwesenheit abweichender Regelungen die Hälfte des Betrags zu zahlen.29 4. Haftung des Landes im Innenverhältnis bei Versicherungsausfall Fünf Ärztekammern werden im Innenverhältnis vom Land für solche Haftungssummen freigestellt, die die versicherbaren bzw. versicherten Beträge übersteigen.30 Dies gilt zwar jeweils nur für Schadensersatzansprüche im Rahmen von Arzneimittelprüfungen. Damit ist jedoch für die betreffenden Ärztekammern die Haftungsgefahr für die potenziell höchsten Summen gebannt. 5. Überblick Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass diejenige Praxis der Bestellung am verbreitetsten ist, welche die direkte Haftung derjenigen öffentlichrechtlichen Körperschaft nach sich zieht, bei der die Ethikkommission mit ihrer Geschäftsstelle angesiedelt ist. In drei Bundesländern bestehen mittlerweile auch auf Landesebene Ethikkommissionen; im Übrigen sind meist die Ärztekammern und Universitäten die haftenden Körperschaften.31 Für die privatrechtlichen Ethikkommissionen haftet dagegen als beleihende Körperschaft der Bund. Das Land Berlin haftet auch für die nicht bei ihm angesiedelten Berliner Ethikkommissionen. Eine Milderung der Haftungsrisiken ist in insgesamt neun Bundesländern durch Gesamtschuldnerschaft mit dem jeweiligen Land oder im Bereich von Arzneimittelprüfungen durch verschiedene Freistellungslösungen vorgesehen; das betrifft in zwei Fällen die dortigen Universitäten. Eine Ärztekammer haftet in Gesamtschuldnerschaft mit einer Universität.32 28
Siehe S. 217–218. Dies ergibt sich aus §§ 421, 426 Abs. 1 S. 1 BGB. 30 Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein. In Baden-Württemberg hängt die Freistellung noch von dem Abschluss einer näheren Vereinbarung ab, siehe S. 179–183. 31 Die Ärztekammern Bremen und Mecklenburg-Vorpommern sind von der Untersuchung ausgenommen worden, da sie weder bei Arzneimittel- noch bei Medizinprodukteprüfungen tätig werden. 32 Die Ärztekammer Westfalen-Lippe mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, S. 203–204. Diese Sonderkonstellation wurde nicht in die Haftungsmodelle aufgenommen. 29
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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
In finanzieller Hinsicht tragen fünf von 17 Ärztekammern das Haftungsrisiko für ihre Ethikkommissionen vollständig allein. Sechs weitere sind jedenfalls bei Prüfungen nach dem Medizinproduktegesetz allein in der Pflicht. Die Universitäten haben das jeweilige Land überwiegend zumindest mittelbar als Haushaltsgeber im Rücken.
B. Nachteile der Haftungsverteilung Ein offensichtlicher Nachteil der derzeitigen, in fast jedem Bundesland unterschiedlich geregelten Haftungsverteilung liegt in ihrer Unübersichtlichkeit. Der Rechtsanwender muss für jede Ethikkommission oder zumindest für jedes Bundesland prüfen, welche Körperschaft dem einzelnen Ethikkommissionsmitglied sein Amt anvertraut. Dabei reicht ein Blick in das jeweilige Kammergesetz meist nicht aus. Regelungen zu universitären Ethikkommissionen finden sich zum großen Teil nur in den jeweiligen Satzungen; auch für die Ethikkommissionen der Ärztekammern bedarf es meist der Konkretisierung auf Satzungsebene. Diese Unübersichtlichkeit stellt jedoch lediglich eine überwindbare Schwierigkeit auf dem Weg zum richtigen Anspruchsgegner dar. Schwerer wiegt es dagegen, dass der ungleichmäßigen Haftungsverteilung gleich zwei Risiken innewohnen: Einerseits besteht für die Geschädigten das Risiko fehlender Haftungsmasse – sowohl bei der Haftung der sich selbst finanzierenden Ärztekammern als auch möglicherweise bei Stiftungsuniversitäten. Andererseits sind in einigen Ländern die Vermögen der Versorgungswerke der Ärzte in die Haftungsmasse einbezogen, sodass im Haftungsfalle eine andere Gefahr besteht, nämlich, dass der Schaden auf dem Rücken der (unbeteiligten) Mitglieder der Ärztekammern reguliert wird.
