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German Pages 362 Year 1991
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 601
Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Verwaltungsorganisationsrechts
Von
Günter Cornelius Burmeister
Duncker & Humblot · Berlin
GÜNTER CORNELIUS BURMEISTER
Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 601
Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Verwaltungsorganisationsrechts
Von Günter Cornelius Burmeister
Duncker & Humblot - Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme
Burmeister, Günter Cornelius: Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts: zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Verwaltungsorganisationsrechts / von Günter Cornelius Burmeister. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 601) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07153-0 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1 9 9 1 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07153-0
Vorwort Der Abschluß einer Promotion - die Arbeit wurde im Wintersemester 1990/91 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg angenommen - bildet eine bedeutsame Zäsur in der wissenschaftlichen Ausbildung. Dies vor allem dann, wenn man den Eindruck hat, daß sie den geistigen Horizont um Perspektiven erweiterte, die ansonsten nicht oder jedenfalls noch nicht zu diesem Zeitpunkt gewonnen worden wären. In diesem Bewußtsein darf ich meine Tätigkeit im Hochschulbereich abschließen und all jenen danken, die mich auf meinem Weg begleiteten - und hoffentlich auch in Zukunft weiter begleiten werden. Zunächst meinen Eltern, meiner Schwester sowie meiner Großmutter, die an meiner Ausbildung mit großem Interesse Anteil nahmen und stets verständnisvolle Zuhörer waren. Von den zahlreichen Hochschullehrern, die mein Denken geprägt und meinen Werdegang bestimmt haben, möchte ich vor allem den Professoren Dr. Rainer Arnold, Dr. Günther Jakobs, Dr. Peter Landau, Dr. Walter Schmitt Glaeser, Dr. Dieter Schwab und Dr. Udo Steiner danken: Prof. Arnold nicht nur dafür, daß er das Zweitgutachten zu der vorliegenden Arbeit erstellte, sondern auch für seine Vorlesungen über europäisches Staatsrecht; sie ermöglichten es mir gleich zu Beginn des Studiums, Jurisprudenz nicht nur unter dem (verengten) nationalen Blickwinkel zu betrachten; Prof. Jakobs (Strafrecht) und Prof. Schwab (Zivilrecht) dafür, die Erstsemester an "ihre" Rechtsbereiche in einer Weise herangeführt zu haben, die stets davor bewahrte, das Recht (später) unter ausschließlich öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu sehen; Prof. Landau (Zivilrecht und Rechtsgeschichte) schließlich dafür, daß er das Bewußtsein für die historische Dimension des Rechts entwickelte. Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Steiner. Sein Geschick, auch die sprödesten Materien des öffentlichen Rechts interessant darstellen zu können, mußte mich geradezu zwangsläufig zum öffentlichen Recht führen. Es war für mich eine große Ehre und Freude, daß er als mein Doktorvater die Betreuung der Arbeit übernahm. Ich fand in ihm nicht nur einen zu je-
Vorwort
6
der Zeit ansprechbaren Betreuer, sondern auch einen Wissenschaftler, der den Ansichten seiner Doktoranden stets mit wissenschaftlicher Toleranz begegnete. Von Herzen danke ich auch Herrn Senator Prof. Schmitt Glaeser, dessen Assistent ich in den letzten Jahren sein durfte. Nicht nur dafür, daß er meine Arbeit in menschlich angenehmer Atmosphäre begleitete und er mir - zusammen mit seiner Familie und unserer Mitarbeiterin Frau Marlen Eckenberger - als Bayreuther Neuling den Einstieg erleichterte. Ich danke ihm auch für das Engagement, mit dem er meine wissenschaftliche Fortbildung - sowohl durch Lob als auch durch Kritik - betrieb. Über das Fachliche hinaus gewann ich durch ihn Einsichten, die auch für mein zukünftiges Handeln Maßstab sein werden. Es ist mir ein Bedürfnis, ihm die Arbeit zu widmen.
Bayreuth im April 1991 Günter C. Burmeister
Inhaltsverzeichnis Einleitung Α.
Ausgangsthesen
21
Β.
Thematische Begrenzung auf bestimmte Arten von Organisationsmaßnahmen
22
C.
Praktische Relevanz
24
I. II. III. D.
Die Bedeutung verfassungsrechtlicher Einzelbestimmungen
25
Die Bedeutung einfachgesetzlicher Bestimmungen
25
Die Bedeutung der Staatspraxis
27
Bearbeitungsgang
28 Erster Teil
Die Bedeutung der Gesetzgebung für das Verhältnis von Parlament und Exekutive
29
Erstes Kapitel Skizzierung von Lösungsansätzen
30
A.
Art. 87 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz
30
B.
Verfassungshistorischer Ansatz
31
C.
Das Rechtsstaatsprinzip
31
I. II. III. D.
Der Rechtssatzvorbehalt
32
Der Eingriffsvorbehalt
35
Konkrete organisationsrechtliche Folgerungen
37
Das Demokratieprinzip
38
8
Inhaltsverzeichnis I. II.
Stimmen der rechtswissenschaftlichen Literatur
39
Die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
39
1.
Die Wesentlichkeitstheorie als kompetenzbegründende Lehre
40
a)
Die Vagheit des Wesentlichkeitskriteriums
42
b)
Die institutionell-demokratische Legitimation der Exekutive als Korrektiv
43
Abgrenzung zu grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten - Begrenzung des Prüfungsmaßstabs
44
c) 2. III.
Die Wesentlichkeitstheorie als Delegationsgrenze
Konkrete organisationsrechtliche Folgerungen
45 46
Zweites Kapitel Verfassungshistorische Betrachtungen zu den Kompetenzen der Vertretungskörperschaft
47
A.
Der Eingriffsvorbehalt
47
B.
Der Gesetzesvoibehalt als grundrechtsungebundenes objektives Prinzip
50
I.
Die Verwaltungsorganisation als Anwendungsgebiet der Wesentlichkeitstheorie
51
Verwaltungsorganisationsrechtliche Gesetzesvorbehalte in den Landesverfassungen
53
C.
Die Bedeutung der Souveränitätsfrage für die parlamentarischen Mitwirkungsrechte
55
D.
Der Einfluß der Souveränitätsfrage auf den Gesetzesbegriff
58
II.
I. II.
Das funktionelle Korrektiv: Die materielle Anreicherung des Gesetzesbegriffs
60
Souveränitätsfrage und Staatsaufgaben
61
1.
Die Souveränitätsfrage
61
2.
Die Staatsaufgaben
63
E.
Die demokratische Wurzel des Gesetzesvorbehalts
63
F.
Die fakultativen Gesetze und der inhaltlich offene Gesetzesbegriff
65
I. II.
Verwaltungsorganisation und "fakultative Gesetze"
66
Die vielfältige Bedeutung der "fakultativen Gesetze"
68
Inhaltsverzeichnis 1.
Die Relativität konstitutionellen Verfassungsrechts
68
2.
Die Kompetenzausweitung der Vertretungskörperschaften über den Gesetzesvorrang
69
Das Zugriffsrecht der Vertretungskörperschaft
69
3.
Drittes Kapitel Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvorbehalts A.
Funktionswandel und grundgesetzliche Mediatisierungsstufen I.
II. III. B.
II. III. C.
71
Grundgesetzliche Mediatisierungsstufungen
73
Anthropologische Gründe für die Entstehung des Spannungspotentials
75
77
Personell-demokratische contra institutionell-demokratische Legitimation . . .
79
Die Frage nach der faktisch gleichen Legitimationsintensität
80
Das Verhältnis von personeller und institutioneller Legitimation 1. 2. 3.
II. III. D.
76
Die Präponderanz des Bundestags
Die Bedeutung der personell-demokratischen Legitimation I.
71
Der Gesetzesvorbehalt als Instrument zur Optimierung der verfassungsrechtlichen Grundidee "Demokratie"
Der Mediatisierungsgrad von Exekutive und Legislative I.
70
81 82
Die personell-demokratische Legitimation von Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht
83
Die Herbeiführung personell-demokratischer Legitimation durch die "Ernennungskette"
84
Menschenwürde und Staatsorganisation
86
Das demokratische Prinzip als "Grundgrundprinzip"
87
Organisatorisch-institutionelle Folgerungen
89
Der Souverän im Verfassungsstaat
90
Viertes Kapitel Die unmittelbare demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive A.
Das legislative Zugriffsrecht als Ausdruck kompetenzieller Konkurrenz
92 93
10
Inhaltsverzeichnis
Β.
Die Abkehr von konstitutionellen Frontstellungen
94
C.
Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und die Komplementärfunktion der Exekutive
95
I.
Machtbalance und Gewaltenteilung
95
Kompetenzvakuen und Sozialstaat
96
III.
Die faktischen Grenzen parlamentarischer Regelungsmacht
97
IV.
Das Sozialstaatsprinzip und der Gesetzesvorbehalt als Verbot mit Erlaubnisvoibehalt
98
II.
Zweiter Teil
Beschränkungen und Modifikationen der parlamentarischen Präponderanz
ιοί
Erstes Kapitel Kompetenzielle Beschränkungen durch einen materiellen Rechtssatzbegriff A.
Die "Emanzipation" des Gesetzes als Folge veränderter Rahmenbedingungen I. II.
B.
II.
103
Die institutionelle Pluralität des konstitutionellen Gesetzgebers
104
Folgen der homogenen Struktur des demokratischen Gesetzgebers
105
1.
Die Gefahren für den außerstaatlichen Bereich (Individuum)
105
2.
Die Gefahren für den innerstaatlichen Bereich (Exekutivbereich)
106
Aussagen des Grundgesetzes zum Gesetzesbegriff I.
103
Das Verbot des Einzelfallgesetzes (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG)
107 108
Das Gesetz im hochkomplexen Sozialstaat
109
III.
Gesetzgebung als eine Funktion parlamentarischer Tätigkeit
111
IV.
Der Bundesrat und seine Korrektivfunktion
112
Zweites Kapitel Beschränkungen und Modifikationen parlamentarischer Präponderanz durch den 8. Abschnitt des Grundgesetzes A.
Die Organisationsgewalt
113 114
Inhaltsverzeichnis I.
II.
Der Inhaber der Organisationsgewalt nach Art. 86 Satz 2 GG
115
1.
Die Organisationskompetenz als Akzidenz der gesetzlichen Sachregelung 115
2.
Grundsätzliche Regelung
117
3.
Alternativauslegung: Art. 86 Satz 2 GG als "Disziplinierungsvorschrift"
118
Der Inhalt der Organisationsgewalt und terminologische Schwierigkeiten
119
1.
Erfüllung öffentlicher Aufgaben
119
2.
Die nichtgesetzesakzessorische Verwaltung
120
3.
Der Begriff der "Behörde" und der "Einrichtung" bzw. "Errichtung"
120
a)
b)
Gründe für die untechnische Verwendung von bestimmten Begriffen 121 aa) Regelungskomplexität
122
bb) Die organisationsrechtlich relevanten Einzelfaktoren
123
Auswirkungen auf die Reichweite der bundesrechtlichen Organisationsgewalt 125 aa) Der Behördenbegriff und der Gesetzesvorbehalt nach Art. 84 Abs. 1 GG 125 bb) Der Errichtungsbegriff
B.
Das legislative Zugriffsrecht nach Art. 86 Satz 2 GG und seine Beschränkungen
126
I.
Die Struktur des Zugriffsrechts und des Gesetzesvorbehalts
127
II.
Allgemeines zur Beschränkung des legislativen Zugriffsrechts
129
1.
Methodische Vorüberlegungen
129
2.
Das Bedürfnis nach einer Beschränkung des legislativen Zugriffsrechts
130
III.
Der "Verwaltungsvorbehalt" als Grenze des Zugriffsrechts
132
1.
Der Gewaltenteilungsgrundsatz
133
2.
Der Gesetzesvollzug als Teil des Verwaltungsvorbehalts
134
3.
Beschränkung auf den nichtministeriellen Verwaltungsbereich
136
a)
Die praktische Relevanz am Beispiel Nordrhein-Westfalens
136
b)
Die Ministerialorganisation und Art. 86 Satz 2 GG
139
4. C.
126
Das Verbot negativer Sperrgesetze
Modifikationen der kompetenziellen Verteilung der Organisationsgewalt
142 144
I.
Die Bundesfinanzverwaltung
145
II.
Die Bundeswehrorganisation
145
12
Inhaltsverzeichnis III.
Die fakultative unmittelbare Bundesverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz 146
Drittes Kapitel Art 87 Abs. 3 GG und seine Bedeutung im Organisationsrecht A.
Funktion und Struktur des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG I. II.
B.
II.
147
Art. 87 Abs. 3 GG als kompetenz-begründendes Instrument des Gesamtstaates 147 Der Sicherungsmechanismus des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG
149
1.
Akzessorietät zwischen Organisations- und Sachregelung
149
2.
Numerus clausus der Organisationstypen
151
Der "föderativ-institutionelle" Gesetzesvorbehalt nach 87 Abs. 3 Satz 1 GG I.
147
Der Regelungsinhalt
152 153
Errichtung und Aufgabenübertragung durch formelles Gesetz oder Rechtsverordnung 157 Viertes Kapitel Ansätze zur Verallgemeinerungsfahigkeit des Art 87 Abs. 3 Satz 1GG
158
A.
Landesverfassungsrechtlicher Aspekt
159
B.
Der Gesetzesvorbehalt als Ausdruck besonderer Wesentlichkeit (für das Strukturprinzip Bundesstaat) 161 Dritter Teil
Die Ergänzungsbedürftigkeit des 8. Abschnitts
163
Erstes Kapitel Der fragmentarische Charakter des 8. Abschnitts
163
A.
Die Zielrichtung des Verfassunggebers
165
B.
Folgerungen
167
Inhaltsverzeichnis
13
Zweites Kapitel Die Ergänzung des grundgesetzlichen Organisationsrechts durch die Rezeption kompetenzieller Grundsatze
168
A.
Allgemeine Probleme einer globalen Rezeption
169
B.
Der Inhaber der Organisationsgewalt unter der Weimarer Reichsverfassung
171
C.
Gesetzliche Organisationsregelungen unter der Weimarer Reichsverfassung
172
I. II.
III.
IV.
Das Zugriffsrecht unter der Weimarer Reichsverfassung
173
Art. 14 Weimarer Reichsverfassung
173
1.
Art. 14 WRV und die Zuständigkeit des Parlaments
173
2.
Art. 14 WRV und die Formen reichseigener Verwaltung
174
3.
Folgerungen
174
Das föderative Prinzip und die Funktion des Parlaments 1.
Die Begründung neuer Verwaltungskompetenzen nach der Reichsverfassung von 1871 176
2.
Die Begründung neuer Verwaltungskompetenzen nach dem Grundgesetz 177
3.
Die Verwaltungskompetenz und ihre Bedeutung für das föderalistische Prinzip 178
4.
Folgerungen
180
Die Weitergeltung konstitutionellen Organisationsrechts und die Rückwirkungen auf die Kompetenzverteilung 180 1.
2.
3. D.
175
Organisationsrechtliche Regelungen auf Landes- und Reichsebene zur Zeit des Kaiserreichs 181 a)
Die Reichsverfassung als "konstituierende" Verfassung
181
b)
Gesetzliche Organisationsregelungen
182
Die rechtliche Problematik einer kompetenziellen Anknüpfung an förmliche Gesetze des Kaiserreichs 183 a)
Probleme der institutionellen Vergleichbarkeit
185
b)
Probleme der funktionellen Vergleichbarkeit
185
Folgerungen
187
Der institutionelle Gesetzesvorbehalt im Bereich der "Verfassungsverwaltungen"... 187 I.
Anzahl und Eigenart der "Verfassungsverwaltungen"
188
14
Inhaltsverzeichnis II.
III.
Diç organisationstypologische Abstinenz der Weimarer Reichsverfassung . . . 190 1.
Die Verwaltungstypologie des Kaiserreichs
191
2.
Auswirkungen der föderativen Indifferenz auf die Verwaltungstypologie
192
Die Bedeutung der Organisationstypologie für die Verteilung der Organisationsgewalt 192 Drittes Kapitel Kompetenzverdichtende Faktoren
A.
Die Nähe des Organisationsrechts zur eingriffsrelevanten Sachregelung als "Verdichtungsfaktor" 195 I.
II.
III. B.
193
Gründe für die Relativierung der selbständigen Bedeutung des Organisationsrechts 197 1.
Organisationsregelungen als Mittel der Grundrechtsverwirklichung
197
2.
Die Regelung der "Zuständigkeiten"
199
Landesverfassungsrechtliche Aussagen 1.
Zuständigkeitsregelungen als Teilaspekt des Organisationsvorbehalts . . . 200
2.
Unterscheidung von Zuständigkeits- und Eingriffsvorbehalt
200
3.
Die ambivalente Ausrichtung von Zuständigkeitsregelungen
201
4.
Das Publizitätserfordernis
202
Die Prämisse der Wesentlichkeitsrechtsprechung
Die politische Umstrittenheit und die Ratio des Gesetzgebungsverfahrens I.
II.
200
203 204
Das Kriterium der "politischen Umstrittenheit"
204
1.
Kritik
205
2.
Materielle Aspekte
206
3.
Methodische Aspekte
206
Die Bedeutung des Gesetzgebungsverfahrens für die Bestimmung der Verdichtungsfaktoren 208 1.
Das exklusive Korrespondenzverhältnis von Entscheidungsträger und Entscheidungsverfahren 209
2.
Das Verhältnis von Gesetzgebungsverfahren und Gesetzesform
210
3.
Die Ratio des Gesetzgebungsverfahrens
210
a)
211
Elemente des Gesetzgebungsverfahrens
Inhaltsverzeichnis b)
Die Ausgleichsfunktion des Parlamentsgesetzes
211
c)
Die Ratio der Ausgleichsfunktion (Legitimationsfunktion)
213
Vierter
Teil
Die Wertungen des 8. Abschnitts und die Bedeutung der Verfassungsstrukturprinzipien
215
Erstes Kapitel Methodische Vorüberlegungen
216
A.
Konkretisierungen der Staatsstrukturprinzipien in institutionalisierter Form
216
B.
Die Betroffenheit grundgesetzlicher Grundwerte durch Organisationsmaßnahmen.. 217 Zweites Kapitel Mittelbare Staatsverwaltung allgemein
A.
Organisatorische Wahlfreiheit und die Gründe für mittelbare Staatsverwaltung I. II. III.
B.
Mittelbare Staatsverwaltung und Staatsaufgabenentwicklung
219 219
Formen mittelbarer Staatsverwaltung als effektive Verwaltungsinstrumentarien 221 Die einzelnen Erscheinungsformen mittelbarer Staatsverwaltung
222
1.
Die öffentlich-rechtliche Körperschaft
222
2.
Die öffentlich-rechtliche Anstalt
224
3.
Die öffentlich-rechtliche Stiftung
227
4.
Juristische Personen des Privatrechts
228
5.
Der Beliehene
229
6.
Zusammenfassung
230
Die Beschränkung organisatorischer Wahlfreiheit I.
218
231
"Legitime öffentliche Aufgaben"
232
Exklusiv staatliche Aufgaben
232
III.
Das verfassungsrechtliche Koordinierungsgebot
233
IV.
Institutionelle Rückwirkungen des Art. 33 Abs. 4 GG
234
II.
16
Inhaltsverzeichnis V. VI.
VII.
Der Ausnahmecharakter privatrechtlich strukturierter Verwaltung
235
Ausschluß privatrechtlicher Organisationsformen aufgrund materieller Folgewirkungen 235 1.
Das Verwaltungsprivatrecht
236
2.
Die Ablehnung einer organisationsrechtlichen Lösung
237
Art. 87 Abs. 2 GG
239
Drittes Kapitel Die Strukturmerkmale mittelbarer Staatsverwaltung A.
Bundesunmittelbare Verwaltung nach Art. 87 Abs. 1 GG I. II.
B.
241
Juristische Verselbständigungen im Bereich des Art. 87 Abs. 1 GG
243
Die ratio legis des Art. 87 Abs. 1 GG
244
Mittelbare Staatsverwaltung als Prinzip institutionell gestufter Verantwortlichkeit . . 246 I. II.
C.
240
Die Distanz zum Muttergemeinwesen
247
Die Rückbindung an das Muttergemeinwesen
249
Die organisatorisch-institutionelle Rückbindung I. II.
III.
Das Aufsichtsrecht bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts
251 252
Die Intensität der Rückbindung durch unterschiedliche Aufsichtsformen
253
1.
Die Rechtsaufsicht
254
2.
Die Fachaufsicht
254
Die Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Aufsichtsform
255
1.
Die "selbständige" Bundesoberbehörde
256
2.
Das staatsrechtliche venire contra factum proprium
257
3.
Beschränkung der Ausgestaltungsfreiheit unter grundrechtlichen Gesichtspunkten 258
4.
Die Unterschiedlichkeit von Kontrolle und Leitung
259
Inhaltsverzeichnis
17
Fünfter Teil
Das parlamentarische Regierungssystem und kompetenzielle Folgerungen
262
Erstes Kapitel Die Bewertung von Steuerungsdefiziten
263
in der rechtswissenschaftlichen Literatur A.
Die "Einheit der Verwaltung" als Rechtsgrundsatz I. II.
B.
Die "Einheit der Verwaltung" als verwaltungswissenschaftlicher Terminus . . . 270 Grundgesetzliche Bestandsaufnahme
Ableitungsansätze I. II.
268
271 272
Die "Einheitlichkeit der Verwaltung" gemäß Art. 77 Abs. 2 BV
273
Sonstige Ableitungsversuche
274
1.
Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz
274
2.
Art. 95 Grundgesetz
275
3.
Art. 35 Abs. 1 GG und der Staat als Wirkeinheit
275
Zweites Kapitel Die "Einheit der Verwaltung"
A.
und ihre verfassungsstrukturelle Verankerung
277
Das Demokratieprinzip und die sachlich-inhaltliche Legitimation
277
I. II. B.
Die "Kontrolle" als institutionelles Bindeglied zwischen Demokratieprinzip und Verwaltungsorganisation 278 Die Bedeutung des exekutiven Weisungsrechts
Ausgangsfragen
279 280
Drittes Kapitel Die Existenz sachlich-inhaltlicher Legitimationsdefizite A.
281
Der gesetzliche Steuerungsstrang als Grundlage für sachlich-inhaltliche Legitimation 281
2 Burmeister
18 Β.
Inhaltsverzeichnis Das parlamentarische Regierungssystem als Grenze institutioneller demokratischer Legitimation 283 I. II.
Die parlamentarische Kontrollfunktion
284
Kontrolle und Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers
285
III.
Das exekutive Einzelweisungsrecht als Folge parlamentarischer Verantwortlichkeit 285
IV.
Auswirkungen des parlamentarischen Regierungssystems
286
Die parlamentarische Verzichtskompetenz
287
V. VI.
Die Problematik der "Verzichtstheorie" im Bereich ministerialfreier Räume .. 288 Viertes Kapitel Die exekutive Eigenständigkeit und die Disponibilität des Weisungsrechts
A.
Die eigenständige Funktion der Regierungsaufgabe und die Auswirkungen auf das ministerielle Weisungsrecht 290 I.
II.
B.
289
Die Verantwortlichkeit des Ministers
291
1.
Die Verantwortung des Bundeskanzlers gegenüber dem Bundestag (Art. 65 Satz 1 GG) 291
2.
Das Ressortprinzip und die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers.. 293
Einwirkungen des Parlaments auf die Richtlinienkompetenz und Auswirkun- 295 gen auf das ministerielle Weisungsrecht
Die Richtlinienkompetenz nach Art. 65 Satz 1 GG als "Exklusivkompetenz" des Bundeskanzlers 296 I.
Die Variabilität von Regierungsaufgaben
297
Die Aufgabenakzessorietät des exekutiven Weisungsrechts
301
III.
Die Komplementärfunktion als Zugriffsschranke
302
IV.
Ergebnis
304
II.
Fünftes Kapitel Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
305
A.
Die Verzichtskompetenz des Parlaments
307
B.
Kritik an der Veizichtstheorie
309
Inhaltsverzeichnis I.
II.
Unmöglichkeit eines Verzichts mangels Rechtsinhaberschaft oder Verfügungsbefugnis 309 Das Kernproblem: Die Substituierung der exekutiven Vollzugsfunktion
310
III.
Art.24Abs.lGG
310
IV.
Relativierungen des mittelbaren Steuerungsstrangs
312
1.
Das parlamentarische Regierungssystem auf Länderebene (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) 312
2.
Steuerungsdivergenzen auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene
314
a)
Die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder (Art. 83 GG) 314
b)
Die Bedeutung des Ressortprinzips (Art. 65 Satz 2 GG)
c)
Die unmittelbare Befehlsgewalt des Bundeskanzlers im Verteidigungsfall (Art. 115b GG) 316
315
Sechstes Kapitel Die institutionelle Regelungsdichte
317
A.
Das Delegationsverbot
317
B.
Abstrakte Bestimmung der die Regelungsdichte determinierenden Faktoren
319
I. II.
Der korrelative Zusammenhang zwischen Gesetz und Weisung
Der korrelative Zusammenhang zwischen sachlich-inhaltlicher und personelldemokratischer Legitimation 320
III.
Die Zuordnungsfunktion des Parlaments
321
IV.
Die Bedeutung der Sachaufgabe
321
C. Institutionelles Regelungsminimum I.
II. III. D.
319
323
Die Bestimmung des Aufgabenkreises durch Spezialgesetz
324
1.
Das Spezialgesetz
324
2.
Die Bedeutung der Aufgabenbestimmung
325
Das Aufsichtsrecht (Maßstab - Instrumente - Aufsichtsbehörde)
327
Die Geschäftsführung
328
Die Zustimmungsverordnung
329
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung in Thesen Literaturverzeichnis
Einleitung Α. Ausgangsthesen
Nicht nur für Eingriffe der Exekutive in Individualrechtsgüter postuliert das Grundgesetz eine gesetzliche Grundlage; teilweise unterwirft es auch staatsorganisatorische Maßnahmen ausdrücklich einem Gesetzesvorbehalt. Dies geschieht beispielsweise in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG für die Einrichtung von Behörden der immittelbaren Bundesverwaltung; in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG für die Errichtung von Bundesoberbehörden bzw. Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts; in Art. 87a Abs. 1 GG für die Organisation der Streitkräfte; schließlich in Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG für den Aufbau der Finanzverwaltung. Eine Untersuchimg, die die Frage nach der Existenz eines allgemeinen institutionellen1 GesetzesVorbehalts 2 stellt, ist deshalb gezwungen, sich mit drei grundlegenden Problembereichen auseinanderzusetzen: - Sie muß zum einen den Nachweis dafür erbringen, daß das Grundgesetz durch die ausdrücklichen Kompetenzverteilungsvorschriften keine abschließende und erschöpfende Festlegung der Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Exekutive oder gar eine Kompetenzvermutung zugunsten der Exekutive3 getroffen hat. Anders gewendet: Sie muß die Existenz eines numerus clausus ausdrücklich fixierter parlamentarischer Zuständigkeiten allgemein und für den Bereich der Verwaltungsorganisation im besonderen 1
Arnold Köttgen verwendete diesen Begriff 1957 in seinem Vortrag vor den deutschen Staatsrechtslehrern über "Die Organisationsgewalt" (WDStRL 16 (1958), S. 154 ff.) erstmals (so auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 95, dort in FN 24). 2 Den Begriff des Gesetzesvorbehalts prägte Otto Mayer (so auch D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 31). 3 Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil v. 29.7.1952, - 2 BvE 2/51 -, = BVerfGE 1, 372 (394)), führte in einer seiner ersten Entscheidungen beispielsweise aus: "In der parlamentarischen Demokratie ist grundsätzlich dem Parlament die Rechtsetzung vorbehalten und der Exekutive die Regierung und Verwaltung übertragen. ... Nach Art. 65 GG bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und trägt dafür Verantwortung.... Die Rechtsvermutung spricht für die Ausschließlichkeit dieser ausdrücklich statuierten Zuständigkeit der Regierung Der Bundestag kann diese Funktion der Regierung nicht übernehmen ..."
22
Einleitung
ablehnen. Dieses Nachweises bedarf es schon deshalb, weil die deutsche Verfassungsgeschichte ungeschriebene Zuständigkeiten des Parlaments namentlich im Bereich des Organisationsrechts - nicht als Selbstverständlichkeit ausweist4, sowohl die Existenz eines allgemeinen5 wie auch eines institutionellen6 Gesetzesvorbehalts bestritten wird und die Annahme eines fest umgrenzten parlamentarischen Aufgabenbereichs nicht schon mit dem Hinweis auf dessen fehlende Praktikabilität abgetan werden kann7. - Zum anderen muß sie jenes Kriterium bestimmen, das die Konkurrenz zwischen exekutiver und legislativer Zuständigkeit zugunsten letzterer entscheidet; sie hat das die exklusive Zuständigkeit des Parlaments begründende Merkmal zu eruieren. - Letzteres setzt wiederum den Nachweis voraus, daß die Ablehnung eines numerus clausus ausdrücklich fixierter parlamentarischer Zuständigkeiten nicht zwangsläufig eine generelle parlamentarische Exklusivkompetenz, eine parlamentarischen Totalvorbehalt, nach sich zieht.
B. Thematische Begrenzung auf bestimmte Arten von Organisationsmaßnahmen Wer sich der Frage nach der funktionellen Verteilung der Organisationsgewalt8 nähert, sieht sich vor die Notwendigkeit gestellt, den Kreis jener nicht 4
Noch 1957 hielt E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (68), die Feststellung für notwendig, "Verfassungsbestimmungen, die dem Parlament ausdrücklich eine Mitwirkung sichern, (seien) nicht eng auszulegende Ausnahmebestimmungen, sondern Ausdruck eines allgemeinen Prinzips."; vgl. auch B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 132: "So kann das Demokratieprinzip über die im Grundgesetz niedergelegten Gesetzesvorbehalte hinaus keine weiteren begründen. Es ist in ihnen sowie im Zugriffsrecht des Gesetzgebers schon konkretisiert und gewissermaßen aufgehoben." (einerseits) und D. Grimm in: Papier/Grimm, Nordrhein-westfalisches Staatsrecht, S. 40: "Welche Gegenstände der Regelung durch förmliches Gesetz bedürfen, geht nicht vollständig aus der Landesverfassung hervor. Die ausdrücklich genannten Fülle ... sind nicht abschließend." (andererseits). 5 Vgl. dazu die von P. Badura, Gesetzgeber und Verwaltung (Diskussionsbeitrag), S. 210, als radikal apostrophierte These K. Vogels, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (156): " das deutsche Verfassungsrecht sollte auf diese Rechtsfigur, als überflüssig, verzichten." 6 7
So H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 177.
Wie vor allem ein Vergleich mit der französischen und portugiesischen Verfassung Abs. 1 Satz 2franzVcrf.; Art. 164 - 168 portVed.) belegt; R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 84, dort in FN 2, sowie ders., Staatslehre, S. 269. g D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (569).
(Art. 34
Einleitung
bereits von ausdrücklich fixierten Gesetzesvorbehalten erfaßten Organisationsmaßnahmen zu begrenzen 9. Ein erster Blick in den 8. Abschnitt des Grundgesetzes hat bereits deutlich werden lassen, daß nur ein begrenzter Bestand an Organisationsmaßnahmen von ausdrücklichen institutionellen Gesetzesvorbehalten erfaßt wird: Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG fordert nicht für alle Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung eine gesetzliche Grundlage, sondern nur für solche, die einem bestimmten Aufgabenkreis zuzurechnen sind. Auch Art. 87a sowie Art. 108 GG beziehen sich nur auf bestimmte Behörden. Offen bleibt damit die Rechtslage für eine nicht unerhebliche Anzahl von organisatorischen Maßnahmen. Innerhalb dieses Bestandes bedurfte es jedoch einer Abschichtung. Dabei wird nicht verkannt, daß den in dieser Arbeit zugrundegelegten Selektionskriterien ein gewisser Dezessionismus anhaftet. Gleichwohl wird angenommen, daß die folgenden Kriterien einer kritischen Betrachtung standhalten. Als Bestimmungsfaktoren dienten: - Das Ausmaß, in dem die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für bestimmte Organisationsmaßnahmen wissenschaftlich Beachtung fand; sie wurde als Indiz dafür gewertet, ob überhaupt ernsthaft gesetzliche Regelungsnotwendigkeiten in Betracht gezogen werden durften; - die Intensität der "Außenwirksamkeit" einer Maßnahme; - deren Typisierbarkeit sowie ihre - praktische und quantitative Bedeutimg. Schwerpunktmäßig wurden daher Organisationsmaßnahmen untersucht, die nach der verwaltungswissenschaftlichen Terminologie die "Außauorganisation" betrafen, so daß personelle, dienstrechtliche und verfahrensrechtliche10 Aspekte weitgehend ausgeklammert werden konnten; sie werden überwiegend ohnehin nicht als Gegenstand des Organisationsrechts angesehen11. Innerhalb der auf die Aufbauorganisation abzielenden Maßnahmen wurden Dem entspricht die von Danckwert im Rahmen der Beratungen zur Niedersächsischen Verfassung getroffene Aussage, "den Umfang der Organisationsgewalt im einzelnen zu regeln, (sei) nahezu ausgeschlossen."; Verfassungsausschuß Niedersachsen, S. 272. Siehe zur Begrenzung des Priifungsmaßstabs unten: Erster Teil, Erstes Kapitel, D. II. 1. c) sowie D. II. 2. 10 11
Dazu H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 14 ff.
Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II (4. Auflage), S. 12, betont, zum Verwaltungsorganisationsrecht im engeren Sinne gehöre nicht das Recht des öffentlichen Dienstes, also nicht das Recht, "durch das Menschen verpflichtet und berechtigt werden, die Funktion jener organisatorischen Institution auszuüben ... und auch nicht das Recht des Verfahrens der Erzeugung, Anwendung und Durchsetzung des objektiven Verwaltungsrechts ... und der Verwaltungsakte"; vgl. dazu auch E. Schmidt-Jortzig, Kommunale Organisationshoheit, S. 17; H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 14, sowie W. Krebs, Verwaltungsorganisation, S. 567 (581/582).
24
Einleitung
darüber hinaus wiederum solche von der Untersuchimg ausgenommen, die die Errichtung von Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung betrafen. Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden vielmehr jene Organisationsakte, die im Zusammenhang mit der sogenannten "mittelbaren Staatsverwaltung" stehen12. Organisationsmaßnahmen der Innenorganisation wurde jedoch insoweit Beachtimg geschenkt, als sie auf die institutionell abgesicherte Verankerung von weisungsfreien Einrichtungen innerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung abzielten. Ausgehend davon bildeten typologisch die folgenden Organisationsakte den Untersuchungsgegenstand: 1. Errichtungsvorgänge, also Maßnahmen, die auf die Schaffung und Ausgestaltung von verselbständigten Verwaltungsträgern gerichtet sind; 2. Übertragungsvorgänge, d. h. auf Verlagerung von öffentlichen Aufgaben und Befugnissen abzielende Akte; 3. Differenzierungsvorgänge; gemeint sind damit Organisationsmaßnahmen, die final die "Abkoppelung" bestimmter Aufgabenbereiche innerhalb der staatlichen Verwaltung bezwecken13.
C. Praktische Relevanz Auf den ersten Blick mag die Untersuchung durch die solchermaßen vorgenommene thematische Begrenzung in den Verdacht geraten, ihre praktische Relevanz (wieder) einzubüßen. Dafür scheinen auch noch andere Faktoren zu sprechen: Zunächst jene Stimmen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum, die mit Hinweisen auf die gängige Staatspraxis oder einfachgesetzliche Vorschriften den Eindruck erwecken, hinsichtlich der wichtigsten organisatorischen Maßnahmen sei die Frage eines institutionellen Gesetzesvorbehalts bereits geklärt. Rietdorf führt beispielsweise im Zusammenhang mit dem Landesorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen aus, das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für die Errichtung von rechtsfähigen Körper-
12 Dies erschien umso mehr gerechtfertigt, als angenommen wird, im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung würden die "Anpassungen an neue Zeitanschauungen und Aufgaben im öffentlichen Leben" besonders deutlich zum Ausdruck gelangen; so W. Weber, Der nicht staatsunmittelbare Organisationsbereich, S. 137. 13
R. Breuer, Die öffentlichrechtliche Anstalt, S. 211 (235); siehe zur Einführung von weisungsfreien Räumen, partizipatorischen Binnenstrukturen und Mitverwaltungskompetenzen näheres bei A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 6.
Einleitung
Schäften entspreche nicht nur der überwiegenden Meinung in der Literatur, sondern auch "der herrschenden Staatspraxis"14.
I. Die Bedeutung verfassungsrechtlicher Einzelbestimmungen
Zu den Stimmen, die den Eindruck erwecken, die Frage des institutionellen Gesetzesvorbehalts sei dogmatisch geklärt, treten schließlich jene, die annehmen, das Grundgesetz selbst habe bereits eine ausdrückliche und erschöpfende Regelung getroffen. So ist die Ansicht anzutreffen, auf Bundesebene könne schon den Art. 87 Abs. 3 und Art. 84 Abs. 1 GG entnommen werden, daß es für die Errichtung von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und öffentlich-rechtlichen Anstalten immer einer gesetzlichen Grundlage bedürfe 15; teilweise wird auch Art. 86 Satz 2 GG als Beleg dafür herangezogen, "dass das Grundgesetz davon ausgeht, dass der Bund, falls er die Gesetze durch bundesunmittelbare Körperschaften ausführt, dieses mittels eines Gesetzes tun muss"16. Konsequent wird gefolgert, das Problem konzentriere sich (ausschließlich) auf die Länderebene17. Die Einwendungen verdeutlichen, daß bereits jenseits spezieller organisationsrechtlicher Fragestellungen verfassungsdogmatische Unklarheiten eines erstaunlichen Ausmaßes schon über konkrete Normen des grundgesetzlichen Organisationsrechts bestehen. Nicht zuletzt dieser Umstand bildet den Grund dafür, warum im Verlauf der Untersuchimg einzelne Bestimmungen des 8. Abschnitts näher durchleuchtet werden mußten.
I L Die Bedeutung einfachgesetzlicher Bestimmungen
Bereits an dieser Stelle dürfen jedoch zwei Einwendungen, die auf den Nachweis fehlender praktischer Relevanz abzielen, kritisch gewürdigt werden. Ihre Fragwürdigkeit leitet sich schon aus allgemeinen Prinzipien des 14
F. Rietdorf, Die Organisation der Landesverwaltung, S. 593 (606).
15
H. Krüger, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, S. 263 (266); H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 104, spricht davon, daß "die gesamte mittelbare Staatsverwaltung des Bundes" durch Art. 87 Abs. 3 GG unter einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt gestellt worden sei. 16
H. Lynker, Rechtsgrundlagen der öffentlichen Körperschaft, S. 17/18.
17
H. Lynker, Rechtsgrundlagen der öffentlichen Körperschaft, S. 31.
26
Einleitung
Rechts, namentlich des Verfassungsrechts, ab; eines vertieften Eingehens auf spezielle grundgesetzliche Aussagen bedarf es dazu erst gar nicht. Soweit mit dem Hinweis auf einfachgesetzliche, darüber hinaus nicht einmal der bundesrechtlichen Ebene zuzurechnende Bestimmungen, wie ζ. B. dem Landesorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen, eine Klärung des Untersuchungsgegenstands angenommen, zumindest aber angedeutet wird, liegt ein methodischer Fehlschluß vor. Nur das in der Normenhierarchie am höchsten stehende Bundesverfassungsrecht ist in der Lage, das einfache (Landes-) Recht zu beeinflussen, nicht aber umgekehrt das einfache Recht das Verfassungsrecht18. Dem einfachen Recht kann allenfalls die Bedeutung zufallen, Verfassungsrecht (deklaratorisch) wiederzugeben. Zur Feststellung des deklaratorischen Charakters einfachgesetzlicher Vorschriften bedarf es aber der Auslegung jener Verfassungsvorschrift, deren Aussage gerade in Frage steht. Die Bestimmung der Rechtsnatur einfachgesetzlicher Vorschriften führt, da der einfache Gesetzgeber bei der Interpretation von Verfassungsnormen "keine höhere Autorität beanspruchen (kann) als die allgemeine rechtswissenschaftliche Auslegungspraxis"19, somit regelmäßig zum Ausgangsproblem zurück. Auch das Bundesverfassungsgericht hob in einer Entscheidung, in der es sich speziell mit der Frage nach der Notwendigkeit gesetzlicher Grundlagen für organisatorische Maßnahmen auseinandersetzte, hervor, die Tatsache der zunehmenden gesetzlichen Regelung von Organisation und Verfahren ließe keinen Aufschluß darüber zu, inwieweit dies auch verfassungsrechtlich geboten gewesen sei20. Der Hessische Staatsgerichtshof hat sich dieser Aussage in einer späteren Entscheidung angeschlossen21. Auch die rechtswissenschaftliche Literatur weist, selbst im Hinblick auf "noch zweifelhafte Einzelfälle", nachdrücklich auf "ein grundsätzliches Interesse" an der Klärung der Frage nach dem Gebotensein gesetzlicher Regelungen hin22.
18
E. Schmidt-Aßmann, Gutachten, S. 31, führt im Zusammenhang mit dem Landesorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen aus, es handele sich bei ihm um einfaches Gesetzesrecht, aus dem Verfassungsrecht nicht geschöpft werden könne. Es lägen entweder Wiederholungen des Verfassungstextes oder aber "Konkretisierungen offener Verfassungsnormen", ähnlich wie bei Art. 14 Abs. 1 GG, vor, die jedoch nicht in Verfassungsrecht erstarkten. 19 E. Schmidt-Aßmann, Gutachten, S. 33. 20
BVerfG, Beschluß v. 6.5.1958, - 2 BvL 37/56,11/57 -, = BVerfGE 8,155 (167); so auch BVerfG, Beschluß v. 28.10.1975, - 2 BvR 883/73, 379,497,526/74, = BVerfGE 40, 237 (250). 21
HessStGH, Urteil v. 3.12.1969 - P. St. 569 -, DÖV 1970, S. 132 (134).
22
H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 461.
Einleitung
I I I . Die Bedeutung der Staatspraxis
Auch Hinweise auf die gängige Staatspraxis können die dogmatische Ableitung nicht ersetzen. So wenig die Staatspraxis als (indizieller) Ausdruck für der Rechtswissenschaft "vorgegebene" Gesetzmäßigkeiten tatsächlicher Nato ignoriert werden darf, so sehr ist Vorsicht davor geboten, diesen Topos in der wissenschaftlichen Diskussion argumentatorisch zu verabsolutieren 23; alles andere liefe - so die Formulierung Schmitt Glaesers - auf eine "Normativierung der Wirklichkeit", möglicherweise unter Negierung der Verfassung, hinaus24. Insbesondere für die Rechtswissenschaft als wissenschaftlicher Disziplin, die ihre "Existenzberechtigung" geradezu aus der potentiellen Diskrepanz zwischen ontologischen Gegebenheiten und normativen Postulatevi zwischen Sein und Sollen26, und ihre auch im Zeitalter der Naturwissenschaften noch immer exponierte Stellung innerhalb der Geistesund Sozialwissenschaften aus dem Umstand ableitet, daß sie die einmalige Fähigkeit zur Schaffung von "Realitäten 1* 7 besitzt, verbietet sich ein solcher methodischer Ansatz.
23
Kritisch gegenüber der Staatspraxis auch F. Hohrmann, Bundesgesetzliche Organisation, S. 19/20, m.w.N. in FN 6, sowie J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 47/48, bezogen auf das Problem ministerialfreier Verwaltung. Von der "Verabsolutierung der Wirklichkeit" sind freilich jene "Relativierungen" zu unterscheiden, auf die in späterem Zusammenhang noch näher einzugehen sein wird; dazu unten: Dritter Teil, Drittes Kapitel, Β. I. 3. 24 W. Schmitt Glaeser, Partizipation, S. 179 (218). 25
Siehe zur Anerkennung dieses Aspekts (jedoch) A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 15, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Gleichwohl betont A. Dittmann, a.a.O., S. 7, die Staatspraxis könne allenfalls "in den engen Grenzen des Verfassungswandels und der Rechtsfortbildung rechtliche Relevanz erlangen." 26 W.-R. Schenke, Verfassung und Zeit, S. 566 (577). Besonders deutlich K. Hesse, Die normative Kraft, S. 5: "Die Staatsrechtswissenschaft ist, wie alle Rechtswissenschaft, Normwissenschaft; dadurch unterscheidet sie sich von der politischen Soziologie und der Wissenschaft von der Politik als reinen Wirklichkeitswissenschaft."
27
Regelmäßig wandelt sich das Recht von einer ideellen zu einer ontologischen Realität. Daß die Fähigkeit zur Schaffung "neuer Realitäten" freilich ontologischen "Seiensmäßigkeiten", die "Keine Macht der Welt, auch nicht die Verfassung" (K. Hesse, Die normative Kraft, S. 17) verändern kann, unterworfen ist, und eine Aufgabe der Gesetzgebungslehre darin besteht, diese Gradwanderung zu operationalisieren, sei hier nur am Rande vermerkt.
28
Einleitung
D. Bearbeitungsgang Das Bild der den Bearbeitungsgang bestimmenden Faktoren hat sich damit abgerundet. Es ist nicht nur der Frage nachzugehen, welche Faktoren eine Erweiterung parlamentarischer Kompetenzen in welchem Umfang herbeiführen (oben: A.); es bedarf auch des Nachweises, daß die den Untersuchungsgegenstand bildenden Organisationsmaßnahmen28 nicht bereits von Einzelbestimmungen erfaßt sind (oben: C. I.). Die Logik hätte geboten, sich zunächst mit der Behauptung auseinanderzusetzen, die skizzierten Organisationsmaßnahmen seien bereits von ausdrücklichen Regelungen erfaßt. Wenn auf sie dennoch nicht gleich zu Beginn, sondern vielmehr erst im Laufe der Untersuchung eingegangen wird, so erscheint dies aus drei Gründen vertretbar. Zunächst, weil die Behauptung in Anbetracht der überwiegenden Gegenmeinung einen Teil ihrer Überzeugungskraft einbüßt; dieser Umstand allein kann indes in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht den Ausschlag geben. Von ausschlaggebender Bedeutung war vielmehr, daß auch nach der Mindermeinung eben nur ein Teil der Organisationsmaßnahmen von den speziellen Bestimmungen erfaßt sein soll und damit im Hinblick auf die übrigen Organisationsmaßnahmen ohnehin eine Untersuchung geboten gewesen wäre. Maßgeblich war ferner die Überlegung, daß ein institutioneller Gesetzesvorbehalt möglicherweise in einem auch für die Länder bedeutsamen Verfassungsstrukturprinzip wurzelt.
28
Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird nur von "Organisationsmaßnahmen" ge chen und nicht mehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nur jene gemeint sind, die sic Rahmen der thematischen Begrenzung bewegen.
Erster Teil
Die Bedeutung der Gesetzgebung für das Verhältnis von Parlament und Exekutive Die in Literatur und Rechtsprechung anzutreffenden Versuche, für bestimmte Organisationsmaßnahmen die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung abzuleiten, divergieren. Überwiegend sind uneinheitliche, anfechtbare und unzureichende Begründungen festzustellen 1. Regelmäßig unterbleibt überhaupt eine verfassungsrechtliche Ableitung2; vereinzelt werden demgegenüber sehr dezidiert Verstöße gegen den institutionellen Gesetzesvorbehalt angenommen3. Soweit Ableitungsversuche zu konstatieren sind, sollen sie im folgenden skizziert werden. Im Anschluß daran wird der Frage nachzugehen sein, ob und inwieweit sie vor dem Hintergrund der bereits in der Einleitung abstrakt dargelegten Kardinalprobleme: numerus clausus-Frage einerseits, Eruierung des die exklusive legislative Zuständigkeit begründenden Kriteriums andererseits, zu überzeugen vermögen. Zugleich wird sich zeigen, daß in vielen Fälleri die der Kompetenzproblematik vorgelagerte Frage nach der Zulässigkeit einer staatlichen Mediatisierung auf die Kompetenzfrage ausstrahlt; die Problematik der Mediatisierungsverbote konnte folglich nicht vollständig ausgeklammert bleiben4.
1
Vgl. F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 266/267, sowie die näheren Angaben dazu dort in FN 100; ders., Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (169): "wobei Begründungen hierfür nur selten anzutreffen sind.."; dort auch mit näheren Hinweisen in FN 143. 2 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 462; so auch die Feststellung U. Steiners, Der beliehene Unternehmer, S. 69 (73), zur Beleihungsproblematik. 3
So ζ. B. bei Th. Köstlin, Die Kulturhoheit des Bundes, S. 164,170,187.
4
Siehe unten: Vierter Teil, Zweites Kapitel B., sowie Fünfter Teil, Fünftes Kapitel.
30
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
Erstes Kapitel
Skizzierung von Lösungsansätzen A. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz Der erste und scheinbar problemloseste Lösungsansatz besteht darin, aus einer konkreten verfassungsrechtlichen Bestimmung einen Gesetzesvorbehalt abzuleiten; in diesem Sinne wird auf Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG rekurriert. So wird er zur Klärung auch landesverfassungsrechtlicher Organisationsfragen "vergleichsweise" herangezogen und ihm "zumindest die Bedeutung" beigelegt, daß er "die Organisationsgewalt der Bundesregierung insoweit zugunsten des förmlichen Gesetzgebers"5 einschränke. An anderer Stelle findet sich die Feststellung, es handele sich um eine Bestimmung, aus der sich "in erheblichem Umfang verfassungsrechtliche Bindungen"6 ergäben. Die Vorzüge einer solchen Lösung wären evident: Beide dogmatischen Hürden würden mit einer Vorschrift genommen. Weder brauchte auf das Problem eines numerus clausus' institutioneller Gesetzesvorbehalte eingegangen, noch nach dem zuständigkeitsbegründenden Kriterium gefragt zu werden. Letztlich würde sich der allgemeine institutionelle Gesetzesvorbehalt, zumindest soweit er sich auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten bezöge, als Scheinproblem herauskristallisieren. Es bliebe dann nur mit Erstaunen festzustellen, daß der Großteil der rechtswissenschaftlichen Literatur mit beachtlichem Argumentationsaufwand eine Frage zu klären versucht hätte, die schon durch eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Bestimmung eine Beantwortimg erfahren hat. Die vorsichtigen Formulierungen, mit denen Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG im Ergebnis jedoch mehr "flankierend" zur Klärung der Frage eines institutionellen Gesetzesvorbehalts herangezogen wird, zeigen freilich, daß selbst die Vertreter dieser Richtung die Anwendung der Vorschrift nicht in dem Maße für unproblematisch halten wie es zunächst scheint.
5
F. Rietdorf, Die Organisation der Landesverwaltung, S. 593 (606).
6
U. Scheuner, Voraussetzungen und Form, S. 797 (805).
C. Das Rechtsstaatsprinzip
31
Β. Verfassungshistorischer Ansatz Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG wird darüber hinaus aber auch die Bedeutung einer "konkludenten Rezeptionsvorschrift" beigemessen. Hildegard Krüger beispielsweise führt aus, da die im Hinblick auf das föderalistische Prinzip "politisch notwendige Mitwirkung des Bundesrats" nicht nur durch das Erfordernis eines Gesetzes, sondern auch durch die Verankerung eines Zustimmungsvorbehalts zugunsten des Bundesrats hätte erreicht werden können, müsse die Entscheidung für eine gesetzliche Regelung als offenbar bewußte Anpassung an die "vor- und nachnationalistische(n) Praxis" verstanden werden7. Für Krüger ist der in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG verankerte Gesetzesvorbehalt somit nicht ein spezifisches, zur Sicherung des föderativen Prinzips eingesetztes Instrument, sondern Ausdruck dessen, daß das Grundgesetz die bisherige Staatspraxis, derzufolge für die Errichtung einer jeden Körperschaft des öffentlichen Rechts eine gesetzliche Grundlage notwendig gewesen sein soll, rezipiert hat.
C. Das Rechtsstaatsprinzip Gleichsam eine Zusammenfassung des rechtsstaatlich bestimmten Ableitungsansatzes bildet die Feststellung Scheuners, die "fortschreitende begriffstheoretische Erweiterung des Rechtssatzbegriffs und die daraus gezogenen Folgerungen für die Funktionsordnimg sowie die parallel laufenden Rechtsstaatsvorstellungen (hätten) dazu geführt, den Bereich der Organisationsgewalt einzugrenzen."8 Die parlamentarische Zuständigkeit folgte demnach dem durch rechtsstaatliche Vorstellungen geprägten Rechtssatzbegriff; der institutionelle Gesetzesvorbehalt würde zum Rechtssatzvorbehalt.
7
Hildegard Krüger, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, S. 263 (266). Sie knüpft damit an die Argumentation E.-W. Böckenfördes, Die Organisationsgewalt, S. 100, an, der erklärte, die politische Mitwirkung des Bundesrats hätte auch durch ein schlichtes Zustimmungserfordernis gesichert werden können. 8
U. Scheuner, Voraussetzungen und Form, S. 797 (804).
32
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
I. Der Rechtssatzvorbehalt
Schon der Begriff des "Rechtssatzvorbehalts"9 bringt den Grundgedanken dieses Rechtsinstituts zum Ausdruck: Akte der Rechtsetzung sollen exklusiv dem Parlament vorbehalten sein. Ließe sich daher dem Grundgesetz eine ausschließlich parlamentarische Rechtsetzungsbefugnis entnehmen, so könnte auch nur das Parlament für den Erlaß deijenigen organisationsrechtlichen Anordnungen zuständig sein, denen Rechtssatzqualität beizumessen wäre. Die herrschende Meinung greift zur Ableitung des Rechtssatzvorbehalts und dem damit korrespondierenden Verbot eines selbständigen exekutiven Verordnungsrechts nicht nur auf das Verfassungsgewohnheitsrecht 10, sondern auch auf Art. 80 Abs. 1 GG 11 zurück. Nicht zuletzt der Umstand, daß das Grundgesetz für originäre exekutive Rechtsetzungakte ausdrücklich spezielle verfassungsunmittelbare Ermächtigungen vorsieht (Art. 119, 127, 132 Abs. 4 GG), wird als Aussage zugunsten einer exklusiv parlamentarischen Rechtsetzungskompetenz gewertet; sie brächten den Ausnahmecharakter exekutiver Rechtsetzung deutlich zum Ausdruck 12. Die Anerkennung der ausschließlich parlamentarischen Kompetenz zur Rechtsetzung besagte jedoch noch nichts über die Bedeutung, die damit dem Parlament im Prozeß der Staatswillensbildung und damit auch im Bereich der Staatsorganisation zuwüchse. Nachdem die Reichweite parlamentarischer Zuständigkeit sich aus dem Rechtssatzbegriff ergäbe, bedürfte es dessen Konturierung. Insbesondere dem Absatz 2 des Art. 80 GG, der "einige Materien der Leistungsverwaltung benennt"13, wird entnommen, daß unter Rechtsverordnungen nicht nur abstrakt-generelle Maßnahmen zu verstehen sind, die in Freiheit und Eigentum des Bürgers eingreifen 14, sondern über die genannten Eingriffe hinaus15 auch solche, die "Außenwirksamkeit" 9
Siehe zur Terminologie E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 74, dort in FN 21.
10
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 83.
11
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 74; P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (494); vgl. auch H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (162), demzufolge die Anerkennung administrativen Außenrechts mit Art. 80 Abs. 1 GG kollidieren würde. Anders jene Vertreter, die dem Art. 80 GG eine lediglich formale Bedeutung beimessen wie z. B. K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (163 f.). 12 1 3 B.-O.
Bryde in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 80, RdNr. 3. E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 76.
14
P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (494).
15
P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (494).
C. Das Rechtsstaatsprinzip
33
aufweisen. Insbesondere Zuständigkeitsregelungen, die "die Verknüpfung der Organisation mit der Aufgabenerfüllung" 16 herstellen und die deshalb stärker die Beziehung des Staates zu seinen Bürgern betreffen als andere Organisationsmaßnahmen, lassen die Annahme, es lägen zumindest hier Außenwirkungen vor, daher naheliegend erscheinen. Von einem nicht unbeträchtlichen Teil der Literatur wird denn auch angenommen17, Zuständigkeitsregelungen bedürften unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts einer gesetzlichen Grundlage. Der allgemeine institutionelle Gesetzesvorbehalt wäre demzufolge der sachliche Reflex des funktionalen (Rechtsetzungs-)Vorbehalts, "Rechtsetzung11 das die parlamentarische Zuständigkeit exklusiv begründende Kriterium. Zu übersehen ist freilich nicht, daß das Rechtsinstitut "allgemeiner institutioneller Gesetzesvorbehalt" dadurch eine Akzentverschiebung erführe, die seine Problemkomplexität eher erhöhte als reduzierte 18. Die Funktion "Rechtsetzung" bildet zum einen nur solange ein zuständigkeitsbegründendes Kriterium, solange von einem Rechtsetzungsmo/iopo/ des Parlaments auszugehen ist19; gerade in neuester Zeit sind aber verstärkt Versuche festzustellen, "über den Gesetzesvollzug zu einer originären Rechtsetzung im gesetzesdirigierten Bereich"20 durch die Exekutive zu gelangen. Zum anderen fordert der Rechtssatzvorbehalt eine Bestimmung der den Rechtssatz konstituierenden Elemente. Der Versuch, die Frage eines allgemeinen institutionellen Gesetzesvorbehalts vom Rechtssatzvorbehalt her zu lösen, führt demnach zum dem schon über ein Jahrhundert währenden Streit 21 über das "Wesen des materiellen Gesetzes".
16
E. Schmidt-Aßmann, Gutachten, S. 10.
17
Siehe zu dieser "Art der Deduktion eines Voibehalts des Gesetzes": E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 66, dort auch die Nachweise in FN 1 zu den Vertretern dieser Ansicht; ferner E.W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 61 ff.; H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 45 ff. 18 W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 107, spricht davon, daß dieser Lösungsansatz mehr Probleme aufgebe als er löse; kritisch dazu auch R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 60. 19
Bei U. Scheuner, Voraussetzungen und Form, S. 797 (804), zeigt sich dieser wichtige Aspekt an der Formulierung: "und die daraus gezogenen Folgerungen für die Funktionsordnung". 20 H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (162). 21
W . Krebs, Der Vorbehalt, S. 107.
3 Burmeister
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
34
Vor allem Laband 22 und Jellinek legten im Rahmen der Diskussion um die Auslegung des Art. 62 der Preußischen Verfassung vom 31. 1.1850 die Grundlagen für den Rechtssatzvorbehalt. Nach ihrem Verständnis fiel dem Recht die Aufgabe zu, die einzelnen Befugnisse und Pflichten der Subjekte voneinander abzugrenzen, wobei sie im Staat ein in sich geschlossenes Rechtssubjekt sahen23. Regelungen, die sich an den Staatsorganismus selbst richteten, schieden daher als Rechtssätze aus, "weil nur der Staat als Gesamtorganismus, nicht aber auch seine Organe und Organwalter als Rechtssubjekte, als taugliche(r) Träger von Rechten und Pflichten anerkannt"24 wurde - er galt als impermeable Einheit. Die Folge war, daß (rechtsdogmatisch25) "nahezu das gesamte Verfassungsorganisationsrecht wie auch fast alle Bestimmungen über die Verwaltungs- ...organisation vom Rechtssatzbegriff ausgeschlossen und in den Bereich exekutiver Zuständigkeit verwiesen"26
wurden. Wenn heute gleichwohl aus dem Rechtssatzvorbehalt auf eine gesetzliche Regelungsnotwendigkeit für Organisationsmaßnahmen gefolgert wird, so zeigt sich, daß dies nur um den Preis der Ausweitung rechtlich relevanter Positionen des Bürgers geschehen kann. So ist denn auch die Klage zu vernehmen, heute würden selbst "solche Außenwirkungen als rechtlich relevant angesehen ..., bei denen sich der Rechtssatz, aus dem sich die rechtliche Relevanz ergeben müßte, nicht mehr finden" ließe27.