I. Risiko fehlender Haftungsmasse Relevant wird das Risiko fehlender Haftungsmasse erst ab einer gewissen Schadensgröße. Vorzustellen sind hier Schäden, die den Rahmen von Probanden- oder Haftpflichtversicherungen sprengen. Glücklicherweise sind bisher Vorfälle solcher Größenordnungen mit Versuchspersonen bei klinischen Prüfungen in Deutschland nicht bekannt. Eher denkbar ist der andere Fall, dass die Durchführung einer klinischen Prüfung von einer Ethikkommission verhindert wird und dies zur Staatshaftung wegen des Verzögerungsschadens führt. Das ist insbesondere im Rahmen der Arzneimittelprüfung virulent, da hier das zustimmende Votum der Ethikkommis-
B. Nachteile der Haftungsverteilung
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sion zwingende Voraussetzung für den Beginn der Prüfung ist, während die Prüfung eines Medizinprodukts sich bei einer ablehnenden Bewertung der Ethikkommission nur um einige Wochen verzögert. Handelt es sich dann um ein Arzneimittel, das nach der Zulassung millionen- oder milliardenfachen Umsatz im Jahr erzielt, sind bei einer längeren Verzögerung der Marktreife durch einen Rechtsstreit um die Erteilung der Zustimmung der Ethikkommission große Schadenssummen vorstellbar. Auch wenn angesichts der offenbar seltenen Ablehnungen33 solch ein Fall statistisch wenig wahrscheinlich ist, kann und muss man sich dennoch die Frage stellen, unter welchen Umständen der Geschädigte hier dem Risiko der fehlenden Haftungsmasse ausgesetzt wäre. Das ist in den Fällen nicht zu befürchten, in denen ein Land selbst in direkter oder bei der Finanzierung der Universitäten in mittelbarer Weise an der Haftung beteiligt ist. Anders ist es, wenn eine Ärztekammer oder Stiftungsuniversität auf sich allein gestellt haftet. 1. Bei Haftung von Ärztekammern ohne Landesdeckung Fünf Ärztekammern tragen das Haftungsrisiko für ihre Ethikkommissionen allein ohne finanzielle Rückendeckung durch das Land in Form von Gesamtschuldnerschaft oder Freistellung.34 Bei sechs weiteren ist dies bei Prüfungen nach dem Medizinproduktegesetz der Fall.35 Ärztekammern finanzieren sich als berufsständische Selbstverwaltungskörperschaften über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren bei ihren Mitgliedern selbst.36 Dabei werden zum einen Mittel für den Verwaltungsapparat und das Personal benötigt. Den weit überwiegenden Teil des aus 33
Nach von Dewitz/Luft in: von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung 2004, 65, sind im Jahr 2002 1,6% und im Jahr 2003 0,6% aller gestellten Anträge zu Arzneimittelprüfungen abgelehnt worden. Anträge auf Medizinprodukteprüfungen wurden noch seltener abgelehnt. Datenmaterial lag zu 20 Ethikkommissionen vor. 34 Die Landesärztekammern Baden-Württemberg (derzeit noch, solange keine Vereinbarung mit dem Land zur näheren Regelung der Haftungsfreistellung getroffen wurde), Hamburg (für nichtärztliche Mitglieder), Niedersachsen, RheinlandPfalz und Thüringen. 35 Landesärztekammern Brandenburg, Hessen, in Nordrhein-Westfalen die Ärztekammer Nordrhein, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. 36 Breuer in: Starck, Erledigung von Verwaltungsaufgaben durch Personalkörperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts 1992, 15 (65). Dies ist offenbar seit Gründung der ersten Ärztekammer in preußischem Gebiet 1887 so: Kluth, Funktionale Selbstverwaltung 1997, 82.
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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
den Beiträgen aufgebauten Vermögens nehmen die so genannten Versorgungswerke ein. Sie dienen der Absicherung der Freiberufler im Alter, im Falle der Berufsunfähigkeit und der Hinterbliebenenversorgung.37 Das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg beispielsweise verfügt über Kapitalanlagen mit einem Buchwert von circa 2.684 Millionen Euro.38 Das Sondervermögen der Ärztekammer des Saarlandes für die Rentenversorgung betrug im Jahre 2006 circa 661 Millionen Euro.39 Einer Ärztekammer steht also eine große Haftungsmasse zur Verfügung, wenn auch das Vermögen des Versorgungswerks dazugezählt werden kann. Dies ist allerdings nicht immer der Fall: In den Ländern Hamburg40, Saarland41, Schleswig-Holstein42 und Thüringen43 bewirken die Regelungen der entsprechenden Kammergesetze, dass das Vermögen der Versorgungswerke der Ärzte nicht als Haftungsmasse allgemeiner Verbindlichkeiten der Ärztekammern zur Verfügung steht.44 In Hessen45 37
Kluth, Funktionale Selbstverwaltung 1997, 208. Laut Angabe auf http://www.vw-aek-hh.de/Kapitalanlagen.html; letzter Zugriff am 30. September 2008. 39 Laut dem Rechenschaftsbericht 2006 des Versorgungswerks; im Internet abrufbar unter http://www.aerztekammer-saarland.de/60/40Reberi/index.html; letzter Zugriff am 1. Juni 2008. 40 § 7 Abs. 6 HmbKG sieht vor: „Das jeweilige Vermögen der Versorgungswerke nach Absatz 1 ist vom übrigen Vermögen der Kammern unabhängig und getrennt zu verwalten. Für Verbindlichkeiten des Versorgungswerkes haftet jeweils nur dessen Vermögen. Es haftet nicht für Verbindlichkeiten der Kammern“. Fundstelle (auch für die folgenden Gesetze) siehe Teil 1, Fn. 100. 41 § 6 Abs. 4 SaarlHeilbG sieht vor: „Das Vermögen des Versorgungswerkes ist vom übrigen Vermögen der Kammer getrennt zu verwalten. Das Vermögen darf nur für gesetzlich zugelassene und satzungsgemäße Zwecke unter Einschluss des Ausgleiches der notwendigen Verwaltungskosten verwendet werden“. 42 § 4 Abs. 1 S. 2 und 3 HBKG Schl.-H. lauten: „Die Versorgungseinrichtungen sind unselbständige Teile der Kammern; sie verwalten ein eigenes Sondervermögen, das nicht für Verbindlichkeiten der jeweiligen Kammer haftet. Die Vermögen der Kammern haften nicht für Verbindlichkeiten ihrer Versorgungseinrichtungen. Die Beiträge der Mitglieder und die Vermögen der Versorgungseinrichtungen (Mittel) sind zweckgebunden zu verwenden“. 43 § 5 b Abs. 2 ThürHeilbG sieht vor: „Das Vermögen des Versorgungswerkes ist vom übrigen Vermögen der Kammer getrennt zu verwalten. Es darf nur für die gesetzlichen und satzungsmäßig zugelassenen Zwecke sowie zum Ausgleich der notwendigen Verwaltungskosten verwendet werden“. § 5 b Abs. 1 ermächtigt die Kammer in der Satzung die rechtliche Selbständigkeit des Versorgungswerks vorzusehen. 44 Ehlers, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 211 (224), geht davon aus, dass selbst bei rechtlicher Unselbständigkeit des Vermögens eine entsprechende Zweckbindung vor dem Zugriff aufgrund zweckfremder Haftungsverbindlichkeiten schützt. 45 § 5 a Abs. 2 Heilberufsgesetz Hessen sieht vor: „Die Versorgungseinrichtung kann im Rechtsverkehr unter ihrem eigenen Namen handeln, klagen und verklagt 38
B. Nachteile der Haftungsverteilung
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und Niedersachsen46 ist dem Versorgungswerk eigene Rechtspersönlichkeit gegeben und ausdrücklich die Haftung für Verbindlichkeiten der Ärztekammer ausgeschlossen. Von den elf unter Umständen allein haftenden Ärztekammern haben damit sechs wegen der rechtlichen Selbständigkeit ihrer Versorgungswerke keine nennenswerte Haftungsmasse aufzuweisen. Würde die Haftungssumme versicherbare Summen übersteigen, ginge der Geschädigte hier vermutlich leer aus. 2. Bei Stiftungsuniversitäten In einigen Bundesländern wird geplant, die Universitäten aus dem Landeshaushalt herauszunehmen und in Stiftungen umzuwandeln, die auf der Basis eines Grundvermögensstocks ihr Vermögen selbst erwirtschaften. Bei den Universitäten Göttingen und Frankfurt am Main ist dies schon geschehen. Diese Universitäten sind daher in finanzieller Hinsicht auf sich selbst gestellt. Es ist jedenfalls für die Universität Göttingen gesetzlich nicht geregelt, ob im Falle von Überschuldung der Universität aufgrund eines Haftungsfalles das Land zu Hilfe kommen würde. Allerdings besteht aufgrund der Stiftungseinlage ein geringeres Insolvenzrisiko für die Stiftungsuniversitäten als bei Ärztekammern mit selbständigem Versorgungswerk.