22
Siehe dazu die Zusammenfassung bei H. Heller, Der Begriff des Gesetzes, S. 98 (99/100); P. Laband, Staatsrecht II, S. 181. 23 Auch später "Impermeabilitätslehre" genannt; vgl. dazu E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 77 ff.; W. Krebs, Verwaltungsorganisation, S. 567 (583). Siehe zu diesem, bis in die Gegenwart fortwirkenden Umstand als Grund für die Vernachlässigung organisationsrechtlicher Fragestellungen: F. E. Schnapp, Dogmatische Überlegungen, S. 243 (245). 24
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 77. Es war vorherzusehen, daß damit die Frage nach der Rechtssatzqualität jener verfassungsrechtlichen Bestimmungen aufgeworfen wurde, die ausschließlich eine Kompetenzverteilung zwischen den Staatsorganen vornahmen. 25 Die Gründe, die dazu führten, daß es dennoch zu einer nicht unbeträchtlichen gesetzlichen Regelung der Verwaltungsorganisation kam, werden im Zweiten Kapitel, F. dargelegt. 26 27
Vgl. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 63.
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 104; es käme, so E. Schwan, a.a.O., S. 67, oft zu einer Vermengung zwischen den rechtssatzmäßig (relevanten) und faktischen Außenwirkungen.
C. Das Rechtsstaatsprinzip
35
II. Der EingrifFsvorbehalt
Daß zumindest Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers außenwirksame Maßnahmen bilden, ist hingegen seit dem Konstitutionalismus unbestritten. Bereits seit dem Wiener Kongreß sind in den Verfassungen Bestimmungen anzutreffen, die für Eingriffe in Freiheit und Eigentum eine gesetzliche Grundlage fordern; so ζ. B. in der Verfassung Nassaus vom 1./2. 9. 1814, in der es hieß: "Überdies sollen wichtige, das Eigentum, die persönliche Freyheit und die Verfassung betreffende neue Landesgesetze nicht ohne den Rath und die Zustimmung der Landstände eingeführt werden."28
Die extensiv ausgelegte, letztlich die allgemeine Handlungsfreiheit und alle Vermögenswerten Rechte erfassende 29 Eigentums-und-Freiheits-Klausel avancierte zum Begriffsmerkmal des Gesetzes schlechthin30. So wurde auch unter der Geltung jener Verfassungen, die sich - wie beispielsweise bei der Preußischen Verfassung von 1850 der Fall 31 - darauf beschränkten, nur von "der Gesetzgebung" zu sprechen32, für Eingriffe in Freiheit und Eigentum eine gesetzliche Grundlage gefordert 33. Nach überwiegender Auffassung soll der Eingriffsvorbehalt neben34 dem Rechtssatzvorbehalt35 zum festen Bestandteil auch des gegenwärtigen Verfassungsrechts zählen36.
28
Vgl. zur Entwicklungsgeschichte: P. Kleisner, Der Vorbehalt, S. 51 - 63; siehe auch § 23 der Verfassung des Großherzogtums Hessen vom 17. 12. 1820, in der es hieß: "Die Freiheit der Person und des Eigentums ist in dem Großherzogtum keiner Beschränkung unterworfen als welche Gesetz und Recht bestimmen." 29 30 31
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59. R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 15.
Vgl. K. Kröger, Verfassungsgeschichte, S. 41. 32 K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (149). 33
P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (490), spricht davon, daß sich auch bei jenen Verfassungen der Gesetzesbegriff inhaltlich "im Sinne der "Freiheit und Eigentums"-Klausel" eingependelt habe. 34 E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 19, dort in FN 14, sowie S. 69, betont, rechtsstaatlicher Rechtssatzvorbehalt und Eingriffsvorbehalt würden oft nicht genügend deutlich voneinander geschieden. Dieser Umstand bildet nach E. Schwan, a.a.O., S. 93, dort in FN 74, auch den Grund dafür, warum "sich der Streit um den Vorbehalt des Gesetzes und - damit zusammenhängend - der um die Organisationsgewalt so sehr verwickelt hat." R. Herzog in:
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
36
Wie beim Rechtssatzvorbehalt37 so sind jedoch auch beim Eingriffsvorbehalt Tendenzen feststellbar, durch ein extensives Verständnis der Begriffe "Eigentum" und "Freiheit" die parlamentarische Zuständigkeit in den Bereich der Verwaltungsorganisation zu erweitern. Während auf der einen Seite angenommen wird, der Eingriffsvorbehalt erfasse nur die materielle, nicht aber die formelle Komponente38, wird auf der anderen Seite betont, die sachliche Entscheidung bleibe nicht davon unbeeinflußt, von wem sie getroffen werde. Im Hinblick auf Zuständigkeitsregelungen wird argumentiert, die Zuweisimg einer Aufgabe an einen bestimmten Funktionsträger, mithin auch an Träger mittelbarer Staatsverwaltung39, erfolge "zumindest auch im Hinblick auf die Interessen des betroffenen Bürgers" 40. Selbst jene Stimmen, die - tendenziell restriktiv - annehmen, man müsse den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt auf das materielle Recht beschränken, solange der Nachweis des Grenzverlaufs des rechtsstaatlichen Minimums nicht erbracht worden sei, gehen davon aus, daß der Rechtsstaat "sicherlich in gewissen Grenzen auch ein legal fixiertes Organisationssystem" erfordere 41. Ossenbühl konnte daher zu Recht feststellen, die frühere Einigkeit darüber, was alles zum
Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 55, weist darauf hin, daß trotz aller Unklarheiten über die Reichweite des Gesetzesvorbehalts er unbestritten jedenfalls für den Bereich der Eingriffsverwaltung und der Rechtsetzung gelte. 35
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 76, spricht davon, daß Art. 80 GG einen "eigenen Tatbestand" bilde. 36
Bemerkenswert bleibt, daß Art. 87 b Abs. 1 Satz 3 GG (siehe dazu oben: Zweiter Teil, Zweites Kapitel, C. II.) zur Ableitung kaum herangezogen wird. Hervorzuheben gilt ferner, daß noch im Herrenchiemseer Entwurf eine entsprechende Klausel vorgesehen war und zahlreiche Länderverfassungen den Eingriffsvorbehalt ausdrücklich aufgenommen haben; siehe dazu W. Krebs, Zum aktuellen Stand, S. 304 (305), dort in FN 7; E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 9. R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 79, sieht diesen Grundsatz als Verfassungsgewohnheitsrecht an und führt aus: "Eine vom ursprünglichen Verfassungstext aus irrige These findet aus Gründen der politischen Notwendigkeit bzw. Zweckmäßigkeit im Laufe der Zeit allgemeine Anerkennung." 37 Obgleich hier vorsichtiger; vgl. dazu näheres bei E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 67. 38
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 17 ff.
39
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 166/167.
40 41
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 120. A . Röttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (179).
C. Das Rechtsstaatsprinzip
37
"Komplex 'Regelung des Eingriffs'" 42 und zur außenrechtsrelevanten Sphäre des Bürgers zähle, würde nicht mehr bestehen. Nur zu deutlich zeichnet sich hier die Gefahr ab, daß unter "Berufung auf einen aus sich unklaren Allgemeinbegriff V wie es der Begriff des Rechtsstaats ist, "der Kundgabe von verfassungspolitischen Meinungen als geltendes Verfassungsrecht ein weites Tor" 43 geöffnet und ein immer weiteres Hineinwirken individualrechtlicher Positionen in den Bereich der Staatsorganisation ermöglicht wird 44 .
I I I . Konkrete organisationsrechtliche Folgerungen
Böckenförde sieht es als Gebot des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts an, dann eine gesetzliche Grundlage für Zuständigkeitsregelungen zu schaffen, wenn neue hoheitliche Zuständigkeiten begründet werden. Die Verlagerung von bereits bestehenden Eingriffsbefugnissen auf andere Behörden soll hingegen deshalb keine gesetzliche Regelung erfordern, weil der Staat dem Bürger gegenüber als Einheit auftrete 45. Etwas anderes gelte nur dann, wenn ausdrücklich ein verfassungs- oder gesetzmäßiges Recht auf das Handeln eines bestimmten Organs bestehe. Ebenfalls vom rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt soll nach Böckenförde die Beleihung erfaßt werden, da sie Pflichtigkeiten für den Beliehenen begründe46; auch Ossenbühl fordert im Hinblick auf die Belastungen, die möglicherweise mit einer staatlichen Inanspruchnahme verbunden sind, eine gesetzliche Grundlage47. Mennacher hält demgegenüber eine gesetzliche Grundlage dann nicht für rechtsstaatlich geboten, wenn keine den Rechtskreis des Bürgers betreffenden Verwaltungs-
42 4 3 F.
Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 264. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 91.
44
F. Hufen, Der Verwaltungsvorbehalt (Diskussionsbeitrag), S. 251/252.
45
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 93; eine Einschätzung, die sich nach R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 346, noch ganz im Bann spätkonstitutionalistischer Gedankenwelt bewegt. 46 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 95. 47
F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (170).
38
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Löungsansätzen
kompetenzen übertragen werden48. Böckenförde postuliert eine gesetzliche Regelung für die Organisierung von Berufsgruppen auf zwangsmitgliedschaftlicher Basis49. Für die Beleihung fordert Baedeker deshalb eine gesetzliche Grundlage, weil es sich um eine spezielle Zuständigkeitsübertragung handele50; auch die Schaffung juristischer Personen unterliege dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt, weil die Herauslösung aus der unmittelbaren Staatsgewalt Hdie Rechtsstellung des Bürgers zweifellos noch gravierender als die Organisation der staatlichen Funktionsträger" betreffe 51. Ebenfalls rechtsstaatlich bedingt sei die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Bildung weisungsfreier Ausschüsse, da sie eine weitere Verselbständigung nach sich zögen52. Ossenbühl schließlich sieht in der Aufsplitterung der Zuständigkeiten die Gefahr, daß der Bürger auf diese sehr subtile Weise um seine Rechte gebracht wird; durch ein Kompetenzchaos würden Rechte "unsichtbar" gemacht. Das Gesetz, bei dem die Veröffentlichung seines Inhalts hingegen Geltungsvoraussetzung sei, könne aber möglicherweise dieser staatlich verursachten Unkenntnis entgegenwirken. Im Ergebnis hält er jedoch eine jedermann zugängliche Verlautbarung für ausreichend53, womit sich Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abzeichnen54.
D. Das Demokratieprinzip Eine andere Ausrichtung erfährt der Gesetzesvorbehalt durch die Betonung der ihm angeblich immanenten "demokratischen Komponente".
48
H. Mennacher, Beliehene Private, S. 114.
49
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 95.
50
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 174.
51
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 166/167.
52
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 171/172.
53
F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (170/171).
54
Siehe dazu BVerfG, Beschluß v. 28. 10. 1975 - 2 BvR 883/73, 379, 497, 526/74 -, = BVerfGE 40,237 (255/256).
D. Das Demokratieprinzip
39
I. Stimmen der rechtswissenschaftlichen Literatur
Nach Ossenbühl soll sie die Verpflichtung des Parlaments begründen, "die politisch bedeutsamen Entscheidungen, auch organisatorischer Art", unabhängig davon zu treffen, ob dies auch unter dem Blickwinkel des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts geboten sei55. Ausgegangen wird damit von der Existenz eines von rechtsstaatlichen Überlegungen unabhängigen und unmittelbar aus der Struktur der Verfassung ableitbaren Gesetzesvorbehalts für politisch wichtige Entscheidungen. Böckenförde hat als erster den Versuch unternommen, den Begriff des "politisch Wichtigen" durch juristische Konkretisierungen auch verfassungsrechtlich zu operationalisieren 56. So nimmt er an, daß der Exekutive Maßnahmen untersagt seien, die auf eine Veränderung in der Substanz ihrer Hoheitsrechte oder ihres eigenen Statuses abzielten; diese für die Exekutive bestehende Beschränkung habe schon zu den Verfassungsprinzipien des konstitutionellen Staatsrechts gezählt. Darüber hinaus folge aus der demokratischen Verfassungsstruktur, daß allein die "demokratisch unmittelbar legitimierte Legislative" materielle Verfassungsfragen zu entscheiden habe. Folglich seien der Exekutive solche Organisationsmaßnahmen verwehrt, die "den Gesamtaufbau, die politisch-soziale Grundordnung des Gemeinwesens (Verfassung im materiellen Sinn)" beträfen bzw. veränderten 57.
I I . Die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein kontinuierlicher Bedeutungszuwachs der "demokratischen Komponente" feststell-
55
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 269.
56
So die Einschätzung von F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 270.
57
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 96.
40
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Löungsansätzen
bar. Nach anfänglichem Zögern 58 entwickelte es die sogenannte "Wesentlichkeitstheorie"59.
1. Die Wesentlichkeitstheorie als kompetenzbegründende Lehre
Den Grundsatz eines allgemeinen Gesetzesvorbehalts leitet das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundsatz des Gesetzesvo/ra/igy ab; im Gegensatz zum Gesetzesvorbehalt hat er in Art. 20 Abs. 3 GG ausdrücklich Erwähnung gefunden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlöre der Grundsatz des Gesetzesvorrangs seinen Sinn, Venn nicht schon die Verfassung selbst verlangen würde, daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen nur Rechtens ist, wenn es durch das förmliche Gesetz legitimiert wird" 60. Welche Bereiche von diesem Gesetzesvorbehalt erfaßt würden, erschlösse sich "nicht mehr unmittelbar" aus Art. 20 Abs. 3 GG; an dieser Stelle rekurriert das Bundesverfassungsgericht auf die demokratische Komponente des Gesetzesbegriffs. Unter einer parlamentarischdemokratischen Staatsverfassung erscheine es nicht zeitgerecht - wie in der Zeit des Konstitutionalismus der Fall -, nur für Eingriffe in Freiheit und Eigentum eine gesetzliche Grundlage zu fordern. Vielmehr spreche die unmittelbarere demokratische Legitimation sowie das durch das parlamentarische Verfahren gewährleistete höhere Maß an öffentlicher Auseinandersetzung61 dafür, dem Parlament die Kompetenz für die Entscheidung jener "Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen", einzuräumen. Auch "außerhalb des 58 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluß v. 6. 5. 1958, - 2 BvL 37/56, 11/57 = BVerfGE 8,155 (167)), in der es noch im "Konditional" (so R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 20) eine Ausweitung des Gesetzesvorbehalts in Betracht zog, harmoniert mit einigen früheren Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts zur Funktion des Parlaments. Siehe dazu: W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 133, sowie H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 448, mit Hinweisen auf jene Vertreter in der rechtswissenschaftlichen Literatur, die sich bereits vorher auf die "Wesentlichkeit" einer Maßnahme als kompetenzbegründendes Kriterium stützten. OQ
Diese Bezeichnung wurde nach R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 22, dort in FN 51, zuerst von Th. Oppermann, Gutachten, S. C 48 ff. (49, Anm. 104) gewählt. Siehe zu den praktischen Auswirkungen der Wesentlichkeitsrechtsprechung die Darstellung von B. Becker, Zur Auswirkung von Parlamentsvoibehalt und Wesentlichkeitsrechtsprechung, S. 641 ff. 60 BVerfG, Beschluß v. 28.10.1975 - 2 BvR 883/73,379,497,526/74 -, = BVerfGE 40,237 (248/249). 61
(249).
BVerfG, Beschluß v. 28.10.1975 - 2 BvR 883/73,379,497,526/74 -, = BVerfGE 40,237
D. Das Demokratieprinzip
41
Bereichs des Art. 80 GG" habe der Gesetzgeber die grundlegenden Entscheidungen zu treffen 62. Dabei gäben die Grundrechte für die Bestimmung des Bereichs Hmit ihren speziellen Gesetzesvorbehalten und mit den in ihnen enthaltenen objektiven Wertentscheidungen ... konkretisierende, weiterführende Anhaltspunkte"63. In der Kalkar-Entscheidung betonte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls, die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien für die Bestimmung der Regelungsbereiche seien "in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen"64. Der mit der Loslösung vom Eingriffsvorbehalt verbundenen Tendenz zu einer Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts zog das Bundesverfassungsgericht jedoch Grenzen. Es wandte sich gegen "einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts" mit dem Hinweis darauf, daß die anderen Institutionen und Funktionen der Staatsgewalt, die sich - im Gegensatz zu den Abgeordneten - nicht auf eine unmittelbare Wahl berufen könnten, keineswegs der demokratischen Legitimation entbehrten. Das Grundgesetz kenne keine Kompetenzregel, derzufolge "alle objektiv wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber zu treffen wären"65. "Die Organe der ... vollziehenden ... Gewalt (bezögen) ihre institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation aus der in Art. 20 I I getroffenen Entscheidimg des Verfassunggebers", der "die Exekutive als verfassungsunmittelbare Institution und Funktion geschaffen" habe66; dies schließe es aus, "einen Vorrang des Parlaments ... gegenüber den anderen Gewalten als einen alle konkreten Kompetenzordnungen überspielenden Auslegungsgrundsatz herzuleiten"67. Auch in der Mittelstrecken-Raketen-Entscheidung griff das Bundesverfassungsgericht auf die verfassungsunmittelbare demokratische Legitimation zurück. Darüber hinaus wies es auf die "ausdrücklich normierten Kompetenzregelungen" hin, die "jedenfalls ... für die von ihnen erfaßten Sachbereiche eine insoweit abschlie62
BVerfG, Beschluß v. 28.10.1975 - 2 BvR 883/73,379,497,526/74 -, = BVerfGE 40,237 (249/250). 63
BVerfG, Beschluß v. 28.10.1975 - 2 BvR 883/73, 379,497,526/74 -, = BVerfGE 40,237
(249). 64
BVerfG, Beschluß v. 8.8.1978, - 2 BvL 8/77 -, = BVerfGE 49,89 (127).
65
BVerfG, Urteil v. 18.12.1984, - 2 BvE 13/83 -, = BVerfGE 68,1 (109).
66
BVerfG, Beschluß v. 8.8.1978, - 2 BvL 8/77 -, = BVerfGE 49,89 (125).
67
BVerfG, Beschluß v. 8.8.1978, - 2 BvL 8/77 -, = BVerfGE 49,89 (126).
42
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
ßende Regelung"68 enthielten. Auch der im 2. Strafgefangenenurteil hervorgehobene Aspekt der "'Richtigkeitsgewähr', die das parlamentarische Verfahren wegen der vergleichsweisen Transparenz der Entscheidungsprozesse (böte, könne) nicht eine Änderung der vom Grundgesetz ausdrücklich vorgenommenen Verteilung der Kompetenzen zugunsten des Parlaments bewirken" 69. Die Schwachstellen dieser Theorie und die Probleme, die sie aufwirft, sind evident:
a) Die Vagheit des Wesentlichkeitskriteriums Obwohl zugunsten des "Wesentlichkeitskriteriums" geltend gemacht wird, das Verfassungsrecht sei gewohnt, mit vagen Begriffen zu arbeiten70, steht der Einwand im Raum, mit ihm werde ein Kriterium eingeführt, das es " ... an Weitläufigkeit mit den gefürchtesten Generalklauseln des Zivilrechts aufnehmen"71 könne; das eigentliche Verdienst der Wesentlichkeitstheorie bilde vielmehr die Loslösung vom klassischen Eingriffsvorbehalt 72. In der Tat drängt sich die Frage nach der Abgrenzung von grundrechtsrelevanten und -irrelevanten Maßnahmen - "so es diese überhaupt gibt"73 - auf. Deutlich zeichnet sich die Gefahr ab, mittels des in hohem Maße von subjektiven Gewichtungen abhängigen Kriteriums "Wesentlichkeit" das Kräfteparallelogramm einseitig zugunsten des Parlaments zu verschieben. Deutlich wird auch, daß insbesondere durch den Begriff der Grundrechtsrelevanz 68
BVerfG, Urteil v. 18.12.1984, - 2 BvE 13/83 -, = BVerfG 68,1 (109).
69
BVerfG, Urteil v. 18.12.1984, - 2 BvE 13/83 -, = BVerfGE 68,1 (109). Dies, so darf angemerkt werden, wohl schon deshalb nicht, weil es den Gedanken der Richtigkeitsgewähr als Aspekt des Gewaltenteilungsgrundsatzes gerade zugunsten der exekutiven Zuständigkeit Entscheidung eingebracht hatte. 70
R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 344; ähnlich auch S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 208 ff., sowie B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 119/120, der deshalb gegen das Kriterium der "Wesentlichkeit" keine Bedenken erhebt, weil er auf die sonstigen Begriffe des Verfassungsrechts verweist, die ebenfalls in hohem Maße unbestimmt seien wie ζ. B. "Zumutbarkeit" oder "Berechenbarkeit". 71
E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (346); vgl. ferner kritisch C.-E. Eberle, Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt, S. 485 (487), dort in FN 27; vor allem W. Krebs, Zum aktuellen Stand, S. 304 (308); ders., Der Vorbehalt, S. 108/109. Eine Zusammenfassung der kritischen Stimmen findet sich bei H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 452/453. 72 W. Krebs, Zum aktuellen Stand, S. 304 (309). 73
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 81.
in die
D. Dais Demokratieprinzip
43
"... die praktisch wichtige Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Parlament und Exekutive unweigerlich in den Sog der ungesicherten und umstrittenen Grundrechtstheorien"
hineingezogen wird 74 .
b) Die institutionell-demokratische
Legitimation der Exekutive als Korrektiv
An den Gefahren für das "Kräfteparallelogramm" ändert auch der Umstand nichts, daß das Bundesverfassungsgericht zugleich - gleichsam zu Kompensationszwecken75 - die verfassungsunmittelbare institutionelle und funktionelle Legitimation der Exekutive hervorhob. Die Grundsätze, nach denen dieses einem Parlamentsabsolutismus vorbeugende Kriterium eingesetzt wird, bleiben unklar: Einerseits wird mit dem Hinweis auf die unmittelbarere demokratische Legitimation des Parlaments dessen Zuständigkeit begründet, andererseits aber mit der verfa&sxmgßunmittelbaren Legitimation auch der Exekutive der parlamentarischen Zuständigkeit Grenzen gezogen. Die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erweckt damit den Eindruck, es würde "nach Bedarf mit dem jeweils genehmen Aspekt demokratischer Legitimation "jongliert". Dies trug ihm verständlicherweise den Vorwurf ein, sowohl Befürworter als auch Gegner einer Ausdehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts könnten sich auf seine Rechtsprechung berufen 76. Selbst die Vertreter, die sich nicht an dem Kriterium der Wesent-
74
H.-J. Papier, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95 (98). Vieles spricht indes dafür, daß auch der Berufung des Bundesverfassungsgerichts auf die verfassungsunmittelbare demokratische Legitmation der Exekutive nur eine "flankierende" Bedeutung beigemessen werden kann. Primär stützte sich das Bundesverfassungsgericht zur Sicherung exekutiver Zuständigkeiten auf ausdrückliche verfassungsrechtliche Spezialbestimmungen, die "insoweit abschließende" Regelungen enthielten, neben denen "sich eine Gesetzespflichtigkeit nicht selbständig aus dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit" ableiten lassen könne. Ebenfalls mit dem Hinweis auf die vom Grundgesetz ausdrücklich vorgenommene Verteilung der Kompetenzen lehnte es eine Verlagerung zugunsten der parlamentarischen Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt der "Richtigkeitsgewähr" ab. Wenn das Bundesverfassungsgericht zusätzlich noch ausführte, "jedenfalls" in den von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 und Art. 24 Abs. 1 GG erfaßten Sachbereichen bestünde eine abschließende Regelung, so zeichnet sich darüber hinaus noch die Möglichkeit ab, mittels der Wesentlichkeitstheorie auch konkrete verfassungsrechtliche Bestimmungen überspielen zu können. (BVerfG, Urteil v. 18.12.1984, - 2 BvE 13/83 -, = BVerfGE 68, 1 (109)). Zugunsten des Bundesverfassungsgerichts darf allerdings davon ausgegangen werden, daß es sich dabei nur um eine sprachliche Ungenauigkeit handelte. 75
76
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 27.
44
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
lichkeit stoßen, geben denn auch zu bedenken, daß das eigentliche Problem schon im Begründungsansatz liege77.
c) Abgrenzung zu grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten Prüfungsmaßstabs
- Begrenzung des
Schließlich stellt die Wesentlichkeitstheorie Wissenschaft und Rechtsprechung vor das Problem, die ausdrücklich verankerten grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte von dem ebenfalls grundrechtsmotivierten Wesentlichkeitsvorbehalt abzugrenzen; anders formuliert: Es besteht die Notwendigkeit festzustellen, wann die Grundrechtsrefevortz in eine Grwukzchisbetroffenheit umschlägt - eine Notwendigkeit, die sowohl praktischen als auch rechtsdogmatischen Bedürfnissen entspringt: Praktischen Bedürfnissen entspringt sie insofern, als es keiner Feststellung der (kompetenzbegründenden) Wesentlichkeit mehr bedarf und ein "unnötiger Argumentationsaufwand" erspart bleibt78, wenn bereits eine Grundrechtsbetroffenheit bei einem Grundrecht vorliegt. Die Wesentlichkeit kann dann nur noch die Funktion übernehmen, die Grenze der Delegationsbefugnis aufzuzeigen (dazu unten 2.). Sie entspringt aber auch rechtsdogmatischen Bedürfnissen. Schlink hat auf die Gefahren hingewiesen, die mit der Vorstellung verbunden sind, grundrechtliche Gesetzesvorbehalte seien Ausprägungen79 des Wesentlichkeitsvorbehalts. Dies könne möglicherweise dazu führen, den "Schutzbereich" des Grundrechts, die "Tatbestandsmäßigkeit" des Eingriffs mit dem Hinweis auf dessen angebliche "Unwesentlichkeit" abzulehnen80. Auf diese Weise würden dann Materien, die nach den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten "an sich" einer gesetzlichen Grundlage bedürften, aus den Schutzbereich herausfallen 81.
77
B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 120.
78
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 457: "Auf die... "Wesentlichkeitstheorie" ist nur insoweit zurückzugreifen, als die speziellen Gesetzesvoibehalte für ihre Anwendung noch Raum lassen, d. h. die Frage nach der Notwendigkeit gesetzlicher Regelung nicht abschließend beantworten." 79 In der Kalkar-Entscheidung geht das BVerfG, Beschluß v. 8. 8.1978, - 2 BVL 8/77 -, = BVerfGE 49, 89 (127), davon aus, daß "die besonderen Gesetzesvorbehalte ... Ausprägungen dieses allgemeinen Gesetzesvorbehalts" seien. 80
B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 124.
81
B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 127.
D. Das Demokratieprinzip
45
Die Lösung kann nur darin bestehen, grundrechtliche Verbürgungen als verfassungsunmittelbare Festlegungen von "wesentlichen" Bereichen anzusehen82, die als leges speciales keine Modifikation durch allgemeine Verfassungsprinzipien zulassenBei dieser Feststellung muß es im Rahmen der Untersuchung verbleiben. Diese Zurückhaltung entspringt einer weiteren thematischen Beschränkung. Sie bezieht sich hier jedoch nicht auf den Untersuchungsgegenstand84, sondern auf den Prüfungsmaßstab. Nicht nachgegangen werden konnte der Frage, inwieweit die Organisationsmaßnahmen bereits unmittelbar in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreifen.
2. Die Wesentlichkeitstheorie als Delegationsgrenze
Die Wesentlichkeitstheorie dient dem Bundesverfassungsgericht jedoch nicht nur dazu, für jene, nicht schon von ausdrücklichen Gesetzesvorbehalten erfaßten Maßnahmen ein gesetzliches Regelungserfordernis zu begründen; sie wird von ihm auch herangezogen, um bei ausdrücklich verankerten Gesetzesvorbehalten, wie beispielsweise in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG, die Frage nach den Grenzen zulässiger Delegation zu klären 85. Auf diese Weise übernimmt die Wesentlichkeitstheorie die Funktion eines partiellen Delegationsverbots86; ein Aspekt, der jedoch ebenfalls aus der Untersuchung ausgeklammert werden muß87.
82
So auch B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 16, dort in FN 48.
83 84
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 456.
Siehe oben: Einleitung, B. 85 BVerfG, Beschluß v. 8. 8. 1978, - 2 BVL 8/77 -, = BVerfGE 49, 89 (127): "Nach den gleichen Maßstäben (seil.: wie denen, die einen Gesetzesvorbehalt begründen) beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, wie der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert..., mit der zur Prüfung vorgelegten Norm die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung überlassen hat."; vgl. dazu vor allem J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis. 86 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 458; H.-J. Papier, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95 (100). Nach W. Mößle, Inhalt, Zweck und Ausmaß, S. 35, zeichnete sich bereits in BVerfG, Urteil v. 5.3.1958, - 2 BvL 18/56 -, = BVerfGE 7,282 (302), die Tendenz ab, das Wesentlichkeitskriterium als Kriterium zur Bestimmung der Delegationsgrenzen einzusetzen. 87
Siehe unten: Fünfter Teil, Sechstes Kapitel, A.
46
1. Teil: 1. Kap.: Skizzierung von Lösungsansätzen
I I I · Konkrete organisationsrechtliche Folgerungen
Nach Ossenbühl folgt aus der demokratischen Komponente des Gesetzesvorbehalts die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung für 88 die Errichtung von Selbstverwaltungsorganisationen ("gleichgültig ob kommunaler oder berufsständischer Art" 89 ), da die verwaltungsorganisatorische Seite nur einen Nebeneffekt darstelle und die "Ordnung des gesellschaftlichen Aufbaus" im Vordergrund stehe. Böckenförde fordert ebenfalls für die körperschaftliche Organisation von Berufszweigen mit dem Hinweis auf die disziplinierende Wirkung einer solchen Maßnahme eine gesetzliche Grundlage90. Während Böckenförde 91 und Baedeker für die Beleihung sowie für die Bildung weisungsfreier Organe jedoch eine gesetzliche Grundlage im Hinblick auf rechtsstaatliche Überlegungen fordern 92, ergibt sich nach Ossenbühl für die Delegation von Verwaltungsaufträgen an der parlamentarischen Kontrolle entzogene Stellen eine solche Notwendigkeit bereits aus dem demokratischen Prinzip. Durch diese Vorgänge werde das Band parlamentarischer Verantwortlichkeit durchschnitten93. Sodan hält demgegenüber eine gesetzliche Grundlage allenfalls im Hinblick auf grundrechtliche Positionen für notwendig?4. Für die Verleihung und Entziehung von Rechtssubjektivität fordert Ossenbühl einen Gesetzesvorbehalt, da die Gefahr bestehe, einen Gewaltenseparatismus zu erzeugen, der "von der verfassurigspolitischen Grundidee der Gewaltenteilung her zu begrüßen sein (möge), aber jedenfalls in dieser Form von der Verfassung nicht intendiert" sei95. Böckenförde will trotz der damit verbundenen Vermehrung von Rechtspersonen die Errichtung von Verwaltungsträgern nur dann einem demokratisch motivierten Gesetzesvorbehalt unterwerfen, wenn damit zugleich spezifisch hoheitliche Befugnisse begründet werden96. Ehlers hält es für naheliegend, den institu-
88
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 270/271.
89
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 270.
90
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 98/99.
91
Bei E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 95, klingen freilich Zweifel daran an, ob nicht bereits die Beleihung dem institutionellen Gesetzesvorbehalt unterliegt. 92
Siehe oben: C. III.
93
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 270/271.
94
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 470.
95
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 271.
96
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 97.
Α. Der Eingriffsvorbehalt
47
tionellen Gesetzesvorbehalt auch auf die Gründung von juristischen Personen des Privatrechts zu erstrecken 97. Stettner knüpft unmittelbar an die Wesentlichkeitstheorie an, fordert eine differenzierende Beantwortung hinsichtlich der Zuständigkeitsfragen und weist darauf hin, daß auch nicht grundrechtsrelevante Maßnahmen in diesem Sinne wesentlich sein können98.
Zweites Kapitel
Verfassungshistorische Betrachtungen zu den Kompetenzen der Vertretungskörperschaft A. Der Eingriffsvorbehalt Es kann nicht verwundern, daß die Verankerung ausdrücklicher grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte nicht nur die Frage aufwirft, wann die Grundrechtsrelevanz in eine Grundrechtsbetroffenheit, in einen immittelbaren Schutzbereichseingriff, umschlägt99. Es drängt sich auch die wesentlich grundsätzlichere Frage auf, ob nicht in Anbetracht der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte ein noch danebenstehender Eingriffs- oder Rechtssatzvorbehalt obsolet geworden ist. Soweit und solange die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte "in der Hauptsache ... (als) ... Anwendungsfälle des ohnehin geltenden Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" 100 angesehen wurden, konnten keine durchgreifenden Bedenken gegen die Existenz eines allgemeinen Gesetzesvorbehalts entstehen. Dies mußte sich jedoch spätestens in dem Augenblick ändern, in dem es zur Verankerung eines über einen weiten Schutzbereich verfügenden, mit einem Gesetzesvorbehalt versehenen Grundrechts kam. So wurde vor allem im Hinblick auf die Reichweite des Art. 2 Abs. 1 GG angenommen, dem Eingriffsvorbehalt könne deshalb keine eigenständige Bedeutung mehr beigemessen101 werden, weil er in diesem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt gleichsam aufgegangen sei102. Die97
D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 156.
98
99
R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 353/354. Siehe oben: Erstes Kapitel, D. II. 2. c).
100
R. Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, S. 44 (45).
101
K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (151 und 156).
102
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 79, dort in FN 213 m.w.N.
48
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
se insbesondere von Vogel 103 vertretene Ansicht ist jedoch überwiegend auf Ablehnung gestoßen104. Krebs hat dazu auf Fallkonstellationen hingewiesen, in denen die Grundrechtsdogmatik einen Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG verbiete, so daß der "grundsätzliche Freiheitsschutz qualitativ hinter dem des traditionellen Vorbehaltsprinzips" zurückbleibe105. Rupp hat die Anfechtbarkeit von Vogels These am Beispiel der Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG darzustellen versucht und bemerkt, es könne wohl kaum angenommen werden, daß für Eingriffe in Rechtspositionen des Betreffenden keine rechtliche Grundlage mehr zu bestehen brauche 106. Daneben hat vor allem Schwan die qualitativen und quantitativen Unterschiede zwischen den speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten und dem Eingriffsvorbehalt betont. So kenne der Eingriffsvorbehalt zwar einerseits keine immanenten Schranken, andererseits würden jedoch - wie oft bei den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten der Fall - an das durch den Eingriffsvorbehalt bedingte Gesetz keine qualifizierten Anforderungen gestellt107. Die in der Tat festzustellenden Defizite rechtfertigen indes nicht, nun gleichsam automatisch auf die Existenz eines allgemeinen Gesetzesvorbehalts zu schließen: "Das rechtspolitisch Gewünschte ist... nicht notwendig verfassungsrechtliche Pflicht" 108; gefordert ist eine verfassungsrechtliche, keine verfassungspolitische Ableitung. Die wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema "Gesetzesvorbehalt" sind Legion109, so daß die Annahme nahe liegt, zumindest die Ableitung des allgemeinen, dem Schutz vor Eingriffe in Freiheit und Eigentum dienenden Gesetzesvorbehalts sei bereits wissenschaftlich überzeugend erfolgt. Ein Blick in die einschlägige rechtswissenschaftliche Literatur belehrt eines besseren 110 . Überwiegend wird zur Begründung des allgemeinen rechtsstaatlichen
103
K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (150 ff.).
104
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 33, dort in FN 7 m.w.N.
105
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 39.
106
H. H. Rupp, Bemerkungen zur Verwirkung von Grundrechten, S. 654 (655).
107
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 11 -16.
108
109
F.-J. Peine, Systemgerechtigkeit, S. 17.
Siehe dazu beispielsweise: W. Qement, Der Vorbehalt des Gesetzes insbesondere bei öffentlichen Leistungen und öffentlichen Einrichtungen; R. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes . 110 Vgl. dazu R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 89.
Α. Der Eingriffsvorbehalt
49
Gesetzesvorbehalts weniger auf konkrete grundgesetzliche Aussagen, sondern mehr auf Verfassungsgewohnheitsrecht 111 oder auf einen rezipierten allgemeinen Gesetzesvorbehalt zurückgegriffen, der in den ausdrücklich fixierten grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten Teilkonkretisierungen erfahren habe112. Bedenken werden gegen beide Lösungsansätze vorgetragen. Mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze, namentlich gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unter der NS-Zeit, wird die Annahme einer für die Anerkennung als Gewohnheitsrecht notwendigen längeren, tatsächlichen Übung in Frage gestellt113. Einer Rezeption wird entgegengehalten, daß jede Verfassunggebung zwar keinen traditionslosen, aber doch immerhin einen Neuanfang bedeute114. Krebs hat darüber hinaus einer Ableitung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts aus den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten, verstanden als Teilkonkretisierungen, entgegengehalten, der klassische Eingriffsvorbehalt habe funktional ausschließlich der Eingriffsgesetzgebung 115 gedient, während dem Gesetz nunmehr auch die Aufgabe der "Verwirklichung, Ausführung und Aktualisierung der Grundrechte" zufalle 116. Herzog schließlich hält der Ableitung aus den Grundrechten entgegen, historisch gesehen habe sich der allgemeine Gesetzesvorbehalt gerade nicht aus der Grundrechtstheorie entwickelt117. Auch der Versuch des Bundesverfassungsgerichts, den allgemeinen Gesetzesvorbehalt aus dem Grundsatz des Gesetzesvorrangs abzuleiten118, hat keine Zustimmung gefunden. Herzog 119, Jesch 120 und Ossenbühl 121 halten dem entgegen, Art. 20 Abs. 3 GG stelle zwar fest, daß exekutives Handeln contra
111
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 8; R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 92. 112
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 14 und S. 32 ff., dort m.w.N. in FN 10.
113
W. Clement, Der Vorbehalt, S. 19; W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 13.
114
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 14.
115
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 67.
116
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 89; vgl. dazu auch W. Clement, Der Vorbehalt, S. 21. Näheres dazu unten: Dritter Teil, Drittes Kapitel, Α. 1.1. 117 118
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 91.
Siehe dazu oben: Erstes Kapitel, D. II. 1. 119 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 90. 120
D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 190; siehe auch W. Mallmann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, S. 165 (182). 121 F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 228. 4 Burmeister
50
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
legem ausgeschlossen sei, er aber nichts darüber besage, wann eine gesetzliche Grundlage bestehen müsse. Ihr Argument überzeugt. Schon 1914 hat Bühler es als großen Schritt bezeichnet, vom Grundsatz des Gesetzesvorrangs auf den des Gesetzesvorbehalts zu folgern 122. In der Tat scheint hier ein großer Schritt vollzogen zu werden, spricht doch die Existenz des Rechtsinstituts "Gesetzesvorrang" eher gegen als für einen Gesetzesvorbehalt: Wenn die Verfassimg - wie gerade durch den Grundsatz des Gesetzesvorrangs sichtbar der Fall - zwei konkurrierende staatliche Willensäußerungen voraussetzt, von denen es der einen eine Vorrangstellung verleiht, so liegt vielmehr die Schlußfolgerung nahe, daß die Handlungen des anderen Staatsorgans zumindest bis zum Erlaß einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung rechtmäßig sind.
B. Der Gesetzesvorbehalt als grundrechtsungebundenes objektives Prinzip Auf die verfassungsdogmatische Ableitung eines ungeschriebenen, den Schutz des Individuums verfolgenden Gesetzesvorbehalts braucht indes nicht gesondert eingegangen zu werden. Zum einen, weil lediglich verdeutlicht werden sollte, daß bereits bei dem allgemein anerkannten rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt nicht unerhebliche verfassungsdogmatische Defizite feststellbar sind123; zum anderen, weil verständlich werden sollte, warum die Wesentlichkeitstheorie als Chance begriffen wird, "die Fülle divergierender Theoreme zu "außen - innen", "Allgemein"- und "Sonder"voibehalten, "rechtsstaatlichem Eingriffsvorbehalt, "institutionellem" ... und "funktionellem" ... Vorbehalt, "Außenrechts"-Voibehalten ... u.a. wie in einem Brennspiegel"124
zu einem kohärenten System125 zusammenzufassen. Stellte die Wesentlichkeitstheorie aber ein übergeordnetes Prinzip dar und deckte der dem Individualrechtsschutz dienende Eingriffsvorbehalt nur einen Teil staatlich bedeut-
122
O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 80. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 89, führt dazu aus, das Grundgesetz kenne "... bekanntlich einen allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes, dessen Existenz dem Grundsatz nach völlig unbestritten ist, während sowohl sein Umfang als auch der genaue Ort seiner Verankerung im GG nach wie vor heftig umstritten sind." 123
1 JA
R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 343. W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 142.
125
Β. Der Gesetzesvorbehalt als objektives Prinzip
51
samer Vorgänge ab, so ist es nur noch ein kleiner Schritt, auch die Verwaltungsorganisation als vom Gesetzesvorbehalt erfaßt anzusehen.
L Die Verwaltungsorganisation als Anwendungsgebiet der Wesentlichkeitstheorie
Einmütig wird die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, es bestünde eine Verpflichtung des Parlaments, die grundlegenden normativen Bereiche zu regeln 126, denn auch so verstanden, daß selbst Bereiche ohne oder mit nur geringem Grundrechtsbezug in die parlamentarische Exklusivkompetenz fallen können127. Man werde, so ist zu vernehmen, der Wesentlichkeitsrechtsprechung nicht gerecht, wenn man sie auf grundrechtsrelevante Maßnahmen beschränke128. Oppermann betont, die Wesentlichkeitstheorie enthalte die fundamental richtige Feststellung, daß es wesentliche Entscheidungen gebe, "die auch ohne Grundrechtsberührung kraft ihrer spezifischen allgemeinen Bedeutsamkeit vor das Parlament gehören"129; harmonisch schließt sich daran die Frage Herzogs an, ob es sinnvoll sei, "auch noch die geringfügigste Bagatelle dem Gesetz vorzubehalten, nur weil sie 'unmittelbar* nach außen wirkt, die großen politischen Entscheidungen aber, die den Bürger zwar nur 'mittelbar*, dafür aber um so intensiver berühren, allein der Exekutive zu überlassen"130.
Überwiegend wird denn auch die Verwaltungsorganisation zu den grundrechtsunabhängigen Bereichen gezählt, in denen die Wesentlichkeitstheorie Anwendung finden könne131. Ehlers bezeichnet den institutionellen Gesetzesvorbehalt als "Ausprägung des allgemeinen Gesetzmäßigkeitsprinzips"132
126
BVerfG, Beschluß v. 8.8.1978, - 2 BVL 8/77 -, = BVerfGE 49,89 (127).
127 128
H.-J. Papier, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95 (98). M. Schulte, Staat und Stiftung, S. 69. Th. Oppermann, Gutachten, S. C 54.
129
m
R. Herzog, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183 (205). Vgl. dazu auch B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 119; H. Neumann, Kommentar zur Nds. Verfassung, Art. 43, RdNr. 10, sowie R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 343, der Eberhard Schmidt-Aßmann als denjenigen bezeichnet, welcher in seinem Beitrag "Verwaltungsorganisation zwischen parlamentarischer Steuerung und exekutiver Organisationsgewalt" als erster den Versuch unternommen habe, den Organisationssektor in die Neukonzeption des Vorbehalts des Gesetzes einzubinden. 131
132
D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 156.
52
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
und Böckenförde 133 hält den institutionellen Gesetzesvorbehalt ebenfalls für eine Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof griff auf die Wesentlichkeitstheorie im Zusammenhang mit landesplanerischen, den Bürger nicht unmittelbar betreffenden Entscheidungen zurück 134. Stettner sieht in der Wesentlichkeitstheorie die Chance, den institutionellen Gesetzesvorbehalt, dessen eigentliche Wurzel bisher nicht genau herausgearbeitet worden sei, zwanglos mit dem Wesentlichkeitsgedanken in Beziehung setzen135 und so auf einen sicheren Boden zu stellen136. Sodan schließlich hebt hervor, solange der klassische Eingriffsvorbehalt, der nach herrschender Meinung Organisationsmaßnahmen nicht erfasse 137, bestanden habe, sei ein Bedürfnis festzustellen gewesen, "über die Konstruktion eines eigenständigen institutionellen Gesetzesvorbehalts das Erfordernis formell-gesetzlicher Grundlagen auch auf gewisse staatliche Maßnahmen organisatorischer Art zu erstrecken" 138. Nachdem nun aber das Bundesverfassungsgericht den Eingriffsvorbehalt zugunsten eines weiter verstandenen Gesetzesvorbehalts aufgegeben habe, erlange die Wesentlichkeitstheorie nunmehr auch für den Bereich der Verwaltungsorganisation Bedeutung139. Infolgedessen spreche alles dafür, den allgemeinen Gesetzesvorbehalt und den institutionellen Gesetzesvorbehalt "unter dem Dach der 'Wesentlichkeitstheorie' zu vereinen, ohne allerdings ... die inhaltliche Unterscheidung zwischen einer grundrechtsspezifischen und einer rein institutionell ausgerichteten Seite des Vorbehalts ... außer acht zu lassen"140. Dem Hinweis Sodans auf die unterschiedlichen Akzentuierungen der Gesetzesvorbehalte, die trotz der gemeinsamen Wurzel noch der Berücksichtigung bedürfen, tritt auch Lerche bei. Er warnt nachdrücklich davor, "die traditionelle Lehre vom 'institutionellen Gesetzesvorbehalt'... der ... reichlich iso133
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 398, dort in FN 68a mit Verweis auf: ders., Die Organisationsgewalt, S. 95 -101. 134
BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7. 1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (726); siehe auch Th. Würtenberger, Probleme politischer Planung, S. 248 ff.; zur "Vorerstreckung des Gesetzesvorbehalts", a.a.O., S. 240. 135
R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 353.
136
R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 351.
137
Siehe oben: Erstes Kapitel, G I .
138
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 461.
139
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 461, dort in FN 587 m.w.N. auf Vertreter derselben Meinung. 140 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 463.
Β. Der Gesetzesvorbehalt als objektives Prinzip
53
liert von ihr aufgestiegenen ... Wesentlichkeitslehre gewissermaßen unbesehen in deren Rachen"141 zu werfen. Seine Kritik richtet sich freilich nicht gegen die Erstreckung der Wesentlichkeitstheorie auf den Bereich der Verwaltungsorganisation, sondern gegen eine die Eigenart der Verwaltungsorganisation nicht berücksichtigende, mithin undifferenzierte Erstreckung. Ausdrücklich betont er, daß sich auch der Verwaltungsbereich der Wesentlichkeitstheorie "nicht abstrakt verschließen" könne; Voraussetzung dafür sei aber eine Strukturanalyse der konkreten Verwaltungsmaterien. Nur sie ermögliche, die traditionelle Lehre vom institutionellen Gesetzesvorbehalt in eine "sinnvolle Verbindung" zur Wesentlichkeitstheorie zu bringen 142. Allen Stellungnahmen gemeinsam ist das Verständnis von einem Gesetzesvorbehalt, der sich von einem individualrechtsschützenden zu einem grundrechtsungebundenen objektiven Prinzip 143 "gewandelt" hat. Daß damit für den Bürger nicht notwendigerweise ein subjektiv-öffentliches Recht korrespondieren müßte, hat ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin deutlich werden lassen. In ihm stellte es fest, die Frage, ob eine gesetzliche Grundlage für weisungsfreie Ausschüsse notwendig sei, bedürfe keiner Klärung, da insofern lediglich "Verstöße gegen Normen des objektiven Rechts gerügt" würden 144.
I I . Verwaltungsorganisationsrechtliche Gesetzesvorbehalte in den Landesverfassungen
Daß die Verwaltungsorganisation durchaus einen geeigneten Anwendungsbereich des Gesetzesvorbehalts darstellen kann, zeigt sich besonders deutlich auf landesverfassungsrechtlicher Ebene145. Art 70 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung Baden-Württemberg postuliert eine gesetzliche Regelung für
141 P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83, RdNr. 60 a. E.; Vorbehalte gegen eine pauschale Erstreckung der Wesentlichkeitstheorie auf den Bereich der Verwaltungsorganisation klingen ebenfalls bei W. Krebs, Verwaltungsorganisation, S. 567 (620), an. 142
P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83, RdNr. 60.
143
Η. H. Rupp, Bemerkungen zur Verwirkung von Grundrechten, S. 654 (655). OVG Berlin, Urteil v. 11.1.1984 - OVG 7 Β 3.83 -, Pharma Recht 1984, S. 214 (226).
144
145
Vgl. dazu auch die Nachweise bei F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (172), dort in FN 158; siehe zur "Vorläuferfunktion" der unter F. noch zu behandelnden "fakultativen Gesetze": E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 99.
54
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
Aufbau, räumliche Gliederung und Zuständigkeiten der Landesverwaltung. Art. 77 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung Bayerns fordert ebenfalls eine gesetzliche Grundlage für die allgemeine Staatsverwaltung, die Zuständigkeiten sowie für die Art der Bestellung der staatlichen Organe. In Berlin hat gemäß Art. 51 Abs. 3 BerlVerf. die Zuständigkeitsabgrenzung der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltungen durch Gesetz zu erfolgen. Ebenfalls ein Gesetz ist in Hamburg für Gliederung und Aufbau der Verwaltung notwendig. Für Niedersachsen fordert deren Verfassung in Art. 43 Abs. 2 für Aufbau und räumliche Gliederung der allgemeinen Landesverwaltung genauso eine gesetzliche Grundlage wie Art. 77 Satz 1 der Verfassimg Nordrhein-Westfalens für Organisation und Zuständigkeiten der allgemeinen Landesverwaltung. Entsprechende Regelungen finden sich sowohl in Art. 112 der saarländischen wie in Art. 45 Abs. 2 der schleswig-holsteinischen Verfassung sowie in den neuen ostdeutschen Landesverfassungen 146. Inwieweit diese Regelungen auch die Errichtung von verselbständigten Verwaltungsträgern erfassen, ist jedoch äußerst umstritten 147. Die Befürworter einer Erstreckung des Gesetzesvorbehalts auf den Bereich der Verwaltungsorganisation können darüber hinaus auf erstaunliche Parallelen in der Auslegung dieser landesverfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalte und der Wesentlichkeitstheorie hinweisen. So wurde bereits vor den ersten, die Wesentlichkeitstheorie entwickelnden bundesverfassungsgerichtlichen Judikaten in der landesverfassungsrechtlichen Kommentarliteratur angenommen, "allgemeine Landesverwaltung" sei gleichzusetzen mit 146 Siehe z. B. Art. 83 des Entwurfs einer Thüringischen Verfassung (vom 30. 8.1990); Art. 84 des Entwurfs der Sächsischen Verfassung (vom 23.10.1990); Art. 83 des Entwurfs der Mekklenburgisch-vorpommerischen Verfassung (vom Juli 1990); Art. 101 des Entwurfs der Brandenburgischen Verfassung (vom September 1990).
147
Siehe dazu H. Lynker, Rechtsgrundlagen der Körperschaft, S. 31, und D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 155 (einerseits), sowie K. Braun, Kommentar zur Verfassung Baden-Württemberg, Art. 70, RdNr. 5; P. Feuchte, Kommentar zur Verfassung Baden-Württemberg, Art. 70, RdNr. 4, und Barschel/Gebel, Landesssatzung, Art. 38, S. 238 (andererseits). Bemerkenswert ist in Niedersachsen, daß sich die Landesregierung durch Beschluß vom 31. 3. 1953 (Nds. MB1. S. 165) "die Errichtung und die Bestimmung des Aufgabenbereichs der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts..." vorbehalten hat, in der "Referenten-Begründung zum Entwurf einer Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung" jedoch Strukturen des verselbständigten Verwaltungsträgers für möglich gehalten werden, die eine gesetzliche Regelung erfordern, a.a.O., S. 11. Siehe zur Auslegung des Art. 77 BV in Bayern: W. Leisner, Errichtung und Einrichtung juristischer Personen in Bayern, S. 329 ff., sowie K. Schweiger, Verwaltungsorganisation und Verfassung, S. 4 f.
C. Souveränitätsfrage und parlamentarische Mitwirkung
55
Aufgabenzuweisungen von allgemeiner und grundlegender Bedeutung148; sie wolle mehr ausdrücken als den Gegensatz von Sonderbehörden und Behörden der allgemeinen Verwaltung 149. Schmidt-Aßmann hat in dieser Auslegung gleichsam eine Vorwegnahme der Wesentlichkeitstheorie gesehen150.
C. Die Bedeutung der Souveränitätsfrage für die parlamentarischen Mitwirkungsrechte Trotz der großen Anzahl rechtswissenschaftlicher Publikationen zum Thema "Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie" kann der institutionelle Gesetzesvorbehalt jedoch nicht ohne weiteres als Teilaspekt des Wesentlichkeitsvorbehalts vorausgesetzt werden. Auch in neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen wird festgestellt, die Diskussion um den Parlamentsvorbehalt sei noch immer nicht zum Abschluß gekommen151, die Frage nach dem dogmatischen "Aufhänger" der Wesentlichkeitstheorie unbeantwortet 152 und das Verhältnis des institutionellen Gesetzesvorbehalts zur Wesentlichkeitstheorie ungeklärt 153.
Die Annahme einer nicht nur ungeschriebenen, sondern auch exklusiven parlamentarischen Zuständigkeit für Organisationsmaßnahmen jenseits individualrechtlich bedeutsamer Sphären scheint zunächst unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstradition bedenklich. Eine vertiefte Betrachtimg zeigt indes, daß sowohl die Gründe, die nach konstitutionellem Staatsrecht zur Begrenzung parlamentarischer Funktionen auf ausdrücklich verankerte Mitwirkungsrechte als auch zur Beschränkung auf individualrechtsschützende ge setzliche Maßnahmen führten, für das Verfassungsrecht der Gegenwart kei-
148
E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (342), m.w.N. in FN 25.
149
Siehe dazu K. Braun, Kommentar zur Verfassung Baden-Württemberg, Art. 70, RdNr. 10; R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 344, sowie die Aussage des Landesinnenministers Dufhues zum LOG Nordrhein-Westfalens am 19.4.1961 (LT-Protokolle, 4. Wahlperiode, 61. Sitzung, S. 2230: "Er (seil.: der Entwurf) beschränkt sich hierbei nicht darauf, den Begriff der allgemeinen Landesverwaltung im Sinne des Sprachgebrauchs der früheren preußischen Verwaltung und damit als Antithese zu den Sonderbehörden auszulegen." 150
E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (347). J . Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 23.
151
1CJ 153
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 28. P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 78.
56
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
ne Überzeugungskraft mehr beanspruchen können. Teilweise wird sich auch herausstellen, daß diese Aussagen schon für das konstitutionelle Verfassungsrecht in dieser generellen Form nicht zutrafen. Im Gegensatz zur sonstigen im westlichen Kulturkreis festzustellenden Entwicklung verharrte das deutsche Staatsrecht im Hinblick auf die Souveränitätsfrage bis zur Weimarer Reichsverfassung in einer eigentümlichen Schwebelage154. Obgleich die Länderverfassungen nicht unerhebliche Beschränkungen landesherrlicher Machtbefugnisse vorsahen, galt der Monarch noch über einen langen Zeitraum de iure als Inhaber der Souveränität. Den Landesverfassungen wurde nicht - wie bei der Reichverfassimg von 1871 und den modernen demokratischen Verfassungen der Fall 155 - die Bedeutung beigelegt, monarchische Staatsgewalt zu begründen, sondern lediglich die, sie zu beschränkenArt. 57 der Wiener Schlußakte (vom 15. 5. 1820), die gleichsam die geistige Grundlage konstitutioneller Verfassungen bildete, bestimmte ausdrücklich: "Da der deutsche Bund,... aus souveränen Fürsten besteht, so muß dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge die gesamte Staats-Gewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, und der Souverän kann durch eine landständische Verfassung nur in Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden."
Dieser Umstand ermöglichte dem Monarchen nicht nur, die Vertretungsorgane auch an jenen Vorhaben im Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen, bei denen ihm nach der Verfassung die Entscheidung "an sich" allein zustand; darauf wird noch ausführlich einzugehen sein158. Er bildete auch den Grund dafür, warum sich Beschränkungen nur aus ausdrücklichen 159 Bestimmungen der Verfassung ergeben konnten und im übrigen von einer monarchischen, 154
Vgl. dazu H. Gangl, Der deutsche Weg zum Verfassungsstaat, S. 23 (37), der ausführt, die Mehrheit der deutschen Historiker nehme an, gerade "das 19. Jahrhundert sei durch eine maximale Distanz und Differenz des deutschen politischen Denkens zum Westen gekennzeichnet"; vgl. auch W. Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 83. Ubersehen werden sollte allerdings nicht, daß der "Übergangstyp" konstitutionelle Monarchie auch in Schweden (bis 1917), Danemark (bis 1901) und den Niederlanden (bis 1868) bestand; K. v. Beyme, Die parlamentarischen Regierungssysteme, S. 30. 155
Vgl. dazu E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 224.
156
H. H. Rupp, Die "Verwaltungsvorschriften", S. 609 (610); W. Krebs, Der Vorbehalt, S.
110. 157
Zitiert nach P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (968) (Hervorhebung vom Verfasser). 1 CO in
Siehe dazu unten: F. P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (968).
C Souveränitätsfrage und parlamentarische Mitwirkung
57
und dies bedeutete nichts anderes als: exekutivischen Kompetenzpràsumption auszugehen war 160 . Daran wurde selbst dann noch festgehalten, als die Mitwirkungsbefugnisse ständischer Vertretungen ein Ausmaß erreicht hatten, das es verboten hätte, weiterhin von monarchischer Souveränität zu sprechen. Das konventionelle Verständnis von Souveränität als einer unbeschränkbaren höchsten Gewalt, die mit keinen anderen Gewalten konkurriert, hätte dem entgegenstehen müssen161. Der herrschenden Staatsrechtslehre gelang es jedoch, mittels einer logisch-juristischen Operation 162 die Vorrangstellung des Monarchen zu sichern: Zwar verlieh sie nun dem Staat die rechtliche Stellung einer die Staatssouveränität innehabenden juristischen Person163 und dem Monarchen sowie der Ständevertretung lediglich die Stellung von Staatsorganen, die diese Staatssouveränität ausübten 16*. Da der Monarch dafür aber zum obersten Staatsorgan 165 avancierte, änderte sich faktisch nichts an der Kompetenzvermutung zu seinen Gunsten166. Die eigentliche Souveränitätsfrage wurde damit lediglich auf eine andere Ebene verlagert 167. Die Beschränkung der ständischen Vertretung auf jene in der Verfassung ausdrücklich bezeichneten Bereiche und die damit korrespondierende Kompetenzpràsumption zugunsten des Monarchen mußte demzufolge in dem Augenblick entfallen, in dem die dafür gleichsam die verfassungsrechtliche Geschäftsgrundlage bildende Souveränitätsfrage dezidiert z 160 E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 220, dort in FN 3; W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 132, spricht von einer "Subtraktionsmethode"; vgl. auch K. Kröger, Verfassungsgeschichte, S. 38. 161 Vgl. dazu auch S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 162 ff. Dabei spricht freilich schon die Existenz einer Verfassung als Ausdruck rechtlicher Bindung gegen die Annahme monarchischer Souveränität; so auch W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 153: "Ein Verfassungsrecht hat nur da Raum, wo die Herrschersouveränität nicht mehr als absolut behauptet wird...". 162
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 163.