II. Risiken bei unselbständigen Versorgungswerken der Ärztekammern Wendet man den Blick von den Geschädigten auf die Personen, die für den Schaden einstehen müssen, liegt in der derzeitigen Haftungsverteilung auch bei unselbständigen Versorgungswerken der Ärztekammern ein Nachteil: Das Vermögen der Versorgungswerke wird durch die Beiträge der Mitglieder aufgebaut. Wenn dieses Vermögen zur Haftungsmasse im Falle der Staatshaftung zu zählen ist, wird der Schaden letztlich auf dem Rücken der beitragszahlenden Ärzte und zu Lasten ihrer eigenen Versorgungsansprüche und der ihrer Angehörigen ausgeglichen. werden. Sie verwaltet ein eigenes Vermögen, das nicht für Verbindlichkeiten der Kammer haftet. Das Vermögen der Kammer haftet nicht für Verbindlichkeiten der Versorgungseinrichtung.“ 46 § 12 Abs. 2 HKG Nds. lautet: „Die Versorgungseinrichtung kann im Rechtsverkehr unter ihrem eigenen Namen handeln, klagen und verklagt werden. Sie verwaltet ein eigenes Vermögen, das nicht für Verbindlichkeiten der Kammer haftet. Das Vermögen der Kammer haftet nicht für Verbindlichkeiten der Versorgungseinrichtung“.
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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
Die Regelungen in den Ländern ohne ausdrückliche rechtliche Verselbständigung der Versorgungswerke sind uneindeutig. Die Heilberufekammergesetze Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt enthalten keine näheren Regelungen zu dem Versorgungswerk, sondern ermächtigen lediglich zu seiner Einrichtung.47 In Rheinland-Pfalz ist das Versorgungswerk ausdrücklich unselbständige Einrichtung und als Sondervermögen zu führen.48 Dies führt im Außenverhältnis jedoch nicht zu Sonderregelungen über dieses Vermögen. Da es für eigene Rechtsfähigkeit ausdrücklicher rechtlicher Regelungen bedarf, führt die bloße getrennte Verwaltung nicht zur Verselbständigung des Versorgungsvermögens. Im Gegenteil ist erst recht davon auszugehen, dass es sich bei dem Versorgungswerk um eine nichtselbständige Einrichtung der Ärztekammer handelt.49 In Berlin gab es bis 2006 eine vergleichbare Regelung, die nun durch eine Möglichkeit der ausdrücklichen rechtlichen Trennung des Vermögens des Versorgungswerks von dem restlichen Kammervermögen ersetzt wurde.50 In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, die Vermögensmassen von Kammer und Versorgungseinrichtung müssten getrennt werden, um gegenseitige Haftungsrisiken auszuschließen.51 Der Gesetzgeber ging also offenbar davon aus, eine lediglich getrennte Verwaltung der Vermögen bewahre nicht vor dem Zugriff der Gläubiger der Ärztekammer im Haftungsfalle. So sieht dies auch Ehlers, der bei der Bildung von Versorgungswerken als rechtlich unselbständige Einrichtungen zumindest dann von einem einheitlichen, dem Zugriff der Gläubiger unterworfenem Kammervermögen ausgeht, wenn die Verwendung des Vermögens des Versorgungswerks nicht ausdrücklich zweckgebunden ist.52 Damit ist im Ergebnis ein Zugriff der Geschädigten auf das Sondervermögen der Versorgungswerke möglich. Einmal mehr fragt sich, ob angesichts dieses Risikos für die Versorgungsansprüche der an der Tätigkeit der Ethikkommission im Übrigen unbeteiligten Kammermitglieder die Übertragung der Aufgaben nach Arzneimittelgesetz und Medizinproduktegesetz auf Ärztekammern überhaupt zulässig ist.
47 § 4 Abs. 4 Heilberufe-KammerG B-W, § 28 HeilBerG Brandenburg, § 5 Abs. 1 Nr. 10 HeilBerG NRW, § 5 Abs. 1 Nr. 6 KGHB-LSA. 48 §§ 12 und 13 HeilBG R-P; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 49 Kluth, Funktionale Selbstverwaltung 1997, 209; bezogen auf das Versorgungswerk der Ärztekammer Nordrhein. 50 § 4 b Abs. 2 des Berliner Kammergesetzes; Fundstelle siehe Teil 1, Fn. 100. 51 Vorlage zur Beschlussfassung, Neuntes Gesetz zur Änderung des Berliner Kammergesetzes vom 3. Mai 2006, Drucksache 15/5065, 9. 52 Ehlers, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 211 (224).
C. Ausblick
231
III. Fehlende Regressmöglichkeiten Nach Art. 34 Satz 2 GG ist bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des schuldigen Amtsinhabers der Regress vorbehalten. Gesetzliche Regelungen, die einen solchen Rückgriff vorsehen, sind also verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.53 Auf die Mitglieder der Ethikkommissionen kann ein solcher Regress allerdings allenfalls dann zukommen, wenn sie verbeamtet sind und haftendes Subjekt für die Ethikkommission zugleich ihr Dienstherr im Sinne des Beamtenrechts ist.54 Art. 34 Satz 2 GG ordnet den Regress nicht unmittelbar an. Dieser bedarf also einer eigenständigen Regelung. Derzeit existieren keine auf die Mitglieder der Ethikkommissionen zugeschnittenen Regressvorschriften.
C. Ausblick Die Gesetzgebung zur Haftungsproblematik der Ethikkommissionen ist im Fluss. Viele Länder haben schon in Reaktion auf die 12. AMG-Novelle gehandelt. Die vorliegende Untersuchung zeigt allerdings: Jede Schraube, an der man dreht, kann zu einer Verkantung an anderer Stelle führen. Im Folgenden wird dargestellt, was bei zukünftigen Gesetzesvorhaben beachtet werden sollte.
I. Beseitigung von Legitimationsdefiziten Eine vom Verhalten der Mitglieder unabhängige Fehlerquelle ist der Verstoß gegen das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG bei der Errichtung der Ethikkommission. Aufgaben und Befugnisse der Ethikkommission müssen ebenso gesetzlich geregelt sein wie die Qualifikationsanforderungen an ihre Mitglieder. Daran mangelt es derzeit noch55 einer überwältigenden Anzahl von Ethikkommissionen. Eine erste Aufgabe für die Landes- wie Bundesgesetzgebung ist daher die präzisere gesetzliche Ausgestaltung der Rechtsgrundlagen, aufgrund derer die Ethikkommissionen tätig werden.
53
Wurm in: Staudinger, BGB 2007, § 839 Rn. 385. Selbst dann käme Regress nur in Frage, wenn die Tätigkeit in der Ethikkommission als Dienstaufgabe anzusehen ist, siehe Kreß, Die Ethik-Kommissionen im System der Haftung 1990, 181–182. Dies kann – abhängig von den jeweiligen Fakultätsordnungen – für universitätsinterne Mitglieder der bei einer Hochschule angesiedelten Ethikkommission in Betracht kommen. 55 Siehe S. 67–71. 54
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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
II. Regressregelungen Der jeweilige Haftungsträger sollte sich zudem überlegen, ob er sich nicht die Möglichkeit eröffnen möchte, die Mitglieder der Ethikkommissionen im Falle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit in Regress zu nehmen. Angesichts des Schädigungspotentials56 der Ethikkommissionen erscheint dies mindestens zur Absicherung gegen bewusste Amtspflichtverstöße angebracht. Zu beachten ist dabei jedoch, dass es hierzu einer gesetzlichen Regelung bedürfte.57