163
Ein Umstand, der für das Organisationsrecht weitreichende Auswirkungen hatte, da bei weiteren juristischen Ausgründungen des Staates die Frage auftauchen mußte, ob und welche Änderungen dies im Hinblick auf die Zurechenbarkeit zur Folge hatte; siehe zur Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts unten: Vierter Teil, Drittes Kapitel. 164
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 163, m.w.N. in FN 18.
165
D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 83. Damit wurde implicite die Staatsorganqualität der lange Zeit hindurch lediglich als "gesellschaftliche Organe" angesehenen "Volksvertretungen" anerkannt; vgl. dazu N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 94. 166
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 163/164. So auch N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 95, dort in FN 6. 167
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 164.
58
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
gunsten der Volkssouveränität geklärt wurde 166. Spätestens169 mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassimg am 14. 8. 1919, die in Art. 1 Satz 2 ausschließlich das Volk als Souverän bezeichnete, war dies der Fall.
D. Der Einfluß der Souveränitätsfrage auf den Gesetzesbegriff Die Brüchigkeit des Dogmas von der monarchischen Souveränität wurde aber bereits an der Auslegung des Art. 60 (1848) bzw. Art. 62 (1850) Preußischer Verfassung deutlich170; auf sie wurde bereits an früherer Stelle hingewiesen171. Im Zusammenhang mit Art 60, der "anfänglich sicher nur als Verweisung auf die ... Einzelbestimmungen"172 der preußischen Verfassung gedacht gewesen war, tauchte die Frage auf, ob er nur Vorgaben über Art und Weise des Zustandekommens eines Gesetzes enthielt oder er (auch) für jede sonstige, nicht ausdrücklich in der Verfassung einem Gesetzesvorbehalt un168
So stellt R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59, fest, durch den Wechsel zum Volk als Souverän sei "der verfassungsgeschichtliche Grund für die Entstehung des Vorbehalts des Gesetzes eigentlich entfallen"; W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 140/141, spricht davon, daß mit "dem Entfall des antagonistischen Verhältnisses zwischen Parlament und Regierung... der politische Vorbehalt seine spezifisch politische Bestimmungsgröße" verloren habe. 169 Siehe zu den Überlegungen, die für eine historische Vordatierung sprechen: R. Grawert, Reich und Republik, S. 481 ff.; W. Weber, Die Teilung der Gewalten als Gegenwartsproblem, S. 185 (192), sieht, wofür sehr vieles spricht, bereits im Obergang zum parlamentarischen Regierungssystem durch verfassungsänderndes Gesetz vom 28. Oktober 1918 (RGBl. S. 1274) das entscheidende Datum. Vgl. zum Übergang zum parlamentarischen Regierungssystem auch P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (961). 170
In der es lediglich hieß: "Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetz erforderlich." Freilich steht diese Auslegung nicht am Anfang einer die monarchische Souveränität in Frage stellenden Entwicklung; sie bildet nur eine, wenn auch sehr markante Zäsur. Der Abbau monarchischer Souveränität setzte bereits unter dem Absolutismus ein und äußerte sich dort in der Fiskustheorie. Sie beließ "dem absolutistischen Staat de jure die unbegrenzte Machtbefugnis ... (legte) ihm aber de facto als Schuldner von Geld empfindliche Fesseln" an; so K. Zeidler, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, S. 208 (221); näheres zur Fiskustheorie unten: Dritter Teil, Zweites Kapitel, A. sowie Vierter Teil, Zweites Kapitel, Β. VI. 171
Siehe oben: Erstes Kapitel, C. I.
172
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59 (Hervorhebung vom Verfasser).
D. Souveränitätsfrage und Gesetzesbegriff
59
terworfene Anordnung dann das gemeinschaftliche Zusammenwirken von Monarch und Kammer(n) forderte, wenn ihr Rechtssatzcharakter zukam. Letztere Auslegung wurde herrschend obgleich die erstere - wie sich später herausstellte173 - dem objektiven Gesetzeswillen mehr entsprochen haben dürfte 174. Auf diese Weise wurden die Mitwirkungsrechte der Vertretungskörperschaft entscheidend erweitert und die Gewichte erheblich zugunsten jenes Staatsorgans verlagert, das die demokratische Komponente175 der Verfassung repräsentierte 176. Eine ähnliche Entwicklung, dies darf en passant vermerkt werden, scheint sich gegenwärtig auf europarechtlicher Ebene abzuzeichnen177. 173
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 223.
174
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59; siehe auch W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 21. 175 Von den in Preußen bestehenden zwei Kammern kann lediglich die 2. Kammer als demokratisch legitimiert angesehen werden (vgl. Art. 69 PreußVerf. v. 31. 1.1850), wobei durch das Dreiklassenwahlrecht (Art. 71 PreußVerf.) freilich eine Relativierung erfolgte. 176
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 222, dort zu Art. 62 der Preußischen Verfassung von 1850. 177
Obwohl nach europarechtlichen Grundsätzen das "Prinzip der begrenzten Ermächtigung" besteht, entwickelt sich über die Auslegung der Art. 235 und Art. 100 EWGV eine Art "Kompetenz-Kompetenz"; siehe dazu Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 108 ff., J. Schwarze, Eine Verfassung für Europa, S. 15 (38), sowie G. Süß, Probleme einer europäischen Asylrechtsharmonisierung, S. 609. Bemerkenswert ist auch, daß in neuesten Publikationen (bereits) die Feststellung für notwendig gehalten wird, "daß Art. 189 EWGV selbst keine Kompetenzvorschrift darstellt, sondern nur die Handlungsmittel beschreibt" (so S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien, S. 684) und W. de Lobkowicz, Europäisches Kommunalwahlrecht, S. 519 (525), ausführt, es sei eine Beweislastumkehr des Inhalts anzunehmen, daß "die Mitgliedstaaten die Nichtzuständigkeit der Gemeinschaft zu beweisen (hätten) und nicht umgekehrt." Von den Überlegungen, die darauf abzielen, eine Kompetenzpràsumption zugunsten der EG abzuleiten, sind jene zu unterscheiden, die den Zweck verfolgen, die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments (zu Lasten des Rats) zu begründen. Auch wenn A. Bleckmann es als "heute noch sehr gewagt" (Europarecht, S. 49 (Hervorhebung vom Verfasser)) bezeichnet, eine Zuständigkeit des Europäischen Parlaments aus dem Demokratieprinzip abzuleiten, so steht doch der bemerkenswerte Versuch G. Rees1, Parlamentarische Legitimierung der Rechtsetzung der EG, S. 625 (633), im Raum, aus der Präambel zur EEA i.V.m. Art. 1 EEA eine solche rechtliche Verpflichtung abzuleiten. Bemerkenswert im vorliegenden Zusammenhang auch seine Feststellung, die Gesetzgebung durch die Exekutive der EG entspräche dem Zustand, "in dem Europa im 19. Jahrhunden sich zu Zeiten des Konstitutionalismus befan (a.a.O., S. 626; Hervorhebung vom Verfasser). Siehe zur Annahme eines "demokratischen Defizit(s)" durch das Europäische Parlament selbst: FAZ v. 11. 10. 1990, Nr. 237, S. 19 (einerseits) und zur Ansicht der früheren britischen Premierministerin Thatcher, Großbritannien habe bereits ausreichend Souveränitätsrechte übertragen: Die Welt v. 1.11. 1990, Nr. 256 (andererseits).
60
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
Daß auch der so bewirkte Verlust der grundsätzlich noch immer dem Monarchen zustehenden Rechtsetzungsbefugnis nicht die Vorstellung von monarchischer Souveränität obsolet werden ließ, mag zunächst erstaunen. Verständlich wird dies jedoch, wenn zwei Faktoren in die Betrachtung mit einbezogen werden, die dem entgegenwirkten: - Institutionell verhinderte die Notwendigkeit eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens von Monarch und "Volksvertretung" 11* die Dominanz der Vertretungskörperschaft(en) 179. Hinzu kam, daß zwar die Vertretungskörperschaft an der inhaltlichen Fixierung beteiligt, der Monarch jedoch als derjenige angesehen wurde, der den Gesetzesbefehl erließ 180. - Funktionell diente ein inhaltlich fixierter Gesetzesbegriff dis Korrektiv. Nachdem auch in der Gegenwart Organisationsmaßnahmen dann in die parlamentarische Zuständigkeit fallen sollen, wenn sie Rechtssatzqualität aufweisen181, bedarf es einer vertieften Betrachtung jenes politisch-sozialen Umfeldes, in dem der Rechtssatzbegriff seine mdividualrechtsschützende und eingriffsbezogene Prägung erfuhr.
L Das funktionelle Korrektiv: Die materielle Anreicherung des Gesetzesbegriffs
Da sich ein Teil der konstitutionellen Landesverfassungen mit der vagen Formulierung begnügte, die "Gesetzgebung" werde durch Monarch und Vertretungsorgane gemeinsam ausgeübt182, bildete der Gesetzesbegriff das juristische Einfallstor für die politischen Vorstellungen jener Zeit: Mit der extensiven oder restriktiven Auslegung des Begriffs "Gesetz" wurde über das faktische Maß an monarchischer Souveränität entschieden183. Herzog hat die 178
Auf Preußen bezogen fällt es in Anbetracht des Dreiklassen-Wahlrechts schwer, von einer "Volksvertretung" zu sprechen. Bemerkenswert bleibt, daß auf Reichsebene das allgemeine und gleiche, in Preußen aber das Dreiklassen-Wahlrecht galt; vgl. dazu E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte III, S. 861. 179
Auf die weitreichenden Auswirkungen, die der spätere Fortfall dieses Sicherungsmechanismus nach sich zog, wird im Zweiten Teil, Erstes Kapitel, Α., der Untersuchung noch eingegangen. 180 Ch. Starck, Der Gesetzesbegriff, S. 164. ΙΟΙ 182
Siehe oben: Erstes Kapitel, C. I.
Vgl. dazu oben: Erstes Kapitel, C. II. Siehe zur Korrektivfunktion des materiell angereicherten Gesetzesbegriffs auch U. Karpen, Entwicklung des Gesetzesbegriffs, S. 137 (141). 183 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59.
D. Souveränitätsfrage und Gesetzesbegriff
61
Auslegung des Gesetzesbegriffs als "treffliches" Beispiel dafür bezeichnet, wie "selbst fundamentale Auseinandersetzungen in rechtlichem Gewand geführt werden können"184. Dieses historische Faktum erklärt, warum die zahlreichen Versuche, den Gesetzesbegriff zu bestimmen, nicht von der wissenschaftlichen Absicht getragen waren, "mittels theoretischer, logischer und philosophischer Kriterien einen a priori gegebenen Gesetzesbegriff zu ermitteln, sondern entsprechend dem derzeitigen Stand der politischen Machtauseinandersetzung zwischen Staat und Gesellschaft zu einer Aufteilung der Rechtsetzungsbefugnisse zwischen Landesherrn und Ständen zu gelangen."185
Der damaligen Zeitströmung entsprechend hielt es das liberale Bürgertum für ausreichend, den gesellschaftlichen Bereich mittels der "Eigentums-undFreiheits-Klausel" vor staatlichen Einwirkungen zu schützen186; es beschränkte sich "mangels einer echten politischen Teilhabe am Staat" gleichsam kompensativ nach Freiheit vom Staat187.
II. Souveränitätsfrage und Staatsaufgaben
Vor allem zwei Gründe veranlaßten das liberale Bürgertum, einen inhaltlich begrenzten Rechtssatzbegriff, genauer: eine Beschränkung politischer Mitwirkungsrechte, zu akzeptieren.
1. Die Souveränitätsfrage
Zunächst war es die Erkenntnis, daß eine Erstreckung auf sonstige Lebensbereiche das "numerus-clausus-Dogma" außer Kraft gesetzt, der Monarchie den Todesstoß versetzt und die Entstehung einer echten Demokra184
R. Herzog, Staatslehre, S. 271. P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (490). Siehe auch H. Heller, Der Begriff des Gesetzes, S. 98 (121): "Was zum Vorbehalt des Gesetzes gehört, welche Gegenstände die Gesetzgebung ergreift, das bestimmt nicht die Logik und nicht eine theoretische Formel, sondern Tradition Zweckmäßigkeit, Machtlage und Rechtsbewußtsein." (Hervorhebung vom Verfasser). 185
186
Konstruktiv die Darstellung K. Vogels, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (131 ff.), von drei unterschiedlichen Sachwirklichkeiten, wenn im Zusammenhang mit dem Konstitutionalismus von "Gesellschaft" gesprochen wird. Besonders deutlich die Aussage D. Grimms, Die Zukunft der Verfassung, S. 5 (6), wonach die bürgerliche Gesellschaftsordnung "auf der Annahme beruhte, die Gesellschaft sei aus sich heraus in der Lage, zu Wohlstand und Gerechtigkeit zu gelangen, wenn sie sich nur frei von externer Bestimmung entfalten dürfe." 187 P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (490).
62
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
tie nach westeuropäischem Zuschnitt begünstigt hätte188. Eine solche Entwicklung konnte sich aber kaum der Zustimmung des Bürgertums erfreuen, das die Befürchtung hegte, eine konsequente Demokratisierung würde zur Beteiligung der unteren Volksschichten an der Staatsmacht führen 189. Folglich spiegelte sich im inhaltlich verengten Rechtssatzbegriff das Souveränitätsproblem wider* 90. Der Gesetzesvorbehalt war der juristische Problemausdruck für die dem Konstitutionalismus gleichsam immanente "politische Rivalität zwischen Parlament und Monarchie" 191, für "die Dichotomie von monarchisch bestimmter Exekutive und Parlament"192. Er bildete jenes juristische Ventil, mit dem verhindert wurde, daß die Diskrepanz zwischen politischen und verfassungsrechtlichen Realitäten ihren explosiven Ausdruck fand 193. Infolgedessen mußte diese Beschränkung des Gesetzesbegriffs ebenfalls zu dem Zeitpunkt entfallen, in dem die Vorstellung von der Teilhabe am Staat - wie sie in der Teilnahme an der Wahl am deutlichsten sichtbar wird - juristischen Durchbruch fand. Dies geschah spätestens mit dem Übergang zum demokratischen Prinzip.
188
Vgl. zur einengenden Auslegung auch H. H. Rupp, Die "Verhaltungsvorschriften", S. 609189 (610). K. Kröger, Verfassungsgeschichte, S. 34; 59/60; Th. Würtenberger, Legitimität und Gesetz, S. 533 (536). 190
So ausdrücklich H. Heller, Der Begriff des Gesetzes, S. 98 (101): "... der Gesetzesbegriff aber entscheidet... über... das Souveränitätsproblem." 191 192 193
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 15. R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 17.
Die verfassungshistorische Entwicklung zeigte jedoch, daß noch so spitzfindige juristische Konstruktionen wie sie in der Konstruktion einer "juristischen Person Staat" unter Anerkennung des höchsten Staatsorgans Monarch Ausdruck fand, ideengeschichtlichen Entwicklungen nicht auf Dauer Widerstand leisten können. Das monarchische und das demokratische Prinzip stehen sich bei materieller Betrachtung unversöhnlich gegenüber, so auch S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 162, sowie S. 163/164. Ein ähnliches Beispiel dafür ist auch im amerikanischen Verfassungsrecht anzutreffen. Obwohl nach Art. 1 der Virginia Bill of Rights alle Menschen "von Natur aus gleichermaßen frei und unabhängig (sein) und .... gewisse ihnen innewohnende .. Rechte" besitzen sollten, wurde angenommen, mit dem Zusatz "wenn sie in den Status einer Gesellschaft eintreten", könne die Sklaverei sanktioniert werden; vgl. dazu G. Stourzh, Wege zur Grundrechtsdemokratie, S. 158 (159).
E Die demokratische Wurzel des Gesetzesvorbehalts
63
2. Die Staatsaufgaben
Hinzu kam schließlich, daß die Risiken, die mit der (grundsätzlichen) Beschränkung der Vertretungskörperschaften auf freiheits- und eigentumsrechtlich bedeutsame staatliche Eingriffe verbunden waren, unter den konstitutionellen Verfassungen noch kalkulierbar erschienen. Den Grund dafür bildete der relativ klar umgrenzte, auf Wahrung der gesellschaftlichen Ordnun ausgerichtete Bestand an staatlichen Aufgaben 194. Etwas überspitzt formuliert: Der relativ feste Bestand an Staatsaufgaben bildete die politische conditio sine qua non ßr den numerus clausus verfassungsrechtlich verbürgter Mitwir kungsrechte. Zutreffend hebt denn auch der Hessische Staatsgerichtshof hervor, mit den mannigfaltigen sozialen Aufgaben, die der Staat der Gegenwart zu erfüllen habe, sei eine Erweiterung des Rechtssatzbegriffs einher gegangen195. Folglich mußte der Eingriffs- und Rechtssatzvorbehalt auch in dem Maße fraglich werden, in dem sich staatliches Handeln quantitativ ausweitete und institutionell ausdifferenzierte; in beiden Fällen verliert staatliches Handeln an Kalkulierbarkeit. Gerade aber ein Staat, der das Ziel sozialer Gerechtigkeit auf seine Fahnen, sprich: in seine Verfassung aufgenommen hat (Art. 20 Abs. 1 GG), ist in einer hochindustriealisierten Gesellschaft zu kurzfristigen und situativen, mithin nicht vorhersehbaren Aktivitäten unter Inanspruchnahme flexibler Mittel gezwungen. Nicht zuletzt in Existenz und Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG spiegelt sich diese H(sozial)geschichtliche Bedingtheit" wider 196.
E. Die demokratische Wurzel des Gesetzesvorbehalts Aber nicht nur der Wechsel des Souveräns und die Ausweitung der Staatsaufgaben stehen einer Beschränkung parlamentarischer Kompetenzen, beispielsweise durch einen inhaltlich fixierten Gesetzesbegriff, entgegen. Eine Beschränkung parlamentarischer Kompetenz widerspräche auch dem Ziel, das mit dem Gesetzesvorbehalt ursprünglich verfolgt wurde. Nur zu leicht suggeriert die Eigentums- und Freiheits-Klausel, die grundrechtsungebundene Wesentlichkeitstheorie sei mit dem "klassischen Gesetzesvor194
D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, S. 5 (11). HessStGH, Urteil v. 3.12.1969 - P. St. 569 -, DÖV1970, S. 132 (133).
195
1
P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, S. 43 (72).
64
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
behalt" deshalb nicht zu vereinbaren, weil sie auf das individualrechtsschützende Element verzichte. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Zu Recht hat Oppermann erklärt, die Wesentlichkeitstheorie bezöge einen Teil ihrer politischen Überzeugungskraft aus der Mmodern-sinnvolle(n) Anknüpfung an die bisherige ratio und Entwicklung des Gesetzesvorbehalts"197. Hätte es unter den konstitutionellen Landesverfassungen keine dem Schutz des Individuums dienenden Verfassungsbestimmungen gegeben, so wäre verständlich, warum es zur Entwicklung des Gesetzesvorbehalts kam: Er hätte die insoweit bestehenden Defizite kompensiert. Die Ausgangslage stellte sich jedoch anders dar. Obwohl beispielsweise Art. 9 der Preußischen Verfassung (1850) den Schutz des Eigentums ausdrücklich vorsah und es somit näher gelegen hätte, ihn extensiv auszulegen, wurde (auch) auf den vagen Gesetzesbegriff des Art. 62 Preußische Verfassung zurückgegriffen. Auf diese Weise gab es gewissermaßen zwei Eigentums- und Freiheitsbegriffe 198. Eine Rolle mag dabei gespielt haben, daß die verankerten individualrechtsschützenden Bestimmungen überwiegend als Gewährungen, und verfassungsrechtliche Bestimmungen nicht als höherrangige Rechtssätze angesehen wurden 199. Der entscheidende Grund ist aber darin zu sehen, daß es auf diese Weise möglich wurde, "die Gesellschaft", den staatsfreien Raum, als verfassungsrechtlich bedeutsame Kategorie zu konstituieren. Daß der Gesetzesvorbehalt ursprünglich den Schutz des Individuums mehr als sekundäres Ziel betrachtete, fand sinnfällig auch darin Ausdruck, daß für Eingriffe in Freiheit und Eigentum lange Zeit nur dann eine gesetzliche Grundlage gefordert wurde, wenn sie durch allgemeine Anordnung,, nicht aber, wenn sie durch Einzelakt erfolgten 200. Erstmals im Jahre 1878 vertritt Laband die Ansicht, das Wesen des Rechtsstaates gebiete auch für Eingriffe durch Einzelakt eine gesetzliche Grundlage 201. Dem entsprach weiter197
Th. Oppermann, Gutachten, S. C 53. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59; vgl. ferner zur Ableitung des Gesetzesvorbehalts unter den konstitutionellen Verfassungen: W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 20. 1QÛ Vgl. dazu U. Scheuner, Die rechtliche Tragweite, S. 139 ff.; R. Wahl, Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, S. 321 ff. 200 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59. So auch P. Selmer, Der Vorbehalt, S. 489 (490), dort in FN 13; ferner O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 71 ff.; J. Staupe, Pariamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 50/51, und W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 21. 198
201
O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 77.
F. Fakultative Gesetze und offener Gesetzesbegriff
65
hin, daß an das Gesetz keine Bestimmtheitsanforderungen gestellt wurden 202. Zunächst dominierte demnach die demokratisch-partizipatorische Grundideeerst später trat der Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes in den Vordergrund 204. Diese Entwicklung entspricht auch der "ideengeschichtlichen Logik"205: Die Verankerung verfassungsrechtlich abgesicherter Individualsphären führt nicht denknotwendig zur Volkssouveränität, während das Demokratieprinzip als organisatorische Konsequenz der "kulturanthropologischen Prämisse" Menschenwürde206 verfassungsrechtlich abgesicherte Rechtsräume des Individuums zwingend "nach sich" zieht207.
F. Die fakultativen Gesetze und der inhaltlich offene Gesetzesbegriff Die nicht systematisch-rationale, sondern politisch-konventionelle Ausrichtung208 des konstitutionellen Rechtssatzbegriffs zeigte sich schließlich daran, daß auch unter den konstitutionellen Verfassungen Sachbereiche gesetzliche Regelungen erfuhren, die an sich nicht in den Anwendungsbereich der Freiheits- und Eigentumsklausel fielen™. Sie galten zwar als "Überschreitung der dem Parlament 'an sich' zukommenden Zuständigkeiten"210; verfassungsrechtliche Bedenken wurden gegen sie jedoch nicht erhoben. Ein Faktum, das im Hinblick auf die Bestrebungen, den Gesetzesbegriff inhaltlich zu beschränken211, zunächst erstaunen mag, jedoch vor dem Hintergrund der ambivalenten Zielsetzung konstitutioneller Verfassungen verständlich wird: 202
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 81; W. Mößle, Inhalt, Zweck und Ausmaß, S. 16. 203 204
J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 51.
Siehe dazu D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 106, sowie K.-U. Meyns, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 333, differenzierende Betrachtung. 205 Siehe dazu R. Wahl, Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, S. 321 ff. 206
P. Häberle, 1789 und der moderne Verfassungsstaat, S. 823 (825). Siehe ferner oben: Drittes Kapitel, C. 1.3. 207
Siehe dazu R. Wahl, Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, S. 321 (323).
208
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 225. Vgl. dazu die Nachweise bei R. Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang, S. 113 (153). 209
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 16. 211
Siehe oben: D. I.
5 Burmeister
66
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
Primär verfolgten sie den Zweck, monarchische Souveränität zu beschränken 212; sekundär - und diese Zielsetzung scheint nur allzu leicht in den Hintergrund gedrängt zu werden - dienten sie aber zugleich auch dem Schutz des Monarchen, indem sie die "Demarkationslinien" für demokratische Ingerenzen zogen. Mit beiden Zielrichtungen war aber ein Verzicht des Monarchen auf die ihm zustehenden Kompetenzen 213 vereinbar. Dadurch kam es zu gesetzlichen Regelungen, die zwar - an der Eingentums- und Freiheitsklausel gemessen - verfassungsrechtlich nicht zwingend gesetzlich hätten geregelt werden müssen214, die aber dennoch gesetzlich geregelt werden konnten 215 . Zu Recht spricht Stem deshalb davon, daß es niemals einen festen Gesetzesbegriff gegeben habe216; am deutlichsten wird Mußgnug, wenn er formuliert: "Was der Staat überhaupt von Rechts wegen anordnen durfte, konnte er nach Gutdünken auch in der Form des Gesetzes vorschreiben" 217. Es gab damit zwar einen numerus clausus verfassungsrechtlich verbürgter Mitwirkungsrechte der Vertretungskörperschaft, nicht aber einen numerus clausus der gesetzgeberischen Kompetenzen218.
I. Verwaltungsorganisation und "fakultative Gesetze"
Zu den durch sogenannte "fakultative" 219 Gesetze präokkupierten Bereichen zählte auch die Verwaltungsorganisation 2209 obgleich ihre Ausgestaltung nach konstitutionellem Verfassungsrecht - von Ausnahmen abgesehen - re-
212
Vgl. dazu oben: C.
213
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (143).
214
R. Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang, S. 113 (152).
215
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 269. K. Stern, Staatsrecht I, S. 826; dazu auch K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125
216
(167). 217 218
219
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 270. So auch R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 269.
So die Bezeichnung von H. Maurer, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 135 (143). E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 225. Siehe dazu die Nachweise bei R. Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang, S. 113 (154/155), sowie E. Rasch, Probleme um ein Landesorganisationsgesetz, S. 377, und A. Köttgens, Die Organisationsgewalt, S. 154 (162), Hinweis auf das preußische Gesetz über die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung vom 26.7.1880. 220
F. Fakultative Gesetze und offener Gesetzesbegriff
67
gelmäßig auf dem Verordnungswege hätte erfolgen können221. Schmidt hat die drei Gruppen von organisatorischen Anordnungen zusammengefaßt. Neben der überwiegenden "Errichtung und Einrichtung von Behörden im Wege Allerhöchsten Erlasses oder königlicher Verordnung", gab es "... erstens die Fälle, in welchen die Errichtung... durch Gesetz vor sich ging, weil nach der Verfassung ein solches notwendig war,
sodann diejenigen Organisationen, für welche die gesetzliche Durchführung nicht notwendig gewesen wäre, aber aus Gründen der Politik oder der Verwaltung zweckmäßig erschien;"222.
Nicht zuletzt über diese fakultativen Gesetze vollzog sich "der Vormarsch des Bürgertums in das Innere des monarchischen Beamtenstaates"223. Zutreffend konnte Grawert denn auch darauf hinweisen, daß sich entgegen landläufigen Thesen die konstitutionelle Gesetzgebung "durchaus auch auf die eigentliche Binnenordnung" der Staatsorganisation erstreckt habe und dabei Gesichtspunkte wie "Wichtigkeit für den gesamten Staatsorganismus" und "Außenwirksamkeit einer gesetzlichen Regelung" Bedeutung erlangt hätten224. Die Gründe, die den Monarchen veranlaßten, auf das ihm allein zustehende Verordnungsrecht zugunsten einer gesetzlichen Regelung, die nun eine Kooperation 225 mit der Vertretungskörperschaft erforderlich machte, zu verzichten, waren vielfältig; sie klangen bereits in der Äußerung Schmidts an. Kostspielige Projekte ließ die Regierung beispielsweise deshalb in Gesetzesform regeln, um so die haushaltsrechtliche Absicherimg zu errei221
w. Mößle, Inhalt, Zweck und Ausmaß, S. 12; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 99, dort in FN 40, mit dem Hinweis darauf, daß Georg Meyer bereits 1911 feststellte, die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung sei praktisch in allen Ländern durch erfolgt, obwohl grundsätzlich nur die Regelung durch (exekutive) Verordnung geboten wäre. U. Karpen, Entwicklung des Gesetzesbegriffs, S. 137 (146); Κ Gareis, Die Teilnahme an deryyy Herrschaftsausübung, S. 170 -172. F. Schmidt, Die Errichtung und Einrichtung der Staatsbehörden, S. 87 (Textaufteilung sowie Hervorhebung vom Verfasser). Siehe zu den schon ausdrucklichen verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalten im Bereich der Verwaltungsorganisation: H. Kaja, Ministerialverfassung und Grundgesetz, S. 381 (422), m.w.N. in FN 142, sowie W. Rudolf in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 630, der den institutionellen Gesetzesvorbehaltyy\nach der württembergischen Verfassung von 1819 besonders hervorhebt. A. Röttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (162), der darauf hinweist, daß sich der Vormarsch nicht nur über das Budgetrecht vollzogen habe. 224 R. Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang, S. 113 (155). 225
Dazu R. Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang, S. 113 (152 ff.).
68
1. Teil: 2. Kap.: Verfassungshistorische Betrachtungen
chen226. Gesetzliche Regelungen erfolgten aber auch, um eine politisch fär opportun gehaltene (Mit')Verantwortlichkeit des Parlaments zu begründen227 Letztlich waren die fakultativen Gesetze wieder ein Symptom dafür, daß das monarchische Prinzip und das geschriebene konstitutionelle Verfassungsrecht immer weniger in der Lage waren, legitimierend zu wirken. Die in den gegenwärtigen Landesverfassungen verankerten institutionellen Gesetzesvorbehalte 228 werden als Schlußstein einer Entwicklung gesehen, die mit den fakultativen Gesetzen einsetzte229.
I L Die vielfaltige Bedeutung der "fakultativen Gesetze"
Die fakultativen Gesetze sind aber nicht nur deshalb von Bedeutung, weil sie die "Relativität" des Gesetzesbegriffs schon zu konstitutionellen Zeiten illustrieren. Sie illustrieren gleichzeitig die Relativität des Verfassungsrechts konstitutioneller Prägung (dazu: 1.), erklären, warum es zu einer stetigen Kompetenzausweitung zugunsten der Vertretungskörperschaft 231 kam (dazu: 2.) und bestätigen die Zweifel an der von Böckenförde vertretenen These, das legislative Zugriffsrecht habe schon unter dem konstitutionellen Verfassungsrecht bestanden (dazu: 3.). Auf diese Umstände darf bereits hier eingegangen werden, da sie im weiteren Verlauf der Untersuchung Bedeutung erlangen.
1. Die Relativität konstitutionellen Verfassungsrechts
Fakultative Gesetze ergingen nicht nur auf jenen Gebieten, in denen die Verfassung keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt vorgesehen hatte und 226
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 270/271.
227
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (143). yy g Siehe oben: Zweites Kapitel, Β. II. 229 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 99. 230
Besonders treffend spricht K. Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, S. 11, davon, dem deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts sei "der Gedanke der Herauslösung der rechtlichen Verfassung aus der Totalität der staatlichen Wirklichkeit noch fremd" gewesen. 231
Hervorzuheben die Aussage D. Jeschs, Gesetz und Verwaltung, S. 106: "Die Geschichte des Vorbehalts des Gesetzes ist eine Geschichte der zunehmenden Einengung freier Verwaltungstätigkeit"; K. Kröger, Verfassungsgeschichte, S. 42.
F. Fakultative Gesetze und offener Gesetzesbegriff
69
für die demzufolge die monarchische Kompetenzpràsumption streitete; es kam darüber hinaus auch zu gesetzlichen Regelungen in Bereichen, die nach dem Text der Verfassungsurkunde ausdrücklich dem Monarchen zugewiesen waren 232. Gerade diese gesetzlichen Regelungen bestätigen in besonders eindrucksvoller Weise die Feststellung Kägis, "Das Studium des monarchischen Verfassungsrechts (zeige), wie ... die normative Kraft der Verfassung im Staatsleben immer bloss sekundär"
geblieben sei233.
2. Die Kompetenzausweitung der Vertretungskörperschaften über den Gesetzesvorrang
Zu einer stetigen Kompetenzausweitung der Vertretungskörperschaft führten die fakultativen Gesetze deshalb, weil der Kompetenzverzicht des Monarchen nicht als situativ bedingt und jederzeit widerrußar y sondern als auch ßr die Zukunft verbindlich gedeutet wurde. Rechtstechnisch wurde dieser Vorgang durch den Grundsatz des Gesetzesvorrangs erfaßt: Einmal von der Vertretungskörperschaft gesetzlich präokkupierte Sachbereiche konnten auch später nur wieder durch Gesetz geregelt werden 234.
3. Das Zugriffsrecht der Vertretungskörperschaft
Die über den Grundsatz des Gesetzesvorrangs herbeigeführte Kompetenzerweiterung der Vertretungskörperschaft rechtfertigt freilich nicht, von einem schon seit dem Konstitutionalismus bestehenden legislativen H Zu232
233
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 269 und S. 270, dort in FN 17.
W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 153. Siehe zur Unzulässigkeit des "Verzichtsgedankens" unter dem Grundgesetz (auf das Bund-Länder-Verhältnis bezogen): BVerfG, Urteil v. 23.10. 151, - 2 BvG 1/51 -, = BVerfGE 1,14 (18), LS 30: "Ein Land kann auf verfassungmäßige Rechte und Kompetenzen nicht verzichten. Der Bund kann durch einen solchen Verzicht eine ihm im Grundgesetz nicht zugestandene Kompetenz nicht gewinnen." 234
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 225; R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 106. Auch hier darf auf vergleichbare Entwickhingen im Europarecht, auch wenn sie nur ansatzweise festzustellen sind, verwiesen werden. Siehe zur Frage, wie vom Ministerrat und der Kommission durch Absprachen und einseitige Maßnahmen hervorgerufene Kompetenzerweiterungen des Europäischen laments zu bewerten, insbesondere, ob sie rückgängig zu machen sind: A. Bleckmann, Europarecht, S. 51.
70
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvoibehalts
griffsrecht" zu sprechen235. Der Exekutivbereich war der Legislative zwar offen, er war ihr aber nicht ausgeliefert, da die Verweigerung monarchischer Mitwirkung ein eigenständiges Vorgehen der Vertretungskörperschaft verhinderte 236. Dieses monarchische "Vetorecht" steht der Annahme eines legislativen Zugriffsrechts 237 entgegen; dies jedenfalls dann, wenn man "Zugriffsrecht" als das Recht des einen Staatsorgans definiert, auf den Bereich eines anderen Staatsorgans ohne dessen Zustimmung einzuwirken. Zu Recht hat Mußgnug hervorgehoben, daß den Nutzen aus der Allzuständigkeit des Gesetzgebers nicht das Parlament, sondern allein der Monarch zog238 und der Allmacht des Gesetzes durch die Abhängigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers von der Krone wieder Grenzen gezogen wurden 239.
Drittes Kapitel
Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvorbehalts Die Untersuchung zeigte, daß jene historisch-sozialen Gründe, die zur Annahme eines numerus clausus' parlamentarischer Mitwirkungsrechte führten, genauso entfielen wie jene, die veranlaßt hatten, den Gesetzesbegriff inhaltlich zu determinieren 240. Die deutsche Staatsrechtslehre hätte sich somit vor die Frage gestellt sehen müssen, "ob und bejahendenfalls in welchem Umfang der Vorbehalt des Gesetzes in einer parlamentarischen Demokratie notwendig und sinnvoll ist"241. Dabei hätte sie die Möglichkeit, ihn weiterhin als Instrument zur Beschränkung des dem Parlament gegenüberste235 236
So aber E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 103.
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (143); R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 271. Siehe zur besonderen Rechtslage auf Reichsebene: ders., a.a.O., S. 271, dort in FN 24. 237 Vgl. zum Zugriff: R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 271. R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 270. 239
240
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 272.
Siehe oben: Zweites Kapitel. R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 17, betont, obwohl mit der Weimarer Reichsverfassung zwar "die Dichotomie von monarchisch bestimmter Exekutive und Parlament" entfallen sei, sei die "Kontinuität der Begriffe von formellem und materiellem Gesetz und des Eingriffsvorbehalts... gewahrt" geblieben. 241 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59; R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 17; ähnlich C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (305), im Hinblick auf das an späterer Stelle (siehe unten: Fünfter Teil, Viertes Kapitel) noch zu erörternde Problem von Ministerialsystem und Verwaltungskontrolle.
Α. Funktionswandel und grundgesetzliche Mediatisierungsstufen
71
henden Souveräns einzusetzen, ausscheiden müssen. Sie versäumte dies jedoch "1919 zum ersten Mal und 1949 zum zweiten Mal" 242 . Nicht zuletzt dieser Umstand bildet den Grund dafür, warum das konstitutionelle Gewaltenteilungsmuster sein "politisches Substrat um Jahrzehnte" überlebte 243.
A. Funktionswandel und grundgesetzliche Mediatisierungsstufen Die in den letzten Jahren aufgelebte Diskussion um den Gesetzesvorbehalt muß jedoch als Indiz dafür gewertet werden, daß ihm möglicherweise eine andere Funktion zuwuchs. Bedenken, ein Rechtsinstitut konstitutionellen Staatsrechts, wenn auch anders akzentuiert, zu rezipieren, bestehen nicht. Zum einen wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur angenommen, von der Rechtsdogmatik entwickelte Begriffe könnten "den Wechsel von Verfassungen und Staatsformen überdauern, wenn sie in das Gefüge der neuen Verfassung passen, selbst wenn sie in der neuen Verfassung eine neue Funktion übernehmen"244. Zum anderen zeigte sich bereits, daß die grundrechtsunabhängige, demokratisch-partizipatorische Radizierung des Gesetzesvorbehalts245 mit der Zielsetzung übereinstimmt, die ihm nun auch (wieder) durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung verliehen wird. Insofern darf von einem "zurück zu den staatsrechtlichen Wurzeln" gesprochen werden.
I. Der Gesetzesvorbehalt als Instrument zur Optimierung der verfassungsrechtlichen Grundidee "Demokratie1*
Daß mit dem Wechsel des Souveräns das Rechtsinstitut Gesetzesvorbehalt nicht zum Gegenstand allenfalls verfassungshistorischer Untersuchun242 243
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 59.
w. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 133. 244 Ch. Starck, Der Gesetzesbegriff, S. 166. Auszuschließen ist auch nicht, so W. Weber, Die Teilung der Gewalten als Gegenwartsproblem, S. 185 (197) - bezogen auf den Gewaltenteilungsgrundsatz - , daß der Verfassungsschöpfer in seinem Irrtum Förderer eines neuen Sinnes geworden sei; H. Boldt, Parlamentarismustheorie, S. 408, bezogen auf Institutionen; O. Bachof, Parlament und Regierung (Diskussionsbeitrag), S. 225. 245
Siehe oben: Zweites Kapitel, E.
72
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvoibehalts
gen wurde, kann bei näherem Hinsehen nicht erstaunen: Mit dem Übergang vom monarchischen zum demokratischen Prinzip eröffnete sich für den Gesetzesvorbehalt ein neuer verfassungspolitischer Anwendungsbereich. Zwar konnte er nun nicht mehr dazu dienen, die de iure geklärte, jedoch in hohem Maße mit der historischen Entwicklung in Widerspruch stehende Souveränitätsfrage zu entschärfen; diese Zielsetzung entfiel mit dem Übergang zur Demokratie. Ihm könnte jedoch nunmehr die Funktion zugefallen sein, die Auswirkungen demokratisch-institutionalisierter Staatlichkeit mit ihrer ide engeschichtlichen und anthropologischen Prämisse in eine harmonische Beziehung zu setzen. Er würde damit als juristisches Instrument dazu dienen, ein Optimum an Kongruenz zwischen verfassungsrechtlicher Legalität und Legitimität 246 herzustellen. Daß es sich dabei nicht von vornherein um ein ausschließlich verfassungspolitisches Desiderat, sondern auch um einen durchaus verfassungsrec/if//c/i bedeutsamen Gesichtspunkt handelt, wird bereits daran sichtbar, daß auch das Bundesverfassungsgericht betonte, ohne die Chance des Bürgers zur Identifikation mit dem Staat könne die demokratische Staatsform keinen Bestand haben247. In einer anderen Entscheidung hob es schließlich positiv hervor, durch Satzungen werde der Abstand zwischen Normgeber und Adressat verringert 2**. Es muß erstaunen, wenn die herrschende Meinung bislang überwiegend auf andere Rechtsinstrumentarien zur Erreichung dieses Ziels zurückgreift 249.
246
Vgl. zur Herstellung von Legitimität: M. Kriele, Das demokratische Prinzip, S. 46 (65). Legitimität wird von Kriele als "innere Akzeptierung der demokratischen Rechtsordnung vom Volk..." bezeichnet. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 28, bezeichnet sie "als eine generalisierte Bereitschaft, inhaltlich noch unbestimmte Entscheidungen innerhalb gewisser Toleranzgrenzen hinzunehmen." Sachlich nichts anderes beschrieb bereits 1771 Johann Heinrich Gottlob von Justi, wenn er forderte: "Ein grosses Augenmerk der wahren Staatskunst muss demnach dahin gerichtet sein, die Untertanen von der Güte des Gesetzes zu überzeugen."; zitiert nach U. Scheuner, Die Funktion des Gesetzes, S. 127 (129). 247 BVerfG, Beschluß v. 28. 10. 1975 - 2 BvR 883/73, 379, 497, 526/74 -, = BVerfGE 40, 237 (251). 248
BVerfG, Beschluß v. 9. 5. 1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33, 125 (136/137). 249
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 69, der den Gesetzesvorbehalt in dieser Funktion nicht erwähnt.
Α. Funktionswandel und grundgesetzliche Mediatisierungsstufen
73
I I . Grundgesetzliche Mediatisierungsstufungen
Während der absolute Monarch über einen langen Zeitraum sowohl juristisch als auch faktisch Staats- und Organsouveränität in sich vereinte 250, ist Demokratie als "organisatorische Konsequenz" der kulturanthropologischen Prämisse Menschenwürde251 - regelmäßig - auf Repräsentation angewiesen252. Repräsentation bedeutet aber gleichzeitig Mediatisierung und erzeugt Distanz zum Inhaber der Souveränität. Nach der grundgesetzlichen253 Konzeption ist diese Mediatisierung darüber hinaus eine mehrfache. Nicht nur durch die Kreation des Staates als juristische Person254 mit verschiedenen Staatsorganen, die anstelle des Volkes die Staatsgewalt ausüben, wird von der Urform 255 unmittelbarer Demokratie, vom Idealfall unmittelbarer Entscheidung256, abgewichen und damit eine erste Mediatisierungsstufe geschaffen 257. Auch die Amtswalter der einzelnen Staatsorgane weisen nach dem Grundgesetz eine unterschiedliche Nähe zum Wahlakt und damit zur Quelle demokratischer Legitimation 258 auf: Während die Amtswalter des Staatsorgans Parlament ihre demokratische Legitimation unmittelbar aus 250
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 161. P. Häberle, 1789 und der moderne Verfassungsstaat, S. 823 (825).
251
252
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 100, führt dafür drei Gründe an: a) Umfang des Staatsbereichs und Kompliziertheit der Staatsaufgaben zögen der Selbsterledigung durch das Volk Grenzen; b) Entlastungsbedarf des auch private Angelegenheiten wahrnehmenden Bürgers; c) die Gefahr eines Dezessionimus infolge des einzig zuständigen Entscheidungsorgans. 253 Es fügt sich in das geschichtliche Bild ein, wenn die Frage nach dem Gesetzesvorbehalt unter der Weimarer Reichsverfassung nie eine vergleichbare Relevanz erfuhr. Im Gegensatz zum Grundgesetz waren sowohl Exekutivspitze als auch Legislative in gleichem Maße demokratisch legitimiert. Dabei spricht sehr viel dafür, daß aus der Sicht des Volkes die Exekutive, an deren Spitze der Reichspräsident stand, als in höherem Maße demokratisch legitimiert angesehen wurde. 254 Siehe oben: Zweites Kapitel, C. 255 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 37, spricht davon, daß das "Prinzip der Volkssouveränität .... - für sich gesehen - in der unmittelbaren Demokratie oder direkten Demokratie jedenfalls der Theorie nach stets verwirklicht" sei. 256
K-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 198.
257
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 17, spricht von "mittelbarer Demokratie". 258
M. Kriele, Das demokratische Prinzip, S. 46 (63): "Die regelmäßig wiederkehrende Wahl des Bundestages und der Landtage ist der Kern der demokratischen Legitimation." (Herv bung vom Verfasser).
74
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvorbehalts
dem vorangegangenen Wahlakt ableiten (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG), können sich - zumindest auf Bundesebene - die Amtswalter der Exekutive nicht auf eine vergleichbare Nähe zum Wahlakt berufen. Gerade die durch die Mediatisierung erzeugte juristische Distanz zum Souverän ist aber geeignet, gesellschaftliche Spannungen nicht unerheblichen Ausmaßes hervorzurufen. Dies vor allem deshalb, weil zu der institutionell-technischen Mediatisierung des Staates noch eine weitere, durch die Verankerung des Repräsentativsystems bedingte, hinzutritt 259: Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten des Parlaments "nur ihrem Gewissen unterworfen" und damit "nicht an den jeweils feststellbaren Volkswillen"260, nicht an Weisungen des Volkes261, gebunden. Da darüber hinaus der Aussage des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein paradigmatischer Charakter beigelegt wird, erfaßt dieser Grundsatz auch alle anderen Staatsorgane262. Somit stellt die einzige für die Staatsorgane verbindliche 263 Äußerung des Volkes die Wahlentscheidung dar 264 . Schon das "Staatsgrundgesetz der Republik Bayern" vom 4. Januar 1919 sah die Gefahr einer Entfremdung 265 zwischen Staatsvolk und Staatsorganen und griff auf das Instrument der Volksabstimmung zurück, um "die Übereinstimmung zwischen dem Willen des Volkes und seinen Vertretungen in Regierung und Landtag zu sichern"266. Zutreffend hat denn auch Scheuner die spezifische Entartungsmöglichkeit eines repräsentativen Systems in der zu großen "Entfernung der Staatsleitung von der legitimierenden Bestellung durch das Volk, in dem Schwinden der für jede Repräsentation nötigen Nähe zum Volk" 267 , gesehen. 259 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 62, betont die Notwendigkeit, den Grundsatz der mittelbaren Demokratie vom Grundsatz der Repräsentation zu unterscheiden. 260 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 62. 261
U. Scheuner, Verantwortung und Kontrolle, S. 379 (382).
262
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 64.
263
So auch H. Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 69 (78). Die Bedeutung der Grundrechte, wie vor allem der nach Art. 5, 8 und 9 GG, beschränkt sich auf das Recht, an die staatsmännische Weisheit zu appellieren. 264
Abgesehen selbstverständlich von der Entscheidung nach Art. 29 GG. So auch die Formulierung R. Herzogs in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 69. 265
Gesetz- und Verordnungsblatt für den Volksstaat Bayern, Nr. 1, 7. Januar 1919, S. 2; vgl. auch R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 46. 267
U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip, S. 222 (231).
Α. Funktionswandel und grundgesetzliche Mediatisierungsstufen
75
I I I . Anthropologische Gründe für die Entstehung des Spannungspotentials
Die unter der grundgesetzlichen Demokratie festzustellenden Spannungen mögen deshalb verwundern, weil gerade bei einem Volk, das sich zu einem sehr späten kulturgeschichtlichen Zeitpunkt vom monarchischen Prinzip löste, die Annahme nahezuliegen scheint, es werde nunmehr demokratische Institutionen trotz der Mediatisierungsmechanismen besonders zu schätzen wissen. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß - ungeachtet spezifisch deutscher Besonderheiten268 - das monarchische Prinzip unter anthropologischen Gesichtspunkten nicht notwendigerweise in höherem Maße zur Erzeugung von Spannungen geeignet zu sein scheint als eine zwangsläufig institutionalisierte Demokratie 269. Dies aus zweierlei Gründen: - Zum einen, weil der Bürger eines demokratisch verfaßten Staatswesens in doppelter Hinsicht unmoralisches Handeln des Staates zu erkennen glaubt. Er sieht sich durch die institutionalisierten Prozesse nicht nur seiner demokratischen Rechte270 beraubt, sondern darüber hinaus vom demokratischen Staatswesen, das nach außen hin den Anspruch demokratischer Legitimität erhebt, zusätzlich noch "betrogen". Die Monarchie hingegen lehnt zwar von vornherein die Volkssouveränität ab und hält damit dem Volk "auch" das Selbstbestimmungsrecht vor; gleichwohl erscheint sie insofern "aufrichtiger" und "redlicher", als sie erst gar nicht einen anderen Eindruck zu erwecken versucht271. - Zum anderen sieht der Bürger sein subjektives Empfinden zusätzlich durch die Verfassung selbst (scheinbar) objektiv bestätigt und seine (rechtswidrigen) Handlungen dadurch auch juristisch legitimiert: Auswirkungen institutionali268 Zweifellos wird eine deutsche Besonderheit in dem Umstand zu sehen sein, daß in Anbetracht der sowohl im "Dritten Reich" als auch mit der sozialistischen Diktatur gemachten Erfahrungen die Gefahr von Überreaktionen besteht.
269
Auf die Besonderheiten der Weimarer Reichsverfassung kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da dies den Rahmen der Arbeit sprengte. Nur kurz sei indes angemerkt, daß die Weimarer Reichsverfassung durch die Wahl des Reichstags, die unmittelbare Wahl des Reichspräsidenten und durch die Aufnahme plebiszitärer Elemente Staatsorgane und Staatswillensbildung "demokratisierte". 270 Die ihm als "leeres, äußerliches Recht" erscheinen; so die Formulierung im Staatsgrundgesetz der Republik Bayern vom 4.1.1919. 271
Dabei kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht die interessante Frage verfolgt werden, inwieweit die Monarchie der menschlichen Tendenz entgegenkommt, "Macht zu personalisieren."; vgl. dazu E. Menzel, Richtlinienkompetenz, S. 877.
76
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvorbehalts
sierter Demokratie werden als Verstoß gegen die Menschenwürde empfunden, die die kulturanthropologische Prämisse der Demokratie darstellt 272. In diesem anthropologischen Kontext dürften auch die Versuche zu sehen sein, das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG in der Gegenwart "salonfähig" zu machen273. Zutreffend hat Henke von dem "besonders in Deutschland immer wieder erwachende(n) Schwarmgeist, der die Form zerschlägt, um den reinen Inhalt zu haben, dem der Inhalt dann aber zwischen den Fingern .-274 zerrinnt" ,
gesprochen.
B. Der Mediatisierungsgrad von Exekutive und Legislative Die bewußt auf Mediatisierung ausgerichtete Konzeption des Grundgesetzes275 steht Formen unmittelbarer Demokratie als Instrument zur Überwindung der "Kluft zwischen Staatsvolk und den politischen Führungsorganen"276 entgegen277. Demgegenüber erscheint zumindest die "Verlagerung" von Sachentscheidungen auf das Parlament als staatlicher Institution niedrigsten Mediatisierungsgrades verfassungsrechtlich diskutabel, da zwar die Mediatisierung einerseits erhalten 278, ihre Intensität andererseits aber reduziert würde. Die politische Befriedungsfunktion einer solchen Lösung hat sich abgezeichnet279, ihre Vereinbarkeit mit der ursprünglichen Funktion des Gesetzesvorbehalts herausgestellt280; Bedenken gegen die Annahme einer
272
Dazu unten: C. I. 3.
273
W. Schmitt Glaeser/D. Horn, Private Gewalt, S. 171 ff., sowie G. Braas, Entstehung der Landesverfassungen in der SBZ, S. 145, zu den Bedenken, die im Zusammenhang mit der Verankerung von Widerstandsrechten in den sowjetzonalen Verfassungen erhoben wurden. 274
Er empfiehlt "Erfahrung und politische Kultur und in Ermangelung dessen für einige Zeit, auf einer inneren Linie, auch das geltende Recht"; W. Henke, Demokratie als Rechtsbegriff, S. 157 (164). 275 Vgl. oben: Α. II. 276
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 72.
277
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 44.
278
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 38, spricht davon, daß das Grundgesetz eine eindeutige Bevorzugung der mittelbaren Demokratie erkennen lasse. 279 Vgl. dazu oben: A. 280
Vgl. dazu oben: Zweites Kapitel, E.
Β. Der Mediatisierungsgrad von Parlament und Exekutive
77
über ausdrückliche Mitwirkungsrechte des Parlaments hinausgehenden Zuständigkeit konnten zumindest unter dem verfassungshistorischen Blickwinkel zerstreut werden 281. Zu fragen bleibt demnach, ob der Gesetzesvorbehalt nunmehr als Folge eines verfassungsrechtlichen Gebots geringstmöglicher Mediatisierung auch eine verfassungsrechtliche Absicherung erfuhr. Diese Fragestellung drängt sich auf, nachdem das Bundesverfassungsgericht die unmittelbarere demokratische Legitimation des Parlaments als zuständigkeitsbegründendes Argument anführte 282. Ließe sich ein solcher Nachweis erbringen, wäre an die Stelle der monarchischen die parlamentarische Kompetenzpräsumption getreten, wäre die Volksvertretung Erbe des absoluten monarchischen Souveräns geworden283, hätten sich mit dem Wechsel der geistesgeschichtlichen Vorzeichen auch die verfassungsrechtlichen geändert.
I. Die Präponderanz des Bundestags
Dazu bedarf es jedoch des Nachweises, daß die "unmittelbarere" personelle demokratische Legitimation des Parlaments ihm auch rechtlich eine "Parlamentssuprematie" 284, eine Vorrangstellung gegenüber den anderen Staatsorganen vermittelt 285, die ihm das Recht des "letzten Worts" verleiht 286. Prima facie scheint dafür schon Art. 20 Abs. 3, 2. Halbsatz GG zu sprechen, der die vollziehende Gewalt an das Gesetz, die Gesetzgebung aber "lediglich" an die verfassungsmäßige Ordnung bindet287. Freilich verliert dieser Ableitungsansatz in dem Maße an Überzeugungskraft, in dem auch für die Exekutive die Kompetenz zur Erzeugung von Rechtsnormen diskutiert wird 288 . 281 282 283
284
Vgl. dazu oben: Zweites Kapitel, C. und D. Siehe oben: Erstes Kapitel, D. II. w. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 136.
S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 170; auch F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (182), verwendet diesen Begriff. 285
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 76, dort in FN 1, mit den Nachweisen bei Kriele. 286
Erst an späterer Stelle soll der Frage nachgegangen werden, ob damit - wie vom Gesetzesvorbehalt strukturell vorausgesetzt - auch das Recht (und vor allem: die Pflicht) des "exklusiv ersten Worts" zwingend korrespondiert; vgl. dazu unten: Viertes Kapitel. 287 K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (145 ff.). 288
K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (166).
78
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvorbehalts
Herzog hat die Vorrangstellung des Parlaments, die Präponderanz des Bundestags289, damit begründet, daß sich nur der Bundestag auf die unmittelbare Wahl durch das Volk berufen könne. Ein anders akzentuierter, jedoch auf dasselbe Ergebnis abzielender Ansatz findet sich bei Jesch, der primär in dem nur dem Parlament nach Art. 79 Abs. 1, 2 GG zustehenden Recht, als pouvoir constitué zu agieren, die "souveräne Stellung des Parlaments gegenüber allen anderen Trägern staatlicher Gewalt"290 zum Ausdruck gebracht sieht. Magiera hat dem kritisch entgegengehalten, zum einen bedürfe es auch bei der Verfassungsänderung noch der Mitwirkung des Bundesrats, zum anderen unterliege eine Verfassungsänderung der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht 291. Schnapp beschwört schließlich als Konsequenz einer zu Ende gedachten parlamentarischen Organsouveränität die Aushebelung eines jeglichen verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsmodells292. Er beschreibt damit die Gefahr jenes Parlamentsabsolutismus, dem das Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis auf die durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vermittelte verfassungsunmittelbare demokratischinstitutionelle Legitimation auch der Exekutive entgegenzuwirken versucht. Schwan sieht zwar die höhere demokratische Legitimation des Parlaments in personaler Hinsicht, behauptet jedoch, diese höhere demokratische Legitimation werde durch die funktionale und institutionelle Legitimation der Exekutive (wieder) "aufgewogen" 293. Auch Böckenförde betont, nach dem Übergang zum demokratischen Prinzip bildeten Legislative und Exekutive "nur noch als selbständige Zuständigkeitskomplexe organisierte Funktionen"294, während sie vorher "auch ihrer politischen Substanz nach 'pouvoirs'" waren, deren Kompetenzbereiche den "Macht- und Einflußbereich zweier verschiedener politischer Größen (König und Volk)..."295 markierten. Da aus
289
So die Formulierung R. Herzogs in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 77. 290 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 100. Siehe zu weiteren Vertretern dieser Richtung die Nachweise bei S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 160, dort in FN 3; zu den Gegnern siehe die Nachweise a.a.O., S. 170, dort in FN 44. 291 S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 168/169; darüber hinaus verweist er darauf, daß das Grundgesetz auch in Notstandsfällen die Staatsgewalt nicht einem Organ allein zuweise. 392 F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (181). 293 294
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 53. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 79.
295
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 78.
Β. Der Mediatisierungsgrad von Parlament und Exekutive
79
dem konstitutionellen Dualismus aber eine demokratische Kooperation geworden sei, falle der funktionell-organisatorischen Gliederung nicht mehr die Aufgabe zu, Einflußsphären rivalisierender politischer Mächte abzugrenzen, sondern vielmehr, eine optimale Wahrnehmung der Staatsaufgaben zu gewährleisten296. Gleichwohl schenkt er dem möglichen Einwand Beachtung, die verfassungsunmittelbare demokratische Legitimation auch der Exekutive schließe eine Rangordnung unter den Staatsfunktionen nicht aus. Im Ergebnis mißt er ihm jedoch keine Bedeutung bei. Die auch von ihm grundsätzlich nicht bestrittene höhere demokratische Legitimation der Legislative soll zwar "möglicherweise Konsequenzen oder Vermutungen für bestimmt geartete, demokratisch wichtige Kompetenzen ergeben, nicht aber solche für eine allgemeine Kompetenzausweitung"297. Die Ablehnung der personell-demokratischen Legitimationsintensität als Grundlage für eine "allgemeine" Kompetenzausweitung auf der einen Seite ermöglicht es ihm jedoch auf der anderen Seite durchaus, spezielle Zuständigkeiten des Parlaments für die Regelung materieller Verfassungsfragen zu begründen.
II. Personell-demokratische contra institutionell-demokratische Legitimation Es kann nicht erstaunen, daß auch Böckenfördes Konzeption, einerseits die verfassungsunmittelbare demokratische Legitimation der Exekutive zu betonen298, andererseits aber ausschließlich das Parlament als das zur Entscheidimg von materiellen Verfassungsfragen berufene Verfassungsorgan anzusehen, auf Widerstand stieß. Entgegengehalten wird ihr, es bedürfe der Begründung, "warum das Argument demokratischer Präponderanz der Legislative wohl zur Ableitung 'spezifischer Zuständigkeiten', nicht aber für eine 'allgemeine Kompetenzausweitung'" tauge299; eine Kritik, die sich im Zu-
296
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 80. Nach B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 120, dürfte Böckenförde damit zu den Vertretern jener Meinung zählen, nach deren Verständnis sich das demokratische Prinzip durch die "grundgesetzlichen Verfahrensregelngen sowie Funktionszuweisungen, -abgrenzungen und -verschränkungen erfüllt." 297 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 81. 298 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 82. 200
E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 51, dort FN 23. Bemerkenswert ist, daß E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 96, dort in FN 27, es selbst für notwendig hält, ausdrücklich hervorzuheben, daß hier kein Widerspruch zu seinen früheren Ausführungen vorläge.