III. Übertragung der Passivlegitimation für öffentlich-rechtliche Ethikkommissionen auf die Länder Anzustreben ist zuletzt auf lange Sicht eine einheitliche und klare Regelung, wer Haftungsträger für die Tätigkeit der Ethikkommissionen ist. Für alle Beteiligten und eventuell Betroffenen ist eine übersichtliche Lösung zu wünschen, die im Falle eines Schadens keine vorherigen langwierigen Recherchen erfordert. Eine etwaige Regelung sollte möglichst nicht nur bundesweit einheitlich sein. Es fördert die Transparenz und Rechtssicherheit, wenn Passivlegitimation und finanzielle Last zusammenfallen. Die in vielen Ländern praktizierte Freistellungslösung, die das Haftungsrisiko nur im Innenverhältnis zwischen Ärztekammer und Land verschiebt, ist wegen ihrer Undurchsichtigkeit und Verkomplizierung der Situation abzulehnen. Weiterhin ist es bei den öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen, wie gezeigt, von Vorteil, wenn nicht eine Ärztekammer, sondern das jeweilige Land passivlegitimiert ist. Sowohl für unbeteiligte Mitglieder der Ärztekammer als auch für die Geschädigten bestehen andernfalls zu große Risiken. Auch Universitäten sind keine idealen Haftungssubjekte, selbst wenn ihnen das Land zumeist finanzielle Rückendeckung gibt. Denn auch bei ihnen fragt sich, warum sie für eine Tätigkeit Haftungsrisiken tragen sollen, die nicht primär der wissenschaftlichen Forschung dient, sondern die sich aus dieser Forschung ergebenden Gefahren abwehren und kontrollieren soll. Meines Erachtens ist daher die Passivlegitimation der Länder aus der Sicht aller Betroffenen zu bevorzugen. Für eine solche Regelung bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
56 57
Siehe S. 43–45. Siehe S. 231.
C. Ausblick
233
1. Pauschale Anordnung der Landeshaftung Zum einen könnte eine entsprechende staatshaftungsrechtliche Regelung getroffen werden. Diese würde für Ansprüche gemäß Art. 34 Satz 1 GG, die sich aus der Tätigkeit der Ethikkommissionen nach dem Arzneimittelgesetz oder dem Medizinproduktegesetz ergeben, die Passivlegitimation des Landes anordnen. Damit würde das Land unabhängig von der konkreten Ansiedelung der Ethikkommission und den bestehenden Vorschriften über die Bestellung der Mitglieder haften. Auch für Staatshaftungsansprüche, die sich aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben, könnte mit einer solchen Regelung pauschal die Landeshaftung angeordnet werden. Als Abweichung vom Grundsatz des Art. 34 Satz 1 GG bedarf es für solche Zuweisungen der Passivlegitimation eines Gesetzes. Für die Staatshaftung betreffende Regelungen besteht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder. Damit besteht für den Bundesgesetzgeber hier die Möglichkeit, eine bundesweit einheitliche Regelung zu schaffen, allerdings nur, sofern die Hürde der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG überwunden werden kann.58 Solange kein entsprechendes Bundesgesetz in Kraft ist, können die Landesgesetzgeber mit einer solchen staatshaftungsrechtlichen Regelung klare Haftungsverhältnisse schaffen, ohne den Status quo der organisationsrechtlichen Verhältnisse der Ethikkommissionen zu verändern. 2. Einführung von Landesethikkommissionen Zum anderen wäre es aber auch möglich, durch die Veränderung der entsprechenden verwaltungsorganisatorischen Anbindung der öffentlich-rechtlichen Ethikkommission sozusagen „auf natürlichem Wege“ die Passivlegitimation der Länder herzustellen. Dazu könnten nach Bremer Vorbild Landesethikkommissionen gebildet werden, die jeweils in dem Land die alleinige Zuständigkeit für Arzneimit58 Von den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten drei alternativen Gesetzgebungszielen käme wohl nur die Wahrung der Rechtseinheit in Betracht. Nach der AltenpflegeEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2002, BVerfGE 106, 62 (145), ist eine bundesgesetzliche Regelung zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erst dann erforderlich, wenn die Gesetzesvielfalt auf Länderebene „eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen darstellt, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann.“ Ob die hier aufgezeigten negativen Folgen der derzeitigen Haftungsverteilung ausreichen, um diese Voraussetzungen zu erfüllen, insbesondere, ob die Interessen des Bundes und der Länder eine Rechtsvereinheitlichung erfordern, bedarf einer tiefer gehenden Untersuchung, die in diesem Rahmen nicht geleistet werden kann.