80
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvobehalts
sammenhang mit der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederfindet. Auch ihm wird eine ambivalente Haltung zum demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzip vorgehalten, da diese Prinzipien teils für, teils gegen die Zuständigkeit des Parlaments herangezogen würden300. Letztlich führen die Einwendungen zu der zentralen Frage, welche Bedeutung dem Umstand gleicher institutioneller demokratischer Legitimation der Staatsorgane bei unterschiedlicher Intensität der demokratischen Legitimation ihrer Amtswalter beizumessen ist.
I I I · Die Frage nach der faktisch gleichen Legitimationsintensität
Bevor dieser zentralen Frage nachgegangen wird, sollen aber nicht jene Stimmen unerwähnt bleiben, die ein aus der unmittelbaren Wahl der Abgeordneten resultierendes "Legitimationsplus des Parlaments"301 bestreiten. Böckenförde beispielsweise weist darauf hin, daß sich in der modernen Demokratie die Abgeordnetenwahlen immer mehr zu Kanzlerwahlen entwikkelt hätten302. Deutlicher wird der juristische Kern der Aussage bei Staupe, der betont, durch die im Vorfeld der Wahlen von den Parteien getroffene Festlegung auf den zukünftigen, vom Parlament noch zu wählenden Regierungschef würde der Wähler "nicht nur über die parteimäßige Zusammensetzung des Parlaments, sondern auch über diejenige der Regierung und vor allem über die Person des Regierungschefs" entscheiden. Da es nach der Vorstellung des Bürgers vorrangig um die Wahl des Regierungschefs gehe, verleihe der Wahlakt demzufolge nicht nur dem Parlament, sondern auch der Regierung eine unmittelbare Legitimation, so daß der demokratische Legitimationsvorsprung des Parlaments nur ein scheinbarer sei303. So sehr die Argumentation unter sozialwissenschaftlichen und rechtssoziologischen Ge-
300
C.-E. Eberle, Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt, S. 485 (488); H.-J. Papier, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95 (99). So auch Ch. Starck, Der Gesetzesbegriff, S. 282, der sich sowohl gegenüber der Instrumentalisierung des Rechtsstaats-, als auch des Demokratieprinzips kritisch äußert. Siehe oben: Erster Teil, Erstes Kapitel, D. II. 301 302
J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 170.
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 81; so auch C.-E. Eberle, Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt, S. 485 (489). 303 J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 169/170.
C Die Bedeutung personell-demokratischer Legitimation
81
sichtspunkten überzeugt, so wenig überzeugt sie im Bereich des Rechts304, dem die Verabsolutierung subjektiver Vorstellungen des Normadressaten wesensmäßig genauso widerspricht wie eine Verabsolutierung ontologischer Realitäten305. Dies mögen vor allem die Konsequenzen verdeutlichen, die eine von empirischen Überlegungen determinierte Argumentation nach sich zöge: Sollte der Regierungschef schon durch die Festlegungen im Vorfeld der Parlamentswahl und die sich anschließende Wahl seine unmittelbare demokratische Legitimation erhalten, so tauchte die Frage nach den verfassungsrechtlichen Folgen der Wahl eines anderen als des in der Wahlkampfzeit favorisierten Kandidaten zum Regierungschef auf. Aber auch eine andere Überlegung belegt die juristische Unhaltbarkeit einer soziologisch-politologischen Betrachtimg; nicht zuletzt deshalb scheint Staupe es für angemessen zu halten, sie nur in einer Fußnote anzudeuten: Sollte zu der "faktisch" unmittelbaren Wahl des Regierungschefs noch die Wahl durch das Parlament hinzutreten (Art. 68 Abs. 1 GG), so läge die These nahe, es entstünde damit vielmehr ein "Legitimationsplus" der Exekutive gegenüber dem Parlament306. Eine klare Trennung beider Aspekte findet sich demgegenüber bei Herzog. Er hebt auf die Stellung des Bundeskanzlers bezogen hervor, dieser sei "... nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich ... das Staatsorgan mit der höchsten demokratischen Legitimation"307.
C. Die Bedeutung der personell-demokratischen Legitimation Mit der Feststellung der größeren Nähe des Parlaments zum Volk infolge der höheren personellen demokratischen Legitimation ist freilich noch nichts darüber gesagt, ob damit auch eine Vorrangstellung dieses Staatsor304
Auch J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 167, sieht die - insbesondere von S. Magiera erhobenen - methodischen Bedenken, hält sie aber nicht für durchschlagend, da "das Maß demokratischer Legitimation nicht rein normativ ermittelt werden" könne. Ebenfalls kritisch gegenüber einer politischen und soziologischen Betrachtungsweise, wenn 305auch anders akzentuiert: D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 100. Vgl. dazu oben: Einleitung, C. III. 306 J. Staupe, Parlamentsvoibehalt und Delegationsbefugnis, S. 170, dort in FN 50. 307
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64, RdNr. 46; vgl. auch R. Herzogs, a.a.O., Art. 20 (V), RdNr. 108, Hinweis darauf, daß die Regierung über den ihr rechtlich nicht zustehenden Kompetenzvorbehalt (dazu: Fünfter Teil, Viertes Kapitel) in Anbetracht der faktischen Regierungswahlen, die ihr ein besonderes politisches Gewicht verliehen, getrost hinwegsehen könne. 6 Burmeister
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1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvorbehalts
gans korrespondiert. Anders formuliert: Der Umstand niedrigerer Mediatisierung erlangt nur dann eine verfassungsrecM/c/ie Relevanz, wenn der Verfassung eine solche Wertung positiv entnommen werden kann308. Das Grundgesetz geht nicht von von einer "irgendwie gearteten Demokratie", sondern von einer bestimmten Form von Demokratie aus309 - jede andere Betrachtung des Begriffs Demokratie würde ihn zum Spielball weltanschaulicher Positionierungen werden lassen und ihn als Rechtsbegriff 910 desavouieren.
I. Das Verhältnis von personeller und institutioneller Legitimation
Prima facie scheint das Grundgesetz der höheren personellen demokratischen Legitimation des Parlaments keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Dafür scheinen nicht nur die bereits skizzierten Art. 20 Abs. 2 Satz 2 sowie Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu sprechen, sondern ebenso, daß auch solchen Staatsorganen wichtige Kompetenzen zugewiesen werden, deren personelle Legitimation hinter der des Parlaments zurückbleibt. Beispielhaft sei nur auf die dem Bundespräsidenten nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG zustehenden Kompetenzen oder auf die umfassenden Entscheidungsbefugnisse des Bundesverfassungsgerichts hingewie311 sen . Insofern verdient die Feststellung, Mittelbarkeit demokratischer Legitimation signalisiere kein verfassungsrechtliches Defizit einer Organstellung, sondern sei "vielmehr ein verfassungsimmanenter, vom Grundgesetz normativ angeordneter Baustein unserer Rechtsordnung", Zustimmung312.
308
Bereits 1945 hat W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 163, darauf hingewiesen, daß jede andere Betrachtung dazu führte, die demokratische Legitimität der verfassungsmäßigen Legalität überzuordnen. 309 So spricht es in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich von den demokratischen Grundsätzen "im Sinne dieses Grundgesetzes". Siehe dazu auch R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 353; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 67. 310 W. Henke, Demokratie als Rechtsbegriff, S. 157 ff. Damit soll freilich nicht die besondere dogmatische Funktion der Verfassungsprinzipien als "Schleusenbegriffe" bestritten werden; vgl. dazu E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 386. 311 Vgl. auch bei J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 173, diesen Einwand. "il ι F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (183).
C Die Bedeutung personell-demokratischer Legitimation
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1. Die personell-demokratische Legitimation von Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht
Gleichwohl berechtigt dies nicht zu der Schlußfolgerung, das Grundgesetz lege der Intensität personell-demokratischer Legitimation keinerlei Bedeutung bei. Mehrfach ging der Verfassunggeber ausdrücklich von der Notwendigkeit aus, bestimmte Staatsorgane über ihre institutionell-demokratische Legitimation hinaus noch zusätzlich mit personell-demokratischer Legitimation zu versehen: So für die Person des Bundeskanzlers, der - obgleich der Grundsatz des parlamentarischen Regierungssystems dies nicht zwingend geboten hätte313 - durch den Bundestag zu wählen ist und dadurch zum "Geschöpf des Bundestags"314 wird. Auch spricht der unmittelbar verfassungsrechtlich festgelegte personelle Rekrutierungsmodus des Bundesverfassungsgerichts für die Vorstellung des Verfassunggebers, daß die institutionelle demokratische Legitimation sowie die Legitimation über die exekutive "Ernennungskette" nicht ausreichend gewesen wäre. Zwar ordnet das Grundgesetz nicht die unmittelbare Wahl der Bundesverfassungsrichter durch Volkswahl an; dafür fordert es aber gemäß Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG deren Wahl durch Bundestag und Bundesrat. Es gibt damit zu erkennen, daß die vom Bundesverfassungsgericht zu erfüllende Aufgabe eine personell-demokratische Legitimation erfordert, die zwar nicht die des Bundestags erreichen, jedoch über die durch die "exekutive Ernennungskette" vermittelte 315 hinausreichen muß. So betont denn auch Billing, je mehr die politische Funktion und Macht eines Organs zunehme,
313
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 80, sowie Art. 62, RdNr. 74, mit dem Hinweis, daß nach den Grundsätzen des parlamentarischen Regierungssystems die Regierung zwar vom Vertrauen des Parlaments abhängig sein müsse, dies aber nicht die Notwendigkeit einer Wahl unmittelbar durch die Volksvertretung erfordert hätte (weitere Nachweise a.a.O., dort in FN 38). 314
Α. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 95. Siehe zur noch intensiveren demokratischen Legitimation des nordrhein-westfälischen Regierungschefs Art. 52 der Verfassung NordrheinWestfalens sowie den - durch die enge Zusammenarbeit zwischen beiden Bundesländern erklärbaren - Art. 75 Abs. 1 S. 1 des Verfassungsentwurfs Brandenburg (vom September 1990). 315 So fordert Art. 95 Abs. 2 GG für die Ernennung der sonstigen Bundesrichter der obersten Gerichte lediglich ein Zusammenwirken von Exekutivspitze und Richterwahlausschuß. Bemerkenswert auch, daß nach Art. 69 Abs. 2 der BerlVcrf. die Präsidenten der obersten Gerichte durch das Abgeordnetenhaus gewählt werden müssen.
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1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvobehalts
desto stärker sei auch dem demokratischen Legitimationsprinzip Geltung zu verschaffen 316.
2. Die Herbeiführung personell-demokratischer Legitimation durch die "Ernennungskette"
Aber auch unabhängig von ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Vorgaben geht die herrschende Meinimg von dem Erfordernis einer zusätzlichen personell-demokratischen Legitimation eines jeden Amtsträgers aus. Obgleich sie eine unmittelbare demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive annimmt, fordert sie zusätzlich317 bei jedem einzelnen Amtswalter "eine ununterbrochene Kette individueller ... bis auf das Volk als den Träger der Staatsgewalt" zurückführbarer Berufungsakte 318. Sie wird erreicht, in dem der vom Volk gewählte, mithin schon kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Vorgabe mit personeller demokratischer Legitimation ausgestattete Bundestag den Bundeskanzler wählt und dieser wiederum die Ernennung derjenigen Minister bewirkt, welche schließlich die sonstigen Amtswalter ernennen bzw. ernennen lassen319. Die Notwendigkeit eines solchen Légitima -
316 W. Billing, Das Problem der Richterwahl, S. 95. Nur diese intensivierte personell demokratische Legitimation erklärt auch beispielsweise, warum nicht den Richtern der sonstigen Gerichte die Verwerfungskompetenz bei formellen und nachkonstitutionellen Gesetzen zusteht (Art. 100 Abs. 1 GG).
317
E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (896): Die funktionelle und institutionell-demokratische Legitimation "... ersetzt jedoch nicht die konkrete Legitimation der jeweiligen Organwalter und ihres Handelns im zugewiesenen Funktionsbereich. H (Herv bung vom Verfasser). 318 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 53; vgl. auch BVerfG, Beschluß v. 15. 2. 1978, - 2 BvR 134, 268/76 -, = BVerfGE 47, 253 (275 und 280), sowie J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 74, zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Siehe auch E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (897/989), zu der Frage, ob bei entscheidungsbefugten Kollegialorganen jedes Mitglied durch einen individuellen Berufungsakt legitimiert sein muß. Bejahend J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (369): "Jeder Entscheider muß demokratisch legitimiert sein." (Hervorhebung vom Verfasser). 319
R. Heizog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 53. Der Umstand, daß gemäß Art. 60 Abs. 1 GG der Bundespräsident die Ernennung vorzunehmen hat, ändert daran nichts, da sie nach Art. 58 GG der Gegenzeichnung durch die Bundesregierung bedarf und dem Bundespräsidenten lediglich eine Rechtmäßigkeitsprüfung zusteht; R. Heizog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 60, RdNr. 17 und 18; dazu auch H. Kaja, Ministerialverfassung und Grundgesetz, S. 381 (414 ff.).
C. Die Bedeutung personell-demokratischer Legitimation
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tionsstrangs 320 wird dabei aus dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet321. Nach herrschender Meinung gebietet das Demokratieprinzip, daß für das Volk als Inhaber der Souveränität diese Inhaberschaft auch konkret erfahrbar sein müsse; die Staatsgewalt solle in einer praktisch-politischen, nicht aber in einer theoretisch-historischen Art und Weise vom Volk ausgehen322. Durch die Verleihung personeller-demokratischer Legitimation der Staatsorgane soll schließlich sichergestellt werden, daß sie die ihnen zugewiesenen Machtbefugnisse nicht kraft eigenen Rechts und im eigenen, sondern im Interesse des Volkes ausüben323. Die zur Notwendigkeit einer demokratischen Ernennungskette führenden Überlegungen: praktisch-politische Erfahrbarkeit einerseits, Ausübung der Staatsgewalt im Interesse des Volkes andererseits, harmonieren auch durchaus mit dem Grundsatz mittelbar-repräsentativer Demokratie: Die durch das Prinzip der repräsentativen Demokratie sanktionierte Loslösung vom konkreten, gegenwärtigen Volkswillen entbindet die Staatsgewalten nicht von der Verantwortung gegenüber dem Volk als historische Größe (Nation324), von der Verpflichtung, die "Rechte künftiger Generationen"325 zu sichern. Die periodisch wiederkehrenden Wahlen bringen schließlich die Vorstellung des Verfassunggebers zum Ausdruck, daß demokratische Legitimation immer wieder erneuert werden muß und es sich nicht um einen einmaligen historischen Akt handelt, mit dem sich das Volk der Staatsgewalt für immer begibt326. 320
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 47 ff.
321
Eine Deduktion, die grundsätzlich keinen Bedenken ausgesetzt ist, da sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur aus ausdrücklichen Bestimmungen, sondern auch aus "allgemeinen Verfassungsprinzipien und den der Verfassung immanenten Grundentscheidungen" verfassungsrechtliche Vorgaben ableiten lassen; so BVerfG, Beschluß v. 10.5.1972, - 2 BvR 705/75 -, = BVerfGE 44,308 (315). 322 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 35/36. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 46. Auf europäischer Ebene besonders deutlich: Art. 1 Abs. 3 der griechischen Verfassung v. 9. 6.1975 i.d.F.v. 12. 3.1986: "Alle Gewalt geht vom Volk aus, besteht für das Volk und die Nation und wird ausgeübt, wie es die Verfassung vorschreibt." 323
324
Es spricht sehr viel dafür, den Begriff der "Nation" (nur) dann zu verwenden, wenn das Volk nicht in seinem konkreten Bestand gemeint ist, sondern auch die zukünftigen Generationen verfassungsrechtlich erfaßt werden sollen; vgl. dazu Art. 1 Abs. 3 griechVcrf. mit der Erwähnung von Volk und Nation. 325 P. Saladin/Ch. A. Zenger, Rechte künftiger Generationen. 326
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 35/36.
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1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvoibehalts
3. Menschenwürde und Staatsorganisation
Die Herbeiführung personeller demokratischer Legitimation durch institutionelle Rückbindimg der Amtswalter entspricht auch jener anthropologischen Prämisse, die die "Basis der Demokratie" 327 bildet: der Menschenwürde. So stellte das Bundesverfassungsgericht fest,
"In der freiheitlichen Demokratie ist die Würde des Menschen der oberste Wert. Sie ist unantastbar, vom Staate zu achten und zu schützen. Der Mensch ist danach eine mit der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte 'Persönlichkeit'. Sein Verhalten und sein Denken können daher durch seine Klassenlage nicht eindeutig determiniert sein. Er wird vielmehr als fähig angesehen, und es wird ihm demgemäß abgefordert, seine Interessen und Ideen mit denen der anderen abzugleichen. Um seiner Würde willen muß ihm eine möglichst weitgehende Entfaltung seiner Persönlichkeit gesichert werden. Für den politisch-sozialen Bereich bedeutet das, daß es nicht genügt, wenn eine Obrigkeit sich bemüht, noch so gut für das Wohl von 'Untertanen* zu sorgen; der Einzelne soll vielmehr in möglichst weitem Umfang verantwortlich auch an den Entscheidungen für die Gesam mitwirkend
Eine Folgerung, die sich ähnlich bei Montesquieu findet, der das Postulat aufstellte, "In einem freien Staat soll jeder Mensch, dem man eine freie Seele zugesteht, durch sich selbst regiert werden..."329
Henke hat die Personalität als das Materiale des Rechtsbegriffs Demokratie bezeichnet. Ihr Inhalt bestehe darin, daß "der Bürger nicht als Massenpartikel und nicht als einzelner für sich allein dem Staatsganzen gegenübersteht, sondern in einem personalen Verhältnis zu den Regierenden als Seinesgleichen"330. Der Akzent muß hier auf die Formulierung als "Seinesgleichen" gelegt werden. Der vom Amtswalter gegenüber dem Bürger erhobene Anspruch auf Unterordnung negiert die in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte Gleichheit
327
So H. Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 69 (110), dort in LS 5), der ausführt, die Würde des Menschen schließe ein, "an der Gestaltung der Gemeinschaft mitzuwirken, nicht primär, um sich so besser vor ihren Akten schützen oder um materielle Interessen befriedigen oder um Autonomie wahren zu können, sondern weil politische Gestaltung mit natürlichen Lebensmöglichkeiten des Menschen als homo politicus" gehöre; siehe auch a.a.O., S 75/76. 328 BVerfG, Urteil v. 17. 8. 1956 - 1 BvB 2/51 -, = BVerfGE 5, 8 5 (204/205) (Hervorhebung vom Verfasser). Bemerkenswert deutlich hier Art. 5 Abs. 1 der griechischen Verfassung: "Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und auf Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben des Landes,...". 329
Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XI. Buch, 6. Kapitel.
330
W. Henke, Demokratie als Rechtsbegriff, S. 157 (168).
C. Die Bedeutung personell-demokratischer Legitimation
87
aller Rechtsgenossener berührt damit die Menschenwürde des Adressaten. Deutlich hat das Bundesverfassungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung die Verknüpfung von Menschenwürde und Gleichheit mit der Formulierung hervorgehoben: "Da Menschwürde und Freiheit jedem Menschen zukommen, die Menschen insoweit gleich sind, ist das Prinzip der Gleichbehandlung aller für die freiheitliche Demokratie ein selbstverständliches Postulat"332.
Die in dem Anspruch des Amtswalters auf Befolgung der Weisung enthaltene Negation der Gleichheit aller Rechtsgenossen bedarf aber eines rechtfertigenden Grundes. Die individuelle Personalität des Amtswalters reicht dazu nicht aus. Die Grundlage dafür bildet jedoch die durch die Ernennungskette herbeigeführte demokratische Legitimation. Dabei offenbart sich in Art. 44 Abs. 2 BerlVerf., der die Wahl der Generalstaatsanwälte sowie des Polizeipräsidenten unmittelbar durch das Abgeordnetenhaus vorsieht, die Vorstellung des Verfassunggebers, daß bestimmten (Amtswalter-)Funktionen in besonderer Weise die Gefahr immanent ist, die anthropologische Prämisse des Demokratieprinzips zu verletzten und sie deshalb einer intensivierten demokratischen Legitimation bedürfen.
II. Das demokratische Prinzip als "Grundgrundprinzip"
Aber auch wenn die Intensität personaler demokratischer Legitimation als Kriterium für die Bestimmung einer Rangordnung zwischen den Staatsorganen bestritten werden sollte, spricht doch ein weiteres gewichtiges Argument für eine parlamentarische Vorrangstellung. Das Grundgesetz stellt in Art. 20 Abs. 1 GG das rechtsstaatliche, soziale, republikanische und demokratische Prinzip zwar formal gleichberechtigt nebeneinander; in Abs. 2 Satz 1 hebt es jedoch nachdrücklich den Gedanken der Volkssouveränität hervor, um erst im anschließenden Satz 2 die Demokratie zu konkretisieren 331
Siehe zur besonderer Bedeutung des Gleichheitsgrundsatzes für die Demokratie: Stein in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20, S. 1322, sowie BayVerfGH, Entscheidung v. 10. 12.1971 - Vf. 34-VII-71 - , BayVBl. 1972, S. 43, der im Gleichheitssatz "Ausdruck eines der Verfassung vorausliegenden Postulats der materiellen Gerec sieht, der selbst den Verfassunggeber bindet (Hervorhebung vom Verfasser), sowie P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (970): "Die Gleichheit, häufig als Wesenskern ... der Demokratie angesehen .."; R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (I), RdNr. 17, sowie ders., a.a.O., Art. 20 (II), RdNr. 7. 332
BVerfG, Urteil v. 17. 8.1956 - 1 BvB 2/51 -, = BVerfGE 5,85 (205).
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1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvobehalts
und formalisieren. Nicht ohne Berechtigung wird daher aus der Stellung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG ein "gewisser Vorrang des Demokratieprinzips gegenüber den anderen Grundprinzipien der Verfassung" abgeleitet333. Meyn spricht plastisch vom Demokratieprinzip als einem "Grundgrundprinzip" 334. Stellt aber das Demokratieprinzip den rechtlichen Ausdruck der Volkssouveränität dar, so ist es nur folgerichtig, innerhalb der Organe, die das Surrogat für unmittelbare Selbstentscheidung335 des Volkes bilden, demjenigen die Vorrangstellung einzuräumen, das das demokratische Prinzip verkörpert. Nicht der Regierung ("Jeder Staat muß eine Regierung haben"336), sondern dem Parlament 337. Nicht ohne Grund haben sämtliche gegenwärtigen deutschen Verfassungen das Volksvertretungsorgan im Verfassungstext vor der Regierung placiert 338; nicht ohne Grund wurde beispielsweise in SchleswigHolstein das Parlament als "oberstes Staatsorgan der politischen Willensbildung" (Art. 10 Abs. 1 shVerf.) bezeichnet339.
333
K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 184.
334
K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 184. K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 198.
335
336
EL Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (12); ähnlich auch F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 195: "Jede Verwaltung ist durch zeitlose und deshalb verfassungsunabhängige Charakteristika gekennzeichnet,...". 337
P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (963): "Keine andere Institution der Verfassung verkörpert in ebenso wirksamer Form die Grundgedanken der rechtlichen Bin litischer Herrschaft und der Legitimierung von Staatsgewalt... wie die gewählte parlament Körperschaft" MO Bund: Bundestag (Art. 38 - 48 GG), Bundesregierung (Art. 62 - 69 GG); Bayern: Landtag (Art. 13 - 33), Staatsregierung (Art. 43 - 59); Baden-Württemberg;. Landtag (Art. 27 - 44), Regierung (Art. 45 - 57); Berlin: Volksvertretung (Art. 25 - 39), Regierung (Art. 40 - 44); Bremen: Landtag (Art. 75 - 106), Landesregierung (Art. 107 - 121); Hamburg: Bürgerschaft (Art. 6 - 32), Senat (Art. 33 - 47); Hessen: Landtag (Art. 75 - 99), Landesregierung (Art. 100 - 115); Niedersachsen: Landtag (Art. 3 - 18), Landesregierung (Art. 19 - 31); Nordrhein-Westfalen: Landtag (Art. 30 - 50), Landesregierung (Art. 51 - 64); Rheinland-Pfalr. Landtag (Art. 79 97), Landesregierung (Art. 98 - 106); Saarland: Landtag (Art. 65 - 85), Landesregierung (Art. 86 - 95); Schleswig-Holstein: Landtag (Art. 10 - 25), Landesregierung (Art. 26 - 36). Entsprechendes gilt nach den Verfassungsentwürfen für die ostdeutschen Länder. Auch auf europäischer Ebene ist festzustellen, daß sich die Stellung der Verfassungsorgane aus der Gesetzessystematik ableiten läßt; vgl. ζ. B. in Frankreich: Staatspräsident (Art. 5 -19); Regierung (Art. 20 - 23); Parlament (Art. 24 - 33). Vgl. dazu R. Lippold, Eine Verfassung für Schleswig-Holstein, S. 663 (666).
G Die Bedeutung personell-demokratischer Legitimation
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I I I . Organisatorisch-institutionelle Folgerungen
Zusammenfassend gilt festzuhalten, daß (a) die Verfassung ausdrücklich eine Ergänzung der demokratisch-institutionellen um eine demokratischpersonelle Komponente bei jenen Staatsorganen vorsieht, die Aufgaben von staatsrechtlich besonderer Bedeutung wahrnehmen und sich (b) für die Amtswalter der sonstigen Staatsorgane aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG die Notwendigkeit einer personell-demokratischen Legitimation ableitet. Gleichzeitig ist festzustellen, daß (c) die so herbeigeführte personell-demokratische Legitimation nicht jene Intensität erreicht, die beim Staatsorgan Parlament anzutreffen ist 340 . Ist Art. 20 Abs. 1 GG aber in der Lage, konkretinstitutionelle Direktiven fur die Staatsorganisation zu erzeugen und legt das Grundgesetz der personell-demokratischen Legitimation einen hohen Stellenwert bei, so spricht auch nichts dagegen, aus der Intensität personell-demokratischer Legitimation kompetenzielle Schlußfolgerungen zu ziehen. Herzog nimmt denn auch an, aus der unmittelbaren Wahl der Bundestages resultiere eine verfassungsrechtliche Zuständigkeitsvermutung341 des Inhalts, daß "Einschränkungen der Parlamentssouveränität - sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit als auch hinsichtlich der alleinigen Entscheidungsbefugnis - ... des Nachweises aus dem Grundgesetz"342 bedürften. Eine Folgerung, die übrigens im deutschen Verfassungsrecht bereits positiv-rechtlich in § 3 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Bayern vom 14. 8. 1919 ihren Niederschlag fand; in ihr hieß es: "Dem Landtag steht die Ausübung aller Rechte der Staatsgewalt zu, die nicht durch diese Verfassung... den Behörden oder den Verbänden der Selbstverwaltung vorbehalten sind."
340
Dies, so darf nebenbei vermerkt werden, nicht ohne Grund. Die Einrichtung zweier, in gleichem Maße demokratisch legitimierter Staatsorgane führt - wie die Weimarer Zeit nur zu deutlich belegt - sehr schnell zu einem staatsrechtlichen "non liquet". 341 Siehe zur Bedeutung von Vermutungsregelungen: E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 58. 342
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20{Π), RdNr. 77, a. E.
90
1. Teil: 3. Kap.: Funktion und Funktionswandel des Gesetzesvoibehalts
D. Der Souverän im Verfassungsstaat Skepsis mag freilich die Aussage Herzogs hervorrufen, es bestünde eine "Parlamentssouveränität" 343; sachlich bedeutet sie nichts anderes als die Annahme einer Organsouveränität. Legte man dem Begriff der Souveränität das konventionelle Verständnis zugrunde, demzufolge sie die "ungeteilte, unbedingte, imbeschränkte Macht, Recht zu durchbrechen und zu schaffen" 344 impliziert, so erscheint evident, warum die Verwendung dieses Begriffs besser unterbleiben sollte345: Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Gesetzgebung, mithin das Parlament, uneingeschränkt an die verfassungsrechtliche Ordnimg. Erst in diesem Kontext erhellt sich auch die zunächst befremdlich anmutende These Krieles, "innerhalb des Verfassungsstaates gebe es keinen Souverän", sondern lediglich Kompetenzen346. Auf den ersten Blick scheint mit ihr die Annahme einer parlamentarischen Zuständigkeitsvermutung als Folge einer Organsouveränität jedoch in Widerspruch zu stehen, wurde diese Organsouveränität doch aus dem in Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Grundsatz der (Volks-)Souveränität abgeleitet. Gegen die Annahme einer legislativen Kompetenzvermutung wendet sich auch Krebs. Er hält ihr entgegen, daß sie zwar nach dem konstitutionellen Verfassungsverständnis (zugunsten der Exekutive) deshalb habe bestehen können, weil die Verfassung nur als Instrument zur Beschränkung monarchischer Staatsgewalt angesehen worden sei. Unter dem Grundgesetz gebe es aber für eine solche Kompetenzvermutung keinen Platz mehr, da die Verfassung die Staatsgewalten nicht nur beschränke, sondern auch und vor allem konstituiere 347. Überzeugende Gründe sprechen indes dagegen, den Begriff der Parlamentssouveränität von vornherein zu disqualifizieren; dies schon ungeachtet dessen, daß der Souveränitätsbegriff "immer eine geschichtliche Antwort auf eine bestimmte geschichtliche Problemlage" war 348. Art. 20 Abs. 3 GG ist
343
Vgl. dazu R. Herzog, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183 (188); R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 278. 344 M. Kriele, Staatslehre, S. 112. 345
N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 95; kritisch auch F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (181/182). 346 M. Kriele, Staatslehre, S. 112. 347
W. Krebs, Der Vorbehalt, S. 110.
348
P. Häberle, Das Problem der Souveränität, S. 259 (265), siehe auch a.a.O., S. 270, sowie S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 160.
D. Der Souverän im Verfassungsstaat
91
nicht des Verfassunggebers letztes Wort zur Stellung des Parlaments, sondern gleichsam das verfassungsrechtliche "Intermezzo". Das "Finale" bildet Art. 79 GG. Das dem Begriff der Souveränität immanente Element rechtlicher Ungebundenheit spiegelt sich in der Befugnis nach Art. 79 GG wider, über die Verfassung partiell (Art. 79 Abs. 3 GG) zu disponieren. Dabei wird exklusiv dem Parlament die Funktion zugewiesen, den rechtlich eingebundenen politischen Souverän (Volk) zu repräsentieren; dies selbst dann noch, wenn Fragen der staatsrechtlichen Grundordnung betroffen sind. Das Grundgesetz hält damit an seiner mediatisierungsfreundlichen Konzeption (fast 349) "bis zuletzt" konsequent fest. Die dadurch zum Ausdruck gelangende exponierte Position des Parlaments kann auch nicht mit dem juristischtheoretisch und nicht praktisch-politisch motivierten 350 Hinweis darauf in Frage gestellt werden, daß das Parlament regelmäßig nicht als Verfassunggeber, sondern als einfacher Gesetzgeber agiere und es selbst als verfassungsändernder Gesetzgeber noch auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen sei. Ein solcher Einwand würde allenfalls dann verfangen, wenn das Parlament in seiner Funktion als verfassungsändernder Gesetzgeber eine andere Strukturierung erführe. Dies ist aber nicht der Fall. Die "Wandlung" vom einfachen zum Verfassungsgesetzgeber vollzieht sich - materiell betrachtet - lediglich über das Stimmergebnis. Es spricht somit nichts dagegen, die Stellung des Parlaments im Verfassungsgefüge durch eine umfassende Betrachtung zu definieren. Dazu zählt auch seine Funktion als verfassungsändernder Gesetzgeber. Auch die Einschaltung des Bundesrats in den (verfassungsändernden) Gesetzgebungsprozeß (Art. 72 Abs. 2 GG) ändert nichts daran, Art. 79 GG als Vorschrift zu werten, in der der Vorrang des Parlaments gegenüber der Regierung Ausdruck findet. Die Einschaltung des Bundesrats stellt "lediglich" ein neben Art. 79 Abs. 3 GG tretendes institutionelles Korrektiv dar, mit dem der Bundes- und Verfassungsstaat eine weitere Absicherung erfährt 351. Der exponierten Stellung des Parlaments entspricht schließlich nicht nur das Gebot der unmittelbaren Wahl der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG); ihr entspricht auch, daß ausschließlich -ÌAQ
Vgl. jedoch Art. 146 GG; dazu W. Schmitt Glaeser, Die Stellung der Bundesländer, S. 49/50; D. Murswiek, Verfassunggebende Gewalt, S. 129. 350
35/36. 351
Vgl. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. Siehe näheres dazu unten: Zweiter Teil, Erstes Kapitel, Β. IV.
9 2 1 .
Teil: 4. Kap.: Demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive
die Abgeordneten, nicht aber die Regierungsmitglieder als 'Vertreter" des Volkes (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) bezeichnet werden 352. Nichts anderes als diesen methodischen Ausgangspunkt wählt Jeschwenn er die "souveräne Stellung" des Parlaments aus Art. 79 GG ableitet. Nichts anderes bringt Schmidt-Aßmann zum Ausdruck, wenn er in dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts jenes Institut erblickt, "in dem sich der für die parlamentarische Demokratie wesensmäßige Repräsentationsvorrang als Steuerungsvorrang 354 ausdrückt" . Nichts anderes meint schließlich auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es die "unmittelbarere demokratische Legitimation"355 des Parlaments hervorhebt.
Viertes Kapitel
Die unmittelbare demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive Eine besondere Bestätigung findet die Vorrangstellung des Parlaments durch ausdrücklich verankerte parlamentarische Zugriffsrechte 356. Sie ermöglichen dem Parlament, eine grundsätzlich der Exekutive zustehende Kompetenz "an sich" zu ziehen357.
352
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 46; H. Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 69 (80). 353 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 35. 354
E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (345) (Hervorhebung vom Verfasser). 355 BVerfG, Beschluß v. 28. 10. 1975 - 2 BvR 883/73, 379, 497, 526/74 -, = BVerfGE 40, 237 (249). 356 357
Vgl. ζ. B. Art. 60 Abs. 1, letzter HS GG.
Auf diese Weise wird für die Exekutive ein neuer "Gesetzesvorbehalt" kreiert; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 104.
A. Legislatives Zugriffsrecht und Konkurrenzverhältnis
93
A. Das legislative Zugriffsrecht als Ausdruck kompetenzieller Konkurrenz Hervorhebung verdient insbesondere das noch ausführlich zu würdigende Zugriffsrecht nach Art. 86 Satz 2 GG 358 . Böckenförde sieht in ihm die lediglich deklaratorische Wiedergabe eines sich im übrigen schon "aus allgemeinen verfassungssystematischen Erwägungen"359 ableitenden Zugriffsrechts. Wenn er seine Überlegungen dahingehend präzisiert, daß es sich bei der Volksvertretung um das hauptsächlichste Repräsentationsorgan des Volkes handele und er die "funktionelle Überlegenheit, die der Volksvertretung ... durch dieses Zugriffsrecht gegenüber der Exekutive" zuwachse360, gerade von einer demokratischen Verfassungslehre her als gerechtfertigt ansieht, so bildet das Zugriffsrecht in der Tat die rechtstechnische Folge der ParlamentsSuprematie. Auch Herzogs Formulierung, Einschränkungen "hinsichtlich der alleinigen Entscheidungsbefugnis" bedürften eines ausdrücklichen Nachweises, darf nicht so verstanden werden, daß er aus der höheren demokratischen Legitimation des Parlaments schon eine durchgehende exklusive Entscheidungsbefugnis ableitet, die ein kompetenzielles Konkurrenzverhältnis 361 zwischen Parlament und Exekutive von vornherein ausschließt. So spricht er zum einen nur im Zusammenhang mit dem Grundsatz des Gesetzesvo/ra/igy362 von einer "potentielle(n) Allzuständigkeit des Parlaments"363; zum anderen wendet er sich gesondert dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts zu, der die Frage beträfe, wer sich "nicht nur als erster, sondern ausschließlich als erster" mit der Regelung einer Sachfrage beschäftigen dürfe 364. Friesenhahn scheint ebenfalls als Folge der parlamentarischen Vorrangstellung "lediglich" 358 OOQ
Siehe unten: Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 286.
3άΩ
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 105. Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 (Erstbearbeitung), RdNr. 14 b) aa): "Die heutige Staatsrechtslehre unterscheidet demnach zwei Bereiche der G gebung: einen (engen) Kernbereich, innerhalb dessen allein die gesetzgebende Gewalt tätig kann, und einen (weiteren) Bereich, innerhalb dessen sie mit der Exekutive in Konkurrenz aber wenn sie einmal tätig geworden ist, auf Grund des Vorrangs des Gesetzes (An. 20 Ausspruch vorgeht. " 361
362 3 6 3R.
Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 85. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 84.
364
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 86.
9 4 1 .
Teil: 4. Kap.: Demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive
ein legislatives Zugriffsrecht anzunehmen, da er erklärt, es bedürfe einer absolut eindeutigen und speziellen Verfassungsvorschrift zugunsten der Exekutive, um das Recht des Parlaments, sich durch einfaches Gesetz ein Mitwirkungsrecht vorzubehalten, auszuschließen365. Besteht aber nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit, sich durch einfaches Gesetz ein Mitwirkungsrecht vorzubehalten, so setzt dies einen Bereich zunächst freier exekutiver Tätigkeit voraus.
B. Die Abkehr von konstitutionellen Frontstellungen In der Tat sprechen überzeugende Gründe dafür, aus dem Vorrang des Parlaments grundsätzlich "nur" das "Letztentscheidungsrecht"366, nicht aber auch das Recht des ersten Worts abzuleiten367. Jede andere Betrachtung liefe darauf hinaus, die Kompetenzverteilung nach einem rigorosen "entwederoder-Schema" zu lösen. Die Annahme eines überwiegend auf Ablehnung stoßenden Totalvorbehalts368, eines ubiquitären Regelungszwangs für die Parlamente369, stellt eine Anknüpfung an konstitutionelle Vorstellungen von der Kompetenzverteilung zwischen den Staatsgewalten dar. Das konstitutionelle Staatsrecht war aufgrund der Frontstellung zwischen Vertretungsorgan und Monarch gezwungen, Kompetenzen entweder der einen Gewalt oder beiden zusammen zuzuweisen. Mit dem Übergang zum demokratischen Prinzip ist diese Frontstellung jedenfalls entfallen 370.
365
E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (38).
366
So auch die Formulierung des BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7.1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (726).
367 W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 144, spricht von einem "Entscheidungsmonopol(s)". Zu beachten bleibt ferner, daß sich schon im Zusammenhang mit der Behauptung des Bundesverfassungsgerichts, aus dem Grundsatz des Gesetzesvorrangs leite sich die Existenz des Gesetzesvorbehalts ab, darauf hingewiesen wurde, daß die Verfassung damit vielmehr ein (rechtmäßiges) Konkurrenzverhältnis zwischen Exekutive und Legislative zum Ausdruck bringt; siehe oben: Zweites Kapitel, A. 368 Siehe dazu F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (178/179); dagegen auch BVerfG, Urteil v. 18. 12. 1984, - 2 BvE 13/83 -, = BVerfGE 68, 1 (87): kein allumfassender Parlamentsvorbehalt. 3*0 F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (177). 370 W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 134, weist darauf hin, daß die Forderung nach einem Totalvorbehalt in "einer prinzipiell konstitutionellen Frontstellung und in den Vorstellung des liberalen Verwaltungsdenkens befangen bleibt "
C. Die Komplementärfunktion der Exekutive
95
C. Art. 20 Abs« 2 Satz 2 GG und die Komplementärfunktion der Exekutive Aber nicht nur die verfassungshistorische Entwicklung spricht gegen die Annahme eines kompetenziellen "entweder-oder-Rigorismus", gegen eine durchgehende parlamentarische Exklusivkompetenz, die in einen gesetzlichen Totalvorbehalt 371 mündet; auch das gegenwärtige Verfassungsrecht steht dem entgegen. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG bringt deutlich zum Ausdruck, daß die Exekutive zwar an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3, 2. HS GG), "nicht aber durch das Gesetz allererst begründet und handlungsfähig gemacht" wird 372 . Die Exekutive ist mehr als "subalterner" 373 Gesetzesvollzug374. Schon gesetzessystematisch wird dies an der gesonderten Behandlung von Regierung (Art. 62 ff. GG) und Verwaltung (Art. 83 ff. GG) sichtbar 375.
I. Machtbalance und Gewaltenteilung
Soweit in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auch heute noch primär die Aussage zugunsten einer auf -im Interesse des Individualrechtsschutzes herbeigeführten - Mäßigung staatlicher Macht ausgerichteten institutionellen Dislozierung erblickt wird, kann dies allenfalls für das Verhältnis der Judikative zu den 371
Vgl. dazu die Nachweise bei H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 432 ff.
372
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 82; vgl. ders., Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (896): "Diese Art von Legitimation schließt es aus, unter Berufung auf das Demokratieprinzip etwa die vollziehende Gewalt einem allumfassenden Parlaments- oder Gesetzesvorbehalt zu unterwerfen..." (Hervorhebung vom Verfasser). So auch L. Gebhard, Ein Weg zur Einheit der Verwaltung, S. 65; ähnlich der HessStGH, Urteil v. 3.12.1969 - P. St. 569 , DÖV 1970, S. 132 (133), der jedoch nicht den Begriff "Total-", sondern - mißverständlich "allgemeinen Gesetzesvorbehalt" verwendet. 373 374
100.
M. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, S. 499 (513). So auch R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr.
375 Vgl. ζ. B. Bayern: Staatsregierung (Art. 43 -59), Verwaltung (Art. 77 - 82); Baden-Wiirttemberg. Regierung (Art. 45 - 57), Verwaltung (Art. 69 - 78); Niedersachsen: Landesregierung (Art. 19 - 31), Verwaltung (Art. 43 - 47); Nordrhein-Westfalen: Landesregierung (Art. 51 - 64), Verwaltung (Art. 77 - 80). Schon an dieser Stelle darf darauf hingewiesen werden, daß die Funktion Verwaltung in den Verfassungstexten jeweils nach der Funktion Gesetzgebung Erwähnung findet und dies der stufung zwischen den Staatsorganen Parlament - Regierung entspricht.
9 6 1 .
Teil: 4. Kap.: Demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive
sonstigen Staatsgewalten gelten376. Im übrigen handelt es sich bei der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Gewaltenteilung aber nicht (mehr) um ein echtes Macht-, sondern um ein Zuständigkeitsverteilungsprinzip; ein Bedeutungswandel, der von Küster bereits früh erkannt wurde 377 und auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunehmend Beachtung fin378 det . Treffend hat Maurer die grundgesetzliche Gewaltenteilung dahingehend charakterisiert, daß sie "nicht auf gegenseitige Hemmung oder gar Blockierung, sondern auf gegenseitige Ergänzung, auf einen arbeitsteiligen Prozeß mit ineinandergreifenden Funktionen zur Erreichung bestimmter Ziele"379 ausgerichtet sei. Die solchermaßen vorgenommene Positionsbestimmung der Exekutive schließt die Kompetenz zur originären Verwaltungsinitiative ein.
II. Kompetenzvakuen und Sozialstaat Während es der unter dem Konstitutionalismus bestehende begrenzte Staatsaufgabenkatalog zuließ380, einen Aufgabenbereich ungeregelt sein zu lassen, wenn keine Übereinstimmung zwischen Monarch und Vertretungs-
376 So auch R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 36: "... ist die Dritte Gewalt... heute jedenfalls die eigentliche Garantie der Gewaltenteilungsidee, ... in der Weise, daß ihnen heute fast jeder Hoheitsakt der beiden anderen Gewalten zur Kontrolle anheimgegeben ist."; H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (153), dort in FN 47. Auch E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 221 (229), hebt hervor, daß als "Schutzvorkehrung gegen Mißbrauch nach der Anlage des Grundgesetzes nur die Justiz, und zwar die Verfassungsjustiz in Betracht" komme, nicht aber der Gewaltenteilungsgrundsatz, a.a.O., S. 227. Bemerkenswert ist, daß inzwischen Überlegungen anzutreffen sind, Exekutive und Legislative als "Einheit der gestaltenden Staatsgewalten" der Judikative gegenüberzustellen, wodurch es zu einer "Zweigewaltenteilung" käme; vgl. dazu K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (176).
377 O. Küster, Das Gewaltenproblem im modernen Staat, S. 1 (9): "Ist uns die Gewaltenteilung als Freiheitssicherung problematisch geworden, tritt um so mehr die Gewaltenteilung Aufgabe der Funktions- und Verantwortungsklarheit und der funktionsgerechten Organstr den Vordergrund unseres Staatsdenkens 378 BVerfG, Urteil v. 18.12. 1984, - 2 BvE 13/83 -, = BVerfGE 68,1 (86); siehe dazu E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, S. 987 (1012), sowie M Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, S. 499 (511/512). 379
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (158).
380
H. Kaja, Ministerialverfassung und Grundgesetz, S. 381 (390), bezeichnet den Staat des 19. Jahrhunderts ausdrücklich als "Polizei- und Ordnungsstaat".
C. Die Komplementärfunktion der Exekutive
97
organ herbeizuführen war 381 , verbietet sich nach dem Grundgesetz die "Flucht des Staates in die UntätigkeitInsbesondere die aus dem Sozialstaatsprinzip resultierenden Aufgaben 382 erlauben nicht, den Gesetzesvorbehalt zum grundsätzlichen staatsorganisationsrechtlichen Entscheidungsprinzip zu erheben, da das zeitaufwendigere Gesetzgebungsverfahren 383 faktisch zu kompetenziellen Vakuen führte. Einer solchen Einschätzung steht auch nicht § 31 SGB AT entgegen. Zutreffend hat Hill festgestellt, daß er der Verwaltung "innerhalb der gesetzlichen Rahmenvorgaben vielfältige Gestaltungs-, Konkretisierungs- und Dispositionsmöglichkeiten" beläßt384.
I I I . Die faktischen Grenzen parlamentarischer Regelungsmacht
Die "Entgrenzung der Staatsaufgaben" 385 als Folge der Einsicht, daß der Aufgabenbereich des (modernen) Staates notwendig offen ist 386 , hat die Lage des Gesetzgebers grundsätzlich umgestaltet. War es ihm (und seinen Bürgern 387) zu konstitutionellen Zeiten möglich, den Aufgabenbestand, aus dem sich ein Regelungsbedürfnis ergeben konnte, zu überblicken, so stellt sich die Lage heute anders dar. Der offene Katalog an Staatsaufgaben in Verbindung mit der rasch fortschreitenden technischen Entwicklung läßt es immer schwerer werden, sowohl "die in Frage kommenden Situationen und 381
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (153). Siehe zur Aufgabenentwicklung näheres im Vierten Teil, Zweites Kapitel, Α. I.
382
383
R. Herzog, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183 (191); vgl. dazu auf S. 194, den Hinweis auf die viel wendigere Regierungspolitik sowie die Entscheidung des BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7.7.1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (725), in der in Anbetracht "des von der Dynamik gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungsprozesse ausgehenden Zwangs zu ständiger und unverzüglicher Plananpassung" ein "legitimes Interesse" (im Sinne von BVerfG, Beschluß v. 12. 11. 1958, - 2 BvL 4, 26, 40/56, 1/57 -, = BVerfGE 8, 274 (321)), für den Erlaß von Zustimmungsverordnungen (siehe dazu: Fünfter Teil, Sechstes Kapitel, D.) gesehen wird. 384
H. Hill, Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung, S. 172 (177). Die Bedeutung des § 31 SGB AT ist vielmehr darin zu erblicken, daß das Sozialrecht eine "finanzpolitisch bedrohliche Sprengkraft" enthält und die Exekutive daran gehindert werden soll, "Nicht weniger, aber auch nicht mehr!" an Zahlungen vorzunehmen (so R. Mußgnug, Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung, S. 113 (125)). 385 P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (958); vgl. dazu auch D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, S. 5 (14). So F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (152). 387
Siehe dazu oben: Zweites Kapitel, D. II. 2.
7 Burmeister
9 8 1 .
Teil: 4. Kap.: Demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive
die zu ihrer Bewältigung in Frage kommenden Maßnahmen" zu prognostizieren als auch zu beschreiben. Insofern sieht sich das Parlament zunehmend vor das Problem gestellt, präventive gesetzliche Konzeptionen nicht mehr entwickeln zu können388. Ein Symptom dafür ist die weitgehende Ablösung konditionaler durch final programmierende Gesetzesregelungen389 ("Zielformel" 3 9 0 ). g j e b es tätigen die Feststellung Grimms, daß die Ordnxmgßgestaltung einer gesetzlichen Regelung weitaus schwerer zugänglich ist als die - den Staat des 19. Jahrhunderts prägende - OrdnungswoA/w/ig391.
IV. Das Sozialstaatsprinzip und der Gesetzesvorbehalt als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
Da der Gesetzesvorbehalt rechtstechnisch gesehen ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darstellt 392 und somit ein präventives Tätigwerden des Gesetzgebers fordert, trägt die Stilisierung des Gesetzesvorbehalts zum organisatorischen Grundprinzip die Gefahr in sich, den Erfordernissen des modernen Sozialstaats, der "die ökonomische und soziale Entwicklung nicht als unabänderliches Schicksal"393 hinnimmt, zuwiderzulaufen. Daß es nicht dem Gesetzgeber und schon gar nicht der Rechtsprechung möglich ist, "alle rege-
388
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 112 (Hervorhebung vom Verfasser). Zu den Problemen der Formulierbar- und Konkretisierbarkeit siehe auch ders., Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183 (190/191), D. Grimm, Die Einheit der Verwaltung (Diskussionsbeitrag), S. 272/273, sowie H.-D. Horn, Experimentelle Gesetzgebung, S. 18. 389
G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 291; vgl. auch G. F. Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 386; ders., "Ouangos", S. 153 (160), sowie insbesondere für den Bereich des Sozialrechts: H. Hill, Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung, S. 113 (125). 390
W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 29. D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, S. 5 (11/17). Bemerkenswert bleibt, daß diefranzösische Verfassung bestimmte Aufgabenbereiche dem Parlament enumerati zuweist und für die wirtschaftliche und soziale Tätigkeit des Staates nur "Programmgesetze" vorsieht, in denen Ziele bestimmt weiden (Art. 34 Abs. 3 franzVed.). 392 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 58. 393 BVerfG, Urteil vom 15.12. 1983 - 1 BvR 209, 269, 362,420, 440, 484/83 -, = BVerfGE 65,1 (47). Vgl. zur Bedeutung des Sozialstaatsprinzip sowie der Grundrechte für die politische Planung: Th. Würtenberger, Probleme politischer Planung, S. 387 ff und S. 399 ff. 391
C. Die Komplementärfunktion der Exekutive
99
lungsbedürftigen Gebiete der Gemeinschaftsordnung" zu erfassen 394, hat Ossenbühl bereits nachdrücklich betont. Die insoweit der Exekutive obliegende Aufgabe, den Gesetzgeber beim Verfassungsvollzug zu ergänzen, bezeichnet er plastisch als "Komplementär-Funktion"395. Damit harmoniert nicht nur die Existenz eines (immer nur) konstruktiven Mißtrauensvotums gegen die Exekutivspitze (Art. 67 GG), sondern auch die in der rechtswissenschaftlichen Literatur anzutreffende Feststellung, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG fordere eine jederzeit funktionsfähige (Landes)Regierung396.
Hat das Grundgesetz aber diesen Überlegungen durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf horizontaler Ebene397 Rechnung getragen398, so scheidet die Annahme einer durchgehenden, aus der höheren demokratischen Legitimation des Parlaments resultierenden parlamentarischen Exklusivkompetenz aus399. Die von der Verfassung vorgesehene Möglichkeit originärer Verwaltungsinitiative kann nicht wieder dadurch um ihre Wirkung gebracht werden, "daß die organisatorischen Vorbedingungen dieser gesetzesfreien Verwaltungsinitiative erst vom Gesetzgeber geschaffen werden müssen"400. Zusammenfassend gilt festzuhalten, daß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG als Antwort auf den fehlenden Katalog fest begrenzter Staatsaufgaben (auch) die Funktion einer verfassungsunmittelbaren kompetenziellen Generalklausel wahrnimmt und die Exekutive infolgedessen zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Regelfall keiner kompetenziellen Einzelzuweisung bedarf. Dies ermöglicht ein kompetenziell flexibleres Reagieren in der Form, daß dem Parlament zwar grundsätzlich 394
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 195; W. Mallmann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, S. 165 (180). Zum Stand der Sozialgesetzgebung siehe: D. Katzenstein, Über die Sozialgesetzgebung, S. 139 ff. 395
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 194. Zwar hat er auch den Begriff der "subsidiären Komplementär-Funktion" (Hervorhebung vom Verfasser) kreiert, dieser Begriff erscheint aber deshalb nicht zur Charakterisierung der staatsrechtlichen Stellung der Exekutive geeignet, weil mit ihm nur zu leicht der Blick auf die grundsätzlich dennoch primäre Zuständigkeit der Exekutive verstellt wird. 396
397
Th. Maunz, Verfassungshomogenität, S. 443 (447).
Auf vertikaler Ebene durch die "Soweit-Regelungen" nach Art. 30, 70, 83 GG; siehe ferner398 unten: Zweiter Teil, Drittes Kapitel, A. II. 1. M. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, S. 499 (513), spricht ausdrücklich davon, daß die Komplementärfunktion verfassungsrechtlich "durchaus im Begriff der 'Vollziehung' (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) angelegt" sei. 399 Vgl. zu den Argumenten, die für einen solchen, auch vom Ergebnis argumentierenden methodischen Ansatz sprechen: K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (169). 400
A. Röttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (171).
100
1. Teil: 4. Kap.: Demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive
ein Letzt-401, nicht aber auch regelmäßig ein exklusives £>rtentscheidungsrecht zusteht402. Die höhere demokratische Legitimation der Legislative führt, wie dies teilweise in der rechtswissenschaftlichen Literatur angenommen zu werden scheint403, somit nicht zwingend zz/m gesetzlichen Totalvorbehalt. Sie führt primär zum legislativen Zugriffsrecht, zu einer nur potentiellen Allzuständigkeit des Parlaments404. Nur eine solche funktionsorientierte Kompetenzbestimmung405 wird den Gegenwartsaufgaben gerecht. Das Beispiel Österreich, dessen Verfassung in Art. 18 von einem gesetzlichen Totalvorbehalt ausgeht406, zeigt, welchen Tribut das Recht der Wirklichkeit zollen muß, wenn es sich zu sehr von ihr entfernt: Generalklauselartige Ermächtigungen an die Exekutive rücken das Verfassungsrecht in die Nähe einer Farce 407.
401
Ein Begriff, der in der Entscheidung des BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7.1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (726), Verwendung findet. 402 403 404 405
So auch Κ Stern, Staatsrecht II, S. 719, auf die Planung bezogen. J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 68/69. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 84.
M. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, S. 499 (511), spricht von einer "Kompetenzzuweisung nach funktionstypischen Merkmalen der Verwaltung". 406 Siehe zu den Auswirkungen des Art. 18 B-VG auf die Organisationsgewalt: F. Ermacora, Die Organisationsgewalt, S. 191 (220). 407
Siehe zur Rechtslage in Österreich: W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 224, dort in FN 81; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 131.
Zweiter Teil
Beschränkungen und Modifikationen der parlamentarischen Präponderanz Die durch die höhere personell-demokratische Legitimation des Parlaments begründete Zuständigkeitsvermutung kann unter der grundgesetzlichen Verfassungsordnung 1 nicht zu einer parlamentarischen Universalzuständigkeit, nicht zu einer "Kompetenz-Kompetenz"2, nicht zu einem "Gewaltenmonismus"3 führen; sie führt auch nicht zu einem Parlamentsabsolutismus4. Der Grundsatz des Verfassungsstaats, der die rechtliche Gebundenheit aller Staatsorgane zur Folge hat, stünde dem entgegen. Er bildet ein jedem anderen staatsrechtlichen Grundsatz vorgelagertes Fundamentalprinzip. Sowohl durch Art. 79 Abs. 3 GG 5 als auch dessen Abs. 2 findet die Vorstellung des Grundgesetzes von einer immer nur partiellen Organsouveränität, von der Überordnung des Prinzips der rechtlichen Verfassung gegenüber dem Prinzip der Volkssouveränität6, Bestätigung7. Die Vorrangstellung 1
Besonders deutlich F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (185): "Der Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist in allen seinen Erscheinungsformen nicht 'Subjekt autonomer Freiheit'... ; Verfassung ist nicht nachträgliche Beschränkung einer bereits bestehenden, sondern Grundlage einer verfaßten Staatlichkeit." 2
So E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 106, ausdrücklich im Zusammenhang mit dem legislativen Zugriffsrecht. 3
So das BVerfG, Beschluß v. 8.8.1978, - 2 BvL 8/77 -, = BVerfGE 49,89 (125).
4
E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (39); E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 221 (228). 5
Trotz der Risiken, die mit verfassungshistorischen Vergleichen verbunden sind, darf Art. 79 Abs. 3 GG funktionell mit dem materiellen Gesetzesbegriff und Art. 79 Abs. 2 GG mit dem monarchischen Mitwirkungserfordernis verglichen werden. Bemerkenswert ist, daß die verfassungsrechtliche Verankerung von unabänderbaren Grundsätzen zum ersten Mal im französischen Staatsrecht praktiziert wurde; E. Menzel, Das parlamentarische System, S. 765 (769). 6
K. Hesse, Die normative Kraft, S. 20.
Die durch Art. 79 Abs. 3 GG vorgenommenen Begrenzungen sind mit der rousseauschen Vorstellung von Volkssouveränität nicht in Einklang zu bringen; so auch M. Kriele, Das de-
102
2. Teil: Beschränkungen und Modifikationen
des Parlaments besteht somit lediglich gegenüber anderen Staatsorganen, nicht aber gegenüber der verfaßten Staatlichkeit; insoweit unterscheidet sich das grundgesetzliche Verfassungsrecht erheblich vom bisherigen deutschen Verfassungsrecht 8. Jedes andere Verständnis von der Rolle des Parlaments wäre in der Tat "revolutionärer Sprengstoff gegen den Verfassungsstaat" 9. Herzog hat denn auch nicht versäumt, gerade im Hinblick auf die Annahme einer parlamentarischen Kompetenzpräsumption von einem limitierten Vorrang des Bundestags zu sprechen10. Bevor näher auf jenes Kriterium eingegangen werden kann, das die Verdichtung11 der mit der exekutiven Kompetenz konkurrierenden 12 parlamentarischen Zuständigkeit zu einer Exklusivkompetenz bewirkt, soll daher der Frage nachgegangen werden, ob nicht der Grundsatz parlamentarischer Präponderanz im Bereich der Verwaltungsorganisation möglicherweise Modifikationen oder Beschränkungen erfahren hat. Modifikationen in der Form, daß das Grundgesetz bereits ausdrücklich eine Verdichtung des Letztentscheidungsrechts zu einem exklusiven Erstentscheidungsrecht anordnet wie dies einige Stimmen in der Literatur behaupten13; Beschränkungen dergestalt, daß von der Vermutungsregel abweichende Festlegungen zugunsten der Exekutive getroffen wurden.
mokratische Prinzip, S. 46 (59), sowie ders., Staatslehre, S. 113. Möglich ist dies jedoch dann, wenn der aus dem angloamerikanischen Kulturkreis rezipierten Idee von der rule of law gefolgt wird, derzufolge "sich das Recht dialektisch ... aus den im Volk gemachten Erfahrungen der Unzulänglichkeit des schon bestehenden Rechts verwirklicht"; so ders., Das demokratische Prinzip, S. 46 (50). Unter diesem Blickwinkel und in Anbetracht der deutschen Erfahrungen fügt sich Art. 79 Abs. 3 GG dann durchaus harmonisch in die grundgesetzliche Konzeption ein. Siehe auch U. Steiner, Verfassunggebung, S. 209 ff. g Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, F. II. 1. Unterschiede bestehen aber auch gegenüber der Rechtslage nach der Weimarer Reichsverfassung. Unter ihrer Geltung wurde davon ausgegangen, daß die gesamte Rechtsordnung der Disposition der gesetzgebenden Gewalt unterstand; siehe dazu U. Scheuner, Die Funktion des Gesetzes, S. 127 (139). 9 M. Kriele, Staatslehre, S. 112. 10
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 77.
11
So auch die Formulierung bei R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 343.
12
Siehe oben: Erster Teil, Viertes Kapitel.
13
Siehe oben: Einführung, C. I. und Erster Teil, Erstes Kapitel, A.
Α. Die "Emanzipation" des Gesetzes
103
Erstes Kapitel
Kompetenzielle Beschränkungen durch einen materiellen Rechtssatzbegriff Während der Exekutive zur Herbeiführung verbindlicher Rechtsfolgen mehrere Instrumentarien an die Hand gegeben sind, steht dem Bundestag ausschließlich das "Gesetz" zur Verfügung 14. Art. 20 Abs. 3 GG bringt dies zum Ausdruck, wenn er Exekutive und Judikative lediglich an parlamentarische Äußerungen bindet, die in Gesetzesform ergehen. Sollte deshalb das "Gesetz" durch bestimmte inhaltliche Kriterien determiniert sein, so wirkte sich dies kompetenziell in der Form aus, daß Regelungen, die diese Kriterien nicht aufweisen, auch nicht in den parlamentarischen Zuständigkeitsbereich fielen. Der "Rechtssatz" entschiede somit über die Verteilung der staatlichen Macht zwischen den Staatsfunktionen 15. Die in Rechtsprechung und Literatur auch gegenwärtig noch anzutreffenden Versuche, einen Gesetzesvorbehalt für bestimmte Organisationsmaßnahmen aus ihrer Rechtssatzqualität abzuleiten, wurden eingangs bereits skizziert 16; an sie gilt es anzuknüpfen.
A. Die "Emanzipation* des Gesetzes als Folge veränderter Rahmenbedingungen Der deutschen Verfassungstradition entsprechend beschränkt sich auch das Grundgesetz darauf, die Gesetzgebung zu organisieren, von einer Definition ihres Gegenstandes aber abzusehen17. Infolgedessen bedarf es zur Bestimmimg des Gesetzesbegriffs einer verfassungsrechtlichen Gesamtbetrachtung. Sie erübrigt sich auch nicht bereits deshalb, weil die im Ersten Teil vorgenommene Analyse der verìassungphistorischen Entwicklung für eine aus 14
F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (175); R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 77, m.w.N. in FN 202; G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 226 m.w.N. in FN 44: 'Weisungen an die Regierung sind nur verfassungsrechtlich verbindlich, wenn die Legis sich des Gesetzesinstruments bedient (Art. 20 Abs. 3 GG)." 15
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 61.
16
Erster Teil, Erstes Kapitel, C. I.
17
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 223. Für die Weimarer Reichsverfassung siehe dazu H. Heller, Der Begriff des Gesetzes, S. 98 ff.
104
2. Teil: 1. Kap.: Kompetenzielle Beschränkungen und Rechtssatzbegriff
einem "offenen Gesetzesbegriff 1 resultierende "potentielle Allzuständigkeit" des Parlaments18 streitet. Die mit dem Übergang zum demokratischen Prinzip erfolgte Zäsur in der deutschen Verfassungstradition ließ - wie sich im folgenden zeigt - auch zunehmend Umstände in den Vordergrund treten, die (nunmehr) für eine inhaltliche Fixierung des Gesetzesbegriffs sprechen.
L Die institutionelle Pluralität des konstitutionellen Gesetzgebers
Auch unter der Weimarer Reichsverfassung wurde zwar an der grundsätzlichen Offenheit des Gesetzesbegriffs festgehalten 19; Maurer hat dies als 'politisch-psychologisch' verständlich bezeichnet20. In der Tat wäre kaum Verständnis dafür zu erwarten gewesen, warum gerade der Übergang zum demokratischen Prinzip eine Beschränkung parlamentarischer Zuständigkeit hätte nach sich ziehen sollen, nachdem selbst zu konstitutionellen Zeiten die Allzuständigkeit des Gesetzgebers unbestritten war 21. Zu Recht hat Maurer jedoch auch betont, daß die kompetenziellen Fragen nunmehr in einem neuen Licht gesehen werden mußten22. Unter den konstitutionellen Verfassungen bedingte die Notwendigkeit einvemehmlichen Zusammenwirkens zwischen Monarch und Vertretungskörperschaften) eine institutionelle Pluralität des GesetzgebersSie bewirkte, daß die mit dem offenen Gesetzesbegriff verbundene Gefahr einer alle Bereiche erfassenden gesetzlichen Reglementierung weitestgehend ausgeschaltet wurde und "die phantasiereichen Aufzählungen all dessen, was den Gegenstand eines ... Gesetzes bilden könne, ... dogmatische Gedankenspielereien blieben"24: So konnte der Monarch aufgrund des Eingriffsvorbehalts 18
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 84; diese potentielle Allzuständigkeit muß nach R. Herzog, a.a.O., RdNr. 96, gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch in den Bundesländern bestehen. 19 R. Herzog, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183 (188); vgl. dazu auch R. Thoma in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts II, S. 146 ff. 20
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (145).
21
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 273; H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (144). Siehe dazu auch oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, F. 22
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (146).
23
R. Wahl, Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, S. 321 (346); U. Scheuner, Die Funktion des Gesetzes, S. 127 (135). 24
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 272/273.
Α. Die "Emanzipation" des Gesetzes
105
nur mit Billigung der Vertretungskörperschaft in den gesellschaftlichen Bereich, und die Vertretungskörperschaft nur mit Zustimmung des Monarchen in die sonstigen Bereiche, vor allem in den Verwaltungsbereich 25, eindringen. Mit dem Übergang zum demokratischen Prinzip entfiel jedoch die janusköpfige, pluralistische Struktur des Gesetzgebungsorgans. Dem Parlament wuchs - mangels eines institutionellen Gegenspielers - auf diese Weise eine ungeheure Machtfülle zu26. Der vertragsartige 27 Charakter des Gesetzes wich dem herrschaftsausübenden Element28.
II. Folgen der homogenen Struktur des demokratischen Gesetzgebers 1. Die Gefahren für den außerstaatlichen Bereich (Individuum)
Die Erkenntnis, "daß der Absolutismus nicht überwunden ist, wenn ihr monarchischer Träger durch einen parlamentarischen" 29 ersetzt wird, daß "auch in der Demokratie ... das Verfassungsrecht... durch den latenten Absolutismus des Mehrheitsentscheides"30 gefährdet ist, brach sich zunehmend Bahn. Die für das Individuum auch nach dem Übergang zum homogenen (demokratischen) Geseàgebungsorgan weiterbestehenden Gefahren hat Heller bereits 1928 erkannt, als er davon sprach, "... daß in der heutigen parlamentarischen Staatsform sicherlich die Besorgnis vor einer unerträglichen Ausdehnung der Legislative oft an die Stelle der im monarchischen Staat meist allein bedachten Möglichkeit von Übergriffen der Exekutive"31
getreten sei. Es ist deshalb kein Zufall, wenn unter der Weimarer Reichsverfassung "das Strukturmerkmal der Allgemeinheit des Gesetzes ... als BeDie Pluralität diente somit neben dem funktionellen Korrektiv (siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, D. I.) als institutionelles Korrektiv. 25
Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, F.
26
D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 100; an anderer Stelle (S. 93) formuliert er. "Die Rechtsetzungsbefugnis des früher absoluten Herrschers war konstitionell eingeschränkt, die Rechtsetzung des modernen Parlaments ist gegenüber der Exekutive konstituionell unbeschränkt." Siehe zur Bedeutung der institutionellen Pluralität im Rahmen des preußischen Budgetkonflikts: R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 286. 27
R. Herzog, Staatslehre, S. 325.
28
R. Herzog, Staatslehre, S. 327.
29
E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 221 (222).
30
W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 153.
31
So schon H. Heller, Der Begriff des Gesetzes, S. 98 (122).
106
2. Teil: 1. Kap.: Kompetenzielle Beschränkungen und Rechtssatzbegriff
dingung rationaler Herrschaft und Schutz gegen Willkür" 32 , gegen "legislative Despotie"33, zunehmend hervorgehoben wurde, der Begriff des Einzelfallgesetzes Bedeutung erlangte34 und der Fortfall der generell-abstrakten Gesetzesregelung als Degenerationserscheinung gewertet wurde 35.
2. Die Gefahren für den innerstaatlichen Bereich (Exekutivbereich)
Aber nicht nur für den außerstaatlichen, sondern auch für den hier primär interessierenden innerstaatlichen Bereich warf das Festhalten an einem offenen Gesetzesbegriff - und das heißt: an der (potentiellen) gesetzgeberischen Allzuständigkeit - Probleme auf. Auch wenn die Organisation der Exekutive bereits unter den konstitutionellen Verfassungen teilweise eine gesetzliche Regelung erfahren hatte36, so bildete die Notwendigkeit monarchischer Mitwirkung noch immer eine effektive Schranke. Nunmehr aber führte das Festhalten an einem offenen Gesetzesbegriff dazu, daß der Exekutivbereich für die Legislative nicht mehr nur offen, sondern ihr gleichsam ausgeliefert war 37. Um dem vorzubeugen, wurde insbesondere von G Schmitt der Versuch unternommen, bestimmte exekutive Bereiche dem legislativen Zugriffsrecht zu entziehen. Als Ansatzpunkt wählte er den Gewaltenteilungsgrundsatz38. Die Folge wäre das Verbot des Maßnahmegesetzes gewesen, weil es besonders deutlich jenen Bereich berührt, der gemeinhin als der Exekutive exklusiv vorbehalten angesehen wird: den Bereich der Einzelfallregelung, des Gesetzesvo/fewgy39. Schon unter der Weimarer Reichsverfassung waren somit Tendenzen festzustellen, im Hinblick auf die nunmehr homogene Struktur des Gesetzgebers jenes Instrumentarium zu "entschärfen",
32
R. Hermes, Parlamentsgesetz, S. 17. So G. Stouizh, Wege zur Grundrechtsdemokratie, S. 171, dort bezogen auf die unterschiedlichen Erfahrungen des amerikanischen und französischen Volkes, die bis in die Gegenwart fortwirken und in den unterschiedlichen Systemen der "Verfassungsgerichtsbarkeit" (vgl. Art. 61franzVed.) Ausdruck finden. 33
34
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 275.
35
W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 30.
36
Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, F.
37
Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, F. Π. 3.
38
C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 151.
39
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 275; E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 221
(227).
Β. Grundgesetz und Gesetzesbegriff
107
das ihm ausschließlich zur Verfügung stand: das Gesetz. Die weitere verfassungshistorische Entwicklung spricht somit nicht nur ßr, sondern ouch gegen einen offenen Gesetzesbegriff; sie spricht für die Annahme, das Gesetz habe sich mit dem Übergang zum demokratischen Prinzip von seinen konstitutionellen Wurzeln "emanzipiert" und nunmehr die Funktion übernommen, den Wegfall institutioneller Korrektive durch eine strukturelle Verengung zu k pensieren. Genauso wie dem Gesetzesvorbehält eine andere Funktion zuwuchs40, genauso könnte mit dem Übergang zum demokratischen Prinzip auch der Gesetzesbzgrii eine Wandlung erfahren haben. Nur zu sehr scheint sich damit Herzogs Feststellung zu bestätigen, die Geschichte der gesetzgebenden Gewalt in den letzten hundert Jahren stelle "eine Geschichte grundle-gender Sinnwandlungen dar" 41. Die Plausibilität einer solchen Überlegung dispensiert freilich nicht von der Verpflichtimg, aus der Verfassung eine solche inhaltliche Restriktion des "Gesetzes" abzuleiten. Dazu bedürfte es des Nachweises, daß das Ergebnis verfassungshistorischer Entwicklungen in das Grundgesetz auch Eingang fand 42.
B. Aussagen des Grundgesetzes zum GesetzesbegrifT Ohne Zweifel ist eine gewisse Emanzipation des unter der demokratischen Staatsform erlassenen "Gesetzes" vom Gesetz des Konstitutionalismus festzustellen. So ist beispielsweise das Parlament, wenn es zur Delegation ermächtigt, nach Art. 80 Abs. 1 GG bestimmten Reglementierungen unterworfen 43. Art. 19 Abs. 2 GG postuliert das Verbot, ein Grundrecht auszuhöhlen, und Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG das Verbot, ein "Einzelpersongesetz"44 zu erlassen; eine speziellere Ausprägung dieses Gebots findet sich darüber hinaus in Art. 101 Abs. 1 GG 45 . 40
Siehe oben: Erster Teil, Drittes Kapitel.
41
R. Herzog, Staatslehre, S. 324.
42
Dazu treffend: S. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 177. Siehe zur verfassungshistorischen Entwicklung: W. Mößle, Inhalt, Zweck und Ausmaß, S. 16, mit dem Hinweis darauf, daß sich der konstitutionelle Gesetzgeber theoretisch auf den (Rechts-)Satz beschränken konnte, einen Gegenstand im ganzen der Exekutive zur Regelung durch Verordnung zuzuweisen. 43
44
So die Formulierung R. Herzogs in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 (I), RdNr. 34/35. 45
K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (167).
108
2. Teil: 1. Kap.: Kompetenzielle Beschränkungen und Rechtssatzbegriff
I. Das Verbot des Einzelfallgesetzes (Art 19 Abs. 1 Satz 1 GG)
Insbesondere das Verbot des Einzelfallgesetzes verdient der Beachtung, zielt es doch darauf ab, dem Gesetzgeber die Ausübung materieller Verwaltungstätigkeit zu untersagen46. Da es der Entscheidung des Gesetzgebers, den Abstand zwischen Gesetz und Verwaltung zu reduzieren, Grenzen47 zieht, kann es möglicherweise als allgemeingßltige Aussage zugunsten einer "Monopolisierung des Einzelakts bei der Exekutive"48 verstanden werden. Die durch Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG erfolgte Beschränkung parlamentarischer "Gestaltungsfreiheit" ist indes in doppelter Weise "entschärft". Zum einen dadurch, daß es sich um Gesetze handeln muß, die eine unmittelbare Grundrechtsbezogenheit aufweisen; zum anderen durch deren Eingriffsfinalität. Angesichts des eindeutigen Wortlauts 49 bedürfte es daher überzeugender Gründe, um dieses dem Individualrechtsschutz dienende, konkreter: dem Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung tragende, sich reflexiv zugunsten der Exekutive auswirkende Verbot 50 auch darüber hinausgehend als allgemeines Verbot, "Verwaltungsakte in Gesetzesform zu erlassen"51, zu verstehen. Sie sind indes nicht ersichtlich. Es spricht im Gegenteil alles für die bereits vom Bundesverfassungsgericht vertretene und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geteilte Ansicht, daß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG einen Ausnahmefall bildet52 eine Annahme, die im übrigen mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung harmoniert, derzufolge der Gesetzgeber über eine "der Materie nach prinzipiell unbeschränkte ... Normsetzungsbefugnis" verfügt 53.
46 47
S. Hendrichs in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 19, RdNr. 1.
4 8 R.
Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 (I), RdNr. 7/8. K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (166).
49
so
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 111.
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 (I), RdNr. 9. Hervorzuheben bleibt, daß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG noch insofern über Art. 3 Abs. 1 GG hinausgeht, als er Einzelfallgesetze selbst dann verbietet, wenn für sie an sich ein sachlicher Grund vorläge. 51 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 (I), RdNr. 27. 52 Das BVerfG, Urteil v. 7.5.1969, - 2 BvL 15/67, - = BVerfGE 25,371 (398), stellt in diesem Sinne ausdrücklich fest, daß das Grundgesetz nur "für die Einschränkung von Grundrechten" das Einzelfallgesetz verbiete und es "außerhalb dieses Bereichs .... weder unzulässig" sei noch strengeren verfassungsrechtlichen Prüfungen unterliege. Zustimmend: BayVGH, Normenkontroll-Beschluß v. 3.5.1972, - Nr. 35IV 72 -, BayVBl. 1972, S. 580 (582). 53
BVerfG, Beschluß v. 9.5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (157).
Β. Grundgesetz und Gesetzesbegriff
109
I L Das Gesetz im hochkomplexen Sozialstaat
Daß das Grundgesetz nur im Bereichfinal grundrechtseinschränkender Gesetze dazu griff, den Anwendungsbereich des Gesetzes inhaltlich zu verengen, im übrigen aber mit einem offenen Gesetzesbegriff operiert, steht mit der bereits festgestellten Interdependent von Staatsaufgabe und Gesetzesbegrijf 4 in Einklang. Der begrenzte Kanon an Staatsaufgaben bildete nicht nur den Grund dafür, warum in der Zeit des Konstitutionalismus die Vertretungskörperschaft die Beschränkung von Mitwirkungsrechten akzeptierte 55 ; er prägte auch mittelbar die Struktur des Gesetzes als eine allgemeine, typisierende und einzelfallunabhängige, regelmäßig auf Dauer angelegte Regelung56. Den konstitutionellen Verfassungen war das Sozialstaatsprinzip als verfassungsunmittelbare Direktive fremd 57. Sie waren vielmehr auf gesellschaftlich statische Verhältnisse ausgerichtet58, so daß überwiegend59 Rechtsnormen allgemeinen und dauerhaften Charakters 60 ergingen. Den Gesetzesbegriff nunmehr "historisierend zurückzubilden"61, hieße aber, die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips, das oft den Erlaß von Maßnahmegesetzen gebietet, zu blockieren62. Zutreffend wird daher festgestellt, die Annahme
Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, D. II. 2., sowie unten: Vierter Teil, Zweites Kapitel, Α. I. und II. 55
Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, D. II. 2.
56
W.-R. Schenke, Verfassung und Zeit, S. 566 (576).
57
E. Forsthoff, Geltung und Wirkung der Verfassung, S. 3 (6).
58
U. Scheuner, Die Funktion des Gesetzes, S. 127 (134); unmittelbar auf den Verfassungstext selbst bezogen: W.-R. Schenke, Verfassung und Zeit, S. 566 (572). 59
R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 275, dort in FN 31, mit dem Hinweis auf Zeidler, der den Nachweis erbrachte, daß bereits zur Zeit des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs Maßnahmegesetze erlassen wurden. 60 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 (I), RdNr. 4. 61
Κ J. Partsch, Parlament und Regierung, S. 74 (92), zu den Überlegungen, "dem Parlament nur die Normensetzung vorzubehalten, die auf die Dauer bestimmt und geeignet ist, in das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung einzugehen." 62
Vgl. dazu auch BVerfG, Urteil v. 7. 5.1969, - 2 BvL 15/67, - = BVerfGE 25, 371 (398): "Auch die gesetzliche Regelung eines einzelnen Falles kann erforderlich sein. Das gilt vor Bereich der Wirtschaftsund Sozialordnung." sowie BVerfG, Urteil v. 25. 6. 1968 - 2 BvR 251/63 -, = BVerfGE 24, 33 (52). Vgl. auch U. Scheuner, Die Funktion des Gesetzes, S. 127 (133); H. Hill, Gesetzesgestaltung und Gesetzesanwendung, S. 172 (174), insbesondere zum Bereich des Sozialrechts: "Gesetzliche Maßnahmen sind häufig nur Reaktionen auf festgestellte Notlagen, typisch sind hierfür das sog. Maßnahmegesetz sowie Einzelfallregelungen " (He hebung vom Verfasser), sowie W.-R. Schenke, Verfassung und Zeit, S. 566, der neben dem
110
2. Teil: 1. Kap.: Kompetenzielle Beschränkungen und Rechtssatzbegriff
einer gesetzlichen Formtypik setze soziologische Gegebenheiten voraus, "über welche die Geschichte inzwischen hinweggeschritten"0 sei. Das Maßnahmegesetz sei "keine Verfallserscheinung parlamentarischer Legislation, sondern Ausdruck einer gewandelten, stärker lenkend eingreifenden politischen Gesetzgebung"64 (vor allem im Bereich der Sozialgestaltung65) und die Kompetenz des Parlaments, auch konkrete Sachverhalte zu regeln, Folge der parlamentarischen Prärogative 66. Die überwiegende Meinung in der Staatsrechtslehre gelangt denn auch heute dazu, die Existenz eines durch bestimmte Inhaltserfordernisse begrenzten Gesetzesbegriffs abzulehnen67 und einen offenen Gesetzesbegriff 68 zugrunde zu legen. Jede "wie auch immer geartete inhaltliche Anreicherung des Gesetzesbegriffs" würde nach ihrem Verständnis "den Kompetenzbereich des Parlaments unzulässigerweise beschränken"69. Das Gesetz wird
Maßnahmegesetz als zeitgeprägten Gesetzestypus noch den öffentlich-rechtlichen Vertrag erwähnt (S. 590). Auch wenn es sich beim "Maßnahmegesetz zum Baugesetzbuch" vom 17. Mai 1990 nicht um ein klassisches Maßnahmegesetz handelt, so zeigt sich an ihm doch deutlich, wie sozialstaatlich bedeutsame Entwicklungen den Gesetzgeber zwingen können, von generellen Regelungen (BauGB) abzuweichen.
63 E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 221 (228). Besonders deutlich auch Morin, demzufolge das Gesetz, "dieses Gehirn von gestern, die Realitäten von heute nicht zu bewältigen vermagzitiert nach W. Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung, S. 33. 64
U. Scheuner, Verantwortung und Kontrolle, S. 379 (398). Pointiert gegen Überlegungen, Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung aus der parlamentarischen Zuständigkeit herauszunehmen: "Neben den Zehn Geboten ist die Lohnsteuertabelle das populärste Dokument..." (K. J. Partsch, Parlament und Regierung, S. 74 (92)); siehe dazu auch H. H. Klein, Aufgaben des Bundestages, S. 341 (351). 65 U. Scheuner, Verantwortung und Kontrolle, S. 379 (384). Inwieweit sich in der zunehmenden Anzahl von einzelfallregelnden Gesetzen auch die philosophische Grundströmung der Gegenwart widerspiegelt, "einen unmittelbaren sittlichen Wert heute immer stärker nur noch der einzelnen konkreten Entscheidung, nicht aber generellen Prinzipien beizumessen" (so K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (144)), darf - so sehr die Frage auch im Hinblick auf die These, Rechtswissenschaft sei "ein Teil der Philosophie" (so G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie, § 2) von Interesse ist, dahingestellt bleiben. 66
Ch.-F. Menger, Das Gesetz als Norm und Maßnahme, S. 3 (28).
67
K. Stern, Staatsrecht I, S. 825, m.w.N. in FN 382; Ch. Degenhart, Gesetzgebung im Rechtsstaat, S. 477 ff.; vgl. auch W. Mößle, Regierungsfunktionen, S. 137 ff. 68
69
N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 736. N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 736.
Β. Grundgesetz und Gesetzesbegriff
111
deshalb als "jede Anordnung der gesetzgebenden Körperschaften im Gesetzgebungsverfahren und in der Form des Gesetzes" bezeichnet70.
III. Gesetzgebung als eine Funktion parlamentarischer Tätigkeit Die sachgegenständliche Offenheit des Gesetzesbegriffs, seine inhaltliche Leere 71, führt nicht nur dazu, eine Begrenzung der grundsätzlich anzunehmenden parlamentarischen Zuständigkeitsvermutung abzulehnen; gleichsam spiegelbildlich ist mit ihr auch die Absage an die Vertreter jener Ansicht verbunden, welche aufgrund eines nach festen Kriterien bestimmten Gesetzesbegriffs in "spätkonstitutioneller Manier" 72 organisatorische Anordnungen dann der exklusiv parlamentarischen Zuständigkeit des Parlaments zuweisen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen 73. Bereits 1963 hat Böckenförde wenn auch nicht als erster 74 - bemängelt, der Versuch, "den systematischen Ort der Organisationsgewalt innerhalb der Staatsfunktionen zu bestimmen (, liefe) in der bisherigen Diskussion stets auf die Frage nach dem Rechtssatzcharakter der Organisationsnormen hinaus", weil die gesetzgebende Gewalt positiv durch den materiellen Gesetzesbegriff und die Exekutive in einer Art Substraktionsverfahren negativ als das bestimmt werde, was an Staatsfunktionen übrig bliebe75. Das Parlament ist nicht nur zur Entscheidimg von Fragen berufen, die nach konventionellem - und dies heißt nichts anderes als "konstitutionellem" - Verständnis materiell Rechtsetzung darstellen. Es ist mehr als ein klassisches Rechtsetzungsorgan76. Von dieser Unterscheidung ist auch eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs getragen, in der sich die Feststellung findet, der Landtag sei 70
K. Hesse, Verfassungsrecht, RdNr. 506; nach dem Verständnis von C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 151, "politisch ein Mißbrauch und logische Taschenspielerei." 71
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 387.
72
B. Schlink, Die Amtshilfe, S. 121.
73
Siehe oben: Erster Teil, Erstes Kapitel, C.
74
Vgl. auch A. Sembritzki, Die Organisationsgewalt, S. 71, sowie H. Heller, Der Begriff des Gesetzes, S. 98 (124): "Der Rechtssatzcharakter sagt aber über den Vorbehalt des Gesetzes75gar nichts aus." E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 61. Dem entspricht die Vorstellung, daß auch die Exekutive (Gubernative) mehr als ein Gesetzesvollziehungsorgan darstellt; siehe dazu oben: Erster Teil, Viertes Kapitel, C. Vgl. zu den Funktionen des Bundestags im einzelnen: H. H. Klein, Aufgaben des Bundestags, S. 341 (349 ft.). 76
112
2. Teil: 1. Kap.: Kompetenzielle Beschränkungen und Rechtssatzbegriff
"nicht als Gesetzgebungsorgan-, sondern als Volksvertretung zur Mitwirkung berufen"
gewesen77; das Bundesverfassungsgericht schließlich führte aus, beim Haushaltsplan handele es sich um einen staatsleitenden Hoheitsakt in Gesetzesform 78. Eine Rückbindung an den historisch-konventionellen79 Gesetzesbegriff würde paradoxerweise dazu führen, ein von seiner verfassungshistorischen Wurzel her auf Ausweitung demokratischer Prinzipien ausgerichtetes Instrument in sein Gegenteil zu verkehren. Darüber hinaus stünde sie auch der grundgesetzlichen Systematik entgegen: Erst nachdem das Grundgesetz im III. Abschnitt das Staatsorgan Parlament konstituiert hat, findet im VII. Abschnitt die dem Bundestag obliegende Gesetzgebungstätigkeit (gesondert) Erwähnung. Eine entsprechende Gesetzessystematik findet sich in den Länderverfassungen 80. Die parlamentarische Zuständigkeit folgt somit nicht dem Gesetz, sondern das Gesetz der parlamentarischen Zuständigkeit. Diese umgekehrte gedankliche Abfolge zu erkennen, ist von größter Bedeutung81.
IV· Der Bundesrat und seine Korrektivfunktion
Ungeachtet des schon unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten gebotenen offenen Gesetzesbegriffs und seiner lediglich im Bereich grundrechtsfinaler Eingriffsgesetzgebung anzutreffenden materiellen Anreicherung darf der Einfluß des Bundesrats auf die Gesetzesinhalte und damit auf "das Gesetz" nicht unterschätzt werden. Am deutlichsten wird dies im Bereich der Zustimmungsgesetzgebung. Sie bildet eine "echte" Durchbrechung der zuvor festgestellten homogenen Struktur des Gesetzgebers, da es den Spitzen der Länderexekutiven (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GG) möglich wird, Gesetzesvorhaben aufzuhalten. Die Korrektivfunktion des Bundesrats82 soll zwar nicht überbewertet werden. So besteht keine politische Gesetzmäßigkeit dahingehend, daß die gesamtstaatliche Opposition im Bundesrat über die Mehrheit ver77
BayVGH, Normenkontroll-Beschluß v. 3.5.1972, - Nr. 35 IV 72 -, BayVBl. 1972, S. 580
(582). 78
BVerfG, Urteil v. 14.1.1986, - 2 BvE 14/83 u. 4/84 -, = BVerfGE 70,324 (355).
79
E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 377.
80
Vgl. z. B. in Bayern: Art. 13 ff.: Landtag - Art. 70 ff.: Gesetzgebung; Niedersachsen: Art. 3 ff.: Landtag - Art. 32 ff.: Gesetzgebung. 81
Siehe dazu auch unten: Dritter Teil, Drittes Kapitel, B. II. 2.
82
Siehe dazu bereits oben: Erster Teil, Drittes Kapitel, D.
Β. Grundgesetz und Gesetzesbegriff
113
fügt. Vor allem aber ist es dem Bundesrat eben nur im Bereich der (dem Enumerativprinzip unterliegenden83) Zwsrfmmw/igygesetzgebung möglich, ein Gesetzesvorhaben scheitern zu lassen, nicht aber im Bereich der Einspruchsgesetzgebung . Gleichwohl darf auch im Bereich der Einspruchsgesetzgebung der mehr "appellative" Charakter dieses Verfahrens nicht dazu verleiten, jegliche Auswirkungen in Abrede zu stellen; eine solche Annahme wäre mit den Erfahrungen der politischen Praxis nicht in Einklang zu bringen. Auch das Grundgesetz geht offensichtlich davon aus, wenn es in Art. 79 Abs. 3 GG nicht nur die Staatsstrukturprinzipien, sondern auch - und dies scheint nur allzu oft übersehen zu werden - "die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung selbst der Änderung durch den Verfassunggeber entzieht.
Zweites Kapitel
Beschränkungen und Modifikationen parlamentarischer Präponderanz durch den 8. Abschnitt des Grundgesetzes
Beschränkungen parlamentarischer Präponderanz ergeben sich jedoch möglicherweise aus anderen Aussagen des Grundgesetzes. In besonderem Maße kommt dafür der 8. Abschnitt des Grundgesetzes in Betracht. Soweit festgestellt werden müßte, daß bereits von ihm die Organisationsmaßnahmen nicht nur typologisch, sondern auch kompetenziell erfaßt werden, brauchte weder ein Rückgriff auf allgemeine Vermutungsregeln zu erfolgen 84, noch bestünde die Notwendigkeit, das kompetenzverdichtende Kriterium zu bestimmen85. Dies freilich nur dann, wenn mit ihm eine in kompetenzieller Hinsicht abschließende Regelung der Organisationsgewalt getroffen worden wäre.
83
BVerfG, Gutachten v. 22.11.1951, - PBvV 1/51 -, = BVerfGE 1, 76 (79); siehe zur einfachgesetzlichen Erweiterungsmöglichkeit der Mitwirkungsrechte des Bundesrates BVerfG, Urteil v. 21.5.1952 - 2 BvH 2/52 -, = BVerfGE 1,299 (311). 84
Vgl. dazu oben: Erster Teil, Erstes Kapitel, sowie zur Begründung des methodischen Vorgehens: Einleitung, D. 85
Siehe zur Annahme, das Grundgesetz habe die Problemfälle bereits ausdrücklich geregelt: Einleitung C. I. sowie Erster Teil, Erstes Kapitel, A. 8 Burmeister
114
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
A. Die Organisationsgewalt Die Frage nach dem institutionellen Gesetzesvorbehalt ist die Frage nach der kompetenziellen Verteilung der Organisationsgewalt86. Die Organisationsgewalt, deren historischer Ursprung in dem früheren Recht des Landesherrn, "zu Ämtern und Würden zu ernennen"87, gesehen wird, stellt "die Kompetenz zur Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung, Aufhebung und Abwicklung von Verwaltungsträgern, Behörden und anderen Verwaltungsstellen durch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten, ihrer Zusammenhänge und ihrer inneren Ordnung sowie durch ihre persönliche und sachliche Ausstattung"88
dar. Der Vorzug dieser Definition besteht zweifelsohne darin, einen Eindruck von der Fülle möglicher organisationsrechtlicher Einzelakte zu vermitteln. Darüber hinaus verdeutlicht sie, daß es sich bei der Organisationsgewalt nicht um "eine selbständige Gewalt im Sinne der Staatsfunktionenlehre, sondern (um die) gegenständliche Umschreibung bestimmter Hoheitsfunktionen" 89, also vielmehr um einen beschreibenden Sachbegriff 90 handelt und trotz der Nähe zu den "Handlungsformen der Exekutive"91 nicht nur im Zusammenhang mit exekutiven Organisationsakten von Organisationsgewalt gesprochen werden kann92. Damit sind indes nur die Grobstrukturen der Organisationsgewalt gezeichnet. Die Feinstrukturen ergeben sich 86
Erstmals ist der Begriff bei Romeo Maurenbrecher 1837 anzutreffen; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 21, dort in FN 1. Vgl. zu den Definitionen der Organisationsgewalt die Nachweise bei E. Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, S. 187, dort in FN 27. 87
Blackstone, Commentaries on the Law of England, Band I, S. 271 f.; zitiert nach: E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 22, und Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II (4. Auflage), S. 128. Zu verkennen bleibt freilich nicht, daß nach wie vor Bedenken dagegen angemeldet werden, aus dem Ministerernennungsrecht auch die Organisationsbefugnis für die Errichtung der Ministerien abzuleiten; dazu E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 287, dort in FN 3; H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 113. 88
W. Rudolf in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 629; vgl. auch P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83, RdNr. 2 ff., sowie F. E. Schnapp, Ausgewählte Probleme, S. 293 (296), der auf die restriktivere Verwendung des Begriffs bei A. Köttgen hinweist; vgl. dazu ferner auch D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (568), und K. Stern, Staatsrecht II, S. 794. 89 E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 4; so auch H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 318/319, m.w.N. in FN 22, und H. Kaja, Ministerialverfassung und Grundgesetz, S. 381 (390). 90
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 37; in diesem Sinne auch H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 318. 91
D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (569).
92
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 319, m.w.N. in FN 24.
Α. Die Organisationsgewalt
115
zum einen daraus, in welchem Maße die Verfassung die zur Organisation der Verwaltung notwendigen Maßnahmen "aufspaltet", zum anderen aus deren kompetentiellen Verteilung 3. Der Erfassung dieser Feinstruktur dienen die folgenden Ausführungen.
I. Der Inhaber der Organisationsgewalt nach A r t 86 Satz 2 GG
Terminologisch hat die Organisationsgewalt im Grundgesetz keinen Niederschlag gefunden 94. Von einem nicht unerheblichen Teil der rechtswissenschaftlichen Literatur wird sie jedoch sachlich in Art. 86 GG geortet 95, wobei kontroverse Ansichten zu der Frage bestehen, ob er die Organisationskompetenz der Bundesregierung insgesamt (dazu 2.) oder nur punktuell (dazu 1.) regelt.
1. Die Organisationskompetenz als Akzidenz der gesetzlichen Sachregelung
Sodan beispielsweise vertritt die Ansicht, die exekutive Einrichtungskompetenz nach Satz 2 GG sei "Akzidenz" eines nach Satz 1 vorausgegangenen, eine Sachregelung beinhaltenden Gesetzes. Es handele sich folglich um eine mit konkreten g&setzesausfährenden Maßnahmen in Zusammenhang stehende Organisationskompetenz96. Das Gesetz sei "als Voraussetzung für die dort gemeinte exekutive Organisationsbefugnis erforderlich" 97. In dieselbe Richtung tendiert auch Röttgen, der von einem vorausgegangenen "Organisationsgesetz" spricht 98. Eine freilich mißverständliche Formulierung, da die nach Art. 86 Satz 2 GG bestehende exekutive Organisationskompetenz eben 93 94
Vgl. dazu auch E. Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, S. 189.
H. J. Baedeker, Die Verwaltungsorganisation, S. 57. Entsprechendes gilt für die Landesverfassungsebene; vgl. dazu beispielsweise K. Braun, Kommentar zur Verfassung BadenWürttemberg, Art. 70, RdNr. 6. 95 Davon ist freilich die Frage zu trennen, welchem Minister oder welcher sonstigen Stelle sie innerhalb der Exekutive zusteht. Diese Frage wird nicht durch Art. 86 beantwortet (P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 2). P. Lerche geht jedoch davon aus, daß die Kompetenz nach Art. 86 GG auch den einzelnen Fachministern zusteht; ders., a.a.O., RdNr. 94; darauf ist in dieser Untersuchung nicht näher einzugehen. 96 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 321/322. 97
98
H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 321/322. A. Köttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (165).
116
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
keine einfachgesetzlichen Organisations-, sondern gesetzliche SocAregelungen voraussetzen soll. Da demzufolge die /i/c/tfgesetzesakzessorische Verwaltung nicht von Art. 86 GG erfaßt wäre", drängt sich die Frage danach auf, wie sich in jenem Bereich die Verteilung der Organisationsgewalt gestaltet; konkret: ob auch im Bereich nichtgesetzesakzessorischer Betätigung grundsätzlich eine gesetzliche Ermächtigung für Organisationsmaßnahmen der Exekutive Voraussetzung ist. Überwiegend stößt diese Annahme jedoch auf Ablehnung. Zur Begründung wird angeführt, die Organisationsgewalt sei Bestandteil der Regierungskompetenz100, das Ergebnis arbeits- und beamtenrechtlicher Direktionsrechte101, Folge der "Sach- und Funktionsnähe" zum Exekutivbereich102 oder wesensnotwendiger Bestandteil der Exekutive, die nur so ihren Verfassungsauftrag erfüllen könne103.
99
A. Köttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (165): "Die an keinerlei derartige Vorleistungen des Gesetzgebers gebundene Organisationsgewalt im eigentlichen Sinne hat das Grundgesetz ebensowenig ausdrücklich bestätigt wie die Weimarer Verfassung."; H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 321: "Insbesondere Wortlaut und systematische Stellung von Art. 86 Satz 2 GG sprechen indessen für einen deutlich engen Anwendungsbereich dieser Vorschrift." Für eine entsprechende Anwendung des Art. 86 GG auf den Bereich der gesetzesfreien Verwaltung plädiert P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 19. 100 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 327. 101
A . Köttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (179 ff.).
102
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 87.
103
Geller/Kleinrahm/Fleck, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (2. Aufl.), S. 503. Mit der "Natur der Sache" argumentiert auch flankierend E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 87, dort in FN 25.
Α. Die Organisationsgewalt
117
2. Grundsätzliche Regelung
Böckenförde 104 und Dittmann 105 gehen demgegenüber davon aus, daß Art. 86 Satz 2 GG für die Bundesregierung "nicht... nur (eine) akzessorische, immer erst durch Gesetz hervorgerufene Organisationsbefugnis sondern e 106 selbständige und allgemeine" Befugnis begründet. Böckenförde hat dies anhand der Entstehungsgeschichte der Bestimmung nachzuweisen versucht und gefolgert, trotz des klaren Wortlauts sei dem "derart eindeutig erhebbaren Willen des Verfassunggebers Rechnung zu tragen" 107. Nicht ohne Berechtigung hat Kröger Böckenfördes verfassungshistorischer Ableitung gegenüber kritisch angemerkt, "die Verfassung als geschichtliche Ordnimg (widerstreite) jeder punktuellen Fixierung auf den vermeintlichen 'Willen des historischen Gesetzgebers'"108. Sodan ist noch weiter gegangen und hat von einem methodischen Fehlschluß gesprochen109. Kritisch muß ebenfalls der Versuch Baedekers gewertet werden, die umfassende Regelung der Organisationsgewalt mit dem Hinweis darauf zu begründen, daß dem Art. 86 GG ansonsten kaum noch Bedeutung beigemessen werden könne110. Die Lösung kann somit nur darin bestehen, den angeblich so eindeutigen Gesetzeswortlaut kritisch zu würdigen (dazu 3.).
104
E. W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 136/137, weist anhand der Entstehungsgeschichte nach, daß "mit Art. 86 GG die Organisationsgewalt im Bunde als ganze geregelt werden sollte, nicht nur bestimmte Organisationsbefugnisse". Dies gelte trotz der systematisch unrichtigen Plazierung (a.a.O., dort in FN 35). Zu sonstigen Vertretern dieser Ansicht siehe die Nachweise bei H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 319, dort in FN 25. 105
Α. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 98. Auf die Kompetenz zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften nach Satz 1 braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Zu weiteren Vertretern dieser Richtung vgl. die Nachweise bei H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 319, dort in FN 25. 1
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 137 (Hervorhebung vom Verfasser); so auch P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 81. 107
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 136.
108
K. Kröger, Ministerverantwortlichkeit, S. 34; kritisch und differenzierend auch H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 59 ff. Siehe zur Bewertung der entstehungsgeschichtlichen Interpretation durch das BVerfG: A. Gern, Die Rangfolge der Auslegungsmethoden, S. 415 (426). 109 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 324. 110
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 65.
118
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
3. Alternativauslegung: Art. 86 Satz 2 GG als "Disziplinierungsvorschrift"
Eine andere, von der Ansicht Sodans abweichende Bedeutung erhielte Art. 86 Satz 2 GG dann, wenn man die Betonung - nicht auf die Verknüpfung von exekutiver Organisationskompetenz und vorausgehender gesetzlicher Sachregelung, - sondern auf die Verknüpfung von gesetzlicher Sachregelung und parlamentarischem Zugriffsrecht 111 legte. Auf diese Weise würde Art. 86 nicht eine die Organisationsgewalt der Exekutive (durch einfaches Gesetz erst) begründende, sondern vielmehr eine Norm darstellen, die es dem Parlament erst dann ermöglichte, auf die exekutive 112 Organisationsgewalt beschränkend einzuwirken, wenn es sich zu einer "konstruktiven Sachregelung" entschlossen hat. Dogmatisch präzisiert: Die an sich im Bereich der Verwaltungsorganisation bestehende legislative Zugriffssperre könnte nur durch den Entschluß des Parlaments zur konkreten Gestaltung des Sachbereichts beseitigt werden. Der Entschluß des Parlaments zur Gestaltung bildete somit nicht - wie nach der konventionellen Auslegung der Fall - die Voraussetzung für die Ausübung exekutiver, sondern vielmehr die Voraussetzung ßr die Ausübung legislativer Organisationsgewalt. Das legislative Zugriffsrecht würde auf diese Weise nicht unerheblich "diszipliniert". Aber noch ein zusätzlicher Gesichtspunkt spricht von vornherein gegen die restriktive Auslegung des Art. 86 Satz 2 GG. Sollte erst die gesetzliche Sachregelung die exekutive Organisationsgewalt konstitutiv begründen, so läge die Schlußfolgerung nahe, daß der Exekutive im Bereich nichtgesetzesausführender Verwaltung die Vornahme von Organisationsmaßnahmen generell untersagt sei. Die Exekutive wäre dadurch zur Untätigkeit verpflichtet, obgleich es möglicherweise wichtige (Staats-) Aufgaben zu erfüllen gäbe. Eine Resultat, das mit der bereits festgestellten Komplementärfunktion der Exekutive kaum zu vereinbaren wäre 113. Nach alledem zeigt sich, daß der Gesetzeswortlaut des Art. 86 Satz 2 GG bei weitem nicht so eindeutig gegen eine umfassende Regelung spricht, wie dies teilweise angenommen
111
Nur zu leicht scheinen die eingeschobenen Nebensätze, in denen das legislative Zugriffsrecht seinen Ausdruck findet, auch als nebensächlich abgetan zu werden. 112 1 1 3(Und
somit stillschweigend) als zugriffsfest vorausgesetzte. Siehe oben: Erster Teil, Viertes Kapitel.
Α. Die Organisationsgewalt
119
wird, und insoweit auch die Einbeziehung entstehungsgeschichtlicher Umstände durchaus gerechtfertigt ist.
I I . Der Inhalt der Organisationsgewalt und terminologische Schwierigkeiten
Die Beantwortung der Frage, ob Art. 86 Satz 2 GG die allgemeine Grundlage für die Ausübung exekutiver Organisationsgewalt bildet oder ob es dazu des Rückgriffs auf andere verfassungsrechtliche Aussagen bedarf, kann jedoch noch dahingestellt bleiben. Auf diesen Problemkomplex wird erst dann zurückzukommen sein, wenn sich herausstellen sollte, daß - die Organisationsmaßnahmen nicht bereits von speziellen Bestimmungen erfaßt werden 114 oder - sie selbst bei restriktiver Auslegung des Art. 86 Satz 2 GG 115 schon typologisch (dazu: 3.) bzw. von ihrer Ausrichtung her (dazu: 1.) nicht in den Anwendungsbereich des 8. Abschnitts fallen.
1. Erfüllung öffentlicher Aufgaben
Die Befugnis der Bundesregierung, nach Art. 86 Satz 2 GG Organisationsmaßnahmen vorzunehmen, steht ihr nach überwiegendem Verständnis nur soweit zu, als sie "unmittelbar der Verfolgung öffentlicher Aufgaben" 116 dienen. Dem Umstand, in welchen Handlungs- oder Organisationsformen sie verwirklicht werden, wird keine Bedeutung beigemessen, so daß auch privatrechtliche Organisationsformen erfaßt sind117. Nicht erfaßt wird hingegen der Bereich der sogenannten Fiskalverwaltung. Zu ihr zählen erwerbswirtschaftliche Aktivitäten genauso wie Vorgänge der staatlichen Bedarfs114 Th. Maunz (Erstbearbeiter) in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 14. Schon an dieser Stelle sei auf Maunz* Formulierung hingewiesen, es handele sich bei Art. 86 Satz 2 um einen "Grundsatz", der durch "Sonderregelungen" verdrängt werde. 115
Siehe oben: 1.1.
116
Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation, S. 100; zur Abgrenzung bedarfsdeckender und erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit, dies., S. 101. 117
Daraus folgt, daß auch privatrechtlich strukturierte Einheiten, die öffentliche Aufgaben erfüllen, nur dann zulässigerweise vom Bund errichtet werden können, wenn ihm dafür die Verwaltungskompetenz zusteht; siehe dazu F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (166).
120
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
deckung118. Abgeleitet wird diese Restriktion aus dem Zweck des 8. Abschnitts, staatliche Verwaltungsaktivitäten zu "disziplinieren". Ein nicht unerheblicher Teil von Organisationsmaßnahmen scheidet auf diese Weise aus dem Anwendungsbereich des 8. Abschnitts aus.
2. Die nichtgesetzesakzessorische Verwaltung
Eine Ausweitung erfährt der Anwendungsbereich der Art. 83 ff. GG - ungeachtet der hier unterstellten Gesetzesakzessorietät des Art. 86 GG - jedoch wieder dadurch, daß nach herrschender Auffassung nicht nur die gesetzesakzessorische, d. h. die zur Ausführung von Bundesgesetzen erforderliche, sondern die gesamte Bundesverwaltung als von ihm erfaßt angesehen wird. Auch die sich ohne "konkrete gesetzliche Steuerung" vollziehende, sich "im bloßen Gesetzesrahmen" bewegende Verwaltung unterliegt damit den Bindungen des 8. Abschnitts119. Das Bundesverfassungsgericht folgerte dies aus der Überschrift des 8. Teils, in der selbständig neben der 'Ausführung von Bundesgesetzen' noch die "Bundesverwaltung" - und dies ohne einschränkenden Zusatz auf die gesetzesausführende Verwaltung - erwähnt wird 120 .
3. Der Begriff der "Behörde" und der "Einrichtung" bzw. "Errichtung"
Der Begriff der "Behörde" in Art. 86 Satz 2 GG mag zunächst den Eindruck erwecken, die Vorschrift erfasse die den Gegenstand der Untersuchung bildenden Organisationsmaßnahmen typologisch überhaupt nicht, da verselbständigte Verwaltungsträger gemeinhin nicht unter den Behördenbe-
118
S. Broß in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 83, RdNr. 2, sowie K. Stern, Staatsrecht II, S. 831. 119 P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83, RdNr. 15. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil v. 28. 2. 1961, - 2 BvG 1/2, 60 -, = BVerfGE 12, 205 ff.) hält A. Köttgen den Anwendungsbereich des 8. Abschnitts nur dann für eröffnet, wenn es sich um "gesetzesakzessorische* Verwaltung handelt; so A. Köttgen, Der Einfluß des Bundes, S. 67 (110). 120 BVerfG, Urteil v. 28.2.1961, - 2 BvG 1/2,60 -, = BVerfGE 12,205 (246 ff.); siehe dazu auch D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (570), sowie K. Stern, Staatsrecht II, S. 815.
A. Die Organisationsgewalt
121
griff subsumiert werden 121. Dafür spricht auch, daß der 8. Abschnitt - wie ein Vergleich mit anderen Bestimmungen belegt - zwar die Differenzierung zwischen Behörden und verselbständigten Verwaltungsträgern kennt, in Art. 86 Satz 1 Behörden und öffentlich-rechtliche Körperschaften, in Art. 86 Satz 2 GG aber nur Behörden erwähnt. Wenn die herrschende Meinung gleichwohl davon ausgeht, daß sich Art. 86 Satz 2 GG grundsätzlich auch auf die - Errichtung und Einrichtung von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen - sowie auf die Beleihung privater Unternehmer 122 erstrecke, so mag dies zunächst erstaunen. Dieses Erstaunen mag sich noch steigern, wenn auch der Begriff der "Einrichtung" in Art. 86 Satz 2 GG extensiv ausgelegt wird, so daß neben dem Einrichtungsakt auch der Grundakt der "Errichtung" eines Verwaltungsträgers erfaßt sein soll123. Auch hier drängt sich der Eindruck auf, es würde contra legem ausgelegt, zumal ebenfalls wieder festgestellt werden muß, daß der 8. Abschnitt im übrigen (vgl. vor allem Art. 87 Abs. 3 Satz 1) terminologisch zwischen "Errichtung" und "Einrichtung" differenziert.
a) Gründe ßr die untechnische Verwendung von bestimmten Begriffen Die unter verwaltungswissenschaftlichen Gesichtspunkten in vielen Fällen 124 125 untechnische , uneinheitliche , nicht immer folgerichtige 126 und als unbefriedigend 127 sowie unglücklich128 beklagte Terminologie des 8. Abschnitts hat dazu verleitet, oft "selbstgebildete oder dem Schrifttum entnommene Begriffe von 'Errichtung' und 'Einrichtung' zugrunde" zu legen, "ohne daß diese vorab draufhin untersucht" wurden, "ob sie mit den von der Verfas-
121 122
F. Hohrmann, Bundesgesetzliche Organisation, S. 71.
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 173; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 540/541. 123
124
Anderer Ansicht jedoch E. R Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 63.
F. E. Schnapp, Ausgewählte Probleme, S. 293 (294), formuliert jedoch vorsichtiger, es handele sich um eine "vermutete" untechnische Terminologie. 125 E. Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, S. 193. 126
127 128
D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (568).
A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 5. B. Mayer, Die Bedeutung des Art. 87 GG, S. 182 (193).
122
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
sung gemeinten Begriffen übereinstimmten" 129 . Ein solches methodisches Vorgehen erschiene allenfalls dann berechtigt, wenn keine Möglichkeit bestünde, mittels der juristischen Auslegungstechnik dem "terminologischen Konglomerat" Herr zu werden. Diese Annahme scheint prima facie nahe zu liegen, da nach den Grundsätzen anerkannter Auslegungstechnik der Wortlaut die Grenze jeder Auslegung bildet 130. Eine Analyse des 8. Abschnitts zeigt jedoch, daß es durchaus gerechtfertigt ist, auch innerhalb eines Abschnitts Begriffe sowohl abweichend von ihrer allgemeinen Bedeutimg als auch abweichend von gesetzessystematischen Erwägungen auszulegen.
aa) Regelungskomplexität Wohl kaum ein anderer Abschnitt des Grundgesetzes ist durch eine solche Regelungsdichte charakterisiert wie der 8. Abschnitt. In ihm spiegelt sich der Versuch wider, mehrere und von ihrer Motivation her sehr heterogene staatsorganisationsrechtlich relevante Faktoren einander zuzuordnen. Dabei "schreckte" der Verfassunggeber auch nicht davor zurück, in einer Norm mehrere staatsorganisatorisch bedeutsame Umstände zu regeln und akzessorische "Querverbindungen" zu anderen Staatsfunktionen herzustellen131; Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG bildet dafür ein Paradebeispiel. Ein Unterfangen, dem freilich schon unter gesetzestechnischen Gesichtspunkten in nur begrenztem Umfang Erfolg beschieden sein konnte. Dies umso mehr, als sich die Väter des Grundgesetzes - wie noch zu zeigen sein wird 132 - nicht auf einen gesicherten Bestand an verwaltungsorganisationsrechtlichen Erkenntnissen früherer Verfassungsepochen stützen konnten, den zu rezipieren ihnen möglich gewesen wäre.
129
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 52/53: Damit knüpften aber zahlreiche Argumentationen "aus Sinn und Zusammenhang dieser Regelungen an ungeklärte Vorausset zungen" an (Hervorhebung vom Verfasser). 130
Siehe zu den Auslegungsarten: A. Gern, Die Rangfolge der Auslegungsmethoden, S.
415 ff. 131
Siehe zum Verhältnis von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz: F. Klein, Gesetzgebungszuständigkeit und Verwaltungszuständigkeit, S. 377 (409 f.); ferner BVerfG, Urteil v. 24. 7.1962, - 2 BvF 4,5/61,1,2/62 -, = BVerfGE 14,197 ff. 132
Siehe unten: Dritter Teil, Zweites Kapitel.
Α. Die Organisationsgewalt
123
bb) Die organisationsrechtlich relevanten Einzelfaktoren Die staatsorganisationsrechtlichen Faktoren, die der Verfassunggeber im 8. Abschnitt regelte, weisen unterschiedliche Zielrichtungen auf: 1.) Als die vornehmlichste Funktion dieses Abschnitts133 wird die Abgrenzung der Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern angesehen (föderativ motiviertes Verwaltungsorganisationsrecht). Das im Art. 20 Abs. 1 GG verankerte und der Verfassungsänderung nach Art. 79 Abs. 3 GG entzogene Bundesstaatsprinzip erfährt im 8. Abschnitt seine konkretisierende Ausgestaltung. 2.) Der 8. Abschnitt des Grundgesetzes dient aber nicht nur der Abgrenzung von Sachkompetenzen zwischen Bund und Ländern, sondern darüber hinaus auch der Verteilung der Organisationskompetenz innerhalb des Gesamtstaates. Es geht, anders ausgedrückt, um die Verteilung der Organisationsgewalt (kompetenziell motiviertes Organisationsrecht). 3.) Zugleich wurden dem jeweiligen Inhaber der Organisationsgewalt verfassungsunmittelbar in doppelter Hinsicht Grenzen gezogen: - Zum einen in der Form, daß dem Gesamtstaat Beschränkungen hinsichtlich der Ingerenzinstrumentarien auferlegt werden, die ihm gegenüber den (Bundesgesetze ausführenden) Ländern zustehen; insofern liegt wieder föderativ motiviertes Organisationsrecht vor. - Zum anderen - und dieser Umstand ist für die Untersuchung von größerer Bedeutung -, indem Vorgaben über die Struktur der Verwaltungsorganisation erteilt werden (yerwaltungstypologisch motiviertes Organisationsrecht). Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum teilweise von der herkömmlichen Bedeutung bestimmter Termini abgewichen werden und eine Auslegung im Hinblick auf die jeweilige, unter Umständen multifunktionale Zielsetzung der betreffenden Bestimmung erfolgen muß. Zutreffend wird betont, die Wahl der Begriffe "Einrichtung" und "Errichtung" müsse unverständlich bleiben, wenn nicht eine Auslegung "aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes heraus"134 erfolge. Dem differenzierenden Wortlaut dürfe darüber hinaus auch deshalb keine entscheidende Bedeutung beigelegt werden, weil die neuen Begriffe "Errichten" und "Einrichten" im Laufe der Verfassungsberatungen an die Stelle der Formulierung "Organisation der 133 134
GG.
D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (569). So F. Hohrmann, Bundesgesetzliche Organisation, S. 77, im Zusammenhang mit Art. 84
124
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
Behörden"1*5 traten, ohne daß damit eine sachliche Änderung bezweckt worden sei. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Tendenz erkennbar, Begriffe des Staatsorganisationsrechts teleologisch und nicht nach 'allgemeinem verwaltungswissenschaftlichen Sprachgebrauch' auszulegen136. Diese Umstände erklären, warum in Art. 86 Satz 2 GG sowohl der Begriff der "Behörde" als auch der "Einrichtung" extensiv verstanden wird 137 . Damit sind zwei für den weiteren Gang der Untersuchung bedeutsame Umstände festzuhalten: - Zum einen: Verwaltungswissenschaftlich geprägte, im Organisationsteil des Grundgesetzes verwendete Begriffe bedürfen der stetigen Überprüfung dahingehend, ob sie auch in dieser Form im Verfassungskontext, d. h. im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verfolgte Ziel, operationabel sind138. 135
D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (568). Bemerkenswert bleibt, daß die Reichsverfassung von 1871 am Begriff der "Organisation" keinen Anstoß nahm. So sprach Art. 53 Abs. 1 Satz 1 RV ausdrücklich davon, daß dem Kaiser die "Organisation" der Kriegsmarine obliege. 136 BVerfG, Beschluß v. 15. 7.1969, - 2 BvF 1/64 -, = BVerfGE 26, 338 (396), dort bezogen auf die Verwendung des Begriffs "Bundesregierung". 137 Th. Maunz (Erstbearbeiter) in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 15 i.V.m. Art. 84 RdNr. 25/26.
138
Vgl. dazu auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 52. Dabei handelt es sich nicht um ein spezielles bundesverfassungsrechtliches Problem, obgleich es dort - bedingt durch das föderative Prinzip und die zu dessen Schutz eingesetzten rechtstechnischen Instrumente - komprimiert hervortritt. Das zeigt schon ein kurzer Blick in die Landesverfassungen: In Bayern geht die herrschende Lehre davon aus, daß die Formulierung des Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BV, die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung habe durch Gesetz zu erfolgen, nicht durch ein argumentum e contrario die Errichtung von Sonderbehörden durch die Staatsregierung rechtfertige. Der Begriff "allgemeine Staatsverwaltung" stehe nämlich nicht im Gegensatz zum Begriff der Sonderbehörde, sondern im Gegensatz zur Ministerialbürokratie. Folglich unterfalle die Ministerialbürokratie nicht dem Art. 77 Satz 1 BV. Dies werde auch durch Satz 2 bestätigt, der die Einrichtung im einzelnen der Staatsregierung zuweise. Art. 77 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Verfassung sei daher zu lesen als "Staatsverwaltung allgemein". Auch in Nordrhein-Westfalen wird der einschlägige Artikel 77 der VerfNRW in diesem Sinne ausgelegt, so daß auch dort das Sonderbehördenwesen nicht von vornherein einer gesetzlichen Regelung entzogen ist. In Niedersachsen scheint demgegenüber eine verwaltungswissenschaftlich und verfassungsrechtlich konsequente Terminologie vorzuliegen, die eine vom allgemeinen verwaltungswissenschaftlichen Sprachgebrauch abweichende Auslegung nicht rechtfertigt. Wenn Art. 43 Abs. 2 VorlNdsVerf. bestimmt, der "allgemeine Aufbau ... der allgemeinen Landesverwaltung" unterliege der gesetzlichen Regelungsnotwendigkeit, so kommt durch ihn eine doppelte Differenzierung zum Ausdruck: Zum einen wird das Sonderbehördenwesen ausgeschlossen ; zum anderen erstreckt sich der nur auf die allgemeine Landesverwaltung bezogene
Α. Die Organisationsgewalt
125
- Zum anderen, und dieser Gesichtspunkt ist von größerer Bedeutung: Schon die Regelungskomplexität läßt Bedenken daran aufkommen, ob eine in jeder Hinsicht erschöpfende, d. h. abschließende Regelung aller organisationsrechtlich bedeutsamen Umstände, vor allem der Kompetenzverteilungsfrage, durch den 8. Abschnitt erfolgen konnte.
b) Auswirkungen auf die Reichweite der bundesrechtlichen Organisationsgewalt aa) Der Behördenbegriff und der Gesetzesvorbehalt nach Art. 84 Abs. 1 GG Die große Bedeutung einer "untechnischen" Auslegung des Behördenbegriffs für das Bund-Länder-Verhältnis zeigt sich an Art. 84 Abs. 1 GG 139 . Er ermöglicht dem Bund, in den Verwaltungsbereich der Länder vorzustoßen. Wäre, was überwiegend abgelehnt wird 140 , der Begriff der Behörde im technischen Sinne141 als Verwaltungseinheit der unmittelbaren Staatsverwaltung zu verstehen, so könnte der Bund nicht die Errichtung von verselbständigten Verwaltungsträgern auf Landesebene142 anordnen143. Nachdem der Begriff der "Behörde" aber sowohl die Verwaltungseinheiten der unmittelbaren als auch der mittelbaren Staatsverwaltung erfaßt, scheidet auch die Möglichkeit aus, den Gesetzesvorbehalt nach Art. 84 Abs. Gesetzesvorbehalt auch nur auf die Regelung grundsätzlicher Fragen, so daß innerhalb der allgemeinen Landesverwaltung die gesetzliche Regelung von "Detailfragen" ausgeschlossen ist. So auch Rebe/Korte, Die Verfassung Niedersachsens, S. 320; dort auch gegen die von H. Neumann, Kommentar zur Nds. Verfassung (1. Auflage 1983), Art. 43, RdNr. 5, vertretene Auffassung, es liege lediglich ein "Ausdrucksfehler" vor. 139 140 141
Dazu ausführlich F. Hohrmann, Bundesgesetzliche Organisation, S. 70 ff. P. Lerche, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 96.