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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
tel- und Medizinprodukteprüfungen besäßen.59 Die Mitglieder dieser Ethikkommissionen bekämen ihr Amt von Landesbehörden anvertraut. Damit haftete gemäß Art. 34 Satz 1 GG das jeweilige Land für Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder der Ethikkommission aus ihrer Begutachtungstätigkeit.
D. Schlusswort Wie gezeigt, ist die Ruhe nach der Gesetzgebungswelle in den Jahren 2005 bis 2007 trügerisch. Zwar ist der Eintritt eines vom Umfang her verhehrenden Haftungsfalls recht unwahrscheinlich. Je größer das Schadenspotential, desto geringer muss jedoch die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sein, um vom Vorliegen einer Gefahr sprechen zu können: Nach wie vor müssen einige Ärztekammern aufgrund der Tätigkeit ihrer Ethikkommissionen Haftungsrisiken tragen, die sie im Ernstfall nicht stemmen könnten. Mit der vermehrten Einrichtung von Stiftungsuniversitäten kann auch diese das gleiche Schicksal treffen. Neben dem Unbill einer möglichen Insolvenz ist dieses Risiko vor allem für die Geschädigten unzumutbar. Noch mehr Unbehagen müssten jedoch die Mitglieder jener Ärztekammern empfinden, deren Versorgungswerke im Haftungsfalle als Haftungsmasse zur Verfügung stehen. Deren Renten wären dann nämlich tatsächlich in Gefahr. Dieses Ergebnis ist erst recht nicht hinzunehmen. Gesetzgeberisches Handeln ist daher weiterhin gefragt.
59 Berlin verfügt wohl über das gesetzestechnisch bessere Regelwerk, die Landesethikkommission ist jedoch nur für Beurteilungen nach §§ 40–42 AMG zuständig.
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Sachwortverzeichnis 12. AMG-Novelle 37, 45, 220, 231 Ablehnendes Votum 57 Amtshaftung 46, 120 Amtshaftungsanspruch 46, 119, 221 Amtsinhaber 63 Amtspflicht 89, 127 Amtspflichtverletzung 77, 123, 168 Amtsträger 78, 119 Amtswalter 78, 163, 174 Anfechtungsklage 144 Anspruchsgegner 110, 117 Anstellungskörperschaft 170–172, 178, 223 Anstellungstheorie 167, 171 Anvertrauenstheorie 50, 170, 177 Äquivalenztheorie 127 Arzneimittel 24 Arzneimittelprüfung 55, 131 Arzneimittelüberwachung 53 Ärztekammer 20, 66, 69, 118, 125, 224 Auflagen 44 Aufwandsentschädigung 154 Baden-Württemberg 179, 182 Bayern 183, 187 Beamte 47, 73, 80, 88, 149, 156 Beamtenbegriff 47, 80–81, 84, 86, 121, 127, 221 Beamtengesetze 80, 84 Beamtenhaftungsgesetz 75 Beamtenverhältnis 154 Behörde 54, 60, 65 Beleihung 59 Benehmen 130
Berlin 187, 189 Besoldung 150–151, 157 Bestellung 122, 173, 175, 178, 223 BfArM 41 Brandenburg 189–190 Brasserie du Pêcheur 100 Bremen 190–191 Bundesbehörde 57 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 41, 59 Bundesoberbehörde 25, 33, 65, 130 CE-Kennzeichnung 24 Deckungssumme 142 Deklaration von Helsinki 31 Demokratiegebot 66, 70, 119, 231 Dienstherr 165, 168, 172, 231 Dienstverhältnis 50, 167 Doppel-Blind-Verfahren 27 EG-Recht 113 Einvernehmen 130, 185 Entgelt 154 Entschädigung 35, 159 Entwicklungsphasen 28 Ethikkommission 20, 29, 42, 118, 126, 171, 178 Ethikkommissionen, private 59 Ethikkommissionen, privatrechtlich organisierte 219 Fahrlässigkeit 136, 222 Francovich I 109 Freistellung 182 Freistellungslösungen 225