Wie wohl von D. Haas, Bundesgesetzliche Organisation, S. 81 ff., vertreten; siehe zum Ausschluß der Landesministerialebene: A. Köttgen, Der Einfluß des Bundes, S. 67 (91). 142 Obgleich die Verwaltungseinheit aufgrund eines Bundesgesetzes errichtet wird, zählt sie zur Landesverwaltung; so S. Broß in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 84, RdNr. 8. 143 H. Lynker, Rechtsgrundlagen der öffentlichen Körperschaft, S. 22/23, weist auf die Versuche hin, die mittelbare Staatsverwaltung aus den Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG mit der Folge herauszunehmen, daß "der Bund durch einfaches Bundesgesetz immer dann Körperschaften des öffentlichen Rechts auf Landesebene errichten (kann), wenn ihm die Gesetzgebungskompetenz gemäss Art. 70 GG ff. zusteht." F. Hohrmann, Bundesgesetzliche Organisation, S. 72, zeigt darüber hinaus noch zwei weitere Schlußfolgerungen auf.
126
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
1 GG als spezifische kompetenzielle Reaktion auf den Verwaltungstypus telbare Staatsverwaltung" zu werten. Damit ist er für die vorliegende Untersuchung freilich nicht ohne Bedeutung. Sie erhellt sich im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG; dort wird auf ihn zurückzukommen sein144.
bb) Der Errichtungsbegriff Die "Einrichtung" nach Art. 86 Satz 2 GG umfaßt die Befugnis zur Bildung, Kompetenzausstattung, Zuständigkeitsbestimmung145 und näheren Ausgestaltung der Verwaltungseinheit. Die exekutive Organisationsgewalt bezieht sich somit auch auf die Einrichtung von kollegialen Funktionsträgern und weisungsfreien Einrichtungen. Auf die Festlegung des näheren Aufgabenkreises kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil es unsachgemäß wäre, "die Etablierung der Behörde für sich stehen zu lassen"; Behördeneinrichtung ist folglich mehr als globale Behördenstiftung 146.
B. Das legislative Zugriffsrecht nach Art. 86 Satz 2 GG und seine Beschränkungen Im Zusammenhang mit Art. 86 Satz 2 GG von einem Gesetzesvorbehalt 147 zu sprechen, ist nur möglich, wenn dem restriktiven Auslegungsansatz gefolgt und für (sachgesetzakzessorische) Organisationsmaßnahmen der Exekutive eine gesetzliche Grundlage gefordert wird. Die dagegen erhobenen Bedenken wurden bereits vorgetragen 148. Aber selbst wenn dem restriktiven Verständnis gefolgt würde, handelte es sich bei diesem Gesetzesvorbe144 145
Siehe unten: Viertes Kapitel, B.
J. Schwabe, Verwaltungszuständigkeiten, S. 113 (114). 146 P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 84, RdNr. 25 i.V.m. Art. 86 RdNr. 15 (dort mit inzwischen antiquiertem Verweisungshinweis). 147 Th. Maunz (Erstbearbeiter) in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 3, dort c); nunmehr zutreffend P. Lerche, a.a.O., Art. 86, RdNr. 102. Eine entsprechende Verwendung des Begriffs findet sich bei F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (196), wenn er im Zusammenhang mit dem Beamtenernennungsrecht des Bundespräsidenten von einem "Gesetzesvorbehalt" spricht; vgl. auch A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 98. 148
Siehe oben: Α. 1.3.
"mi
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
127
halt nicht um eine spezifische Reaktion auf Organisationsmaßnahmen einer bestimmten Typologie 149. Darüber hinaus bliebe noch immer die Frage der gesetzlichen Regelungsnotwendigkeit für Organisationsmaßnahmen im Bereich nichtgesetzesakzessorischer Verwaltung offen. Nicht zuletzt daran würde die Annahme, das Grundgesetz habe die Frage des institutionellen Gesetzesvorbehalts bereits geklärt 150, scheitern. Folgt man hingegen der überzeugenderen extensiven Auslegung151, so ist die Verwendung des Begriffs "Gesetzesvorbehalt" mißverständlich. Art. 86 Satz 2 GG enthält, wie ein erster Blick auf die Struktur des Gesetzesvorbehalts bereits verdeutlicht hat 152 , keinen Gesetzesvorbehalt im klassischen Sinne153.
I. Die Struktur des Zugriffsrechts und des Gesetzesvorbehalts Otto Mayer* 54 sah als wesentlichsten Inhalt des Gesetzesvorbehalts den Ausschluß selbständigen exekutiven Vorgehens in bestimmten Bereichen an. Der Verwaltung sei ein Handeln "aus eigener Kraft" 155 untersagt. Herzog hat die psychologische Situation der Verwaltung plastisch dahingehend beschrieben, daß "der Gesetzgeber im Bereich des Gesetzesvorbehalts schweigt und damit eine ungeduldig Gewehr bei Fuß stehende oder auch eine erleichtert aufatmende Verwaltung zur Untätigkeit veranlaßt"156;
rechtstechnisch bezeichnet er den Gesetzesvorbehalt als "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt"157. Der Gesetzesvorbehalt erfaßt mithin einen Bereich, in dem - die hier allein interessierenden - exekutiven Aktivitäten a prion 158 dem 149 1 5 0Siehe
oben: Α. II. 3. b), aa). Vgl. oben: Einleitung, C. I.
151
Siehe oben: Α. 1.3.
152
Vgl. dazu oben: Erster Teil, Viertes Kapitel, C. III. So auch H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 468, zur Behauptung R. Herzogs, die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung für die Schaffung ministerialfreier Räume ergebe sich aus Art. 86 S. 2 GG. 153
154
O. Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 69/70.
155
O. Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 69.
156
R Herzog, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183.
157
R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (VI), RdNr. 58.
158
D. h., ohne daß dieser Bereich über den Grundsatz des Gesetzesvorrangs erst präokkupiert zu werden brauchte; so auch O. Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 70, dort in FN 11.
128
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
Verdikt der Verfassungswidrigkeit unterliegen. Gleichzeitig setzt er voraus, daß eine gesetzliche Ermächtigung diese Schranke zulässigerweise beseitigen kan und es sich nicht um eine staatlichen Ingerenzen generell entzogene Rechtssphäre handelt. Das im Grundsatz des Gesetzesvorbehalts somit enthaltene eröffnende Element hat dazu geführt, ihn als positive Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu bezeichnen159. Art. 86 Satz 2 GG bringt aber durch Struktur und Terminologie ein im Grundsatz anderes Verständnis von der Kompetenzaufteilung im Bereich der Verwaltungsorganisation zum Ausdruck: Er setzt einen der Exekutive bereits eröffneten Bereich voraus, der ihr nun wieder entzogen, der erst jetzt durch Gesetz präokkupiert wird 160 . Die systematische Auslegung bestätigt dies. Im Gegensatz beispielsweise zu Art. 83 GG spricht Art. 86 Satz 2 GG nicht von anderen Bestimmungen "dieses Grundgesetzes)", sondern von dem "Gesetz". Hinter der Anerkennung der organisationsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz161 steht aber sachlich nichts anderes als die Anerkennung eines Zugriffsrechts 162. Sie ermöglicht der Legislative, Einfluß auf die Organisationskompetenz der Exekutive zu nehmen163. Der Erste Teil der Untersuchung zeigte bereits, daß es sich dabei um eine (insoweit) lediglich deklaratorische Feststellung164 handelt. Auch sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigten, dieser terminologischen Differenzierung keine Bedeutung beizumessen. Da es Art. 86 jeglichen föderativen Gehalts entbehrt 165, ist eine in Anbetracht möglicher Mehrfunktionalität der Vorschrift zu erwägende abweichende Auslegung nicht geboten166. Folgt man darüber hinaus der "alternativen" Auslegung des Art. 86 Satz 2 GG, so handelt es sich bei Art. 86 GG nicht nur um die deklaratorische Feststellung, sondern zusätzlich um eine restriktiv wirkende Modifikation des allgemeinen legislativen
159
Κ Stern, Staatsrecht I, S. 805. Dem steht der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes gegenüber, der von Stern als "negative Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" bezeichnet wird; a.a.O., S. 803. 160 O. Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 70, dort in FN 11. 161
Κ Stern, Staatsrecht II, S. 820.
162
D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (568); so auch H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 66. 163
164
C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (331).
1 6 5In
diesem Sinne auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 286. K. Stern, Staatsrecht II, S. 818.
166
Dazu oben: Α. II. 3.
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
129
Zugriffsrechts 167 - in allen Fällen aber jedenfalls nicht um einen Gesetzesvorbehalt. Das Grundgesetz hat demnach, soweit dies Art. 86 Satz 2 GG betrifft, die Verteilungsfrage "nicht materiell, sondern kompetenziell" geregelt 168 und die umfassende exekutive Organisationsgewalt mit "der Hypothek eines gesetzgeberischen Zugriffs belastet"169.
I L Allgemeines zur Beschränkung des legislativen Zugriffsrechts 1. Methodische Vorüberlegungen
Auch wenn sich die Struktur des legislativen Zugriffsrechts von der des Gesetzesvorbehalts durch das Fehlen des die Ausschließlichkeit 170 der Kompetenz begründenden Faktors unterscheidet, folgt daraus nicht, daß dem Zugriffsrecht keine Bedeutung beigemessen werden kann. Von Bedeutimg sind fur die vorliegende Untersuchung vor allem die Versuche, das legislative Zugriffsrecht zu beschränken™. Obgleich die Erfolgsaussichten dieser Versuche pessimistisch einzuschätzen sind172, verdienen sie insofern Beachtung, als auch ein allgemeiner institutioneller Gesetzesvorbehalt nicht jene Bereiche erfassen kann, von denen angenommen wird, sie seien (bereits) dem gislativen Zugriffsrecht entzogen. Anders ausgedrückt: Auch wenn das legislative Zugriffsrecht nicht zur positiven Bestimmung des Anwendungsbereichs eines allgemeinen institutionellen Gesetzesvorbehalts geeignet ist, weil es
167
Siehe oben: Α. 1.3.
168
E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (343); zur ähnlichen Verteilungsregelung in Hessen und Rheinland-Pfalz siehe: R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 345. 169 E. F. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (193). 170
Vgl. R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 86.
171
R Herzog, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 183 (188), hat bereits sehr frühzeitig darauf hingewiesen, daß das Problem des Gesetzesvorbehalts in seiner Bedeutung zwar keinesfalls unterschätzt werden dürfe, die Frage aber, 'Wie weit darf der Gesetzgeber regeln ?" (möglicherweise) aber gleichberechtigt neben der Frage stehe, "Wie weit muß der Gesetzgeber regeln ...?" (Hervorhebungen vom Verfasser). 172
So erklärt F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 262 (nach der Einschätzung P. Lerches "Bis nahezu an den Rand - nur zu verständlicher - verfassungsrechtlicher Kapitulation" (in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 107, in FN 69a)): "Aber dieses Problem ( = des sogen. Kernbereichs der Exekutive) der Bedrohung der Gewaltenbalance durch faktische Machtverschiebungen läßt sich dogmatisch nicht bewältigen, gleichgültig welchen Ausgangspunkt man für die Zuordnung der Organisationsgewalt wählt." (Hervorhebung vom Verfasser). 9 Burmeister
130
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
über den Bereich des Gesetzesvorbehalts hinausreicht, so sind zumindest die auf Restriktion des Zugriffsrechts abzielenden Bestrebungen geeignet, negativ jedenfalls diejenigen Bereiche zu bestimmen, die keinem Gesetzesvorbehalt unterfallen: Dem Gesetzgeber kann nicht auf der einen Seite die gesetzliche Regelung bestimmter Bereiche verboten und gleichzeitig auf der anderen Seite die exklusive Kompetenz zur gesetzlichen Regelung gerade dieser Bereiche eingeräumt sein173.
2. Das Bedürfnis nach einer Beschränkung des legislativen Zugriffsrechts
Daß ein rechtliches Bedürfnis nach einer Begrenzung des legislativen Zugriffsrechts besteht, ist offensichtlich; es wurde bereits angesprochen174. Ein gegenständlich unbegrenztes legislatives Zugriffsrecht wäre in der Lage, den Gewaltenteilungsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und damit die Kompetenzverteilung zu unterlaufen 175. Es entstünde eine "KompetenzKompetenz"176, eine Option 177 der einen Staatsgewalt auf die andere. Letztlich würde es möglich, die Staatsfunktion Exekutive auszuhebeln178. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich das Bedürfnis nach einem "zugriffsfesten" Bereich auch dann eingestellt hätte, wenn nicht noch zusätzlich von der dritten Gewalt - gleichsam "flankierend" - auf die Exekutive einengend eingewirkt worden wäre 179. 173
So auch H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 437: "Ließe sich also ein entsprechender Voibehaltsbereich der Exekutive aus dem Grundgesetz herleiten, so wäre zugleich dargetan, daß ein Vorbehalt des Gesetzes jedenfalls in diesem Bereich keine Geltung beanspruchen könnte,..."; H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (138): "... Daher liegt die Frage nahe, ob er sich von der Gegenseite her, von der Verwaltung aus, begrenzen läßt." (Hervorhebungen vom Verfasser). 174 175
Siehe oben: Zweiter Teil, Erstes Kapitel, Α. I.
So auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 104 und S. 287/288; vgl. dort auch FN 3. 176 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 106; F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 172 (188). 177 17S
H. Krüger, Die Organisationsgewalt (Diskussionsbeitrag), S. 254
So auch F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (181), zur These von der "Organsouveränität" des Parlaments. 179 Vgl. dazu K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (168); auf S. 144 mit dem Hinweis, der Autoritätsgewinn der rechtsprechenden Gewalt sei darauf zurückzuführen, daß im Gegensatz zu konstitutionellen Zeiten nicht mehr im "Allgemeinen", sondern in der "Einzelfallentscheidung" der Garant für Gerechtigkeit gesehen werde. Vgl. dazu oben FN 65.
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
131
Daß die Staatsrechtslehre dem Bedürfnis nach Beschränkimg legislativer Ingerenzen jedoch in nur bescheidenem Umfang mit verfassungsdogmatisch konstruktiven Argumenten entgegentreten konnte, ist in Anbetracht der bisherigen Untersuchungsergebnisse nur zu verständlich. Da unter den konstitutionellen Verfassungen die strukturelle Pluralität des Gesetzgebungsorgans der Einwirkung der Vertretungskörperschaft auf die (monarchische) Exekutive (schon politische) Grenzen zog, hatte kein praktisches Bedürfnis bestanden, andere rechtliche Korrektive gegen das Eindringen der demokratischen Institution in den Exekutivbereich zu entwickeln180. Infolgedessen stand die deutsche Staatsrechtslehre nach dem Fortfall des institutionellen Korrektivs der neuen Situation relativ unvorbereitet gegenüber. Zwar wurde das Problem schon früh erkannt 181; unter der Weimarer Reichsverfassung scheint es sich jedoch deshalb nicht in der Schärfe gestellt zu haben, weil sich der Reichspräsident, der allgemein als Inhaber der Organisationsgewalt angesehen wurde 182, auf eine demokratische Legitimation berufen konnte, die der des Reichstags ebenbürtig war 183. Erst unter dem Grundgesetz, das demokratische Intensitätsabstufungen zwischen Exekutive und Parlament kennt184, mußte sich dies ändern. Folgt man der an früherer Stelle dargelegten "vermittelnden" Auslegung, derzufolge Art. 86 GG das legislative Zugriffsrecht im Bereich der Verwaltungsorganisation zu einer sachgesetzakzessorischen Zugriffskompetenz der Legislative modifiziert, so folgte schon daraus eine nicht unerhebliche Beschränkung185. Da diese Auslegung jedoch - soweit ersichtlich - bisher nicht vertreten wurde, ist die herrschende Meinung gezwungen, auf andere Weise eine Beschränkung des vom Wortlaut her an sich unbeschränkten Zugriffsrechts herbeizuführen 186.
180 181
Siehe dazu oben: Erstes Kapitel, Α. II. 2.
So bereits 1914 von Erich Kaufmann, Autorität und Freiheit, S. 75 (98); vgl. dazu H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (144). 182 Siehe unten: Dritter Teil, Drittes Kapitel, B. 183
1A4
Siehe unten: Dritter Teil, Erstes Kapitel, A. Siehe oben: Erster Teil, Drittes Kapitel, Α. II. Siehe oben: Α. 1.3.
185
186
Vgl. dazu F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (193), mit Nachweisen in FN 120.
132
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
I I I . Der "Verwaltungsvorbehalt" als Grenze des Zugriffsrechts
Die Antwort auf die mit der Anerkennung des legislativen Zugriffsrechts verbundenen Gefahren scheint nahezuliegen: Genauso wie der Gesetzesvorbehalt dem Parlament einen Bereich sichert, in dem ausschließlich ihm die Regelungskompetenz zusteht, genauso könnte eine Sphäre bestehen, in der ausschließlich 187 der Exekutive zu agieren erlaubt wäre. Gestellt ist damit die Frage nach einer verfassungsrechtlich zwingenden Tabuzone für den Gesetzgeber188, nach einem verfassungsmäßig garantierten, über ausdrückliche Kompetenzzuweisungen an die Exekutive hinausreichenden189 Prärogativgebiet der vollziehenden Gewalt. Der im Zusammenhang damit stehende Fragenkomplex wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur unter dem Stichwort "Verwaltungsvorbehalt" 190 diskutiert 191. Überwiegend wird er ausdrücklich als Reaktion auf die Renaissance des allgemeinen Gesetzesvorbehalts angesehen192.
187
IM 189
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (139). F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 172 (176).
Wie z. B. Art. 65 (str.; siehe dazu weiter im Text, vor allem Fünfter Teil, Viertes Kapitel); 59 Abs. 1; 65a; 110 Abs. 2, Abs. 3; 112; 113 GG. Nach H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (165), müsse ein Verwaltungsvorbehalt "nicht nur einige, zudem disparate Kompetenzen erfassen, sondern einen eigenen Kompetenzbereich begründen und rechtfertigen, also nicht nur deklarierende und legitimierende Bedeutung haben." Vgl. zu den Kompetenzen kraft Enumeration auch R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 70/71. 190
Siehe dazu die beiden Vorträge von Hartmut Maurer und Friedrich E. Schnapp auf der Staatsrechtslehrertagung 1984 in: W D S t R L 43 (1985). 191 Dabei sollen im folgenden jene in ihrer Bedeutung allerdings kaum zu unterschätzenden legislativen Einschränkungen ausgeklammert bleiben, die sich schon aus faktischen Zwängen zugunsten der Exekutive ergeben. Siehe dazu: H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (140) - er spricht vom "faktische(n) Verwaltungsvorbehalt" - sowie R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 109, der sie als "Vorbehaltsähnlich 191 wirkende Phänomene" bezeichnet. H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 136 (138): "Wenn der Verwaltungsvorbehalt neuerdings stärkeres Interesse findet, so ist das wohl in erster Linie auf die Entwicklung des Gesetzesvorbehalts zurückzuführen." F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (175): "In jüngster Zeit mehren sich freilich die Stimmen, die gegen eine allzu forsche Ausdehnung des Parlaments- und Gesetzesvorbehalts Bedenken anmelden."; M. Schröder, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 814 (815/816). Siehe zur Ableitung eines Verwaltungsvorbehalts im Hinblick auf eine angebliche "Entfesselung der Dritten Gewalt": D. Wilke, Die Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichte, S. 135 (136).
Β. Beschränkungen des Zugriffsrecht s nach Art. 86 Satz 2 GG
133
Böckenförde hat die Anerkennung zugriffsfester Eigenbereiche auch als keineswegs systemwidrigen Einbruch in die grundgesetzliche Verfassungsstruktur eingestuft. Es sei im Gegenteil vielmehr davon auszugehen, daß sie die Begrenztheit legislativer Ingerenzen voraussetze193. Dies ergebe sich aus dem Umstand, daß das Parlament zwar "nicht auf die Befugnis zur materiellen Gesetzgebung"194 beschränkt sei, es aber keinem Erfordernis des parlamentarischen Regierungssystems entspreche, eine darüber hinausgehende Kompetenz anzunehmen. Dem parlamentarischen Regierungssystem sei "eher an einem gewissen Gleichgewichts- und Spannungsverhältnis zwischen Regierung und Parlament gelegen, das einen Umschlag in die Identität von Parlament und Regierung" ausschlösse195. Darüber hinaus ließe sich in Anbetracht der "verfassungsunmittelbaren Anerkennung bzw. Absicherung der funktionellen Eigenständigkeit der Exekutive"... "nicht dartun, daß das parlamentarische Regierungssystem den Grundsatz der Gewaltenteilung zurückgedrängt habe"196.
1. Der Gewaltenteilungsgrundsatz
Nicht nur Böckenförde und - in der Weimarer Zeit 197 - C. Schmitt haben im Gewaltenteilungsgrundsatz einen Ansatzpunkt für die Beschränkung legislativer Ingerenzen erblickt; auch Maurer hat den Gewaltenteilungsgrundsatz als Korrektiv gegen legislative Ingerenzen in Betracht gezogen, seine Eignung im Ergebnis aber bestritten. Der Gewaltenteilungsgrundsatz sei, so Maurer, deshalb nicht tragfähig, weil der Verfassunggeber ihn nicht starr, sondern gleichsam als Modelliermasse verstanden habe198. Die Zielsetzung des Gewaltenteilungsprinzips, die Mäßigung der Macht durch Teilung und Kontrolle, ließe "sich nur erreichen, wenn die besonderen Verhältnisse der jeweiligen Zeit berücksichtigt und ihr entsprechende Organisationsregelungen gefunden" würden 199. Vieles deute darauf hin, "daß die Verwaltung überIM
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 290. 104 195 196
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 288. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 289. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 289. Siehe oben: Erstes Kapitel, Β. II. 2.
197 198
H. Maurer, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 135 (150); kritisch auch F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (190). 199 H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (151).
134
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
haupt keine fest abgrenzbare Größe (bilde), sondern in einem variablen Bezugsfeld rechtlicher und tatsächlicher Determinanten" liege200. Dem stehe auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bremer Personalvertretungsrecht 201 nicht entgegen, die allgemein als Grundlage der "Kernbereichstheorie" angesehen werde 202. Sie habe sich "nicht gegen die Legislative, sondern (gegen) selbständige Ausschüsse innerhalb der Exekutive" gerichtet 203 . In der Tat scheint die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, es handele "sich ... nicht um eine Frage der Gewaltenteilung", weitgehend übersehen zu werden. Im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall ging es um die Übertragung von Entscheidungen an sowohl vom Parlament als auch von der Regierung unabhängige, institutionell innerhalb der Exekutive angesiedelte Einigungsstellen. Unbestritten ist der Gewaltenteilungsgrundsatz in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG als Verfassungsstrukturprinzip verankert; unbestritten ist auch, daß die Erhaltung dieses Prinzips einen dem Zugriff der anderen Staatsgewalten entzogenen "Kernbereich" voraussetzt. Mit diesen Denkstrukturen sind juristisch indes kaum praktikable Lösungen zu erzielen. Offen bleibt vor allem, auf welche Weise und anhand welcher Methoden dieser Kernbereich bestimmt werden soll204. Schon 1955 stellte Forsthoff fest, dem Gewaltenteilungsgrundsatz könne in der Gegenwart kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden 205.
2. Der Gesetzesvollzug als Teil des Verwaltungsvorbehalts
Nachdem sich die Ableitung eines Verwaltungsvorbehalts aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz als problematisch herausgestellt hat, scheint zu-
200
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (155). Ablehnend gegenüber dem Versuch, aus der Gewaltenteilung einen Verwaltungsvorbehalt abzuleiten auch M. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, S. 499 (511), sowie W. Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, S. 405 ff., dort insbesondere gegen die Vorstellung von einem Kernbereich (S. 409: "Das Kernbereichsmodell ist auf die Gewaltenteilung unanwendbar."). 201
BVerfG, Urteil v. 27.4.1959, - 2 BvF 2/58 -, = BVerfGE 9,269.
202
V. Busse, Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, S. 45 (46).
203
H. Maurer, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 135 (148).
204
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 115.
205
E. Forsthoff, Über Maßnahme-Gesetze, S. 221 (227).
Β. Beschränkungen des Zugriffsrecht s nach Art. 86 Satz 2 GG
135
nächst der induktive Weg 206 erfolgversprechender. Der 8. Abschnitt des Grundgesetzes erwähnt die "Ausführung der Bundesgesetze". Ihm könnte daher die generelle Aussage zu entnehmen sein, dem Parlament sei es verwehrt, Gegenstände in einer Form zu regeln, die den Vollzug durch die Exekutive erübrigten. Folge dessen wäre das Verbot des Maßnahmegesetzes. Maurer hat in Anlehnung an Kloepfer die Distanz erzeugende Wirkung des generellen und abstrakten Gesetzes einerseits und den Gesetzesvollzug als partielle Aufhebung dieser Distanz andererseits hervorgehoben und in diesem "Zwei-Takt-Verfahren" 207 eine rechtsstaatliche Gewährleistung gesehen. Aus der somit rechtsstaatlich gebotenen Beschränkung des Gesetzgebers auf generell-abstrakte Regelung folge aber "zugleich die Sicherung der Vollzugskompetenz der Verwaltung" 208. Damit ist das Problem indes auch bei Maurer nur scheinbar gelöst. Auch er schließt einmalige und unwiederholbare Sachverhalte nicht aus, die ein Einzelfallgesetz erforderlich machΛηη
ten . Konkrete Grenzen werden somit auch von ihm nicht gezogen. Auf den Gesetzesbegriff des Grundgesetzes wurde bereits eingegangen . Es zeigte sich dabei zum einen, daß das Grundgesetz nur für Maßnahmen bestimmter Finalität ausdrücklich ein exekutives Vollzugsmonopol sichert (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG) und zum anderen, daß die technisch sowie rechtlich komplexen Lebensverhältnisse in der Hand des Parlaments ein Instrument erfordern, mit dem es flexibel auf Entwicklungen reagieren kann 212 . Mit letzterem wäre aber das Verbot von Maßnahmegesetzen unvereinbar.
206
So auch H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (151).
207
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (158).
208 209
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (159).
H. Maurer, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 135 (158/159); gleichzeitig betont er, der Gesetzesvollzug erfolge zwar nun in Ansehung der Person, er könne "aber nicht mehr zur Willkür ausarten, weil die fallbezogenen Maßnahmen gesetzlich gebunden sind." 210
Siehe oben: Erstes Kapitel, Β. I. F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (194).
211
212
Vgl. dazu oben: Erstes Kapitel, Β. II.
136
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
3. Beschränkung auf den nichtministerieilen Verwaltungsbereich
Obwohl überwiegend die Anerkennung eines allgemeinen Verwaltungsvorbehalts mit dem Hinweis auf fehlende Verfassungsprinzipien abgelehnt213 und er lediglich als HFormalkategorie" 214 bezeichnet wird, besteht indes weitgehend Einigkeit darüber, daß die Ministerialorganisation dem legislativen 215 Zugriffsrecht weitestgehend vorenthalten bleiben muß . Diese kompetenzielle Beschränkimg des (Bundes-)Parlaments soll auch dann bestehen, wenn es nach Art. 84 Abs. 1 GG auf die Landesverwaltungen einwirkt 216. Am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen mag freilich belegt werden, "wie unklar nach wie vor die ganze Frage der Organisationsgewalt"217 auch in diesem Bereich ist und welche verschlungenen Wege die Rechtsprechung einschlägt, um zu einer Problemlösung zu gelangen.
a) Die praktische Relevanz am Beispiel Nordrhein-Westfalens Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine gesetzlich geregelte Zuständigkeitsfestlegung mit einer zwischenzeitlich vom Ministerpräsidenten vorgenommenen, jedoch davon abweichenden Zuständigkeitszuweisung (durch Änderung der Geschäftsbereiche) kollidierte 218. Da die Organisationsgewalt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten auch die Bestimmung der ministeriellen Geschäftsbereiche einschließt219, bestand (an sich) kein Zweifel an der Erheblichkeit der entgegenstehenden gubernativen Anordnung 220. Es bedurfte da213
H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 135 (165).
214
H. Maurer, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 135 (165).
215
Siehe dazu F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 172 (192), m.w.N. in FN 115; so auch W. Krebs, Verwaltungsorganisation, S. 567 (619). 216 A. Röttgen, Der Einfluß des Bundes, S. 67 (91). 217
21 β
H. Spanner, Anmerkung zu OVG Münster, S. 157 (158).
Der § 4 Abs. 3 des LOG Nordrhein-Westfalens hat das Problem nicht gelöst, sondern allenfalls verschleiert. 219 Wobei dies, so Geller/Kleinrahm/Fleck, Kommentar zur Verfassung Nordrhein-Westfalen (2. Aufl.), S. 322, durch Erlaß erfolgen könne, dessen Publizierung zwar "rechtlich nicht notwendig, aber zweckmäßig" sei. 220 Da in Nordrhein-Westfalen in dem in Art. 52 Abs. 3 der Verfassung NRW enthaltenen Kabinettbildungsrecht des Ministerpräsidenten die Rechtsgrundlage für die "nahezu unbegrenzte^) Ausübung der Organisationsgewalt im Bereich der Ministerialorganisation" (so
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
137
her der Klärung, "ob gesetzlich festgelegte Einzelzuständigkeiten" von der durch den Ministerpräsidenten verfügten Änderung der Geschäftsbereiche erfaßt 221 worden waren. Das Oberverwaltungsgericht Münster wich der Konkurrenzfrage jedoch zunächst aus222, indem es erklärte, allein der "äußere Umstand, daß eine bestimmte ministerielle Zuständigkeit in einem Gesetz lediglich wörtlich erwähnt" würde, reiche nicht aus, um die Organisationsgewalt der Landesregierung einzuschränken223. Das Gesetz, in dem die Zuständigkeit eines anderen Ministeriums erwähnt worden sei, habe insoweit "offensichtlich" nur einen "rein erklärenden" und "verweisenden", nicht aber einen konstitutiv-regelnden Charakter gehabt. Eine Bindungswirkung der gesetzlichen Regelung sei daher abzulehnen. Durch die so bewirkte partielle Negation gesetzlicher Bindungswirkungen war es dem Oberverwaltungsgericht möglich, ein Konkurrenzverhältnis zwischen gesetzlichem und exekutivem Verbindlichkeitsanspruch erst gar nicht entstehen zu lassen. Die grundsätzliche Frage aber, ob in Nordrhein-Westfalen der Ministerialbereich als "zugriffsfest" anzusehen ist, wie Rietdorf dies beispielsweise vertritt 224 , ließ es damit offen 225. Nachdem das Gericht die Problematik der Grenzen des legislativen Zugriffsrechts solchermaßen "beseitigt" hatte, setzte es sich im Anschluß daran mit der Frage auseinander, ob nicht unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts eine gesetzliche Regelung der (neuen) Zuständigkeitsfestlegung verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre; damit wandelte es das eigentliche Zugriffsproblem in ein Vorbehaltsproblem um 226 . Im Ergebnis lehnte es die Notwendigkeit einer gesetzlichen Zuständigkeitsfixierung auf MinisteGeller/Kleinrahm/Fleck, Kommentar zur Verfassung Nordrhein-Westfalen (2. Aufl.), S. 319) gesehen wird, ist gerade hier in besonderem Maße eine Vergleichbarkeit mit der grundgesetzlichen Lage gegeben. 221
222
H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 127.
Auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 299, betont, den dogmatischen Kern bilde das Kompetenzproblem. 223 OVG Münster, Urteil v. 26. 6.1957, - III A 197/57 -, DÖV 1958, S. 156. 224 F. Rietdorf, Die Organisation der Landesverwaltung, S. 593 (597). 225 Daß es das Problem gleichwohl sah, ergibt sich schon aus der Formulierung, "möglicherweise" könne eine "gesetzliche Regelung... (die) Landesregierung in ihrer Organisationsgewalt ... einschränken"; OVG Münster, Urteil v. 26. 6.1957, - III A 197/57 -, DÖV 1958, S. 156. 226
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 287, dort in FN 3. Zur Bedeutung von Vermutungsregelungen siehe ebenfalls ders., a.a.O., S. 58, dort in FN 11.
138
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
rialebene mit dem Hinweis auf eine spezifisch landesverfassungsrechtliche Vorgabe ab: Aus Art. 77 VerfNRW, der lediglich für die Zuständigkeitsbestimmungen bei der allgemeinen Landesverwaltung, d. h. für die den Ministerien nachgeordnete Verwaltung 227, ein Gesetz fordert, folgerte es, für eine entsprechende Verpflichtung auch auf der Ministerialebene hätte es einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Bestimmung bedurft 228. Die gegen die Entscheidung erhobenen Bedenken richten sich nicht gegen die äußerst problematische Annahme, ein Gesetz könne in seinen Bindungswirkungen gleichsam "aufgespalten" werden. Sie richten sich primär gegen die Begründung, mit der das Oberverwaltungsgericht Münster einen Gesetzesvorbehalt ablehnte. So hat vor allem Spanner die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts kritisiert, aus dem Fehlen einer ausdrücklichen, dem Art. 77 VerfNRW entsprechenden, parlamentarische Einwirkungen ermöglichenden Regelung für die Ministerialorganisation leite sich auch die Unbedenklichkeit fehlender gesetzlicher Bestimmungen ab. Er hält das argumentum e contrario aus zwei Gründen für nicht stichhaltig. Zum einen, weil die Zuständigkeitsbestimmungen "Rechte und Pflichten einer Streitpartei" berührten und so in "entscheidender Weise über den internen Bereich (der Exekutive) hinaus" griffen; zum anderen, weil in vielen anderen Landesverfassungen der Bundesrepublik Deutschland parlamentarische Einflüsse auf den Gubernativbereich vorgesehen seien. Infolgedessen müsse im Gegenteil davon ausgegangen werden, daß überall dort, wo es keines Gesetzes bedürfe, eine ausdrückliche Aussage der Verfassung notwendig sei229. In der Tat bestätigt ein Blick in die sonstigen Landesverfassungen weitreichende legislative Ingerenzen im Bereich der Gubernative230. Spanner scheint freilich die 227
So Geller/Kleinrahm/Fleck, Kommentar zur Verfassung Nordrhein-Westfalen (2. Aufl.), S. 319. 228
OVG Münster, Urteil v. 26.6.1957, - III A197/57 -, DÖV1958, S. 156.
229 230
H. Spanner, Anmerkung zu OVG Münster, S. 157 (158).
Art. 49 der Verfassung Bayerns trifft unmittelbar eine Festlegung der Anzahl der Ministerien, wobei eine Erhöhung nur unter Mitwirkung des Landtags, wenn auch ausschließlich auf Initiative des Ministerpräsidenten, erfolgen kann. Daneben bestehen noch weitere verfassungsunmittelbare Vorgaben für den Gubernativbereich sowie Spezialbestimmungen für den Bereich der Verwaltung im "technischen" Sinne. So vor allem der schon in früherem Zusammenhang erwähnte Art. 77 BV. Von einem legislativen Zugriffsrecht geht ebenfalls Art. 45 Abs. 3 der Verfassung Baden-Württembergs aus. Auch bei Nichtanspruchnahme dieses Zugriffsrechts bedarf jedoch die von der Exekutive vorgenommene Bestimmung der Geschäftsbereiche eines Zustimmungsbeschlusses durch den Landtag. Einen Beschluß des Landtags fordert Art. 46 Abs. 3 ferner für die Amtsaufnahme durch die Landesregierung sowie für die
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
139
Eigenarten der jeweiligen Landesverfassungen zu übersehen. So bedarf im Gegensatz zu vielen sonstigen Landesverfassungen in Nordrhein-Westfalen der Ministerpräsident zur Amtsübernahme keines bestätigenden Landtagsbeschlusses231. Diese weitgehende "Unabhängigkeit" des Ministerpräsidenten ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß er immer Mitglied des Landtags sein muß 232 und ihm auf diese Weise in hohem Maße demokratische Legitimation verliehen wird: Einmal durch die Wahl zum Abgeordneten, zum anderen durch die Wahlentscheidung des Parlaments. Spanners Äußerungen stehen damit in krassem Widerspruch zu den Ausführungen Rietdorfs, der hervorhebt, daß die Dispositionsbefugnis des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten nicht durch Gesetz eingeschränkt werden könne233.
b) Die Ministerialorganisation
und Art. 86 Satz 2 GG
Auf das nordrhein-westfälische Beispiel braucht indes nicht näher eingegangen zu werden, da die Untersuchung den bundesverfassungsrechtlichen Stimmrechtsverleihung an die Staatssekretäre bzw. Staatsräte. Die besondere Bedeutung des Zustimmungsbeschlusses für die Amtsaufnahme ergibt sich aus Art. 47, der die automatische Auflösung des Landtags vorsieht, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten gefaßt wurde. Auch in Hessen sind dem Parlament nach Art. 101 Abs. 2 Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gubernative an die Hand gegeben. Wie in Baden-Württemberg kann das Parlament sein Zugriffsrecht geltend machen oder aber im nachhinein noch Korrekturen bei der Bestimmung der ministeriellen Geschäftsbereiche vornehmen. Das aus Art. 19 der Verfassung von Niedersachsen abgeleitete Kabinettsbildungsrecht des Ministerpräsidenten soll ihm nicht nur die Bestimmung der Anzahl der Ministerien, deren Errichtung und Auflösung, sondern auch die Aufteilung der Geschäftsbereiche ermöglichen (H. Neumann, Kommentar zur Nds. Verfassung, Art. 19, RdNr. 4), wobei jedoch nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 3 die Abgrenzung der einzelnen Geschäftsbereiche von der Landesregierung insgesamt vorzunehmen ist. Darüber hinaus sieht Art. 20 Abs. 3 der VorlNdsVerf. die Notwendigkeit eines bestätigenden Landtagsbeschlusses für die Amtsübernahme durch die Landesregierung vor. Art. 98 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung Rheinland-Pfalz bestimmt nicht nur, daß die vom Ministerpräsidenten gebildete Landesregierung, sondern auch die Entlassung eines Ministers durch den Ministerpräsidenten der "ausdrücklichen Bestätigung des Landtags" bedarf. Hinsichtlich der ministeriellen Zuständigkeitsbestimmungen besteht nach Art. 105 Abs. 2 ein mit einem Abänderungs- und Außerkraftsetzungsanspruch verknüpftes legislatives Zugriffsrecht. Im Saarland kann die Ernennung und die Entlassung der Minister nur mit Zustimmung des Landtags erfolgen (Art. 87 Abs. 1), wobei dem Ministerpräsidenten jedoch die Befugnis vorbehalten ist, die Geschäftsbereiche der Minister festzulegen (Art. 91). 231
M. Friedrich, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 197 (199).
232
Dazu M. Friedrich, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 197 (199/203).
233
F. Rietdorf, Die Organisation der Landesverwaltung, S. 593 (597).
140
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
Ansatz wählte. Auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene spricht jedenfalls schon die gesetzessystematische Interpretation dafür, das legislative Zugriffsrecht auf den Bereich der nichtministeriellen Verwaltung zu beschränken. Trotz des weiten Verständnisses vom Behördenbegriff in Art. 86 Satz 2 GG 234 nimmt die wohl herrschende Meinung an, daß die Verfassungsorganqualität der Ministerien deren Behördenqualität verdränge 735. Die Ministerialebene würde deshalb nicht in den Anwendungsbereich des Art. 86 Satz 2 GG fallen und damit jedenfalls nicht dem dort verankerten Zugriffsrecht unterliegen. Überwiegend wird Art. 64 GG als Grundlage für eine weitreichende Organisationskompetenz236 des Bundeskanzlers237 im Ministerialbereich herangezogen. Auch bei der Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien treffe ihn keine Beschränkung auf die Festlegung von "Grundzügen", da Art. 65 Satz 1 GG sich nur auf Sachentscheidungen beziehe238. Gleichwohl ist diese Ansicht nicht unumstritten. So wird teilweise angenommen, die Art. 83 ff. GG erfaßten zwar nicht die Ministerialorganisation, dem Gesetzgeber stehe aber dennoch "das in Art. 86 S. 2 GG festgelegte (Auch-) Entscheidungsrecht des Bundesgesetzgebers" zu. Den Besonderheiten der Gubernativebene wird allerdings dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß das Zugriffsrecht nach "Art. 86 S. 2 nur zu punktuellen, nicht aber zu grundsätzlichen Eingriffen in die Organisationsgewalt des Bundeskanz234
235
Siehe oben: Α. II. 3.
Siehe dazu die Nachweise bei E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 287, dort in FN 3; ferner: K. Stern, Staatsrecht II, S. 821; so auch D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (570); Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87, RdNr. 16; P. Lerche, a.a.O., Art. 86, RdNr. 96; H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 322. Der Beschränkung auf den Bereich der "technischen Verwaltung" hält ein Teil der Literatur die Entstehungsgeschichte entgegen; so: H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 59,62 ff.; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 133 ff. 236
Wobei freilich insoweit eine Einschränkung erfolgt, als die im Grundgesetz ausdrücklich erwähnten Ministerien (Justiz, Finanzen, Verteidigung) von ihm erricht werden müssen und von ihm auch nicht abgeschafft werden können; so R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64, RdNr. 5. 237 Vgl. dazu H. Kaja, Ministerialverwaltung und Grundgesetz, S. 381 ff.; K. Stern, Staatsrecht II, S. 820, erklärt, die Bedeutung des Art. 86 GG liege darin, die Kompetenz des Kollegiums im Hinblick auf das durch Art. 65 GG verankerte Kanzler- und Ressortprinzip hervorheben. 238 R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64, RdNr. 3; dennoch sei § 9 der Geschäftsordnung der Bundesregierung unbedenklich, da der Bundeskanzler sich selbst Beschränkungen auferlegen könne. Zur Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers siehe unten: Fünfter Teil, Viertes Kapitel, Α. 1.1., 2. und B.
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
141
lersM ermächtigen soll239. Verständlich wird diese juristisch "halbherzige" Lösung freilich dann, wenn das in Art. 86 Satz 2 GG verankerte Zugriffsrecht nur als Ausprägung des allgemeinen Zugriffsrechts verstanden wird, dem durch die gesonderte Erwähnung lediglich "ein besonderes Gewicht verliehen" werden sollte240. Aber auch die Vertreter jener Richtung, die die Ministerialorganisation nicht von vornherein als zugriffsfest ansehen, schenken der besonderen politischen Bedeutung der Ministerialorganisation Beachtung. Dies freilich in unterschiedlichem Ausmaß. So will Böckenförde den Ministerialbereich zwar nicht von vornherein dem legislativen Zugriffsrecht entziehen241, hinsichtlich des Umfangs bestimmter "zugriffsfester Eigenbereiche der Exekutive" jedoch zwischen Regierungs- und Verwaltungsebene unterscheiden242. Ein Differenzierungsansatz, dem die - wie sich noch herausstellen wird 243 - zutreffende Vorstellung zugrunde liegt, daß die Ministerialebene dem Kernbereich 244 exekutiver Kompetenzen besonders nahe steht. Schmidt-Aßmann hält denn auch den Ministerialbereich für zugriffsfest, solange die Verfassung nicht ausdrücklich anderes vorsehe245. Organisatorische Maßnahmen des Parlaments im Bereich der Ministerialorganisation seien deshalb unzulässig, weil sie sich in besonderem Maße dazu eigneten, "den Nerv exekutiver Eigenständigkeit" zu berühren, und zu einer "Kollision zweier verfassungsrechtlicher Ansätze" führten 246. Die politische Bedeutung wird damit nicht - wie bei der Wesentlichkeitstheorie der Fall - als Argument für, sondern gegen eine parlamentarische Zuständigkeit herangezogen; ein Faktum, das Schnapp zu der Bemer-
239
So R. Heizog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64, RdNr. 3, dort in FN la. 240 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 286. 241
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 287, dort in FN 3, mit Hinweisen auf Vertreter, die den Bereich der Ministerialorganisation grundsätzlich als zugriffsfest ansehen. 242
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 107 und S. 290; differenzierend auch H. Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 133 (164). 243 Siehe unten: Fünfter Teil, Viertes Kapitel, B. III. 244
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 107; vgl. auch H. Maurer, Der Verwaltungsvoibehalt, S. 135 (147). 245 E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (347), hier allerdings im Zusammenhang mit dem Gesetzesvoibehalt. 246
E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (347).
142
2. Teil: 2. Kap.: Modifikationen durch den 8. Abschnitt des GG
kung veranlaßte, die Wesentlichkeitstheorie werde dadurch geradezu "auf den Kopf gestellt"247.
4. Das Verbot negativer Sperrgesetze
Art. 86 Satz 2 GG fordert, unabhängig davon, ob die Organisationsmaßnahmen "lediglich die Verwaltung und nicht zugleich auch Zivilpersonen" 248 betreffen, eine gesetzliche Grundlage. Er bestätigt damit die These von der grundsätzlichen Offenheit des grundgesetzlichen Gesetzesbegriffs. Gleichwohl sind in Literatur und Rechtsprechung249 Ansätze erkennbar, den Gesetzesbegriff durch das Verbot präventiver Gesetzesvorbehalte materiell anzureichern 230. Eine Begründung für die Annahme, warum das legislative Zugriffsrecht nur konkrete und gezielte Organisationsregelungen 251 rechtfertigt und ansonsten unzulässsige präventive, vom einfachen Gesetzgeber statuierte Gesetzesvorbehalte vorliegen sollen252, findet sich bei Ossenbühl 253. Er wendet sich gegen die Einführung "negativer Sperrgesetze" mit dem Argument, von der Legislative erlassene Sperrgesetze würden "die Komplemen-
247 248
F. E. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, S. 172 (192).
D. Kirschenmann, Zuständigkeiten und Kompetenzen, S. 565 (571). Der BayVerfGH, Entscheidung v. 10. 12. 1971 - Vf. 34-VII-71 -, BayVBl. 1972, S. 43 (45), erklärte beispielsweise, das Landesparlament dürfe nicht durch ein negatives Sperrgesetz die Organisationskompetenz der Staatsregierung beschneiden. Dieser Fall wies jedoch insofern eine Besonderheit auf, als (durch Art. 9 Abs. 2 BV) eine ausdrückliche, sachgegenständlich konkretisierte verfassungsunmittelbare Organisationsermächtigung an die Exekutive 249
250
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 106, sowie S. 287/288; vgl. dort auch FN 3. Den Versuch eines Parlaments, mittels eines negativen Sperrgesetzes eine Organisationsmaßnahme der Regierung zu verhindern, beschreibt E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation, S. 333 (335), dort in FN 5, im Zusammenhang mit dem Vorhaben der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die Grenzen der Regierungsbezirke zu ändern. Bemerkenswert der Hinweis E. Schmidt-Aßmanns, a.a.O., daß die Landesregierung zwar erfolgreich ihre Kompetenz aus Art. 77 S. 2 LV NRW verteidigen konnte, auf die Ausübung der Befugnis jedoch verzichtete. 251 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 287; vgl. dazu auch P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 107. 252
Eine Begriffsbestimmung, die deshalb mit einem Fragezeichen versehen werden muß, weil ein unzulässiges Sperrgesetz sachlich nichts anderes als ein verfassungswidriges, sich jedoch (unberechtigterweise) auf den Grundsatz des Gesetzesvorrangs berufendes Gesetz darstellt. 253
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 273.
Β. Beschränkungen des Zugriffsrechts nach Art. 86 Satz 2 GG
143
tärfunktion der Exekutive"254 außer acht lassen und die Exekutive "unter dem Zwang praktisch-politischer Notwendigkeiten ... in die Illegalität treiben". Auch werde dem Parlament "eine verfassungsrechtlich nicht vorgesehene unbegrenzte Option auf die Organisationsgewalt" eingeräumt255. Eine im Ergebnis allerdings kaum praktikable, weil zu einem Circulus vitiosus führende - Einschränkung dieses Verbots strebt Ossenbühl dadurch an, daß er zwar Sperrgesetze bezüglich bestimmter Sachbereiche als "schlechthin verfassungsrechtlich unzulässig" ansieht256, nicht aber Formvorbehalte, "wenn sie sich als Positivierungen vorgegebener, ungeschriebener verfassungsstruktureller Vorbehalte, somit als Konkretisierungsprodukte übergeordneter Verfassungsprinzipien erwiesen"257. Ein insofern wenig hilfreicher Ansatz, als das Problem gerade darin besteht, die nur deklaratorische Wiedergabe eines Gesetzesvorbehalts von der zulässigen Inanspruchnahme eines (konstitutiven) Zugriffsrechts abzugrenzen258.
Ungeachtet der Schwächen, die Ossenbühls Ansatz, zwischen Sach- und Formvorbehalten zu differenzieren, in sich birgt, verdient sein Ausgangspunkt, Sperrgesetze widersprächen der Komplementärfunktion der Exekuti näherer Betrachtung. Bereits an früherer Stelle wurde Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG als Bestimmimg erkannt, die der Entstehung kompetenzieller Vakuen entgegenwirken soll259. Die Verankerung negativer Sperrgesetze im Bereich der Verwaltungsorganisation liefe aber gerade auf die Herbeiführung eines solchen Vakuums hinaus, da Organisation die conditio sine qua non einer jeden Aufgabenerfüllung bildet. In Anbetracht dieser Verknüpfung wirken sich präventive Organisationsvorbehalte bei Sachaufgaben, die der Umsetzung und des Vollzugs bedürfen, zugleich als Sachvorbehalte aus. Die Annahme eines interdependenten Verhältnisses von Sachaufgabe und Organisation wird schließlich durch Art. 86 Satz 2 GG bestätigt: Er läßt - unter Zugrundelegung der hier entwickelten Altemativauslegung* 0 - nur dann legislative Ingerenzen im Bereich der Verwaltungsorganisation zu, soweit sie mit konkreten Sachregelungen im Zusammenhang stehen. Letztlich tragen die Restriktio254 2 5 5F.
Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 272. F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 272.
256
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 273
257
F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 273
258
Siehe dazu schon oben: Einleitung, C. II. Siehe oben: Erster Teil, Viertes Kapitel, C. 260 Siehe oben: Α. 1.3. ) Kontrollfunktion > Verantwortlichkeit Parlament > Folge: ministerielle Weisungsbejugnis.
gegenüber d
163
Auch wenn Art. 65 Abs. 1 Satz 1 GG im Gegensatz zu Art. 56 Satz 1 WRV nicht ausdrücklich das Parlament als diejenige Institution bezeichnet, der gegenüber die Verantwortlichkeit besteht, so dürfen daraus keine anderen Schlüsse gezogen werden; so auch R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 48; H. C. F. Liesegang in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 65, RdNrn. 1 und 19. 164
R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 65; siehe zu weiteren Vertretern dieser Richtung die Nachweise bei E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 27, dort in FN 29; Κ. Stern, Staatsrecht II, S. 310, dort in FN 208; H. C. F. Liesegang in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 65, RdNr. 21. 165
BVerwG, Urteil vom 23.5.1958, - BVerwG VII C 2151 -, = BVerwGE 7,54 (73); siehe ferner zum ministerialfreien Raum: BVerwG, Urteil vom 23.1.1961, - BVerwG II C 129.59 -, = BVerwGE 12,21 (28).
292
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
Für die Konzentration ministerieller Verantwortlichkeit auf die Person des Bundeskanzlers spricht nicht nur der Umstand, daß die Weimarer Reichsverfassung 166 im Gegensatz zum Grundgesetz noch ausdrücklich die Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament erwähnte 167 und das Grundgesetz den verfassungsrechtlich sanktionierten Sturz eines einzelnen Ministers nicht kennt168. Für sie spricht auch die allgemein starke Stellung, die das Grundgesetz dem Bundeskanzler verleiht. Die parlamentarischen Ingerenzen im Gubernativbereich sind auf Bundesebene gering 169; dies zeigt sich namentlich an der Bestellung der Bundesminister. Die nach Art. 64 GG vorzunehmende Ernennung der Bundesminister erfolgt ohne Mitwirkung des Bundestags170. Während beispielsweise nach Art. 45 der bayerischen Verfassimg Berufung und Entlassung der Staatsminister der Zustimmung des Bayerischen Landtags bedürfen, kennt das Grundgesetz einen solchen Vorbehalt nicht. Es enthält auch nicht, wie etwa Art. 46 Abs. 3 der badenwürttembergischen oder Art. 20 Abs. 3 der niedersächsischen Verfassung, einen Vorbehalt des Inhalts, daß die Regierung für die Amtsübernahme eines bestätigenden Beschlusses bedarf 171. Insofern scheint es wieder nur konzeptionell folgerichtig, wenn die - weitreichende parlamentarische Ingerenzen im Gubernativbereich vorsehende172 - bayerische Verfassung in Art. 51 Abs.
166
Art. 56 Satz 2 WRV.
167
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 64. Eine Bestimmung des 1952 in den Bundestag eingebrachten Ministergesetzes, die den Eindruck erweckte, es bestehe - wie zur Weimarer Zeit - eine Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament (§ 7 Satz 2 EntwurfMinG), wurde auf Änderungsvorlage des Bundesrats gerade mit dem Hinweis darauf gestrichen, daß sich die Rechtslage geändert habe; vgl. dazu P. Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit, S. 573 (579). 168
N. Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, S. 629 (650); R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 67, RdNr. 10, sowie Art. 65, RdNr. 8. Zur Einflußnahme auf die Gubernative in den einzelnen Bundesländern siehe: P. Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit, S. 573 (578), und E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 100, dort in FN 41 und FN 43, sowie Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B. III. 3 a), dort in FN 230. Siehe zur Rechtslage auf Länderebene: W. Zeidler, Auswirkungen der westdeutschen Landesverfassungen, S. 91 ff. 171
Weitere Nachweise bei R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 63, RdNr. 5, dort in FN 2. 172
Vgl. etwa: Art. 49 BV, dort vor allem Abs. 3, der einen Landtagsbeschluß fordert, wenn die Zahl der Geschäftsbereiche erhöht, vermindert oder die Geschäftsverteilung abweichend vorgenommen werden soll. Diese weitreichenden legislativen Ingerenzen scheinen freilich als
Α. Regierungsaufgabe und Weisungsrecht
293
1 BV 1 7 3 ausdrücklich die Ministerverantwortlichkeit "gegenüber dem Landtag" statuiert, das Grundgesetz aber nicht, wenn jene die Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament hervorhebenden Verfassungen die Ministeranklage kennen174, das Grundgesetz aber auch hierzu - in Abkehr von Art. 59 WRV 1 7 5 - schweigt.
2. Das Ressortprinzip und die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers
Sprechen somit überzeugende Gründe dafür, im ministeriellen Weisungsrecht das Instrument zu erblicken, in dem sich ministerielle Verantwortlichkeit gegenüber dem Bundeskanzler realisiert, so müßte sich auch der Bezugspunkt der "Fremdnützigkeit" verschieben: Der ministerielle Weisungsstrang bildete dann nicht mehr die Grundlage für parlamentarische, sondern für Verantwortlichkeit gegenüber dem Bundeskanzler. Träfe dies zu, könnte allenfalls der Bundeskanzler, nicht aber das Parlament auf das ministerielle Kompensationsinstrumente für das Fehlen eines ausdrücklichen dacht zu sein.
Mißtrauensvotums (str.) ge-
173
So auch Art. 102 Satz 2 VerfHessen; Art. 104 Satz 2 VcrìRheinland-Pfalz. Art. 35 Abs. 1 Satz 2 VerîHamburg sieht die Möglichkeit vor, jedem einzelnen Senator das Vertrauen zu entziehen und bringt damit ebenfalls eine besondere Parlamentsverantwortlichkeit zum Ausdruck; vgl. auch Art. 88 Abs. 1 Satz 2 VerfSaarland. 174
Art. 61 Bayerische Verfassung bringt besonders deutlich die Verknüpfung von parlamentarischer Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage als Sanktionsmittel zum Ausdruck. Vgl. auch Art. 57 VerfBaden-Württemberg, Art. 31 VerfNiedersachsen, Art. 94 Verf Saarland und Art. 63 VerfNordrhein-Westfalen. Aus der Existenz einer Ministeranklage dürfte auf die besondere Verantwortlichkeit des Ministers gegenüber dem Parlament gefolgert werden, auch wenn die Verfassung eine Aussage dieses Inhalts nicht ausdrücklich aufweist. 175
N. Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, S. 629 (652); R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64, RdNr. 29. Auch wenn das verfassungsprozessuale Instrument des Organstreitverfahrens zur Verfügung steht, darf das Fehlen der Ministeranklage nicht als redaktioneller "Schönheitsfehler" oder als Folge ökonomischer Gesetzgebungstechnik, mithin als Formalie, abgetan werden. Zum einen kennt das Grundgesetz eine spezielle Klage gegen ein bestimmtes Staatsorgan (Art. 61 GG); zum anderen dürfte die Verfassung deshalb von einer (An-)Klagemöglichkeit abgesehen haben, weil das Bundesverfassungsgericht in noch stärkerem Maße gezwungen gewesen wäre, originär politische Fragen zu entscheiden. P. Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit, S. 573 (579), weist denn auch darauf hin, daß nicht vor Gericht darüber gestritten werden könne, ob ein Minister mit hinreichendem Grund sein Amt verloren habe bzw. ob hinreichende Gründe dafür bestünden, daß er sein Amt zu verlieren hätte. Auch U. Scheuner, Verantwortung und Kontrolle, S. 379 (392), spricht davon, daß die politische Verantwortung ein "letztlich nicht justiziables Momen enthalte (Hervorhebung vom Verfasser).
294
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
Weisungsrecht verzichten. Diese Schlußfolgerung stößt jedoch auf Bedenken. Sie gründen in dem besonderen zwischen Bundeskanzler und Bundesminister bestehenden verfassungsrechtlichen Verhältnis. Es ist von einer Art, die es nicht zuläßt, den Bundeskanzler als Chef der Exekutive und die Minister als dessen "Vollzugsorgane" zu (dis-)qualifizieren. Innerhalb der gubernativen Spitze gestaltet sich die Rechtslage komplizierter als auf den nachgeordneten Exekutivebenen. Den Grund dafür bildet das Ressortprinzip. Es garantiert jedem Bundesminister, seinen Geschäftsbereich innerhalb der vom Bundeskanzler vorgegebenen und verbindlichen 176 Richtlinien "selbständig" (Art. 65 Satz 2 GG) zu leiten; es verhindert "ein Hineinregieren des Kanzlers in das Ressort .... des Ministers" 177. Das Grundgesetz geht vom "Typ des selbständigen, selbstbewußten und mit beträchtlichen Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ausgestatteten Ministers aus"178. Zu Recht hat Herzog auf das (in Art. 65 Satz 1 GG) im Begriff der "Richtlinie" enthaltene kompetenzabgrenzende Element hingewiesen: Jeder über den Rahmen einer bloßen Richtlinie hinausgehenden Einwirkung des Bundeskanzlers werde dadurch entgegengewirkt179. Es ist offensichtlich, daß dem Begriff der "Richtlinie" auf diese Weise eine verfassungsrechtlich eminent wichtige Bedeutung zuwächst: Er entscheidet über das (Aus-)Maß ministerieller Eigenverantwortlichkeit; er gibt Aufschluß darüber, inwieweit das dem Minister zustehende Weisungsrecht Ausdruck eigenverantwortlicher Gestaltungsfreiheit ist. Gleichzeitig wird damit auch die Intensität der Fremdniitzigkeit festgelegt. Diese Abstufung ministerieller Selbständigkeit läßt es naheliegend erscheinen, das ministerielle Weisungsrecht auch dem Zugriff des Bundeskanzlers insoweit als entzogen anzusehen, als es den Bereich ministerieller Selbständigkeit betrifft. Prima facie bedeutete dies konkret, das ministerielle Weisungsrecht der parlamentarischen Disposition generell, und der 176 R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 17; vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11. 5. 1951 (i.d.F.v. 17. 7. 1987); U. Scheuner, Politische Koordination, S. 899 (900).
177
J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 41. R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 53. Siehe zur völlig anderen Stellung des Ministers nachfinnischem Staatsrecht: S. Tiihonen, Der finnische Staatsrat. 178
179
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 5; auf der obersten Leitungsebene besteht somit ein "Spannungsverhältnis zwischen Ressortprinzip und Richtlinienkompetenz"; so B.-O. Biyde, Die Einheit der Verwaltung, S. 181 (214).
Α. Regierungsaufgabe und Weisungsrecht
295
Disposition des Bundeskanzlers partiell zu entziehen. Eine solche Annahme übersähe jedoch die Bedeutung der Richtlinienkompetenz; sie ist jeder Definition der ministeriellen Stellung gleichsam "vor die Klammer" zu ziehen: Auch das ministerielle Weisungsrecht darf sich nur innerhalb der vom Bundeskanzler vorgegebenen "Richtlinien der Politik" bewegen; es ist insofern "richtlinienakzessorisch". Die in Art. 69 Abs. 2 GG verankerte institutionelle Akzessorietät spiegelt sich - insofern systemkonsequent - als funktionelle wider.
II. Einwirkungen des Parlaments auf die Richtlinienkompetenz und Auswirkungen auf das ministerielle Weisungsrecht
Die Richtlinienakzessorietät des ministeriellen Gestaltungsrechts führt indes nur dann (wieder) zur Annahme zurück, die ministerielle Weisungsbefugnis wurzele in der Verantwortlichkeit gegenüber dem Regierungschef 180, wenn die Richtlinienbefugnis des Bundeskanzlers ihrerseits nicht unter dem Vorbehalt parlamentarischer Einflußnahme stünde; anders formuliert: Wenn der Gubernative ein unentziehbarer Aufgabenbereich zustünde, innerhalb dessen sie dann mittels eines Geflechts von Weisungen Regelungen treffen könnte. Spätestens hier wird der Zusammenhang zwischen Rechtsnatur des ministeriellen Weisungsrechts und exekutiver Eigenständigkeit deutlich: Unterläge die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers parlamentarischer Disposition181, strahlte dies auch auf das ministerielle Weisungsrecht, dessen "Richtlinienakzessorietät" festgestellt wurde, aus. Dies in der Form, daß es nunmehr auch im Hinblick auf die (mittelbare) parlamentarische Verantwortlichkeit gesehen werden müßte. Nicht zuletzt Formulierungen, es bestehe trotz der Konzentration des Grundgesetzes auf die Person des Bundeskanzlers182 eine abgeschwächte, abgestufte 183, nicht volle184 parlamentarische
180
Siehe oben: 1.1.
181 Ob im Hinblick auf die bisherige Terminologie vom Gesetzesvorbehalt gefragt werden sollte, "ob die verfassungsrechtliche Zuweisung der Leitungsbefugnis an die Regierung unter einem Gesetzesvorbehalt steht" (so aber J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 63), muß bezweifelt werden; siehe dazu oben: Zweiter Teil, Zweites Kapitel, Β. I. 182 E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (58). 183
R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 66. Aufschlußreich im Hinblick auf die unklare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten sowohl gegenüber Parlament als auch gegenüber dem Bundeskanzler, a.a.O., in RdNr. 29, FN 17 das Frage-
296
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
Verantwortlichkeit des Ministers, müssen als Indiz für einen komplizierten Verantwortlichkeitsmechanismus gewertet werden, in dem sich ein ebenso komplizierter Mechanismus von Staatsleitung widerspiegelt. Sie stehen freilich in Widerspruch zu jenen Stimmen, die aus der institutionellen Eigenständigkeit der Regierung auf die Indisponibilität auch ihres Aufgabenbereichs folgert 185. Prima facie scheinen sie auch mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in Widerspruch zu stehen, wonach in der parlamentarischen Demokratie grundsätzlich dem Parlament die Rechtsetzung vorbehalten und der Exekutive die Regierung und Verwaltung übertragen sei. Da Art. 65 Satz 1 GG festlege, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimme und dafür die Verantwortung trage, spreche die Rechtsvermutung für die Ausschließlichkeit dieser ausdrücklich statuierten Regierungszuständigkeit; der Bundestag könne diese Funktion nicht übernehmen186.
B. Die Richtlinienkompetenz nach Art« 65 Satz 1 GG als "Exklusivkompetenz" des Bundeskanzlers Gegen die Annahme, Art. 65 Satz 1 GG sichere dem Bundeskanzler ein "Reservatgebiet hochpolitischer Entscheidungen"187, sprechen bereits gesetzessystematische Überlegungen. Art. 65 GG ist in jenem Abschnitt des Grundgesetzes anzutreffen, in dem die Organisation der Bundesregierung geregelt wird; er findet sich nicht in jenem Abschnitt, der Aussagen über die Verteilung der Funktionen enthält188. Unerwähnt bleiben sollen auch nicht jene landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, die die parlamentarische Billigung der grundsätzlich bei der Regierung angesiedelten politischen Richtlinienkompetenz vorsehen. So zeichen ("?"). Für die Verantwortung auch gegenüber Bundestag und Bundesrat: N. Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, S. 629 (650 ff.). 184
P. Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit, S. 573 (577). Siehe oben: A.
185
186 BVerfG, Urteil v. 29.7.1952, - 2 BvE 2/51 -, = BVerfGE 1, 372 (394). Gegen eine verallgemeinernde Auslegung dezidiert: M. Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, S. 585 (589). 187
188
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 1.
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 30.
Β. Die Richtlinienkompetenz als Exklusivkompetenz
297
Art. 43 Abs. 2 Berliner Verfassung, der die vom Senat aufgestellten "Richtlinien der Regierungspolitik" ausdrücklich der Billigung des Abgeordnetenhauses unterwirft 189. Noch deutlicher wird dies im thüringischen Verfassungsentwurf 190. Gemäß Art. 57 Abs. 1 beschließt "der Landtag ... die Grundsätze der Regierungspolitik", an denen sich wiederum die vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien zu orientieren haben (Art. 78 Abs. 2). Konsequent spricht denn auch Art. 75 Abs. 1 des thüringischen Verfassungsentwurfs davon, daß die "Landesregierung ... im Auftrage des Landtages die einheitliche Durchführung der Landespolitik" leite.
I· Die Variabilität von Regierungsaufgaben Schließlich stünde die Vorstellung, der Bundeskanzler verfüge über ein "Monopol auf politische Grundsatzentscheidungen"191, in krassem Widerspruch zu den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung, auf die im einzelnen verwiesen werden darf 92 . Sie sprechen eindeutig gegen die Annahme, das Parlament sei auf den "Goodwill" der Regierung zur Zusammenarbeit, im übrigen aber ausschließlich auf das konstruktive Mißtrauensvotum als Sanktionsinstrument angewiesen. Es zeigte sich vielmehr, daß das Parlament nicht - wie zur Zeit noch das Europäische Parlament 193 - auf "indirekte Leitung" - vermittelt über das Damoklesschwert des Mißtrauensvotums194 und der hier nicht zu behandelnden, jedoch kaum zu unterschätzenden Haushaltsgenehmigung195 - beschränkt ist, sondern ihm auch die Kompetenz zu189 190
M. Friedrich, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 197 (201/202).
Entwurf der Verfassung für das Land Thüringen vom 30. 8. 1990, erarbeitet vom "Unterausschuß Verfassung des politisch-beratenden Ausschusses zur Bildung des Landes Thüringen". 191 192 193
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 103. Siehe oben: Erster Teil, Zweites und Drittes Kapitel.
Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 89/90. Dort bestehen die Kontroll- und "Mißtrauensbefugnisse" darüberhinaus jedoch nur gegenüber der Kommission, nicht aber gegenüber dem Rat. Eine Beschränkung, die nur zu verständlich ist, da ansonsten die Souveränitätsproblematik eskalierte. 194
195
E. Menzel, Richtlinienkompetenz, S. 877 (880).
Siehe zur Bedeutung der Ausgabenbewilligung: Th. Köstlin, Die Kulturhoheit des Bundes, S. 126. Das Bundesverfassungsgericht führte das Budgetrecht des Parlaments (als "eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle") als Grund dafür an, warum "weitreichende politische Entscheidungen nach der gewaltenteilenden Kompetenz-
298
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
steht, unmittelbar staatsleitend zu intervenieren. Die verfassungsunmittelbare institutionelle Legitimation der Exekutive196 verleiht ihr zwar die Befugnis, mittels des Weisungsrechts den Staatsapparat auf die aus eigenem Vermögen197 vorgenommene Zielvorgabe auszurichten198; sie besteht jedoch nur solange y wie die Ausrichtung auch die Billigung199 des Parlaments findet und es sich auf diese Form von indirekter Leitung200 beschränken zu können glaubt. Die "politische Konkurrenz" zwischen Kanzler und Gesetzgeber201 entfällt, wenn das Parlament selbst die Regelung des Aufgabenbereichs (in Gesetzesform) übernimmt. Die Gründe dafür, warum das Parlament staatsleitende Akte in Gesetzesform vornimmt, können unterschiedlich sein. In ihnen kann zum einen eine, den Regierungssturz gleichsam als ultima ratio ausweisende politische Mißbilligung Ausdruck finden 202. Davon wird vor allem dann auszugehen sein, wenn die praktizierte Regierungspolitik zwar nicht gegen den Wortlaut gesetzlicher Regelungen, jedoch gegen deren Telos verstößt. Zum anderen kann sie aber auch Ausdruck eines harmonischen Zusammenwirkens von Regierung und Parlament sein; etwa dann, wenn Maßnahmen im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz oder Ausgabenintensität203 der rechtssatzmä-
ordnung des Grundgesetzes nicht durch das Parlament, sondern (auch) durch andere Staatsorgane getroffen werden" können; so BVerfG, Urteil v. 14.1.1986, - 2 BvE 14/83 u. 4/84 -, = BVerfGE 70, 324 (356). 106 Siehe oben: Erster Teil, Viertes Kapitel, C. 197
W. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung, S. 521 (532); dort auch zum Vollzug als Vollziehung von gubernativen oder legislativen Vorgaben. 198 C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (326); vgl. auch oben: Erster Teil, Viertes Kapitel, C. 199
Vgl. dazu noch einmal: Art. 43 Abs. 2 Satz 1 iter/Verfassung: "Der Regierende Bürgermeister bestimmt im Einvernehmen mit dem Senat die Richtlinien der Regierungspolitik. Sie bedürfen der Billigung des Abgeordnetenhauses." Zur eingeschränkten Richtlinienkompetenz siehe M. J. Neumann in: Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, Art. 43, RdNr. 14. 200 U. Scheuner, Verantwortung und Kontrolle, S. 379 (390). 201
R Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 278.
202
So hat Danckwerts, Verfassungsausschuß Niedersachsen, S. 273, anläßlich der Beratungen zur niedersächsischen Verfassung den Landtagsvertretern von einer zu weitgehenden Vergesetzlichung der Verwaltungsorganisation mit folgendem Hinweis abgeraten: "Wenn Ihnen eine Maßnahme nicht paßt, können Sie jederzeit durch ein Gesetz eingreifen.... Die Möglichkeiten des gesetzgeberischen Einschreitens haben sie also ohne weiteres. Einen Zwang zum gesetzgeberischen Verfahren festzulegen, halte ich für schädlich." 203
So ausdrücklich P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (957).
Β. Die Richtlinienkompetenz als Exklusivkompetenz
299
ßigen Flankierung bedürfen 204. Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang erhellt sich das Gesetzesinitiativrecht der Bundesregierung 205. Nicht zuletzt in diesem Zusammenwirken von Gubernative und Parlament verwirklicht sich schließlich jener Mechanismus, den Friesenhahn als "Staatsleitung zur gesamten Hand"206 bezeichnete. Rechtstechnisch besonders deutlich wird sie etwa durch das Institut der Zustimmungsverordnung 207 und durch das gubernative Vetorecht gegen Legislativakte208; aber auch in Art. 91a GG, der Aufteilung der Kompetenzen im Bereich des Organisatorischen 209, sowie im Fehlen von Bestimmungen, 204
H. Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 69 (86); Κ. A. Bettermann, Bemerkungen zum parlamentarischen Regierungssystem Hamburgs, S. 39 (43). Siehe auch W. Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, S. 405 (409): "'Regierung* im weitesten Sinne ist heute ohne Gesetzgebung unmöglich". 205 In der Zeit von 1949 - 1983 waren 2883 der insgesamt 3700 Gesetze auf die Gesetzgebungsinitiative der Bundesregierung zurückzuführen; so Η. H. Klein, Aufgaben des Bundestages, S. 341 (351), dort in FN 52. E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (37 f.). In der Sache nicht anders: W. Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, S. 405 ff., der aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz die Notwendigkeit eines gleichartigen und gleichgewichtigen Zusammenarbeitens zwischen erster und zweiter Gewalt ableitet. Kritisch: Th. Würtenberger, Probleme politischer Planung, S. 252 ff.; siehe zur verfassungsrechtlich angeblich anderen Situation in Baden-Württemberg: Katz, Politische Verwaltungsführung, S. 274 ff.
A.
207
Siehe dazu die besonders konstruktive Entscheidung des BayVGH, NormenkontrollUrteil v. 7. 7.1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 ff., sowie Art. 9 Abs. 2 BV, in dem ausdrücklich die Bildung der Regierungsbezirke durch Rechtsverordnung von der Zustimmung des Landtags abhängig gemacht wird: BayVerfGH, Entscheidung v. 10.12.1971 - Vf. 34VII-71 - , BayVBl. 1972, S. 43. Bemerkenswert ist die Entscheidung aber auch im Hinblick auf den Gesetzesbegriff wegen folgender Ausführungen: "Ist sonach davon auszugehen, daß die Organisationsakte der hier in Rede stehenden Art einen eigenen Grundtypus hoheitlichen Handelns bilden, der mit den im Staatsrecht der konstitutionellen Epoche des 19. Jahrhunderts entwickelten klassischen Kriterien für die Abgrenzung von Rechtsvorschriften und Verwaltungsakten nicht befriedigend erfaßt werden kann..." Näheres zur Verwendung der Zustimmungsverordnung im Bereich der Verwaltungsorganisation: unten, Sechstes Kapitel, D. 208
Siehe zu Art. 50 VerfHamburg Κ. A. Bettermann, Bemerkungen zum parlamentarischen Regierungssystem Hamburgs, S. 39 (43 f.); siehe ferner Art. 104,123 VerfBremen und Art.209119 VerfHessen. K. Braun, Kommentar zur Verfassung Baden-Württemberg, Art. 70, RdNr. 9 a. E., im Hinblick darauf, daß gemäß Art. 70 VtrfBaden-Württemberg nach Abs. 1 die grundlegenden Materien der Verwaltungsorganisation einem Gesetzesvorbehalt unterliegen, während nach Abs. 2 die Einrichtung im einzelnen wieder in die Zuständigkeit der Regierung fällt. Auch H. Kaja, Ministerialverfassung und Grundgesetz, S. 381 (390), sieht das Organisationsrecht als Bereich an, in dem das Zusammenspiel von Regierung und Parlament besonders deutlich hervortritt. Ebenfalls auf den Bereich der Verwaltungsorganisation als Beispiel für das Zusam-
300
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
mit denen - wie in Frankreich ζ. B. der Fall (Art. 34 ff. franzVerf.) - die Kompetenzen der Staatsorgane statisch fixiert werden. Unerwähnt bleiben sollen schließlich auch nicht Art. 113 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG, die die Wirksamkeit eines Gesetzes an die Zustimmung der Bundesregierung binden210. Die inzwischen legendäre, die mangelnde Koinzidenz von institutionellem und materiellem Regierungsbegriff 211 plastisch vor Augen führende Formulierung Friesenhahns von der gesamthänderischen Staatsleitung ist freilich insofern euphemistisch, als sie den Blick darauf verstellt, daß die gubernative Staatsleitungsbefugnis gleichsam auflösend bedingt 212 ist; zutreffend bemerkt Würtenberger. "Staatsleitung zur gesamten Hand bedeutet, geht man von der Gesamthand des Zivilrechts aus, daß zwei Staatsorgane nur einverständlich handeln können, ohne daß einem Staatsorgan die Letztentscheidung zukäme... Eine solche gesamthänderische Staatsleitung ist jedoch im System des Grundgesetzes nicht der Regelfall der Kooperation von Parlament und Regierung. Das Parlament nimmt vor allem bei der Gesetzgebung seine Befugnis zur Staatsleitung wahr und besitzt hier eine Letztentscheidungskomjœtenz, die dem Modell von der Staatsleitung zur gesamten Hand gerade nicht entspricht." 1 3
Dem Parlament steht daher die Befugnis zu, "den Gesetzesvollzug .... zu kontrollieren, abweichenden Gesetzesvollzug zu monieren, durch gesetzliche Klarstellungen zu korrigieren oder die Regierung zu stürzen"214. Deshalb können Parlament und Exekutive auch nur mit Vorbehalt als 'eine einheitliche menwirken von Parlament und Regierung verweist BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7. 1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (727). 210
Es handelt sich um eine (weitere) Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes; vgl. dazu BVerfG, Beschluß v. 12.11.1958, - 2 BvL 4, 26,40/56,1, 7/57 -, = BVerfGE 8, 274 (322). 211 So M. Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, S. 585 (589); siehe zur Unterscheidung zwischen Regierung im formellen und materiellen Sinne auch BayVGH, Normenkontroll-Urteil212 v. 7. 7.1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (725). E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (70), hat in dem Hineinwirken des Parlaments in die Regierungsfunktion geradezu ein Kennzeichen der parlamentarischen Demokratie gesehen. K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (176/177), wendet sich zutreffend gegen den Begriff einer "Einheit der gestaltenden Gewalten" (Exekutive und Legislative) mit dem Einwand, davon könne dann nicht gesprochen werden, wenn das Verfassungsgesetz den herkömmlichen Vorrang der Legislative gegenüber der Exekutive aufrecht erhalte. 213
Th. Würtenberger, Probleme politischer Planung, S. 255 (Hervorhebung vom Verfasser). 214 G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 227 (Hervorhebung vom Verfasser).
Β. Die Richtlinienkompetenz als Exklusivkompetenz
301
gestaltende Gewalt'215 bezeichnet werden. Verfehlt ist es auch, von Rechten der Regierung zu sprechen, auf die das Parlament nicht "verzichten" könne sie standen von vornherein unter dem Vorbehalt parlamentarischen Zugriffs Dieser Mechanismus des Zusammenwirkens von Parlament und Regierung verdeutlicht darüber hinaus, daß parlamentarische Kontrolle "weit mehr und anderes als bloße Reaktion auf das Verhalten der Regierung"217, anderes als nur nachträgliche Kritik am Verhalten der Regierung darstellt 218: Sie ist dirigierende Kontrolle. Der in der Literatur immer wieder betonte Gegensatz von Kontrolle und Leitung219 löst sich damit auf, zumindest aber wird er relativiert.
II. Die Aufgabenakzessorietät des exekutiven Weisungsrechts Nachdem sich die Variabilität der Regierungsaufgaben gezeigt hat, wird verständlich, warum auch das exekutive Weisungsrecht grundsätzlich nicht als "statisch", nicht als ein in jedem Fall der parlamentarischen Disposition entzogenes exekutives Instrument angesehen werden kann: Es ist aufgabenund funktionsakzessorisch; dies allerdings in einer strengen Form 220 . Die Akzessorietät zwischen Aufgabe und Organisation wurde erstmals im Zusammenhang mit der Untersuchung "negativer Sperrgesetze" deutlich221. Dort konnte resümiert werden, daß "keine Gewalt ... der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden..." darf 222 und vor allem der Regierung die Befugnisse erhalten bleiben müssen, "die erforderlich sind, damit sie selbständig und in eigener Ver-
215
P. Schneider, interpretiert von: K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (177); ähnlich Th. Würtenberger, Probleme politischer Planung, S. 251, dort in FN 52. 216 W. Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, S. 405 (409), spricht denn auch davon, daß der Exekutive nur eine "vorläufige Anwendungsgewalt" zustehe. 217
Η. H. Klein, Aufgaben des Bundestages, S. 341 (358).
218
Η. H. Klein, Aufgaben des Bundestages, S. 341 (359).
219
Vgl. P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 70 a. E. Siehe unten: III.
220 221
Siehe oben: Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B. III. 4. D. Hömig, Mitentscheidungsrechte des Bundestages, S. 858 (860) (Hervorhebung vom
222
Verfasser).
302
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
antwortung ... ihre 'Regierungs'-Funktion erfüllen kann"223. Auch das Bundesverfassungsgericht stellte fest, der Regierung müßten "in jedem Fall aber ... die Befugnisse erhalten bleiben, die erforderlich sind, damit sie selbständig und in eigener Verantwortung gegenüber Volk und Parlament ihre 'Regierungs'Funktion erfüllen" könne224.
Zu diesen Befugnissen zählt vor allem das Recht der Regierung, in den ihr (noch) zustehenden Aufgabenbereichen Weisungen zu erteilen. Die Weisung gehört damit zu dem durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2, 2. HS GG verfassungsrechtlich sanktionierten Handlungsinstrumentarium der Exekutive.
I I I . Die Komplementärfunktion als ZugrifTsschranke
Obgleich die Befugnis der Regierung, mittels eines (sachbereichsakzessorischen) "Weisungsgeflechts" staatsleitend zu agieren, grundsätzlich parlamentarischen Ingerenzen ausgesetzt ist - unmittelbar durch das gesetzliche Zugriffsrecht, mittelbar durch das Damoklesschwert des Mißtrauensvotums - führt dies nicht zu einem Ausgeliefertsein der Exekutive. Eine unüberwindbare Hürde bilden zunächst die der Regierung ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen225; Herzog spricht von Exekutivkompetenzen kraft Enumeration 226. Hinzu treten jene Befugnisse, die sich aus der 223 P. Badura, Die parlamentarische Verantwortlichkeit, S. 573 (574) (Hervorhebung vom Verfasser); C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (353): "Der Einflußbereich der Regierung darf nicht so beschnitten werden, daß sie ihre Leitungsfunktion nicht mehr erfüllen kann." 224 BVerfG, Urteil v. 27. 4. 1959 - 2 BvF 2/58, - = BVerfGE 9, 268 (281) (Hervorhebung vom Verfasser). 225
C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (352), m.w.N. in FN 306; U. Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 455 (484). 226
Siehe zu den Kompetenzen der Exekutive kraft Enumeration: R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 70/71. Sehr streng im Hinblick auf die Auslegung dieser Kompetenzen: E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (38), der Einwirkungen des Parlaments nur dort ausschließt, "wo eine Kompetenz absolut eindeutig durch spezielle Verfassungsvorschrift der Regierung zugewiesen ist"; kritisch gegen diese extreme Betrachtung: U. Scheuner, Parlament und Regierung (Diskussionsbeitrag), S. 124, mit dem Hinweis auf die nach Friesenhahns Konzeption bestehende Möglichkeit, die personelle Zusammensetzung eines Ministeriums zu bestimmen; W. Merk, Parlament und Regierung (Diskussionsbeitrag), S. 129, mit dem Hinweis auf Art. 20 GG, sowie Ingo v. Münch, Parlament und Regierung (Diskussionsbeitrag), S. 135. Sehr viel spricht dafür, die ausdrücklich der Exekutive zugewiesenen Kompetenzen extensiv auszulegen, bringen sie doch die Ansicht des Verfassunggebers zum Ausdruck, daß sie auf jeden Fall (als Mindestbestand) bei der Exekutive
Β. Die Richtlinienkompetenz als Exklusivkompetenz
303
Komplementärfunktion der Exekutive ergeben227. So ist es dem Parlament nicht nur untersagt, Richtliniengesetze zu erlassen228, sondern auch, durch gezielte gesetzliche Regelungen die gesamte exekutive Organisation einem präventiven Gesetzesvorbehalt zu unterstellen. Untersagt ist ihm aber auch, punktuell ein Organisationsverbot in einem Sachbereich auszusprechen, ohne damit (zugleich) eine Sachregelung zu verknüpfen 229. Dies gilt selbstverständlich allerdings nur dann, wenn nicht schon der Sachbereich einem Gesetzesvorbehalt unterliegt. Solche in der Praxis durchaus anzutreffenden bzw. angestrebten230 Regelungen liefen - obgleich sie der Form nach lediglich ein Organisationsverbot wären - auf die Schaffung eines sachkompetenziellen Vakuums hinaus, da Aufgabenerfüllung Organisation voraussetzt. Nur das Grundgesetz selbst kann aber - vor allem durch Gesetzesvorbehalte die Komplementärfunktion der Exekutive ausschalten. Nicht zuletzt aus dieser Komplementärfunktion folgt auch die grundsätzliche Unantastbarkeit jenes Bereichs, der das organisatorische Fundament der exekutiven Komplementärfunktion bildet: des Ministerialbereichs 231. Unzulässig wäre ebenfalls, der Exekutive ihre personelle Grundlage zu entziehen232. Die besondere, von Köttgen schon sehr früh betonte233 Bedeutung insbesondere des Beamtentums wird bereits daran deutlich, daß es in den meisten deutschen Verfassungen neben der Verwaltung ausdrücklich Erwähnung findet 234 und dem Gesamtstaat für das Beamtenrecht die Rahverbleiben müssen. Siehe zu den Kompetenzen der Legislative kraft Enumeration die Nachweise bei K. Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, S. 125 (156), dort in FN 97. 227 M. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, S. 499 (513). G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 225. Abgesehen davon dürfte es wohl kaum möglich sein, diese Richtlinien rechtssatzmäßig zu formulieren. 229 Vgl. zum entsprechenden Grundsatz auf der Bund-Länder-Ebene: Zweiter Teil, Drittes Kapitel, 230 Α. II. 1. Siehe dazu E. Schmidt-Aßmann, Die Verwaltungsorganisation, S. 333 (335). 231
Siehe oben: Zweiter Teil, Zweites Kapitel, B. III. 3. b).
232 ··
Ahnlich C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (353); R. Herzog, der grundsätzlich einen Vorbehaltsbereich der Regierung, auch im Bereich der Organisation, ablehnt (in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 106), nimmt davon jedoch die Personalhoheit aus (a.a.O., RdNr. 106). Er hebt jedoch hervor, daß es sich bei diesem "Vorbehaltsbereich" nicht um eine Sach-, sondern um eine Querschnittsaufgabe handele; vgl. auch R. Mußgnug, Der Haushaltsplan, S. 285. 233
234
A. Köttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (179 ff.).
Im Grundgesetz in Art. 33 Abs. 4, 5; in den Landesverfassungen beispielsweise in Art. 94 - 97 VerìBayern; Art. 108 VcdHessen; Art. 126 VcriRhPfalz; Art. 114 VerìSaarland.
Hinzu
304
5. Teil: 4. Kap.: Exekutive Eigenständigkeit und Disponibilität des Weisungsrechts
mengesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 75 Nr. 1 GG). Die Wirkeinheit Staat wird auf diese Weise auch in personeller Hinsicht arrondiert. Die Beachtung jener absolut gezogenen Grenzen beugt in Verbindung mit den rein praktischen Schranken235 parlamentarischen Agierens der Gefahr vor, die Regierung zum "Parlamentsausschuß", zum Transmissionsriemen zwischen Parlament und Verwaltung" zu degradieren 236. Zutreffend wird deshalb auch von Organisationsvorbehalten der Exekutive ausgegangen237.
IV. Ergebnis
Im Verlauf der Untersuchung hat sich damit das bereits an früherer Stelle festgestellte Zwischenergebnis238 bestätigt: Das parlamentarische Regierungssystem effektuiert 239 den Einfluß des Volkes auf die Staatsgewalt, indem es dem Parlament ermöglicht, über die parlamentarische Abhängigkeit den Willen der Regierung zu beeinflussen. Mit diesem neben dem Gesetzgebungsrecht stehenden Steuerungs- und Legitimationsstrang trägt die Verfassung dem Umstand Rechung, daß sich unter dem Grundgesetz der souveräne Wille des Volkes nicht ausschließlich "auf die Vorherrschaft des Gesetzes ... gründet 240. Dieser zweite, ausdrücklich verankerte, im Demokratieprinzip wurzelnde Mechanismus zur Effektuierung grundgesetzlicher Demokratie "wesentlich" im Sinne der WesentlichkeitstheorieDie Entscheidung über treten schließlich jene landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, denen das Ernennungsrecht ausdrücklich als dem exekutiven Aufgabenbereich zugehörig zu entnehmen ist. Siehe dazu die Nachweise bei BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 -, = BVerfGE 9,268 (283). 235 Siehe zu den als Vorbehalt wirkenden faktischen Phänomenen nochmals R Heizog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (V), RdNr. 109 ff. 236
So die Befürchtung P. Füssleins, Ministerialfreie Verwaltung, S. 311/312; vgl. dazu auch G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 225, m.w.N. in FN 37. 237 G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 228. 238 Siehe oben: Drittes Kapitel, Β. V. 239 240
E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (896).
So die spanische "Ubergangsverfassung" in Form des Gesetzes 1/1977 vom 4. Januar 1977 in Art. 1; veröffentlicht in: JöR 26 n. F. (1977), S. 312 f. (Hervorhebung vom Verfasser); vgl. dazu auch K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 185: "Es ist ein Unterschied, ob die Demokratie als die Vorherrschaft des Gesetzes gedeutet wird, was dann seinerseits erst als Ausdruck des souveränen Willens des Volkes gilt, oder ob die Staatsgewalt als solche unabhängig 241 von der Form ihrer Ausübung auf den Willen des Volkes zurückgeht." Teilweise wird das parlamentarische Regierungssystem selbst als Verfassungsprinzip eingestuft. So erklärte der BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7.7.1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -,
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
305
Organisationsmaßnahmen, die den Einfluß der Exekutivspitze auf die nachgeordnete Verwaltung verdünnen und damit zugleich die Grundlage für den Sanktionsmechanismus entziehen, obliegt daher dem Parlament. Bestätigung findet die Notwendigkeit eines gesetzlichen Plazets durch Art. 24 Abs. 1 GG. Er bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für die Kompetenz des Staates, innerhalb des deutschen Staatsgebietes durch die Exekutive einer internationalen Einrichtung, also durch eine "andere Exekutive", öffentliche Gewalt ausüben zu lassen242. Es handelt sich um eine Vorschrift, die den Weg in "die Durchbrechung der Ausschließlichkeit der Staatsgewalt" eröffnet 243. Sie ermöglicht dem Staat, auf die ausschließliche Ausübung von Hoheitsgewalt durch seine Hoheitsträger zu verzichten Durch das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage weist sie die Kompetenz eindeutig dem Parlament zu. Art. 24 Abs. 1 GG ist aber nicht nur deshalb bedeutsam, weil er die gezogenen kompetenziellen Folgerungen bestätigt. Er ist es auch, weil ihm Aussagen über die Zulässigkeit sog. ministerialfreier Räume entnommen werden können. Ministerialfreie Räume muten geradezu als Inkarnation institutionell bedingter und verfestigter Leitungsdefizite an245. Auf sie ist näher einzugehen.
Fünftes Kapitel
Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt Unter den Begriff der "ministerialfreien Räume" werden Aufgabenbereiche innerhalb der unmittelbaren 246 Staatsverwaltung subsumiert, die dem BayVBl. 1983, S. 723 (727), nachdem er sich mit dem parlamentarischen Regierungssystem auseinandergesetzt hatte, auch aus "anderen Verfassungsprinzipien" ergebe sich keine weitere Vergesetzlichungsnotwendigkeit. 242
243 244
Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 3.
Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 15.
245Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 5. W. Krebs, Verwaltungsorganisation, S. 567 (617). Zu den ähnlich gelagerten Problembereichen auch: G. F. Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 333. 246
Siehe bei J. Rump, Die Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden, S. 21 ff., die Zweifel, ob ministerialfreie Räume im Bereich selbständiger Bundesobeibehörden eingerichtet weiden dürfen. 20 Burmeister
306
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
ministeriellen Einzelweisungsrecht gezielt entzogen sind247. Oftmals handelt es sich dabei um Gremien, in denen hochqualifizierter technischer Sachverstand weisungsfrei an komplexen Verwaltungsentscheidungen mitwirkt 248 . Da sich diese Gremien personell größtenteils durch Einbeziehung externen Sachverstandes rekrutieren, kann auch bei ihnen die Gefahr einer Externalisierung249 materieller Verwaltungsentscheidungen nicht verkannt werden. Wenn in der einschlägigen Literatur die Erscheinungsformen mittelbarer Staatsverwaltung aus den Untersuchungen zum Problembereich "ministerialfreie Verwaltung" überwiegend ausgeklammert werden, so mag dies zunächst erstaunen. Eine nähere Betrachtung gibt jedoch über die Gründe Aufschluß. Zum einen herrscht im Bereich mittelbarer Staatsverwaltung ein solches Maß an Uneinigkeit zu der Frage, ob die - die Ministerialfreiheit nach überwiegender Meinung charakterisierende - Einzelweisungsfreiheit vorliegen muß oder nicht; hier wirkt sich das Fehlen einer Rechtsdogmatik der Verwaltungsorganisation (wieder) aus. Zum anderen wird das Problem der ministerialfreien Räume nicht in der Frage erblickt, wer über ihre Einrichtung zu entscheiden hat, sondern ob sie überhaupt zulässig sind. Die kompetenzielle Frage wird - wie schon in anderem Zusammenhang festgestellt250 - demgegenüber weitgehend als unproblematisch angesehen. Auch wenn es sich bei der Frage nach der Zulässigkeit ministerialfreier Räume um ein der kompetenziellen Frage vorgelagertes Problem handelt, kann es dennoch nicht übergangen werden 251. Es wäre nichts anderes als juristisches Γ art pour Γ art, wollte man kompetenzielle Folgerungen für eine Organisationsmaßnahme treffen, deren Zulässigkeit in einem solchen Maße angezweifelt wird 252 wie dies bei ministerialfreien Räumen der Fall ist 253 .
247
Siehe zu den weisungsfreien Räumen in der Verwaltung die Nachweise und Ubersichten bei E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 73 - 102, sowie bei C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (307 ff.); P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 138 ff; J. Oebbecke, Weisungsund unterrichtungsfreie Räume, S. 169 ff. 54Ä U. Di Fabio, Verwaltungsentscheidung, S. 193 ff. JAQ
U. Di Fabio, Verwaltungsentscheidung, S. 193 (216). Siehe oben: Drittes Kapitel, Β. VI. Siehe auch die einführenden Überlegungen oben: Erster Teil, Erstes Kapitel.
251
252
Keine Bedenken hingegen bei E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (72).
D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 125, dort in FN 84.
Α. Die Verzichtskompetenz des Parlaments
307
A. Die Verzichtskompetenz des Parlaments Gegen Versuche, aus der dem Parlament aufgrund des Vorrangs des Gesetzes zukommenden innenpolitischen Schlüsselrolle das Recht abzuleiten, auch über die "Durchbrechung der Leitungsbefugnis" zu entscheiden, hat sich in jüngster Zeit vor allem Oebbecke gewendet. Er sieht das Parlament zwar als berechtigt an, anstelle der Regierung zu entscheiden, nicht aber, die "Entscheidungszuständigkeiten der Regierung auf dritte Stellen zu übertragen"; eine entsprechende Ermächtigung bestehe allein in Art. 80 Abs. 1 GG und dort auch nur für einen beschränkten Adressatenkreis 254. Ein ähnlicher Einwand findet sich bei Di Fabio. Er zählt die Gewaltenteilung zu den unverzichtbaren Strukturprinzipien des Grundgesetzes; sie erlaube nicht, "Staatsgewalt außerhalb der drei Funktionen unkontrolliert zu belassen"255. Hinter allen Vorbehalten verbirgt sich die Annahme, bei ministerialfreien Einrichtungen liege keine Ausübung von Staatsgewalt "durch" Organe i.S.d. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG mehr vor 256 . Vor allem die Ausführungen Oebbeckes richten sich gegen die bereits dargestellte Ansicht Kleins , dem Parlament stehe das Recht zu, auf seine Kompetenzen zu verzichten. Klein hält ministerialfreie Räume gleichwohl nicht für schrankenlos zulässig. Er setzt ein Feld kooperativen Zusammenwirkens zwischen Parlament und Regierung voraus, innerhalb dessen sich ein gemeinsamer Kernbereich 257 der Erfüllung durch weisungsfreie Institutionen entziehe. Konkret handele es sich dabei um den Bereich des "Hochpolitischen"258. In dieser Einschätzung sieht er sich durch die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, Regierungsaufgaben von "politischer Tragweite" dürften nicht auf weisungsunabhängige Stellen übertragen werden259. Bezweifelt werden muß indes, ob sich Klein zu Recht auf das BundesVerfassungsgericht beruft. Bedenken daran sind deshalb angezeigt, weil das 254
J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 65 (Hervorhebung vom Verfasser). 255 U. Di Fabio, Verwaltungsentscheidung, S. 193 (219). 256
E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (894); vgl. auch G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 205: "Der normative Gehalt des Artikels 20 Abs. 2 Satz 2 GG liegt darin, daß niemand sonst als die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Staatsgewalt ausüben darf." 257 258
259
So die Bezeichnung von E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 211.
E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 213. E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 214.
308
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
Bundesverfassungsgericht den Begriff der "politischen Tragweite" im Zusammenhang mit den Regierungsaufgaben verwendete, um sie als "zugriffsfest" abzusichern260. Beachtet man, daß es um die Frage der Personalhoheit, somit um jenes Instrumentarium ging, das der Exekutive von vornherein exklusiv zur Wahrnehmimg ihrer Komplementärfunktion erhalten bleiben muß, wird deutlich, daß die Entscheidung den eigentlich problematischen Bereich ministerialfreier Verwaltung nicht betraf 261. Daraus erhellt sich auch, warum das Bundesverfassungsgericht ministerialfreie Räume nicht generell für unzulässig erklärte. Zu den Aufgaben, die Parlament und Regierung gemeinsam obliegen, zählt Klein die Bewahrung des Rechts; dies ergebe sich schon aus dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip. Infolgedessen seien ministerialfreie Räume nur insoweit zulässig, "als der Exekutivspitze eine Rechtsaufsicht oder zumindest das Recht (zustünde), gegen Entscheidungen weisungsfreier Stellen Klage zu erheben"262. Darüber hinaus müsse die Wahrnehmung von Aufgaben durch weisungsfreie Einrichtungen nicht nur Ausnahme bleiben; in Analogie zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG habe sich aus dem Gesetz auch der Zweck der Einrichtung und "die einzelnen Möglichkeiten ihres Agierens" zu ergeben263. In dieselbe Richtung tendiert Herzog. Er leitet ebenfalls aus dem Rechtsgedanken des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ab, daß sich der Bundestag in keinem Fall "von der Verantwortlichkeit für wirklich wesentliche Teilfragen der Exekutive freizeichnen" könne und sich regierungsfreie Räume "immer nur auf eng und klar begrenzte Teile der Exekutive beziehen" dürften 264.
260
So heißt es im LS 2. b) des BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 -, = BVerfGE 9, 268: "Zu den Regierungsaufgaben, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf von Regierung und Parlament unabhängige Stellen übertragen werden dürfen, gehört die Entscheidung über die personellen Angelegenheiten der Beamten." 261
Vgl. auch oben: Viertes Kapitel, B. III., sowie im Ergebnis auch J. Oebbecke, Weisungsund unterrichtungsfreie Räume, S. 61, allerdings mit dem Hinweis darauf, daß es um den durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gewährten Spielraum ging. 262
E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 214; so auch D. Haas, Ausschüsse in der Verwaltung, S. 14 (22). 263 264
E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 208/209.
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 104; hervorzuheben bleibt, daß nach Herzog der Rechtsgedanke des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG in der Wesentlichkeitstheorie Niederschlag gefunden hat.
Β. Kritik und Würdigung der Verzichtstheorie
309
B. Kritik an der Verzichtstheorie Es kann nicht erstaunen, daß das "Hochpolitische" als Kriterium zur Bestimmung jener Bereiche, die der ministeriellen Führung entzogen sein sollen, nicht ohne Kritik geblieben ist 265 . Die Kritik entzündet sich jedoch nicht primär am vagen Begriff des "Hochpolitischen" oder an der Frage, ob der Bereich einzelfallbezogen oder abstrakt zu bestimmen ist 266 . Sie setzt grundsätzlicher an.
I. Unmöglichkeit eines Verzichts mangels Rechtsinhaberschaft oder Verfügungsbefugnis
Zum einem richtet sich die Kritik gegen die Vorstellung, "daß die verfassungsrechtliche Zuweisung der Leitungsbefugnis an die Regierung unter einem Gesetzesvorbehalt" stehe267. Nachdrücklich wird die dem zugrunde liegende Prämisse bestritten, das Parlament sei überhaupt Inhaber des Rechts, auf das es verzichte. Andere Stimmen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum bestreiten zwar nicht die Rechtsinhaberschaft des Parlaments, sehen diese Rechtsinhaberschaft aber als gewissermaßen "treuhänderische" Innehabung zu Gunsten des Volkes an, so daß aus diesem Grund ein Verzicht ausscheiden soll. Die Kontrollfunktion, so ist zu vernehmen, sei dem Bundestag nicht um seiner selbst willen eingeräumt worden, sondern bilde einen Bestandteil des grundgesetzlichen, auf ausgewogene Sicherung der demokratischen Staatsleitung ausgerichteten Machtverteilungsschemas268.
265
Siehe dazu die Nachweise bei J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 62/63. 266
So die Argumentation M. Rollers, Weisungsfreie Ausschüsse in der Verwaltung, S. 138.
267
J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 63; auf S. 241 in These 27 stellt er noch einmal fest, es werde "nicht begründet, sondern vorausgesetzt, daß überhaupt gesetzliche Abweichungen von der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung getroffen werden dürfen." 268
C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (329); vgl. ferner die Nachweise bei H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger, S. 407, dort in FN 340.
310
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
I L Das Kernproblem: Die Substituierung der exekutiven Vollzugsfunktion
In Anbetracht der bisherigen Untersuchungsergebnisse kann der Einwand, die Leitungsbefugnis der Exekutive stünde unter keinem "Gesetzesvorbehalt", jedoch nicht überzeugen: Die dem Bundeskanzler nach Art. 65 Satz 1 GG zugewiesene politische Leitungskompetenz ist eben nicht "garantiert" 269 . Das Problem ministerialfreier Räume ist kein Problem der Staatsleitung im klassischen Sinne. Daß dem Parlament die Befugnis zusteht, Bereiche zu regeln, die bislang die Gubernative durch ein Weisungsgeflecht geordnet hatte, dürfte deutlich geworden sein270. Problematisch ist vielmehr, ob es auch die Kompetenz besitzt, die Vollzugskompetenz der Exekutive durch Einschaltung nicht weisungsgebundener Einrichtungen gleichsam zu substituieren; anders ausgedrückt: ob es den Vollzugsmechanismus umgestalten darf. Wäre das nicht der Fall, bildete "Weisungsbindung ein Strukturprinzip" 271, Hierarchie ein Bauprinzip der Exekutive272, das parlamentarische Regierungssystem die Garantie für eine hierarchisch-bürokratische Ministerialverwaltung 273. Weisungsfreien Einrichtungen fehlte es an staatlicher Substanz - sie wären in der Tat "Dritte", die "außerhalb" der Staatsfunktionen stünden. Treffend hat Klein - allerdings auf die Untersuchung Füssleins bezogen - das Problem ministerialfreier Räume beschrieben, als er feststellte, ministerialfreie Einrichtungen griffen "in das Verhältnis der Exekutivspitze zur Verwaltung ein, und den Weg ins eigentliche Problemfeld verbaue sich, wer "für die Beurteilung der Zulässigkeit ministerialfreier Räume allein die Staatsleitungsbefugnis der Regierung für ausschlaggebend" halte274.
I I I . Art. 24 Abs. 1 GG
Die Annahme, die Einrichtung ministerialfreier Räume sei verfassungswidrig oder anders ausgedrückt: für deren Einrichtung bedürfe es eines ver-
269
So aber J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 63.
270
Siehe oben: Viertes Kapitel, Β. I.
271
272
γη
C. P. Fichtmüller, Ministerialfreier Raum, S. 297 (319). W. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung, S. 521 (523). G. F. Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 352. E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 210 (Hervorhebung vom Verfasser).
274
Β. Kritik und Würdigung der Verzichtstheorie
311
fassungsändernden Gesetzes, führt zu Art. 24 Abs. 1 GG zurück 275. Die durch Art. 24 Abs. 1 GG eröffnete Möglichkeit, hoheitliche Gewalt durch internationale Einrichtungen unmittelbar im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ausüben zu lassen276 und auf die Ausübung durch eigene Organe zu verzichten™, negiert die Vollzugsjunktion der Exekutive. Das Grundgesetz gibt damit zu erkennen, daß es die Vollzugsfunktion der Exekutive nicht für zugriffsfest hält. Gestattet es aber dem Staat, sich in einer Weise zu mediatisieren, die seine Grundfesten berührt - symptomatisch dafür die rabulistische Unterscheidung in Verzicht auf Ausübung und Verzicht auf Hoheitsgewalt selbst278 -, so können auch innerstaatliche Mediatisierungen nicht unzulässig sein: Sie sind weitaus weniger intensiv und leichter korrigierbar. Kruger hat denn auch festgestellt, während es - wie Art. 24 GG belege - für eine staatliche Mediatisierung im "Außenverhältnis" einer ausdrücklichen Verfassungsermächtigung bedürfe, gelte dies im "Innenverhältnis" nicht. Wäre das Grundgesetz nicht von dieser "Kreationsfreiheit" im Innenverhältnis ausgegangen, so hätte es Bestimmungen wie Art. 87 und Art. 88 gar nicht bedurft 279. Art. 24 Abs. 1 GG ist aber nicht nur deshalb bedeutsam, weil er im Rahmen eines argumentum a fortiori die Errichtung weisungsfreier Einrichtungen rechtfertigt; er ist es auch, weil er dafür ledigliche eine ew/öcÄgesetzliche Grundlage fordert 280. Das Grundgesetz weist damit eine bemerkenswer275
Siehe oben: Viertes Kapitel, Β. IV.
276
Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 3.
277 278
Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 5.
Es ist kein Zufall, wenn im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 GG ein Verzicht auf die Ausschließlichkeitter Ausübung und nicht ein Verzicht auf die Hoheitsgewalt selbst angenommen wird; jede andere Auslegung berührte (wie sich insbesondere an Art. 28 Abs. 3 der griechischen Verf. zeigt) die Frage, ob nicht ein unzulässiger Souveränitätsverzicht vorläge (vgl. dazu: Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 4/5). Insgesamt scheint in der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 GG ein juristischer Kunstgriff vorzuliegen, der an die Methoden des konstitutionellen Staatsrechts erinnert, die Souveränitätsproblematik zu entschärfen. Wie dort, so scheint es sich aber auch hier nur um eine Frage der Zeit zu handeln, bis im Rahmen europäischer Entwicklungen die Probleme im Zusammenhang mit Art. 24 Abs. 1 GG eskalieren. Siehe dazu Th. Schilling, Art. 24 GG und die Einheit der Rechtsordnung, S. 161 ff., sowie oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, D. Zur verfassungsrechtlichen Situation in Frankreich und England: J. Schwarze, Eine Verfassung für Europa, S. 15 (28 ff.). 279 H. Krüger, Besonderes Gewaltverhältnis, S. 109 (119), dort auch in FN 35. 280
Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24, RdNr. 14 und 16.
312
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
te Konsequenz auf, die der Auffassung, das Parlament könne nicht auf "seine" Rechte verzichten, weil sie ihm nicht um seiner selbst Willen eingeräumt seien, entgegensteht. Im Verlaufe der Untersuchung zeigte sich bereits, daß grundsätzlich das Parlament den verfassungsrechtlich eingebundenen Souverän repräsentiert 281 und die Verfassung damit eine fiktive Einheit 282 zwischen Parlament und Volk konstituiert. Bildet das Volk aber keinen außerhalb des Rechtskreises des Parlaments liegenden, die Einengung parlamentarischer Zuständigkeit herbeiführenden Bezugspunkt283, so können die Rechte des Parlaments in verfassungsrechtlicher Hinsicht auch nicht "fremd...
« 284
nutzig sem .
IV· Relativierungen des mittelbaren Steuerungsstrangs
Aber nicht nur Art. 24 Abs. 1 GG spricht dagegen, einen die Gesetzesausführung flankierenden ministeriellen Weisungsstrang durchgehend als verfassungsrechtlich zwingend anzunehmen; auch sonstige verfassungsrechtliche Wertungen relativieren die Bedeutung dieses Instrument.
1. Das parlamentarische Regierungssystem auf Länderebene (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG)
Die bereits skizzierte, 1idealtypische" Verknüpfung* 5 zwischen (Parlaments-)Auftrag 286 und (Regierungs-)Vollzug, zwischen Global- und Feinsteuerung287, ist regelmäßig nur auf Länderebene anzutreffen 288; auf Bundes-
281
Siehe oben: Erster Teil, Drittes Kapitel, C. Vgl. zum Repräsentationsgedanken: E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 192 ff. 282
283 284
285
E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 199. So ausdrücklich E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 199. E. Klein, Ministerialfreier Raum, S. 199.
Siehe zur Ausgestaltung des parlamentarischen Regierungssystems auf Länderebene: P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, S. 953 (962). 286
Hier besonders deutlich Art. 75 Abs. 1 des Entwurfs der thüringischen Verfassung (v. 30.8.1990). ig? Siehe oben: Drittes Kapitel, Β. IV. 288 '
Wobei freilich nicht übersehen wird, daß dies nicht für den Bereich der Bundesauftragsverwaltung gilt.
Β. Kritik und Würdigung der Verzichtstheorie
313
ebene besteht sie nur, wenn der Gesamtstaat sowohl Inhaber der Gesetzgebungs- als auch der Verwaltungskompetenz ist. Auf Länderebene ist sie jedoch nicht Ausdruck gesamtstaatlicher Vorgabe, sondern das Resultat einer Entscheidung des Landesverfassunggebers 289. Den Grund dafür bildet Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Nach überwiegender Auffassung schließt er die Verankerung eines vom Grundgesetz abweichenden Regierungssystems nicht aus290. Als verfassungsrechtlich unbedenklich wird daher angesehen, wenn eine Landesverfassung das parlamentarische Vertrauen für einen festen Zeitraum unwiderruflich fingiert 291, ein Mißtrauensvotum ausschließt292 oder das Amt des Ministerpräsidenten nicht mit dem Zusammentritt des neuen Landesparlaments enden läßt293. Erachtet Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG aber auf Länderebene eine verfassungsrechtliche Sanktion im Falle eines gestörten Verhältnisses zwischen Gu-
289
M. Dauster, Die Ministeranklage, S. 123 (125/126). Siehe zu den unterschiedlichen Ausprägungen des parlamentarischen Regierungssystems in den Ländern: M. Friedrich, Das parlamentarische Regierungssystem, S. 197 ff., sowie zur Frage, ob das parlamentarische Regierungssystem auch von Art. 79 Abs. 3 GG erfaßt wird: E. Menzel, Das parlamentarische System, S. 765 (767/768). 290
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 (II), RdNr. 96, der jedoch darauf hinweist, daß im Gegensatz dazu die "Allmacht des Gesetzgebers" nicht beseitigt werden dürfe; E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (51); BVerfG, Urteil v. 27. 4.1959 - 2 BvF 2/58 -, = BVerfGE 9,268 (281). 291 Th. Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 28, RdNr. 32; ders., Verfassungshomogenität, S. 443 (447); M. Herdegen, Strukturen und Institute, S. 479 (491); W. Roters in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 28, RdNr. 17. En passant dürfen jedoch Zweifel daran angemeldet werden, ob dem Art. 44 BV, auf den als Beispiel für eine solche Regelung hingewiesen wird, diese Aussage tatsächlich entnommen werden kann. Art. 44 Abs. 3 Satz 1 BV fordert ausdrücklich den Ministerpräsidenten auf, zurückzutreten, wenn "die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen."; kritisch in diesem Sinne ebenfalls E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (56). Auch der BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7. 1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (725/726), geht davon aus, daß sich die Bayerische Verfassung zum parlamentarischen Regierungssystem bekennt. W. Roters in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar (1. Auflage), Art. 28, RdNr. 17, hegt Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Definition in § 92 Abs. 2 Ziffer 4 StGB. 292 Siehe zum "bayerischen Präsidialprinzip": W. Zeidler, Auswirkungen der westdeutschen Landesverfassungen, S. 85. 293 BVerfG, Urteil v. 22. 7. 1969, - 2 BvK 1/67 -, = BVerfGE 27 44 (56). Siehe dazu M. Herdegen, Strukturen und Institute, S. 479 (493), sowie E. Menzel, Das parlamentarische System in den deutschen Ländern, S. 765 ff.; zur nunmehr neuen Rechtslage in Schleswig-Holstein: S. Röhn, Verfassungsreform, S. 2782 (2785).
314
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvorbehalt
bernative und Parlament nicht ßr geboten, darf daraus die Inkaufnahme von Steuerungsdivergenzen (auf Landesebene) und dies heißt nichts anderes als: der Verzicht auf das exekutive Weisungsrecht als zweite Komponente zur Herbeiführung sachlich-inhaltlich demokratischer Legitimation gefolgert werden. Konsequent nimmt Köstlin denn auch an, der institutionelle Gesetzesvorbehalt ergebe sich auf Länderebene nicht aus Art. 28 GG, sondern "erst aus der Tatsache, daß alle Landesverfassungen ein dem Grundgesetz vergleichbares System der Gewaltenteilung mit parlamentarischer Kontrolle auch auf der Landesebene eingeführt"
hätten294. Dabei spricht einiges dafür, daß der Grundgesetzgeber ein parlamentarisches Regierungssystem auf Länderebene deshalb nicht für zwingend erachtete, weil "die Gliedstaaten eines Bundesstaates doch im wesentlichen nur Verwaltungskörperschaften sind"295. Als Indiz für eine im Vergleich zu den Landesparlamenten gesteigerte Verantwortlichkeit des gesamtstaatlichen Parlaments muß ferner das Fehlen eines parlamentarischen Selbstauflösungsrechts gewertet werden.
2. Steuerungsdivergenzen auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene
Aber auch auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene finden sich Wertungen, die für die Inkaufnahme von erhöhten Steuerungsdivergenzen sprechen. Dies gilt trotz der hier vorhandenen verfassungsrechtlichen Absicherung des parlamentarischen Regierungssystems. Sie rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß punktuelle Durchbrechungen der ministeriellen Weisungskette zulässig sind und die Entscheidung darüber dem Parlament obliegt.
a) Die Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder (Art. 83 GG) Dabei mag dahingestellt bleiben, ob die "billigende Inkaufnahme" von Steuerungsdivergenzen bereits darin gesehen werden kann, daß die überwiegende Anzahl von Bundesgesetzen nicht durch die Bundes-, sondern durch
ΟΟΛ 295 Th.
Köstlin, Die Kulturhoheit des Bundes, S. 211, dort in FN 17. E. Friesenhahn, Parlament und Regierung, S. 9 (50).
Β. Kritik und Würdigung der Verzichtstheorie
315
die Landesexekutive vollzogen wird 296 . Die dem Bund gegenüber den Ländern zur Minimierung dieses Divergenzrisikos zur Verfügung gestellten Instrumentarien wie Verwaltungsvorschriften 297, Aufsichts- 298 und Weisungsrechte 299 scheinen jedenfalls mehr gegen als für die "billigende Inkaufnahme" von Steuerungsdefiziten zu sprechen300. Freilich wird man nicht außer acht lassen dürfen, daß der Korrekturmechanismus durch die Pflicht der Bundesregierung, sich regelmäßig nicht unmittelbar an die (Landes-)Vollzugsbehörden, sondern nur an die Spitze der Landesexekutive wenden zu dürfen, eine nicht unerhebliche Schwerfälligkeit erhält.
b) Die Bedeutung des Ressortprinzips
(Art. 65 Satz 2 GG)
Aber auch im Zusammenhang mit dem Ressortprinzip wurde deutlich, daß die Leitungsgewalt des Bundeskanzlers durch das Ressortprinzip eine gezielte Verdünnung erfährt: Der Bundeskanzler besitzt lediglich die Kompetenz, Richtlinien zu erlassen. Dies schließt Einzelweisungen an die Minister regelmäßig aus301; vor allem dann, wenn die Minister als gesetzesvollziehende (Vollzugsorgane), nicht aber als Organe tätig werden, die den politischen Gestaltungsauftrag des Bundeskanzlers konkretisierend transformieren (Regierungsorgane 302). Ungeachtet der Frage, ob die Richtlinienkompetenz die Kompetenz des Kanzlers einschließt, an den Minister auch konkrete Einzelweisungen zu richten 303, steht jedenfalls fest, daß allein der Minister als 296
P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 3. Dahingestellt bleiben mag auch, ob nicht aus der Kumulation von gesamtstaatlicher Verwaltungs- und Gesetzgebungskompetenz ein weiteres Mediatisierungsverbot abgeleitet werden muß; siehe dazu oben: Vierter Teil, Zweites Kapitel, B. 307 So ζ. B. Art. 84 Abs. 2 GG (mit Zustimmung des Bundesrats); Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG (mitOQfiZustimmung des Bundesrats). So ζ. B. Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG (Rechtsaufsicht); Art. 85 Abs. 4 GG (Fachaufsicht). 299
So ζ. B. Art. 84 Abs. 5 (Einzelweisungsrecht aufgrund gesetzlicher, der Zustimmung des Bundesrats bedürftiger Grundlage); Art. 85 Abs. 3 GG (direktes Weisungsrecht). 300 301
So D. Haas, Ausschüsse in der Verwaltung, S. 14 (23).