Sachwortverzeichnis Funktionshaftung 120 Funktionstheorie 168–169, 171, 176 GCP-Verordnung 30, 33 Gebühr, Begriff 148 Gebühren 155 Gebührenanspruch 154 Gebührenbeamte 49, 61, 145, 152, 158, 163, 222 Gebührenbezug 152 Gefahrenabwehr 68 Gesamtschuldnerschaft 225 Grundrechte 125 Haftpflichtversicherung 193, 195 Haftung 22, 78, 82, 91, 178, 227 Haftung, persönliche 222 Haftungsausschluss 144, 157, 161 Haftungsbestimmungsregel 116 Haftungsgrundsatz, gemeinschaftsrechtlicher 107 Haftungsmasse 226 Haftungsprivilegierung 92 Haftungsrisiko 177 Haftungsüberleitung 79, 92, 145 Haftungsüberleitungsnorm 72 Haftungsverteilung 113, 117, 226 Haim II 110, 112, 114 Hamburg 192–193 Hessen 194, 196 Hochschulen 66, 68, 173 ICH/GCP-Leitlinien 30 Konle 110 Körperschaft 166, 174, 178 Laien 42, 137 Landesethikkommissionen 233 Landeshaftung 223, 233 Legitimation 71, 133, 220 Legitimationsdefizite 67
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Mecklenburg-Vorpommern 196, 200 Medizinproduktegesetz 22, 31, 144, 233 Medizinprodukteprüfung 55, 132 Minderjährige 34 Nebenwirkungen 27, 134 Niedersachsen 200–201 Nordrhein 203, 206 Nordrhein-Westfalen 201, 206 Organ 62 Organisationsrecht 63 Passivlegitimation 50, 60, 95, 100, 106, 113, 115, 164, 221, 232 Patienten 124 peer review 45 Primärrechtsschutz 48, 143, 222 Private 68 Probanden 27, 124 Probandenschutz 124 Probandenversicherung 48, 124 Prüfer 34 Prüfplan 26, 36, 45, 105, 124, 129, 131, 222 Prüfung, klinische 24, 222 Regress 231–232 Reichsbeamtengesetz 86 Reichsbeamtenhaftungsgesetz 75, 146 Reichsverfassung 75 Renten 22, 220, 234 Rheinland-Pfalz 206–207 Risiko 34, 141, 226 Saarland 207–208 Sachsen 208, 211 Sachsen-Anhalt 211, 214 Schaden 133, 232 Schadensersatz 45, 111, 116, 135 Schadensersatzanspruch 76, 90, 141, 221
248
Sachwortverzeichnis
Schadensersatzpflicht 72, 221 Schadensersatzrechtsreform 142 Schadenssumme 222 Schadensumfang 142 Schadensverursacher 129 Schädigergruppe 91 Schädigung 44, 141, 171 Schädigungsmacht 177 Schädigungspotenzial 232 Schleswig-Holstein 214, 217 Schmerzensgeld 142 Schmerzensgeldforderungen 44 Schuldner 178 Schutzzweck 133, 135 Selbstbestimmungsrecht 134 Sonderhaftungsregelung 94 Sonderregelung 181 Sorgfaltsmaßstab 136 Sorgfaltsstandards 138 Sponsor 33, 125, 135 Staatsgewalt 65 Staatshaftung 23, 45, 51, 74, 96, 109, 118, 160, 233 Staatshaftungsanspruch 72, 95, 97, 142, 221 Staatshaftungsanspruch, gemeinschaftsrechtlicher 97, 106, 113 Staatshaftungsgesetz 46 Staatshaftungsrecht 51 Statushaftung 120 Stiftungsuniversität 196, 227, 229, 234 Studie, multizentrische 129
Subsidiaritätsklausel 142 Subsidiaritätsprinzip 84 Thüringen 217–218 Trägerkörperschaft 49 Überleitungsnorm 72 Umsetzungsfrist 103 Unabhängigkeit 155 Universität 68, 224, 232 Verantwortlichkeit 72, 76, 83, 94, 113, 120, 126, 164, 170, 177 Vergütung 148, 156 Verschulden 78 Verschuldensprinzip 79 Versicherung 34, 140–141 Versorgungswerke 228 Versuchsteilnehmer 26, 103, 134 Verwaltungsakt 52, 55 Verwaltungsbehörde 62 Verwaltungsorganisation 58 Verwaltungsträger 62 Verzögerungsschaden 133 Vorsatz 136 Vorteilsangleichung 135 Westfalen-Lippe 203, 206 Widerspruch 143 Zentrale Ethikkommission 29 Zulassung 27 Zustimmendes Votum 57