E. Menzel, Richtlinienkompetenz, S. 877 (888), stellt jedoch fest, die Richtlinienkompetenz302habe "in der modernen Auslegung ihren leitsatzmäßigen Charakter verloren." So die Gegenüberstellung bei T. Brandner, Grenzen des ministeriellen Weisungsrechts, S. 966 (968). 303 Von unterschiedlichen Ansatzpunkten aus ist der Versuch unternommen worden, dem Begriff der Richtlinie Konturen zu verleihen. Teilweise wird angenommen, der Begriff der
5. Teil: 5. Kap.: Ministerialfreie Räume und Gesetzesvoibehalt
316
oberster Vorgesetzter der Beamten an der Spitze der Weisungspyramide st und kein Beamter eines Fachressorts vom Bundeskanzler unmittelbar Weisungen empfangen kann 30*. Zwar ist der Minister im Innenverhältnis an die Richtlinien gebunden305; eine gleichwohl unter Verstoß gegen die Richtlinie auf Weisung des Ministers von einem Beamten außenwirksam vorgenommene Handlung entfaltet indes Rechtswirkungen. Die Gefahr von Steuerungsdivergenzen ist evident.
c) Die unmittelbare Befehlsgewalt des Bundeskanzlers im Verteidigungsfall (Art. II5b GG) Daß das Grundgesetz/wr den 'Verfassungsalltag" grundsätzlich Steuerungsdivergenzen im Rahmen des Ressortprinzips toleriert, zeigt sich auch besonders deutlich an dem Fall, in dem es sie ausdrücklich und verfassungsunmittelbar ausschließt. Es versteht sich von selbst, daß bei existenzieller Gefährdung des Staatswesens die durch das Ressortprinzip bedingten Steuerungsdivergenzen geradezu als "Luxus" anmuten müssen. Im Hinblick darauf sieht Art. 115b GG für den Verteidigungsfall den verfassungsunmittelbaren Übergang der Befehls- und Kommandogewalt des Bundesverteidigungsministers (Art. 65a GG) auf den Bundeskanzler vor. Die bisherige Beschränkung des
Richtlinie schließe zwar Einzel-, nicht aber Rahmenweisungen (so auch Mangoldt-Klein, Grundgesetzkommentar, Art. 65, S. 1225; weitere Nachweise bei R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 7, dort in FN 5.) aus. Ferner wird die Ansicht vertreten, auch Einzelweisungen seien von der Richtlinienkompetenz gedeckt, da Einzelfallentscheidungen für das politische Schicksal des Bundeskanzlers, der die Folgen einer ministeriellen Fehlentscheidung als erster zu tragen habe, von größerer Bedeutung sein könnten als Akte, die herkömmlich im Normsetzungswege ergingen. Es könne nicht der Wille des Grundgesetzes sein, den Bundeskanzler zu zwingen, einen Minister zu entlassen, noch bevor dieser eine politische Fehlentscheidung treffe. Darüber hinaus stelle eine Weisung im Rahmen der Richtlinienkompetenz einen weniger schweren Eingriff in die ministerielle Eigenständigkeit als die Entlassung nach Art. 64 GG dar ( R Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 6 - 8.). Besonders prononciert: E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 207: mNur in besonderen Fällen, wenn das Prinzipielle seinen Sitz in der konk ten Sachfrage selbst hat, sich darin kristallisiert, können Richtlinienkompetenz und einzel entscheidung zusammenfallen. " 304
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 59.
305
R. Herzog in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65, RdNr. 18.
Α. Das Delegationsverbot
317
Bundeskanzlers auf die Richtlinienkompetenz wird in diesem Fall zugunsten eines nunmehr direkten Vorgesetztenverhältnisses zur Truppe ersetzt 306.
Sechstes Kapitel
Die institutionelle Regelungsdichte Im Verlauf der Untersuchung hat sich herausgestellt, daß Organisationsakte, die den Einfluß der Exekutivspitze auf nachgeordnete Verwaltungseinheiten verdünnen (mittelbare Staatsverwaltung) oder ausschalten (ministerialfreier Raum), die Grundsätze des parlamentarischen Regierungssystems berühren und deshalb einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Im Vordergrund stand bislang die Überlegung, wer über die Vornahme solcher Organisationsmaßnahmen zu befinden hat; offen blieb jedoch, in welchem Ausmaß hierfür gesetzliche Regelungen zu treffen sind - offen blieb die gesetzliche Regelungsdichte307. Sie ist aber, insbesondere für die Zulässigkeit ministerialfreier Räume, von großer Bedeutung.
A. Das Delegationsverbot Die Fragestellung bedarf jedoch zunächst einer Eingrenzung: Nachdem nicht nur vom Parlament erlassenen (förmlichen) Gesetzen, sondern auch von der Exekutive erlassenen Rechtsverordnungen und Satzungen Rechtssatzqualität zukommt, läge es nahe, eine Differenzierung danach vorzunehmen, welches verfassungsrechtlich gebotene Minimum an Regelungsdichte das formelle Gesetz und welche Regelungsdichte die exekutiven Rechtssätze aufweisen müssen. Angesprochen wäre damit die zweite Funktion der Wesentlichkeitstheorie308: Die Wesentlichkeitstheorie als Delegationsgrenze. Wenn diesem Aspekt der Wesentlichkeitstheorie jedoch bereits in Mono306
K. Hernekamp in: Ingo v. Münch, Grundgesetzkommentar, Art. 115b, RdNr. 8. Verfehlt ist es daher, in Art. 115b GG eine Bestimmung zu sehen, die den Bundesverteidigungsminister den Richtlinienweisungen des Kanzlers entzieht; zu dieser Auslegung (des früheren Art. 65a307 GG) siehe E. Menzel, Richtlinienkompetenz, S. 876 (886). Der Begriff der Regelungsdichte findet sich in BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7. 1983 30ft- Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (726), wieder. Siehe oben: Erster Teil, Erstes Kapitel, D. II. 2.
318
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
graphien Aufmerksamkeit geschenkt wurde und selbst dort die Feststellung anzutreffen ist, für die Abgrenzung zwischen Parlaments- und Gesetzesvorbehalt bedürfe es "im jeweiligen Regelungsfall eine(r) Abwägung zwischen allen in Betracht kommenden Kriterien"^,
so berechtigt dies, in der vorliegenden Untersuchung, die sich nicht mit bestimmten Trägern mittelbarer Staatsverwaltung auseinandersetzt, den Problembereich HDelegationsgrenzeH auszuklammern und sich statt dessen jenen Elementen zu widmen, die die Regelungsdichte des Rechtssatzes allgemein determinieren. Für die Ausklammerung der Delegationsproblematik spricht nicht zuletzt der Umstand, daß die weitaus herrschende Meinung, soweit sie überhaupt einen institutionellen Gesetzesvorbehalt bejaht, nicht einmal für den Fall einer Delegation den Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG für einschlägig erachtet. So beschränkt sich Böckenförde beispielsweise auf die Feststellung, die "Eigenart" institutioneller Gesetzesvorbehalte sei darin zu erblicken, daß sie nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art. 80 GG zu entsprechen brauchten 310 . Auch die Verweisung auf Köttgen, der dies - so Böckenförde - "wohl" ebenso sehe311, führt zu keiner Begründung. Zwar setzt Köttgen voraus, daß der institutionelle Gesetzesvorbehalt keinem "Konkretisierungsverbot" unterliegt; seine "Ableitung" erschöpft sich jedoch in der Gegenüberstellung von institutionellem und rechtsstaatlich-motiviertem Gesetzesvorbehalt312.
309
J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 390. E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 101. Die fehlende Begründung wird an der Verweisungspraxis deutlich: So verweist E. Schwan, Zuständigkeiten, S. 47, dort in FN 4, in seiner Publikation aus dem Jahre 1971 auf H. J. Baedeker, E.-W. Böckenförde und A. Köttgen; H. J. Baedeker, Die Organisationsgewalt, S. 162, dort in FN 4, im Jahre 1969 nur noch auf E.-W. Böckenförde und A. Köttgen; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 101, dort in FN 48, im Jahre 1964 schließlich nur auf Köttgen, dessen Aussage von 1957 datiert. 310
311
E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 101, dort in FN 48.
312
Α. Köttgen, Die Organisationsgewalt, S. 154 (175/176).
Β. Determinanten der Regelungsdichte
319
Β. Abstrakte Bestimmung der die Regelungsdichte determinierenden Faktoren
I. Der korrelative Zusammenhang zwischen Gesetz und Weisung
Nachdem das (Parlaments-)Gesetz als Folge des Weisungsfortfalls bzw. der Weisungsverdünnung erkannt wurde, steht seine kompensatorische Funktion fest. Anders formuliert: Die Regelungsdichte eines Errichtungsgesetzes korreliert mit der Intensität exekutiver Ingerenzeinbußen. So ist denn auch bei Lerche zu lesen, daß "das Zusammenspiel zwischen der Intensität der Durchformung der jeweiligen Materie durch das Gesetz und dem dadurch bedingten Kontrollausmaß der Exekutive beachtet"313 werden müsse und nicht allein das Ausmaß der Weisungsgebundenheit zum Kriterium der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ministerialfreier Räume gemacht werden dürfe 314. Der von Lerche zugrundegelegte Kompensationsgedanke entspricht dem von Böckenförde gezeichneten Verständnis jener Mittel, die sachlich-inhaltlich demokratische Legitimation herbeiführen. Da sich nach Böckenförde sachlich-inhaltlich demokratische Legitimation sowohl über den exekutiven Weisungsstrang als auch über gesetzliche Direktiven verwirklicht 315, muß gleichsam dem Gesetz kommunizierender Röhren - der Fortfall eines dieser Steuerungsinstrumente die Intensivierung des anderen bewirken. Ausdrücklich zeigt sich dieser verfassungsrechtlich vorausgesetzte Mechanismus im Bereich der Rechtsprechung: Der Preis richterlicher (Weisungs-)Ungebundenheit ist die strikte Gesetzesbindung (Art. 97 Abs. 1 GG). Die VwGO zieht aus der grundgesetzlichen Absage an eine originär politische Gestaltungsfunktion der Judikative durch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Konsequenz, wenn sie dem Richter die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer 313
P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 70.
314
P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 70, sowie dort in FN 171. 315 E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (900); ähnlich auch J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (355), jedoch ohne ausdrücklichen Hinweis auf den exekutiven Weisungsstrang.
320
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
Maßnahme verbietet; folgerichtig handelt sie auch, wenn sie im Gegensatz dazu nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Widerspruchs&e/iörde für berechtigt hält, in ihre Entscheidung auch Zweckmäßigkeitsüberlegungen einfließen zu lassen.
I I . Der korrelative Zusammenhang zwischen sachlich-inhaltlicher und personell-demokratischer Legitimation
Ein korrelativer Zusammenhang besteht jedoch nicht nur zwischen den (beiden) Elementen, die der Erzeugung sachlich-inhaltlich demokratischer Legitimation dienen (Gesetz/Weisung); er besteht auch zwischen den - die übergeordnete Kategorie bildenden - Elementen sachlich-inhaltlicher und personell-demokratischer Legitimation 316. Auch bei ihnen wird kein "statisches" Verhältnis in dem Sinne angenommen, daß beide Faktoren konstant vorzuliegen brauchten; auch bei ihnen wird ein gewisser "Kompensationsmechanismus" vorausgesetzt. Zwar soll keine der beiden Komponenten vollständig, wohl aber in einem gewissen Umfang substituiert werden können, solange dadurch die verfassungsrechtlich postulierte Effektivität demokratischer Legitimation nicht in Frage gestellt wird 317 . Folglich wird beispielsweise angenommen, daß mit der Einrichtung sachlich-unabhängiger Organe die Notwendigkeit umfassender personeller demokratischer Legitimation sowie eine gesetzliche Umgrenzung des Handlungsbereichs318 zu korrespondieren habe. Für zulässig erachtet wird auch, bei einer inhaltlich bestimmten gesetzlichen Normierung "gesellschaftliche Gruppen punktuell an der personellen Besetzung der Organe bzw. Auswahl der Amtswalter zu beteiligen"319; teilweise wird noch weitergehend angenommen, auf die personelle demokratische Legitimation könne verzichtet werden, wenn eine - praktisch allerdings kaum mögliche - gesetzliche Totalprogrammierung erfolge 320. 316
Siehe zur personell-organisatorischen demokratischen Legitimation oben: Erster Teil, Drittes Kapitel, C. 1.2. 317
E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (901). Siehe zu den Vertretern jener Ansicht, die eine personell-organisatorische demokratische Legitimation nicht für notwendig erachten die Nachweise bei J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (356/357), dort in EN 58 und 59. 318
319 3
E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (901). E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (901/902). J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 ( 3 ) .
Β. Determinanten der Regelungsdichte
321
I I I . Die Zuordnungsfünktion des Parlaments
Die korrelativen Zusammenhänge zwischen sachlich-demokratischer (oben: I.) und personell-demokratischer Legitimation (oben: Π.) sowie die skizzierten Folgerungen haben die Aufgabe des Parlaments deutlich werden lassen. Es hat die einzelnen Elemente einander in einer Weise zuzuordnen, die eine effektive demokratische Legitimation herbeifuhren. Da sich der Ver lust exekutiver Ingerenzen schon weitgehend als verwaltungstypologisch geboten herauskristallisiert hat 321 , wird die Zuordnungsfunktion des Parlaments primär darin bestehen, diese Ingerenzverluste durch Sachdirektiven und besondere Formen personell-demokratischer Legitimation abzugleichen. Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchimg ist es nicht, die konkreten Grenzen, in denen die organisatorisch-personelle die sachlich-inhaltliche (demokratische) Legitimation (und umgekehrt) substituieren kann, zu bestimmen. Zu Recht hat Oebbecke unter Hinweis auf die unterschiedlichen historischen Ursprünge, Aufgaben und heterogenen Organisationsstrukturen bemerkt, generelle Aussagen müßten "recht abstrakt formuliert sein, wenn sie die differenzierte Wirklichkeit dieser Selbstverwaltungsformen nicht ungerechtfertigt nivellieren sollen."322 Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung kann deshalb nur darin bestehen, in groben Zügen Grundgedanken zu skizzieren. Die Erarbeitung von Details muß gesondert am Beispiel konkreter Verwaltungsträger erfolgen.
IV. Die Bedeutung der Sachaufgabe
An den Anfang der Überlegungen, die der abstrakten Bestimmung des Verhältnisses von personell- und sachlich-inhaltlich demokratischer Legitimation dienen sollen, darf die Facharztentscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt werden. In ihr judizierte das Bundesverfassungsgericht, daß zwar keine Bedenken daran bestünden, wenn demokratisch gebildete Organe Angelegenheiten323 für die ihr angehörenden und unterworfenen Personen durch Rechtssätze regelten, weil sich der im demokratischen Prinzip wur321
"Î22
Siehe unten: Vierter Teil, Drittes Kapitel, C. III.
J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (352); ähnlich: BVerfG, Beschluß v. 9. 5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33, 125 (157), sowie E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (901). 323 BVerfG, Beschluß v. 9.5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (157). 21 Burmeister
322
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
zelnde Autonomiegedanke324 sinnvoll in das System grundgesetzlicher Ordnung einfüge 325. Gleichwohl dürfe sich der Gesetzgeber seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluß auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen erlassenen Normen preisgeben326. Die Entscheidung ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam. - Zum einen verdeutlicht sie, daß sich personell-demokratische Legitimation nicht ausschließlich über die ministerielle Emennungskette zu vollziehen braucht 3* 7, sondern sich auch über "Selbstbetroffenendemokratie" vollziehen kann328; sie weist Selbstbetroffenenverwaltung als Instrument aus, mit dem "die Zurückdrängung des Staatsvolks auf die institutionelle und funktionelle Legitimation" erfolgen kann329. - Zum anderen wird aber auch die nur begrenzte demokratische Wirkkraft dieser "Selbstbetroffenendemokratie" deutlich330. Die Grenze, jenseits derer die durch die Selbstbetroffenendemokratie herbeigeführte Legitimation nicht mehr "effektiv" war und es zusätzlicher Sachentscheidungen des Parlaments bedurfte, bildeten im konkreten Fall Berufswahlregelungen 331. Ob diese Differenzierung im entschiedenen Fall überzeugt, mag dahingestellt bleiben. Hervorhebung verdient jedoch, daß die demokratische Wirkkraft von alternativen Mechanismen zur Erzeugung demokratischer Legitimation vom jeweiligen Lebens- und Sachbereich abhängig ist. Sie nimmt jedenfalls in dem Maße ab, in dem über das "Verbandsvolk" hinausreichende Auswirkungen erzeugt werden 332. Damit ist zugleich die Brücke von der institutionellen zur sachlichen Regelungsdichte geschlagen und jene letzte Koordinate gewonnen, die die Regelungsdichte insgesamt entscheidend determiniert: Die Sachaufgabe einschließlich der mit ihr verbundenen Einwirkungen (Eingriffe) auf den Bürger. Häberle hat denn auch treffend davon gesprochen, daß das "Ma-
324
BVerfG, Beschluß v. 9.5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (159).
325
BVerfG, Beschluß v. 9.5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (157).
326
BVerfG, Beschluß v. 9.5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (158).
327
328
Siehe dazu oben: Erster Teil, Drittes Kapitel, C. 1.2. Was aber noch längst nicht bedeutet, daß sie sich so vollziehen muß. J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (358).
330
W. Schmitt Glaeser, Partizipation, S. 179 (219): "Das Gericht betont damit vor allem die Kompetenz des Parlaments für politische Grundentscheidungen und die notwendige Einheit des politischen Gemeinwesens." 331 BVerfG, Beschluß v. 9.5.1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (160). 332
J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (38).
C. Institutionelles Regelungsminimum
323
terielle ... hier auf das Formelle zurückwirke)" 333. Nicht zuletzt durch die Akzessorietät von institutioneller Regelungsdichte und Sachbereich schließt sich der Kreis der Wesentlichkeitstheorie; nicht zuletzt sie bestätigt das Untersuchungsergebnis, wonach der Gesetzesvorbehalt ein einheitliches Prinzip bildet.
C. Institutionelles Regelungsminimum Bei der Feststellung einer nach Sachaufgabenbereichen variierenden Verantwortlichkeit des Parlaments334, mit der die Festlegung der institutionellen Mechanismen zur Gewährleistung effektiver demokratischer Legitimation und die Intensität der Sachentscheidungsvorgaben, mithin: die Regelungsdichte, korrespondiert, muß es verbleiben. Verwiesen werden darf jedoch auf die bereits an früherer Stelle skizzierten Überlegungen zum Kreis der in mediatisierter Form überhaupt wahrnehmbaren Aufgaben 335.
Ungeachtet der durch die jeweilige Sachmaterie gebotenen Regelungsdichte bedürfen jedoch jene institutionellen Elemente der gesetzlichen Fixierung, durch die vom Grundsatz des parlamentarischen Regierungssystems ab gewichen wird bzw. in denen diese Abweichung Ausdruck findet. Dabei soll die von Ossenbühl im Zusammenhang mit privatrechtlichen Ausgründungen erhobene Forderung, es bedürfe eines Organisationsgesetzes, in dem der "Aufgabenkreis, die Rückbindung an den staatlichen Verwaltungsapparat nanzierung; Geschäftsführung und andere Details"
(Aufsicht),
geregelt seien336, darauf überprüft werden, ob sie diesen Anforderungen auch entspricht.
333
P. Häberle, Berufsständische Satzungsautonomie, S. 909 (913).
334
Das Bundesverfassungsgericht sprach davon, daß dem Gesetzgeber eine "gesteigerte Verantwortung" erwachse; BVerfG, Beschluß v. 9. 5. 1972, - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, = BVerfGE 33,125 (158). Siehe oben: Vierter Teil, Zweites Kapitel, B. 336
F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (175).
324
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
I. Die Bestimmung des Aufgabenkreises durch Spezialgesetz 1. Das Spezialgesetz
Die Forderung nach der Bestimmung des Aufgabenbereichs impliziert die Forderung nach einer spezialgesetzlichen Grundlage. Sie bildet die Absage an die Vorstellung, Haushaltsansätze oder schon generelle haushaltsrechtliche Bestimmungen bildeten eine ausreichende Grundlage. Eine Auffassung, die vom Oberverwaltungsgericht Münster dezidiert abgelehnt wurde 337 und der auch durch die Organisationsgesetze eine klare Absage erteilt wird. So fordert § 38 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein für die Errichtung öffentlich-rechtlicher Körperschaften, § 42 für Anstalten und schließlich § 47 für Stiftungen jeweils eine spezialgesetzliche Grundlage. Eine spezielle gesetzliche Grundlage fordert § 24 regelmäßig auch für die Aufgabenübertragung auf privatrechtlich strukturierte Verwaltungseinheiten. So kann denn auch nicht ernsthaft angenommen werden, das Parlament dürfe sich auf die Feststellung beschränken, es hege keine Bedenken dagegen, öffentliche Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungsträger erfüllen zu lassen. Zwar läge insofern eine Entscheidung vor, als über das O b M positiv entschieden wäre, das "Ausmaß" bliebe jedoch offen. Gerade letzteres verleiht der parlamentarischen Entscheidung aber Gehalt. Dem Erfordernis einer spezialgesetzlichen Grundlage steht auch nicht die Auslegung der bereits erwähnten landesverfassungsrechtlichen Vorschriften entgegen, die gemeinhin als institutionelle Gesetzesvorbehalte par excellence betrachtet werden 338. So wird beispielsweise zu Art. 77 VerfNRW angenommen, der Gesetzgeber brauche lediglich die sachliche Zuständigkeit allgemein zu regeln 339. Auch in Bayern wird der Gesetzesvorbehalt nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BV nicht dahingehend verstanden, daß jede einzelne Zuständigkeit durch Gesetz festgelegt werden müsse. Die Staatspraxis ist dem gefolgt: Die Bayerische Staatsregierung hat beispielsweise in § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung vom 31. März 1954 die Festlegung der Zuständigkeitsbestimmimg im einzelnen für sich beansprucht; sie kann sich dabei auf die landesverfassungsrechtliche Literatur stützen, die exekutive Zuständigkeitsre337 OVG Münster, Urteil v. 13./27.9.1979 - X V I A 2693/78 -, DÖV 1980, S. 528 (530). Ablehnend auch F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, S. 137 (174/175).
Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, Β. I., sowie Dritter Teil, Drittes Kapitel, A. II. 1. 339
E. Schmidt-Aßmann, Gutachten, S. 13.
C Institutionelles Regelungsminimum
325
gelungen solange zuläßt, als sie durch die Behördeneinrichtung im einzelnen notwendig werden 340. So sehr diese Überlegungen für den Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung überzeugen, so wenig überzeugen sie jedoch für die mittelbare Staatsverwaltung. Einrichtungen der unmittelbaren Staatsverwaltung berühren - abgesehen von ministerialfreien Institutionen - den Grundsatz parlamentarischer Verantwortlichkeit regelmäßig nicht341. Die Situation ist somit nicht vergleichbar. Nicht ohne Grund ist denn auch heftig umstritten, ob verselbständigte Verwaltungsträger in den Anwendungsbereich dieser landesverfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalte fallen 342.
2. Die Bedeutung der Aufgabenbestimmung
Haverkate hält die gesetzliche Fixierung der Zwecke deshalb für erforderlich, weil durch verselbständigte Verwaltungseinheiten sowie durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an organisierte Privatinteressen die "demokratische Herrschaft" primär im Bereich der Kontrolle 343 gefährdet sei. Nur die gesetzliche Fixierung des Zwecks ermögliche eine - vom Demokratieprinzip gebotene - Kontrolle über die ZwecVverfolgung. Das Parlament treffe insofern eine Zweckverdeutlichungspflichi 344. Ob dem zu Recht entgegengehalten wurde, es sei kaum möglich, öffentliche Zwecke zu präzisieren 345, kann dahingestellt bleiben. Vieles spricht jedenfalls dafür, daß in der Vergangenheit gerade deshalb auf eine rechtssatzmäßige Fixierung verzichtet wurde, "um sich für später Beweglichkeit zu erhalten" 346.
340
Th. Meder, Kommentar zur Bayerischen Verfassung, Art. 77, RdNr. 3, und K. Schweiger, Verwaltungsorganisation und Verfassung, S. 4 f. 341
Als Indiz für die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht mag die Entscheidung des BVerwG v. 14.3.1969, - V I I C 37.67, DVB1.1970, S. 735 (736), gewertet werden, in der es ablehnte, aus Art. 77 Abs. 2 BV die "Befugnis, Personen des Privatrechts hoheitliche Funktionen einzuräumen", abzuleiten. 342 Siehe oben: Erster Teil, Zweites Kapitel, B. II., dort FN 147. 343 G. Haverkate, Die Einheit der Verwaltung, S. 217 (222). 344
G. Haverkate, Die Einheit der Verwaltung, S. 217 (230). Sehr deutlich in diesem Sinne auch G. F. Schuppert, "Quangos", S. 153 (159). 345
R. Wahl, Die Einheit der Verwaltung (Diskussionsbeitrag), S. 283; kritisch auch Steinberg, a.a.O. (Diskussionsbeitrag), S. 308, im Hinblick auf die Überbetonung des Gesetzes. 346 G. Haverkate, Die Einheit der Verwaltung, S. 217 (294).
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
326
Mit der Ableitung einer gesetzlichen Regelung aus einer Zweckverdeutlichungspflicht des Parlaments greift Haverkate auf Überlegungen zurück, die bereits im Zusammenhang mit den "Rechtsfragen des Leistimgsstaats"347 anzutreffen sind348. Dort leitete er aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot einen speziellen Gesetzesvorbehalt ab. Da die Zweck-Mittel-Kontrolle ein "grundlegendes Prinzip der rechtsstaatlichen Durchformung des leistenden Staatshandelns" bilde 349 , treffe den Gesetzgeber die Verpflichtung, "den Zweck ... in aller Knappheit... als Voraussetzung für ein zweck-mittel-rationales Handeln der Verwaltung und eine zweck-mittel-rationale (Negativ-) Kontrolle der Rechtsprechung" anzugeben350. Der Gesetzesvorbehalt stellt somit eine notwendige Bedingung der Verhältnismäßigkeitskontrolle 351 dar - er ist die Antwort auf das Verbot der politischen Gestaltung durch die Rechtsprechung352. Daß im Bereich der Verwaltungsorganisation das Gesetz nur in geringem Umfang die Funktion einnehmen kann, eine (gerichtliche) Mittel-ZweckKontrolle zu ermöglichen, dürfte im Verlauf der Untersuchung deutlich geworden sein. Schon die nach herrschender Meinung weite organisatorische Gestaltungsfreiheit des Staates stünde dem entgegen353; das Risiko politischer Gestaltung durch die Rechtsprechung ist hier gering(er). Nach Haverkate soll (deshalb) im Bereich der Verwaltungsorganisation der gesetzlichen Präzisierung die Funktion zufallen, die einheitliche Verfolgung öffentlicher Zwecke zu gewährleisten: "Einheit der Verwaltung ist die Einheit der Verfolgung öffentlicher Zwecke"354. Diese andere Akzentuierung leitet zum nächsten Element über, das im Rahmen des institutionell ausgerichteten
347
So der Titel seiner 1983 veröffentlichten Habilitationsschrift. G. Haverkate, Die Einheit der Verwaltung, S. 217 (230), dort in FN 42.
348
349 350
G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 290. G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 292 (Hervorhebung vom Verfasser). G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 203.
351
352
Vgl. in diesem Zusammenhang E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, S. 887 (902), dort in FN 35. 353 Siehe oben: Vierter Teil, Zweites Kapitel, A. sowie P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, S. 121 (161). Ganz abgesehen davon stellte das BVerfG, Urteil v. 22. 5. 1990 - 2BvG 1/88 -, = BVerfGE 81, 310 (338), die Unanwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das Bund-Länder-Verhältnis bezogen fest. Dies muß erst recht für das Verhältnis zwischen den Staatsorganen gelten. 354 G. Haverkate, Die Einheit der Verwaltung, S. 217 (231).
C. Institutionelles Regelungsminimum
327
Gesetzesvorbehalts eine gesetzliche Fixierung zu erfahren hat: zum Aufsichtsrecht.
I I . Das Aufsichtsrecht (Maßstab - Instrumente - Aufsichtsbehörde)
Die Aufsicht wurde bereits als Instrument erkannt, in dem sich die Rückbindung des verselbständigten Verwaltungsträgers, der "Zusammenhang zwischen unverzichtbarer parlamentarischer Richtungsbestimmung und damit durchaus verträglichem Entscheidungsspielraum des Subsystems"355, ausdrückt. Sie verdeutlicht, wie weit die beim Muttergemeinwesen verbleibende Verantwortimg noch reichen soll. Gerade nachdem die Praxis zeigt, daß verselbständigte Verwaltungsträger Aufgaben wahrnehmen, die einer konditionalen Programmiemng weitgehend entzogen sind356 und sich der Staat überwiegend auf finale Zweckvorgaben beschränkt, wird die besondere Bedeutung der Aufsicht sichtbar. Zur effektiven Wahrnehmung der Aufsicht bedarf die aufsichtsführende Behörde jedoch verbindlicher Maßstäbe. Sie ergeben sich primär aus der vom Verwaltungsträger zu erfüllenden Aufgabe. Die Verknüpfung von Aufsicht und gesetzlicher Zweckfixierung wird damit deutlich: Die Aufsichtsbehörde (als Repräsentant des Muttergemeinwesens) kann der Gefahr eines "Auseinanderfallens des Staates"357 durch verselbständigte, möglicherweise konträre Ziele verfolgende Verwaltungsträger nur dann wirksam entgegenwirken, wenn die Aufgabe zuvor durch das Parlament definiert wurde 358. Dabei hat Lerche zu Recht hervorgehoben, daß eine konkrete gesetzgeberische Zweckbestimmung selbst dann eine Steuerung ermögliche, wenn nur das Instrument der Rechtsaufsicht zur Verfügung stehe359. Dem Erfordernis einer effektiven Aufsichtswahrnehmung entspringt ferner die Notwendigkeit, die Instrumente, möglicherweise auch präventive Ge355
G. F. Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 337. G. F. Schuppert, "Quangos", S. 153 (160).
356
357 358
359
Danckwerts, Verfassungsausschuß Niedersachsen, S. 291. Siehe oben: 1.2.
P. Lerche in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86, RdNr. 70, dort in FN 171; siehe zu diesem Aspekt, bezogen auf privatrechtlich-strukturierte Verwaltungsträger ders., a.a.O., RdNr. 64.
328
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
nehmigungsvorbehalte, und die konkrete Reichweite der Aufsicht zu bestimmen. Hinzu tritt schließlich das Erfordernis, auch àie zuständige Aufsichtsbehörde festzulegen. Dabei gilt festzuhalten, daß die Ausübung der Aufsichtsbefugnisse nicht ohne Grund oftmals den Behörden der obersten oder mittleren Stufe, nicht aber den Gemeinden und Gemeindeverbänden übertragen wird 360 . Nachdem schon die Einwirkungen des Staates auf diese (dann die Aufsicht ausübenden) Institutionen durch Art. 28 Abs. 2 GG reduziert sind, erhöhte eine primär kommunale Aufsichtsausübung noch die Gefahr von Steuerungsdefiziten; dies vor allem dann, wenn (kommunal) gewählte Amtswalter staatliche Funktionen ausüben sollen361. Anders formuliert: Die Fixierung der aufsichtsführenden Stelle entscheidet mit über das Ausmaß, in dem das Muttergemeinwesen Steuerungsdivergenzen "riskiert".
III. Die Geschäftsführung Einer gesetzlichen Fixierung bedarf schließlich die Art und Weise, in der sich die Entscheidungsorgane des verselbständigten Verwaltungsträgers personell rekrutierenIm Verlauf der Untersuchung wurde die, wenn auch nur begrenzte, Legitimationskraft demokratisch gebildeter Organe deutlich363. Im engem Zusammenhang damit steht die Notwendigkeit, das Verfahren der Entscheidungsfindung zu fixieren. Dies vor allem dann, wenn in die Führungsorgane des Verwaltungsträgers "außerstaatliche" Kräfte aufgenommen werden und sie zahlenmäßig so ins Gewicht fallen, daß sie die Tätigkeit der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Vertreter blokkieren könnten364. Innerhalb dieser Eckdaten ist jedoch wieder eine verwaltungstypologisch bedingte variierende Regelungsdichte anzunehmen. So resultiert aus der mitgliedschaftlichen Struktur der öffentlich-rechtlichen Körperschaft das Recht der Mitglieder, die innere Ordnung des verselbständigten Verwal-
360
Siehe z. B. §§ 19 Abs. 2,51 Abs. 2 shLVwG.
361
Siehe als besonderes Beispiel für die Probleme, die die Einbindung (von kommunal gewählten) Amtswaltern in die Staatsorganisation für die staatliche Steuerung aufwirft: Art. 3 a BayVwVfG sowie dazu S. Süß, Selbsteintrittsrecht, S. 1 ff. 362
J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (358/359).
363
Siehe oben: Β. IV., 2. Spiegelstrich.
364
Ablehnend dazu J. Oebbecke, Demokratische Legitimation, S. 349 (368/369).
D. Die Zustimmungsverordnung
329
tungsträgers weitergehend (mit-)gestalten zu können als dies beispielsweise bei öffentlich-rechtlichen Anstalten der Fall ist. Ein Blick in das schleswigholsteinische Landesverwaltungsgesetz bestätigt die Bedenken gegen die Annahme, es gäbe ein in seiner Regelungsdichte statisches Errichtungsgesetz: Während es § 40 Abs. 1 der Körperschaft selbst überläßt, ihre innere Ordnung durch Satzung zu regeln, ist bei der Anstalt gemäß § 44 Abs. 2 dafür die Aufsichtsbehörde zuständig. Auch wenn dies nur "regelmäßig" der Fall sein soll365, ändert das nichts am Grundsatz einer verwaltungstypologisch bedingten unterschiedlichen Regelungsdichte. Hier bestätigt sich lediglich die zutreffende Annahme des (Landes-)Gesetzgebers, daß eine Koordinate im Einzelfall das Gewicht der sonstigen Koordinaten beeinflussen kann - so etwa die besondere Bedeutung der Sachaufgabe 366.
D. Die Zustimmungsverordnung Es ist nicht zu verkennen, daß die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage prima facie den Eindruck einer gewissen Praxisferne erweckt, führt sie doch zu einer nicht unerheblichen quantitativen Belastung des Parlaments. Bezieht man ferner noch die qualitativen Probleme ein, die mit der sehr diffizilen Zuordnungsaufgabe verbunden sind, so mag dieses Urteil noch bestärkt werden. Dies freilich nur solange, als "gesetzliche Grundlage" mit "formellem Gesetz" gleichgesetzt wird. Ungeachtet konkreter Abgrenzungsprobleme 367 bietet sich als Lösung jedoch die Zustimmungsverordnung an. Sie erscheint in geradezu idealtypischer Weise auf den Bereich der Verwaltungsorganisation zugeschnitten. Unter Zustimmungsverordnungen werden Rechtsverordnungen verstanden, die aufgrund einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ergehen, welche das Inkrafttreten des exekutiven Rechtssatzes noch zusätzlich an die Zustimmung des Parlaments koppelt368. Der Einsatz von Zustimmungsverordnungen im Bereich der Verwaltungsorganisation würde auch jenen Anforderungen gerecht, die das Bundesverfas-
365
Vgl. beispielsweise § 40 Abs. 2, § 44 Abs. 2 Satz 2 shLVwG.
366
Siehe oben: Β. II., IV.
Siehe oben: A. 368
Siehe zu den sonstigen Möglichkeiten, eine Kooperation zwischen Parlament und Regierung herbeizuführen: J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 304 ff.
330
5. Teil: 6. Kap.: Die institutionelle Regelungsdichte
sungsgericht aufstellte. So forderte es ein "legitimes Interesse" und sah es dann als gegeben an, wenn es notwendig erscheine "staatliche Regelungen unverzüglich den sich schnell ändernden... Verhältnissen
ohne Durchführung des schwerfälligen Gesetzgebungsverfahrens anzupassen. Daß gerade im Bereich der Verwaltungsorganisation ein Bedürfnis nach rascher Anpassung, präziser: nach zügiger Reaktion, besteht, wurde bereits mehrfach deutlich370. Deutlich wurde (aber) auch, daß die untersuchten Organisationsmaßnahmen zugleich in besonderer Weise das Staatsstrukturprinzip Demokratie berühren. Aber selbst die besondere Bedeutsamkeit dieser Maßnahmen spricht nicht gegen, sondern vielmehr zusätzlicher das Instrument der Zustimmungsverordnung. Ausdrücklich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, sie seien jedenfalls in solchen Sachbereichen mit dem Grundgesetz vereinbar, in denen ein legitimes Interesse des Parlaments anerkannt werden müsse, zwar einerseits die Rechtsetzung auf die Exekutive zu delegieren, sich aber andererseits wegen der Bedeutung der zu treffenden Regelungen - entscheidenden Einfluß auf Erlaß und Inhalt der Verordnungen vorzubehalten."^
Daß in diesem einfachgesetzlich verankerten Zusammenwirken von Parlament und Gubernative kein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz gesehen werden kann, dürfte in Anbetracht der bisherigen Untersuchungsergebnisse deutlich geworden sein: Zustimmungsverordnungen bilden geradezu ein Paradebeispiel für die nachdrücklich zu befürwortende Staatsleitung zur gesamten Hand 372 .
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BVerfG, Beschluß v. 12. 11. 1958, - 2 BvL 4/26, 40/56, 1, 7/57 -, = BVerfGE 8, 274
(321). 370
Siehe oben: Erster Teil, Viertes Kapitel, C.; Dritter Teil, Zweites Kapitel, C. III. 2 zu Art. 87 Abs. 3 GG sowie Dritter Teil, Drittes Kapitel, Β. II. 3. a). 371
BVerfG, Beschluß v. 12. 11. 1958, - 2 BvL 4/26, 40/56, 1, 7/57 -, = BVerfGE 8, 274 (321) (Hervorhebung vom Verfasser). 372 Ein besonders gutes Beispiel für das Zusammenwirken von Parlament und Gubernative bildet Art. 9 Abs. 2 BV, der verfassungsunmittelbar eine Zustimmungsverordnung fordert; siehe dazu BayVerfGH, Entscheidung v. 10. 12.1971 - Vf. 34-VII-71 - , BayVBl. 1972, S. 43, sowie BayVGH, Normenkontroll-Urteil v. 7. 7. 1983 - Nr. 22 Ν 82 A.772 -, BayVBl. 1983, S. 723 (725/726). Vgl. zu Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BerlVtrf.: J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 324.
Zusammenfassung in Thesen 1. Die monarchische Kompetenzpràsumption, mit der eine Beschränkung des Vertretungsorgans auf ausdrücklich verfassungsrechtlich verankerte Mitwirkungsrechte korrespondierte, beruhte auf der Prämisse monarchischer Souveränität. Mit dem Übergang zur Fb/fosouveränität verlor diese Kompetenzverteilungsregel jedoch ihre Geltungskraft; dies geschah spätestens mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung. 2. Die Diskrepanz zwischen de iure (zugunsten des Monarchen) geklärter Souveränitätsfrage und der realpolitischen Entwicklung kam in der Beteiligung der Vertretungskörperschaft(en) an Entscheidungen des Monarchen zum Ausdruck; dies galt insbesondere für den Bereich der Gesetzgebung. Um die Mitwirkung der Vertretungskörperschaft jedoch in Grenzen zu halten, wurde eine inhaltliche Anreicherung des Gesetzesbegriffs auf eingriffsrelevante Maßnahmen vorgenommen. Die zugunsten der Erhaltung des monarchischen Prinzips erfolgte inhaltliche Fixierung des Gesetzesbegriffs mußte folglich ebenfalls mit dem Übergang zum Prinzip der Volkssouveränität fraglich werden. 3. Die im Hinblick auf die Souveränitätsfrage vorgenommene inhaltliche Beschränkung des Gesetzesbegriffs wurde auch daran deutlich, daß es zu gesetzlichen Regelungen in Bereichen kam; die nach dem konstitutionellen Verfassungsrecht allein dem Monarchen zustanden. Dies betraf vor allem den Bereich der Verwaltungsorganisation. Gesetzliche Regelungen auch in diesem Bereich waren möglich, weil gegen einen Verzicht des Monarchen auf ihm zustehende Kompetenzen keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben wurden. Die sog. "fakultativen Gesetze" verdeutlichen damit nicht nur die Relativität konstitutionellen Verfassungsrechts, sondern auch die politisch bedingte Verengung des Rechtssatzbegriffs und seine rechtstheoretische Offenheit. 4. Die grundsätzliche Beschränkung von Mitwirkungsrechten der Vertretungskörperschaft (siehe oben: 1.) auf Maßnahmen mit Eingriffscharakter (siehe oben: 2.) erschien dem vom Liberalismus geprägten Bürgertum des-
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Zusammenfassung in Thesen
halb akzeptabel, weil es der begrenzte Katalog an Staatsaufgaben ermöglichte, die vom Staat ausgehenden Gefahren zu kalkulieren. Folglich entfielen mit der quantitativen und qualitativen Ausweitung der Staatsaufgaben jene Gründe, die die gesellschaftlich tragenden Schichten veranlaßt hatten, staatliche Machtausübung als legitim anzusehen. Zu einer solchen Ausweitung kam es aber durch die Aufnahme des Sozialstaatsprinzips.
5. Dem Eingriffsvorbehalt kam nicht von vornherein die Bedeutung zu, die Sphäre des Individuums zu schützen; diese Zielsetzung stand erst am Ende einer längeren Entwicklung. Zunächst diente er dazu, die Gesellschaft als verfassungsrechtlich bedeutsame Kategorie zu konstituieren. Erst später ge wann der Individualrechtsschutz zunehmend Bedeutung. Die Wesentlichkeitstheorie als objektives grundrechtsungebundenes Prinzip knüpft an diese historische Wurzel (wieder) an. Dies bestätigt der Umstand, daß zu konstitutionellen Zeiten nicht von der "Wesentlichkeits-", sondern von der "Wichtigkeitstheorie" gesprochen wurde und in den Landesverfassungen der Gegenwart eingriffsunabhängige institutionelle Gesetzesvorbehalte anzutreffen sind. 6. Der Fortfall der Gründe, die zum Gesetzesvorbehalt geführt hatten, schließt jedoch nicht aus, daß ihm nimmehr eine andere Funktion zuwuchs (Funktionswandel). Sie ist darin zu sehen, die Auswirkungen demokratisch institutionalisierter Staatlichkeit mit ihrer antropologischen Prämisse (Menschenwürde) zu harmonisieren (,Harmonisierungsfunktion). 7. Das Grundgesetz mißt der demokratisch-personellen Legitimation eine besondere Bedeutung bei. Den Grund dafür bildet der Umstand, daß der vom Amtswalter erhobene Anspruch auf Gehorsam die Prämissen des Demokratieprinzips, die Würde des Menschen und den Gleichheitsgrundsatz, berührt. Durch die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Ernennungskette für jeden Amtswalter sowie durch die von der Verfassung ausdrücklich angeordnete Intensivierung personeller demokratischer Legitimation (Bundeskanzler, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht) wird dem Rechnimg getragen. Dieser Umstand rechtfertigt es, an ihn auch Folgen für die Kompetenzverteilung zugunsten des Parlaments als Organ mit der höchsten personellen demokratischen Legitimation zu knüpfen. 8. Innerhalb der Staatsstrukturprinzipien nimmt das Demokratieprinzip eine besondere Stellung ein; es stellt ein "Grundgrundprinzip" dar. Insofern ist es konsequent, daß damit auch jenem Staatsorgan eine kompetenziell ex-
Zusammenfassung in Thesen
ponierte Position zuwächst, in dem das demokratische Prinzip institutionell Ausdruck findet: dem Parlament. 9. Aus der Stellung des Parlaments als höchstem Staatsorgan folgt die Vermutung,, daß ihm die exklusive Kompetenz des "letzten", nicht aber auch des "ersten Worts" zusteht. Die verfassungsunmittelbare demokratisch-institutionelle Legitimation der Exekutive stünde der Annahme eines parlamentarischen Totalvorbehalts entgegen. Das Grundgesetz sanktioniert durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG eine funktionsorientierte Kompetenzzuweisimg. 10. Die Zuständigkeitsvermutung zugunsten des Parlaments findet am Grundsatz des Verfassungsstaates ihre absolute Grenze. Gesetzesstrukturell bedingte Zuständigkeitsvermutungen können daher konkrete Kompetenzzuweisungen nicht unterlaufen; das grundgesetzliche Verfassungsrecht unterscheidet sich insofern erheblich vom konstitutionellen Staatsrecht (siehe oben: 3.). 11. Obgleich die verfassungshistorische Entwicklung (siehe oben: 1. - 5.) für einen prinzipiell "offenen Gesetzesbegriff' streitet, läßt sich dem Grundgesetz entnehmen, daß das Parlament im Bereich der Verwaltungsorganisation sein Zugriffsrecht nur m staatsrechtlich konstruktiver Form wahrnehmen darf; dieses Erfordernis wirkt auf den Inhalt des Gesetzes zurück. Die insoweit bestehende Modifikation des legislativen Zugriffsrechts ergibt sich aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG (Grundnorm) und Art. 86 Satz 2 GG (Konkretisierungsnorm): a) Art. 86 Satz 2 GG gestattet der Legislative Zugriffe auf die Verwaltungsorganisation nur, wenn sie mit konkreten parlamentarischen Sachentscheidungen im Zusammenhang stehen. b) Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG bildet eine kompetenzielle Generalklausel, die im hochtechnisierten Sozialstaat der Entstehung von kompetenziellen Vakuen entgegenwirken soll. Das Grundgesetz reagiert damit auf den nicht abschließenden Bestand an Staatsaufgaben (siehe oben: 4). Daraus folgt, daß Gesetzesvorbehalte, die die Komplementärfunktion der Exekutive negieren, Ausnahmefälle darstellen. Aus dem Gebot positiver Gestaltung resultiert das Verbot, für Bereiche, die nicht dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt unterfallen, Gestaltungssperren organisatorischen Inhalts zu Lasten der Exekutive zu errichten. 12. Die Bestrebungen, das ausdrücklich in Art. 86 Satz 2 GG vorausgesetzte legislative Zugriffsrecht zu beschränken, sind auch für den Problem-
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bereich "allgemeiner institutioneller Gesetzesvorbehalt" bedeutsam, weil die Verfassung dem Parlament nicht auf der einen Seite jene Bereiche zur ausschließlichen Gestaltung zuweisen kann, die sie auf der anderen Seite ausschließlich der Exekutive vorbehält. 13. Der 8. Abschnitt des Grundgesetzes zeichnet sich durch eine hohe Regelungsdichte (föderativ-, kompetenziell- und verwaltungstypologisch motivierte Regelungen) aus. Bereits dieser Umstand spricht gegen seinen abschließenden Charakter. 14. Entgegen teilweise vertretener Ansicht beantworten weder Art. 86 Satz 2, noch Art. 84 Abs. 1 oder Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG die Frage nach einem Gesetzesvorbehalt für alle Fälle der Errichtung von verselbständigten Verwaltungsträgern. a) Art. 86 Satz 2 GG vermag dies deshalb nicht, weil die dort vorgesehene gesetzliche Regelung keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung postuliert, sondern ein (modifiziertes; vgl. oben 11. a)) legislatives Zugriffsrecht zum Ausdruck bringt. Selbst wenn er jedoch als Bestimmung anzusehen wäre, die eine immer nur gesetzesakzessorische Organisationskompetenz der Exekutive begründete, bliebe noch immer die Frage eines Gesetzesvorbehalts für Organisationsmaßnahmen im Bereich nichtgesetzesakzessorischer Verwaltung offen. b) Auch Art. 84 Abs. 1 GG beantwortet die Frage eines institutionellen Gesetzesvorbehalts nicht, weil sich bei ihm die exklusiv föderativ-sichernde Funktion des Gesetzesvorbehalts - unabhängig vom Organisationstypus gezeigt hat.
-
c) Auch der Gesetzesvorbehalt nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG kann die Lücke nicht schließen. Er findet nur dann Anwendung, wenn die Errichtung von verselbständigten Verwaltungsträgern in Aufgabenbereichen anvisiert wird, für die die Verwaltungskompetenz des Gesamtstaates erst noch begründet werden muß. Wie bei Art. 84 Abs. 1 GG, so nimmt auch bei Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG der Gesetzesvorbehalt eine Schutzfunktion zugunsten des föderativen Prinzips wahr. 15. Die Gesetzesvorbehalte nach Art. 84 Abs. 1 GG sowie Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG sind jedoch insofern bedeutsam, als der Verfassunggeber mit ihnen ausdrücklich zu erkennen gab, daß bestimmte Organisationsmaßnahmen eine für das Staatsstrukturprinzip Föderalismus bedeutsame 'Wesentlich-
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keif aufweisen. Insofern bilden sie den Ansatzpunkt für Überlegungen, auch aus der besonderen Betroffenheit anderer Staatsfundamentalprinzipien eine exklusiv parlamentarische Zuständigkeit abzuleiten (siehe unten: 23. b)). 16. Der 8. Abschnitt des Grundgesetzes trifft keine abschließende Regelung über die Verteilung der Organisationsgewalt. Dies ergibt sich nicht nur aus der Regelungsdichte, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte dieses Abschnitts (siehe oben: 13.). 17. Der Versuch, das grundgesetzliche Organisationsrecht durch die Rezeption verwaltungsorganisationsrechtlicher Grundsätze der Weimarer Reichsverfassung zu ergänzen, begegnet schwerwiegenden Bedenken: a) Während unter der Weimarer Reichsverfassimg die Verteilung organisationsrechtlicher Kompetenzen zwischen zwei gleichermaßen (unmittelbar) demokratisch legitimierten Staatsorganen (Parlament/Präsident) erfolgte, verfügt das Grundgesetz nur über ein demokratisch unmittelbar legitimiertes Staatsorgan. b) Die Zuständigkeit des Parlaments für organisatorische Maßnahmen war unter der Weimarer Reichsverfassung - wie teilweise auch bei der Reichsverfassung von 1871 - oft Folge des Umstands, daß das Parlament als verfassungsändernder Gesetzgeber tätig wurde. - Es wurde entweder formell nach Art. 76 WRV tätig, wozu insbesondere die noch nicht entwickelte Organisationstypologie, der ein System abgestufter Staatsnähe unbekannt war, zwang; - oder es nahm materiell über Art. 14 WRV, mit dem über den föderativen Gehalt der Verfassung entschieden wurde, verfassunggebende Funktionen wahr. Dabei begünstigte die Annahme, der Gesetzgeber sei nicht auf die kompetenzbegründende Feststellung beschränkt, die Vergesetzlichung des Verwaltungsorganisationsrechts. Parlamentsgesetze im Bereich der Verwaltungsorganisation stellten somit keine spezifische Reaktion auf Organisationsmaßnahmen einer bestimmten Verwaltungstypologie dar (vgl. oben: 14.). c) Die Rezeption kompetenzieller Grundsätze der WRV beinhaltet darüber hinaus die Gefahr, selbst noch Wertungen konstitutionellen Verfassungsrechts zu rezipieren. Bereits unter der Weimarer Reichsverfassung hätte die Rezeption konstitutionellen Organisationsrechts einer kritischen Untersuchung unterzogen werden müssen: So ist - vorbehaltlich vertiefender Quellenstudien - nicht auszuschließen, daß durch die Anknüpfung an konstitu-
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tionelle Gesetze schon unter der Weimarer Reichsverfassimg deren kompetenzielles Koordinatensystem verzerrt wurde. Dies gilt namentlich für die Anknüpfung an verfassungsändernde Organisationsgesetze, die unter dem Kaiserreich im Hinblick auf den Schutz des föderativen Prinzips erforderlich geworden waren.
d) Die Anlehnung an konstitutionelle Vorstellungen von der Bedeutung des Organisationsrechts sowie die fehlende Klarheit über den föderativen Gehalt der Verfassung verhinderten auch unter der Weimarer Reichsverfassung die Entwicklung einer strukturierten Verwaltungstypologie. Eine klare Verwaltungstypologie hätte aber die Klärung kompetenzieller Fragen (zumindest) begünstigt. 18. Es ist eine Tradition des deutschen Staatsrechts festzustellen, die Entscheidung grundlegender Fragen pluralistisch strukturierten Staatsorganen zu überlassen. Dies zeigt sich namentlich an Art. 14 WRV für das föderative Prinzip (siehe oben: 17. b)). 19. Zuständigkeitsregelungen stellen in besonderem Maße eine Beziehimg zur materiellen Regelung her. Soweit sie jedoch ausschließlich dann als kompetenzverdichtendes Kriterium herangezogen werden, wenn die Sachregelung dem Eingriffsvorbehalt unterfällt, widerspricht dies dem Wesen des Gesetzesvorbehalts als grundrechtsungebundenem objektiven Prinzip (siehe oben 5.). 20. Aus der Ratio des Gesetzgebungsverfahrens dürfen deshalb Rückschlüsse auf die kompetenzverdichtenden Kriterien gezogen werden, weil eine exklusive Verknüpfung von Entscheidungsfindungsverfahren und Entscheidungsträger besteht. 21. Das Gesetzgebungsverfahren dient der Intensivierung von Legitimität. Als Verfahrensinstrument ausschließlich des Parlaments bestätigt es zugleich dessen Primäraufgabe, Legitimität zu erhalten. Dem politischen Umstrittensein einer Frage kommt dabei indikatorische Bedeutung zu. 22. Die Ableitung bestimmter Entscheidungsinhalte aus der Eigenart des Gesetzgebungsverfahrens führt jedoch nicht dazu, dem Parlament die Entscheidung von Fragen zu verwehren, die nicht jene spezifische Beziehung zum Gesetzgebungsverfahren aufweisen. Vom Wesen des Gesetzgebungsverfahrens ist das Wesen des Gesetzes zu unterscheiden; dem entspricht die Unterscheidung von legislativem Zugriffsrecht und Gesetzesvorbehalt.
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23. Die Verdichtung des legislativen Zugriffsrechts zu einer exklusiv parlamentarischen Kompetenz erfolgt, wenn Organisationsmaßnahmen in besonderer Weise die Staatsstrukturprinüpien berühren. Die Orientierung an der "Betroffenheit" von Staatsstrukturprinzipien harmoniert sowohl mit dem bundesverfassungsgerichtlichen Wesentlichkeitsansatz als auch mit den bisherigen Untersuchungsergebnissen: a) Mit der Wesentlichkeitstheorie harmoniert sie insofern, als die Staatsstrukturprinzipien kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Aussage (Art. 79 Abs. 3 GG) über dieselbe Dignität wie jener Bereich verfügen, der schon bisher zur Bestimmung der Vorbehaltsbereiche herangezogen wurde: der Grundrechtsbereich. b) Darüber hinaus zeigte sich, daß - im 8. Abschnitt des GG die parlamentarische Zuständigkeit dann ausdrücklich angeordnet wird, wenn das Staatsstrukturprinzip "Bundesstaat" besonders intensiv betroffen ist (siehe oben: 15.) und - auch aus einem besonderen Legitmierungsbedürfnis eine exklusiv-parlamentarische Zusändigkeit entstehen kann (siehe oben: 21.); ein solches Bedürfnis wird besonders dann anzunehmen sein, wenn Staatsstrukturprinzipien betroffen sind. 24. Trotz der unterschiedlichen Formen mittelbarer Staatsverwaltung und deren funktionellen Ausrichtung ist ihnen übereinstimmend eine gewisse Ambivalenz zu eigen: Einerseits zeichnet sich mittelbare Staatsverwaltung durch eine (vom Ausmaß her im Einzelfall variierende) Distanz zum Muttergemeinwesen aus; andererseits bleibt eine permanente Rückbindung bestehen. Mittelbare Staatsverwaltung bildet daher das staatsorganisatorische Prinzip institutionell gestufter Verantwortlichkeit. Diese Ambivalenz erfordert, von der zivilrechtlichen Begriffswelt (partiell) Abstand zu nehmen. 25. Durch die Aufnahme der Organisationsform "mittelbare Staatsverwaltung" ins Grundgesetz erhält die unterschiedliche organisatorische Nähe zum Muttergemeinwesen verfassungsrechtliche Bedeutung. Sie wird dadurch zu mehr als einer ausschließlich verwaltungswissenschaftlich bedeutsamen Kategorie.
26. Nachdem sich Staatsferne im Bereich der Verwaltungsorganisation primär in der Reichweite des exekutiven Einzelweisungsrechts ausdrückt, ist e gerechtfertigt, daran kompetenzielle Folgerungen zu knüpfen: Die Reduzierung bzw. Ausschaltung des ministeriellen Weisungsstrangs betrifft ein 22 Burmeister
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Strukturprinzip der Verfassung, da das Weisungsrecht (auch) dazu dient, den mittelbaren Einfluß des Parlaments zu gewährleisten (parlamentarisches Regierungssystem). Indem es die Herbeiführung sachlich-inhaltlicher demokratischer Legitimation verfolgt, partizipiert es an der Bedeutimg des Staatsstrukturprinzips Demokratie (siehe oben: 23.). Organisationsmaßnahmen, die diesen Mechanismus abändern, fallen daher in die exklusiv parlamentarische Entscheidungsgewalt. 27. Die organisatorisch-institutionelle Selbständigkeit der Regierung (im formellen Sinne) steht dieser parlamentarischen Entscheidungskompetenz auch nicht entgegen, da weite Aufgabenbereiche der Regierung dem Vorbehalt des parlamentarischen Zugriffs unterliegen. Grenzen ergeben sich neben den ausdrücklichen und "faktischen" Kompetenzzuweisungen jedoch auch aus der Komplementärfunktion der Exekutive. Dem Parlament ist es daher verwehrt, für die Exekutive in Sachbereichen, die keinem (rechtsstaatlichen) Gesetzesvorbehalt unterfallen, organisationsrechtliche "Gesetzesvorbehalte" vorzusehen oder in jenen Organisationsbereich einzugreifen, in dem die politische Komplementärfunktion ihren organisatorischen Ausgangspunkt findet: im Ministerialbereich (siehe oben: 9. und 11.). 28. Die Einrichtung weisungsfreier Räume ist nicht generell verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus Art. 24 Abs. 1 GG, sowie daraus, daß das Grundgesetz durch das föderative und das Ressortprinzip Steuerungsdefizite toleriert. 29. Die Regelungsdichte des organisationsrechtlichen Rechtssatzes richtet sich danach, welches Maß an effektiver demokratischer Legitimation bestehen muß. Bestimmend dafür ist der jeweilige Aufgabenbereich. Innerhalb des so gezogenen Rahmens hat das Parlament die Aufgabe, die Faktoren "personell-demokratische" und "sachlich-inhaltlich demokratische Legitimation" einander zuzuordnen. Dabei hat mit der Abschwächimg des einen Faktors eine Intensivierung des anderen zu korrespondieren. Unabhängig von der durch den jeweiligen Sachbereich gebotenen demokratischen Legitimation bedürfen a) der Zweck; b) die Aufsicht (Ausmaß, Instrumente, Aufsichtsbehörde) und c) die Rekrutierung sowie Strukturierung der Führungsorgane einer rechtssatzmäßigen Festlegung.
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30. Im Interesse eines flexiblen Agierens der Verwaltung einerseits und der besonderen Verantwortung des Parlaments für die staatliche Einheit andererseits, ist es angezeigt, so weit wie möglich auf das Instrument der Zustimmungsverordnung zurückzugreifen.
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